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German Pages 278 [280] Year 1956
OTTO SAMUEL • DIE ONTOLOGIE DER KULTUR
OTTO SAMUEL
DIE ONTOLOGIE DER KULTUR EINE EINFÜHRUNG IN DIE MEONTOLOGIE
WALTER DE GRUYTER&CO. VORMALS G. J . CÖSCHENSCHE VERLAGSHANDLUNG . J . GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG . GEORG R E I H E R . KARL J . TRÜBNER . V E I T & COMP.
B E R L I N 1956
©
Archiv-Nr. 42 56 56 Copyright 1956 by Walter de Gruyter & Co. Alle Hechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Übersetzung, der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Satz: Walterde Gruyter & Co., Berlin W 35 • Druck: Deutsche Zentraldruckerei, Berlin SW 11
Vorwort In der Welt der Dichter und Denker erscheinen vielfache Kennzeichnungen des M e n s c h e n . Nach Goethe steht über dem Menschen das Wort: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen". Das ist der Faustische (und auch in gewissem Sinne der Kantische) Mensch. Nach Aristoteles ist der Mensch das politische, nach Nietzsche das leidendste Tier, das sich das Lachen erschuf, nach Ernst Cassirer das symbolische Tier. Nach Heidegger ist der Mensch überhaupt kein Tier, sondern etwas ganz anderes, der Hirte des Seins. Nach Ernest Kapp ist der Mensch das nach dem Vorbild seiner eigenen Organe Werkzeuge bauende Wesen, das nur so zum Selbstverständnis gelangt, usw. usw. Die hier dargebotene Einführung in die Meontologie (das Wort wird auf den ersten Seiten dieses Buches erklärt werden) möchte eine andere Kennzeichnung des Menschen vorschlagen, die aber mit den meisten der angeführten Beispiele in engstem Zusammenhang steht: der Mensch ist das Wesen, das nur auf fruchtbaren U m w e g e n seine Ziele erreicht. Gegenüber dem Tier, als dem Wesen der Unmittelbarkeit, ist der Mensch das Wesen der Mittelbarkeit, der Vermittlungen, der Umwege (so schon Hegel). Diese Umwege sind mit geodätischen Weltlinien zu vergleichen, die Umwege nur in einem dreidimensionalen Ganzen sind, nicht aber in einem „gekrümmten" Ganzen von mehr als drei Dimensionen, in dem die tierische Unmittelbarkeit in Wahrheit Umwege darstellt. Die menschlichen produktiven Umwege sind solche der Schauungen, der Sprache (mit ihren symbolischen Formen), des Denkens mit seiner Reflexion und Diskursivität, des Wollens mit seinem Faustischen Streben, des Sich-Gesellens mit seinen politischen Auswirkungen, des Seins, das das Seiende hütet wie ein guter Hirte, des Fühlens mit seinem Werte schaffenden Gestalten, des Glaubens mit seinem religiösem Verhalten, usw. Die Meontologie hat es besonders mit e i n e m Umweg zu tun, der eine uralte Idee darstellt. Sie hat von jeher die Welt von einem verborgenen Zentralpunkt aus gesehen, der sie zu e i n e r b l o ß e n E r s c h e i n u n g s w e l t macht, der in theoretisch-intellektualistischer Hinsicht eine g a n z a n d e r e , in praktisch ethischer Hinsicht eine b e s s e r e u n d w a h r h a f t i g e r e Welt entgegengesetzt wurde. Diese Scheidung und Unterscheidung nahm mancherlei Ausdrucksformen an, die es alle irgendwie mit einer Anders-, Hinter- und Überweltlichkeit zu tun hatten. Der unauslöschliche Durst nach Erkenntnis und das Sehnen des menschlichen Herzens hat sich weitgehend in dieser uralten Idee ausgesprochen. Aber sie fand eine verschiedene Aufnahme in der modernen Philosophie. Entweder wurde diese höhere Welt ganz abgelehnt, sie erschien nur als eine zweite und verschlechterte Auflage unserer einen Erscheinungswelt,
VI vergleichbar dem Argument vom „dritten Menschen", mit dem Aristoteles die Platonische Ideenlehre kritisiert; oder ihr wurde nur ein relatives Recht zugestanden, und so wurde das, was aller Erscheinung entgegengesetzt sein sollte, zu einem Bürger der Erscheinungswelt selbst; oder sie wurde ernst genommen und führte so zu einem transzendenten Akosmismus. Die Meontologie nimmt diese uralte Idee wirklich g a n z e r n s t , behauptet aber, d a ß d i e b e i d e n a n s c h e i n e n d g e t r e n n t e n W e l t e n i n W i r k l i c h k e i t n u r e i n e W e l t im h ö h e r e n S i n n e d a r s t e l l e n , i n d e r d i e B i f u r k a t i o n ü b e r w u n d e n i s t . Die Meontologie lehnt jede R e l a t i v i e r u n g und jede E l i m i n i e r u n g desjenigen Elementes in der uralten Idee, das sich zum transzendenten Akosmismus ausbildet, ab. A b e r sie w e i s t a u c h d i e s e n z u r ü c k , und sie findet gerade in dieser Kombination die beste Rechtfertigung des gesunden Menschenverstandes. Aber um dieses Ziel zu erreichen, muß der Umweg, der das Echtmenschliche kennzeichnet (und der deshalb die eigentlich kulturschöpferische Macht ist) v o n g a n z r a d i k a l e r A r t sein. Es ist der „meontologische" Radikalismus einer N e g a t i v i t ä t , die nur so in das A l l e r p o s i t i v s t e durchbricht. In diesem Sinne ist der Mensch das Nein-sagende, kritische Wesen, und das ist sein eigentlicher allmenschheitlicher Umweg, der die fruchtbarsten Leistungen hervorbringt. Die Sternkonstellation der heutigen Philosophie ist durch Namen gekennzeichnet wie: Ernst Cassirer, Nicolai Hartmann, Martin Heidegger, Edmund Husserl, Karl Jaspers, Bertrand Russell, Max Scheler, A. N. Whitehead, usw. Die Meontologie stellt sich unter diese Konstellation in der Hoffnung, daß die Sternstunde ihr nicht ganz ungünstig sein möge. Brooklyn, N.Y. November 1955 Otto Samuel
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Inhalt Vorrede
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I. Teil: D a s G r u n d p r i n z i p der K u l t u r o n t o l o g i e
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1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Der bedingende Geist Der Ursprung des meontologischen Grundprinzips Von der Unterscheidung zwischen Ansichsein und Erscheinung . . . Meontologie und Naturwissenschaft Paradoxes Verhalten des Menschen zum Meontisch-Meontologischen . Grundlegende Kategorien Kategorialitäten und Kategoriate Totaler oder partieller Substanzverlust Die innere Gliederung der Kultur
II. Teil: D a s m e o n t o l o g i s c h e F o r m p r o b l e m 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.
Die bedingende Zeit Das unendlich Große und das unendlich Kleine Zeitlichkeiten in den Kulturbereichen Die Zeit-Perichorese Der Begriffswandel in den Kultursphären Der bedingende R a u m Der R a u m in den Kultursphären Die Raumzeitlichkeit
III. Teil: D a s m e o n t o l o g i s c h e I n h a l t s p r o b l e m 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.
Die bedingende Materialität als Gegenspieler zur Form Die Kategorie der Qualität Die Qualität in den Kultursphären Die Kategorie der Quantität Das Ding an sich Das bedingende Ist Die Kategorie der Substanz Die Kategorien der Kausalität und Wechselwirkung Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 27. Das Leben 28. Gliederung und Entwicklung des Lebens 29. Die Lehre von den Doppelideen 30. Instinkthandlungen 31. Letzte Ansagen über die Ethik 32. Meontologie und Theologie I. Die Frage nach einer meontologischen Theologie I I . Die organisierte Religion I I I . Religion und Naturwissenschaft IV. Das Meontische in der Religion V. Das Trinitätsproblem VI. Die Apologetik VII. Schuld und Unschuld VIII. Meontologische Theologie im negativen und positiven Verstände. I X . Biblische Beispiele X. Die pleromatische Ermöglichung einer meontologischen Theologie
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101 101 108 114 116 119 123 138 146 163 215 221 226 229 231 238 238 240 248 250 251 254 257 259 262 267
Vorrede Wenn wir unter K u l t u r die Gesamtheit der leiblich-seelisch-geistigen Lebensbekundungen des Menschen verstehen, dann ist K u l t u r p h i l o s o p h i e das Bemühen um das Verständnis der Strukturen dieser Lebensbekundungen. Die K u l t u r o n t o l o g i e hebt aus diesem Ganzen die darin waltenden S e i n s g e s e t z e hervor, erstrebt das damit zusammenhängende S e i n s v e r s t ä n d n i s , um das verborgene Bedingende zu Gesicht zu bekommen, in dessen Licht die Kulturphänomene stehen. Um eine solche Ontologie der Kultur handelt es sich in diesem Buch. Die besondere Art von Ontologie, zu der der Verfasser gelangt ist, bezeichnet er als „Meontologie", indem er mit dem Wort „Ontologie" die griechische Verneinungspartikel ,,me" verbindet. Der Grund für die sprachliche Neubildung dieses Wortes und seiner Derivate liegt in der Überzeugung, daß das wahre Sein uns wie Nichtsein erscheint (ohne Nichtsein zu sein), wobei das Sein und erst recht das Seiende in eine Krisis hineinkommen. Damit stehen einige wenige etwas ungewöhnliche Wortprägungen in Verbindung, die aus den Notwendigkeiten dieser Problematik heraus geboren werden. Es wird gut sein, sie in einer kleinen Übersicht vorzuführen. Die Ontologie hat es mit dem Bedingenden von Sein und Seiendem zu tun. Soweit es sich dabei um das handelt, was der Verfasser die erste Kultursphäre nennt, das theoretische Verhalten des Menschen, ist mit diesem ontologischen ein erkenntnistheoretisches Moment unzertrennbar verbunden. Dieses hat es mit der bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt zu tun, der theoretischen wie aller kulturellen Erfahrungen. Der höchste Begriff, zu dem diese Untersuchung gelangt, ist der des bedingenden Geistes, und zwar sowohl in ontologischer als auch in erkenntnistheoretischer Hinsicht, d. h. als bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt (erkenntnistheoretisch), ihrer Inhalte und ihrer Gegenstände (ontologisch). Weiterhin ist dem Ontologischen das Ontische zugestellt. Das Sein entspricht dem Ontologischen, das Seiende dem Ontischen. Die Durchführung des meontologischen Grundprinzips leitet nun zu einem anderen obersten Begriff hin, der dem des bedingenden Geistes zugeordnet ist: das Meontisch-Meontologische, das ein wichtiges Methodenwerkzeug für die Kulturontologie wird. Es wird auf einem Wege erreicht, den uns Kant gewiesen hat. Es handelt sich dabei um etwas, was sowohl ontologische als auch ontische und erkenntnistheoretische Bedeutung besitzt, und das ist: die Wichtigkeit der rechten Unterscheidung von Ansichsein und Erscheinung. Die volle Würdigung dieses Problems führt zum Begriff der totalen Ander1
S a m u e l , Ontologie
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Vorrede
heit, durch die das Verhältnis des Ansich zur Erscheinung gekennzeichnet wird. Es zeigt sich, daß sich diese totale Anderheit innerhalb der Kulturerscheinungen phänomenalisiert und so das innere Verhältnis der Kulturbereiche zueinander bestimmt. Die totale Anderheit bleibt dabei erhalten, soweit das die Struktur von Erscheinung überhaupt erlaubt. Natürlich erleidet dabei die totale Anderheit, die zwischen Ansich und Erscheinung herrscht, einen Substanzverlust. Sie ist nicht mehr volle totale Anderheit in diesem Sinne, aber sie ist phänomenale totale Anderheit. D a b e i t r i t t sie in so viel a r t e i g n e n e G r u n d t y p e n a u f , als es K u l t u r b e r e i c h e g i b t . Das gilt wenigstens von den r e i n e n Kultursphären, von denen wir fünf unterscheiden, während sie bei den unzähligen Mischformen ihre strenge kategoriale Bedeutung verliert. Dieses Resultat ist deshalb so wichtig, weil es uns erlaubt, aus ihm ein methodisches Instrument zu schmieden, durch das wir das S p e z i f i s c h e der Kulturbereiche zu erkennen vermögen und uns von den vielen Vorurteilen, Äquivokationen, Aporien und Antinomien befreien können, in die wir hineingeraten, wenn wir verkennen, wie so ganz anders die Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriffe und die Kategoriensysteme sind, die die einzelnen Kulturbereiche und oft auch ihre Unterarten anwenden. Diese totale Anderheit geht viel weiter, als der erste Blick zu zeigen schien. Wenn wir glauben, ihre Grenze erreicht zu haben, so wird sie doch immer wieder überschritten. Sie geht bis zu einem solchen Extrem, daß es ontologisch sinnvoll wird, von der t o t a l e n A n d e r h e i t s o g a r des r e i n e n S e i n s zu s p r e c h e n , was wir aber ganz und gar nicht im Sinne des Neuplatonismus meinen. Gerade hierbei wird die Ontologie zur Meontologie. Das meontologische Bewußtsein strebt nach der Wesensschau dieser totalen Anderheit und ihrer Phänomenalisierung in echten Spezies, und gelangt so zu dem Verständnis, daß die Ontologie der Kultur Meontologie der Kultur ist. Das was uns wie Nichtsein erscheint, ohne Nichtsein zu sein, kann also nicht mehr als „das wahre Sein" bezeichnet werden, denn es handelt sich dabei um die totale Anderheit sogar des Seins. Wir könnten höchstens sagen, es sei das, was mit dem wahren Sein eigentlich gemeint ist. Hier empfiehlt sich die Einführung der meontologischen Anführungszeichen. In ihrem Sinne bedeutet dann „wahres Sein" die Anwesenheit eines Bewußtseins davon, daß wir bei diesem Ausdruck, der in solche Anführungszeichen gesetzt ist, einen sprachlichen und denkerischen Fehler begehen, der unvermeidlich ist. Er beruht darauf, daß wir zwar wissen, d a ß es eine totale Anderheit des reinen Seins gibt, aber nicht, was sie eigentlich ist. Wir müssen fortwährend Termini anwenden, die mit einem solchen Fehler behaftet sind, auch wenn wir sie nicht jedesmal in Anführungszeichen setzen. So sind schon in dem vorigen Satz die Worte „gibt" und „ist" von dieser Art. Durch gewisse Umschreibungen in einem vorgeschrittenen Stadium der Untersuchung können wir diese Fehler bis zu einem hohen Grade ausschalten und berichtigen. Das ist so ähnlich, wie bei einer mathematischen Rechnung die Verwen-
Vorrede
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dung von ^ —1 im Resultat wieder ausfällt. Das Wahre, das uns wie Nichtsein erscheint, bezeichnen wir deshalb als „Sein"-wie-Nichtsein, wobei die verwendeten Anführungszeichen meontologischer Art sind, um anzudeuten, daß die totale Andersartigkeit des Seins gemeint ist, und daß ein unvermeidlicher Denkfehler gemacht wurde. Für dieses „Sein"-wie-Nichtsein verwenden wir auch den Ausdruck: konkretes Nichts, das wir vom abstrakten unterscheiden. Denn dieses Nichts ist ja nicht an sich nichts, sondern geradezu die Bezeichnung für die Fülle der Wirklichkeit selbst. Damit kommen wir zu der zweiten Reihe unserer meontologisch«n Grundbegriffe, die es nicht mehr mit dem kritisch-Negativen zu tun haben, sondern mit dem Meontologisch-Positiven. Das konkrete Nichts ist Hülle der Fülle. Wir sprechen da von einem Pleroma und sogar von einem nichtshaften Pleroma des Kulturgeistes und der Kulturwirklichkeiten. Das Meontisch-Meontologische ist uns geradezu identisch mit dem wahren Pleroma; und weil gerade an dieser Stelle der erkenntnistheoretische Bezug auf die bedingende Ermöglichung von Erfahrbar keit überhaupt ungebrochen erhalten wird, müssen wir abermals davor warnen, dieses Pleroma im neuplatonischen Sinne zu verstehen. Mit den phänomenalen totalen Anderheiten in den verschiedenen Kulturbereichen erscheint in jedem derselben ein spezifisches erscheinliches Pleroma als Ausdruck der kulturellen Totalität der betreffenden Sphäre. Das ist z. B. im Theoretischen die Wahrheit, im Ästhetischen die Schönheit, im Ethischen die Güte usw. Sofern wir aber den meontologischnegativ-kritischen Charakter des Pleroma und seiner Erscheinungsweisen bezeichnen wollen, haben wir die Ausdrücke „drittes Neutrales" und „drittes Erfüllendes" gewählt. Sie stehen in Verbindung mit wichtigen Einzelproblemen der Kulturontologie, so z. B. mit dem Zeitproblem, wenn gesagt wird, das dritte Neutrale sei weder Prozeß noch Prozeßlosigkeit, sondern drittes Erfüllendes zu beiden. Es ist in der Erscheinungswelt nicht aufzufinden, sondern ist auf das Ansich bezogen. „Es ist jetzt in diesem Augenblick" kann nur unter Verwendung der meontologischen Anführungszeichen von ihm gesagt werden: d. h., wir müssen uns bewußt sein, welche bestimmten Fehler wir hierbei begehen, müssen deren Gründe kennen und Methoden der Berichtigung anwenden. In ähnlicher Weise erweist sich der Begriff des dritten Neutralen, durch das das Meontisch-Meontologische und der bedingende Geist in bestimmter Hinsicht gekennzeichnet werden, bei den so bedeutsamen Problemen vom Ganzen und seinen Teilen, des Personenbegriffes und der Vollkommenheitsideale in den Kulturbereichen, als wichtiges Mittel zur Lösung. Wir hoffen, daß der so viel umstrittene Geistbegriff durch meontologische Erörterungen dieser Art geklärt werden kann. Dadurch wird auch verhindert, daß die kulturontologische Methodik des Begriffs der totalen Anderheit nicht in einen haltlosen Relativismus ausartet. Das Verhältnis der allgemeinen Ontologie zu allen Einzelwissenschaften weist eine Antinomie auf. In jeder Wissenschaft liegt eine 1»
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Vorrede
Ontotogie eingebettet, die herausgearbeitet werden kann, und die die Seinsweisen und Seinsbegriffe aufzeigt, die ihre offene und geheime bedingende Voraussetzung sind, und die auch zur Füllung ihrer Begriffe und Methoden und zur Erfüllung ihrer Inhalte und Gegenstände hinleitet. Das Verhältnis zwischen einer Wissenschaft und ihrer arteigenen Ontologie ist harmonisch und in keiner Weise antinomisch. Die Schwierigkeiten erwachsen erst dann, wenn der Philosoph als ein Spezialist des Allgemeinen diese Problematik aufnimmt und diese arteigenen Ontologien in die Ebene der allgemeinen und autonomen Ontologie hineinträgt. Was er da tun kann, ist zunächst gar nichts Anderes, als sich von dem Gefüge der Einzelwissenschaften anregen zu lassen, das ontologisch Allgemeinste und Allumfassende zu bedenken, ohne in die besondere Struktur der Einzelwissenschaften einzugreifen. Der Ontologe fühlt sich nicht berufen, Änderungen an psychologischen Einzeldisziplinen oder Systemen anzubringen, z. B. am Behaviorimus, oder in der Physik an der Relativitätstheorie. Er nimmt diese Gebilde so an, wie sie ihm dargeboten werden. Er erkennt ihre Ansprüche an, deren Rechte in dem unbegreiflichen Reichtum der Wirklichkeit verankert sind, zu der sie alle einen Beitrag leisten. Jedoch die Wissenschaften sorgen selbst dafür, daß es zu einer Kritik ihrer ontologischen Bestandteile durch den überschauenden Ontologen kommt. So besitzt der Behaviorismus eine ganz andere spezielle Ontologie als etwa die Gestaltpsychologie, die Relativitätstheorie Einsteins eine ganz andere als etwa die Quanten-Mechanik Bohrs. Das fordert Probleme heraus ,wie z. B. das der Verhältnisse, die zwischen Korpuskel, Welle, Quantum und Feld bestehen, die nicht nur den Einzelwissenschaften, nicht nur ihren speziellen Ontologien, sondern auch der autonomen und allgemeinen Ontologie angehören. Da zeigt sich, daß der Einzelwissenschaftler schon von sich aus eine meist versteckt bleibende ontologische Entscheidung getroffen hat. Der Ontologe muß dieser Sachlage ins Auge sehen und zu einer Lösung zu kommen versuchen, die jenseits der Grenzen der Einzelwissenschaften liegt. Wie soll er aber dabei seine andere Pflicht erfüllen, das Gefüge der ihm dargebotenen Einzelwissenschaften unangetastet zu lassen, damit er nicht selbst zu einem (schlechten) Einzelwissenschaftler wird, der sich in etwas hineinmischt, was nicht zu seinem Fach gehört ? Das ist die Antinomie zwischen Ontologie und Wissenschaft, und da scheint es nur e i n e Lösung zu geben: Der Ontologe darf sich ein freies Diskussionsfeld für alles das zubereiten, was ihm ontologisch von Einzelwissenschaften her zufließt. Aber er muß sich dabei bewußt sein, daß er das Aufgenommene nach den eigenen Prinzipien seiner allgemeinen und autonomen Ontologie gestaltet. Er muß wissen, daß zwischen den so gewonnenen Einsichten und Inhalten und den Einzelwissenschaften eine t o t a l e A n d e r s a r t i g k e i t waltet, die selbst ein hochbedeutsames ontologisches Problem ist. Gerade dadurch vollzieht er den Schritt von der speziellen Ontologie zur allgemeinen Ontologie. Es ist eine These dieses Buches, daß dabei die Ontologie zur „Meontologie" wird, die um die wahre Trag-
Vorrede
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weite der totalen Andersartigkeit weiß, nämlich daß sie so weit geht, daß dadurch sogar das „reine Sein" affiziert wird. Er kann es dabei nicht vermeiden, gewisse Prinzipien der Einzelwissenschaft zu kritisieren, ontologisch mit einander zu vergleichen und eine Meinung über ihre wahre Rangordnung auszusprechen. Aber er redet dabei nie als Einzelwissenschaftler, sondern nur als Ontologe, als Spezialist des Allgemeinen. Niemals hat er die Absicht, eine Einzelwissenschaft dadurch zu korrigieren. So wie er sich von ihr angeregt fühlt, so hofft er auch, Einzelwissenschaftler zu interessieren, und von ihnen erhofft er eine eventuelle Berichtigung ihrer Einzelgebiete, sollte eine solche aus der Beachtung meontologischer Einsichten erwachsen können. Vielleicht gehört das mit zu der notwendigen Arbeitsteilung und Arbeitsgemeinschaft zwischen dem Ontologen und dem Einzelwissenschaftler. Um dieser Lösungsmöglichkeit willen wird die Antinomie zwischen Ontologie und Wissenschaft davor bewahrt, in eine Aporie auszuarten. In diesem Sinne sind die folgenden kritischen Auseinandersetzungen zu verstehen.
I. Teil:
Das Grundprinzip der Kulturontologie 1. Der bedingende Geist Der höchste Begriff der theoretischen Meontologie ist der des bed i n g e n d e n G e i s t e s . Er ist deshalb so wichtig, weil alle Kultur Geisteskultur ist, sehr im Gegensatz zur Zivilisation. Kultur heißt „Anbau eines Landes". Um den Kulturgeist zu erkennen, bedarf es einer Wesensschau des Geistes überhaupt. Das Wesen des Geistes aber ist, daß sein Sein meontologisch ist: ,,Sein"-wie-Nichtsein, das identisch ist mit dem Pleroma, dem Reichtum der Gesamtwirklichkeit. Und in diesem seinem Wesen ist der Geist bedingender Geist, d. h. das Ganze, das er ist, hat wesentlich diese erkenntnistheoretische Seite an sich, daß er die bedingende Ermöglichung aller Erfahrbarkeit ist. Mit diesem Ganzen ist zugleich die andere ontologische Seite verbunden, daß der bedingende Geist zugleich die bedingende Ermöglichung der Inhalte und Gegenstände alles Erfahrbaren ist. Weil das Bedingen des Geistes sich von seiner unbedingten Natur durchaus nicht trennen läßt, deshalb beruht die Lehre von ihm nicht auf Spekulation. Obgleich also der Geist das unbedingte Bedingen alles Bedingten ist, ist er keineswegs absoluter Geist im Sinne Hegels, denn dieser ist grundsätzlich davon losgelöst, bedingende Ermöglichung aller Erfahrbarkeit zu sein, und sein Begriff ist aus diesem Grunde auf rein spekulativem Wege gewonnen worden, während der meontologische Begriff des Geistes auf der Basis der Erfahrungswissenschaften erworben wurde und den Bezug auf die Möglichkeit von Erfahrung nie aufgegeben hat. Vom bedingenden Geist ist der bedingte Geist scharf zu unterscheiden. Dieser steht auf derselben Ebene wie alles andere Bedingte, das seine Gründe im bedingenden Geist hat. Wir können die folgenden Seinsweisen des Geistes unterscheiden: der subjektiv-personale Geist, der soziale Geist, der objektive Geist und der bedingende Geist. Die ersten drei Seinsweisen gehören zum bedingten Gleist. Aber ist nicht der Begriff der M a t e r i e genau so wichtig für die Kulturontologie wie der des Geistes ? Sind Naturwissenschaft und Naturphilosophie nicht auch Kulturerscheinungen ? Können diese ohne den Begriff der Materie auskommen ? Hier hilft uns die folgende Überlegung: Der bedingte Geist ist (mit Ausnahme des objektiven) animalischer oder psychischer Geist. Der objektive Geist hat es mit der Wesensschau der Geisteswerke zu tun. Er hebt aus ihnen die Essenzen und Universalien
Der bedingende Geist
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heraus. Was er schaut, sind ideale Objektivitäten, wie z. B. „die Wissenschaft". Der subjektiv-personale und der soziale Geist dagegen handeln von realen Objektivitäten unter Zeitbedingungen, von denen der objektive frei ist. Der bedingte Geist ist immer irgendwie gegen die Materie gesetzt, hat sie zum Gegenüber, wird durch sie eingeschränkt. Er hat es mit dem Körper, mit einer Umwelt, mit einer materiellen Natur, mit einer Erscheinungswelt zu tun. Nicht so der bedingende Geist. Er ist die Sinnhaftigkeit dessen, was der materiellen Erscheinungswelt als transzendentes X zugrunde liegt. Er ist identisch mit dem MeontischMeontologischen. Sein Sein ist wie „Sein"-wie-Nichtsein. Als die Fülle ist er das neutrale Dritte zu Prozeß und Prozeßlosigkeit (und das ist seine Beziehung auf das Zeitproblem), zu dem Ganzen mit seinen Teilen, und auch zu dem kategorialen Gegensatz von Geist und Materie. Eigentlich sollten wir also für das Totalbedingende beider nicht das Wort „Geist" verwenden. Da aber das dritte Neutrale zugleich auch das dritte Erfüllende ist, deuten wir mit der Wahl dieses Wortes an, daß jenes dadurch besser bezeichnet wird als durch das Wort „Materie". Unter diesem Vorbehalt benutzen wir das Wort „Geist". Es bringt uns einen n e u e n Geistbegriff, nämlich: Der Geist kann deshalb bedingen, weil sein Sein meontologisch ist. Als Negatives ist es „Sein"-wie-Nichtsein, das in der totalen Andersartigkeit sogar des reinen Seins steht, als Positives ist es drittes Neutrales, dessen Sein mit dem ,,Sein"-wie-Nichtsein identisch ist, ein für uns nichtshaftes Pleroma. Von diesem konkreten Nichts wissen wir mit überwältigender Sicherheit das D a s , nicht aber das W a s . Wir stehen unter dem totalistischen Eindruck dessen, was uns wie Nichts erscheint (und das ist das höchste Erscheinungsgesetz) und was an sich Alles ist. Gerade in diesen meontologischen Zügen zeigt der Geist seine Geistigkeit und seine Geisteskraft. Nichts ist so wie er. Hierin liegt seine Einzigartigkeit. Das unterscheidet ihn von allem anderen und stellt dieses als Bedingtes dem Bedingenden gegenüber. Dieses Bedingen ist identisch mit der bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt, ihrer Inhalte und Gegenstände. So ist der bedingende Geist das transzendente, nun aber transzendental gewordene Wesen der Materie selbst. Wir könnten einen Begriff von Materie entwickeln, der äquivalent mit „Geist" in diesem Sinne wäre. Wir haben oben den Grund angegeben, weshalb wir vorläufig davon Abstand nehmen. Der subjektive, personale und soziale Geist ist deshalb „animalisch" und „psychisch" (und das hat Folgen für die Ontologie von Biologie und Psychologie), weil er immer noch an Materiellem orientiert ist, das als Erscheinungsseiendes seine tiefste und letzte Transzendenz noch nicht als bedingenden Geist enthüllt, sozusagen noch nicht transzendentalisiert hat, und deshalb das, w a s e i g e n t l i c h i m m a n i e r t , noch nicht zeigen konnte. Deshalb ist der animalische und psychische Geist nicht meontisch, sondern ontisch, nicht meontologisch, sondern ontologisch. Der subjektiv-personale, soziale, animalisch-psychische Geist ist
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I. Teil. Das Grundprinzip der Kulturontologie
auf dem Wege zum bedingenden Geist, von dem er jetzt schon alle seine Erfahrbarkeit empfängt. Hat er sein Ziel erreicht, dann ist es, als ob das Leibliche und Materielle akosmistisch in das „Sein"-wie-Nichtsein und das nichtshafte Pleroma des bedingenden Geistes aufgehoben worden sei, genauer: dann hat sich die Identität des bedingenden Geistes mit dem Ansichsein der seienden erscheinlichen Materie offenbart. Weil das aber untrennbar mit einem sowohl ontologischen als auch erkenntnistheoretischen Aspekt verbunden ist, deshalb vermag der animalischpsychische Geist in seinem eigenen Bedingtsein durch Materie und Geist nie die volle bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit, ihrer Inhalte und Gegenstände, zu vertreten. D. h., er vermag nicht das Prinzip für eine fruchtbare Durchdenkung der Erfahrungswissenschaften (wie aller Erfahrung überhaupt) zu sein. Er kann da nur vorläufige Ersatzdienste leisten. Wird das verkannt, dann wird solches Denken ein Opfer der entwurzelten Spekulation und Metaphysik. Das ist z. B. der Fall mit gewissen Arten des transzendenten Realismus, die den animalischpsychischen Geist zu ihrem Prinzip erheben, sehr zum Schaden der Kulturontologie. Der bedingende Geist hat den Gegensatz von Geist und Materie überwunden, und das a u c h im Interesse einer Erfahrungstheorie. Das dritte Neutrale, der bedingende Geist, ist in unserer Erscheinungswelt überhaupt nicht aufzufinden. Aber das macht ihn deshalb nicht zum Anliegen einer freien Spekulation, denn seine Meontologie ist die bedingende Ermöglichung einer Erscheinungswelt überhaupt. Gerade der Schein in aller Erscheinung deutet auf das wahre Sein hin. Der „Vollkommenheit" des bedingenden Geistes darf nicht ein menschlicher Vollkommenheitsbegriff zugrunde gelegt werden, der immer phänomenal ist. Es handelt sich weder um eine jetzt vorhandene Vollkommenheit, noch um eine in der Zeit erreichbare. Denn beides genügt nicht den Bedingungen des dritten Neutralen zu Prozeß und Prozeßlosigkeit. Diese Sachlage zeigt, wie groß das Mysterium der Wirklichkeit ist. Von dem, was hier „besteht", kann nicht gesagt werden: es ist, es existiert jetzt in diesem Augenblick, es war, es wird sein. Es kann auch nicht das Gegenteil gesagt werden, denn es handelt sich um etwas, was totale Anderheit sogar des reinen Seins ist. Der Grund dieses Verfehlens liegt nicht an der Sache, sondern am Ausdruck der Sache, a n d e r S p r a c h e , die sich eben an Erscheinlichem zu orientieren hat. Das Ansichsein kann sie nur meontologisch umschreiben, gibt dabei aber ihre eigenen Möglichkeitsbedingungen an, wie auch diejenigen des von ihr Gesagten und Ausgedrückten. Wenn wir überhaupt von der „Vollkommenheit" des bedingenden Geistes reden wollen, dann müssen wir an eine Vollkommenheit in der totalen Anderheit ihrer selbst denken, die aber keine Unvollkommenheit ist, sondern das kritisch beleuchtet, was wir allein unter „Vollkommenheit" zu verstehen vermögen. Die Leugnung des „jetzt, in diesem Augenblick", des „war", des „wird sein" ist nicht im Sinne einer Zeitlosigkeit der idealen Objektivität
Der Ursprung des meontologischen Grundprinzips
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der Begriffe, der Ideen, der Wesenheiten, der Essenzen und der Universalien zu verstehen. Diese Seinsweise kommt dem objektiven Geist zu (der allerdings etwas anderes ist als der psychisch-animalische). Hier handelt es sich aber um den bedingenden Geist, um das dritte Neutrale zu realer u n d idealer Objektivität, die beide der Erscheinung angehören, während der bedingende Geist die Frage nach dem Ansich stellt, um der Möglichkeit der Erfahrung von Erscheinung willen, und es zeigt sich, daß diese Bedingung ein Weder-Noch-Sein ist. Allenthalben richten sich in der Erscheinungswelt Zeichen solchen Weder-Noch-Seins auf, und gerade das erlaubt die Deutung der Natur- und der Kulturerscheinungen durch die Einsicht in ihre Ontologien. Seiendes, Sein und Zeit werden durch die totale Anderheit unter einen kritischen Aspekt gestellt. Eine v o r g e s t e l l t e totale Anderheit ist schon keine mehr. Die Verwechslung von Ansich und Erscheinung macht die Erfassung des Seienden unmöglich. Die Verfehlung des konkreten Nichts verdeckt das Sein. Und die Seinsvergessenheit in bezug auf das Weder-Noch-Sein verschließt die Wesensschau der Zeit. N u n können wir auch noch weitere Unterschiede zwischen dem bedingenden Geist und dem absoluten Geist Hegels feststellen: Der letztere fällt gewissermaßen von sich ab, geht in seine Selbstentfremdung hinein und ist so Natur und Materie. Er überwindet sich selbst, kehrt in sich selbst zurück und ist so der alles wissende absolute Geist. Hier liegt eine ganz andere Lehre von der Materie vor als in der Meontologie. Nach ihr ist der Geit das Bedingende der Materie und des animalischpsychischen Geistes zugleich, aber nicht ist die Materie der Geist in seiner Selbstentfremdung. An die Stelle der Erfahrungstheorie ist ein Mythos gesetzt worden, an die Stelle der an den Erfahrungswissenschaften sich entwickelnden Ontologie tritt transzendente metaphysische Spekulation. Es genügt nicht, die Substanz zum Subjekt zu erheben. Nichts zeigt deutlicher als dies, daß Hegel es nur mit dem animalischpsychischen Geist zu t u n hat. Sein absoluter Geist ist die Verabsolutung dieses letzteren, eine metaphysisch-spekulative Hypostase. 2. Der Ursprung des meontologischen Grundprinzips Weder bewußt noch unbewußt verläßt die autonome philosophische Meontologie je das Gebiet des Erfahrbaren. Die Meontologie ist geradezu eine philosophische Lehre vom Bedingen und vom Bedingenden. Sie spricht vom bedingenden Raum, von der bedingenden Zeit, von der bedingenden Raumzeitlichkeit, von der bedingenden, allen Formalismus durchbrechenden sachhaltigen Materialität usw. B e d i n g e n u n d B e d i n g e n d e s h e i ß t h i e r so v i e l w i e : b e d i n g e n d e E r m ö g l i c h u n g v o n E r f a h r u n g . Auf der ganzen Linie hat sie es mit dem E r f a h r b a r e n zu tun. Das Bedingende steht in einem Licht, das die ontisch gebundene Ontologie und Metaphysik nicht zu sehen vermag. Sobald sich diese Bindung löst, wird das S e i n selbst als Grundkategorie erschaut, und
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I. Teil. Das Grundprinzip der Kulturontologie
der Weg liegt offen zu einer Theorie von der bedingenden Ermöglichung von Erfahrung überhaupt. Das ist der Zugang zur Meontologie. Sie ist durch und durch Erfahrungstheorie. So wie sich die metaphysische Natur einer Kantischen Kategorie darin erschöpft, Erfahrung zu ermöglichen und auf Erfahrung anwendbar zu sein, so ähnlich steht es auch mit dem Prinzip der autonomen meontologischen Philosophie. Selbst von den extremsten Gebilden der Meontologie wie zum Beispiel dem konkreten Nichts, der totalen Anderheit sogar des reinen Seins, dem dritten Neutralen usw. gilt, daß sie nicht nur zur Wissenschaftslehre, zur Wissenschaft aller Wissenschaften, zur Theorie aller Theorien gehören, und in diesem Sinne bedingende Ermöglichung von Erfahrung sind, s o n d e r n d a ß sie a u c h s e l b s t e r f a h r b a r u n d d e m Ber e i c h d e s E r f a h r b a r e n in k e i n e r W e i s e e n t h o b e n s i n d . Das, was alle Erfahrbarkeit bedingt, bedingt auch die Erfahrbarkeit dieses Bedingens und Bedingenden selbst, b e d i n g t a u c h s e i n e e i g e n e E r f a h r b a r k e i t . Allerdings handelt es sich dabei um eine G r e n z e r f a h r u n g . Sie kann nicht so erfahren werden wie das Essen eines Apfels, aber so ähnlich wie ein Differentialquotient erfahren werden kann, oder besser: wie der Prozeß einer Differenzierung, mit seiner erfahrbaren Annäherung an eine unerfahrbare Null, und in der Erfahrung des konkreten Verhältnisses, das Differentialquotient heißt, ist es, als ob die Unerfahrbarkeit der Null selbst erfahren würde. Und hier haben wir bereits den Hinweis auf etwas, was an und für sich meontologisch ist, was wie ein ,,Sein"-wie-Nichtsein ist, ein konkretes Nichts, das nicht mit dem abstrakten verwechselt werden darf. So führt die Durchdenkung von Wissenschaftsprinzipien zur autonomen philosophischen Meontologie. Das zeigt aber auch, wie paradox der Begriff des Erfahrbaren ist. Kant hat uns gezeigt, was sich ereignet, wenn der Bezug auf die bedingende Ermöglichung von Erfahrung durchschnitten wird. Dann geschieht es z. B., daß die logische Struktur der Ichheit zu einer Art von ontologischem Beweis für die einfache, absolute, personale, unsterbliche Seelensubstanz, das an sich seiende Seelending, wird, und so entsteht die rationale Psychologie Wolfis. Ähnliches begibt sich in der Kosmologie und in der Theologie. Hier sehen wir klar und deutlich, was es heißt, d a ß ein P r i n z i p a u f s p e k u l a t i v e m W e g e g e w o n n e n w i r d . Ist einmal dieser Anfang gemacht, dann bewegt es sich auch weiter im Reich der reinen Spekulation. So a b e r i s t die M e o n t o l o g i e g e r a d e n i c h t . Sie hat das Band der bedingenden Ermöglichung von Erfahrung an keinem Punkte durchschnitten. Wir müssen hier zweierlei unterscheiden, um ganz klar zu sehen. Jedes theoretische Vorgehen, sei es wissenschaftlich oder philosophisch, hat ein s p e k u l a t i v e s o d e r m e t a p h y s i s c h e s E l e m e n t , das in das Empirische eingebettet bleibt. Die freie Spekulation, die den Boden der Erfahrung verläßt, ist etwas ganz anderes. Das spekulative Element bei Newton zum Beispiel ist der feste Glaube an den absoluten Raum,
Der Ursprung des meontologischen Grundprinzips
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zu dem der Körper ein Verhältnis haben kann. Das Atom der mathematischen Naturwissenschaft ist ein anderes Beispiel. Einen spekulativen Einschlag enthält auch der Feldbegriff Einsteins. Wir könnten die Beispiele beliebig vermehren. Sie zeigen nicht die Schwäche, sondern gerade die Stärke der Wissenschaft an. Allerdings sind sie die Ursache von Grundlagenkrisen, die aber die Entwicklung weiter treiben. Die Meontologie glaubt die Tendenz und den Vektorcharakter dieser geschichtlichen Bewegung der Wissenschaften erkannt zu haben. Die theoretischen Wissenschaften können ohne dieses Apriori, ohne diesen spekulativen Einschlag, der ihre Hypothesen fruchtbar macht, überhaupt nicht existieren. Es fragt sich nur, ob er in der Funktion verbleibt, der bedingenden Ermöglichung ihrer regionalen Erfahrung zu dienen oder ob er sich loslöst und zur freien Spekulation wird. Erst wenn das geschieht, bricht das Verderben ein, aber nicht eine Sekunde eher. Dieselbe Situation treffen wir in der Philosophie an. Weder der Materialismus, noch der transzendente Realismus, noch der transzendentale Idealismus sind frei von spekulativen Bestandteilen. Das zeigt sich zum Beispiel darin, wie der transzendente Realismus das Ideale so oft nach dem Modell des dinglich Seienden behandelt, wodurch er sich seine eigene ontische Gebundenheit auflädt, es zeigt sich im transzendentalen Ich des Idealismus usw. Das alles steht unter demselben Gesetz, daß diese Sachlagen gut und notwendig sind, solange sie der bedingenden Ermöglichung der regionalen Erfahrungen dieser Philosophien dienen, solange sie also nicht zur freien Spekulation ausarten, wie das in der rationalen Psychologie, der rationalen Kosmologie und der rationalen Theologie geschah (ontologischer Beweis vom Dasein Gottes!). Natürlich gibt es auch hier eine Fortentwicklung. Die Meontologie ist geradezu eine Hypothese in dieser Hinsicht. Sie hat so gut ihre spekulativen Elemente wie alle anderen Hypothesen, seien es solche der Wissenschaften oder der Philosophien. Die Hauptsache ist, daß sie nicht aufhören, der bedingenden Ermöglichung der Erfahrung zu dienen und nicht zur freien Spekulation werden, womit sie sich selbst verwerflich machen würden. Die Meontologie wird sich wohl hüten, diesen verhängnisvollen Schritt zu tun. Ihr Unterschied gegenüber einer naturwissenschaftlichen Hypothese (und jede Hypothese ist antizipierend und gerade darin besteht das Spekulative) besteht nur darin, daß die Meontologie es mit den h ö c h s t e n P r i n z i p i e n zu tun hat (sie ist Prinzipienforschung), während es sich bei einer wissenschaftlichen Hypothese um regionale Prinzipien handelt. Es ist der Unterschied zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen; tiefer gesehen: es geht um die Besonderheit des Allgemeinen. Die bedingende Ermöglichung der Erfahrung ist auch die aller Erfahrbarkeit. Hier haben wir es mit der potenzierten Möglichkeit zu tun, mit der Möglichkeit einer Möglichkeit, Ermöglichung der Erfahr b a r k e i t . Das ist die höchste Leistung dieser Modalkategorie. Es führt n i c h t zu einem regressus in infinitum. Wir haben nicht mehr nach der
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I. Teil. Das Grundprinzip der Kulturontologie
Möglichkeit der Ermöglichung der Erfahrbarkeit zu fragen. Die pleromatische Nichtshaftigkeit des Meontisch-Meontologischen schneidet den regressus ab. Nur wenn wir im erscheinlichen Vorstellungsfelde bleiben würden, würde der regressus stattfinden. Aber wir treten aus ihm heraus, weil wir die Voraussetzungen dieses Feldes in bezug auf die Ermöglichung der in ihm stattfindenden Empirie bedenken. Der regressus in infinitum ist ein Ausdruck für die totale Anderheit des seine Idee in der Erscheinung Ermöglichenden, und da diese totale Anderheit mit dem konkreten und pleromatischen Nichts verknüpft ist, kommt der regressus zu seinem Ende. Die bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt ist das letzte und entscheidende Wort des autonom-philosophischen Meontisch-Meontologischen. Das zeigt auch, daß „Erfahrbarkeit" eine echte Spezies ist, für die es eine Wesensschau gibt. Aber das allein genügt bei ihr nicht. Zu dem Bezug der Essenz kommt der der Existenz hinzu. 3. Von der Unterscheidung zwischen Ansichsein und Erscheinung Wir legen der Welt der Sinne und der Erfahrung ein ewig unbekanntes X zugrunde — das Ding an sich im Kantischen Sinne — als die fragwürdige Erscheinungsform für ein Anderes, das damit nicht erfaßt wird. Dieses vorausgesetzte X aber dient der Ermöglichung von Erfahrung, ja in gewissem Sinne ist es das unaufhebbare Gegenüber in bezug auf alle Kategorialität, die es mit dieser Ermöglichung zu t u n hat, der Deduktionsgrund für alle Einzelkategorien. Das Ding an sich ist an und für sich meontologischer Natur. Als analvtisches steht es der Erscheinung gegenüber, als synthetisches überwältigt es sie pleromatisch, als bedingendes vertritt es das Bedingen selbst, das erste Ermöglichung aller Erfahrbarkeit ist. Als Inhalt, Materialität, Inhaltlichkeit und Gegenständlichkeit ist es der große Gegenspieler zur Form aller Formen, der Raumzeitlichkeit, und es macht diese in einer erst-letzten Formung potentialitäts- und intensitätsförmig. So ordnen sich auch seine Beziehungen zur Potentialität, Intensität und Substantialität. Jedoch, um alle diese Leistungen vollbringen zu können, kann das transzendente Ding an sich nicht so bleiben, wie es ist. Es muß eine Aufhebung erfahren, die es zu dem konkreten Nichts als der Hülle der Fülle, zum dritten Neutralen, zum Weder-Noch-Sein, zum autonomphilosophischen Meontisch-Meontologischen macht, und dann zeigt sich, daß die N e g a t i v i t ä t und die P o s i t i v i t ä t dieses l e t z t e r e n unter Bedingungen materiell bestimmter Vorstellungen als ewig u n b e k a n n t e s X h i n t e r das R e i c h der E r f a h r u n g p r o j i z i e r t w i r d , nm d a n n als die E r f ü l l u n g der E r s c h e i n u n g a u f g e f a ß t zu w e r d e n . Mit d i e s e r W i d e r s p r u c h s h a f t i g k e i t versehen, erscheint das w a h r e Ansich auf i n a d ä q u a t e W e i s e i n d e r E r s c h e i n u n g , r e p r ä s e n t i e r t es u n d d e u t e t a u f es h i n . A u f d e r g a n z e n L i n i e h a n d e l t es s i e h d a b e i um d e n w a h r e n B e g i n n v o n b e d i n g e n d e r E r m ö g l i c h u n g
Von der Unterscheidung zwischen Ansichsein und Erscheinung
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v o n E r f a h r b a r k e i t ü b e r h a u p t . Es zeigt sich also, daß das transzendente Ding an sich diese gewaltige Leistung nur dann vollbringen kann, wenn es selbst einer kritischen Bearbeitung unterworfen wird, die klar und deutlich herausarbeitet, was e i g e n t l i c h m i t i h m gem e i n t i s t . Dabei verändert es seine Natur total. Aber es kann nun in seinem Wesen durchschaut werden. Hierdurch erhellt sich auch die Wichtigkeit der Unterscheidung von Ansieh und Erscheinung. Das bedingende Ding an sich steht ein für die bedingende Materialität, Inhaltlichkeit und Gegenständlichkeit der Erkenntnis. Sie ist ihre eigentliche Tiefendimension, für die wir auch Sjrmbole verwandt haben wie „Setzungssenkrechte", „Uranstoß", „Iststoff" usw. Wenn wir das recht verstehen, wissen wir auch, wie die Affektion von Dingen auf unsere Sinne, ferner wie Wahrnehmung, Anschauung, Vorstellen, Begreifen und Denken, Erfassen und Verstehen, kurz, wie E r f a h r u n g möglich wird; und nicht nur die Erfahrung der Erkenntnis, sondern auch die des Willens und des Gefühls. Und die Ermöglichung all dieser Erfahrung tritt in das Licht der bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt, und das ist eine innere Angelegenheit der autonomen Philosophie und hat mit Theologie absolut nichts zu tun. So enthüllt sich das wahre Anfangen in der Philosophie. Es hat große Philosophen gegeben, die das nicht erkannt haben. Zu diesen gehört in der neueren Zeit auch Husserl. Das ist der Grund, weshalb seine Phänomenologie schon in der ersten Anlage verfehlt ist. Der transzendentale Idealismus, zu dem er später überging, war schon im Keime da. Das hindert natürlich nicht, daß Husserl, obgleich er das eigentliche Anfangen in seiner ganzen Tiefe verfehlte, allergrößte Leistungen im Gebiet der Philosophie vollbracht hat. Aber das kann uns nicht seinen Grundfehler übersehen lassen. Das Cogito ergo sum des Descartes war auch ein solcher Anfang, und Husserl hat ja gerade hieran angeknüpft. Aber der Grundfehler ist schon hier gemacht, denn das Denken geht nicht dem Sein voran, sondern das Sein dem Denken. Es gilt nicht: „Ich denke, also bin ich", sondern: „Ich bin, und deshalb kann ich auch denken". Die Berufung auf den Unterschied von ratio cognoscendi und ratio essendi hilft hier nicht. Denn die bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt hat es nur mit der ratio essendi zu tun, und mit welcher Ordnungsumkehrung die Erkenntnis derselben immer verbunden sein mag, so kann das, wenn der wirkliche Ursprung von Evidenz, Sicherheit und Gewißheit der Erkenntnis nicht gefährdet werden soll, nie dazu führen, die Existenz durch die Essenz zu ersetzen. Das aber haben beide getan, Descartes und Husserl. Demgegenüber hat schon Sartre ganz richtig betont: die Existenz geht der Essenz vorher. Gerade deshalb verfiel Descartes schon beim zweiten Schritt seiner Deduktion in einen unkritischen ontisch gebundenen Theologismus, der der Theologie ebenso viel Schaden antat wie der Philosophie. Gehen wir vom wahren Anfang
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aus, dann sind wir gegen diese Gefahren geschützt. Der Ausdruck dessen, was mit dem bedingenden Ding an sich gemeint ist, ist: sum, ergo cogito. Die Phänomenologie Husserls ist reine Essenzphilosophie, die mit dem Problem der Existenz nicht fertig werden kann. G e r a d e d a s , was Husserl a u s k l a m m e r t , u m s c h l i e ß t den w a h r e n A n f a n g in d e r P h i l o s o p h i e . Gerade das hat es nicht nur mit dem Speziellen und Konkreten, ja mit dem concretissimum zu tun, sondern auch mit dem Universellen und Allgemeinen. Darin spiegelt sich die Verfehlung des wahren Anfangens durch Husserl. Nach der Ausklammerung wird ein transzendentales Ich abgesondert und einer Phänomenanalyse unterworfen. So kommt es zur Beschreibung einer primordialen innersubjektiven Welt, in der die Möglichkeit des alter ego und der gesamten Natur- und Kulturerkenntnis angelegt ist. Dieses transzendentale Ich ist aber wurzellos geworden, und es hat den Kontakt mit dem, was die bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt ist, verloren. Der Erstansatz selbst ist verfehlt. Aber die in diesem Rahmenwerk immer noch möglichen Essenzanalysen hat Husserl in genialer Weise durchgeführt und hat so der Philosophie sehr gute Dienste getan. Bei einem solchen Denker bleibt auch die vernachlässigte Wahrheit durchaus nicht ohne Einfluß. Sie setzt sich oft wider seinen Willen durch. Gerade das Beste in der Essenz wird von dem genährt, was ihr von der bedingenden Materialität aus zufließt, von der Selbstimmanierung der Transzendenz, und diese werthaltigen Elemente fehlen durchaus nicht in der Phänomenologie Husserls. Nur können sie nicht zum vollen Durchbruch kommen. Erlebnisse im „Erlebnisstrom" werden Husserl selbst zu Essenzen, und das liegt auf der Linie der Vertiefung sowohl der deskriptiven Psychologie als der formalen Logik, und, konsequent verfolgt, führt es direkt zu dem, was mit dem bedingenden Ding an sich gemeint ist. Dann ist das Transzendenzproblem der Lösung nahe gebracht worden. Hegel hat das Anfangsproblem sehr wohl gesehen: Er sagt, der Anfang ist, das dem Nichts vorhergeht. Also müssen wir mit dem Nichts anfangen, das identisch ist mit dem leeren und reinen Sein. Die Synthese beider ergibt das Werden usw. So begründet sich die Logik absolut. Das ist allerdings eine freie Spekulation, die den Boden des Erfahrbaren verlassen hat. Aber eine ferne Ahnung des Meontologischen ist unverkennbar. Nach Husserl steht die lebendige Anschauung im Gegensatz zu Leerintentionen, durch welche die bloß symbolische, vage Erkenntnis gekennzeichnet ist. Für die Wesensbetrachtung nehmen dagegen Wahrnehmung und Phantasievorstellung den gleichen Rang ein. Dabei konstituiert sich jede Gegebenheits- und Gegenstandsart auf ihre Weise. Eine Farbe kann in lebendiger Anschauung gesehen werden, oder wir können bloß symbolisch an sie denken. Wir vermögen, uns den Ritter Georg, der den Drachen tötet, ein rundes Dreieck oder ein Nichtsein vorzustellen. So viele urtümliche Gegebenheitsweisen besitzt die Er-
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kenntnis. Gerade deshalb ist sie nicht wie ein „Kasten". Erst in diesen Zusammenhängen konstituiert sich, nicht in einem Schlage, sondern in einem aufsteigenden Prozeß, die Gegenständlichkeit der objektiven Wissenschaft, vor allem die Gegenständlichkeit der realen räumlichzeitlichen Wirklichkeit. Hierzu ist aber nun zu sagen, daß sich so nur die Erkenntnis dieser Gegenständlichkeit konstituiert, nicht diese selbst. Denn jene ist von der materialen Inhaltlichkeit her, die das bedingende X der Transzendenz selbst als etwas Sinnvolles und Sinnschöpferisches zeigt. Und die Bedingungen der Erkenntnis dieser Gegenständlichkeit sind hier zugleich die Bedingungen dieser Gegenständlichkeit selbst. Das X ist in der Erscheinung mit einer transzendent bleibenden Immanenz gegenwärtig, die wohl von der sich mit der Erscheinung identifizierenden Immanenz zu unterscheiden ist. Das eigentlich Immanierende ist dabei das X, dasselbe, was das Transzendierende ist, und es stellt sein Verstehen im konkreten pleromatischen Nichts und im total anderen dritten Neutralen her. In dieser bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt liegen die konkreten Möglichkeiten beschlossen, eine Farbe in lebendiger Anschauung zu sehen, oder an sie bloß symbolisch zu denken, oder solche Gedanken zu fassen wie: der Ritter Georg, der den Drachen tötet, das runde Dreieck, das Nichtsein. Dasselbe Sein, das für uns wie Nichtsein ist, gibt unserer Phantasie diesen Spielraum, diesen Vorstellungsraum, indem es zugleich in geordneter Weise lebendige Anschauung ermöglicht zusammen mit allen anderen Erfahrungsweisen der menschlichen Erkenntnis. Die Intentionalität ist nur ein in diesen Gesamtbereich der bedingenden Materialität eingebauter Vektor und kann nicht die ganze Last der Enthüllung von realer oder irrealer Gegenständlichkeit tragen, und hierin wurzelt das Zukurzkommen Husserls, das eine Prinzipienkrankheit ist, die in der Keimanlage seines Systems selbst latent existiert. Die Intentionalität ist immer nur eine asymptotische Annäherung an das Anfangen mit der Transzendenz selbst in meontologischer Deutung. Wird gesehen, in welchem Sinne von diesem Anfangenden nicht mehr gesagt werden kann: „es ist, es existiert, es ist jetzt in diesem Moment, es war, es wird sein", dann wird auch die bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt geschaut, wie sie sich auf das Reale und das Irreale zugleich erstreckt. Das heißt aber, alle Arten von Erfahrbarkeit kennenlernen. Husserl hat ein Ansichsein, das nur ein Ansich-für-und-ohne-una ist, hypostasiert und mit dem wahren meontologischen Ansich verwechselt. Das so sich ergebende reine transzendentale Ich und reine transzendentale Bewußtsein nennt er das reine Sein. Diese Transzendentalphilosophie ist auf halbem Wege stehen geblieben. Sie hat angefangen, das entscheidende Wort zu sagen. Aber im Interesse der autonomen Philosophie (d. h. der philosophischen Wahrheit) muß dieser Weg fortgesetzt werden. Dann ergibt sich die Synthese von transzendentalem Idealismus und transzendentem Realismus, die die Meontologie
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darstellt. Die Essenz ist zur E r f a s s u n g des L e t z t e n u n d Eigentlichen unzureichend. Das gilt auch von dem Ich, das von der Essenz her als Voraussetzung zu erreichen ist. Husserl glaubt, d a ß eine Transzendenz, die in der Verbindung m i t meinem existierenden Bereich von wirklicher W a h r n e h m u n g dispensiert, U n s i n n ist. Aber gerade das Beste u n d Eigentliche der Transzendenz ist hier verworfen worden. Meine W a h r n e h m u n g k a n n allerdings m i t dieser Transzendenz nichts anfangen, sie ist ihr ärgerlich. Aber in ihr u n d mit ihr fange ich selbst etwas m i t meiner W a h r n e h m u n g an, u n d das, was ich anfange, ist die bedingende Ermöglichung aller W a h r n e h m b a r k e i t selbst als einer Spezies aller E r f a h r b a r k e i t . Aus dieser Tiefe schöpft die Empirie. D e n n diese Transzendenz ist nicht die Essenz, sondern die Existenz selbst, u n d hier k o m m t die ganze F r a g e n a c h der Wesensschau zu ihrer kritischen E n t scheidung. D a b e i h a n d e l t es sich u m wirkliches Zusehen u n d Schauen u n d keineswegs u m vage symbolische E r k e n n t n i s oder u m vorgefaßte metaphysische Meinung. Wir sprechen v o m Aufgehen der Sonne, obgleich wir wissen, d a ß sie im M i t t e l p u n k t unseres Planetensystems steht. D a wäre es kleinlich, den A u s d r u c k : „die Sonne geht a u f " jedesmal in Anführungszeichen zu setzen, wie wir es hier g e t a n haben, u m anzudeuten, d a ß wir b e w u ß t einen Fehler machen, der im alltäglichen Leben ganz unschädlich ist. Anders jedoch steht es m i t dem Sachverhalt, wenn wir in der a u t o n o m e n theoretischen Meontologie b e w u ß t einen ähnlichen Fehler machen, den a n z u d e u t e n es sich wohl lohnt. Zu diesem Zwecke f ü h r e n wir die meontologischen Anführungszeichen ein. Deshalb setzten wir das erste W o r t in dem A u s d r u c k : ,,Sein"-wie-Nichtsein in solche meontologische Anführungszeichen, u m anzudeuten, d a ß a n s t a t t dieses W o r t e s ein ganz anderes eintreten m ü ß t e , das aber in unserer Sprache nicht v o r h a n d e n ist, u n d d a ß wir wissen, d a ß wir m i t diesem W o r t e einen b e s t i m m t e n Fehler m a c h e n u n d auch welches dieser unvermeidliche Fehler ist. Dieses Wissen gehört eben mit zu der bedingenden Ermöglichung aller E r f a h r b a r k e i t , u n d das gerade im höchsten u n d letzten Sinne. U n d ebenso k o n n t e n wir sagen: das d r i t t e Neutrale, das Meontisch-Meontologische „ist j e t z t d a " , „es war von jeher d a " , „was es sein wird, ist es schon j e t z t " , w ä h r e n d o h n e meontologische Anführungszeichen gilt, d a ß wir k e i n e n dieser Ausdrücke gebrauchen können. Beide Ausdrucksweisen ergänzen sich gegenseitig u n d sind u n t e r Sprachbedingungen ü b e r h a u p t gleich notwendig. U n d wiederum ist dies eine letzte meontologische Aussage über die bedingende Ermöglichung von E r f a h r b a r k e i t ü b e r h a u p t u n d f ü h r t alle Empirie auf ihre letzten ontologischen Gründe zurück. Ähnlich m u ß der Satz gedeutet werden: „ W a s ich sein werde, bin ich schon jetzt, in diesem Augenblick." Auch diese Anführungszeichen sind meontologisch. Hierin enthüllt sich etwas v o m tiefsten Wesen der bedingenden Zeit, gerade sofern sie bedingende Ermöglichung aller E r f a h r b a r k e i t ü b e r h a u p t ist. D a s hier in F r a g e stehende d r i t t e Neutrale ist das zu Zeit u n d Zeitlosigkeit, aber die Zeit steht dabei dem
Meontologie und Naturwissenschaft
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erfüllenden Dritten, das das Pleroma des neutralen Dritten ist, näher als die Zeitlosigkeit, nicht aber als die Zeit, die „vergeht", die „fließt", die „steht", sondern die Zeit muß noch etwas ganz Anderes sein, in dem es noch eine ganz andere Ausweichmöglichkeit der Dimensionalität gibt, die das Ende aller Dimensionalität herbeiführt. Und das kennen wir vorläufig noch nicht dem Was nach, aber sehr wohl dem Daß nach. Daß es „so etwas" gibt, darüber besteht kein Zweifel, weil es geradezu der tragende Grund der bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt ist, und weil es selbst noch eine mögliche und notwendige G r e n z e r f a h r u n g ist. Dessen Daß wir wissen, obgleich das Was uns verschlossen bleibt, muß ja noch erfahrbar sein, wenn auch in sehr paradoxer Weise, es ist e b e n n o c h erfahrbar, es ist eine Grenzerfahrung, und zwar eine bedingende Grenzerfahrung. Das ist nicht entwurzelte Spekulation, sondern Ontologie, der Anfang der echten Metaphysik, die im Problem der Erfahrung das ist, „was nach den physischen Dingen zu sagen ist". 4. Meontologie und Naturwissenschaft Das Aufkommen der mathematischen Naturwissenschaft ist eines der wichtigsten Ereignisse der neueren Geistesgeschichte. Die Anfänge liegen weit zurück, die Entfaltung kam spät, die Entwicklung war groß, und dennoch stehen wir auch heute noch in den Anfängen. Diese altneuen Wege sinnennaher Beobachtung, kühner Vorwegnahmen, experimenteller Bestätigungen, unermüdlicher Arbeit am konkreten Detail, breiter Arbeitsgemeinschaft, virtuoser Verwendung des Zählbaren, Meßbaren, Wägbaren, Berechenbaren, der sich auftürmenden Variationsgesetze der Quantifizierung, diese neuen Wege in die Qualifizierung haben uns von einer Unmasse gröbsten Aberglaubens und erbärmlicher unmethodischer Stümperei befreit, haben unser Weltbild revolutioniert, haben uns im Guten und im Schlechten machtvolle Herrschaft über die Materie und die Energien, über Natur und Gesellschaft verliehen. Von vornherein war die erfolgreiche naturwissenschaftliche Arbeit mit Metaphysik verbunden. Ohne sie kann sie ihr Werk nicht tun, und diese ist nicht immer von der besten Art gewesen. Der Materialismus, der Naturalismus und der Sensualismus schienen die natürlichen Metaphysiken der beobachtenden, experimentierenden und berechnenden Naturwissenschaft zu sein. Aber sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Sinnen- und Erfahrungsnähe hat etwas Verführerisches und Verfängliches an sich. Sie stellt Fallen. Da hatte sich die Naturwissenschaft gegen sich selbst zu wenden, um ihre Metaphysik zu verbessern. Aber das bedeutete eine Erschütterung der Grundlagen. Das führte zuerst zu der Höhe der Newtonschen Naturwissenschaft und eines absoluten Euklidismus. Aber dann brach auch diese Metaphysik zusammen, die Selbstsicherheit verschwand im Wirbel eines neuen Denkens. Das Problem des Lichtphänomens und das der Energie, vor allem auch das Mysterium des Prinzips der Kontinuität wurde von 2 Samuel,
Ontologie
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neuem aufgeworfen. Auf der ganzen Linie wurde die kurzsichtige Sucht eines abstrakten Rationalismus des Endlichen durchbrochen. Das führte zu Einstein, Planck, Heisenberg, Eddington, Jeans und so vielen anderen Meistern eines neuen naturwissenschaftlichen Schauens und Denkens, das nicht mehr Newtonisch und nicht mehr Euklidisch war, obgleich diese in der Aufhebung bewahrt blieben, indem sie zu Null- und Spezialfällen eines umfassenderen Variationsgesetzes wurden. (Zum Beispiel im Euklidischen Raum wird die Krümmung gleich null und der Krümmungsradius unendlich.) Nun ist es soweit gekommen, daß (sogar über Einstein hinaus) der Begriff der „Arbeitshypothese" zu neuen Ehren gelangt ist. Die Quantentheoretiker glauben nicht, wie Einstein es tut, fähig zu sein, die physikalische Realität zu erkennen. Sir sprechen von Elektronen, von astronomischen Atomsystemen im Allerkleinsten, von der Unsicherheit, Ort und Geschwindigkeit eines Elektrons zugleich zu bestimmen, in dem Bewußtsein, der physikalischen Realität dadurch gar nicht habhaft zu werden. Vor allen Dingen hat das Jeans mit allerstärksten Ausdrücken gesagt. Aber das ist in der modernen Naturwissenschaft kein reiner Skeptizismus, sondern ein seltsames Gemisch desselben mit mathematischem Dogmatismus, Pragmatismus, Relativismus, Absolutismus, Nihilismus, Pleromatismus, Realismus und Idealismus, die komplizierteste und dialektischste Methodenerscheinung, die je im Bereich einer Einzelwissenschaft aufgetreten ist. Pormalismus, Transzendentismus und Transzendentalismus durchziehen sie in seltsamer Verschlingung. Das kommt daher, daß die Wirklichkeit immer viel reicher ist als wir denken, sehen, ahnen und uns vorstellen können, und gerade die naturwissenschaftliche Treue hat zu dieser ungeheuren Komplexität geführt. Hier setzt nun unsere meontisch-meontologische Deutung ein. Wir nähern uns ihr mit der größten Hoffnung. Unsere These ist, daß diese ganze Konstellation der verschiedenartigsten und anscheinend widerspruchsvollen „Standpunkte" ein direkter Weg zum Meontisch-Meontologischen ist. Dieses wirkt unbewußt in dieser Konstellation, ist ihr Ursprung, ihre Vermittlung und ihre Erfüllung. Die mit aller mathematischen Naturwissenschaft verbundene Metaphysik und Philosophie kann es nur nicht aussprechen, weil sie nicht die Aufgabe besitzt, autonom philosophisch und ontologisch zu denken, weil sie zu sehr an einen bloßen Ausschnitt der Welt gebunden bleibt, weil sie keine Überschau über die meontologischen Beiträge der anderen Wissenschaften, Lebens- und Kulturgebiete besitzt. Alles das steht aber dem Meontologen zur Verfügung, und deshalb kann er die Deutung geben. Sie kann folgendermaßen formuliert werden: Die physikalische Wirklichkeit ist zugänglich, soweit sie Erscheinung ist, unzugänglich in ihrem Ansichsein. Dieses gehört zu dem (und hier hat das Beiwort „physikalisch" fortzufallen), was wir das neutrale Dritte nannten, auf das Sein und Zeit nicht mehr anwendbar sind. Das skeptische und nihilistische Element
Meontologie und Naturwissenschaft
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in der naturwissenschaftlichen Methodik beruht nicht auf dem abstrakten Nichts, sondern auf dem konkreten Nichts, auf dem Seinsintentionalen, das wie absolutes Nichtsein ist, aber nur wie ein solches. Diese Höchstentfaltung eines konkreten Negativismus ist unmittelbar verbunden mit der Höchstentfaltung eines konkreten Positivismus. Das ist das pleromatische und dogmatische Methodenelement in der Naturwissenschaft, und das Wort „Dogma" ist hier streng im Sinne eines konkreten Glaubens zu nehmen. Die negativistische Reinheit der Methoden ist zugleich positivistische Erkenntnis von Fülle und Reichtum. Wo immer eine naturwissenschaftliche Theorie, Hypothese, intuitiv-aprioristische, transzendentrealistische und traszendentalidealistische mathematische Schau und Gestaltung mit ihrer objektbedingenden Subjektivität zum Sieg über ihre Vorgängerin gelangt, da ist inmitten aller pragmatistischen und relativistischen Fragwürdigkeit etwas m e h r von dem großen undurchdringlichen Mysterium der Wirklichkeit zum Erscheinungsausdruck gelangt. Da hat der Naturwissenschaftler wirklich etwas mehr von dem, auf das nicht einmal mehr das Sein als Prädikat anwendbar ist, bei dem sogar das Zeitmoment versagt, so daß noch nicht einmal gesagt werden kann: es ist jetzt da, in diesem Augenblick, oder es ist hier und dort. Aber es ist mehr oder weniger, und auf diesen Unterschied kommt es an, wenn es sich um den Fortschritt der mathematischen Naturwissenschaft handelt, um den Fortschritt aller Wissenschaften und aller Lebensgebiete, die sich im Namen d i e s e s Fortschritts dann sogar je und dann g e g e n die Naturwissenschaft wenden müssen. Denn diese hat ihre unverrückbare Grenze, bis zu der ihre Annäherung an das Meontisch-Meontologische möglich ist. Das ist ihrer Konstitution und Grundstruktur gemäß. Sie muß nach dem Grundgesetz leben, nach dem sie angetreten ist, und kann es um keines Haares Breite überschreiten — bis die große Umwandlung eintreten wird. Dann wird auch die Naturwissenschaft verschwinden, nicht mehr nötig sein, durch eine Erfüllung ersetzt sein, aufgehoben werden und zugleich bewahrt bleiben. Der Formalismus im Methodenspiel der Naturwissenschaft wird durch das Mathematische in sie hinein getragen. Die Formen passen sich nicht nur den Gehalten an, sondern beherrschen sie auch. Die mathematische Schau ist ein Formalismus, der schöpferisch etwas von der Grundkonstitution der Phänomene erfaßt und vorweg nimmt. In einseitiger Herauslösung kann er zu der Vergewaltigung eines entleerten Relativismus führen, wird er aber in seinem natürlichen Zusammenhang belassen, dann erweist er sich als überaus fruchtbar für beides, für die Theorie und für das Leben. Der Zusammenhang, in dem er steht, ist der eines Transzendentismus und eines Transzendentalismus, das heißt eines transzendenten Realismus und eines transzendentalen Idealismus. Jener ist auf das Seiende bezogen, dieser auf das Sein. Beide sind seinskonstituierend, und enthüllen das, was wahrhaft die „Härte der Realität" genannt zu werden verdient. Der Unterschied des Standpunktlichen 2*
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und Nichtstandpunktlichen, der Gegebenheit, Gegenständlichkeit und Übergegenständlichkeit verschwindet dabei. Das Subjektive wird objektbedingend (und dann ist es ein anderes Subjektives geworden als das nur-Subjektive ist), Gegebenheit und Gegenständlichkeit dienen der Übergegenständlichkeit, Gesetztheit ist nicht mehr nur urteilshaft, sondern ein Als-Ob der Gegenstände des Urteils und dessen, was vom Urteil unabhängig ist, mehr als bloße Intentionalität. Gesetztheit wird Gesetztheit im Modus von Aufgehobenheit, und dann ist bereits das Meontisch-Meontologische berührt. Gesetztheit in diesem Sinne richtet sich dagegen, daß Existenz ein bloßes Prädikat ist, sondern im Gegensatz zur Essenz „absolute Position", und so ist dann auch das Sein als Existenz. Die totale Anderheit des Seins steht vor der Tür. So vereinigt sich der Formalismus mathematischer Produktivität als Schau und Intuition mit dem transzendentalidealistischen Gegenstanddenken der Naturwissenschaft und mit ihrer transzendentrealistischen Sinnes- und Erfahrungsnähe, die zu jenen beiden Apriorismen das eigentlich Aposteriorisch-Empirische hinzubringt. Das ist das harmonische Methodenspiel der Naturwissenschaft, das durch sein eigenes Schwergewicht sich dem Meontisch-Meontologischen entgegenbewegt. Daß die Naturerkenntnis in ihren höchsten Prinzipien an und für sich meontologisch ist und auf die totalistische Deutung durch den bedingenden Geist hinweist, wird uns durch die moderne Physik viel näher gebracht als durch die Standpunkte, die ihrer Grundlagenkrisis vorausgingen: der materialistischen, naturalistischen und sensualistischen Naturtheorien. Sie sind durch die moderne Naturwissenschaft selbst überwunden worden, und es stellte sich heraus, daß sie den Teil für das Ganze setzen. 5. Paradoxes Verhalten des Menschen zum Meontisch-Meontologischen Der Mensch hat die Vollmacht, sich vom Meontisch-Meontologischen loszulösen, mit dem er so geheimnisvoll verbunden ist. Aber er muß dafür einen hohen Preis bezahlen. Er wird ganz auf sich selbst geworfen, mag auch seine autonome Kreativität, die er ausübt, soweit gehen wie sie will. Er schafft dann seine eigene Welt, die aber dann ganz eine Welt der Erscheinung ist, losgelöst von ihrem Ursprung, lebend von Scheinursprüngen, entgegenlaufend dem wahren Ursprung, der wahren Vermittlung, der wahren Erfüllung. Er schwelgt idealistisch in dieser seiner reichen Welt, umgibt sich mit einem Himmelsglanz und ist doch grundböse. Dieses Böse, das in Lichtverkleidung auftritt, ist viel gefährlicher als das offenbar Böse. J a dies ist die meontologische Definition des Urbösen, das auf diesem Loslösungsakt beruht. Dann hat der Mensch vom Baum der Erkenntnis gegessen, und das wiederholt sich immer wieder in seiner Geschichte. Das Urphänomen und jede einzelne ungute Tat beruht hierauf, das asoziale Verhalten, das Überwältigtwerden von der Sinnlichkeit, die Grausamkeitswollust, der Machtrausch. Im Gegen-
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satz hierzu stellt jede Selbstüberwindung, jede Tat der Liebe, die Hingabe an höhere Ziele, das Gestalten des Schönen, das Streben nach der Wahrheit eine stärkere Verbindung mit dem Meontisch-Meontologischen her. Aber hier begegnen wir großen Überraschungen. Erstens, vermag der Mensch das Meontisch-Meontplogische fahren zu lassen, vermag er sich von seiner Lebens- und Seinswurzel abzuschneiden, so läßt das Meontisch-Meontologische ihn doch nicht gehen. Auch in seiner Losgelöstheit von ihm ist es da, lebt er von ihm. Es gibt ihm das Positive in seiner wurzellos gewordenen Autonomie. Aber dieses Verhältnis wird ihm nun zum Gericht, wenn das auch auf lange Strecken und Zeiten hin verborgen bleiben kann. Das bringt die Krisis in sein Leben hinein, individuell und sozial. Da wir diesen Fehler immer und immer wieder begehen, weil er auf existentieller Grundlage beruht, da es sich also nur um die Relativitäten des Mehr oder Weniger dabei handelt, ist unser Leben nie ohne Gericht und Krisis. Auf das Mehr oder Weniger kommt es dabei an, wenn es sich um das Gute und Schlechte handelt, das immer ein Bezogenes bleibt. Der extreme Grenzfall würde die volle Loslösung sein. Er würde absolute satanische Bosheit darstellen, aber so etwas kommt in der Welt des Menschen nicht vor. Der andere Grenzfall würde der der vollkommenen Verbindung und Deckung sein. Aber auch dieser, das sündlos heilig Gute im Sein eines Menschen, kommt empirisch nicht vor, denn das würde eine völlige Umorganisierung und Erfüllung seiner biologischen Natur bedeuten, der wir entgegengehen, die wir aber noch nicht erreicht haben. Hier haben wir es nicht mit den beiden möglichen Ausnahmefällen zu tun. Für alle übrigen Menschen gilt das Gesetz der Relativität als Vertreter eines vermeinten Absoluten. Dieses ist der meontologische Maßstab, der das relativistische Moralurteil ermöglicht. Zweitens, und nun kommt die große meontologische Überraschung: Da das Meontisch-Meontologische das unbegreifliche Mysterium der Wirklichkeit ist, von dem nicht einmal mehr gesagt werden kann, daß es ist oder daß es jetzt ist (aber nicht aus skeptischen oder agnostischen Gründen, sondern weil das Jetzt und Ist mit einer Scheinabsolutheit umkleidet sind), deshalb ist bei den Relationen der Verbindung und der Loslösung nur das eine Relationsglied sicher und greifbar, das Relationsglied des Menschen, der verbunden ist, sich verbindet oder loslöst, aber das andere Relationsglied ist ungewiß und ungreifbar. Wird das Meontisch-Meontologische, das dieses andere Relationsglied sein sollte, als ein solches aufgefaßt, dann ist es schon nicht mehr das Meontisch-Meontologische. Unser Verhältnis zu ihm ist also wie ein Stab, der fest gegründet in der Erde steckt, der dann aber in eine offene Unendlichkeit und Unbestimmtheit hinausgeht. Das Verhältnis zum Meontisch-Meontologischen, die Verbundenheit mit ihm und die Getrenntheit von ihm sind also nur Ausdrücke eines Unerscheinlichen in der Erscheinung. Es handelt sich dabei um die totale Anderheit von Verhältnis, Verbundenheit und Getrenntheit.
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Zu einem, das wie ein Nichts ist, kann man ja kein Verhältnis haben, kann nicht mit ihm verbunden oder von ihm getrennt sein, und doch ist dieses Unmögliche ein höchst fruchtbares konkretes kritisches Moment. Es ist zugleich pleromatisch. Dieses Verhältnis, diese Verbundenheit und Getrenntheit ist in eine Fülle eingebettet, so daß sie von daher immer zu wenig Verhältnis, Getrenntheit und Verbundenheit ist, da sie etwas ist, was alle Erscheinung transzendiert und erfüllt. Weiteres können wir erst erfahren, wenn wir konkrete Grenzverhältnisse untersuchen werden, wie das Verhältnis zum All, zum Universum, zum Ganzen, zum Gesamtseienden, zur Welt, soziologisch das Verhältnis zur Gesellschaft und zur Menschheit usw. Das alles kann aber erst in Verbindung mit einer Analyse von Sein und Zeit erfolgen, sowie mit einer gründlichen Einsicht in die Kategorienlehre. Vor allem die Möglichkeit des Bösen erscheint unter diesem meontologischen Blick wie ein reines Wunder. Wir erinnern daran, daß das „Meontisch-Meontologische" nur ein anderes Wort für den „bedingenden Geist" ist. Das ist auch bei allem Folgenden im Auge zu behalten. Jener Ausdruck betont die fruchtbare Nichtshaftigkeit des bedingenden Geistes. Sobald die Vorstellung von ihm ein „Was" besitzt, ist sie bereits materiell eingestellt. Das hindert nicht, daß wir uns von ihm Bilder und Gleichnisse machen müssen. Wir haben nur zu wissen, was wir tun. Das Meontisch-Meontologische betont die ontologische Seinsnatur des bedingenden Geistes. Wie gehöre ich zum Meontisch-Meontologischen, zum bedingenden Geist ? Diese Frage gehört zu der nach dem Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen, die mit der Definition des Geistes so innig verknüpft ist. Hier müssen wir uns nun vor zwei Irrtümern hüten: Ich gehöre weder so zum meontisch-meontologischen bedingenden Geist, daß dieser mich ihm als einem Transzendenten gegenüber in Unterwürfigkeit hält und mir einen bloßen Autoritätsglauben aufzwingt, noch auch so, daß ich in der Autonomie meines animalisch-psychischen Geistes im Grunde genommen selbst der bedingende Geist bin und mich mit ihm einfach formlos identifizieren kann. Wir kommen der Wahrheit am nächsten, wenn wir sagen: meine Zugehörigkeit zum bedingenden Geist gestaltet sich so, daß es sich dabei um ein neutrales Drittes und um ein Weder Noch-Sein in bezug auf Autonomie und Heteronomie handelt. Es muß da noch etwas Anderes geben, was weder Ganzes noch Teil ist, in dem die Lösung dieses Problems beschlossen liegt. Mein Verhältnis zum meontisch-meontologischen bedingenden Geist ist wirklich paradox! 6. Grundlegende Kategorien Unsere Erörterung kann nur gefördert werden, wenn wir sie in die Ebene der Kategorienlehre verlegen. Denn nur so können wir hoffen, auf die Schicht vorzustoßen, wo die wesentlichen Entscheidungen fallen. Wir sprachen schon von der Kategorie der Kultur im Gegensatz
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zu der der Natur. Aber beide sind nicht Kategorien im engeren, eigentlichen Sinne. Ich möchte sie vielmehr mit den Kategorienüberschriften vergleichen, die Kant in seinem Kategoriensystem gebraucht: Quantität, Qualität, Relation und Modalität. Auch diese sind nicht Kategorien, sondern Klassennamen für je drei Kategorien im Kantschen Sinne. So können auch dieselben Kategorien die Kategorialität der Natur oder die der Kultur ausdrücken, und in beiden Fällen wird von denselben Kategorien ein recht verschiedener Gebrauch gemacht. Das ist dann noch etwas Anderes, als wir bei Kant vorfinden, obgleich der Name „Kategorialität" auf beide Fälle passen würde. Natur und Kultur sind also Kategorialitäten, nicht Kategorien, Klassennamen, Systemeinheiten. Was aber ist eine Kategorie ? Wir sind hier nur daran interessiert, eine vorläufige meontologische Definition, Umschreibung oder Beschreibung zu geben. Darin besteht die Vorläufigkeit, die wir im Anfang gar nicht vermeiden können. Wir wollen unter Kategorien die Stammbegriffe verstehen (wir greifen diesen Ausdruck Kants auf), mit denen wir das annäherungsweise fassen, umschreiben und beschreiben, was das unerscheinliche neutrale Dritte ist, die totale Anderheit; das Meontisch-Meontologische, für das Sein und Zeit suspendiert sind und dessen negativistische Aufgehobenheit für uns die pleromatischen Momente des Seinsintentionalen auslösten. Das macht die Kategorie zur Kategorie. Daß wir die Kategorie in diesem Sinne einen Stammbegriff nennen, hat nicht die Bedeutung, daß sie etwas rein Logisches oder gnoseologisch Subjektives ist. Das wird sofort klar werden, wenn wir folgendes überlegen: Aus der vorläufigen Definition folgt klar, daß sich zu dem Gegensatz von Natur und Kultur (der mit dem ausgewählten Sonderbeispiel unserer Untersuchung zusammenhängt), noch andere Gegensätze ähnlicher Art gesellen, die von Erscheinung und Ansichsein, dem Ontischen und dem Ontologischen, dem Meontischen und dem Meontologischen, und vielleicht noch andere. Alles das sind kategoriale Gegensätze, die Gegensatzglieder sind aber keine Kategorien, sondern nur Kategorialitäten, Bezugspunkte für die Anwendung von Kategorien. Denn wenn die Kategorie ein Erscheinungsphänomen ist, das annähernd das Unerscheinliche erfaßt, dann können „Erscheinung" und „Ansich" selbst keine Kategorien mehr sein. Und da dieses Ansich identisch ist mit dem Meontisch-Meontologischen, so kann auch dieses keine Kategorie sein. Was ferner das Ontologische betrifft, so ist dieses ein Sammel- oder Klassenname für die kategorialen Stammbegriffe als Erscheinungsphänomene, während sich das Ontische auf ihre Inhalte und Gegenstände bezieht. Also können beide keine Kategorien sein. Dem liegt dann der Unterschied und Gegensatz von Sein und Seiendem zugrunde, und da fragt sich, ob beide denn auch keine Kategorien seien, sondern nur Kategorialitäten. Das Sein scheint doch sicher den Namen einer solchen zu verdienen.
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Tatsächlich ist es so. Meontologisch entdecken wir das Sein als die Urkategorie. Alle anderen Kategorien sind nur deren Spezifikationen. Anders steht es dagegen mit dem Seienden. Dieses ist keine Kategorie und auch keine Kategorialität. Das werden wir gleich sehen. Wie konstituiert sich nun meontologisch das Sein als die Urkategorie ? Das Sein bezieht sich paradox auf das Meontisch-Meontologische. Auf dieses ist das Sein nicht mehr anwendbar, es steht in der totalen Anderheit des Seins. Das Meontisch-Meontologische ist jenseits des Unterschieds von Sein und Seiendem. Es ist das ursprünglich Eine, das dieser Trennung vorausgeht. Sobald vom Sein die Rede ist, hat bereits eine Bifurkation stattgefunden (um diesen Ausdruck Whiteheads zu gebrauchen). Das andere Glied der Bifurkation ist dann das Seiende. Um die ursprüngliche Einheit anzudeuten, das Freisein von jeder Bifurkation, sprechen wir vom Meontisch-Meontologischen. Der Bindestrich zeigt die ursprüngliche ungebrochene und unbegreifliche Einheit an, in der Sein und Seiendes zusammenfallen. Aus sprachlichen Gründen ist das nur ein armes, schwaches Zeichen. Es ist nicht ein Bindestrich, der zwei getrennte Einheiten verbindet, sondern der die ursprüngliche Aufgehobenheit der Trennung anzeigt in einem Ausdrucksmedium, dem diese ursprüngliche Aufgehobenheit unzugänglich ist, und das von der Geschiedenheit und Unterschiedenheit lebt. In demselben Sinne können wir nicht vom Ontisch-Ontologischen sprechen. Denn dieser Gegensatz steht ganz im Reich der Zweiheit, der Erscheinung. Hier ist es angemessener zu sagen: das Ontische und das Ontologische. Das Meontisch-Meontologische dagegen meint etwas ganz Anderes, nicht Erscheinung, sondern das ewige und unaufhebbare Gegenüber zu aller Erscheinung, das Ansichsein, das identisch ist mit dem Ansichseienden, dem bedingenden Geist. Der Unterschied zwischen dem Sein und dem Seienden hat sich noch gar nicht ereignet, sofern wir das MeontischMeontologische bedenken. Die hier gemeinte Einheit und das hier gemeinte Eine ist nicht die Kategorie der Einheit (obgleich sie verwendet wird), sondern ein neutrales Drittes zu Einheit und Vielheit, das kategorial zunächst als Einheit gefaßt werden muß. Aus dem Seinsintentionalen (wir verwenden dieses Wort n i c h t im Sinne Husserls) heraus, das wie absolutes Nichtsein ist, das konkretes Nichts ist, wird die erste Phänomenalisierung geboren, die das Sein ist, ein begriffliches, ja urbegriffliches Errcheinungsphänomen, das so als die Urkategorie, als die Kategorie aller Kategorien auftritt. So ist das reine Sein die erste annähernde Erfassung des Meontisch-Meontologischen unter den Bedingungen des Erscheinungsgesetzes selbst. Man vergleiche hiermit unsere vorläufige Definition der Kategorie. So also treffen wir auf das Sein als eine echte Kategorie. Mit ihm ist die Bifurkation da. Es hat ein Verlust, eine Privation, ein Substanzschwund stattgefunden, da das mit dem Sein Gemeinte frei von der Bifurkation, und viel reicher, pleromatischer ist. Es hat sich eine Verwandlung und Pervertierung ereignet. Die Negativität und die Positivität, die dem Sein zukommen,
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leiden beide darunter, es sind nicht mehr die vollen, starken, echten Negativitäten und Positivitäten. Das Meontische ist parallel zum Seienden, das Meontologische parallel zum Sein. Dasselbe gilt vom Ontischen und Ontologischen, und ähnliche Parallelismen werden wir noch mehrere entdecken. Das Besondere ist nur das, daß im Meontisch-Meontologischen Sein und Seiendes ursprünglich zusammenfallen. Dieser Parallelismus, der eine grundlegende Stellung unter allen übrigen einnimmt, stammt aus einer überkategorialen Matrix. Diese ist das Meontisch-Meontologische. J e d e Kategorie kann nur aus einer solchen entspringen, weil die Kategorie das Herz der Erscheinung ist. Das Überkategoriale des Seins ist die Nichtshaftigkeit und der Pieromacharakter der totalen Anderheit des neutralen Dritten. Das Sein kann nur deshalb eine Kategorie sein, weil es sich aus einem E t w a s bildet, das wie Nichtsein ist. Denn die Kategorie ist nur für Erscheinungen gültig und ist selbst ein Erscheinungsphänomen. Keine Kategorie kann aus dem Nichts entstehen, obgleich sie wirklich wie aus einem Nichts entspringt. Aber dieses ist das konkrete, nicht das abstrakte. Denn das gehört zu den Bedingungen der Begriffsbildung, und die Kategorie ist Begriffsbildung, wenn das auch ihr Wesen nicht erschöpft. Die Kategorien sind Gattungen von Aussageweisen, aber das hindert nicht, daß sie es mit Sein und Seinskonstitution zu tun haben, daß sie Inhalte und Gegenstände besitzen, ohne die sie nichts sind. Die Kategorie ist ein logisches, alogisches und überlogisches Phänomen, und ebenso sehr ein gnoeseologisches, agnoseologisches und übergnoseologisches. W a s das Mehr ist, werden wir sehr genau anzugeben haben. Das Verhältnis von Sein und Seiendem ist ein Spaltungsprodukt, das unter Substanzschwund auftritt, wie wir gesehen haben. Die volle Substantialität im J a und Nein hat nur das Meontisch-Meontologische in seiner Ungebrochenheit und Übererscheinlichkeit. E s handelt sich nun darum, für das Seiende einen Namen zu finden, der die Verwandtschaft mit dem Sein des Seienden und seinen Unterschied von ihm in gleicher Weise anzeigt. Das Sein ist innerhalb des Seienden, dessen Sein es ist, das Allgemeine, Ungreifbare, Undefinierbare. Definierbar und greifbar wird das Sein nur von dem Seingemeinten her, das wie Nichtsein und Fülle ist. D e r Charakter des Seins ist Allgemeinheit, Abstraktheit, aber nicht nur als Denken, sondern auch als Schau und Intuition. Der Charakter des Seienden ist im Gegensatz hierzu Konkretheit, Besonderheit, Individualität, Zeitlichkeit, Prozeßhaftigkeit, Substanzhaftigkeit. Das Sein ist prinzipienhaft, und von daher sind alle Kategorien Prinzipien ( K a n t würde sagen Grundsätze, aber wir gebrauchen das W o r t im modernen Sinne, der etwas vom Kantischen Sprachgebrauch abweicht). I s t die Kategorie das Prinzip, dann ist das Seiende das Prinzipiat. So können wir es nennen, aber es wird gut sein, noch eine neue Wortbildung hinzuzufügen, nämlich die in Analogie gebildete: Kategoriat. Das Seiende ist keine Kategorie und auch keine Kategoriah-
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tät, wie wir gesehen haben. Das letztere nicht, weil es kein Klassenname für Kategorien ist. Der Unterschied und die Verwandtschaft in bezug auf das Sein scheint am besten durch das Wort Kategoriat wieder gegeben zu werden, das wir also wählen wollen. Von hier aus bildet sich dann ein durchgehender Parallelismus von Kategorien und Kategoriaten aus, wie wir noch sehen werden. Alle diese Parallelismen sind durch einen Substanzverlust gebrandmarkt. Ehe wir zu dieser Betrachtung übergehen, muß noch etwas anderes gesagt und gesehen werden. Die überkategoriale meontisch-meontologische Matrix, in der der Unterschied von Kategorie und Kategoriat noch nicht zum Aufbruch gekommen ist, ist nicht nur dadurch ausgezeichnet, daß das Sein von ihr nicht prädizierbar ist, daß sie kein existentiales Ist hat, sondern auch dadurch, daß das Zeitmoment und mit ihm die Zeit suspendiert sind, daß von ihr nicht gesagt werden kann, sie existiert, ist j e t z t , in diesem Augenblick (und damit fällt auch das Hier, der Ort, der Raum, fort). Dasselbe was das Sein aus einer reicheren negativen Positivität und positiven Negativität heraus zur Abhebung bringt, läßt auch das Seiende als Gegensatz auftreten, und dasselbe, was das Meontisch-Meontologische zum Sein zurückbildet und dadurch den unausrottbaren Erscheinungscharakter des Seienden einführt, bildet das Meontisch-Meontologische auch zum Zeitmoment und zur Zeitlichkeit zurück, in der das Seiende seine Seinsform hat. Das Sein ist frei von der Zeitlichkeit, es hat ideale Objektivität, Idealität, objektbedingende Subjektivität, Essenzhaftigkeit, Prozeßlosigkeit (das Sein des Prozesses ist selbst Prozeßlosigkeit), Möglichkeits- und Notwendigkeitsmodalität, Abstraktheit (im Sinne von Denken und Anschauung), logischen, gnoseologischen und ontologischen Charakter. Das Seiende dagegen zeigt Konkretheit, reale Objektivität, Realität, Wirklichkeitsund Zufälligkeitsmodalität, Prozeßhaftigkeit, subjektbedingende Objektivität (so wird es psychologisch), Existenzhaftigkeit, alogischen, agnoseologischen und ontischen Charakter, Gegebenheit, Gegenständlichkeit. Das Sein ist Form, das Seiende Materie (im weiteren Sinne). Alle diese konkreten Züge und Gegenzüge entspringen aus der Matrix, dem bedingenden Geist. Hier heben wir nur den einen Zug heraus, der es mit der Zeit zu tun hat. Es ist ein Gegenzug, so wie das Sein der Zug ist. Die Zeit entspringt nicht aus der essenzhaften Zeitlosigkeit, die dem Sein eignet, sondern aus der ganz anderen Zeitlosigkeit, die das Merkmal des Meontisch-Meontologischen ist. Beim Übergang von der essenzhaften Zeitlosigkeit zur Zeit ereignet sich ein Substanzgewinn, aber beim Übergang von der meontisch-meontologischen Zeitlosigkeit zur Zeit ereignet sich ein Substanzverlust, derselbe, den wir angesichts des reinen Seins konstatieren mußten. An Stelle der Zeit steht im Meontisch-Meontologischen etwas füllehaft Reiches, das auch reich in meontologischer Negativität ist. Daß es vom Meontisch-Meontologischen keine Aussageart (also auch keine Kategorie) gibt, die es als ein jetzt Seiendes bezeugt, vereinigt sich mit dem meontologischen Ursprung des
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reinen Seins, um den absoluten Geheimnischarakter der Wirklichkeit zu umschreiben. Beides grenzt die Erscheinungswelt klar ein. Deshalb ist alles Seiende ein Erscheinungsseiendes. Deshalb sind alle Kategorien immer nur auf mögliche Erfahrung bezogen. So tritt neben die erste Kategorie des Seins sofort die der Zeit. Sein und Zeit gehören zusammen. Das hat auch Heidegger klar erkannt. Wir konnten hier nur den ersten Anfang der Zeitanalyse geben. Das Seiende ist also keine Kategorie, sondern ein Kategoriat. Der Charakter desselben wird nun durch eine Reihe von Kategorien erfaßt, die sich dann eben dadurch, daß sie das tun, von den anderen Kategorien abheben. Dadurch wiederholt sich auf einer zweiten Ebene der Parallelismus von Sein und Seiendem. Diese Kategorien sind: Existenz (existentia), Dasein, Realität und Wirklichkeit. Existenz ist die nackte Gesetztheit des Seienden. Sie ist absolute Position im Gegensatz zum prädikativen Sein. Die Existenz drückt kategorial das Kategoriat des Seienden im Gegensatz zum reinen Sein des Seienden aus. Der Gegensatz von Existenz und Existierendem ist die erste Wiederholung und Verdoppelung des Gegensatzes von Sein und Seiendem. Die Existenz ist parallel zum Sein und ist ontologisch, das Existierende ist parallel zum Seienden und ontisch. Die Matrix ist hier eine Gesetztheit, die wie Aufgehobenheit ist, und eine Aufgehobenheit, die die unbegreifliche Gesetztheit des Meontisch-Meontologischen selbst ist. Was noch nicht einmal die existentielle Ist-Aussage zuläßt, verweigert sich auch der kategorialen Aussageweise der Existenz. In der Paarung von Existenz und Existierendem setzt sich der Substanzverlust fort, den wir schon bei der von Sein und Seiendem bemerkten. Im Gegensatz zur existentia steht die essentia, die Wesenheit. Im Gegensatz zu den Wesenheiten sind die Wesen wiederum das Seiende, das das Existierende ist. Das seiende Wesen tritt im sekundären Parallelismus neben das Existierende, aber die Wesenheit ist etwas Anderes. Die essentia ist im Gegensatz zur existentia nicht eine Kategorie, die das Kategoriat erfaßt, sondern das Kategoriale und die Kategorialität. Sie ist nicht so kern- und wurzelhaft wie die existentia, dafür aber auch reicher, inhaltlicher. Sie spielt mehr an der Oberfläche, hat aber ein weiteres Feld. Sie ist nicht nackte Gesetztheit, absolute Position wie die Existenz, sondern ganz ins Relative und Relationistische versenkt. Sie bringt den Schein in der Erscheinung hervor, der aufs Sein hindeutet. Die Essenzen und Wesenheiten werden zu den Universalien, über die im Mittelalter so viel Streit war. Sie treten als mathematische Wesensschauungen auf, als die Begriffspyramide mit den mannigfaltigen Verhältnissen der Arten und Gattungen (und für diesen Bereich hat Nicolai Hartmann die Leibnizschen Kategorien der Kompossibilität und Inkompossibilität erneuert), als logische, gnoseologische, ontologische, ethische, ästhetische, soziologische und religiöse Seinsweisen in nie endendem Reichtum. Alle diese Arten vereinigen sich und schließen sich zusammen zur Kategorie der Idealität. Das Sein des Seienden ist
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an und für sich ideal, essenzhaft. Das reale Sein ist das ideale Sein des Realen. So kommen wir auf den Gegensatz von Realität und Idealität zu sprechen. Die Realität ist die zweite Kategorie des Kategoriats des Seienden. Was die Existenz angefangen hat, setzt die Realität fort. Die Existenz greift in der Tiefe des Seienden an und denkt als Setzung kategorial das Kategoriat. In Gegensetzung zur existentia arbeiten sich die essentiae heraus und wiederholen auf einer zweiten Ebene den Gegensatz von Sein und Seiendem. Hier steht die existentia parallel zum Seienden, die essentia parallel zum Sein. Eine weitere Nivellierung hat stattgefunden, obgleich der Erscheinungsgehalt sich vermehrt hat. Die Realität greift den Reichtum der Wesenheiten auf und setzt mit ihm die Setzungsfunktionen der Existenz fort, erweitert sie und vermittelt sie zu einer Erfüllung hin. In dieser Weise tritt der Realität die ganze Fülle der Idealität gegenüber. Wiederum verhalten sich Realität und das Reale wie Sein und Seiendes, und dasselbe gilt von Idealität und Realität, nur daß sich nun tertiäre Ebenen herausgearbeitet haben. Sogar Idealität und das Ideale ist wie Sein und Seiendes, aber hier wird der Kategoriatbegriff ganz und gar in eine sekundäre und tertiäre Begriffsbildung hineingezogen, und dementsprechend wird sein Erkenntnis- und Seinswert herabgesetzt, und das Übel des Formalismus und Schematismus droht überhand zu nehmen. Das Ideale kann ohne weiteres als ein Seiendes, Existierendes, Reales und Wirkliches aufgefaßt werden, aber seine Kraft wird ihm dabei genommen und seine Urfunktion gestört, wenn auch nicht zerstört. Daß alle diese Kombinationen zweiter Hand möglich sind, darin besteht die Zwanglosigkeit und Freibeweglichkeit des Denkens. Aber sie bringt die Gefahr der formalistischen Entleerung mit sich. Demgegenüber hat die Kategorienlehre die Aufgabe, die kräftigen Urzüge der Stammbegriffe klarzustellen und sie vor der Verwässerung zu bewahren. Wird beim Idealen der Unterschied zwischen dem Wesentlichen und dem Unwesentlichen vernachlässigt, dann entsteht das Sosein, dem das Dasein ähnlich entgegensteht wie der essentia die existentia. Zwischen Sosein und Dasein, zwischen Sosein und Soseiendem, zwischen Dasein und Daseiendem ergeben sich dann ähnliche zweit-dritt- und viertrangige Wiederholungen des Gegensatzes von Kategorie und Kategoriat, von Sein und Seiendem. Wir brauchen das nicht alles im einzelnen zu formulieren. Aber wichtig ist hier zu sagen: Zum Sosein gehören nicht nur die begrifflichen Wesentlichkeiten, sondern alle Idealitäten. Dasein ist deshalb mehr als Existenz und weniger als Realität. Es vermittelt zwischen beiden. Es zeigt einen betont räumlichen Symbolismus, und dadurch auch einen zeitlichen. Es ist das Sein hier und jetzt. Es ist ebenso sehr Jetztsein wie Hiersein. Es bringt die kategoriale Bedeutung des Zeitmoments neben die des Seins und denkt dadurch kategorial das Kategoriat des Seienden. Wir sahen ja schon, daß so wie das Sein immer Sein des Seienden ist, das Zeitmoment gewissermaßen das Sein im Seienden ist.
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7. Kategorialitäten und Kategoriate Die Kennzeichnung als ideal oder real ist von einem durchgehenden Relativismus durch waltet. So ist zum Beispiel die existentia real gegenüber der Idealität der essentia, aber die Existenz als Kategorie ist im Vergleich mit dem Existierenden als Kategoriat ideal. Hinzu kommt, daß wir ein Vermittlungsglied zwischen dem Realen und dem Idealen im Temporalen auffinden können; das ist so: Bei der Existenz, dieser reinen Daß-Setzung, können wir besonders gut unterscheiden: die Existenz, das Existieren und das Existierende. Vom ersten und dritten Glied sahen wir bereits, daß sie zueinander wie ideal und real sind. Wir wollen unsere Aufmerksamkeit jetzt dem Mittelglied zuwenden, dem Existieren, das deutlich als eine Zeitbestimmung auftritt. Wir wissen, daß das Sein zusammen mit der Zeit oder dem Zeitmoment sich vom Meontisch-Meontologischen her von einer Aufgehobenheit herleitet, die das Gegenteil von Sein und Zeit als Setzung ist. Nun entspricht in diesem Zusammenhang die Existenz dem Sein, das Existierende dem Seienden, während das Existieren der Zeit zuzuordnen ist. Durch den gemeinsamen Ursprung von Sein und Zeit aus der meontischmeontologischen Aufgehobenheit, die zugleich Hülle der Fülle ist, mit der das Seiende aus dem Meontischen entspringt, wird die DaßSetzung und absolute Position der Existenz in einen Zusammenhang gebracht, aus dem wir ablesen können: An die Stelle des dualistischen Gegensatzes von ideal und real tritt eine Dreiheit, die wir so beschreiben können: das Ideale, das Temporale, das Reale. Der so wichtige Gegensatz von Idealität und Realität erweitert und vollendet sich hier zu einer Dreiheit, wobei das Mittelglied, die Temporalität, die Vermittlung zwischen dem Realen und dem Idealen übernimmt. Es hat von beiden etwas an sich. I n gewissen Zusammenhängen ist die Zeit ideal. Hierauf beruht die von Kant bemerkte Idealität der Zeit, die wie eine objektbedingende Subjektivität ist, von anderer und höherer Objektivität als die des bedingten Dinglichen. Auf der anderen Seite dient die Zeit der Einführung eines Transzendentrealistischen, wodurch sich das Existierende als Kategoriat auszeichnet. Die Daßheit der Existenz entspringt aus dem Meontisch-Meontologischen mit einem tieferen Griff in den unerschöpflichen Born und Reichtum desselben. Die existentia zeigt weniger Substanzschwund als die essentia. Die essentia hat sich weiter vom Ursprung hinweg bewegt als die existentia, obgleich sie gerade dadurch ein größeres Maß des rein Erscheinlichen zuwege zu bringen vermag. Das Existentielle ist noch nackt, unbekleidet, arm. Aber das Wenige, das es besitzt, steht dem Meontisch-Meontologischen näher als alles andere Kategoriale. Nichts deutet so sehr auf das Meontisch-Meontologische hin als die reine Daßheit. In der Daßheit gibt sich dieses den stärksten Ausdruck innerhalb der Erscheinung. Das ist die Sonderleistung der Existenzkategorie. Die essentia, Realität und Idealität, die Modalkategorien, dann alle
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nachfolgenden Kategorien übernehmen die Bekleidung des Nackten, aber dabei zehren und leben sie fortwährend von der reinen Daßheit der Existenz, und sie bleiben durch diese auf das Meontisch-Meontologische bezogen. U n d nun h a t sich gezeigt, daß diese Daßheit durchaus nicht nur ein einseitiges negativ-meontologisches Moment ist. Sie hat durch ihren Bezug auf das Meontische, das Ontische, das Seiende einen pleromatischen Zug, der als Daß-Seiendes, als Daß-Existierendes, als schlicht Existierendes im Gegensatz zur Existenz auftritt, die durch das aus der Zeitaufgehobenheit entspringende Temporale vermittelt wird und sich erscheinlich als das Existieren darstellt im Gegensatz zu Existenz und Existierendem. Dieser Reichtum in der scheinbaren Armut der Existenz wird in alles Nachfolgende hineingetragen, in die mathematischen, logischen, gnoseologischen und kulturellen Wesenheiten, damit in das Ideale, und damit in das Reale, und damit in die Modalitäten und damit in alle übrigen Kategorien, die immer reicher und ärmer zugleich werden, die immer mehr das Erscheinungsfeld erobern, sich dabei aber auch immer mehr vom Meontisch-Meontologischen entfernen, die uns immer mehr in eine Vergessenheit des letzteren hineinstürzen (die mit dem übereinkommt, was Heidegger das „Man" nennt). Es sieht dann so aus, als könne ich mich vom Meontisch-Meontologischen ausnehmen. Ich stehe ihm gegenüber, ich kann mich von ihm trennen oder mit ihm verbinden. So ist es aber gerade nicht. Das ist das Blenden der Erscheinung, der Schein und das Nichtige, das mich ä f f t und narrt. Die Kategorien können nicht ihr nützliches Werk tun, ohne diese Gefahr mit herauf zu beschwören. Der Ausdruck Seinsvergessenheit ist zu schwach hierfür. Was ich zu vergessen geneigt bin, je mehr die Kategorien ins Spezifische und Spezielle gehen, ist, daß ich, in meinem ureigensten Wesen, durch und durch meontisch-meontologisch bin, so daß ich mich gar nicht dem Meontisch-Meontologischen als ein Gegenüber konstituieren kann, mich von ihm auszunehmen vermag, als ob ich die Freiheit hätte, mich mehr oder weniger mit ihm zu verbinden oder mich von ihm zu trennen. Es sieht so aus, aber es ist nicht so. Ich gehöre unabtrennbar und unbegreiflich zum Meontisch-Meontologischen, ob ich es weiß oder nicht, ob ich es will oder nicht. Ich k a n n mich in tatsächlich freien Erscheinungsakten von ihm loslösen, ihm entgegenleben, es verwerfen. Aber auch d a n n lebe ich von ihm. Die freien Erscheinungsakte sind nur frei hinsichtlich der Erscheinung. Das wirft Licht auf das Problem der Willensfreiheit, wie wir noch sehen werden. Oder aber, ich kann meine Verbundenheit erkennen, die viel weiter geht, als ein Verhältnis zum Meontisch-Meontologischen zu sein. Beim Sein t r i t t der Unterschied zwischen d e m Idealen und dem Temporalen nicht so klar in die Erscheinung wie bei der Existenz, und das ist charakteristisch. Dasselbe Wort „Sein" wird f ü r die Urkategorie im idealen wie im temporalen Sinne benutzt, und das vermag zu einer Quelle unklaren theoretischen Denkens zu werden. Wir müssen das im Auge behalten. E t w a s Ähnliches gilt vom Dasein. Wir sahen
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schon, daß das Da ein räumliches und zeitliches Symbol zugleich ist. Im ersten Sinne ist das Dasein ideal, im zweiten temporal. Das Da seiende mit dem Akzent der Realität ist dann wieder deutlich abhebbar. Hinzu kommt, daß das Dasein im Vergleich zum Sosein den realen Akzent hat, während das Sosein Idealität besitzt. J e mehr unser Denken in der Beachtung dieser Unterschiede geübt ist, desto besser kann es die mit der Kategorialität verbundenen Probleme bewältigen. Ebenso vermag die Kategorie der Wirklichkeit in ihrer Bezogenheit auf das Wirkliche ideal oder temporal zu sein, ohne daß man es dem Worte ansehen könnte. Ist sie temporal, dann meint Wirklichkeit Wirklichsein, d. h. das Wirkende mit betonter Prozeßhaftigkeit. Ist sie ideal, dann ist sie von einer essenzhaften kategorialen Zeitlosigkeit, die eine ganz andere Bedeutung hat, ein größerer Kontrast zum Wirklichen, d. h. zum Wirklichseienden, der dann durch das Temporale vermittelt werden muß. Zur Möglichkeit hin zeigt dagegen die Wirklichkeit Realitätscharakter und jene verstärkte Idealität, die als ursprünglich und eigentlich empfunden wird. Die Möglichkeit zeigt aber dann im Verhältnis zum Möglichsein und zum Möglich seienden eine Wiederholung des Temporalen und Realen, die sich unter den Hauptakzent der Idealität begibt und schwächeren Grades ist. Ähnliches gilt von Notwendigkeit, Zufälligkeit und Freiheit. Jedoch ist bei der Notwendigkeit der Realitätsakzent noch stärker als sogar bei der Wirklichkeit, und dementsprechend tritt die Idealität zurück. Die Notwendigkeit hat also nur einen schwachen Idealitätsgrad gegenüber dem Notwendigseienden, das einen maximalen Realitätsgrad zeigt. Im temporalen Notwendigsein überwiegt die Realität die Idealität, aber beide sind da, gemäß der Struktur des Temporalen. Beim Möglichsein ist es gerade umgekehrt. Das Unmöglichsein springt ins Gegenteil über. Die Kategorie der Unmöglichkeit zeigt einen Realitätsgrad, der stärker ist als der der Notwendigkeit, und so das Unmöglichsein und das Unmöglichseiende. Die Idealität tritt ganz zurück, obgleich sie nicht fehlt. Die Unmöglichkeit ist im Modus der Aufgehobenheit, und das macht diese Erscheinung besonders merkwürdig. Die Gründe werden wir bald kennenlernen. Die Zufälligkeit, das Zufälligsein und das Zufälligseiende zeigen unbeschadet der sich erhaltenden inneren Realitäts-Idealitäts-Relativismen eine Anteilsverteilung, die als zwitterhaft, schillernd und schwebend beschrieben werden muß. Eine Defizienz tritt hier auf, die wir noch näher untersuchen müssen. Die Freiheitskategorie teilt in ihrer inneren Dreiteilung denselben Relativismus mit den übrigen Kategorien, zeichnet sich aber durch eine ausbalanzierte Verteilung von Idealität und Realität aus, die beide mit einem Höchstgrade und einer Maximumstärke auftreten, die alles bisherige übersteigt. Damit ist die Liste der Modalitätskategorien vollständig geworden, und wir können nun die neue Gruppe derselben mit ihren meontologischen Grundbestimmungen vorführen, wie wir das vorher schon mit den anderen, mit existentia und essentia, mit Dasein und Sosein, mit Idealität und Realität getan haben.
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I. Teil. Das Grundprinzip der Kulturontologie
Wir kommen nun zur Kategorie der Wirklichkeit. Sie ist zentral. Sie eröffnet den Reigen der Kategorien, die Modalitäten heißen. Damit tritt eine bedeutsame Wendung ein. Kant bezog diese Gruppe auf das gesamte Erkenntnisvermögen, während die übrigen Kategorien es mit dem Gegenstand überhaupt zu tun haben. Das war ein erkenntnistheoretisches und psychologisches Mittel, um die pleromatische Natur dieser Kategorienklasse auszusprechen. Aber diese kann nur von der Ontologie her einsichtig gemacht werden, die zur Meontologie geworden ist. Erkenntnistheoretische und psychologische Ausdrucksmittel sind nur eine Annäherung an dieses Ziel. Wir haben der Kategorie der Wirklichkeit schon die ihr gebührende Stelle gegeben, indem wir sagten, das Meontisch-Meontologische habe es mit dem Mysterium der Wirklichkeit zu tun, die in ihm enthüllt und auch wieder verborgen wird. Diese kategoriale Aussage müssen wir hier rechtfertigen. Da das Meontisch-Meontologische das Seinsgemeinte ist, das wie Nichtsein erscheint (obgleich es das an sich durchaus nicht ist), handelt es sich hier um eine Wirklichkeit, die wie Nichtwirklichkeit erscheint. Die positive modale Grundkategorie ist also sofort mit der negativen verknüpft, wenn das Meontisch-Meontologische als die Wirklichkeit aufgefaßt wird. Seine Wirklichkeit ist unerscheinlich, und deshalb kann sie nur wie Unwirklichkeit erscheinen. In diesem Sinne ist das Meontisch-Meontologische das G e h e i m n i s der Wirklichkeit. Nur in sehr paradoxer Weise kann das Meontisch-Meontologische als die Wirklichkeit und als das Wirkliche ausgesagt werden, aber gerade so enthüllt sich das eigentliche Rätsel der Wirklichkeit. Wir wollen diese Kategorie zunächst mit dem Sein und mit der Existenz vergleichen. Das entscheidende Wort ist hier, daß Sein und Existenz das negative Meontologische betonen, während der Akzent bei der Wirklichkeit auf dem Pieromatischen liegt. Nun gilt ferner auch, daß der Gegensatz von Sein und Seiendem von einem ähnlichen Akzentunterschied betroffen ist. Das Sein ist ontologisch, das Seiende ontisch. Das ontologische Sein steht parallel zum Meontologischen, das ontische Seiende zum Meontischen. Das Seiende, das Ontische, das Meontische heben die Konkretheit, Individualität, Zeitlichkeit, Prozeßhaftigkeit heraus, die vom Meontologischen her zum Pieromatischen hinströmt und die im Meontischen, das mit dem Meontologischen zusammenfällt, zum concretissimum wird. Die Kategorie der Wirklichkeit nimmt dieses pleromatische Motiv auf und arbeitet es auf eigene Art aus. Das ist es, was sie zur Modalität macht. In der Modalität erreicht die Kategorie ihre größte Spannweite. Sie wird allumfassend, totalistisch. Das macht die Modalität zur Modalität. Der Kantsche Bezug auf das gesamte Erkenntnisvermögen war nur ein erster Anlauf zu dieser Einsicht, der durch den fragwürdigen Vermögensbegriff gehemmt wurde. Jedoch ist nicht' zu übersehen, daß das Vermögen im Kantschen Sinne selbst schon einen modalen Sinn hatte. Es meinte mögliche Erfahrung und ein Totum von Erkenntnismöglichkeiten. Die Möglichkeit ist aber
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eine Modalkategorie. Das gab der vulgären Vermögenspsychologie einen tieferen Sinn. Aber wir haben heute kein Interesse mehr daran, an diesem belasteten Begriff festzuhalten. Das Meontisch-Meontologische ist nicht von der Wirklichkeit her zu erklären, sondern die Wirklichkeit von dem Meontisch-Meontologischen her. Weil wir bei der Suche, die das Wirklichkeitsproblem aufgibt, auf das Meontisch-Meontologische stoßen, konstituiert sich die Wirklichkeitskategorie als ein Erscheinungsphänomen. Die Kategorie der Wirklichkeit ist also totalistisch-pleromatisch bezogen auf Existenz und Essenz, auf Dasein und Sosein, auf das Ideale und Reale. Das ist das Material, das sie benutzt und das sie zu sich erhebt. Alle Einzelheiten dieses Materials zeigen nicht die totale Pleromatik, sondern sind im Vergleich zur Wirklichkeit partikulär. Hierauf beruht der Unterschied dieser Kategorien von der Wirklichkeit, besonders der der Realität. Realität und Wirklichkeit werden oft fast gleichgesetzt. Hier aber zeigt sich, daß das durchaus nicht berechtigt ist. Von der Wirklichkeit des Idealen und des Realen zu sprechen, ist durchaus sinnvoll, und schon hieraus geht hervor, daß die Identität zwischen beiden nicht berechtigt ist. Ebenso gibt es eine Wirklichkeit des Temporalen als dritte Art. Als nächstes Modalitätspaar folgen die Möglichkeit und die Unmöglichkeit. Sie sind meontologisch in einer Weise miteinander verknüpft, die den Grundbescheid über sie ausmacht. Nämlich: Die Möglichkeiten des Meontisch-Meontologischen bestehen darin, daß sie als Unmöglichkeiten erscheinen. Darauf wird später noch vielfach in meontologischer Hinsicht Bezug genommen werden. Hier kommt es nur auf das Grundlegende an. Es handelt sich hierbei um existentielle Unmöglichkeiten, die phänomenal den meontisch-meontologischen korrespondieren. So sind diese beiden Kategorien meontologisch aufeinander bezogen, und dabei spielt der Parallelismus von Erscheinung und Ansich eine Rolle. Unmöglichkeiten der ersteren sind mit Möglichkeiten des letzteren identisch. Es ist eine Wiederholung, eine Reflexion, ein Parallelismus, eine Darstellung. Möglichkeiten haben an sich einen idealen Akzent, als Modalitäten sind sie aber totalistisch. Der Akzent ist nicht alles. Neben die idealen Möglichkeiten mit ihren mathematischen, logischen, gnoseologischen, essentiellen, axiologischen, ästhetischen Abarten (diese Liste ist nicht vollständig) stellen sich die realen und temporalen Möglichkeiten. Diese sind die ontischen Möglichkeiten des Seienden mit seinen Verflechtungsketten und Komplexen, Möglichkeiten der Existenz, des Daseins der Wirklichkeiten. Die idealen Möglichkeiten sind die des Seins des Seienden. Sie sind ontologisch. Jedoch verschmäht auch das Ideale nicht Realität, Existenz, Dasein und Wirklichkeit, wie wir bereits gesehen haben. Nur sind hier Idealität, Essenz, Sosein, Möglichkeit, das Mathematische, Logische, Gnoseologische, Ethische, Ästhetische und Religiöse und selbst gewisse Züge des Soziologischen stärker. Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem reinen Sein als idealer Objektivität, als 3 Samuel, Ontotogie
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I. Teil. Das Grundprinzip der Kulturontologie
objektbedingender Subjektivität, als Quellpunkt des Apriorischen (zum Teil, wie wir sehen werden), und dem logisch Begrifflichen, für das jenes den Inhalt bildet (und hier ist es angebracht zwischen Inhalt und Gegenstand, sowie Inhalt und Materie zu unterscheiden). Dabei beruht aber dieses logisch Begriffliche selbst wieder auf einem Sein eigener Art, das ideal-objektiv ist. So bilden sich die seinskonstituierenden Transzendentalismen aus, die sich dem Meontisch-Meontologischen nähern. Im Gegensatz hierzu beruhen die realen Möglichkeiten auf den Verursachungen des Seienden durch das Seiende, also auf dem Kausalnexus und ähnlichen Verbindungen, wie sie im Problem der Totaldetermination erörtert werden müssen. Das ist das Reich der Möglichkeit mit all seinen Feinheiten und wichtigen Unterschieden, das von den existentiellen Unmöglichkeiten begrenzt wird, die die Möglichkeiten des MeontischMeontologischen selbst darstellen. Das Möglichkeitsreich hat die Tendenz zu diesem kritischen Übergang, der über sein Schicksal entscheidet. Natürlich vermag nie eine reale, logische oder wesenhafte Möglichkeit die meontisch-meontologische direkt darzustellen, denn hier ereignet sich der Umschlag in das Unmögliche. Meontologisch ist also gerade die phänomenale Unmöglichkeit mehr eine Spitzenkategorie als die phänomenale Möglichkeit, gerade weil die meontisch-meontologische Möglichkeit die Spitzenkategorie der modalen Möglichkeit ist. Die Kategorie der Notwendigkeit ist stärker als die der Wirklichkeit, wie auch diese stärker ist als die der Möglichkeit, sofern die Beziehung zur Totaldetermination betroffen ist. Notwendigkeit hat es mit dieser zu tun. Wenn Hartmann gesagt hat, daß das real Mögliche sofort auch real wirklich und real notwendig sein muß, so liegt der Grund in der Vollständigkeit der Bedingungen, und das ist nur ein anderes Wort für die Totaldetermination. Es wird eben das real möglich genannt, was vollständig determiniert und deshalb notwendig ist. Dann ist es aber eine Implikation, daß ein Solches auch real wirklich ist. In der Kette und dem Komplex des Erscheinungsseienden ist dies ein bevorzugter Fall, der für das Seiende die Begriffe von Realität und Wirklichkeit ausmacht. Aber die Totaldetermination hat noch ganz andere Umfassungsweiten. Sie umschließt nicht nur die logische Notwendigkeit von Grund und Folge, die Apodikteizität des Urteils, die Notwendigkeit der Syllogismen, die mathematischen und essentiellen Notwendigkeiten, die gnoseologischen Notwendigkeiten, die die Erkenntnistheorie erforscht, sondern auch die ethischen, ästhetischen, soziologischen und religiösen Notwendigkeiten. Das alles sind Teilprobleme der Totaldetermination, die grundsätzlich alle Arten von Notwendigkeitskategorien begreift. Aber alle diese Notwendigkeiten des Seienden werden transzendiert durch die Notwendigkeit des reinen Seins (wie schon so manche logische und gnoseologische Notwendigkeiten zeigen), und darüber hinaus durch die Notwendigkeiten dessen, was auch dem Sein gegenüber wie ein konkretes Nichts ist. Dies ist die meontisch-meontologische Notwendigkeit, die Totaldetermination des bedingenden Geistes selbst,
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die Quelle aller anderen Notwendigkeiten u n d D e t e r m i n a t i o n s a r t e n . Das ist die E n t d e c k u n g der eigentlichen Notwendigkeit. I n der W e n d e dieser N o t des Seienden zeigt sich das Ansich, in der W e n d e dieser N o t o f f e n b a r t sich die Freiheit. Wir sahen, daß sie sich gegenüber der Möglichkeit als p h ä n o m e n a l Unmögliches darstellt, u n d dieses zeigt eine große V e r w a n d t s c h a f t m i t der Notwendigkeit. Die Unmöglichkeit ist die Notwendigkeit des Nichtseins. D a s gewinnt meontologisch eine Schlüsselbedeutung, w e n n wir die meontologische Möglichkeit des Nichtseins bedenken. Die Notwendigkeit zeigt zwei kategoriale Gegensätze: zur Zufälligkeit u n d zur Freiheit. Das entspricht den anderen modalen Gegensätzen von Wirklichkeit u n d Unwirklichkeit u n d von Möglichkeit u n d Unmöglichkeit, aber der einfache Gegensatz ist hier verdoppelt, entsprechend dem reicheren Gehalt der Notwendigkeitskategorie m i t ihrer Tendenz zur T o t a l d e t e r m i n a t i o n . Die Zufälligkeit ist s u b j e k t i v L a u n e u n d Willkür, objektiv v e r m a g sie auf der Defizienz von N i c h t k e n n t n i s zu beruhen. W a s an sich notwendig ist, k a n n durch defiziente E r k e n n t n i s der Totaldetermination als zufällig erscheinen. Aber es k a n n auch anders sein. E s gibt ein Zufälliges, das nichts m i t mangelnder E r k e n n t n i s zu t u n h a t , das bei vollständiger E r k e n n t n i s zufällig bleibt. Dieses Zufällige r ü c k t in eine Reihe mit dem existentiell Unmöglichen. So wie dieses meontischmeontologische Möglichkeiten darstellt, so dieses Zufällige meontischmeontologische Notwendigkeiten. Sie vermögen sich d a n n in der E r scheinungswelt nicht anders darzustellen als durch Zufälligkeiten, u n d welche das sind, m u ß genau u n t e r s u c h t werden. Das ist eine der merkwürdigsten Erscheinungen der Meontologie. D u r c h all dieses k o m m t in die Zufälligkeit etwas Schwankendes, Schwebendes, Oszillierendes, U n b e s t i m m t e s , Z w i t t e r h a f t e s hinein. W i r d das System der Kategorien im Gleichnis eines K o o r d i n a t e n systems gesehen, d a n n gehört die Zufälligkeit in den N u l l p u n k t oder in dessen Nähe. Allerdings ist das Bild begrenzt. Der N u l l p u n k t d i e s e r K o o r d i n a t e n sprengt d a s S y s t e m selbst. D e n n er ist vonmeontischmeontologischem Charakter. E i n solches K o o r d i n a t e n s y s t e m k o m m t in der M a t h e m a t i k nicht vor. Die Zeichnung auf dem Papier wird zu einer Gesetztheit, die die Berücksichtigung der meontologischen Unsetzbarkeiten verhindert. E s m ü ß t e eine Zeichnung u n d ein Material geben, von denen nicht mehr gesagt werden k ö n n t e : sie sind Seiendes, sie existieren j e t z t u n d hier. D a n n würden die Bedingungen des meontischmeontologischen Charakters des Kategoriensystems erfüllt sein. A b e r so etwas ist unmöglich, weil wir die Zeichnung in einer Erscheinungswelt anfertigen, auf einem Material, das zu ihr gehört. Meontologisch werden so u n t e r U m s t ä n d e n Aufzeichnen u n d Schematisieren unmöglich. Dennoch k ö n n e n wir dieses Darstellungsmittel a n w e n d e n ; n u r müssen wir dabei wissen, was wir t u n . Der andere Gegensatz zur Notwendigkeit ist die Freiheit. Wir f ü h r e n sie hier als Modalitätskategorie ein. D a ß sie a n diesen Platz gehört, 3»
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hat schon Kant geahnt, wenn er es auch nicht klar sah. Sie ist stärker als Notwendigkeit, Wirklichkeit, Unmöglichkeit und alle anderen. Der Grund ist der, daß sie gleicherweise in Beziehung zur positiven und zur negativen Totaldetermination steht. Die Notwendigkeit zeigt nur die positive Seite, ebenso die Wirklichkeit, nur schwächer. Die Unmöglichkeit ist einseitig negativ, und die Implikationen zeigen die schwächeren Weisen der anderen Kategorien. Die Freiheit allein ist voll totalistisch und pleromatisch und ebenso voll negativistisch kritisch, meontologisch, nichtshaft. Sie fügt sich natürlich zur totalen Anderheit, sie legt den Sinn des dritten Neutralen aus, sie hält der Unprädizierbarkeit des Seins und des Zeitmoments stand. Sie ist im vollen Sinne totalistisch, positiv und negativ, fundamental und relational. Deshalb ist nichts so sehr geeignet, den Grundcharakter des Meontisch-Meontologischen zu beschreiben wie die Freiheit. Dieses ist die Freiheit selbst. Die Erkenntnis der Grundstruktur des Meontisch-Meontologischen ist wichtig für die Behandlung von Kulturproblemen wie Willensfreiheit, Determinismus, usw. Anstatt also zu sagen, daß die Notwendigkeit als Gegensätze die Zufälligkeit und die Freiheit habe, wäre es besser gewesen, der Freiheit zwei Gegensätze gegenüberzustellen, nämlich die Notwendigkeit und die Zufälligkeit. Die Freiheit ist stärker (hinsichtlich der Kraft der Kategorialität) als die Notwendigkeit. Diese greift das Positive der Totaldetermination aus der Freiheit auf, während jene noch den Überschuß des kritisch Prinziphaften zeigt, das das meontologische Maximum der Negierung ist. Dieses Negative stellt dann die Zufälligkeit in der Erscheinung dar, so daß sich Notwendigkeit und Zufälligkeit positiv und negativ ergänzen, und in der Erscheinung ein Spaltungsprodukt von etwas darstellen, das im Ansich ungespalten vorkommt und das die Freiheit selbst ist. Die Freiheit ist das in sich selbstgenugsame Anfangen und Vollenden, das das Meontisch-Meontologische ist. So etwas kann nur frei sein. Es ist nichts da, von dem es abhängig wäre. Das ist noch mehr als die Freiheit und Unabhängigkeit eines seienden Universums, für das es kein anderes S e i e n d e s mehr gibt, von dem es abhängig wäre. Noch mehr als das ? Denn diese Freiheit bezieht das Sein und das konkrete Nichts in sich ein, die in der Seinsjenseitigkeit eines seienden Universums stehen. Dieser allumfassende Sinn der Freiheit wird nur durch die Meontologie klargestellt. Um die Freiheit als Kategorie, und dazu noch als Modalkategorie zu denken, bedarf es der Meontologie. Alle Modalkategorien sind nur defiziente Modi der Freiheit, Unterbrechungen und Abbrechungen, Spezifikationen und Einseitigkeiten, Phänomenalisierungen unter den Bedingungen der urmenschlichen Vergreifungen, Vergewaltigungen, Perversionen, Vermischungen, Verwandlungen und Vertauschungen. Als das erfüllte und erfüllende Ideal taucht die Freiheit auf. Um ihretwillen allein lohnt es sich, eine Kategorienlehre auszuarbeiten. Ein uraltes Problem ist das vom Ganzen und seinen Teilen. Wir wissen, wie Plato damit gerungen hat. Hier haben wir den Ausblick
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in die Lösung. Der Totalismus der Freiheit gibt uns diese Möglichkeit. Die Stücke eines materiellen Ganzen, die Wunder der Energieverteilungen, das Verhältnis von K r a f t und Stoff, die logischen Implikationen, das Thema eines Denkverlaufs, die organischen Teile eines Lebewesens, sie alle zeigen, wie reichhaltig, aber auch wie schwierig das Problem des Ganzen mit seinen Teilen ist. Und diese Liste ist noch sehr unvollständig. Ganze Problemgebiete der Ethik, der Ästhetik, der Soziologie und der Religion gehören diesem Problem an. Wie verhält sich das Ich zum Meontisch-Meontologischen, in welcher Relation stehen Ansich und Erscheinung ? Die Offenbarungen der meontologisch-pleromatischen Freiheit geben einen Schlüssel zu diesem ganzen Problemgebiet, der uns schöpferische Einsichten eröffnen wird. Dabei handelt es sich um die Gegensätze der N a t u r zur Kultur, zur Geschichte, zur Gesellschaft, und alle diese Kategorialitäten zeigen in ihrer Struktur untereinander ein reichhaltiges Geflecht fruchtbar sich ergänzender Kontraste. Das ist der allgemeine Rahmen für die Erforschung der Kategorialitäten, die sich mit der der Kategorien und der Kategoriate verbindet. Erkenntnis und Wissenschaft, Moral und Ethik, Ästhetik und Kunst, Gesellschaft und Staat warten darauf, in ihren Kategorialitäten durch die Kategorien erhellt zu werden. So werden wir unter den bedingenden Geist gestellt, der gerade in seiner Nichtshaftigkeit die allerstärkste Impression auf uns ausübt und uns in den subjektiven Zustand versetzt, der Wahrheit, der Wirklichkeit, der Freiheit und der sich erfüllenden Zukunft zu dienen, durch die Erkenntnis und im Leben. 8. Totaler oder partieller Substanzverlust Die Naturwissenschaft übergibt das Problem der physikalischen Realität der Meontologie. Die Quantentheoretiker sind sehr aufrichtig, wenn sie es als die Frucht ihres ungeheuren Wissens bekennen, nicht zu wissen, was die physikalische Realität sei. Nur von der Realität her, die keine Spezifikation mehr ist, kann diese Frage beantwortet werden. Es ist der bedingende Geist, der die Antwort gibt. Die naturwissenschaftlichen Grundbegriffe vermögen nicht alle Bedingungen des meontologischen Realitätsbewußtseins zu erfüllen. I n diesem Lichte wird ein Substanzverlust offenbar, an dem die Naturwissenschaft leidet und von dem sie geradezu lebt. Ähnliches findet sich auch auf anderen Kulturgebieten. Die Naturwissenschaft kann durch ihre Eingeschränktheit nicht umhin, das Bedingende mit dem Bedingten in ihren höchsten Prinzipien zu verwechseln, die Zeit mit der Zeitmessung, den bedingenden Raum mit dem „Behälter-Raum", die bedingende Materialität mit der Dinglichkeit, den bedingenden Geist mit dem bedingten, das MeontischMeontologische mit dem Ontisch-Ontologischen, das Ansich mit der Erscheinung. Und insofern ist die Naturwissenschaft vom animalischpsychischen Geist bewegt. Das gereicht ihr keineswegs zum Vorwurf. Es kann ja nicht anders sein. Tadelnswert wird sie nur dann, wenn
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I. Teil. Das Grundprinzip der Kulturontologie
sie die Sachlage verkennt und Grenzüberschreitungen begeht. Innerhalb ihrer Schranke ist sie aber wirklich auf dem Wege zum Kulturgeiste, und sie tut da ein notwendiges und gutes Werk durch die Förderung der Kultur. Was den Substanzschwund der Naturwissenschaft verursacht, liegt im Vorab ihres Denkens, mit dem sie das neutrale Dritte deneutralisiert. Dabei schafft sie ihre eigene Welt. Sie gleitet vom Sein ins Seiende. Die Mathematik muß alles verdinglichen, um es überhaupt behandeln zu können. Aber das geht an, weil sie es hauptsächlich mit Quantifizierungen zu tun hat. So drängt auch die mathematische Naturwissenschaft immer zum Ontischen hin, auf Kosten des Ontologischen. Das erklärt ihre Vorliebe für den Kraftträger nach dem Modell eines Atoms oder Elektrons. Selbst bei Oswald, dessen Naturphilosophie mit der Idee der trägerlosen Energie arbeitet, fehlt diese Verdinglichung nicht. Im Gegensatz hierzu weist die Feldtheorie Einsteins mehr auf das Ontologische und Meontologische hin als der Atomismus. Allerdings droht von der anderen Seite her das andere Extrem des subjektiven Idealismus. Eine Naturwissenschaft von Goetheschem, anti-Newtonschem Gepräge kann auch nicht befriedigen. Sie hat es mehr mit dem Physiologischen und Psychologischen als mit dem Physikalischen zu tun. Aber die eigentliche Quelle des Substanzverlustes der naturwissenschaftlichen Erkenntnis liegt in der formalen Logik. ,,S ist P " ist typisch dafür. Sie sieht alles im Modus der Gesetztheit und nichts im Modus der Aufgehobenheit. Wo ihr dieser begegnet, muß sie ihn künstlich in jenen verwandeln, was oft zu seltsamen Formulierungen führt. Der Gedanke, daß es logische Gebilde geben könnte, die die Gesetztheit eines S oder P verbieten, kommt ihr gar nicht in den Sinn. Neuere Logiker, wie Franz Brentano, haben versucht, die „Null-Klasse" in die Formulierung der logischen Gesetze einzubeziehen. Der Substanzverlust der formalen Logik beruht auf einem Partikularismus. Von da geht er ein in die Schulen der Mathematik und der Naturwissenschaften. Das Prinzip des ausgeschlossenen Dritten, das den Bezug auf Setzungsfähiges für selbstverständlich hält, ist falsch. Es gilt nicht mehr allgemein. Es stellt eine unvollständige Disjunktion dar. Ein ergänzendes Prinzip des eingeschlossenen Dritten berichtigt diesen Fehler. So kann dann auch die Logizität des neutralen Dritten dargestellt werden, das in der gesamten Erscheinungswelt überhaupt nicht vorkommt und sich in ihr nur als seiender Widerspruch und als existentielle Unmöglichkeit ausspricht. Das erschließt die Logizität des bedingenden Geistes gerade als bedingende Ermöglichung aller Erfahrbarkeit. Im Gegensatz zur formalen Logik hat die dialektische und die transzendentale Logik dem Übel zum Teil abgeholfen, aber in der symbolischen Logik oder Logistik kehrt es in verstärktem Maße wieder. Die meontologische Logik versucht, die Fäden jener beiden ersten Arten der Logik aufzugreifen. Das Meontisch-Meontologische stellt den Menschen unter übermächtige Impressionen. Die Affektion der Sinne durch die Dinge ist nur ein
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ferner Ausklang dieser Urtatsache, die die bedingende Ermöglichung aller Erfahrbarkeit überhaupt auf den Plan bringt. E s ist ein R u f vom Ganzen her. E r zeigt den Menschen in einer Totalergriffenheit vom bedingenden Geist, in grundlegenden Gestimmtheiten. E s ist ein Zusammen von Innen und Außen, Oben und Unten. Diese Urimpressionen sind sinnlich und geistig zugleich. E s ist Sinnlichkeit verschwindend in Geistigkeit und Geistigkeit geboren aus Sinnlichkeit. Jedoch wird dabei die empfangende Person als verbindungs- und trennungsfähig in bezug auf den meontisch-meontologischen bedingenden Geist vorausgesetzt. Wir haben aber schon gesehen, wie paradox dieses Verhältnis des Ganzen zu seinem Teil ist. So voraussetzungsfähig ist sie nur als Erscheinung. In ihrem Ansich ist diese Person ja selbst durch und durch meontisch-meontologisch und irgendwie zugehörig zum bedingenden Geist. Hiermit kommen wir auf das Verhältnis des meontisch-meontologischen bedingenden Geistes zur Erscheinungswelt zu sprechen. Zwei Fälle sind möglich: der totale und der partielle Substanz Verlust. Jener wäre dann gegeben, wenn die Erscheinungswelt akosmistisch im bedingenden Geist aufgehoben wäre. Ist d a s ihr Ansichsein, dann ist alle Erscheinung reiner Schein, vergleichbar mit einer Illusion oder Halluzination. D a s meint der Ausdruck: totaler Substanzverlust. Dabei könnte der bedingende Geist, der die Erscheinung immer schon auf s e i n e Weise in sich aufgenommen und sich selbst angeglichen hat, nicht weniger, sondern mehr „ G e s t a l t u n g " in sich bergen als die Erscheinungswelt, die losgelöst vom Geiste begriffen wird. Alle Verhältnisse in unserer W e l t würden etwas von dem abbilden, was sich viel reeller im MeontischMeontologischen „ereignet". U n d wir könnten da geringere oder größere Abstände zu diesem Erfüllenden abschätzen, wodurch Ordnung und Bewertung in unsere Erscheinungswelt hinein käme. Der Fall des partiellen Substanzverlustes liegt ganz anders. Hier wird angenommen, daß die Erscheinungswelt vom bedingenden Geist selbst gesetzt ist, daß sein Bedingen und Bestimmen mit dieser Setzung anfängt. Dann erleidet die Erkenntnis der Erscheinungswelt einen nur partiellen Substanzverlust, der darauf beruht, daß wir die Setzungsweisen des Geistes falsch auffassen, verkürzen, verfälschen und durch unsere eigenen Setzungsweisen ersetzen. E s könnte angenommen werden, daß der bedingende Geist, bevor er die Erscheinungswelt auf seine eigene Weise an sich nimmt, und sie sich selbst angleicht, vorher in die Erscheinungswelt eingeht, sich ihr angleicht. D a n n wäre er das eigentlich Immanierende, er, der das Transzendenteste ist, und er könnte mit verschiedenen A r t e n der Immanenz in der Erscheinung anwesend sein, mit einer transzendent bleibenden Immanenz und mit einer Immanenz der völligen Identifizierung und Ineinssetzung. D a s Ziel wäre eine ewige Selbstbereicherung im Geiste ewiger Neuheit. F ü r welche von diesen beiden Möglichkeiten sollen wir uns entscheiden ? Bei welcher ist für die bedingende Ermöglichung aller Erfahrbarkeit
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I. Teil. Das Grundprinzip der Kulturontologie
überhaupt am besten gesorgt ? Sicherlich würde das ein Leitfaden sein, wenn auch nicht der einzige. Uns scheint nun, daß gerade unter diesem Gesichtspunkte keine der beiden Ansichten die richtige ist. Es muß da noch etwas anderes geben. Wir müssen den Verdacht hegen, daß diese beiden Ansichten nicht verstanden haben, was eigentlich unter dem Wort „Geist" im Sinne des erfüllenden Dritten gemeint ist. Sie haben noch nicht gelernt, das Wort „Geist" recht zu buchstabieren. Sie bewegen sich noch in den üblichen Vorurteilen dieses Wortgebrauchs. Denn das dritte Neutrale und Erfüllende, das doch der Geist ist, zeugt gegen beide Ansichten zugleich. Dieses ist weder der Prozeß der Selbstbereicherung unter dem partiellen Substanzverlust, noch die statische Prozeßlosigkeit unter dem totalen Subszanzverlust, der die Erscheinungswelt zum Schleier der Maja macht. Alle diese Meinungen gehen von einer verfälschten Geistesauffassung aus. Es handelt sich vielmehr um das Weder-Noch-Sein zu diesem Statischen und zu diesem Dynamischen, die beide die Erscheinungswelt zum materiellen Gegenüber des Geistes machen, also den bedingenden Geist in die Sphäre des animalischpsychischen Geistes herabziehen. Das t u t der partielle Substanzverlust, indem er den Geist in die Materie eingehen läßt, und der totale, indem er sie in den Geist aufhebt und nur den reinen Schein der Nichtigkeit übrig läßt. Aber der bedingende Geist ist das meontisch-meontologische Ansich der Erscheinung der Materie, und so das Weder-Noch-Sein des partiellen und des totalen Substanzverlustes. Die „ T a t " des Geistes ist nur Tat in der Anderheit ihrer selbst. Nur so wird der Bezug auf mögliche Erfahrung gewahrt. Es ist hier Gelegenheit, eine Bemerkung zu dem Ausdruck: „das dritte Neutrale" zu machen, das zusammen mit der totalen Anderheit zur Kennzeichnung des Meontisch-Meontologischen gebraucht wird. Das dritte Neutrale ist nicht indifferent in Beziehung zu den zwei Gliedern des Erscheinungsgegensatzes, dessen drittes Neutrales es ist. Neutralität ist nicht Indifferenz. Nie handelt es sich um kraftlose indifferente Neutralität. Immer begegnen wir in der Erscheinung einem bevorzugten Relationsglied, das der bessere Vertreter der Absolutheit des Meontisch-Meontologischen zu sein vermag. So ist das mit den grundlegenden Gegensätzen von Sein und Seiendem, von Prozeß- und Prozeßlosigkeit, von Vollkommenheit und Unvollkommenheit der Fall. Sofern die Erscheinung als eine Selbstmanifestation des MeontischMeontologischen angesehen wird, handelt es sich um eine dritte Neutralität, der das Seiende nähersteht als das Sein, der Prozeß näher als die Prozeßlosigkeit, vorstellbare Vollkommenheit näher als ihre Verneinung. Sofern aber die Erscheinung auf totalem Substanzverlust beruht, herrscht das umgekehrte Verhältnis. Da ist das Dritte Neutrale der Erfüllungssinn der Zeit im Modus der Aufgehobenheit, und da ist es die Vollkommenheit, die wie NichtVollkommenheit aussieht, weil sie unseres Vorstellungsgesetzes spottet. Und so ist sie die Mutter neuer Vollkommenheitsideale, die ungeprägt und ungenannt im Verborgenen wohnen.
Totaler oder partieller Substanzverlust
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Das Wort selbst läßt diese Sachlage leicht übersehen, und das ist bedauerlich. Dennoch müssen wir es beibehalten, weil wir die mit ihm verbundenen Vorteile nicht aufgeben wollen. Im dritten Neutralen vereinigt sich die Nichtindifferenz mit der totalen Anderheit. Neutralität gegenüber dem Gegensatz ist nicht dasselbe wie Neutralität gegenüber den Gliedern. Gegen gewisse Argumentationen des Skeptizismus und Fiktionalismus ist oft das logische Gegenargument der „Selbstaufhebung" angeführt worden. Z . B . : „Kein wahrer Satz kann ausgesagt werden". Das soll aber selbst ein wahrer Satz sein. Das Tun des Skeptizismus widerspricht dem Sinn dieses Tuns und hebt sich selbst auf. In beiden Fällen, wenn der Satz wahr oder nicht wahr ist, gibt es wahre Aussagen, zum mindesten aber eine solche Aussage. Nun ist die Meontologie die Kunst, unbeachtet gebliebene Voraussetzungen aufzudecken. Wir sind durchaus nicht in Sympathie mit dem schrankenlosen Skeptizismus und Fiktionalismus. Aber das hindert uns nicht einzusehen, daß diese Argumentation nicht schlüssig ist. Mit naiver Selbstverständlichkeit wird angenommen, daß der Schluß der Selbstaufhebung Gültigkeit habe. Es wird gar nicht gesehen, daß noch eine ganz andere Möglichkeit besteht, die so ausgedrückt werden könnte: „Um so schlimmer für die S p r a c h e , die zu einem solchen Sophisma führt". Es könnte doch sein, daß die Schwierigkeit gar nicht in der Aufstellung der skeptischen These liegt, sondern in den Grundbedingungen, unter denen sie ihren sprachlichen Audsruck findet. Dann würde diese Argumentation nichts gegen die Möglichkeit des totalen Skeptizismus beweisen, sondern gegen die Sprache selbst Zeugnis ablegen. Soweit dieses Sophisma in Betracht käme, brauchte sich der Skeptizismus nicht beunruhigt zu fühlen. Ihn zu widerlegen, würden ganz andere Waffen erforderlich sein. Wir sagen das, weil wir es bei der Meontologie mit einer ganz ähnlichen Schwierigkeit zu tun bekommen. Wenn wir vom Meontisch-Meontologischen, vom konkreten Nichts und allem Mitverbundenen sprechen, dann nehmen wir doch unwillkürlich an, daß es das alles gibt, daß es ist, daß es existiert. Und doch dürfte das nicht gesagt werden. Aber es ist nicht deshalb illegitim, weil das Meontisch-Meontologische und das konkrete Nichts in sich selbst ein unsinniger Widerspruch sind, sondern die Sprache und das Denken müssen hier einen Fehler begehen, der mit zu ihren konstitutiven Möglichkeitsbedingungen selbst gehört. Unsere Begrifflichkeit, und was immer damit verbunden ist, steht einem unsagbaren Reichtum gegenüber und ist ihm gegenüber immer zu arm. Selbst wo wir in primitivster Weise „Sein" sagen, ist etwas ganz anderes da, und dieses Wissen ist der Anfang der wahren Weisheit. Die Folgerungen, die hieraus gezogen werden müssen, richten sich nicht gegen die Meontologie, sondern gegen die Sprache, und die Meontologie offenbart ein vorsprachliches Wissen von der Sprache. Der Substanzverlust, die Pervertierung, die Verwandlung ereignet sich beim ersten Sagen des
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Meontologischen selbst. Es handelt sich um das Sagen des Unsagbaren. Die Sprachanfänge werden aus ihrer verborgenen Dunkelheit herausgezogen und in ein kritisches Licht gestellt. Die Meontologie k a n n nicht umhin, die Grundlegung zu jeder möglichen Sprachphilosophie zu sein, obgleich sie gar nicht darauf ausgeht und das sozusagen nur ein „Nebenp r o d u k t " ist. Das greift auf die Logik über, da Sprechen und Denken nicht getrennt werden können. Dadurch wird eine neue meontologische Besonnenheit erzeugt. Deshalb werden die Kritiker der Meontologie davon abstehen müssen, vom Argument der Selbstaufhebung Gebrauch zu machen, das ohnehin fadenscheinig geworden ist. Aber das bringt die Meontologie keineswegs in das Boot des Skeptizismus hinein. Die Meontologie macht von skeptischen, dogmatischen und kritischen Momenten einen freien und unbefangenen Gebrauch. Die existentiellen Unmöglichkeiten u n d die seienden Widersprüche, die die Möglichkeiten und I d e n t i t ä t e n des bedingenden Geistes sind, nehmen auch die F o r m an, die wir das dialektische Ganz-Ganz nennen oder auch das Prinzip der Überdeterminiertheit. Bs würde vorliegen, wenn wir z. B. sagten: die physikalische Realität ist g a n z Feld und kontinuierliche Energie und g a n z Träger, Korpuskel, Atom, Elektron und diskretes Quantum. Natürlich liegt darin ein Ärgernis. Aber es könnte sein, daß gerade so das dritte Neutrale umschrieben würde, bei dem es sich im Zusammen der beiden Theorien von der Materie handelt. N u r im Zeichen dieses Widerspruchs vermag der animalisch-psychische Geist das Wesen der Materie zu erfassen, u n d er sagt dabei ebenso sehr etwas über sich selbst aus wie über die Materie. So steht es mit der Möglichkeit u n d Widerspruchslosigkeit der Materie im Geiste. Sein Verhältnis zu ihr ist das Zusammen einer unaufhebbaren Identität u n d einer u n a u f h e b b a r e n Diversität. Das W o r t „Geist" ist der relativ beste Ausdruck f ü r das erfüllende Dritte, das in unserer Sprache zu finden ist (zusammen mit dem anderen Wort „ P n e u m a " ) . Gemeint ist dabei aber nicht das eine Glied im Gegensatz von Geist u n d Materie. Denn dieses ist der animalisch-psychische Geist. Wir müssen mit dem W o r t vorlieb nehmen, weil wir kein anderes haben und weil es das relativ beste ist. Beim Übergang vom meontologischen und pleromatischen dritten Neutralen zur Erscheinung ist es so, als ob Zeit und Sein rein h i n z u g e f ü g t würden. Aber das ist nicht so zu denken, als ob erst ein Seiendes ohne Sein da wäre und dann das Sein hinzuträte oder als ob erst ein zeitlos Seiendes da sei, das dann in die Zeit hineingesetzt würde. Die Hinzufügung geschieht nicht aus dem Mangel, sondern aus der Fülle. Es gibt kein Seiendes ohne Sein des Seienden und umgekehrt. Das Sein des Seienden ist nicht etwas Abstraktes am Seienden, aber es ist auch nicht t r e n n b a r vom Seienden. I n der Bewegung zum Ansich hin gibt es eine Angleichung des Seienden an das Sein. U n d ebenso ist jenes von vornherein zeitlich. „Hinzufügung" von Sein und Zeit bedeutet nur, daß es sich beim Übergang vom dritten Neutralen zur Erscheinung nicht um
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Seiendes in der Zeit handelt, auch nicht um das Sein des Seienden, sondern um die Zeit s e l b s t und das Sein s e l b s t , sozusagen um das Sein der Zeit und das Sein des Seins. Nicht geht es um den Anfang in der Zeit, sondern um den Anfang der Zeit, ihren Ursprung: und so auch um den Ursprung des Seins. Das geschieht aus einer Matrix heraus, die der meontisch-meontologische bedingende Geist selbst als das dritte Neutrale ist. Dieses dritte Neutrale kann in der Erscheinung nur durch den Widerspruch des Ganz-Ganz dargestellt werden, daß die Erscheinung ganz Tat des Meontisch- Meontologischen ist und zugleich ganz Schein, Illusion und Halluzination durch und durch, jenes, sofern es sich um das Sein des Seienden und um das Seiende in der Zeit handelt, dieses, sofern es um das Sein s e l b s t und die Zeit s e l b s t geht. Aus dieser Matrix heraus enthüllen sich die Kategorialitäten von Natur, Kultur und Geschichte. 9. Die innere Gliederung der Kultur Der ethische Mensch ist der Mensch der sittlichen Autonomie, der in voller Selbstverantwortung die Willensentscheidungen fällt, die das Tun des Guten betreffen. In diesen zielsetzenden und autonomen Willensentscheidungen, mit denen der ethische Mensch den Postulaten des Sollens folgt und sie durch den Willen nach den idealobjektiven Maßstäben der sittlichen Werte realisiert, und im Hören auf die subjektive Stimme des Gewissens steht der ethische Mensch in arteigener Weise unter den Urimpressionen des meontisch-meontologischen bedingenden Geistes, der die bedingende Ermöglichung seiner ethischen Haltungen und Erfahrungen ist. Hier wendet sich alles zur persönlichen Entscheidung. Derselbe Geist, der die bedingende Ermöglichung aller theoretischen Erfahrbarkeit ist, bringt auch die Ethik als Kulturerscheinung hervor. Aber überraschende Probleme tauchen hier auf, die auf Antinomien beruhen. Die Frage, wie der ethische Mensch zum Meontisch-Meontologischen gehört, taucht hier auf. Wir sahen schon, daß sie weder durch Autonomie noch durch Heteronomie beantwortet werden kann. Der ethische Mensch wird so leicht zum Pharisäer, der sich einer hochmütigen Selbstgerechtigkeit ergibt. Das ist immer das Zeichen dafür, daß er den ethischen Geist nicht verstanden hat, daß er dessen meontologisches Sein verfehlt hat. Die Moral kämpft gegen das Böse, das dem Sittengesetz widerspricht. Hier zeigt sich aber ein anderes Böses, verborgen auf dem Grunde des Guten selbst. In seinem Kampf gegen das gesetzwidrige Böse vermag der sittlich gute Mensch urböse zu werden, wenn er sein Verhältnis zum Geiste legalistisch mißdeutet, auf eine neue Weise Ansich und Erscheinung verwechselt, die im Theoretischen nicht da war, das Bedingte zum Bedingenden macht und das Geistige verstofflicht und materialisiert. So e n t s t e h t d a s E t h o s d e s a n i m a l i s c h p s y c h i s c h e n G e i s t e s , d a s inmitten seiner sittlichen Qualität vom Übel ist. Das ist die Tragödie der Ethik. Sie hat nicht nur das Böse
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I. Teil. Das Grundprinzip der Kulturontologie
außer und gegen sich, sondern birgt es auch in ihrem eigenen Schoß. Sie verführt zur Hypostase des empirischen Ich. Es gibt einen Moralismus, der sich als Kulturfeindschaft äußert. Während es in der theoretischen Kultursphäre nicht ratsam war, von Vollkommenheit zu sprechen, ist das anders in der Ethik. Jene ist die eigentlich praktische Kategorialität. Da fragt es sich, ob sie überhaupt einen theoretischen Wert besitze. K a n t behandelte diese Frage in seinem „Übergangsproblem" mit großer Gewissenhaftigkeit. Danach haben die moralistischen Kategorien keine theoretische wissenschaftliche Bedeutung, besitzen aber in ihrer Sphäre eine arteigene Geltung, die vor dem Eingriff der theoretischen Wissenschaften gesichert ist. Wir sahen bereits, daß vorgestellte Vollkommenheit immer schon phänomenalisierte Vollkommenheit ist. Da erhebt sich die Frage, ob es eine meontologische Vollkommenheit gibt, die wie Nicht-Vollkommenheit ist, und ob nicht diese, als zur Vollkommenheit des Geistes gehörig, zur bedingenden Ermöglichung aller Erfahrbarkeit, auch der theoretischen, gehört, oder nur zur Ermöglichung sittlich-praktischer Erfahrbarkeit. Und wenn das letztere der Fall ist, in welchem Verhältnis steht diese zur theoretischen ? Löst die meontologische Vollkommenheit das Übergangsproblem oder nicht ? Wir schlagen, in erster Formulierung, folgende Lösung vor: Die philosophische Meontologie spricht erkenntnistheoretisch von bedingender Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt. Die theoretischen Einzelwissenschaften, besonders die mathematische Naturwissenschaft, hat es mit der echten Spezies des Genus „Erfahrbarkeit überhaupt" zu tun, die die theoretische Erfahrbarkeit ist. Die philosophische Meontologie hat die Bedingungen dieser Spezies anzugeben. Zum Beispiel, der Stoff der Erfahrung wird in eine bestimmte logische Ordnung gebracht, die konstituierenden Faktoren der theoretischen Erkenntnis werden herausgearbeitet, die apriorischen Geheimvoraussetzungen aller Empirie überhaupt, die immer schon gefällten Entscheidungen, von denen die Beobachtungen, die Experimente und die Berechnungen der Forscher in Bewußtsein gebenden Akten geleitet werden, werden aufgedeckt usw. Sodann erscheint in der Ethik eine ganz neue A r t von Erfahrbarkeit, die wir die praktische nennen können und die eine andere echte Spezies von „Erfahrbarkeit überhaupt" ist. Noch drei weitere Arten treten neben die ethische Erfahrung: die ästhetische, die soziologische und die religiöse Erfahrung. Damit sind die reinen Typen von Kulturerfahrung überhaupt umschrieben. Es gibt noch gemischte Arten, zu denen z. B . die technische Erfahrung gehört, von denen wir aber hier absehen. Zunächst haben wir es mit der theoretischen und der ethischen Erfahrung zu tun. Die von der Meontologie vertretene These lautet nun, daß es derselbe eine bedingende Geist ist, der beide Arten von Erfahrungen ermöglicht, der Kulturgeist. Eine zweite These erstreckt sich auf das Verhältnis der beiden Erfahrungsgruppen, und sie besagt, daß, obgleich die ethische Erfahrung nichts zur theoretischen beiträgt
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und umgekehrt, da beide eine echte Disjunktion darstellen, beide aber auch nicht einander beeinträchtigen und zu einem entscheidungsvollen Entweder-Oder zwingen, sondern daß sie friedlich miteinander zusammen gehen und daß sich die Wesensschau dieses Zusammenseins vom dritten Neutralen, vom ,,Sein"-wie-Nichtsein als dem Sein des Kulturgeistes und seiner pleromatischen Nichtshaftigkeit her begründet. Hierin wird die Lösung des „Übergangsproblems" gesehen, wie von Naturbegriffen zu Sittenbegriffen, vom Konstitutiven zum Regulativen, vom Theoretischen zum Praktischen übergegangen werden kann. Gerade weil sich dieser Übergang im Medium der konkreten Nichtshaftigkeit ereignet, greifen die beiden Gegenseiten nicht störend in ihn ein, sondern lassen sich die Vereinbarung gefallen. Die sittliche Erkenntnis ist hiernach nicht geringer als die theoretische, aber sie ist anders. Die Wirklichkeit ist zu komplex, als daß sie durch das Theoretische allein dargestellt werden könnte. Gerade das stellt sie in einen K u l t u r Zusammenhang hinein. Die theoretische Erkenntnis ist auch nicht geringer als die sittliche, aber sie breitet sich in einer anderen Ebene aus. Das Naturreich ist ein Symbol des Sittenreiches: so nimmt die sittliche Erkenntnis ein neues Motiv für die theoretische Erkenntnis auf, das es in ihr selbst nicht gibt. Und umgekehrt ist das Praktische regulativ-pragmatisch für das Theoretische. So nimmt dieses für das Praktische ein Motiv an, das es in ihrem eigenen Bereich nicht gibt, denn was im Sittlichen konstitutiv für es selbst ist, ist regulativ in der theoretischen Sphäre. Ethische und wissenschaftliche Erkenntnis sind also im Grunde inkommensurabel. Das verhindert aber nicht ihre Vereinbarkeit in einem höheren Kulturbewußtsein, wie wir gesehen haben. Der moralische Glaube ist ein bloßes naturwissenschaftliches Als-Ob. Aber in diesem Als-Ob ist ein Nichtfiktives, das mit zum Bedingenden des naturwissenschaftlichen Wissens gehört, und dieses Bedingende ist Moment im bedingenden Geist. Die philosophische Meontologie ist die T h e o r i e beider, der Theorie und der Ethik, des Theoretischen und des Praktischen. Sie ist also Theorie der Theorie und Theorie der nichttheoretischen Geistigkeiten. Sie ist Wissenschafts- und Kulturlehre. Damit ist aber ein neues theoretisches Element aufgetreten, das in der Naturwissenschaft noch verborgen bleibt, und von dem her nun das Verhältnis von Naturwissenschaft und Ethik bestimmt wird. Wie nun ? Erhält sich auch hier die Arteigenheit des Theoretischen und Praktischen ? Erstreckt sich auch d i e s e s Theoretische in einer ganz anderen Seinsebene als das Praktisch-Ethische ? Hierauf können wir nur mit einem J a antworten. Die theoretische Meontologie s i e h t die Eigenart des Ethischen, e r s e t z t sie aber nicht. Theorie heißt ja „Schau". Der theoretische Meontologe a l s s o l c h e r steht der Ethik g e g e n ü b e r . Er kann sich nicht mit ihr identifizieren, sonst könnte er sie nicht s e h e n . Aber, was er kann, ist: die Schau des Theoretischen und die Schau des Ethischen theoretisch miteinander zu vereinbaren. Dabei verliert das Ethische aber nicht seine Anders- und Einzigartigkeit.
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Sonst wäre ja nichts zum Vereinbaren da. Der Meontologe erkennt diese an und beugt sich vor ihr. Er kann sie nur f e s t s t e l l e n und dann auch beschreiben, umschreiben und deuten. Das letztere heißt: sie in einen Allzusammenhang, in ein Variationsgesetz hineinstellen. Dieselbe Frage, die sich bei Naturwissenschaft und Ethik erhebt, muß nun auch in bezug auf Ästhetik, Soziologie und Religion gestellt werden. Sehr verschiedene Gruppierungen sind hier möglich. Gegenüber der theoretischen Wissenschaft können alle anderen vier als das „Praktische" zusammengefaßt werden, und dann hätten wir es nur mit z w e i Spezies der Gattung „Erfahrbarkeit" zu tun, und beide hätten verschiedene Unterarten. Das Problem wäre ziemlich einfach. Seine Hauptbestimmungen hätten wir schon angegeben. Eine andere Möglichkeit ist, die individualistischen Kultursphären, wie Erkenntnis, Ästhetik und Religion der überindividualistischen entgegen zu setzen, der Soziologie mit ihren Vergesellschaftungsformen und der Geschichte. Hier würde Theoretisches und Praktisches auf die eine Seite zu stehen kommen, weil beides Individualisierungen zeigt. Und diese stehen gewissermaßen senkrecht auf der Ebene der überindividuellen Funktionen, die die Einzelwesen übergreifen. Dieser Aspekt gibt aber nur eine Sonderschau des Arteigenen von Kultursphären unter dem Einteilungsgrund des Individuellen und des Überindividuellen, und er berührt nicht die tiefer wurzelnden Arteigenheiten der Unterschiede zwischen der Naturwissenschaft und der Ethik, die hier nur vorübergehend unter eine Einheit gebracht werden. Dasselbe gilt von den anderen Gliedern. Bei der Erörterung des Grundsätzlichen müssen wir deshalb vorläufig von dieser Einteilung absehen. Die andere Frage, die sich jedoch erhebt, ist, ob Ethik, Ästhetik, Soziologie und Religion wirklich unter der einen Spezies „das Praktische" als Unterarten vereinigt werden können, um der Spezies „das Theoretische" mit den Unterarten der verschiedenen Wissenschaften entgegengesetzt werden zu können, so daß beide unter der Gattung „Erfahrbarkeit überhaupt" zu stehen kommen, oder aber, ob nicht Ethik, Ästhetik, Soziologie und Religion keine Unterarten, sondern vier getrennte Spezies darstellen, mit vier ganz verschiedenen arteigenen Geistigkeiten, und daß sie mit der fünften, mit dem Theoretischen, unter Erfahrbarkeit überhaupt stehen. Was ist das Ästhetische ? Hierauf können wir zunächst antworten, daß es die harmonische Aus- und Einprägung des Meontisch-Meontologischen in der sinnlichen Erscheinung ist. Es wird Formgebung eines Stoffes in pleromatischer und negativistischer Weise. Die Pleromatik wächst und die Negativkraft des Meontologischen läßt nicht locker. Das Schöne ist Harmonie, Gestaltung, Spiel, seinshafter Schein, Frucht der Einfühlung, Schau, bedeutungsvoller Gehalt. Das Ästhetische ist das Schöne, das Erhabene, das Tragische, das Liebliche, das Anmutige und das Humorvolle, und all dieses ist Schönheit im weiteren Sinn des Wortes. Es ist die Projektion des subjektiven Zusammenklangs der
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heterogensten Möglichkeiten der objektbedingenden Subjektivität in die Welt des Erscheinungsseienden hinein und überkleidet es so mit dem Schleier einer zweiten Erscheinlichkeit, die totaldeterministische Freiheit in der konkreten Ausprägung ist, die wir eben ästhetisch nennen. Von dieser Kunstschönheit her entfaltet sich für uns erst recht die Naturschönheit, die die seinskonstituierenden Harmonien der objektbedingenden Subjektivität im Geheimnis einer potentiellen Objektivität umschließt. Das Schöne gefällt ohne Interesse, Begierde und Trieb, weil es inmitten des Sinnlichen geistig mit meontologischer Seinslosigkeit und Zeitlosigkeit begnadet ist. Seine Vollkommenheit ist die Harmonie, die durch diese Meontologik und Metalogik umschrieben wird. Angesichts dieser Frage nach dem Wesen des Ästhetischen lohnt es sich, kurz auf die Ästhetik Kants einzugehen. Kant ordnet das Gefühl der Lust und Unlust der Urteilskraft zu, als das „Untere" zum „Oberen". Auch das ästhetische Urteil ist Sache der reflektierenden, nicht der bestimmenden Urteilskraft. Der Gang ist nicht vom Allgemeinen zum Besonderen, sondern vom Besonderen zum Allgemeinen. Ihr zwangloses Reflektieren hat eine bestimmte Unverbindlichkeit. Es dient dem Übergang von Naturbegriffen zu Moralbegriffen. Praktische Erkenntnis läßt sich nur unter Wertschwund in theoretisch-konstitutive übersetzen. Die praktische Vernunft übt einen Primat aus, durch den das ganze Naturreich zu einem Symbol des Sittenreiches wird. Andererseits ist nur das Theoretische echt konstitutive Erkenntnis, nach dem Maß des in ihr enthaltenen Mathematischen. Das ästhetische Urteil mutet eine Allgemeinheit zu, die noch etwas Aprioristisches enthält, die deshalb kein schlechter Subjektivismus ist: die aprioristische Regulation (nicht Konstitution) von Urteilen und Fühlen. Wir haben nur einen diskursiven, keinen intuitiven Verstand. Wir kennen nur Erscheinungen, nicht Dinge an sich. Erkenntniskonstitutiv sind nur die Naturbegriffe, nicht die Freiheitsbegriffe. Zweckerkenntnis ist resignierte Erkenntnis. Die Finalität verursacht im Gegensatz zur Kausalität einen Substanzschwund in der Erkenntnis. Die Finalität krümmt die lineare Kausalität gewissermaßen in sich selbst zurück. Sie macht aus ihr ein kleines geschlossenes Gefüge. Die Idee der Wirkung wird zur Ursache der Ursache. Aber dabei verliert sie die theoretische Konstitutivität und wird zur Regulativität. Sie wird Praxis, Pragmatik und Heuristik. Sie wird nicht durch und durch fiktiv, wohi aber partiell fiktiv. Diese Regeln gelten für das Biologische und das Ästhetische zugleich. Sie enthüllen eine arteigene Transzendentalität der Urteilskraft. Wird das empirische Subjekt so affiziert, daß alle seine psychischen Fähigkeiten wie Erkenntnis, Urteilskraft, Wille, Verstand, Vernunft, Empfindung, Einbildungskraft, Anschauung, Gefühl usw. harmonisch zusammenschwingen, dann erzeugt das eine transzendentale verstehende Inhaltlichkeit, die das Wesen der Schönheit ist. Deshalb ist schön, was ohne Begierde gefällt. Ganze Vermögen kommen dabei ins Spiel, schwingen
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zusammen, werden zum Wesens- und Geltungsgcsetz einer neuen verstehenden Inhaltlichkeit, die nicht konstituierend ist. Die Zweckmäßigkeit dieses harmonischen Zusammenschwingens wird zur verstehenden Inhaltlichkeit der Schönheit, die sich also im empirisch Psychologischen durchaus nicht erschöpft, sondern ein eigenes transzendentales Prinzip von praktischer Natur besitzt, gewissermaßen eine pragmatische Apriorit ä t . Es ist die der ästhetischen Urteilskraft. Das umfaßt die Natur- und die Kunstschönheit, es umfaßt das Schöne und auch das Erhabene mit den beiden Arten des dynamisch und des mathematisch Erhabenen. Nur tritt bei der letzteren Art an die Stelle der klassischen Harmonie eine Disharmonie, an die Stelle einer Konsonanz eine Dissonanz. Es ist der Grenzfall der ästhetischen Schönheit, Harmonie in der Disharmonie, Konsonanz in der Dissonanz. Das ist dann der Fall, wenn Gegenstände wie das tosende Meer, gewaltige Schneegebirge für unsere Einbildungskraft zu groß sind, so daß unsere Seelenvermögen nicht harmonisch zusammenschwingen können, sondern in ihrer Einheit am Gegenstand zerbrochen werden. Dennoch stellt sich auch hierbei eine neue verstehende Inhaltlichkeit ein, die das transzendentale Prinzip für die Erhabenheit ist, besonders auch deshalb, weil dieses Versagen das plötzliche Auftauchen einer anderen inneren Erhabenheit provoziert, die der sittlichen Natur des Menschen. Sie ermöglicht ein transzendentales*) Prinzip, das sich in dem ästhetischen Urteil der Erhabenheit Ausdruck verleiht. Das künstlerische Genie ist der Mensch, dessen psychophysische Organisation auf das transzendentale Zusammenschwingen aller Seelenkräfte angelegt ist. Es ist deshalb in seinem schöpferischen Verhalten nicht Regeln Untertan, sondern gibt sie erst dem Werk, und so erfährt sie der Beurteilende und Genießende. Das ästhetische Wohlgefallen ist unbeeinflußt von Begierden, Interessen und Wünschen. Es ist reine Kontemplation. Der Künstler legt in sein Werk mehr hinein als in der Natur zu finden ist. Die ästhetische Harmonie besitzt eine Tiefe, die mehr als formalistisch ist, die mit bedingender Materialität zusammenhängt. Und insofern handelt es sich auch um bedingende und bestimmende Urteilskraft und nicht bloß um reflektierende. Hier bedarf die Ästhetik Kants einer Ergänzung. Die Schönheit ist eine Teleologie, die frei erfühlt wird und frei von äußerem Gebrauchszweck ist. Das ist der Ausnahmefall eines transzendentalen Gefühls. Die Beurteilung des Schönen geschieht durch den Geschmack. Er besitzt eine komparative Allgemeinheit, die objektive Geltung jedem Einzelnen ansinnt. Kommt jedoch in diese Transzendentalität etwas Konstitutives durch die bedingende Materialität hinein, dann haben wir es mit einer neuen Art von echter Allgemeinheit zu tun. Hierauf beruht der Unterschied zwischen dem Schönen und dem bloß An*) „Transzendental" heißt immer: auf die Möglichkeit von Erfahrung bezogen, hier der ästhetischen.
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genehmen. Die ästhetische Erfahrung wird durch diese bedingende Materialität und das ästhetische Urteil durch dieses bedingende Ist im Zusammenwirken mit der Form aller Formen ermöglicht. Das ist die Rechtfertigung der ästhetischen Objektivgeltung. Das ästhetische Lustgefühl folgt dem freien Spiel der Gemütskräfte, aber dieses beruht auf einem transzendentalen Prinzip, d. h. es ist nicht ohne den Bezug auf bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit. Hiervon wird das ästhetisch Empirische getragen. Der Künstler denkt nicht in Begriffen, sondern in totalen Erfassungsmöglichkeiten. Indem er auf der Flöte spielt, spielt er mit der Seele. Er hört den fernen Ton und kennt die schöpferische Pause. Die bedingende ästhetische Materialität gehört zum ,,Sein"-wieNichtsein. Aus dieser Beschreibung gewinnen wir den Eindruck, daß das Ästhetische mit dem Ethischen zusammen keine Abart des Praktischen gegen das Theoretische ist, sondern wir ersehen ohne weiteres, daß es zwischen dem Ästhetischen und dem Ethischen ebensoviele wesentliche Unterschiede gibt wie zwischen dem Ethischen und dem Theoretischen. Wir müssen also das Ästhetische als eine echte Spezies anerkennen, und dasselbe wird sich wohl auch vom Soziologischen und Religiösen sagen lassen. Das ist eine unbequeme Erkenntnis, weil die Situation dadurch sehr kompliziert wird. Den schönen Traum eines einfachen Dualismus zwischen dem Theoretischen und dem Praktischen müssen wir also aufgeben. Beim Soziologischen haben wir ja schon die Eigendimension erkannt, die es sogar ermöglicht, alle vier Kultursphären ihm entgegen zu setzen. Am besten scheinen noch Ethik und Religion zusammenzugehen, aber ein näheres Zusehen lehrt auch hier, daß das eine Täuschung ist, wenn es heißen soll, daß sie an einer Spezies der Erfahrbarkeit gemeinsam teilnehmen. Es sind zwei deutlich getrennte Erfahrbarkeiten, wie es das Spannungsverhältnis, das so oft zwischen Moral und Religion eintritt, bestätigt. Dann ist die Sachlage also diese: Die Struktur der Kultur baut sich auf auf fünf Struktursphären: Theoretik, Ethik, Ästhetik, Soziologie und Religion. Jede dieser Sphären stellt eine arteigene Geistigkeit von grundverschiedener Prägung dar. Das ist die Voraussetzung für die mannigfaltigen Beziehungen, in die sie miteinander eintreten. Es ist, als ob fünf Spiegel sich ineinander spiegeln, von denen aber jeder aus einem ganz anderen Material hergestellt ist. Keine Sphäre ist ohne Theoretik, keine ohne ein Ethos, keine ohne eine ästhetische, soziologische und religiöse Seite. A b e r j e d e S p h ä r e v e r s t e h t u n t e r d i e s e n B e griffen etwas total Anderes, jede hat ihre arteigenen W a h r h e i t s - u n d W i r k l i c h k e i t s b e g r i f f e . Dabei kommen ausgewählte Begriffe jeder Sphäre e i g e n t l i c h zu, die anderen u n e i g e n t lich. Das zeigt, daß diese nicht in der betreffenden Sphäre selbst entspringen, sondern aus den anderen stammen. Zum Beispiel: Nur die theoretische Sphäre ist im eigentlichen Sinne um die theoretische Wahrheit besorgt, die wiederum vielfach gegliedert ist, z. B. als naturwissen4
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schaftliche Wahrheit oder als die Theorie der Theorie und die Theorie aller Sphären in der Ontologie und Meontologie, als autonome, theoretische, rein philosophische Disziplin. Dann aber sprechen auch die anderen Sphären mit Recht von W a h r h e i t : von ethischer, ästhetischer, soziologischer und religiöser Wahrheit. Das aber ist nicht Wahrheit im eben erwähnten Sinne, ist nicht theoretische Wahrheit. Es ist Wahrheit im uneigentlichen und entlehnten Sinne. Das heißt nicht, daß die anderen vier Sphären keine Wahrheit und keine Wahrheiten besitzen. Sie sind im Genüsse derselben. Aber die Wahrheit im eigentlichen Sinne entspringt nicht in ihrem Bereich. Sie stehen unter einer gewissen Heteronomie der theoretischen Wahrheit. Ihre Wahrheit ist eine viermal verschiedene Sinngebung. Sie breitet sich in nichttheoretische Ebenen aus, sie lebt von fortwährenden Entlehnungen und Leihgaben. Was die vier Sphären der Wahrheit zu geben haben, das kommt nicht in ihnen zutage, sondern in der Theorie der Theorie und in der Theorie der Kultur, die als philosophische Disziplin die arteigene Theoretik der Sphären ist. Es kommt also doch nur durch das einzigartig Theoretische zutage. Und hier ist allerdings unsere Spezialthese, daß diese Wahrheit aller Wahrheiten die Meontologie ist als Lehre vom meontisch-meontologischen bedingenden Geiste als dem Hervorbringer der bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt mit all ihren Spezifizierungen und Konkretionen. Aber selbst wenn diese These unrichtig wäre, würde jene allgemeine Sachlage dadurch nicht berührt, und es müßte dann eben etwas Besseres gefunden werden, als die Meontologie zu bieten vermag, vielleicht nicht ganz ohne Zusammenhang mit ihr. Eine ähnliche Betrachtung gilt nun auch, wenn wir etwa von der Schönheit der Wissenschaft oder des Guten, oder des Staates, oder des Gottesdienstes reden, oder aber vom Ethos des Philosophen, des Künstlers, des Staatsmannes, des Frommen, oder aber von der gesellschaftlichen Funktion der Universität, des Sittengesetzes, der Kunstanstalten, der Kirchen, oder aber von der philosophischen Religion, vom moralischen Glauben, von der Kunstandacht, von der Stimme des Volkes, die Gottesstimme sei. In all diesen Fällen liegt die Sache genau so wie bei der Wahrheit. Immer wieder treten autonome Ursprungsgebilde einer Sphäre in alle anderen Sphären ein, verlieren ihre Eigentlichkeit, aber nicht ihre Bedeutsamkeit. Sie passen sich fremden Strukturen an. Sie spiegeln die unsagbare Komplexität der Erscheinung wider, die neue und neue Möglichkeiten zeigt. Sie verlangen nach einer Erkenntnis ihrer Arteigenheit und ihrer Artverschiedenheit. Sie sträuben sich gegen eine Einebnung dieser Verschiedenheiten ihrer Naturen als concretissima durch das Theoretische. Sie zwingen das Theoretische, gegen seine eigenen Neigungen, solche Nivellierungen zu unterlassen. Und dieses gegen sich selbst gerichtete Theoretische wird im Dienst der concretissima von solch unübersteigbarer Anderheit, wie sie die Erscheinung noch irgend zuläßt, ohne gesprengt zu werden, von t o t a l e r Anderheit, soweit sie im Rahmenwerk der Erscheinung realisierbar ist,
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wird unter anderem auch zur Meontologie. Denn gerade in ihr kehrt sich das Theoretische gegen sich selbst, im Interesse der anderen Strukturen. Nur so erkennt sie das „Sein"-wie-Nichtsein und das nichtshafte Pleroma. Aber: w a r u m g e r a d e f ü n f S p h ä r e n , w a r u m n i c h t m e h r o d e r n i c h t w e n i g e r ? Sind sie nicht bloß empirisch aufgegriffen, müßten sie nicht a b g e l e i t e t werden? Hierauf können wir vorläufig keine Antwort geben. Wir haben dieses Kulturbild von fünf Sphären als eine These aufgestellt. Es mag sein, daß es eine bessere Einteilung gibt, aber die Problemsituation wird dadurch nicht verändert. Sollte es eine Ableitung geben, so könnten wir diese erst entdecken, wenn die Analyse der Kultur weiter fortgeschritten ist. Eine solche Aufgabe ist eine des Endes, nicht des Anfangs. Aber zwei Schritte können wir noch tun, um unsere vorläufige Einteilung zu rechtfertigen. Erstens, zwischen den Sphären können manche Übergangsglieder aufgefunden werden, die eine Vermittlungsfunktion ausüben, ohne die Trennungslinien zu zerstören. So ordnet sich z. B. zwischen der mathematischen Naturwissenschaft und der Ethik die Biologie ein. Sie gehört zur theoretischen Sphäre, steht aber ontologisch der Ethik näher als die mathematische Naturwissenschaft. Noch mehr ist das mit der Psychologie der Fall, die, zur selben Sphäre gehörig, zwischen die Biologie und die Ethik tritt. Diesen Einzelheiten nachzuspüren, ist die Aufgabe der Wissenschaftslehre, der Theorie der Theorie. Ähnliche Aufgaben werden dann der Kulturlehre gesetzt. Das Beispiel der Biologie ist sehr lehrreich. Nämlich nur in der Ethik haben wir es mit Teleologie zu tun, mit der Setzung eines Ziels, mit der Wahl und der Verwirklichung der Mittel. Die Biologie weiß um eine organische Zweckmäßigkeit im G l e i c h n i s eines solchen Dreischritts. Es ist ein Als-Ob, das aus der Sphäre der Ethik in die der Biologie hinabreicht und unter der oben beschriebenen Gesetzlichkeit steht. Nun aber kommt hinzu, daß in dem Als-Ob der biologischen Zweckmäßigkeit ein nichtfiktives Element entdeckt werden kann, d a s n u n s e i n e r s e i t s d i e e i g e n t l i c h e Z w e c k m ä ß i g k e i t , d i e sich im D r e i s c h r i t t a u s s p r i c h t , m i t b e d i n g t . Hier tritt also etwas aus der theoretisch-biologischen Sphäre in die der Ethik ein und wird da zur Uneigentlichkeit. Dieses nichtfiktive Moment hängt mit der Totaldetermination zusammen, die die Determinationsart des Meontisch-Meontologischen selbst, also des bedingenden Geistes, ist. Hier handelt es sich nicht um einen Abbau des Dreischritts, sondern um seine Erfüllung. Auf jeden Fall trägt diese ganze Sachlage dazu bei, unsere These betreffs der Struktur der Kultur annehmbarer zu machen, obwohl die Deduktion noch nicht gegeben werden kann. Ein zweiter Schritt, der unserer These dient, ist der folgende: Es gibt tatsächlich mehr als fünf Kultursphären. Ihre Zahl vermehrt sich sogar ins Unbestimmte. Unsere These lautet nur, daß jene fünf Sphären die r e i n e n , u n v e r m i s c h t e n sind. Sie erlauben aber A n w e n d u n g e n , die zu mannigfaltigen Mischformen von Kultursphären führen. Hierzu 4*
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gehört z. B. die Technik, die eine Synthese von Wissen und Können ist. Ferner die Sprache, der Handel, der Sport, die Mode. Dann äußerst wichtige Gebiete sind die Medizin, die Psychiatrie, die Psychoanalyse usw. Von dem allen müßte eine vollständige Phänomenologie der Kultur handeln. Aber da es die Kulturontologie nur mit dem Grundsätzlichen und den reinen Sphären zu tun hat, können wir von einer vollständigen Phänomenologie der Kultur Abstand nehmen. In diesem Sinne ist unsere These von den fünf Sphären gemeint. Vielleicht wird dem Leser die folgende Liste willkommen sein, die eine Art von Zusammenfassung darstellt: 1. Sphären: Theoretik, Ethik, Ästhetik, Soziologie, Religion. 2. Entsprechende Wertgebiete: Die Wahrheit, das Gute, die Schönheit, die Gerechtigkeit (das Recht), die Heiligkeit. 3. Entsprechende Erfassungsmöglichkeiten und Instrumentalitäten: Vernunft (mit Verstand und Anschauung), der Wille, das Gefühl, der Gemeinsinn, der Glaube. 4. Entsprechende regionale Gegenstandsgebiete: Natur, Güterwelt (Werte), Kunst, Gesellschaft (mit Kultur und Geschichte), Offenbarung. 5. Komplexe Gebilde (genaue Entsprechung fällt aus): Medizin, Psychiatrie, Psychoanalyse, Technik, Sprache, Sport, Mode, Handel und Wandel. Diese Liste ist im Gegensatz zu den anderen vier unvollständig und kann beliebig erweitert werden. Sie deutet auf den Übergang in das „Nur-Praktische" hin. Das Empirische mit seiner unabsehbaren und unabschließbaren Mannigfaltigkeit setzt ein. 6. Die entsprechenden Einzelwissenschaften kann der Leser leicht von der Liste ableiten. Übrigens läßt sich eine psychologische Deduktion der fünf Kultursphären leicht bewerkstelligen, aber es fragt sich, ob uns dadurch geholfen ist. Wir wollen sie hier andeutungsweise darlegen. Wenn wir die Fähigkeiten des animalisch-psychischen Geistes im Sinne der Modalkategorie der Möglichkeit bedenken, dann kommen wir tatsächlich auf fünf mögliche Fälle. Der individuelle Träger besitzt vier solcher Fähigkeiten, nämlich Erkenntnis, Wille, Gefühl und Glaube. Der fünfte Fall erfolgt durch die Vereinigung der individuellen Träger. Da können wir nun die Erkenntnis der theoretischen Sphäre zuordnen, dem Willen die Ethik, dem Gefühl als der harmonisierenden Verinhaltlichung beider die Ästhetik, die es mit Verhältnissen zu tun hat, dem zur Totalität strebenden Glauben die Religion, und schließlich dem Fortgang der individuellen Träger zu überindividuellen Gebilden die Soziologie. Wir haben uns aber davor zu hüten, diese Deduktion aus dem psychischanimalischen Geist zu überschätzen.
Die innere Gliederung der Kultur
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Ernster wäre eine Ableitung zu nehmen, die von der Frage ausgeht: W i e e r s c h e i n t d i e t o t a l e A n d e r s a r t i g k e i t ? Denn bei den fünf Kultursphären handelt es sich ja tatsächlich darum, daß die totale Andersartigkeit als Ausdruck des Meontisch-Meontologischen und des dritten Neutralen sich in Erscheinungstypen wiederholt, soweit das die Erscheinlichkeit der Erscheinung irgend zuläßt*. Dabei müßte die Bedingung erfüllt werden, daß die totale Andersartigkeit durch ihr ZurErscheinung-Werden einen minimalen Substanzverlust erleidet. Das ist eine Aussage über das Verhältnis von Ansich zur Erscheinung. Die totale Andersartigkeit kann in der Erscheinung nicht so unverletzt bleiben wie im Ansich, sie kann nur totale Andersartigkeit unter Erscheinungsbedingungen werden, und gerade der Substanzverlust macht es nötig und möglich, daß phänomenale totale Andersartigkeit als Erscheinungsvertreter des bedingten Geistes i n m e h r e r e n T y p e n auftritt. Weshalb aber gerade in fünf? Darauf können wir die folgende Antwort geben. Immer wieder machen wir ja die Erfahrung, daß wir die Andersartigkeit der verschiedenen Kultursphären kaum angeben können. Wenn wir uns zum Beispiel vorstellen wollen, in welch verschiedener Weise die Theoretik und die Ethik die Worte „Wirklichkeit" und „Wahrheit" (und so alle anderen Kategorialitäten, Kategorien und Kategoriate) verwenden, dann merken wir, daß wir immer zu kurz kommen. Wie erreichen die Wirklichkeit dieser Verschiedenheit nicht, die die der totalen Anderheit unter Erscheinungsbedingungen ist. Entweder stellen wir uns die ethische Wirklichkeit und Wahrheit zu sehr nach dem Modell der theoretischen vor oder umgekehrt. U n d d a s g i l t v o n a l l e n K u l t u r s p h ä r e n . Das Problem ist zu kompliziert für unsere Erkenntnis, die einseitig für das Theoretische eingenommen ist. Die Wirklichkeit ist zu reich, und unsere Begrifflichkeit und Vorstellungskraft ist zu arm. Wir sind nie frei von Vorurteilen. Wir vermögen nicht den minimalen Substanz Verlust der erscheinenden totalen Andersartigkeit zu erkennen, sondern wir vergrößern diesen. Gerade an dem Bemühen, diesen Fehler wenigstens in etwas gut zu machen, wird die Meontologie entdeckt. Gerade deshalb ist sie keine freie Spekulation, sondern Erfahrungstheorie, geboren aus der Not dieses Problems. Unter diesem Vorbehalt können wir zwar noch nicht eine meontologische Deduktion der fünf Spären geben (es ist ja auch fraglich, ob das wirklich nötig ist), aber wenigstens einen Plan für eine solche darlegen, in einer zwanglosen und unverbindlichen Erörterung. Nämlich: Beim Übergang vom Ansich zur Erscheinung ist es so, als ob eine Bifurkation stattfände. Diese drückt sich in dreifacher Weise als das Meontisch-Meontologische aus (wobei auch das, was die beiden Seiten in Beziehung zueinander setzt, mitgezählt worden ist). Die fortgehende *) Die e i n e t o t a l e Anderheit würde in f ü n f w e s e n t l i c h verschiedenen Ander heiten e r s c h e i n e n .
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1. Teil. Das Grundprinzip der Kulturontologie
Phänomenalisierung macht dieses dann zum Ontisch-Ontologischen. Damit hängen die Bifurkationen von Sein, Zeit und Seiendem (Bifurkation mit vermittelndem Zwischenglied, wir könnten also auch von Trifurkation sprechen) vom Ganzen mit seinen Teilen, von Prozeß und Prozeßlosigkeit, von Materie und (animalisch-psychischem) Geist usw. zusammen. Das ist also die Art, wie die totale Andersartigkeit unter Erscheinungsbedingungen auftritt und dabei einen minimalen Substanzverlust erleidet, weil das Ursprungsland des dritten Neutralen und dritten Erfüllenden verlassen worden ist. Das Sein ist erscheinliche totale Andersartigkeit zum Seienden (deshalb vermag es ihm gegenüber wie ein Nichts zu e r s c h e i n e n ) ; dasselbe gilt von der Zeit in bezug auf Sein und Seiendes, vom Ganzen und den Teilen, vom Prozeß und der Prozeßlosigkeit, von Materie und Geist usw. Dabei wird das Ontologische mit seinem Bezug zum Sein zum Ursprung der idealen Erkenntnissphäre und der Kultursphäre des Theoretischen, das Ontische zum Ursprung der ethischen Willenssphäre. In die Vermittlung zwischen beiden würde wiederum die Ästhetik zu stehen kommen. So würde es auch erklärt werden, warum es so schwer ist, diese drei Sparen in ihrer Einzigartigkeit rein und unvermischt zu fassen, denn sie enthalten ja Erscheinungsformen der totalen Andersartigkeit. Ferner: die soziologische Kultursphäre mit ihren vielen Unterarten wie: Ökonomie, Politik, Gesellschaft, Geschichte usw., könnte an die Bifurkationserscheinung des Ganzen mit seinen Teilen anknüpfen, die die überindividuelle Dimension des Ontisch-Ontologischen umschließt, nicht als Vermittlung zwischen Sein und Seiendem (auf der der transzendentale Wert des ästhetischen Gefühls beruhen würde), sondern als Umfassung, als Ausdruck einer überindividuellen Funktion. Und hierbei würde die Transzendentalität der Zeit (zwischen dem Sein und dem Seienden) auf die soziologische Erscheinung der Geschichte ausgerichtet sein, während die Seitenglieder zum Ursprung der anderen Unterarten des Soziologischen würden. Endlich: Zu dem allen kommt nun noch hinzu, daß das Erscheinungswerden des Ansich, die Manifestation des Geistes, auch noch besondere ErscheingsVertreter dessen setzt, was der Bifurkation vorausging, der Totalität des ungebrochenen dritten Neutralen, Zeichen und Gleichnisse des nichtshaften Pleroma selbst. Das macht nun den deduktiven Bezug auf zwei Kulturerscheinungen deutlich: auf die autonome philosophische Meontologie, die Theorie der Theorie und der Kultur, der autonomen Philosophie im allgemeinen mit Ontologie, Erkenntnistheorie, Metaphysik usw. einerseits und der Religion anderseits. Dabei sind diese zwei letzten Kultursphären nicht e i n e Erscheinlichkeit der totalen Anderheit, sondern zwei Erscheinlichkeiten, denn die Religion ist phänomenal etwas völlig Anderes als die Theoretik, und hier haben wir besondere Schwierigkeiten, der wirklichen Sachlage gerecht zu werden und beide Erscheinungen als Kulturphänomene zu bewerrten, ohne sie zu vergewaltigen. Wie kommt es aber, daß beide auf den totalistischen
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ErscheinungsVertreter des Meontisch-Meontologischen und des dritten Neutralen bezogen sind ? Offenbar sind beide wirklich totalistisch eingestellt, das ist ihr Gemeinsames gegenüber den anderen Sphären. Aber sie sind es auf ganz verschiedene Weise. Die philosophische Erkenntnis gehört ganz unter die Spezies der Theoretik, während es die Religion mit einer Totalität zu t u n hat, die sich in religiöser Theoretik als G l a u b e n ausspricht. Diese Theoretik ist aber Uneigentlichkeit im Vergleich mit der Theoretik des Wissens, und von dieser Sphäre ist Eigentliches in die Glaubenssphäre eingetreten und da zum Uneigentlichen geworden. Die andere Seite der Sache ist aber die, daß die Theoretik des religiösen Glaubens, der sich wie eine Erkenntnis ausspricht, einer zweiten Art von totalistischer Erscheinung der totalen Anderheit selbst dient, wobei es gar nicht auf den Wert der Glaubenserkenntnis ankommt, sondern auf etwas ganz Anderes, das eben die Religion zu einem charakteristischen Phänomen der erscheinenden totalen Anderheit in der einen ihrer fünf Erscheinungsweisen macht. Was das ist, können wir hier nicht formulieren. Die theoretische Meontologie hat Mühe, es zu definieren. Aber nur, wenn ihr das gelingt, kann sie der Religion gegenüber wirkliche Kulturontologie sein und die Religion als Kulturerscheinung in ihrem Eigenwesen durch Wesensschau erkennen. Das ist wenigstens der Beginn einer Antwort auf die Frage: Weshalb gerade fünf Kultursphären ? Er ist weit davon entfernt, eine strenge meontologische Deduktion zu sein, aber er zeigt den Plan für eine solche. Es könnte aber Gründe geben, von der wirklichen Deduktion Abstand zu nehmen. E i n guter Grundsatz, diese Frage zur Entscheidung zu bringen ist: Die Deduktion würde eitle Spekulation sein, wenn sie bloß u m i h r e r s e l b s t w i l l e n erfolgte. Trägt sie aber etwas zur Erfahrungstheorie bei, dann würde sie nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar eine notwendige Aufgabe der Kulturontologie werden.
I I . Teil:
Das meontologische Formproblem 10. Die bedingende Zeit Wir kommen nun zum Problem der Form, und es wird uns klar werden, weshalb die theoretische Philosophie überhaupt von der Form und von Formen spricht. Das umschließt die Probleme Raum, Zeit und Raumzeitlichkeit, in deren Analysen wir nun eintreten. Wir beginnen mit der Zeitanalyse. Gewöhnlich wird der R a u m vor der Zeit behandelt. Wir wählen aber den umgekehrten Weg. R a u m und Zeit zeigen nicht einen Charakter von Materialität, sondern von Geistigkeit. Das spricht sich aus als ihre Subjektivität, ideale Objektivität und verstehende Inhaltlichkeit. Aber wir müssen mit dieser
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II. Teil. Das meontologische Formproblem
Kennzeichnung vorsichtig sein. Es ist nicht etwa so, als ob wir erst eine bestimmte Vorstellung vom Geist hätten, etwa als „Nous". Das sind zumeist materiell beeinflußte Vorstellungen, Hypostasen des animalisch-psychischen Geistes. So ist der bedingende Geist gerade nicht. Er taucht diesen Vorstellungsweisen gegenüber in eine Unsichtbarkeit, in eine Nichtsheit ein, die wir meontologisch nennen. Gerade weil er das Pleroma ist, tut er das. Wir brauchen einen neuen Geistbegriff. Es ist also nicht so, daß wir erst jene fragwürdigen Vorstellungen unser eigen nennen, diese dann auf Raum und Zeit übertragen und so die Quasi-Geistigkeit derselben erkennen, die sich darin ausdrückt, daß Raum und Zeit in einer Unsichtbarkeit und Nichthaftigkeit stehen, um so das Bedingende für das in Raum und Zeit Seiende zu sein. So ist es gerade nicht, sondern Raum und Zeit in ihrer unangetasteten und unverletzten ursprünglichen Natur als Bedingende schieben den animalisch-psychischen Geist zur Seite und legen erste Grundlagen für die rechte Erfassung des bedingenden Geistes in seiner bedingenden Ermöglichung von Erfahrbeit überhaupt, samt ihrer Inhalte und Gegenstände. Also haben allerdings Raum und Zeit etwas mit dem bedingenden Geist zu tun, so daß es so ist, als ob er unter gewissen „Bedingungen" selbst zu Raum und Zeit würde, aber sie haben nichts mit der animalisch-psychischen Verfälschung des bedingten Geistes zu tun. Sonst könnten sie der Erfahrungstheorie nicht dienen. Wenn sie ihre erkenntnistheoretische Echtheit verloren haben, ist es auch mit ihrem ontologischen Sein vorbei. Also diesen Sinn hat es, wenn gesagt wird, daß Raum und Zeit einen Geistigkeitscharakter an sich tragen. Was Geist ist, wird in gewissen konkreten Zügen an ihnen erst erlernt, nicht umgekehrt. Das ist ihr Bezug auf mögliche Erfahrung und der Sinn ihrer Kennzeichnungen, daß sie subjektiv, idealobjektiv und verstehende Inhaltlichkeiten sind. Und hierbei dürfen wir das Wort „subjektiv" nicht im Sinne des Animalisch-Psychischen verstehen, sondern als objektbedingende Subjektivität, die eine bessere Objektivität besitzt als die des bedingten Dinglichen. Wir kommen nun zur Zeitanalyse. Die Zeit ist die Bedingung für das erscheinende Seiende unter dem Aspekt des Zeitlichen. Das ist keine Tautologie, denn zwischen der Zeit und dem Zeitlichen besteht dieselbe Differenz wie zwischen dem Ontologischen und dem Ontischen. Die Bedingung verschwindet dabei in das Unsichtbare und Unsagbare, während das Bedingte im Licht des Tages stehen bleibt. Durch die bedingende Zeit wissen wir um die zeitliche Ordnung und, was Zeitlichkeit ist. Zunächst haben wir die bedingende Zeit nur im Usus. Sie scheint darin aufzugehen. Davon gilt das Wort Augustins: „Fragst du mich danach, dann weiß ich es nicht; fragst du nicht, dann weiß ich es." Der Versuch, die bedingende Zeit zum Bewußtsein zu bringen, scheint zum Scheitern verurteilt zu sein. Was wir durch die bedingende Zeit wissen, darf mit ihr selbst nicht verwechselt werden. Aber gerade das geschieht unausgesetzt. Das, durch das etwas ist, ist nicht identisch mit dem, was durch dasselbe ist. Das
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wird besonders deutlich bei der Zeit. Dieses Problem umschließt das Geheimnis der Form. Das Zeitliche, um das wir durch die bedingende Zeit wissen, wird auf diese selbst übertragen. Darin besteht der Fehler. Die Zeit wird dadurch in eine ihr fremde Sphäre hinabgezogen, verunreinigt, verzerrt und nivelliert. Dabei verbirgt sich diese Fremdheit der Sphäre, weil doch nichts natürlicher erscheint als die Anwendbarkeit des Zeitlichen auf die Zeit selbst. Wissen wir doch um jenes nur durch diese. Das ist aber ein gewaltiger Irrtum. Die Natürlichkeit und Ähnlichkeit verbirgt hier eine geradezu totale Anderheit. Wir werden dadurch verführt, daß solche Übertragungen innerhalb des Erscheinungsseienden durchaus berechtigt sind. Aber das „ I n " der Zeit steht zur Zeit selbst in einem ganz anderen Verhältnis. In ihm sind Freundschaft und Feindschaft seltsam miteinander vermischt. Das gilt von allen ersten Vorstellungen über die Zeit, so zunächst von der vom „Fluß". Die Vergangenheit fließt in die Zukunft, oder auch die Zukunft in die Vergangenheit, oder ein Jetztpunkt bewegt sich nach der einen oder anderen Richtung hin. Jeder der drei Modi kann zum Ausgangspunkt der Fluß-Vorstellung werden. Darin steckt aber eine ungeheure Naivität, und wie ein besonnener Denker das als die Beschreibung einer unphänomenalen Realzeit ansehen kann, ist unbegreiflich. Die Phänomenalisierung ist hier geradezu mit Händen zu greifen. Ganz gedankenlos wird das als eine B e w e g u n g vorgestellt. Aber angesichts der Frage, mit welcher Geschwindigkeit denn diese Bewegung vor sich geht, müßte man stutzig werden. Man kann diese Frage nicht beantworten. Man kann noch nicht einmal sagen, ob diese Bewegung gleichförmig verläuft oder nicht, obgleich der Schein für das erstere spricht. So stellt sich heraus, daß es sich bei dem sogenannten Zeitenfluß gar nicht um eine Bewegung handeln kann und daß er etwas ganz Anderes meint, das überhaupt kein Fluß ist. Um Fluß und Fließen wissen wir durch die bedingende Zeit. Sie selbst aber ist kein Fluß, und sie fließt nicht. Selbstverständlich können wir im alltäglichen Leben fortfahren, vom Zeitenfluß zu sprechen, wie das auch vom „Aufgang der Sonne" geschieht. Nun scheint es, daß wir daraus den Schluß ziehen könnten, daß die bedingende Zeit das Stehende im Fluß alles Zeitlichen, das Beharrende und Bleibende wäre. Kant sprach zum Teil so von der Zeit. Er brauchte aber vorsichtigerweise das Wort „Korrelat" dabei. Auf jeden Fall ist das der zweite große Irrtum. Auch um Beharrendes, Stehendes, Bleibendes wissen wir durch die bedingende Zeit als Gegenspiel gegen den Wechsel und Voraussetzung für ihn. Aber das Beharrende im Wechsel ist Zeitliches und das Beharren gehört zur Zeitlichkeit, aber beides ist nicht identisch mit der bedingenden Zeit, durch die wir das alles wissen. Die Zeit selbst beharrt nicht, und sie fließt auch nicht. Was beharrt und fließt ist in der Zeit, und selbst das ist ein Bild, das mit Vorsicht aufzunehmen ist und das der Kritik bedarf.
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II. Teil. Das meontologische Formproblem
N u r die Zeitlichkeit ist als Beharrung im Sinne K a n t s das transzendentale Schema der Substanz, nicht die bedingende Zeit. Die Zeitlichkeit ist Dauer, die übergreifende Einheit des reinen Nacheinander, die wir Protensität nennen können, im Gegensatz zur Extensität der Räumlichkeit und zur Intensität u n d Potentialität des in der Raumzeitlichkeit Seienden. So gewinnt die Zeitlichkeit einen Dimensionencharakter. Sie wird zur vierten Dimension der dreidimensionalen Räumlichkeit. So wird das sich in der Zeit Bewegende in der vierdimensionalen Raumzeitlichkeit zur Ruhe. Aber dadurch ist nichts über die bedingende Zeit ausgemacht. Denn sie ist nicht identisch mit der Zeitlichkeit. Diese ist eine vorstellungsh a f t e Ersatzzeit, die eigens dazu geschaffen wurde, die bedingende Zeit in ihrer Unerkennbarkeit zu vertreten. Dabei wird sie aber selbst zu einem Seienden in der Zeit. Sie soll es nicht sein, u n d sie ist nicht so wie dieses. Sie ist ein gespensterhaft Seiendes und Zeitliches in der Zeit, und wird Zeit genannt, was ein großer Betrug ist. Dadurch wird auch die vierdimensionale Raumzeitlichkeit von vornherein in ein sehr kritisches Licht gestellt, u n d es erklärt sich manches Fehlerhafte a n dieser Vorstellung. E s genügt nicht zu sagen, daß die Zeit mehr Unterschied als Ähnlichkeit in bezug auf die Raumesdimension besitze. Dieser Fehler könnte durch eine Art „Verflüssigung" u n d Dynamisierung abgestellt werden. Das könnte aber nicht die Verwechslung von Zeit u n d Zeitlichkeit überwinden, denn die bedingende Zeit ist weder starr noch flüssig, weder statisch noch dynamisch. Ebensowenig hilft die Neutralisierung der drei Zeitmodi, der Gegenwart, Vergangenheit und Z u k u n f t durch die Protensität der Zeitlichkeit. Das ist wiederum der entgegengesetzte Fehler. Die Zeit als das durch die bedingende Zeit Bedingte ist ü b e r h a u p t keine Zeit mehr. Die Gegenwart, das J e t z t , zeichnet sich durch eine Herausgehobenheit aus. Der Moment ist flüchtig. K a u m ist er da, ist er auch schon vergangen. E r scheint ein Differential zu sein, ein Querschnitt, wie das Einzelbildchen im Kinematographen. E s ist gesagt worden: der Zeitp u n k t ist der Raum, u n d der R a u m p u n k t ist die Zeit. Aber weder dieses noch die Flüchtigkeit des Moments sagt etwas über die bedingende Zeit aus. Auf der ganzen Linie haben wir es mit der Zeitlichkeit zu tun. Die bedingende Zeit ist also die phänomenale Seins- u n d Wissensquelle zugleich f ü r alles an der Zeitlichkeit Wahrnehmbare, die Herausgehobenheit des J e t z t , seine Wanderung, sein Stillstand, seine differentiale Flüchtigkeitsnatur, sein punktueller nulldimensionaler Charakter, das Spezifische der Vergangenheit als Gewesenheit, daß sie ist und doch auch wieder nicht ist, während auch das J e t z t ist u n d nicht ist, aber auf ganz andere Weise, das Spezifische der Zukunft, ihr Anrücken, ihr „Schoß", ferner die Dauer, Protensität und Sukzession der Zeitlichkeit, usw. Das so aus der bedingenden Zeit fließende Wissen ist seinskonstituierend im Sinne von Phänomenalität. All das kann auf die bedingende Zeit nicht übertragen werden. Sie ist das konkrete Urapriori für
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dasselbe. Wir sind in ihr, wir scheinen sogar partiell sie selbst zu sein (das ist ein Ansatz zum meontologischen Ichproblem und seine wesentlich temporalistische Auslegung), und insofern haben wir teil an der totalen Anderheit, die die bedingende Zeit gegenüber all dem von ihr Bedingten ist. Aber sie ist zugleich mehr als unser Ich, transzendiert es und umschließt das Geheimnis der Ich-Gesetztheit. Dasselbe gilt von jedem „ I n " derZeit. Die bedingende Zeit ist deshalb meontisch-meontologisch. Das Meontisch-Meontologische ist unter gewissen Bedingungen die Zeit selbst, und von daher ist es, als ob die bedingende Zeit mit einer ihr eigenen Immanenz in das Zeitliche einginge, und das offenbart das Geheimnis der Erscheinungs-Gesetztheit überhaupt, sofern vom partiellen Substanz Verlust abgesehen wird. So wissen wir auch um die Eindimensionalität und die Unumkehrbarkeit der Zeitlichkeit, und so s i n d beide; so wissen wir um die Gleichzeitigkeit (diese ist aber bereits ein raumzeitlicher Modus) und um den Wechsel, der aller Prozeßhaftigkeit und allem Werden zugrunde liegt. Die Zeit selbst ist kein Wechsel und kein Werden. Sie bleibt versteckt gegenüber allem Zeitlichen und aller Zeitlichkeit, gegenüber allem Zeitsein und Zeitwissen. Sie offenbart ihre Frucht, aber sie offenbart sich nicht selbst. Die Frucht ist, obgleich sie durch und durch Phänomenalität ist, mit der ganzen Härte und Unabhängigkeit der Objektivität umkleidet. Die Bedingungen des Wissens sind dabei zugleich die Bedingungen der Gegenstände des Wissens, wenn auch bloß der Form nach. Später werden wir da noch etwas Besseres und Stärkeres kennenlernen, das den Formalismus durchbricht. Und wo das Wissen nicht da ist, bleibt die Möglichkeit der Erkenntnis als Kennzeichen der Phänomenalität des Seins. Und ein Spezialfall dieser Möglichkeit der Erkenntnis ist auch das Wissen um die Nichterkennbarkeit. Das ist so, weil wir es mit der b e d i n g e n d e n Zeit zu tun haben. In diesem Sinne ist die Zeit Realbedingung des Erscheinungsseienden und bereitet die Wirklichkeitsmodalität desselben vor. Die Realzeit besitzt zugleich ideale Objektivität, objektbedingende Subjektivität, deren Objektivität stärker ist als die des Dinglichen. Die Zeit ist nicht das Ungeheuer, das seine eigenen Kinder verschlingt, der Chronos. Es ist im Universum etwas da, das dieses Bild nahe bringt. Aber das stammt aus einer anderen Quelle. Allerdings ermöglicht die bedingte Zeit auch dieses, und von daher nimmt die Zeitlichkeit etwas Ungeheuerliches an sich. Als Inhaltlichkeit schlägt die Zeitlichkeit durch ins Anschauliche und Intuitive hinein. Kant war hier der große Entdecker. Die Anschauung als ausgereifte sinnliche Erkenntnis wird hier seinskonstituierend. Jedoch muß man diesen Satz nicht überschätzen. Er birgt eine Negativität in sich, die diejenige des Seins selbst ist. Was wir durch die bedingende Zeit wissen, ist phänomenal so da, wie wir es wissen. Aber das ist noch lange nicht identisch mit dem Wissen um die Phänomenalität selbst, zu der auch das Wissen um ihre Grenze gehört.
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II. Teil. Das meontologische Formproblem
Ferner ist diese Zeitanschauung streng von der Anschauungszeit zu unterscheiden. Diese ist ein K a p i t e l der empirischen Psychologie. Unsere Anschauungsakte spielen sich genau so in der Zeit a b wie jedes andere Zeitliche. Dazu gehören P h ä n o m e n e wie die subjektive R e l a t i v i t ä t der Zeitwahrnehmung in E r w a r t u n g , Langeweile, erfüllter u n d leerer Zeit, der subjektive Zeithorizont, die Zeitdeformierung, das Verschwimmen der Zeitgrenzen usw. Der E r t r a g f ü r die Meontologie der bedingenden Zeit ist gering, so wichtig auch diese Dinge f ü r die empirische Psychologie sein mögen. U n a b h ä n g i g d a v o n bringt die Zeitanschauung (also nicht die Anschauungszeit) ihre eigenen psychologischen Probleme m i t sich, u n d diese erweisen sich allerdings als enorm b e d e u t s a m f ü r die Meontologie der Zeit. Hier v e r m a g das Psychologische zum Mittel eines tieferen Eindringens in das Urapriori zu werden. Die Verwechslung beider A r t e n von Psychologie f ü h r t entweder zum Psychologismus oder zu einem Antipsychologismus, der f ü r die Ontologie ebenso schädlich ist wie jener. Husserl h a t hier die B a h n gebrochen. I n dieser Vereinigung der Zeitlichkeit als R e a l i t ä t , I d e a l i t ä t , reiner Anschauungsform, verstehender Inhaltlichkeit als F o r m usw. d e u t e t sich die P l e r o m a t i k der Zeitlichkeit an, die diese Zeitauffassung der Umschreibung des Geheimnisses der bedingenden Zeit u m einen Schritt näher bringt als die bloß analytischen D e u t u n g e n , obgleich sie es nicht erreicht. Relatives v e r m a g zu einem V e r t r e t e r eines Absoluten zu werden. D a s ist v o n B e d e u t u n g f ü r eine Auswahl im darstellenden E r scheinungsstoff, u n d es ist eine d a n k b a r e Aufgabe f ü r die philosophische H e r m e n e u t i k der Erscheinungen. Die Zeit ist wie der Spieler im Mar i o n e t t e n t h e a t e r . E r bleibt verborgen, aber a n die A r t , wie er die P u p p e n bewegt, k ö n n e n gewisse Rückschlüsse auf ihn selbst a n g e k n ü p f t werden, u n d das u m so mehr, je reicher das Spiel ist. Die Marionetten, die vor u n s tanzen, sind Gegenwart, Vergangenheit, Z u k u n f t , Fluß, D a u e r , Folge, E m p f i n d u n g , W a h r n e h m u n g , Anschauung, I n t u i t i o n , P h a n t a s i e , E i n b i l d u n g s k r a f t , Gedächtnis, E r i n n e r u n g , Denken, E m o t i o n a l i t ä t e n usw. Der bedingenden Zeit können wir uns nur m i t einer totalistischen I n t e r p r e t a t i o n nähern. Die A h n u n g d a v o n begleitet uns von A n f a n g an, aber die K u n s t besteht darin, das n u r Geahnte in philosophisch Aussprechbares zu verwandeln. Aber die Zeitlichkeit schlägt nicht n u r in die Anschauung durch, sondern auch in das Denken. Zu d e m Kontinuierlichen der I n t u i t i o n k o m m t das Diskrete, Diskontinuierliche des diskursiven Denkens hinzu, u n d es wird zum Zeitdenken (nicht zur Zeit der logischen Akte). Von da geht es weiter in die übersyllogistische I d e a t i o n hinein, in der eine höhere Art des Kontinuierlichen u n d I n t u i t i v e n (das n u n Schau heißt) erreicht wird, wie sie n u r das D e n k e n in seinen E r f ü l l u n g e n zuwege zu bringen vermag. D a s h a t in der K a n t s c h e n Lehre vom transzendent a l e n Zeit-Schematismus seinen Ausdruck gefunden, der dabei auch eine Differenz zwischen R a u m u n d Zeit aufdeckte. Die transzendentale Dialektik zeigt Ansätze zur W e i t e r f ü h r u n g dieser F u n k t i o n der Zeitlich-
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keit für die Ideation, die noch ein weites Feld der Forschung offenlassen. Hier bricht die Zeitlichkeit in eine Abart der Freiheit durch, indem sie sich vom Sinnlichen befreit. Sie offenbart ihre intellektuelle und intelligible Geistigkeit. Sie besitzt diesen losgelösten und loslösenden Immaterialitätscharakter, der für die bedingende Zeit ein geheimnisvolles Zeugnis ablegt. Hier offenbart die Zeitlichkeit ihre K r a f t für die Schöpfungen begrifflicher Geltungen, ausdeutender Bedeutungen in Hindeutungen auf die bedingende Zeit. Es ist, als ob das menschliche Gehirn auch zu dem Zweck erbaut worden sei, diese Seite des ewigen Zeitenwunders zu erfassen*). Wieder erfahren wir, soweit der I r r t u m ausgeschlossen werden kann, die Dinge im Wissen so, wie sie in der Erscheinung wirklich sind, aber eben nur in der Erscheinung. Die bedingende Zeit steht als die eine und dieselbe den fünf Kultursphären gegenüber, a b e r d i e b e d i n g t e Z e i t , d i e Z e i t l i c h k e i t i s t in i h n e n f ü n f m a l ein t o t a l A n d e r e s u n t e r E r s c h e i n u n g s b e d i n g u n g e n . Zum Beispiel: die Zeitlichkeit in der Theoretik h a t in der Einsteinschen Zeitmessung, die eine Relativierung und Verabsolutung zugleich ist, eine hohe Stufe ihrer Auslegung erreicht. Sie ist aber nur ein Erscheinungsvertreter der bedingenden Zeit, deren Substanzverlust in der Genialität der Einsteinschen Theorie minimal geworden, aber nicht verschwunden ist. Noch bevor die Zeit das in ihr Seiende bedingt, bedingt sie sich selbst und erscheint als eine Ersatzzeitlichkeit f ü r die bedingte Zeit, als eine Zeit in der Zeit, und da handelt es sich wirklich um Fluß, Folge und Dauer. Es ist die Zeitlichkeit des animalischpsychischen Geistes, seine Zeitanschauung und seine Anschauungszeit. Sie t r i t t in fünf Grundtypen auf, mit unzähligen Unterarten und Mischformen. Einen Typus haben wir oben angeführt. Ein anderer ist die Zeitlichkeit der Biologie. Sie gehört zu den Unterarten, so wie auch die Zeitlichkeit der Physik, u n d ist der Wissenschaftslehre unterstellt. Es gibt Forscher, wie z. B. den amerikanischen psychologischen Behavioristen Gutthrie, die da glauben, ihre wissenschaftliche Existenz würde zum Zusammenbruch gekommen sein, wenn sie etwas Anderes täten, als die dem Verhalten von Tieren oder Menschen v o r h e r g e h e n d e n Ereignisse zu erforschen, aus denen die nachfolgenden entspringen, also nach dem strengen Kausalprinzip zu verfahren. Jede Finalbetrachtung schalten sie aus. Aber sie sind dem intendierten Problem dennoch nicht auf der rechten Spur, wenn sie nicht bedenken, daß die biologische Finalität mit einem Als-Ob, das von der Totaldetermination her ein nichtfiktives Element in sich enthält (das sogar dem Kausalprinzip überlegen ist) e i n e t o t a l a n d e r e Z e i t s t r u k t u r der b e d i n g t e n Zeit d a r s t e l l t als die des K a u s a l p r i n z i p s , w i e es i n d e r m a t h e m a t i s c h e n N a t u r w i s s e n s c h a f t h e r r s c h t . Noch anders liegt ja die Sache in der Ethik, womit wir nicht von Unterart zu Unterart, von der Physik in die Biologie, sondern in eine neue *) cum grano salis zu verstehen!
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II. Teil. Das meontologische Formproblem
Spezies übergehen, in die Ethik. Hier erwirbt die Finalität ihren bewußten „Dreischritt", Zielsetzung, Wahl der Mittel und Realisierung, und d a s u m s c h l i e ß t w i e d e r u m eine t o t a l a n d e r e b e d i n g t e Z e i t l i c h k e i t , Z e i t a n s c h a u u n g und A n s c h a u u n g s z e i t , a l s es in den b e i d e n t h e o r e t i s c h e n S p h ä r e n P h y s i k und B i o l o g i e der F a l l war. Diese totale Anderheit ist relative Pleromatik, äußerste Fülle von zeitlichen Strukturunterschieden zwischen Physik, Biologie und Ethik. Und das geht so fort, durch alle Arten, Unterarten und Mischformen hindurch. Die bedingende Zeit ist Eine, aber die Zeitlichkeit ist ein buntes Gewebe von nicht zu übertreffender Kompliziertheit. Die Zeitlichkeit der Geschichte ist total anders als die der Natur. In der Ästhetik zeigen sich wiederum total andere Sachlagen. Zum Beispiel: Ein Orchester spielt eine Symphonie von Beethoven. (Die Musik ist ein besonders leichtes Beispiel, weil sie geradezu die „Kunst der Zeitlichkeit" ist.) Die Zeitlichkeit, in der der Vorgang des Spielens durch die Musiker abläuft, gehört der t h e o r e t i s c h e n Sphäre an. Aber unabhängig davon hat das Innere der Symphonie, ihre verstehende Inhaltlichkeit, ihre Sinnhaftigkeit, ihre Rythmen, die Art ihres Dauerns, Folgens und Fließens, eine ä s t h e t i s c h e Z e i t l i c h k e i t , die n i c h t d a s m i n d e s t e m i t der Z e i t l i c h k e i t zu t u n h a t , in der die M u s i k e r d a a u f dem P o d i u m s i t z e n und s p i e l e n . Sie ist gegenüber dieser theoretischen Zeit t o t a l e A n d e r h e i t in E r s c h e i n u n g s grenzen. Sie kann nicht durch die theoretische Zeitlichkeit verstanden werden, sondern nur aus sich selbst. Der Hörende, Genießende vergißt und verliert sich in ihr, und kommt dabei um seine eigene theoretische Zeitlichkeit, in der er denken könnte, daß sein Herz schlägt, während er zuhört. Darin besteht gerade ein wesentlicher Teil des ästhetischen Genusses, daß uns die ästhetische Zeitlichkeit aus der natürlichen heraushebt und uns für Augenblicke von ihr erlöst. Das ist geradezu ein Entrückungserlebnis der Kunst. Und so geht es durch das ganze Feld der Kultur hindurch. Die geschichtliche Zeitlichkeit gehört zur Soziologie. Was der religiöse Mensch von Zeitlichkeit sagt und weiß, muß wiederum für sich gehört werden, wenn eine Kulturontologie ihren Namen verdienen will. Es darf nicht durch eine physikalische Zeitlichkeit zunichte gemacht werden. Auch in den verschiedenen Einstellungen zu den Zeitmodi kommt das zum Ausdruck. Der Dichter hat in seinem Werk eine ganz andere Einstellung zu Vergangenheit und Zukunft als der Geschichtsforscher oder der Physiker usw. Da müssen schädliche Mißverständnisse und Aquivokationen vermieden werden. Es ist das Vorrecht des meontologischen Denkers, diese Fehler abzustellen, soweit die Kräfte reichen, und die Theorie der einen bedingenden Zeit und der unzähligen bedingten Zeitlichkeiten zu entwickeln. Deshalb glauben wir, daß ein Mann wie Gutthrie die Strukturen der Zeitlichkeiten nicht bedacht hat, wenn er glaubt, die geringste Zulassung des Finalprinzips in der Psychologie gegenüber dem strengen Kausalprinzip führe sofort zum Zusammenbruch seiner wissenschaftlichen Existenz.
Das unendlich Große und das unendlich Kleine
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11. Das unendlich Große und das unendlich Kleine Die Zeit ist das formende Prinzip der Algebra, so wie der R a u m das der Geometrie. Die bedingende Zeit ist das Formale in der Schöpfung der Zahl. Diese ist aber ein sehr kompliziertes Gebilde, in das noch viele Materialbedingungen eintreten. Zu einem Zahlensystem, z. B. zur Dekadik, k o m m t es nicht ohne Funktionen diskursiven Denkens. Hiermit haben wir es hier nicht zu t u n . Kyklische und gekrümmte Zeiten sind genau so von der bedingenden Zeit her wie die Modi, der Fluß und die Dauer*). N u r daß hier die freie Phantasie einen viel größeren Spielraum gewinnt, andere Möglichkeiten von Zeitlichkeiten zu schauen. Diese stehen aber in Realverbindung mit mathematischen Problemen und sind deshalb mehr als freie Phantasiespiele. Wir werden diesem Problem später begegnen. Die Zeit ist ins unendlich Kleine teilbar und scheint nach beiden Seiten hin ins unendlich Große zu gehen. So prägt sich in der Zeitlichkeit die Irrationalität der bedingenden Zeit aus. Die Möglichkeit der bedingenden Zeit erscheint in der phänomenalen Zeitlichkeit als die existentielle Unmöglichkeit u n d als der seiende Widerspruch der unendlichen Teilbarkeit und des Fortgangs ins unendlich Große. Ihre innere I d e n t i t ä t spricht sich als dieser Widerspruch aus, so wie ihre Möglichkeit als Unmöglichkeit erscheint. Das bezeugt die Phänomenalisierung. Dabei wird den Kategorien der Möglichkeit und der I d e n t i t ä t Gewalt angetan, denn die bedingende Zeit h a t keine Möglichkeit und I d e n t i t ä t . Das gehört schon zu dem, was wir durch sie wissen, nur kommen wir in jenen meontologischen Formeln sehr nahe an sie heran. An Stelle von Möglichkeit und Identität t r i t t etwas ein, was vom Reichtum überwältigt wird. Das wird wichtig werden f ü r letzte Aussagen über die Modalitätskategorien und über die logischen Kategorien. Aber hier soll noch von dem Provisorium der Identität und der Möglichkeit der bedingenden Zeit und des Meontischen selbst Gebrauch gemacht werden. So können wir sagen: Das unendlich Kleine und das unendlich Große ist eine Korrelaterscheinung zum Ausdruck der Irrationalität und Unvergleichbarkeit des Meontischen und der bedingenden Zeit in bezug auf das Erscheinungsseiende. Es zeigt, in welchen Zusammenhang die bedingende Zeit hinein gehört. Deshalb ist der Übergang von einer Linie in den mathematischen P u n k t und von einer Zeitstrecke in den Moment s p r u n g h a f t . Es ist, als ob dabei etwas Synthetisches fallen gelassen würde und verloren ginge. Es ist ein Ausfall, der einen Substanzverlust darstellt. Das Problem der Kontinuität spielt hier hinein, und wir wissen, welche Mühe es der Mathematik kostete, damit fertig zu werden (was aber nie sein Ende erreicht). Das sind die Urgründe, aus denen die Infinitesimalrechnung entsprang, wie sie bei Leibniz und Newton zum Durchbruch kam. Dieser Sprung u n d dieses Ausfallen weist auf die totale unphänomenale Anderheit der bedingenden Zeit u n d des Meon*) Aber auch die Ungekrümmtheit der Zeit ist von der bedingenden Zeit her.
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tisch-Meontologischen hin. Und ebenso ist es, wenn die Methode umgekehrt wird, bei der Integration. Hier besteht das Plötzliche und Unvermittelte darin, daß das Ausgefallene wieder in Besitz genommen werden muß. Das zeigt sich auch in der Hinzufügung der Konstante in der Integralformel. Diese Wiederaufnahme darf nicht einen kontinuierlichen Fortgang vom unendlich Kleinen zum Endlichen vortäuschen. Einen solchen gibt es nicht. Das Geheimnis der Kontinuität spricht sich gerade darin aus, daß dieser Übergang diskontinuierlich ist. Im einen Fall wird die Dauer fallen gelassen, im anderen wieder aufgenommen. Die protensive Einheit der Zeit ist das Synthetische, das verloren geht, der Substanzverlust. Da wir aber um diese nur durch die bedingende Zeit wissen, ist das nicht mehr als ein Hinweis auf die Korrelation von phänomenaler unendlicher Teilbarkeit und dem Unphänomenalen des rein Bedingenden. Ähnlich ist es beim Übergang vom Endlichen zum unendlich Großen. Das kann als eine Zeit vorgestellt werden, die nie angefangen hat und die nie aufhören wird. Wir wissen, wie problematisch diese Vorstellung ist, aber wir müssen darauf eingehen. Hier fällt nichts aus, auch wird keine endliche Konstante hinzugefügt, hier ereignet sich kein „Sprung", aber was sich hier begibt, ist eine offen bleibende Unbestimmtheit, die Möglichkeit eines unbegrenzten Fortgangs. Das deutet allerdings auf einen anderen „Sprung" hin, auf einen unmöglichen Sprung vom Phänomenalen ins Unphänomenale, oder, konkret gesagt, von der indefiniten Zeitlichkeit in die totale Anderheit der bedingenden Zeit und des Meontisch-Meontologischen selbst hinein. In dieser Weise erscheint die doppelte unendliche Größe der Zeit als seiender Widerspruch und als existentielle Unmöglichkeit innerhalb der Erscheinung. Das warnt davor, die Phänomenalität nicht zu vergessen und zu übersehen. Es erinnert uns daran, daß Erscheinung und Ansichsein zweierlei ist. Es spricht von der Möglichkeit und der Identität der bedingenden Zeit, allerdings im Sinne eines Provisoriums. Aber dieses Mittelglied kann im Aufbau der meontologischen Idee nicht entbehrt werden. Hier wird die bedingende Zeit als ein Überendliches gesehen, als eine im Fortgang befindliche Integration, dort aber als etwas Unterendliches, und da ist die Integration beendbar. Die bedingende Zeit ist also paradox wie ein Überendliches und Unterendliches zugleich. Hinzu kommt die Anfangs- und Endlosigkeit der Zeit. Vergangenheit und Zukunft und der Jetztpunkt haben die Formalbedingung allein nicht zum Schlüssel der Lösung ihrer Unendlichkeitsprobleme. Es treten Materialbedingungen hinzu, die wir noch kennen lernen werden. Da nun die bedingende Zeit zur Form gehört, weist die doppelte und dreifache Unendlichkeit der Zeit und das Zusammen von Überendlichem und Unterendlichem bei ihr auf etwas hin, was von der Materialbedingung her sogar die bedingende Zeit (da sie zur Form aller Formen gehört) in eine letzte Krisis hineinbringt. Die Weise, wie wir aber hier von „Form" sprechen, gehört mit zum Provisorium.
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Im anderen Sinne ist die unendliche Größe der Zeit gerade nicht die doppelt unendlich lang dauernde Zeit, sondern das ganz Andere, was mit „Ewigkeit" bezeichnet wird. Hier vermehren sich die korrelativen Änderungen, die Spannweite wird größer. Am besten läßt sich diese Erweiterung des Problems vom Kulturphilosophischen her entwickeln. Auch die Zeitmessung hat, neben anderen Momenten, dieses in sich, daß sie von der bedingenden Zeit her ist. Die bedingende Zeit kann nicht gemessen und so auch nicht relativiert werden. Wir messen mit ihr, aber das ist ein Messen, bei dem der Maßstab verborgen bleibt und vielmehr das Messende ist. So messen wir doch eigentlich nicht mit ihr, sondern werden durch sie gemessen. Die bedingende Zeit ist weder relativ noch absolut, weder gerade noch gekrümmt Sie ist das neutrale Dritte zu all diesem. Die bedingende Zeit schlägt nicht nur durch alle Sphären der psychischen Akte hindurch, sondern auch in das Ich selbst und darüber hinaus. Das Ich beherrscht das Zeitliche, das durch die bedingende Zeit bedingt wird, aber nicht diese selbst, sondern sie hat das Ich und konstituiert es partiell. Das Ich ist protensiv. Das kann psychologisch nur als eine Endlichkeit mit verschwimmenden Grenzen beschrieben werden. Hierauf beruht der Zeithorizont und die Zeitperspektive des Ich. Die verschwimmenden Grenzen und die wachsende Unanschaulichkeit deuten auf das Andere hin, das die bedingende Zeit gegenüber der Protensität ist. Die empirische Psychologie hat hier durchaus das Wort. H. G. Wells hat die Vorstellung, als ob unsere Seele sich entlang der vierten Dimension bewegte, die die Zeit in der Raumzeitlichkeit ist. In der Tat kommt selbst in einer solchen Fiktion etwas vom wahren Wesen der bedingenden Zeit zutage. Es ist aber eine harte Arbeit, diesen Wahrheitskern herauszuschälen, ohne ihn zu verletzen, oder ohne zu viel von der Schale beizubehalten. Wichtig ist auch die Bemerkung Hartmanns, daß, wenn wir etwas in der Zeit umgekehrt vorstellen, die Zeit davon nicht affiziert wird. Lassen wir einen Film rückwärts laufen, dann läuft in dem so beginnenden Zeitabschnitt die Zeit weiter vorwärts. Wir sehen, wie hartnäckig sich die bedingende Zeit jedem Eingriff entzieht. Und dennoch wird hier die falsche Vorstellung von der vorwärts laufenden Zeit angewandt, die die bedingende Zeit eben gegenüber dem noch mehr Falschen vertreten kann, das glaubt, durch den rückwärts laufenden Kinematographen die Zeit selbst umkehren zu können. Das Ich ist an den Jetztpunkt gebunden und erstreckt sich zugleich protensiv über ihn hinans. Alles in der Zeitlichkeit, als von der Zeit bedingtes, bringt etwa Anthropomorphes mit sich. Das ist eine Hineintragung des Ich als Subjekt. Deshalb ist die bedingende Zeit so schwer zu verstehen und so leicht zu verzerren. Und wenn dieses Verständnis auf der Ebene der meontologischen Reflexion erwacht (die von jeher in der Philosophie ihre Rolle gespielt hat), dann ist durch unendliche Mühsal hindurch ein höherer Stand von Besonnenheit erreicht, der zuerst eine 5
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negative Form annimmt, bevor er zur Fülle durchbricht. Gerade das kranke Zeitbewußtsein des Ich wird zum Zeugen der schädlichen Verwandlung. Und das betrifft nicht nur die Anschauungszeit, sondern auch die Zeitanschauung. Davon wird auch die sogenannte Realzeit betroffen, die ja nie ohne Phänomenalisierung ist. Selbst das reine Denken ist nicht frei davon. Denn auch das Zeitdenken verwechselt fortwährend Zeitliches und Zeit und h a t Mühe, die Idee, Wahrheit und Realität der bedingenden Zeit zu erfassen. Und wenn ihm das f ü r einen Augenblick gelingt, dann h a t es das im nächsten schon wieder vergessen, und es ist, als ob alle Mühe vergeblich gewesen wäre. Das Zeitdenken m u ß auf der H u t sein, sich immer das kostbare Gut neu zu erobern, um seiner Aufgabe wirklich gerecht werden zu können. Allmählich kommt es dazu, alle Implikationen zu sehen. Z. B. selbst nach einem glücklichen Augenblick wird die bedingende Zeit sofort wieder als etwas Bewegungsähnliches erfaßt, womit bereits wieder eine erste Pervertierung eingesetzt hat. Selbst dadurch, daß der Ausdruck „Bewegungsähnliches" den Unterschied zwischen Zeit und Bewegung festzuhalten sucht, ist die Gefahr noch nicht überwunden. Die Illusion bleibt, nachdem sie aufgedeckt ist, wie das von der Sonnenbewegung oder dem im Wasser gekrümmten Stabe gilt. N u r sind diese Illusionen nicht so gefährlich. Wenn solches Verderben in der Zeitanschauung nistet, was sollen wir dann von der Anschauungs-, Wahrnehmungs- und Vorstellungszeit erwarten ? Sie wird umso mehr deformiert werden, da sie doch unter zufälligen empirisch-psychologischen Bedingungen steht. 12. Zeitlichkeiten in den Kulturbereichen Die bedingende Zeit gehört also ganz auf die Seite des bedingenden Geistes. E s ist, als ob sich der bedingende Geist mit der bedingenden Zeit identifiziere. Hierauf beruht die Geistigkeit der bedingenden Zeit, und von ihr lernt unsere Vorstellung des bedingenden Geistes, was Geistigkeit eigentlich ist. Sie ist aber nicht die einzige Quelle dieses Wissens. Mit einem solchen Satz der autonomen meontologischen Philosophie darf nicht verwechselt und vermischt werden, was in der total anderen Sphäre der Religion von Zeit und Ewigkeit gesagt wird. Die Religion h a t es mit etwas ganz Anderem zu t u n . D a müssen wir zwischen Religion u n d Theologie einen scharfen Unterschied machen. Die Religion ist ontologisch eine reine Sphäre wie die Theoretik und die Ethik. Aber die Theologie ist eine Mischform wie die Medizin. Wir können sie in drei Teile einteilen : in die systematische oder dogmatische Theologie, in die auslegende oder interpretative Theologie und in die praktische Theologie. Wir haben es hier mit der erstgenannten zu tun, mit der Dogmatik. I h r Charakter als Mischform besteht darin, daß sie theoretische Ausdrucksmittel entlehnt, um das total Andere der Religion auszusprechen und ihm zu dienen. Dabei ereignen sich Mißverständnisse auf Seiten der Theologen wie auch der Philosophen. Der H a u p t i r r t u m der Theologen besteht darin,
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die Theoretik der Dogmatik nicht in ihrer Uneigentlichkeit zu durchschauen und sie für dasselbe zu halten wie die konstitutive Theoretik der Erkenntnis, der ersten Kultursphäre. Der Hauptirrtum der Philosophen besteht darin, die totale Anderheit unter Erscheinungsbedingungen nicht zu sehen, die zwischen der ersten und der fünften Kultursphäre besteht, und nicht zu verstehen, was eigentlich die Religion sagen und bezeugen will und was im Gegensatz zu allen anderen Sphären dasjenige ist, was nur sie zu vollbringen imstande ist. Das hat absolut nichts mit Wissenschaft und Erkenntnis, mit der bedingenden Ermöglichung von theoretischer Erfahrbarkeit, ihrer Inhalte und Gegenstände, zu tun, obgleich das Wort „Erkenntnis" auch von der Dogmatik gebraucht wird, und mit Recht, aber hier einen total anderen Sinn hat. Diese Erkenntnis ist Heilserkenntnis, Glaubenserkenntnis und Gotteserkenntnis. Und so bringt auch die Dogmatik ihre Darlegungen in eine systematische Form und nennt das „Wissenschaft". Sie hat ein Recht auch hierzu, nur müssen wir wissen, daß mit diesem Wort dann etwas ganz Anderes gemeint ist als in der reinen Theoretik. Endlose Äquivokationen richten dabei große Verwirrung an. Diese lassen sich nur kulturontologisch aufklären. Bei den theoretischen Entlehnungen, bei Verwendung solcher Worte wie „Erkenntnis" und „Wissenschaft" ist die Mischform der Dogmatik im Nachteil gegenüber der theoretischen Kultursphäre mit all ihren Einzelwissenschaften und mit ihrer Philosophie, Ontologie, Metaphysik und Erkenntnistheorie. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Mischform der Dogmatik einer Sache dient, die in einer ganz anderen Ebene als die Theoretik ihre Existenz findet und sich in total verschiedenen Dimensionen bewegt. Und dabei geht es nicht um die Dogmatik und die Theologie, sondern um die Religion, die eine der fünf reinen Kultursphären ohne alle Mischung darstellt und die neben den anderen Sphären Gleichberechtigung besitzt. Das wird sofort erkannt, wenn es gelingt, zu erfassen, was für eine Art von Kulturerscheinung die Religion wirklich ist (und was sie nicht ist), was sie uns zu sagen und zu geben hat, ohne in das Recht der anderen Sphären einzugreifen, aber auch ohne einen solchen Eingriff in ihren eigenen Bereich zu erlauben. So spricht denn auch die Dogmatik von Zeit und Ewigkeit in bezug auf Gott, die Schöpfung und den Menschen, aber ganz anders als die Theoretik. Zum Beispiel, wenn die theoretische Meontologie die bedingende Zeit auf die Seite des bedingenden Geistes setzt und das sogar „Ewigkeit" nennen würde, so sind doch hier die Worte „Zeit" und „Ewigkeit" von einem total anderen Sinn und Gebrauch als in der Dogmatik. Es hätte keinen Sinn, in der Dogmatik von „bedingender Zeit" zu sprechen. Das würde eine ü b e r f l ü s s i g e Entlehnung sein, und die Dogmatik hat schon an den theoretischen Entlehnungen genug zu tragen, die nicht überflüssig, sondern absolut notwendig gerade im Interesse der Religion sind. Die Religion ist fragloses Anfangen mit Gott durch den Glauben. Gerade die Religionen, die das ursprüngliche Eigengut der Religion am besten verwalten (natürlich gibt es auch hier Unterschiede 6*
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und Religionen können zu Mischformen werden), gehen von der Unterscheidung von Schöpfer und Geschöpf aus. Gott hat die Welt und den Menschen geschaffen. Er ist der Ewige, über der Zeit und außer ihr. Diese Sätze können nicht einfach in die Theoretik übertragen werden. Sie verlieren da ihren Sinn. Das wäre weder im Interesse der Theoretik noch der Religion. Der religiöse Mensch spricht in dieser Weise ^on Gott, von der Schöpfung, von der Welt, vom Menschen, von der Seele, vom Heil, weil er in anderer Weise nicht das total Andere sagen kann, durch das sich die Religion von anderen Sphären abhebt, als e i n e Spezies der totalen Anderheit selbst unter Erscheinungsbedingungen. Allerdings sagt die Theoretik, daß das dritte Neutrale eben auch in d i e s e r Weise erscheint, aber das braucht für den religiösen Menschen selbst und für das, was er sagen will, keine Geltung zu haben. Es besteht unabhängig davon, und der Theoretiker wird dadurch nicht verhindert, das Einzigartige zu erkennen, was gerade so gesagt wird. Natürlich ist das keine leichte Aufgabe. Aber der Theoretiker bekennt sich dadurch nicht zum Dualismus von Schöpfer und Geschöpf als einem leitenden Prinzip seiner Theoretik. Damit hat seine Theoretik gar nichts zu tun, sondern seine Aufgabe ist die Erkenntnis des religiösen Eigengutes, das im Modus der phänomenalen t o t a l e n A n d e r h e i t steht*). Die Möglichkeiten der Wirklichkeit sind immer noch andere und zahlreichere, als wir uns träumen lassen. Unsere Aufgabe ist, die passenden Ausdrücke für diesen Reichtum zu finden. Ähnlich steht es nun mit allen anderen Kultursphären. Der ethische, der religiöse Mensch usw. braucht sich darüber nicht zu betrüben, daß seine theoretischen Aussagen keinen konstitutiven Wert haben, weil es sich bei ihm um etwas g a n z A n d e r e s handelt, das durch diesen Mangel nicht beeinträchtigt und nicht in Zweifel gezogen wird. Die Mögl i c h k e i t der ethischen und religiösen Erfahrung ist ein Anliegen des Erkenntnistheoretikers, aber nicht des ethischen und des religiösen Menschen als solchen. Die bedingende Zeit zeigt noch eine andere Produktivität als die mannigfaltigen Zeitlichkeiten in den fünf Kultursphären. Es ist die ewige Neuheit als eine Funktion ihrer Zukünftigkeit und die Erhaltung, Wiederbringung und Belebung des ewig Alten, schon Dagewesenen, als eine Punktion ihrer Vergangenheit. Die so verschiedenen Zeitlichkeiten der bedingten Zeit in den fünf Sphären sind eine Funktion ihrer Gegenwärtigkeit, und nun kommen diese beiden anderen Dimensionen in jeder Sphäre noch hinzu. Immer wieder erscheint überraschend Neues, aber unter ebenso überraschend neuer Verwendung des schon Dagewesenen. In der Naturgeschichte erzählen die geologischen Perioden davon. I n der so ganz anders strukturierten soziologischen Sphäre der politischen und ökonomischen Geschichte legt zum Beispiel die Folge von Sklaverei, Feudalismus, Kapitalismus und Sozialismus Zeugnis davon ab. Ein musi*) Die eine totale Anderheit wird unter den Erscheinungsbedingungen der fünf reinen Kultursphären zu fünf w e s e n t l i c h e n Anderheiten.
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kaiisches Erlebnis wie das der Bachschen Chaconne vermittelt aufs stärkste diesen Eindruck des immer Neuen und Überraschenden, auch wenn sie schon oft gehört worden ist. J a , die meontologische Grenzerfahrung eröffnet sogar einen Ausblick auf absolut andere Formerfahrungen als sie in Raum, Zeit und Raumzeitlichkeit gegeben sind. Da tritt die Zeit- und Seinssetzung selbst in ein Variationsgesetz ein. Auch das will der Ausdruck „Sein"-wie-Nichtsein besagen. Und das geht auch über die futuristische Bedeutung der Zeit hinaus. Diese Grenzmöglichkeiten sind bezogen auf das dritte Neutrale zu Prozeß und Prozeßlosigkeit. Das Gesetz der ewigen Neuheit kann dem zweiten Glied nie ganz gerecht werden. Es steht unter der Prozeßhaftigkeit. Deshalb bedarf die ewige Neuheit von Zeitsetzungen selbst der Ergänzung durch total andere Seinssetzungen. Jedoch ist die Prozeßlosigkeit im dritten Neutralen nicht Zeitlosigkeit, nicht statische Ruhe. Auch die Seinssetzungen treffen nicht das ganze neutrale Dritte. Aber dieser ganze Bereich des Variationsgesetzes im Geist der ewigen Neuheit, des ewig Alten, der total verschiedenen Gegenwärtigkeiten und der total anderen Seinssetzungen ist nicht nur ein Anliegen der bedingenden Zeit und der anderen Formen. Die bedingende Materialität spielt dabei mit hinein, wie wir noch sehen werden. Der bedingende Geist ist ein Geist der Selbstbereicherung. Jedoch gehört diese Kennzeichnung noch der Bifurkation an. Jedes einfließende Zeitmoment ist etwas Neues. Selbst die Empfindung von etwas Altem ist als solche neu. Die bedingende Zeit tritt durch das Sollen in die ethische Sphäre ein, das zum Sein im Verhältnis der phänomenalen totalen Anderheit steht. Bei den üblichen erkenntnistheoretischen Bestimmungen von Sollen und Sein ist diese Anderheit nicht genügend berücksichtigt worden. Die vorgreifende Zukünftigkeit der Zeit übt im Sollen gegenüber dem Sein eine Funktion aus, die der besondere Ursprung dieser Anderheit ist. Das macht auch den moralischen Glauben viel mehr futuristisch als den theoretischen Glauben. Das Sein betont die Gegenwart, das Sollen die Zukunft. Das Sollen hält dem sittlichen Tun die Ziele vor. Es führt das Sein in die Tat ein. Es ist, als ob die ganze Natur dabei ausgestrichen würde. Das Sollen hat sein eigenes Zeitmaß, seine eigene Zeitwirklichkeit und seine eigene Zeitwahrheit. Seine sittlichen Ideen inaugurieren das Reich der Freiheit. Der Griff in die Inhaltlichkeit reicht tiefer. Schon das zeigt, daß der theoretische Konstitutionswert nur ein Anfangswert ist. Der Gegensatz von gut und böse schürft tiefer als der von wahr und unwahr. Aber er wendet sich dabei zur totalen Anderheit von Theoretik. Das praktische Wissen des Gewissens kann nicht praktisch bewertet werden. Ohne Theoretik geht es in die Irre. Die Ethik führt einerseits das realisierende Prinzip des Willens ein, andererseits ist sie, in der Form der Moral, gerade eine Hauptquelle des Idealismus. Der theoretische Idealismus leidet meistens daran, daß er seinen Ursprung in der anderen Sphäre der Moral nicht erkennt und des-
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halb die Bedeutung dieses Wesensunterschiedes für die Theoretik unterschätzt. Deshalb bedarf er des Gegengewichtes des transzendenten Realismus. Es gehört zur Begrenzung der Ethik, daß sie ihr Prinzip auf die Autonomie des Ich bezieht. Aber gerade die höchste Vollendung der Theoretik erkennt, daß die Zugehörigkeit des Ich zum Meontisch-Meontologischen weder durch Autonomie noch durch Heteronomie bestimmt werden kann. Das ist eine Haupteinsicht in das Problem vom Ganzen und seinen Teilen. Hier schränkt die Theoretik die Ethik ein und enthüllt den tragischen Sachverhalt, wie im sittlich Guten selbst ein Böses zweiter Ordnung zu entspringen vermag. Denn an diesem Beispiel tritt es zutage, was es heißt, daß die tolale Anderheit unter Erscheinungsbedingungen steht und deshalb gewisse Forderungen der Totalität nie zu erfüllen vermag. Auf diese Weise kommen alleSphärenin ihre kulturellen Grundlagenkrisen hinein. Durch die Teilnahme am Geist gewinnt das Ich auch Teilnahme am Bedingenden. Es wird zu dem bedingenden Ich, das ich bin sozusagen in der Unsichtbarkeit meiner selbst, das wie ein Richter über dem sittlichautonomen Ich thront. So ist das Sein des Ich im theoretischen Glauben höher als das Sein des Ich im moralischen Glauben, aber nur insofern, als jenes Sein meontologisch ist. Denn die sittliche Autonomie des Ich legt vor den Zugang zur Meontologie eine Schranke. Sie bleibt im letzten Grunde dem animalisch-psychischen Geist verhaftet. Das ist der tiefste Ursprung des moralischen Pharisäertums. Welche Rolle spielt die bedingende Zeit in der Ästhetik ? Hierfür nehmen wir am besten ein Beispiel aus der Musik, da sie die Kunst der Zeit ist wie die Malerei die des Raumes. Hartmann hat die Bedeutung des Unterschiedes zwischen dem gemalten Raum und dem gemalten Licht und dem Raum, in dem das Bild hängt, und dem Licht, von dem es beschienen wird, betont. Es ist, als ob wir in einen anderen Raum und in ein anderes Licht versetzt würden. Das befreit unsere Schau, läßt uns von uns selbst hinweg sehen, macht, daß wir uns in der ästhetischen Schau verlieren und vergessen und dann auch darin wiederfinden, nimmt von uns alles selbstische Interesse, Triebhatte, Begierdeartige, das den ästhetischen Eindruck zerstören würde. Etwas Ähnliches gilt nun auch von der Zeit, und das können wir besonders gut in der Musik erfahren, obgleich es sich auch bei den anderen Künsten einstellt. Eine Symphonie hat gewissermaßen ihre eigene Zeit, so wie ein Gemälde seinen eigenen Raum hat. Und hier findet dann dieselbe Heraushebung und Herauslockerung statt mit allen Folgen, wie wir sie oben beschrieben haben. Das gehört mit zum Wunder des musikalischen Genusses und der musikalischen schöpferischen Gestaltung. Es ist ein Hinweis auf die Idealität der Zeit, aber dadurch auch auf die bedingende Zeit selbst, auf ihre apriorische Überlegenheit, auf ihre unterschiedene Anderheit, die den Übergang in das Pleroma vermittelt. So kam auch die Platonische Lehre von der Ideenwelt zustande, obgleich sie noch ein sehr unadäquater Ausdruck der zugrundeliegenden Tatsache ist. Jedes ec-hte Kunstwerk entzückt und beseligt durch diese Ahnung einer plero-
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matischen Vollkommenheit. Das können wir natürlich besser einsehen, wenn wir die ästhetische Bedeutung der bedingenden Zeit mit den anderen Bedingungsmomenten betrachten werden. Im allgemeinen kann gesagt werden, daß das Ästhetische das Durchscheinen des Meontisch-Meontologischen durch die Erscheinung ist. Die Kunst bringt uns hinweg von dieser Welt der Mühsal und der Qual. Ihre Schau ist frei von Leid und Freude, aber gerade so stellt sich eine höhere Freude ein. Ihr Entzücken ist ekstatisch. Die Ekstase hat nicht phänomenalen, sondern meontisch-meontologisch-pleromatischen Charakter, denn sie ist von dem angeregt, was sich in der ganzen Erscheinungswelt überhaupt nicht auffinden läßt. Ihr Licht ist ein Verklärungslicht. Das Durchscheinen des Meontisch-Meontologischen durch die Erscheinung verbleibt beim Ästhetischen in Sinnennähe. Wird dabei das Bedingende der Erfassungsfähigkeiten von Empfindung, Gefühl, Intuition, Ideation, Emotionalität usw. in ein harmonisches Verhältnis gebracht, dann wird der Schleier der Schönheit als neue Inhaltlichkeit über die Dinge geworfen. Wird das Bedingende asymmetrisch und nähert sich seine innere Gliederung dem Brechungspunkt, dann wird das Ästhetische zum Erhabenen. Die Inkongruenz zwischen dem Meontisch-Meontologischen und der Erscheinung ist fähig, zum Komischen und Grotesken zu werden, und das ist dann eine dritte Art des Ästhetischen, das es auch mit dem Humor zu tun hat. Ein determinierendes Moment in diesem AllBedingenden des Meontisch-Meontologischen ist dann auch immer die bedingende Zeit. Das gehört mit zur Tiefe des Wesens des Ästhetischen. Über diesen Anfang der Deutung können wir hier nicht hinausgehen. Im übrigen führen wir nur die Phänomene an, um spätere Untersuchungen vorzubereiten. Das Kunstwerk steht im Licht der ewigen Neuheit. Die Zeit-Perichoresis spielt bei ihm eine besondere Rolle. Es gibt ein ästhetisches Ineinander von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wie die Räder am Gotteswagen des Hesekiel ineinander sind. Die ästhetische Zeitlichkeit treibt innerhalb des Sinnlichen fort zum Brechungspunkt der Sinnlichkeit. Die Zukunft übernimmt dabei die Führung. Das Kunstwerk ist eine Prophezeiung. Mozart erlebte seine Symphonien als ein Zugleich, als ein Ineinander, und dann konnte er das Nacheinander leicht aufzeichnen. Das perichoretische Ineinander ist ein Zugleich, das das Nacheinander nicht zerstört, sondern es aus sich entläßt. Mit diesen sehr unvollständigen Vorbemerkungen müssen wir es hier genug sein lassen. Aus dem weiten Gebiet der soziologischen Wissenschaft heben wir hier nur das Eine hervor, daß die bedingende Zeit ihre besondere Bedeutung für das Phänomen der G e s c h i c h t e gewinnt. Da bei dieser der pleromatische Zug der Phänomenalität vorherrschend wird, spielt die meontologisohe Zeitperichoresis eine hervortretende Rolle. Sie „fällt in die Erscheinung". Der Mensch stellt sich in seiner vollen empirischen Breite dar als Einheit von Ich und Subjekt. Der Historiker verlebendigt auf seine Weise die Vergangenheit, anders als es der Dichter tut. Aber für beide
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wird die Vergangenheit ein perichoretisches Element, wie auch Gegenwart und Zukunft. Das Übergeschichtliche in der Geschichte, das das Zeitliche nicht aus- sondern einschließt, ist durch diese Zeit-Perichoresis vertreten. Der Offenbarungseindruck des Meontisch-Meontologischen erreicht eine pleromatische Klimax. Diese Art von Pleromatik entfernt sich nicht vom rein Bedingenden, sondern nähert sich ihm, und Historiker, die uns diese Impression zu vermitteln vermögen, gehören zu den großen und wirkungsvollen Ausdeutern des geschichtlichen Prozesses. Das stellt den Historiker dem Künstler nahe und unterscheidet ihn von dem pedantischen Anekdoten-Erzähler. 13. Die Zeit-Perichorese Unter der Pericborese*) der Zeitmodi verstehen wir die Lehre, daß Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht nur nacheinander, sondern auch ineinander in der Zeit, also „zugleich" sind. Diese Sachlage wird durch den Ursprung der Zeit aus dem dritten Neutralen, dem dritten Erfüllenden zu Prozeß und Prozeßlosigkeit, ermöglicht. Die Perichorese ist ein Hinweis auf das Nicht-Sukzessive in der Zeit, das im dritten Neutralen kein Nacheinander, allerdings auch nicht ein Zugleich ist. Der Fehler, daß die Zeit als solche dieses Moment im dritten Neutralen gar nicht auszudrücken vermag, bleibt an dieser Lehre haften. Sie stellt eine nie ganz richtige Modifikation der bedingten Zeit dar. Sie h a t ihren Nutzen in dem eindrücklichen Hinweis darauf, daß es noch etwas anderes geben muß als Folge und Dauer, sofern es sich um das Verhältnis der bedingenden Zeit zum bedingenden Geiste handelt. Heideggers Zeit-Analyse weist deutlich einen perichoretischen Zug auf, der aus einer meontologischen Quelle stammen könnte. So lesen wir z. B. auf S. 350 von „Sein und Zeit": „Die Zeitigung bedeutet kein Nacheinander' der Ekstasen. Die Zukunft ist nicht s p ä t e r als die Gewesenheit und diese nicht f r ü h e r als die Gegenwart. Zeitlichkeit zeitigt sich als gewesende-gegenwärtigende Zukunft". Der perichoretische Charakter dieser Zeitauffassung t r i t t klar in Erscheinung. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind im Zusammen eines Ineinanders. Dabei gründet das Verstehen primär in der Zukunft. Das Verstehen wird der Zukunft zugeordnet, ist aber zugleich gewesende Gegenwart. Das Verfallen wird der Gegenwart zugeordnet, die aber zugleich gewesende Zukunft ist. Die Befindlichkeit wird der Vergangenheit zugeordnet, ist aber zugleich gegenwärtigende Zukunft. „Die Zeitlichkeit zeitigt sich in jeder Ekstase ganz", und darin zeigt sich die „Einheit der Sorgestruktur". Mit der letzteren haben wir es hier nicht zu tun, wir heben nur den perichoretischen Zug heraus. Heidegger nennt die Zeitmodi Ekstasen, weil „Zeitlichkeit das ursprüngliche ,Außer-sich' an und für sich selbst ist". *) Wir verwenden hier dieses Wort nicht in seiner theologischen Bedeutung.
Der Begriffswandel in den Kultursphären
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Auch in den nichttheoretischen Kulturspären spielt die Zeit-Perichorese eine gewisse Rolle. Mozart sah seine Symphonien in einem Komplex des Zugleichseins des Nacheinander der Melodien und Harmonien. Der Dichter verhält sich perichoretisch in der Art, wie er die Vergangenheit vergegenwärtigt. Ähnlich der Geschichtsschreiber. Auf religiösem Gebiet ist die Lehre Kierkegaards von der „Gleichzeitigkeit mit Jesus" berühmt geworden. Auch sie ist perichoretischer Natur. Die Dogmatik vermag die Perichorese der Modi als die Zeit und Ewigkeit Gottes sogar mit der Trinitätslehre (wir denken hier an die protestantische Dogmatik, wie sie besonders Karl Barth entwickelt hat) in Verbindung zu bringen. Jedoch fragt es sich, ob das nicht ein Überwuchern der uneigentlichen Theoretik in der Dogmatik darstellt, das vergessen h a t , worum es sich eigentlich in der Religion handelt: um das Heil der Seele, um ihren Frieden, ihre Freude und Gerechtigkeit, um Heils- und Glaubenserfahrung, um Vergebung und Gehorsam, um die Liebe und die Heiligkeit Gottes. In der Dogmatik ist die Religion einer philosophischen Hellenisierung verfallen. Ein Intellektualismus h a t sich ausgebildet, der vom Übel ist. Ein Theoretisieren ist geübt worden, das zum Selbstzweck geworden ist und mit eigentlicher und echter Theoretik verwechselt wird. Damit hat die Dogmatik vergessen, wozu sie eigentlich da ist und wem sie dient. Das Wertvolle, das sie t u n könnte, unterbleibt, und das Wertlose, das sie vermeiden sollte, wird getan. Die Lehre von der Verbalinspiration ist ein gutes Beispiel hierfür. Das Grundübel liegt darin, daß die Dogmatik die totale Andersartigkeit verkennt, mit der es die Religion gegenüber der konstitutiven Theoretik zu t u n hat. Daß die Dogmatik eine kulturontologische Mischform ist, kann nicht verhindert werden. Aber daß sie die Religion zu einer solchen zu machen droht, ist ein Skandal. 14. Der Begriffswandel in den Kultursphären Auch das Wort „Glaube" hat in den Kultursphären eine je total andere Bedeutung und Funktion. I n der Religion ist damit das fraglose Anfangen des Gläubigen mit Gott gemeint (und da kommen viele Spezifikationen vor). Etwas ganz Anderes ist der moralische Glaube, und wieder etwas total Verschiedenes ist mit dem theoretischen Glauben gemeint. Vor allem darf dieser nicht mit dem religiösen verwechselt werden. Er hat es mit der Prinzipenforschung zu tun. Das Aufsteigen zu immer höheren Grundsätzen muß ja einmal zu Ende kommen. Bei der Erfassung des Bedingenden wird dieses Ende erreicht. Wir können also sagen, daß der bedingende Geist, das Meontisch-Meontologische, die bedingende Zeit usw. in einem rein philosophischen Glauben erfaßt werden. Das hat aber mit dem religiösen Glauben nichts zu tun. Das Wort ist dasselbe, aber der Sinn ist ganz anders. Es heißt auch nicht so viel wie grundloses Fürwahrhalten, Meinen und dergleichen. Allerdings wird auch das ein Glauben genannt, aber diese Art steht fern von
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der Prinzipienforschung. Das mit ihr verbundene Glauben ist durchaus kein grundloses Fürwahrhalten, sondern eine auf die Erfahrungstheorie bezogene erste Annahme, die sich an der Frucht erkennen, die sich aber nicht mehr aus noch höheren Prinzipien ergründen läßt. Denn hier ist das erreicht, mit dem alles bewiesen wird, das selbst also nicht mehr bewiesen werden kann. Aber es tritt die Umkehrung des üblichen Beweisverfahrens auf, das zur Rechtfertigung der höchsten Prinzipien führt. In diesem Sinn nimmt dann der erkenntnistheoretische Glaube teil am Bedingenden und kann bedingender Glaube genannt und von den anderen Arten unterschieden werden. Wiederum hat dann die totale Anderheit selbst Erscheinungsform angenommen. Die andere Art des philosophischen bedingenden Glaubens ist der ontologische. Er hat es nicht mit der Erfahrung zu tun, sondern mit der bedingenden Ermöglichung der Inhalte und Gegenstände der Erfahrung. Das ist die andere Seite der Prinzipienforschung und führt zu der zweiten Unterart des bedingenden meontologischen Glaubens. Wir hoffen, daß nach dieser Erörterung das Wort nicht mehr mißverstanden werden wird. Natürlich schließt das nicht aus, daß gewisse abstrakte Gemeinsamkeiten mit den anderen Arten vorhanden sein können, mit dem moralischen oder dem religiösen Glauben. Hierher gehört zum Beispiel die Beschreibung der schwebenden antizipierenden Natur des Glaubens, der „seinen Fuß ins Dunkle setzt", der nicht aus dem Gefühl entspringt, sondern zur Quelle neuer Gefühle wird, der aus seiner eigenen Unsichtbarkeit neue Sichtbarkeiten entläßt usw. Solche Kennzeichnung paßt auf jede Art des Glaubens, berührt aber nicht die totale Andersartigkeit seines Sinnes in den fünf Kultursphären. Abstrakte Gemeinsamkeiten zerstören nicht die concretissima, aber sie werden leicht zu verführenden Mächten, die das Verstehen in Sackgassen hinein locken. Wir dürfen nicht vergessen, daß den Wissenschaften und Kulturbereichen ein vorwissenschaftlicher und vorkultureller Verstand vorgelagert ist, der gemeiner Menschenverstand genannt wird*). In ihm sind die fünf Arten von phänomenaler totaler Anderheit noch ungetrennt zusammen. Aber er zeigt einen guten Instinkt, die daraus entspringenden schädlichen Folgen zu vermeiden. Gewinnt er jedoch einen zu großen Einfluß auf das wissenschaftliche, philosophische und kulturelle Verhalten, dann führt das allerdings zu höchst schädlichen und gefährlichen Vermischungen der Sphären. Hieraus entspringt dann das unverantwort*) Der gesunde Menschenverstand hat mit dem mythologischen Denken die Ähnlichkeit, daß auch in ihm das Eigentliche und das Uneigentliche in den Geltungsweisen der total verschiedenen Kulturbereiche gemischt vorkommt. So ist im natürlichen Verstände nicht alles, aber das meiste Theoretische uneigentliche Theoretik. Die anderen Sphären, besonders die Religion, machen davon reichlichen Gebrauch. Der Tisch Eddingtons hat viel mehr „Nichtsheit" in sich als der Tisch von Schulze und Meyer; jener im Sinne der eigentlichen, dieser im Sinne der uneigentlichen Theoretik.
Der Begriffswandel in den Kultursphären
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liehe R e d e n , das religiösen u n d philosophischen Glauben einfach durcheinander wirft, usw. E i n gutes Beispiel sind die vielen N a m e n f ü r das eigene Selbst wie: Ich, Mensch, Person, S u b j e k t , Seele, Leib, Körper, Geist, I n d i v i d u u m , Selbstbewußtsein, usw. Alle diese Bezeichnungen h a b e n in den fünf Sphären einen t o t a l anderen Sinn, w ä h r e n d sie im natürlichen Vorverstehen ohne weiteres m i t e i n a n d e r auswechselbar sind. D a s zeigt sich besonders d a r a n , d a ß einige dieser wichtigen Bezeichn u n g e n in gewisse Sphären gar nicht recht hineinpassen. Z u m Beispiel, von der S e e l e spricht vor allem die Religion. D e r Sinn dieses W o r t e s gehört zu dem Einzigartigen, das der Religion z u k o m m t , w e n n sie das Eigenwesen des Menschen bezeichnen will. Die Seele ist unsterblich, sie m u ß gerettet werden, sie ist m e h r wert als die ganze W e l t . Das ist auch der Grund, weshalb die moderne Psychologie den Gebrauch dieses religiösen N a m e n s abgelehnt h a t , obgleich ihr eigener Wissenschaftsn a m e dieses W o r t e n t h ä l t . W i r müssen das r e c h t verstehen. Die Motive d a f ü r liegen in der Existenz von zwei total verschiedenen A n d e r h e i t e n u n t e r Erscheinungsbedingungen als Vertreter der Differenz zwischen Ansich u n d Erscheinung. D a m i t ist nichts Abwertiges über die religiöse Verwendung dieses W o r t e s gesagt, im Gegenteil, gerade n a c h dieser K l ä r u n g k a n n sich das u m so besser herausstellen, was die Religion auf ihre einzigartige Weise m i t diesem W o r t zu sagen h a t . D a s W o r t „Seele" erzählt u n s also etwas über die S o n d e r s t r u k t u r der f ü n f t e n Sphäre, die theoretisch von dem meontisch-meontologisch bedingenden K u l t u r g e i s t e her ist, in den die t o t a l e Anderheit selbst eingebaut ist. D a s erlaubte u n d nötigte uns j a auch, von einer t o t a l e n Anderheit sogar des reinen Seins zu sprechen, die wir das k o n k r e t e N i c h t s n a n n t e n . D a s W o r t „ S u b j e k t " p a ß t a m besten in die Logik, in die E r k e n n t n i s theorie u n d in die Ontologie. W i r w ü r d e n es nicht gern in der religiösen Sphäre, noch nicht einmal in der ethischen u n d der ästhetischen hören, w ä h r e n d es in der soziologischen so viel wie „ U n t e r t a n " heißt. D a s W o r t „ S u b j e k t " als Bezeichnung f ü r unser I c h v e r r ä t uns also etwas über die E i g e n s t r u k t u r der Theoretik, u n d d a m i t h ä n g t es auch zusammen, d a ß der gemeine Menschenverstand es f a s t nicht k e n n t . Person u n d Persönlichkeit passen sehr gut in die E t h i k hinein, das Ich in die Psychologie, „Mensch" in die Soziologie. Aber auch sofern diese Bezeichnungen in a l l e n S p h ä r e n v e r w a n d t werden, wechselt doch ihr Sinn völlig in jeder einzelnen. Eine Sonderstellung n i m m t das W o r t Geist ein, weil es sowohl zur Bezeichnung des animalisch-psychischen Geistes als auch des bedingenden Geistes dient. I n der Beziehung auf diesen ergibt sich d a r a u s eine neue Bezeichnung f ü r das Selbst u n d das I c h (wenigstens in unserem System): Geistesmensch. W i r verstehen daru n t e r n i c h t das I n d i v i d u u m , sofern es frei v o m animalisch-psychischen Geist werden k ö n n t e , d e n n das ist unmöglich, sondern wir meinen d a m i t den Menschen, der zwar das allgemeine Schicksal, v o m animalischpsychischen Geist beseelt zu sein, m i t allen anderen teilt, der aber f ü r den bedingenden Geist erwacht u n d geöffnet worden ist, der n u n eine
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Beziehung zu ihm unterhält, die inmitten seiner animalisch-psychischen Erscheinungsnatur Zeichen des bedingenden Geistes in seiner Wirklichkeit aufrichtet. Das nennen wir „Geistesmensch" im meontologischen Sinne. Es hat Theologen gegeben, die versucht haben, die philosophische Zeitanalyse für das theologische Problem von Prädestination und Willensfreiheit nutzbar zu machen. Dieser Versuch muß mißlingen. Er kann nur unter Aufopferung der totalen Anderheit vollbracht werden. Für die Religion ist die Prädestination, falls sie überhaupt zum Glaubensgut gehört, ein undurchdringliches Glaubensmysterium. Gott verherrlicht sich in seinem Prädestinieren angesichts der menschlichen Freiheit. Wir haben es hier nicht mit der Frage zu tun, welche theologische Formulierung der Religion am besten dient, ob es die Prädestinationslehre ist und welche unter ihren vielen Abarten, ob der Mensch unter ihr frei bleibt oder nicht usw. Worum es sich hier handelt, ist, daß d i e Lehre, die der Religion am besten dient, es bestimmt nicht mit einem prädestinatorischen oder nicht-prädestinatorischen theoretischen Zeitproblem zu tun hat, sondern mit etwas ganz Anderem, das zum Eigengut der Religion gehört, mit der Majestät Gottes und dem beruhigten Ruhen des Gläubigen in seiner Gnade. Werden diese Werte auf das pseudo-theoretische Gebiet einer prädestinatorischen oder nicht-prädestinatorischen Zeitanalyse abgeschoben, dann gehen sie verloren und an ihre Stelle tritt eine uneigentliche Theoretik, die mit der echten doch nicht wetteifern kann, und solche Dogmatik hat wiederum ihre Aufgabe mißverstanden. Der meontisch-meontologische Geist, als das dritte Neutrale, erscheint der Erscheinung gegenüber als der Vorherbestimmende, nicht im fatalistisch kausalistischen Sinne, auch nicht als ethische Finalität, sondern im Sinne der Totaldetermination. Von da aus geht dieser theoretische Gedanke, der mit zur Erfahrungstheorie gehört, in die theologisierte Religion ein und wird da zur Lehre von der Prädestination. Für die Dogmatik entspringt daraus die Gefahr, dem intellektualistischen Mißverständnis zu verfallen. So wenn der Versuch gemacht wird, die Prädestination mit dem freien Willen zu versöhnen durch theoretische Mittel, die so nicht verwendet werden können, wie die Dogmatik das in diesem Fall t u t . Dasselbe gilt dann von dem mit derselben Thematik zusammenhängenden Streit zwischen der Lehre von der ewigen Verdammnis und der Allversöhnung, der ausgetragen wird, ohne daß dabei der Sinn der Uneigentlichkeit der theologischen Theoretik beachtet wird. Der religiöse Mensch vermag von der ewigen Verdammnis zu sprechen. Er meint damit aber etwas anderes, als der naturwissenschaftlichen Auslegung dieses Ausdrucks gemäß sein würde. Vielleicht meint er sogar etwas Stärkeres nach seiner Ansicht, aber auf jeden Fall ist es ein ganz Anderes. Dasselbe gilt von der sogenannten Allversöhnung. Wenn der Theologe sich dabei auf das Schriftprinzip und dergleichen beruft,
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so zeigt er eben damit, in welchem total anderen Medium er sich bewegt, als es das eigentlich Theoretische ist. Übrigens braucht der Fromme in seinem religiösen Leben gar nicht eine so w e i t g e h e n d e T h e o r e t i s i e r u n g . Der Zank der Schulen ist der Religion abträglich. 15. Der bedingende Raum Die Beziehung des Raumes auf den bedingenden Geist ist nicht so unmittelbar wie die der Zeit. Der Raum ist durch das S e i n auf den Geist bezogen. Zugleich hat er ein betontes Verhältnis zum Zeitmodus der Gegenwärtigkeit. Der Raum ist gewissermaßen das andere Moment im dritten Neutralen, das der Bifurkation vorhergeht. Er vertritt da die Prozeßlosigkeit dem Prozeß gegenüber. Wir sahen, daß dieses andere Moment durchaus nicht identisch ist mit Ruhe, Substanz, Dauer oder Bewegungslosigkeit und durch alles dieses nicht charakterisiert zu sein, kommt dem Raum und dem Sein zu. Im übrigen gelten von ihm ähnliche Merkmale wie von der Zeit, seine „Geistigkeit", Subjektivität, die objektbedingend ist, ideale Objektivität, seine verstehende Inhaltlichkeit, seine „Leerheit" als Ausdruck seiner bedingenden Immaterialität usw. Seine Nichtshaftigkeit ist die des Meontologischen. Darin sammelt sich seine Macht. Während die Zeit nach vorwärts schaut, in die Zukunft und in die ewige Neuheit hinein und in die ewige Vergangenheit und in das „Alte" hinein, das immer wieder neue Bedeutung gewinnt, ist der „Blick" des Raumes auf die Gegenwart, auf den „Augen-Blick" gerichtet, in dem er ausschließlich „lebt". Soweit reine Form zum dritten Neutralen gehört, ist es aus Raum und Zeit gewebt und allen Erscheinungsformen der totalen Anderheit in allen Kultursphären vorgeordnet. Die meisten Theorien über Raum und Zeit beginnen ihre Erörterungen nach dem Vorgang Kants mit dem Raum. Wir wählten den umgekehrten Weg, weil im Problem der dritten Situation die Zeit als „Hinzufügung" neben dem Sein, dem Seienden und der Vollkommenheit als Momenten des Meontisch-Meontologischen zuerst erscheint. Aber es gibt ja noch ganz andere Momente des Bedingenden, und zu diesen gehört nun auch der Raum. So kommen wir zu seiner Analyse. Er hat mit der Zeit vieles gemeinsam. Das Hauptsächliche dieses Gemeinsamen ist, daß der Raum bedingende Formalbedingung ist. So können wir also von vornherein von einem bedingenden Raum sprechen. Durch ihn wissen wir um alles Räumliche und um die Räumlichkeit und durch ihn s i n d diese phänomenal. Dazu gehört die Ordnung des Nebeneinander, die Punktmannigfaltigkeit, die Dreidimensionalität, die Umkehrbarkeit der Dimensionen und Richtungen, die Isometrie, die Homogenität, seine Apriorität, Intuitivität, Subjektivität (die recht verstanden sein will), Idealität, Realität und seine verstehende Inhaltlichkeit, die durchaus Seinscharakter besitzt. Auch hier besteht die Versuchung, Raum und Räumlichkeit miteinander zu verwechseln, zu vertauschen, zu vermischen und vermengen, das Bedingen des Raumes zu perver-
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tieren, genau so wie bei der Zeit. Das deutet darauf hin, daß diese schädlichen und gefährlichen Verwandlungen Glieder einer Familie sind und auf einem Grundphänomen beruhen. Damit ist auch der weitere Fehler gegeben, die Dinge der Raummessung für den bedingenden Raum einzusetzen, ein Fehler, den die Philosophie der Geometrie und der Naturwissenschaft in aller Naivität begeht. Indem der Naturwissenschaftler das tut, ist er unbewußt ein Philosoph der Naturwissenschaft und kein guter. Aber mit dieser klaren Unterscheidung ist es nicht getan. Sein Erscheinen hat immer etwas mit dem Urapriori zu tun. Das Verhältnis des Raums zur Räumlichkeit ist auch positiv. Nicht alles ist am bedingten Raum Pervertierung und Substanzverlust. Das Meontisch-Meontologische setzt auch die Erscheinung und „geht in sie ein". Beide, Raum und Zeit, verbinden und trennen. Aber beim Raum überwiegt die Verbindung, bei der Zeit die Trennung. Die Räumlichkeit schreibt dem im Raum Seienden die räumlichen Formgesetze vor, und insofern ist sie ein Vertreter des bedingenden Raumes. In einer zweiten Begriffsbildung und Schau, die der Reflexion angehört, wird dann der bedingende Raum nach diesem Modell vorgestellt. Er wird eine Wiederholung seiner selbst im Raum, ein Raum im Raum, von einem gespensterhaften Dasein, und das führt zu all den schädlichen Verwechslungen. Vom bedingenden Raum her wissen wir auch um die Krümmungsmöglichkeiten des Raumes, wie sie in den Nicht-Euklidischen Geometrien aufgetreten sind. Sie haben aber für dynamische Probleme eine Realbedeutung gewonnen, und deshalb können sie hier noch nicht voll ausgewertet werden. Im allgemeinen ist aber zu sagen: Es geht nicht an, zu behaupten, daß nur Seiendes im Raum gekrümmt sein könne, der Raum selbst aber ungekrümmt sei. Hierin liegt ein doppelter Fehler. Der bedingende Raum ist weder gekrümmt noch ungekrümmt. Er ist das neutrale Dritte zu Krümmung und Nichtkrümmung, er ist völlig indifferent gegen beide. Gerade darin besteht sein Realbedingen. Dasselbe gilt von Ausgedehntheit und Maß. Was aber krümmbar ist, ist die Räumlichkeit, und das ist keineswegs identisch mit der Krümmung eines Seienden im Raum, sondern es gehört zu dem gespensterhaften Quasi-In, das den bedingenden Raum für einen Moment zu vertreten vermag. Hierin wurzelt die Realbedeutung der Nicht-Euklidischen Geometrien, und sie bezeichnen ein wirkliches Problem, das nicht auf das im Raum gekrümmt Seiende reduziert werden kann. Natürlich wird unsere Anschauung immer die Raumkrümmung selbst durch das gekrümmt Seiende im Raum ersetzen. Aber die Grenzen der Anschauung sind nicht die Grenzen des Seins und des Denkens, und selbst die Schau (im Gegensatz zur Anschauung) ist an diese Grenzen nicht gebunden. Daß also der unendlich große Krümmungsradius den Newtonschen Spezialfall darstellt, gilt von der Räumlichkeit, nicht vom Raum. Allerdings steht der ungekrümmte Raum dem bedingenden Raum meontologisch um einen Vorstellungsgrad näher als der gekrümmte Raum, dafür
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aber rückt der letztere pleromatisch dem bedingenden Raum um einen Vorstellungsgrad näher. So verteilt sich die phänomenale Repräsentier barkeit. Das „Eingehen" des bedingenden Raumes in den bedingten Raum hebt nicht die saubere Unterscheidung zwischen beiden auf, sondern basiert gerade auf deren Erhaltung. Das eigentlich Immanierende ist die sich erhaltende Unterschiedenheit selbst. Für die pleromatische Selbstbereicherung wird sogar der Substanzverlust ein brauchbares Material. Darauf beruht die „Hinzufügung" des Raumes selbst im Gegensatz zu den Hinzufügungen innerhalb des räumlich Seienden als Mittel der höheren Pleromatik und Konkretisierung, die nicht bloß Füllungen im Raum, sondern die Erfüllung des Raumes selbst zuwege bringt. Nach Kant ist der Raum nicht analytisch, sondern synthetisch, nicht Denken, sondern Anschauung, nicht aposteriorisch, sondern apriorisch, nicht relationistisches und relativistisches Abstraktionsprodukt von Seiendem in Raum, sondern fundamental vorhergehende Bedingung. Er ist ein Beitrag zur Ermöglichung von Erfahrung überhaupt. Betrachte ich meine runde Uhr, so kann ich da zwei ganz verschiedene Schichten von aufbauenden Elementen unterscheiden. Zur einen Gruppe gehört die goldene Farbe, die Tastempfindung des Glatten, das Gefühl der Schwere in meiner Hand usw. Um all dieses weiß ich aus der Erfahrung. Das Wissen um die runde Gestalt stammt auch aus der Erfahrung, aber nicht die Gestalt selbst. Sie ist eine Modifikation des Raumes und an ihrem Teil eine Bedingung für die Möglichkeit ihrer Erfahrbarkeit. Dasselbe gilt auch von der Zeit, in der die Uhr existiert, sehr im Gegensatz zu der Zeit, die ich von ihrem Zifferblatt ablese, da sie doch ein Meßinstrument für die Zeit ist. Der gewöhnliche Verstand weiß nichts von dem Unterschied dieser beiden Schichten, und die englischen Empiristen sind ihm hierin gefolgt. In diesem Sinne ist der bedingende Raum objekt-bedingende Subjektivität von höherer Objektivität, und das ist seine Subjektivität. Kant nennt ihn den äußeren Sinn im Gegensatz zum inneren Sinn der Zeit. Beide haben aber dieselbe überlegene Art von Subjektivität, die nicht zur Psychologie des Anschauungsraumes und der Anschauungszeit gehört, sondern zur Psychologie der Raumanschauung und der Zeitanschauung. Dabei wird im Psychologischen Überpsychologisches entdeckt. Die Psychologie wächst über sich selbst hinaus, sie wird Ausdrucksmittel für Anderes, so wie Physiologisches Ausdrucksmittel für Biologisches zu werden vermag, und dieses für Psychologisches. Das begründet die transzendentale Raumtheorie, die auch deshalb so heißt, weil sie die Möglichkeit einer ganzen apriorischen Wissenschaft zeigt, der Geometrie, und dieses Transzendentale ist nicht mit dem Transzendenten zu verwechseln. Vom bedingenden Raum her ist also der phänomenale Realraum, der zugleich ideale Objektivität besitzt. Das setzt sich fort in der Raumanschauung, in der der Raum zur verstehenden Inhaltlichkeit selbst wird
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von einem durchaus seinskonstituierenden Gepräge. Dabei bleibt es aber nicht, die Inhaltlichkeit geht fort zum Denken, zum Gefühl, zum Willen und zum Glauben. Damit werden die pleromatischen Motive des bedingenden Raumes lebendig. Auch die Vorspiele der Anschauung und Intuition, Wahrnehmung und Empfindung, sind nicht zu übersehen, ebensowenig die Zwischenspiele, die Vorstellung, die Erinnerung, das Gedächtnis, die Phantasie usw. All dieses steht nicht nur im Dienst einer Psychologie des Anschauungsraumes, sondern auch der Raumanschauung, und gehört d a n n zur Theorie des bedingenden Raumes. E s k a n n auf allen diesen Gebieten gezeigt werden, was wir durch ihn wissen u n d was durch ihn ist. Dadurch klärt er sich auf als ein Moment im Meontisch-Meontologischen selbst, und das gehört zu dem, was den Kulturprozeß hervortreibt und in dem er seine Sinngebung findet. Natürlich t a u c h t auch hier das Problem der doppelten Unendlichkeit auf. Von dem bedingenden R a u m her wissen wir um die Unendlichkeit des Raumes in Teilbarkeit und Grenzenlosigkeit, um seine Kontinuität und Diskontinuität, um seine Intuitivität und Diskursivität. Dies alles sind Möglichkeiten bei ihm, so wie er die Möglichkeit aller Figuren ist. Die Modalkategorie der Möglichkeit spielt dabei eine ausgezeichnete Rolle. Die Wirklichkeitsbedingung ist f ü r die Kontinuität etwas intuitiv Einschränkendes, f ü r die Diskontinuität etwas diskursiv Einschränkendes. So wissen wir um die Unendlichkeit des Raumes. Sie existiert phänomenal von dem bedingenden R a u m her. Auf diese Weise entfaltet sich die Raumtheorie als dritte Situation. Nach H a r t m a n n schlägt die Zeit durch alle Schichten des ontischontologisch Seienden durch, durch das Mechanische, Biologische, Psychologische, durch den personalen Geist und den objektiven Geist. U n d ebenso steht es mit den entsprechenden subjektiven Erfassungsformen, dem Gnoseologischen. Der R a u m bricht aber an der oberen Grenze des Biologischen ab. Vom Psychologischen ab haben wir es mit zeitlichem, aber unräumlichem Individuellen zu tun. E s h a t zwar Werden, Prozeß, Individualität, Vergänglichkeit, aber keine Ausdehnung. E s ist eine Überformung und Überbauung im geschichteten Wesen des Menschen. Zu dieser Lehre können wir zugleich J a und Nein sagen. Das J a bezieht sich auf die Realität u n d die objektive Idealität des Raumes, das Nein jedoch auf den R a u m als Raumanschauung (nicht zu verwechseln mit dem Anschauungsraum), und auf alles was daraus wird bis in die Ideation usw. hinein. Ferner bezieht es sich auf den Charakter des Raumes als verstehende Inhaltlichkeit. I n all diesem schlägt der R a u m genau so wie die Zeit durch alle Schichten durch, begleitet sie in das Psychische, in den personalen und den objektiven Geist hinein, nicht bloß als ein Überbautes, wie es z. B. das Geographische in soziologischen Verhältnissen ist, sondern als dasselbe konstitutive Seinselement, wie es die Zeit in dieser ihrer höheren Funktion ist. I n diesen oberen Schichten verändert der R a u m seinen Charakter, wie es auch die Zeit t u t . N u r ist
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es am Raum offensichtlicher. Er verliert seine Ausgedehntheit, sofern er zur verstehenden Inhaltlichkeit der Raumanschauung wird. Es kann aber hier nicht gesagt werden: die Anschauung des Raumes ist nicht identisch mit dem Raum. Das gilt vom Anschauungsraum, aber nicht von der Raumanschauung. Diese ist der Raum selbst genau so gut, wie der Raum die Ausdehnung ist. Das Mittelglied zwischen beiden ist dann auch die ideale Objektivität des Raumes, die für beides Zeugnis ablegt. Aber sowohl bei der Ausdehnung und dem damit Zusammenhängenden als auch bei der verstehenden Inhaltlichkeit und dem mit ihr Verbundenen handelt es sich, streng genommen, nicht um den bedingenden Raum, sondern um die von ihm bedingte Räumlichkeit. Der bedingende Raum ist weder ausgedehnt noch seins-konstituierende Anschauung. Im Zusammenhang gewisser pleromatischer Motive können jedoch beide als Umschreibungsmittel für den bedingenden Raum im Sinne gradhafter und gradunterschiedener Annäherung verwandt werden, und das kann nur im einzelnen aufgewiesen werden. Auf jeden Fall schlägt die Räumlichkeit genau so weit durch wie die Zeitlichkeit, wenn sich dabei auch eine viel größere Strukturänderung begibt. Das hat Hartmann nicht erkannt. Deshalb bleibt sein Sein des Psychischen und des Geistigen abstraktistisch. Er verfällt hier dem Chorismus, den er sonst so klar ablehnt, und seine Haltung erinnert an den überbetonten Rationalismus. So erklärt es sich auch, daß die räumlichen Bilder unsere ganze Sprache und all unser Denken durchziehen, bis in die höchste Ideation hinein. Indem wir das Räumliche für alle unsere Ausdruckshandlungen verwenden, schöpfen wir aus dem Eigenen, offenbaren wir ein Stück unserer Heimat. Hier sind wir zu Hause. Obwohl der Raum das Bedingende für das real Seiende (im Sinne der Erscheinung) ist, besitzt er eine ungeheuere Idealisierungskraft. Das ist seine ideale Objektivität, seine Idealität, die eine Vermittlung zwischen seiner Realität und seiner Geltung, Sinn, Bedeutung und Bewertung schaffenden verstehenden Inhaltlichkeit ist. Die Idealität des Raumes lockert die Dinge im Innersten ihres Wesens auf. Der Raum ist also hinsichtlich seiner Realität und Idealität der äußere Sinn im Sinne Kants. Aber hinsichtlich seines Inhaltlichkeitscharakters gehört er genau so zum inneren Sinn wie die Zeit. In diesem Sinne muß also die Kantsche Unterscheidung berichtigt und ergänzt werden. Der Terminus „Sinn" verführt ohnehin leicht zu psychologistischen Mißverständnissen. Der innere Sinn ist dann auch die Verschmelzungsstätte für Raum und Zeit. Hier werden beide zur Raumzeitlichkeit, wie wir noch sehen werden. Übrigens ist der Raum als ideale Objektivität schon nicht mehr ganz so der äußere Sinn wie als reale Objektivität. Er kann ersteres nur vom inneren Sinn her sein. Seine ideale Objektivität ist bereits aufgelockerte Äußerlichkeit. Die Seinsweise der Idealität ist identisch mit der objektbedingenden Subjektivität. Keine Idealität ohne Ideation. Selbst da, wo ideales Objekt mit voll6 Samuel, Ontologie
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ständiger Realitätshärte ist, spielt die Ideation eine Rolle, sofern sie selbst ein Sein und seinskonstituierend ist. F ü r die Ideation als psychologisches und gnoseologisches Phänomen gilt dann aber auch das Umgekehrte: K e i n e Ideation ohne Idealität. Bricht aber die Räumlichkeit nicht an der oberen Grenze des Biologischen ab, sondern geht sie mit hinein in das Psychische und Geistige, dann gilt dies erst recht vom bedingenden R a u m selbst. J a er transzendiert sogar das Gesamtich, den Menschen, das Subjekt, die Persönlichkeit nach der anderen Seite hin, nach der Seite der Ichbasis, da er Moment im Meontisch-Meontologischen ist, das in seiner unbeschreiblichen Fülle und Überfülle das Ich umschließt, einschließt, übersteigert, gründet und setzt, und zwar alle Ichwesen zumal in ihrer soziologischen Verbundenheit. Hier ist jedoch zu beachten, daß die Zugehörigkeit des Ich zum meontisch-meontologischen bedingenden Geist weder durch Autonomie noch durch Heteronomie darstellbar ist. Hier haben wir die wahre Urheimat für den bedingenden R a u m , der mit der bedingenden Zeit Moment im Meontisch-Meontologischen ist (und nicht nur diese beiden allein). D a s ist die Akttranszendenz des bedingenden R a u m e s ; denn obgleich das Ich kein A k t ist, sondern ein seiendes Wesen, baut es sich dennoch in A k t e n auf, und sie alle transzendiert der R a u m . Unter gewissen Bedingungen wird das Meontisch-Meontologische selbst zum bedingenden R a u m . Hierin wurzelt das Geheimnis seiner Reinheit und seiner Fülle. Ist irgend etwas da, so ist er vorher immer schon da gewesen. Man k a n n ihm nicht zuvor kommen. Begriff k o m m t von Greifen, abstrakt heißt „abgezogen". Gerade das was als das Bildloseste gemeint ist, ist sprachlich mit Raumbildern durchsetzt. So wird ja auch der R a u m durch die Zeit gemessen, z. B . durch Geschwindigkeitsunterschiede in derselben Zeit, wie auch umgekehrt die Zeit durch den R a u m mit Hilfe des Zifferblattes einer Uhr. I n der Bewegung vereinigen sich R a u m und Zeit. A u s ihr kann herausgehoben werden, was den R a u m oder was die Zeit mißt. Beide Heraushebungen sind heterogen entsprechend dem Unterschied von R a u m und Zeit. A b e r beide sind vereinigt in der Bewegung. Phänomenologisch ist es allerdings von der größten Bedeutung, daß die Dinge des äußeren Sinnes, das Seiende im R a u m , nur an der Ausdehnung und an der Idealität teil haben, nicht aber an der verstehenden Inhaltlichkeit. Hierauf beruht die Grenzscheide zwischen dem Mechanischen und Organischen auf der einen Seite und dem Psychischen und Geistigen auf der anderen Seite. E s ist aber nicht eine Grenze der Räumlichkeit selbst, sondern eine Grenze innerhalb derselben. A n dieser Grenze bricht die Räumlichkeit nicht ab. Aber an ihr fängt etwas Neues an, das zuerst als das Psychologische erscheint. W a s für die Zeitauffassung die schlechte Vorstellung des „ F l u s s e s " ist, das ist für den R a u m die des „ B e h ä l t e r s " , des receptaculum. N a i v wird der R a u m als ein Behälter für die Dinge angesehen. Die schädliche
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Verwandlung macht sich bemerkbar. Sie ist die Quelle einer formhaften Perversion des gewöhnlichen Verstandes, die auch ihre ethischen Folgen hat. Sogar Newtons Vorstellung vom spatium absolutum ist noch von der Behälter-Vorstellung beeinflußt. Jedoch kein ruhendes oder sich bewegendes Seiendes im Raum hat ein Verhältnis zum Raum selbst, sondern Ruhe und Bewegung sind nur etwas im Verhältnis zu anderem Seienden im Raum. Auch das deutet auf das Geheimnis des bedingenden Raumes hin, der sich jeder Verdinglichung entzieht, gerade weil er Bedingendes ist. In der Beziehung eines sich Bewegenden auf den absoluten Raum ist der Raum aus dem All-Bedingenden herausgelöst und eben hypostasiert worden. Darin liegt der Fehler. Wird er abgestellt, dann ereignet sich dabei allerdings eine Revolutionierung des Phänomens der Bewegung selbst. Aber bei all dem treibt die Behälter-Vorstellung ihren Spuk. Sie tritt nicht nur in roher und barbarischer Vorstellung auf, sondern oft in sehr verfeinerter Weise, so daß sie kaum wieder zu erkennen ist. Wir wissen, daß der Mann, der auf einem Schiff spazieren geht*), eine höchst komplizierte Kurve beschreibt, wenn wir seine Bewegung auf den Kosmos mit all seinen Mittelgliedern bis hin zu den Sternhaufen beziehen. Das ist aber dasselbe Phänomen wie eine gewöhnliche Bewegung mit ganz einfachem Beziehungspunkt. In bezug auf einen absoluten Raum wird dadurch gar nichts ausgemacht. Dasselbe gilt von der Orientierung im Raum, vom Oben und Unten, Rechts und Links, Vorn und Hinten. Kant schrieb darüber einen kleinen Aufsatz: „Was heißt es, sich im Raum zu orientieren." Es ist ein interessantes empirischpsychologisches Problem. Meontologisch haben wir aber daran festzuhalten, daß es keine Orientierung in bezug auf den Raum gibt, sondern nur auf Seiendes im Raum. Die Wahl eines Koordinatensystems ist dabei immer mit einer gewissen Willkür und pragmatischen Konvention verbunden. In unserem Fall ist der natürliche, relativ absolute Nullpunkt durch unseren Leib dargestellt. Wo wir unser Herz schlagen fühlen, in welcher Stellung wir immer seien, da ist für uns das Links. Ist einmal die Wahl getroffen, so sind wir im übrigen gebunden. Die Gravitation, unsere aufrechte Haltung, lehren uns das Oben und Unten, das bei unseren Antipoden eine Umkehrung erfährt. Unsere Gesichtsseite ist vorn, unsere Rückenseite hinten. Das alles sind rein empirische, zufällige und relative Bestimmungen. Aber es ist etwas Apriorisches darin, und das ist die Dreidimensionalität des Raumes, das Senkrechtstehen aller möglichen Dreiheiten von Richtungen, und das ist das Gemeinsame in allen Relativismen der Orientierung. Das letzte Wort weist ja auch darauf hin, daß neben unserem Leib auch das Sichrichten nach dem Aufgang der Sonne eine Rolle beim Orientieren spielt. Das eigentliche Rätsel bleibt dabei versteckt. Der bedingende Raum hat kein Oben und Unten, kein Rechts und Links, kein Vorn und Hinten, und doch ist *) Hartmann bringt dieses Beispiel. 6*
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die Orientierung von ihm her, und im Bedingungsganzen des MeontischMeontologischen gibt es ein Entsprechendes, von dem die Orientierung her ist, das aber etwas ganz Anderes ist, indem es ihre Sinnerfüllung ist. Die empirische Raumorientierung spricht von einer höheren absoluten „Orientierung", von unserem Sein im Meontisch-Meontologischen, unserer Beziehung zu ihm und dem Wissen darum. Diese Absolutheit schwingt mit in der empirischen Orientierung und macht sie so rätselhaft. Wir fühlen, daß sie der relative Vertreter eines Absoluten ist. Der Übergang vom einen zum anderen umschließt aber die gewaltigste Kopernikanische Revolution, die es gibt, von der auch das astronomische Urbild nur ein Abbild ist. Das ist der Abschied vom Egozentrischen in der Raumorientierung, der nur möglich ist, weil der bedingende Raum Moment im Meontisch-Meontologischen ist. Es ist Aufgabe der Meontologie, den Symbolismus von Oben und Unten, Rechts und Links, Vorn und Hinten zu Ende zu denken und ausfindig zu machen, wie w e i t dieser Symbolismus geht, nämlich bis an die Grenze der Phänomenalität selbst. Diese Lage wird nicht verändert durch die wissenschaftliche Auswertung der Orientierung. Descartes tat der Mathematik durch die Entdeckung der analytischen Geometrie einen großen Dienst. Der wissenschaftliche Fortschritt bestand aber nur in der Erschließung von mathematischen Beziehungen zwischen geometrischen und algebraischen Gebilden. Ein Nullpunkt wird mit willkürlicher Zweckmäßigkeit aus einer unendlichen Zahl von Möglichkeiten und Freiheiten ausgewählt. I n ihm wird mit etwas weniger Freiheit und Willkür ein zwei- oder dreidimensionales Koordinatensystem errichtet, im einfachsten und natürlichsten Fall ein rechtwinkliges. Dann ist alles bestimmt. Jeder Punkt des so beherrschten Raumes kann durch zwei oder drei Zahlen dargestellt werden, die in die Formeln der Punktmannigfaltigkeiten von Kurven oder anderen geometrischen Gebilden eingehen. Von hier aus gelingt die Deutung der Gebilde mit ihren charakteristischen Eigenschaften und Wendepunkten durch die Eigenschaften und Wendepunkte der Formeln, und die Umkehrung dieser Methode ist ebenso fruchtbar und führt zu ganz neuen Problemen. Hierdurch rückte die Bewältigung von Problemen, die ohne diesen Parallelismus fast unlösbar waren, auf eine neue Ebene des elementaren Anfangens, und sie türmte sich dann auf zu ungeahnten Höhen der Komplexität lösbar gewordener Probleme. Es war ein direktes Vorspiel zur Infinitesimalrechnung, wie sie durch Newton und Leibniz entdeckt wurde. Weitere erstaunliche Fortschritte wurden erzielt, als auch die Zeit in diesen koordinativen Parallelismus einbezogen wurde, unter Verwendung des Maßes = ^ ]/ — 1, ein erstaunliches Symbol, das durch diese Beziehung auf die Zeit als vierte Dimension von der Sinnlosigkeit zur Sinnhaftigkeit erhoben wurde, als ob das, was ohne die Zeit absoluter Unsinn wäre, durch die Zeit die Sinngebung erführe, die mehr Sinn, Geltung, Bedeutung und Wert in die Welt bringt als der Nicht-Unsinn. Diese wissenschaftlich-
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exakte Orientierung hat sich allerdings weit entfernt von dem primitiven instinktiven Wissen um Oben und Unten, Rechts und Links, Vorn und Hinten und (wie wir nun hinzufügen müssen) Früher und Später. Das eigentlich metaphysische Problem ist dabei gar nicht berührt worden und bleibt unverändert bestehen. Aber das ist zu sagen, daß diese wissenschaftliche Methodik die Annäherung daran innerhalb der Erscheinung fortsetzt. Schon bei den einfachsten Fällen, wenn geometrische Gebilde von algebraischen Formeln aus behandelt und beherrscht werden, erlangt die Zeit ein determinierendes Übergewicht über den Raum, da die Zeit für die Zahlen dasselbe tut, was der Raum für die geometrischen Gebilde. Die Überlegenheit der Zeit wird also hier für die Geometrie selbst nutzbar gemacht. Wenn bei der umgekehrten Methode algebraische Formeln in bezug auf mögliche geometrische Gebilde diskutiert werden, zeigt sich dasselbe in verstärkter Weise darin, daß die Existenzmöglichkeit oder Existenzunmöglichkeit von geometrischen Gebilden durch diese algebraische Diskussion ans Licht gezogen wird. Hierin zeigt sich das determinative Überwiegen sehr deutlich. Alles was im Raum ist, kann in Algebra verwandelt werden, aber nicht jeder algebraischen Möglichkeit entspricht etwas Existentielles im Raum. Das Möglichkeitsreich der Zeit ist umfassender als das des Raumes, und das deutet darauf hin, daß die Zeit selbst umfassender ist als der Raum. Ja, paradox kann sogar der Raum als ein Grenz- und Spezialfall der Zeit angesehen werden. Wir kommen noch darauf zurück. In der Zeit liegt eine Reformations- und Revolutionskraft verborgen, die dem Raum mangelt. Diese ganze Dialektik der analytischen Geometrie und der Infinitesimalrechnung drängt, von der Orientierung durch den gewöhnlichen Verstand ausgehend, zu dem hin, was wir die „Orientierung" im MeontischMeontologischen nannten. Es kann nicht die Aufgabe der mathematischen Naturwissenschaft sein, für diese selbst einen umschreibenden Ausdruck zu finden, aber sie bietet der Meontologie ein reiches Material dar, das sie verwenden kann. Denn dieses Material enthält schon von selbst phänomenale Annäherungen an den Erfüllungssinn der Orientierung. J e pleromatischer die höhere Mathematik wird, desto mehr steht sie in dieser Approximation. Die begriffliche Erfassung des ganzen Reichtums und der ganzen Fülle des Meontisch-Meontologischen in seiner konkreten Artikulation vollbringt die Befriedigung des metaphysischen Grundmotivs in der Orientierung durch den gewöhnlichen Verstand und durch seine erstaunliche Fortsetzung, Erweiterung und Überhöhung in der mathematischen Naturwissenschaft. Das Absolute in einem Koordinatensystem ist das Relative, nämlich der Bezug auf die Punktmannigfaltigkeit. Das Relative in ihm ist das Absolute, nämlich die Wahl des Nullpunktes. Es gibt eine Erzeugung der Raumanschauung (nicht des Anschauungsraumes) in der produktiven Einbildungskraft. Ein Raumpunkt hat Nulldimensionalität. Bewegt er sich, dann erzeugt er die eindimensionale
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Linie. Bewegt diese sich, dann bringt sie die zweidimensionale Ebene hervor, und die Bewegung dieser umschreibt den dreidimensionalen Raum. Aber setzen wir das so erlangte Gebilde in Bewegung, dann erzeugt es keine vierte Raumdimension mehr (obgleich dabei die Zeit mehr auffällt als vorher). Die Dimensionalität des Raumes ist erschöpft, er hat nur drei Dimensionen, die mit dem Dualismus der Umkehrbarkeit der Richtungen verbunden sind (im Gegensatz zur Unumkehrbarkeit der Zeit). Jedoch gilt das alles nur, insofern der Raum von der Zeit isoliert betrachtet werden kann. Wenn ich einen Punkt wähle, um durch ihn eine Linie zu ziehen, habe ich unendlich viele Möglichkeiten. Das ist eine Unendlichkeit höherer Ordnung. Will ich dann in den Punkt eine Senkrechte errichten, dann habe ich noch unendlich viele Möglichkeiten, aber von einer niedrigeren Mächtigkeitsordnung. Sie wird durch die Ebene dargestellt, die senkrecht durch diesen Punkt geht. Will ich dann im Kreuzungspunkt die dritte Senkrechte errichten, dann sind alle Möglichkeiten verschwunden. Ich kann nur e i n e Linie ziehen, die die Bedingung erfüllt. Ich bin viel mehr gezwungen als vorher. Meine Freiheit hat ein Ende, und das kommt überein mit dem Sinn des Satzes, daß der Raum nur drei Dimensionen hat. Der so geübte Zwang ist die Härte der Realität, die selbst der idealen Objektivität und allem echt Erscheinlichen zukommt. Das findet eine Fortsetzung, wenn wir den Raum nicht mehr isoliert betrachten werden. Sorgfältig muß ich mich vor einer Vermischung zwischen Bedingendem und Bedingtem hüten, ebenso sorgfältig muß ich mich vor der Vergeßlichkeit in bezug auf das Pleromatische bewahren. Dann werde ich allmählich den Sinn der großen Umstellung einsehen, in der wir fortwährend begriffen sind. Man hat versucht, die Dreidimensionalität des Raumes abzuleiten, z. B . Natorp hat das getan. Es konnte nicht gelingen. Auch Paul Natorp, der geistvolle Neukantianer, setzt dabei voraus, was er beweisen will, und beweisend macht er davon Gebrauch. Mit der Dreidimensionalität kann man Geometrisches beweisen, aber sie selbst ist mathematisch unbeweisbar, sie ist nur aufzeigbar, demonstrierbar. Sie steht im Vorab alles mathematischen Beweisens und insofern dem bedingenden Raum näher als das Beweisbare. Wie die Algebra in die Geometrie eindringt, so auch die Geometrie in die Algebra. Das ereignet sich überall, wo sich bei algebraischen Gebilden mit einer gewissen Notwendigkeit geometrische Bilder und Interpretationen aufdrängen. Das Verhältnis zwischen Raum und Zeit ist wechselseitig, wenn auch wechselseitg verschieden, quantitativ und qualitativ. So wird das inkommensurable Zahlenverhältnis durch das Verhältnis von Seite und Diagonale eines Quadrats dargestellt, und dabei ist es, als ob das Zahlenreich selbst zweidimensional würde, während es doch zuerst, wie die Zeit, nur eindimensional ist. Die Algebra fängt mit dem Rationalistischen, Diskursiven, Diskreten an. Dann entdeckt sie auf i h r e Weise und in i h r e r Ausdruckssprache immer mehr das
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Unendliche, Irrationalistische, Intuitive und Kontinuierliche. Das geht hindurch durch die Erfindung der Null, der positiven und negativen Zahlen, der Brüche und der Irrationalzahlen. Eine zweite Dimension scheint im Zahlenreich selbst zu entspringen. Die Algebra offenbart etwas Geometrie-artiges als ihr Ureigenes. Das endet mit dem erstaunlichen Symbol i = ^ j/ —-1, das wir schon erwähnt haben, bei dem das Zahlenreich sogar vierdimensional zu werden scheint. Und dieses ist auf die Zeit bezogen, die der erste Grund dafür war, daß das Zahlenreich doch nur eindimensional-linear, wie sie, zu sein schien. Ein Kreis schließt sich. Das Seltsame dabei ist, daß er etwas ganz Unsinniges in Sinnhaftigkeit hinein zu nehmen scheint. Eine absolute Leerheit des Sinnes, die noch nicht einmal ein Widerspruch ist, wird mit neuem Sinn erfüllt. Diesem Sinnleeren eignete eine Prädisponiertheit für einen neuen Sinn, die nun zutage kommt. Das ist mehr als die Sache einer bloß konventionellen Anwendung, die auf einem glücklichen Zufall beruht. Von der Härte der Realität selbst kommt etwas zutage, was ganz abseits des Geregelten, Erwarteten und Grobrealen liegt. Die Härte der Realität offenbart eine unerwartete Feinheit. Das Geometrie-artige, Raum-artige dringt in die Algebra und in die Zeit selbst ein, denn die Zeit hat etwas Raum-artiges an sich und der Raum etwas Zeit-artiges. Aber ihre Gegensätze sind stärker als ihre Ähnlichkeiten. Das schafft eine Unruhe und Bewegung, in der die Zeit schließlich den Sieg davonträgt und sich den Raum unterjocht. Aber das ist noch nicht das Ende. Deshalb bricht auch beim Raum die Grundlagenkrisis eher und leichter aus als bei der Zeit. Bei ihm knüpft sie an das Parallelen-Axiom an, bei der Zeit an der Zeitmessung durch die Lichtgeschwindigkeit. Beide haben Geister zitiert, die sie nicht mehr los werden können. Sind sie durch diese Krisen hindurch gegangen, dann ist aus ihnen etwas ganz anderes geworden. Die Situation des Raumproblems entfaltet sich nun in einem hoch bedeutsamen Phänomen, nämlich dem Zusammenhang von Raum und Sein. Wir sahen in der Grundlegung, daß das Sein dem Seienden gegenüber, dessen Sein es ist, wie ein konkretes Nichts wird, Grund, Abgrund, Urgrund, Ungrund im Sinne Jakob Boehmes. Das reine Sein offenbart seine Wahrheit in seiner eigenen totalen Anderheit. Wir hätten nun auch das konkrete Nichts geradezu das b e d i n g e n d e S e i n nennen können, so wie wir vom bedingenden Raum und von der bedingenden Zeit sprechen. Wir können also die Formel aufstellen: Konkretes Nichts = bedingendes Sein. Nun kommt das Sein nicht nur dem Raum zu, sondern auch der Zeit, dem Werden und allem Seienden überhaupt. Das hindert aber nicht, daß Raum und Sein in einem Sonderverhältnis der Ähnlichkeit stehen. Der Raum ist sozusagen der Liebling des Seins, wie es in erster, primitiver Erfassung auftritt. Nichts kann im anfangenden und staunenden philosophischen Denken das Sein so gut vertreten wie der Raum. Die Fragwürdigkeiten dieser Vertreterschaft enthüllen sich natürlich in der fort-
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gellenden Reflexion, aber zunächst haben wir dem primitiven Zeugnis das Wort zu geben und das Ohr zu leihen. Das Sein des Parmenides ist trotz seiner Identität mit dem Denken ganz und gar raumähnlich. Er spricht von der Seinskugel. Raum und Sein haben statisches Gepräge im Gegensatz zu Zeit und Werden. Sie bilden die Unveränderlichkeit des Unendlichen ab. Natürlich ist die Verwechslung von Sein und Raum schädliche Verwandlung. Sie beruht aber auf einer vorhergehenden, nämlich der Verwechslung von bedingtem Sein mit dem bedingenden Sein oder dem konkreten Nichts, wodurch die Hypostasen der Metaphysik des Seienden zustande kommen. Von dem bedingten Sein wissen wir durch das bedingende Sein, und jenes ist durch dieses phänomenal. In der sich fortsetzenden Verwechslung mit dem Raum vergröbert sich dieser Fehler. So wie das Meontisch-Meontologische unter gewissen Bedingungen die bedingende Zeit selbst ist, sich gewissermaßen mit ihr identifizierend, so gilt dasselbe auch von dem bedingenden Sein und dem bedingenden Raum. Das ist der Sinn der reinen „Hinzufügung" von Zeit, Sein und Raum. Dadurch offenbart sich ein Variationsgesetz ewiger Neuheit. Gerade die totale Anderheit des reinen Seins ermöglicht es dem Raum, daß in der Erfüllung Gebilde erscheinen können, die neben dem Sein mit ihm ein neues Totum von ungeahnt Anderem ausmachen. Bei der Zeit haben wir das schon gesehen, und ihr kommt ja auch das Sein zu. Aber es gilt auch vom Räume. Die neuen Nicht-Euklidischen Räume sind ein schwaches Vorspiel und Schattenbild dieser neuen Möglichkeiten, die sich uns in dem Maße erschließen, als wir unseren Substanzverlust überwinden und als unsere ganze Organisation sich der Zukunftswelt mehr und mehr anpaßt. So waltet das Urgesetz der ewigen Neuheit auch über dem Räume und dem, was ihm zur Seite tritt, noch bevor es für das im Raum Seiende gilt. Dieses tritt dann in umso kräftigere Querverbindung mit dem ewig Neuen. Diese auftauchende Perichoresis werden wir bei der Raumzeitlichkeit noch näher kennen lernen. Der Raum ist der bevorzugte Modus der Gegenwärtigkeit. Bei der Raumzeitlichkeit wird er Glied der ZeitPerichoresis, ja er ist die Perichoresis selbst als Form aller Formen, deren Form die Zeit ist. Das bedingende Sein dagegen geht noch viel weiter, in das Zentrum der Materialbedingung hinein. Dann hat das reine Sein auch seine letzten hypostatischen, raumähnlichen, statischen Züge abgestreift, es ist des konkreten Nichts mit seiner pleromatischen Tendenz würdig geworden und vermag dann wirklich das Rätsel des Seienden zu enthüllen. In dieser Überschau wird der Raum species eines neuen genus. Dasselbe könnte auch vom Sein gesagt werden, wenn die Begriffe Art und Gattung hier nicht zu kurz kämen. Die ganze Größe des Seins und des Seinsgedankens können wir erst am Ende unserer Untersuchung erkennen. Nichts verlangt so sehr die freie Beweglichkeit des Denkens wie diese Aufgabe. Im Meontisch-Meontologischen tritt Zeitähnliches und Zeitanderes neben Zeit, Raumähnliches und Raumanderes neben Raum,
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Seinsähnliches und Seinsanderes neben Sein. Wenn wir diese Gesamtheit „Sein" nennen wollen, dann gilt die Formel: Meontisch-Meontologisches = Sein. Aber wir sollten ein anderes Wort haben. Es ist schon da: das Meontisch-Meontologische. Aber selbst das ist nur ein vorläufiger Ausdruck. Durch unsere Fehler gehen uns die Reichtümer der Seinsandersartigkeiten, der Zeitandersartigkeiten, der Raumesandersartigkeiten verloren. Wir erkennen sie vorerst nur formal, als Vorspiel für einen Besitz, auf den wir angelegt sind. Selbst unsere Torheiten müssen dazu dienen, uns für ihn zuzubereiten. Das eigentlich Immanierende ist das Variationsgesetz. Es schafft die transzendent bleibende Immanenz, die sich perichoretisch darin konkretisiert, daß sie den Raum zum Anfangsglied einer ewigen Gegenwart, Realpräsenz und eines ewigen Augenblicks macht. Das arbeitet an der Überwindung unserer Loslösung und Selbstzentrierung, mit der wir das Meontisch-Meontologische gewissermaßen zunichte machen und ertöten. Aber auch das tote Meontisch-Meontologische bleibt das Meontisch-Meontologische. Tot seiend, ist es dennoch ganz tot und ganz lebendig zugleich. Der Tod ist vor ihm wie Leben und das Leben wie Tod. Ist nicht das, was wir Leben nennen, immer schon halber Tod ? Und wer kann ergründen, was z. B . die tote Materie im letzten Grunde ist ? Sicherlich nicht das, was wir Leben nennen. Der Hylozoismus liegt nicht im Gesichtskreis der Meontologie. Aber auch nicht das, was wir Tod nennen. J a , Tod ist wie Leben und Leben wie Tod im MeontischMeontologischen. Gerade darin liegen die stärksten Befreiungskräfte für unseren Kampf um Reinheit und Fülle. Die intellektuelle Reinigung, die meontologisch vom bedingenden Sein, vom bedingenden Raum, von der bedingenden Zeit ausgeht, trägt dazu bei, unsere Urverbundenheit mit dem Meontisch-Meontologischen zutage zu bringen. Es ist nur ein Anfang. Aber das weitere würde ohne ihn der gediegenen und gründlichen Fundamentierung entbehren und alsbald zusammenbrechen, wie ein Haus, das auf Sand gebaut ist. Wir haben hier den Anfang eines neuen Geisteslebens, das wert ist, gelebt zu werden. Aus der totalen Anderheit des Seins wird das Sein hinzugefügt, aus der totalen Anderheit der Zeit die Zeit, aus der totalen Anderheit des Raumes der Raum. Das ist das Walten der Matrix. Die Aufgehobenheit geht der Gesetztheit voraus. Das ist eine Erscheinungssetzung, die dem Ziel der ewigen Selbstbereicherung dient. Weil das so ist, deshalb hat der Raum dieses apriorische, bedingende, synthetische Gepräge, deshalb können wir uns mit einem KantschenVorstellungsexperiment zwar alle Dinge aus dem Raum hinweg gedacht vorstellen, aber nicht den Raum selbst. Der Übergang vom Bedingenden zum Bedingten geht durch die totale Anderheit hindurch. Die Phänomenalisierung hat eine doppelte Wurzel: eine pleromatische, aufbauende und eine Nichtigkeit schaffende, abbauende. Wir haben bisher nur die Extensitätsförmigkeit von Raum und Zeit betrachtet. Beide besitzen auch eine Intensitätsförmigkeit. Aber, obschon
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sie zur Theorie von Raum und Zeit gehört, können wir ihre Besprechung hier noch nicht einführen. Wir werden das aber nachholen, wenn wir auf die Empfindung, das Intensive und das Potentielle zu sprechen kommen. Wir wollen hier nur eine erste Defintion geben. Unter der Intensitätsförmigkeit des Raumes und der Zeit, sowie auch der Raumzeitlichkeit verstehen wir ihre Fähigkeit, das Intensive und Potentielle in sich aufzunehmen. Es ist ein Grenzphänomen der Form, das das Inhaltliche berührt. Es steht im innigsten Zusammenhang mit der Theorie der Empfindung. Von da reichen auch Fäden herüber zur Psychologie des Anschauungsraumes, die den Übergang ins rein Empirische machen. Hierher gehören Dinge wie der Tast-, der Seh- und der Bewegungsraum, der Empfindungs-, Wahrnehmungs-, Anschauungs-, Vorstellungs- und Phantasieraum. Der letztere gewinnt in der Ästhetik eine besondere Bedeutung. Ferner gehört hierher die Psychologie der Perspektive und des Horizonts, mit seinen ins Unbestimmte verschwimmenden Grenzen, wie Hartmann sagt. Die Psychologie des Sehraums behandelt auch die Phänomene des Tiefensehens und der Zwei-Augen-Parallaxe usw. Alle diese Dinge sind Anliegen der empirischen Psychologie, sie gehören nicht zu den nächsten Aufgaben der Meontologie, wohl aber zu den ferneren Anliegen einer angewandten Meontologie. Dann werden sich auch in der Behandlung dieser psychologischen Materien neue Aufschlüsse ergeben. Wir haben aber hier die Hauptsache im Auge zu behalten und das ist, was zur Grundlegung der Meontologie gehört. Der Raum ist weder Substanz noch Akzidenz, noch Essenz oder Universalium*). Als ideale Objektivität hat er einen Anflug von all diesem. Er spielt seine Rolle bei der Bildung dieser Kategorien, aber er ist nicht mit ihnen identisch. Der Raum ist auch nicht Relation. Das trifft nicht sein Wesen, obgleich er nachträglich so aufgefaßt werden kann und obgleich er ganze Klassen von Relationen erst möglich macht. Sobald der Raum ins Denken eintritt, ergibt sich eine Arbeitsgemeinschaft von Raum und Zeit. Es ist kein Zufall, daß die logische Statik von Begriffen, Urteilen und Schlüssen hinsichtlich des Umfänglichen durch Kreise dargestellt werden kann. Euler erfand hier nichts, sondern entdeckte etwas. Die symbolische Logik ist zur natürlichen Erweiterung dieser Technik gelangt. So kommt es zu einer Art Mathematik des Denkens, die ihre Geometrie des Denkens hat und ihre Algebra des Denkens. Dabei ergibt sich die Arbeitsgemeinschaft von Raum und Zeit. Zum Statischen fügt sich das Dynamische hinzu. Das schafft Vermittlungen zwischen der Logik und der Psychologie des Denkens. So wird wiederum eine Einheit von Ideation und Schau zuwege gebracht, die das Unendliche berührt. Mit dieser Instrumentalität wird die Unendlichkeitsstruktur des Raumes erfaßt. Sie hat die folgenden Momente: Der Raum ist stetig, kontinuierlich, unermeßlich, im Großen und *) Darin zeigt sich seine Verwandtsohaft mit dem Sein.
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im Kleinen, im Fortgang und in der Teilung. Jede endliche Linie kann immer weiter geteilt werden. Sie besitzt nicht Geteiltheit, wohl aber Teilbarkeit. Die Modalkategorie der Möglichkeit entfaltet dabei die ihr eigene Punktion. Es handelt sich um eine Synthesis von Idealmöglichkeit und Realmöglichkeit, so wie auch der Raum selbst Idealität und Realität zugleich besitzt. Der mathematische Punkt mit seiner Dimensionalität kann vom Endlichen her nur durch einen S p r u n g unter Ausfall eines Synthetischen erreicht werden. Bei diesem Übergang verbinden sich Kontinuität und Diskontinuität, Stetigkeit und Plötzlichkeit, Währendes und Momentanes miteinander, und das ist bereits der Keim des Zusammen von Ideation und Schau, wobei jene sich zum diskursiven Raumdenken entwickelt, das es mit dem Diskontinuierlichen und Plötzlichen zu tun hat. Die ideale Objektivität des Raumes, wie sie in der Nulldimensionalität des Punktes, der Eindimensionalität der Linie und der Zweidimensionalität der Ebene erscheint, ist ohne alle dialektische Wendung zugleich realobjektives Konstituent des dreidimensionalen Gebildes. Es ist seinskonstituierend in es eingebettet, so wie es selbst außerdem noch seine eigene ideale Objektivität neben und mit seiner realen Objektivität besitzt. Das Seinskonstituieren kommt im Bedingen des Idealobjektiven zum Ausdruck, das ein nächster Vertreter des bedingenden Raumes selbst ist. Darin vollzieht sich der Übergang von einer Unselbständigkeit des Idealobjektiven zu einer neuen Selbständigkeit, die aber das seiende Erscheinende nicht ohne weiteres zu einer neuen Unselbständigkeit verdammt. Diese Struktur ist sehr komplex, und wir sind erst auf dem Wege zu ihrer Analyse. Die Linie kann deshalb nie durch eine Aufsummierung von Punkten erreicht werden. Sie ist kein Additionsproblem, sondern ein Integralproblem, und das ist etwas ganz Anderes. Die Unendlichkeit spielt da hinein. Mit dem Addieren, dem Aufsummieren verbindet sich die totale Anderheit eines Rücksprungs, der plötzlich und momentan, gewaltsam und diskontinuierlich ist, der diskursives Denken neben der Kontinuitätsschau hervorruft, in das ausgefallene Synthetische hinein. Fallengelassenes wird wieder aufgenommen, Verlorengegangenes wird wieder gefunden. Diese Momente liegen in der B e w e g u n g des Punktes, sofern er die Linie erzeugt. Besonders ist der Übergang von der Ruhe zu dem A n f a n g e n der Bewegung dieses große Wunder. Der Anfang ist das Anspringen der Bewegung. Die unendliche Teilbarkeit der Linie ist eine Entsprechung der total heterogenen Elemente, die in dieser Genesis vereinigt sind. Die produktive Einbildungskraft wohnt im Niemandsland, in der Grenzregion, in der Allberührung, im Zwischensein dieser heterogenen Momente. So ist die Bewegung von Hegel ganz richtig ein seiender Widerspruch genannt worden, und gerade so deutet sie auf das Erfüllende, das Meontisch-Meontologische hin, in dem die Unendlichkeit des Raumes in einen größeren Zusammenhang eintritt. Die Bewegung kann zugleich auch als eine existentielle Unmöglichkeit charakterisiert werden. Das alles ergibt sich natürlich nur, sofern auf ihre logisch-alogischen Erfassungsmomente
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reflektiert wird, aber diese sind eben seinskonstituierend für die phänomenale Linie. Das rechtfertigt den Ausspruch: die Bewegung i s t seiender Widerspruch*) und existentielle Unmöglichkeit. Sofern der Raum auch Raumanschauung ist, offenbart er seine Kontinuität, sofern er auch diskursives Raumdenken ist, kommt seine Diskontinuität zutage. Das Raumdenken ist nicht der Denkraum, so wie die Raumanschauung nicht der Anschauungsraum ist, so wie die Raumempfindung nicht der Empfindungsraum ist. Das Letztere werden wir noch kennen lernen. Der Raum ist gerade das, was nicht empfunden werden kann, und dennoch gelten die erwähnten Unterscheidungen, wie wir sehen werden. Der Denkraum oder Gedankenraum gehört zur empirischen Psychologie des Denkens, das Raumdenken dagegen gehört in die Meontologie hinein, was nicht hindert, daß dabei besondere psychologische Probleme auftauchen, die von jenen verschieden sind. Die Diskursivität umspielt die Intuivität und nähert sich ihr. Nur das Zusammen von Anschauung und Denken, von Kontinuität und Diskretheit, von Intuivität und Diskursivität ist seinskonstituierend für den phänomenalen Raum, sofern er real und ideal ist und sofern er verstehende Inhaltlichkeit ist. Dabei tritt ein weitgehender Relativismus von Form und Inhalt ein. Derselbe Raum, der in der einen Hinsicht Form ist, ist in der anderen auch wieder Inhaltlichkeit. Das geht aber nicht ins Unbestimmte weiter, sondern hat seine scharf bestimmte Grenze. Das werden wir sehen, wenn wir zur Lehre von der Materialbedingung kommen werden. Das Ansichsein der Erscheinung ist zugleich Ansichsein-für-uns und Ansichsein-ohne-uns. Wiederum spielt hier die Modalkategorie der Möglichkeit hinein. Das phänomenale Ansichsein-ohne-uns ist aber nicht mit dem absolut transzendenten Ansichseienden zu verwechseln, das den Anspruch erhebt, unphänomenal zu sein. Die seiende Erscheinung ist zugleich Phänomen und absolut transzendent Seiendes. Aber sofern sie das letztere ist, dient ihr eine Analyse, die schließlich in der Meontologie endet. Das würde nicht möglich sein, gäbe es kein transzendental Seinskonstituierendes. Innerhalb der Erscheinungswelt ist dann das Ansichsein-ohne-uns ein phänomenaler Vertreter der absoluten Transzendenz, die sich in der Meontologie als das Meontisch-Meontologische enthüllt. In dem jetzt beschriebenen Sinne hat dann auch der phänomenale Realraum dieses doppelte Ansichsein-für-uns und Ansichsein-ohne-uns. Haben die Dinge es, dann umso mehr das, was sie formal bedingt. Der bedingende Raum im engeren Sinne jedoch gehört dabei zu dem Transzendenten, das in der ganzen Erscheinungswelt überhaupt nicht aufzufinden ist und das eine meontologische Analyse und Interpretation verlangt. *) Dieser Ausdruck besagt: die in der Bewegung eingebettete Logizität kann als Widerspruch d a r g e s t e l l t werden.
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Ähnliches ergibt sich, wenn wir auf die Unendlichkeit des Raumes im Großen hinblicken. Hierbei haben wir festzuhalten, daß der Raum das neutrale Dritte zu „ungekrümmt" und „gekrümmt" ist. Hier wird die Unendlichkeit zur offenen Unendlichkeit, zum Immer-WeiterGehenkönnen. Die „Ungekrümmtheit" paßt dazu besser als die „Gekrümmtheit", aber dennoch ist sie nicht ohne weiteres mit dem neutralen Dritten identisch. Jedoch wird es gut sein, sie zunächst zugrundezulegen. Bei der Gekrümmtheit würde eine Linie, die man in den Raum hinausgezogen denkt, schließlich wieder in sich selbst zurückkehren, und das umschließt einen ganz anderen Unendlichkeitstyp als den offenen. Was wir also jetzt sagen, muß dann später noch ergänzt werden. Beim Übergang vom Endlichen zum unendlich Großen handelt es sich nicht um ein Fallenlassen und ein „Wieder-Hineinspringen", sondern um einen unterbleibenden Sprung, um ein Plötzliches, Momentanes, Diskontinuierliches, das nicht realisiert werden kann, weil es selbst schon der anderen Art von Unendlichkeit angehört, dessen Idee aber klar erfaßt zu werden vermag. Der Sprung ist hier nur in der Idee vorhanden, nicht aber in der produktiven Einbildungskraft. Aber gerade das bestimmt das Gesetz der Ideation. Sie ist der Fortgang zum Prinzipiellen, zur Totalität der Bedingungen in Reihe und Komplex, und beide Formen sind auf den Raum anwendbar. Aber dieser Fortgang bleibt eine offene Unerreichbarkeit. Bei der Integration des Endlichen aus dem unendlich Kleinen wird eine endliche Konstante hinzugefügt. Bei dieser offenen Integration ist es aber, als ob eine unendliche Konstante hinzugefügt würde. Die Schau endet hier in einer offenbleibenden Diskursivität eines Denkens, das Begriffe in Ideen umschmilzt, endliche Urteile in unendliche Urteile, Syllogismen in Hinweise auf die Totalität der Bedingungen. So ist Denken zur Ideation geworden, unter der formalen Führerschaft des bedingenden Raumes, der bedingenden Zeit und der bedingenden Raumzeitlichkeit. Diese Charakterisierung ist aber nur formal erschöpfend. Das Meontisch-Meontologische enthält noch Anderes in seinen Tiefen. So bricht innerhalb der Rationalität eine Irrationalität des Denkens selbst durch, die mit zum Wesen der Vernunft gehört, und das geschieht unabtrennbar von der Raumtheorie. Die Ideation ist die eigentliche Leidenschaft des philosophischen kontemplativen Denkens, und nichts Großes kommt auf seinem Gebiete ohne sie zustande. Es ist der philosophische Eros Piatons. Meontologisch ist die unendliche Größe und Weite des Raumes eine offenbleibende Darstellung eines seienden Widerspruchs und einer existentiellen Unmöglichkeit, und das philosophische Denken, das sich hierfür offenhält, bleibt frisch, produktiv und anpassungsfähig an das Unerwartete, Nicht-Vorherzusehende, das an den Grenzen von Schau und Idee fortwährend zum Ereignis wird. So gewinnt die Idee die Freiheit der Bildlichkeit, die vom Variationsgesetz der ewigen Neuheit her ist.
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Die astronomische Darstellung des bedingenden Raumes ist der Weltraum, ein „Behälter" für alles Erscheinungsseiende in ihm. Wenn Hegel das die s c h l e c h t e Unendlichkeit nannte, so hatte er recht und unrecht zugleich. Die andere Art, das Hegeische Insichzurückgehen des absoluten Geistes, fängt in der modernen Raumzeitlichkeit nun bereits mit dem Krümmungsradius an, ein eigenartiger Zusammenhang. Hartmann macht darauf aufmerksam, daß auch die K r ü m m u n g von der Ungekrümmtheit bedingt ist, „ i n " der sie stattfindet. Wir müssen aber mit diesem Urteil vorsichtig sein. Gekrümmter R a u m braucht durchaus nicht etwas Gekrümmtes im ungekrümmten R a u m zu sein, wie das vom Seienden im R a u m gilt. Wir haben darauf schon hingewiesen. Aber wahr ist, daß der gekrümmte R a u m nicht der bedingende Raum ist, sondern die Räumlichkeit. Dasselbe gilt aber auch vom ungekrümmten Raum, nur daß dieser ein formal besseres Bild ist, während jener das Bessere zu werden scheint, wenn gewisse Materialbedingungen hinzutreten, die wir noch kennenlernen werden. Gekrümmtheit und Ungekrümmtheit weisen beide auf das neutrale Dritte hin, das allein das Bedingende kennzeichnet. Nur dieser Ausdruck kann für das Unphänomenale reserviert werden. Das Charakteristikum: „endlich-unbegrenzt" ist in der Tat zu sehr angeglichen dem Seienden, das im Raum ist, etwa einer Kugeloberfläche. So ist der gekrümmte R a u m gerade nicht. Das Unendlichkeitsproblem, das bei ihm so gut da ist wie beim ungekrümmten Raum, ist hier zerstört. Die Mathematik kann es sich erlauben, so zu sprechen, nicht aber die Philosophie. Auf jeden Fall hat hier die Mathematik philosophisch und ontologisch unrecht. Die Linie, die in sich selbst zurückkehrt, hat eine Unendlichkeit durchlaufen, d. h. nach endlichen Maßstäben kehrt sie doch nie in sich zurück. Wenn aber die Astronomie hier trotzdem zu einer endlichen, wenn auch sehr großen Zahl von Lichtjahren kommt, dann hat sie nicht nur den R a u m durch Räumlichkeit ersetzt, sondern sogar durch ein im Raum Seiendes, das unter empirischen Bedingungen ein Maximum der Endlichkeit ist, so wie empirische Bedingungen auch zu einem Maximum des Kleinstseienden führen, das praktisch nicht mehr teilbar ist, obgleich es unendlich teilbar bleibt, wie das Proton, die Energiegröße „ h " usw. Aber wir haben an dieser Stelle noch nicht alle Vorbedingungen der Einsicht in dieses Problem gesammelt. D e f i n i t i o n d e s W o r t e s „ I d e a t i o n " nach Streller: Sie ist „auf sinnhaltigen Anschauungen beruhende Bildung von Ideen und Begriffen . . . " 16. Der Raum in den Kultursphären I n den nicht theoretischen Kultursphären zeigt der R a u m große Abwandlungen einer Sinnhaftigkeit. Wenn z. B. die Religion vom Wohnort Gottes als einem Thronort, einem Ort über allen Orten spricht (so drückt sich z. B. Karl Barth aus), so würde das in der Theoretik keinen
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guten Sinn haben, und durch den Begriff des bedingenden Raumes leicht widerlegbar sein. Nichts ist leichter, als die theoretische Uneigentlichkeit in theologischen Ausdrücken aufzudecken. Jedoch das Religiöse, das hier gesagt werden soll, erstreckt sich in eine ganz andere Dimension hinein als das Theoretische und hat seine Existenz unabhängig von der Uneigentlichkeit des letzteren. Deshalb ist die Art, wie Karl Barth sich hier ausdrückt, die einzig richtige, wenn wir verstanden haben, was Religion wirklich ist. Auch der Raum führt uns durch fünf reine und unermeßlich viele gemischte Sphären hindurch zu einer Belehrung über die totale Anderheit, die dem Speziellen aller Bereiche vorgeordnet ist. Wir sahen, daß im gemeinen Verstände diese Gliederung noch relativ ungeschieden vorhanden ist. Er steht am Anfang der Linie, an deren Ende sich die Erkenntnis des bedingenden Geistes befindet, der durch die totale Seinsanderheit charakterisiert wird. Da ist es nun, als ob die Ungeschiedenheit der kulturellen Gefügestruktur des gemeinen Verstandes wiederkehre, allerdings nicht so, wie sie in ihm da war. Das ist die Vorverordnung einer Eigentlichkeit, die sich gleichmäßig auf alle fünf Sphären erstreckt. Aber in den Sphärenräumen nimmt diese vorverordnete totale Anderheit spezifische Erscheinungsgestalten an, die sich nicht vermischen wollen und die dem Einzigartigen und Einmaligen der Sphären dienen. Und das gilt nun auch von den religiösen Raumvorstellungen, von denen wir oben ein Beispiel angaben. Alle fünf Sphären sind untereinander Gegensätze. Wenn Anselm in seinem ontologischen Gottesbeweis das räumliche Bild verwendet: „das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann", und es fälschlich auf die Existenz anwendet, so scheint mir das ein anderer Fall zu sein als der „Thronort Gottes". Es ist eine Grenzüberschreitung. Das Theoretische wird nicht mehr legitim als Uneigentliches verwendet, sondern es ist als etwas gemeint, dessen Räumlichkeit die der Erkenntnisautonomie ist. Hierin liegt ein Fehler des ontologischen Gottesbeweises, neben den noch andere treten. Dieser intellektuelle Rationalismus schlägt zum Schaden der Religion aus. Natürlich kann von der religiösen Sphäre aus auch manches in die theoretische Sphäre einfließen und zur Uneigentlichkeit werden. Da müssen wir auf der Hut sein. Daß das geschieht, ist ganz natürlich, ein solcher allgemeiner Austausch findet zwischen allen Sphären statt. Der Fehler stellt sich nur dann ein, wenn die Wendung ins Uneigentliche der Bedeutung nicht erkannt und für echte Theoretik gehalten wird. Was aber allen fünf Sphären vorgeordnet ist, wird von dieser Gefahr nicht betroffen, vorausgesetzt, daß es wirklich erkannt worden ist. Ein anderes Beispiel, mit dem religiöse Raumanschauung verbunden ist, ist die Lehre von der communicatio idiomatum. Leider hat die intellektualistische Dogmatik auch hier die Führung ergriffen und dadurch manche gute religiöse Saat zerstört. Aber wenn diese Lehre z. B. der praesentia localis des Logos auch eine praesentia illocalis zuschreibt, so spricht sie in unverfälscht religiöser Weise etwas aus, was nur sie
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zu sagen vermag und was mit ihrem einzigartig Einmaligen in Verbindung steht. Daß wir uns in der Psychologie, in der Erkenntnistheorie, in der Ontologie, ja sogar in der Metaphysik nie so ausdrücken könnten, weil wir es hier mit einer grundverschiedenen Spezies von Raumanschauung zu tun haben, darf uns nicht irremachen. Es berührt nicht das bezeugte religiöse Gut, und es nimmt nichts von der konstitutiven Geltung der theoretischen Raumanschauung hinweg. Die totale Anderheit im Unterschied dieser Auffassungen kann es sich gewissermaßen erlauben, unter solch verschiedenen Erscheinungsbedingungen da zu sein. Für den religiösen Glauben existiert das Universum letztlich nicht im Raum, sondern in Gott. Der biblische Mensch denkt örtlich. Der Name Gottes wohnt im Tempel. Als Jakob vom Traum erwachte, rief er aus: „dies ist die Stätte Gottes!" Aber andererseits hören wir auch, daß die Zeit kommen soll, da die wahren Anbeter Gott nicht mehr an diesem und jenem Ort anbeten werden, sondern im Geist und in der Wahrheit. Und Karl Barth sagt an einer Stelle, daß es Orte gibt, wo Gott nur als sich Abwendender und Vorübergehender anwesend ist. All das ist echte Raumanschauung des religiösen Glaubens, und wir werden vor einem doppelten Mißverständnis bewahrt werden, wenn wir wissen, was Religion eigentlich ist im Unterschied zur Wissenschaft oder zur Philosophie. Raumanschauungen spielen natürlich auch in den anderen Sphären die größte Rolle. Das Wichtige dabei ist, die Anderheit und Besonderheit dieser Strukturen nicht zu übersehen. Im Gegensatz zum zeitlich betonten Sollen in der ethischen Sphäre zeigt das „Wertereich" eine quasi-räumliche Struktur, ähnlich dem Ideenkosmos Piatos. Es erstreckt sich aber durch alle vier nichttheoretischen Sphären hindurch. Es ist ihr Sein. Wenn ferner gesagt wird, daß das Soziologisch-Überindividuelle gewissermaßen „senkrecht" stehe zur „Dimension" der individualisierenden Sphären, so haben wir hier wiederum quasi-räumliche Anschauungen. Schon das Wort „Sphäre" und „Bereich" deuten darauf hin. Unsere ganze Ideation ist mit Raumanschauung durchsetzt und ihre Inhalte mit Räumlichkeiten. Das hat seinen Grund darin, daß der Raum beim Durchschlagen in den animalisch-psychischen Geist hinein zur verstehenden Inhaltlichkeit wird und von daher die idealen Objektivitäten von Anschauungs- und Vorstellungsräumen setzt mit regional-sphärischen Strukturen. Allerdings haben diese einen Totalitätscharakter. Sie lassen sich nicht ohne die Mitberücksichtigung der bedingenden Materialität, der Zeitlichkeit usw. erkennen. Zum Beispiel, schon der bloße Raum als solcher bestimmt in der Soziologie die zum Zeitlich-Geschichtlichen hinzutretenden Strukturen bei Gebilden wie: Staat, Volk, Nation, Gesellschaft, Kultur, Zivilisation usw. Wir wissen, wie bedeutsam das g e o g r a p h i s c h e Element dieser Gebilde ist, das aber auch durchaus einen totalistischen Charakter an sich trägt. Als verstehende Inhaltlichkeit ist die Räumlichkeit in der totalen Anderheit ihrer selbst im Vergleich mit ihrer idealen Objektivität. Sie
Der Raum in den Kultursphären
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wickelt sich gewissermaßen in sich selbst ein, „krümmt sich". Ihre Totalstruktur ist auf das dritte Neutrale ausgerichtet, das sie als bedingenden Raum in den bedingenden Geist hineinstellt, mit bedingenden Formen und mit bedingenden Materialitäten. Der künstlerische Genius weiß sich von einer höheren Macht inspiriert, wie schon das Wort besagt. Wir erinnern an das, was wir über den malerischen Raum im Bild und den Raum gesagt haben, in dem das Bild hängt. Wir knüpften dabei an Hartmann an. Die Malerei ist im besonderen die Kunst des Raumes, obschon dieses Element bei keiner Kunst fehlt, wie bei jener auch nicht das Zeitliche. Die Tonika, Dominante und Unterdominante in der Harmonielehre zeigen z. B . deutlich eine raumartige Perspektive, einen Unterschied von Vorder- und Hintergrund. Alles das sind arteigene Phänomene der pleromatischen Räumlichkeit. Mit Recht spricht man einerseits von Tonfarben und andererseits von Farbtönen. Dort, in der Musik, wird das pleromatisch Räumliche betont, obwohl sie doch die Kunst der Zeit ist. Hier, in der Malerei, der Kunst des Raumes, wird in diesem Fall das pleromatisch Zeitliche herausgehoben. Dort handelt es sich um das Malerische in der Musik, hier um das Musikalische in der Malerei. So ist die ästhetische Form das Angewachsensein der theoretischen Form zu der ihr eigenen Pleromatik. Ähnliche Betrachtungen könnten über die anderen Künste angestellt werden, die Architektur, die Epik, die Lyrik, die Dramatik usw. Die Pleromatik kompliziert sich. In Musik und Malerei kommen hinzu das architektonische und das poetische Element, in der Poesie das architektonische, musikalische und malerische Element. Dann gibt es noch solche Probleme wie z. B. in der Musik die Räumlichkeitsdifferenzen der Instrumente, die räumliche Anordnung eines Orchesters, die Fragen der Akustik usw. All das zeigt eine Pleromatik der Räumlichkeit, die der Theoretik an sich fremd ist, die sie nur analysieren kann, indem sie sie in die theoretischen Elemente auflöst, womit aber nur die halbe Aufgabe erfüllt ist. Ein Geheimnis der Synthese waltet hier ob, das nur noch meontisch-meontologisch zu fassen ist. Hier hat die philosophische Meontologie das entscheidende Wort zu sprechen, die um die ursprüngliche Einheit des Theoretischen und des Praktischen weiß. Etwas Ähnliches zeigt sich auch im soziologischen Gebiet der Technik. Das technische Bewußtsein ist etwas Urwüchsiges. Was Heidegger in seiner Analyse der Zeuge und Werkzeuge herausgebracht und was er in seiner Kunstphilosophie fortgesetzt hat, gehört direkt hierher. Man beachte z. B . was er von der „Einräumung" sagt. Die Raumgestaltung der Malerei zeigt deutlich den Bruch zwischen dem Ich, dem Unter-Ich und dem Über-Ich und den daraus resultierenden Antagonismus in der Gestaltung des Stiles. Wir wählen auch hier die Malerei wegen ihrer Nähe zum Raum, obschon Entsprechendes sich in aller Kunst ereignet. Das Mit- und Gegeneinander der Schulen und Techniken wird hiervon bewegt, die klassische, romantische und natura, listische Schule. Der Gegensatz von Impressionismus und Expressio. 7 Samuel,
Ontologle
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niamus beruht hierauf, soweit es sieh um die Form handelt. Der letztere schöpft mehr aus dem Über-Ichlichen als der erstere. Deshalb erfindet er reichere lebhaftere Farbtöne und -Kombinationen. Beim Kubismus und der abstrakten Malerei der letzten Zeit ist es oft so, als zerbreche der Raum unter den Händen des Künstlers. Die Malerei geht an ihre äußerste Grenze heran, es ist, als ob das Unmögliche gemalt werden sollte. Da gibt es echte Fälle, in denen die Meontologie der Räumlichkeit das treibende Motiv der malerischen Gestaltung ist. Wir leben in der meontologischen Zeitepoche. Ist es doch die Geschichte selbst, die sich ihren eigenen Raum verschafft, den wir als den Geschichtsraum bezeichnen können. Obgleich auch die moderne Malerei nicht daran vorbei kommt, den bedingenden Raum mit dem bedingten zu verwechseln und so ihre eigene Pleromatik nicht zu klären imstande ist, hat sie doch das Gute, ein lebendiger Protest gegen die „Behälter-Vorstellung" zu sein, und das ist nicht das Einzige. Die moderne Malerei ist ein Hinweis auf das meontisch-meontologische Geheimnis der ewigen Neuheit und zwar gerade auch, sofern der Raum ein Moment ihres Variationsgesetzes ist. 17. Die Raumzeitlichkeit Wir kommen nun zu dem, was wir phänomenal die Form aller Formen nennen können, die an die äußerste Grenze des Formproblems heranreicht : zur Raumzeitlichkeit. Die freie Beweglichkeit der mathematischen Phantasie, die Grundlagenkrisen der Naturwissenschaft und Geometrie (Parallelen-Axiom) und das Einheitsstreben in bezug auf Mechanik und Dynamik haben zur Schau und Theorie der Raumzeitlichkeit geführt. Hier vereinigen sich Raum und Zeit zu einer totalen Form des Erscheinungsseienden. Der Raum verliert seine Selbständigkeit und sinkt zu einem Schattendasein herab, so wie das beim Punkt, der Linie und der Ebene am räumlich Seienden der Fall ist. Der spezifische Beitrag zur Ermöglichung aller Er fahrbarkeit, den die bedingende Raumzeitlichkeit leistet, wird dadurch beeinträchtigt, daß sie die Zeit zu etwas Raumähnlichem macht. Da muß es bedacht werden, daß zwischen der Zeit und der Raumdimension mehr Unähnlichkeit als Ähnlichkeit besteht. Die Zeit ist eine Dimension in einem ganz anderen Sinne als der Raum. Ja, die Dimensionalität selbst kommt hier in eine vernichtende Krisis hinein. Das dreidimensional Seiende wird nun zu einem Längs-, Quer- und Durchschnitt der entsprechenden vierdimensionalen Gebilde. Die Bilder im Kinematographen sind ein gutes Gleichnis. Eddington hat den Menschen unter diesem Gesichtspunkt humorvoll mit einem Hyperwurm verglichen. Die Welt der Bewegung und Dynamik wird zu einer statischen Welt, zu einer Art von hypergeographischer Landschaft, in der „Weltlinien" gezogen werden können. Diese Wendung zur Prozeßlosigkeit ist nicht die des dritten Neutralen. Das rein Formale vermag das nicht zu vollbringen. Die Ursprünglichkeit des reinen Bedingens der
Die Raumzeitlichkeit
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bedingenden Zeit ist verletzt und damit ihr Originalbeitrag zur bedingenden Ermöglichung aller Erfahrbarkeit des in der Raumzeitlichkeit Seienden, den kein anderer leisten kann als eben die bedingende Zeit selbst, sofern dabei der Forderung genügt wird, daß das Bedingen der Zeit unversehrt erhalten wird. Das aber tut die Raumzeitlichkeit nicht. Jedoch bringt sie eine erste Ahnung des dritten Neutralen zu Prozeß und Prozeßlosigkeit. Die produktive Einbildungskraft vermag in einem Raumpunkt nur drei Senkrechte zu errichten, und sie erschöpft dadurch die Dreidimensionalität des Raumes. Vom Nullpunkt dieses Koordinatensystems geht dann eine ganz andere Messungsweise aus, die nicht die bloße Fortsetzung der Anwendung starrer Maßstäbe ist. Nicht diese werden jetzt verwendet, sondern U h r e n . Dieser Wechsel der Meßinstrumente drückt eine Wendung aus, die damit zusammenhängt, daß die Dimensionalität der bedingenden Zeit keine Raumdimension ist. Im Griff zur Uhr kommt der spezifische Beitrag zum Ausdruck, den die Zeit zur bedingenden Ermöglichung aller Erfahrbarkeit liefert. Die Maßeinheiten sind nicht mehr Streckengrößen, sondern Daten. Das Vor und Nach wird gemessen. Als Raumdimension zu Raumdimension trat, wurde die Wahlfreiheit und Willkür der freien Festsetzung immer geringer. Hier, bei der Zeit, ist sie noch mehr verschwunden. Es ist, als ob sich das „Linienziehen" der Zeit von selbst vollbringe, ob wir es wollen oder nicht, ob wir es wissen oder nicht. Der Raum gab uns mehr Freiheit. In die Zeitlichkeit scheinen wir viel tiefer verwickelt zu sein. Es ist, als ob sie ein Teil unseres Selbst wäre. Das stellt der Reflexion neue Aufgaben. Das Linienziehen im Raum ist umkehrbar, nicht aber das in der Zeit. Sie gleicht einer Einbahnstraße. Es handelt sich also um einen Beitrag zur bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt, der durch eine besonders hohe zwingende Kraft ausgezeichnet ist, der uns Gewalt antut. So zeichnet sich die Zeit als objektbedingende Subjektivität, als ideale Objektivität, als verstehende Inhaltlichkeit aus, wie sie in der Wesensschau Kants auftrat. Und hier wird es uns besonders nahe gebracht, daß ihr reines Bedingen (das sich der Reflexion so hartnäckig verbirgt), ihr schöpferischer Bezug auf die Möglichkeit der Erfahrung, an und für sich meontologisch ist. Denn das Bedingen der Zeit gehört um seiner Unsichtbarkeit willen zum ,,Sein"-wie-Nichtsein, und gerade darin entfaltet sich seine Kraft zur Ermöglichung der Erfahrung. Nun ist dieses reine Bedingen in seine Geltung eingesetzt. Es wird nicht mehr vergewaltigt und verräumlicht. Auf jeden Fall stehen die Entdeckungen Einsteins und Minkowskis dem Meontisch-Meontologischen näher als die durch sie überwundenen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstufen, was selbst von Newton gilt. Vor allen Dingen ist das Einheitsstreben Einsteins meontologisch bewegt. In der Meontologie findet es seine philosophische Fortsetzung, die sich dann auf alle Kultursphären ausdehnt. Das Einheitsstreben Einsteins ist also eine kulturphilosophische Tendenz. Das wird auch durch seine 7*
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anderen literarischen Arbeiten bewiesen, die weit über das rein Mathematische hinausgreifen. Die Raumzeitlichkeit ist das transzendentale Schema (im Sinne Kants) des bedingenden Geistes. Sie ist der bedingende Geist der reinen Form nach. Sie bringt bereits nahe, was mit dem dritten Neutralen zu Prozeß und Prozeßlosigkeit, diesem bestimmten Weder-Noch-Sein, das in der Erscheinungswelt nicht vorkommt, das zum Ansich gehört, gemeint ist. Sie ist nichtwissendes Wissen um das reine Daß der Form nach. Das ist ein Begründungsbeitrag zur absoluten Position der Existenz. Als verstehende Inhaltlichkeit fügt aber die Raumzeitlichkeit einen Begründungsbeitrag hinsichtlich der Essenz, der Wesenheit, des Begriffs, der Idee, der Universalien, des Ontologischen hinzu. Die Art, wie die Raumzeitlichkeit als Form aller Formen zum Meontisch-Meontologischen gehört, liefert einen weiteren Begründungsbeitrag zum Problem vom Ganzen und seinen Teilen. Unter gewissen Bedingungen ist es der bedingende Geist selbst, der sich zur Form macht, und das i s t die Raumzeitlichkeit. Die damit verbundene Nichtshaftigkeit scheint ganz nihi. listisch zu sein und ist doch gerade das Gegenteil. Das Erscheinungsseiende in den Sphären ist weder das Resultat einer Erscheinung setzenden Tat des Meontisch-Meontologischen mit partiellem Substanzverlust, noch totaler Substanzverlust, der die Erscheinung als lauter Schein, Illusion und Halluzination enthüllte. Und in anderer Hinsicht gilt auch wiederum beides zugleich. Das Zusammen dieses Weder-NochSeins und dieses Sowohl-Als-Auch bezeugt, daß es vom allen Sphären vorgeordneten dritten Neutralen her „noch etwas anderes geben muß", das sich vorläufig noch nicht in unserer Sprache ausdrücken läßt. Und gerade das ist das Entscheidende im Problem vom Ganzen und seinen Teilen. Das nicht Ausdrückbare läßt sich wenigstens umschreiben. Die Erkenntnis der Raumzeitlichkeit gehört zu dieser Umschreibung. Die Raumzeitlichkeit, die als vierdimensionales Totum die Zeit zu sehr noch einer Raumdimension ähnlich macht, ist ein spezifisch theoretisches Gebilde, das deshalb in den anderen Sphären keine große Rolle spielt. Die Fehlerhaftigkeit in dieser Auffassung ist ein Hindernis dafür, in den anderen Sphären zu einer fruchtbaren Uneigentlichkeit zu gelangen. Sofern jedoch die Zeit zu ihrer unverletzten und ursprünglichen Funktion gelangt und keinen Einfluß der Raumdimensionalität auf sich gestattet, vermag die so verstandene Raumzeitlichkeit auch in den anderen Sphären von Bedeutung zu werden. Die moderne Malerei setzt z. B. oft gerade ihr Formprinzip, die Räumlichkeit, zu einem Schattendasein herab, wobei sie oft die sinnliche Form fast sprengt. Es ist, als ob sie das Vierdimensionale malen wollte. Es ist, als ob sie Musikalisches auf die Leinwand bannen möchte. Dadurch erzeugt sich ein ganz neues ästhetisches Spannungsgefühl. Der Künstler ist von der Tatsache beeindruckt, daß die Raumzeitlichkeit ganz andere Ausweichmöglichkeiten als der abstraktiv isolierte Raum besitzt. Das Dreidimensionale, das er malen kann, weist als ein Längs-, Quer- und Durch-
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schnitt über sich selbst hinaus. Auch Beethoven empfand etwas Ähnliches in seinen letzten musikalischen Produktionen. Eine Überperspektive macht sich bemerkbar. Die Gestaltung wird von einer unbegreiflichen Fülle bewegt. Allerdings entspringen hieraus Leiden, wie sie nur der Künstler zu fühlen imstande ist. Ein Bewußtsein des Versagens stellt sich ein, dessen Ursache gerade nicht mangelnde Begabung ist. Im Drama wird der Held in seiner Tat und Umwelt in einem ganz anderen raumzeitlichen Zusammenhang geschaut als in der gewöhnlichen Welt. Dieselbe vierdimensionale Intuition äußert sich durch alle Künste hindurch. Eine ganz andere Mächtigkeitsordnung klopft an die Tore unserer Welt. Und die tragisch sich versagende Ausweichmöglichkeit deutet auf eine andere hin, die sich nicht versagen würde, könnte sie sich verwirklichen. Wir scheinen nur Schattenbilder zu sein. Aber die anderen Wesen sind da, die diese Schatten werfen, u n d w i r g e h ö r e n m i t d a z u , s o wie w i r s i n d a b e r a u c h s o wie w i r u n s n i c h t k e n n e n . Der Geschichtsraum zeigt ein ähnliches Gepräge, obgleich dabei die Anderheit des Soziologischen nicht zu übersehen ist. Auch er ist ein Raumzeitlichkeits-raum. Was sich in unserem Raum hindert, stört und widerspricht, was sich in der Zeit nur linienhaft ausdehnt, findet in diesem Raum eine neue Existenzmöglichkeit. Die VorstellungsRaumzeitlichkeit des Geschichtssehers überbrückt die Jahrtausende. Das Vergangene wird wieder lebendig. Die Kinder der einen Zeit treten in Gleichzeitigkeit mit denen einer anderen Zeit. Die Sinnhaftigkeit ganzer Epochen wird in den Worten des Geschichtssehers offenbar. Die Zukunft ragt in die Gegenwart hinein. Das Geschichtsdenken wird prophetisch. Übergeschichtliches tritt als Monumentales innerhalb des Geschichtlichen auf. Ur- und Endgeschichte melden sich inmitten der Geschichte zum Wort. Die Zeit kommt zu ihrer Urfunktion der Entstarrung.
ffl. Teil: Das meontologische Inhaltsproblem 18. Die bedingende Materialität als Gegenspieler zur Form Wir kommen nun zu dem großen Gegenspieler der bedingenden Raumzeitlichkeit, der Form aller Formen. Es ist das, was ihren Formalismus durchbricht. Es gehört auch zum Bedingenden, sogar mehr als jene und stößt tiefer in den Kern alles Bedingenden vor. Form und Inhalt sind relativ. Die Raumzeitlichkeit ist in der einen Hinsicht Form, in der anderen Inhalt, z. B. verstehende Inhaltlichkeit. Aber dieser Relativismus ist nach beiden Seiten begrenzt. Als ideale Objektivität ist die Raumzeitlichkeit reine Form, die nicht mehr zum Inhalt wird. Und das, worauf wir jetzt stoßen, die bedingende Materialität, ist auch jenem Relativismus nicht mehr unterworfen. Sie wird nicht mehr zur Form.
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Bei diesem neuen Ansatz treten uns nun eine Anzahl von Kategorien entgegen wie das Ding an sich, das Potentielle, das Intensive, die Substanz usw. Es entrollt sich ein geradezu dramatisches Spiel und Gegenspiel von Form und Inhalt, und die Kategorien sind gewissermaßen die Personen, die in diesem Drama auftreten. Kategorien agieren in Gegensätzen zu Kategoriaten. Es ist wohl wert, auf das hinzuschauen, was den Kantschen Pormalismus durchbrochen hat, der zum Wesen seiner Philosophie gehört. I n der Kritik der reinen Vernunft gibt es eine Stelle, wo dieser Formalismus zusammenzubrechen droht. Das rief Kants Erstaunen hervor. Es ist seine Lehre von den Antizipationen der Wahrnehmung. Hiernach ist unser Verstand fähig, etwas vom Inhalt der Erkenntnis a priori zu antizipieren. Das spricht sich in dem Grundsatz aus, daß alles Erscheinungsseiende einen Grad besitzt, der seine Intensität mißt. Wir werden dieser realen Objektivität des Erscheinungsseienden durch die Empfindung gewahr, denn das Reale der Erscheinung ist, was der Empfindung entspricht. Schon das Ding an sich wollte den Formalismus durchbrechen. Aber das war eine metaphysische Verlegenheit, die sich der methodischen Bewältigung entzog. Die Antizipationen der Wahrnehmung können jedoch noch mit Not sinngemäß in den Kantschen Formalismus eingeordnet werden. Die Eigenart der Intensität kann am besten an der des dinglich Seienden erkannt werden. Wenn wir bei ihm abstraktiv das isolieren, was von ihm in einem Raumzeitpunkt da ist, so ist das wohl das Ende der Extensität im Raum und der Protensität in der Zeit, aber es ist nicht so wie beim leeren Raum und der leeren Zeit, daß nichts übrigbleibt. Diese haben eben keine Intensität, obgleich sie in gewissem Sinne intensitätsförmig sind, das heißt, die Fähigkeit haben, das Intensive in sich aufzunehmen. Das definiert ihre Leerheit. Das in der Raumzeitlichkeit Seiende dagegen hat in seiner punktualen Isolierung noch Intensität. Selbstverständlich ist diese Absonderung nur abstraktiv möglich. Sie ist ein Vorstellungsexperiment. Aber dieses sagt etwas Bestimmtes über den Unterschied zwischen der Raumzeitlichkeit und dem darin Seienden aus, der in der Intensität besteht. Es ist der Unterschied von Form und Inhalt. Die raumzeitliche Nulldimensionalität und Nichtextensität berührt nicht die Intensität. Sie wird als eine andere „Erstreckung" offenbar. Der Analyse wird eine neue Aufgabe gestellt. Eine Ausweichmöglichkeit tritt auf, von der Raum und Zeit nichts zu erzählen haben. Die Analyse macht eine Wendung „in senkrechter Richtung". Dieses punktuell Intensive wird durch den Grad gemessen, der zeigt, daß es punktuell nur in bezug auf die Raumzeitlichkeit ist, nicht aber in bezug auf sich selbst. Der Grad entdeckt eine neue Nicht-Punktualität, Mannigfaltigkeit, Vielheit und Einheit, die im totalen Gegensatz zur Extensität steht. Und ähnliches gilt von allen anderen Arten von Intensitäten. Die Energien besitzen sie, die Empfindung usw.
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Während wir beim Extensiven sehr deutlich angeben können, welches die Vielheiten sind und wie sie sich zur Einheit verhalten, versagt sich uns die produktive Einbildungskraft, wenn wir dasselbe beim Intensiven versuchen. Raum, Zeit und Raumzeitlichkeit haben ihre eigenen Verhältnisse des Ganzen zu seinen Teilen, und dasselbe gilt vom Intensiven. Es ist eine total neue Struktur dieses Verhältnisses. Hier sind die Einheiten nicht Punkte und Punktmannigfaltigkeiten, Zeitmomente mit ihren protensiven Einheiten, die sich leicht zu anschaubaren Gebilden zusammenschließen, obgleich sie auch manche Rätsel in sich bergen, weil bei ihnen die Problematik der Kontinuität und des Diskontinuierlichen, des unendlich Kleinen und des unendlich Großen hineinspielt. Aber die Intensität bringt demgegenüber eine neue Schwierigkeit auf: Welches sind ihre Vielheitsmomente und worin besteht ihre Einheit ? Wir wissen es nicht. Wir können hier das Prinzip der synthetischen Zusammensetzung der Einheit aus Elementen gar nicht anwenden. Das Intensive ist als problematische Vielheitseinheit vorab gegeben, während der Raum vom Punkt aus erzeugt werden kann und die Zeit sich vom Moment aus selbst erzeugt. Wenn wir aber von einer Null-Intensität Intensität gradweise ansteigen lassen, so ist das kein Analogon zu einem Linienziehen, sondern es ist das Auftreten immer neuer und neuer Intensitäten, die vorabgegebene Einheiten sind, deren Vielheitsstruktur uns unbekannt bleibt. Reduzieren wir ein Intensives zu Null, dann geht es in die Raumzeitlichkeit über, ohne daß es uns sein Geheimnis hergegeben hätte. Gradunterschiede weisen auf eine Vielheit und Mannigfaltigkeit hin, deren Elemente wir nicht kennen. Eine neue Art des Kontinuierlichen ist aufgetreten. Es weist auf eine bedingende Materialität hin, die der große Gegenspieler zur Raumzeitlichkeit ist. Der Formalismus der Form aller Formen wird durchbrochen und kommt zu seinem Ende. Kant hat diese Dinge geahnt, als er rein hypothetisch seine dynamische Theorie von der Materie aufstellte, nur um zu zeigen, daß es noch andere Möglichkeiten gibt als die des Atomismus. Ähnliche Tendenzen treten in den modernen Feldtheorien der Physik und der Psychologie auf. Von hier aus verstehen wir auch die schon erwähnte Intensitätsförmigkeit der Raumzeitlichkeit. Nicht ist erst eine intensitätsförmige Raumzeitlichkeit da, in die das Intensive dann hineingestellt wird, sondern die Intensitätsförmigkeit ist ein letztes Auskommen der raumzeitlichen Formeigentümlichkeit, die sich von der bedingenden Materialität und Inhaltlichkeit her begibt. I n der Intensitätsförmigkeit berühren sich Form und Inhalt, sie ist das Zwischensein beider. Und das vervollständigt den ontologischen Formbegriff. Das Intensive tritt in Beziehung zum Potentiellen und zum Ding an sich. Nach der einen Seite schaut das Intensive hin zum Extensiven, zum erscheinlich Seienden in Raum und Zeit. Nach der anderen Seite blickt es auf das Potentielle. Dieses steht auf der Grenze zwischen dem Ansich und der Erscheinung. Es besitzt n o c h mehr „Unsichtbarkeit"
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als das dinglich Intensive. Hier geht sogar die Schau der waslosen aber sicheren Daß-Gewißheit von der inneren Mannigfaltigkeitsstruktur des Intensiven in eine Nichtsheit über, die meontologisch ist. Das dinglich Potentielle steht an der Grenze des Übergangs vom Intensiven zum Ding an sich, das zur transzendenten Sinnjenseitigkeit des erscheinlich Seienden geworden ist. Stoßen zwei Billardbälle aufeinander, dann geht die Bewegungsenergie für einen Augenblick in die meontologische Null über, verschwindet ganz und taucht neu wieder auf. Hier wird das Seiende bis an seine phänomenale Grenze verfolgt. Die Fortsetzung dieser Richtung treibt zum Ding an sich als letzter Voraussetzung der bedingenden Ermöglichung von dinglicher Erfahrbarkeit überhaupt. Intensität und Potentialität sind wohlumgrenzte Beiträge dieser bedingenden Ermöglichung von dinglicher Erfahrbarkeit. Jene ist bereits ganz eingebettet in Erscheinlichkeit, noch bevor sie es zur Extensität und Protensität gebracht hat. Die Potentialität dagegen ist das echte Zwischensein von Ansich und Erscheinung in der bedingenden Ermöglichung von dinglicher Erfahrbarkeit, während das Ding an sich die letzte und transzendente Voraussetzung dieser Ermöglichung ist. Jedoch haben wir gesehen, wie dadurch die Krisis von Dinglichkeit überhaupt heraufbeschworen wird und wie sehr anders dasjenige ist, was wirklich die bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt vollbringt. Aber dennoch besitzen alle diese Beiträge einen Wahrheitskern, was wir auch am dinglich Intensiven erkennen konnten, sofern es die bedingende Materialität einführt, die den Formalismus der Form aller Formen begrenzt. Wächst ein organischer Keim auf, so ereignet sich ein Übergang von der Potentialität in die Aktualität, und es geht dabei durch die Intensität hindurch, die die Entfaltungsstätte jener ist. Aber auch die Psychologie bekommt ihren Anteil. Es besteht ein wichtiger Zusammenhang zwischen dem dinglich Intensiven und der Empfindung. Er trat schon bei Kant auf. Das intensiv Reale ist das, was der Empfindung entspricht, und was beiden zugrunde liegt, kann nicht sehr verschieden voneinander sein. Die Empfindung ist das Intensive, sofern es „auf der anderen Seite" erscheint. Dabei hat sich etwas verändert. Das Intensive, das die Empfindung ist, hat eine geltungstheoretische Superiorität über das dinglich Intensive erworben. Sie ist die Gesetzgebung für dieses, und vielleicht ist das der Grund, weshalb das dinglich Intensive so schwer analysierbar ist, wenn es losgelöst von der Empfindung betrachtet wird. Seine unerkennbare Vielheit scheint in der Empfindung verwurzelt zu sein. Daraus würde hervorgehen, daß bereits in die Empfindung die Intentionalität eingebettet ist, die bei den höheren psychischen Phänomenen für sich hervortritt. Die Empfindung macht das dinglich Intensive sinn- und bedeutungsvoll. In der Empfindung erscheint das Intensive durchleuchtet und erschlossen. Sie macht es transparent. Das ist die Transzendentalität der Empfindung, die nicht mit dem Transzendenten zu verwechseln ist. Welche Beziehungen die
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Empfindung zur Potentialität und zum Ding an sich hat, kann hier nicht dargelegt werden. Die Empfindung ist der Keim der dingbedingenden Objektivität, und das ist ihr Beitrag zur Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt. Sie genießt sich nicht nur in sich selbst, sondern sie schafft auch ein fruchtbares Werk für die Dingerkenntnis. Die psychologische Konstruktion des Strukturalismus, vertreten hauptsächlich durch Wundt und seine Schule, stellt die Empfindungen in Reihen, verbindet sie miteinander, läßt neue Ursprungssynthesen herausspringen. So erklärt sie Wahrnehmung und Anschauung, Perzeption und Apperzeption, Gedächtnis und Erinnerung, indem sie dabei die Extensität der Intensität hinzufügt. Und eine noch ganz andere Dimension, die Neues über Intensität bringt, weist in die Richtung der Gefühle hin. Wie die Gestaltpsychologie von einem total anderen Uransatz ausgeht, kann hier nicht dargelegt werden. Aber wie verschieden die Erklärungen auch verlaufen mögen: Die Empfindung hat das Verfügungsrecht über das dinglich Intensive, organisiert seine Struktur, ist ihr Geltungsgesetz. So ist sie das zweite Moment in der bedingenden Materialität, und die Durchbrechung des Pormalismus erweitert sich. Wir kennen den großen Streit, der um das Weber-Fechnersche Gesetz entbrannt ist. Wir können hier nicht darauf eingehen, wollen nur bemerken: daß die Empfindung Intensität habe, wurde nicht bezweifelt, es fragte sich nur, ob sie und damit die Empfindung gemessen werden könne, oder ob nur Physiologisches, das zur Empfindung gehört, dem Maße zugänglich sei und mit der Reizmessung verglichen werden könne, also Physikalisches mit Physiologischem oder Physikalisches mit Psychologischem. Fechner entschied sich für das letztere, seine Gegner für das erstere. Beide Interpretationen dieses „Logarithmengesetzes" (das außerdem noch auf Mittelsektoren des ganzen Empfindungsbereiches eingeschränkt werden mußte, und dem selbst da nur eine annähernde Geltung zukommt) vertragen sich mit dem, was hier über die Empfindung als bedingende Materialität gesagt wurde. Das Nähere müssen wir einer „Ontologie der Psychologie" überlassen. Der Differentialquotient ist, algebraisch ausgedrückt, das Verhältnis der Annäherungsmaße der selbständigen und unselbständigen Variablen einer mathematischen Funktion an die Null. Viele geometrische und dynamische Verhältnisse erlauben eine Umsetzung in solche Funktionen, die differentiiert werden und somit miteinander verglichen werden können. Bei den dynamischen Verhältnissen spielt dabei die Intensität die allergrößte Rolle (wie beim Gesetz vom freien Fall), und die damit zusammenhängende Differentiierung nimmt einen schweigenden Rekurs auf die Empfindung a.ls Quelle von Geltungsgesetzlichkeit. Die Unvollziehbarkeit und Unvollendbarkeit der unendlichen Teilung eines dinglich Seienden und so auch dinglich Intensiven ist die Abschattung und der Vertreter einer Erfüllbarkeit dieser Unvollziehbarkeit und Unvollendbarkeit, die sich in dem ganz Anderen der transzendentalen Gesetzgebung der Empfindung für das Seiende begibt. Von diesem
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Realprozeß bedingender Materialität wird der Formungsprozeß getragen, der sich in der Differentiierung ausspricht. Dieser Zusammenhang zwischen Differentialquotient, Empfindung und bedingender Materialität ermöglicht die ontologische Theorie der Differentiierung. So wird die Differentialrechnung ein Kronzeuge für das, was allen Formalismus durchbricht, was das Wesen der Kontinuität und des unendlich Kleinen enthüllt und was einen konkreten Beitrag zm Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt darstellt. Die geltungstheoretische Superiorität der Empfindung über das dinglich Intensive erleidet eine wichtige Ausnahme: die bedingende Materialität, die sich als das bedingende X in der Erscheinung reflektiert, bedingt die Empfindung, wird aber nicht von ihr bedingt. Das weist auf eine bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit hin, über die die Empfindung keine Macht hat, die vielmehr die Erfahrung der Empfindung selbst bedingt. Das können wir deutlicher sehen, wenn wir nicht auf das Verhältnis der Empfindung zum dinglich Intensiven eines Empfundenen achten, sondern auf das der Empfindung zum dinglich Intensiven des eigenen Leibes. Damit kommen wir auf die Beziehung der Empfindung zum Nervensystem, also der zwischen einem Psychologischen und einem Physiologischen. Wir können vorläufig so sagen (das Weitere der Ontologie der Psychologie überlassend): Könnten wir in unsere Nervenzellen hineinsehen, dann würden wir sehen, wie mechanische, energetische, chemische und biologisch-physiologische Ereignisse unter einem Horizont verschwinden würden, wie ein Übergang in ein total Anderes stattfände, und wie dann die Empfindung auftauchte, die ist, sich selbst hat, indem sie sich selbst genießt. Selbst für einen solchen übermenschlichen Blick müßte das eigentliche Rätsel der Empfindung ungelöst bleiben. Von der dabei mitwirkenden Raumzeitlichkeit wäre zu sagen, daß sie nicht empfunden werden kann. Was empfunden werden soll, muß bereits intensiv sein. Aber die Raumzeitlichkeit würde dabei ihre Seinsweise von der realen und idealen Objektivität zur verstehenden Inhaltlichkeit wechseln. Material würde ein Hindurchgang durch Potentialität erfolgen. Aber die gesamte Bewegung würde von dem bedingenden X getragen werden, und in diesem Bedingen würde das dinglich Intensive des Leibes und das Empfindungsintensive seinen Zugleichursprung haben. Das haben wir gemeint, wenn wir sagten, daß die geltungstheoretische Superiorität der Empfindung über das dinglich Intensive eine Ausnahme erfährt. So läßt sich Empfindung in statu nascendi verfolgen. Die Intensitätsförmigkeit der Raumzeitlichkeit wird dabei zu einer äußersten Grenze vorgetrieben, die wir Potentialitätsförmigkeit nennen können, und das scheint das letzte Wort über die Form aller Formen zu sein. Hier enthüllt sich das erste Entspringen der Form aus dem Inhalt und des Inhalts aus der Form. Die Empfindung ist Rezeptivität, das Gefühl kommt von der anderen Seite her und ist Spontaneität. Beide sind transzendentale Gesetzgebungen für Intensives und Potentielles. Der Weg vom einen zum
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anderen ist der der pleromatischen Steigerung und Erfüllung. Das wird uns noch später beschäftigen. Weil nicht die Form aller Formen, die Raumzeitlichkeit, sondern der bedingende Geist das höchste Prinzip alles Bedingens in der Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt ist, deshalb tritt zur bedingenden Formalität noch die bedingende Materialität hinzu. Das Ding an sich ist nur eine Yermaterialisierung des bedingenden Geistes unter den empirischen Bedingungen des animalisch-psychischen Geistes. Unter ihnen wird gewissermaßen der bedingende Geist als Ding an sich in die Erscheinung hinein projiziert und zur Ermöglichungsbedingung des Erkenntnisgegenstandes überhaupt gemacht. Jedoch ist festzuhalten, daß das Wort „Geist", sobald es mit dem Bedingen in Verbindung gebracht wird, mehr meint als das, was noch im Gegensatz zur „Materie" verbleibt, nämlich: das dritte Erfüllende zu Materie und Geist. Beim Übergang vom bedingenden Geist, als dem Ansich, zur Erscheinung steht an der Grenze das Potentielle. Daß ihm und dem Intensiven „auf der anderen Seite" die Empfindung entspricht, weist auf die Tatsache hin, daß diese die erste Art des animalisch-psychischen Geistes ist (zusammen mit dem Gefühl), der seinen Weg zum bedingenden Geiste hin antritt. Daß dabei aber das Bedingtsein der Empfindung durch das transzendente X des Dinges an sich nicht aufgehoben wird, ist in der Tatsache verwurzelt, daß der bedingende Geist das dritte Neutrale zu Materie und zu allem Geist ist, der noch im Gegensatz zur Materie bleibt. Denn der animalisch-psychische Geist kann nie die Transzendenz voll enträtseln. Wie ist die Form aller Formen zum bedingenden Geist zugehörig ? Diese Frage gehört zum Problem vom Ganzen und seinen Teilen. E i n Moment der Antwort tritt im Zusammenhang dieser ersten Betrachtung über die bedingende Materialität auf: Das Bedingen des Geistes schenkt der Raumzeitlichkeit die äußerste Formhaftigkeit der Potentialitätsund der Intensitätsförmigkeit, und dieses Phänomen stellt das Moment der Antwort dar, das hier erreichbar ist. Es zeigt, wie gewissermaßen die Form im Inhalt „befestigt" ist. Die Grenzerfahrung: „Es muß da noch etwas anderes geben", die sich auf das Weder-Noch-Sein des totalen und des partiellen Substanzverlustes erstreckt und sich auf das dritte Neutrale zu Prozeß und Prozeßlosigkeit, zu Ganzem und Teil usw. bezieht, kehrt in der bedingenden Materialität in verstärktem Maße wieder. Die Ausweichmöglichkeiten der totalen Anderheit begeben sich im bedingenden Geiste. Das Aufhören jeder Erfahrbarkeit gehört mit zur bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt, und sofern diese Verbindung nicht zerstört wird, bleibt auch die äußerste Spitze der Meontologie echte Erfahrungstheorie und wird nicht zur freien Spekulation. Das Allermächtigste ereignet sich im Antlitz eines Nichts. Das Kind, das seine Augen in der Erscheinungswelt aufschlägt, ist bereits in dieses Apriori eingetreten. Das analytische Ansich, das sich der Er-
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scheinung polarisch entgegensetzt, wird zum synthetischen Ansich, das sie überwältigt. Dann ist die Erscheinung weder Folge einer Erscheinung setzenden Tat noch lauter Schein und Nichtigkeit, sondern die Angleichung an das Ansich ohne jeden Substanzverlust. Sie ist akosmistisch in den bedingenden Geist aufgehoben, hat in ihm ihr Sein, das wie Nichtsein ist. Das ist nicht das Resultat eines Prozesses, denn es ist das dritte Neutrale. Es ist das concretissimum, das allen Sphären vorgeordnet bleibt, das sie umfaßt und erfüllt. 19. Die Kategorie der Qualität Das Empfindende verhält sich zur Empfindung ähnlich wie die existentia zur essentia, wie das Dasein zum Sosein, wie die Realität zur Idealität. Natürlich sind auch Unterschiede da. Das Empfindende ist auf das Seiende bezogen, die Empfindung auf das Sein. Jenes führt durch den Zusammenhang mit dem Intensiven und dem Potentiellen die Quantifizierungsprozesse herauf, diese die Qualifizierungsprozesse. Wir kommen so auf zwei wichtige Kategorien: Quantität und Qualität. Wir wollen auch hier einen Blick auf Kant werfen. Quantität und Qualität sind bei ihm nicht Kategorien, sondern Titel für je drei Kategorien, also Kategorialitäten. Unter der Quantität steht bei Kant Allheit, Vielheit, Einheit und logisch das Allgemeine, Besondere und Einzelne. Hier brauchen wir nicht an eine Änderung zu denken. Jedoch sind das Logische, das Allgemeine, Besondere und Einzelne wiederum nicht Kategorien, sondern nur formale Urteilsarten, die ein Leitfaden für die Auffindung der drei Kategorien der Allheit, Vielheit und Einheit bilden. Daß Quantität ein bloßer Titel ist, zeigt sich auch darin, daß für beide Gruppen derselbe Ausdruck wiederkehrt. Hier weichen wir ab. Für uns ist die Quantität eine echte Kategorie, und zu ihr gehören die sechs echten Kategorien, die drei logischen, das Allgemeine, Besondere und Einzelne, und die drei gnoseologischen, die Allheit, die Vielheit und die Einheit, die wir aber in der umgekehrten Ordnung anführen möchten. Was Kategorialitäten sind, haben wir ja schon früher gesehen: Sie sind Gruppenbezeichnungen für Kategorien, und die Quantität gehört bestimmt nicht zu ihnen. Bei Kant ist das allerdings so, denn der Kategorientitel ist nichts anderes als eine Gruppenbezeichnung. Viel weniger können wir uns bei der Qualität an Kant anschließen. Er führt unter diesem Titel die Realität, die Negation und die Limitation an und dementsprechend das Logische: das Bejahende, das Verneinende und das Unendliche oder Limitierende. Was die drei ersteren anbelangt, so haben wir bereits gesehen, daß sie in einen ganz anderen Zusammenhang hineingehören. Das wird in Zukunft noch klarer werden, wenn wir z. B. das Verhältnis der Realität zur Qualität festsetzen werden. Beim Logischen lassen wir wieder die bloß formale Beziehung auf Urteilsarten weg und erkennen Bejahung, Verneinung, Unendlichkeit und Limitation als echte Kategorien an. Allerdings stellt sich dadurch
Die Kategorie der Qualität
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ein höherer und etwas anderer Qualitätsbegriff heraus als der übliche. Es fragt sich, ob es ratsam ist, den Umfang dieses Begriffes so sehr zu erweitern, wie das hier geschieht. Auch hier haben wir schon vieles antizipiert. Alles, was wir z. B. über das Unendlichkeitsproblem gesagt haben, gehört hierher, und welche Rolle die meontologische Verneinung und die pleromatische Bejahung in der Meontologie spielen, haben wir ja auch gesehen. I n äußerster Zuspitzung können wir das noch als eine Qualifikation betrachten, womit die Kategorie der Qualität allerdings sofort in einen großen Zusammenhang eintritt. Dann aber dürfen wir auch nicht den Unterschied zwischen der Kategorie und dem Kategoriat außer acht lassen. Die Qualität ist mehr Kategorie als Kategoriat, die Quantität aber ist mehr Kategoriat als Kategorie. Jedoch dürfen wir sie auch zugleich als Kategorie bezeichnen. Beides widerspricht sich nicht. Die Quantität übt kategoriale Funktionen aus und ist insofern Kategorie. Zugleich ist sie aber auch primär nicht auf das Formalbedingende, sondern auf das Materialbedingende bezogen (was bei der Qualität gerade umgekehrt der Fall ist), und insofern ist sie Kategoriat. Wir sagten schon: Die Quantität ist dem Seienden zugeordnet, die Qualität dem Sein, und hiermit gehen die Gegensätze ontisch-ontologisch und meontisch-meontologisch zusammen. Bei dem letzteren Gegensatz stellt sich dann allerdings noch ein Anderes, Einzigartiges heraus: ein Punkt des Zusammenfallens, der Einswerdung. Hiermit haben wir es aber noch nicht zu tun. Im Zusammenhang mit den Problemen der Empfindung, der Intensität und der Potentialität stellt sich uns die Kategorie der Qualität zunächst in der Form der sinnlichen Qualität dar, für die die Farbe ein gutes Erläuterungsbeispiel ist. Sie gehört zu dem, was Locke die sekundären Qualitäten nannte. Und hier setzt allerdings der Qualifizierungsprozeß ein. Die Farbe ist nicht der Existenz, sondern der Essenz, nicht dem Dasein, sondern dem Sosein, nicht der Realität, sondern der Idealität zugeordnet. Nicht als ob die Erstglieder ganz ausgeschlossen wären. Nein, sie sind auch anwendbar, aber erst in einer zweiten einsetzenden Begriffsbildung. Nur in diesem Sinne existiert auch eine Farbe. Die Farbe hat etwas Ideales an sich. Ihre Realität ist die Realität einer Idealität. Wir wissen, daß es ideale Objektivität gibt. Aber sie gehört als solches nicht zur Form, sondern zum Inhalt. Sie beruht immer zugleich auch auf einem empirischen Element. Das Apriorische in ihr ist das Apriorische der Materialbedingung, das dem Urapriori näher steht als die Raumzeitlichkeit. Die Farbe macht dabei allen Gebrauch von jedem Vorteil der Apriorität der Form aller Formen, der Raumzeitlichkeit, aber das erschöpft ihre eigene Apriorität nicht und läßt das Empirische ganz draußen. Die Farbe ist Subjektivität, ein subjektiv Seiendes, ein Sein im Subjekt und dennoch zugleich auch draußen am gefärbten Ding. Ihre reale Objektivität ist ideale Objektivität, wie sie bedingend das Dingliche mit ermöglicht. Das Ideale, das das Reale durchzieht, gehört doch auch ganz wieder zum Realen. In die Farbe
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geht etwas von der objektbedingenden Subjektivität ein, die eine bessere Objektivität besitzt als das Dingliche, an dem die Farbe vorkommt. Je mehr Farbe am Dinglichen ist, desto mehr können wir sagen: da i s t ein Gefärbtes. Die naturwissenschaftliche Darstellung der Farbe durch eine bloße Schwingungszahl ist nicht die Auflösung einer sinnlichen Qualität in etwas rein Quantitatives und Dynamisches, sondern ein parallelistischer Auszug aus einer Gesamterscheinung zur besseren methodischen Handhabung. Das Wesen der Farbe ist nicht das, was mit der Schwingungszahl bezeichnet wird, sondern dieses ist nur ein Moment in ihr, die quantitative Seite in einer Qualität. Allerdings ist die Qualität quantifizierbar, und darauf beruht die Anwendung der Mathematik auf die Qualität und der Fortschritt der Naturwissenschaft, der Optik. Aber diese Methodenanalyse berührt nicht das Gesamtwesen der Farbe. Wird das nicht erkannt, dann endet die Qualitätserkenntnis in einer Zersetzung, Perversion und Verwechslung. Weit entfernt davon, daß die Farbe die Neigung hat, in den Abgrund einer farblosen Quantifizierung zu fallen, zeigt sie das gerade umgekehrte Streben, in die Pleromatik einzutreten. Ihr Gesamtwesen, dieses zugleich Subjektive und Objektive, Ideale und Reale, Physikalische und Physiologische, Physiologische und Psychologische hat bereits inmitten all ihrer Sinnlichkeit, Gegebenheit, Quantifizierbarkeit ein pleromatisches Element in sich. Die Farbe will an der Pleromatik teilhaben, die das rein Sinnliche transzendiert, will wenigstens auf sie bezogen sein. Goethe hat davon etwas gesehen in seinem Widerstand gegen Newton. Aber er ging zu weit. Er hatte keine mathematische Begabung. Newton hat der Farbentheorie einen großen Dienst erwiesen. Der mathematische Quantifizierungsprozeß muß einsetzen, darf aber dann nicht in einem öden Materialismus enden. Das geschieht aber, wenn die Farbe auf eine bloße Schwingungszahl reduziert wird und wenn man sich dann einbildet, das Farbenproblem gelöst zu haben. Gewiß ist die Farbe wie alle sinnliche Qualität ein bloßer Ausschnitt: Ein Ausschnitt aus einer physikalischen und dynamischen Ganzheit, ein Ausschnitt auch insofern, als unser feinstes Organ, das Auge, doch im Vergleich zu noch Feinerem nur grobe Arbeit leisten und leicht betrogen werden kann, wie jeder Zauberkünstler beweist. Ein Ausschnitt auch in physiologischer und psychologischer Hinsicht, ein Ausschnitt dann insofern, als die gesamte Sinnlichkeit nur ein Ausschnitt aus einem Ganzen ist. Aber alles das hat nichts mit der Tatsache zu tun, das dieser in vieler Hinsieht verstümmelte Ausschnitt mehr ist als eine bloße Quantifizierung, sondern voll ist von der Prophezeiung und lebendigen Hoffnung einer ungeheuren Ganzheit, voller Reichtum und Überfluß dadurch, daß die sinnliche Qualität und so auch die Farbe ein aufwachsender Pleromakeim ist, der nur in der Kohärenz dieses Allzusammenhangs verstanden werden kann. Das macht es ja dann auch möglich, daß in der Malerei die Farbe zu einem solch großen Symbol einer über-ichlichen Welt wird. Der Symbolismus der Farben reicht in alle Kultursphären hinein. Wäre die
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Farbe ein farblos Quantitatives, dann müßte das alles Schein und Täuschung sein. Gewiß würden wir uns damit abzufinden haben. Aber gerade das ist nicht die Wahrheit, sondern der Irrtum. William James hat auf s e i n e Weise das Wesen der Farbe erkannt. Er setzt sie als ein „Zwischensein" an. Hier vor mir liegt weißes Papier. Die Weiße ist ganz im Papier, und das Papier auch ganz in der Weiße. Es wird von der Weiße umspielt. Sein Wohnort ist gewissermaßen die Berührungszone zwischen dem Subjekt und dem Objekt. Die Weiße ist Empfindung, aber die Weiße ist auch das Papier. Die Weiße ist das Zwischensein zwischen beiden, das gewissermaßen, wie Holt sagen würde, ein Niemandsland ist. Die amerikanischen Neurealisten sprachen da von einem „neutral stuff", womit sie aber zu weit gingen und in eine andere Art von Materialismus absanken. Wir haben die Auffassung des großen amerikanischen Psychologen auf unsere Art wiedergegeben und sind schon etwas über ihn hinausgegangen. Das Zwischensein ist im Grunde die Raumzeitlichkeit. Wird dabei das Materialbedingende der Farbe mit herausgehoben, dann läßt sich dieses essenzhafte, schwebende Sein der Farbe zwischen Subjektivität und Objektivität, zwischen Physikalischem und Physiologischem, zwischen Physiologischem und Psychologischem sehr gut als ein Zwischensein, als eine Allberührung auffassen. Nur hat diese Struktur keine Stabilität in sich, man kann bei ihr nicht verweilen. Sie selbst besteht nur im Vorübereilen, sie geht in etwas anderes über. Die Farbe ist g a n z Physikalisches, g a n z Physiologisches, g a n z Psychologisches, g a n z Subjektives, g a n z Objektives, g a n z Ideales, g a n z Reales mit dem Ganz-Ganz, das wir als dialektische Umschreibung der Tendenz zur Pleromatik hin bereits kennengelernt haben. Es überschneidet sich da vieles, und was sich in diesen Überschneidungen deckt, ist das Zwischensein als eine Möglichkeit einer Herausgehobenheit. Delikat wie die Farbe selbst ist, ist auch ihre ontologische Umschreibung. Die Bewegung im dialektischen Ganz-Ganz kommt erst im MeontischMeontologischen zu ihrem Ziel und Ende. Was wir hier beispielhaft von der Farbe sagten, gilt von der sinnlichen Qualität überhaupt, und das begründet die Kategorialität der Kategorie der Qualität. Sie wird hinanführen zu der anthropologischen Formel: Der Mensch ist ganz Leib, ganz Seele und ganz Geist, und dann auch noch darüber hinaus. Als Beispiel für eine primäre Qualität führen wir zum Unterschied von der Farbe die Undurchdringlichkeit der Materie an. Die primäre Qualität dringt tiefer in das Intensive ein als die sekundäre. Sie ist auf dem Wege zur Quantifizierung. Sie gehört mehr zum Innerlichen und Intensiven als die Farbe. Inneres und Äußeres sind im Seienden relativ. Goethe sah auch das Äußere als Innerlichkeit, und zwar ganz pleromatisch. Die Monade Leibniz überspitzte den Gedanken der reinen fensterlosen Innerlichkeit zuungunsten der Äußerlichkeit. Kant hatte einen ähnlichen Blick wie Goethe, nur mehr analytisch unpleromatisch. Nach ihm dringt der Geist durch Beobachtung und Zergliederung in
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das Innere der Natur ein. Natürlich schränkt sich das auf die Erscheinung ein. Wieder eine andere Art von Innerlichkeit ist die Art, wie wir uns selbst von innen sehen, und das haben wir ja bei der Empfindung kennengelernt. Die sekundäre Qualität gehört mehr der relativen Äußerlichkeit an, der Oberfläche, die primäre, wie die Undurchdringlichkeit, mehr der relativen Innerlichkeit. Das Gesicht ist der besondere Sinn der Oberfläche. Das ist aber im Licht der vorigen Erörterung keine Herabsetzung. So nimmt z . B . die Farbe in der Malerei eine überdingliche Innerlichkeit an, die tiefer greift als die dingliche. Das Gehör wird von Schallwellen getroffen. Die Tonqualitäten fügen diesem rein Physikalischen alles hinzu, was zur Gesamtheit der sinnlichen Qualität gehört, wie das auch bei der Farbe der Fall war. Der Geschmack ist der chemische Sinn. Das Chemische spielt dabei eine ähnliche Rolle wie das Physikalische bei Farbe und Ton. Süß und bitter sind sekundäre Qualitäten, bei denen in besonderer Weise die rein biologische Funktion für die empirische Subjektivität hervortritt. Die objektbedingende Subjektivität fehlt nicht (sonst würde sich das Psychische in das Biologische auflösen), ist aber nicht fähig, so in das Überempirische hineinzuwachsen, wie das bei Farbe und Ton der Fall ist. Deshalb können die Geschmacksqualitäten nicht für die hohe Kunst verwandt werden. Das ist gerade das Wunderbare bei Farbe und Ton, daß diese so in das Überbiologische hinaufwachsen, daß ihre qualitative Sinnlichkeit das Geistige berührt und so in die hohe Kunst einzieht. Aber auch diese ätherischen Qualitäten haben etwas dem Geschmack Ähnliches an sich, so daß das Ästhetische geradezu der Geschmack heißt. Hier hat sich dieser Begriff erweitert. Die objektbedingende Subjektivität schafft ihre eigenen neuen Gebilde in der empirischen Subjektivität. Ohne das würde bei der letzteren die Zufälligkeit überhandnehmen. Sie ist objektbedingt und wird sogar den Dingen Untertan. Denn die Subjektivität reicht über die Dinge hinauf und unter die Dinge hinunter. Der Geruch ist ähnlich wie der Geschmack und auch biologisch aufs engste mit ihm verbunden. Jedoch ist er nicht mehr so primitiv subjektiv wie dieser. Er steht zwischen ihm und den objektivsten Sinnen. Der Hund ist das eigentliche Schnüffeltier, ihm hat sich im Geruch eine Welt erschlossen, die uns ungreifbar bleibt. Der Geruch ist aber auch noch zu empirisch-subjektiv, um kunstfähig zu werden. Das Parfüm gehört einer ästhetischen Sphäre an, der die große Kunst verschlossen bleibt. Der Zugang zur Intuition und zur Ideation fehlt. Das bloß biologisch Zweckmäßige überwiegt. Aber das hat nichts damit zu tun, daß nicht auch die Gerüche sinnliche Qualitäten im Vollsinn des Wortes sind. Und den Nachteilen entsprechen auch Vorteile. So vermag die „Witterung" Dinge zu entdecken, die dem Gesicht und dem Gehör verschlossen bleiben. Sie hat tiefere Beziehungen zur primitiven Innerlichkeit und bildet davon ihre eigenen Vorstellungen aus. Sie geht ein in die prophetische Gabe und vergeistigt sich da.
Die Kategorie der Qualität
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Der Tastsinn ist der Grundsinn, aus dem die anderen Organe sich entwickelt haben. Alle Sinne sind Spezifikationen des Tastsinnes. Das Auge tastet das Licht ab. Der Tastsinn vermittelt solche Qualitäten, wie glatt und rauh, die zu den sekundären gehören. Er ist nicht mit dem Gefühl zu verwechseln, denn er gehört der Empfindung an. Seine Empfindungs-Genesis kommt nicht ohne Bewegung zustande, die meist unbewußt bleibt. Das gilt auch von den übrigen Sinnen. Alle Sinne sind mit spezifischen Sinnesenergien begabt, die nur im Selbstgenuß gehabt werden und unbeschreibbar sind. Sie stellen eine kleine Auswahl aus einem großen Bereich dar. Aber selbst in dieser Armut bezeugen sie den unbeschreiblichen Reichtum der Wirklichkeit. Die spezifischen Sinnesenergien sind nicht auf die Empfindungen begeschränkt, sondern erstrecken sich auch auf das Gefühl, und sie erreichen ihre Klimax in Lust und Schmerz. Zwischen den Ausschnitten, die die Empfindungen aus der Wirklichkeit ausschneiden, bleiben Lücken bestehen. Der Übergang vom Gehör zum Gesicht macht den Sprung von der Luft in das Licht. Aber gerade diese Diskontinuierlichkeit trägt dazu bei, das diskursive anti-kontinuierliche Denken zu wecken, die endliche Begrifflichkeit, bis dann in der Ideation die Kontinuität neu aufgenommen wird. Das ist ein geheimnisvoller Bezug zwischen Sinnlichkeit und Denken. Dabei gehen die Qualifizierungsprozesse zunächst in die Quantifizierungsprozesse über, ohne darin verweilen zu können. Letztere füllen die Lücken vorläufig aus, mit einer qualitätszerstörenden Wirkung. Aber die Mathematik tut dabei ihr großes Werk, und allmählich verbessert sich die Lage wieder. So kann z. B. die Undurchdringlichkeit nicht durch bloße Anziehungsund Abstoßungskraft konstruiert werden, wie das Kant versuchte. Noch etwas anderes ist erforderlich, das in der Blickrichtung von Intensität und Potentialität liegt und das die Totalität der sinnlichen Qualität, die die Undurchdringlichkeit ist, nicht antastet. Etwas Ähnliches gilt von der Empfindung der lastenden Schwere des Steines, der auf meiner Hand liegt. Hier werden uns die Unterscheidungen helfen, die auf der Einteilung der sinnlichen Qualitäten nicht in zwei, sondern in drei Gruppen beruhen. J e mehr der Gang in das Intensive und Potentielle hinein fortschreitet, desto mehr offenbart sich das Walten der bedingenden Materialität in ihrem großen Gegensatz gegen die bedingende Form aller Formen. Das Empfindungsreich ist ein Zeichensystem für die Wahrnehmung der Dinge, begabt mit einem durchgehenden Parallelismus und zugleich mit der Heterogeneität der Glieder. Aber das erschöpft die Empfindung nicht. Nichts, was zur sinnlichen Qualität gehört, wird dadurch zerstört, daß die Empfindungen zugleich als Zeichen dienen. Die Lehre vom Ding, seinen Eigenschaften, Beschaffenheiten und Zuständen, ist nur ein Ableger der Lehre von den sinnlichen Qualitäten. Das Ding ist der Träger der Eigenschaften. Diese sind Akzidentien. Die rechte Schau der 8 Samuel, Ontotogie
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sinnlichen Qualität erübrigt die törichte Frage, wie die Eigenschaft am Ding „angeheftet" sei. Bei den logischen Qualitäten verschwindet gewissermaßen die „Farbe" (im übertragenen Sinne). Sie sind wie eine Schwarz-Weiß-Malerei. Zu ihnen gehört die Bejahung, die Verneinung und die Bestimmung. So tritt die Qualität von Urteilen auf als das bejahende, verneinende, limitierende, unbestimmte oder unendliche Urteil. Die sinnlichen Qualitäten sind auch das, was der I n h a l t von Empfindung, Wahrnehmung und Anschauung genannt wird, so wie Bejahung, Verneinung und Bestimmung logische Inhalte sind, während allgemeine, besondere und einzelne Urteile und Begriffe zur Form, zum Umfang und zur Quantität gehören. Damit legen wir uns aber nicht auf eine Immanenztheorie nach der Art von Stumpf fest. Die qualitative Inhaltlichkeit stört nicht die Transzendenz des qualitativ Seienden. Die Inhaltlichkeit erweitert sich ja in der transzendent bleibenden Immanenz und in der bedingenden Materialität. Die auf einer falschen Erkenntnistheorie beruhende Lehre eines primitiven Atomismus von der Farbe (als Beispiel der sinnlichen Qualität überhaupt) als subjektiver Erscheinung einer an sich farblos seienden Welt ist durchaus nicht der Naturwissenschaft wesentlich. Die Feldtheorie könnte eine ganz andere Lehre entwickeln. Die totalistische Schau der Farbe durch die Meontologie und die Phänomenologie, die auch das vorwissenschaftliche Bewußtsein berücksichtigt, zeigt am Beispiel der Farbe, wie der bedingende Geist gewissermaßen die ersten Fühler der bedingenden Materialität in die Form aller Formen ausstreckt. Jene läßt sich in ihren Anfängen belauschen. Die Farbe steht der Raumzeitlichkeit noch sehr nahe, mit dem Unterschied, daß bei ihr die Erstlinge der bedingenden Materialität erscheinen. Hierauf beruht der Unterschied zwischen den sekundären Oberflächen-Qualitäten und den primären Tiefen-Qualitäten. Indem diese in das Intensive des seiend Dinglichen eindringen, erweitern und vermehren sich die Gegebenheiten der bedingenden Materialität. 20. Die Qualität in den Kultursphären Wir kommen nun zu den kulturphilosophischen Erweiterungen der Kategorie der Qualität. Sie sind mannigfacher Art, aber wir beschränken uns hier nur auf wenige Bemerkungen, die die Richtung andeuten, in der sich die Einzeluntersuchung zu bewegen hätte. I n der Ethik sind die Grundqualitäten das Gute und das Böse als Eigenschaften eines Willens. Wie K a n t sagt, daß nur ein Wille gut oder böse sein kann. Dieser qualitative Gegensatz greift tiefer als der von wahr und falsch oder von schön und häßlich. Damit haben wir aber auch schon die Grundqualitäten der Erkenntnis und der Ästhetik genannt. Die sinnlichen Qualitäten sind in der Erkenntnis auf diese Grundqualitäten von wahr und falsch bezogen, in der Ästhetik auf schön und häßlich.
Die Qualität in den Kultursphären
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Es ist charakteristisch, wie z. B . eine Farbe der einen oder der anderen zu dienen vermag. Sie kann Zeichen der Erkenntnis eines Gegenstandes sein und Bestandteil eines ästhetischen Harmonie-Erlebnisses. Die Abspaltung findet nicht in der sinnlichen Qualität statt, sondern in einer darüber lagernden, höheren geistigen Region. Da ist es, als ob plötzlich neue Qualitäten hervorsprängen. Auch die ethische Grundqualifizierung von gut und böse ist auf einem weiten Reich unterer Qualitäten erbaut, Qualitäten des Charakters, die in der Tugendlehre behandelt werden. Auf ihnen beruht der Qualitätsunterschied der ethischen Werte. Durch die Qualifizierung von wahr und falsch wird auch die Erkenntnissphäre zu einer Kultursphäre wie die Ästhetik und die Ethik. Das hat Rückwirkungen. In der Soziologie ist die Grundqualifizierung die von sozial und asozial. Der theologische Grundgegensatz der Qualität ist der von heilig und verrucht, der im Lateinischen sogar durch dasselbe Wort sacer bezeichnet wird. Auch im Alten Testament kommt die Heiligung eines Menschen durch Gottes vernichtenden Zorn vor. Auf Gott selbst angewandt, ist die Qualität der Heiligkeit seine auszeichnende Eigenschaft und Vollkommenheit. E r ist der Heilige schlechthin. Keiner ist heilig als er. Menschen werden nur durch ihn und in ihm geheiligt, und dann können sie den Namen Gottes in all ihrem Tun heiligen. Die Heiligkeit Gottes ist gewissermaßen seine übernatürliche, metaphysische Moralität, die weit alle Menschenmoral transzendiert. Sie ist, nach der ethischen Seite hin, die Zusammenfassung aller seiner anderen Eigenschaften, Qualitäten, Attribute und Vollkommenheiten, so wie seine Herrlichkeit dasselbe nach der pleromatischen Seite ist. Solche Attribute sind: Liebe und Freiheit, mit anderen Worten: die göttliche Liebe innerhalb der göttlichen Freiheit und die göttliche Freiheit innerhalb der göttlichen Liebe. Zur ersten Gruppe gehören Gnade und Heiligkeit, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, Geduld und Weisheit. Zur zweiten: Einheit und Allgegenwart, Beständigkeit und Allmacht, Ewigkeit und Herrlichkeit. Das ist die Einteilung von Karl Barth. Eine andere Einteilung ist z. B. die von John Theodore Müller: Negative Attribute: Einheit, Einfachheit, Unveränderlichkeit, Unendlichkeit, Unermeßlichkeit, Ewigkeit, Allgegenwart. Positive: Leben, Wissen, Weisheit, Wille, Heiligkeit, Wahrhaftigkeit, Macht, Güte. Eine dritte Einteilung würde die der meontologischen Theologie sein, die von der Unterscheidung zwischen Heiligkeit und Herrlichkeit ausgeht. Wir wollen hier nicht näher darauf eingehen. Was hier wichtig wird, ist folgendes: Wie unterscheidet sich Gottes Verhältnis zu seinen Eigenschaften von dem eines Dinges zu seinen Eigenschaften? Nehmen wir z. B . die Gerechtigkeit. Sie ist an Gott nicht so wie eine Farbe an einem Ding. Selbst wenn wir den natürlichen Unterschied von Farbe und Gerechtigkeit heranziehen, bleibt noch ein wesentlicher Unterschied, d. h. die Gerechtigkeit ist an Gott auch nicht so wie an einem Menschen. Sofern Gott das Attribut der Gerechtigkeit besitzt, wird er ganz und 8•
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
gar zur Gerechtigkeit selbst, Gott ohne Abstrich. Dann ist die Gerechtigkeit durch und durch Gott und Gott durch und durch Gerechtigkeit. Und so mit jedem anderen Attribut, z. B. mit der Einheit, der Einfachheit, die auch Attribute von Dingen sein könnten. Das ist das einzigartige Ganz-Ganz der theologischen Attributenlehre. Ein Ding wird nicht lauter Farbe, indem es gefärbt ist, sondern die Farbe gehört nur zu seiner Oberfläche. Ein gerechter Mensch wird nicht zu lauter Gerechtigkeit, aber Gott wird dazu, sofern er gerecht ist. Es ist, als ob für den Augenblick nichts anderes da wäre, als seine Gerechtigkeit und als ob er ganz darin aufginge. Das ist das attributive Moment in ihm. Zugleich ist er auch die anderen Attribute und noch mehr und anderes. Denn die Attribute sind im Zusammen einer unaufhebbaren Identität und einer unaufhebbaren Diversität. Deshalb gibt es auch über all das hinaus eine pleromatische Tendenz in den Attributen, so wie die Herrlichkeit das All aller seiner Vollkommenheiten ist. Und in eine noch andere Dimension fragt das Trinitätsproblem hinein, das zur Attributenlehre in einem charakteristischen Gegensatz steht. Auf jeden Fall zeigt sich, wie sehr variationsfähig die Qualitätskategorie ist. Die meontologische Theologie wird dieses Problem weiter aufzugreifen und fortzusetzen haben. Jedoch fragt es sich, ob diese theologische Attributenlehre sich nicht bereits von einer der wirklichen Religion allein dienenden Theologie (und nicht einem falschen Ideal von Theorie) entfernt hat und ob nicht der Verzicht auf eine solche Lehre der Religion besser dient als ihre breite dialektische Entwicklung. Der Vergleich der göttlichen Attribute mit den dinglichen Qualitäten rückt diese in eine gefährliche Nähe zur Naturwissenschaft und Erkenntnistheorie. Die Gegensatzpaare des Wahren und Falschen, des Guten und Bösen, des Schönen und Häßlichen, des Sozialen und des Asozialen, des Heiligen und des Verruchten geben als Grundqualitäten der Sphären sehr gut die totale Anderheit wieder, mit der das der Kultur Vorgeordnete in ihr erscheint. 21. Die Kategorie der Quantität Wir kommen nun zur Kategorie der Quantität. Die sinnliche Qualität gehört zur Empfindung und umgekehrt, aber das, was der Empfindung entspricht, ist das reale Erscheinungsseiende, dessen Intensität und Potentialität und Extensität die Quantifizierung in Gang bringen. Sie hat es hauptsächlich mit der Messung zu tun, und diese ist eigentlich schon eine Synthese von Quantität und Qualität, wie Hegel ganz richtig erkannt hat. Es ist etwas ganz anderes, etwas nur in unbestimmter Weise größer als ein Anderes zu erkennen, als zu der Frage zu kommen: Um wieviel größer ist es % Hier setzt das Bedürfnis nach Bestimmung und Genauigkeit ein, und es wird durch das Messen befriedigt. Mit ihm verbindet sich das Zählen, das auch eine Art von Messen ist, wie auch
Die Kategorie der Quantität
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umgekehrt. Dasselbe gilt vom Wiegen. Quantum, Größe, Zahl, Maß, Grad, Gewicht werden zu Domänen der theoretischen und angewandten Mathematik, zu deren Formalismus der Raumzeitlichkeit immer noch ein Element der bedingenden Materialität hinzutritt, das erst die Quantitätskategorie vollendet. Sie kann nicht rein formalistisch erklärt werden. Das darf aber nicht mit dem Umstand verwechselt werden, daß der Formalismus der Raumzeitlichkeit auf Apriorität beruht, denn die bedingende Materialität stellt sogar eine noch kernhaftere Apriorität dar, und ohne diese bleibt die Theorie der Mathematik nur eine Halbheit. Wir sind ja auf dem Wege, das zu begreifen. Das Intensive ist fähig, durch die Empfindung transparent zu werden. Das hört aber beim Potentiellen auf, und deshalb offenbart dieses eine noch stärkere Tendenz zur bedingenden Materialität hin, deren Problem für uns immer dringender wird. Die großen Betätigungsfelder der Quantifizierungsprozesse sind die Mechanik, die Energetik und die Chemie. In diesen Wissenschaften ist die meiste Mathematik enthalten. Darüber hinaus verblassen die Quantifizierungen, aber sie verschwinden nicht. So in der Biologie und in der Psychologie. Das Fechnersche Logarithmengesetz zur Messung der Empfindungsintensität durch die Reizintensität war ein genialer Kunstgriff, aber es hat sich herausgestellt, daß es kein echtes mathematisches Gesetz ist. In den Geisteswissenschaften spielen Quantifizierungen eine große Rolle, z. B. statistische Gesetze in der Soziologie. Aber sie alle sind nur da strenge Mathematik, wo es sich um mitverbundene physikalische, energetische oder chemische Elemente handelt, darüber hinaus tun sie aber noch den guten Dienst von Annäherungswerten und sogar von symbolischer Verwendung von Quantifizierungen. Der Nachteil der Ungenauigkeit und Unbestimmtheit wird zum Teil durch den pleromatischen Reichtum der so vermittelten Einsichten ausgeglichen. Sogar in der Theologie kommen Quantifizierungen vor. Ein Beispiel lernten wir bereits kennen: Es war das der Begriff dessen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann im ontologischen Beweis des Anselm. Die biblischen Äone, Zeitalter sind quantifiziert. Sie haben ihren Anfang und ihr Ende. Daß die Gnadenzeit eines Menschen abgelaufen sein kann, daß Gottes Geduld erschöpfbar ist, sind auch quantitative Bestimmungen, die zu manchen Fragen und Problemen Anlaß geben. Die Frage ist, wie weit sich hierin ontische Gebundenheit ausspricht. Die Durchquantifizierung der Mathematik führt zum plötzlichen Auftreten eines neuen Qualitativen. An diesem Ende erscheint das Kontinuitätsproblem mit seinen Unendlichkeitsrätseln. Die ganzen Zahlen sind der Anfang einer natürlichen Quantifizierung. Wir sahen schon, wie dieser Prozeß durch die Entdeckung der Brüche und der Irrationalzahlen das plötzliche Erscheinen der Kontinuität herausfordert. Das zeigt mehr als alles Andere, daß dabei auch eine bedingende Materialität im Spiele ist. Sonst würde der Hingang zur Null nicht so voller Dramatik sein. Dabei ist die Quantifizierung der Intensität der
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Grad. Das Potentielle aber wohnt im Niemandsland. Die Analyse stellt unendlich viele Kleinigkeiten heraus. Die Synthese gliedert sie und sammelt sie zu einem großen Ganzen. Es ist, als ob jede Kleinigkeit sich von einem Vorab-Ganzen nähre und ein Spiegel seiner Totalität sei. Die ganze Mechanik wird von diesem Symbolismus durchwaltet. Er verhindert, daß das mechanische Bewußtsein zur Selbstsicherheit verdirbt. Die Grundlagenkrisen sorgen dafür. Die Mechanik t u t dem menschlichen Geist einen großen Dienst. Sie hat ihn von Willkür, von törichten Tagträumen und von bösem Aberglauben befreit. Oft hat sie dabei das Gute mit weggenommen, und damit beschwört sie die Gegenbewegung herauf. Der Weg zur Wahrheit ist ein Dornenweg. Der Erkennende ist sein eigener Feind. Die docta ignorantia ist eine große Tugend, aber sie ist nicht das letzte Wort. Zwischen dem unendlich Großen und dem unendlich Kleinen besteht eine Untergrund-Verbindung. Das Meontisch-Meontologische erscheint auch vor dem Bewußtsein in punktförmiger Gestalt als die bedingende Materialität, als das bedingende „Ist". Nur beide zusammen sind das Umfassende, Einschließende, Sich-öffnende. Die qualitative Quantifizierung, die zum Anfang der Bewältigung des Unendlichkeitsproblems führt, steht im Dienst dieser Umfassung und Eröffnung. Zuerst wird versucht, die Mechanik auf die Energetik anzuwenden. Dann stellt sich heraus, daß das nicht geht. Es kommt nicht über einen Ansatz hinaus. Die Energetik entwickelt ihre eigene Art von Mechanik. Diese reformiert dann auch die erste Mechanik. Das Stockende kommt neu in Fluß. Das vollbringt die Relativierung der Zeit, wodurch sie mehr ihr Eigentliches wird und ihre Starrheit verliert. Die Größe „ h " ist eine wunderbare Synthese der qualifizierenden Quantifizierung. Heidegger urteilt sehr ungünstig über die Quantifizierung. Er sagt, daß alles Rechnen das Zählbare im Gezählten aufgehen läßt, um es für die nächste Zählung zu gebrauchen. Es läßt anderes als das Zählbare nicht aufkommen („Was ist Metaphysik ?", S. 43). Er hat recht, sofern das Rechnen sich als Rechnen um des Rechnens willen mißversteht. Aber das ist nicht notwendig so. Ihm bleibt, wenn es vom Geist des Dienstes und der Demut erfüllt ist, durchaus der Ausweg offen in das, um dessentwillen gerechnet wird. Das ist gerade bei den großen Mathematikern und Naturwissenschaftlern der Fall. Einheit und Einzelheit, Vielheit und Besonderheit, Allheit und Allgemeinheit funktionieren deshalb als quantifizierende Kategorien mathematisch und übermathematisch zugleich. Beachte z. B. den verschiedenen Sinn von Einheit bei folgenden Gebilden: die Eins, das Atom, der Organismus, eine Empfindung, ein Thema, ein Charakter, das Ich, ein Kunstwerk, die Geschichte eines Volkes, Gott. Welch ein Reichtum der Einheitsfunktionen! Und so auch mit Vielheit, Mannigfaltigkeit, Besonderheit, Allheit und Allgemeinheit. Man darf eben die Quantität nicht mit ihrer niedersten Schicht identifizieren.
Das Ding an Bich
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Es ist gut, wenn der Bildhauer, der Architekt, der Maler, der Musiker, der Dichter Naturwissenschaften studieren. Aber sie können das Erlernte nur als untergeordnete dienende Mittel für ihre Kunst im Sinne des Uneigentlichen gebrauchen. Eine Seite hiervon ist, daß ihre Kunstwerke den naturwissenschaftlichen Gesetzen wenigstens nicht widersprechen (es sei denn, daß die Abweichung beabsichtigt ist), so z. B. daß die Bildsäule eines Menschen nicht anatomisch Widernatürliches aufweist. So steht es um die Quantifizierungsprozesse in der ästhetischen Sphäre, und Ähnliches gilt von den anderen Kulturbereichen. In Kunstwerken ist viel Mathematik eingebettet, aber eben als bloße Latenz und Immanenz. Eine wichtige Seite der Quantifizierung ist das Gesetz der H ö c h s t maße. Jene strebt der Pleromatik entgegen und bringt durch sich selbst eine qualitative Änderung zuwege. So beruht der Unterschied zwischen einem Blumenliebhaber und einem fachmännischen Botaniker auf dem quantitativen Unterschied zwischen Laien und Gelehrten in der intensiven Beschäftigung mit einem Wissenszweig. Im Botaniker sammelt sich gewissermaßen das Pleroma der Pflanzenwelt selbst an, und jedes Pleroma läßt so leicht keinen Menschen mehr los. Das ist nicht nur ein quantitativer, sondern auch ein qualitativer Unterschied, aber er ist entstanden durch einen Quantifizierungsprozeß. Der erreicht durch Steigerung immer einen kritischen Punkt, wo er ins Qualitative umschlägt. Das ist das Gesetz des Höchstmaßes, und das ist auch bei der Bewertung der mathematischen Methodik zu bedenken. Deshalb ist es falsch, der Mathematik nur die Quantifizierung zuzuschreiben.
22. Das Ding an sich Wenn wir nun in die Richtung sehen, die vom Intensiven zum Potentiellen führt, dann stoßen wir auf das Ding an sich, das in der Verlängerungslinie steht. Allerdings, das Ding an sich sollte da stehen, wird aber zu einer Leerstelle, zu einem Grenzbegriff, zu einem Noumenon. Der Unterschied vom Potentiellen ist: dieses befindet sich noch gerade auf der Grenze von Ansich und Erscheinung, und es kann zur letzteren gerechnet werden. Seine methodische Kontinuität mit der Erscheinung bürgt dafür. Das Intensive steht schon klar ganz und gar im Reich der Erscheinung, obgleich es der Grenze noch so nahesteht, daß es relativ das Unerscheinliche in der Erscheinung vertritt. Ganz anders ist die Situation mit dem Ding an sich. Es gehört gar nicht mehr der Erscheinung an, steht ganz außerhalb ihrer, in der Transzendenz von Intensität und Potentialität. Es „liegt zugrunde", aber das schon ist zuviel gesagt. Wird ihm irgendwie Quantität oder Qualität zugeschrieben, dann ist es schon verfälscht. Und doch scheinen jene ohne dieses nicht auskommen zu können. Es scheint ihre ursprünglichste Bedingung zu sein. Die Fehler liegen klar zutage, und doch muß es Realgründe
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geben, weshalb diese Fehler gemacht werden, und das könnte beim Ding an sich das herausarbeiten, was eigentlich mit ihm gemeint wird. Das Ding an sich kann nicht in unsere Gedanken hineinkommen und kommt doch hinein. Es stößt die Erscheinung polarisch von sich ab, schließt sie aus. Als solches ist es das analytische Ding an sich, dessen Problem nicht geklärt werden kann, wenn nicht die hier begangenen Fehler aufgedeckt werden. Aber damit allein ist es nicht getan. Geben wir aber den zum Teil falschen und zum Teil wahren Ansatz einmal zu, dann ereignet sich eine Wendung, die das analytische Ding an sich zum synthetischen macht. Die metaphysische Ferne der Transzendenz wird zur Nähe der Immanenz. Das Ding an sich dringt gewissermaßen in die Erscheinung ein und überwältigt sie. Es wird pleromatisch. Es gleicht die Erscheinung sich selbst an, nicht umgekehrt. Es wird zur Fülle der Erscheinung. E i n e Folge davon ist auch die Inaugurierung des Geschichtsprozesses. Die Erscheinung findet ihre Erfüllung, ihre Aufhebung, ihre Vollendung, ihre Verwandlung. Aber das Wahre und Falsche in dieser Konzeption muß voneinander geschieden werden. Das Resultat ist dann nicht die einfache Eliminierung des Dinges an sich, sondern seine Interpretation und Berichtigung. Hiermit kommen wir nun zu dem eigentlichen Höhepunkt im großen Drama der Kategorialität, das auf dem Spiel und Gegenspiel von Raumzeitlichkeit und bedingender Materialität beruht. Hier wird uns die letztere zum eigentlichen Thema. Die bedingende Materialität ist nicht ein atomistisch oder monadisch transzendent Seiendes, das im Affektionsproblem steckt, ist nicht ein darauf aufgebauter Pluralismus, ist nicht ein monistisch Bedingendes von einem seienden Vorab-Ganzen her, ist nicht ein bedingendes Ding an sich, sondern etwas ganz Anderes, das wir nun zu bestimmen haben. Die gesamte ontologische Problematik alles Vorhergehenden drängt auf das hin, was jetzt in unsere Sicht tritt. Zunächst ist zu sagen, daß die bedingende Materialität das Bedingen selbst mit der bedingenden Raumzeitlichkeit gemeinsam hat, daß sie aber ihren Formalismus material durchbricht. Das hat unermeßliche Folgen. Die bedingende Materialität ist ein wirkliches Bedingen, ja das Bedingen alles Bedingens. Alles, was wir von den damit verbundenen Gefahren gesagt haben, von der Verwechslung der Bedingung mit dem Bedingten, von der schädlichen Verwandlung, von der Perversion, gilt hier im eigentlichsten und ursprünglichsten Sinne. Wir sind zum Kern vorgedrungen. Die bedingende Materialität kann geradezu das Allbedingende genannt werden. Natürlich hat die Materialität, die so bedingt, nichts mit materialistischen Vorstellungen von Stoff und Materie zu tun. Diese Worte können verwandt werden, aber sie haben einen ganz anderen Sinn, so wie auch Kant die Empfindung z. B. den Stoff der Erfahrung nennt, was ganz und gar nicht materialistisch gemeint ist. Es handelt sich aber auch nicht einfach um eine Art von geistiger Materialität. Um
Das Ding an sich
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was es geht, kann nur allmählich klar werden, und zwar dadurch, daß wir ergänzende und umschreibende Ausdrücke hinzusetzen. Und das wollen wir jetzt tun. Wir können die bedingende Materialität auch die bedingende Inhaltlichkeit und Gehaltlichkeit nennen. Wir haben diesen Ausdruck schon bei der Form aller Formen kennengelernt, die wir verstehende Inhaltlichkeit nannten. Es war aber nur eins ihrer Kennzeichen und ein sehr seltsames, schwer verständliches und meist übersehenes. Es beruhte auf dem Relativismus von Form und Inhalt, der bei der bedingenden Materialität antiformalistisch zugunsten des Inhalts zu Ende kommt. Und das ist hier gemeint mit der bedingenden Inhaltlichkeit. Damit ist auch ein anderes Verstehen verbunden als bei der Raumzeitlichkeit, ein wurzelhaftes, kernhaftes, anfangendes, endendes Urverstehen. Alles andere Verstehen ist von vornherein in dieses Verstehen hineingestellt, was die bedingende Gehaltlichkeit ist. Wir können die bedingende Materialität sogar die bedingende Gegenständlichkeit nennen, müssen aber mit diesem Ausdruck vorsichtig umgehen, weil Mißverständnisse damit verbunden sind. Es handelt sich hier nicht um die Gegenständlichkeit, die darin aufgeht, auf das empirische Subjekt bezogen zu sein, sondern gerade um das, was unabhängig von diesem Subjekt besteht, was wir besser Objektivität nennen können. Schon die objektbedingende Subjektivität besitzt diese höhere Gegenständlichkeit oder Objektivität. Aber die absolute Vollendung dieses Anfangs ist die bedingende Gegenständlichkeit, sofern sie identisch ist mit der bedingenden Materialität und Gehaltlichkeit. Das bedingende Sein, wie wir es kennengelernt haben, ist jedoch nicht einfach identisch mit der bedingenden Inhaltlichkeit. Aber es liegt auf dem Wege. Es kann einen letzten Zug des Abstraktistischen nicht abstreifen, der sich nicht für die bedingende Materialität eignet. Es ist nicht auf das Ontische, sondern auf das Ontologische ausgerichtet, nicht auf das Meontische, sondern auf das Meontologische, und es ist schuld daran, daß beim Meontisch-Meontologischen die letzte Scheidewand noch nicht fällt. Jedoch, sofern wir von dem Bedingenden sprechen können, das das konkrete Nichts, die totale Anderheit und das dritte Neutrale ist, kommen wir wiederum zu einer vollkommenen Deckung mit der bedingenden Materialität und Inhaltlichkeit, und aus diesen Umschreibungstypen geht klar hervor, daß es sich dabei um eine Materialität in einem ganz neuartigen und einzigartigen Sinne handelt, die bisher nicht dagewesen ist, und der weder durch materielle noch geistige Materialität wiedergegeben werden kann. Sonst könnten wir den Ausdruck „drittes Neutrales" entbehren. Hier ist nun die Stelle in der Problematik, wo es berechtigt erscheint, das Meontisch-Meontologische selbst als das Bedingende zu bezeichnen, so daß wir von einem bedingenden Meontisch-Meontologischen sprechen können, der Offenbarung des Allbedingens und der Totaldetermination. Hier ereignet sich allerdings ein Zusammenfallen von Stoff und Form,
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
Inhalt und Form, Gegenstand und Form, Materie und Form. Was das für die Raumzeitlichkeit bedeutet, werden wir später sehen. Aber auch die ungeheueren Implikationen in bezug auf die bedingende Materialität können nur allmählich hervortreten. Von hier aus tritt in Sicht, daß wir sogar vom bedingenden Seienden sprechen können, um die bedingende Materialität zu kennzeichnen. Das Seiende kam bisher zu kurz zugunsten des Seins, des Nichts und des Pleroma. Um des Unheils willen, das das Seiende in der Metaphysik angerichtet hat, mußte das so sein. Die Gefahrenzonen mußten erst eingezäunt werden. Das ist jetzt geschehen. Und so können wir dem Seienden Gerechtigkeit widerfahren lassen. Hier tritt nämlich das hervor, um dessentwillen sich das Seiende vom Sein und von allem anderen Gegensätzlichen abhebt, ein Recht alles Transzendentrealistischen gegen alles Transzendentale. Die Gerechtigkeit, die wir üben dürfen, besteht nun nicht in der Wiederannahme des Seienden, womit das alte Übel in die Metaphysik einziehen würde, sondern im Verstehen dessen, was das Seiende als Seiendes uns so sehr in den Mittelpunkt unserer Anschauung rückt. Und das ist die bedingende Materialität. Von ihr aus können wir das Seiende verstehen und seine Gefahren bannen. Der Unterschied von Seiendem und Sein, von Seiendem und Nichts und der gegenteilige Unterschied von Seiendem und Fülle wird durch die bedingende Materialität geklärt, und damit wird das wahre Verhältnis von Erscheinung und Ansich enthüllt, und das bahnt den Weg, im Ding-an-sich-Problem das Wahre vom Falschen zu scheiden. Daß wir das Bedingen des Geistes bedingende Materialität nennen, will besagen, daß er nicht mehr in ein unaufhebbares Gegenüber zu einer Materie gesetzt ist, wie das beim animalisch-psychischen Geist der Fall ist. Alle anderen Arten des Geistes, der subjektive, der personale, der soziale, sogar der objektive gehören dem Animalisch-Psychischen an. Denn dieses hat auch seine Essenzen, und sie werden in der Wesensschau, die den objektiven Geist erfaßt, gesehen. Aber es ist gut, daß neben „Materialität" auch die anderen Ausdrücke treten: Inhaltlichkeit, Gehaltlichkeit, Gegenständlichkeit. Das bedingende Meontisch-Meontologische ist identisch mit dem bedingenden Geist. Sein Ansich kann nicht in unsere Gedanken hineinkommen. Aber unsere Gedanken kommen in ihn hinein, und auf diese paradoxe Weise kommt dann doch der bedingende Geist in unsere Gedanken hinein. Das bedingende Seiende erscheint in Kette und Komplex der Erscheinungswelt, vor allem als die seiende Ursache, also ganz phänomenal. Der bedingende Geist ist das dritte Neutrale zu Sein und Seiendem, zu Ontologischem und Ontischem, und hierin liegt auch die Rechtfertigung des Seienden und Dinglichen. Der Irrtum der Metaphysik beginnt erst mit seiner Hypostase und besteht auch darin, daß sie nicht das verborgene Licht des Seins und des konkreten Nichts sieht, in dem das Seiende steht und in dem es erkannt wird.
Das bedingende Ist
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23. Das bedingende Ist Nun aber können wir noch einen ganz anderen Ausdruck auf die bedingende Materialität anwenden, der sehr seltsam ist und der einer besonderen Rechtfertigung bedarf: wir können sie das bedingende Ist nennen. Dieses Wörtchen ist grammatisch die 3. Person Singular des Präsens des Indikativ des Infinitiv s e i n . Logisch ist es die Urteilskopula in dem Urteil,,S ist P " , zugleich aber auch Prädikat in demExistentialurteil: „ S i s t " , im Sinne von: ,,S existiert". Und auch das erstere Urteil kann in ein solchesExistentialurteil verwandelt werden:, ,S ist P " , heißt dann:, ,das P-Sein von S existiert". (So fiuch bei Hartmann.) Das Existentialurteil scheint also das grundlegende und wichtigste der Logik zu sein. Auf jeden Fall ist dies die Meinung der Meontologie. Wir haben es da ja zunächst mit dem Sein im Sinne der Existenz zu tun. Beide sind nicht absolut ein und dasselbe. Aber beide gehören zusammen und stehen einander sehr nahe, wie wir schon gesehen haben. Weshalb verwandeln wir aber diese grammatische Form und diese logische Kopula (das eigentliche Verhältniswort) und dieses existentielle Prädikat in ein Substantiv von der neutralen Art und sagen: das Ist. Gelangen wir dadurch zu etwas Anderem als zu dem Verbalsubstantiv, dem substantivierten Infinitiv S e i n ? Was ist der Unterschied zwischen dem Ist und dem Sein ? Besteht überhaupt ein solcher ? Lohnt es sich, dieses Substantiv in die Terminologie einzuführen? Rückt es nicht in genau dieselbe Abstraktheit hinein, die das Sein nie ganz von sich abstreifen kann, selbst da, wo es so pleromatisch wird, das Sein von Geschichtlichkeit zu sein, die ja nur eine phänomenale Höchststeigerung ist, aber die Erscheinlichkeit keineswegs transzendiert ? Geschieht diese Wendung ins Abstrakte nicht schon dadurch, daß wir sagen: d a s I s t ? I n der Festsetzung einer Terminologie haben wir bis zu einem gewissen Grade Freiheit. Wir müssen nur konsequent bei dem einmal Festgesetzten verharren. Aber die Freiheit ist nicht unbeschränkt. Niemand kann z. B. „transzendent" und „transzendental" miteinander vertauschen. Es geschieht, aber es ist ein Mißbrauch der Freiheit. Ist nun das, was wir hier tun, auch ein solcher? Wir glauben es nicht, und folgendes sind unsere Gründe: Wir erwähnten das Existentialurteil: „ S i s t " , im Sinne von: ,,S existiert". Welches ist der Unterschied von Sein und Existenz ? Das Sein gehört einer anderen ontologischen Abstammungslinie an als die Existenz. Jenes präsidiert über das Ontologische, zu dem das Sosein, die Essenz, die Idealität, die Possibilität, die Ideation, die Sphärenwerte usw. gehören. Deshalb steht auch das Sein in so inniger Beziehung zur Logik, zur Erkenntnis und zum Denken, so daß sogar gesagt worden ist, Sein und Denken seien identisch, oder wenigstens partiell identisch, so daß das Sein zugleich mehr als das Denken sei. Die Existenz dagegen, vertreten durch das Vorstellungsexperiment der absoluten Position, präsidiert über die andere ontologische Abstammungslinie, zu der das Dasein, die Realität, die Wirklichkeit usw.
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
gehören. Das Sein ist transzendental und endet im Meontologischen und im konkreten Nichts. Es drängt zum Idealismus. Die Existenz dagegen drängt zum transzendenten Realismus, sie endet im Meontischen. Dies ist nun der Unterschied zwischen Sein und Existenz. Aber der geht nicht so weit, daß wir sagen könnten: die Existenz ist transzendent. Nein, die Existenz als Kategorie ist auch transzendental, wie schon die abstrakte Wortform andeutet. Die Existenz ist nicht das Existierende. Zwischen beiden ist ein Unterschied wie zwischen Sein und Seiendem, und in dieser Beziehung gehört auch die Existenz zum Sein. Nun aber hat das Seiende als solches, das Existierende, eine Beziehung zur bedingenden Materialität, für die wir bereits mehrere Umschreibungstermini gefunden haben. Tatsächlich hat sie sich dadurch bereits etwas aufgeklärt. Die Existenzkategorie ist nicht fähig, in die Reihe dieser Termini einzutreten. Sie hat noch zu viel kategorial Formelles an sich, und es handelt sich ja gerade jetzt um den eigentlichen Durchbruch durch den Formalismus, der so gründlich sein muß, daß sein Ende erreicht und er von hierher begrenzt wird. Deshalb benötigen wir einen Ausdruck, der genügend Verwandtschaft mit dem der Existenz hat, aber frei von dem kategorialen Formalismus ist. Das Sein kann dieser Ausdruck auch nicht sein, obgleich es fast so viel ist wie das Existieren. Das Seiende als Seiendes vermag uns auch keine Dienste zu tun, denn als Seiendes ist es immer Erscheinung und nie bedingende Materialität. Das konkrete Nichts scheidet aus, weil es Seinsfunktion gegenüber dem Seienden verrichtet. Das Seiende steht in seinem Licht. Die anderen Umschreibungstypen, Materialität, Ding an sich, Inhaltlichkeit, Gegenständlichkeit zeigen nicht die gewünschte Verwandtschaft mit der Existenz. Das ist jedoch ganz entschieden der Fall bei dem logischen Existentialurteil: ,,S ist", im Sinne von ,,S existiert". Deshalb bilden wir den neuen Terminus: das Ist und reservieren ihn zur Bezeichnung für die bedingende Materialität, die allen Formalismus durchbricht und ihm immer schon vorgebaut hat. Das Ist tritt damit in die Reihe der anderen Umschreibungsausdrücke ein, von denen jeder eine besondere Seite zeigt: Ding an sich, der schwächste und fehlerhafteste (aber er kann nicht entbehrt werden), Inhaltlichkeit, Gegenständlichkeit, vor allem aber Materialität, alles im Sinne des Bedingenden. Das Wort Ist ist besonders fähig, das kernhaft Ursprüngliche des Bedingenden alles Bedingenden zu bezeichnen, gerade weil es eine Substantivierung des wichtigsten Verbums der wichtigsten grammatischen Form ist. Es hat tiefe Gründe, weshalb, allgemein gesprochen, weder das Substantivum noch das Verbum das Erste in der Sprache, sondern beide gleich ursprünglich sind. Das hängt mit dem dritten Neutralen zusammen, aber wir können hier nicht darauf eingehen. Wir können das bedingende Ist oder die bedingende Materialität auch geradezu die bedingende Ansichheit nennen (besser als Ansichsein). Sie hat es mit dem zu tun, was Erscheinlichkeit überhaupt transzendiert. Sie macht, daß jede phänomenale Form vom Übererscheinlichen her
Das bedingende Ist
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von vornherein einen Inhalt und Gegenstand besitzt, der innerhalb der Erscheinung und ganz Erscheinung seiend, von dem zeugt, was NichtErscheinung ist. Das führt zu dem bedingenden Meontisch-Meontologischen selbst, in dem alle Linien zusammenlaufen. Es sei hier eine kurze theologische Bemerkung eingefügt: Luther muß etwas von dem bedingenden Ist geahnt haben. Wir denken dabei nicht daran, wie er im Abendmahlsstreit dieses Wort mit Kreide auf den Tisch schrieb, sondern daß er gesagt hat: Gott ist lauter Ist. So interpretierte er den Spruch: „Ich bin, der Ich bin.", der auf den Gottesnamen Jehovah oder Jahwe hindeutet. Heidegger sieht die Frage: Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts ? als die grundlegende der Philosophie an. Er meint, ein Theologe könne so nicht fragen, weil er von vornherein vom Dasein Gottes überzeugt sein müsse. Das stimmt von der ontisch gebunden bleibenden Theologie. Wir werden aber sehen, daß die meontologische Theologie sehr wohl Verständnis für diese Frage aufbringen kann und in der Tat fähig ist, so zu fragen. Erst recht gilt dies natürlich von der philosophischen Meontologie. In diesem Sinne ist das Nichts ja nicht das abstrakte Nichts, sondern das konkrete. Das Sein erscheint dem Seienden als Nichts, und dieses steckt in dem Nichts der obigen Frage. Sie deutet also darauf hin, daß die Metaphysik des Seienden zwar von dem Seinslicht Gebrauch macht, dieses selbst aber nicht zu sehen vermag*). Wird aber das Sein selbst gesehen, so bleibt es auch nicht dabei. Es führt dazu, daß das Ist gesehen wird. Das Seiende ist von lauter Istheit durchwebt, und es bewegt sich in einer Angleichung an diese. In grober Verdinglichung könnten wir sagen, daß das Seiende aus lauter „Iststoff" besteht, so wie ein Atom aus lauter „Lichtstoff" (Energie). Aber das sind nur Gleichnisse. Doch auch dabei bleibt es nicht. Es kommt zu letzten Aussagen, die wir hier noch nicht machen können. Sie haben es mit dem bedingenden Meontisch-Meontologischen zu tun, mit dem dritten Neutralen, mit der totalen Anderheit, mit dem konkreten Nichts, mit der Fülle in letzten Aspekten. Diese letzten Aussagen zeigen uns, wie wir in einem völligen Nichtwissen dennoch viel wissen, und erst da ergibt sich eine Antwort auf die Frage: Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts ? Hierbei müssen wir das Phänomen der H e r a u s g e h o b e n h e i t verstehen. Das Jetzt, der Zeitmoment hebt sich z. B. als die Gegenwart heraus. Damit wird auch der Raum herausgehoben. Die Empfindung ist in diesem Fall das Heraushebende. Vergangenheit und Zukunft treten insofern hinter die Gegenwart zurück. Dann wird jene verstanden als das, was nicht mehr ist, diese als das, was noch nicht ist. Dann kann aber auch die Vergangenheit eine besondere Heraushebung erfahren. Das geschieht z. B. bei ihrer Verlebendigung und Vergegenwärtigung durch Dichtung und Geschichte. Das Jetzt verblaßt, tritt zurück. *) Das beschreibt genau die Natur des Bedingenden.
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III. Teil. Daa meontologische Inhaltaproblem
Daß ich j e t z t das Schicksal Hamlets auf der Bühne erlebe, hat für die damit verbundene Vergangenheits-Vision nur nebensächliche Bedeutung. So kann auch die Zukunft herausgehoben werden. Das ist z. B. bei jeder Art von Prophezeiung der Fall. Auch die Hoffnung t u t es. Durch all das wird die Zeit perichoretisch, und die drei Modi sind in einem dialektischen Ineinander, das wie die Räder Hesekiels ist (Hes. 1). Das unbetonte Jetzt ist dann nur ein flüchtiger Moment zwischen Vergangenheit und Zukunft, es wird zum Differential. Etwas Ahnliches ereignet sich nun mit dem Ist. J a , die beschriebenen Heraushebungen stammen aus dieser Quelle. Die bedingende Materialität wird herausgehoben, um das temporäre Übergewicht des Formalismus gutzumachen. Wir müssen durch diese Periode hindurch gehen, die aber nicht die letzte ist. Das herausgehobene bedingende Ist gibt das Wesentliche zu zur Apriorität alles Punkthaften, des Raumpunktes, des Jetzt, des Elektrons, des Atoms, des Ich, des Potentiellen, des Intensiven, der Empfindung, des Substrats usw. Denn irgendwie haben alle diese Gebilde etwas Punkthaftes an sich, auch wenn es sich dabei nicht um Punkte handelt. Das bedingende Ist wiederholt dabei immer wieder dasselbe. Es gibt und ist das, was uns vom Transzendentrealistischen zu sprechen zwingt. Es schafft den Apriorismus des transzendentrealistischen Pluralismus in seinen mannigfaltigen Gestalten. So leitet es die tiefst verwurzelte Zeit-Perichoresis ein. Das bedingende Ist gehört dann, wie sich später zeigt, ganz und gar zum bedingenden Meontisch-Meontologischen, das die Heraushebung neutralisiert, indem es selbst herausgehoben wird. Das schafft den transzendentalidealistischen Monismus, der aber nun mit dem transzendentrealistischen Pluralismus versöhnt ist, weil das bedingende Ist sich harmonisch in das bedingende Meontisch-Meontologische einfügt. Dabei stellt sich die echte Zeit-Perichoresis heraus, die ein Vermittlungs- und Übergangsglied auf dem Wege vom bedingenden Ist zum bedingenden Meontisch-Meontologischen ist. Was jenes anfängt, vollendet dieses. Das leitet dann zu den letzten Aussagen über, mit denen unsere Untersuchung zu einem Abschluß kommt. Das Ding an sich ist nichts Anderes als die Verdinglichung des bedingenden Ist. Aus diesem Satz können alle Fehler und Tugenden des Dinges an sich abgeleitet werden: die schädliche Verwechslung von Bedingendem und Bedingtem, von Bedingendem und Ding, der Verfall an das Seiende ohne Schau des Seins, des Nichts, des Pleroma, der totalen Anderheit, des neutralen Dritten, des Ist selbst, seine metaphysische Hypostase, seine Phänomenalisierung, die doch gerade das Gegenteil sein sollte, seine Unfähigkeit, wirklich das zu sein, was gar nicht in unsere Gedanken hineinkommen kann, seine gehemmte Pleromatik, sein Verdecken der allumfassenden Ansichheit, aber auf der anderen Seite auch das transzendentrealistisch Wahre in seinem Ansatz, sein Hindeuten auf das bedingende Ist und die bedingende Materialität, seine pluralistische Tendenz, die ontische Notwendigkeit seiner gnoseologischen Voraussetzung, seine Anregung zur Tiefenforschung, seine Ab-
Das bedingende Ist
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wehr eines einseitigen Idealismus, seine unruhestiftende Gewissenserweckung in bezug auf das Transzendenzproblem, seine Durchbrechung des Formalismus. Das ist die Liste seines Für und Wider, die noch fortgesetzt werden könnte. Alles kommt zurecht, sobald eingesehen wird, daß mit ihm das bedingende Ist unbewußt gemeint wird. So wie sich ein Ding von der bedingenden absoluten Position seiner Existenz unterscheidet, von dem aller Dinglichkeit enthobenen Sinn des Wörtchens „ist", so unterscheidet sich das Ding an sich von dem bedingenden Ist. Die Folge ist, daß dann auch das Sein weder an noch in dem Seienden ist, sondern ein Verhältnis zu ihm hat, das durch nichts Dingliches und nichts Gegenständliches ausgedrückt werden kann. Der Genitiv: Sein des Seienden ist einzigartig und findet keine Nachahmung im ganzen Bereich des Erscheinungsseienden. Die Meontologie ist nichts Anderes als der Versuch, diese Tatsache zu erklären und in ihrem Schwergewicht und ihren Folgen zu erfassen. Deshalb muß sie vom konkreten Nichts, von der totalen Anderheit des reinen Seins, und vom bedingenden Ist sprechen. Das synthetische Ding an sich, das die Erscheinung überwältigt, kann erst durch die Pleromatik ihre Erfüllung finden, die vom bedingenden Ist ausgeht. Das zwingt uns aber in den Gang zum bedingenden Meontisch-Meontologischen und den letzten Aussagen hinein. Die verfehlte Pleromatik des Dinges an sich wird dabei überholt. Das Verhältnis des Potentiellen zum bedingenden Ist ist weniger kritisch als das des Dinges an sich. Das Potentielle steht gerade an der Grenze der Erscheinung. Es würde sich durch den Übergang vom Ding an sich in die Erscheinung ergeben, wenn ein solcher möglich wäre. So ergibt es sich vielmehr durch Übergänge von Erscheinungen zu Erscheinungen, z. B. in den Feldern der Dynamik und Organik. Es ist durch ein momentanes Verschwinden und Wiederauftauchen von Phänomenalität charakterisiert, das die höchst kritische Struktur der letzteren beweist. Deshalb kehrt bei ihm fast dieselbe Liste des Für und Wider wieder, wie beim Ding an sich. Nur ist alles vermindert. Das Potentielle ist ein phänomenaler Ersatz für das Ding an sich in Denkbewegungen, die nicht so radikal sind wie die der Philosophie, sondern die sich auf das metaphysische Bedürfnis der Biologie und Naturwissenschaft beschränken. Im übrigen aber gilt von seiner Beziehung zum bedingenden Ist fast dasselbe, was wir beim Ding an sich sahen. Die Formulierung der Liste würde sich ein wenig variieren, wir brauchen auf diese Einzelheiten nicht einzugehen. Noch weiter vom Ist ist das Intensive entfernt, das schon so viel Erscheinlichkeit zeigt. Deshalb ist es noch weniger fähig, das bedingende Ist und die bedingende Materialität zu vertreten. Dennoch t u t es das mit Erfolg und gerade in dem, was das Unanschauliche an ihm ist. Wir haben schon gesehen, welches große Rätsel das Zusammen von intensiver Einheit und Vielheit umschließt, wenn wir beides mit dem Extensiven vergleichen. Das findet nun hier seine Erklärung. Es ist das Ist-artige im Intensiven.
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
Die Empfindung enthüllte sich als die transzendentale Gesetzgebung für das Intensive, die die ontologische Abstammungslinie mit Sein, Essenz usw. einführt im Gegensatz zur ontischen. Die Empfindung ist nicht nur das, sie ist noch viel mehr, aber sie ist das auch. Da nun das Mysteriöse des Intensiven, die Aufsammlung unbekannter und unanschaulicher Elemente zu einer unbekannten und unanschaulichen Einheit von der Empfindung her gesetzt ist und in der Empfindung aufgehoben und transparent durchleuchtet ist (das macht sie ja gerade fähig, Geltungsquelle und Gesetzgebung zu sein), da ferner gerade dieses Mysteriöse die verdinglichte Isthaftigkeit des Intensiven ist, so folgt daraus, daß in die Empfindung nicht eine verdinglichte Isthaftigkeit eingewebt ist, sondern Isthaftigkeit selbst. Deshalb kann ja auch später im Denken auf Grund seines Zusammenhanges mit der Empfindung das Existentialurteil: ,,S ist" und der existentielle Sinn der Kopula: „Das P-sein von S ist", in Kraft entstehen. Es gibt also in der Empfindung ein Element, das nicht in die Linie: Ontologisches, Sein, Essenz, Ideales, Möglichkeit usw. hinein gehört, sondern in die Linie: Ontisches, Seiendes, Existenz, Dasein, Realität und Wirklichkeit usw. Und das ist der Umstand, daß die Empfindung einen unmittelbaren Anteil hat an dem bedingenden Ist und der bedingenden Materialität. Insofern ist sie eine seinsgründende Realisierung. Das ist ihr Unterschied von der Form aller Formen. Deshalb vermag sie in viel kräftigerer Weise als das Potentielle oder Intensive und auch als das Ding an sich (seiner vielen Unrichtigkeiten wegen) das bedingende Ist und die bedingende Materialität selbst zu vertreten. Allerdings findet das seine Grenze an der Jetzt-Gebundenheit der Empfindung. Sie lebt nur für die Gegenwart und in ihr. Das bedingende Ist ist aber selbst als Punktartig-Pluralistisches (wobei das Punkthafte ein Gleichnis und Symbol ist) in seinem transzendentrealistischen Funktionieren schon frei davon und unmittelbar in die Zeit-Perichoresis hineingestellt, die das Jetzt nicht überbetont, und ist damit unmittelbar hineingestellt auch in das bedingende Meontisch-Meontologische. Das geht allerdings weit über die Leistungsfähigkeit der Empfindung hinaus. Durch diesen Bezug besteht die Gefahr, die Empfindung selbst zu verdinglichen. Sie droht da, wo sich ihre Verhältnisse zur Vergangenheit und Zukunft ergeben. Wie sie zu vermeiden ist, könnte nur eine meontologische Psychologie zeigen. Von der Empfindung her sind die Qualitäten, die dann wiederum Ausgangspunkte der Quantifizierungsprozesse sind. Bei beiden nun, bei Qualität und Quantität, verbinden sich mit den Funktionen der bedingenden Materialität, der Potentialität und der Intensivität die der Extensität, die ihre volle Entfaltung in denen der Raumzeitlichkeit finden. Bei der Qualität treten dann neben die Empfindung die bedingenden Erfassungen der Wahrnehmung und der Anschauung, die sich in der Quantität fortsetzen und abrunden. Die Qualität ballt sich gewissermaßen zum Quantum zusammen, ihre Oberflächenhaftigkeit
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gewinnt Tiefe und Plastik. Das Quantum ist eine Synthese des Intensiven und Extensiven. Zur qualifizierenden Affektion der Sinne fügt sich das hinzu, was den Erkenntnisinhalt zum Erkenntnisgegenstand macht. Beide haben die Dieselbigkeit der bedingenden Materialität gemeinsam, aber der nun plastisch hervortretende Erkenntnisgegenstand als das extensive Intensiv-Seiende zeigt deutlicher die gegenstandstheoretische Punktion des bedingenden Ist oder der bedingenden Materialität als die reine Qualität. Darauf beruht der Unterschied zwischen Inhalt und Gegenstand und des letzteren Überlegenheit über den ersteren. Von vornherein ist das Quantum bedingt von diesem bedingenden Ist her und zugleich von dem bedingenden Meontisch-Meontologischen her, in dem das Ist als Bedingung neben anderen Bedingungen steht. Das gilt ebenso von allen anderen Erscheinungsgebilden, aber beim Quantum tritt zuerst das Walten der Gegenstandsfunktion ins helle Licht, die auf dem bedingenden Ist in Verbindung mit der bedingenden Form aller Formen, der Raumzeitlichkeit, beruht. Alle Kategorialität beruht auf der Dramatik dieser zwei Elemente. Sie sind die Hauptpersonen im Schauspiel. Das Meontisch-Meontologische ist dabei das Schicksalgebende. Hierdurch wird die Raumzeitlichkeit in ein neues Licht gestellt, in das Ist-Licht. Sie ist nun eingeordnet im Zwischen der bedingenden Materialität, die für alles Punkthaft-Pluralistische verantwortlich ist, und des bedingenden Meontisch-Meontologischen, das es neben Anderem auch mit der synthetischen Einheit zu tun hat. Die Form aller Formen gewinnt ein ganz anderes Gesicht, und ihr Geheimnis enthüllt sich. Sie ist von dem her, in dem Form und Inhalt zusammenfallen, dem Meontisch-Meontologischen, das das Umschließende ist, und zugleich von der bedingenden Inhaltlichkeit her. Sie ist von beiden eingeklammert. Synthesen von Isthaftigkeiten und Formhaftigkeiten machen, daß durch die bedingenden Erfassungen, durch die Empfindung, die Anschauung, das Denken usw., das Sein sich vom Seienden abhebt, das Sosein vom Dasein, das Ideale vom Realen, das Mögliche vom Wirklichen usw. Durch denselben Prozeß hebt sich auch die Form aller Formen, die Raumzeitlichkeit, als das Reine aus allem Erscheinungsseienden heraus. Das wird inauguriert vom bedingenden Meontisch-Meontologischen her, insofern dabei der Anteil des bedingenden Ist in Abzug gebracht wird, und zwar alles innerhalb der Grenzen der Phänomenalisierungen. Die Raumzeitlichkeit ist das, was übrig bleibt, wenn im Bedingen des Meontisch-Meontologischen vom bedingenden Ist abstrahiert wird. Um ein Beispiel anzuführen: das bedingende Sein hat mehr Isthaftigkeit an sich als die Raumzeitlichkeit. Das zeigt schon die Möglichkeit, es mit dem Denken partiell zu identifizieren. Es ist eine mehr materiale Synthese von Isthaftigkeit und Formhaftigkeit als die Raumzeitlichkeit. Diese ist nämlich die reine Form aller Phänomenalisierungen selbst, ohne alle Isthaftigkeit. Deshalb wird bei ihr die materiale Gegenstandsfunktion zur Null. Die ganze Unterscheidung zwischen Form, Inhalt 9 Samuel, Ontologie
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
und Gegenstand beruht also auf der seinskonstituierenden Rolle, die die bedingenden Erfassungen spielen. Seinskonstituierend heißt hier soviel wie: Konstituierend das, was mit Sein eigentlich gemeint wird. Das gibt Anlaß zu weiteren Fragen. Die gehören aber zu den letzten Aussagen. Das logische Urteil ,,S ist P " zeigt drei Dimensionen: die Umfangsdimension ist seine Quantität, die sich als das Allgemeine, Besondere und Einzelne kategorialisiert. Die Inhaltsdimension ist seine Qualität, die sich als Position, Negation u n d Limitation kategorialisiert. Dann ist aber noch eine dritte Dimension d a : die der Gegenständlichkeit, auf die Umfang und Inhalt bezogen sind. Sie kategorialisiert sich im bedingenden Ist, der bedingenden Materialität*). Die drei Dimensionen stehen aufeinander „senkrecht". Ihre Einheit und Mannigfaltigkeit machen die Fülle des Urteils aus in seiner K r a f t zu urteilen, im Gegensatz zum bloßen Satz oder Ausdruck. Was geurteilt wird, ist der Inhalt, worüber geurteilt wird, ist der Gegenstand, wie geurteilt wird, ist die Form, der Umfang der hier auch logische Quantität heißt. Das Ist der Kopula im Urteil, ,,S i s t P " , ist der Null-, Mittel- und Schneidepunkt dieser drei Dimensionen. Sie treffen sich im Ist, im logischen Ist, das im Logischen der Vertreter des bedingenden Ist ist. Das logische Ist ist die abstraktive Verallgemeinerung des bedingenden Ist, seine Erhebung in die Denksphäre. Deshalb wird das logische Ist in das bedingende Ist hineingestellt, wie wir gesehen haben: „S ist P " , heißt soviel wie: das P-sein von S existiert. Dabei wird die logische Quantität zur gnoseologischen Quantität und ebenso die logische Qualität zur gnoseologischen Qualität. Wir sahen, daß die Raumzeitlichkeit einem Relativismus von Form und Inhalt unterliegt, der auf die bedingende Materialität ausgerichtet ist und dort sein Ende findet. Das verletzt nicht ihren Charakter als Form aller Formen. Das F o r m h a f t e bleibt das Determinierende, und im unaufhebbaren Gegenüber zum bedingenden Ist ist die Raumzeitlichkeit Nur-Form. Vor allem ist die Raumzeitlichkeit als verstehende Inhaltlichkeit das am meisten an die bedingende Materialität Angeglichene, das hier so weit geht, wie das ihre Formhaftigkeit irgend zuläßt. Die Differenz ihrer Charaktere zwischen realer Objektivität, idealer Objektivität u n d verstehender Inhaltlichkeit beruht allerdings auf einem Einfluß von der bedingenden Materialität her. Die Ordnung in der Steigerung ihrer Inhaltlichkeit ist: ideale Objektivität, reale Objektivität, verstehende Inhaltlichkeit. Als Erstere ist die Raumzeitlichkeit also am meisten reine Form, und das bestimmt ihre führende Rolle in der Mathematik. Als verstehende Inhaltlichkeit geht sie bis zur Grenze der objektbedingenden Subjektivität, u n d darüber hinaus gehört dann die Raumzeitlichkeit zu dem, worin Form und Inhalt zusammenfallen, zum Meontisch-Meontologischen. Von diesem geht ja die Aufspaltung in Form und Inhalt aus, wenn das dritte Neutrale *) Sie ist das Determinierende für die beiden anderen Dimensionen.
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deneutralisiert wird und im Gesetz der Phänomenalität die grundlegenden dialektischen Gegensätze erscheinen, von denen der grundlegendste der von bedingender Materialität und Form aller Formen ist. Damit ist der Gegensatz von Positivität und Negativität in das Erscheinungsseiende eingeführt. Der Unterschied von positiver und negativer Elektrizität ist vielleicht deshalb ein so gutes Gleichnis hierfür, weil er irgendwie aus jener Spannung selbst stammt. Die bedingenden Erfassungen, die noch bei Kant „Seelenvermögen'' heißen, sind konkret im seienden Menschen, im Ich, in der Person, im Subjekt vereinigt. Auch hier zeigt sich das Walten der bedingenden Materialität. Sie gibt die Grundlage zu einer meontologischen Psychologie. Ihr erster Satz ist, daß das seiende Ich ein Höchstmaß im Walten des bedingenden Ist zeigt, im Vergleich zu den „Vermögen", wie Empfindung, Wahrnehmung, Anschauung, Erinnerung, Gedächtnis, Einbildungskraft, Vorstellung, Denken, Schauen, Fühlen, Wollen und Glauben. Alle diese enthalten Synthesen von bedingender Materialität und Raumzeitlichkeit, die ein mannigfaltiges Handeln und Gegenhandeln der beiden Hauptspieler zeigen. Aber die bedingende Materialität erreicht ihr Höchstmaß im seienden Ich und begründet hier die vorgängige Einheit aller Vermögen, die Prävalenz des Seienden beim Menschen, beim Ich, bei der Person und beim Subjekt über das Sein, mit dem es die bedingenden Erfassungen zu tun haben, die im stärksten Maße seinskonstituierend sind. Dabei üben die vier Ausdrücke charakteristische Funktionen aus, die nur alle zusammen den Gegenstand der meontologischen Psychologie umschreiben: der Mensch ist dieses Objekt in seiner vollen empirischen Breite, „geschichtet", um diesen Ausdruck Hartmanns zu gebrauchen, und deshalb auch „geschichtlich". Das Ich ist dasselbe Wesen in seiner Selbstunterscheidung von seiner Umwelt, hier nicht so sehr geschichtet und geschichtlich, sondern individuell. Das Subjekt ist dasselbe Wesen in seiner gnoseologischen Gegensetzung gegen seine Umwelt, die hierdurch zu einer Welt der Objekte wird. Als empirisches Subjekt bleibt es mit Zufälligkeit und Launenhaftigkeit und Willkür behaftet, die die rein psychologischen Erfassungsmittel in den Vordergrund rücken. Als bedingendes Subjekt wird es transzendental, gesetzunterworfen und gesetzgebend, eine höhere Objektivität offenbarend. Die punktförmige bedingende Materialität kommt hier zu ihrer Höchstleistung. Drei Wissenschaften werden geboren: die Erkenntnistheorie, die Erkenntniskritik und die Gegenstandstheorie. Der „Mensch" ist mehr in der ausgeglichenen Harmonie des Reichtums der Synthese von Isthaftigkeit und Raumzeitlichkeit, dafür kann aber auch das Gegenstandstheoretische hier nicht so hervortreten. Beim Ich ist das nicht mehr so sehr der Fall wie beim Menschen, es ist aber gegenüber dem Subjekt reicher in Seiendheit und ärmer in Seinshaftigkeit. Es nimmt eine Mittelstellung ein. Das Subjekt wird als bedingendes Subjekt so seinshaft, daß sich nun vor diesem Hintergrund die volle Kraft der bedingenden Materialität abheben und entfalten kann, und 9»
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hiervon werden die psychologische Erkenntnistheorie, die transzendentale Erkenntniskritik und die meontologisohe Gegenstandstheorie bewegt. Die letztere beantwortet die Frage, wie es möglich ist, daß der Gegenstand zugleich „außen" und „innen" ist, und wie Erkenntnis zum Gegenstand „hinauskommen" kann. Die bedingende Materialität und Isthaftigkeit ist der Anfang der Antwort, die sich zu dem Endwort hin bewegt: bedingendes Meontisch-Meontologisches. Die Persönlichkeit ist die besondere Heraushebung der individuellen Momente, die beim Ich und dem Subjekt auftraten. Sie verlangt eine Sonderbearbeitung, an der sich alle Methoden beteiligen, psychologische und nicht-psychologische, weil sie solch ein bedeutsamer Vertreter des dritten Neutralen an hoher Stelle ist und weil die Dialektik von Person und Nichtperson, von Person, Unter- und Überperson, von Person-wieNichtperson ein eigenes Gebiet der letzten Aussagen ausfüllt. Das logische Ich ist identisch mit dem logischen Subjekt, und es würde besser sein, sich auf diesen letzteren Ausdruck zu beschränken. Aber für die Sprache besteht manche Freiheit im Ausdruck, die sich meontologisch nicht rechtfertigen läßt. Das Subjekt ist vielmehr das, was als das Ich alle Gedanken begleiten kann und muß. Das ist gegen Kant zu sagen. Allerdings ist die bloße Begleitung nur mehr der psychologische Gesichtspunkt. Es handelt sich nicht um Begleiten, sondern um Tragen. Das Subjekt ist der Träger des Logischen. Das Ich ist hierfür ein etwas zu weites Gewand. Wir denken gar nicht daran, eine im puritanischen 'Sinne meontologisch gereinigte Sprache zu schaffen. Vieles von ihrer Schönheit und von ihrem Reichtum müßte dadurch verloren gehen, die für eine gewisse Ungenauigkeit nicht zu teuer erkauft sind. Aber die meontologisohe Erörterung hat allerdings um die terminologische Exaktheit ihres Denkens besorgt zu sein. Aber hierfür genügen kritische Hinweise. Das Bedingen der bedingenden Materialität scheint ein Formhaftes zu sein. Es ist ja auch in keiner Weise an Materielles im gewöhnlichen Sinn des Wortes gebunden, obgleich es auch darin eingeht. Aber dennoch ist das ein Irrtum. Das Bedingen ist ebenso material wie formal. Nur der einseitige Formalismus, der uns in Fleisch und Blut übergegangen ist, kann das verkennen. Wir haben hier einen alten Irrtum abzutragen. Das Bedingen ist gerade deshalb phänomenal beides, weil es im Grund zum neutralen Dritten gehört, und das eigentliche Charakteristikum des Meontisch-Meontologischen ist, das diesseits und jenseits des Unterschiedes von formal und material steht. Wir werden das näher einsehen, wenn wir zu der Frage kommen werden, wie alles Bedingende, die Raumzeitlichkeit, das Ist, das Sein usw., im Meontisch-Meontologischen steht, sofern noch nicht einmal gesagt werden kann: es ist j e t z t . Die letzten Aussagen melden sich hier an. Alles Gegenstandstheoretische und Gegenstandsfunktionale wird nur dadurch möglich, daß das Materiale über das Formale ein Übergewicht gewinnt, und das hängt mit dem Substanzverlust zusammen, der im Gesetz der Phänomenalisierung beschlossen liegt.
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Das bedingende Ist ist die logische Seite der bedingenden Materialität, die ontologische Ermöglichung der Kopula. Das Prinzip des dritten Neutralen, um dessentwillen wir das Ansich von der Erscheinung unterscheiden, lehrt, daß es außer dem Ganzen und den Teilen, außer Einheit und Vielheit noch etwas Anderes geben muß. Das Ganze und die Einheit vertreten zunächst das erfüllende Dritte gegenüber den Teilen und der Vielheit. Aber im Fortgang des Erscheinungsprozesses werden auch diese letzteren zu solchen Vertretern, gerade weil es sieh um das dritte Neutrale handelt. Hier erscheint nun die Logizität des bedingenden Ist in der bedingenden Materialität, die zeigt, daß auch ein Pluralismus und nicht nur ein Monismus zu den wesentlichen Hervorbringungen des Geistes gehört. Dadurch werden den Teilen, der Vielheit, der Mannigfaltigkeit, dem Punktförmigen ihre kategorialen Rechte zuteil. So ist das bedingende Ist kategorial bezogen auf das X des Dinges an sich, auf das Ich in seinen Individualisierungen, auf die logische Kopula als kleinstes Auf bauelement der Logik, vereinigend Identität und Diversität in der Struktur des logischen Urteils, auf die Vielheitsstruktur des Erscheinungsseienden, auf die Herausgehobenheit des Jetzt als das Augenblicksmoment in der Zeitstruktur, auf die Punktmannigfaltigkeit des Raumes, die in allen Atomistiken eine solch bedeutende Rolle spielt, auf die Einheitselemente im Intensiven und Potentiellen des Dinglichen. Von ihnen hatten wir keine unmittelbare Anschauung. Nun ist uns aber tatsächlich der Anfang einer Antwort gegeben worden. Auch die Intensität der Empfindung ist gewissermaßen aus solchen Ist-Elementen aufgebaut. Schließlich müssen wir auch sagen: auf die Setzungssenkrechte der Gegenständlichkeit der Begriffe und Urteile. Allen diesen Gebilden ist das bedingende Ist als schöpferische Geltungsquelle vorgeordnet, ein ontologisches Phänomen einziger Art. Dadurch werden so verschiedene Dinge miteinander in Beziehung gesetzt wie Raumpunkt und logische Kopula usw. So tritt im bedingenden Ist eine besondere Punktion des bedingenden Geistes zutage, von der das bedingende Ist seine eigene Geistigkeit empfängt. Das bedingende Ist vermittelt das Was mit dem Daß. Das ist ein wichtiges konstituierendes Element der Sprache. ,,S istP" heißt: das P-sein von S ist, existiert. Diese Vereinigung von Daß-Sein und Was-Sein ist die Kopula. Das Verhältnis des bedingenden Ist zum bedingenden Geiste beruht auf einer allergrößten Spannung: es ist die zwischen dem Gegenstandsfunktionalen und dem Umfassenden. Das Meontisch-Meontologische zieht sich gewissermaßen im bedingenden Ist auf einen Punkt zusammen, von dem aus der Vektor des Setzungssenkrechten ausgeht. Das ist dann der Übergang in das bedingte Ist, dessen mannigfache Arten wir oben aufgezählt haben, wie X, Kopula, Ich, Raumpunkt, Zeitmoment usw. Hieraus entspringen neue Einsichten in das Problem vom Ganzen und seinen Teilen, z. B. von der Art, wie das Ich zum bedingenden Geiste gehört, das relativ wie ein Istpunkt zu ihm ist. So beruht auch das Schöne auf dem Durchscheinen dieser Isthaftigkeit durch die Erschei-
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nung. Durch diese Vermittlung hindurch ist es das Durchscheinen des Meontisch-Meontologischen durch die Erscheinung. So ist der schöne Schein dem Ästhetischen wesentlich, während das total Nichtige gerade das Häßliche ist. Die Lohndienerei, die nach dem Tageserfolg, dem Banalen, dem Lüsternen hascht, ist keine wahre Kunst, sondern Afterkunst. In jedem Kunstwerk besteht eine Harmonie zwischen dem istförmig Gegenstandsfunktionalen und dem Umfassenden. Es ist totalistisch und universalistisch. Am Einzelnen, Besonderen und Individuellen zeigt sich ein Allgemeines und Bedeutsames. Subjektiv webt am Schleier der Schönheit die Harmonie aller Erfassungsformen, der Sinnlichkeit und der Geistigkeit, das harmonische Zusammenschwingen von Erkennen und Wollen in der Wurzel des ästhetischen Wertfühlens. Diese inhaltsschöpferische Harmonie wird vom Zentrum des bedingenden Ist aus in Bewegung gesetzt und geleitet. Das ästhetische Gefühl ist also ein transzendentales. Die hohe Natur seiner bedingenden Reinheit kommt in seiner Begierdelosigkeit zum Ausdruck. Deshalb hebt es aus dem Alltag und dem dumpfen Treiben der dunklen Begierden heraus in eine Sphäre der gefühlsmäßigen Freiheit. In der Theoretik bewahrt die rechte Schau der grammatisch-logischen und gegenstandstheoretischen Natur des bedingenden Ist das Erkennen davor, daß jenes sich mit einem Hof falscher Materialität umgibt. Das ist in einigen Formen der Atomistik der Fall, die das Bedingende mit dem Bedingten verwechseln. In bezug auf die Soziologie ist hier der Ort, das ontologische Wesen der Erotik zu erörtern, die ein konkretes Verhältnis des isthaften Ich zum bedingenden Geist zeigt. Die Sexualität haben wir mit allen Lebewesen gemeinsam, die Erotik ist spezifisch menschlich. Der Unterschied beruht auf der totalistischen Umfassungsfunktion des Geistes. Daß dieser ein Umfassendes ist, gehört geradezu zu seiner Definition. Die Erotik durchdringt das Sexuelle mit allen Kräften der Geistigkeit, des Bewußtseins und Selbstbewußtseins, des Denkens und Schauens, der Vernünftigkeit, Diskursivität und Reflexibilität sowie des geistdurchtränkten Wollens und Glaubens. Das ist nicht etwas, was erst hinzukommt, sondern es ist von vornherein da. Dadurch ist auch die menschliche Sexualität etwas ganz Anderes als die tierische. Zwar ist daran festzuhalten, daß zum Animalischen nur das menschlich Psychische hinzukommt, aber in seiner Ausgerichtetheit auf den bedingenden Geist, denn das davon losgelöste Psychische besitzen auch die Tiere. Deshalb ist die Erotik so oft mit hohen geistigen Leistungen verbunden, die nur ihre andere Seite sind, z. B. mit Werken der Dichtkunst. Die Ausstrahlung und Sublimation geht aber sogar in das Leben der Abstraktion hinein. Das ist der Sinn des platonischen philosophischen Eros. Das Tierische wird übermeistert durch die Hingabe des menschlichen Liebeslebens. In der opferbereiten Sorge für einander wird jenes gerechtfertigt. Nur so darf es seine animalische Intensität entfalten. Gegenüber der Sexualität ist die Erotik pleromatisch. Ein hohes Ethos ist ihr eigen.
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Bricht dieser Bezug zusammen, dann entsteht das Dämonische, das noch unter das Tierische herabsinkt. Wenn es sich um die Erscheinung eines neuen Menschen in dieser Welt handelt, ist es so, als ob sich der ganze meontisch-meontologische bedingende Geist in die Punktförmigkeit des bedingenden Ist zusammenzöge, ohne etwas von seinem Allgehalt zu verlieren. Ein neues Wesen ist da, in dem die Manifestationen dieser gegenstandstheoretischen Isthaftigkeit in der Ichhaftigkeit weitergehen sollen. Deshalb ist es ein solch bedeutsamer Moment im Leben des Kindes, wenn es zum erstenmal das Wörtchen „ist" in vernünftiger Verbindung mit anderen Worten sagen und erfassen kann. Es begegnet dabei seinem eigenen Ursprung und Wesen. Es zeigt zum erstenmal ein ontologisches Verhalten. Nun wird es dem animalisch-psychischen Kinde möglich, ein Geistesmensch zu werden. Es ändert nicht seine Natur, aber es gewinnt Beziehung zum Geiste. Und dieses „Ist-Sagen" steht in engster Verbindung mit dem „Ich-Sagen". Zum pleromatischen Wesen des bedingenden Geistes gehört, daß er die Liebe ist, und die Erotik ist ihre erste Unterart. Neben sie treten die Freundschaft, die Agape und so manche andere Unterarten. Die Agape ist die Liebe der sich aufopfernden Selbsthingabe an den Geliebten, die bis zum Willen eines fruchtbaren Unterganges zum Besten des Geliebten geht. Der Gegenstand dieser Liebe kann auch eine soziale Person sein, wie das eigene Volk, das Vaterland, die Menschheit, oder ein Gebilde des objektiven Geistes, wie die Wissenschaft. Auch in der religiösen Sphäre spielt die Agape eine große Rolle, wie z. B. die christliche Versöhnungslehre beweist. Jedoch steht diese religiöse Agape unter der Gefährdung, durch eine religiöse Erotik ersetzt zu werden, die jene zersetzt und verdirbt. Die Zugehörigkeit des Ich zum Meontisch-Meontologischen unterliegt den verschiedensten Auffassungen, wie wir bereits gesehen haben. Besonders hier spielen die Sphären ineinander. Ein theoretischer Naturalist und transzendenter Realist vermag z. B. ganz kühl darüber zu sprechen, wie doch die Natur (die bei ihm für das Allumfassende steht) so unsagbar fremd und indifferent dem menschlichen Glücksverlangen gegenüber bleibt, wirklich jenseits von Gut und Böse. Wir haben uns eben in diese Sachlage zu schicken. Dann aber ändert sich plötzlich der Stil dieses Realisten. Er zeigt, wie wir den Tod doch so gar nicht zu fürchten haben. Er beweist seine Weisheit im Wirtschaftsplan der Natur, dem Leben sein Gleichgewicht zu sichern. Er erkennt in ihm ein Förderungsmittel der Entwicklung. Seine Sprache gewinnt an Wärme und Begeisterung. Die Natur wird ihm nun zur „Mutter". Ganz unversehens ist etwas R e l i g i ö s e s in seine Überzeugung hineingekommen. Von der fünften Sphäre her ist es anwesend, aber in Uneigentlichkeit verwandelt. Möglich gemacht wird ein solcher Vorgang dadurch, daß eine Zentralstelle allen fünf Sphären vorgeordnet ist, die nicht den Namen einer der fünf trägt oder aber alle ihre Namen zusammen. Der naturalistische Realist wird dadurch nicht zum religiösen
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Menschen. Er bleibt der Theoretiker. Aber er kann es nicht verhindern, daß ihn Religiosität im Modus der Uneigentlichkeit ergriffen hat. Vielleicht merkt er das noch nicht einmal. Aber der meontologische Theoretiker und seine philosophischen Geistesverwandten, die um das Vorverordnete wissen, beurteilen diese Weltanschauung des Naturalisten von da ab, wo seine kühle Sprache aufgehört hat, nicht mehr als reine theoretische Form, sondern als M i s c h f o r m , selbst dann, wenn nur ein verhältnismäßig geringer Einschlag religiöser Uneigentlichkeit eingeströmt ist. Das hat seine Folgen. Ein solcher transzendenter Realist ist nicht mehr berechtigt, rein im Namen der Theorie zu reden. Er steht nun zugleich in einem Wettbewerb mit dem religiösen Menschen und muß es sich gefallen lassen, das Für und Wider seiner Anschauung im Vergleich mit anderen religiösen Anschauungen erörtert zu sehen. Oder aber er müßte bei seiner kühlen Sprache bleiben und sich jeder Wendung zum Religiösen enthalten. Die Wenigsten bringen das fertig, weil dabei zuviel verlorengeht. Daß uneigentliche und ungewollte Religiosität mit einfließt, ist so echt menschlich. So geht es durch alle Sphären hindurch. Vor allem gilt das auch vom religiösen Menschen, der plötzlich zum uneigentlichen Theoretiker wird. So vermag die Religion ganz naiv von Gott und dem Teufel zu sprechen, vom Sündenfall und der Errettung des Menschen. Man muß wissen, was dadurch eigentlich gesagt werden soll, um törichte Fragen zu vermeiden, die in unnütze theoretische Erörterungen verwickeln. Immer wird dabei etwas über die Zugehörigkeit des Menschen zum Letzten ausgesagt. Der Theoretiker, der um die Theorie der Theorie weiß, kennt damit auch den Sinn solcher Aussagen hinsichtlich des ontologischen Ganzheitsproblems. Aber das gehört nicht in die Religion hinein, wohl aber in die Ontologie derselben. Diesen Aussagetypus über das Verhältnis des Menschen zum Geiste (bei dem allemal das bedingende Ist eine entscheidende Rolle spielt) können wir den jüdisch-christlichen nennen. Aber es gibt noch so manche anderen. Zum Beispiel die christologische Aussageweise betont in diesem selben Verhältnis die soteriologische Rolle, die der Heiland-Erlöser, der Christus, dabei spielt. Das ist die spezifisch christliche Aussage, die das Verhältnis des Menschen zu Gott auf christozentrische Aussagen gründet. Eine wieder andere Art ist durch den Hiob-Typus dargestellt. Es ist der Aufschrei des angefochtenen Menschen, der den Tag seiner Geburt verflucht, der sich die Freiheit herausnimmt, Gott herauszufordern und anzuklagen, und der gerade, indem er das tut, seinen Glauben n i c h t verliert, sondern aufrechterhält. So wird er schließlich gerechtfertigt gegen seine drei Freunde, die die Advokaten Gottes spielen und bei Gott alles schön und gut nach m e n s c h l i c h e n Gerechtigkeitsbegriffen finden. Sie werden von Gott selbst verurteilt, und Hiob muß für sie eintreten. Diese erstaunliche Erscheinung auf dem Boden des Alten Testaments wird von dem Meontologen besonders gut verstanden, der um das „Sein"-wieNichtsein und die totale Anderheit weiß. Das gehört aber nicht in die
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Hiobgeschichte und ihre religiöse Interpretation hinein. Aber es gehört wohl zu dem theoretischen Ontologischen, das das Vorverordnete ist, das sich auf die totale Anderheit bezieht, die n i c h t unter Erscheinungsbedingungen steht, während der rein religiöse Hiob-Typus totale Anderheit unter Erscheinungsbedingungen ist. Das macht es kulturphilosophisch möglich, der Religion ihr volles Eigenrecht zuzugestehen. Eine noch andere Abart könnten wir als den Kafka-Typus bezeichnen, wie ihn Franz K a f k a in seinem Buch: „Das Schloß" entwickelt hat. Dieser ist besonders interessant, weil er eine Blendung des Religiösen mit dem Ästhetischen bringt. Hier wird das Verhältnis des Menschen zum Universum oder zu den höheren Gewalten und Autoritäten sehr fragwürdig. Manches, das an Hiob erinnert, fließt ein. Die Welt wird im Gleichnis von aristokratischen Autoritäten, pedantischen Beamten, die mit all ihrer Geschäftigkeit nichts vollbringen, tierähnlichen Untertanen, gesehen. Inmitten dieser Welt steht der arme Landmesser K., der Fremdling, der nicht weiß wo er hingehört, der bei seinem Kampf ins Leere schlägt. Trotz des grimmigen Humors, den die Schilderung durchzieht, hat sie etwas äußerst Aufreizendes und Beunruhigendes an sich. Das Walten einer religiösen Leidenschaft ist unverkennbar. Sie klagt nicht an, aber eine unausgesprochene riesige Anklage durchzieht ihre Bezeugung. Sind wir die Schlacht- und Haustiere der oberen Autoritäten, mit denen k e i n e m e n s c h l i c h e n gemeint sind? Begegnet uns in ihnen eine seltsame Verbindung von totaler Grausamkeit, Kälte, Gleichgültigkeit und dann doch wieder Anteilnahme und sogar Barmherzigkeit ? Von all den vorangegangenen Typen scheint im KafkaTypus etwas vorzukommen und sich zum Rätsel zusammenzuschließen. In eine solche Gesellschaft kommt nun auch der transzendente Realist und Theoretiker hinein, dessen Aussage über das Verhältnis des Menschen zur Natur plötzlich religiöse Färbung annimmt. Wie sollen wir uns als Ontologen zu einer solchen Fülle von Erscheinungen stellen ? Wenn wir hier wirklich als Theoretiker verantwortlich reden dürfen (was nicht der Fall ist bei einem Naturalisten, der von seiner eigenen Religiosität überfallen und überrascht wird), so können wir den Leitsatz aufstellen: Das, was am besten der Ermöglichung a l l e r Erfahrbarkeit in den fünf Sphären dient, unter sorgfältiger Beachtung der Eigenstrukturen und sinngebenden Eigentlichkeiten, ist das Richtige. Damit schalten sofort gewisse Typen aus: z. B. der oben erwähnte naturalistische Typus, der ganz bestimmt die totale Anderheit der religiösen Erfahrung übersieht. Aus demselben Grunde werden gewisse Arten des religiösen intellektualistischen Orthodoxismus durchgestrichen, weil sie blind sind für das Eigenrecht und die Eigenart des Theoretischen. Denn die totale Anderheit ist so sehr in das Gewebe des ontologischen Urteils eingebaut, daß sie zum Hauptleitfaden der kritischen Erfahrungstheorie wird, die sich auf a l l e Erfahrbarkeit erstreckt. Gerade von diesem Gesichtspunkt aus wird die ontologische Theorie der Religion manches am Hiob-Typus, am allgemeinen
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
jüdisch-christlichen Typus, am christologisch-trinitarischen Typus und am Kafka-Typus anerkennen und positiv bewerten. Damit ist nicht gesagt, daß diese Liste vollzählig ist. Und hinzu kommt ja dann noch eine ähnliche Vollbringung in bezug auf die anderen Kultursphären. Zu demselben verantwortungsvollen Denken der Meontologie gehört dann auch noch der Zug, daß die Darlegung des theoretisch Vorverordneten durchaus nicht von uneigentlicher Religiosität freizubleiben braucht. Nur muß der Meontologe wissen, wo und wann das einfließt und in welche neue Auseinandersetzung er damit eintritt. Zunächst wird er versuchen, nur das Theoretische zu sagen. Aber er wird kein Interesse daran haben, seine Gedankenwelt frei von ethischer, ästhetischer, soziologischer und religiöser Uneigentlichkeit zu halten. Ein besonderer Schutz ist ihm dabei durch seine Einübung in der Wesensschau der totalen Anderheit gewährt. Wenn Hegel der Religion dieselben Gehalte zugesteht wie der Philosophie, nur mit dem Unterschiede, daß sie in bloßer Vorstellungsform (also uneigentlich) besitzt, was die Philosophie in der Weise des Begriffs, der Idee und der Wahrheit (also eigentlich) weiß, dann ist er gerade hier dem dialektischen Problem der totalen Anderheit nicht gerecht geworden. Die Philosophie hat gerade nicht das allgemein eigentlich, was die Religion allgemein uneigentlich besitzt. Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit sind hier falsch verteilt. Die Distribution ist eine andere. Die Sachlage ist komplexer. Der Religion kommt eine Eigentlichkeit zu, die der Philosophie fehlt und umgekehrt. Gerade das hat der Theoretiker zu erkennen und zu verstehen. Es ist sprachlich nicht leicht, dieser Sachlage gerecht zu werden. 24. Die Kategorie der Substanz Wir kommen nun zu einem neuen Ansatz von Kategorien, die zum Problem der Totaldetermination und damit zu „den letzten Aussagen" hinführen. Es sind die Kategorien der Substanz, der Kausalität, der Wechselwirkung, der Pinalität, der Teleologie, der Notwendigkeit und der Freiheit. Bei den letztgenannten taucht die kategoriale Bewegung wiederum in das Modale ein. Mit diesen Kategorien sind auch die von Kraft und Stoff und Materie und Energie verbunden. Wir haben es zunächst mit der Substanz zu tun. Sie ist das „Zugrundeliegende" und gemeinsam Umfassende des Seienden, das, was das Einzelseiende übergreift. Sie zeigt eine pluralistische, dualistische oder monistische Ausgestaltung. Bei Aristoteles ist sie pluralistisch. Es handelt sich da weniger um die Substanz als um die Substanzen, die fast mit den Dingen identisch sind. Bei Descartes ist sie dualistisch. Zwei Grundsubstanzen treten einander gegenüber: die Ausdehnung und das Denken. Aber jene zeigt eine ursprünglichere Substanzfunktion als dieses, obgleich sie die formalistische Mathematisierung der Substanz zum reinen Raum darstellt. Dabei fällt aber gerade das Substrathafte in der Substanz aus, das in solch bedeutungsvoller Weise mit dem be-
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dingenden Ist zusammenhängt. Dieses Motiv darf nicht aus der Substanz .weggelassen werden. Ähnlich ist es bei dem Gegensatz von Körper und Seele. Werden beide als Substanzen aufgefaßt, dann ist zu sagen, daß der ursprünglichere Substanzgedanke dem Körperlichen angehört. Die Seele als Substanz unterliegt immer schon einer Verdinglichung, die vpn der Körperwelt hergenommen ist. Die Seelensubstanz ist fast ein Seelending. Die rationale Psychologie, die Kant kritisierte, stand unter dieser Verbiegung der Begriffsbildung. Die Substanz hat eben das Eigenartige an sich, daß bei ihr ein gewisser Akzent auf das KörperlichMaterielle fällt. Das kann natürlich vergeistigt werden, aber dann verändert sich auch der Substanzgedanke. Selbst in die Monade des Leibniz geht diese Durchbrechung de3 ausgeglichenen Parallelismus von Geist und Materie in einer sublimierten Form ein. Sie ist, trotz ihrer rein energetischen Natur, doch in entfernter Weise nach dem Vorbild des Dinges gebaut. Aber die originalste Darstellung der Substantialität ist nicht die pluralistische und nicht die dualistische, sondern die monistische. Das ist durchaus kein Vorurteil, sondern liegt im Einheitsstreben des menschlichen Geistes, das ontologische Gründe hat. Und hierbei verbindet sich dann auch sofort das theoretische mit dem theologischen Motiv. So kommt der Pantheismus und auch der Panentheismus zustande. Wir sehen das in der indischen Philosophie, bei Giordano Bruno und vor allem bei Spinoza. Er ist der eigentliche Substanztheoretiker. Er identifiziert die Substanz als Natur mit der Substanz als Gott: Natura sive deus. Er definiert die Substanz als id quod in se est et per se concipitur. Aber dennoch ist das ein Scheinmonismus, denn die Substanz Spinozas ist bald ganz akosmistisch Gott, und Hegel faßte das als das eigentliche Wesen des Spinozismus auf — bald dagegen naturalistisch und materialistisch. In dieser Weise schillert der Substanzbegriff bei Spinoza, und deshalb ist der Monismus nicht echt, sondern ein verkleideter Dualismus von größter Spannweite. Nur zum Teil hat Spinoza den offenen Dualismus von Descartes überwunden. Die Substanzlehre Spinozas ist Metaphysik, Ontologie, Theologie und Ethik in einem. Aber die Substanzkategorie ist nicht von solch hoher Artung, daß sie so etwas vollbringen könnte. Die Funktionen der Konkretisierung und Individualisierung kommen zu kurz, und die Einheit der Substanz bleibt zu sehr unter der Herrschaft des dinglich Seienden, um jene universalistische Bedeutung erlangen zu können. Denken und Ausdehnung werden zusammen mit unendlich vielen anderen unbekannten Attributen (hier klingt der Gedanke der ewigen Neuheit an) zu solchen der einen Substanz, die Konkretisierungen und Individualisierungen zu Modifikationen dieser Attribute. Sie haben also ein sekundäres, vermitteltes Verhältnis zur Substanz selbst. Das Asymmetrische in der Substanz erlaubt es aber nicht, einen solchen ausgeglichenen Parallelismus durchzuführen. Die Neutralisierung mißlingt. Das ist tief im Wesen der Substanz begründet. Sie nimmt eben noch teil an der Metaphysik des Seienden.
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Der Substantialismus könnte sogar bis zu einem gewissen Grade transzendentalisiert werden. Hegel hat den Anfang damit gemacht, indem er gesagt hat, die Substanz müsse zum Subjekt werden. Damit hat er nicht die empirische Subjektivität gemeint, sondern die objektbedingende Subjektivität, die Subjektivität der Idee und des absoluten Geistes. Dieser ist dann die Substanz. Man könnte folgendermaßen argumentieren, um eine transzendentale Substanztheorie zu entwickeln. Die Hand faßt sich nicht selbst, indem sie Anderes erfaßt, das Auge sieht sich nicht selbst, indem es Anderes sieht. In der intentionalen Ausgerichtetheit auf das Objekt bleibt das Subjekt ungegenständlich und kann nicht gegenständlich werden. Nimmt man nun an, daß das Ansichseiende, das dem Seienden zugrunde liegt, identisch ist mit dem Ansichseienden des Subjekts in seiner ungegenständlich bleibenden Subjektivität, in seinen Erfassungen des Objekts, dann kann man dieses Gemeinsame die transzendentale Substanz nennen. Kant selbst hat einen Hinweis auf eine solche mögliche Identität gegeben. Dann beruht die Möglichkeit der Erkenntnis des Gegenstandes darauf, daß in der einen Substanz das ewig ungegenständlich Bleibende des Erkennens in und hinter dem erkannten Stoff als das ewig unerkannt bleibende Ansichseiende erscheint, das allem Seienden zugrunde liegt. Hieraus könnte eine vollständige Erkenntnistheorie und Metaphysik entwickelt werden, die den Namen transzendentale Substanztheorie verdiente. Diese transzendentale Substanztheorie würde sich ohne Zweifel auf dem Wege zum Meontisch-Meontologischen befinden, was auch von der Hegeischen Wendung zu sagen ist, daß die Substanz zum Subjekt werden müsse. Dabei erhebt sich die Frage: Wie stellt sich die meontologische Substanzlehre dar? Sollen wir etwa sagen: das MeontischMeontologische ist die wahre Substanz ? Wir können das in keiner Weise verantworten. Das Meontisch-Meontologische ist drittes Neutrales, und das macht es unmöglich, sie als Substanz anzusprechen. Die Substanz ist eine Phänomenalisierung unter Übergewicht der bedingten Materialität, und deshalb gehört sie zur Metaphysik des Seienden mit seiner ontischen Gebundenheit. Gerade diese löst die Meontologie auf. Die Substanzkategorie zeigt allerdings ihre höhere Natur darin, daß sie fortsetzt, was Potentialität, Intensität, Qualität und Quantität angefangen haben. Der Fortschritt besteht in der wachsenden Synthese zwischen dem Intensiven und dem Extensiven, in der Mitverbundenheit des bedingenden Ist und der bedingenden Materialität. Allerdings bleibt die Substanz dabei mit einem gewissen Akzent des Raumähnlichen behaftet. Sie ist nicht nur das, was das räumlich Seiende übergreift, sondern auch das zeitlich Seiende. Die Substanz besitzt Protensität, aber dieser Zug tritt gegenüber dem anderen zurück. Aber hier liegt auch die ontologische Grenze der Substantialität, die es unmöglich macht, sie mit dem Meontisch-Meontologischen zu identifizieren. Allerdings bilden sich von diesem her die verschiedenen Substanzbegriffe aus,
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wobei immer etwas von der schädlichen Verwandlung, der Verwechslung des bedingenden Ist mit dem bedingten, der bedingenden Materialität mit der bedingten mit einläuft. Ohne das wird die Substanz nicht zur Substanz. Das haben auch die Kritiker des Substanzgedankens geahnt, wie die englischen Empiristen, die es besonders njit seiner mittelalterlichen Verunstaltung und Hypostasierung zu tun hatten. In mannigfacher Weise drangen sekundäre Substantialisierungen in die Philosophie ein. So wurde auch die Form substantialisiert, die im Grunde die Form aller Formen, die Raumzeitlichkeit ist. So entstanden in Anknüpfung an Aristoteles die Formsubstanzen. Ihnen gegenüber schien dann gerade die Materie das Unsubstantielle zu sein. Das beruht aber auf einem Irrtum, weil bei der reinen Form das bedingende Ist und die bedingende Materialität ausfällt, ohne die die Substanz nichtig wird. Oder aber es wurde das bedingende Ist und die bedingende Materialität selbst in eine Art von Formhaftigkeit verwandelt, was aber ein verfälschendes Substitut war. Nur so wurde die Aufstellung des Begriffs der Formsubstanz möglich. Von der Substanz werden die Akzidentien unterschieden. Sie sind das von der Substanz Getragene, das an ihr Haftende, sie selbst ist der Träger. Das Substratmoment ist dabei unverkennbar. So kam es auch durch Subsumption zu einer neuen Erfassung der Qualifizierungen. Die Qualitäten wurden Akzidentien der Substanz. Eine weitere Entwicklung erstreckte sich in den Kraft- und Energiebegriff hinein. Dabei zeigte sich etwas Überraschendes. Zunächst schien die Kraft zu den Akzidentien zu gehören. Man konnte sie sich nicht ohne Träger vorstellen. Dann aber entwickelte sich der Energiebegriff. Dadurch, daß die verschiedenen Kräfte als Abarten der einen Energie erkannt wurden, so daß sie ineinander überzugehen vermögen, wurde die Energie zur Substanz. Die Energie ist die Substanz der Kräfte. Durch die Einführung der trägerlosen Energie konnte sie nun sogar den Substanzbegriff ersetzen und als alleinige Substanz Anerkennung finden. Aber wiederum verfiel hier ein einseitiges naturwissenschaftliches Denken dem Irrtum. Die Energie ist doch nur eine Halbsubstanz, weil bei ihr gegenüber der tragenden Substanz das Hauptmotiv des bedingenden Ist und der bedingenden Materialität zu kurz kommt. Aller Energismus endet deshalb im Abstraktismus. Das bedingende Ist und die bedingende Materialität der reinen Energie beruht auf einer Sekundarität, die niemals voll befriedigt und das gegenstandsfunktionale Moment verkürzt. Auf diese Weise ist eben nicht aus den Schwierigkeiten der Substantialität mit ihren mannigfachen Antinomien und Aporien herauszukommen. Ein anderer Weg führte zu den Begriffen von Stoff und Materie. Aber diese entfernen sich noch weiter vom Meontisch-Meontologischen hinweg in die seiende Erscheinung hinein, als das bei der Substanz der Fall ist. Ihnen gegenüber vermag die echte Substanz sogar zeitweise das Meontisch-Meontologische zu vertreten. Die beharrende Substantialität der Materie und des Stoffes ist ein Schein. Sie ist nur schein-
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bar dem Werden, der Veränderung, dem Wechsel enthoben. Bei ihr geht dieser Prozeß nur so langsam vor sich, daß er für unsere Sinnlichkeit vernachlässigt werden kann und sie wie echt Beharrendes erscheint. Die Substanz aber kennt kein Werden, sie ist das wirklich Beharrende. Sie ist das Ansichseiende in der Form der Allumfassung, oder vielmehr, sie möchte das sein, das ist ihre kategoriale Tendenz. Sie kann es aber nicht vollbringen wegen der Negativität ihres bedingenden Ist und ihrer bedingenden Materialität, und das macht ihre Differenz vom Meontisch-Meontologischen aus. Dieses, das doch viel negativer ist, besitzt dennoch das bedingende Ist und die bedingende Materialität in positivster Weise. Sie ist es nämlich selbst, wird dazu, indem sie zum Gegenstandfunktionalen wird. Das erst führt die Substanz ihrer Sinnerfüllung entgegen. In diesem Licht sehen wir Neues an Kraft und Stoff. Beide bedingen sich gegenseitig. Die Undurchdringlichkeit z. B. beruht auf der Widerstandskraft und ist so eine Umschreibung des Trägerhaften. Aber die Widerstandskraft benötigt selbst eines Trägers. Diese Dialektik führt zu der Aussage eines Ganz-Ganz. Das Seiende ist ganz Stoff und ganz Kraft. Beides überschneidet sich absolut und völlig. Dieser seiende Widerspruch findet seine Auflösung im Meontologischen. Die Substanz verhält sich zur Materie wie die Energie zur Kraft. Aber das ist keine Gleichheit, sondern nur eine Ähnlichkeit. Im Energiebegriff ist die Substantialität gespalten. Nur ein Teil derselben kommt ihr zugute. Ferner trägt die Materie die Tendenz in sich, die bedingende Materialität in gefährlicher Weise zu vermaterialisieren. Deshalb stehen auch Geist und Materie in einem größeren Gegensatz als Geist und Substanz. Daraus folgt aber nicht, daß der Geist als Substanz oder gar als die wahre Substanz erkannt werden kann. Der Grund liegt in dem gegenständlich-dinglich-seiend-haften Übergewicht in der Struktur der Substanz. Die Substantialität des Geistes beruht deshalb immer auf sekundärer uneigentlicher Begriffsbildung, die mit einem „Substanzverlust" verbunden ist. Für das Geistsein müssen adäquatere Kategorien aufgefunden werden. Das Beharren der Substanz auf das Beharren im vorrückenden Jetzt einer „Realzeit" zu gründen, wie Hartmann das t u t (Philosophie der Natur, S. 286), beruht auf einer irrtümlichen Anschauung vom Wesen der Zeit. Eine solche Realzeit mit vorrückendem Jetzt gibt es gar nicht. Es ist eine grobe Verdinglichung der Zeit. Mit welcher Geschwindigkeit rückt denn ein solches Jetzt vor ? Bei Kant kommt die Substanz unter den Titel der Relation zu stehen. Das ist insofern richtig, als es sich um ein Verhältnis der Substanz zum Akzidentellen handelt. Dem entspricht logisch das assertorische Urteil, das bei Kant der Substantialität zugeordnet ist. Das Assertorische im ,,S ist P " ist gewissermaßen seine logische Substanz, im Gegensatz zum Hypothetischen und Disjunktiven. Das Ist, nicht als existentielles, sondern als logische Kopula, knüpft das logische Akzidenz der Prädikat-
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haftigkeit an die logische Substanz an. Der Träger dieses Akzidentellen ist das S, das logische Subjekt. Aber im übrigen ist doch die Substanz gerade das Anti-Relative und Anti-Relationale, das Quasi-Absolute. Wie kann also da die Substanz im Kantschen Sinne zur Relation gehören ? Jedoch da es sich um Erscheinungen handelt, ist die Frage nicht schwer zu beantworten. Erstens stellt die Substanz das, was sie umfaßt, in seiende Relationen hinein und zweitens ist auch ihr eigener anti-relationaler und quasi-absoluter Charakter selbst etwas Relatives, da Substanz immer phänomenale Substanz ist. Also gerade diese Einordnung Kants zeichnet die Grenze der Substanzkategorie gut ab und weist durch ihre Negativität auf das Meontisch-Meontologische hin, bei dem diese Grenze wegfällt. Man kann auch nicht sagen, daß die Grenze des Substanzbegriffes doch nicht die Grenze des Gegenstandes dieses Begriffes sei, der Substanz selbst. Denn dieser Gegenstand ist als solcher Kategorie und nicht Begriff. Aber von ihm erlangen wir einen Begriff. Und die Kategorialität der Substanz besteht gerade darin, seinskonstituierend zu sein. Aber das Sein, das konstituiert wird, ist das der Erscheinung, nicht das Ansichsein. Dazu kommt, daß auch der letztere Ausdruck noch inadäquat ist. Beim Ansichsein handelt es sich ja um etwas, was in der totalen Anderheit des Seins steht. Wir brauchen der theologischen Verwendung der Substanzkategorie keine Sonderbetrachtung zu widmen. Sie ist so eng mit dem Pantheismus verbunden, daß sich hier die Untersuchung nicht in zwei Teile scheiden ließ. Aber sie besitzt auch eine Bedeutung für den Theismus, wenn auch nur eine geringe. In der alten Trinitätslehre z. B. wurde die Substanz gleichbedeutend mit der Essenz gebraucht, in der Formel, daß der persönliche Gott sich in drei Personen in einer Essenz oder Substanz offenbare. Die Substanz wurde also dazu benutzt, das Wesen Gottes zu bezeichnen, und wir wissen heute, daß das nicht gut ist. Darin zeigt sich von neuem die ontische Gebundenheit der alten Theologie und Dogmatik. Das eigentliche Substanzmotiv ist das der Umfassung. Diese geht vom Meontisch-Meontologischen aus, aber immer in einer schon phänomenalisierten Form, die nie ohne schlechte Positivität und Negativität ist, nie ohne Hypostasierung des Seiendseins. Die Dynamik kommt dabei zu kurz zugunsten der Statik. Die Substanz ist noch mehr als der Behälterraum etwas Todbringendes, das die Ideologie der Substanz einer Erstarrung unterwirft. Nur in diesem Rahmen ist die Substanz transzendentale Anschauung und transzendentales Denken zugleich. Kant erkennt nur das letztere an, das ist mit seinem Kategorienbegriff im Gegensatz gegen Raum und Zeit verbunden. Aber in der Sache fehlt bei ihm auch nicht das Intuitive der Substanzanschauung. Das liegt bei ihm in der tiefsinnigen Lehre vom transzendentalen Schematismus. Das ist ihre Bezogenheit auf die Zeit. Die Substantialität ist ein Korrelat der Zeit, sofern sie das Stehende ist, sofern sie selbst nicht entsteht oder vergeht, sondern nur das Seiende in ihr sich verändert. Das reicht jedoch in die Wurzeln
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des bedingenden Ist, der bedingenden Materialität und Inhaltlichkeit, der bedingenden Existenzialität mit ihrer Setzungssenkrechten hinein, und durch d i e s e n Einfluß wird die Zeit selbst als reine Form nicht nur etwas, das scheinbar fließt, sondern auch das, worin alles wechselt, während es selbst scheinbar dem Wechsel nicht unterworfen ist. Wir sagen „scheinbar", weil diese Vorstellungen schon eine Verdinglichung der Zeit einschließen aber dennoch auf etwas hinweisen, was der bedingenden Zeit in ihrer Zusammenarbeit mit dem bedingenden Ist eigentümlich ist. Die Verwendung der Substanzkategorie in den anderen Kultursphären betrachten wir im Zusammenhang mit der Kausalität. Ohnehin ist ja die Substantialität von der Kausalität nur abstraktiv trennbar. Auch das setzt eine einseitige Substanztheorie ins Unrecht und verursacht ihr Zukurzkommen gegenüber den Individuationen. Deshalb neigt sie auch theologisch mehr zum Pantheismus als zum Theismus. Das Problem der Persönlichkeit Gottes läßt sich substanztheoretisch nicht bewältigen. Die eigentliche Kraft der Substantialität liegt in der Pleromatik ihrer Umfassungsfunktion, aber aus den angegebenen Gründen bleibt diese gehemmt. Erst im Meontisch-Meontologischen wird sie frei, aber zusammen mit dem principium individuationis. Das erst macht eine meontologische Würdigung des Theismus möglich. In der Kunst waltet die Substanzkategorie überall da, wo sie zum Pantheismus und ähnlichen Erscheinungen neigt, und das ist allerdings eine typisch ästhetische Haltung, aber nur ein Typus unter anderen, die entgegengesetzte Struktur haben. So ist auch auf dem Boden des Theismus Bedeutendes in der Kunst geleistet worden, und da kann die Substanz nicht zum Allbeherrschenden werden. Etwas Ähnliches gilt von der Naturwissenschaft und von den Geisteswissenschaften. Die Ethik ist dem Pantheismus nicht günstig gesinnt. Sie ist zu individualistisch, und deshalb hat sie engere Beziehungen zur Kausalität als zur Substanz. In der Soziologie teilen sich die Interessen. Die Staats Vergötterung und die panlogistische Staatstheorie Hegels zeigen deutlich etwas Pantheismusartiges. Dabei wird aber die Substanz zu einer neuen Art von Umfassung, die eigentlich mit einem anderen Wort benannt werden müßte, weil sich dabei eine neue Sache ankündigt. Das führt aber nicht zum Panlogismus, sondern zum Meontisch-Meontologischen, das frei von den Nivellierungen der Individuationen geworden ist, weil es sie frei gibt. Dabei löst sich die Spannung zwischen Substanz und Kausalität. Einstein als Philosoph ist ein Pantheist im größten Gegensatz zu seiner mathematischen Existenz, die gerade das principium individuationis neu befreit und zu ungeahnten Höhen der formalistischen Durchwaltung vom bedingenden Ist her heraufgeführt hat. So zeigt sich, daß ein Mathematiker durchaus nicht zu wissen braucht, was er t u t und daß er hinter seine eigenen Leistungen weit zurückfallen kann, sobald er ein philosophisch Reflektierender wird. Der Pantheismus ist eine klare Mischform der ersten und der fünften Kultursphäre, wie besonders an Spinoza gesehen werden kann. Es ist ein
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Unding, die Substanz mit Gott zu identifizieren. Das dient weder der Religion noch der Theoretik. Diese redet von der Substanz im Zusammenhang der Erfahrungstheorie, und die Religion spricht von Gott in ganz anderer Weise. Die freie Spekulation allerdings begeht sehr leicht diese Vermischungen, weil sie den Bezug auf die Möglichkeit der Erfahrung verloren hat. Das ist auch bei Spinoza der Fall. Natürlich gibt es zwei Klassen von Mischformen: solche, die notwendig sind und sich rechtfertigen lassen, und andere, die besser vermieden werden. Der Pantheismus und der Spinozismus gehören zu der letzteren Art. Vom X des Ansichseienden, vom dinglich Potentiellen und Intensiven her breitet sich das Dingliche als Substanz aus. Das Modell des seienden Dinges wird dabei nicht überwunden. Die Substanz ist seine Hypostase und so das Unding. Ihre Absolutheit versperrt den Weg zur Erkenntnis des ,,Sein"-wie-Nichtseins, des dritten Neutralen, des bedingenden Ist und des bedingenden Geistes. Alle diese fruchtbaren Negativitäten, die zur Erfahrungstheorie gehören, werden abgeschnitten. Die Substanz Spinozas zeigt die Intention, akosmistisch zu sein, aber sie kann diese Wendung nicht vollbringen und führt so wider Willen zum Materialismus. Daß es nicht genügt, die Substanz zum Subjekt zu erheben, haben wir bereits gesehen. Ein Geistbegriff, der den Dualismus von Geist und Materie überwindet, kann durch den Substantialismus nicht erreicht werden. Deshalb ist der Pantheismus und der Substantialismus wesentlich eine Vollbringung des animalisch-psychischen Geistes, der sich dem bedingenden Geist verschlossen hat. Diese Grenze vermag auch die transzendentale Substanztheorie nicht zu überschreiten. Das Transzendentale, das offen wird für den bedingenden Geist, sprengt den metaphysischen Substantialismus. Die Materie, die das Erscheinungskorrelat der Substanz ist, ist gerade das, was der bedingende Geist zu überwinden berufen ist. Die Substantialität der Energie ist eine sekundäre Begriffsbildung, die das entscheidende Wort im Substanzproblem nicht zu sprechen vermag. Gerade die reine Energie ist berufen, der Ursprünglichkeit der Zeit das Wort zu geben, und diese ihre ontologische Punktion wird durch ihre Substantialisierung bedroht. Nur unter diesem Gesichtspunkt kann die wahre Dialektik von Kraft und Stoff erkannt werden. Der bedingende Geist ist weder Substanz noch Akzidenz. Was nicht vom Sein ausgesagt werden kann, kann noch weniger von ihm prädiziert werden. Der Substanz gegenüber wird der bedingende Geist zum konkreten Nichts. Was irgendwie pantheistisches Gepräge zeigt, ist bestimmt nicht der bedingende Geist. Der bedingende Geist ist das dritte Neutrale und Erfüllende zu „persönlich" und „unpersönlich". Im bedingenden Geist ist das bedingendeist gegen eine Umfassungsfunktion gestellt. Wird diese isoliert, dann wird sie zur Bildnerin der Substanzidee. Aber das macht noch lange nicht den bedingenden Geist zur Substanz. Deren Umfassung kommt duch eine V e r m i n d e r u n g nach der Bifurkation zustande. Des Geistes Umfassung ist aber die V e r m e h r u n g , die durch den Eintritt in das dritte Neutrale erfolgt. Hier steigert sich die Substanz 10 Samuel, Ontologie
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über sich selbst hinaus in ihre totale Anderheit hinein. Damit tritt sie ein in die Unsichtbarkeit des Undinglichen und verliert so die hypostatische Hypertrophie des Verdinglichens. In d i e s e m Sinne könnten wir allerdings den Geist die „Substanz" nennen. 25. Die Kategorien der Kausalität und Wechselwirkung Die Kausalität besitzt eine in mehrfacher Hinsicht der Substantialität entgegengesetzte Struktur. Die isolierte Substanz drängte zum Monismus. Die vereinzelte Kausalitätsbeziehung dagegen ist ein pluralistisches Moment. Nur in vielfacher Verflechtung kommt sie vor und ist nur abstraktiv heraushebbar. Die Rückwirkung auf die Substanz ist derart, daß sie nur in ihrer Isolierung von der Kausalität die eine Substanz ist. Um der Kausalität willen spaltet sich die eine Substanz in viele Substanzen, und das wird für den Dingbegriff konstitutiv. Durch die Verbindung von Substanz und Kausalität steht das Erscheinungsseiende in einem durchgehenden Zusammenhang von Einheit und Vielheit. Deshalb treten hier überall die höheren Erfassungsformen auf. Eine Substanz läßt sich nicht empfinden, sie verlangt nach der Anschauung und dem Denken. Dasselbe gilt von der Kausalität, die das bevorzugte Instrument des Verstandes mit seinen Regeln ist, um sich in der Erscheinungswelt zu orientieren und Ordnung in sie hineinzubringen. Sie vermittelt so recht den Nahverkehr mit den Dingen. Bei den Fernbeziehungen wird die Kausalität von höheren Prinzipien übermeistert, in die sie dann als Moment eingeht. Vermittels der Kausalität verknüpft der Verstand Erscheinungen mit Erscheinungen. Sie strebt zum natürlichen System der Dinge hin. Die Kausalität beantwortet die Warum-Frage, die bereits im Kinde schon so lebendig wird. Wir Menschen besitzen einen unauslöschlichen Durst nach der Befriedigung des Bedürfnisses, die Warum-Frage immer und immer wieder zu stellen. Die Momente der Kausalität als eines Einzelelementes, das in die Vielheit und Mannigfaltigkeit des Kausalnexus der Erscheinungen eintritt, sind die folgenden: Die Verknüpfung von Ursache und Wirkung. Die Ursache bringt die Wirkung hervor. Das ist mehr als eine bloße Sukzession. Die Wirkung folgt nicht nur der Ursache in der Zeit, sondern wird von der Ursache verursacht. Die Beziehung ist die eines Durch: die Wirkung ist d u r c h die Ursache. Dieses Durch der Kausalität, das Ursache und Wirkung übergreift, durch beide hindurchgeht, dessen Träger die Ursache ist, beruht auf einem Einfluß des bedingenden Ist, der bedingenden Materialität, der bedingenden Inhaltlichkeit, die verstehbar wird. Das ist dann zugleich das gegenstandsfunktionale Moment in der Kausalität. Die Dinge wirken auf die Sinne ein, affizieren sie. So wird die Erkenntnis eines Gegenstandes möglich. Wir sahen, welche Rolle dabei das bedingende Ist spielte. Das ist die allgemeine Voraussetzung dafür, daß auch eine Erscheinung die andere im Vorstellungsraum verursachen kann. Das Affizierende ist nicht die Verursachung der Empfindung, son-
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dem nur ihre Auslösung. Aber Verursachung, Kausalität ist darin enthalten, gewissermaßen darin verwoben. Das bedingende Ist hat dabei von vornherein diese Kausalität, die auch erst recht die Affektionssinnlichkeit transzendiert. Die bedingende Materialität geht in die Kausalität ein und macht sie möglich. Das steht von vornherein in dem Licht des MeontischMeontologischen, in dem das bedingende Ist ursprünglich wohnt. So gesehen gestaltet sich aber nicht die Kausalität allein, sondern die Verbindung von Kausalität und Substanz, die erst das ganze Phänomen der Beherrschung des Erscheinungsseienden durch den begreifenden Verstand darstellt. Die Affektionsrichtung des Anschauungsgegenstandes, sofern sie durch das bedingende Ist bedingt ist, deutet wirklich auf die Setzungssenkrechte hin, die senkrecht auf der Dimensionalität steht, welche durch den Kausalnexus bezeichnet wird. Ist die Kausierang einer seienden Erscheinung durch eine andere die Waagerechte, dann ist die bedingende Existentialität die Senkrechte dazu, die Setzungssenkrechte, was nur ein anderer Ausdruck ist für das bedingende Ist, die bedingende Materialität, die bedingende Gehaltlichkeit. Das zeigt, wie tief verknüpft die Kausalität mit diesem Urapriori ist. Ohne das bedingende Ist gäbe es keine Kausalität. Es ist das Durch im Durch der Kausalität, das, was macht, daß die Ursache etwas bewirkt, was sich durch die Verursachung hindurch trägt, was sie übergreift. Dabei darf keinen Augenblick vergessen werden, daß sich das umfassende Meontisch-Meontologische selbst zum Gegenstandsfunktionalen zusammenzieht und zum bedingenden Ist wird, und daß es dabei in der totalen Anderheit sogar des reinen Seins steht. Da kann nicht mehr gesagt werden: es ist „jetzt", obgleich unser Vorstellen nicht ohne diesen Fehler möglich ist. Das berührt jedoch schon die „letzten Aussagen". Aber von dieser Tiefe her wird das Kausale in der Kausalität gespeist. Deshalb: Wird von der bedingenden Materialität (und dabei muß immer auch an die anderen Ausdrücke gedacht werden) abgesehen, so bleibt nur ein Formales übrig, denn jene ist das, was den Formalismus durchbricht. Dann reduziert sich die Kausalität auf bloße Sukzession. B ist dann nicht durch A, sondern folgt ihm nur. Das ist aber ein Element der Form aller Formen, der Raumzeitlichkeit. Das Beste der Kausalität bleibt dabei unerklärt. Sicherlich geht diese raumzeitliche Struktur in die Kausalität ein, sicherlich gehört sie zu ihrer eigenen Struktur, aber sie erschöpft sie nicht. Verursachung ist mehr als zeitliche Folge, und der Überschuß ist ein materiales Element, das auf das Urmateriale zurückgeht. Das ist das Interessante bei der Kausalität, daß sie in dieser klaren Weise das bedingende Ist bezeugt. Deshalb wehrte sich auch Kant gegen die Theorie Humes, der die Notwendigkeitsverbundenheit von Ursache und Wirkung durch das psychologische Phänomen der Gewohnheit erklären wollte. Das führt unausweichlich zum Psychologismus, zur psychologischen Erweichung des echten kausalen Durch. Wenn zur Form aller Formen, zur raumzeitlichen 10*
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Struktur der Kausalitat, nur etwas Psychologisches hinzukommt, so kann das den Formalismus nicht durchbrechen. Es ist zu schwach und zu unontologisch. Das Durch der Kausalität zeigt Notwendigkeit und Allgemeinheit. Dieselbe Ursache bringt ganz allgemein dieselbe Wirkung hervor (und so mit der Verschiedenheit), und sie bringt sie notwendig hervor. Die Kausalität ist so recht die Elementarschule der Notwendigkeit, wo wir wirklich lernen, was es mit dieser Modalkategorie im Gegensatz zu den anderen Modalkategorien, wie Wirklichkeit, Möglichkeit und Zufälligkeit, auf sich hat, und im Gegensatz zu den nichtmodalen Kategorien, wie Realität und Idealität. Gewohnheit schenkt uns keine echte Notwendigkeit, sondern weist uns nur auf die Erwartung einer assoziativen Wiederkehr hin, die auch einmal ausbleiben könnte. Und ähnlich steht es mit der Allgemeinheit. Das ist ja gerade das große Wunder der synthetischen Urteile a priori, daß sie uns eine Notwendigkeit und Allgemeinheit zeigen, die weder empirisch noch analytisch sind. Wären sie bloß empirisch, dann müßte die Kausalität aufhören, uns so sicher durch die Erscheinungswelt zu leiten. Wären ihre Notwendigkeit und Allgemeinheit aber bloß analytisch, dann würde das Schöpferische des Kausalprinzips verlorengehen. Die Ursache A macht, daß in einer darauffolgenden Zeit (und das ist das reine Formalmoment), etwas anderes da ist, die Wirkung B, die nicht analytisch identisch mit A ist, sondern ein Moment des Novums in sich birgt (das ist das Materiale) und daß dieser Hervorgang des B aus A immer nach einer gewissen Regel geschieht (das ist das Logische und Gnoseologische dabei, das jedoch zugleich seinskonstituierend und transzendental ist). Das ist die Struktur des vereinzelten Kausalprinzips. Aus solchen Einheiten ist dann die Vielheit und Mannigfaltigkeit, ist das Geflecht und Gefüge zusammengesetzt, um das es sich eigentlich handelt. Und das an zweiter Stelle Genannte ist die materiale Produktivität der Kausalität. Schon die reine Zeitlichkeit in ihr ist formale Produktivität. Zu ihr kommt aber die mater.'ale hinzu. Und das an dritter Stelle Genannte ist die logische und gnoseologische Produktivität der Kausalität. Alle drei zusammen machen ihren synthetischen kategorialen Charakter aus, der von Kant klar erkannt wurde. So erklärt sich die unerhörte Schöpferkraft des Kausalitätsprinzips. Obgleich es sich zusammen mit der Substanz am besten zum Mechanismus schickt und zu dem, was ihm verwandt ist, obgleich es in übermechanischen Regionen mehr und mehr verblaßt, so tut das doch seiner Produktivität keinen Eintrag. Vielmehr wird gerade der Mechanismus dadurch auf eine höhere Stufe erhoben und seiner Abwertung entgegengearbeitet. Natürlich hat die Kausalität wie auch alles andere ihren Platz im Kosmos des Meontologischen, der nicht ungestraft verrückt werden kann, weder nach oben noch nach unten. Die Kausalität disponiert in ihrer Weise über das Potentielle und Intensive, über Quantität und Qualität und die damit verbundenen Quantifizierungs- und QuaLfizierungsprozesse, über das Statische und das Dynamische, über Kraft und Stoff, über Energie und Materie, immer zusammen mit der Substantialität, ja sogar bis zu einem gewissen
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Grade über Raum und Zeit. Das zeigt, was ihr alles unterworfen ist, wovon sie das höhere Prinzip ist, es zeigt ihren Ort im Raum des Meontologischen. Aber schon im Biologischen und Organischen beginnt ihre Herrschaft zu verblassen, wie wir noch sehen werden, obgleich sie nicht ausgeschaltet ist. Noch mehr ist das beim Psychologischen der Fall. Zum Beispiel, wenn eine Vorstellung die Ursache einer anderen wird, dann ist dabei schon die Vorstellung vorstellungsgemäß in einer Verstellung der Vorstellung ins Seiende gewendet. Ihre eigentliche Natur ist verändert. Ganz fern klingt eine Verdinglichung an. Ohne das kann sie für uns nicht allgemein Seiendes sein, und ohne das vermag sie weder als Ursache noch als Wirkung erfaßt zu werden. Schon im Materiellen und Mechanischen kommt ja die Kausalität nur als Geflecht und Gefüge vor. Deshalb war es doch gut, daß wir sie als Einzelkausalität analysierten und ihre Momente angaben. Aber von einem gewissen Grade an ändert das Geflecht seine Qualität, und dann geht die Kausalität in etwas Anderes über, in etwas, das nicht mehr Kausalität im strengen Sinne ist. Das ereignet sieh besonders in den Geisteswissenschaften. Auch hier spielt die Ursachenforschung eine allbeherrschende Rolle. Zum Beispiel handelt es sich in der Geschichtsforschung darum, die wahren Ursachen der geschichtlichen Erscheinungen aufzufinden. Bei näherem Zusehen sind aber diese Ursachen doch etwas ganz Anderes als die in der materiellen Natur und in der Mechanik und Dynamik. Was da mit einfließt, ist Motivation, Finalität und Teleologie und noch Anderes. Das grenzt dann nach oben zu den meontologischen Ort der Kausalität ab. Gerade vom Ist her wird die Kausalität beweglich, variabel und flexibel. Sie kann sich den verschiedenen Geistesgebieten weitgehend anpassen. Natürlich hat das seine Grenze. Das ist das Freiheitsmoment in der Kausalität, das mit ihrer Notwendigkeit zusammen besteht. Soviel Isthaftigkeit in ihr ist, soviel Freiheit ist in ihr. Im Gegensatz zur Substanz ist die Kausalität deshalb nicht nur ein Prinzip der Vielheit und der Mannigfaltigkeit, sondern auch eins der Konkretion und der Individuation, und beides hängt miteinander zusammen. Die Substanz ist frei als das Allumfassende. Aber der größte Teil dieser Freiheit geht in Seiendheit dieser Umfassung unter. Der Verlust ist bei der Kausalität nicht in solchem Grade vorhanden. Die Kausalität ist der Anfang der Geschichtlichkeit, und zu welchem Ende wächst sich dieser unscheinbare Anfang aus! Die Kausalität macht, daß schon im Mechanischen, wo sie waltet, eine Geschichte erzählt werden kann und muß. So werden die mechanischen Ereignisse erfaßt, ja sie sind in sich selbst geschichtlich. Und sofern die Natur ja durch Kausalität charakterisiert ist, hat es seine große Berechtigung, von Naturgeschichte zu sprechen. Auch die Natur ist in sich selbst geschichtlich. Weder Potentialität noch Intensität, weder Quantität noch Qualität bringen uns auf das Geschichtliche. Aber die Kausalität t u t es, weil ihre dreifache Struktur, ihre formale, ihre materiale und ihre logische schon komplex genug ist, um Ur- und Wachstumszelle der Geschichtlichkeit zu sein. Die Kausalität ist das erste, wodurch Ge-
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schichtlichkeit zur Geschichtlichkeit wird. Sicher tritt noch unermeßlich vieles Andere hinzu, aber dieses ist der Anfang. Damit hängt es zusammen, daß die Kausalität in solch wunderbarer Weise Kontinuität und Diskontinuität (Diskretheit) und Intuivität und Diskursivität miteinander verbindet. Im Kausalnexus ist etwas kontinuierlich Durchgehendes enthalten, wie bei einem stetig durchklingenden Baß, und wird auch Différentes gegeneinander abgesetzt, wie bei der Melodie, die sich über dem Baß erhebt. Jenes ist kontinuierlich und intuitiv, dieses diskret und diskursiv. Jenes wird durch die Anschauung erfaßt, diese durch das Denken begriffen. Weil das kleine Einheitselement einer Ursache-Wirkung-Verbindung die erwähnte hochkomplexe dreifache, formale, materiale und logische Struktur hat, und zwar vom Urbedingenden her, deshalb wirken Kleinheit, Einheit und Komplexität zusammen, diese Verbindung des Intuitiv-Kontinuierlichen mit dem Diskursiv-Diskreten herzustellen, auf der es beruht, daß die Kausalität Geschichtlichkeit in statu nascendi ist. Sie ist gewissermaßen der Differentialquotient der Geschichtlichkeit. Das stellt eine glänzende Verbindung zwischen der Naturwissenschaft und der Soziologie her. So fängt das Geschichtserzählen an. Die Kausalität ist von einem pleromatischen Drang erfüllt. Die isolierte Substanz ist keine gute Geschichtslehrerin. Aber der „kontinuierliche Baß" ist das substantielle Moment in der Kausalität, das von der Isolierung befreit worden ist. Kant nennt die kausale Wechselwirkung auch Gemeinschaft. Es ist kein Zufall, daß dies auch ein soziologisch bedeutsamer Begriff ist. Die Kausalität ist also der erste, noch sehr bescheidene Durchbruch in die Geschichtlichkeit, ein Kleines, dem Großes folgt. So bringt auch die Geschichtlichkeit Erfüllungskausalität auf den Plan. Ein Kind sagt zu seiner Mutter: „Sieh, wie die Engel den Baum bewegen." Die Mutter antwortet: „Du fühlst zwar hier unten keinen Wind. Aber blick auf zum Himmel. Siehst du, wie die Wolken daherziehen. Der Wind, der dort oben weht, treibt sie an. Und auch an den Orten, in die der Gipfel dieses Baumes aufragt, wehen solche Winde, und sie bewegen die Zweige hin und her." Die Mutter hat dem Kind eine kleine Anleitung in der Ursachenerforschung gegeben, aber indem sie das getan hat, hat sie ihm eine kleine bescheidene Geschichte erzählt (sicher viel bescheidener als eine Engelgeschichte), die aber ebenso schön und interessant ist wie sie. Denn diese natürliche Geschichte trägt die Unterschrift: „Fortsetzung folgt." Religiös hat sie bei dem Kinde nichts zerstört, im Gegenteil, sie hat eine vernünftige religiöse Erziehung vorbereitet. Sie könnte auch hinzufügen, daß der Wind, das himmlische Kind, ja auch ein Diener, Bote und Engel Gottes ist, aber das gehört nicht zu der bescheidenen Geschichte. Die Ur-sache in ihrem Walten ist der Anfang der Ur-geschichte. Der Allgemeinheits- und Notwendigkeitscharakter der Kausalität widerspricht nicht ihrer Einmaligkeit als Geschichte. Jede Verursachung ist ein Ereignis für sich. Die logische Kausalität ist nicht Ursache und Wirkung, sondern Grund
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und Folge. Das ist der Wenn-So-Zusammenhang der Urteile. Der Kausalität entspricht also logisch das hypothetische Urteil, wie der Substanz das assertorische und der Wechselwirkung das disjunktive. Hinzugefügt könnte werden, daß der Kausalitätsreihe logisch das konjunktive Urteil entspricht, das Und, das Sowohl-Als-Auch. Das disjunktive Urteil ist das Entweder-Oder. Das hypothetische Urteil führt dann weiterhin gnoseologisch zur Hypothesenbildung, die in der Ursachenerforschung eine solch große Rolle spielt. Wir lernten die tiefe meontologische Verwurzelung des logischen Grundes bereits kennen: das konkrete Nichts, die totale Anderheit des Seins, die wie Nichtsein ist, erscheint vor dem Seienden als sein Grund. Die darin waltende hohe Negativität wird auch als Urgrund, Abgrund und sogar Ungrund bezeichnet. So bringt der Grund das Seiende in die Krisis hinein. Das hypothetische Urteil ist immer schon eine Verharmlosung dieses Wesensgrundes. Denn es verwandelt die beiden Urteile, die im Hypothetischen verbunden sind, in Quasi-Seiende und macht das eine zur Ursache des anderen, das dann der Grund gegenüber dem anderen, der Folge heißt. Mehr vermag das Urteil von der logischen Kausalität nicht auszudrücken. Im Gegensatz hierzu ist der Grund im meontisch-meontologischen Sinne etwas, das die Kausalität transzendiert. Diese Bewegung läßt Raum für noch ganz andere und höhere Prinzipien. Grund in diesem Sinne ist etwas Überlogisches und Übergnoseologisches. Der logische Grund, ausgedrückt im Satz vom zureichenden Grunde, ist demgegenüber eine Verflachung, die nicht nur hinter den meontisch-meontologischen Grund, sondern sogar hinter die Ursache zurückfällt. Das ist bei der Bewertung der formalen Logik wohl im Auge zu behalten. Die bloße Notwendigkeit, sich so grammatisch in Urteilen auszusprechen, nivelliert den Überschuß, den der Grund über die Ursache hat, und nivelliert auch diese selbst. Der meontisch-meontologische Grund ist die ursprüngliche Synthese von Substanz und Kausalität, Grund im metaphysischen Sinne einer recht verstandenen Metaphysik. Hegel trieb ein geistreiches Spiel mit dem Ausdruck: „zugrunde gehen" als Ausdruck der Genesis des Wesens mit seinem perichoretischen Akzent der Vergangenheit, der Gewesenheit und Verwesenheit. In der Tat zeigt das seiende Wesen diesen Zusammenhang, aber das ist nicht mit dem meontisch-meontologischen Grund zu verwechseln. Dieser gehört nicht dem Seienden an, sondern dem, was das Seiende „begründet", der totalen Anderheit des Seins, die wie Nichtsein ist, dem konkreten Nichts. Insofern das gilt, macht sich das Meontisch-Meontologische selbst zum Grund, und nicht einmal das Jetzt ist mehr anwendbar auf ihn. Die Struktur des meontisch-meontologischen Grundes als Synthese von Substanz und Kausalität wird ersehen an der reinen Isthaftigkeit des Meontisch-Meontologischen. Es ist ja das Umfassende, aber ebenso unmittelbar ist es das bedingende Ist, die bedingende Materialität, Inhaltlichkeit und Existentialität. Von jenem Umfassenden her ist es die Substanz, von diesem her das Gegenstandstheoretische und Gegen-
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standsfunktionale, das die Kausalität einführt. Von der Unmittelbarkeit beider im Meontisch-Meontologischen her ist der meontisch-meontologische Grund als Synthese von Substanz und Kausalität. Dabei wird Raum gelassen für noch vieles Andere. Aber wie können wir von einer Struktur des meontisch-meontologischen Grundes sprechen, da dieser doch die totale Anderheit des Seins ist, die wie Nichtsein und Nicht und Nichts ist, von der das Jetzt nicht mehr ausgesagt werden kann ? Wie sollten wir die Struktur eines solchen erkennen können? Ja, wir vermögen das, denn die Isthaftigkeit des Meontisch-Meontologischen ist das, was im Begriff ist, in dieses Nichts überzugehen. Allerdings zeigt die Isthaftigkeit noch einen Akzent des Bezuges auf das Ontische, das Seiende, bevor es zu der Neutralisierung kommt, die durch den Bindestrich in dem Ausdruck: „das MeontischMeontologische" angedeutet wird. Unter dieser Bedingung und unter dieser Beschränkung können wir von der Struktur des meontischmeontologischen Grundes sprechen. Hieraus entspringt auch die Gültigkeit der logischen Synthese von Substantialität und Kausalität, des logischen Subjekts und des logischen Grundes. Wir lernten die Ist-Bedeutungen kennen: S ist, im Sinne von S existiert, und S ist P, das Ist der Kopula, das assertorisch also logischsubstantiell ist. Nun haben wir es mit einem neuen Zusammenhang zu tun: Wenn S P ist, dann ist Q R. Das ist der Wenn-So-Zusammenhang, das Hypothetische, die logische Kausalität, der Zusammenhang von Grund und Folge. Wiederum etwas Anderes ist ausgedrückt in: S ist, existiert, und deshalb ist auch P im Sinne von „existiert". Wenn S existiert, dann existiert auch P. Das ist der logische Ausdruck der Kausalität selbst. So wie nun das logische Ist-Sagen im existentiellen und assertorischen Urteil vom bedingenden Ist her ist und durch es ermöglicht wird, so gilt dasselbe auch vom Wenn-So-Sagen, das ein zwiefaches und zusammengekoppeltes Ist-Sagen ist. Nur ist dieses nicht, wie beim Assertorischen vom bedingenden Ist her mit seiner gegenstandsfunktionalen Bedeutung, sondern von der Harmonie dieses Ist mit der substantiellen Umfassung im Meontisch-Meontologischen her, also vom meontischmeontologischen Grunde her. Das ist der Fortschritt vom Assertorischen !um Hypothetischen, der Griff nach der Umfassung unter Beibehaltung des Gegenstandsfunktionalen, der Setzungssenkrechten. Das Kleid ist noch zu weit. Aber was da hineingesteckt wird, wird gewaltig anwachsen. Wir kommen nun zur Wechselwirkung. A ist Ursache von Wirkungen in B, und zugleich ist auch B Ursache von Wirkungen in A. Die Komplexität des Seienden, das ja immer Erscheinungsseiendes ist, ist dabei offenbar. Denn es ist ja nicht gesagt, daß A Ursache von B ist und daß B als Wirkung zugleich auch Ursache von A ist und die Ursache selbst zur Wirkung macht. Sondern was gesagt wird, ist, daß A und B ein zusammengehöriges komplexes System von Seienden sind, bei dem gewisse Wirkungen in B auf A als Ursache zurückgehen und gewisse
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andere Wirkungen in A auf B als Ursache. Dadurch stehen A und B in Gemeinschaft miteinander, dadurch bedingen sie sich wechselseitig, sind sie wechselseitig voneinander abhängig und auch wechselseitig selbständig gegeneinander. Was der metaphysische, meontisch-meontologische Grund im Ansichsein tut, diese Synthese von Substanz und Kausalität zu vollbringen, das tut die Wechselwirkung im Rahmen der Erscheinung selbst. Sahen wir doch, daß wir es dabei mit Erscheingsseiendem zu tun hatten. Übrigens ist auch diese Synthese noch im kleinen Stil vollbracht, aber sie ist eine Vorbereitung zu Größerem. Zunächst kommen ja nur zwei seiende Einheiten in Frage. Am schönsten kann das in der Astronomie beobachtet werden. Hier ist die Gravitation das große Beispiel einer Wechselwirkung, die ganz ungehindert in die Erscheinung tritt. Die Erde zieht den Mond an und der Mond die Erde. Und so steht es mit dem Planetensystem und mit allen Sonnen- und Sternsystemen im Weltall. Aber das reicht auch herunter bis in die kleinsten Einheiten. So wissen wir, daß die Erde nicht nur den fallenden Stein anzieht, sondern der Stein auch die Erde. Daß die eine Seite dieser Wechselwirkung praktisch vernachlässigt werden kann, spielt dabei theoretisch keine Rolle. Die Bewegungen von Himmelskörpern um einen Zentralkörper, z. B. unsere Sonne, können aus einer gradlinigen Fortbewegung und der Gravitation konstruiert werden, und die besonderen Verhältnisse ergeben Ellipsen oder andere Kegelschnitte. Die Wechselwirkung ist dabei zirkulär, rücklaufend, im Gegensatz zur fortgehenden Reihe der Kausalität, daß A B verursacht und B C usw. Auf dieses Phänomen werden wir später zu sprechen kommen. Isolierte Verursachungen kommen ja nicht vor. Sie treten immer in Verbänden auf, in Reihengefügen oder in Gefügen der Wechselseitigkeit. Jene zeigen etwas Zeitähnliches, diese etwas Raumähnliches. Letztere sind kleinste Bildungseinheiten von empirischen und phänomenalen Synthesen von Substanz und Kausalität, und sie setzen fort, was in der Logifizierung der Kausalität angefangen wurde und was als Grund auftrat. Sie nehmen dieses Motiv nun inmitten des Empirischen neu auf. Die seiende Erde muß mit dem seienden Mond etwas Substantielles gemeinsam haben, um anziehen zu können und um angezogen werden zu können, um in Wechselkausalität mit ihr zu stehen. Eine Urverbundenheit von Substantialität und Kausalität ist also vorgegeben, um die Gemeinschaft zwischen Erde und Mond möglich zu machen. Das leitet dann sogar zu einer genetischen Theorie von der Entstehung der beiden Himmelskörper an. Kant stellt am Beispiel vom Schiff und vom Haus den Unterschied zwischen Kausalität und Wechselwirkung heraus. Beim Haus stehen die Steine in Wechselwirkung oder Wechselkausalität. Deshalb kann ich meine subjektive Synthese, durch die ich eine Anschauung vom Haus erlange, oben, unten, rechts oder links oder beliebig anders anfangen. Ich habe völlige Richtungsfreiheit, wie ich mein Bild vom Hause in mir aufbauen will. Aber wenn ich am Fluß stehe und sehe ein Schiff,.
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
das vom Strom herunter und auf mich zu getrieben wird, dann habe ich nicht solche Richtungsfreiheit in der Erfassung der sukzessiven Positionen des Schiffes. Von ihnen kann ich mir nur ein Bild machen, indem ich der objektiven Sukzessionsfolge gehorche, von der ich abhängig bin. Denn diese Folgemomente sind nicht wie die Steine des Hauses, die in Wechselwirkung stehen, sondern sie sind durch Kausalität bestimmt und geordnet. Durch den Vergleich erlange ich dann ein lebhaftes Bild vom Unterschied zwischen Kausalität und Wechselwirkung, und ein klein wenig vom Geheimnis der soziologischen Gemeinschaft klingt schon mit an. Die Logifizierung der Wechselkausalität und Gemeinschaft im Ausdruck des Urteils ist das disjunktive Urteil: S ist entweder P oder Q oder R. Die logische Verbundenheit zeigt sich darin, daß S, wenn es in die Sphäre P hineingesetzt wird, von den Sphären Q und R ausgeschlossen ist, und so fort. Die Sphären schließen sich also gegenseitig aus, was nur möglich ist, wenn sie sich idealiter und der Möglichkeit nach zugleich auch gegenseitig einschließen und in Wechselbeziehung stehen. So haben sie ideale Gemeinschaft miteinander, und das ist beim Logischen ganz angebracht, denn dieses hat es mit dem Idealen zu tun. Zusammen umschreiben sie dabei eine in sich gegliederte Totalität in der Rückbeziehung auf das S. Diese Totalität zeigt die Möglichkeit dessen, worin alles S sein kann, wenn auch nicht zugleich. Aber die Möglichkeit des Seins im einen oder anderen ist ein ideales Zugleich, und darauf beruht die logisch-ideale Gemeinschaft. Das ist die Struktur des logisch Disjunktiven. Was die Sphären gemeinschaftlich haben, ist das Entweder-Oder-Sein in ihnen, in bezug auf das S. Das führt diesmal nicht zum Satz vom Grunde, sondern zu dem vom ausgeschlossenen Dritten. Wie nun jener eine Rückbeziehung auf das Meontisch-Meontologische besaß, so tritt auch hier eine solche auf. Dort war es der meontisch-meontologische Grund, der in die tiefsten Probleme der Metaphysik hinabreicht. Hier ist es nun eine ganz neue meontisch-meontologische Erscheinung, die im Satz vom eingeschlossenen Dritten formuliert wird, mit dem wir schon Bekanntschaft gemacht haben. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten besagt, daß S nicht P und Non-P zugleich sein kann, sondern wennS P ist, kann es nicht Non-P sein und umgekehrt. Es muß entweder P oder Non-P sein. Hier haben wir eine disjunktive Alternative, deren Glieder anscheinend in einem kontradiktorischen Gegensatz stehen. Ist die Disjunktion nun wirklich vollständig, dann gilt der Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Hier ereignet sich nun meontologisch etwas, das mit der geometrischen Grundlagenkrisis zu vergleichen ist, die durch das Parallelen-Axiom herbeigeführt worden ist, oder mit der naturwissenschaftlichen Grundlagenkrisis, die zur Relativitätstheorie geführt hat. Meontologisch zeigt sich, daß die Disjunktion nicht vollständig ist. Sie ist es nur unter der Voraussetzung, daß S und P überhaupt gesetzt werden, als Gesetzte aufgefaßt werden können, den Charakter der Gesetztheit zeigen. Der Fall oder die Fälle, wo das nicht der Fall
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ist, sind nicht in der Disjunktion eingeschlossen. S ist entweder P oder Non-P, sofern und soweit P Setzbares ist. Auch im Falle von Non-P wird S in die Sphäre von Non-P hineingesetzt. Nun ist aber der meontischmeontologische Grund im Meontisch-Meontologischen, ferner das bedingende Ist, die bedingende Materialität, Inhaltlichkeit und Existentialität im Meontisch-Meontologischen und vieles Andere in ihm, zu dem sich das Meontisch-Meontologische selbst macht, und schließlich das MeontischMeontologische selbst, die totale Anderheit des Seins und des Seienden, die wie Nichtsein, Nichtseiendes, Nicht und Nichts ist, auf die das Jetzt nicht mehr anwendbar ist, und all das kann in keiner Weise durch das Symbol S vertreten werden, von dem gesagt wird, es müsse entweder P oder Non-P sein. Dieser Fall und diese Fälle sind also nicht in die Disjunktion einbegriffen, auf der der Satz des ausgeschlossenen Dritten beruht, und so ist diese Disjunktion nicht vollständig. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten enthält deshalb schon den Ansatz zur Phänomenalisierung, und natürlich hat er seine allerstrengste formallogische Gültigkeit für das ganze Gebiet des Erscheinungseienden. Aber hier handelt es sich um etwas, was in der gesamten Erscheinungswelt überhaupt nicht vorkommt, um das neutrale Dritte, und die Einsicht, daß dieses dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten nicht gehorcht, daß dieser Satz ihm gegenüber aufgehoben ist, formulieren wir als den Satz vom eingeschlossenen Dritten. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten muß durch folgenden ersetzt werden: S muß entweder P oder non-P oder weder P- noch S-artig, sondern meontisch-meontologisches neutrales Drittes sein. Hier ist die Disjunktion vollständig, aber sie hat nicht zwei, sondern drei Glieder. Es gibt eben Objekte, die durch das intentionale Objekt nicht mehr erreichbar sind. Das übersieht der Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Er ist mehr ein Satz vom ausgeschlossenen Vierten, und das Dritte, das hinzutritt, das neutrale Dritte, ist also eingeschlossenes Drittes. Die Folgen für die Logik sind enorm. Sie wird reformiert. Dasselbe gilt von den erkenntnistheoretischen, ontologischen und kulturphilosophischen Folgen. Das haben wir zum Teil schon gesehen. Gesetztheit im meontologischen Sinne ist nicht auf die Beziehung zum Subjekt eingeschränkt. Es ist Gesetztheit an sich mit aller Härte der Realität, wie sie auch der Erscheinung eignet. Beziehung auf ein s e i e n d e s Subjekt ist darin nicht eingeschlossen. Denn das seiende Subjekt nimmt selbst an der Gesetztheit teil. So wie wir vom meontisch-meontologischen Grund sprachen, so kann hier von der meontisch-meontologischen Gemeinschaft die Rede sein. Sie umschließt nicht nur Wechselwirkung und Wechselbedingtheit, sondern bedeutet ihren meontisch-meontologischen Ursprung. Es erhebt sich dabei die große Frage: Welche Art von Gemeinschaft haben Erscheinung und Ansich miteinander ? Wenn wir die Definition des Meontisch-Meontologischen bedenken, scheint diese Frage unbeantwortbar zu sein. Wollen wir uns bewußt falsch ausdrücken (weil wir um die
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
Fehler wissen, die wir als Sprechend-Denkende machen müssen), so können wir sagen, daß das Meontisch-Meontologische der Ursprung der Erscheinung ist, das Erscheinung-Setzende, und hier liegt die Aussage einer Synthese von Substantialität und Kausalität vor. Jedoch kommt uns Hilfe zu in dieser Verlegenheit durch die folgende meontologische Berichtigung: Logische Quantitätskategorien waren Allgemeinheit, Besonderheit, Vielheit, Mannigfaltigkeit, Einzelheit und Einheit. Logische Qualitätskategorien waren Bejahung und Verneinung. Nun kommen wir zu den logischen Relationskategorien. Sie sind Identität oder Dieselbigkeit, Diversität oder Verschiedenheit und der logische Widerspruch. Die erste ist zugeordnet der Substantialität, die zweite der Kausalität, die dritte der Wechselwirkung, Wechselkausalität und Wechselbedingtheit, der Disjunktivität, die durch Ausschließung ideale Gemeinschaft gründet. Die erste steht im Zusammenhang mit demAssertorischen, die zweite mit dem Hypothetischen, die dritte mit dem Disjunktiven. Die erste spricht sich formallogisch aus im Satz der Identität, die zweite im Satz von Grund und Folge, die dritte im Satz des Widerspruchs und im Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Dieser letzte Satz ist eine Synthese der beiden Sätze der Identität und des Widerspruchs. Nun hat die meontisch-meontologische Gemeinschaft mit der Erscheinung dieses Einzigartige an sich, daß die Identität des Meontisch-Meontologischen in der Erscheinung durch seiende Widersprüche dargestellt wird, genauer durch etwas, das wie ein seiender Widerspruch ist. Ein Beispiel ist schon die einfache Bewegung. Daß ein sich bewegendes A in einem Ort ist, den es doch, indem es darin ist, bereits verlassen hat, ist wie ein seiender Widerspruch. Die Bewegung ist eben nicht durch das diskursive Denkelement allein zu fassen, sondern immer nur durch ein mitverbundenes, kontinuierliches, intuitives Element, in dem dann das ganze Rätsel liegt, wie ein seiender Widerspruch zu sein. Die ganze Erscheinungswelt ist nun wie ein einziger seiender Widerspruch in bezug auf das Meontisch-Meontologische, in dem sie ihren „Ursprung" hat und in dem ihr Setzungsgeheimnis beschlossen liegt. Von dieser paradoxen Art ist die Gemeinschaft, die die Erscheinung mit dem Ansichseienden hat. Dabei ist der Ausdruck Ansichseiendes, besonders durch die drei letzten Silben, bewußt falsch. Er muß durch die vollständige Definition des Meontisch-Meontologischen ersetzt werden, und selbst damit ist noch lange nicht alles getan, was getan werden kann und muß. Das aber gehört zur Pleromatik und zu den letzten Aussagen, die erst die Definition des Meontisch-Meontologischen vollständig machen werden. Das rundet die Darlegungen über den meontologisch-meontologischen Grund ab. Wir sahen, daß das bedingende Ist dabei immer noch unter dem Akzent des Gegenstandsfunktionalen der Setzungssenkrechten stand, der dem ontisch Seienden ein Übergewicht verleiht. Das Ziel ist aber der Ausgleich dieses Ungleichgewichts. Es ist ein Ausgleich zwischen
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dem Gegenstandsfunktionalen und der Umfassung. Er wird erreicht in der Isthaftigkeit des Meontisch-Meontologischen, in der Neutralisierung, die das dritte Neutrale ist. So geartet ist nun die meontisch-meontologische Gemeinschaft, die zwischen Ansich und Erscheinung besteht. Sie geht von dem Meontisch-Meontologischen aus, sofern es das neutrale Dritte ist, das dem formallogischen Satz vom ausgeschlossenen Dritten nicht mehr Untertan ist. Deshalb wird die Erscheinung dadurch zum seienden Widerspruch. Das ist die Seiendheit des Seienden. Das tritt an die Stelle des Disjunktiven, das in der Erscheinungswelt immer unvollständig bleibt. Deshalb ist für das Seiende, sofern es widerspruchsfrei ist, der Grund des Seienden wie ein konkretes Nichts. Nun hat die Erscheinung einen Grund, in dem das Gegenstandsfunktionale nicht mehr überbetont ist. Der Bindestrich zwischen den beiden Worten meontisch und meontologisch gewinnt Bedeutung und wird sinngebend. Er offenbart sich als das Zusammenfallen aller Gegensätze, die mit dem Gegensatz von Sein und Seiendem zusammenhängen. Er ist wie der Null- und Indifferenzpunkt eines Magneten. Durch diese meontologische Berichtigung vermögen wir also anzugeben, wie die Erscheinungswelt etwas mit dem Meontisch-Meontologischen gemeinsam haben könnte. Das liegt aller Gemeinschaft mit ihren Wechselverhältnissen zugrunde. Bei einer Relation unterscheiden wir die beiden Relationsglieder und die Relation selbst. So kommen wir zur Unterscheidung von reversiblen Relationen (Brüder) und von irreversiblen (Vater-Sohn)*) und zu vielen anderen Einsichten. Wir haben da ein reiches Betätigungsfeld innerhalb der Erscheinung. Das treibt aber auf die Grenze der Erscheinung zu. Da wird das Relationsverhältnis kritisch. Diese Grenze haben wir hier erreicht. Die Relation der Erscheinung zum „Ansichseienden" erhebt die Schicksalsfrage der Relation. Da zur Relation Substanz und Akzidenz, Ursache und Wirkung, Wechselwirkung und Gemeinschaft gehören, hat sich in den vorhergehenden Darlegungen diese Schicksalsfrage eröffnet. Keine Relation zeigt eine solche Heterogeneität ihrer beiden Glieder als diese zwischen der Erscheinung und dem Ansich. Das gewöhnliche Relationsschema zerbricht daran. Der meontisch-meontologische Grund und die meontisch-meontologische Gemeinschaft bringen es zur Aufhebung und Erfüllung. Daß Etwas zu Nichts eine Relation zu unterhalten vermöge, wird an dieser Grenze tatsächlich sinnvoll. Daß eine Identität identisch wird mit einem Widerspruch, zeigt das Ungewöhnliche dieser Grenzsituation. Der neutrale Ausgleich zwischen dem Sein und dem Seienden, dem Ontologischen und dem Ontischen, der Umfassung und dem Gegenstandsfunktionalen, dem bedingenden Ist und dem konkreten Nichts, dem Meontologischen und dem Pieromatischen, wie er sich im Meontisch-Meontologischen verwirklicht, bildet sich auch für sich selbst *) Sie heißen auch symmetrische und asymmetrische Relationen.
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III- Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
ab in der Erscheinungswelt. Die Wechselwirkung, Wechselkausalität, Wechselbedingtheit und Gemeinschaft zeigen einen solchen Ausgleich. Die Steine des Hauses, die gerade durch ihr dynamisches Gefüge substantiell gleichzeitig Seiendes sind, im Vergleich mit dem den Strom herabkommenden Schiff, bei dem an die Stelle der Gleichzeitigkeit das Nacheinander tritt, sind ein Bild der meontisch-meontologischen Neutralisierung und des Ausgleichs der erwähnten Gegensätze. Das wird zu einem Symbol und Gleichnis, das weit über seine unmittelbare dingliche Bedeutung hinauswächst. Zu dem Charakter des seienden Widerspruchs kommt nun noch etwas Modales hinzu, das nicht zur Relation gehört, das aber so sehr mit ihr verbunden ist, daß wir es zusammen erwähnen müssen, wie wir das auch schon vorher getan haben. Der Widerspruch ist unter allen logischen Relationskategorien wie Identität und Diversität mit einem Maximum an Negativität geladen. Das macht ihn für die meontischmeontologisclie Gemeinschaft verwendbar. Wenn wir nun die Reihe der Modalkategorien überblicken, wie Wirklichkeit, Unwirklichkeit, Möglichkeit, Unmöglichkeit, Notwendigkeit und Freiheit und Notwendigkeit und Zufälligkeit (die beiden letzten Paare werden bei den letzten Aussagen eine bedeutsame Rolle spielen), und wenn wir uns dabei die Aufgabe stellen, diejenige Kategorie auszuwählen, die hier mit dem Maximum an Negativität geladen ist, dann haben wir nur e i n e Wahl: die Unmöglichkeit. Das macht nun auch diese Modalkategorie für die meontisch-meontologische Gemeinschaft verwendbar*). Dasselbe deshalb, was der Relation nach seiender Widerspruch ist, nämlich die Erscheinung vor dem Forum des Meontisch-Meontologischen, ist zugleich auch existentielle Unmöglichkeit. Wie sich diese zu jener Relation verhält, werden wir später sehen. Erst müssen wir das Relationsreich bis an seine Grenze verfolgen. Wir kommen hier zu dem Begriff des Systems. Von den assertorischen, hypothetischen und disjunktiven Urteilen ausgehend, unter Verwendung von Bejahung und Verneinung, Allgemeinheit und Besonderheit, Identität und Diversität, strebt die Formierung von Urteilen, Begriffen und Schlüssen immer mehr dem geschlossenen oder offenen System zu. Dabei stellen sich die beiden Methoden der Deduktion und Induktion heraus, die zu diesem Ziele führen und die sich in der wissenschaftlichen Hypothesenbildung so wunderbar zu einem Ganzen vereinigen. Dabei darf keinen Augenblick aus dem Auge verloren werden, daß das sich hierbei einstellende Denken und Erkennen, soweit es wirklich *) Der folgende Satz ist nicht fehlerfrei, bringt uns aber dennoch eine Einsicht: Das logische und modale Reich des Meontisch-Meontologischen ist weiter als das der Erscheinungswelt; unter bestimmten Bedingungen e r s c h e i n e n Nicht-Widersprechendes, Mögliches und Notwendiges in jenem als Widersprechendes, Unmögliches und Zufälliges in diesem; das letztere kann aber auch eine Erscheinung der meontisch-meontologischen Freiheit sein.
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effektiv ist und nicht dem bloßen Phantasiebereich angehört, seinskonstituierend ist, trotz und wegen seiner objektiven Idealität. Es ist objektbedingende Subjektivität. So ist das geschlossene oder offene System selbst seinskonstituierend für das gesamte Gefüge der Erscheinungswelt in ihrem Aufbau aus den Elementen von Substanz, Kausalität und Wechselwirkung. Das Sein des Seienden wird so konstituiert, aber nicht das Seiende. Das System ist nicht die ganze Konstitution, und die ist nicht das Ganze überhaupt. Empirisches und Bedingungen des bedingenden Ist kommen hinzu. Im Ansich findet das logisch-gnoseologische System seine Erfüllung in der Anderheit seiner selbst. Das disjunktive Verhältnis ist noch am meisten ein System im Kleinen, ist seine Bauzelle. Aber das fängt schon bei Grund und Folge an. Der Ausdruck „Gemeinschaft" deutet auf den Systemcharakter des Disjunktiven hin. Unendlich viele Zwischenstufen sind zwischen diesem Anfang und dem Ende möglich. Hier tritt zunächst der Syllogismus ein. „Barbara" z. B. ist eine Verbindung von drei Urteilen mit einem gemeinsamen Mittelbegriff und in bestimmter quantitativ-qualitativer Form, die einen deduktiven Schluß erlaubt. Der Deduktion ging eine Induktion voraus, aber dann wurde zunächst in eine hypothetische Allgemeinheit hinein gesprungen, die sich durch genetische Erkenntnis immer mehr in eine assertorische Allgemeinheit und echte Notwendigkeit verwandelt hat. Dann hat das Erkennen einen wirklichen Fortschritt gemacht und stellt Mittel zu einem reichen Deduzieren bereit. Das ist der Weg der wissenschaftlichen Hypothesenbildung. Bei der Form aller Formen, bei der Raumzeitlichkeit, in der idealen und idealobjektiven Mathematik ist dieser Weg unermeßlich erleichtert, weil die Raumzeitlichkeit von vornherein ein allumfassendes Leersystem von der strengsten Struktur ist, von intuitiv-apriorischem Charakter, in dem das SubstanzKausalitätsgefüge der seienden Natur von vornherein der Form nach vorentdeckt ist; nur daß sich damit eben ein Formalismus verbindet, der durchbrochen werden muß. Dabei tritt an die Stelle der Substanz der leere Raum, an die Stelle der Kausalität die reine Sukzession, an die Stelle der Wechselwirkung die Raumzeitlichkeit. Die Durchbrechung des Formalismus erfolgt durch das bedingende Ist. So stellt sich die ins Sein selbst eingebettete Schau ein. Bei den Syllogismen ereignet sich auf höherer Ebene, was schon bei den Urteilen aufgetreten war. Der Zug zum Systematischen tritt deutlich in die Erscheinung, z. B. beimSorites, dem Kettenschluß. Die Logik folgt den Ketten der Natur. Zu den Reihen kommen die Komplexe. Schließlich kommt es zur Schau von Natur, Kosmos, Universum und Welt. Die Gesamtheit des Seienden wird von Gesetzlichkeiten durchwaltet, deren hervorstechendes Merkmal die Kausalität ist. An den Grenzen dieses Systems des Seienden sieht Hartmann die Zufälligkeit walten. Das kausalistische Gefüge ist als Ganzes zufällig. Diese Zufälligkeit macht das System zu einem offenen. Aber auch i n n e r h a l b
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
von Natur, Kosmos, Universum und Welt spielt die Zufälligkeit eine Rolle, die durchaus nicht nur ein agnostischer Ausdruck unserer Unwissenheit ist, sondern die im phänomenalen Sinne objektiv besteht. Beide Arten von objektiver Zufälligkeit erinnern uns daran, daß wir es mit Erscheinung zu tun haben. Das hat in der modernen Naturwissenschaft eine ungeahnte Bedeutung gewonnen. In der Nähe der Erscheinungsgrenzen treten die Kategorien der Notwendigkeit, Zufälligkeit und Freiheit immer mehr hervor. Hier zeigt sich die Modalität in ihrem Eigencharakter. Kant bezog die Modalkategorien auf das gesamte Erkenntnisvermögen. Wir können sagen: sie sind die Kategorialität der Erscheinungsgrenzen. Notwendigkeit ist phänomenal mit Totaldetermination identisch. Sind die Bedingungen eines Seienden vollständig gegeben, so ist das Bedingte notwendig da. Das ist die reale Notwendigkeit unter den Erscheinungsgesetzen der Zeit und des Seienden, während die Idealnotwendigkeit die des Logischen und Gnoseologischen ist, mit ihren seinskonstituierenden Momenten. In der objektiven Zufälligkeit erscheint eine Notwendigkeit des Ansich, die die phänomenale Notwendigkeit gesprengt hat. Sie zeigt das, was von der Notwendigkeit im Ansich in der Erscheinung nicht zu erscheinen vermag. Das ist ihre metaphysische Bedeutung. Der Weltbegriff hat in der modernen Philosophie, besonders bei Husserl und Heidegger, eine große Rolle gespielt. Nach letzterem ist das Sein des Menschen In-der-Welt-Sein. Deshalb nennt er dieses Sein Dasein. Welt ist von ihm immer schon vorentdeckt. Darauf beruht die Geschichtlichkeit des Daseins. Das bedingende Ist ist gewissermaßen der ontologische Atomismus des bedingenden Geistes, der den grammatisch-logischen Atomismus der Möglichkeit des „Ist-Sagens" ermöglicht und von da jeden Atomismus überhaupt. Das gilt dann auch von dem Durch der Kausal Verbindung, die das kleinste Element im Gefüge von Kette und Komplex der Erscheinungswelt ist, und von Kausalität und Substantialität im größeren Stil. So wird der bedingende Geist selbst zum Grund, Urgrund und Ungrund der Erscheinung in der Einheit seiner Isthaftigkeit und seiner Umfassungsfunktion. Die Theorie der Theorie, die sich auf das Vorverordnete bezieht, führt zum Begriff des Systems aller Systeme, die in ihrer Reinheit durch die fünf Sphären vertreten werden. Die Mischformen der Kultur vermehren aber die Zahl der Systeme ins Unbestimmte. Auf das, was dem Kosmos, der Natur, dem Universum, der Welt vorverordnet ist, lassen sich dann auch solche Begriffe anwenden wie „Freiheit" und „Wunder". Aber diese haben dann einen ganz anderen Sinn als in der Ethik und Religion, und wir müssen vor den daraus entspringenden Äquivokationen auf der Hut sein. Wenn so das Meontisch-Meontologische und der bedingende Geist die Sphäre der Freiheit und das Wunder aller Wunder genannt werden, dann ist in die Theorie der Theorie ethische und religiöse Uneigentlichkeit eingegangen, und solche Ausdrücke müssen cum grano salis
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verstanden werden. Und das um so mehr, als die echt theoretische Konstitutivität dieses Vorverordneten den Ursprung dieser ethischen und religiösen Uneigentlichkeit und Eigentlichkeit enthält; das letztere insofern, als der Gegenstand der Theorie derTheorie, der meontisch-meontologische bedingende Geist, noch ganz andere Seiten als die rein theoretische Seite besitzt, wobei jene unter Erscheinungsbedingungen in den anderen Sphären auftreten. Die Zufälligkeit nimmt natürlich am Sphärenwandel der Kausalität teil. I n der Religion z. B. wird oft der Zufall geleugnet, insofern alles in der Hand Gottes liegt. Der subjektive Zufall kann damit zusammen bestehen. Er ist das, was mir von Gott her „zu-fällt". In der Soziologie erscheint die Zufälligkeit als Chance im Glücksspiel usw., und es ist ohne weiteres zu sehen, wie sehr ihre Struktur gewechselt hat. Für die Theorie bleibt der Zufall eine mögliche Darstellung der meontischmeontologischen Notwendigkeit und Freiheit in der Erscheinung. In der religiösen Sphäre wird, wie nicht anders zu erwarten ist, die Kausalität in ganz anderem Sinne verwandt als in der Theoretik. Das t o m m t besonders beim Begriff des Schöpfers zutage. Daß die Religion von Gott als dem Schöpfer der Welt spricht, ist ganz natürlich. Gott ist ihre Ursache und wird deshalb auch suprema causa genannt. Das hat aber gar nichts zu tun mit der theoretischen Kausalkategorie, die der Ermöglichung der wissenschaftlichen Erfahrung dient. Das kommt schon in dem Satz zum Ausdruck, daß Gott aus Nichts die Welt geschaffen hat, und ferner auch darin, daß die Bilder vom Handwerker und vom Künstler bloße Gleichnisse sind. Diese Kausalitätsarten haben keinen konstitutiven theoretischen Wert, sie gelten nur im Sinne der Uneigentlichkeit. Die Eigentlichkeit rückt bei der religiösen Sphäre an' einen ganz anderen Ort, von wo aus eine fruchtbare Uneigentlichkeit in die Theoretik übergehen kann, die aber wiederum mit Kausalität nicht das Geringste zu tun hat. Das stört sich gegenseitig gar nicht, wenn die Anderheit der Sphären gebührend berücksichtigt wird. Genau so steht es mit der Substanz. Wenn z. B. Gott in der Trinitätslehre essentia oder substantia genannt wird, dann ist damit etwas ganz Anderes gemeint, als wenn diese Begriffe in der theoretischen Kategorienlehre erscheinen. Nur zeigt sich hier die Hypertrophie eines Pseudotheoretischen, die der Religion zum Schaden gereicht. Wenn ein Kind im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft wird, wenn eine betrübte Seele ihre Zuflucht zum Dreieinigen nimmt, dann sind diese religiösen Lebenserscheinungen meilenweit entfernt von den überflüssigen Subtilitäten der Unterscheidung zwischen der Homousie und der Homoiusie. Eine nicht authentische Theoretik, die aus der Hellenisierung der christlichen Dogmatik stammt, verfehlt hier ihren Dienst an der lebendigen Religion. Es trägt auch nichts zu der Würdigung der Heilandspersönlichkeit Jesu bei, dessen eigenes Leben und Lehren einen solch schlichten Charakter zeigen. Entfernt sich die Auslegung davon zu sehr in der Richtung eines pseudotheore11 S a m u e l , Ontologie
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tischen Intellektualismus, dann wird sie schädlich. Das Leben Jesu zeigt Tiefen und Reichtümer, die in ganz anderer Dimension liegen. Ähnlich steht es in der Ethik. Ihre total andere Kausalität gegenüber dem Theoretischen zeigt sich in Sätzen wie: daß der moralische Wille eine Handlung frei anfangen könne, daß die Freiheit eine arteigene Kausalität sei, daß der Wille überhaupt einen Einfluß auf das menschliche Handeln auszuüben vermöge, usw. Man darf hier nicht vergessen, daß die Ethik die Erscheinung der totalen Anderheit selbst gegenüber der Theoretik ist, als eines der fünf Erscheinungsgesetze, dann wird man diese Sätze besser verstehen. Die Ethik hat völlig das Recht so zu reden, wie auch das Recht, von dieser Rede sehr abzuweichen, wenn die Gründe in der Ethik selbst liegen. Aber sie muß wissen, daß sie sich in allen Fällen einer uneigentlichen Theoretik bedient, und was das bedeutet. Das klärt das ethische Freiheitsproblem. Wir wissen, wie Kant beides miteinander vereinbart und welche Rolle die bloß regulative Bedeutung der praktischen Erkenntnis dabei gespielt hat. Eine endgültige Klärung findet statt, wenn wir auf das Vorverordnete zurückgehen. Da zeigen sich Kausalität und Freiheit als Spezialfälle der Totaldetermination, mit der es die Theorie der Theorie zu tun hat. Da erst ergibt sich die Theorie der ethischen Kausalität in ihrer Anderheit im eigentlichen Sinne des Wortes. Auch die „Finalursache" tritt dabei als spezifisch ethischer Kausalbegriff auf. Als Theoretiker können wir alle diese Arten erkennen und anerkennen, aber nicht promiscue, sondern sofern wir Theoretiker der Kultursphären sind. Wir vermögen den Ursprung aller Eigentlichkeiten und Uneigentlichkeiten aufzuspüren, ihren Verhältnissen nachzugehen und gültige Urteile über sie zu bilden. Wie die Freiheit eine ethische Grenzsituation der uneigentlichen Kausalität ist, so ist das Wunder eine religöse Grenzsituation der uneigentlichen Kausalität. Die Religion hat das Recht zu dieser Anwendung. Die Naturwissenschaft kann da nicht hereinreden, denn was durch das religiöse Wunder bezeugt wird, liegt auf einer ganz anderen Ebene, wie z . B . : „Was bei Menschen unmöglich ist, ist bei Gott möglich." Der Fromme sieht Gott selbst als das Wunder aller Wunder an. Die theoretisierende Theologie darf dann allerdings nicht diesen Wunderbegriff in einen naturwissenschaftlichen Kausalbegriff verwandeln. Das Wunder muß ihr ein Glaubensgeheimnis bleiben, das man nur glauben oder nicht glauben kann. Es läßt sich darüber nicht vernünfteln. Es ist durchaus möglich, daß ein und derselbe Mensch über die theoretische Kausalität weiß und daß er zugleich sehr wohl gewahr werde, was durch das religiöse Wunder eigentlich besagt werden soll. Hier besteht nur ein Entweder-Oder, wenn Sphärenvermischung getrieben wird. Vermag aber ein Theoretiker die total anderen Dimensionen in diesem Fall zu sehen, dann zeigt er sich darin als ein Mensch von hoher Geisteskultur. Zu diesem Verständnis will ja die Kulturontologie anleiten. Kausalität, monistische Substantialität und Wechselwirkung sind einfache aufbauende Elemente, die zu Ketten und Komplexen, Ganz-
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heiten und Gefügen hinstreben, und das ist der Weg zur Totaldetermination. Die monistische Substantialität wird dabei zu den pluralistischen Substanzen, den Komplexen und Gefügen in Verbindung mit den Ketten und Reihen. Das führt dann zu solchen Begriffen wie: Kosmos, Universum, Natur, Welt usw. Diese Begriffe gehören dem Ontischen an, während das Allgemeine ontologisch ist. 26. Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von h e u t e I. V o r b e m e r k u n g : Zunächst möchten wir Einiges über unsere Quellen sagen. Wir benutzten Werke von Hermann Cohen, Eddington, Garbedian, Nicolai Hartmann, von denen, die sich an Higgins Preisausschreiben beteiligten, von Jeans, Mach, Moszkowski, Montague, Oppenheimer, Planck, Bertrand Russell, Sullivan und Whitehead. Wir geben diese Namen in alphabetischer Reihenfolge. Aber die Hauptquelle ist natürlich Einstein selbst. Jedoch müssen wir bei all diesen Autoren zwei Gruppen von Schriften unterscheiden: Die eigentlichen Originalwerke und die Popularisierungen der beiden Theorien, die technisch und mathematisch so schwer zugänglich sind. Für den Erkenntnistheoretiker, Methodologen und Ontologen, der natürlich kein Mathematiker und Physiker zu sein braucht, sind die Popularisierungen, die die Fachmänner selbst vorgenommen haben, vor allem die von Einstein, Planck, Eddington und Jeans von höchstem Wert. Der Ontologe spricht ja nicht als Einzelwissenschaftler, sondern als ein Spezialist des Allgemeinen. Wir verweisen auf unsere Bemerkung in der Vorrede. Der Philosoph hat es nur mit den theoretischen Voraussetzungen zu tun, die offen oder geheim, bewußt oder unbewußt sein mögen; und ferner mit den Konkretisierungen, Füllungen und Erfüllungen dieser Prinzipien. Er stellt sie in den Zusammenhang des allumfassenden Wissens, er ist an ihren Seinsweisen und Seinsmodi interessiert. Seine Interpretation geht über die des Einzelwissenschaftlers hinaus und stimmt durchaus nicht immer mit ihr überein. Die Arbeitsteilung zwischen dem Wirken des Physikers und des Philosophen ist eine unentrinnbare Folge der Organisation des menschlichen Geistes, sagt Hans Reichenbach. Aber dennoch sind auch die besten Popularisierungen keine genügende Ausrüstung für den Philosophen, den Erkenntnistheoretiker, den Methodologen und den Ontologen. Er muß sich auch mit einem guten Teil der eigentlichen Originalwerke vertraut machen und es wenigstens zu einem Verständnis der damit verbundenen technischen und mathematischen Schwierigkeiten bringen, wenn auch die einzelwissenschaftliche Meisterschaft in der H a n d h a b u n g dieser methodischen Werkzeuge von ihm nicht erwartet werden kann. Die in Klammern beigesetzten Seitenzahlen und Verfassernamen beziehen sich auf die Hauptquelle, die wir benutzten; auf den 12. Band der „Library of Living Philosophers", herausgegeben von Arthur li •
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Schilpp: „Albert Einstein, Philosopher-Scientist" 1949, XVI, 781 Seiten. Der Band bringt die Beiträge von 25 Mitarbeitern und zwei von Einstein selbst. Er ist das beste Werk dieser Art, das in englischer Sprache erschienen ist. Auch die Quantentheorie kommt nicht zu kurz*). II. E r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e s u n d M e t h o d o l o g i s c h e s : Einstein unterscheidet drei methodologisch-erkenntnistheoretische Schichten: die Sensationen im Sinne Machs, die mathematischen Konstruktionen und die willkürlichen Begriffe, die Erfindungen des Menschengeistes sind. Er stimmt dabei sowohl Mach als Kant zu, wenn auch nicht ohne Einschränkungen. Er erkennt den Konzeptualismus Kants gegen Mach bis zu einem gewissen Grade an, leugnet aber die Existenz synthetischer Urteile a priori. Tatsächlich läßt sich der Apriorismus Kants ja auch nur rechtfertigen, wenn er auf das wahre Bedingen, dessen Sein das „Sein"-wie-Nichtsein ist, zurückgeführt wird. Dann aber verschwindet die Willkür der Begriffsbildung, und diese ist nicht mehr eine nur konventionelle menschliche Erfindung. Auch der Machsche Gedanke wird dann in eine tiefer gehende Kritik hineingestellt. Für Einstein muß das Unbegreiflichste in der Welt ihre Begreiflichkeit sein (Frank 284), gerade weil die willkürlichen Erfindungen und Setzungen die physikalische Realität so erfassen, daß sie die Prüfung durch die experimentelle Bestätigung bestehen. Wir aber kennen die Lösung dieses Rätsels. Auch bei den mathematischen Konstruktionen fehlt das Element der Willkür nicht. Sie besitzen ja auch ein Element der Konzeption. So ist die Reihe der ganzen Zahlen eine Erfindung des menschlichen Geistes, ein selbst erschaffenes Werkzeug, das die Ordnung der erfahrenen Sensationen vereinfacht (Frank 279). Was hier aber übersehen wird, ist der Ursprung dieser Ordnung in der bedingenden Zeit, die jede Willkür ausschaltet. Und die bedingende Zeit ist ja völlig unabhängig von der Relativierung, die die spezielle Relativitätstheorie in bezug auf die Zeitmessung vollbracht hat, wie auch der bedingende Raum für jede Art des euklidischen und nichteuklidischen Raumes Bedingung ist. Eine Theorie kann an der Erfahrung geprüft werden, aber es gibt keinen Weg von der Erfahrung zur Aufstellung einer Theorie (Einstein 88). Wahr ist, daß dieser letztere Schritt einen a n t i z i p i e r e n d e n S p r u n g einschließt. Aber wahr ist auch, daß gerade die X-Gehaltlichkeit der Erfahrung eine Inhaltlichkeit produziert, die schon Theorie ist. Im Vergleich damit sind die theoretischen Ursprünge, die am Gegenüber der Erfahrung gewonnen werden, bloß formal, und sie gehören nicht zu den tiefsten Elementen der Theorie. Das bedingende Ist kann ein *) Wie mir Herr Professor Schilpp mitteilt, wird der Einstein-Band der „Philosophen des 20. Jahrhunderts" im November 1955 im W. Kohlhammer-Verlag in Stuttgart in deutscher Sprache erscheinen. Ich möchte Herrn Professor Schilpp für seine gütige Erlaubnis, Zitate aus dem im Text genannten Werk zu bringen, meinen herzlichsten Dank aussprechen.
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i d e a l e s Element sein. Ohne Zweifel zeigt der obige Ausspruch Einsteins einen Widerstand gegen Mach, aber in ganz anderem Sinne gibt es doch einen sehr paradoxen und hochgeistigen Weg von der Erfahrung zur Aufstellung einer Theorie, und zwar, weil das in idealer Objektivität existiert, was allen Formalismus durchbricht. Wir müssen ein Modell der Realität aufbauen und uns dabei von mathematischer Einfachheit und Allgemeinheit führen lassen (Lenzen 383). Relativität besagt kein Aufgeben der Wahrheit. Ihr Sinn ist vielmehr, daß die Wahrheit auf verschiedene Weise formuliert werden kann (Reichenbach 296). Es ist sehr wahr, daß sich die relativistischen Kulturphilosophen in keiner Weise auf Einstein berufen können. Das zeigt schon das neue Absolute, zu dem die spezielle Relativitätstheorie geführt hat, die Minkowskische vierdimensionale Raumzeitlichkeit. Allerdings haben wir Gründe, dieses zur Einsteinschen Relativierung passende Absolute ein relatives Absolutes zu nennen. Ein Grund dafür ist, daß die Zeit in diesem vierdimensionalen Totum zu sehr einer raumdimensionalen Erstarrung verfallen ist. Was in der Prozeßlosigkeit nicht wie Raum und Ruhe ist, geht nicht in die Minkowskische Formel ein. — Einfachheit und Allgemeinheit sind wichtige Kriterien der mathematischen und konzipierten Wahrheit. Aber sie genügen nicht. Sie sind notwendig, aber nicht hinreichend. Dabei ist es schwer, eine Definition der Einfachheit zu geben. Sie erweist sich dann als praktisch, wenn zwischen zwei oder wenigen theoretischen Möglichkeiten zu wählen ist. Aber sie muß dem Problem genügen. So ist in der speziellen Relativitätstheorie das weniger Einfache das wahrhaft Einfache im Vergleich zum entsprechenden Einfachen der Newtonschen Mechanik. Ähnliche Komplizierungen des Einfachen wiederholen sich in der allgemeinen Relativitätstheorie, in der unifizierten Feldtheorie und der Quantenmechanik. Für Einstein ist die physikalische Realität so viel wie Realität überhaupt (Margenau 274). Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Welt und der Mensch sind geschichtete Wesen, wie Nicolai Hartmann sagt. Schon die biologisch-physiologische Realität ist zum Teil nicht-physikalische Realität. Noch mehr gilt das von der psychisch-psychologischen Realität und am meisten von der geistigen Realität. So wie es einen Psychologismus gibt, so gibt es auch einen Mathematizismus, aber beide irren durch Einseitigkeit. Jedoch fehlt bei Einstein durchaus nicht das Geistige, ja sogar nicht das Religiöse (Frank 284 und Uschenko 609). Er sagt, daß der Glaube in die Regelmäßigkeit der Naturereignisse tief religiös ist. Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind. Einstein bekennt sich zu dem Gott Spinozas, der für die Harmonie des Weltgeschehens einsteht, der aber kein Interesse an uns kleinen Menschenkindern hat*). Man könnte ihn also einen Pantheisten *) Aber seltsam: An den noch viel kleineren Elektronen und ähnlichen Teilchen it1 Gott sehr interessiert!
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nennen. Er lehnt die Versuche seines Freundes Eddington ab, eine Beziehung zwischen Wissenschaft und personalistischer Religion herzustellen und dabei Gebrauch vom Ungewißheitsprinzip Heisenbergs zu machen. Noch weniger erkennt er die Art an, in der Jeans neuplatonische Elemente mit dem Begriff eines Mathematiker-Gottes verbindet. Wir haben es hier nicht mit diesem religiösen Problem zu tun. Aber ontologisch müssen wir sagen, daß die physikalische Realität Einsteins die Begrifflichkeit der reinen Physik transzendiert, zu einer Spinozistischen Geistigkeit kommt, von der es sich dann fragt, wie weit sie die physikalische Realität von einer Matrix des Nichtphysikalischen her bédingt. Auf diese Frage suchen wir bei Einstein vergeblich eine Antwort. Wir wissen, daß es ontologisch einen geistnahen Begriff der Materie gibt, nämlich den der meontologischen Materie. Er steht unter der gewaltigen Wahrheit und Wirklichkeit, daß es sich bei Geist und Materie um ein Drittes, total Anderes, Neutrales und Erfüllendes handelt, aus dem sich der wichtige Gedanke ergibt, daß es etwas ist, das selbst durch die Worte „Sein" und „Ist" nicht mehr zum Ausdruck gebracht werden kann. Wie total anders ist die wahre Wirklichkeit, wie sehr sind wir von ihr getrennt durch unser Sprechen, Denken und Rechnen! Aber wir bewegen uns auf sie zu, sie „ist" immer schon da, und sie bringt alles Gegenwärtige ins Gericht hinein. Und so steckt allerdings auch ein Wahrheitskern in dem einseitigen Spruch, die physikalische Realität sei die Realität überhaupt. Was daran wahr ist, ist es auf Grund der meontologischen Materie. Aber die Geistigkeit darin will sich entfalten, und dabei kommt es zu Gebilden, die allen Physizismus und Mathematizismus transzendieren und das Bedingende der physikalischen Realität vom Nicht-Physikalischen her offenbaren. Und insofern ist der einseitige Ausspruch Einsteins falsch. Einstein vergleicht die Welt mit einem Kreuzworträtsel. Nur e i n Wort paßt in die bestimmte Stelle hinein (Lenzen 373). Dabei stellt das kombinatorische Spiel mit Symbolen einen wesenhaften Zug des schöpferischen Denkens dar (Frank 280). Aber die so fortschreitende Methodik ist niemals frei von einer gewissen M e c h a n i k . Gerade das schränkt die Schöpferkraft des Denkens ein. Die Kombinatorik gehört nur der niedrigen Schicht der Methodik an. Wir denken hierbei an das, was Heidegger von der Ungunst des Rechnens sagt," daß es Anderes als das Zählbare nicht aufkommen läßt und daß es das Gezählte für die Zählung verbraucht. Das ist der Mathematizismus, der auf gleicher Ebene mit dem Psychologismus steht. Die andere Seite ist allerdings der ungeheure Erfolg, den die Mathematik in ihrem eigenen Aufbau und in ihrer Anwendung auf die physikalische Realität zeigt. Jemand hat gesagt, daß der Tensoren-Kalkul die Relativität besser kennt als der Relativist. Jener garantiert dafür, daß „nichts vergessen wird". Aber dabei handelt es sich um viel mehr als um bloße Kombinatorik. Nicht nur die niedrigeren Schichten der Methodik kommen ins Spiel, sondern auch die höheren. Schon das Erraten eines Kreuzworträtsels birgt ein Element geistiger
Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 167 Antizipation in sich. In der höheren Mathematik geht das Quantitative in das Qualitative über, so wie die niedere aus dem umgekehrten Prozeß entsprang. Ein hoch spekulatives Element tritt auf. Eine neue Kosmologie entsteht. Rechnen und Denken werden eins. Das Gezählte wird nicht mehr nur für die Zählung verbraucht. Es ist nicht mehr ein fortgesetztes Sichverzehren. Wird aber die Kombinatorik zu sehr betont, dann verdeckt sich die Einsicht in den Unterschied zwischen der physikalischen Realität und der Realität überhaupt, der in seiner ganzen Tiefe erfaßt sein will. Unsere intellektuellen Fähigkeiten reichen weiter als unsere sinnlichen (Wenzl 605). Ein zehndimensionales Totum geht weit über unsere Wahrnehmungsfähigkeit hinaus, aber wir können es gedanklich erfassen (Wenzl 603). Bohr fragt, wie weit wir in der Quantentheorie jenseits der Möglichkeiten bildhafter Einsichten stehen (232). Der Mathematizismus möchte ohne jede solche auskommen. Das läßt sich aber nicht durchführen. Es besteht ein gesundes Verhältnis zwischen dem rein Mathematischen, bei dem die Gleichungen, Methoden und Lösungen für sich selbst sprechen, und der begleitenden bildhaften und vorstellungsmäßigen Deutung. Oft führt diese geradezu zur mathematischen Konstruktion, und manchmal ist es auch umgekehrt. Gerade die A n w e n d u n g der Mathematik auf die physikalische Realität macht es unmöglich, auf die Sprache zu verzichten. Schließlich kommt es doch dazu, daß die Mathematik schweigt, und daß es sich um Dinge handelt, die nur noch die Sprache zu sagen vermag. Aber in der Physik tritt dieser Fall nicht ein. Wo sich das ereignet, ist die Physik verlassen worden, ohne daß die kostbaren Resultate der Mathematik in ihrer höchsten Vollendung aufgegeben zu werden brauchen. Unsere intellektuellen Fähigkeiten reichen weiter als unsere sinnlichen, aber auch weiter als unsere mathematischen. Bevor es zu diesem Ende und zu dieser Erfüllung kommt, tritt noch ein Gebilde auf, das zwischen Mathematik und Sprache, zwischen Metrik und Bild vermittelt: die Logistik als Krönung der Logik. Die dimensionalen Ganzheiten weisen auf eine dimensionslose Fülle der Wirklichkeit in ihrer höchsten Mächtigkeitsordnung hinaus. Das was gegenüber dem Seienden, dem Sein, der Zeit, dem Ist, das ganz Andere ist, will zur Geltung kommen. Das füllt den Satz, daß unsere intellektuellen Fähigkeiten über unsere sinnlichen hinausreichen, mit höchster Sinnhaftigkeit. Im Nichtdimensionalen ereignet sich ein neuer Anfang des Erfassens. Mir scheint, daß die Quantentheorie etwas stärker auf dieses Letzte hindeutet als die Relativitätstheorie. Das wäre für die ontologische Bewertung der beiden Theorien nicht gleichgültig. Wenzl spricht geradezu von einer Determination des Undeterminierten als solchem (600). Das große Problem ist dabei: Wie weit vermag die Logistik, als die Fortsetzung der Mathematik, an das Meontologische, an das ,,Sein"-wie-Nichtsein heranzukommen und der Logik der Meontologik zu dienen ? Es wäre in dieser Beziehung sehr interessant, die Leistungen Einsteins mit denen Whitheheads und Russeis zu vergleichen.
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Logische Züge des meontologischen Neutralismus treten schon bei Mach auf. In seinem Sinn sind die Sensationen neutral im Hinblick auf den Unterschied von geistig und materiell (Lenzen 363). Und Reichenbach führt eine dreiwertige Logik ein. Zwischen dem Wahren und dem Falschen steht ein mittleres Unbestimmtes*), und damit wird das Prinzip des ausgeschlossenen Dritten aufgehoben (Born 177). Solche Übereinstimmungen mit der Meontologie erklären sich dadurch, daß die Gegenstände der beiden Theorien an und für sich schon meontologische Züge aufweisen. Die Wissenschaft geht vom Privaten zum Öffentlichen (Bridgeman 347). In der logischen Darlegung der Relativitätstheorie kann der Beobachter völlig eliminiert werden (Reichenbach 295). Das dient der Objektivität. Jedoch werden wir sehen, daß der Beobachter in der Quantentheorie wieder eingeführt wird, und zwar so, daß damit erst recht der Objektivität gedient wird. Es gibt eben seinskonstituierende Subjektivitäten, für die die Quantentheorie durch den Zwang ihrer ganzen Problematik einen geschärften Blick gewonnen hat. Das Mikrokosmische hat hierfür mehr Sinn als das Makrokosmische. Wenn Bridgeman allerdings meint, das Objekt sei eine Konstruktion des menschlichen Nervensystems, dann scheint mir das erkenntnistheoretisch total abweging zu sein. Hinsichtlich der bevorzugten Stellung der mathematischen Methodik sagt Einstein (Frank 283): Durch rein mathematische Konstruktionen können wir die Begriffe und die Gesetze entdecken, die, in durchgängiger Verbindung miteinander, den Schlüssel für das Verständnis der Naturerscheinungen liefern. Erfahrung ist dabei das einzige Kriterium, aber das schöpferische Prinzip steckt in der Mathematik. Der reine Gedanke kann die Realität erfassen, aber nur als heuristische Methode, nicht als ein Kriterium der Wahrheit. Bachelard nennt die Mathematik das Zentrum der Erfahrung (577). Aber andererseits hören wir auch von Einstein (Margenau 250): So weit sich die mathematischen Gesetze auf die Realität beziehen, sind sie nicht gewiß, und so weit sie gewiß sind, beziehen sie sich nicht auf Realität. Das zeigt klar, daß Einstein den Fehler des Mathematizismus vermeidet. Die Mathematik ist eben doch nicht mehr als die bevorzugte Methode des physikalischen Denkens. Sie ist durchaus nicht alles. Ihre Idealität steht in Spannung mit der Realität, und diese muß durch ergänzende Methoden ausgeglichen werden. Die Hauptleistung einer mathematischen Methode (besonders wenn sie sich außerdem noch durch die Qualität der Einfachheit auszeichnet) besteht in der gewissen Vorhersage des Wertes einer physikalischen Quantität. Das zeigt gerade, daß ein Element physikalischer Realität existiert, das dieser physikalischen Quantität entspricht (Margenau 262). Allerdings versteckt sich in einem solchen Satz eine ontologische Mehrdeutigkeit. Was ist unter „physikalischer Realität" zu ver*) Aber das bloß Sinnlose gehört der Phänomenologie, aber nicht der Meontologie
an.
Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 169 stehen ? Erscheinung im Sinne eines erscheinenden Wesens, eines erscheinenden Ansichseienden, oder im Sinne eines reinen Phänomens, oder drittens im Sinne eines noumenalen Wesens und Ansichseienden im metaphysischen Verstände ? Und wenn eine der beiden ersten Bedeutungen gilt, welches ist dann die Beziehung zu dieser dritten Bedeutung ? Oder gibt es eine solche Beziehung überhaupt nicht ? Ohne die Klärung dieser Fragen bleiben die Sätze der Physik mehrdeutig, unbestimmt, und sie unterliegen den Gefahren von allerhand Äquivokationen, die sich meistens unausgesprochen in die Deutung einschleichen und das physikalische Verstehen selbst verderben. III. D i e s p e z i e l l e R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e : Unser Hauptanliegen ist eine ontologische Vergleichung der Relativitätstheorie mit der Quantentheorie. Die spezielle Relativitätstheorie gibt noch nicht Anlaß hierzu, aber dennoch müssen wir ihre Hauptzüge erwähnen, weil sie der Vorbereitung unserer eigentlichen Aufgabe dienen. Das erste Verdienst der speziellen Relativitätstheorie ist eine genauere Erfassung des Begriffs der Gleichzeitigkeit. Dieser wurde bisher als etwas Selbstverständliches angesehen, das keiner Erklärung bedürfe. Aber Einstein erkannte darin das große p h y s i k a l i s c h e Problem. Für die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse am selben Ort bleibt diese physikalische Selbstverständlichkeit erhalten, obgleich sie natürlich erkenntnistheoretisch, ontologisch und metaphysisch ein großes Problem umschließt, mit dem wir es aber hier nicht zu tun haben. Jedoch was Gleichzeitigkeit von Ereignissen an v e r s c h i e d e n e n Orten bedeutet, wird physikalisch problematisch, und das hat natürlich seine Folgen für die Erkenntnistheorie, die Ontologie und Metaphysik, die nicht vorhergesehen werden konnten. Reichenbach sagt, die Gleichzeitigkeit wäre absolut (wie der Newtonsche Raum), wenn keine obere Grenze für die Geschwindigkeit des Signals existierte, durch das wir die Gleichzeitigkeit ausfindig machen (306). Uschenko betont, daß Whitehead und Einstein einen verschiedenen Begriff von Gleichzeitigkeit aufweisen, weil jener keinen Unterschied zwischen wahrgenommenen (perceptual) oder phänomenalen und physikalischen Ereignissen macht (623). Offenbar würde das für gleichzeitige Ereignisse am selben Ort nicht viel ausmachen, obgleich auch hier weder der Unterschied übersehen noch die seinskonstituierende Bedeutung der wahrnehmenden und phänomenalen Ereignisse ausgelassen werden darf. Nun hat aber gerade die spezielle Relativitätstheorie die bedeutsame Idee auf den Plan gebracht, daß es tatsächlich eine solche obere Grenze gibt und daß das Licht die schnellste Signalbewegung ist, die, wenigstens unter den Bedingungen der speziellen Theorie, nicht mehr überschritten werden kann, die also eine K o n s t a n t e darstellt, welche für a l l e Systeme gilt. Whiteheads Begriff der Gleichzeitigkeit ist noch in weiterer Hinsicht interessant, indem er auf der Voraussetzung beruht, daß es keine Bifurkation zwischen Geist und Materie gibt. Schon im Materiellen gibt es
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etwas, das wie ein Wahrnehmendes (percipient) ist. Von daher strahlt ein einzigartiges Licht von der Vergangenheit aus, die wie ein Lichtkegel ist, an dessen Spitze das Wahrnehmende steht. Aktuale Ereignisse werden gleichzeitig oder zeitgenössisch (contemporary) genannt, wenn sie nicht zum „Gegebenen" gehören. Die aktuale Welt muß durch die andere definiert werden (Uschenko 619—621). Whiteheads Analyse der Gleichzeitigkeit greift ontologisch tiefer als die Einsteins. Aber dieser ist klarer und bietet die bessere Unterlage für die erfolgreiche ontologische Erörterung. Whitehead zeigt ontologische Züge in seiner Theorie der Bifurkation, aber sie kommen nicht recht zur Geltung. Der Begriff des Ereignisses ist nicht zentral genug. Die Zeit wird in der speziellen Relativitätstheorie etwas Absolutes (Einstein 25). Reichenbach sagt, es sei das Resultat der Entdeckungen Einsteins, daß die Zeit die Ordnung der Kausalketten sei (306). Einstein entwickelt die Idee einer „Eigenzeit". Er fragt, ob eine Spektrallinie als das Maß einer solchen Eigenzeit ds betrachtet werden kann, wobei die Formel gilt: ds 2 = g ik • dx; • dx k . Das würde einen natürlichen Maßstab darstellen. Er ist psychologisch möglich, aber logisch nicht notwendig (Einstein 685). Wir dürfen vielleicht hinzufügen, daß unter diesen Umständen alle anderen Meßvorgänge in bezug auf die Zeit durch Zeitfremdes zu vergessen wären. Etwas ganz Ähnliches hat sich in der Geometrie ereignet, wie wir noch sehen werden. Ontologisch führt diese Situation zum Verschwinden vieler Probleme, die sich so als vermeidbar, ja sogar als scheinbar herausstellen würden. Eine neue Bedeutung des Wortes „selbst" tritt auf, nämlich was das heißt: die Zeit durch die Zeit s e l b s t zu verstehen, die Zeit durch die Zeit s e l b s t zu messen, alles Zeitfremde bei der Zeitbetrachtung und der Zeitmessung auszuschalten, sieh auf die Zeit s e l b s t zu beschränken und zu konzentrieren. Sicherlich bringt uns das dem Verstehen der bedingenden Zeit näher, die in ihrer S e l b s t h e i t nicht einmal mehr durch die Z e i t m e s s u n g erfaßt werden kann. Das würde sich für die Tiefenlogik doch als etwas Notwendiges ergeben und mehr als eine bloß psychologische Möglichkeit sein. Wenn ich einem Lichtstrahl (dessen konstante Geschwindigkeit immer die der Fortpflanzung im Vakuum ist) mit derselben Geschwindigkeit nacheilen könnte, nähme ich ihn als ein räumliches, ruhendes, oszillatorisches elektromagnetisches Feld wahr (Einstein 52). Der Forscher war schon in seiner Jugend von diesem Problem und allen seinen Implikationen tief bewegt, wie auch von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in den Maxwellschen Formeln, bis dann durch die Michelson-MoorleyExperimente diese eine überraschende empirische Bestätigung fanden. Das bahnt den Weg zur speziellen Relativitätstheorie. Das schnellste Signal hat konstante Geschwindigkeit, und die konstante Geschwindigkeit muß das schnellste Signal sein (Reichenbach 301). Die Lichtsignale besitzen einen bevorzugten ¡Charakter (z. B. im Gegensatz zu Schallsignalen). Sie sind nicht bedingt durch das Medium, sie sind unabhängig von der relativen Bewegung des Beobachters. Sie befreien von der un-
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ergründlichen Dauer der Zeit (noch mehr gilt das, wie wir sehen werden, von der allgemeinen Relativitätstheorie). Der Geist ruht in der Wahrheit dieser Konstruktionen. Bachelard fügt mit fast religiöser Wärme hinzu: der Geist kommt zum Frieden. (Bachelard 571 und an anderen Stellen). Unwillkürlich denken wir dabei an die Unterscheidung Hegels zwischen der schlechten und häßlichen Unendlichkeit und der guten und schönen. Jene ist der offene Fortgang ins Unendliche, diese das Beisichselbstsein des Geistes. Darin kommt tatsächlich etwas von der „Krümmungsidee" zutage. Es läßt sich meontologisch zeigen, daß die K o n k r e t i s i e r u n g e n aller vier hier in Frage stehenden Theorien (der speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie, der unifizierten Feldtheorie und der Quantentheorie) mit so vielen mathematischen K o m p l i z i e r u n g e n tatsächlich nicht nur etwas bloß Physikalisches und Einzelwissenschaftliches sind, sondern zugleich auch einen W e g d e s H e i l s darstellen, in einem ganz neuen und arteigenen Sinne, der einen Beitrag zu dem schenkt, was unter „Befreiung", ja sogar „Erlösung" zu verstehen ist. Das macht diese Sache so wichtig, und deshalb müssen wir auch die von den Begründern dieser Bewegung selbst gegebenen Popularisierungen, die so weit wie möglich ohne Mathematik auszukommen suchen, willkommen heißen. Sie selbst fühlten wohl, daß es sich dabei um eine Sache der ganzen Menschheit handelt. Der Meontologie wird in dieser Situation eine einzigartige Aufgabe gestellt, der wir in dieser Schrift anfängerisch gerecht zu werden versuchen. Die Beziehung zur Metaphysik, ja auch zur Religion, läßt sich dabei gar nicht ausschalten. Die Forscher selbst gehen mit ihrem Beispiel voran. Jedoch haben wir es hier nicht mit der religiösen Frage zu tun, weil uns der Raum für diese Darlegung nicht zur Verfügung steht. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit für alle bewegten Systeme führte zu einer revolutionären Definition gleichzeitiger Ereignisse an verschiedenen Orten. Vorher wurde das als demonstrierbar angesehen, was eine bloße Definition war, die sich nun als falsch erwies. Das Konstanzprinzip führte zu der Lorentz-Transformation, die die falsche Definition der Gleichzeitigkeit durch die richtige ersetzte. Fitzgerald baute hierauf seine ad-hoc-Hypothese, daß sich starre Maßstäbe und überhaupt alle starren Körper in der Längsrichtung der Bewegung verkürzen, natürlich um einen äußerst geringen Betrag, der unter gewöhnlichen Bedingungen vernachlässigt werden kann. Für den Erddurchmesser beträgt die Verkürzung 6,35 cm. Diese Lorentz-Transformation befriedigt die Bedingung der Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse an verschiedenen Orten. Einstein aber war mit Recht mit einer ad-hoc-Hypothese nicht zufrieden und kam auf den kühnen Gedanken, die bisher nicht in Frage gestellte und unbezweifelte Voraussetzung der Zeitlichkeit selbst anzugreifen. Er relativierte die gemessene Zeit, machte sie zu einer Variablen, die vom Bewegungszustand des Systems abhängig war. Dabei handelt es sich natürlich in der speziellen Relativitätstheorie nur um Inertialsysteme,
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um Unterschiede gleichförmig bewegter Systeme in gerader Linie. Alle Faktoren von Beschleunigungen, von Gravitations- und Energiefeldern sind vorläufig noch ausgeschlossen. Dafür wird die allgemeine Relativitätstheorie Sorge tragen. Das ontologisch Wunderbare hierbei ist: In der Nevvtonschen Welt waren Raum und Zeit absolute Bezugssysteme. An deren Stelle tritt nun jetzt die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit für alle gleichförmig bewegten Systeme, deren Koordinatensysteme durch die Lorentz-Transformation ineinander übergeführt werden können. Dieses Prinzip ist nun ein neues absolutes Bezugssystem im Rahmenwerk der speziellen Theorie. Die Relativierung ist nur das eine Moment in diesem Ganzen, das andere ist eine neue Absolutheit. Weder für die Ethik noch die Ästhetik, weder für die Soziologie noch die Religion, weder für die Philosophie mit Erkenntnistheorie noch für Ontologie und Metaphysik können hieraus einseitig relativistische Folgerungen gezogen werden (ganz abgesehen von anderen Fragwürdigkeiten eines solchen Denkschrittes). Aber das ist noch nicht das eigentlich ontologisch Wunderbare. Es besteht vielmehr hierin: Das neue absolute Bezugssystem der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in der speziellen Relativitätstheorie ist im Vergleich mit dem Newtonschen viel k o n k r e t e r , also weniger abstrakt. In unserer Sprache ist es eine Verbindung der bedingenden Zeit, die der Form aller Formen angehört, mit einem Element des bedingenden Ist, der bedingenden Materialität (die sowohl konkret-realistisch als auch abstrakt-idealistisch auftreten kann), die allen Formalismus durchbricht und zu einer Inhaltlichkeit führt, die sich keineswegs ganz und gar einem Apriorismus entzieht. Das aber ist das ontologisch Wunderbare an der großen Entdeckung Einsteins. Es ist klar, daß eine solche Umstellung zu einer Reorganisierung unserer gesamten Weltanschauung führen muß. Dabei vertritt das Licht die inhaltlich, isthaft gewordene Zeit selbst. Die in der „Unsichtbarkeit" wohnende bedingende Zeit verliert dabei nichts von ihrer bedingenden Funktion. Jedoch beginnt sie, ihr Verhältnis zu anderem Bedingenden im Allbedingenden zu offenbaren, das wir versuchsweise und vorsichtig als das „Meontisch-Meontologische" bezeichnet haben, wobei der Bindestrich mehr besagt als die beiden Worte, die er vereinigt, j a das Eigentliche ausspricht, wenn seine Deutung recht gelingt.Denn das wahre Wesenkonstituiert sich im Zwischensein, in der Grenzberührung des Ontischen und des Ontologischen, des Meontischen und des Meontologischen. In diesem „Niemandsland" wohnt das dritte Neutrale, das wahre Wesen, getragen von dem größten Gedanken, den ein Menschenhirn zu fassen vermag (und es ist der ontologische Gedanke): daß Seiendes, Zeit und Sein das total Andere zu dem sind, was die Sprache durch diese Worte unmittelbar bezeugt, und daß dieses ganz Andere zum Sprechen gebracht werden muß. Von diesem Zentralpunkt aus strahlen alle Meditationen, Hypothesenbildungen, Theoretisierungen, mathematischen Konstruktionen der theoretischen Physik, und sie suchen sich diesem Zentralimpuls anzugleichen. Sie sind das Peripherische, das sich auf
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Zentralität hin bewegt. Das Einsteinsche Denken zeigt deutlich diesen ontologischen Vektorcharakter. Die anderen Kultursphären schließen sich diesen Bemühungen gemeinsam an. Dabei kommen Probleme zur Sprache wie Prozeß und Prozeßlosigkeit, Ganzes und Teil, Geist und Materie. Das neutrale Dritte und Erfüllende zu solchen Kontrasten entfaltet seine Schöpferkraft für die Erahnung des wahren Wesens. Wir haben das in bezug auf das X-Problem des Dinges an sich etwas verfolgt. So könnte aber auch von Phänomenen wie Prozeßlosigkeit, Ruhe, idealer Wechsellosigkeit, Raum, Substanz usw. ein y ausgesondert werden, um vorläufig und antizipierend das zu bezeichnen, was im Wesen diesen Phänomenen entspricht und doch nicht so ist, wie sie sind, und das doch diese Phänomene in der totalen Anderheit ihrer selbst sind. Ferner könnte in den anderen Phänomenen von Prozeß, Zeit, realem Wechsel, Werden, Unruhe, Kausalität usw. ein anderes Element z ausgesondert werden, das vorläufig und antizipierend das bezeichnet, was diesen Phänomenen im Wesen entspricht, die in ihm auch in der totalen Anderheit ihrer selbst „vorhanden" „sind", y u n d z könnten identisch sein und das in vorgängiger Einheit bezeichnen, was das wahre neutrale Dritte und Erfüllende zu Prozeß und Prozeßlosigkeit ist. Und Ähnliches würde vom Ganzen mit seinen Teilen gelten, von Materie und Geist usw. Die Zentralität des neuen Seinsgedankens ist durchaus noch nicht in die peripherischen Pluralismen vorgedrungen, auf deren Bühne sich das abspielt, was sich so dramatisch in der heutigen theoretischen Physik und in anderen Kulturgebieten ereignet. Aber es ist auf dem Wege dazu. Und sofern die Zentralität durch ein erfassendes Subjekt vertreten wird, wird dieses selbst durch die Kraft der Entfaltung des Monismus und des Pluralismus in der Auseinandersetzung zwischen den zentralen und den peripherischen Ereignissen verändert. Dabei werden schon jetzt die einseitigen Formeln von Autonomie und Heteronomie, die dieses Verhältnis bezeichnen sollen, unzulänglich. Das vielfältig reiche Peripherische konkretisiert sich und gleicht sich an. Das innerlich-intensive tiefenreiche Zentrale konkretisiert sich und breitet sich aus. Das ist der ontologische Sinn des gesamten Kulturprozesses, in dem die heutige theoretische Physik eine solch bedeutsame Rolle spielt. Das Konstanzprinzip der Lichtgeschwindigkeit der speziellen Relativitätstheorie bringt eine Krisis in die Begriffsbildung der Mechanik. Lichtbewegung muß etwas ganz Anderes sein als die Bewegung starrer Körper. Der Bewegungsbegriff offenbart Äquivokationen. Die Lichtbewegung scheint eine Klasse für sich selbst darzustellen, die von jeder anderen Art der Bewegung abgesondert werden muß. Das zeigt schon ihre Fähigkeit, als absolutes Signal zu dienen. Es mag aber sein, daß die Energien in diese Klasse eintreten, sobald die spezielle Relativitätstheorie verlassen wird. Aber der gemeinsame Gegensatz zur Körperbewegung bleibt. Das Licht bewegt sich in einer ganz anderen Ebene als ein Billardball, gewissermaßen in einem anderen ontologischen Raum. Der Raum der Körper ist nicht der Raum des Lichtes. Weiter noch können wir sagen:
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der Raum der Zeit ist nicht der Raum der Körper. Wenn wir kühn sein wollen, könnten wir es so auszudrücken versuchen: das Licht bewegt sich in der Schicht, in der sich der bedingte Raum mit dem bedingenden Raum berührt. Das ist der Ort, der für das Licht (und die Energien) reserviert wird, und dasselbe gilt auch von der Zeit und von der Raumzeitlichkeit. Das könnte wenigstens der Anfang einer ontologischen Deutung der Paradoxie des Konstanzprinzips sein und die Seltsamkeiten und Widersprüchlichkeiten der Theorien von Michelson und Moorley philosophisch aufklären. Die D i e s e l b i g k e i t von realen Sachverhalten wird durch die spezielle Relativitätstheorie so definiert: Die Naturgesetze sind durch Gleichungen auszudrücken, die kovariant sind bezüglich der Gruppe der kontinuierlichen Koordinaten-Transformationen. Sind diese möglichst einfach, dann beschreiben Felder, die durch solche Transformationen ineinander übergeführt werden können, d e n s e l b e n r e a l e n S a c h v e r h a l t (Einstein 68). So tritt das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in die Reihe der N a t u r k o n s t a n t e n , zu der so grundlegende Sätze gehören wie die drei Bewegungsgesetze Newtons, die Gesetze von der Erhaltung der Energie, das vierdimensionale Wirkungsquantum h der Quantentheorie usw. Planck schätzte sich glücklich in der Erkenntnis solcher Konstanten. Denn diese schienen ihm das Vorhandensein wirklicher physikalischer Realität zu gewährleisten. Ohne das hielte er es nicht der Mühe wert, Physik zu studieren. In der Tat hat, neben Einfachheit, Bestätigung und Vorhersage, dieses „relativ" Absolute eine solche Bedeutung. Das führt an das ontologische Problem des Verhältnisses der mit aller „Härte der Realität" (Nicolai Hartmann) seienden Erscheinung zum wahren Wesen heran, aber eben nur heran. Es leitet nicht in dieses Problem hinein. Hier hat die Ontologie das fortzusetzen, was die Physik so erfolgreich begonnen hat. Eine letzte Befriedigung unseres Realitätsbewußtseins können auch die physikalischen Konstanten nicht zuwege bringen und deshalb auch noch nicht den völligen „Frieden des Geistes", von dem Bachelard sprach, geben. Es ist bewundernswert, wie Eddington eine Brücke zwischen den Konstanten des Mikrokosmischen und des Makrokosmischen gebaut hat. Andere Gelehrte weisen eine Verbindung zwischen den Konstanten der Feinstrukturen, wie z. B. dem Verhältnis zwischen der Protonenmasse und der Elektronenmasse auf der einen Seite, und den Konstanten, die unser Universum charakterisieren, auf der anderen Seite, zurück. I n der Wissenschaft gibt es keine endgültigen und letztlich entscheidenden Antworten (Infeld 497). Die drei Gesetze von der Erhaltung der Energie, der elektrischen Ladung und des angularen Moments erlauben es, die Gleichung für das Verhältnis der Energie zur Summe der nuklearen Neutronen undProtonen zu entwickeln(H* 83 und 66). Wir verzichten darauf, *) Diese Abkürzung bezieht sich auf Heisenbergs: „Nuclear Physics".
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diese Formel hierher zu setzen. Die universale Konstante hc/e 2 ist eine dimensionslose Zahl (wobei h die Plancksche Konstante, c die Lichtgeschwindigkeit und e die elementare Ladung ist), und sie ist gleich 137. Das gehört zum Gebiet der Quanten-Elektrodynamik (Heitier 198). Dimensionslose Konstanten sind keine willkürlichen Konstanten. Bei ihnen ist das Gramm und der Zentimeter ersetzt durch die Masse und den Radius des Elektrons (das schafft Intrinsikalität). Sie sind rational völlig bestimmt. Ihre Zahlenwerte können nicht verändert werden, ohne daß die Theorie zerstört wird (Einstein 62). Die Sätze von der Erhaltung des Impulses und der Erhaltung der Energie verschmelzen zu e i n e m Satz. Die träge Masse eines abgeschlossenen Systems ist mit seiner Energie identisch, so daß die Masse als selbständiger Begriff eliminiert wird (Einstein 60). Da die Energie selbst Trägheit besitzt, ist die Trägheit (inertia) keine besondere Art der Energie (Max von Laue 503). Die oben erwähnten drei Erhaltungsgesetze von Heisenberg (H 83 und 66) sind also eigentlich vier. Die gravitationale Konstante, die der Lichtgeschwindigkeit, die Konstanten der Massen und Ladungen von Protonen und Elektronen, die Erhaltungsgesetze der Energie und des Impulses, der zweite Satz der Thermodynamik, das Relativitätsprinzip usw. sind Ecksteine in den Bauten der Physik und gehen doch von der realen Welt aus. Solche Dinge erregten das Entzücken Plancks (Rosenthal-Schneider 143). Sie rechtfertigen unser Realitätsbewußtsein in bezug auf das Erscheinungsseiende. Das ist ein guter Anfang, aber nur ein Anfang. Der Skeptizismus, der Agnostizismus, der Konventionalismus können erst völlig überwunden werden, wenn dieser Anfang einer speziellen Ontologie von der allgemeinen Ontologie aufgenommen wird, um in die Zentralität des Wesens und der Objektivität hineingebracht zu werden, die mehr als Erscheinungsseiendes sind und die am Problem des Ansichseienden im metaphysischen Sinne arbeiten. Erst dann ergibt sich auch erkenntnistheoretisch die völlige Gewißheit, daß „da draußen wirklich etwas existiert", von einem determinierenden Zentrum her, in das das „Draußen" und das „Drinnen" gemeinsam eingegangen sind. Am Beispiel vom „Zug und Bahndamm" macht Einstein die Relativität der Gleichzeitigkeit klar (Ushenko 614). I n der Annahme, daß der Leser mit dieser Darlegung vertraut ist, haben wir folgendes kurz zu bemerken. Daß der Mann im Zuge das von hinten kommende Lichtsignal später bemerkt als der Mann am Bahndamm, hat mit der Relativität der speziellen Theorie, soviel ich sehe, nichts zu tun. Dieser Umstand beruht auf dem k l a s s i s c h e n Relativitätsprinzip, wie es bei Newton auftritt. DerGrund besteht darin, daß das Licht Zeit braucht, um sich fortzupflanzen. Das Konstanzprinzip der Lichtgeschwindigkeit macht sich nur darin bemerkbar, daß die Zeitwerte des Mannes im Zuge a n d e r e wären, wenn das Konstanzprinzip nicht gelte. Ushenko findet mit Recht, daß die Darstellung Einsteins hier unklar ist. Ferner schlägt er vor, den Bahndamm durch einen in entgegengesetzter Richtung fahrenden Zug zu ersetzen, weil dieses Bild den Bedingungen der speziellen Theorie besser
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gerecht wird, da der Bahndamm zu sehr an die absolute Ruhe des Newtonschen Raumes erinnert. Das ist aber nur ein unbedeutender Mangel. Die spezielle Relativitätstheorie sieht von Gravitationsfeldern und von elektromagnetischen Feldern ab. De Broglie nennt das ihr dienende Referenzsystem einer vierdimensionalen Raumzeitlichkeit euklidisch, aber er fügt hinzu, es wäre besser als pseudo-euklidisch zu bezeichnen (118). Diese Minkowskische Raumzeitlichkeit ist nun das (relative) Absolute der Relativität der speziellen Theorie. Raum und Zeit sind dabei zu einem Schattendasein herabgesunken. Diese Raumzeitlichkeit besitzt den Kantschen apriorischen Charakter (De Broglie 113, aber er erwähnt Kant nicht). Auch der klassischen Mechanik liegt das vierdimensionale Kontinuum von Raum und Zeit zugrunde (Einstein 56). Nur daß hier die Zeitmaße von der Wahl des Bezugssystems unabhängig sind und keiner Lorentz-Transformation bedürfen. Das Konstanzprinzip der Lichtgeschwindigkeit ist ja noch nicht in diese Mechanik eingebaut. Das Eigentümliche dieser Raumzeitlichkeit besteht darin, daß die Zukunft zu einer blockierten Weltlinie wird (the future is given in a block world-line) (De Broglie 114). Es ist, als ob alles Dynamische in Superstatisches verwandelt wäre. Wir denken an den Goetheschen Ausdruck: „Ewge Ruh' in Gott, dem Herrn" oder an das „nunc et stans" der Scholastiker. Wenzl weist geradezu auf die vorherbestimmte Harmonie Leibniz' hin (586). Damit verbindet sich, daß jeder Beobachter in sein eigenes System eingefangen ist, so wie Uexküll die Umweltbeziehungen der Tiere beschreibt. Diese Geometrisierung des Weltdynamischen hindert aber Einstein und Whitehead nicht, die Punkte der Weltlinien zugleich als „Ereignisse" zu beschreiben. Wir haben schon erwähnt, daß die Minkowskische Raumzeitlichkeit an dem Mangel leidet, daß bei ihr die Zeit zu sehr nach dem Modell einer Raumesdimension aufgefaßt wird. Die Verfestigung erfährt einen zu f r ü h e n Abschluß. Das ist ein o n t o l o g i s c h e r Fehler. Die Verabsolutierung geht zu weit und wird zur Hypostasierung. Die Form aller Formen erlaubt eine solche Geometrisierung, eine solche Wendung in das Statische nicht. Unter diesen Umständen kann die bedingende Materialität nicht zu ihrem Recht kommen. Was von der speziellen zur allgemeinen Relativitätstheorie weiter drängt und von dieser zur unifizierten Feldtheorie (die heute noch ein Torso ist), bringt bereits die ersten Anfänge der notwendigen „Entstarrung" der Zeitvorstellung, die mehr in die Nähe der bedingenden Zeit hindurchbricht, die ganz frei von dieser dimensionsähnlichen Starrheit ist. Aber die entscheidende Tat geschieht hier, wie wir noch sehen werden, durch die Quantentheorie. Es muß ja auch so sein, daß die Abstraktheit der speziellen Relativitätstheorie (eben ihre Spezialität, die von noch so Vielem absieht) ontologisch irgendwie zum Ausdruck kommt. Die Ontologie des Makrokosmischen fordert die Ergänzung der Ontologie des Mikrokosmischen. Es ist kein Zufall, daß sich diese Forderung gerade beim Z e i t p r o b l e m bemerkbar macht.
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Aber gegenüber der Newtonschen Mechanik zeigt die spezielle Relativitätstheorie einen Fortschritt gerade in der K o n k r e t i s i e r u n g . Der Anfang ist gemacht, daß die höhere, synthetische, konkrete Einheit von Materie und Energie, von Mechanik und Energetik, gefunden ist. Die Zeitdimension nimmt im vierdimensionalen Totum eine ähnliche Stelle ein, wie der imaginäre Teil einer komplexen Zahl. Das Symbol [/— 1 findet seine physikalische Deutung. Das hat weitreichende Folgen für das ontologische Realitätsproblem. Wenn man ein Werk studiert wie z. B. „Theory of Equations" von J . V. Uspensky, wird einem das sehr nahe gebracht. Das Werk beginnt mit einer allgemeinen Theorie der komplexen Zahlen, deren Studium das Entzücken des Ontologen erregt. In glänzendem, logischem Aufbau wird diese Lehre nach eigener Methode entwickelt. Natürlich handelt es sich um reine Mathematik ohne jede Anwendung auf die Physik. Aber für einen Leser, der sich ontologisch in ein geistiges Gebilde einzufühlen vermag, ist der Eindruck geradezu überwältigend, daß die Gesamttheorie der komplexen Zahlen viel mehr als die der negativen Zahlen oder der Irrationalzahlen dem Geheimnis der Gesamtrealität näher rückt — so weit das überhaupt in mathematischer Form zu erreichen ist. Das zeigt sich schon in dem großen Erfolg, den diese Theorie in der allgemeinen Theorie der Gleichungen hat. Was die Theorie der negativen Zahlen und der Irrationalzahlen anfängt, setzt die der komplexen Zahlen fort, indem sie dabei die Mathematik an die Schwelle der „höheren" Mathematik heranführt. Die Algebra drückt so auf ihre Weise aus, was der Ontologe und besonders der Meontologe begrifflich wissen: daß die Gesamtwirklichkeit reelle und imaginäre Elemente besitzt und daß es imaginäre Elemente gibt, die das Wesen der Gesamtrealität mehr und besser offenbaren als die reellen Elemente, die dadurch selbst in einer ganz anderen Hinsicht abstrakt und imaginär werden. Scharf ist von diesem Imaginären dasjenige zu unterscheiden, das „bloße Einbildung" ist. Im Hintergrund dieser ganzen Theoretik steht die Dialektik von Wesen und Erscheinung. Das gilt nun auch von der Verwendung des Symbols i oder [/— 1 als Maßeinheit der vierten Dimension in der Minkowskischen Raumzeitlichkeit, der Zeit selbst. Isoliert und rein kombinatorisch aufgefunden, scheint dieses Symbol wie abacadabra bloße Einbildung und Unsinn zu sein, eine schlechte und häßliche Möglichkeit der Kombinatorik, die von selbst ausscheidet. Aber in der Theorie der Gleichungen und in derjenigen der Minkowskischen Raumzeitlichkeit hört dieses Symbol auf, eine bloße Einbildung zu sein, und wird zum Ausdruck eines seinskonstituierenden Imaginären, das die erste sinnfällige Realität selbst revolutioniert. Das eröffnet den Ausblick auf einen Weg, der beim Meontisch-Meontologischen und bei der totalen Anderheit des reinen Seins selbst endet. Aber es ist nur ein Anfang, und das Ziel wird nur durch viele andere Vermittlungen erreicht. 12 Samuel, Ontologie
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IV. D i e G e o m e t r i e : Die moderne Geometrie ist in ungeahnte neue Gebiete formalistischer Möglichkeiten vorgestoßen. Sie alle stehen dem Physiker zur Verfügung, aber er konnte bisher nur einen ganz geringen Teil derselben für seine Wissenschaft nutzbar machen. Vieles wird vielleicht nie praktisch verwendbar werden. Reichenbach warnt die Konventionalisten unter den Geometern, in der Betonung der Willkür der ersten axiomatischen Annahmen ungezählter geometrischer Systeme nicht zu weit zu gehen. Er weist darauf hin, daß die Tatsache nicht übersehen werden darf, daß nur die u n v o l l s t ä n d i g e Feststellung einer Geometrie, in der eine Referenz zur Definition von K o n g r u e n z ausgelassen ist, als willkürlich bezeichnet werden kann (297). I n der Tat spielen die Kongruenz-Geometrien für die Physik die größte Rolle. Zu dieser Klasse gehört vor allem die euklidische Geometrie, in der der Raum homogen und isotrop ist. Unsere jetzige Betrachtung dient dem Übergang von der speziellen zur allgemeinen Relativitätstheorie und dem damit verbundenen Vergleich mit den ontologischen Werten der Quantentheorie. Die Erörterung zweier Begriffe dient diesem Ziel: Starrheit und Innerlichkeit (im Sinne von intrinsic). I n der Relativitätstheorie wird die Geometrie zum physikalischen Problem (Einstein 54). Die Voraussetzung starrer Stäbe, erfaßt in approximativer Erfahrung, ist nicht frei von Willkür. Die Geometrie des physikalischen Raumes ist eine Funktion der Verteilung von Massen. Diese Einsteinsche Theorie ist etwas Neues in der Geschichte der Geometrie (Reichenbach 301). Ontologisch ist zu der Dialektik des physikalischen Begriffs der Starrheit folgendes zu sagen: Sofern wir zunächst von dem letzten Bedingenden der Starrheit absehen, ist die Einsicht, daß es empirisch keine starren Stäbe im strengen Sinne gibt, von der größten Wichtigkeit. Das internationale metrische Bureau zu Sevres in Paris hat vergeblich versucht, Sicherheit auf diesem Gebiet zu schaffen. Es gibt sie hier so wenig wie in der ökonomischen und politischen Welt. Die Platin-Iridium-Stange, die Meter genannt wurde, sollte der zehnmillionste Teil der Entfernung zwischen dem Äquator und dem Pol sein. Aber genauere Messungen zerstörten alsbald diese Illusion einer Anknüpfung der Standardlänge an unveränderliche Maße des Erdkörpers. Das Maß wurde trotzdem beibehalten. Aber klimatische und andere Einflüsse zerstören jede Garantie absoluter Sicherheit, im Besitz eines unveränderlichen Mustermaßes zu sein. Die möglichen Abweichungen mögen praktisch keine große Bedeutung haben, aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Diese ganze Situation spielt in die Gedanken hinein, durch die Einstein eine Art von Deduktion des Raumes vollbringt. Er schließt sich dabei eng an Mach an. E r geht vom Begriff des praktisch starren Körpers aus und verbindet damit den der Berührung. Wenn zwei Körper in drei oder mehr Punkten in Kontakt stehen, können sie als ein quasi starrer Komplexkörper angesehen werden. Der zweite Körper bildet dann eine starre Fortsetzung des ersten, und diese kann in derselben Weise weiter-
Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 179 gehen, ins Unbegrenzte hinein. Die starre Fortsetzbarkeit bildet die Essenz des Raumes, der durch sie determiniert wird. Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Apriorität des Raumes in der euklidischen Geometrie als ein Irrtum, der durch das Vergessen der empirischen Basis der Deduktion verursacht wurde. Das Bedeutsame an dieser Darlegung Einsteins ist, daß er auch hier Gebilde verwendet, die mehr als bloß formal sind, die ontologisch eine Verschmelzung von bedingender Form mit bedingender Materialität darstellen. Das aber gibt der Räumlichkeit einen viel konkreteren Sinn als das bloß Formale. So wird die Geometrie wirklich zum physikalischen Problem. Daß sie in Beziehung zur Verteilung von Massen tritt, ist das wirklich Neue in der Geschichte der Geometrie, das Reichenbach betont. Das mußte erst einmal klargestellt werden, bevor wir uns dem zuwenden können, von dem, wie wir sagten, vorläufig abgesehen wurde und das als die Frage formuliert werden kann: Welche Rolle spielt dabei das letzte Bedingende ? Hier ist zunächst zu sagen, daß der bedingende Raum in seiner „Unsichtbarkeit" das Ideal der Starrheit hervorbringt und bedingt, aber nicht umgekehrt. Ein solcher Apriorismus widerspricht nicht den Einsteinschen Darlegungen (wie es der Kantsche Raum apriorismus tatsächlich tut), und er ist auch allen euklidischen und nichteuklidischen Räumen vorgeordnet (wegen der „Unsichtbarkeit"). Höchstens könnte man sagen, daß dieser meontologische Apriorismus die Raumdeduktion Einsteins e r g ä n z t . D a s a b e r i s t o n t o l o g i s c h a b s o l u t n o t w e n d i g , obwohl der Physiker Einstein darauf verzichten kann. Der bedingende Raum wird mit einem erkennbaren Fehler immer irgendwie als Punktmannigfaltigkeit vorgestellt, und die Starrheit von Stäben und Körpern a h m t d i e s e n a c h , als ein Ideal, das empirisch nie ganz verwirklicht werden kann. Das hängt mit der Idealität des bedingenden Raumes zusammen, die dingbedingende Kraft besitzt und von besserer Objektivität ist als die des Dinges. Hier handelt es sich allerdings keineswegs darum, daß das, was Starrheit apriorisch bedingt, vergessene Empirie ist. Denn der bedingende Raum ist ein Licht, das Anderes erleuchtet, selbst aber nicht in demselben Akt gesehen werden kann. Um es zu „sehen", bedarf es einer neuartigen ontologischen Reflexion, die in der Einsteinschen empirischen Deduktion noch nicht begonnen hat. Aber dennoch behielte Einstein auch diesem gegenüber noch recht, wenn es sich nur um den bedingenden Raum handelte. Die Stärke der ursprünglichen Einheit von bedingender Form und bedingender Materialität und Isthaftigkeit der Einsteinschen Deduktion müßte sich durchsetzen. Aber der bedingende Raum ist nur ein erstes Moment im ganzen Komplex des Bedingenden überhaupt. Hinzu kommt die bedingende Zeit, die bedingende Raumzeitlichkeit, das bedingende Ist usw. Das führt zu der meontisch-meontologischen Revolution des Seinsbegriffes selbst, zum letzten Bedingenden, zu der Einsicht in das, was 1-2«
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es eigentlich ist um das „ist". Und insofern allerdings unterliegt die notwendige Ergänzung der Einsteinschen Deduktion nicht Einsteins Angriff. Denn nun sind ja die Einheiten von der Form aller Formen und der allen Formalismus durchbrechenden bedingenden Materialität und Isthaftigkeit n o c h mehr konkretisiert, als das bei der physikalischen Deduktion Einsteins der Fall war. Nun wird der ganze Kosmos von Geist und Materie wirklich umfaßt. Physikalisch ist das nicht bedeutungsvoll, wohl aber ontologisch. Im Fortgang zum letzten Bedingenden gibt es kein Anhalten. Das zeigt sich auch, wenn wir nun zur Erörterung des zweiten geometrischen Begriffes übergehen, zu dem der „Innerlichkeit", der Intrinsikalität, der Inhärenz, wie er in der modernsten Geometrie aufgetreten ist. Es handelt sich dabei um eine äußerst abstrakte Sache. Schon Gauß studierte Oberflächen rein innerlich (intrinsically), ohne Beziehung zu einem Raum, in welchen sie eingebettet sein könnten (Menger 461). Nach Robertson handelt es sich bei dieser Innerlichkeit nicht um eine Krümmung des Dreidimensionalen in einem Vierdimensionalen, sondern um eine Bewegung des dreidimensionalen Raumes „in sich s e l b s t h i n e i n " (into itself), ohne „Einbettung". Die Erdbewegung um ihre Achse würde nur zu der Ein-Parameter-Familie solcher Bewegungen in sich selbst gehören, während das Axiom der Freibeweglichkeit der Erdrotation um ihren Mittelpunkt durch die Drei-Parameter-Familie der Bewegungen in sich selbst erzeugt würde (Robertson 317). Dieser Forscher spricht ferner von einer Raumkonstante K, die durch Messungen an der Oberfläche determiniert wird, ohne daß dabei auf ihre Einbettung in einen höherdimensionalen Raum zurückgegriffen würde. Das würde eine innerliche totale Krümmung umschreiben (Robertson 319). Die hohe Abstraktheit dieser Geometrie kommt in dem Ausspruch Mengers zum Ausdruck, daß sich Zahlensysteme mit Undefinierten Objekten assoziieren lassen (Menger 470). Es lassen sich innerliche Beziehungen zwischen den Linien allgemeiner metrischer Räume formulieren ohne Bezug zu einem willkürlich gewählten Rahmenwerk. Das wären topologische Beziehungen zwischen Weltlinien in einem einigermaßen (fairly) allgemeinen Kontinuum. In dieser Theorie verbleiben „lumps" (Klumpen, Stücke) Undefinierte Begriffe (472). Durch geschickte topologische Teilung könnte ein Körper von der Größe der Sonne in einen solchen von der Größe einer Erbse zusammengeschoben und „in die Tasche gesteckt" werden (470). Diese Geometrie ist den physikalischen Methoden von heute weit voraus geeilt. Es fragt sich, wie weit die Physik der Zukunft von ihr Gebrauch machen kann. Aber der Begriff der Intrinsikalität stellt uns schon heute vor eine ontologisch äußerst wichtige Entscheidung. Die oben erwähnte Raumkonstante könnte mit der Zeit variieren (322). Zum Schluß sei noch eine Vorstellung erwähnt, die geeignet ist, den Gegensatz zu jener Geometrie deutlich zu machen. Sie stammt von Wenzl: Es könnte sein, daß ein Riemannscher Raum von vier Dimensionen in einen euklidischen Raum
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von 10 Dimensionen eingebettet sei. In diesem Fall ließen sich Tensoren geometrisch so interpretieren, daß eine Deformation dieses Raumes zustande gebracht würde (603). Die Intrinsikalität der neuen Geometrie schenkt uns eine bedeutsame ontologische Interpretation des Wortes: „SELBST!" Wir wissen ja, was wir sagen und was wir ausschließen wollen, wenn wir von der „ S a c h e s e l b s t " sprechen: Ein Raumgebilde zu beschreiben, ohne darauf angewiesen zu sein, sich dabei auf ein äußeres Referenzsystem zu beziehen, alles, was nicht zu diesem Raumgebilde gehört, zu v e r g e s s e n . Wir haben es mit n i c h t s A n d e r e m als mit diesem Raumgebilde zu tun. Wir verstehen es, ohne es als eine E i n b e t t u n g in ein Höherdimensionales zu sehen. Wir begreifen es a u s s i c h s e l b s t und d u r c h sich s e l b s t . Es offenbart uns seine S e l b s t g e n ü g s a m k e i t . Der Bezug auf ein äußeres Referenzsystem wird durch das ersetzt, was Robertson „ B e w e g u n g in s i c h s e l b s t " nennt. Neben Starrheit und Intrinsikalität erfordert dieser dritte Begriff eine ausführliche ontologische Erörterung, die allerdings an diesem Ort nicht erfolgen kann. Soweit sich der Gesichtspunkt der Intrinsikalität festhalten läßt, löst sich eine ganze Reihe verwirrender Probleme. Ein Letztes wird erreicht. Eine natürliche Metrik wird eingeführt. Beziehungen auf äußere Referenzsysteme entbehren nie eines Elementes der W i l l k ü r . Diese wird hier ausgeschaltet. Vergleiche aus anderen Gebieten drängen sich auf. Das Linnesche System der Einteilung der Pflanzen und Tiere war künstlich. Es wurde durch das natürliche System ersetzt. Der Gebrauch des Metermaßes ist nicht ohne Willkür. Eine bessere Maßkonstante wäre z. B. der Durchmesser eines Elektrons. Etwas Ähnliches ereignet sich bei der Intrinsikalität der neuen Geometrie. Das ist gerade o n t o l o g i s c h hochwichtig. Diese Meßmethode steht um einen Schritt näher zum bedingenden Raum und zum rein Bedingenden überhaupt als die Verwendung starrer Stäbe mit ihrer untrennbaren Verbindung mit äußerlichen Referenzen. Das Ideal der Starrheit, sofern es vom bedingenden Raum her ist, ist nun viel leichter zu befriedigen. Undefinierte Objekte stehen in bezug zu Zahlensystemen. Allerdings muß hierbei ein Preis bezahlt werden: Abstraktheit. Aber die Meontologie vermag diesen Verlust in einen Gewinn zu verwandeln. Psychologisch führt die Intrinsikalität zu dem Alst: Sich in das betreffende Raumgebilde zu versenken, sich in ihm zu verlieren, es in einem r e i n e n V e r s t e h e n zu erfassen. V. D i e a l l g e m e i n e R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e : Sobald die Relativitätstheorie nicht mehr von Gravitationsfeldern, Beschleunigung, Masse, Energie usw. absieht, geht aus der speziellen die allgemeine Relativitätstheorie hervor. Sie hat es vorwiegend mit dem Problem der Gravitation zu tun. Das elektromagnetische Feld regt Untersuchungen an, die zu einem dritten Stadium der Theorie führen, der unifizierten Feldtheorie. Das Neue, das hier auftritt, ist die sogenannte Raumkrümmung der nichteuklidischen Geometrien. Sie ist das Anzeichen der Anwesenheit eines Gravitationsfeldes oder anderer Felder. Eddington identifiziert
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beide sogar und sagt: Die Krümmung i s t die Gravitation. Andererseits macht Lemaitre darauf aufmerksam, daß Raumkrümmung sich auch im Vakuum ereignen könnte, also bei der Abwesenheit eines Gravitationsfeldes (440). Und von Einstein hören wir: Das Bewegungsgesetz, die geodätische Linie, ist nicht unabhängig, sondern in dem Gesetz des Gravitationsfeldes enthalten (78). Ushenko sagt: Ein Teilchen bewegt sich nicht in einer Geodätik, sondern i s t eine Geodätik. Das letzte Wort bezeichnet die Weltlinie im vierdimensionalen gekrümmten oder ungekrümmten Kontinuum. Ereignisse im Sinne von Weltpunkten sind ohne Ausdehnung. Russell bringt den bedeutsamen Satz: Die Punkte der Raumzeitlichkeit haben natürlich keine Dauer wie auch keine räumliche Ausdehnung (Ushenko 630ff.). Wo zentrifugale Kräfte auftreten, erscheinen krummlinige (curvilinear) Koordinaten (De Broglie 118). Die Materie kann durch einen Zwei-Index-Tensor dargestellt werden, In der Formel dieses Tensoren erscheint das Glied gtw, das ein Koeffizient in differentialer Form ist, der das Intervall der Raumzeitlichkeit beschreibt (Lemaitre 440). In der allgemeinen Relativitätstheorie sind die allgemeinen Feststellungen der Physik Beziehungen zwischen Symbolen (allgemeine Koordinaten, Graviationspotentiale usw.), aus denen Schlußfolgerungen gezogen werden können, die in Feststellungen über beobachtbare Quantitäten übersetzbar sind (Frank 273). Unser Plan für die folgende ontologische Erörterung ist dieser: Wir möchten zuerst einige Grundbegriffe der allgemeinen Relativitätstheorie, wie Krümmung, die Äquivalenz von Trägheit und Schwere usw. ontologisch diskutieren. Das soll zur Vorbereitung unseres Hauptanliegens dienen, die Dialektik des Problems von Welle und Korpuskel ontologisch zu erörtern in Verbindung mit einem Vergleich der ontologischen Struktur der Relativitätstheorie mit der der Quantentheorie. Die Aufgabe des Ontologen ist offenbar, diese speziellen physikalischen Probleme, die eine Revolution unserer Weltanschauung herbeizuführen im Begriff sind, in das Ganze der Natur-Kultur- Ontologie hineinzustellen. Dabei kann es sich nur um das Allgemeinste handeln, das die physikalische Problematik mit den anderen Problematiken gemeinsam besitzt. Von vielen Einzelheiten muß deshalb vorläufig abgesehen werden. Wir weisen nochmals auf das hin, was wir in der Vorrede hierüber gesagt haben. Schließlich muß auch das Wesentlichste (vom ontologischen Standpunkt aus) der unifizierten Feldtheorie, der Nuclearphysik und der neuen Kosmologie berücksichtigt werden. In bezug auf den Krümmungsbegriff können wir uns kurz fassen. Unsere gewöhnliche Anschauung weiß nur von Krümmungen i m euklidischen Raum. Da könnte es als bedenklich erscheinen, diese Vorstellung auf den Raum selbst zu übertragen. Jedoch haben wir es hier mit etwas Ähnlichem zu tun wie bei der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Es zeigt sich eine überraschende, neue und konkretere Einheit zwischen dem rein Formalen und der bedingenden Materialität. Hierauf beruht
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ontologisch der Unterschied zwischen dem euklidischen und dem nichteuklidischen Raum. Die Krümmungsvorstellung ist das Symbol für diesen Unterschied. Es handelt sich also gar nicht um eine Übertragung der sinnfälligen Krümmung auf den Raum, sondern um den Ansatz einer ganz neuen Vorstellung. Es ist gar nicht so, daß der nichtgekrümmte euklidische Raum, der als Spezialfall die Krümmung null und den Krümmungsradius unendlich besitzt, dem bedingenden Raum und dem Allbedingenden, zu dem jener gehört, irgendwie näher stände (das wäre so im Rahmen der Kantschen Kategorialität), sondern gerade gekrümmte Räume irgendeiner Spezies stehen dem bedingenden Raum und dem Allbedingenden näher. Denn das Allbedingende umfaßt mehr als die Form aller Formen. Es umfaßt auch die bedingende Materialität, das bedingende Ist, das den Charakter der realen und den der idealen Objektivität anzunehmen vermag. Und das gilt auch vom bedingenden Raum, der allerdings eine Form ist, für den es aber kein Aufhalten gibt, in der Art, wie er zum Allbedingenden hinstrebt. Der bedingende Raum ist dem euklidischen Raum und allen nichteuklidischen Räumen vorgeordnet, echtes Apriori für sie, in der ganzen ,,seins"-konstituierenden Kraft; nur darin liegt ein Unterschied, daß der euklidische Raum sich auf den bedingenden Raum bezieht, sofern er reine Form ist, die nichteuklidischen Räume aber dem bedingenden Raum untergeordnet sind, sofern er zum Allbedingenden gehört und mit so vielem Anderen in diesem zusammensteht. Damit dürfte der Krümmungsbegriff ontologisch geklärt sein. Allerdings wissen wir dabei noch wenig über die ungeheuren Implikationen, z. B. über die Struktur: endlich-unbegrenzt, in die auch die Symbolik sinnfälliger Vorstellungen (hergenommen z. B. von der Kugeloberfläche) hineinspielt. Wenn Russell betont, daß die Punkte (oder punktualen Ereignisse) der Raumzeitlichkeit weder Dauer noch räumliche Ausdehnung besitzen, so hängt das wohl damit zusammen, daß Raum und Zeit in der Raumzeitlichkeit zu einem Schattendasein herabsinken und daß ontologisch etwas ganz Neues und Anderes auftritt. Jedoch zweierlei ist dabei zu beachten: 1. Das meontologische Gegenmotiv im Begriff des Ereignisses darf nicht unterschlagen werden (wir bezeichneten es als z), und 2. das meontologische Gegenmotiv der in der Raumzeitlichkeit zu sehr erstarrten Zeit darf ebenfalls nicht unterschlagen werden (wir bezeichneten es als y). Die hier verborgenen Kräfte werden zum Teil in der Komplementarität der Quantentheorie frei. Der zweite Punkt betrifft das Äquivalenzprinzip in bezug auf Trägheit und Schwere. Die schwere Masse ist der trägen Masse gleich. Beide werden durch dieselbe Zahl ausgedrückt. Das ist etwas zum Verwundern, und es muß einen Grund haben. Die Fallbeschleunigung ist von der Natur des fallenden Systems unabhängig. I n einem Gravitationsfelde von geringer räumlicher Ausdehnung verhalten sich die Dinge so wie in einem gravitationsfreien Räume, wenn man in diesem statt eines Inertialsystems ein gegen ein solches beschleunigtes Bezugssystem ein-
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führt (Einstein 64). Er machte das durch sein Beispiel des „Mannes im Aufzug" klar. Das ist nun eine weitere Relativierung, die die der speziellen Theorie fortsetzt. Zur Relativierung der Zeitmessung tritt nun die der Messung von Trägheit und Schwere. Aber wiederum gilt, daß sich zu dieser Relativierung ein dazu passendes (relatives) Absolutes einstellt, als ob es durch jene herausgefordert worden sei. Eötvös hat die Proportionalität zwischen der Inertialmasse und der schweren Masse experimentell nachgewiesen, und selten ist ein Versuch mit solcher Sorgfalt und Genauigkeit durchgeführt worden (Sommerfeld 99ff.). Die Gravitation läßt sich als eine Art von Inertialeffekt ansehen. Daß die Relativitätstheorie dieses Äquivalenzprinzip klarzumachen versteht, gehört mit zu ihren großen Erfolgen (Robertson 329). Einstein stellt folgende Formel auf: Die Inertialmasse mal Beschleunigung ist gleich der Intensität des Gravitationsfeldes mal gravitationaler Masse (57). Es ist nicht zu übersehen, daß schon bei Newton der Begriff der Masse als „Quantität der Materie" die ungeheuersten metaphysischen Implikationen besitzt. Ferner wissen wir von der revolutionären Bedeutung des ersten Bewegungsgesetzes Newtons, die Trägheit (von Ruhe u n d Bewegung, ohne Beschleunigung, ohne Reibung usw.) betreffend, in dem er die kostbare Erkenntnis Galileis gegenüber dem falschen Aristotelismus in der Physik auf eine allgemeine Gesetzesformel brachte. Einstein setzt diese historisch so denkwürdige Linie fort. Die Trägheit ist der Widerstand, den ein Körper dem Bewegtwerden oder ein bewegter Körper dem Zur-Ruhe-Gebrachtwerden entgegensetzt. Ein Körper, einmal angestoßen, bewegt sich geradlinig ohne Aufhören fort. Das Aufhören der Bewegung gehört nicht zu ihrem Wesen, sondern hat eine ä u ß e r l i c h e Ursache, in der Reibung, dem Luftwiderstand und dergleichen. Wir begegnen hier wiederum der Kategorie der Intrinsikalität. Die Aristotelische Vorstellung, daß jeder Körper sich an „seinen natürlichen Ort bewegt", wo er zur Ruhe kommt, hat die Kategorie der Intrinsikalität verwirrt und für Jahrhunderte die Erkenntnis des wahren Sachverhaltes aufgehalten. Zum Inertialprinzip tritt dann die Beschleunigung als Ausdruck der K r a f t hinzu. Die Analyse der Beschleunigungsvorstellung wird dabei zu einer natürlichen Quelle des Differential-Integral-Prinzips. Der berühmte Streit zwischen Descartes und Leibniz über das Energiemaß wird dadurch geschlichtet. Beide haben recht. Die Formel Descartes' ist nichts Anderes als der Differentialquotient der Leibnizschen Formel für die „lebendige Energie", die also das zu jenem gehörige Integral ist. Die Descartessche Schau war die eines Momentdurchschnittes der Leibnizschen Gesamtschau der gleichmäßigen Beschleunigung, wie sie z. B. die Gravitation bewirkt (freier Fall). Im Gegensatz zum Inertialwiderstand eines Körpers gegen das Bewegtwerden oder gegen das Zur-Ruhe-Gebrachtwerden ist seine Schwere ein Effekt der Gravitation. Sie wird durch das Gewicht ausgedrückt. Im Vergleich zur Trägheit ist dieses etwas Äußerliches und Variables. Ein Körper ändert sein Gewicht, wenn er auf einen hohen Berg gebracht
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wird. Im Mittelpunkt der Erde wäre es gleich null. Damit würde aber seine Masse (die „Quantität der Materie") nicht verschwinden. Natürlich wäre auch das Gravitationsgesetz nicht durchbrochen, aber es wäre der Spezialfall eines Gravitationsfeldes von der Intensität null gegeben. Im populären Denken werden die Begriffe Schwere, Gewicht und Masse leicht miteinander verwechselt. Die in den Massenbegriff eingebaute Ontologik und Metaphysik kommt schon in dem Newtonschen Wort „Quantität der Materie" zutage. Darin liegt eine Beziehung auf die K a t e g o r i e d e r P o t e n t i a l i t ä t . Auch in dem Werke Schilpps kommen Forscher zu Wort, die den größten Wert auf diese Kategorie legen, vor allem Wenzl. Hier dürfen wir nun allerdings auf Aristoteles zurückgreifen. Was er hier vollbracht hat, besitzt, im Gegensatz zu seiner Behandlung der Kategorie der Bewegung, bleibenden Wert, und wir alle zehren noch heute davon. Wir verweisen hier vor allem auf das, was wir über den Zusammenhang von Potentialität und Ding-an-sich-Problem gesagt haben. Daraus geht auch hervor, daß es gut ist, von der Kategorie im Aristotelischen Sinne Gebrauch zu machen, daß war aber n i c h t d a b e i s t e h e n b l e i b e n d ü r f e n . Was Wenzl S. 590 ausführt, provoziert die Frage: Verhält sich etwa die mechanische Bewegung zur Lichtbewegung wie Wirklichkeit zu Möglichkeit ? Ushenko spricht im Anschluß an Russell von dispositionalen Adjektiven: potentiale Energie, elastisch, brennbar, zusammenpreßbar. Differentialgleichungen müssen in Ausdrücken von T e n d e n z e n interpretiert werden (Ushenko 645). Was in der Newtonschen Mechanik getrennt und unbegreiflich blieb, das undurchsichtige Verhältnis zwischen Trägheit und Schwere, wird in der Einsteinschen Metrik, im Zusammenhang mit einer gekrümmten Raumzeitlichkeit in einen klaren relativistisch-absoluten Zusammenhang gebracht, in eine Beziehung zwischen einem Inertialsystem und einem beschleunigten Bezugssystem mit entgegengesetzten Vorzeichen (Mann im Aufzug). Immer mehr stellt sich eine sich konrektisierende Einheit zwischen Mechanik und Energetik heraus. Eine Leistung der speziellen Relativitätstheorie wiederholt sich auf höherer Ebene. Bis zu einem gewissen Grade werden Potentialität und Aktualität eins. Einige Potentialitäten werden zu Aktualitäten (zu Hyperaktualitäten), aber nicht alle. Wir denken an den Satz Eddingtons: Die Gravitation i s t die Krümmung. Inertia und Schwere sind nur zwei Seiten desselben Tatbestandes, wie auch die damit verbundene Intrinsikalität und Extrinsikalität. Die metaphysische Tiefe im Massenbegriff beginnt sich in klare, verstehbare Inhaltlichkeit zu verwandeln. Eine Bewegung zu einer reinen Feldtheoretik hat eingesetzt. Die Einheit, unter die der Relativismus von Schwere und Trägheit tritt, ist ein neues relatives Absolutes im allerkonkretesten Sinne. Newton war gezwungen, das, was er im „Eimerexperiment" entdeckte und bei dem es sich um Zentrifugalkräfte handelte, die ohne Beschleunigungen nicht konstruiert werden konnten, auf den absoluten Raum zu beziehen. Mach ersetzte diesen durch die
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Massenverteilung des ganzen Universums (auch etwas Absolutes), und er kam dadurch der Wahrheit näher. Einstein dagegen lehrte, den Verzweiflungsschritt Newtons zu vermeiden, wie wir das im Vorigen beschrieben haben. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist das bessere Absolute im Vergleich mit der leeren absoluten Zeit. Das hier erscheinende (relative) Absolute ist das Bessere im Vergleich mit einem leeren absoluten Raum. Was darin besser ist, wird durch das Hinzukommen eines allen Formalismus durchbrechenden inhaltlichen Konstruktionselements hinzugebracht, und das produziert Konkretisierungen, die sich experimentell und empirisch als fruchtbar erweisen und die uns zugleich eine Belehrung über das ontologisch letztlich Bedingende geben. Das Dritte ist nun die Äquivalenz zwischen Masse und Energie, der Fortgang der relativistisch-absoluten Erforschung der physikalischen Ereignisse. Diese Betrachtung bildet den natürlichen Übergang zum Energieproblem in der allgemeinen Relativitätstheorie. Das Verhältnis zwischen Energie und Masse wird durch eine Formel Einsteins bestimmt, von der er sagt, daß sie nicht ganz exakt sei. Aber Heisenberg benutzt sie für wichtige Zwecke in seiner Nuclearphysik und glaubt, sie sei empirisch bestätigt worden. Sie lautet: E = mc 2 , d. h. die Energie ist das Produkt aus Masse und dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Die Formel zeigt, welch ungeheures Reservoir an Energie ein Masseteilchen darstellt. Die Formel enthält ungeahnte Implikationen, z. B.: Wenn wir des Abends vor dem Schlafengehen unsere Weckeruhr aufziehen, ist sie dadurch etwas schwerer geworden; denn wir haben Energie in ihrer Stahlfeder aufgespeichert (Heisenberg). Natürlich hat das keine praktische Bedeutung, weil der Betrag zu klein ist, aber in der theoretischen Physik wird diese Folge unter ganz anderen Umständen wichtig. Die Auslegung der Formel führt zu bedeutsamen erkenntnistheoretischen, ontologischen und metaphysischen Fragen. Laue betont, daß die Erprobungen der Formel sich nur auf Variationen von Energie und Masse beziehen, niemals aber auf die g a n z e Masse (532). Danach könnte nicht gesagt werden, daß sich eine Masse ganz und gar in Energie auflöse. Aber selbst wenn das der Fall sein könnte, müßte immer noch gefragt werden: In welchem Sinne ereignet sich eine v ö l l i g e Ausgabe der Masse in Energie? Denn hier gibt es z w e i Möglichkeiten: Entweder im Sinne einer absoluten Wellentheorie. Dann wäre das Ergebnis trägerlose Energie, die theoretisch in einer reinen und allgemeinen Feldtheorie erfaßbar wäre. Bis jetzt ist es nicht gelungen, die mit einer solchen Theorie verbundenen mathematischen Schwierigkeiten zu überwinden. Die andere Möglichkeit wäre die, daß die völlige Ausgabe in Energie doch nicht letzte, nun wirklich unteilbare tragende Massenteilchen von Kraftfeldern ausschließt. Das führt dann im Gegensatz zu einem strengen Monismus der Energetik zu einem Dualismus oder gar Pluralismus. Die letzten Elemente von Masse u n d Energie hätten dann einen dualistischen Charakter: Ein letztes unteilbares Massenteilchen als Träger von Ener-
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gien, z. B. einer elektrischen Ladung oder innernuclearer Bindekräfte. Dann aber erhebt sich die andere Frage, wie dieser Dualismus zu deuten sei. Denn auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, und die Berührung erkenntnistheoretischer, ontologischer und metaphysischer Probleme ist unvermeidbar. Hier setzt dann in besonderer Weise die Aufgabe des Ontologen ein, und es ist unser Hauptanliegen, zu diesem Problem einen Beitrag zu liefern. Solche Fragen sind z. B.: Gilt dieser Dualismus von Welle und Teilchen ausnahmslos ? Ist er je zu überwinden, wie Einstein glaubt, für welche Überzeugung er aber wenig Zustimmung gefunden hat. Ferner: Ist dieser Dualismus im Sinne der Komplementarität Bohrs zu verstehen? (Ein Begriff, den wir noch erörtern werden.) Ist es so ähnlich, wie es oft beim psychophysischen Verhältnis angenommen wird, daß es sich um zwei verschiedene Aspekte derselben Grundrealität handelt ? Oder ist diese Dualität nur eine Folge unserer Unwissenheit und mangelnden Kenntnis, die sich dann auch mit dem anderen Mangel verbindet, daß wir es an entscheidenden Punkten nur zu statistischen Wahrscheinlichkeitsgesetzen bringen und einer vollständigen Beschreibung der physikalischen Phänomene unfähig sind ? Grundsätzlich und für immer, oder nur vorübergehend ? Wiederum rühren wir hier an eine Kontroverse zwischen Einstein und seinen Mitarbeitern und den anderen Forschern, besonders den Quantentheoretikern. Zugleich ist aber auch ersichtlich, daß bedeutsame erkenntnistheoretische, ontologische und metaphysische Probleme auftauchen. Hinzu kommen dann noch Fragen der neuen physikalischen Kosmologie, z. B.: Wenn Materie sich in Energie auszugeben vermag, könnte es dann nicht auch sein, daß umgekehrt aus Energie neue Materie entstünde*) und daß sich in diesem Doppelprozeß ein kosmologischer Rhythmus in bezug auf das Vergehen und Entstehen ganzer Welten ausspricht ? Auch diese Probleme werden wir in ihrer ontologischen Bedeutsamkeit zu prüfen haben. Laue macht trotz des oben wiedergegebenen Ausspruchs eine Ausnahme mit dem Elektron. Er sagt, daß dieses wenigstens nichts als eine Energieform sei, die gelegentlich in eine andere Form verwandelt werden könne (533). De Broglie macht darauf aufmerksam, daß die beiden Gesetze von der Erhaltung der Energie und Masse nun im Ausdruck jener Formel verschmolzen sind. Ein ausstrahlender Körper verliert, ein absorbierender Körper gewinnt Masse (116). Er fügt hinzu: Die Materie ist eine ungeheure Vorratskammer von eingefrorener oder geronnener Energie, was ja auch (z. B. in Hiroshima) seine schreckliche Bestätigung gefunden hat. Aber nicht nur ein Dualismus, sondern auch ein Pluralismus erscheint in der heutigen theoretischen Physik. Seine Verfechter erinnern an den berühmten Psychologen William James. Heisenberg scheint zu dieser *) Lloyd William Taylor führt in seinem Werk „Physics", S. 846, einen solchen Fall einer Verwandlung von Strahlungsenergie in Materie wie auch einen Fall des umgekehrten Prozesses an
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Gruppe zu gehören. In seinem Buch: „Nuclear Physics", Philosophical Library New York, 1953 (Seitenzahlen mit dem Buchstaben H beziehen sich im folgenden auf dieses Buch), unterscheidet er zehn verschiedene Elementarteilchen, die sich alle durch Masse, Größe, Ladung usw. unterscheiden und die er doch alle für unteilbar im strengen Sinne hält. Wir kommen noch näher hierauf zurück. Unsere Erörterung wird zu unterscheiden haben zwischen den speziellen Ontologien der verschiedenen Denkschulen der modernen Physik und der allgemeinen Ontologie, die uns zur Meontologie wird und die die physikalische Problematik in das Natur-Kultur-Ganze hineinzustellen versucht. Der dabei geltende Kanon ist, daß sich im Verhältnis der beiden Klassen von Ontologien ein phänomenales Walten des Prinzips der totalen Anderheit bemerkbar macht. Was die allgemeine Ontologie, die Meontologie, hier auszusprechen vermag, könnte nicht ans Licht kommen ohne den Blick auf die speziellen Ontologien. Aber andererseits kann das so Ausgesagte nie die Funktion ausüben, in den Verlauf der speziellen Ontologien einzugreifen, um Einfluß auf die Hypothesenbildungen der SpezialWissenschaften zu gewinnen. Die Meontologie hat nicht die Aufgabe, die Physik zu kritisieren oder zu „verbessern" oder zu „berichtigen". Sie überläßt die Einzelforschung sich selbst und greift nicht in ihre Kontroversen ein. Sie hat es nur mit dem Allgemeinsten zu tun, sie ist die Spezialistin dieses Allgemeinsten. Deshalb kann sie nicht nur, sondern muß sie sogar von vielem einzelwissenschaftlichen Detail absehen, von dem sie aber manches im Vorbeigehen erwähnen kann. Natürlich muß der Ontologe mit diesen Einzelheiten und Feinheiten vertraut sein, aber er muß nicht alles sagen, was er weiß, das würde seine Spezialaufgabe, dem Allgemeinsten zu dienen, nur belasten. Aber der Ontologe darf hoffen, daß er mittelbar dennoch einen Einfluß auf die Einzelwissenschaften gewinnt, nämlich durch das Medium der Einzelforscher selbst, soweit sie gewillt sind, ein Interesse an der Forschung der allgemeinen Ontologie zu nehmen und sich mit ihr vertraut zu machen. Es ist dafür gesorgt, daß Einzelforscher die Hilfe nicht verschmähen werden, die ihnen eine Ontologie darbietet, die selbst ihrem eigenen Forschungsgebiet die größte Aufmerksamkeit zuwendet. Wir nehmen eine große Fülle unausgeglichener Meinungen über die eigentlichen Grundfragen der theoretischen Physik (wie auch anderer Wissenschaften) wahr. Hier sind einige Beispiele: H. A. Lorentz meint: Der leere Raum ist der Sitz des elektromagnetischen Feldes. Auf den materiellen Teilchen sitzen punktartige Ladungen, die das Feld erzeugen (Einstein 34). Eine Zweinaturen-Lehre in bezug auf das Licht darf nicht zugelassen werden (Heitier 185). Der erste Schritt zur Versöhnung ist die statistische Interpretation (190). Eine Synthesis zwischen Fresnels Wellentheorie des Lichts und der alten Korpuskulartheorie ist möglich (De Broglie 109). Die Doppelnatur von Strahlung und materiellen Korpuskeln, wie sie durch die Quantenmechanik gedeutet wird, kann nur ein temporärer Ausweg sein (Einstein 50). Ist die Welt kontinuierlich oder diskontinuierlich ?
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(Dingle 552). Ist der Makrokosmos vielleicht kontinuierlich und der Mikrokosmos diskontinuierlich ? Das Licht ist weder Welle noch materieller Körper (Wenzl 588). Wenn die Relativitätstheorie korrekt ist (selbt nur als spezielle), dann sind unabhängige Teilchen eine sinnlose Annahme, weil ihre Zustände nicht prinzipiell spezifiziert werden können (Margenua 258). Hier spielt das Problem der Singularität hinein, auf das wir noch zurückkommen werden. Helmholtz glaubt, daß der Begriff des Teilchens (particle) logisch ungesund ist, wenn es nicht durch einen absolutenRaum oder Äther stabilisiert wird, um eine invariable Referenz in bezug auf seine augenblickliche Lage zu schaffen (Margenau 257). Es läßt sich nicht leugnen, daß in diesen verschiedenen Ansichten (die nur eine kleine Auswahl darstellen) eine gewisse R a t l o s i g k e i t zum Ausdruck kommt. Schon im Vorigen haben wir manches im Namen der speziellen Ontotogien, manches in dem der allgemeinen Ontologie ausgesprochen, ohne auf die totale Verschiedenheit der beiden ontologischen Situationen jedesmal ausdrücklich hinzuweisen. Für die nun folgenden Erörterungen aber wird es wichtig sein, diese sorgfältig zu beachten und die damit verbundenen Verhältnisse klar auszusprechen. VI. D i e M i k r o k o s m i k d e r P h y s i k : Mit welchen verschiedenen Kleinstteilchen haben wir es in dem mikrokosmischen Bereich der Physik zu tun ? Natürlich zunächst mit den Atomen und Molekülen. Aber von diesen sehen wir ab. Wir fragen nach der inneren Struktur der Atome, nach ihrer Zusammensetzung und nach den in ihnen waltenden Bindekräften. Wir heben nur das Allgemeinste hervor, wie es unsere ontologische Diskussion erfordert. Für die Tausende von Einzelheiten müssen wir den Leser auf die Lehrbücher verweisen. Heisenberg entwirft von der inneren Struktur des Atoms das folgende Bild (H 60): Im Atom muß der Nucleus von der extranuclearen Struktur unterschieden werden. Die Bausteinchen des Nucleus sind die Neutronen und die Protonen. Beide haben fast die gleiche Masse, 1,6748 mal 10~24 gr resp. 1,6725 mal 10~24 gr. Das Neutron besitzt, im Gegensatz zum Proton, keine elektrische Ladung. Aber beide zeigen ein angulares Momentum (mechanical spin). Die nucleare Bindekraft zwischen dem Neutron und dem Proton kann nicht elektrischer Natur sein. Sie zeigt eine gewisse Verwandtschaft mit den Valenzen der chemischen Bindekraft und ist, wie diese, im Gegensatz zur Elektrizität, von äußerst kurzer Reichweite. Im übrigen gehört sie bis jetzt noch zu den unbekannten Energien, jedoch ist es schon sicher, daß sie auch die Fähigkeit der Umwandlung in andere Energien besitzt. Die volle mathematische Erfassung, wie sie bei den elektromagnetischen Feldern durch die Maxwellschen Formeln gelungen ist, entbehrt die nucleare Bindekraft vorläufig noch. Das nucleare Feld stellt also eine Klasse für sich dar (H 91). Der nuclearen Anziehungskraft ist eine elektrische Kraft der Abstoßung übergelagert, die eine potentiale Schranke (barrier) bildet (H 95). Wenn wir der Kraft, die nötig ist, ein Teilchen dem Nucleus einzufügen, ein positives Vorzeichen geben, dann ist die nucleare Bindungskraft negativ. So faßt es Heisenberg auf.
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Die Bausteinchen des extranuclearen Bereiches im Atom sind die Elektronen (H 60). Die Masse eines Elektrons ist ungefähr der 1840. Teil (genauer: 1837,5) eines Wasserstoffatoms, und dieses besitzt ein Proton und ein Neutron. Das Elektron ist mit einer negativen elektrischen Ladung ausgerüstet. Es gibt aber auch solche mit positiver Ladung, und dann heißen sie Positronen. Sie sind sehr kurzlebig und verbinden sich mit den Elektronen zu einer neutralen Struktur (H 47). Die Feldkräfte der extranuclearen Struktur sind elektrisch, die des Nucleus sind auch elektrisch neben der Kraft des nuclearen Feldes. Die Teilchen, die ausgesandt werden, wenn Zustandswechsel eintritt, sind bei der extranuclearen Struktur die Photonen, und dasselbe gilt vom elektrischen Feld des Nucleus. Aber die vom nuclearen Feld des Nucleus ausgesandten Teilchen sind Elektronen, Positronen und Neutrinos. Das Photon ist ein reines Lichtquantum von der Masse null. Vom Neutrino ist es noch nicht sicher, ob es die Masse null besitzt. Sehr wahrscheinlich ist es ein Massenteilchen, das aber viel kleiner ist als selbst ein Elektron (H 47). Photonen und Neutrinos sind ungeladen. Beide besitzen jedoch das angulare Momentum, die Drehung. Besitzen die letzteren eine dem Neutrino entgegengesetzte Drehungsrichtung, dann heißen sie Antineutrinos. Beide sind die Teilchen, die nach den energetischen Erhaltungsgesetzen die den Nucleus verlassenden Teilchen begleiten, um die Energiedifferenz zu tragen (H 50). Außer den erwähnten Teilchen kommen noch drei Arten von Mesonen vor, die so heißen, weil sie hinsichtlich ihrer Masse eine Mittelstellung zwischen den Elektronen und den Protonen einnehmen. Das leichte Meson besitzt eine Masse, die 209mal so groß ist wie die eines Elektrons. Die entsprechenden Ziffern beim ?r-Meson und beim y-Meson sind 276 und ungefähr 900 (H 205). Heisenberg unterscheidet die eigentlichen und primären Bausteinchen von den sekundären, die nur bei besonderen Gelegenheiten auftreten und deren Produktion Zeit verbraucht (H 57). Die Feldkräfte sind dabei gewissermaßen der Mörtel, der die Teilchen zusammenbindet. Das Atom ist mit einem Sonnensystem zu vergleichen, bei dem das Proton oder der Nucleus die Stellung des Zentralkörpers einnimmt, während in der extranuclearen Sphäre planetarische Elektronen usw. den Zentralkörper umkreisen. Jedoch treten bedeutsame Unterschiede auf. Nach Bohr stehen dem Elektron nur bestimmte Umlaufsbahnen zur Verfügung. Fällt es z. B. plötzlich (ohne Zeitverbrauch, in vollkommener Diskontinuität. So etwas gibt es in der Newtonschen Mechanik nicht) in eine andere Bahn hinab, dann sendet es ein Photon aus, und die dabei verausgabte Energie wird gemessen durch das Produkt der Planck sehen Konstante h mit der Schwingungszahl v*). Im nichterregten Zustand des Atoms muß ferner die Umlaufsbahn durch eine geradlinige Oszillationsstrecke ersetzt werden (H36—37). *) frequency, Frequenz.
Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 191 Die nucleare Bindekraft in allen Atomen ist fast dieselbe (H 78). Wegen seiner gleichmäßigen Dichtigkeitsverteilung ist die nucleare Struktur mit einem Wassertropfen zu vergleichen. Auch die Oberflächenspannung fehlt nicht. Das Symbol für Helium ist 2 H 4 . H steht für Wasserstoff, das subscriptum an der linken Seite ist das Atomgewicht (atomic number, Atomzahl), das superscriptum an der rechten Seite ist die mass number (Massenzahl). Die Alphastrahlen sind identisch mit Helium. In ähnlicherWeise baut sich das ganze periodische System der Elemente auf. Die Atomzahlen (atomic numbers) reichen von 1 für Wasserstoff bis 96 für Curium, die Massenzahlen von 1,0080 für Wasserstoff, bis 238,07 fürUranium, dessen Atomzahl 92 ist, d. h. der extranucleare Bereich dieses Atoms besitzt 92 Elektronen, wobei jedes Elektron eine elementare Ladung darstellt. Und Ähnliches gilt von allen Elementen. Die Größe des elektrischen elementaren Quantums (e) ist genau bekannt, wie auch die ja schon angegebene Masse des Elektrons, die Restmasse (Ruhemasse) genannt wird, weil sich die Masse jedes Körpers mit der Geschwindigkeit vermehrt (H 21—22). Die Loschmidtsche Zahl gibt die Zahl der Moleküle in einem Mol an. Für diese und andere Einzelheiten verweisen wir auf die Tabellen am Ende von Heisenbergs Buch. Für das Atom entspricht dem Mol das Gramm-Atom. Jedes Gramm-Atom eines einwertigen Elements ist mit 96520 coulombs (abgekürzt C) Elektrizität assoziiert und für die mehrwertigen Atome mit einer Mehrheit dieser Quantität. Das Symbol für das Wasserstoffatom ist ,H 1 . Wir sehen, daß sein Nucleus ein Proton ohne einNeutron ist. Es bestehtaus diesem Proton und einem Elektron. Aber durch das Hinzukommen von Teilchen bilden viele Atome Isotope. So ist das Deuteron jD2, das auch XH2 geschrieben werden kann, ein schweres Isotop von Wasserstoff, dessen Nucleus ein Proton und ein Neutron besitzt. Als Atom heißt es Deuterium, als Nucleus Deuteron. So gibt es auch ein Triton (H 63). Die Nuclei sind entweder stabil, oder sie senden Elektronen und Positronen aus (negative und positive Beta-Strahlen) oder nur eines von diesen beiden Arten von Teilchen, oder Alpha-Strahlen, oder sie fangen ihre nächsten planetarischen Elektronen ein. Damit kommen wir auf Transmutationen und auf Radioaktivität zu sprechen. Die letztere ist entweder spontan oder durch äußere Einflüsse bewirkt. Die Ausstrahlung besteht in Alpha-Strahlen, die Helium-Nuclei sind, oder in Beta-Strahlen. Dann kommen auch Gamma-Strahlen vor, die außerordentlich kurzwellige Photonen sind. Radioaktivität ist an drei Serien gebunden: an die Uranium-Serie, die Thorium-Serie und die Actinium-Serie (series). Die halbe Lebensdauer erstreckt sich fürUranium von 4600 Millionen Jahre bis zu dem Element C' von dem millionsten Teil einer Sekunde. Dem Verständnis der Verfall-Wahrscheinlichkeit kommt an einer kritischen Stelle die reine Wellentheorie zur Hilfe, deren Sprache von Heisenberg dann zurück in die der Korpuskeltheorie übersetzt wird. Mit der ontologischen Bedeutung dieses merkwürdigen Umstandes werden wir es noch zu tun bekommen. Die Beta-Strahlen sind Elektronen,
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die Gamma-Strahlen sind fast identisch mit den X-Strahlen (H 24—27). Für die extranucleare Struktur gilt, daß die Zahl der Elektronen gleich der Zahl der Elementarladungen ist. Die chemischen Eigenschaften der Elemente werden durch diese Zahl und durch die nucleare Ladung bestimmt. Das Symbol für das Elektron ist: -je0. Selbst das Photon kann unter den Teilchenaspekt gestellt werden, obgleich doch seine Masse gleich null ist (H 42ff). Die Regeln für die Stabilität eines Nucleus sind: Er wird spontan in einen anderen Nucleus wechseln, wenn dieser Prozeß Energie befreit und wenn er mit den Gesetzen von der Erhaltung der Ladung und des angularen Moments verträglich ist. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Wechsels mag sehr klein sein, so daß er erst in einer langen Zeitperiode zu erwarten ist. Wenn auch nur eine der obigen Bedingungen fehlt, dann ist der Nucleus stabil (H 77). Das Beispiel einer nuclearen Reaktion ist, wenn Beryllium unter dem Einfluß eines Alpha- (Helium) Teilchens sich in Kohlenstoff (carbon) verwandelt unter Freiwerdung eines Neutrons und einer Gamma-Strahlung. Die Formel hierfür lautet: 4 Be 9 + 2 He 4 -+ 6 C 1 2 + 0 n l + y. (H53). Oder ein anderer Fall: Stickstoff geht unter dem Einfluß einer AlphaStrahlung in ein Isotop des Sauerstoffs unter Ausscheidung eines Wasserstoff-Protons über. Das Alpha-Teilchen verbleibt im Nucleus des Stickstoffatoms. Die sich ausbalancierende Veränderung wird durch die Formel dargestellt: 7 N 14 + 2 He 4 ^ 8 0 1 7 + jH 1 . Die Summe der Zahlen im subcriptum und superscriptum auf beiden Seiten (Atomgewicht und Atomzahl darstellend) der Formel ist immer genau dieselbe. Das Symbol für das Neutrino ist: 0v°. Es tritt auf in dem folgenden Prozeß einer Positronausscheidung: 7 N 13 6C13 + 1e° -f- 0v°. N ist Stickstoff, C Kohlenstoff, der dritte Ausdruck ist das Symbol für das Positron mit seiner positiven Ladung (H 126). Ein Photon kann in ein Elektron plus ein Positron umwechseln. Aber Heisenberg will damit nicht sagen, daß das Photon aus diesen beiden Elementen z u s a m m e n g e s e t z t sei. Denn alle drei sind letzte unteilbare Bausteinchen der Materie, aber diese können ohne jede Einschränkung ineinander hinüberwechseln (H 47 und 57). Hier verbindet sich also in eigentümlicher Weise ein Pluralismus mit einem Monismus. Bei all diesen Vorgängen werden ungeheure Kräfte frei, zu messen in Temperaturen oder elektrischen Spannungen (Volts), so wie sie im Innern von Sternen walten. Sie beschränken sich aber auf einen winzig kleinen Raum, der sich nur dann vergrößert, wenn die Bedingungen für Kettenreaktionen (chain-reactions) erfüllt sind. Hierauf beruht das Prinzip der Atombombe. Teilen sich die Nuclei in zwar nicht gleiche, aber nicht so sehr verschiedene Teile, dann tritt die Nuclearspaltung ein (nuclear fission). Sie ereignet sich meistens bei den schwereren Nuclei. Dort ist ja auch die nucleare Bindungskraft gegenüber dem elektrischen Gegenspieler geringer. Zum Beispiel, wenn das seltene Uranium-Isotop 92 U 235 ein Neutron absorbiert, kann die Atomzerspaltung in ein Strontiumatom
Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 193 und ein Xenonatom eintreten unter Befre'ung von zwei Neutronen: 236 + „n1 - 38Sr90 + 64 Xe 141 + on1 + „n1. Man achte auf die Atom92 U Massenzahlen der beiden Zerspaltungsprodukte. Der alte Traum der Alchemisten, Quecksilber in Gold zu verwandeln (die in der Liste der Elemente direkte Nachbarn sind und sich nur um eine Atomzahl unterscheiden), könnte verwirklicht werden (und er ist es bereits), wenn er nicht so — kostspielig wäre! Das sind also einige der Hauptcharakteristika der kleinsten Teilchen der Materie und der zwischen ihnen spielenden Kräfte. Wir sehen in eine Welt von Konkretheiten und Individualisierungen hinein, obgleich wir nur Weniges mitgeteilt haben und obgleich wir erst am Anfang unserer Erkenntnisse der mikrokosmischen Verhältnisse stehen. Was für unsere ontologische Diskussion, die wir so vorbereiten, wichtig ist, ist neben einem anderen Punkt, den wir noch erwähnen werden, ihre offenbare Doppelnatur, die sich in den beiden Begriffen „Teilchen" und „Welle oder Feld" ausspricht, mag sie nun echt oder scheinbar sein. Wir haben hierüber schon verschiedene Meinungen gehört. Hier möchten wir Heisenberg zu Wort kommen lassen. Er erkennt beide Aspekte als berechtigt an, ist also insofern ein Dualist. und zwar in beiden Gebieten, dem extranuclearen und dem nuclearen. Er spricht das so aus: Der extranucleare Wellenaspekt besagt: Ein Elektron schafft ein Feld, das Feld wirkt auf ein anderes Elektron ein (acts upon another electron). Der extranucleare Partikelaspekt: Ein Elektron wirft ein Photon aus, das Photon wird von einem anderen Elektron absorbiert. Nun kommt der nucleare Wellenaspekt : Ein Neutron schafft ein Feld, und dieses wirkt auf ein Proton ein. Endlich der nucleare Partikelaspekt: Ein Neutron wirft ein Elektron und ein Neutrino aus, und beide werden durch ein Proton absorbiert (H 97 bis 98). Das ist eine Schematisierung, aber sie besagt deutlich, was gemeint ist. Das nucleare Feld im nichtstationären Zustand kann unter die beiden Aspekte gestellt werden, je nach der angewandten Beobachtungsmethode. (Hier kommt also ein subjektiver Faktor in die Situation hinein.) Die Aspekte sind mit zwei verschiedenen Sprachen zu vergleichen, die ineinander übersetzbar sind. Mit der Aussendung oder der Absorption von Teilchen sind Kräfte der Auswechslung (exchange forces) verbunden. Zum Beispiel wird aus einem Neutron ein Proton durch Ausscheidung eines Elektrons und eines Neutrinos. Die Teilchen wechseln ihre Rolle. Auch hier tritt eine Ähnlichkeit mit der Chemie auf. Unter dem Wellenaspekt kann die Rolle erkannt werden, die die Resonanz für das Aufbrechen eines Nucleus durch ein schwingendes Teilchen spielt. Und was so gefunden wird, kann dann auch wieder in die Sprache des Partikelaspekts zurückübersetzt werden. Mit solchen Auffassungen wäre Einsteip. nicht zufrieden. Der monistische Trieb in ihm ist viel zu stark. Aufeinandergelegte Momentaufnahmen (Filmaufnahmen sind wegen der Geltung des Ungewißheitsprinzips unmöglich) könnten die durchschnittliche Verteilung der Dichtigkeit der Elektrizität in der Nähe des 13 S a m u e l , Ontologie
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Nucleus zeigen, und das könnte als ein Wellenphänomen interpretiert werden, als eine stationäre Welle. Die spezifische Dichtigkeitsverteilung ist dann zugleich eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Die Materiewellen De Broglies bezeichnen die Intensität der Materie an dem betreffenden Punkt, d. h. die Möglichkeit, daß in einer Momentaufnahme das Elektron an dem betreffenden Punkt entdeckt werden kann (H 33ff). So verbinden sich die beiden Aspekte. Der Wellenaspekt ist unentbehrlich für die Erklärung der Strahlenbrechung und der Interferenz. De Broglie nennt die Wellen aber auch Energiepakete (De Broglie 123). Sollten die Wellen sich unter gewissen Umständen beim A u f t r e f f e n auf Materie in Teilchen verwandeln ? Oder sollten die Masseteilchen mit den Knoten einer mit Obertönen schwingenden Violinsaite zu vergleichen sein ? Dann wären sie doch letzten Endes reine Energie, und der strenge Monismus wäre gerettet ? Jedoch sind das hier noch verfrühte Fragen. Unter dem Wellenaspekt läßt sich auch die Bevorzugung der g e r a d e n Zahlen der Strukturelemente für die Stabilität eines Atoms oder eines Nucleus verstehen (double even nuclei and double odd nuclei) (H 104), und auch dieses Ergebnis kann dann in die Sprache des Partikelaspekts übersetzt werden, wenn die Theorie das erforderlich macht. Sollten sich in der Tiefe der Materie selbst solche Erscheinungen einstellen können wie Brechung und Interferenz, im nuclearen Felde selbst, ja in der Innerlichkeit der Protonen und Neutronen ? Sollte die Materie doch nichts anderes als Energie sein ? Sollte schließlich Oswald doch Recht behalten ? (Siehe auch Pauli 146.) Wir begegneten bereits der Bedeutsamkeit der Potentialitätskategorie für die sich hier aufdrängenden Fragen. Diese ist auch in Verbindung mit dem Problem der beiden Aspekte gebracht worden. Wenzl hat das unternommen. Die Wellennatur verhält sich nach ihm zu der Natur der Partikel wie die überindividuelle Potentialität (die für Generalisierungen sorgt) zur individuellen Aktualität (602). Die sogenannten Materiewellen überschreiten die Lichtgeschwindigkeit (die eine maximale Konstante in der speziellen Relativitätstheorie ist). Immaterielle, idealereine Potentialität gilt vom ersten Anfang an. Erscheint deshalb eine solche Welle als Massenteilchen unter individualisierender Aktualisierung von Potentialität ? Ist die Materie Welle, sofern sie als auflösbar in reine Intensität, die ja von der Potentialität her ist, angesehen werden kann ? Ist der Atomismus nur ein mathematisierter Ersatz für einen reinen intensiven Dynamismus ? Hat auch Kant hier das Richtige geahnt ? Gibt es offene und geschlossene Intensitäts- und Potentialitätssysteme ? Wird dabei die E m p f i n d u n g zum Anfang einer dingbedingenden und „seins"-bedingenden Gesetzgebung, die in etwa der Kantschen Idee des „Transzendentalen" entspricht ? Indem wir uns durch einen Gedankengang Wenzls zu solchen Fragen anregen lassen, sind wir bereits mit ihm in den erkenntnistheoretisch-ontologisch-metaphysischen Bereich eingetreten, auf den die Physik selbst hindeutet.
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Von den 10 Teilchen, die wir im Vorigen kennengelernt haben, wollen wir uns nun das Elektron als Beispiel auswählen, da wir von ihm, nun im Namen der allgemeinen Ontologie sprechend, etwas aussagen wollen, was allen 10 Teilchen gemeinsam zukommt, vielleicht mit der einzigen Ausnahme des Photons, worüber wir uns dann näher erklären werden. Das Elektron ist fast das kleinste Teilchen, wenn auch nicht das allerkleinste. Es wird in dieser Beziehung vom Neutrino und vom Antineutrino übertroffen. Aber von diesen beiden könnten wir nicht in derselben Allgemeinheit sprechen, wie das beim Elektron der Fall ist, denn sie sind nicht durchgängig bestimmt. Es fehlt bei ihnen z. B. die Ladung und das magnetische Moment, und sie besitzen einen noch ungesicherten Massencharakter. Unter den Teilchen, die primär sind und von denen alle Determinationen bekannt sind, ist das Elektron das kleinste. Deshalb eignet es sich gut als Beispiel für uns. Seine ruhende Masse, seine Ladung, sein angulares Moment, sein magnetisches Moment, das Verhältnis seiner Ladung zu seiner Masse, seine Restenergie und sein Radius sind genau bekannt. Bei einigen von diesen Größen tritt unter dem Bruchstrich eine Zahl auf, die aus einer Eins mit 28 Nullen besteht, (wobei das übliche Maßsystem zu Grunde gelegt wird). Daraus läßt sich seine fast unbegreifliche Kleinheit ersehen, aber natürlich stellt das eine endliche Größe dar, selbst wenn die Eins noch viel mehr Nullen hätte. Das erste ontologische Problem, zu dem das Elektron Anlaß gibt, besteht nun in der Frage, wie es um seine transzendente Innerlichkeit als Partikel bestellt ist. Wenn wir sagen „ontologisch", so meinen wir damit zugleich auch immer „erkenntnistheoretisch" und „metaphysisch", denn diese drei sind in der theoretisch-philosophischen Struktur untrennbar miteinander verbunden. Die Frage ist, ob es wirklich in reine trägerlose Energie auflösbar ist, so daß es aufhört, eine Singularität in einem allgemeinen Feld zu sein, wie Einstein das in seiner dritten Theorie anstrebt, oder ob der Partikelaspekt nicht auszuschalten ist, was den Dualismus Heisenbergs rechtfertigen würde. Zu Seiten beider Männer stehen andere Gelehrte, aber die meisten sind auf die Seite Heisenbergs getreten. Aber auch diese Einstellung läßt mehrere Möglichkeiten offen. Die beiden Aspekte könnten eine bloße Arbeitshypothese sein, die nichts über die Natur der physikalischen Realität entschiede, in bezug auf welche wir uns mit einem vollkommenen Skeptizismus und Agnostizismus begnügen müßten. Oder die beiden Aspekte stellen nur Unterschiede der Beobachtungsmethode dar. Oder aber sie greifen tiefer. Oder sie sind nur ein temporärer Ausweg. Wenn wir nicht mehr so unwissend sein werden, wird sich ein echter Monismus einstellen im Sinne einer allgemeinen Feldtheorie und eines absoluten Energismus der trägerlosen Energie. Oder sie werden durch das Prinzip der Bohrschen Komplementarität erklärt, die eine Folge des Heisenbergschen Ungewißheitsprinzips ist. Die Liste ist noch nicht vollständig, aber das mag hier genügen. Wenzl scheint der wirklichen Lösung am nächsten gekommen zu sein, wenn es erlaubt ist, auf das Elektron das zu übertragen, was er vom Licht 13*
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sagt, nämlich daß es nicht sowohl Welle als auch Partikel ist, sondern weder Welle noch Partikel, also etwa Anderes, Drittes. Kein anderer Denker hat das Material der theoretischen Physik so philosophisch durchdrungen wie Wenzl. Aber es ist seltsam: Gerade wenn das Elektron ein solches Drittes wäre, ließe sich ontologisch der andere Satz damit vereinbaren, daß es dialektisch g a n z Partikel und zugleich g a n z Welle sei. Aber das muß näher untersucht werden. Die wahrscheinlichste Annahme für eine fruchtbare ontologische Erörterung ist, daß das Elektron trotz aller seiner konkreten energetischen Funktionen, allen Versuchen einen hartnäckigen Widerstand entgegensetzt, es seiner geschlossenen Materialität, Massivität, Partikelhaftigkeit, ja Dinghaftigkeit zu berauben. Wir nehmen das vorläufig als das Beste und Wahrscheinlichste an. Die folgende Erörterung gilt also nur unter der Voraussetzung dieser Thesis. Wir sehen zu, wie weit wir mit dieser, insofern sie zu einer Hypothesis wird, kommen. Wir möchten sie an ihren Ergebnissen prüfen. Dieses Vorgehen entspricht der Methodik der allgemeinen Ontologie. Besteht diese unglaubliche Hartnäckigkeit und Widerspenstigkeit des Elektrons dagegen, seine partikelhafte, materiell-massive Innerlichkeit mit ihrer ganzen Transzendenztiefe aufzugeben, zurecht, dann muß das einen o n t o l o g i s c h e n G r u n d haben. Welches könnte dieser sein, und was würde er erklärlich machen ? Von der Oberfläche in die Tiefe gehend, könnten wir zunächst d r e i Gründe für eine solche Widerspenstigkeit nennen, die in zunehmendem Grade erkenntnistheoretisch-ontologischmetaphysische Bedeutsamkeit besitzen. Der erste Grund wäre der, daß alle materiellen Teilungen in der Physik streng empirisch auf teilende Kräfte bezogen sind, die derselben Größenordnung angehören wie das Geteilte. Der Grund also, weshalb sich das Elektron nicht noch weiter teilt, wäre der, daß die entsprechenden teilenden Kräfte nicht aufgetreten sind und in der Natur vielleicht auch nie auftreten werden. Dieser Tatbestand müßte als partikelhafter Widerstand des Elektrons gegen weitere Teilung erscheinen. Die künstlichen Versuche des Menschen müssen mit der Produktion von weiteren teilenden Kräften natürlich auch einmal zu Ende kommen. Keiner kann deshalb sagen, wie weit die Teilung wirklich zu gehen vermöchte und ob sie je in eine Auflösung des Elektrons in echte reine und trägerlose Energie übergehen könnte. Dieser Gesichtspunkt endet also mit einer Unbestimmbarkeit. Der zweite Grund ist schon mehr erkenntnistheoretisch, ontologisch und metaphysisch. Das Elektron ist ein Erscheinungsseiendes. Als solches ist es mit der ganzen Härte der Realität ausgestattet, und es vermag relativ die Rolle eines Ansichseienden anderem gegenüber zu vertreten, das nur Phänomenales ist. Aber man beachte: nur relativ. Es weist hin auf ein Wesen und Ansichseiendes in noch ganz anderem Sinne, etwa im Sinne des Kantschen Dings an sich, des X-Problems. Die Ontologie dieser Problematik (die mit einer bestimmten Erkenntnistheorie und Meta-
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physik verbunden ist) haben wir ja schon verfolgt. Die Hartnäckigkeit, mit der das Elektron der Aufopferung seiner Partikelnatur widerstrebt, wäre also ontologisch nichts anderes als der Ausdruck der Funktion, mit der es das echte Ansich und Wesen in seiner ganzen Transzendenztiefe empirisch gegen anderes Erscheinliches vertritt, das i m V e r g l e i c h h i e r m i t bloß phänomenal ist. U n d in diesen Bahnen bewegt sich ja dann auch sein Gebrauch f ü r konkrete mathematische und physikalische Enthüllungen und Erklärungen eines unermeßlichen Erscheinungsmaterials. Auf diese Weise beginnt das Elektron schon seine verborgene Tiefe zu eröffnen, von einer übermathematischen und überphysikalischen Matrix her, die aber eines logistischen Elements, das eine gewisse Verwandtschaft mit Mathematik und Physik besitzt, durchaus nicht entbehrt. Aber auch hier m u ß im wesentlichen noch gesagt werden, daß das eigentlich ontologisch-metaphysische Problem der Partikelhaftigkeit des Elektrons, das mit solchen Fragen verknüpft ist, was eigentlich das Geheimnis seiner geschlossenen Masse (Quantität der Materie), seiner Größe, seiner Gestalt, seiner Qualität oder Qualitätslosigkeit usw. ist, soweit es sich um die Leistungen der theoretischen Physik handelt, seit den Tagen Leukipps und Demokrits nicht um e i n e n Schritt weiter gekommen, sondern daß dieses Grundproblem nur z u r ü c k g e s c h o b e n worden ist. Das eigentliche Mysterium bleibt unberührt bestehen. Ist es an und f ü r sich unberührbar und Resignation die einzig mögliche menschliche Weisheit ihm gegenüber ? U m hier ein Mißverständnis zu vermeiden, müssen wir betonen, daß wir einen Atombegriff im weiteren Sinne zugrunde legen, in dem auch das Elektron ein Atom in der Terminologie Leukipps oder Demorkrits darstellt, was ja völlig berechtigt ist. Der Fortschritt über diese beiden Denker des Altertums hinaus besteht nur in der ungeheuren Konkretisierung und Verfeinerung der mathematisch-physikalischen Apparatur in bezug auf das Erscheinungsseiende, das die Frage nach dem eigentlichen Wesen noch v o r sich hat. So kommen wir zu unserem dritten und eigentlichen Grund, die H a r t näckigkeit des Elektrons zu erklären. E s ist ein Erscheinungsseiendes. Als solches besitzt es ein Sein, das ontologischer N a t u r ist. Die verschlossene letzte Tiefe seiner Materialität und Massivität in ihrer ganzen Transzendenz weicht doch schließlich einem Druck, der aber im Physikalischen nicht zu finden ist. Sie löst sich auf in etwas, das im gleichnishaften Sinne mit reiner Energie und mit einem Feld zu vergleichen ist. Dieses ist eine verstehende Inhaltlichkeit u n d Geistigkeit und zugleich auch noch etwas Anderes und Weiteres. Zusammen mit seiner raumzeitlichen Struktur und mit der Isthaftigkeit und bedingenden Materialität, die sich in seiner bedingten Materialität, Partikelhaftigkeit, Massivität und Innerlichkeit aussprechen, geht es ein in das Zwischen-, Berührungsund Grenzsein des Meontisch-Meontologischen, des Wesens, das wie „Sein"-wie-Nichtsein ist, in diese Neutralität des Dritten, die das Erfüllende seiner ontischen und seiner ontologischen Struktur ist. I n diesem Zwischen (das durch einen Bindestrich symbolisiert wird) offenbart sich
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das wahre Feld, das auch das Elektron in das Natur-Kultur-Ganze mit all seinen Schichten, Sphären und Wissenschaften, mit all seinen Kategorien und Logismen hineinstellt. Deshalb widersteht das Elektron im Bereiche der Physik (als Einzelwissenschaft, die ihre ontologische Fundierung und Begrenzung besitzt) allen Versuchen, es seiner Partikelhaftigkeit zu berauben, weil diese Partikelhaftigkeit ein Ausdruck dafür ist, daß das noch nicht erschienen ist, was ihre X-Haftigkeit und ihre logistische Isthaftigkeit wirklich auflöst, in Inhaltlichkeit, Sinn, Bedeutung, Wert und meontologische Materialität verwandelt. Und auch deshalb zeigt es diese seltsame Widerspenstigkeit, weil diese erst dem Sein seines Seienden weicht, das Sein in der totalen Andersartigkeit seiner selbst ist, das wie ein konkretes Nichts ist, von dem nicht mehr gesagt werden kann: es ist, es war, es wird sein, gerade weil diese Sage aus dieser Matrix erst entspringt. Dieser Gedanke, daß das wahre Sein erst die totale Anderheit des „Seins" ist, spielt in der ontologischen Deutung der Partikelhaftigkeit des Elektrons eine Rolle, und ohne das wäre die physikalische Erfahrung des Elektrons nicht möglich. Ferner besteht die Widerspenstigkeit des Elektrons auch deshalb, weil wir in der Meontologie logistisch (als Fortsetzung und Erfüllung von Mathematischem) nicht nur ein x, sondern auch ein y und ein z anzusetzen haben. Das y ist das Symbol für das, was in der erscheinlichen Bewegungs- und Wechsellosigkeit fehlt, sofern wir sie mit dem vergleichen, was im dritten Neutralen von Prozeß- und Prozeßlosigkeit die letztere ist; und das Symbol z steht für das, was der erscheinlichen Prozeßhaftigkeit mangelt, sofern wir sie mit dem vergleichen, was im dritten Neutralen und Erfüllenden von Prozeß und Prozeßlosigkeit der erstere ist. Da mag es auch logistisch zu solchen Gebilden kommen wie y + z, yz, und zu y = z. Von hier aus lassen sich die Bedingungen entwerfen, unter denen es überhaupt zu einer Mathematik und zu einer Physik kommt, und ihre meontologischen Grenzen lassen sich skizzieren. Und das erklärt dann auch im Sinne einer Ermöglichung der Erfahrung eines Elektrons, im Sinne dieser Erfahrung selbst und auch ihres Inhalts und ihres Gegenstandes, weshalb das Elektron unter diesen konstituierenden Bedingungen notwendig als Partikel und als Welle er scheinen muß, jenes hinsichtlich einer meontischen Prozeßlosigkeit, dieses hinsichtlich einer meontologischen Prozeßhaftigkeit und Zeitlichkeit. Hierin liegt dann auch die Erfüllung der Wenzlschen Potentialitätsidee. Jedoch gerade unter diesem Gesichtspunkt muß gesagt werden, daß die theoretische Physik genau in der Weise, wie sie heute am Werke ist und wie sie seit Jahrhunderten gearbeitet hat, an der heilsamen Aufwärtsentwicklung und Vollendung des erkennenden Subjekts selbst wirkt, was sie gar nicht beabsichtigt und auch nicht zu wissen braucht. Aber wir dürfen noch einmal auf das Wort Bachelards vom Frieden des Geistes hinweisen, und wir könnten so manche anderen Worte berühmter Forscher anführen, besonders von Einstein, Eddington und Jeans. Meontologisch
Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 199 läßt sich in der physikalischen Wissenschaft ein Heils- und Erlösungswert für die ganze Menschheit entdecken; das gilt ja auch von allen anderen Wissenschaften und nicht zuletzt von der Philosophie. Das kann auch gar nicht anders sein. Da wo eine Wissenschaft in das Natur-KulturGanze hineingestellt wird, ergeben sich Folgen für die Ethik, für die Ästhetik, für die Soziologie und für die Religion. Diese können positiv oder negativ sein. Der Kampf geht eben darum, die Implikationen in die Richtung des Heilsamen zu bringen. An diesem Kampf ist auch die Philosophie beteiligt. Wir sind von einer Thesis ausgegangen, und sie hat sich in eine Hypothesis von dreifachem Charakter verwandelt, deren Erklärungsgründe nicht unfruchtbar zu sein scheinen. Das spricht für die Wahrheit der Thesis. Auf jeden Fall werden wir ermutigt, auf dem angefangenen Wege weiter fortzuschreiten. Wir haben das Gebiet der Physik und ihrer speziellen Ontologie verlassen und das ausgesprochen, was der allgemeinen Ontologie angehört. Wir hätten es nicht sagen können, ohne auf die spezielle Ontologie der Physik hinzublicken. Aber wir haben uns in keiner Weise in eine Reihe mit den Mathematikern und den Physikern gestellt. Was wir taten, hat im Verhältnis zu ihrem Tun ein Moment der totalen Anderheit in sich, ein Moment der Inkommensurabilität. Aber unter einer Bedingung dürfen wir hoffen, daß unsere Bemühung für die theoretische Physik nicht vergeblich gewesen ist, nämlich wenn ein Physiker sich für unsere rein ontologische Erklärung dessen interessieren sollte, warum eigentlich das Elektron als Welle und als Partikel auftritt. Trotz des „Außer-Konkurrenz-Gestelltseins" der Ontologie in bezug auf die Physik und trotz des „Abgrundes", der zwischen beiden besteht, ist die Hoffnung nicht vergeblich, daß sich so etwas Heilsames ereignen könnte, denn der Physiker ist ganz wesentlich ein Natur- und Kulturwesen. Das was wir vom Elektron gesagt haben, gilt nun allgemein von allen Bausteinchen der Materie. Solche, die die Masse null besitzen, wie das Lichtquantum, das Photon genannt wird, könnten eine Ausnahme bilden. Jedoch können natürlich, wenn überhaupt Teilchen da sind (es bleiben immer noch neun Arten übrig), auch Phänomene trägerloser Energie auftreten, die aber dann einen abstrakten Charakter haben, weil bei ihnen eben von den Teilchen abgesehen wird. Die Plancksche Größe h scheint in dieser Beziehung eine eigenartige Mittelstellung einzunehmen. Einerseits kann sie als ein abstraktes Phänomen trägerloser Energie interpretiert werden, andererseits zeigt sie keinen kontinuierlichen Wellencharakter, sondern sie ist rein als Energie diskontiunierlich quantifiziert und atomisiert und besitzt gerade darin die Fähigkeit, eine Weltkonstante darzustellen. Vom ontologischen Standpunkt aus macht das Verständnis dieses Phänomens keine Schwierigkeiten. Die Ontologie der Quantentheorie gewinnt von hier aus ihre spezielle Ausgestaltung. Das alte Problem vom Ganzen und seinen Teilen, das besonders von Plato in seiner wahren Bedeutung erschaut wurde, spielt auch in der
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II. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
Ontologie der Physik und noch mehr in der allgemeinen Ontologie eine Rolle. Die Sache selbst bringt es mit sich, daß eingesehen werden kann, daß seine Lösung hauptsächlich der Zukunft angehört. Dieses Problem führt zu einer Erörterung der beiden Begriffe der Autonomie und der Heteronomie im Verhältnis der mit Willen begabten Einzelwesen zur Gesamtwirklichkeit. Die Meontologie kann zeigen, daß auch hier ein drittes Erfüllendes noch fehlt. Auch hier lassen sich logistisch zwei Symbole ansetzen. Wir möchten mit y' das bezeichnen, was der Teil im Meontisch-Meontologischen ist in der Anderheit vom Teil im erscheinlichen Sinne, und mit z' das, was Ganzheit im Meontisch-Meontologischen ist in der Anderheit von erscheinlicher Ganzheit. Der Bestimmung dieser Symbole können wir näher und näher kommen. Auch hier mußten wir auf die logistischen Gebilde y' + z' und y'z' geraten. Aber das ist noch nicht einmal der Anfang einer meontologischen Logistik, sondern nur die Vorbereitnug eines solchen Anfanges. Hierin sind überraschende kulturphilosophische Implikationen verborgen. Die theoretische Physik bewegt sich in der Richtung auf eine Lösung des Problems vom Ganzen und seinen Teilen. Sie revolutioniert dabei das erkennende Subjekt in heilsamem Sinne und findet zugleich ihre eigene Erfüllung in der wachsenden Annäherung an die Wahrheit und Wirklichkeit dieses Verhältnisses, die heute noch tief verschleiert ist. Dabei ereignet sich eine Angleichung an das Meontisch-Meontologische, das die Seinsrevolution immer mehr zur Geltung bringen wird. VII. D a s U n g e w i ß h e i t s p r i n z i p : Das Ungewißheitsprinzip wurde durch Heisenberg entdeckt. Die Tatsache, aus der es gefolgert wurde, ist leicht zu verstehen: Um eine Momentaufnahme von einem Elektron zu machen, müssen wir selbst Elektronen gebrauchen, manchmal auch solche unter hoher Spannung. Dadurch wird aber das Elektron, das Gegenstand unserer Untersuchung ist, gestört. Bei einer zweiten Momentaufnahme würden wir es möglicherweise weit außerhalb seiner Umlaufsbahn finden. Deshalb können wir auch nicht daran denken, von der Bewegung eines Elektrons eine Filmaufnahme zu machen. Die Störung des zu untersuchenden Elektrons erfolgt also durch dasselbe Elektron, das uns instand setzte, die erste Aufnahme zu machen. Offenbar erreichen wir hier die Grenze der Sichtbarkeit (visualization) selbst, und das führt zur Aufstellung des Ungewißheitsprinzips, das besagt, daß wir niemals die Position und die Geschwindigkeit (oder das Moment) eines Elektrons zu gleicher Zeit mit gleicher Gewißheit feststellen können. Haben wir von der Position eine volle Gewißheit, dann ist die Gewißheit über die Geschwindigkeit gleich null, und dazwischen gibt es verschiedene Übergänge, wo sich die beiden Gewißheiten immer zu der vollen Gewißheit 1 ergänzen. Ist die Geschwindigkeit scharf beobachtet worden, dann wird die Position verwischt (H 29). In unserer gewöhnlichen Welt kennen wir eine solche Situation im allgemeinen nicht, oder die Störungen sind so klein, daß sie vernachlässigt werden können.
Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 201 Um Verwirrung zu vermeiden, müssen wir betonen: Obgleich der Aufnahmeapparat dem erkennenden Subjekt dienen soll, ist dieses selbst, soweit die bisherige Genesis des Ungewißheitsprinzips in Frage steht, noch nicht eingeführt worden. Die Störung des Elektrons hat nichts mit dem Umstand zu tun, daß es erkannt wird oder werden soll. Sie würde auch da sein, wenn es gar kein erkennendes Subjekt gäbe. Sie ist allein durch die Einwirkung des störenden Elektrons bedingt. Daß dieses im Zusammenhang mit einer photographischen Aufnahme auftritt, ist unwesentlich. Die Störung eines Elektrons durch ein anderes ist ein rein objektives Geschehen. Das betont auch Oppenheimer. Er unterscheidet probe (Sonde), target (Schießscheibe) und detector (Aufdecker). Er meint damit das folgende: Rutherford untersuchte die Alpha-Teilchen. Sie waren dann Erkenntnisobjekt für ihn. Dann aber b e n u t z t e er die AlphaTeilchen, um A n d er es zu e n t d e c k e n . Mit Heidegger könnten wir sagen, daß sich dadurch eine V o r h a n d e n h e i t in eine Z u h a n d e n h e i t wendete. Da diente das Alpha-Teilchen als probe, und es wurde zum detector. Vorher war es target. Nun ist das neue Objekt der Erkenntnis target geworden, das mit der Hilfe des Alpha-Teilchens untersucht wird, das gewissermaßen auf es hingeschossen wird. Auch hier müssen wir die Funktion der Apparatur streng trennen von dem erkennenden Subjekt. Mit diesem haben wir es noch nicht zu tun. Alles drängt zwar auf seine Einführung hin, aber die objektiven Veränderungen, Eingriffe und Störungen, die die Apparatur im Untersuchungsobjekt zuwege bringt, sind unabhängig vom erkennenden Subjekt. Deshalb bleiben auch solche Begriffe wie „Vorhandenheit" und „Zuhandenheit" vorläufig ausgeschaltet. Was zum Ungewißheitsprinzip führt, ist also zunächst frei von jedem subjektiven Faktor. Die ganze experimentelle Anordnung muß in Betracht gezogen werden (Bohr 222). Man darf nicht von einer Störung von Phänomenen durch die Beobachtung selbst sprechen oder gar von einer Schöpfung physikalischer Attribute durch die Messungsmethoden. Besser wäre es, zu sagen, daß die Phänomene sich ausschließlich auf Beobachtungen beziehen, die unter spezifischen Umständen erlangt wurden; das erfordert auch eine Berücksichtigung der ganzen experimentellen Anordnung (Bohr 237). Der Biologe muß sich sehr in acht nehmen, daß er durch seine X-Strahlen nicht das Leben tötet, das er untersuchen will. Eine zu sehr störende Untersuchungsmethode könnte unverträglich mit der Existenz des Lebens selbst sein. So könnte auch das Streben nach einer zu detaillierten Kenntnis von atomistischen Strukturen unvereinbar mit ihren Existenzbedingungen selbst werden (Heitier 197). Damit sind wir schon zu dem Prinzip der Komplementarität gekommen, wie es von Bohr entwickelt worden ist. Natürlich wird hierbei das erkennende Subjekt eingeführt, aber an dem, was von ihm unabhängig in der Erzeugung des Ungewißheitsprinzips bleibt, muß streng festgehalten und es darf nicht vergessen werden. Das schließt natürlich nicht aus, daß wir n u n doch noch auf „seins"-konstituierende Elemente
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
der Subjektivität treffen könnten, die sogar eine bessere Objektivität haben möchten als die bisher betrachtete, eine Art von objektbedingender Subjektivität, begabt mit einer neuen Kraft der Durchleuchtung der nun in Sicht kommenden Verhältnisse. Die Ausführungen Bohrs sind besonders wichtig, weil sie aus einer erkenntnistheoretischen (epistemological) Diskussion mit Einstein erwachsen sind, über die er in dem Bande Schilpps Bericht erstattet. Das muß gerade für den Ontologen von höchstem Interesse sein. Ferner ist es auch überaus kennzeichnend, daß Bohr und seine Mitarbeiter ganz unwillkürlich das Prinzip der Komplementarität in den Zusammenhang des Natur-Kultur-Ganzen hineinstellen, mehr als dies bei einem anderen Thema der theoretischen Physik je der Fall war. Wir haben davon oben schon eine kleine Probe bekommen. So sagt auch Heitier im Verfolg des erwähnten Zitats, daß lebendige Materie und leblose Materie im Verhältnis der Komplementarität zueinander stehen (197). Aber bevor es zu diesen Anwendungen kommen kann, müssen wir den rein physikalischen Begriff der Komplementarität zu verstehen versuchen. Wir sahen: die Position und das Moment eines Elektrons können nie mit gleicher Gewißheit und Schärfe erkannt werden. Wir können nicht beides zugleich im Bewußtsein haben. Zwei Bewußtseinszustände sind nötig anstatt von einem. Aber diese beiden ergänzen sich gegenseitig, sie sind komplementär. Statt zweier Gewißheiten von je 1 0 0 ° / 0 in einem Bewußtsein besitzen wir (um das extremste Beispiel zu nennen) zwei ungleichzeitige Bewußtseinszustände (in einem Nacheinander), mit je einer Gewißheit von 1 0 0 ° / o > in dem die je andere Gewißheit nur mit 0°/ 0 anwesend sein kann. Hier wendet sich das Ungewißheitsprinzip ins Psychologische. Es ist die einfache Übersetzung der Tatsache dessen, was unabhängig vom Psychischen an und für sich und rein objektiv Ursache möglicher Ungewißheit ist, in die andere Tatsache, daß es sich bei alledem eben um ein E r k e n n t n i s o b j e k t handelt. Davon kann ja nicht dauernd abstrahiert werden. Auf diese Weise entspringt das Prinzip der Komplementarität aus dem Ungewißheitsprinzip. Es ist seine Auslegung. Niels Bohr sagt: E s läßt sich keine scharfe Trennung zwischen dem Verhalten atomistischer Objekte und der Wechselwirkung mit messenden Instrumenten machen, die dazu dienen, die Bedingungen zu definieren, unter denen die Phänomene erscheinen. Was nicht als in einem einzigen Bild vereinbar begriffen werden kann, steht im Verhältnis der Komplementarität zueinander. Diese ist eine rationale Verallgemeinerung des Kausalitätsideals selbst (210). Das ist ein schwerwiegender Ausspruch. Es darf nicht vergessen werden, daß auch das messende Instrument der quantenmechanischen Ungewißheitsbeziehung unterworfen ist. — Eine Messung der Position ändert die Geschwindigkeit des Objekts in einer ungewissen Weise und umgekehrt. Unsere vorhergehende Kenntnis der Geschwindigkeit ist zerstört. Das Elektron hat nicht mehr eine scharf umrissene Geschwindigkeit (Heitier 191).
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In der Biologie sind Mechanismus und Vitalismus komplementär. I n der Psychologie ist es das Psychische und das Physische. Das ist mit einem Drama zu vergleichen, in dem wir zugleich Spieler und Zuschauer sind (Bohr 236). Ähnlich steht es mit Objekt und Subjekt (Bohr 224). So tritt die Betrachtung in kulturphilosophische Erwägungen ein, die wir aber hier nicht weiter verfolgen. Die Phänomene des ganz Großen können nicht ohne weiteres auf die des ganz Kleinen übertragen werden (Bridgeman 342). Es gibt Objekte ohne Individualität und Identifizierbarkeit. Der Begriff der Dieselbigkeit (sameness) läßt sich nicht ohne weiteres auf den Bereich des Mikrokosmischen anwenden (Bridgeman 346). Einstein nahm das, was er in der speziellen Relativitätstheorie gelehrt hatte, nicht in seine allgemeine Relativitätstheorie mit hinüber (Bridgeman 335). Wir sahen schon, wie sich durch das Aufeinanderlegen von Momentaufnahmen ein Bild der Dichtigkeits- und Wahrscheinlichkeitsverteilung mikrokosmischer Ereignisse ergab. Nun müssen wir unsere Aufmerksamkeit dem Auftreten der damit verbundenen wichtigen M o d a l k a t e g o r i e n zuwenden, der Wahrscheinlichkeit, der Möglichkeit (mit Potentialität, die jedoch nicht modal ist) und der Zufälligkeit. Das ist ein weiterer Denkschritt in den Problemzusammenhängen von Ungewißheitsprinzip und Komplementarität. Die erkenntnistheoretische Seite, eine Folge der Einführung des erkennenden Subjekts, und damit auch die ontologisch-metaphysische Seite, tritt immer mehr hervor. Im Zusammenhang mit der atomisierten Diskontinuierlichkeit des Planckschen Quantums und in genauer Zuordnung dieser Erscheinung zu den plötzlichen Sprüngen eines Elektrons in eine andere Umlaufsbahn, können wir W a h r s c h e i n l i c h k e i t e n für zukünftige Beobachtungen vorhersagen, bis die nächste Beobachtung gemacht wird (Heitier 192). Was wir dabei mit unseren Sinnen nicht fassen können, vermögen wir mit unserem D e n k e n , mit unserem Geist zu begreifen (Heitier 194). Hierauf beruht die Bohrsche Komplementarität, die gegenseitige Ausschließung zweier Momente (wie Lage und Geschwindigkeit) in der Gleichzeitigkeit eines Zeitmoments. Dabei sind Objekt und Subjekt untrennbar miteinander verbunden, und das Ganze stellt nicht eine unvollständige, sondern vollständige Beschreibung dar, die mit der Schwäche unseres Erkenntnisvermögens nichts zu tun hat, sondern in der Sache selbst verwurzelt ist. Wenn die Massen die im Vergleich mit einem Elektron oder Atom ungeheure Größe eines Staubteilchens erreicht haben, können die Feinheiten von Wahrscheinlichkeits- und Komplementaritätserwägungen vernachlässigt werden, und dann kommen die Regeln der Newtonschen Mechanik zur Anwendung (Heitier 194ff.). Zwei besondere Fälle sind gegeben, wenn ein Wandschirm zwei Durchlöcherungen besitzt oder wenn zwei Wandschirme mit je einer Durchlöcherung parallel hintereinander aufgestellt sind und wenn es sich nun um die Frage handelt, ob vorhergesagt werden könnte, durch
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welches Loch ein Elektron unter bekannten Bedingungen passieren würde. Die Erörterung dieser Fälle hat zu den wichtigsten erkenntnistheoretischen Diskussionen zwischen der Einstein-Gruppe und der BohrGruppe geführt. Und wir wissen ja, daß damit auch ontologische und metaphysische Implikationen verbunden sind. Es kommt uns darauf an, gerade diese herauszuarbeiten. Hören wir zuerst die Bohr-Gruppe: Die beiden Wandschirme können nicht als zwei getrennte Systeme angesehen werden, so daß es möglich wäre, in bezug auf das eine ein Experiment anzustellen und auf Grund dessen etwas vorherzusagen, ohne damit das andere System zu stören. Das ist aber gerade die Voraussetzung, die Einstein einmal macht (Margenau 262). Vielmehr sind die beiden Wandschirme e i n vereinigtes Doppelsystem. Da gilt, was wir schon von Heitier hörten: Durch die experimentelle Behandlung und Beobachtung des einen Schirms kann ein plötzlicher Wechsel der Wahrscheinlichkeit (Wahrscheinlichkeitsverteilung) eintreten, wodurch die Wahrscheinlichkeitssituation in eine Gewißheitssituation verwandelt wird (Heitier 191). Dadurch ist z. B. die Position eines Elektrons zur schärfsten Gewißheit geworden. Das messende Instrument übt einen nicht zu vernachlässigenden Einfluß auf das Objekt aus. Es unterliegt dabei auch selbst dem Ungewißheitsprinzip usw. (Heitier 191). Sofern das letztere nun gilt, handelt es sich nicht um einen freiwilligen Verzicht auf genauere Analyse der atomischen Phänomene, sondern um die Anerkennung, daß eine solche Analyse p r i n z i p i e l l ausgeschlossen ist (Bohr 235). Hinsichtlich des einen Schirms mit den zwei Durchlöcherungen ist es, als ob das Elektron durch beide hindurchgegangen wäre oder als ob es spontan (mit einem Gleichnis von Willkür, Zufälligkeit und Freiheit) bald den einen oder den anderen Weg wählte (Bohr 222). Hören wir nun die Gegenseite. Einstein ist davon überzeugt, daß die höchsten Gesetze der Natur kausal und deterministisch im strengen Sinne des Wortes sind (Born 166). Eine bloße Wahrscheinlichkeit überdeckt nur unsere Unwissenheit, wenn wir es nämlich mit einer Unmenge von Teilchen zu tun haben, und die Größe dieser Unwissenheit schiebt statistische Methoden in den Vordergrund (Born 166). Das stellt keine erschöpfende Darstellung und keine vollkommene Beschreibung der physikalischen Ereignisse dar (Einstein 82). Er fragt bei dieser Gelegenheit: Ist die Quantentheorie eine Feldtheorie oder eine statistische Theorie ? (Einstein 80.) In bezug auf die beiden Wandschirme sagt Einstein: Der Realzustand von S 2 muß unabhängig von dem sein, was in Si geschieht. S ist das Symbol für „System" (Einstein 84). Die Diskussion zwischen den Forschern artete niemals in Feindseligkeit aus. Sie stellte eine von höchster gegenseitiger Hochachtung getragene freundliche Gegnerschaft dar. Und es ist ganz wesentlich, wie auch Bohr betont, daß dabei der H u m o r nicht fehlte. Dieser war keine Begleiterscheinung, sondern gehörte wesentlich zur Sache selbst. Besonders Einstein zeichnet sich durch einen solchen aus. Wir können
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uns das psychologisch so erklären, daß sich darin das Bewußtsein ausspricht, daß alle diese Kontroversen gegenüber einer Wirklichkeit, die durch ihre wunderbare Struktur, Harmonie, Gesetzmäßigkeit, Genauigkeit und Fülle ein Gefühl der Ehrfurcht und Scheu erweckt (das bei Forschern wie Einstein, Eddington, Jeans und anderen stärkste religiöse Färbung annahm), doch nur dem Spielen von Kindern mit bunten Steinen am Strande des Weltmeers zu vergleichen sind. Höhere Mächte, die dieses Tun beobachteten, könnten wir uns nur als lächelnd vorstellen, und vielleicht würden sie den Humor dieser Kleinen als ihre beste und tiefste Weisheit betrachten. Um nun auch ein solches Beispiel anzuführen : Ein berühmter Physiker sagte eines Tages zu Einstein, gerade in bezug auf die Diskussion der beiden Systeme Sx und S2 (oder des Doppelsystems): Ich bin geneigt, an T e l e p a t h i e zu glauben. Einstein, wohl verstehend, antwortete sofort: Dieser Glaube hat mehr mit Physik als mit Psychologie zu tun, was dann auch von dem Kollegen bestätigt wurde. Hierher gehört auch der Einwand Einsteins gegen die Quantentheorie, daß er es sich nicht vorstellen könne, daß Gott W ü r f e l spiele. Insolchem befreienden Lachen reagiert sich das Übermaß an Spannung ab, mit dem die Denkarbeit des Physikers und des Mathematikers belastet ist. Wir müssen nun die ontologische Diskussion fortsetzen, die es mit dem Widerstand des Elektrons dagegen zu tun hatte, sich in trägerlose Energie auflösen zu lassen. Mit anderen Worten, wir stehen nun vor der Frage nach der ontologischen Bedeutung des Ungewißheitsprinzips, der Komplementarität und der Kontroverse der beiden Gruppen von Gelehrten. Wiederum haben wir es dabei mit der allgemeinen Ontologie zu tun. Wir gehen so ähnlich vor wie das erste Mal. Diesmal lautet unsere These: Die Bohr-Gruppe kann ontologisch nur recht haben, wenn die von ihr gelehrte Wahrscheinlichkeit und Zufälligkeit mit ihren statistischen Charakteren mehr ist als ein bloßer Ausdruck unserer Unwissenheit, der Enge und Schwäche unseres Bewußtseins, eine Unmenge von Teilchen analytisch bemeistern zu können, sondern wenn diese Wahrscheinlichkeit und Zufälligkeit in d e n S a c h e n s e l b s t l i e g t und wenn es p r i n z i p i e l l unmöglich ist, das analytische Bild zu ändern, so wie es prinzipiell nicht angeht, ein perpetuum mobile zu konstruieren, was ja auch erst bewiesen werden mußte. Natürlich könnte es sein, daß Wahrscheinlichkeit und Zufälligkeit auch bis zu einem gewissen Grade ein Ausdruck unserer Unwissenheit wären. Besteht doch die Tatsache der Enge unseres Bewußtseins in bezug auf eine Grenze und Schwelle für ein Übermaß der Anzahl von Teilchen zurecht, wozu dann noch einige andere Faktoren hinzukommen. Aber diese rein subjektive Schwäche und Unfähigkeit unseres Bewußtseins könnte die ganz andere Art von Wahrscheinlichkeit und Zufälligkeit überlagern, die in der Sache selbst begründet ist. Die Einstein-Gruppe dagegen kann nur unter der Voraussetzung recht haben, daß Wahrscheinlichkeit und Zufälligkeit in der Tat gar nichts anderes sind, als eine in unserer Unwissenheit verwurzelte unvollständige Beschreibung physikalischer Ereignisse.
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Die allgemeine Ontologie muß zunächst eine Entscheidung zwischen jener Thesis und dieser Antithesis treffen. Sie muß die Frage beantworten, was von i h r e m Standpunkt aus das Wahrscheinlichere ist, um das zum Ausgangspunkt einer fruchtbaren Diskussion dieses Problems auf rein ontologischer Grundlage zu machen. Damit greift sie nicht in die Physik ein, denn es handelt sich hier um zwei Modalkategorien, die der Wahrscheinlichkeit und die der Zufälligkeit, die zu ihrem ureigensten Untersuchungsgebiet gehören. Dazu kommen dann noch einige andere Kategorien wie Freiheit und Kausalität. Es kann von der Physik nicht erwartet werden, daß sie im Verfolg ihrer eigenen Untersuchungen völlige Klarheit in betreff zweier so schwer zugänglicher Modalkategorien schafft, wie es Wahrscheinlichkeit und Zufälligkeit sind. Ohne bewußt oder unbewußt Anleihen bei der Ontologie zu machen, kann die Physik zu gar keinem Gebrauch dieser Kategorien kommen. Hieraus entspringt ja ihre spezielle Ontologie, die der Ergänzung durch die allgemeine bedarf. Wir müssen nun hier auf das verweisen, was wir bereits meontologisch über diese Kategorien ausgemacht haben oder noch auffinden werden. Wir können hier nur das Ergebnis mitteilen, und das ist: Die günstigste Annahme, mit der wir es vorläufig einmal versuchen sollten, ist nach dem gegenwärtigen Stand in allen ontologischen Forschungsgebieten die, daß Wahrscheinlichkeit und Zufälligkeit durchaus nicht ein bloßer Ausdruck unserer Unwissenheit, sondern in der Sache selbst verwurzelt sind. Von der allgemeinen Ontologie aus richtet sich also der Blick zunächst auf die Bohr-Gruppe. Es kann gezeigt werden, daß sie mit großer Wahrscheinlichkeit das gewählt hat, wofür sich auch die allgemeine Ontologie entscheiden würde. Natürlich bezieht sich das nur auf das vorliegende Problem. Es mag sein, daß in anderer Hinsicht die ontologische Bevorzugung der EinsteinGruppe zugute kommen müßte. Diese Entscheidung läßt sich nun durch die Ontologie eines Problems rechtfertigen, das im Mittelpunkt der Physik selbst steht. Es ist das Kausalproblem. Einstein folgt dabei dem klassischen Newtonschen Ideal eines Kausaldeterminismus. Vielleicht schafft das eine Spannung zu seiner zweiten und dritten Theorie, ganz sicher ist das aber der Fall in bezug auf seine Kritik der Quantentheorie. Die allgemeine Ontologie erhebt hier eine Frage, die aufs beste mit dem praktischen Verhalten der Bohr-Gruppe harmoniert. Es ist die Frage, was für eine Art von Determinationsform stellt die Kausalität dar 1 Ist sie ein Spezialfall einer solchen, so wie die Newtonsche Mechanik ein Spezialfall der Relativitätstheorien und der heutigen mikrokosmischen Physiken ist ? Die allgemeine Ontologie muß aufs stärkste betonen, daß es sich beim Kausalproblem gar nicht um das starre Festhalten an dem Newtonschen Ideal handelt, sondern vielmehr um die Erkenntnis der wahren Determinationsformen, unter denen es höhere und niedrigere gibt, die alle unter das Hauptproblem der Total- und Zentraldetermination gestellt sind. Selbst wenn die grobmechanische Kausalität zusammen-
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bricht und dabei doch noch als Spezialfall erhalten bleibt, bricht nicht Anarchie in die Natur und die Naturwissenschaft ein, sondern gerade umgekehrt eine bessere, beweglichere, lebendigere Ordnung, wenn der Sinn aller Kausalität sich im Sinn der Zentral- und Totaldetermination enthüllt und erfüllt. Das scheint Bohr gesehen zu haben, wenn er von der rationalen Verallgemeinerung des Kausalitätsideals selbst spricht. Er sagt dabei in seiner Weise genau dasselbe, was wir vorher in der Sprache der allgemeinen Ontologie auszudrücken versuchten. Er macht diese Aussage angesichts der klaren Voraussetzung, daß es eine Wahrscheinlichkeit und eine Zufälligkeit gibt, die in der Sache selbst verwurzelt sind, so daß eine andere Art von Analyse prinzipiell ausgeschlossen ist. Dabei hat er die o b j e k t i v e Bedeutung des Ungewißheitsprinzips und der Komplementarität vor Augen, mag in anderer Hinsicht unsere Unwissenheit noch so sehr nach statistischen Methoden greifen, die einen a n d e r e n Gebrauch von den beiden Modalkategorien der Wahrscheinlichkeit und Zufälligkeit machen. Was dabei zusammenbricht, ist nur eine einseitige und erstarrte Kausalidee (wie sich dasselbe auch mit anderen Elementen der Newtonschen Mechanik ereignet hat, z. B. mit dem absoluten Raum und der absoluten Zeit); was sich dabei aber aufrichtet, ist eine allgemeinere und umfassendere, reichere und konkretere D e t e r m i n a t i o n s f o r m , eine Annäherung an die Ziele der Totaldetermination und der Zentraldetermination, die für eine neue, bessere, reichere, schönere Ordnung in der Natur sorgen. Zu den letzten meontologischen Aussagen gehört die Einsicht, daß die objektive Zufälligkeit auf etwas hinweist, was im MeontischMeontologischen Notwendigkeit ist. Eine solche Erkenntnis steht in größter Entfernung von der speziellen Ontologie der Physik, die sich nur asymptotisch an sie annähert. Aber sie gibt dem Problem der Zentral- und Totaldetermination seinen eigentlichen Sinn, und sie entfernt den letzten Verdacht, daß die Physik je in einem Chaos und einer Anarchie untergehen könnte. Für das vorliegende Problem besitzt also die Bohr-Gruppe vom ontologischen Standpunkt aus den schärferen Blick für die „seins"konstituierende Bedeutung der subjektiven Seite von Ungewißheit und Komplementarität. Hier wurde auch das Wort von der Untrennbarkeit von Objekt und Subjekt gewagt. Das verträgt sich gut mit unserem zuerst gefundenen Resultat, das es mit den ontologischen Gründen zu tun hatte, aus denen sich das Elektron und die anderen Kleinstteilchen so hartnäckig einer Auflösung in reine und trägerlose Energie widersetzen. Der Dualismus von Partikel und Welle kann unter die Gesetze einer oszillierenden Doppelidee gestellt werden, die wir an anderer Stelle dieses Buches entwickeln werden. Von dem her, was den Namen „Feld" im wahren Sinne verdient und was sich nicht im Bereich der Energie zu frühzeitig konstituieren darf, kann eingesehen werden, was Unsicherheit, Komplementarität, Wahrscheinlichkeit, Zufälligkeit, Willkür, Spontaneität, Freiheit, Undeterminiertheit objektiv in der Sphäre
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
des Mikrokosmischen bedeuten. Das schafft einen neuen Indeterminismus, der gerade der Kausalität der Zentral- und Totaldetermination dient. Er ist indeterminiert nur in bezug auf eine zu frühzeitig verfestigte und erstarrte Kausalität, die ebenso sehr der Relativierung um eines neuen Absoluten willen bedarf wir die Zeit, die Gravitation, die Masse, die Energie usw. Sie setzt die Relativierung der drei makrokosmischen Theorien fort. Auf diesem Gebiet geht die mikrokosmische Physik führend voran, und die makrokosmische erntet Früchte einer reiferen Einsicht in das Wesen der Determination. In diesem Sinne will auch das Wort Heitiers verstanden werden, daß, was unseren Sinnen verschlossen bleibt, unserem Denken und unserem Geist zugänglich ist. Hierbei kommt uns eine weitere Einsicht zu Hilfe, wie sie nur eine ontologische Reflexion zuwege bringen kann: Sofern das wahre Wesen und die wahre Objektivität in Geltung sind, wird nicht die E n t g e g e n s e t z u n g des erkennenden Subjekts gegen das erkannte Objekt kategorial wirksam, sondern die Z u g e h ö r i g k e i t b e i d e r zum neutralen Zwischensein in der Grenze und Berührung des Ontischen und des Ontologischen. Das hat bedeutsame Folgen für den Dualismus von Welle und Partikel. Sofern die Entgegensetzung gilt (und das ist der Fall für alle empirische Erscheinlichkeit), steht der Wellenaspekt in Komplementarität zum Partikelaspekt mit seiner Voraussetzung einer unerschlossenen und unerschließbaren Innerlichkeit von Teilchen. Dabei tritt, wie wir gesehen haben, eine neue Art von Disjunktivität auf, die den logischen Charakter des Begriffs der Komplementarität darstellt. Hierbei ereignet es sich, daß von Erfahrungen, die dem menschlichen Geist nur vom Mikrokosmischen zufließen, die Ontologie durch die konkrete Bewältigung dieses Mikrokosmischen durch die theoretische Physik e i n e n e u e K a t e g o r i e e r w i r b t , die vorher nicht da war und die nun in die Reihe von Kausalität, Substanz, Quantität, Qualität usw. eintritt. So wird die Komplementarität zu einer ontologischen Kategorie im Sinne der besonderen Struktur, die ihr das Ungewißheitsprinzip gibt. Und dadurch erhalten auch die erwähnten Modalkategorien eine neue Interpretation. Aber nicht nur die Entgegensetzung gilt, sondern auch die Zugehörigkeit des erkennenden Subjekts u n d des erkannten Objekts zum Zwischensein des Meontisch-Meontologischen, zum Wesen und zur Objektivität im metaphysischen Sinne, zum dritten Neutralen. Sofern das gilt (im Sinne des erfüllenden Seins), gehen Energie und Welle in das ein, was mit dem Wort „Feld" wirklich gemeint ist, was sich aber im Energiefeld nie voll verwirklichen kann (das ist ein Satz der allgemeinen Ontologie); und insofern kann das Elektron oder irgendein anderes Teilchen der Auflösung nicht länger widerstehen, zwar nicht der in reine trägerlose Energie, wohl aber in Sein und Sinnhaftigkeit in der Bedeutung des großen Gedankens eines Seinsgemeinten, das die totale Anderheit von Sein, Ist, Seiendem und Zeit darstellt. Diese Einsicht steht unter dem höchsten Prinzip der Meontologie, und sie gehört ganz
Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 209 und gar der allgemeinen Ontologie an. Sie erweist sich als äußerst produktiv für die erkenntnistheoretische, ontologisehe und metaphysische Durchdringung des Erscheinungsseienden. Die ontologisehe Bewertung des Makrokosmischen wird zu einem ergänzenden Satz über diese letzte ontologisehe Aussage führen. Sofern sich in der Zugehörigkeit die Bifurkation der Entgegensetzung ereignet, entspringt daraus auch die Komplementarität. Jedoch diese Ursprungsvorstellung bedarf noch der weiteren Analyse, die nur im allerweitesten Rahmen der NaturKultur-Ontologie vorgenommen werden kann. VIII. D i e a l l g e m e i n e F e l d t h e o r i e : Zwei Hauptbegriffe der allgemeinen Relativitätstheorie widerstanden einer letzten und endgültigen Vereinigung: das gravitationale Feld und das elektromagnetische Feld. Indem Einstein dieses letzte Hindernis zu überwinden suchte, wurde aus der allgemeinen Relativitätstheorie die allgemeine und vereinigte Feldtheorie. Viele Physiker halten eine solche für unerreichbar (Williams L. Laurence in der New York Times vom 30. März 1953). Einstein kennt selbst am besten die Schwierigkeiten. Er sagt, daß wir jetzt noch durch eine unübersteigbare Schranke von der Möglichkeit getrennt sind, diese Theorie experimentell zu bestätigen. Aber er betrachtet es als ungerechtfertigt, a priori zu versichern, daß eine solche Theorie unfähig sei, mit dem atomistischen Charakter der Materie fertig zu werden. Er nennt dabei das Atom das „enfant terrible" des Kosmos. Die Partikel-Welle-Kontroverse, die hier in der Frage wiederkehrt, ob der Dualismus zwischen dem Feld und dem Atom zurecht besteht oder ob es möglich ist, das Atom mathematisch und begrifflich zu eliminieren und so zu einer reinen Feldtheorie zu kommen, bezeichnet Laurence als eines der größten Schismen, die in der Wissenschaftsgeschichte aufgetreten sind. Das Feld ist wie ein unendlicher Strom, das quantentheoretische Universum aber ist diskontinuierlich. Die Newtonschen Fernwirkungskräfte werden zu Feldern als Elementargrößen. So vollzieht sich der Übergang zu Einstein. Die Differenz zwischen den gravitationalen und den elektromagnetischen Feldern bleibt bestehen. Die letzteren sind proportional zur Ladung und nicht zur Masse (De Broglie 120—121). Einstein empfindet den Dualismus von materiellem Punkt und Feld als störend. Kinetische Energien und Feldenergien sind prinzipiell verschiedene Dinge. Das Magnetfeld einer bewegten elektrischen Ladung repräsentiert Trägheit. Warum nicht die g a n z e Trägheit? Der störende Dualismus könnte dadurch beseitigt werden, daß der Begriff des Massenpunktes samt den Bewegungsgleichungen des Teilchens aus den Feldgleichungen abgeleitet würden. Die Maxwellschen Gleichungen erlauben nicht, das Gleichgewicht der ein Teilchen konstituierenden Elektrizität abzuleiten (Einstein 36). Deshalb sind sie von einer allgemeinen Feldtheorie noch weit entfernt. Damit kommen wir auf den Begriff der S i n g u l a r i t ä t . Was damit gemeint ist, können wir durch den folgenden Fall verstehen: Wenn eine Kugel auf eine Ebene projiziert wird, dann gibt es e i n e n Punkt (wir 14 Samuel, Ontologie
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
wollen ihn den Nordpol nennen), wo die Projektionslinien die Ebene „nur in der Unendlichkeit" treffen, weil sie parallel mit der Ebene laufen. Dieser Punkt, der Nordpol, ist dann eine Singularität in der Projektionsebene. Nehmen wir an, ein Lichtstrahl gehe auf der gekrümmten Oberfläche der Kugel (Bild eines gekrümmten Raumes) von A nach B über den Nordpol, in einer endlichen Zeit. Dann ist die entsprechende euklidische Interpretation dieses Raumes das, was sich in der Projektionsebene ereignet: Der Lichtstrahl bewegt sich von A nach der Unendlichkeit hin und kommt von der anderen Seite in der unendlichen Ebene nach B zurück. So geht er durch eine unendliche Entfernung in einer endlichen Zeit hindurch (Reichenbach 298). Aus diesem Grund wird die projektive Entsprechung des Nordpols eine Singularität im Felde der Ebene genannt. Wenn das Universum geschlossen ist (endlich-unbegrenzt), dann ist die euklidische Beschreibung des Universums für alle Anhänger einer normalen Kausalität abgetan, und hierin liegt die stärkste Widerlegung Kants. Die Neukantianer haben durch eine Hintertür das wieder eingelassen, was sie zum Hauptausgang hinausgeworfen haben (Reichenbach 298). Wir möchten gleich hierzu bemerken: Diese Kritik Kants ist nur dann berechtigt, wenn der euklidische Raum mit dem bedingenden Raum identifiziert wird. Allerdings haben sowohl Kant als auch die Neukantianer diesen Fehler gemacht. Aber die „Unsichtbarkeit" und die Aufgehobenheit des bedingenden Raumes entzieht diesen der Kritik Reichenbachs, weil er allen euklidischen und nichteuklidischen Räumen apriorischbedingend vorgeordnet ist. Es läßt sich aber nicht verkennen, daß die Ansätze dieser Raumestheorie auch bei Kant vorhanden sind. So wie nun der Nordpol der Kugel eine Singularität im projektiven Felde darstellt, so ist es auch das Atom in der allgemeinen Feldtheorie. Einstein stellt die Frage: Wenn am Ort der materiellen Punkte Singularitäten zugelassen werden, was für eine Berechtigung besteht dann, das Auftreten von Singularitäten im übrigen Raum zu verbieten? (80.) Die Freiheit von Singularitäten bedeutet, daß es keine Lagen oder Teile im Räume gibt, wo die Feldgesetze nicht gültig wären (Einstein 675). Das Ideal wäre: eine allgemeine Theorie, gegründet auf partielle Differentialgleichungen und Lösungen derselben, die frei von Singularitäten sind (Lenzen 378). Zur ontologischen Würdigung der allgemeinen Feldtheorie haben wir zu sagen, daß vom Standpunkt der allgemeinen Ontologie aus der Feldbegriff das Größte ist, das ein Physiker zu konzipieren vermag, sofern dieser Maßstab der Bewertung in Betracht kommt: Hinweis auf das ontologisch Zentrale und die begrifflich-kategoriale Nähe zu ihm. Die in das Natur-Kultur-Ganze hineingestellte Feldidee wird zum Grenzsein zwischen dem Ontischen und dem Ontologischen, zu dem, was mit „Feld" im Sinne des Erfüllenden gemeint ist. Das ist natürlich kein Physisch-Physikalisches mehr, aber es wird unter bestimmten Bedingungen dazu. So begreift die Erkenntnistheorie, die Ontologie und
Zur Ontotogie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 211 die Metaphysik die Größe des Einsteinschen Denkens und die Hartnäckigkeit, mit der er am reinen Feldbegriff festhält. Im Feld wird das eigentlich Inhaltliche, Sinngebende, Seinskonstituierende zum Determinierenden und Dominierenden. Im Feld offenbart sich das Pleroma. Im Feld enthüllt sich das ganz Andere und ewig Neue, Unerschöpfliche, das mit dem Wörtchen „Sein" eigentlich gemeint ist. Das Feld ist die Zentralität. Das Feld belichtet das Urmysterium der Wirklichkeit. Aber die allgemeine Ontologie versteht auch sehr gut, weshalb so viele Physiker die allgemeine Feldtheorie mathematisch und physikalisch für unerreichbar halten, weil sich das Feld nie in der vom wahren Feld bedingten Physik und Mathematik entwickeln kann, weil dieser Monismus ein Kurzschluß wäre, weil gerade der Dualismus (Welle-Partikel, Feld-Atom), der an dessen Stelle tritt, auf den wahren Monismus hinweist, der nur im Zentrum, d. h. in der Zentraldetermination des Natur-Kultur-Ganzen erscheint, dessen schwach-starkes Symbol der Bindestrich in dem Urwort ist: das Meontisch-Meontologische. Deshalb werden Singularitäten am Ort der materiellen Punkte zugelassen, und sie werden verboten an anderen Orten, weil dort der reine Wellenaspekt durchführbar ist. Im wahren Feld wird die „Zugehörigkeit", nicht die „Entgegensetzung" bestimmend. Im physikalischen Feld gilt das Umgekehrte. Aber andererseits: Wenn Einstein es für möglich hält, daß die reine Feldtheorie mit dem atomistischen Charakter der Materie, mit dem „enfant terrible" des Kosmos, dem Atom, fertig werden könnte und die damit verbundenen mathematischen Schwierigkeiten überwunden werden könnten, so kann die allgemeine Ontologie niemals antworten: Nein, das wird für alle Zeit unmöglich sein. Das wäre eine Überschreitung ihrer Kompetenz. Ganz im Gegenteil, sie kann positiv versichern und einsehen, daß solches Ziel wirklich erreicht werden könne. Bricht aber dann nicht das zusammen, was sie in anderer Hinsicht auf die Seite der Bohr-Gruppe geführt hat, nämlich der ontologische Grund für eines der größten „Schismen" der Wissenschaftsgeschichte, daß Einstein das Feld an den unrechten erkenntnistheoretisch-ontologisch-metaphysischen Ort verlegt und daß das ein zu früher Griff nach der Zentralität ist ? Durchaus nicht! Das können wir uns auf die folgende Weise klarmachen: Zwischen die Mathematik und die philosophische Reflexion tritt die Logistik vermittelnd ein, in der das Problem der Logik seine kritische Klimax erfährt. Sie ist durch Boole, Peano, Frege, Whitehead, Russell und andere entwickelt worden. Wir sahen, daß es möglicherweise auch zu einer meontologischen Logistik kommen könnte. Die Symbole der Logistik sind ein neuer Ansatz, der mit einer Einfachheit beginnt, die sich auf der Komplexität der letzten mathematischen Gebilde aufbaut (z. B. auf der Komplexität der Tensoren). Das gilt auch von den meontologisch-logistischen Symbolen y, z, y', z'. Ihre Analyse müßte die Komplexität jenseits des Mathematischen zeigen, die schon aus ihrer Definition erhellt. Die logistischen Symbole haben alle eine Rückbeziehung 14*
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zum Mathematischen und eine Vorausbeziehung zu letzten ontologischen Prinzipien. Deshalb wäre es möglich, durch einen logistischen Kalkül einen Feldbegriff zu beschreiben, der die Einsteinschen Hoffnungen, frei von Singularitäten zu sein, erfüllt. Nur wäre das nicht durch den Tensoren-Kalkul erreichbar, der nur erst mit dem Dualismus von gravitationalen und elektromagnetischen Feldern fertig werden kann. Das ist aber nicht mehr als eine V e r m u t u n g der allgemeinen Ontologie. Jedoch sind die ontologischen Gründe dafür, daß das Problem des Atoms und ähnlicher Gebilde nicht mehr durch reine Mathematik, sondern durch eine höhere Vereinigung von Mathematik und Logik in der Logistik lösbar sein wird, sehr stark. Dann könnte das Einsteinsche Ideal sich doch erfüllen, wenn auch etwas anders, als er es sich vorstellte. Aber ob das auf diese oder auf andere Weise kommen wird, jedenfalls gehört es zu den Einsichten der allgemeinen Ontologie, daß eine solche Möglichkeit wirklich besteht und in keiner Weise eine Unmöglichkeit ist. Schon das Ungewißheitsprinzip und die Komplementarität haben ein starkes logistisches Moment in sich, was sich in den kulturphilosophischen Anwendungen der Forscher selbst offenbart. Es wirkt für die Konstituierung einer neuen logischen Kategorialität, die nicht auftreten konnte, solange die Besonderheiten der mikrokosmischen Welt, durch die sich diese von der gewöhnlichen Welt unterscheidet, verborgen waren. Die Idee einer Logistik der Zukunft steht nicht so sehr im Dienst der Entgegensetzung von Objekt und Subjekt mit ihrer Komplementarität des Ontischen und des Ontologischen, der Materialität und der Formalität usw., als vielmehr im Dienst der Zugehörigkeit beider zur Zentralität, die die Materie zu einem singularitätsfreien Feld macht, indem sie das Subjekt zugleich zu dem wandelt, was mit einer ,,Seinsart" eigentlich gemeint wird, so daß z. B. dadurch auch die „seins"-konstituierende Kraft von „Gedanken" offenbar wird, weil Gedanken eben auch zum Seinsgemeinten gehören. IX. Die n e u e K o s m o l o g i e : Die moderne theoretische Physik führte zu kosmologischen Überlegungen von hochspekulativem Charakter. Einsteins Kosmologie war auf das Ziel gerichtet, dem Universum seine Stabilität zu sichern. Dieses Ziel aber wurde nicht erreicht. So ergab sich die Vorstellung eine Universums, das sieh nicht in einem Raum ausbreitet, sondern dessen Raum selbst immer mehr zurückweicht. Die Rotverschiebung im Spektrum von Nebelflecken spielte bei dieser Hypothese eine Rolle. In etwa 2000 Millionen Jahren sollte das Universum seinen Radius verdoppeln (Robertson 331). Hubble untersuchte das Zurückweichen entfernter nebulae. Von der Struktur des Universums kann natürlich nur ein äußerst idealisiertes Bild gegeben werden (Infeld 478). Es traten mehrere solcher Bilder auf. So ist das De Sittersche Universum eine vierdimensionale Kugel eingebettet in einen fünfdimensionalen Raum. Aber dabei stellte sich die überraschende Folge ein, daß dieses Universum leer wäre! (Selbst dieser Fall könnte meontologisch noch im
Zur Ontologie der makrokosmischen und mikrokosmischen Physik von heute 213 Sinne einer akosmistischen Natur der meontologischen Materie gedeutet •werden, aber der Physiker wird, wenn möglich, solche Extreme vermeiden.) Am anderen Ende befindet sich die Idee eines Universums, das ganz mit Materie angefüllt ist, und zwischen diesen beiden Extremen gibt es viele andere Möglichkeiten, und diese zerstören die Hoffnung auf eine Bestätigung durch die Erfahrung. Das Universum ist entweder offen oder geschlossen. Ein offenes Universum ist langweilig (dull). Das geschlossene Universum kann entweder kugelförmig mit Spiegelereignissen sein oder elliptisch (Infeld 488ff.). Das zurückkehrende Licht könnte als ein Gegenstern in der entgegengesetzten Richtung des Sternes selbst beobachtet werden (Robertson 324). Welches ist aber der Ursprung der „Nebel", aus denen das Universum entstanden ist ? Wir müssen wohl hier ein Supergas annehmen. Wie aber konnte dieses sich in diskrete Teilchen zerspalten ? Hier hilft uns eine Hypothese, die von der Schau der gegenwärtigen und zukünftigen Zustände auf vermutliche Anfänge zurückgeht. Alle wirklich existierenden Elemente sind das Resultat einer Zersetzung schwererer Elemente. Das führt uns auf den Ursprung des ganzen Universums aus einem einzigen Atom, das wohl ein Isotop des Neutrons gewesen ist. Es besaß ein Atomgewicht, das gleich der totalen Masse des heutigen Universums ist. Bei diesem Uratom hat es keinen Sinn, von Raum und Zeit zu sprechen. Diese sind statistische Begriffe, die erst bei der Ansammlung einer großen Zahl von individuellen Elementen anwendbar werden. Mit dem Wachsen des Uratoms bekamen Raum und Zeit nach und nach einen bestimmten Sinn. Der Raum begann kugelförmig mit schmalem Radius, der sich dann schnell vergrößerte (Lemaitre 449). Der kosmischen Konstante A, zu deren Einführung sich Einstein wider Willen gezwungen sah, entspricht nach Lemaitre die kosmische Dichtigkeit p0. Wenn das Universum mit zwei Neutronen anfing, dann hat das Wörtchen „Vorher" seinen Sinn verloren. Raum und Zeit entstehen erst hier. Jede physikalische Kosmologie endet mit einem ungelösten Problem. Sie stößt auf die Transzendenz (Wenzl 596). Diesem Ausspruch stimmen wir von Herzen zu. Das eigentliche Problem ist nur zurückgeschoben, und das hat denselben ontologischen Grund, aus dem das Problem des Teilchens überhaupt zurückgeschoben war, so daß wir über die Erkenntnis von Leukipp und Demokrit im wesentlichen nicht hinausgekommen sind. Beide Fälle stoßen auf die Transzendenz. Der Ursprung unseres Universums aus einem Uratom ist nur ein Als-Ob. Er könnte vielleicht gelten, wenn keine anderen Faktoren in Frage stünden, als die in Betracht gezogenen. Er hat die Voraussetzung eines Evolutionsbegriffes, der naiv bleibt in bezug auf den darin enthaltenen Zeitfaktor. Daß es für das Uratom kein Vorher und kein Wo gibt, gilt nur in Hinsicht des bedingten Raumes und der bedingten Zeit. Es ist jedoch von dem bedingenden Raum und von der bedingenden Zeit genau so bedingt wie das ausgebreitete Universum (wie auch von der bedingenden Raumzeitlichkeit). Denn diese stehen im
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Allbedingenden. Auf diese Weise kann das Raum-Zeit-Problem nicht gelöst werden. Die Frage nach der Setzungsmöglichkeit des Uratoms bleibt unbeantwortet. Es muß da noch etwas Anderes geben, was der „Bifurkation" vorhergeht. Die Vorstellung des sich erweiternden Raumes des Universums wird durch eine unerkannte Geheimvöraussetzung fehlerhaft, die ontologisch aufgedeckt werden kann, nämlich: d e r R a u m e r w e i t e r t s i c h i n d e r Z e i t . Darin steckt der Fehler. Die Raumerweiterung ist ein Zeitprozeß. Was hier nicht in Betracht gezogen ist, ist das Prozeßlose im Meontisch-Meontologischen, das doch nicht wie die Prozeßlosigkeit des Ontisch-Ontologischen ist und das wir meontologisch-logistisch mit y bezeichneten, sowie die meontischmeontologische Anderheit des Prozeßhaften, für das wir das logistische Symbol z wählten. An der Nichtberücksichtigung dieser Momente bricht die Vorstellung „Raumerweiterung des Universums in der Zeit" zusammen. Etwas Anderes tritt an ihre Stelle, das nicht mehr den Einwänden gegen die physikalische Kosmologie ausgesetzt ist und daraus hervorgeht, daß diese, ganz allgemein gesprochen, den kosmologischen Gedanken nicht zu Ende denken kann. Was dieses Andere ist, kann nur im Verfolg der Meontologie gezeigt werden, und zum Teil haben wir das schon getan. Auch die physikalische Kosmologie, und gerade sie, muß in das Natur-Kultur-Ganze hineingestellt werden, und erst nach der Erwägung aller philosophischen, ethischen, ästhetischen, soziologischen und religiösen Momente kann versucht werden, ein relativ letztes Wort über die Kosmologie zu sagen. Das Uratom und der zurückweichende Raum setzen die E n t g e g e n s e t z u n g von erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt mit der Asymmetrie der Beziehungen zwischen den ontologisch begreifenden Formen des Subjekts und den bedingenden Materialitäten und ontischen Isthaftigkeiten des erkannten Objekts voraus. Das alles aber bleibt in der physikalischen Kosmologie eine verdeckte Geheimvoraussetzung, die die Gebilde der Vorstellungen des Uratoms und des zurückweichenden Raumes als solche der s p e z i e l l e n Ontologie der Physik hervorbringt. Sofern dagegen nicht die Entgegensetzung von Objekt und Subjekt, sondern die Z u g e h ö r i g k e i t beider zur Zentralität des Wesens und der Objektivität gilt, kommt der Sinn solcher logistischen Symbole wie y, z, y -f- z , yz, y = z usw. zur Geltung, und die Seinsrevolution, in deren Wirbel das Objekt und das Subjekt hineingerissen werden, stellt nun auch zentralistisch und totaldeterministisch die Gegenstände der speziellen Ontologie der Physik in ihren Dienst. Das wahre Sein wird geahnt, das nicht mehr bedingt von dem Sein-sagen und dem Sein-denken ist, von dem die spezielle Ontologie der Physik noch nicht frei geworden ist. Das Sein, Leben und Weben im Peripherischen ist nicht vergeblich, denn es ist eine unausgesetzt fortgehende Angleichung an die Zentralität. Natürlich gebrauchen wir dieses Bild der Selbstbereicherung des Alls im Bewußtsein des Fehlers, den wir machen, da wir vorläufig noch nicht wissen, wie wir die hier verwandte Zeitlichkeit ersetzen sollen. Dieses Bewußt-
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sein und seine allmähliche Wendung in wahres Wissen gehört aber selbst mit zu dieser Angleichung. Auf diese Weise, nicht durch bloßes Denken, kommt es dann auch zu der Lösung des großen Zukunftsproblems, der uralten Frage nach dem Ganzen und seinen Teilen. Mikrokosmik und Makrokosmik liefern unzählige Beiträge hierzu, die alle noch nicht endgültig sind. Aber sie sind auf dem Wege zur Vollkommenheit. Und so kommen dann auch die logistischen Symbole dieses Problems, y', z', y'z', y' + z ' , y' = z ' usw. zu ihrer Verwendung in der Beschreibung der Endstruktur dieses Problems. Eine weitere Aufgabe ist es dann, diese kulturphilosophisch allseitig zu verstehen. 27. Das Leben Das Leben ist ein Mittleres zwischen dem Physischen und dem Psychischen. Es ist mehr als die Materie und die Energie und weniger als Bewußtsein und Geist. Zweimal tritt hierbei ein hiatus irrationalis auf. Deshalb wäre es ein Irrtum, eine vitalistische Lebenskraft anzunehmen, die in der Reihe der anderen Kräfte stehen würde wie Licht, Wärme, Elektrizität. Dabei würde ein hiatus irrationalis unberücksichtigt bleiben. Das Leben ist keine Kraft unter Kräften. Es ist keine Energie, aber es benutzt Energien, ohne ihre physikalische Struktur zu ändern. Es modifiziert nicht die physikalischen Gesetze, weder der Energien noch der Materien. Es setzt sie voraus und wird von ihnen bedingt. Sofern es sich allerdings nicht nur um die bedingende Ermöglichung des Lebens als eines Erscheinungsseienden handelt, sondern auch um die bedingende Ermöglichung der Erfahrbarkeit solcher Inhalte und Gegenstände, tritt eine Umkehrung des Bedingens ein. Dabei handelt es sich aber nicht mehr um Physik, sondern um Erkenntnistheorie. Physikalisch bleibt das Leben das Bedingte, und Materie und Energie sind die Bedingenden. Die Ontologie hat es aber dann mit n o c h g a n z a n d e r e n Verhältnissen zu tun als die Physik, die Biologie und die Erkenntnistheorie. Diese anderen Verhältnisse stehen unter dem neuen Gesetz: daß die Bedingungen der Ermöglichung der Inhalte und Gegenstände der Erfahrung zugleich die Bedingungen der Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt sind. Um diesen Vereinigungspunkt erreichen zu können, müssen die Prinzipien des Seins nichtshaftpleromatisch werden, und das ist eine Notwendigkeit der autonomen philosophischen Ontologie. Vom einseitigen biologischen Mechanismus gilt dasselbe wie vom Vitalismus. Was der Energie recht ist, ist der Materie billig. Das Leben kann nicht materialistisch-mechanisch erklärt werden. Auch das übersieht einen hiatus irrationalis. In das Leben sind viele Mechanismen eingebaut (wie auch viele Energismen), und das täuscht Erklärungsmöglichkeiten vor. Diese bleiben aber alle unvollständig und setzen Teile ein für das Ganze, weil eben das Leben seinem Wesen nach weder energistisch noch mechanistisch ist. Das Leben stellt ein Novum dar,
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und es verlangt arteigene Erkenntnis- und Erklärungsmittel, die gegenüber von Mechanismus und Energismus eine eigene Klasse darstellen. Die Wirklichkeit ist reich genug, um dem Menschen solche Begriffsbildungen zu erlauben, aber unsere Begriffe sind immer zu arm, um den unbegreiflichen Reichtum der Wirklichkeit zu fassen. Der erste Ansatz des Lebensverständnisses ist das Anliegen eines sauberen Klassifizierens und eines gesunden Denkens in echten Gattungen. Das Leben ist gegenüber der Materie und Energie, wie auch gegenüber dem Psychischen und dem Geistigen eine echte Gattung. Gattungsgrenzen dürfen nicht ineinander laufen. Das führt zur Verwirrung. Allerdings sind Gattungen auch aufeinander bezogen, aber die Erkenntnis ihrer Zusammenhänge setzt die klar eingehaltenen Grenzen voraus, und diese doppelte Aufgabe wird durch die Wesensschau der Gattungen vollbracht. Deshalb könnte das Kausalprinzip auch nur dann biologisch werden, wenn es sich rechtfertigen ließe, daß die mechanistische und die energistische Kausalität nicht identisch mit Kausalität überhaupt ist, daß es also eine arteigene biologische Kausalität gibt. Ähnlich steht es mit der Finalität. Sie scheint besser geeignet zu sein, in die wahre Struktur des Lebens hineinzuleuchten. Wie es damit steht, werden wir später sehen. Es gibt auch einen soziologischen Begriff des Lebens, so wie er etwa in dem Seufzer zum Ausdruck kommt: „Ja, so ist das Leben!" Wir haben es hier nur mit dem biologischen Begriff zu tun. Das Leben baut sich auf sehr komplizierte und labile chemische Verbindungen auf, wie Eiweißstoffe, Fette und Kohlehydrate. Dabei besteht das schon erwähnte Verhältnis zwischen dem Unteren und dem Oberen. In der seienden Erscheinungswelt ist das Untere das Stärkere und das Obere das Schwächere, was aber seine Neuheit, Autonomie und Freiheit gegenüber dem Unteren nicht hindert. Jedoch in der Ideologie des Ansichseins, die die seiende Erscheinungswelt transzendiert, erfolgt eine Umkehrung dieses Verhältnisses. Da wird das Obere das Stärkere und das Untere das Schwächere. Diese Umkehrung verbleibt für lange Zeit ein verborgenes Geheimnis für die Erkenntnis. Die Ontologie jedoch deckt sie auf. Dann kann auch dem Skeptizismus und dem Agnostizismus wirksam begegnet werden, und es stellt sich eine t o t a l i s t i s c h e S c h a u des Lebensproblems ein. Das Leben vermehrt sich selbst, erneuert sich nach seinem Bilde und heilt seine eigenen Wunden. Es assimiliert fremde Stoffe und gleicht sie sich durch Intussuszeption an. Es wählt die für es wandlungsfähigen Stoffe aus, die eine Prädisposition für die Angleichung zeigen. Die allerdings täuschbaren Sinne des Geruchs und des Geschmacks sind mit Empfindungen des Angenehmen verbunden, die eine in dieser Richtung liegende biologische Funktion ausüben. Wir können verstehen, wie die Alten durch die Beobachtung des Lebens zu ihren Formsubstanzen kamen. Form ist beim Lebewesen etwas ganz Anderes als beim Unlebendigen. Es ißt „geprägte Form, die
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lebend eich entwickelt", wie Goethe sagte. Die Form des Lebewesens heißt auch Gestalt, und von diesem Ausdruck macht die Gestaltpsychologie Gebrauch, allerdings für die andere Gattung des Psychischen. Diese erhält sich im Werden der Prozesse. Wie die Substanzkategorie auf die Energie anwendbar wurde, wie die Kraft dadurch zur Energie wurde, so wird die Form zur Gestalt. Natürlich spielt die Form der Form, die Raumzeitlichkeit, dabei eine bedeutende Rolle, aber nur in engster Verbindung mit der bedingenden Materialität, Inhaltlichkeit, Existentialität und Setzungssenkrechten. Diese Durchdringung von Form und Inhalt unterscheidet die Gestalt von der Form. Dennoch sprechen wir heute nicht mehr von Formsubstanzen. Deshalb sind Begriffe wie Vitalseele, Entelechie, spiritus rector, nisus formativus nicht das Arteigene, das die Biologie braucht. Und weil das Leben ein Mittleres ist, kann es erst recht nicht die höchsten Probleme der Ontotogie und der Metaphysik zur Entscheidung bringen, wie das der metaphysische Evolutionismus und Biologismus, auch eines Bergson, versucht. Das Lebewesen ist nach Nicolai Hartmann das in seinen inneren Funktionen zugleich außer sich seiende Wesen. Das Verhältnis des Ganzen zu den Teilen ist bei ihm ganz anders als beim mechanisch Seienden. Es ist kein Aggregat. Der wesentliche Teil wird zum Organ. Jedes Organ ist auf das andere bezogen und zugleich auf das Ganze. Sie sind miteinander und füreinander da. Sie dienen einander. Sie sind aufeinander abgestimmt. Sie haben einen Zweck. Wird ein unbekanntes Organ entdeckt, so kann sofort nach seiner Funktion und seinem Zweck gefragt werden. Dieses heuristische Prinzip hat einen ontologischen Ursprung. Selbst zwecklose Organe hatten früher einmal einen Zweck. Die Zweckmäßigkeit des Organismus ist eine innere, nicht eine äußere. Jedoch gegenüber der bewußten Zwecktätigkeit des menschlichen Wollens trägt die Zweckmäßigkeit des Organismus etwas von einem fiktiven AisOb- Charakter an sich, der jedoch ein nichtfiktives Element in sich birgt. Die teleologische E r k e n n t n i s der Biologie erfaßt nicht ganz das von ihr gemeinte Objekt. Ihr Als-Ob ist eine Vermenschlichung. Andererseits gehört das darin enthaltene Nichtfiktive zu dem, was auch die bewußte Zwecktätigkeit des menschlichen Wollens bedingt und über sie hinaus liegt. Die Biologie macht in ihrer Zweckbetrachtung von einem Anthropologismus Gebrauch und bringt zugleich ein diesen Anthropologismus Bedingendes und Ermöglichendes auf den Plan. Und hierin waltet ihre Arteigenheit. Die neue Struktur des Organismus im Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen liegt auf einem Wege, der das allgemeine Problem vom Ganzen und seinen Teilen vor seine wichtigsten Entscheidungen bringt. Die Finalität verhält sich zu einem unbekannten determinierenden X ähnlich, wie sich die Kausalität zur Finalität verhält. Das Problem der biologischen Zweckmäßigkeit zwingt zu diesem neuen Ansatz eines determinativen X, das zur Totaldetermination gehört. Aus dem, was über dem zweckbewußten Wollen liegt, senkt sich dieses X herab
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gerade in das, was sich unter ihm befindet, in die Zweckmäßigkeit des Organischen, und ist dann darin das Nichtfiktive im Als-Ob der biologischen Teleologie. Wir sahen bereits, daß das Mechanische und das Organische als Gattungen und Schichten, als Erkenntnisse und Gegenstände einer Umkehrung der Bedingungsordnung unterworfen waren, sofern der Übergang von der Erscheinung zum Ansich stattfand. Dabei wurde ein Nullpunkt des Übergangs durchschritten, der auf das dritte Neutrale des konkreten Nichts des Meontisch-Meontologischen hindeutet, von dem her die bedingende Ermöglichung der Erfahrbarkeit zugleich die bedingende Ermöglichung ihrer Inhalte und Gegenstände ist. Gerade die konkrete Null- und Nichtshaftigkeit des pleromatisch Neutralen erlaubt das Zusammen einer solchen Doppelfunktion. Und das, was dabei das bedingende X in der Gegenständlichkeit ist, ist zugleich das Totaldeterminierende, welches identisch ist mit dem Nichtfiktiven im Als-Ob der biologischen Zweckbetrachtung und welches zur Möglichkeitsbedingung der bewußten menschlichen Zwecktätigkeit gehört. Deshalb kann letztere nie ein selbstgenugsames Gleichnis für die biologische Zweckmäßigkeit sein, weil diese in ihrer tiefsten Transzendenz selbst etwas enthält, was bedingende Ermöglichung des menschlichen Wollens in seinem zielstrebigen Verhalten ist. Deshalb entzündet sich an dieser Wesensschau der biologischen Zweckmäßigkeit die Erkenntnis des meontologischen Prinzips der autonomen Ontologie, weil j e n e an u n d f ü r sich e t w a s M e o n t o l o g i s c h e s i n s i c h b i r g t . Nicht aber wird das Meontologische als ein der Biologie Fremdes an sie herangetragen (etwa aus der Theologie oder aus der freien Spekulation), und dasselbe gilt von allen anderen Erkenntnisquellen der autonomen Philosophie und Ontologie für das meontologische Grundprinzip. Weder der freien Spekulation noch der Theologie wird auch nur der geringste Einfluß auf die Gewinnung dieser Prinzipien verstattet. Auf der ganzen Linie handelt es sich um den Bezug auf die Möglichkeit der Erfahrung, ihrer Inhalte und ihrer Gegenstände. Das Problem einer meontologischen Theologie liegt auf einer ganz anderen Ebene. Aber es gehört mit in eine Kulturphilosophie hinein, denn die Theologie ist eben auch eine Kulturerscheinung. Das Lebewesen ist einem Reifeprozeß unterworfen. Es wird geboren, hat seine Jugend, wächst auf, ist auf der Höhe seiner Kraft. Und dann geht es bergab, es altert und stirbt. Nach den aufbauenden kommen die abbauenden Prozesse. Die Krankheit gehört zum Wesen des Lebens selbst. Die Stunde der Geburt trägt bereits den Todeskeim in sich. Das Leben ist ein fortwährend abgewehrter Tod, und darauf beruht sein labiles Gleichgewicht. Alles Leben ist im Tode geboren. Im Gegensatz zu dem Somatischen, das kommt und geht, besitzt das Keimplasma eine relative Unsterblichkeit. Die einzelligen Lebewesen sind ein gutes Beispiel. Bei den höheren Lebewesen setzt sich der Diskontinuität des Somatischen die Kontinuität der Zeugungen entgegen. Da scheint das Somatische nur ein Anhängsel des Zeugungsprozesses zu sein, das immer wieder abgeworfen wird. Aber darauf läßt sich keine biologische Philo-
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sophie aufbauen, die der Zeugung Superiorität zuschreibt. Das ginge nur, wenn das Leben die oberste Kategorie wäre. Der Zeugungsdrang der Natur hat etwas von der natura naturans an sieh, und er zeigt dabei eine rücksichtslose Gleichgültigkeit gegen das Somatische, das er ohne weiteres aufopfert. Davon daß das Somatische der Träger höherer Gattungen ist, des Psychischen und Geistigen, weiß die zeugende Natur nichts. Und im Namen der Ganzheit sind diese höheren Gattungen in einen Kampf mit ihr verwickelt. Da gibt es Siege und Niederlagen. Und oft siegt das Somatische im Unterliegen. Ohne diese einschränkenden Mächte würde die Vitalsphäre zu ungebundener Wildheit anwachsen. Ihre Zurückdrängung bewirkt die Steigerung des Lebens über sich selbst hinaus. Auch darin besteht ein Unterschied zwischen dem Mechanischen und dem Organischen, daß dieses einen „Zeitspeicher" anlegt. Es sammelt Vergangenes an, es macht Durchschnitte durch die Zeit und wirft sich mit einem élan vital in die Zukunft hinein. Dabei zeigt das Leben einen seltsamen Experimentiercharakter. Es ist, als ob es ein Ingenieur versuchte, immer wieder den Weg zur besten Lebensorganisation zu finden. Manches gelingt, anderes nicht. Ein grimmiger Humor scheint am Werk zu sein. Oft entspringen Gestalten, deren groteskes Gepräge unüberbietbar ist. Im Menschen scheint eine vorläufige Lösung des Lebensproblems erreicht zu sein, aber dann sieht es auch so aus, als ob auch das nur ein Ansatz zu einem Weitergang oder gar zu einem Neuanfang sei. Auch hier dürfen wir fragen: Was ist das Nichtfiktive in diesem Als-Ob 1 Hierauf vermag das Leben keine Antwort zu geben. Höhere Gattungen und Kategorien werden gefordert. Sie sehen zunächst auf das Psychische und das Geistige hinaus und erhoffen, von daher vielleicht eine Antwort zu erhalten. Welche Rolle spielt dabei die Unterscheidung von Erscheinung und Ansich ? Das Leben ist w u c h t i g und v e r s c h w e n d e r i s c h . Es weist eine maximale Realitätshärte auf. Was sich nicht durchsetzen kann, muß zugrunde gehen. Was dem Fallen nahe ist, wird auch noch gestoßen. Alles aufgekeimte Leben ist ein Auserwähltes. Die Lebenschance eines Keimes ist äußerst gering. Zähne und Klauen kämpfen gegen Schnelligkeit, Verkrustung und Schutzfärbung. List richtet sich gegen Gewalt. Dabei treten ökonomische Kontrollgesetze auf. Die Vermehrung von Beutetieren läßt die Zahl der Raubtiere anwachsen. Diese führt zur Verminderung jener, was die Zahl dieser abnehmen läßt. So stellt sich ein Gleichgewicht her, das an die Konstanz der Umweltbedingungen gebunden bleibt. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß all diese Schilderungen mit Anthropomorphismen arbeiten. Wir können diese Gleichnisse nicht entbehren, wissen aber, daß es nicht erlaubt ist, der zeugenden Natur und der Vitalsphäre menschliche Empfindungen zu unterlegen. Etwas absolut Menschenfremdes und Menschen-Anderes tritt uns hier entgegen. Gerade die Anthropomorphismen lehren uns das und führen uns auf die rechte Problematik, dadurch, daß sie die Kritik herausfordern. Es tritt
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etwas auf, was uns gerade in bezug auf das Menschlich-Allzumenschlich© unserer Deutung umlernen läßt und was das anthropologische Bild des Menschen gründlich verändert. Mit einer absoluten Fremdheit werden wir allmählich vertraut, wenn wir auch hier nach dem Nichtfiktiven im Als-Ob dieser Deutungen fragen, das von der Totaldetermination her zum Ereigni s wird. Wir messen dann nicht mehr die Natur nach dem Menschen, sondern Mensch und Natur nach einem nichtshaft Fremden und Anderen, in dem das Rätsel der Wirklichkeit beschlossen liegt, weil in jenem ihre Möglichkeitsbedingungen verankert sind. Same und Ei sind Potentialitäten gegenüber dem ausgebildeten Lebewesen. Gerade weil das Präformationssystem nicht gilt, gerade weil in der Eichel die verkleinerten Organe der Eiche nicht entdeckt werden können, herrscht hier die echte Kategorialität von Potentialität und Aktualität. Ihre Bedeutung drückt sich gut in den beiden Sätzen aus: omne vivum ex ovo und: omne vivum ex vivo. Dem steht entgegen das Problem der Urzeugung, der generatio aequivoca. In der geologischen Jugendzeit der Erde könnten Verhältnisse geherrscht haben, die einen revolutionären Übergang vom Unbelebten zum Belebten zuwege gebracht haben. Das ist keine reale Unmöglichkeit. Die beiden obigen Sätze drückten dann die Gesetzlichkeit aus, die unter den „abgekühlten" Erdbedingungen gilt. Aber wie dem auch sein mag: Selbst wenn einst eine Urzeugung stattgefunden hat, war das ein Sprung der Natur in ein total Anderes, und da erhebt sich die Frage, ob dieses Andere nicht schon vorher da war, ohne Verbindung mit der Gattung „Unbelebtes" zu besitzen, so daß die Urzeugung nur diese Verbundenheit zuwege gebracht hat. So dürfen wir aber nur fragen, und dieser Frage dürfen wir nur dann näher treten, wenn sie etwas mit der bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt, ihrer Inhalte und Gegenstände, zu tun hat, weil wir sonst den Boden der Erfahrung verlassen und uns in freier Spekulation bewegen würden, was der autonomen philosophischen Meontologie verboten ist. Klar ist auch, daß die reine Biologie auf diese Frage keine Antwort mehr geben kann, denn sie hat es in keiner Weise mit d i e s e m Bezüge auf die Möglichkeit von Erfahrung überhaupt zu tun. Es ist wohl wert, an dieser Stelle auf die Lehre Kants von der organischen Zweckmäßigkeit einzugehen, wie er sie in der Kritik der teleologischen Urteilskraft entwickelt hat. E r hat ihren Als-Ob-Charakter erkannt. Die Teleologie stellt nur Regeln für die reflektierende, nicht für die bestimmende Urteilskraft auf. Sie ist ein Epiphänomen der letzteren. Sie ist kein konstitutives, sondern nur ein regulatives Prinzip. Sie verwendet vier Begriffspaare. Sie wird von der Amphibolie bedroht, das Ding an sich mit der Erscheinung zu verwechseln. Das abstrakte Absehen von Raum und Zeit gibt der Reflexion nur scheinbar eine noumenale Wendung. Sogar Leibniz verfiel dieser Täuschung. Es sieht so aus, als ob bei der organischen Zweckmäßigkeit ein Ziel gesetzt, die Mittel gewählt und diese durch einen Willen verwirklicht würden. Das ist aber nur ein Als-Ob. Wäre an Stelle dieses Als-Ob etwas total Nicht-
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fiktives vorhanden, dann würde die bestimmende Urteilskraft das Wort ergriffen haben. Aber auch das Andere gilt (wie wir schon gesehen haben): Wäre in diesem Als-Ob nicht wenigstens ein nichtfiktives Element, dann wäre seine Interpretation unmöglich, und es wäre dann besser, von dem Gebrauch dieses methodischen Mittels ganz Abstand zu nehmen. In jenem Fall wäre ein „Newton des Grashalms" möglich. Aber dieser Fall gilt nicht. Es ist nur ein nichtfiktives Element vorhanden. Wir erkannten schon seine Bedeutung. Es ist ein Ausfluß der Totaldetermination, die die Teleologie des Organischen und des Willens z u g l e i c h bedingt. Diese gehört allerdings zum Konstitutiven, nicht zum bloß Regulativen. Dem letzteren bleibt das fiktive Als-Ob überlassen. Das Nichtfiktive im Als-Ob ist dagegen ein Anliegen der bestimmenden, nicht der reflektierenden Urteilskraft (im Sinne Kants). Ein Begriffspaar der reflektierenden Urteilskraft Kants ist das von Form und Inhalt. Nun ist aber die Form die Raumzeitlichkeit, die den Gegenspieler der bedingenden Materialität und Inhaltlichkeit, des bedingenden „setzungssenkrechten" Ist (das von der Existenz her auch die logische Kopula ermöglicht) darstellt. Kant erlaubt diese Durchbrechung seines Formalismus nicht, und deshalb verbleiben bei ihm die Begriffe Form und Inhalt bloß als ein Anliegen der reflektierenden und regulierenden Urteilskraft. Aber hier muß der Schritt über Kant hinaus getan werden, und dadurch wird dieses Begriffspaar konstitutiv, eine Ausübung der bestimmenden Urteilskraft. Und das bringt die Zweckmäßigkeit des Lebens mit dem in Verbindung, was zur bedingenden Ermöglichung aller Erfahrbarkeit, ihrer Inhalte und Gegenstände, gehört, womit sich dann auch immer ein fiktives Als-Ob-Moment verbindet, für das der Kantsche Kanon in Geltung bleibt. Erst beides zusammen verhindert die Verwechslung von Ansich und Erscheinung. Diese Bedeutung der biologischen Teleologie ist ganz und gar ein Phänomen der autonomen philosophischen Meontologie und hat nicht das Geringste mit irgendeinem Theologismus zu tun. Es ist auch nicht „überfliegende" Spekulation, weil der Bezug auf die Möglichkeit der Erfahrung zum Wesen dieser Deutung gehört. 28. Gliederung und Entwicklung des Lebens Die individuellen Lebewesen - sind nicht ordnungslos isoliert. Sie existieren wesentlich in Arten und Gattungen. Der reale Zeugungsprozeß schafft die phänomenalen Vorbedingungen für diese logische Klassifikation, die der Anfang einer weitergehenden transzendentalen Ideation ist. Dabei bedeutet das Wort „transzendental" (im Gegensatz zu „transzendent") wie immer: was a u c h (nicht nur) zur bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt gehört. Das Art-Gattungs-Denken führt zuerst zum künstlichen, dann zum natürlichen System in Botanik und Zoologie. Und das wiederum entbindet eine phänomenologische Wesensschau, die Form und Inhalt miteinander vermittelt. Ein gutes Beispiel ist die Genesis des Werkes Linnés und seine Weiterführung.
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Aber nicht nur die Biologie ist der Schauplatz dieses ordnenden Denkens. Wie durchsichtig tritt es z. B . in der Mathematik auf, wobei wir die Kegelschnitte als Beispiel anführen können. Die Gattung „Kegelschnitt" teilt sich so klar in die Arten von Kreis, Ellipse, Parabel und Hyperbel ein, weil der Artursprung direkt durch die Drehung einer den Kegel parallel zur Basis teilenden Ebene erkannt werden kann. Die Ausgangsstelle bezeichnet den Kreis, und an den definierbaren Wendepunkten entspringen Ellipse, Parabel und Hyperbel gewissermaßen vor unseren Augen. Zwischen den Wendepunkten (z. B. Ebene parallel der Seitenlinie des Kegels) liegen dann die unendlich vielen Varianten der einzelnen Arten. Die Arten sind zugleich kontinuierlich verbunden und diskursiv getrennt. Das ist wirklich ein ideal vollkommenes Gattungs-Art-Denken. Könnte etwas Ähnliches in der Biologie stattfinden, dann würde das einen vollkommenen Darwinismus darstellen. Diese Ideation wächst dann noch über sich hinaus auf Grund der unendlich vielen Verschiedenheiten von möglichen Kegeln, und das ist noch lange nicht das Ende. Hinzu kommt dann noch der ideale Sinn der als Zeichnung existierenden Kegelschnitte. Daraus ergeben sich bestimmte Lehren für das Verhältnis des Individuellen zum Überindividuellen. Beim Mathematischen spielt dabei die Raumzeitlichkeit eine hervorragende Rolle, aber auch Momente der bedingenden Materialität. Diese treten hier auf als die Vorstellung der durch den Kegel sich hindurchbewegenden Ebene, und diese geordnete Prozeßvorstellung läßt direkt in den Artursprung hineinsehen. Sie bezeichnet ein bestimmtes Verhältnis des Ganzen zu den Teilen und der Gattung zu den Arten. Es wird auch der Humesche Einwand gegen Locke beantwortet, ob es ein Dreieck geben könne, das weder gleich- noch ungleichseitig, weder recht-, noch spitz- noch stumpfwinklig sei. Es ist das Universalienproblem, das für das Durchschauen des Verhältnisses zwischen Individuum und Überindividuellem von so großer Bedeutung ist. In der Biologie liegen die Dinge nicht so klar. Sie ist ja auch von einer ganz anderen Mächtigkeitsordnung als die Mathematik. Aber wir können sagen, daß die Sachlage ähnlich ist und daß keine wesentliche Änderung erfolgt. Auch hier spielt die Raumzeitlichkeit in bezug von individuell und überindividuell eine Rolle, aber sie tritt nicht so hervor, wogegen das Gefüge der Momente bedingender Materialität viel reicher und dichter wird. Dafür wird die Erkenntnis aber auch unsicherer. Das überindividuelle Leben ist eine Hierarchie. Auf dem Leben der Einzeller bauen sich die höheren Stufen der Pflanzen- und Tierwelt auf. Die Pflanze ist mehr dezentralisiert als das Tier, und das ist ein determinierender Faktor der Hierarchie. Beim Tier kommt vor allem die Selbstbewegung hinzu. Das alles sind allgemeine Regeln, nie ganz ohne Ausnahmen. Es erscheinen Antizipationen des Tierischen im Pflanzlichen. So gibt es Kakteen, die Steine nachahmen, um sich zu schützen. Einige Philosophen nehmen an, daß im Augenblick der Artentstehung Bewußtsein vorhanden gewesen sei, das dann sofort erloschen sei. Deshalb sei die Pflanze viel mehr Patrefakt als das Tier.
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In einzigartiger Weise ist das Problem von Individuellem und Überindividuellem im Darwinismus lebendig geworden. Bei ihm haben wir die Deszendenztheorie vom Selektionsprinzip zu unterscheiden. Letzteres besagt, daß der K a m p f ums Dasein zur Auswahl des Lebenstüchtigsten führt. Darwin war dabei durch das Studium des Malthus über die Ursachen der Uberbevölkerung angeregt worden. Dieses Prinzip lehrt eine Mechanik der Auswahl, die wirklich besteht. Aber das Prinzip ist negativistisch und unvollständig. Diese Mechanik ist tatsächlich in das Leben eingebaut, aber Uber-Mechanisches ist auch anwesend und überlagert das Mechanische. Deshalb bedarf das Prinzip der Ergänzung, um zu vollkommener biologischer Erkenntnis von Individuellem und Überindividuellem zu führen. Erscheinungen wie die Symbiose, Beziehungen wie Biene und Blume, ja sogar das Dasein von Schmarotzern verlangen die Beachtung des Mechanischen und Übermechanischen in der Biologie zugleich. Hinzukommt: die kulturlose Natur braucht allerdings ein rücksichtsloses Selektionsprinzip, wie es sich im K a m p f ums Dasein ausspricht, aber in der Kultur, die doch die Fortsetzung der Natur ist, tritt noch ein ganz anderes Prinzip auf. (Sollen wir es das des Geistes nennen ?) Und dieses hat im Übermechanischen des Naturlebens bereits seine Ursprünge. Die Lebewesen kämpfen nicht nur ums Dasein, sondern zeigen auch Fürsorge und Opferbereitschaft, was alles nicht mehr rein mechanisch erklärt werden kann. Auch die sekundären Geschlechtsmerkmale, die oft ästhetischer Natur sind und der geschlechtlichen Zuchtwahl dienen, haben bereits den reinen Mechanismus des Daseinskampfes überwunden. Die Ausschaltung des Lebensunfähigen durch diesen ist nur ein primitiver Anfang, und gerade das macht ihn rein mechanisch. Das Selektionsprinzip ist eine notwendige, aber unzureichende Bedingung. Auch die Deszendenztheorie gilt nicht so unbegrenzt wie das zuerst erwartet wurde. Von der Affenabstammung wollen wir hier nur bemerken, daß die Meinung heute ist, Affe und Mensch hätten einen gemeinsamen Vorfahren gehabt. Aber was wichtiger ist: Noch kein einziger Fall einer wirklichen Artentstehung wurde beobachtet. Darwin gründete seine Überzeugung auf einen Analogieschluß von der Variation von Arten, wie sie der Züchter zu erzeugen vermag (Darwin selbst experimentierte mit Tauben), auf die Entstehung einer Art aus der anderen. Die ungeheuren Zeiträume der natürlichen Entwicklung und die primitiven Bedingungen auf der jungen Erde halfen den Abgrund der Analogie zwischen Variation und Art überbrücken. Es wäre damit also ähnlich bestellt wie mit möglicher Urzeugung. Dazu kamen phylogenetische Beobachtungen der Ähnlichkeiten zwischen der Entwicklung des Embryos und des Jugendstadiums vieler Lebewesen. Die Individualgeschichte wiederholt die Stammesgeschichte. Ferner kommt hinzu ein reiches Material entdeckter Zwischenglieder und die Ergebnisse der vergleichenden Anatomie und Physiologie. Aber dennoch bleibt die Entstehung der einen Art aus der anderen eine Hypothese. Mißtrauen gegen einen Analogiebeschluß ist auch dann angebracht, wenn er durch ein reiches
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Material wahrscheinlich gemacht wird, weil dieses auch anders erklärt werden kann, falls der Analogieschluß zusammenbricht. Jedoch müssen wir an dieser Hypothese festhalten, solange wir keine bessere haben. Es gehört mit zu dieser Hypothese, im Vergleich zwischen Mensch und Tier mehr Ähnlichkeit als Unähnlichkeit zu entdecken. Die kulturontologische Schau jedoch vermag den Menschen noch ganz anders zu sehen. Sie entdeckt im Vergleich von Mensch und Tier mehr Unähnlichkeit als Ähnlichkeit. Beides widerspricht sich nicht, wenn wir die phänomenalen Voraussetzungen beider Auffassungen aufdecken. Allerdings erhebt sich dann die Frage nach der Superiorität und nach dem Primat. Das vernichtet aber nicht die unterworfene Lehre. Der Wettstreit wird von der Frage bewegt: Wie wird am besten für die wirkliche Erkenntnis der bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit, ihrer Inhalte und Gegenstände gesorgt ? Mach z. B. glaubte mit seiner Erkenntnistheorie dabei auf die Seite Darwins treten zu müssen. Unser Verstand ist ein Phänomen der Anpassung. Unsere Erkenntnis befolgt das Prinzip des kleinsten Kraftmaßes. Aber gibt es neben diesem nicht auch ein Prinzip der größten Kraftquelle ? Alle diese Fragen können nur durch die Aufrollung des totalen Determinationsproblems gelöst werden, von dem sowohl die Kausalität als auch die Finalität nur Spezialfälle sind. Gerade dieses Problem zeigt die allerstärkste Beziehung auf die Möglichkeit von Erfahrung überhaupt. Dabei wird auch klar, daß die organistischen Gleichnisse in der Kulturontologie mit Vorsicht aufgenommen werden müssen. Bei der Ontologie des Darwinismus handelt es sich also um eine Antinomie zwischen zwei Unterarten der theoretischen Sphäre selbst, nämlich der Biologie auf der einen Seite und der Philosophie, Ontologie und Meontologie auf der anderen Seite. Die Andersartigkeiten der anderen Sphären spielen da nicht hinein. Die der Biologie eigene Theoretik sieht mehr Ähnlichkeiten als Unähnlichkeiten zwischen Mensch und Tier, die der Ontologie und Meontologie eigene Theoretik dagegen mehr Unähnlichkeiten als Ähnlichkeiten. Die Einsicht, daß die Biologie als Einzeltheorie mit ihrer Schau des Menschen recht hat, gehört mit zur meontologischen Theorie der Theorie; aber auch die andere Einsicht, daß die meontologische Schau des Menschen das stärkere Recht der Totalität vertritt, wobei sie aber die Rechte der Biologie nicht antastet, sondern anerkennt, einsieht und begründet. Nur dann, wenn die Biologie zur totalistischen Schau des Menschen werden will, setzt sie sich selbst ins Unrecht. Einige Zeichen, daß zwischen Mensch und Tier mehr Unähnlichkeit als Ähnlichkeit besteht, sind: der aufrechte Gang, sein diskursives Bewußtsein und Selbstbewußtsein, seine Sprache, Wissenschaft, Philosophie, Ethik, Kunst und die besondere Art seiner Gesellungsformen, sein religiöses Verhalten, seine Offenheit für den bedingenden Geist und sein Beruf, geistiger Mensch zu werden, seine negativistischen Fähigkeiten, sein Ausgerichtetsein auf Totalität, sein Transzendieren der Phänomenalität. All das übermeistert die Ähnlichkeiten, die hauptsächlich auf
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biologischem, physiologischem und anatomischem Gebiet liegen, schafft sie jedoch nicht ab. Das bleibt für diese drei Gebiete verdeckt, weil sie die zu ihnen gehörigen Lebenszüge abstraktiv isolieren, sich auf sie konzentrieren und so die Unterschiedsmerkmale gar nicht recht sehen. Die Ähnlichkeiten werden für sie so wichtig, daß sie zum Wesentlichen werden. Übrigens fällt das allen Sphären Vorgeordnete nur insofern aus der Reihe der erscheinlichen totalen Anderheiten heraus, als die Theorie der Theorie auf das Meontisch-Meontologische, auf den bedingenden Geist h i n w e i s t . Aber als ein so und so formuliertes Gebilde ist auch die Theorie der Theorie, sei sie nun ontologisch oder meontologisch ausgedrückt, nichts Anderes als totale Anderheit unter Erscheinungsbedingungen, gehörig zur ersten Sphäre der Theoretik. Sie ist aber im besonderen Sinne ein Grenzphänomen. Sie steht dem Unerscheinlichen näher als die anderen theoretischen Disziplinen, unter der Voraussetzung, im gleichen Grade wahrheitsgetreu zu sein. Diese größere Nähe zur Ansich-Grenze gilt von der Philosophie ganz allgemein im Vergleich mit den Einzelwissenschaften. „Sein"-wie-Nichtsein ist ja nicht selbst das Unerscheinliche, sondern nur der Hinweis darauf, wie w i r es aussprechen können. Dasselbe gilt vom dritten Neutralen und Erfüllenden usw. Selbst in dem Ausdruck „bedingender Geist" ist das Wort „Geist" nur das relativ Beste, das uns für etwas zur Verfügung steht, das sprachlich nicht mehr formulierbar ist. Er ist die totale Andersartigkeit, aber selbst von diesem Ausdruck gilt genau dasselbe. Sie ist das, was mit „totaler Andersartigkeit" g e m e i n t ist, sofern dieses Meinen unter Erscheinungsbedingungen steht. Wird die Erscheinungswelt als Setzung des bedingenden Geistes angesehen, also unter den Gesichtspunkt des partiellen Substanzverlustes gestellt, dann stellt sich die Anschauung ein, daß das Leben potentiell im Geiste vorhanden ist und daß es dadurch erscheint, daß es sich mit dem total Anderen der Materie verbindet. Es ist aber klar, daß dieser These der animalisch-psychische Geist zugrunde liegt. Im Sinne des dritten Neutralen, nach dem „es noch etwas Anderes geben muß", bedarf es einer solchen Erscheinungslehre eines präexistenten Lebens nicht. Dort erscheint das Leben, insofern der Geist noch gegen die Materie gestellt ist. Im dritten Neutralen ist dieser Gegensatz überwunden, und Geist und Leben werden identisch. Davon werden die verschiedenen Lebensauffassungen in den fünf Sphären bewegt. So ist der soziologische Begriff des Lebens, der sich etwa in dem Seufzer ausdrückt: „Ja, so ist das Leben!" ganz anders als der biologisch-theoretische. Und die Religion hat wiederum ihren eigenen Lebensbegriff, und so alle Sphären. Wenn z. B. gesagt wird, das Streben des religiösen Lebens nach Frieden und Trost vermöge sich nur in mythologischen Vorstellungen auszudrücken, dann ist das nicht richtig. Die Bewertung als „mythologisch" ist bereits eine theoretische Charakterisierung, die wahr oder falsch sein kann, wenn sie die uneigentliche Theoretik der Religion beurteilt. Mytho15 S a m u e l , Ontologle
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logie und Religion sind zwei verschiedene Dinge. Für die Religion selbst ist ihre eigene Theoretik durchaus nicht mythologisch, überhaupt nicht theoretisch als solche, das für sie Eigentliche ist weder theoretisch noch mythologisch, auch für den Theoretiker nicht. Es ist arteigen und erlaubt nur die Kennzeichnung als „religiös". So ist auch nicht viel damit gewonnen, wenn der Theoretiker die Gottesidee anthropomorph nennt. Er kommt damit nicht weit, er vollbringt nichts; denn die Religion neiint den Menschen theomorph. Im Licht der totalen Anderheit und der wesentlichen Sphärenunterschiede haben beide recht und unrecht zugleich. Auch das Art- und Gattungsdenken wandelt sich mit den fünf Sphären. Es ist nicht so einfach wie bei den „Kegelschnitten". Das bringt seine Schwierigkeiten mit sich bei der Einteilung des Kulturganzen, der Sphären selbst und der Mischformen. Ferner auch bei der Untereinteilung der Sphären. Die Einteilung der Wissenschaften bewegt sich anders als die Einteilung der Religionen oder als die der Moral, der Künste, der soziologischen Gebilde. Die einzuteilenden Sphären sind „windschief" gegeneinander gestellt. Das Gattungs-Art-Denken liegt nicht in derselben Ebene für alle Sphären zugleich. Das wird beim Einteilungsproblem meist übersehen. Der Charakter des bedingenden Geistes als drittes Neutrales kommt auch darin zutage, daß vor ihm Leben und Tod relativiert wird. Leben wird wie Tod und Tod wie Leben. Der Geist, der die Materie nicht mehr gegen sich hat, ist das Ansichsein des Seienden. Das ist ganz anderes Leben als das erscheinliche Leben in der totalen Anderheit seiner selbst, das wie Totes ist. Und doch ist es nicht das Tote. Es ist drittes Neutrales und Erfüllendes zu Totem und Lebendigem. Es ist kein Hylozoismus, denn der lehrt die Belebtheit der Materie, also die durch den Geist, der die Materie gegen sich hat, also die durch den animalisch-psychischen Geist. 29. Die Lehre von den Doppelideen Wie es am Sternhimmel Doppelsterne gibt, die ein dualistisch wechselbedingtes Dasein in einem höheren dynamischen Gefüge haben, so treten auch am Sternhimmel der Ideen Erscheinungen auf, die wir als Doppel-Ideen bezeichnen wollen, die in eine Art von nehmender und gebender Ideen-Symbiose eintreten. Sie sind aufeinander angewiesen und voneinander abhängig. Sie werden von einer Ideation beherrscht, die sich nicht als Einzelidee auszusprechen vermag, sondern nur als eine als Sosein bestimmte Dualität. Sie kreisen um ein Gravitationszentrum herum. Sie oszillieren auf dieses hin und von diesem her. Sie pulsieren in einer Weise, als ob sie in einer dynamischen Pendelbewegung begriffen wären. In ihrer disjunktiven Gemeinschaft umschreiben sie ein gemeinsames Nicht-Disjunktives. Sie treten besonders da auf, wo es sich um die höchsten Prinzipien von Ontologie und Metaphysik
Die Lehre von den Doppelideen
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handelt, und werden hier besonders wichtig. Sie sind für uns der erste Ausdruck der letzten Aussagen, und wir wollen einige Beispiele anführen. Aber vorerst noch dies: Die Doppelsterne am Himmel sind nur von einer niedrigen Komplexität. Eine solche von ganz anderer Mächtigkeitsordnung wird durch die höheren Sternensysteme dargestellt, angefangen von den Sonnensystemen bis hin zu den Milchstraßen. Und sie sind schließlich in der endgültigen Komplexität des gesamten Stern-Universums zusammengefaßt, das ja auch seine eigene, wenn auch nur in den ersten Anfängen uns bekannte Konstitution besitzt. So ist es auch mit dem Sternhimmel der Ideen. Über den Doppelideen bauen sich komplexere auf. Ein Milchstraßensystem der Ideen ist z. B. das Wertreich, denn die Werte gehören zur Gattung „Idee" als Erfassungsform des idealen Seins. Aber damit erschöpft sich nicht die Komplexität der Ideen. Aber insofern stimmt das Gleichnis nicht, als alle Teile des Sternhimmels homogene Teile in einem Ganzen sind, was bei den Kultursphären gerade nicht der Fall ist. Auch die fünf Kulturmenschen, die sich möglicherweise in Personalunion in einem Menschen zusammenfinden und in Gespräche miteinander eintreten, leiden an einer Nivellierung der totalen Anderheit der Sphären, und deshalb ist dieses Gleichnis nur vorsichtig zu verwenden. Hier läßt sich nun die Frage beantworten, ob wir uns den bedingenden Geist als einen persönlichen oder unpersönlichen vorstellen sollen. Wir wissen bereits, daß das dritte Neutrale Weder-Noch-Sein zu Person und Nichtperson ist, wobei „Nicht-Person" wiederum verschiedene Auslegungen erlaubt. Sie kann den Sinn von „unterpersönlich, dinglich, sachlich, elementarisch" oder von „überpersönlich" haben. Etwas könnte im Sinne des dritten Erfüllenden so sehr Person sein, daß es uns wie Nicht-Person erscheint, wobei allerdings ein anderer Name eingesetzt werden müßte, den wir noch nicht haben. Das Leben der Doppelidee von Person und Nicht-Person zeigt sich nun in der Erfahrung, daß. wir eine gute Strecke weit in der Vorstellung gehen können, den bedingenden Geist als Person zu denken. Dann aber ist es, als ob plötzlich eine Hand dazwischenkäme, die uns zurückhält, als ob eine warnende Stimme ertönte. Wir werden auf die Nichtperson verwiesen. Fangen wir mit dieser an, so ereignet sich etwas Ähnliches in bezug auf die Person. In diesem Oszillieren macht sich der Einfluß des dritten Neutralen bemerkbar, das noch etwas Anderes kennt, was weder Person noch Nichtperson im Sinne von zwei Erscheinungsgesetztheiten ist. Wir könnten nun dieses Leben der Doppelidee von der Person auch auf Gott als Person übertragen. Das würde aber zeigen, daß wir einen. Mißbrauch mit der Theorie treiben, weil wir die total andere Struktur der religiösen Sphäre nicht erkannt haben. Sie spricht ganz naiv voa der Person Gottes, zu der der Fromme betet und sich nicht darum kümmert, inwiefern diese Person auch wie Nicht-Person sein könnte, 15»
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es sei denn, daß er dogmatisch in eine intellektualistische Theoretik verstrickt ist, deren Uneigentlichkeit er nicht erkennt. Ebenso naiv wendet der religiöse Mensch elementarische Attribute auf Gott an, nennt ihn Wind, Feuer, Sturm und dergleichen, aber auch hier liegt es ihm fern, das als eine echte Theoretik von Person-wie-Nichtperson zu verstehen. Die Intention dieser Aussagen liegt irgendwo anders. In ähnlicher Weise zeigen sich Doppelideen wirksam bei den neutralistischen Problemen von Prozeß und Prozeßlosigkeit, vom Ganzen und den Teilen und bei dem der Vollkommenheit. Dynamische Begrifflichkeiten werden auf statische zurückgewiesen, und zwar so, daß dadurch ein Weder-Noch-Sein als das Ansich von Erscheinlichem bezeugt wird. Die Dialektik zwischen dem Ganzen und seinen Teilen geht von Monismen zu Pluralismen hin und wieder zurück und deutet so auf das neutrale und erfüllende Weder-Noch-Sein beider als Ausdruck eines Ansich hin. Eine Zeitlang können wir die Beherrschung der Teile durch eine Ganzheit verfolgen, dann werden wir gezwungen, den Ton auf die Teile zu legen, und das Ganze ist wie verschwunden. Das bleibt aber nicht so. Da taucht die Ahnung auf, daß es noch etwas Anderes geben müsse als das Ganze oder die Teile, und daß dieses Andere an sich seiende Nichtgesetztheit und Nichterscheinlichkeit sei, Erfüllendes von beiden. XJnd das zeigt sich unter ganz konkreten Bedingungen immer wieder anders bei den unzähligen Ganzheiten und Teilgefügen der Sphären und der Mischformen. Die Vollkommenheit scheint ihre Eigentlichkeit in der Ethik zu haben und in den anderen Sphären unter dem Modus der Uneigentlichkeit aufzutreten. Aber auch das Uneigentliche untersteht den Gesetzen von den Doppelideen und Ideenkomplexen. Die vorgestellte und vorstellbare Vollkommenheit in irgendeiner Sphäre leitet uns nur bis zu einem gewissen Punkt. Dann tritt für Vollkommenheit etwas Unvorstellbares ein. In seinem Lichte erscheint uns phänomenale Vollkommenheit wie Nicht-Vollkommenheit, und wir werden inne, daß wir nicht wissen, was Vollkommenheit ist, und daß es noch etwas Anderes geben muß als Vollkommenheit und Nicht-Vollkommenheit, das für das eintritt, was wir für Vollkommenheit halten. Es ist ein unerscheinliches neutrales Drittes, das das bedingende Sein der Vollkommenheit ist. Nur in diesem Sinne können wir uns den bedingenden Geist als Vollkommenheit vorstellen, und wir müssen wissen, daß wir auch dabei mit ethischer Uneigentlichkeit in der theoretischen Sphäre arbeiten. Für den religiösen Menschen liegen solche Überlegungen völlig fern, wenn er nicht durch die Dogmatik verwirrt worden ist. Für ihn ist Gott ganz selbstverständlich der absolut Vollkommene. Wen das nicht befriedigt, in dem meldet sich eben der Theoretiker an. Er kann dann zu der obigen Lösung seine Zuflucht nehmen, darf aber diese Theoretik nicht einfach in die Religion mit hinübernehmen, ohne die dabei einsetzende Wendung in die uneigentliche Geltung zu bedenken. Ferner walten Doppelideen und Ideenkomplexe durch die ganze Kategorienlehre hindurch. Sie wachen über die Übergänge vom Sein
Instinkthandlungen
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durch die Zeit zum Seienden, von der Existenz durch das Existieren zum Existierenden, und Ähnliches gilt von Realität und Idealität, Dasein und Sosein, durch alle Modalkategorien hindurch. Die Schwingung geht hin und her und verrät die Spuren des neutralen Dritten und Erfüllenden. Das gilt auch von Potentialität und Aktualität, von Intensität und Extensität, von den Quantifizierungs- und den Qualifizierungsprozessen, von Substantialität und Kausalität usw. Immer wieder ereignet sich dasselbe: daß die Ideation die einmal gewählte Richtung nicht vollenden kann, daß sie zurückgetrieben wird, daß sie gerade so die ideative Erfassung und das ideative Verstehen steigert und daß sie so, zwischen Kontrasten kategorialer Art hin und her schwingend, unter einer höheren Mächtigkeitsordnung steht, die das Ansich gegenüber der Erscheinung vertritt. Dann tritt das Bedingende selbst ins Licht, das vorher Anderes erleuchtete, dabei aber verborgen blieb. In den fünf Sphären nimmt es die allerverschiedensten Formen an. Eigentliche Geltung kommt ihm im Theoretischen zu, aber sehr fruchtbar werden auch seine Funktionen im uneigentlichen Sinne in den anderen Sphären. Das Bedingende eines religiösen Erlebens, eines künstlerischen Gestaltens, einer sittlichen Willensentscheidung, eines Geschichtsvorganges von politischer Bedeutung ist jedesmal grundverschieden. Und immer ist es Bedingen im uneigentlichen Sinne, das seine Sinngebung vom theoretischen Bedingen her erhält. Dieses ist das Totalbedingende der Totaldetermination des meontisch-meontologischen bedingenden Geistes. Es ist letztes Wissen über die bedingende Ermöglichung aller Erfahrbarkeit überhaupt, ihrer Inhalte und Gegenstände. Hier kommen die Doppelideen und Ideenkomplexe zu ihrer höchsten Vollendung. Wir können folgende Liste aufstellen: Sein Ontologisches Kategorie Existenz Essenz Sosein (Soseiendes) Idealität (Ideales) Möglichkeit (Mögliches)
Zeit Temporalistisches Form Existieren Zeit Zeit Zeit Zeit
Seiendes Ontisches Kategoriat Existierendes Existenz Dasein, Daseiendes Realität (Reales) Wirklichkeit, Wirkliches
30. Instinkthandlungen *) Kausalität und Finalität sind Spezialfälle der Totaldetermination. Gerade deshalb ist das verbindende Band bei ihnen so unerkennbar. Wie die Ursache ihre Wirkung hervorbringt, wissen wie nicht. Das gilt auch vom nexus organicus, der Determinationsform des Lebens, die biologische Kausalität in Verbindung mit dem ist, was in der Finalität *) Wir greifen dieses Thema hier auf, weil es für die Ontologie der Biologie von erheblicher Relevanz ist.
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das nichtfiktive Element im teleologischen Als-Ob ist. Deshalb gilt weder der einseitige Mechanismus noch der einseitige Vitalismus in der Biologie. Die Kausalität verhält sich zur Finalität wie diese zur Totaldetermination. Dabei geht es durch die Wechselwirkung und durch Verbindungen von Kausalreihen in Kette undKomplex der Erscheinungswelt hindurch, und auch durch finalistische Ketten und Komplexe. Aber diese Proportion ist nur ein Gleichnis. Denn beim Übergang von der Kausalität zur Finalität fließt etwas Fiktives ein neben einem Nichtfiktiven, das gerade aus der Totaldetermination stammt. Und ferner: beim Übergang von der Finalität zur Totaldetermination ereignet sich eine solche Wendung und ein solcher Wechsel, daß das Verhältnis von Kausalität und Finalität total transzendiert wird und mehr Unähnlichkeit als Ähnlichkeit mit dem anderen Verhältnis zeigt. Das schränkt den gleichnishaften Wert der Proportion ein. Ein gutes Beispiel für die biologische Determination ist die Instinkthandlung. Max Scheler weist in seinem Buch über die Sympathie auf ein interessantes Beispiel hin, das Bergson aus einem Werk von Jules Fabre mitteilt. Eine gewisse Wespenart, die der Hymenopteren, vermag Spinnen, Käfer und Raupen so zu stechen, daß Lähmung ohne Tod erfolgt, um dann in das Opfer ihre Eier zu legen. Dieser Stich erfolgt so kunstreich und eindeutig, als ob die Wespe die nervöse Organisation des Opfertieres genau kenne*). Ein Chirurg, der sie aufs sorgfältigste studiert hätte, könnte die Operation nicht besser vollbringen (S. 28). Scheler versucht eine Erklärung durch vitalistische Einsfühlung, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen. Wir möchten das Positive in dieser Instinkthandlung auf den Vertreter beziehen, der. gerade von der Totaldetermination, die alle Phänomenalität transzendiert, in dem nexus organicus der Wespe vorhanden ist. Scheler kritisiert Spencer ganz recht, der da lehrte, alle Tiere hätten sich an eine Welt anzupassen, die naturalistisch und positivistisch gekennzeichnet wird, die doch als solche nur eine Menschenwelt und menschliche Milieuwelt ist. Ganz naiv verwechselte Spencer dabei die Erscheinung mit dem Ansichseienden. Die Milieuwelt gehört ganz der Erscheinung an. Danach kann der Wald des Jägers ein ganz anderer Wald sein als der des Försters oder Spaziergängers, die Sonne des Eskimo eine ganz andere als die des Menschen am Äquator. So ist auch die an sich seiende naturalistischpositivistische Welt Spencers nur eine menschliche Milieuwelt, und daran hat sich kein Lebewesen anzupassen. Nur die meontisch-meontologische Welt, von der etwas ganz Anderes und viel Besseres, aber Unsagbares „gesagt" werden sollte, als „Sie ist, sie existiert, sie ist jetzt, sie war, sie wird sein" ist die eine gemeinsame Welt für alle Wesen, keine menschliche Milieuwelt mehr, nicht wie die Milieusonne, sondern wie die astronomische Sonne, aber nicht sofern sie Erscheinung ist, sondern sofern sie selbst auch zum unaussprechlichen Mysterium der *) Jedoch nicht immer. Oft ist die Wespe auch ein schlechter Chirurg.
Letzte Aussagen über die Ethik
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Wirklichkeit gehört. Sofern die Sonne nur Erscheinung ist, steht sie auch noch in der Milieuwelt Spencers und kann kein guter Zeuge sein. Spencer kennt selbst das ewig Unbekannte. Aber es bleibt unberührt am Rande seiner Philosophie stehen, wie ein nie gebrauchtes Schaustück im „guten Zimmer" eines bürgerlichen Haushaltes. Die materialistische Welt Spencers braucht dieses Randstück nicht zu fürchten. Es wird ihre Ruhe nicht stören, es wird nicht eingreifen in die Determinationsweisen ihrer Komplexe und ihrer Ketten. Weil das nichtfiktive Teleologische in der Instinkthandlung der Totaldetermination entstammt, deshalb wird in ihrer Zweckmäßigkeit zielstrebige Willenswahl und Willensverwirklichung ausgeschaltet. Diese wird zum bloßen Als-Ob der biologischen Zweckmäßigkeit. Jene Wahl und Verwirklichung ist Spezialdetermination durch den handelnden Menschen, und das selbst ist ein Sonderfall der Totaldetermination, dessen Bedingungen angegeben werden können. Und diese ist das Bedingende a l l e r Sonderfälle, der Kausalität und Finalität in all ihren Ketten und Komplexen, also auch der Willenshandlung u n d der Instinkthandlung. 31. Letzte Aussagen über die Ethik Wir kommen nun zu den letzten meontologischen Aussagen über die Ethik, und sie wird uns zum ersten Male hier zum eigentlichen Thema. Der Grund ist, daß es sich zugleich um die letzten Aussagen über das Wertreich handelt. Dasselbe sollte von Ästhetik und Soziologie auch gesagt werden, denn diese gehören demselben Reich an. Jedoch behandeln wir diese nicht thematisch, um das Buch nicht zu sehr anschwellen zu lassen und auch weil gerade die Ethik in so enger Beziehung zum religiösen und theoretischen Problem steht. Aber wir werden auch in bezug auf Ästhetik und Soziologie Beispiele von letzten Aussagen zu geben haben. Zunächst möchten wir in etwas drastischer Weise den Wertbegriff klarmachen, und zwar an der niedrigsten Wertart, dem Güterwert. Angenommen, wir kaufen für drei Mark Salz und für denselben Betrag Zucker. Wir werden viel mehr Salz als Zucker bekommen. Das quantitative Verhältnis beider mißt den relativen Wert beider zueinander. So wie wir nun Längen (von Tuch z. B.) mit dem Metermaß messen, Flüssigkeiten mit dem Liter, Gewichte mit dem Kilogramm, die Zeit mit der Uhr, so gebrauchen wir auch hier einen Maßstab, und der ist das Geld, die drei Mark in unserem Falle. Dadurch, daß wir denselben Betrag für Salz und Zucker ausgaben, können wir das Wertverhältnis durch das Quantitätsverhältnis messen. Wir fügen also dem Salz und dem Zucker zu seiner ontischen Existenz als Erscheinungsseiendes noch etwas Anderes hinzu, einen Wert, der sich als Preis ausspricht und den wir auf einen Zettel schreiben können, um ihn an die Ware zu heften, wie das der Händler tatsächlich tut. Wir können erst das ontische Wesen der Substanzen untersuchen, z. B. physikalisch und chemisch.
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III. Teil. Das meontologiache Inhaltsproblem
So können wir wissen, daß Salz aus Chlor und Natrium besteht, wir können die Verbindungsart beschreiben, die Eigenschaften des Chlors, die Eigenschaften des Natriums und dann die wunderbare Tatsache erwägen, daß durch die chemische Verbindung beider, die nicht dasselbe wie mechanische Mischung ist, etwas ganz Anderes und Neues entsteht, das Kochsalz. Mit all dem haben wir aber noch keine Bewertung vorgenommen, wir haben nur Tatsachenurteile gefällt, keine Werturteile. Wir hatten es mit dem Sein und nicht mit der Geltung zu tun. Erst wenn wir den Preis des Salzes feststellen, die Preis-Genesis geben und sie in Beziehung mit anderen Güterwerten setzen, betritt das Kochsalz das neue Reich der Werte, die ein ansichseiendes ideales Dasein haben. Sie werden nicht noetisch geschaffen, sie sind da und erzwingen ihre Erkenntnis mit aller Härte der Realität. Aber diese ist eine Realität des Idealen. Wir können auch sagen: sie gehören zur Wirklichkeit aber nicht zur Realität, sondern zur idealen Wirklichkeit. Der andere Ausdruck, Realität des idealen Seins, ist aber fast damit identisch. Hieraus geht schon hervor, daß diese Beschreibung der Genesis von Güterwerten, also von wirtschaftlichen Werten, die ich dem Bereich der soziologischen Werte zuweisen möchte, nur eine erste Annäherung an die Wahrheit darstellt. Das Schlechte dabei ist, was mit dem nachträglichen Aufkleben von Etiketten zu vergleichen ist. In Wahrheit ist selbst der wirtschaftliche Wert nicht etwas so Nachträgliches, bloß Hinzukommendes, und erst recht nicht die höheren Werte, die sittlichen, die ästhetischen und die höheren soziologischen. Es ist nicht so, als ob zuerst die Wertmaterie rein ontisch da wäre, und dann von außen der Wert durch menschliche Konvention der Wertmaterie aufgeklebt würde, wie das der Delikatessenhändler macht. Sondern weil die Werte an sich seiendes ideales Dasein haben, sind sie von vornherein schon im Ontischen mit angelegt, so wie die idealen Essenzen und die ideale Raumzeitlichkeit das Ontische des Erscheinungsseienden von vornherein durchzieht. Allerdings ist es nicht ganz so. Die Konvention spielt bei den Güterwerten eine andere Rolle als bei der Idealisierung des Erscheinungsseienden durch die Raumzeitlichkeit (die ja selbst nur eine Seite derselben darstellt). Aber auch der Güterwert hat etwas Nichtkonventionelles in sich, das mit der Raumzeitlichkeit und mit anderen objektiven Idealitäten und idealen Objektivitäten zu vergleichen ist. Der Wert ist nicht nur Konvention. Und andererseits fehlt ja auch selbst beim mathematischen Messen die Konvention nicht ganz, wovon der Meterstab aus Platin, der in Paris aufbewahrt wird, Zeugnis ablegt. Daß Salz gerade diese bestimmten physikalischen und chemischen Eigenschaften besitzt, daß es überhaupt zu einem menschlichen Güterwert zu werden vermag, enthält auch eine ontische Beziehung, die ein Verhältnis zum biologischen Chemismus des menschlichen Leibes einschließt, und diese ideale Werthaftigkeit erschöpft sich nicht in bloßer Formhaftigkeit, sondern schließt ein Moment der bedingenden Materialität ein. Nicht jede ideale Objektivität ist b l o ß e Form wie die Raum-
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zeitlichkeit, Bondern es gibt auch Idealitäten, an denen das bedingende Ist beteiligt ist, wie die Essenz, das Sosein und nun auch die Werte. Allerdings ist das hartnäckige Ansichsein der Werte nicht das „Ansichseiende", das wir in die meontologischen Anführungszeichen zu setzen haben, sondern das phänomenale Ansichsein-für- und-ohne-uns, wie wir es ausführlich beschrieben haben. Die moderne ethische Werttheorie ist vor allem durch Scheler und Hartmann gefördert worden. Sie erkennen klar das ideale Sein der Werte, und sie unterscheiden deutlich die sittlichen Werte von den anderen Werten. Sie haben eine helle Schau von der Eigenart der sittlichen Werte. Dazu dient ihnen hauptsächlich die wichtige Unterscheidung zwischen der Wertintention und dem Intentionswert. Am letzteren haftet das Sittliche. In diesem Zusammenhang können wir auch von dem Unterschied zwischen dem sittlichen Wollen von Werten und dem Wert des sittlichen Wollens sprechen, oder von der Wertabsicht und vom Absichtswert. Das Scherflein der Witwe, das Hartmann auch anführt, ist ein gutes Beispiel. Die Witwe hatte nur ein paar Pfennige in ihrem Besitz, aber sie warf sie alle in den Gotteskasten. Ihre Wertintention, ihr Wertwollen, ihre Wertabsicht bezog sich nur auf einen sehr geringen Güterwert, aber ihr Intentionswert, ihr Wollenswert, ihr Absichtswert, also gerade das eigentlich Sittliche, war riesengroß. Sie hat mehr getan als alle übrigen, viel mehr als ein Millionär, der tausend Mark der Synagoge geschenkt hätte. Im letzteren Falle ist die Wertintention größer, aber der Intentionswert kleiner. Und das kehrt auf allen Gebieten des sittlichen Lebens wieder. Diese wichtige Unterscheidung beruht nun darauf, daß das Sittliche eben an der Gesinnung haftet und ganz und gar zur Persönlichkeit selbst gehört. Alle sittlichen Werte sind, mit relativen Unterschieden, Personwerte oder gehen auf solche zurück. Welch ein weiter Weg von dem Wert von Salz und Zucker zu dieser Wertart! Sie ist preislos. Sie blickt auf eine lange Strecke der Wertsteigerung zurück. Wenn nun schon der niedrigste Wert Beziehungen zum ontischen Erscheinungsseienden hat, wieviel mehr wird das von dieser Wertart gelten!*). J a es ist zu erwarten, daß sich hier ganz neue Beziehungen zum Meontisoh-Meontologischen zeigen, zum „Ansichseienden", zur Totaldetermination und zur Freiheit. In der Tat ist das Mehr des Intentionswertes über die Wertintention ganz und gar pleromatisch. Tun wir den Schritt von der letzteren zu dem ersteren, dann sind wir mehr in die Fülle, Überfülle und den Reichtum eingetreten, die, nachdem sie Wege der Materialität und Massivität durchschritten hat, bei ihrer Erfüllung in die Anderheit eintritt, die wie ein konkretes Nichts und neutrales Drittes ist und die in der meontologischen Doppelidee der Vollkommenheit und des Pleroma erfaßbar wird. Dabei ist allerdings der sittliche Wert, der Intentionswert, selbst transzendiert. Aber er ist eine notwendige Stufe der Annäherung. Es geht nur über ihn hinweg und durch ihn hindurch. *) Solch eine Möglichkeit wird von Bertrand Russell übersehen.
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
Der Übergang von der Wertintention zum Intentionswert ist diskontinuierlich. Es ist ein plötzlicher Umschlag, ein Sprung in eine höhere Ebene hinein. Der sittliche Wert bricht sozusagen in die Wertwelt ein. Der Akt der Wertbeabsichtigung, des Wertwollens, der Wertintention muß in einer höheren Reflexion zum Gegenstand werden, damit der sittliche Wert, der Intentionswert, erkannt werden kann. Es ist das Auftreten eines Novums, das sich überall da ereignet, wo die meontisch-meontologische Pleromatik sich konkretisiert. Es ist, als ob ein Damm zerbrochen würde und neue Fülle plötzlich hereinbreche. Die sittliche Wertigkeit ist von den unteren Werten durch einen hiatus getrennt. Sie ist arteigen. Der Intentionswert ist der Wert der Wertintention. Damit fängt etwas Neues an. Um das völlig zur Gegebenheit zu bringen, müssen wir das Freiheitsproblem aufwerfen. Um dieses geht es beim Intentionswert. Ethische Freiheit wird nun meist als Willensfreiheit aufgefaßt, und es werden zwei verschiedene Arten unterschieden, die negative Wahlfreiheit, die indeterministisch sein soll, Freiheit-wovon, und die positive Freiheit, die nur eine andere Kausalität sein soll, Freiheit-wozu, Freiheit unter dem Gesetz. Wie sahen schon, was Kant und Hartmann dazu zu sagen hatten. Die Willensfreiheit ist auf das Gesetz des Sollens bezogen, das nicht besagt, was ist, sondern was gefordert wird, und mehr verbietet als gebietet, also negativ in diesem weiteren Sinn ist. Ferner kommt es darauf an, was als Freiheit-gegenüber-etwas verstanden wird. So kann die Willensfreiheit mit ihrer Finalität als Freiheit gegenüber der Kausalität verstanden werden, weil die Finalität sich über diese zu lagern weiß und sie nicht stört und beeinträchtigt. In dieser Weise hat ja auch Kant die finalistische Willensfreiheit mit kausativer Notwendigkeit versöhnt, wie wir bereits gesehen haben. Er macht dabei von dem Gebrauch, was die praktische Vernunft als Ansichseiendes ist und was sie als Erscheinung darstellt. Dort kann sie ganz determiniert sein, hier vermag sie ein Prinzip darzustellen, eine Handlung frei anzufangen und so in Erscheinlichkeit von oben her substanzähnlich einzugehen und dieser ganz andere Determinationsbeitrag in ihr zu sein. Diese Theorie hat dann Schopenhauer ausgebaut. Aber wenn wir die Freiheit des Menschen nicht als Freiheit seiner praktischen, wollenden Vernunft ansehen, sondern als ganz persönliche Freiheit seines eigentlichen Selbst, das i s t , bevor er will, und die durch ein Sollensgesetz und Sittengesetz nicht erschöpft wird, dann kommen wir noch zu einer ganz anderen Art von ethischer Freiheit, die Hartmann nicht Freiheit unter dem Gesetz nennt, sondern Freiheit über dem Gesetz, für die dann sogar die vorher abgelehnte indeterministische Wahlfreiheit wieder Mitgeltung gewinnt. Nun taucht dabei das neue Problem auf, daß der sittliche Mensch in diesem Sinne nicht bloß frei gegenüber der Kausalität ist, sondern auch gegenüber der Finalität des Sollens und des gebietenden Gesetzes. Denn sonst wäre es nicht eine Freiheit über dem Gesetz. Wir können Freiheit in diesem Sinne auch als Glaubensfreiheit im
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Gegensatz zur Willensfreiheit bezeichnen, wenn wir den Ausdruck „Glauben" zunächst ganz im Sinne der meontologischen P h i l o s o p h i e nehmen. Wir haben es nun zunächst mit der philosophischen meontologischen Ethik zu tun. Freiheit in diesem Sinne ist primär Glaubensfreiheit. Sie ist auf das Allerpersönlichste im sittlichen Menschen bezogen, auf ihn als Aktträger der Intentionswerte. Sie werden in ihrem idealen Sein erkannt, sie werden durch den Willen unter dem Gesetz des Sollens realisiert, sie kommen aber zur Sinnerfüllung nicht in der Sphäre des Nomos, sondern nur im Sosein des menschlichen Persönlichkeitskernes, das als Individuelles aller Gesetzesallgemeinheit unzugänglich bleibt. Der Glaube ist in diesem Sinne nicht nur eine allerpersönlichste Angelegenheit, sondern das Allerpersönlichste ist auch eine Glaubensangelegenheit, aber im streng philosophischen und nicht theologischen Sinne. Dann kann aber die Determinationsform dieses meontologischen Glaubens und des Allerpersönlichsten im Menschen nicht mehr die der Finalität allein sein, geschweige denn die der Kausalität. Die Finalität reicht gerade noch zum Sollensgesetz hin, das nur Werte ins Auge zu fassen vermag, die sich als allgemeine Gesetzlichkeiten in Ideen, kaum in Idealen, ausdrücken lassen. Dann aber wird eine ganze Klasse von Werten, und gerade die der wertvollsten, überschlagen, nämlich alle Werte, die der allgemeinen Gesetzlichkeit und den allgemeinen Ideen unzugänglich sind, die allerpersönlichsten Gebilde der Intentionswerte, die am Sosein des Aktzentrums der Persönlichkeit haften. Gewiß ist auch in diese Wertintentionen Kausalität und Finalität eingebaut, aber darüber hinaus muß es noch eine andere Determinationsform geben, die der Einmaligkeit des jeder Verallgemeinerung widerstrebenden Individuellen Genüge leistet. Diese über Kausalität und Finalität sich überlagernde Determinationsform ist aber die der Total- und Ganzheitsdetermination. Wir fanden, daß diese der Kausalität und Finalität gegenüber völlig frei ist und andererseits sie auch gar nicht stören kann, weil die Seinsebene eine ganz andere ist. Ferner sahen wir, daß diese Totaldetermination viel schwächer ist als Kausalität und Finalität, solange die Erscheinungswelt ihre Autonomie zur Geltung zu bringen vermag, solange also auch der praktische ethische Wille mit seinem Sollensgesetz an dieser Macht teilnimmt, daß aber eine Umkehrung des Stärkeverhältnisses eintritt, sobald die Totaldetermination nicht nur eine Vertreterschaft im Erscheinlichen findet, sondern sozusagen die Erscheinungswelt verläßt und zu sich selbst kommt. Und dieses Ereignis ist dann nicht bezogen auf den praktisch bindenden Willen mit seinem Sollensgesetz, sondern auf den meontologischen Glauben (im streng philosophischen Sinne), der eine Angelegenheit des Allerpersönlichsten ist, und auf dieses Allerpersönlichste, das sich nur im meontologischen Glauben und seiner arteigenen Autonomie, dem „Gesetz" einer Person, der „Idee" einer Person, offenbart.
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
Das ist nun die wahrhafte Enthüllung des ethischen Freiheitswunders. Seine Determinationsweise ist die der Totaldetermination. Indem der Mensch in seinen kostbarsten Intentionswerten diesen Anteil an ihm genießt, ist er der Kausalität und der Finalität, dem Naturgesetz und dem Sittengesetz, sofern es ein allgemeines Sollensgesetz ist, gegenüber frei. Da enthüllt sich als das eigentliche Sittengesetz das Gesetz einer Person als Person, wenn man das überhaupt noch „Gesetz" nennen kann. Diese wahre Freiheit des Menschen, diese Glaubens- und Seinsfreiheit, stört nicht die kausativen und finalistischen Determiniertheiten, aber auch das Umgekehrte kann nicht stattfinden. Die Totaldetermination ist gegenüber Kausalität und Finalität frei, und das ist die wahre Freiheit, wie sie die autonome meontologische Philosophie erkennt. Solange die Sittlichkeit noch gesetzliche Allgemeinheit bleibt, ist sie notwendig formal, und das führt zu dem moralischen Formalismus. Dieser wird durch das bedingende Ist, die bedingende Materialität, Inhaltlichkeit und Existentialität durchbrochen, die sich in der Totaldetermination voll konkretisiert und die Form sozusagen pleromatisch in sich einwickelt, so sehr übersteigert sie ihre Leerheit und Formalität. Die charakteristischen Gebilde dieser anwachsenden Fülle sind die kostbaren Persongeltungen der Intentionswerte gegenüber der fülleärmeren Seinsweise der Wertintentionen. Jedoch hat die Anteilnahme der intimen sittlichen Person (um diesen Ausdruck Schelers zu gebrauchen) gewisse Voraussetzungen. Tugenden sind habituell gewordene sittliche Eigenschaften. Sie sind die ausgebildeten und eingeübten Anlagen zum sittlichen Handeln. Zu ihnen gehört z. B. das Platonische Viergestirn: Gerechtigkeit, Weisheit, Tapferkeit und Beherrschung, das große christliche Dreigestirn: Glaube, Hoffnung und Liebe. Sie alle sind mit ihren mannigfaltigen Abwandlungen Wertintentionen und Intentionswerte, die zu Tugenden werden wollen. Was dabei hilft, daß sich die Werte in Tugenden umsetzen, ist z. B.: Übung in der Pflichterfüllung, der Kampf gegen ungute Neigungen, die Bevorzugung höherer Werte gegenüber den niedrigeren, die freiwillige Übernahme von Verantwortlichkeiten, die Bereitschaft zur Anerkennung von Schuld, die Reue, der Geist der Versöhnlichkeit, das Lauschen auf die Stimme des Gewissens usw. Die königliche Tugend ist die Liebe. Sie steht unter allen Tugenden dem nichtshaften Pleroma am nächsten. Sie beruht nicht auf einem Sich-Einsfühlen mit dem Anderen, sondern erkennt den Anderen als Anderen an. Das hat besonders Scheler gezeigt. Sie gehört also nicht mehr der Vitalsphäre, sondern der Geistessphäre an. Sie kann nicht als Anzeige eines allgemeinen unindividuellen Seinsgrundes aufgefaßt werden, wie das Schopenhauer und Eduard von Hartmann tun. Vielmehr deutet sie auf das dritte Neutrale hin. Alle Kulturbereiche bilden mit ihren Hinweisen auf i h r Letztes besondere Arten der Liebe aus. Dasselbe gilt von der Freiheit, die mit der Liebe eng verwandt ist. So
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kommt die Religion zur agapischen Gottesliebe, die Theoretik zur Liebe der Wahrheit, die Ethik zur Liebe des Guten, die Ästhetik zur Liebe des Schönen, die Soziologie zur Vaterlandsliebe, zur Liebe von Volk und Nation, zur Liebe der Bedrängten und zur allgemeinen Menschenliebe, die sich aber auch in der ethischen und religiösen Sphäre einstellt. In der Vitalsphäre ereignen sich dann die Vorspiele zu diesen Arten der Liebe, und die Erotik ist ein solches Vorspiel. Hier kann sich die intime Persönlichkeit noch nicht so entfalten wie in der Geistessphäre, die das Höhere gegenüber „Gemeinschaft" und „Gesellschaft" ist. J e n e ist der Vitalsphäre zugeordnet, diese wird von Tönnies und Scheler als Grundkategorie der durch Technik und Organisation hervorgebrachten Zivilisation angesehen. Jedoch reicht die Erotik in ihren höchsten Äußerungen in die Geistessphäre hinein. Das stellt nun der sittlichen Persönlichkeit eine Aufgabe, die sie weit von der Lebens- und Geistentfremdung der bloß zivilisatorischen Mechanisierungen der Kultur wegführt, die sie aber zugleich die untermenschlichen Momente in der Vitalsphäre zu überwinden lehrt, die eine Folge des Substanzschwundes durch die schädliche Verwechslung sind. Man braucht j a nur an solche Erscheinungen wie Totemismus, Hypnose, „Affenliebe", Masochismus, massenpsychologische Roboterphänomene, Bewußtseinsspaltung usw. zu denken, die alle der Vitalsphäre angehören, um zu verstehen, welche Aufgaben dem in fortwährender Sinnes- und Herzenserneuerung lebenden intimen Persönlichkeitsich gestellt sind, das die schädliche Verwandlung durchschaut, das in Freiheit herübergewonnen ist auf die Seite des großen Reinen, der den Schaden nicht nur heilt, sondern sogar zu einer Quelle von überfließender Fülle macht, die nur in allerpersönlichster Freiheit geschaffen werden kann. Wie tief das ins Existentielle eingreift, haben wir ja gesehen und brauchen es hier nicht zu wiederholen. Damit beginnt ein ganz neues Leben des Ich auf allen Gebieten, ein neues theoretisches, ethisches, ästhetisches, soziologisches und religiöses Leben des Ich. E s darf nun, wenn auch vorerst nur in erscheinlicher Zeichenhaftigkeit, in all diesen Kulturgebieten ein wirkliches „seliges Leben" im Sinne Fichtes führen. Und die Meontologie ist in dieser Hinsicht wirklich, um mit Fichte zu sprechen, „Anweisung zum seligen Leben". So enthüllt sich der sittliche Weg des Menschen. Der Weg ist die methodos, die Methode. Gut ist, was der ewigen Erneuerung Eintritt verschafft, die Einsicht in die Sinnesänderung und die Bereitschaft zu ihr und das Stehen in ihr. So nehmen alle Tugenden und Tugendwerte am Guten teil. Sogar Franz von Assisi, der in wunderbarer Weise ein übermächtiges Bruder- und Schwesterschaftsgefühl der Sonne, dem Mond, den Sternen und allen Kreaturen entgegentrug (z. B . in seinem „Sonnengesang") und von dem uns Scheler eine herzerhebende Schilderung schenkt, konnte doch diese erotischen, aus der arabisch-proven9alischen Minnebewegung stammenden Elemente der Vitalsphäre (nach Scheler haben sie diesen Ursprung) nicht wahrhaft harmonisch einen mit seiner innigen
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III. Teil. Das meontologisehe Inhaltsproblem
Jesusliebe, die seinem sittlichen Persönlichkeitskern zugehörte, dem die Überwindungsaufgabe gegenüber der Vitalsphäre gestellt ist. Das kommt daher, daß Franziskus, trotz seiner sittlichen Genialität, keine volle Einsicht in das Geheimnis der schädlichen Verwandlung besaß. Deshalb brachen auch in der Bewegung, die er entfachte, die beiden heterogenen Teile, die nur durch seine Person zusammengehalten wurden, alsbald jäh auseinander. Wenn wir nach Indien blicken, indem wir uns auch dabei von der kundigen Hand Schelers leiten lassen, sehen wir wiederum ein andere» Phänomen, das aber auch sehr lehrreich ist für das Thema der Metaphysik der Liebe. Die Tat-twam-asi-Technik (Das bist du!), die Netitechnik (das bin ich nicht, das ist nicht mein Besitz!), wie sie allem Erscheinlichen gegenüber konzentrativ eingeübt werden, und die Yogatechnik, die sogar zur Abschnürung der Schmerzempfindung kommt (wie das möglich ist, muß man auf S. 88 von Schelers Buch über die Sympathiegefühle nachlesen), sie alle haben eine große meontologisehe Entdeckung gemacht, sie schauten das Sein, das wie Nichtsein ist. Aber dabei verfehlten sie, dessen Identität mit dem Pleroma ebenso zu schauen, und deshalb konnten sie nicht zur wahrhaft großen Liebe kommen, die Anliegen des sittlichen Persönlichkeitskernes ist. Damit in Verbindung steht, besonders bei der Yogatechnik, die falsche Richt u n g : vom Leibe weg! a n s t a t t : zum Leibe hin! Durch den Leib hindurch ! Über den Leib hinaus! Wird aber die große Liebe verfehlt, dann schließt sich auch das Tor der Sinneserneuerung, die Einsicht in die Existentialitäten der schädlichen Verwandlungen, das positiv neue Leben bis in die kleinsten Einzelheiten aller fünf Kultursphären hinein, die Beseligung durch den millionenfachen Reichtum der Erscheinungszeichen des wahren „Ansichseienden", die Reinigung, die sogar auf d a s Sein, auf die Zeit, auf das Seiendsein übergreift, die neue Fülle, die n u r einbrechen kann, wenn d i e s e Reinigung vorhergeht. ,,East is East and West is West" gilt nicht mehr, wenn beide durch das MeontischMeontologische geeint werden. Die beiden Seiten dieses Ausdrucks f ü r ein Letztes zeigen den charakterisierenden Beitrag des Westens und des Ostens. 32. Meontologie und Theologie I. Frage nach einer meontologischen
Theologie
Wir möchten die Frage stellen, in welchem Sinne wir von einer meontologischen Theologie sprechen können. Theologie und Religion sind zweierlei. Die letztere ist eine reine Kultursphäre, und sie erstreckt sich in ihrer eigenen Ausmessung. Die Theologie ist eine Mischform von Religion und Theoretik, wie die Medizin eine solche kulturontologische Mischform ist. Das braucht der Religion nicht zum Schaden zu gereichen. Es gibt nützliche und schädliche Mischformen. Jene sind notwendig, diese überflüssig. Es ist oft schwer zu sagen, wo die Grenze zu ziehen ist. Aber selbst, wo die Intellektualisierung der Religion durch die Theologie
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zu weit geht, setzt sich doch die religiöse Wahrheit und Wirklichkeit oft bis zu einem überraschend hohen Grade durch, und es lohnt sich, ihr auch in den allzu sehr intellektualisierten Formen nachzuspüren. Dabei sind die folgenden Momente zu beachten: 1. Die eigentliche Theoretik erreicht ihren höchsten Ausdruck in der Theorie der Theorie, die für uns meontologisches Gepräge annimmt. Sie weist auf die totale Anderheit des Ansich hin, ist aber im Gewände der Formulierung genau so eine bereits phänomenalisierte totale Anderheit wie alle anderen Ontologien der allgemeinen Theoretik und der speziellen theoretischen Wissenschaften. Aber durch ihre Hinzeige-Funktion steht die Theorie der Theorie dem Ansichseienden, dem bedingenden Geiste, am nächsten, und auch das nur in theoretischer Hinsicht. Von den so erfaßten Wahrheiten und Wirklichkeiten vermag Vieles in die Theologie, die Intellektualisierung der Religion, einzufüeßen, und dort zur theoretischen Uneigentlichkeit zu werden, die der Religion in ihrem Eigentlichen dient. 2. Religiöses kann auch in die Theoretik eingehen, ihre Sprache und Haltung färben und verändern. Auch diese Wendung zur Uneigentlichkeit vermag von Nutzen zu sein. 3. Trotz der unsagbaren Verschiedenheit zwischen echter Theoretik und echter Religion, die soweit geht, daß die Sprache Mühe hat, ihr Ausdruck zu geben und dabei immer wieder zu kurz greift, gibt es doch a b s t r a k t e G e m e i n s a m k e i t e n zwischen den beiden Gebieten. Sonst wäre ja auch gar keine Theologie möglich, die zwischen Theorie und Religion vermittelt. Aus allen Gebieten der Theoretik, der Ethik, der Ästhetik und Soziologie treten solche Gemeinsamkeiten in die Religion und die Theologie ein. Eine besondere Gruppe stellt das dar, was ihr von der Theorie der Theorie, also der Ontologie und Meontologie aus zufließt, und in diesem Sinne können wir von einer meontologischen Theologie sprechen. Wir behandeln sie als ein Beispiel, da wir nicht auf alle die ähnlichen Erscheinungen in den anderen Sphären eingehen können. Wir müssen das späteren Einzeldarstellungen überlassen. In der Geschichte von Philosophie und Theologie hat es manche Vorspiele hierzu gegeben. So trat z. B. mit der rationalistischen Philosophie auch eine rationalistische Theologie auf. Knutzen, der Lehrer Kants, vereinigte beide in einer Person. So bildeten sich mit den transzendentalidealistischen, empiristischen und realistischen Philosophien auch die entsprechenden Theologien aus. Die empiristische Theologie legt z. B. den größten Wert auf die Glaubenserfahrung und das religiöse Erlebnis, und das hat zur Theologie des Pietismus geführt. Die Theologien, die nicht das Erlebnis, sondern das Bekenntnis betonten, zeigten ein viel mehr intellektualistisches Gepräge. Auch die Philosophie Hegels hat theologische Schulen ins Leben gerufen, zur rechten und zur linken. Diese Hinweise zeigen, in welchem Sinne etwa wir von einer meontologischen Theologie sprechen könnten, deren Idee im folgenden entwickelt werden soll.
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
Hierbei ist aber folgendes zu beachten: Wir stehen hier vor einer ähnlichen Aufgabe wie K a n t in seiner transzendentalen Dialektik. E s handelt sich um die Aufdeckung eines dialektischen Scheins, der so verführerisch ist, daß man ihm kaum widerstehen kann. Er beruht auf der Verwechslung von eigentlicher und uneigentlicher Theoretik in der Theologie, verbunden mit einer mangelnden Schau der Einzigartigkeit der Religion. Dies ist nicht die einzige Aufgabe einer meontologischen Theologie, aber wohl ihre erste. Da übt sie eine disziplinarische Funktion aus. K a n t enthüllte den dialektischen Schein in der rationalen Psychologie, der rationalen Kosmologie und der rationalen Theologie. Wir wissen, wie verführerisch derselbe war. Für drei Kultursphären war K a n t ein Meister in der Schau der Einzigartigkeit, für die Theoretik, die Moral und die Ästhetik. Er sah da überall das spezifisch Transzendentale, d. h. das die Erfahrbarkeit Bedingende. Er deckte auch den Schein der rationalen Theologie, besonders der Beweise vom Dasein Gottes, auf, aber er sah nicht die Einzigartigkeit der Religion, sondern ersetzte diese durch eine moralistische Deutung. Hier versagte er. Er beging denselben Fehler, den er sonst verurteilte. Er verwechselte und vermischte zwei ganz verschiedene Autonomien und Strukturen. Hier dürfen wir ihm nicht folgen. Kulturontologisches Denken ist auch kultiviertes Denken, und diese Kultiviertheit besteht darin, Einzigartigkeiten schauen zu können, sie nicht miteinander zu vermischen und die Macht der ihnen dienenden kritischen Negativitäten zu kennen, um dann desto besser des unaussprechlichen Reichtums der Wirklichkeit gewahr zu werden. Die Meontologie will zur Schau von Reinheit und Fülle erziehen. Damit verbindet sich dann die anthropologische Sicht des Menschen, die besagt (wir bitten das cum grano salis zu verstehen), daß der Mensch aus lauter phänomenalen totalen Andersartigkeiten zusammengesetzt ist, daß d i e s e die Elemente seines Wesens sind. Dasselbe kann dann von der K u l t u r s e l b s t * ) ausgesagt werden. So viele Andersartigkeiten da sind, so viele Hinweise auf das „Ansichseiende" treten auf, das d i e totale Andersartigkeit par excellence ist. Hier handelt es sich um den Gegensatz von Ansich und Erscheinung, dort um Gegensätze von Erscheinungen. II. Die organisierte Religion Die Religion zeigt das Bestreben, zur o r g a n i s i e r t e n R e l i g i o n zu werden. Wir können uns zwar auch Religiosität ohne das denken, sie kommt vor, ist aber die Ausnahme. Der Drang zur Organisation muß also etwas mit dem Einzigartigen der Religion selbst zu t u n haben. *) Karl Barth gibt folgende Definition der Kultur: Sie ist die durch das Wort Gottes gestellte Aufgabe der in der Einheit von Leib und Seele zu verwirklichenden Bestimmung des Menschen. Barth fügt hinzu, daß die Theologie sich keinen fertigen Kulturbegriff aufdrängen lassen dürfe. Darin hat er ohne Zweifel recht. Aber andererseits kann die Kulturontologie diese Definition nur als eine spezifisch theologische ansehen, neben der ganz andere Definitionen zu recht bestehen.
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Natürlich fließt dabei soziologische Uneigentlichkeit ein. Worum es sich handelt, können wir finden, wenn wir nach dem Wesen des kirchengründenden Prozesses fragen, der ganz anders als das Geschehen ist, das etwa zur Gründung einer Universität führt. Am Anfang steht die Person eines Religionsgründers, wie Buddha, Mohammed, Moses, Jesus. Um ihn gruppiert sich die J ü n g e r s c h a f t , und dieses Wort muß im spezifisch religiösen Sinne verstanden werden. Es würde zu weit führen, hier alle Religionen gleichmäßig zu berücksichtigen. Wir müssen uns auf die Auswahl eines Beispiels beschränken, das uns die Einzigartigkeit der Sphäre am besten zeigt. Da könnten wir uns kein besseres wählen als das der christlichen Religion. So gesehen, ist der Jünger kein bloßer Schüler, sondern ein Bote, ein Missionar, der eine Heilsbotschaft zu überbringen hat. Er wird ausgesandt, um anzuzeigen, daß das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist, daß die Sünden vergeben sind. Er vollbringt auch Heilstaten. Er vertritt die Botschaft mit seiner Person, bis zur Lebensaufopferung. Die Botschaft ist nicht die Verwaltung eines Überkommenen, sondern ein Wort der Gründung eines neuen Glaubens, ein schöpferisches Anfangen. Sie ist aber nicht der Ausdruck einer sachlichen Wahrheit, sondern ein Wort des Lebens. Im letzten Grunde bringt der Jünger in der Botschaft die Person des Meisters und Herrn selbst. Er weist auf ihn als die eigentliche Heilsquelle hin. In all diesem zeigt sich in unübertrefflicher Weise die Einzigartigkeit der Religion, und was es heißt, daß sie eine Autonomie und Struktur für sich ist, durch totale Andersartigkeit im Modus der Phänomenalität von allen anderen Strukturen getrennt. Und es ist auch leicht zu sehen, daß der so angefangene Prozeß zur Kirchengründung führen muß. Schon die naturgewachsene Bildung der Jüngerschaft, die vom Herrn und Meister, dem Religionsgründer angezogen wird wie die Planeten von der Sonne ist der Anfang einer arteigenen Organisation. Dieser Prozeß geht weiter, besonders nach dem Tode des Meisters. Notwendigkeiten stellen sich ein. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Belehrung will befriedigt werden. Das Überlieferte muß aufrechterhalten und erweitert werden. Für die Armen und Notleidenden muß gesorgt werden usw. So bildet sich die Kirche. Wollen wir auch hier einen Ausdruck für das Allerspezifischste finden, das n u r der Religion zukommt und diese Bildung zu etwas ganz Anderem macht, als es etwa eine Schule oder eine autonome soziologische Struktur ist, dann können wir kein besseres Beispiel wählen als die Lehre, daß die Kirche nicht die atomistische Aufsammlung von Gläubigen ist, auch kein religiöser Verein, der zu Zwecken der Erbauung zusammenkommt, sondern der Leib des Christus selbst, an dem er das Haupt und die Gläubigen die Glieder sind. Und dieses organistische Geheimnis kann dann in der Auslegung seinen ganzen Reichtum entfalten. Wir sagten, daß die Sprache Mühe habe, das Einzigartige der Religion auszudrücken. Am leichtesten gelingt das da, wo wir auf die Selbstausdrücke der Religion in dieser Beziehung stoßen, und hier haben wir ein Beispiel davon. 16 S a m u e l , Ontotogie
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Hiermit hängen dann noch einige andere Zentralbegriffe zusammen, die das ausschließliche Eigentum der Religion darstellen und von denen folgende angeführt werden sollen: Zuerst der Begriff der O f f e n b a r u n g . Nach jüdischer Lehre empfing Moses die Offenbarung. Etwas Ähnliches lehrt der Mohammedanismus. Das Christentum geht auch hier einen Schritt weiter, und gerade in Richtung der spezifischen Religionsstruktur: Nach ihm i s t Christus geradezu die Offenbarung selbst. Wir sehen: es ist ein ontologisch-existentieller Schritt. Im allgemeinen ist der Religionsgründer der Mensch, der ein einzigartiges Verhältnis zu Gott besitzt. Ist Religion das fraglose Anfangen mit Gott durch den Glauben, dann ist der Religionsgründer die Person, die ein neues Wort, eine neue Mitteilung, eine neue Botschaft, eine neue Offenbarung von Gott erhält, und das alles hebt ihn von den anderen Menschen ab und setzt ihn in ein Gegenüber zu ihnen, die entweder die Botschaft annehmen oder ablehnen. Im religiösen Sinne heißt Offenbarung: Gott redet, Gott manifestiert sich, Gott gibt sich kund. Offenbarung Gottes ist im religiösen Sinne Selbstoffenbarung Gottes. Wenn wir in der ontologischen Theoretik sagen, daß der Mensch unter Eindrücken vom Ganzen und Letzten her steht, dann ist das ein total anderer Begriff als der der religiösen Offenbarung. Hier haben wir es schon mit einem dialektischen Schein zu tun. Die Verführung ist groß, weil eine äußere und abstrakte Ähnlichkeit vorhanden ist. Unser Verstand neigt zur Nivellierung, wie die Sprache*), die bezeichnen muß, dazu neigt, das Zeichen mit dem Bezeichneten zu verwechseln. Echte Theoretik weiß um totalistische Eindrücke, die eine Notwendigkeit der Erfahrungstheorie sind. Aber das hat nichts mit religiöser Offenbarung zu tun, und gerade deshalb darf auch das „Wort Gottes", die Manifestation und Offenbarung Gottes nicht so umschrieben werden: sie sei der Ruf an den Menschen von der Ganzheit her, unter deren Eindrücke er gestellt sei, denn Gott ist kein Natur-Ganzes. Solche Grenzüberschreitungen dienen weder der Religion noch der Theoretik. In der Religion beginnt so der Götzendienst, der es nicht mehr mit dem wahren Gott zu tun hat, und in der Theoretik die Hypostase, die die echte theoretische Eigentlichkeit preis gibt. Beides muß also sorgfältig auseinander gehalten werden und auf jeden Fall getrennt bleiben. Erst dann kann ein Verstehen der Theoretik und der Religion aufgebaut werden. Der gesunde kritische Sinn ist der Weg zur positiven Einsicht. Ein zweiter Begriff, der mit dem der Offenbarung eng zusammenhängt, ist der der Inspiration. Nun ziehen wir den Kreis, aus dem wir unser Beispiel schöpfen, n o c h etwas enger. Wir greifen hier auf die protestantische Theologie zurück. Wir könnten am Römischen Katholizismus etwas Ähnliches aufweisen, aber der Protestantismus scheint uns ein besseres Beispiel zu sein, sofern es sich um das Allerspeziellste *) W'hitehead schreibt: „Philosophy is the attempt to express the infinity of the Universe in terms of the limitations of language". Er sieht also klar, daß die philosophischen Möglichkeiten der Sprache eingeschränkt sind.
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der Religion handelt. Jener versteht die Inspiration im Sinne des „reformatorischen Schriftprinzips". Das braucht durchaus nicht im Sinne einer Verbalinspiration aufgefaßt zu werden, die in einer falsch verstandenen Theoretik in der Intellektualisierung zu weit geht. Gemeint ist einfach, daß der religiöse Mensch sich im biblischen Wort von Gott angesprochen weiß*). Schon der Religionsgründer ist im spezifischen Sinne der von Gott Inspirierte. Im Propheten redet der Geist Gottes, und so war das erst recht bei Moses der Fall. Er sah sogar Gott von Angesicht zu Angesicht, wodurch er über das Prophetentum erhoben wurde. Die christliche Lehre t u t auch hier den existentiellen Schritt und zeigt darin unübertrefflich, was eigentlich Religion sei, wenn sie lehrt, Jesus Christus sei die Inspiration selbst, wie auch die Offenbarung selbst, das Wort, der Logos Gottes, das Wort, das Fleisch wurde, der Sohn, der Mensch wurde. Allerdings kann hier die philosophische Logoslehre des Philo alles religiöse Eigengut zerstören, wenn sie in diese Lehre hineingetragen wird. Aber das kann vermieden werden, und dann zeigt allerdings die christliche Lehre von der Offenbarung, von der Inspiration, vom Wort Gottes mehr als alle anderen, was eigentlich Religion ist. Das Wort erscheint als sich offenbarendes Wort, als Fleisch gewordenes Wort und als geschriebenes Wort. Wenn dann, gemäß dem Schriftprinzip gesagt wird, im geschriebenen Wort fühlt sich der Fromme von Gott selbst angesprochen, dann hat das gerade in diesem Zusammenhang einen solchen urwüchsigen Sinn, wie er n u r der Religion zukommt, der mit dem zu vergleichen ist, was über den „Leib des Christus" gesagt worden ist. Die anderen Sphären können das weder beweisen noch widerlegen. Sie haben sich jedes Urteils zu enthalten, denn hier gilt die Richtschnur: nur an der Frucht wird der Baum erkannt. Nur in dem, was diese Erwartung, von Gott durch das geschriebene Wort angesprochen zu werden (sofern es im Zusammennang mit den beiden anderen Offenbarungsweisen steht), im Gläubigen auszurichten vermag, hat dieses geschriebene Wort seine rein religiöse Rechtfertigung. Hier entspringt ein neuer dialektischer Schein, vor dem die meontologische Theologie warnen muß. In den anderen Kultursphären wird auch vielfach von Inspiration, Eingebungen u. dgl. gesprochen, besonders in der ästhetischen Sphäre. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber es hat einen ganz anderen Sinn. Deshalb beweisen alle Versuche, die Religionsgründer oder auch die Propheten und Apostel als r e l i g i ö s g e n i a l e M e n s c h e n zu verstehen, daß die Erkenntnis der autonomischen Sonderstruktur der Religion verfehlt wurde. Nach dem Zeugnis der Religion selbst (wie es zum Beispiel in Kierkegaard zum Ausdruck kam), ist ein Apostel kein Genie. Dieses schöpft aus sich selbst, der Apostel steht aber *) „Ich bin's, der mit dir redet" ist ein Spruch von echt religiöser Färbung. Er enthält eine ganze Fülle religiöser Bedeutsamkeiten in sich, und es ist schade, wenn der Auslegungsversuch diese antastet und zerstört. Das kann sehr leicht geschehen. Denn er ist voll von zartestem Leben. 16«
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wie ein Kind vor der Schultafel und buchstabiert die darauf gesehene Schrift. Wiederum haben wir hier einen charakteristischen Ausdruck für ein Unterschiedsmerkmal der Religion selbst. Es kann nicht ausbleiben, daß durch die falsche Genialitätstheorie auch die Ästhetik beschädigt wird, weil einer ihrer Hauptbegriffe verwässert wird. Besonders war auch Jesus etwas ganz Anderes als ein Genie. Aber auch der Philosoph erfreut sich gewisser Eingebungen und so auch der Einzelwissenschaftler. Vielleicht kommt keine echt theoretische Erfindung oder Entdeckung ohne eine solche Eingebung zustande. Auch hier erhebt sich ein verführerischer dialektischer Schein. Die theoretische Eingebung darf nicht im entferntesten in Verbindung mit religiöser Inspiration gebracht werden. Beide haben absolut nichts miteinander zu tun. Wir haben gesehen, daß in der Sphäre der Theorie die Zugehörigkeit des Ich zum Meontisch-Meontologischen weder durch Autonomie noch durch Heteronomie ausgedrückt werden kann, und das gilt aus reinen Notwendigkeiten der Erfahrungstheorie. Wird aber die religiöse (und in diesem Fall auch die ethische) Theoretik, die an und für sich schon uneigentlich ist, in eine Uneigentlichkeit zweiten Grades in der echten Theoretik verwandelt, dann ergibt sich eine heteronome Beziehung des Ich zum bedingenden Geist, womit sich der zweite dialektische Fehler verbindet, diesen einfach mit dem ontisch seienden Gott zu identifizieren. Das ist ein ganzes Gewebe von dialektischem Schein. Und doch gibt es wahre Eingebungen des Ich vom bedingenden Geiste her in der theoretischen Sphäre. Aber wir sehen, wie unsagbar anders sie sind als die religiösen Inspirationen. Was in der Theoretik phänomenal als echte Eingebung in der Zeit erscheint, ist ja auch im dritten Neutralen, das Erfüllendes zu Zeit und Zeitlosigkeit ist, etwas total Anderes, und hier sehen wir klar, wie vollkommen dabei der religiöse Inspirationsgedanke ausgeschaltet wird. Dieser kann weder über das Zeitproblem noch über irgend etwas anderes Theoretisches eine Belehrung bringen, weil es ihm ganz fern liegt, etwas zur Erfahrungstheorie zu sagen. Wenn wir aber auch nur die Begriffe bedenken, die wir oben gebraucht haben, um das Spezifische der Religion zu bezeichnen, dann sehen wir, daß die religiöse Eingebung in sich selbst der Religion in ganz anderer Weise dient; und das genügt. Es gibt theologische Schulen, die Religion und Offenbarung in einen kategorialen Gegensatz setzen. Die Offenbarung, so sagen sie, ist der Griff Gottes nach dem Menschen, die Religion der Griff des Menschen nach Gott. Das führt nicht immer so weit, das Wort „Religion" überhaupt auszuschalten und nur von Offenbarung zu sprechen. Denn wenn auch die eigene Tat die Tat Gottes nicht stören darf, so reagiert doch der Mensch auf Gottes Einfluß, und in diesem Prozeß bringt er die Religion hervor. Aber wenn der theologische Theoretiker selbst unter diesem Zugeständnis seine Formulierungen, die doch nie frei von Zufälligkeiten sind, ohne weiteres mit der Offenbarung selbst identifiziert, dann hat er bereits Gott entthront und sich, den Menschen, dem er dann dient,
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auf den Thron gesetzt. In allen fünf Sphären ist das Letzte ein stummer Hinweis auf etwas Unsagbares. Der Rest ist Schweigen. Aber in ihm ereignet sich das Entscheidende. Die eben erwähnten theologischen Schulen machen aus dem kategorialen Gegensatz in höchster Verfeinerung des dialektischen Scheins eine Eigentat. Als letztes Beispiel möchten wir die reformatorische Rechtfertigungslehre anführen. Sie folgt dem Apostel Paulus, dem in besonderer Weise die Erfassung des religiösen Eigengutes gelungen ist. Sein gesetzesfreies Evangelium hat eine Schranke gezogen zwischen dem autonomen Moralismus und der wahren Religion und hat so beiden Sphären einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Die Rechtfertigung des Menschen aus reinem Glauben, die die Gerechtigkeit Gottes, die Attribut Gottes ist und bleibt, dem Menschen durch den Glauben an Christus anrechnet, auf Grund der Tat Gottes und nicht des Menschen, formuliert in arteigener Weise das religiöse Gut, wie der sündige Mensch zu einen gnädigen Gott kommt, der ihm das Heil der Vergebung zuwendet. Keine andere Kultursphäre vermag so etwas zu sagen und zu geben. Was hier dargeboten wird, nimmt seinen eigenen Lebens- und Seinsraum ein. Die geringste Verletzung der Artstruktur führt zur vollkommenen Verkennung der Lehre. Es gilt von allen Strukturen, daß sie sehr empfindlich gegen äußere Eingriffe sind, hier aber besonders. Vor allem muß diese Lehre gegen den Eingriff der Ethik geschützt werden. Diese zeigt einen ganz anderen Weg, wie ein Mensch zur Gerechtigkeit gelangt. Es ist nicht so, als ob nur einer der beiden Wege recht haben könnte, sondern beide Wege sind phänomenalisierte totale Anderheiten in zwei Sphären. Die ethische geht von ganz anderen Voraussetzungen aus, vor allem von der Autonomie des auf sich selbst gestellten Ich. Schon für die Theorie der Theorie gilt das nicht mehr, wie viel weniger für die Religion. Die Unvermischbarkeit der Sphären hindert zwar nicht, daß sie aufeinander bezogen sind, wenn diese Beziehung zunächst auch rein negativ und kritisch ist, als Beziehung der Trennung. Das gilt aber nur solange sie sich in wenigen Abstraktismen ausspricht. Vermehren sich diese, ja werden sie zu einem Pleroma abstraktischer Beziehungen, dann erscheinen concretissima. Es sind die Hinweise auf das allen Sphären gemeinsame vorverordnete „Ansich". Das ist auch der Fall bei dem Unterschied, wie der sittliche Mensch durch den Gehorsam gegen das fordernde Sittengesetz gerecht wird, während der religiöse Mensch die Rechtfertigung durch den Glauben an die im Heiland vollbrachte Heilstat erlangt. Die Theorie der Theorie kann beide Wege bis zu letzten Hinweisen auf das „Ansich" verfolgen. Jedoch kann diese konkrete Gemeinsamkeit weder in Ethisches noch in Religiöses verwandelt werden, ohne ihre Eigentlichkeit zu verlieren. Der ethische Mensch und der religiöse Mensch müssen ihren Weg getrennt gehen. Weiterer dialektischer Schein entspringt aus dem Umstand, daß die Rechtfertigungslehre an und für sich etwas Meontologisches an sich zu tragen scheint. Wenn wir dasselbe von einem naturwissenschaftlichen
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Phänomen sagen können, dann ist die Situation eine andere, weil es sich da um zwei Unterarten derselben theoretischen Sphäre handelt. Aber selbst hier können Bedingungen eintreten, die fordern, die Unterschiede der Unterarten so ähnlich zu behandeln wie die Sphärenunterschiede, also den Unterschied zwischen Philosophie und Naturwissenschaft im Lichte der totalen Anderheit zu sehen. Die abstrakte Gemeinsamkeit zwischen Rechtfertigungslehre und Theoretik besteht nun darin, daß der Glaube im Sinne dieser Lehre denselben Charakter des „Seins"-wie-Nichtseins zu zeigen scheint wie das Sein des bedingenden Geistes. Die Glaubenslehre warnt vor den Stützen der Sichtbarkeit. Das Gesetz hat es mit „Weltelementen" zu tun, der Glaube mit lauter Aufgehobenheiten von Seiendem. Das scheint hier das Meontologische zu sein. Jedoch dient das „Sein"-wie-Nichtsein der bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt, womit es der religiöse Glaube nicht zu tun hat. Schon deshalb kann er nicht durch ,,Sein"-wie-Nichtsein charakterisiert werden. Seine produktive „Unsichtbarkeit" ist von ganz anderer Art. Ein Parallelismus liegt vor. Aber er gilt von zwei totalen Anderheiten. „Gnade" ist etwas ganz Anderes als die mit der Erfahrungsmöglichkeit verbundene Wahrheitserkenntnis. Formale Ähnlichkeiten bestehen auch zwischen der christlichen Gottesidee und der Meontologie. Gott wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann. Er ist ein verzehrendes Feuer. Schon im Alten Testament wird bezeugt, daß es lebensgefährlich ist, Gott zu sehen. Gott muß Moses selbst vor dieser Gefahr schützen, wenn er ihm erscheint. Er muß ihn in eine Kluft stellen und ihn bedecken. Gideon wunderte sich, daß erden Herrn gesehen habe und doch nicht gestorben sei. Dementsprechend lehrt die Dogmatik, daß Gottes Offenbarung auch immer Verbergung ist und umgekehrt. Selbst der Gottesname „Jahwe" hat existentiell-ontologisches Gepräge. „Ich bin, der ich bin", was auch futuristisch verstanden werden kann: „Ich werde sein, der ich sein werde". Die darin enthaltene Tautologie ist als Namensoffenbarung zugleich Namensverweigerung*), Enthüllung und Verhüllung in einem. Hier scheint tatsächlich ein ,,Sein"-wie Nichtsein zu walten. Offenbarung, die Verborgenheit bleibt, Verborgenheit, die auch Offenbarung ist, scheint wie das konkrete Nichts zu sein, das Hülle der Fülle ist. Und so auch die tautologische Namensoffenbarung, die zugleich Namensverweigerung ist. Die formalen Ähnlichkeiten liegen tatsächlich vor. Sollen wir nun deshalb sagen, daß diese religiösen Phänomene ein meontologisches Gepräge zeigen ? Wir müssen damit vorsichtig sein. Denn in der Theoretik zielen die meontologischen Züge auf das dritte Neutrale ab, um der Erfahrungstheorie willen, und das kann ganz bestimmt nicht in die Theologie übertragen werden. Es würde die Gottesidee sprengen. Wenn wir überhaupt vom meontologischen Charakter von Religion und Theologie sprechen wollen, so müssen wir uns dabei bewußt sein, daß diese Meontologie eine ganz andere Funktion ausübt als die der Theoretik. Da hier*) Das wird von Karl Barth betont.
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bei die Unterschiede größer sind, als die Ähnlichkeiten, empfiehlt es sich, von dem Wort „meontologisch" überhaupt keinen Gebrauch zu machen, sondern einen anderen Ausdruck zu wählen, ohne die formalen Ähnlichkeiten zu übersehen. Sie könnten in anderem Zusammenhang bedeutsam werden, nämlich da, wo die Abstraktismen selbst zum Pleroma werden. Im ersten Kapitel des Römerbriefes kritisiert der Apostel Paulus die griechische Kultur und die jüdische Religion*). Er wirft jener einenheißen und dieser einen kalten Krieg gegen Gott vor. Er stellt eine lange Liste von Lastern auf, an deren Spitze die Homosexualität steht, die im Griechentum eine staatliche Institution geworden war. Er findet die Ursache der sittlichen Pervertierung in einer religiösen Pervertierung, und auf diesen Zusammenhang kommt es uns hier an. Diese findet im innersten Gottesdienst der Seele statt, im Grundverhältnis des Menschen zu Gott. Die Griechen haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in allerhand Kreaturenbilder verwandelt, des vergänglichen Menschen, der Vögel und der vierfüßigen und kriechenden Tiere. Diese schädliche Verwandlung, Vermischung, Verwechslung, Vermengung und Vertauschung wird auch noch in einer zweiten Form zum Ausdruck gebracht : Die Griechen haben die Wahrheit Gottes in die Lüge verwandelt und haben das Geschöpf geehrt und ihm gedient mehr denn dem Schöpfer. Deshalb hat sie Gott in schändliche Lüste dahingegeben, sie haben ihre eigenen Leiber an sich selbst geschändet, und sie haben das natürliche Verhältnis der Geschlechter in einer Weise pervertiert, die eine analoge Verwandlung ist zu der ersterwähnten. Beide verhalten sich wie Ursache und Wirkung und zeigen Entsprechung der Form. Die Griechen hätten Gottes unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft und Gottheit an den Werken der Schöpfung erkennen können. Aber ihr werthaftes Verhältnis zu Gott war nicht das der Dankbarkeit, und weil es am Danken fehlte, mangelte es auch an Denken. Deshalb sind sie in ihrem Dichten eitel geworden, und ihr unverständiges Herz hat sich verfinstert. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden, indem sie die schädliche Verwandlung begingen. Sie haben die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufgehalten, und deshalb ist Gottes Zorn vom Himmel her über sie gekommen, als eine Zornoffenbarung nach einer vergeblichen Naturoffenbarung. Nun aber ist die Zeit für die Gnadenoffenbarung gekommen. Aber die Juden können hierin keine Rechtfertigung ihrer religiösen Existenz sehen, denn sie haben dasselbe wie die Griechen auf andere, gewissermaßen auf kalte Weise getan. Es ist der Weg des Pharisäertums. Es eignet sich an, was Gott gehört, seine Ehre und seinen Ruhm, unter dem Schein, ihn zu ehren, ehren sie nur sich selbst. Das ist auch Diebstahl, Ehebruch und Götzendienst. Das ist dieselbe schädliche Verwandlung wie die der Griechen, nur nicht in derselben Form. Daraus folgen feinere Perversionen des Herzens, von denen die Bergpredigt so viel zu sagen weiß. Deshalb wird um ihretwillen Gottes Name gelästert unter * ) Wir reproduzieren hier die Paulinische Kritik, ohne dazu Stellung zu nehmen.
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den Heiden. Die schädliche Verwandlung macht Heiden u n d Juden reif für die Gnade, die in Christo erschienen ist. Die Frage, die wir hier erheben, ist die folgende: Auch die Meontologie kennt eine schädliche Verwandlung und Verwechslung. Ansich und Erscheinung, das Bedingende und das Bedingte, das Sein und das Seiende usw. werden miteinander verwechselt und vermischt, und daraus entspringen Irrtümer und sogar Kräfte der Lüge. In welchem Verhältnis stehen die beiden Verwandlungen zueinander ? Sind sie identisch ? Das kann nicht sein, obwohl sie sehr ähnlich sind. Zunächst sind sie auch nur wieder eine abstrakte Gemeinsamkeit der beiden Sphären. Oder ist es etwa so, daß Paulus in seiner Theologie diese Vertauschung entdeckt hat, die mit dem religiösen Leben auch das ethische der Griechen (und aller Menschen überhaupt, die die Verwandlung begehen) bedroht, daß er aber nicht, infolge seiner ontischen theologischen Gebundenheit, weit genug ging, nicht bis zu den existentiellen Extremen, die rein meontologisch gesehen werden und die allein in dieser religiös-ethischen Not wirkliche Hilfe zu bringen vermögen ? Das kann auch nicht sein, weil es die einseitige Auffassung der Theoretik wäre, die in dieser Weise Kritik an der Religion übt (sie zu einer Vorstufe der Meontologie macht), ohne die totale Anderheit der Religion gebührend zu berücksichtigen. Paulus ist wirklich bis zum Extrem gegangen, aber in der Richtung, die der Religion eigen ist. Dem religiösen Menschen kann dadurch wirklich geholfen werden, und diese Lehre kann ihm zum Heil und zur Heilung dienen. Ist das nicht der Fall, dann mag es daran liegen, daß in einem solchen Menschen die theoretische Tendenz die religiöse überwiegt, und dann könnte ihm die Meontologie tatsächlich besser helfen. Diese geht in der theoretischen Richtung zum Extrem und sagt in ethischer Uneigentlichkeit etwas aus, was stärker zu sein vermag als die ethische Eigentlichkeit. Der Geistesaustausch zwischen den Sphären ist voll von solchen Paradoxien. Werden die schädlichen Verwechslungen abgestellt, die zur Erfahrungstheorie gehören, so kann das auf das Ethos eines Menschen die größte Wirkung ausüben. Die anthropologische Schau der Meontologie ist mit einem effektiven Ethos verbunden. III. Religion und Naturwissenschaft Ähnlich und doch wieder anders ist das Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Religion. Jene gehört derselben Sphäre an wie die Meontologie, aber es gibt naturwissenschaftliche Auffassungen, die die Naturwissenschaft gegenüber der Philosophie fast als eine andere Spezies ansehen. Es sind besonders diejenigen, die in den Annahmen jener bloße Arbeitshypothesen sehen, die einem Relativismus und Skeptizismus huldigen, der dem Menschen die Erkenntnis der physikalischen Realität versagt. Unter diesen Voraussetzungen stellt die Naturwissenschaft eine phänomenale totale Anderheit gegenüber der Meontologie dar, und es kommen auch noch andere Fälle ähnlicher Art vor. Dann wäre also auch bei der Naturwissenschaft in jedem Falle festzustellen, was sie eigentlich
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im Unterschied von der Meontologie sagen will. Erst recht existiert dann ein Artunterschied zwischen Naturwissenschaft und Religion. Einige Naturwissenschaftler werfen der Religion vor, sie sei auch heute noch ein übrig gebliebener Rest mythologischen Denkens und Fühlens. Das ist aber nicht richtig. Die Mythologie ist eine urgeschichtliche Mischform. Die Religion hat sich von ihr genau so gut getrennt wie die anderen Sphären. Die Mythologie war Wissenschaft, Moral, Religion, Ästhetik und Soziologie in einem. Der Sinn und die Tendenz der Kulturgeschichte besteht in der sich vollziehenden Loslösung, so daß die Sphären allmählich rein hervortreten und zu neuen Mischformen führen, die nicht mehr urgeschichtlich sind, wie die Medizin und die Theologie. Der Prozeß geht weiter, er ist noch nicht vollendet. Aussagen über die Natur sind in der religiösen Sprache nie loslösbare Naturwissenschaft, sondern eine Bewegung-zu-einem-Anderen-hin, und das Ziel ist das Heil der Seele. In diesem Sinne spricht die Bibel ganz naiv vom Sechstage-Werk Gottes, dessen zeitliches Nacheinander zudem auch ein symbolisches Zueinander ist. Denn der erste Tag ist auf den vierten bezogen, der zweite auf den fünften, der dritte auf den sechsten. Aus diesem Grunde erscheinen auch die Pflanzen nicht vor der Schöpfung des Lichts, aber vor der der Lichtträger. Wenn man will, kann man darin sogar schon eine Ahnung der Zeit-Perichorese sehen, aber nur im Sinne einer formalen Ähnlichkeit, die man nicht allzu sehr betonen soll. Man darf diese von prophetischem Geist durchzogene Schöpfungsgeschichte nicht mißverstehen. Naturwissenschaftliche Einwände dagegen sind gar nicht angebracht, wenn wir die totale Andersartigkeit der Religion nicht aus den Augen verlieren. Ebenso verkehrt ist es, wenn die Theologie es versucht, diese Prophezeiung über die Schöpfung mit der Naturwissenschaft zu „versöhnen", etwa dadurch, daß sie sagt, mit den Tagen seien lange Zeitperioden gemeint, während der prophetische Zeuge doch ganz klar an Tage von 24 Stunden gedacht hat. Hinzukommt, daß es im zweiten Kapitel der Genesis noch einen ganz anderen Schöpfungsbericht gibt, der naturwissenschaftlich dem ersten widersprechen würde, wenn es sich überhaupt um Naturwissenschaft handelte, was aber nicht der Fall ist. Im Lichte der Einzigartigkeit der Religion dagegen vertragen sich die beiden Berichte sehr gut miteinander, und beide zusammen sagen, daß der Schöpfergott auch der Heilsgott ist, eine spezifisch religiöse Aussage, die für die echte Religion von großem Wert ist. Wenn also schon die Naturwissenschaft oft etwas ganz Anderes ist und meint als die theoretische Philosophie (obgleich es sich um zwei Unterarten handelt), wie viel mehr wird das gegenüber dem Unterschied von Naturwissenschaft und Religion der Fall sein, der doch ausgesprochen spezifisch ist. Die Naturwissenschaft hat es ja auch immer nur mit der Erscheinung in Kette und Komplex zu tun, nie mit dem echten Ansich. Sie kennt nur ein relatives Ansich. Allerdings zeigt sie viele Hinweise auf das Ansich. Die Meontologie ist wie alle Philosophie als Formuliertes auch nur phänomenale totale Anderheit mit Hinweis auf das Ansich, aber sie steht diesem
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näher und vermag innerhalb der Erscheinung das echte Ansich relativ am besten zu vertreten, soweit reine Theorie in Frage kommt. Solche relativ besten Vertreter für die anderen Ausmessungen gibt es in a l l e n Sphären: es ist eine bestimmte Ethik, eine bestimmte Ästhetik, eine bestimmte Soziologie, eine bestimmte Religion. Das „Beste", für das eingestanden wird, istaber in jedem Falle etwas total Anderes. Nicht diejenige ist die beste Religion, deren uneigentliche Theoretik die beste im Vergleich mit der eigentlichen ist, und so mit dem Ethischem und allem anderen; sondern diejenige, deren Eigentümlichkeit die beste für das spezifisch Religiöse ist in seinem arteigenen Hinweis auf das große Unbekannte. Von der Schau dieses Spezifischen hängt dann die Entscheidung ab, welche Religion wir, als Theoretiker, als die beste ansprechen werden. Eine unabhängige Entscheidung vermag der religiöse Mensch selbst zu fällen. Die Übereinstimmung der beiden Entscheidungen würde sehr für die Wahrheit der Entscheidung sprechen. So könnte es vorkommen, daß eine schlechtere Religion (im Sinne des wahren Maßstabs der totalen Anderheit) sich zum Wissenschaftlich-Theoretischen besser schickt als eine bessere Religion, die das Spezifische und seine konkrete Erscheinungsgrenze besser vertritt. Aber es braucht das nicht zu sein. Beste Eigentümlichkeit und beste Uneigentlichkeit können in einer historischen Kulturerscheinung auch zusammenkommen. IV. Das Meontische in der Religion Das Vorstellungsleben der Religion ist ontisch betont. Gott ist wesentlich der Seiende. Am Sein hat die Religion kein Interesse und so auch die Theologie nicht. Höchstens wird das Seinsproblem durch die Hellenisierung in die Theologie hineingetragen. Dennoch ist es sinnvoll zu sagen und bringt einen Fortschritt des Verstehens mit sich, daß Gott als der Seiende weder ontisch noch ontologisch noch meontologisch ist, sondern meontisch. Aber das ist nur ein Zweitbestes. Das Beste wäre, eine solche Bestimmung überflüssig zu machen, wenn die Theologie der schlichten Religion diente, ohne Hellenisierung und andere Intellektualismen. Da das aber nicht der Fall ist, erlangt die erwähnte Bestimmung unter den gegebenen Umständen eine beachtenswerte Geltung. Denn die Theologie bewegt sich mehr in Kategoriaten als in Kategorien. Das hängt mit dem Wesen der Religion zusammen und würde nur dann ein Nachteil sein, wenn sie eine Konkurrentin der Theoretik wäre, was nicht der Fall ist. Natürlich treibt die Theologie auch Ontologie, z. B. in ihrer Essenzenlehre und ihrer Lehre von den Eigenschaften und Attributen Gottes. Aber selbst da bleibt sie unter dem ontischen Akzent. Das Wort „meontisch" ist also noch immer am besten geeignet, das Wesen der Theologie zu kennzeichnen, sofern sie der Religion dient und auch sofern sie überintellektualisiert ist. Jedoch ist daran festzuhalten, daß „meontisch" in der Theologie uneigentliche Theoretik darstellt. Aber auch unter den Uneigentlichkeiten, den Anwesenheitszeichen von anderen Sphären in der Theologie, gibt es ein relativ Bestes, das den anderen vorzuziehen ist.
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Etwas Ähnliches würde gelten, wenn in der Trinitätslehre gelehrt würde, daß die drei „Personen" in der Dreieinigkeit meontisch seiend sind und daß dabei zugleich in der zweiten Person das ontologische Sein, das Sein des Logos, angelegt sei. Die „Fleischwerdung" und die „Menschwerdung" würde dann den Übergang in das Ontische und Ontologische darstellen. Jedoch ist auch diese uneigentliche Theoretik nur eine relative Verbesserung der Hellenisierung und kann so unter Umständen von Nutzen sein. Das Beste wäre aber die Abschaffung der Hellenisierung und die Schöpfung einer Dogmatik, die so schlicht wäre wie die Religion selbst — in theoretischer Beziehung. In anderer Hinsicht könnte sie s e h r verfeinert sein, so daß ihr keine andere Sphäre in d i e s e r Beziehung (nämlich der rein religiösen) gleichkommen könnte. Die dritte Person der Trinität, der Geist (nicht der Geist, den Gott h a t , sondern der Geist, der Gott ist) würde dann die Seinsweisen des Sohnes fortführen und vollenden. Er als der meontisch Seiende würde in seiner Offenbarung meontisch-meontologisch sein. Damit wäre denn auch dieser Begriff zur theologischen uneigentlichen Theoretik gelangt. Es ist kennzeichnend, daß sich das beim G e i s t ereignet. Die Seinsweisen des Sohnes, des Logos, würden hier zur völligen Vereinigung gebracht. Natürlich ist der Geist als dritte Person der theologischen Dreieinigkeitslehre etwas Grundanderes als der bedingende Geist der Erfahrungstheorie, der auf das dritte Neutrale hinweist. Wie weit dabei ein Geistesaustausch stattfindet, der in der ersten Sphäre uneigentliche Religiosität, in der fünften uneigentliche Theoretik schafft, bleibt eine offene Frage. Auch hängt das von der persönlichen Haltung des Denkers und des Glaubenden ab. Beide können sich diesen Einflüssen hingeben oder entziehen, und beides kann unter Umständen zum Nutzen oder zum Schaden einer verantwortlichen Haltung in den beiden Sphären ausschlagen. Vermischung auf der einen, Verarmung auf der anderen Seite könnten in beiden Kulturgebieten zur Gefahr werden. F. Das
Trinitätsproblem
Die christliche Theologie versteht das Sein Gottes als trinitarisch und sein Offenbaren als christologisch. Beides erfaßt das Wesen des Religiösen besser als die abstrakte Einheit der unitarianistischen Religionen, zu denen z. B. das Judentum und der Islam gehören. Schon Hegel hat die konkrete und lebendige Einheit des Trinitarianismus der abstrakten und toten Einheit des Unitarianismus entgegengestellt. Das gilt, obwohl in der klassischen Trinitätslehre der philosophische Hellenismus ein Übergewicht angenommen hat, das dem rein Religiösen zum Schaden gereicht. Die einfachste Formulierung der Trinitätslehre ist die, daß Gott-Vater der eine unteilbare Gott sei, sofern er der ursachlose Anfang alles Seins sei, der Liebende, der den Sohn in Ewigkeit zeugt. Gott-Sohn ist derselbe eine unteilbare Gott, der auch das Wort Gottes heißt, der sich Offenbarende, der in Ewigkeit Gezeugte, der Mittler-Heiland, durch den die
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
Welt geschaffen ist und das Heil vollbracht wird. Gott-Geist ist derselbe unteilbare Gott, der Erfüller und Vollender, der sich selbst Versiegelnde, das Ende und Ziel aller Dinge. Er ist der Erbauer, Führer und Lehrer der Gemeinde. Er ist der Tröster der Gläubigen. Er verklärt den Logos in den Herzen der Frommen. Es ist derselbe eine Gott, der sich in dreifacher Weise offenbart. Seine Offenbarungsweisen sind aber nicht Modi, sondern „Personen", im Sinne der Antike verstanden. Der Tritheismus wird ebenso abgewehrt wie der Modalismus. Die christliche Lehre ordnet nun besondere Appropriationen den drei Personen zu; so die Schöpfung dem Vater, die Versöhnung dem Sohn, die Vollendung dem Geist. Die Welt ist durch den unteilbar dreieinigen Gott geschaffen, aber dennoch ist die Schöpfung eine Appropriation in bezug auf den Vater. Diese Situation rechtfertigt die Wahl dieses besonderen Wortes. Dasselbe gilt von den beiden anderen Appropriationen. Diese Lehre führt zu der Erweiterung, die das „vestigium trinitatis" heißt; Spuren der Trinität scheinen sich in allen Kulturgebieten zu finden. Die größten Theologen sind von diesem Thema angezogen worden. Der Raum hat drei Dimensionen, die Zeit drei Modi. Der Dreiklang in der Musik, die drei Grundfarben in der Optik, die logisch-grammatische Struktur des Satzes, der aus Subjekt, Prädikat und Objekt besteht, die drei Grundvermögen der Seele, Erkennen, Wollen und Fühlen, unzählige Dreiheiten in den Götterlehren anderer Religionen*) wurden als solche Spuren der Dreieinigkeit (vestigia trinitatis) angesehen. Aber alle diese Daten können ebensogut für den Modalismus wie für den Personalismus verwendet werden. Diese ganze Betrachtungsweise droht zu einer Spielerei auszuarten. Karl Barth schenkt diesem Thema eine geradezu klassische Behandlung. Nach ausführlicher Darlegung dieser Lehre kommt er zu dem Resultat, daß der Theologe nichts damit zu tun haben sollte. Sie hat etwas auf sich, aber was 1 Die Auslegung erlaubt zwei Möglichkeiten. Die ganze Sachlage ist zweideutig. Dient sie der Wahrheit, oder verführt sie zum Götzendienst ? Barth findet, daß sie das letztere tut. Sie dient also nicht der wahren Religion, sondern verführt durch einen dialektischen Schein, den sie erzeugt. Die Appropriationen werden von diesem Vorwurf nicht getroffen, wohl aber die vestigia trinitatis. Was Barth hier in der Theologie vollbrachte, ist mit dem zu vergleichen, was Kant in der Philosophie zustande brachte, in der transzendentalen Dialektik, in der Kritik der rationalen Theologie. Nur handelte es sich dabei nicht um das vestigium trinitatis, sondern um die Beweise von der Existenz Gottes, deren dialektischen Schein Kant aufdeckte. Wir führen das alles an, weil gewisse meontologische Lehren von Raum, Zeit und Raumzeitlichkeit, von der bedingenden Materialität und vom bedingenden Ist so ganz in die Linie dieser Lehre einzubiegen scheinen, sobald sie von der Theorie in die Theologie übertragen werden. Stellt sich dabei eine nicht zu rechtfertigende Uneigentlichkeit ein, dann *) z. B. der indischen Trimurti.
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entspringt der dialektische Schein. So könnte gesagt werden, daß der bedingende Raum zu Gott selbst gehöre und nichts anderes als seine Allgegenwart sei, und daß in demselben Sinne die Zugehörigkeit der bedingenden Zeit zu Gott seine Ewigkeit darstelle. Leibniz nannte den Raum das sensorium Gottes. So wurde es erklärbar, daß Raum und Zeit voll von den Spuren der Dreieinigkeit sind. Ferner ergeben sich spezielle meontologische Appropriationen, wie die Zuordnung einer ewigen Vergangenheit zum Vater, einer ewigen Gegenwart zum Sohn, einer ewigen Zukunft zum Geist. Die meontologische Zeit-Perichorese kann so in Verbindung gebracht werden mit der theologischen Perichorese der Trinitätslehre. Jedoch ist bei allen diesen Aussagen die größte Vorsicht geboten. Wir dürfen hinter die Kritik Kants und Barths nicht zurückfallen. Der bedingende Raum und die bedingende Zeit haben es mit der Erfahrungstheorie zu tun. Die Lehre von den Spuren der Dreieinigkeit artet leicht zu einer wilden Spekulation aus, die der reinen Religion schadet. Für den religiösen Menschen gehört der Raum nicht zu Gott, sondern zur Schöpfung, und dasselbe gilt von der Zeit. Gott steht über beiden. Die theoretische Meontologie hinwiederum hat es mit einem Denken zu tun, das völlig frei von der Voraussetzung des Unterschiedes von Schöpfer und Geschöpf ist, die der konkretesten Besonderheit der Religion dient. So hat beides nichts miteinander zu tun, und nur die Verführung durch einen dialektischen Schein kann den Eindruck des Gegenteils erwecken. Die Art, wie die Dreieinigkeit bekannt wird, wenn ein Kind im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft wird, oder wenn der Priestersegen Aarons auf die Gemeinde „gelegt" wird, oder wie die Doxologie in der Gemeinde geäußert wird: „Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen", ist wirklich echt religiös und frei von aller philosophischen Hellenisierung. Sie ist gewissermaßen das Urphänomen. Von ihm geht die Theologie aus und kommt so zur intellektualistischen Formulierung der Trinitätslehre, mit so manchen Einschlägen uneigentlicher Theoretik, von denen die Urphänomene frei sind (wir haben nur wenige angeführt). Zeichen dieser Einschläge sind Begriffe wie: Person, Essenz, Substanz, Gleichwesentlichkeit (Homousie), Enhypostase und Anhypostase usw. Nicht alles ist in dieser uneigentlichen Theoretik abzulehnen. Obgleich es sich dabei um philosophische Hellenisierung handelt, setzt sich die religiöse Wahrheit kräftig durch, trotz der Ungunst der Umstände. Die Grenzlinie ist oft schwer zu erkennen. Aber die eben angeführten Beispiele zeigen deutlich, wo der dialektische Schein beginnt. Die Theoretik muß ihr Gut vor dieser Vermischung ebenso bewahren wie die Religion das ihre. Es ist unzuläßlich, aus der Geistigkeit von Raum und Zeit im Sinne des bedingenden Geistes die Göttlichkeit von Raum und Zeit im Sinne des religiösen Geistes zu machen. Daß die Ewigkeit etwas Zeitähnliches an sich trägt und die Zeit etwas Ewigkeitsähnliches, kann nur gesagt werden, wenn wir die Ewigkeit auf das dritte Neutrale beziehen. Im Verhältnis zu Gott ist die Ewigkeit dagegen ab-
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
solut zeitlos, und wenn ein Theologe dann doch eine solche Feststellung macht, dann zeigt er, daß er nicht von religiösen, sondern von theoretischen Motiven bewegt wird. Das aber geschieht bei Barth in bezug auf Raum und Zeit und in anderer Hinsicht*). VI. Die Apologetik Es gibt Theologen, und zu ihnen gehört auch Barth, die die christliche Apologetik ablehnen. I n der Tat braucht der religiöse Glaube sich nicht zu verteidigen. Indem er es tut, verfällt er meist dem dialektischen Schein. Wir wollen einige Beispiele geben. Die Theologie polemisiert gegen den Sensualismus und Materialismus. Die Meontologie t u t dasselbe, aber ganz anders. Sie fragt sich, ob Sensualismus und Materialismus genügen, die bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit zu erklären, und kommt dabei zu einer verneinenden Antwort. Sie bleibt dabei in derselben Spezies des Theoretischen und begeht keine Grenzüberschreitung. Aber trotz ihres ablehnenden Endresultats kann sie noch manches Gute am Sensualismus und Materialismus zugeben, z. B. daß sie oft in der Geschichte als eine heilsame Reaktion nötig sind, daß der Sensualismus den Erfahrungsstoff in eine logische Struktur bringt, die eine gute Vorbereitung für die Erfahrungstheorie darstellt. Die Wirklichkeit ist so reich, daß auch diese Systeme bis zu einem gewissen Grade die phänomenale Anderheit in der theoretischen Sphäre besser verwirklichen als andere und somit ihr Eigenrecht haben. Die apologetische Polemik der Theologie hat mit all dem nichts zu tun. Sie glaubt, Sensualismus und Materialismus widerlegen zu müssen, weil sie die Religion gefährden, den Gottesglauben zerstören und deshalb auch theoretisch falsch sein müssen. Aber dabei wird uneigentliche Theoretik der ersten Kultursphäre aufoktroyiert, und darin liegt das Mißverständnis. Auf diese Weise läßt sich weder der Glaube verteidigen noch Sensualismus und Materialismus *) Wenn wir bei Barth Feststellungen lesen wie die: Nicht die Kirche hat das Bekenntnis, sondern umgekehrt, nicht die Kirche hat Gott, sondern umgekehrt; man kann Menschensohn und Gottessohn nicht z u g l e i c h im Glauben hören, sondern das eine mit dem anderen nur mithören, so enthüllt sich hier kein rein religiöses Interesse, sondern unbewußt ein Interesse der reinen Theorie, das deshalb auffällig meontologische Formen annimmt. Das könnte für die letzten Hinweise in beiden Sphären große Bedeutung haben, was gerade nicht der Fall zu sein braucht, wenn ein Römisch-katholischer Theologe z. B. vom strömenden Leben und von der aufsteigenden Lebenswelle spricht. In denselben Bereich gehört auch hinein, wenn Barth sagt, daß die natürlichen Dinge an sich nicht gleichnisfähig für Gott sind, sondern durch einen besonderen Akt der Offenbarung immer wieder von neuem gleichnisfähig gemacht werden müssen (analogia existentiae und analogia fidei), oder daß wir vor Gott verschlossen sind, auch nicht offen bleiben, wenn wir einmal für ihn geöffnet worden sind, sondern daß wir immer wieder von neuem für ihn geöffnet werden müssen. Dies sind Formulierungen theologischer Mischformen. Aber, wie gesagt, werden die abstrakten Gemeinsamkeiten pleromatisch, dann können sie von großer Bedeutung werden.
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widerlegen. Das theologische Urteil hat eine ganz andere Struktur als das ontologische Urteil. Zum Beispiel kennt jenes ein sakramentales Ist (in der Abendmahlslehre), das in einem philosophischen Urteil undenkbar ist. Die Theologie polemisiert auch gegen den Idealismus. Ein Beispiel hierfür ist die Art, wie sich die christliche Lehre von der Auferstehung der Toten gegen die idealistische Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und ihrem Fortleben nach dem Tode wendet, die als Platonisch gilt. Da sagt sie, daß nach griechischer Auffassung der Leib ein Gefängnis der Seele sei, während das jüdisch-christliche Verständnis gerade das Gegenteil betone, nämlich daß der Geist nicht vom Leibe hinweg strebe, sondern gerade zum Leibe hin, durch alle Wege der Materialität hindurchgehe, über sie hinaus und sie aufhebe und an sich nehme. So wird dann der Unterschied zwischen der Auferstehung des Leibes und dem bloßen Fortleben erklärt. Meontologisch könnten wir nun hierzu sagen, daß diese Lehre eine Verwandtschaft hat mit der von der Raumzeitlichkeit als einer höheren Mächtigkeitsordnung gegenüber Raum und Zeit, wonach z. B. dreidimensional Seiendes ein bloßer Durchschnitt des Vierdimensionalen ist. Auch der Hebräerbrief bringt eine Auffassung, die daran erinnert, wenn er sagt, daß die alttestamentlichen Riten im Tempeldienst nur ein Schatten des Wesens seien, das in der neutestamentlichen Erfüllung erschienen ist. Nun hat aber das Schattenbild einer Kugel, das ein Kreis ist, eine Dimension weniger als sie, ist also ein gutes Gleichnis für den Unterschied von Mächtigkeitsordnungen. Die Ähnlichkeiten sind offenbar vorhanden. Aber was die Meontologie mit dieser Lehre von verschiedenen Mächtigkeitsordnungen meint, gehört ganz und gar zur Erfahrungstheorie, während die Theologie ähnliche Ausdrücke verwendet, um das spezifisch Religiöse zu bezeichnen. Deshalb überwachsen die Unterschiede die Ähnlichkeiten, denn die Religion ist etwas total Anderes als die Erfahrungstheorie. Die christliche Lehre von der Auferstehung hat einen ganz anderen Sinn als die griechische vom Fortleben, die philosophisch-idealistisch ist. Sie ist allerdings anfechtbar, muß aber zunächst auf ihrem eigenen Grunde verstanden und kann dann auch bekämpft werden. Dieser Grund ist aber die reine Theoretik, die auch die uneigentliche Religiosität, die in diese Lehre einfließt, kritisch zu beurteilen vermag. Die Theologie hält sich besser von diesem Streit ganz fern. Dann bleibt sie auch von solch törichten Versuchen verschont, die zum Beispiel zu zeigen versuchen, wie beim Auferstehungsleib die alten Atome des in alle Winde zerstreuten ersten Leibes wieder zusammenkommen könnten. Nichts zeigt deutlicher das große Mißverständnis, dem die Theologie verfällt, wenn sie eigentliche und uneigentliche Theoretik verwechselt. Allerdings ist der Kreis als ein Schatten der Kugel auch ein sehr gutes Gleichnis für die theoretische Meontologie im Anliegen ihrer Erfahrungstheorie, aber wenn dieses Gleichnis ein Interpretationsmittel für das wird, was im Hebräerbrief über das Verhältnis von alttestamentlichen Schatten und neutestamentlicher Erfüllung im Wesen, das den Schatten wirft, gesagt wird, dann hört dieses Gleichnis
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III. Teil. Das meontologische Inbaltsproblem
auf, theoretisch-meontologisch zu sein, und wird etwas ganz Anderes, das sich in einer ganz anderen Richtung bewegt und in einer total anderen Welt existiert. Gerade h i e r i n besteht dann die total andere Mächtigkeitsordnung der Religion. Die Feststellung der Theologie sollte sieh also darauf beschränken, daß ihre Auferstehungslehre auf jeden Fall nichts mit der Lehre vom Fortleben der idealistischen Philosophie zu tun hat, sollte aber nicht polemisch und apologetisch werden. Das wäre eine weise Beschränkung, die sie im Bewußtsein des Einzigartigen, dem sie dient, üben könnte. Und die Philosophie sollte sich zu einer solchen Lehre nur dann äußern, wenn sie sich klar gemacht hat, worum es sich eigentlich dabei handelt. Dabei muß sie immer von neuem versuchen, zur Schau dessen durchzubrechen, was die Religion zur Religion macht, und wie das mit dem so wichtigen Thema der totalen Anderheit zusammenhängt. Das ist keine leichte Aufgabe, der Versuch muß aber immer wieder gewagt werden. Ein anderes Beispiel ist das Verhältnis des Christentums zum Darwinismus, der Streit zwischen Evolutionismus und Creatianismus. Dies ist ein Anliegen der modernen Religionen. So zeigt das Judentum auch dasselbe Interesse in dieser Sache. Auch hier sind viele Mißverständnisse aufzuklären. Auch hier haben falsche Apologetik der Theologie und unverständige Angriffe der Biologie viel Schaden angerichtet. Wiederum können wir einen Versuch zur Überbrückung machen. Wir vermögen etwa zu sagen, daß es keine streng kontinuierliche Evolution gibt, daß die Natur „Sprünge" macht, daß das Evolutionäre zugleich auch immer wieder revolutionär ist. Aber durch solch einen Ausweg kann eine Versöhnung mit der Religion nur in rationalistischer Weise zustande kommen, und das hilft nicht viel. Oder es kann gesagt werden, daß das plötzliche Auftreten der Neuheiten wie des Selbstbewußtseins im Menschen philosophisch so beschrieben werden kann, daß eine unverkennbare Ähnlichkeit mit der religiösen Lehre von der Schöpfung hervortritt. Alle diese Versuche befriedigen nicht. Sie alle verfehlen das Wesentliche, worauf es ankommt. Bittere Feindschaft erhebt sich dann, wenn die Theologie aus theologischen Gründen den Darwinismus einfach für falsch erklärt, oder wenn der Darwinismus die Religion als einen Aberglauben verspottet, der nicht mehr in unsere Zeit hineinpasse. Die Kulturontologie wird sich von allen solchen Mißverständnissen fern halten. Die Religion bezeugt, daß Gott die Lebewesen, jedes in seiner Art, geschaffen habe. Wenn wir das rein religiös verstehen, hat und behält es seinen guten Sinn. Der Darwinismus ist eine in der ersten Sphäre voll berechtigte Hypothese, entsprungen aus der vergleichenden Anatomie und Physiologie, aus Erfahrungen des Züchters, aus dem, was der Malthusianismus lehrt usw. Kein religiöser Mensch, der sich selbst versteht, braucht den Darwinismus a u s r e l i g i ö s e n G r ü n d e n abzulehnen. Es gibt biologische Gründe, ihn zu modifizieren, aber damit hat der Religiöse nichts zu tun, und sie berühren seine Interessen nicht. Es ist der Religion unwürdig, sich von so etwas abhängig zu machen, als ob
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ihr G u t d u r c h die wechselnden wissenschaftlichen H y p o t h e s e n affiziert würde. E s ( zeigt schlechten Geschmack u n d Unsicherheit betreffs des Eigenbesitzes. E s f ü h r t zur Engherzigkeit. I m m e r wieder h a t sich die Theologie vor der Wissenschaft lächerlich gemacht. E s k ö n n t e auch ontologische oder meontologische Gründe geben, den Darwinismus zu kritisieren, u n d wir h a b e n es getan. Vor allem g l a u b t e n wir, zeigen zu können, d a ß er nicht mehr als eine H y p o t h e s e ist. D a m i t k a n n er sich aber begnügen, d e n n dasselbe gilt doch gerade von d e n besten R e s u l t a t e n der Wissenschaft, sofern sie über bloße B e o b a c h t u n g e n hinausgehen u n d T a t s a c h e n d e u t e n u n d erklären. Auch f ü r den Meontologen h e b t der Darwinismus etwas Einzigartiges u n d Eigentümliches aus dem R e i c h t u m der Wirklichkeit heraus. E r n i m m t innerhalb des Theoretischen a n einer phänomenalen totalen Anderheit teil, die eine Einheit f ü r sich darstellt, u n d deshalb wird die Meontologie in das nicht eingreifen, was in bezug auf ihn eine rein innere Angelegenheit der Biologie ist. N u r wo der Darwinismus zur totalistischen Anschauung werden will, wird die Meontologie ihm ihren W i d e r s t a n d entgegen setzen. VII.
Schuld und
Unschuld
F e r n e r m ö c h t e n wir eine apologetische Situation besprechen, die sich zwischen Theologie u n d E t h i k ergibt. J e d e K u l t u r s p h ä r e h a t ihr eigenes Vollkommenheitsideal, u n d die fünf Ideale sind inkommensurabel. Das f ä r b t auch die Grundbegriffe der Sphären. Wir wählen als Beispiel den Begriff „ U n s c h u l d " . E s h a t Sinn, in der E t h i k zu sagen, d a ß die Unschuld zu den G ü t e r n gehört, die, einmal verloren, nie wieder erworben werden können. D e n n auf dem Boden der E t h i k wächst keine Heils- u n d E r lösungslehre. Sie ist auf die Autonomie des sittlichen Willens gegründet, auf W e r t e u n d Würdigkeiten, die der Mensch allein sich selbst zu geben vermag. U n d wie sollte er die einmal vergangene Unschuld wieder erwerben ? Anders die Religion. Sie zeigt einen ganz anderen Begriff von Unschuld. F ü r sie gibt es mehr als e i n e Unschuld. Die wahre Unschuld war vor dem Sündenfall vorhanden. Die relative Unschuld des neu geborenen Kindes geht alsbald verloren. Aber sie k a n n wieder erworben werden*), obgleich es d a n n nicht m e h r die erste oder die zweite ist. D e n n die Religion ist Heils- u n d Erlösungslehre. Sie stellt den Menschen nicht *) Aul' der Möglichkeit, die verlorengegangene Unschuld wieder zu erwerben, beruht auch die christliche „Buße", die so viel wie „Sinnesänderung" heißt. Dieses letztere Wort können wir auch verwenden, wenn wir bedenken, was die Erkenntnis des meontologischen Vollkommenheitsideals, das sich auf den bedingenden Geist und das dritte Neutrale bezieht, subjektiv in uns zu bewirken vermag: eine neue Einstellung gegenüber allem Existentialen. Von jeher ist da, was das Andere zu Prozeß und Prozeßlosigkeit, zu Ganzem und Teil usw. ist. Und doch kann „von jeher" und „ist d a " hier nicht mehr gesagt werden. Das Gestelltsein unter dieses Vollkommenheitsideal und die damit verbundene Sinnesänderung ist jedoch etwas ganz Anderes als die christliche Buße, obgleich sie nicht geringere ethische Wirkungen zu haben vermag. 17 S a m u e l , Ontologie
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
bloß auf sich selbst. Eine Aporie oder Antinomie gegenüber der Ethik würde das nur dann sein, wenn die beiden Sphären kommensurabel wären. Das sind sie aber gerade nicht. Sie verhalten sich so, wie sich die Diagonale im Quadrat zu seiner Seite verhält, beide Linien haben kein gemeinsames Maß und bilden somit tatsächlich etwas von phänomenaler totaler Anderheit ab. Noch viel mehr und eigentlicher gilt das von Ethik und Religion, und deshalb herrscht zwischen den beiden Vollkommenheitsidealen und Unschuldsbegriffen gerade k e i n e Aporie und Antinomie. Nach christlicher Lehre ist Jesus dafür gestorben, ist für uns zum stellvertretenden Sühnopfer geworden, damit wir die verloren gegangene Unschuld wieder erwerben können. Die Seele darf sich im Blute des Lammes waschen, so daß sie weißer wird als Schnee. Das ist ein unverfälscht religiöser Ausspruch. Für die autonome Ethik ist das ein Unding, wie die Opferung Isaaks durch Abraham, über die Kierkegaard so Tiefsinniges zu sagen wußte. Aber über diese Feststellung der totalen Andersartigkeit der beiden Sphären hinaus ist zunächst nichts zu sagen. Jede Polemik oder Apologetik, die hieraus entspringt, ist vom Übel und führt zu nichts. Allerdings würden wir auf diese Weise zu einem unerträglichen Relativismus kommen, wenn nicht schließlich doch etwas einträte, was diesen verhindert. Wir haben es schon erwähnt: Sobald die abstrakten Gemeinsamkeiten zwischen den Sphären selbst zu einem Pleroma werden, zeigt sich eine neue Situation. Da enthüllt sich, daß alle fünf phänomenalen totalen Anderartigkeiten auf eine vorgelagerte hinweisen, die nicht mehr phänomenal ist, die Wurzel und den Ursprung aller. Das ist es, was die Meontologie erkennt, und sie nennt es drittes Neutrales, nichtshaftes Pleroma, und als das theoretisch Vorgelagerte nennt sie es den bedingenden Geist. Das heißt aber nicht, daß die anderen vier Kultursphären diese Namen annehmen müßten. Im Gegenteil, jede hat für dieses Letzte wiederum ihre eigene Bezeichnung. Selbst bei den Unterarten kommen besondere Worte vor. So heißt das Vorgelagerte in der Physik die „physikalische Realität", und dieser Ausdruck hat in seinem Eigenbezirk sein ontologisches Recht vor den meontologischen Bezeichnungen, da doch schließlich auch die Physik etwas Anderes ist als die Meontologie. Theologie und Religion verbleiben in dieser Beziehung bei ihrem Urwort „Gott", nur daß sie dabei den Rätsel-, Geheimnis- und Verborgenheitscharakter Gottes besonders stark betonen und sich bewußt sind, daß sie mit weltlichen Elementen etwas aussprechen, was über alle Welt hinaus liegt und was sie im letzten Grunde nicht verstehen. Aber auch hier müssen wir vor dem Irrtum warnen, als ob das, was so Gott genannt wird, identisch mit dem sei, was die Meontologie als das dritte Neutrale zu Prozeß und Prozeßlosigkeit, zu Ganzem und Teil, zu Person und Nichtperson, zu vorstellbarer und unvorstellbarer Vollkommenheit bezeichnet, oder identisch mit dem bedingenden Geist. Das ist gerade nicht so*). *) feo haben auch die anderen Sphären ihr „Letztes", worauf sie hinweisen. Die Ethik spricht von der moralischen Weltordnung, die Ästhetik vom Ideal, die
Meontologie und Theologie
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Da könnte man versucht sein, die Situation so zu beschreiben: Beide Sphären deuten mit einer letzten Geste auf dasselbe hin, aber ganz anders. Auf dieses Identische kann das Wort „Gott" nicht mehr angewandt werden, weil die erscheinlichen Darstellungsmittel in diesem Wort in ihrer ontischen Gebundenheit nicht mehr überwunden werden können; aber dennoch ist dieses Wort notwendig, und es ist wirklich das Aller wertvollste mit ihm gemeint, das das Eigengut der Religion ist. Und so sind auch die letzten meontologischen Worte nur ein Hinweis auf dasselbe Identische der beiden Sphären, sofern die Grenze der Phänomenalisierung überschritten wird; in sich selbst sind aber auch diese Worte nichts anderes als der Ausdruck einer phänomenalisierten totalen Anderheit, die das Erscheinungsmerkmal der ersten Sphäre als Spur und Zeichen des Identischen ist. Aber selbst diese Formulierung wird der Situation der pleromatisch werdenden abstrakten Gemeinsamkeiten nicht voll gerecht. „Es ist dasselbe", ist schon zu viel gesagt. Wir können es nicht verantworten. Was wir nur noch sagen dürfen, ist: In den beiden Sphären ereignet sich eine letzte Geste des Hinweises auf ein f ü r sie Unbekanntes. Beide Unbekannten können nicht ohne weiteres identifiziert werden. Daraus kann auch nicht der Schluß gezogen werden, daß sie verschieden voneinander sind. Das Verhältnis, in dem sie zueinander stehen, bleibt uns völlig verborgen. Nur das entspricht den Bedingungen der totalen Anderheit zwischen den beiden Kultursphären. Wir müssen es bei dieser Erklärung bewenden lassen, dürfen sie nicht verwässern. Allerdings können wir es nicht verhindern, daß wir dabei unausgesetzt auf mögliche weitere Einsichten warten. Das darf aber nicht auf Kosten unserer vorläufig letzten Einsicht geschehen. Natürlich gibt es auch in der Meontologie Restprobleme. Hier erhebt sich immer wieder die Frage: Was ist mit dem Wort „Sein" eigentlich gemeint ? VIII.- Meontologische Theologie im negativen und positiven Verstände Wir haben bisher zu zeigen versucht, was unter „meontologischer Theologie" im n e g a t i v e n Verstände zu verstehen ist. Zugleich sahen wir, daß es auch eine positive Bedeutung derselben geben könnte, und wir erkannten die Bedingung, unter der sie einzutreten vermöchte: die abstrakten Gemeinsamkeiten zwischen Religion und den anderen Sphären, besonders der theoretischen, müßten zur Fülle anwachsen. Wir wollen nun einige sorgfältig ausgewählte Beispiele anführen, wie sich unter dieser Voraussetzung die meontologische Theologie darstellen würde. Wir treffen unsere Wahl auch hier innerhalb des Bereiches des protestantischen Biblizismus. Zweierlei jedoch müssen wir betonen: Eine Geschichte vom Über-, Ur- und Endgeschichtlichen, die Politik vom Zukunftsstaat usw. All das sind Hinweise auf letzte Unbekannte, deren Beziehung untereinander weder das der Identität noch der Diversität ist. 17*
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I I I . Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
vollständige Untersuchung müßte auf alle Religionen ausgedehnt werden, und ferner haben auch die anderen Kultursphären einen Anspruch auf dieselbe ausführliche Behandlung. Bei den theoretischen Disziplinen würde das zu einer vollständigen Wissenschaftslehre führen, bei den anderen Sphären würde die Frage entschieden werden, inwiefern es eine meontologische Ethik, Ästhetik und Soziologie im negativen und positiven Verstände gibt. Erst nach der Erledigung dieser Fragen hätten wir einen vollständigen Überblick über die Meontologie der Kultur gewonnen. Nicht alle Grundbegriffe der Theoretik, von denen wir ja ausgingen, sind geeignet, im Problem der positiven meontologischen Theologie verwandt zu werden. Zunächst scheiden aus: das dritte Neutrale, das „Sein"wie-Nichtsein, der bedingende Geist, das Meontisch-Meontologische. Diese Begriffe gehören zur Erfahrungstheorie, und das ist der Grund, weshalb sie nicht unmittelbar verwendbar sind. Ob sich später eine veränderte religiöse Bedeutung einstellen wird, steht dahin. Nur vom Meontisch-Meontologischen war das „Meontische" verwendbar. Hinzu kommt der Begriff des Pleroma, aber im Sinne eines total anderen Pleroma, als es das theoretische, ethische, ästhetische oder soziologische ist. Natürlich gibt es auch sehr viele Unterarten des religiösen Pleroma. Zum Beispiel scheint mir das biblische Pleroma wirklich eine reine religiöse Form zu sein, dem gegenüber das gnostische Pleroma als eine Mischform von Theoretik und Religion erscheint, und zwar als eine ungute, während andere Mischformen theologisch einwandfrei sind. Im Grunde genommen ist das religiöse Pleroma eine Spezifikation der totalen Anderheit,und so i s t d e n n d i e s e r m e o n t o l o g i s c h e B e g r i f f v o r a l l e m d a z u g e e i g n e t , in d e r p o s i t i v e n p l e r o m a t i s c h e n T h e o l o g i e v e r w a n d t zu w e r d e n . Aber selbst hier ist der total andere Sinn dieses Begriffs gegenüber dem rein theoretischen zu bedenken. Dieser macht die totale Anderheit zu einem Hauptausdruck des Unterschiedes zwischen dem Ansich und der Erscheinung, im Dienste der Erfahrungstheorie. So wird die totale Anderheit denn auch charakteristisch für das ,,Sein"-wie-Nichtsein und für das dritte Neutrale. Aus dieser Bedeutung leiten sich die phänomenalen totalen Anderheiten ab, die in der Erscheinungswelt selbst herrschend werden, besonders als Ausdruck von Sphärenunterschieden, und in diesem Sinne ist die Religion etwas total Anderes als die Theoretik. Wenn wir das einmal wissen, handelt es sich darum, die rechten kulturontologischen Ausdrücke für diesen Unterschied zu finden, und das ist eine Aufgabe von der größten Schwierigkeit, die in der Grundstruktur der Sprache liegt. Der Kulturontologe zeigt das lebhafteste Interesse für dieses Thema, weil es den Schlüssel zum Erscheinungsseienden darbietet. Es ist ein glücklicher Umstand, daß in dem Maße, wie diesem rein theoretischen Interesse gedient wird, auch die praktischen Anliegen der Sphären gefördert werden. In diesem Fall heißt das: das wahre Wesen der Religion recht erkennen und eingrenzen und den Gefahren schädlicher Vermischungen begegnen. Das theoretische und das praktische Interesse kommen also hier zusammen.
Meontologie und Theologie
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I n der Theoretik gehört die totale Anderheit zum Erfahrungsbedingenden. I n der Religion dient sie dem Spezifischen und Einzigartigen derselben, das nichts mit Erfahrungstheorie zu t u n hat. Die Religion birgt also eine total andere totale Anderheit in sich als die Theoretik. Diese paradoxe Verdoppelung erinnert uns daran, daß jede Sphäre ihr eigenes Mysterium besitzt, daß jede auf ein Unerforschliches hinweist, dessen Beziehung zu den anderen Arten weder das der Identität noch der Diversität ist. Wir wollen ein Beispiel geben, von der Farbe hergenommen: den Regenbogen. Die Naturwissenschaft deutet etwa die Tatsache, daß Dinge unsere Augen affizieren und wir Farben sehen, als die Wirkungen einer an sich farblosen Welt, dagestellt durch gewisse Schwingungszahlen. Die Relativitätstheorie wird dem allerhand hinzuzufügen haben, zum Beispiel warum der Lichtstrahl sich in der Nähe eines Gravitationsfeldes beugt. Die Psychologie und die Phänomenologie geben wieder andere Erklärungen, die die Ontologie und die Meontologie aufnehmen. Die verschiedenen Denkweisen eines Newton, Goethe, Helmholtz, Mach, Husserl usw. gehen nahe an die Grenze phänomenaler totaler Anderheiten heran, aber doch nicht ganz, da es sich um lauter Unterarten ein und derselben Spezies handelt. Auf der ganzen Linie verbindet sich das Theoretische, Ontologische und Erkennungstheoretische miteinander, und letzteres hat es immer irgendwie mit der Ermöglichung von Erfahrung zu t u n . Ganz anders die Religion! Sie sieht die Sinnesaffektion durch Gefärbtes als die Manifestation eines S c h ö p f u n g s w e r k e s an. Sie kennt also auch den Begriff „Sinnesaffektion", aber diese ist f ü r sie etwas ganz anderes. Ihre offene oder geheime Voraussetzung ist der Unterschied von Schöpfer und Geschöpf. Zwar gibt es Religionen, die diesen Unterschied leugnen, wie z. B. der Pantheismus, aber dabei zeigt sich, daß diese Leugnung bereits eine Mischform von Theoretischem und Religiösem ist u n d deshalb kein gutes Beispiel f ü r das spezifisch Religiöse darstellt. Außerdem ist f ü r den Pantheismus der Unterschied von Schöpfer und Geschöpf oft eine Geheimvoraussetzung. Aber wie dem auch immer sei, es ist ein Vorurteil zu meinen, „Sinnesaffektion" sei an sich theoretisch. Ist es das, d a n n ist es bereits eine D e u t u n g . Religiös ist Sinnesaffektion unter der Voraussetzung des Unterschiedes von Schöpfer und Geschöpf, mit der es keine Unterart des Theoretischen zu t u n hat, so e t w a s t o t a l A n d e r e s als T h e o r e t i s c h e s , d a ß sie in einer ganz a n d e r e n W e l t w o h n t , sich in einem t o t a l a n d e r e n R a u m a u s d e h n t , m i t anderen Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriffen arbeitet, e i n t o t a l a n d e r e s K a t e g o r i e n s y s t e m v e r w e n d e t . Die Verlegenheit besteht nur darin, daß sprachlich f ü r alle diese Begriffe, Erfassungsmittel, Formen, Materialitäten, Kategorien usw. d i e s e l b e n N a m e n verwendet werden wie in der Theoretik, die aber hier einen t o t a l a n d e r e n S i n n haben, den der sprachliche Schein verdeckt. Dadurch kriechen in diese Namen allerhand Äquivokationen, Aporien und Antinomien ein, die unlösbar sind, solange die dabei waltende totale Anderheit nicht
III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
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gesehen wird. Deshalb ist es so schwer, den wirklichen Unterschied zwischen Religion und Theoretik zu formulieren. Diese Sachlage würde zu einem unerträglichen Relativismus führen, wenn hier nicht die Meontologie einträte. Sie lehrt, daß die beiden Sphären, jede in ihrer Art, auf ein Letztes hindeuten, das zwar nicht als ein Identisches für die beiden Bereiche gesetzt werden kann, das es aber auch nicht zu jenem Relativismus kommen läßt. Wenn Dinge uns so affizieren, daß wir Farben sehen, dann ist das scheinbar für Theorie und Religion dasselbe Phänomen: eine Alltagserfahrung. Hinter der stehen aber, da es sich um zwei Spezies handelt, zwei völlig getrennte Arten phänomenaler totaler Anderheiten, und diese Alltagserfahrung meint in den beiden Kulturbereichen etwas ganz und gar Verschiedenes. Nur so können wir die beiden Sphären als K u l t u r e r s c h e i n u n g e n verstehen. Daß dann die religiöse Schau den Regenbogen, wie in der Noah-Geschichte, als Symbol der G n a d e deuten kann, ist nur ein Epiphänomen eines tiefer liegenden Ursprünglichen. IX.
Biblische
Beispiele
Wir wollen nun einige Zitate aus der Bibel hierher setzen*), die das Vorige bestätigen, und deren Verständnis, wie wir hoffen, nun weniger den üblichen Mißverständnissen ausgesetzt ist. Zunächst aus dem Gedankenkreis des Paulus: Er sagt im Ersten Korintherbrief, daß das Wort vom Kreuz denen eine Torheit sei, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, eine Gotteskraft. Nicht viel Weise nach dem Fleisch sind berufen, sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt. Die göttliche Torheit ist weiser als die Menschen sind. Christus selbst ist uns von Gott zur Weisheit gemacht. Der Apostel kam zu den Korinthern nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, sondern mit Schwachheit, und seine Predigt war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft. Denn was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und was in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben. Wir empfangen es durch Offenbarung. Es kann sich ereignen, daß wir dabei zu Narren um Christi willen werden. Was der Apostel Paulus hier „Torheit" ja sogar „Narrheit" nennt und den vernünftigen Reden menschlicher Weisheit entgegensetzt, ist die total andere Art von Weisheit, deren nur die Religion fähig ist, etwas völlig Anderes als Philosophie, Wissenschaft, Theoretik. Ihr Anfang ist die Gottesfurcht, das Gottvertrauen, die Gottesliebe, das fraglose Anfangen mit Gott durch den Glauben, das zu Paulus durch die Person und Tat des Christus kommt. Diese Weisheit ist Beweisung des Geistes und der K r a f t . Der Apostel kann das in völliger eigener Schwachheit bezeugen, denn das Kraftzentrum liegt außer ihm. So *) Wir wählen die in bester religiöser Sprache geschriebene revidierte LutherBibel. Textkritische Gesichtspunkte liegen uns fern.
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spricht der religiöse Mensch. Er hat darin unleugbare Tatsachen für sich, die von anderen Geistigkeitsarten weder bewiesen noch geleugnet werden können. Die Aufgabe des Kulturdenkers besteht darin, sie in ihrem Eigenrecht zu sehen und gelten zu lassen. Im Zweiten Korintherbrief spricht der Apostel davon, daß das Amt des Gesetzes eine ganz andere „Klarheit" hatte als das Amt der Versöhnung. Jene sei überhaupt keine Klarheit im Vergleich mit dieser. Sie erscheine nur so, solange nicht verglichen wird. Sobald die zweite Klarheit auftauche, verschwinde die erste vor dieser überströmenden Klarheit. Diese ist v o n e i n e r a n d e r e n M ä c h t i g k e i t s o r d n u n g als jene. In uns allen spiegelt sich diese Klarheit des Herrn mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der anderen, als vom Herrn, der der Geist ist. Das Sichtbare ist zeitlich, das Unsichtbare ewig. Wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Als die Sterbenden leben wir. Nach dem Römerbrief besteht das Reich Gottes in Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist, nach dem Philipperbrief ist der Friede Gottes höher als alle Vernunft. Nach dem Kolosserbrief sind im Christus alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen, und in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Der religiöse Wert des Ausspruchs wird dadurch nicht vermindert, wenn der Brief durch einen Paulusschüler geschrieben sein sollte. Derselbe Zeuge erklärt: Ihr seid gestorben und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott, dessen Herrlichkeit auch die eures Lebens offenbaren wird. Iin Ersten Timotheusbrief vernehmen wir, daß Gott will, daß allen Menschen geholfen werde, und wir hören vom großen „Umlaufskreis": „Kündlich groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Boten, gepredigt den Heiden, geglaubt von der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit". Dies wird von Gott selbst gesagt! Deshalb ist die Gottseligkeit zu allen Dingen nützlich. So weit Paulus. Man muß solche Worte in ihrem Eigensten zu vernehmen fähig sein und alle Fremdeinflüsse ausschalten. Dann werden sie lebendig und beginnen zu reden. Irgendein sacrificium intellectus ist dabei nicht nötig. Das sollte nach dem Vorigen nun völlig klar geworden sein. Es ist geradezu die gute Frucht der Kulturontologie, zu dem Verständnis zu führen, daß die rein theoretischen Interessen durch die rein religiösen in keiner Weise gefährdet werden und umgekehrt, vorausgesetzt, daß wir um die totale Anderheit wissen und bedenken, wie w e i t sie g e h t , daß wir die Quellen des dialektischen Scheins, der Aporien, Antinomien und Äquivokationen erkennen, daß wir uns von jeder Theoretisierung der Religion frei halten und ebenso sehr von jeder Theologisierung der Wissenschaft und Philosophie. Aber gerade dann beginnen die religiösen Worte desto kräftiger zu reden und zu wirken. Und die wissenschaftliche Ontologie kann dann umso ungehinderter zeigen, wie sich Erscheinung verhält und wie ihre Erfahrbarkeit möglich wird. So werden wir dann z. B. nicht mehr den Paulinischen Unterschied von Mächtigkeitsordnungen mit denen
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III. Teil. Das meontologische Inhaltsproblem
der Physik verwechseln. Wir werden wissen, daß die Schätze der Weisheit und der Erkenntnis, die im Christus verborgen sind, etwas ganz Anderes als theoretische Erkenntnisse sind und doch etwas, das wir in unserer Kultur nicht missen möchten. Und so mit allen übrigen religiösen Sprüchen. Sprache und Denken sind nun einmal parteiisch für das Theoretische, und darin besteht die Schwierigkeit, die total anderen Dimensionen der religiösen Werte zu erfassen. Aber von dieser Einsicht in das positiv Urwüchsige der Religion im Lichte der totalen Anderheit geleitet, können wir zu einer meontologischen Theologie im positiven Sinne gelangen. Und dasselbe gilt von den anderen Sphären. Sind wir einmal von den alten Vorurteilen befreit, lassen wir die religiösen Sprüche in ihrer Originalität auf uns einwirken, dann ergeben sich auch neue helfende Auslegungen, durch die wir uns die ursprüngliche Kräftigkeit dieser Aussprüche anzueignen vermögen. Wir möchten noch auf einige andere biblische Stimmen hören als auf die des Paulus. Im ersten Johannesbrief wird gesagt, daß wir die Welt nicht lieben sollen. Wer das tut, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Das Wesen der Welt ist die Lust, und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit. Welch ein Unterschied zu philosophischen Lehren! Nach Heidegger z . B . ist das Dasein des Menschen geradezu In-der-Welt-Sein. Johannes dagegen konstatiert einen völligen Gegensatz zwischen der Welt und dem wahren Ich. Aber beides widerspricht sich nur dem Wortlaut nach, denn der Sinn des Wortes „Welt" ist in beiden Fällen ein total anderer. Die religiöse Gegensatzkategorie ist inkommensurabel mit der theoretischen, und deshalb auch mit der Kategorie der Übereinstimmung. Weiter hören wir bei Johannes das berühmte Wort: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." Wir haben schon gesehen, daß wir die Liebesbegriffe der anderen Kultursphären hier gar nicht hineintragen dürfen. Wer in der Liebe nach diesen Auffassungen bleibt, ist nicht in Gott nach dem Sinn des Johannes. Sondern hier handelt es sich um eine Liebe, die nur durch Gott und an Gott gelernt wird. Gott ist diese Liebe, aber die Liebe ist nicht Gott. Einer kann nur in der Liebe bleiben, weil er schon in Gott ist und bleibt und wenn er in der Liebe bleibt, die Gott ist. Wie leicht wird hier der Übergang in das Nichtreligiöse gemacht!*) Ähnlich steht es mit den 10 Geboten. Die moralistische Auslegung der Religion sagt: Sie sind die Pflichten, betrachtet als Gebote Gottes. Die Religion dagegen lehrt: Die Gebote Gottes sind verpflichtend, und zwar ist das Gebot eine Spezifikation des Wortes Gottes als Wort von der Gnade. Die moralisierte Religion trifft diesen Sinn nicht. Die autonome Ethik muß davon Abstand nehmen, die Pflichten als Gebote Gottes zu behandeln. Der Religion andererseits ist ein total anderes Ethos eigen als der autonomen Moral. *) Vergleiche hiermit die Schilderung der Liebe in 1. Kor. 13!
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I m Hebräerbrief finden wir die berühmte Definition des Glaubens: „ E r ist eine gewisse Zuversicht des, das m a n hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, das m a n nicht sieht". Die meontologischen Züge sind offensichtlich. Aber die Verschiedenheit zur theoretischen Meontologie ist nicht zu übersehen. Wir erinnern an das, was wir über die „Sinnesaffektion" gesagt haben. Die Theoretik in dieser Definition ist uneigentlich, denn sie ist von vornherein gefaßt in ein fragloses Anfangen mit gefülltem Glauben selbst. Die Definition hört sich zwar sehr theoretisch an, aber das kann leicht täuschen. Hierin besteht der Unterschied zwischen theoretischer Theorie (wenn wir so sagen dürfen) und religiöser Theorie. Uneigentlichkeit im ersteren Sinne ist dieser Definition nicht im geringsten abträglich. Denn wäre sie das, d a n n stellte diese Definition bereits den Abfall von Gott dar. Sie h ä t t e sich von dem getrennt, womit fraglos angefangen wird, und das ist ganz sicher nicht im Sinne des Schreibers des Hebräerbriefes. Auch das Alte Testament bietet uns ein überreiches Material für eine meontologische Theologie im positiven Sinne. I n dem schon erwähnten Hiob-Buch hören wir Sprüche wie: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, u n d : die F u r c h t des Herrn ist der Anfang der Weisheit, ein Spruch, der auch im Psalmbuch vorkommt. Dort hören wir auch das wunderbare W o r t : „Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil." Hier spricht wirklich die Religion selbst, und es wird immer Menschen geben, die ein Gehör d a f ü r haben, die das hier Dargebotene zu schätzen vermögen und die es auch zu gebrauchen wissen. Das ist kein Zugeständnis an menschliche Schwäche, sondern eine ursprüngliche Möglichkeit des Menschen selbst, die mit zu seinem tiefsten Wesen und zu seinen Notwendigkeiten gehört. Oder noch ein anderes Beispiel: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem H e r r n : Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe." Ferner können wir die urreligiöse Schau des Heiland-Mittlers im Deuterojesaja nicht unerwähnt lassen, die formal sogar an eine Stelle des Plato erinnert: „ E r trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünden willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt". Was in anderen Sphären, hier besonders in der ethischen, unmöglich ist, wird in der religiösen zur Möglichkeit, w e i l s i e s i c h i n e i n e a n d e r e S e i n s e b e n e h i n e i n a u s d e h n t , die m i t zur F ü l l e der Wirklichkeit gehört. Wenn wir uns nur frei von den Vorurteilen halten, dann entfalten die religiösen Worte eine Mächtigkeit der Wirkung, o h n e d i e u n s e b e n d e r Teil der W i r k l i c h k e i t s f ü l l e verloren ginge, der sich in der and e r e n S e i n s e b e n e e r s t r e c k t . Unübertrefflich gut ist das in einem
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anderen Spruch des Jesaja zum Ausdruck gebracht: „Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin kommt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und wachsend, daß sie gibt, Samen zu säen und Brot zu essen: also soll das Wort, so aus meinem Munde geht, auch sein. Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern tun, was mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich's sende." — Vorher bekommen wir zu hören, wie verschieden Gottes Gedanken und Wege von der Menschen Gedanken und Wegen sind. Der Unterschied ist so groß wie der zwischen Himmel und Erde. Das klingt wie ein Selbstzeugnis der Religion von ihrer eigenen phänomenalen totalen Anderheit. Meontologisch wichtig sind auch alle Worte, die auf ein Zusammen von Hoheit und Niedrigkeit in Gott selbst hinweisen. So das Jesaj awort: ,,So spricht der Hohe und Erhabene, der ewiglich wohnt, des Name heilig ist: Der ich in der Höhe und im Heiligtum wohne und bei denen die zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf daß ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen . . . " Das erinnert direkt an das Selbstzeugnis Jesu im Matthäusevangelium, das zuerst davon spricht, daß alle Dinge ihm vom Vater übergeben sind und daß Vater und Sohn im ausschließlichen Verhältnis einer gegenseitigen Erkenntnis stehen, und das dann, von der Hoheit zur Niedrigkeit übergehend, so fortfährt: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht." Damit sind wir in die Welt der Evangelien eingetreten. Mit einigen wenigen meontologischen Worten aus ihnen wollen wir unsere Auslese beschließen. Sie seien dem Johannesevangelium entnommen. Das erste lautet: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht." •— Auch hier spielt die r e l i g i ö s e Gegensatzkategorie von Gott und Welt ihre Rolle. Hierzu paßt auch: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." Und: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Endlich das majestätische Wort: „Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme." — Wenn wir wissen, was hier das Wort „Wahrheit" wirklich bedeutet (und was nicht), dann verstehen wir auch, was es heißt: wir hören seine Stimme. Ja, dann hören wir wirklich seine Stimme, und sie belehrt uns über die einzigartige Wahrheit, die sie zu verkünden hat. Unsere wissenschaftliche Existenz wird dabei in keiner Weise angetastet. Glauben wir das nicht, dann haben wir nicht verstanden, um welche Wahrheit es sich handelt und welche Stimme hier ruft und spricht. Ein Philosoph oder Einzelwissenschaftler m u ß nicht ein Liebhaber der Bibel sein, aber er k a n n es, nichts hindert ihn daran. Und diese Möglichkeit hat, u n d d a s i n t e r e s s i e r t u n s h i e r a l l e i n , ihre kulturontologische
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Bedeutung. Wir können geradezu sagen, daß keine echte Kulturontologie möglich ist, die nicht auch d i e s e Möglichkeit versteht; denn das Gegenteil würde beweisen, daß das meontologische Verständnis der totalen Anderheit nicht voll erreicht worden wäre. X. Die pleromatische Ermöglichung einer meontologischen Theologie Noch e i n Punkt bleibt zur Besprechung übrig. Jeder Kulturbereich weist, wie wir gesehen haben, auf d a s Unbekannte hin, das z u i h m p a ß t u n d g e h ö r t . Spezifische Erscheinungsunterschiede zwischen diesen Unbekannten sind deshalb möglich, weil bei jedem die Annäherung eine total andere ist und weil an den Erscheinungsgrenzen spezifisch verschiedene Phänomene stehen, die n o c h e b e n erkannt werden können. Im übrigen gilt, daß bei den Unbekannten das Daß zum Gewissesten gehört, während das Was unbekannt ist. Die Unbekannten können weder durch Identität noch durch Diversität aufeinander bezogen werden, ihnen allen kommt ein ,,Sein"-wie-Nichtsein zu. Es kann von ihnen gesagt werden: „sie sind jetzt, in diesem Augenblick", und eben dieses muß auch von ihnen geleugnet werden*). Aber je mehr die abstrakten Gemeinsamkeiten zwischen den mit phänomenaler totaler Anderheit behafteten Kultursphären zu einer Fülle anwachsen, d e s t o mehr e r e i g n e t sich eine g e g e n s e i t i g e A n n ä h e r u n g der U n b e k a n n t e n zueinander, ohne daß ihre U n v e r m i s c h b a r k e i t dabei a u f g e h o b e n w ü r d e . Sie rücken näher zusammen. Das macht es möglich, daß einer meontologischen Theorie eine meontologische Ethik, Ästhetik, Soziologie und Theologie nicht nur im negativen, sondern auch im positiven Sinne zur Seite treten. Mit einer Darlegung dieses Zusammenhanges wollen wir unsere Untersuchung der Struktur unserer Kultur beschließen, können aber auch hier hauptsächlich nur die erste und die fünfte Sphäre berücksichtigen. Am leichtesten läßt sich das Gesetz der Annäherung an den kulturellen Vollkommenheitsidealen zeigen, und hier allerdings muß auch die ethische Sphäre in die Betrachtung einbezogen werden. Je mehr sich die Ethik ihrer Unbekanntheitsgrenze nähert, desto mehr verschwindet ihre e t h i s c h e Abhebung von der Religion, die darauf beruhte, daß die Moral auf den autonomen Willen gegründet ist, auf seine sittliche Selbstgesetzgebung, während das Ethos der Religion sich nicht auf das „Gesetz", sondern auf die „ G n a d e " stützt. Und zwar ist der Vorgang so, daß die Gesetzesethik immer mehr zur Freiheit ü b e r dem Gesetz wird, sich also dem annähert, was die Religion unter „Gnade" versteht, ohne mit dieser zusammen zu fallen. Aber dadurch wachsen die abstrakten Gemeinsamkeiten zwischen Religion und Ethik so sehr an — ein Ergebnis, *) Die spiritistischen Geister z. B. wohnen gerade nicht in dem Bereich, für den Zeit, Seiendes und Sein nicht mehr gelten. Deshalb sind sie nichts Anderes als Hypostasen des animalisch-psychischen Geistes. Selbst wenn sie wirklich existierten, würde das ihr Verderben bedeuten, d. h. ihre „Sterblichkeit".
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das sich an K u l t u r g r e n z e n einstellt — daß eine Änderung in der kritischen Funktion eintritt, unter die von der Theoretik her die beiden Vollkommenheitsideale gestellt waren, und daß sich dabei etwas Negatives zum Positiven wendet. Dabei gerät die Ethik nicht unter eine Heteronomie der Religion, sondern auf dem ethischen Boden selbst werden sie einander ähnlich. Aber wesentlich ist, daß die Angleichung nicht zu ihrem Ende kommt. Auch die Religion bleibt hierbei nicht unverändert. Sie empfängt von der Ethik in diesem Prozeß eine ethische Uneigentlichkeit, die eine ähnliche Wirkung auf sie ausübt wie die „Gnade" im uneigentlichen Sinne in der Ethik. Welches ist nun die Wendung, die von der Theoretik her infolge dieses Annäherungsprozesses in den beiden Kulturbereichen herbeigeführt wird ? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns erst erinnern, worin das theoretische Vollkommenheitsideal bestand. Vor allem sahen wir, daß dieses selbst nicht ohne ethische Uneigentlichkeit (ja unter Umständen sogar auch nicht ohne religiöse) existierte. Das hing mit der metaphysischen Frage zusammen: Wie kommt es überhaupt zu einer Erscheinungswelt ? Ist sie eine Setzung des bedingenden Geistes ? (Denn d a m i t hat es die Theoretik allein zu tun.) Oder ist die Erscheinungswelt durch und durch Schein ? In jenem Falle lehrt das Vollkommenheitsideal, daß durch „Taten" des Meontisch-Meontologischen eine Erfüllung in einem zeitlichen Prozeß herbeigeführt wird. In diesem Falle kann die Vollkommenheit von jeher schon da sein, und die Erfüllung des Ideals besteht in der Enthüllung des Scheins und im Abtun desselben. Aber die in ontologischen und erkenntnistheoretischen Gründen wurzelnde Notwendigkeit, eine Lehre vom dritten Neutralen zu entwickeln, enthebt uns der Notwendigkeit, uns solchen fernliegenden Spekulationen hinzugeben. Das dritte Neutrale ist auch drittes Erfüllendes zu Prozeß- und Prozeßlosigkeit (wie auch zu anderen Wesensgegensätzen), und hieraus folgt, d a ß es n o c h e t w a s A n d e r e s g e b e n m u ß als b e i d e s , a u c h als G a n z es u n d T e i l , a u c h a l s v o r s t e l l b a r e V o l l k o m m e n h e i t . Und das, was mit d i e s e r Vollkommenheit gemeint ist, ist erst das wahre Vollkommenheitsideal der Theoretik, das wirklich im Zusammenhang steht mit der ontologischen Beschreibung der Erscheinungswelt und der erkenntnistheoretischen bedingenden Ermöglichung von Erfahrbarkeit überhaupt. Die untrennbare Verbindung dieses Ontologischen mit diesem Erkenntnistheoretischen macht erst das wahre Metaphysische aus, das ein Spekulatives ist, das ganz im Boden von Erfahrbarkeit, ihrer Inhalte und Gegenstände, verwurzelt ist, im Gegensatz zur wurzellosen freien Spekulation. Also weder ist die Erscheinungswelt lauter Schein, noch ist ihre Erfüllung etwas endgültig Metaphysisches. An die Stelle von beiden tritt das „Andere", das es im dritten Neutralen „geben" muß. Es ist nicht in diesem Augenblick, es war nicht, es wird nicht sein, und doch kann alles dieses auch wieder bejaht werden, sofern wir dabei die „meontologischen Anführungszeichen" benutzen. Es ist nicht deshalb nicht, weil es nicht
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besteht, sondern weil das Wort „Sein" das nicht trifft, worum es sich hier handelt. Wir müßten wissen, was die totale Anderheit sogar des reinen Seins, also was das konkrete Nichts und das nichtshafte Pleroma bedeutet, um diese ontologisch-existentielle Bejahung und Verneinung zugleich zu erfassen. Wir wissen um ihr Daß, nicht um ihr Was. Diese Einsicht ist eine Grenzerscheinung, eine quasi-letzte d i e s s e i t s der Grenze. Dieses theoretische Vollkommenheitsideal übt nun eine disziplinarische Funktion in den anderen Kulturbereichen aus. Das waren die Gründe, weshalb wir als Theoretiker bis zu den äußersten Extremen gehen mußten, wenn wir versuchten, die Sphärenunterschiede in Worte zu fassen. So kamen wir auf die Schau der phänomenalen totalen Anderheiten von Theoretik, Religion, Ethik usw., die eine solch bedeutsame Rolle in der Erkenntnis ihrer Reinheit und Fülle spielte. Das machte es auch möglich, den Bereichen ihr ganzes Eigenrecht zuzugestehen, und dadurch wurden wir selbst für das Beste und Eigentliche ihrer Güter und Werte empfänglich. Wir wurden von den Vorurteilen befreit. Und nun sahen wir, daß die Vollkommenheitsideale von Religion und Ethik (beispielhaft genommen) in dem Maße zusammenrückten, als die abstrakten Gemeinsamkeiten zwischen beiden selbst pleromatisch werden. Da das von allen Sphären gilt, ist dasselbe nun auch von Theoretik und Religion (wieder beispielhaft verstanden) zu sagen. Die Religion lehrt, daß Gott den Seinen alles zum Besten dienen läßt, daß er aber auch die Schöpfung einer endlichen Erfüllung und Vollendung entgegenführt, ohne daß dies aber notwendigerweise im Sinne einer „Allversöhnung" verstanden werden müßte. Das Fehlen dieser Notwendigkeit beruht auf der religiösen Urvoraussetzung der kategorialen Unterscheidung zwischen Schöpfer und Geschöpf. Auf jeden Fall spricht sich in dieser Weise das religiöse Vollkommenheitsideal aus. Zwischen dem Meontisch-Meontologischen, das die Erscheinungswelt setzt, und dem Schöpfer, der die Welt schafft, besteht bereits viel Ähnlichkeit. Denn die Schöpfung aus Nichts ist nicht nur Machen, Sagen und Denken, sondern auch Setzen. So könnte hier schon der Sphärenunterschied phänomenaler totaler Anderheit abgebaut werden, eine Annäherung eintreten und Meontologik im positiven Sinne entwickelt werden unter Begleitung von uneigentlicher Theoretik in der Religion und uneigentlicher Religiosität in der Theoretik. Jedoch liegt hier die spekulative Situation so ungünstig, der Erfahrungstheorie so fern gerückt, daß sich dieser Abbruch von phänomenaler Anderheit nicht fruchtbar zu erweisen vermag, weder für die Theoretik noch für die Religion. Unter der zweiten Voraussetzung, daß die Erscheinungswelt lauter Schein ist, ergibt sich das pleromatische Anwachsen von abstrakten Gemeinsamkeiten nur für bestimmte Religionsformen, die zum Mischtypus gehören. Das gilt z. B. von der „Christian Science", deren Mischförmigkeit schon durch diese Wortverbindung ausgedrückt wird. Nun wäre das nicht unbedingt abzulehnen, wenn es sich um eine wirklich g u t e Misch-
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form handelte. Eine nähere Untersuchung dieses religiös-philosophischen Idealismus würde ergeben, daß das nicht der Fall ist. Anders wird die ganze Situation, wenn wir von dem erfahrungstheoretischen Begriff des dritten Neutralen ausgehen. Da zeigt sich nämlich die Möglichkeit, daß durch eine Problematik der Gemeinsamkeit nun nicht nur der Begriff der totalen Anderheit, sondern auch der des dritten Neutralen auf Religion und Gottesidee anwendbar wird. Das ist etwas Neues. Zwar gilt diese Anwendbarkeit nicht in erfahrungstheoretischem Sinne, aber doch in einer diesem nun nahe gerückten Bedeutung: „Das Andere, das es noch geben muß" im dritten Neutralen, wird nun in dieser religiösen Pleromatik zu den unbegreiflichen Dekreten Gottes, die erst die Zukunft enthüllen wird und die vorerst noch verborgen bleiben. Die besten religiösen Dokumente schenken uns Zeugnisse dieser Art. „Das Geheimnis ist des Herrn, unseres Gottes; was aber offenbar ist, das ist unser", sagt schon das Alte Testament. So läßt sich kein endgültiges Urteil über den Endzustand, dem die Schöpfung entgegengeführt wird, fällen. Nur so dürfen die eschatologischen Urteile verstanden werden. Sie stehen unter einem letzten Vorbehalt. Der religiöse Mensch übt da eine gewisse Urteilsenthaltung aus, die sehr viel abstrakte Verwandtschaft mit der theoretischen Epoche besitzt, zu der das dritte Neutrale anleitet. Die beiden Vollkommenheitsideale bleiben dabei, trotz ihrer größeren Nähe, völlig getrennt und können sich nicht miteinander vermischen. Aber innerhalb dieses Rahmens ist nun eine positive meontologisohe Theologie möglich geworden, und das ist die Wendung vom Negativen zum Positiven, die sich vom Theoretischen her begeben hat. Aus dem oben über die Ethik Gesagten fließt dieselbe Folgerung, und Ähnliches könnte von den anderen Bereichen im Einzelnen gezeigt werden. An den Kulturgrenzen entspringen besondere Gesetze, nicht nur an denen zum Ansich hin, sondern auch an den inneren Kulturgrenzen zwischen den einzelnen Sphären. Dieselben phänomenalen Anderheiten, die da trennen, verbinden auch wieder, allerdings in einer sehr paradoxen Weise. Auf d i e Gesetze kommt es an, die an den Grenzen aus d e r t o t a l e n A n d e r h e i t s e l b s t entspringen. Das führt zu möglichen Erweiterungen der gesamten Meontologie. Die Theologie hat unbewußt von jeher schon Vieles in dieser Regel befolgt. Die Wahrheit hat sich in ihr unter Hindernissen durchgesetzt. Hierzu gehört z. B. die c-hristologische Formel, daß die beiden Naturen des Christus unvermisch bar und unzertrennbar zusammen sind, ferner die Appropriationen der Zeitmodi in bezug auf die Trinität und so manches aus der Rechtfertigungs- und Prädestinationslehre. Die Hellenisierung ist nur die eine fehlerhafte Seite der intellektualistischen Theologie. Ihre Meontologisierungen sind die andere Seite, und diese vermögen der wahren Religion auch intellektualistisch zu dienen. Die Wirklichkeit ist wieder einmal reicher als unsere Vorstellungen. Hierzu gehören auch Aussagen vom Wesen, Namen und den Eigenschaften und Attributen Gottes, von seinen Offenbarungsweisen usw. Aus all diesen Lehren läßt
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sich positive Meontologik herausschälen, die dem spezifisch Religiösen Ausdruck verleiht, ohne daß dabei die kritischen und disziplinarischen Funktionen der meontologischen Theologie im negativem Verstände berührt würden. Die Theologie muß erst durch diese Kritik hindurch gehen, bevor sie für die positive Meontologik reif wird. Wiederum müssen wir hinzufügen, daß sich alleKulturbereiche in dieser gleichen Situation befinden. Die rein theoretische Erfahrungstheorie wird von dieser neuen religiösen Pleromatik in keiner Weise affiziert. Gottes Sein wird nun ausgesagt weder als Prozeß noch als Prozeßlosigkeit, weder als Ganzes noch als Teil, als das Andere und Erfüllende zu beiden, als Person im Gleichnis einer Nicht-Person usw. Das ist der Anfang einer meontologischen Theologie im positiven Verstände. Die bedingende Ermöglichung von Erfahrbarkeit hat keinen Raum in ihr. Die Aussagen sind zusammengerückt, werden aber nicht identisch. Der Geist Gottes bleibt etwas Anderes als der bedingende Geist. Das Unbedingte Gottes ist nicht d a s Unbedingte, welches das Bedingen selbst ist, sondern ein anderes. Auch ist Gott nicht das philosophische Absolute. Alle Resultate der kritischen Meontologie bleiben erhalten. Aber die neue Meontologik der Theologie vermag nun der reinen Religion ungehindert zu dienen. Die totale Anderheit bewirkt eine Ähnlichkeit, die ihr ureigenes Werk ist und die zu ihr gehört. Diese darf nicht mit anderer Ähnlichkeit verwechselt werden. Gott existiert jetzt, in diesem Augenblick; und doch ist seine Existenzweise so, daß das „jetzt in diesem Augenblick" dabei zu kurz kommt. Das ist aber jetzt nicht gesagt, um die Erfahrung zu verstehen, sondern es ist zu einem religiösen Zeugnis geworden. Inmitten der Ähnlichkeit bleibt die totale Anderheit erhalten. Aber eine Triebkraft ist frei gesetzt, die die Theologie zum Fortschritt drängt. Dieser fing damit an, daß die totale Anderheit zur Fülle heranwuchs. Dadurch wurde das Vernehmen religiöser Worte von subjektiven Hemmnissen befreit. Nun schließen sich andere meontologische Elemente diesem Reichtums-Wachstum an, und dadurch wird nicht nur das vorurteilsfreie V e r n e h m e n , sondern auch die A u s l e g u n g jener religiösen Urworte ermöglicht. Da könnte z. B. die Frage beantwortet werden, ob L e s s i n g auf dem rechten Wege war, als er über die Frage nachdachte: Was heißt die „Beweisung des Geistes und der K r a f t ? " , oder was es mit den zwei so verschiedenen „Mächtigkeitsordnungen" auf sich hat, die der Apostel Paulus im Zweiten Korintherbrief erwähnt. Wir könnten unsere ganze Auslese von Bibelworten noch einmal durchgehen, um sie nun unter dem Beistand theologischer Meontologik im positiven Sinne nicht nur zu vernehmen, sondern auch zu verstehen und auszulegen. Jedoch würde das den Rahmen dieses Buches überschreiten. Nun kann nicht nur das Wort „meontisch", sondern auch der Ausdruck „meontisch-meontologisch" auf das Sein Gottes angewandt werden und zur Kennzeichnung des spezifisch Relgiösen dienen. Damit tritt zu der schon erfolgten Rechtfertigung der meontologischen Philosophie auch die der meontologischen Theologie hinzu, die sich nun in arteigener Abhebung von allen anderen Kulturbereichen entfalten kann.