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German Pages 403 Year 1997
RUTH LANG
Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Artikel 23 Abs. 2 bis 7 GG
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten Band 36
Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Artikel 23 Abs. 2 bis 7 GG
Von
Ruth Lang
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Lang, Ruth: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäss Artikel 23 Abs. 2 bis 7 GG / von Ruth Lang. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum europäischen Recht; Bd. 36) Zug!.: Bonn, Univ., Diss., 1994/95 ISBN 3-428-08594-9 brosch.
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-08594-9
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Meinen Eltern in Dankbarkeit
Vorwort Die Idee zu der vorliegenden Arbeit ist aus einer Tätigkeit im Bundestag bei dem damaligen Bundestagsabgeordneten und Justitiar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Herrn Ministerialdirigent a.D. Dr. Franz Möller, während der Jahre 1992 bis 1994 entstanden. In diese Zeit fielen die Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission des Bundestages und des Bundesrates sowie des Sonderausschusses Europäische Union (Vertrag von Maastricht) - deren Mitglied Herr Dr. Möller war - über die Schaffung des Art. 23 GG und seiner Begleitvorschriften. Hierdurch bot sich die Gelegenheit, an den Sitzungen dieser Gremien sowie an vorbereitenden Erörterungen teilzunehmen und auf diese Weise die Entstehung der Vorschriften aus der Nähe zu verfolgen. Eine wertvolle Unterstützung bildete zudem die Vermittlung wichtiger Kontakte zu Gesprächspartnern von Bundesrat und Bundestag, fiir die ich sowohl Herrn Dr. Franz Möller als auch Herrn Ministerialrat Dr. Martin Limpert herzlich danke. Ihrem steten Zuspruch und Interesse sowie ihren Anregungen verdanke ich den zügigen Abschluß dieser Arbeit, die im Wintersemester 1994/1995 dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bonn als Dissertation vorgelegt wurde. Besonderen Dank schulde ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Fritz Ossenbühl, fiir die wohlwollende Aufnahme des Themas sowie fiir die effiziente Betreuung und Förderung einer zügigen Bearbeitung. Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. Rüdiger Breuer fiir die Erstellung des Zweitgutachtens. Die vorliegende Veröffentlichung berücksichtigt den Stand der Literatur und Rechtsprechung vom Spätsommer 1996. Zudem fanden eine Reihe von Informationen über den verfahrensmäßigen Ablauf der neuen Beteiligungsverfahren von Bundesrat und Bundestag sowie Hinweise auf bewährte Vorgehensweisen aber auch auf Praktikabilitäts- und Effizienzschwächen der Verfahren Eingang in diese Arbeit. Hierfiir danke ich zahlreichen Vertretern von Bundesrat, Ländern und Bundestag, bei denen ich im persönlichen Gespräch durchweg auf Hilfsbereitschaft und freundliches Entgegenkommen gestoßen bin. Nennen möchte ich dabei insbesondere den stellvertretenden Direktor des Bundesrates, Herrn Ministerialdirektor Dr. Christian Dästner, Herrn Ministerialrat Wolfgang Fischer von der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund, Herrn Ministerialdirigent a.D. Günter Jaspert, ehemals Sekretär des Ausschusses fiir Fragen der Europäischen Union des Bundesrates, Herrn
8
VOlWort
Ministerialrat Dr. Eberhard Schoof, ehernals Sekretär des EG-Ausschusses des Bundestages und nunmehr Leiter des Fachbereichs XII des Bundestages, Herrn Ministerialrat Dr. Gerald Kretschmer, Sekretär des Ausschusses für Wahlprüfung, Irnrnunität und Geschäftsordnung des Bundestages sowie Herrn Ministerialrat Hartrnut Groos, ehernals Leiter des Fachbereichs XII des Bundestages und nunmehr Sekretär des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Bundestages. Herrn Prof. Dr. Siegfried Magiera und Herrn Prof. Dr. Dr. Detlef Merten bin ich für die Aufnahrne der Arbeit in die Reihe der "Schriften zurn Europäischen Recht", dern Direktor des Bundesrates, Herrn Georg-Berndt Oschatz, für den gewährten Druckkostenzuschuß dankbar. Schließlich danke ich rneinern Mann, Dr. Joachirn Lang, der - obgleich seinerzeit selbst rnit einer Dissertation befaßt - rnir jederzeit rnit Rat und Unterstützung zur Seite stand und ohne den die Arbeit nicht in der vorliegenden Forrn entstanden wäre. Bonn, irn Oktober 1996
Ruth Lang
Inhaltsübersicht Einführung
25
1. Kapitel
.Die bisherigen Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages
30
A. Die Rechte des Bundesrates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
B. Die Rechte des Bundestages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
2. Kapitel
Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG und seiner Begleitvorschriften A. Der Maastrichter Vertrag als Ausgangspunkt fiir die Verfassungsdiskussion . . . . .
91 91
B. Das Ratiftzierungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 106 3. Kapitel
Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG
130
A. Die Notwendigkeit der grundgesetzlichen Verankerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 B. Die MitwirkWlgsrechte im einzelnen ............................................. 138 C. WÜ!digwtg der MitwirkWlgsrechte des BWldesrates gern. Art. 23 Abs. 2 Wld 4-7 GG ............................................................................. 227 4. Kapitel
Die Mitwirkungsrechte des Bundestages gem. Art. 23 Abs. 2 und 3 GG
272
A. Die Notwendigkeit einer StärkWlg Wld grundgesetzlichen Verankerung der Rechte .............................................................................. 273
10
Inhaltsübersicht
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 283
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages ............................. 322 Zusammenfassung und Ausblick
373
I1teraturverzeic~s
380
Inhaltsverzeichnis Einführung
25
1. Kapitel
Die bisherigen Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages
30
A. Die Rechte des BlDldesrates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
I. DieBeteiligmtgvor1957 ......................................................
31
ll. Das ZuleitlDlgsvetfahren nach Art. 2 des ZustimmlDlgsgesetzes zu den Römischen Verträgen von 1957..... .. . ...... . . . . . .. ...... . . . . . . . .. . ....... . ..
32
1. Ursprüngliches Vetfahren.............................................. . ...
32
a) ZuleitlDlg................................................................
33
b) BeratlDlg im BlDldesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
aa) DerEG-Ausschuß ..................................................
35
bb) Der Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften...... ........ .................... ............... .................
36
c) Die StelllDlgnahme des BlDldesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
d) Mitwirlnmg von Ländervertretern in EG-Gremien während der VerhandllDlgsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
e) BewertlDlg des ZuleitlDlgsvetfahrens in seiner ursprünglichen Fonn.
39
2. Modifiziertes Vetfahren von 1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
ill. Das Länderbeteiligmtgsvetfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
1. Ausgesta1tlDlg des Vetfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
a) Infonnationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
b) MeinlDlgsbildlDlgsphase................................................
44
c) Verhand1lDlgsphase......................................................
45
2. Das Verhältnis zwischen Länderbetei1igmtgs- lDld ZuleitlDlgsvetfahren .
45
3. BewertlDlglDld Konsequenzen aus dem Vetfahren........................
46
IV Exkurs: Die ErrichtlDlg der LänderbÜlos in Brüsse1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
1. Beweggründe für die ErrichtlDlg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
12
Inhaltsverzeichnis 2. Gründung....................... . ..... . .....................................
48
3. Aufgabenbereich ..................... . .....................................
49
4. Bedenken der Bundesregierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 V. Das Bundesratsverrahren nach Art. 2 EEAG von 1986 ......................
51
1. Die Einheitliche Europäische Akte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
2. Das Beteiligungsverrahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
a) Entstehungsgeschichte..................................................
52
b) Das Verrahren im. einzelnen............................................
55
aa) Die Unterrichtung des Bundesrates................................
55
bb) Die Beteiligung an der innerstaatlichen Willensbildung des Bundes..............................................................
56
(1) Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme durch den Bundesrat.......................................................
56
(2) Abgabe der Stellungnahme durch die EG-Kammer ..........
57
(3) Abweichen der Bundesregierung von der Stellungnahme....
58
cc) Die Beteiligung an der Willensbildung der EG durch Mitwirkung von Ländervertretern in EG-Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
3. Indirekt Beteiligte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
a) Der Länderbeobachter .......................... . .......................
60
b) Die Landtage............................................................
61
4. Verhältnis zwischen Bundesrats-, Zuleitungs- und Länderbeteiligungsverrahren. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . .. . . .. .. .. .. .. . .
64
5. Bewertung des Bundesratsverrahrens............ . ..... . ......... ..........
64
B. Die Rechte des Bundestages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
I. Das Zuleitungsverrahren nach Art. 2 des Zustimmmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen von 1957............................................... 1. Ursprüngliches Verrahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 69
a) Die Unterrichtung des Bundestages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
b) Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
aa) Rechtsgrundlage. ...................................................
71
bb) Beratungsverrahren.................................................
71
cc) Verbindlichkeit der Stellungnahme................................
72
2. Modifizierungen des Zuleitungsverrahrens................................
73
a) Änderung der Anlage 6 der GOBT 1977...............................
73
b) Modifizierungennach 1977 .............. ..............................
74
aa) § 93 GOBT.........................................................
74
Inhaltsverzeichnis
13
bb) Folgen der Einheitlichen Europäischen Akte.....................
75
cc) Unterrichnmg während der Parlamentsferien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
c) Die EG-Beranmgsgremien des BlUldestages...........................
75
aa) Die Doppelmandatschaft. ..........................................
76
bb) ,,Kommission zur BehandllUlg von Fragen der Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament lUld dem Deutschen BlUldestag" von 1979 ..............................................
77
cc) Die Europa-Kommission von 1983................................
78
dd) Der Unterausschuß des Auswärtigen Auschusses von 1987......
80
ee) Der EG-Ausschuß von 1991........ ...............................
82
(1) EinsetZlUlg......................................................
82
(2) BesetZlUlg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
(3) Aufgaben.......................................................
83
(4) Probleme der Ausschußtätigkeit. . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .
84
3. Bewernmg des Zuleinmgsverfahrens......................................
85
11. Exkurs: Sonstige Formen supranationaler parlamentarischer Zusammenarbeit. .................. ........... ... .......... ........................... .....
88
1. Die Konferenz der Parlamentspräsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
2. "COSAC"................................................ . ....... . .. .. .. . . ..
89
3. ,,Europäische Assisen".....................................................
90
2. Kapitel
Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG und seiner Begleitvorschriften
91
ADer Maastrichter Vertrag als Ausgangspunkt für die VerfasslUlgsdiskussion ....
91
I. Struktur des Vertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
11. Inhaltliche BestimmlUlgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
1. Erste Säule: ÄnderlUlg der GründlUlgsverträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
a) BegriindlUlg lUld ErweiteflUlg von Gemeinschaftskompetenzen . . . . . .
93
b) Wirtschafts- lUld WähnmgslUlion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
c) Der institutionelle Rahmen der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
aa) StärklUlg des Europäischen Parlaments. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
bb) StelllUlg der Regionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
(1) Die Einrichnmg des Ausschusses der Regionen..............
98
(2) Klagemöglichkeit der Regionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
2. Zweite Säule: Gemeinsame Außen- lUld Sicherheitspolitik . . . . . . . . . . . . . .
99
14
Inhaltsverzeichnis 3. Dritte Säule: Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres ..... 100 4. UnionsbÜIgerschaft. ........................................................ 101 5. Subsidiaritätsprinzip ....................................................... 101 6. Prinzip der begrenzten Einzelermächtiglmg ........ . ... . .................. 103 7. Sonstige Neuerungen ....................................................... 104
a) Art. 146 EGV ........................................................... 104 b) Die Rolle der nationalen Parlamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 104 Ill. Zusammenfassung.......................................... . .................. 105
B. Das Ratifizierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 106 I. Hintergrund des Ratifizierungsverfahrens ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 106 1. Die Position der Länder....................................... . ............ 106 2. Änderungsvorschläge der Länder zu Art. 24 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 107 11. Die Beratungen in der Gemeinsamen Verfassungskommission .............. 108 1. Die Gemeinsame Verfassungskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108 2. Umfang der GG-Änderungen im Zuge des Maastrichter Vertrages ....... 109 a) Art. 28 und 88 GG ...................................................... 109 b) Tragfähigkeit von Art. 24 Abs. 1 GG als Ratifizierungsgrundlage . . .. 110 aa) Problemstellung .................................................... 110 bb) Früherer Meinungsstand ........................................... 110 cc) Meinungsstand nach Abschluß des Maastrichter Vertrages ...... 111 dd) Die Sachverständigenanhörung vom 22. Mai 1992 . . . . . . . . . . . . . .. 112 ee) Schaffung des Art. 23 GG.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 114 3. Verankerung der Länderrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 115 4. Die Empfehlungen der GVK vom 26. Juni 1992 .......................... 116 5. Forderungen des Bundestages ............................................. 116 6. Die Empfehlungen der GVK vom 15. Oktober 1992 ............. . ....... 119 Ill. Das Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 119 1. Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 119 2. Die Arbeit des Sonderausschusses ,,EU (Vertrag von Maastricht)" ...... 120 a) Einsetzung des Ausschusses ............................................ 120 b) Beratungsgegenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 121 c) Beratungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 122 aa) Ratifikationsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 122 bb) Grundgesetzänderungsgesetz ...................................... 123 (1) Mitwirkung des Bundesrates .................................. 123
Inhaltsverzeichnis
15
(2) Mitwirkmtg des Bundestages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124 (a) Berücksichtigung der StellWlgnahme durch die Bundesregierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124
(b) Konfliktlösungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124 (c) Der Europa-Ausschuß gem. Art. 45 GG .................. 125 cc) Beratung der beiden Ausführungsgesetze zu Art. 23 GG. . . . . . . .. 125 3. Vermittlungsverfahren und Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens ..... 127
IV Inkrafttreten der Regelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 128 3. Kapitel
Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates gem. Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG
130
A Die Notwendigkeit der gnmdgesetzlichen Verankerung .... . ..................... 130 I. Ausgangssituation ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130
ll. Der Kompensationsgedanke und Art. 23 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 131 1. Bundesstaatsprinzip ........................................................ 132 2. Bundestreue ................................................................ 135
ill. Fazit............................................................ . ............... 136 B. Die Mitwirkmtgsrechte im einzelnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 138
I. Der Gnmdsatz der Mitwirkmtg in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 sowie Art. 50 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 138
ll. Bundesratsverfahren ........................................................... 139 ill. Das Informationsrecht in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 140 1. Information als Voraussetzung der Mitwirkmtg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 140 2. Unterrichtungsgegenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 141 3. Unterrichtungsverfahren ................................................... 143 4. Ergebnis ...................................... ; ............................. 146
IV Die Mitwirkung an der innerstaatlichen Willensbildung des Bundes ....... 147 1. Leitsatz..................................................................... 147 2. Die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 147 a) Vorbemerkmtg........................................................... 147 b) Zeitlicher Rahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 148 c) Die Europakammer des Bundesrates ................................... 150 aa) Einsetzung der Kammer ........................................... 150 bb) Besetzung........................................................... 151
16
Inhaltsverzeichnis cc) Zuständigkeit....................................................... 151 dd) Zuweisung der Beratungsgegenstände ................. . ..... . ..... 152 ee) Beratungsvetfahren................................................. 153
11) Beschlußfunktion................................................... 153 gg) Würdigung.......................................................... 154 3. Die direkte Beteiligung an der Festlegung der Verhandlungsposition der Bundesregierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 155 4. Die einfache Berücksichtigung der Stellungnahme durch die Bundesregierung gem Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG .................................. 157 a) Anwendungsbereich .................................................... 157 aa) Interessen der Länder im Bereich der ausschließlichen Bundesgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 157 bb) "Soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat". 159 (1) Auslegung vor dem Hintergrund des Art. 72 GG (a.F.) ....... 159 (a) Bedürfuis nach bundeseinheitlicher Regelung gem. Art. 72 Abs. 2 GG (a.F.) ........................................ 159 (b) Das Gebrauchmachen von der Gesetzgebungsbefugnis als Abgrenzungskriterium zwischen Art. 23 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 GG ........................................... 161 (c) Fazit ........................................................ 164 (2) Auslegung vor dem Hintergrund des Art. 72 GG (n.F.). . . . . .. 165 (a) Entstehung und Intention des Art. 72 GG (n. F. ) . . . . . . . . .. 165 (b) Auswirkungen auf den Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 5 Satz 1 bzw. Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 166 cc) Vetfahren zur Bestimmung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . .. 169 b) Berücksichtigung der Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 169 5. Die maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG ........................................................... 170 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 171 aa) Gesetzgebungsbefugnisse der Länder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 171 (1) Bereich der originären Gesetzgebungskompetenz der Länder .................. : ........................................... 171 (2) Bereich der konkurrierenden und Rahmengesetzgebung . . . .. 171 bb) Einrichtung von Behörden oder Verwaltungsvetfahren der Länder .................................................................. 173 cc) ,,Betroffen" ......................................................... 174 dd) Schwerpunktregelung .............................................. 174 b) Die maßgebliche Berücksichtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 177
Inhaltsverzeichnis
17
aa) Pflicht der Bundesregienmg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 177 bb) Konfliktfall... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 177 (1) Herbeifiihrung von Einvernehmen............................. 178 (2) Letztentscheidungsrecht des Bundesrates ..................... 179 (3) Fehlen einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat ........... 180 c) Einschränkungen der maßgeblichen Berücksichtigung ................ 184 aa) "insoweit".............................................. . ..... . ..... 184 bb) Finanzwirksame Ausgaben ........................................ 185 cc) Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes ...... 186 d) Pflicht zur Erläutenmg der Abweichungsgriinde ...................... 189 e) Ergebnis................................................................. 190 6. Die Beteiligung des Bundesrates gern. § 5 Abs. 3 EUZBLG bei Vorhaben auf der Basis von Art. 235 EGV ...................................... 190 a) Art. 235 EGV ....................................................... . ... 191 b) Hintergrund der Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 192 c) Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 EUZBLG ......................... 193 d) Einvernehmen........................................................... 195 e) Stimmenthaltung oder Ablehnung der Bundesregienmg im Rat ...... 195
f) Antizipiertes Einvernehmen? .......................................... 196 g) Verhältnis vom § 5 Abs. 3 zu § 5 Abs. 2 EUZBLG . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 198
V. Die Beteiligung der Länderseite an der Außenvertretung des Bundes. . . . . .. 198 1. Das schlichte Hinzuziehen von mitberatenden Ländervertretem ..... . .. 199 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199 b) Ausgestaltung der Rechte der Ländervertreter. ........................ 201 2. Die Übertragung der Verhandlungsführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 202 a) Art. 146 EGV ........................................................... 202 b) Regelung des Art. 23 Abs. 6 GG im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 202 aa) Wahmehmung der Rechte als Mitgliedsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 203 bb) Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 204 (1) Ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder ....... 204 (2) Schwerpunktregelung.......................................... 206 (3) ,,Package deal" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 206 (4) Verhältnis zu § 6 Satz 1 EUZBLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 207 cc) Übertragung der Wahmehmungsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 207 dd) Die Zusammenarbeit mit der Bundesregienmg . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 210 (1) "Unter Beteiligung" ............................................ 210
2 Lang
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Inhaltsverzeichnis (2) ,,In Abstimmung" .............................................. 210 ee) Wahrung der gesarntstaatlichen Verantwortung des Bundes ...... 213 ft) Ausschluß der Übertragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 214
(1) Ratsvorsitz ..................................................... 214 (2) A-Punkt-Verfahren ............................................. 214 3. Benennung und fachliche Begleitung der Ländervertreter durch den Bundesrat. .................................................................. 215 a) Benennung ................... . .................. . ..... . ..... . ........... 215 b) Fachliche Begleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 217 4. Ergebnis.................................................................... 218 VI. Die Willensbildung des Bundes bei Verfahren vor den Europäischen Gerichten gern. § 7 EUZBLG .................................................... 218 1. Ausübung von Klagerechten durch die Bundesregierung ................. 219
2. Prozeßfiihrung .............................................................. 221
vn. Indirekt Beteiligte: Die Position der Landtage, des Beobachters der Län-
der und der Länderbüros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 222 1. Die Landtage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 222
2. Der Beobachter der Länder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 224 3. Die Länderbüros ........................................................... 226 C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG ............................................................................. 227 I. Verfassungsrechtliche Würdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 228 1. Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und das Integrationsprinzip des Grundgesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 228 a) Verhältnis zwischen Bundesstaats- und Integrationsprinzip. . . . . . . . . .. 228 aa) Das Bundesstaatsprinzip ........................................... 228 bb) Das Integrationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 228 cc) Spannungsverhältnis zwischen Bundesstaats- und Integrationsprinzip .............................................................. 229 (1) Bisheriges Verhältnis .......................................... 229 (2) Heutiges Verhältnis ............................... . ... . ... . .... 230 (a) Träger der Integrationsgewalt ............................. 230 (b) Grenzen der Integrationsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 231 dd) Fazit................................................................ 232 b) Die Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG im Spannungsfeld zwischen Bundesstaats- und Integrationsprinzip . . . . . . . . . .. 233 c) Ergebnis................................................................. 233
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2. Die MitwirkWlgsrechte nach Art. 23 Abs. 2 Wld 4-7 00 Wld die Außenvertretwtgskompetenz nach dem Grundgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 234 a) Die Verbandskompetenz im Bereich der auswärtigen Gewalt gern. Art. 32 00 . . . . .... . . ...... . . . . ..... . ... ..... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . .. 234 aa) Grundsatz der BWldeskompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 234 (1) Herkömmliches Verständnis des Art. 3200 ................. 234 (2) Verändertes Verständnis durch Fortschreiten des Integrationsprozesses? .................................................. 235 (3) Ergebnis ........................................................ 236 bb) BeziehWlgen zur EU als Teil der auswärtigen Gewalt ............ 237 cc) Nichtvertragliche BeziehWlgen zur EU............................ 238 dd) BeschränkWlg auf rein außenwirksame HandIWlgen .............. 238 ee) Die VerhandIWlgsfiihrung durch den Ländervertreter Wld die Verbandskompetenz ................................................ 239 11) Die KlageerhebWlg nach § 7 EUZBLG Wld die Verbandskompetenz ............................................................... 241 gg) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 241 b) Organkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 241 aa) Die BWldesregierwtg als Hauptträger der auswärtigen Gewalt. .. 241 bb) Art. 23 Abs. 600 Wld die Organkompetenz ...................... 242 cc) Fazit ................................................................ 244 c) Ergebnis................................................................. 244 3. Die MitwirkWlgsrechte Wld das Demokratieprinzip ...................... 245 a) Demokratieprinzip ...................................................... 245 b) Demokratische Legitimation der MitwirkWlgsrechte nach Art. 23 Abs. 2,4 Wld 5 00 ..................................................... 245 c) Demokratische Legitimation der VerhandIWlgsfiihrung durch einen Ländervertreter gern. Art. 23 Abs. 600 ............................... 245 d) Ergebnis................................................................. 247 4. Die MitwirkWlgsrechte Wld das horizontale GewaltenteilWlgsprinzip. .. 247 a) Das Prinzip der horizontalen GewaltenteiIWlg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 247 b) Der Kembereich der exekutivischen Eigenverantwortwtg . . . . . . . . . . .. 247 c) Einbruch in den Kembereich durch die MitwirkWlgsrechte nach Art. 23 Abs. 2 Wld 4-7 OO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 248 d) Ergebnis................................................................. 249 5. Die Mitwirkwtgsrechte Wld das Ressortprinzip des Art. 65 Satz 200 .. 249 a) Bedeutwtg des Art. 65 Satz 2 00 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 249 b) UntersuchWlg der einzelnen Mitwirkwtgsrechte ...................... 250
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aa) Infonnationsrecht .................................................. 250 bb) Recht auf einfache Beriicksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates ........................................................ 250 cc) Recht auf maßgebliche Beriicksichtigung der Stellungnahme. . .. 250 dd) Recht aufVerhandlungsführung durch einen Ländervertreter . . .. 251 c) Ergebnis ................................................................. 252 6. Die Mitwirkungsrechte und ihr Beitrag zum Erhalt der Länderstaatlichkeit. ..................................................................... 252 a) Die Eigenstaatlichkeit der Länder................... . .................. 252 b) Die Entscheidung für das Bundesratsvetfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 254 c) Die Mitwirkungsrechte unter dem Aspekt der Sicherung der Länderstaatlichkeit. ......................................................... 256 d) Fazit ..................................................................... 257
7. Ergebnis .................................... . .................. . ..... . ...... 258 11. Europarechtliche Würdigung.................................................. 258 1. Die Mitwirkungsrechte und die mitgliedsstaatlichen Pflichten der Bundesrepublik nach Art. 5 EGV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 258
a) Mitgliedsstaatliche Pflichten gern. Art. 5 EGV ........................ 258 b) Untersuchung der einzelnen Mitwirkungsrechte ... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 260 aa) Die einfache Beriicksichtigung der Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 00 ................................................... 261 bb) Die maßgebliche Beriicksichtigung der Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 00 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 262 cc) Außenvertretung durch einen Ländervertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 264 (1) Hinzuziehung des Ländervertreters gern. § 6 Abs. 1 EUZBLG ....................................................... 264 (2) Verhandlungs- und Stimmführung durch einen Ländervertreter gern. Art. 23 Abs. 6 00 .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... 264 2. Ergebnis .................................................................... 265
m.
Gerichtliche Durchsetzbarkeit der Mitwirkungsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 266 1. Vetfahrensart....................................................... .. ...... 266
a) Organstreitvetfahren gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 00 . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 266 b) Bund-Länder-Streit gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 00 .................... 266 c) Einstweilige Anordnung gern. § 32 BVerlGG .......... .. .............. 267 2. ,judicial selfrestraint". . .. ... . . . . . .. ... . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . ...... . . . . . . . .. 268 3. Ergebnis.................................................................... 269
Iv. Endergebnis.................................................................... 269
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4. Kapitel
Die Mitwirkungsrechte des Bundestages gem. Art. 23 Abs. 2 und 3 GG
272
A. Die Notwendigkeit einer Stärkung und grundgesetzlichen Verankerung der Rechte .............................................................................. 272
1. Gewaltenteilung ............................................................... 273 11. Demokratiedefizit ............................................................. 276 1. Demokratiedefizit innerhalb der EU ...................................... 276 2. Ausgleich durch Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments. . .. 277 3. Ausgleich durch Stärkung der Rechte des Bundestages .................. 279 4. Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts .............................. 280
m.
Ergebnis ........................................................................ 282
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 283
1. Der Gnmdsatz der Mitwirkung in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . .. 283 11. Das Informationsrecht in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG .......................... 283 1. Information als Voraussetzung der Mitwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 283 2. Unterrichtungsgegenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 284 a) Gnmdsatz............................................................... 284 b) Konkretisierung ......................................................... 284 c) Vorhaben nach Art. 235 EGV .......................................... 285 3. Unterrichtungsverfahren ......................................... . ..... . ... 286 4. Ergebnis.................................................................... 289
m.
Die Mitwirkung an der innerstaatlichen Willensbildung des Bund....... . .. 291 1. Die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG................................................................... 291 a) Anwendungsbereich der Norm .................. . ...................... 291 b) Die Verpflichtung der Bundesregierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 292 c) Vor der Mitwirkung/Zustimmung der Bundesregierung im Rat ....... 293 d) Abgabe der Stellungnahme durch den Bundestag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 294 e) Abgabe der Stellungnahme durch den Europaausschuß ............... 295 aa) Pflicht zur Bestellung des Ausschusses ........................... 295 bb) Delegationsbefugnis des Bundestages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 298 (1) Charakter der Delegation ...................................... 298 (2) Art der Ausschußermächtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 299 (3) Umfang der Ermächtigung ................................ . .... 299
22
Inhaltsverzeichnis (4) Verfahren bei der Abgabe der Stellungnahme durch den Europaausschuß ................................................ 301 cc) Stellung gegenüber den Fachausschüssen ......................... 302 dd) Bisherige Praxis .................................................... 305
f) Frist zur Abgabe der Stellungnahme ................................... 306 2. Die Berücksichtigung der Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 307 a) Die BeIÜcksichtigungspflicht der Bundesregierung ................... 307 aa) ,,Berücksichtigen" gem. Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG ............... 307 bb) ,,zugrundelegen" gern. § 5 Satz 3 EUZBBG ............... . ...... 308 cc) Fazit ................................................................ 310 b) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 310 c) Das Verhältnis der Stellungnahme zum "schlichten Parlamentsbeschluß" .. . . . . . . .. .. .. .. . . .. .. .. .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. 311 aa) Der schlichte Parlamentsbeschluß.. . . . . .. .. . . . .. .. . .. .. . . . . . . .. . .. 311 bb) Die Stellungnahme gem. Art. 23 Abs. 3 GG .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... 313 cc) Unterschied......................................................... 314 3. Der Konfliktfall: Sich widersprechende Stellungnahmen des Bundestages und des Bundesrates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 316 a) Die ursprüngliche Regelung des § 6 EUZBBG (a.F.) .................. 316 aa) Begriff der vorrangigen Berücksichtigung. .. . . . . .. . .. .. . . . . .. . . . .. 317 bb) Verhältnis von § 6 EUZBBG (a. F.) zu den Rechten des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 5 GG .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... 317 (1) Verhältnis zu Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... 317 (2) Verhältnis zu Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG ....................... 318 b) Heutige Konfliktlösung nach Art. 23 Abs. 2-7 GG .. .. .. .. .. .. .. .. .... 319 c) Unterschied der Lösungen .............................................. 320 d) Fazit ....................................... .. . ...... ..... . ............... 321 4. Ergebnis .................................................................... 321 C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages. . . .. . .. . . . ... ... . .. . . . .. . . .. 322
I. Verfassungsrechtliche Würdigung............................................. 323 1. Die Mitwirkungsrechte und das Integrationsprinzip des Grundgesetzes. 323 a) Verhältnis zwischen Integrationsprinzip und parlamentarischer Demokratie ................................................................. 323 b) Die Mitwirkungsrechte zwischen europäischer Integration und parlamentarischer Demokratie ............................................. 325 c) Ergebnis ................................................................. 326
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23
2. Die Mitwirkungsrechte und das Dernokratieprinzip .................. . ... 326 a) Das parlamentarische Dernokratieprinzip des Gnmdgesetzes ......... 326 aa) Legitimation staatlicher Hoheitsgewalt ........................... 326 bb) Legitimation supranationaler Hoheitsgewalt ...... . .. ... . ..... . ... 327 cc) Die zentrale Rolle des Bundestages ............................... 328 b) Die Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 00 und ihre dernokratiesichemde Wirkung ............................................ 329 aa) Das Informationsrecht gern. Art. 23 Abs. 200 ................... 329 bb) Das Stellungnahmerecht gern. Art. 23 Abs. 3 00 ................ 330 cc) Fazit ................................................................ 331 c) Der Europaausschuß nach Art. 45 00 und die Statusrechte des Abgeordneten nach Art. 3800............................................ 332 aa) Der Status des Abgeordneten nach bisheriger Rechtslage. . . . . . .. 333 (I) Fraktionsangehöriger Abgeordneter ........................... 333 (2) Fraktionsloser Abgeordneter ........................ . ......... 335 bb) Veränderungen durch den Europaausschuß ....................... 337 (I) Fraktionsangehöriger Abgeordneter ........................... 338 (a) Delegationsbefugnis des Bundestages - Verlagerung von Beschlußkompetenzen auf Ausschüsse ................... 339 (b) Kein ersatzloser Wegfall des Stimmrechts ............... 341 (c) Kein Verlust von Entscheidungsbefugnissen im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen .......................... 342 (d) Öffentlichkeitsprinzip ...................................... 342 (e) Erforderlichkeit der Delegation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 344 (2) Fraktionsloser Abgeordneter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 345 ce) Fazit ................................................................ 348 d) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 349 3. Die Mitwirkungsrechte und das horizontale Gewaltenteilungsprinzip ... 350 a) Einbruch in die exekutivische Eigenverantwortung der Bundesregierung? ................................................................. 350 aa) Das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestag im Gefüge des Gnmdgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 351 bb) Das Informationsrecht gern. Art. 23 Abs. 200 ........ . . . . . .. .... 353 cc) Das Stellungnahmerecht gern. Art. 23 Abs. 3 00 ..... . ..... . .... 356 dd) Fazit........................................................... . .... 360 b) Wahrung der Kräftebalance mit dem Bundesrat? ..................... 360 c) Ausgleich des Verlusts an Legislativbefugnissen ..... . ................ 363
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hthaltsverzeichnis d) Fazit ..................................................................... 365 4. Die Mitwirkungsrechte und das Ressortprinzip des Art. 65 Satz 2 GG .. 365 5. Ergebnis .................................................................... 365 II. Europarechtliche Würdigung .................................................. 366
1. Die Mitwirkungsrechte und Art. 5 EGY. .................................. 366 2. Ergebnis ....................................................... . ............ 367
ill. Gerichtliche Durchsetzbarkeit der Mitwirkungsrechte ....................... 368 Iv. Endergebnis .................................................................... 369 Zusammenfassung und Ausblick
373
Literaturverzeichnis
380
Einführung Nach einjähriger Verhandlungsdauer ist am 7. Februar 1992 der Vertrag über die Europäische Union von den zwölf Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft in Maastricht unterzeichnet worden. Seit 1. November 1993 ist dieser Vertrag in Kraft. Ziel des Vertrags soll das Vorantreiben der europäischen Integration und die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft nach außen sein. Zu diesem Zweck sieht der Vertrag die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie einer Politischen Union durch die Bildung von Grundlagen einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und einer Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (Znp) vor. Damit stellt er die bisher umfangreichste Änderung und Ergänzung der Römischen Verträge von 1957 dar und bildet nach eigener Aussage eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas (Titel I Art. A Satz 2 EUV). Vor allem aufgrund der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion bis zum Jahre 1999 sowie der in einigen Bereichen erfolgten Erweiterung gemeinschaftlicher Kompetenzen hat der Vertrag aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts eine Reihe von Fragen aufgeworfen. Dabei ging es vornehmlich um das Problem, an welche rechtlichen Voraussetzungen die weitere Übertragung von Hoheitsrechten zu knüpfen sei, ob die Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union zu einer Aushöhlung der wesentlichen Staatsstrukturen führe und ob darin ein Verstoß gegen die Bestimmung des Art. 79 Abs. 3 GG liege, wonach die in Art. I und 20 GG niedergelegten Grundsätze nicht berührt werden dürfen. Schließlich wurde vielfach bezweifelt, ob die Bundesrepublik - insbesondere durch die Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion - ihre Staatlichkeit aufgebe, worin ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG gesehen wurde. Längst nicht in dieser Intensität sind dagegen die Probleme diskutiert worden, die sich aus dem Maastrichter Vertrag für die Länder, den Bundesrat und den Bundestag ergeben. Deren Rechte und Stellungen werden durch den fortschreitenden Integrationsprozeß - vor allem im Hinblick auf die in der Vergangenheit bereits rege stattgefundene und nun verstärkt zu erwartende Rechtsetzungstätigkeit der Europäischen Union - erheblich beeinflußt. Eine Reihe von Regelungsmaterien, die bislang in die nationale Rechtsetzungskompetenz der Länder, des Bundesrates und des Bundestages fielen, können nun von der
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Europäischen Union an sich gezogen werden, sie werden "vergemeinschaftet". Der oftmals gerügten Regelungswut der Brüsseler Bürokraten sind durch die im nunmehr ergänzten EG-Vertrag enthaltenen zahlreichen Einzelermächtigungen und Evolutivklauseln weitere Türen geöffnet worden. Die Länder erleiden durch den Integrationsprozeß Kompetenzverluste gleich in mehrfacher Hinsicht. Im Kern handelt es sich dabei zunächst um ein demokratisch-parlamentarisches Problem, das sich jedoch zunehmend auf das grundgesetzlieh verankerte und mit der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG versehene Bundesstaatsprinzip auswirkt; denn dadurch, daß der Bund in der Vergangenheit nach Art. 24 Abs. 1 GG berechtigt war, nicht nur eigene, sondern auch Hoheitsrechte der Länder auf die Europäische Gemeinschaft zu übertragen! , kam es auf seiten der Landtage zu einem Verlust eines erheblichen Teils ihrer originären Gesetzgebungskompetenzen. Diese Befugnisse wurden von der Europäischen Gemeinschaft an sich gezogen, wobei es auch zu schweren Eingriffen in ureigene Länderkompetenzen - z.B. die Kulturhoheit - kam. Populärstes Beispiel hierfür ist wohl die Rundfunk- bzw. Fernsehrichtlinie aus dem Jahre 1986 bzw. 19892 , gegen die die Länder vor das Bundesverfassungsgericht zogen3 . Daneben erfuhren die Landesregierungen wegen der Verlagerung von Bundeskompetenzen auf die Gemeinschaft eine Einschränkung ihrer Mitwirkungsbefugnisse an der Gesetzgebung des Bundes über den Bundesrat nach Art. 50 GG. Mit wachsendem Integrationsstand sind die Länder daher immer mehr zu dem Schluß gelangt, daß ihre Eigenstaatlichkeit und mit dieser das grundgesetzliehe Prinzip der Bundesstaatlichkeit weniger durch zusätzliche Kompetenzübertragungen, d.h. Änderungen des Primärrechts, als vielmehr durch die zunehmende Verdichtung des Sekundärrechts der Gemeinschaft bedroht wird4 . Diese Erkenntnis führte dazu, daß die Länder ihre Bemühungen nicht mehr ausschließlich auf die Änderung des Art. 24 Abs. 1 GG, sondern in zunehmenden Maße auf die Verstärkung ihrer Beteiligungsmöglichkeiten am Entscheidungsprozeß der Gemeinschaft richteten. Insbesondere nach Abschluß der Einheitlichen Europäischen Akte im Jahre ! Jedenfalls war dies gängige Praxis \Dld wurde von der ganz überwiegenden Mein\Dlg auch befiirwortet, vgl. Tomuschat in: Bonner Kommentar, Rdnm. 25 \Dld 31 zu Art. 24 GG; Stern, Staatsrecht I, S. 535; Randelzhofer, in: MaunzlDürig/Herzog/ Scholz, Rdnr. 28 zu Art. 37 GG; Rojahn, in: v. MÜllch, Rdnr. 39 zu Art. 24 GG; HP. Ipsen, in: Festschrift für Hallstein, S. 248 (253); Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (6); Kewenig, JZ 1990, 458; a.A JarasslPieroth, Rdnr. 6 zu Art. 24 GG; Scholz, NVwZ 1993,817 (818); offenbar auch Maunz, BayVBl1990, 545 (546). 2 Dok. KOM (84) 300; geänderter \Dld verabschiedeter Vorschlag vorgelegt am 26. Mai 1989 Dok. KOM (89), 247. 3 Im einstweiligen Verfahren wurde dem Antrag der Länder nicht stattgegeben, vgl. BVerlGE 80, 74ff. 4 Magiera, in: derselbe/Merten (Hrsg.), B\Dldesländer \Dld Europäische Gemeinschaft, 11 (15); Schröder, JöR (n.F.) 85 (1986), 83 (95); Baumhof, S. 7.
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1986 erkannten die Länder deutlich die Gefahr, auf eine dritte Stufe hinter der Europäischen Union und dem Bund verdrängt zu werden. Befürchtungen wurden laut, nach denen die Bundesrepublik unter europäischer Perspektive zum gouvernementalen Einheitsstaat werdes . Auch der Bundestag büßt wegen der Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen des Bundes zunehmend Legislativbefugnisse ein. Soweit ihm auf dem Gebiet vergemeinschafteter Rechtsmaterien überhaupt Rechtsetzungskompetenzen verbleiben, wird er zu einem reinen Befehlsempfanger degradiert und verliert damit im Bereich der Richtliniengesetzgebung seine politische Funktion6 . Bei der europäischen Rechtsetzung erhält der Bundestag grundsätzlich keine Chance zur Mitwirkung7 . Diese auf seiten der Länder, des Bundesrates und des Bundestages verlorenen Befugnisse wachsen der Europäischen Union und damit der Bundesregierung über ihre Teilhabe an der Rechtsetzungs- und Entscheidungskompetenz des Ministerrates automatisch zu. Die Rechtsetzung erfolgt dadurch zu einem erheblichen Teil nicht mehr durch die unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgebungsorgane des Bundes und der Länder, sondern durch den Ministerrat. Dabei handelt es sich um ein Organ der europäischen Exekutivgewalt, das nur in eingeschränktem Maße parlamentarisch kontrolliert wird, da es seine demokratische Rückbindung nur mittelbar über die von den nationalen Parlamenten kontrollierten Regierungsmitglieder herleiten kann. Vor dem Hintergrund, daß das so gesetzte Recht unmittelbare Geltung in der Bundesrepublik beansprucht, ist diese Entwicklung untragbar, denn es handelt sich keineswegs um Lapalien, wie die folgenden Zahlen verdeutlichen. Derzeit ist die deutsche Gesetz- und Verordnungsgebung auf dem Gebiet des Wirtschafts-, Sozial- und Steuerrechts zu etwa 80 Prozent europäischen Ursprungs 8 , d.h. sie dient lediglich der Umsetzung europäischer Normen; auf die gesamte Gesetzgebung bezogen bedeutet dies, daß beinahe 50 Prozent der deutschen Gesetze auf europäisches Recht zurückgehen9 . Diese Entwicklung schreitet nun aufgrund erweiterter Ermächtigungen durch den Maastrichter Vertrag unaufhaltsam fort. Das europäische Recht enthält keine Vorschriften über die Ausgestaltung und den Ablauf des Verfahrens der innerstaatlichen Willensbildung. Daher dürfen die Mitwirkungsbefugnisse von den Staaten prinzipiell autonom geregelt werden 10 . Einen Ausgleich für die genannten Kompetenzverluste sah das Grundgesetz jedoch bislang nicht ausdrücklich vor. Lediglich einfachgesetzli6
7 I
9 10
Schröder, JÖR (n.F.) 1986, 83 (93). Bleckmann, ZPar11991, 572 (574). Oberreuter, in: Gabriel (Hrsg.), Die EG-Staaten im Vergleich, 309 (316). Bangemann, in: Bruckner (Hrsg.), S. 5. Ebd. Ress, EuGRZ 1986, 549 (551).
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che Bestimmungen enthielten Kompensationsregelungen. Um die Folgen dieser notwendig an ein Fortschreiten der europäischen Integration geknüpften Entwicklung für die Länder, den Bundesrat und den Bundestag abzumildern und deren Kompetenzverluste auszugleichen, sieht nunmehr der mit überwältigender Mehrheit in Bundesrat und Bundestag verabschiedete, neu in die Verfassung eingefügte Art. 23 GG in seinen Absätzen 2-7 GG eine Kompensation der Rechte der Länder, des Bundesrates und des Bundestages vor. Damit soll ihnen der Teil der politischen und rechtlichen Mitwirkung zugesichert werden, der ihnen dadurch verloren geht, daß einige für die Bundesrepublik Deutschland wichtige rechtliche und politische Entscheidungen in der Vergangenheit und in noch stärkerem Maße in der Zukunft in Brüssel getroffen werden. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat sich hinsichtlich der Kompensation der Länderrechte in Anlehnung an das Ratifizierungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte für das sog. Bundesratsverfahren entschieden. Soweit der Bundesrat also nicht als Kompensation für den Verlust an eigenen Rechten nach Art. 50 GG mit Mitwirkungsrechten ausgestattet wird, nimmt er Ausgleichsrechte der Länder repräsentativ für diese, aber dennoch als eigene grundgesetzlich zuerkannte Rechte wahr. In. der kurzen Zeit seiner Existenz ist Art. 23 GG bereits häufig und ausgiebig gescholten worden. Von einem "unübersichtlich geratenen Mechanismus in geradezu epischer Breite"ll , einem ,,Europa-Behinderungsartikel", der den europäischen Willensbildungsprozeß weiter verschleiere 12 , ja sogar von einem ,,Monstrum" war die Rede 13 ; ihm wurde vorgeworfen, Geschäftsordnungsfragen zu Verfassungsproblemen hochzustilisieren 14 und "erhebliches staatsrechtliches Blockadepotential" zu enthalten lS . Besonders herbe Kritik mußten die Länder hinnehmen. Mit der Verankerung weitgehender Beteiligungsrechte in Art. 23 GG hätten sie gegenüber dem Bund den Trumpf der Zustimmungsbedürftigkeit des Maastrichter Vertrages durch den Bundesrat "bis zum Äußersten ausgereizt"16; "von dieser Machtverschiebung (werde) sich die Bundesregierung nicht erholen,,17 . Aber auch der Bundestag mußte sich Kritik gefallen lassen. So wurde ihm angesichts der "vergleichsweise lapidare(n) Vorschrift über (seine) Beteiligung" ein unterentwickeltes Problembewußtsein hinsichtlich seiner schwindenden Funktion im Verfassungsgefüge vorgehalten l8 . KleinlHaratsch, DÖV 1993, 785 (797). 12 Oppermann/Classen, NJW 1993, 5 (12). 13 Ossenbühl, DVB11993, 629. 14 Everling, DVB11993, 936 (946). I~ Schwarze, JZ 1993, 585 (590). 16 Hennis, FAZ vom 18. Februar 1993. 17 Schwarze, JZ 1993,585 (590); Biedenkopf, Interview, Süddeutsche ZeitWlg vom 2.1friI1993. 1 Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 ff. 11
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Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen, ob die neuen Bestimmungen des Art. 23 Abs. 2-7 GG mit den dazugehörigen Begleitvorschriften zum einen als ausreichend erachtet werden können, um die bisherige und vom Grundgesetz vorgesehene Funktion und Stellung beider Organe als Gesetzgebungsorgane und der Länder als teilsouveräner Staatseinheiten zu sichern. Zum anderen gilt es aber auch zu überprüfen, ob die neuen Regelungen mit dem übrigen Verfassungsrecht (insbesondere mit Art. 32 Abs. I GG) und dem Gemeinschaftsrecht (insbesondere mit Art. 5 EGV) in Einklang stehen. Es geht also nicht um die Frage, an welche rechtlichen Voraussetzungen die Übertragung von Hoheitsrechten in Zukunft zu knüpfen ist; dies richtet sich nach Art. 23 Abs. I GG. Es geht vielmehr um den Umfang und die Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat an der Sekundärrechtsetzung und - im Falle des Bundesrates - an sonstigen Vorhaben der Europäischen Union. Dabei wird zunächst zum besseren Verständnis ausführlich auf die bisherigen Mitwirkungsrechte von Bundesrat und Bundestag eingegangen werden. Im folgenden soll dann die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG und in deren Rahmen insbesondere die Rolle der Gemeinsamen Verfassungskommission und des Sonderausschusses ,,Europäische Union" nachgezeichnet werden. Daran anschließend folgt eine detaillierte Darstellung der in Art. 23 GG vorgesehenen Rechte von Bundesrat und Bundestag, die jeweils schließlich in die Überprüfung ihrer verfassungsmäßigen Vereinbarkeit und ihrer tatsächlichen Durchsetzbarkeit mündet. Soweit erforderlich, wird dabei auch auf die strukturelle und kompetentielle Veränderung der Europäischen Union aufgrund des Maastrichter Vertrages einzugehen sein; es würde jedoch hier zu weit führen, die Vereinbarkeit des Vertrages selbst mit der Verfassung, d.h. mit Art. 79 Abs. 3 GG i.Vm. Art. 20 GG und somit auch die Verfassungsmäßigkeit des Ratifizierungsgesetzes zu überprüfen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Vertrag und Vertragsgesetz ist zudem im wesentlichen Gegenstand der 1993 vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden gewesen und durch dessen Urteil vom 12. Oktober 1993 grundsätzlich bestätigt worden.
1. Kapitel
Die bisherigen Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages Bereits vor Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages haben Bundesrat und Bundestag über Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft verfügt. Diese entwickelten sich jedoch erst allmählich und beschränkten sich, was den Bundestag betrifft, im wesentlichen auf Informationsrechte gegenüber der Bundesregierung. Dagegen hatten sich die Länder durch den Bundesrat bereits relativ früh erweiterte Mitwirkungsrechte gesichert, zu denen auch begrenzte Mitbestimmungsrechte zählten. Gemeinsam war den Rechten von Bundestag und Bundesrat, daß sie keine ausdrückliche verfassungsrechtliche, die des Bundestages sogar nicht einmal eine einfachgesetzliche Verankerung erfahren hatten, sondern nur auf unverbindlichen Vereinbarungen, Absichtserklärungen des Bundes oder auf parlamentarischer Übung beruhten. Dies führte in der Vergangenheit dazu, daß die Verfassungsmäßigkeit dieser Rechte häufig in Frage gestellt wurde. Ihre Erfüllung sowie der Umfang, in dem sie gewährt wurden, haben lange Zeit im Ermessen der Bundesregierung gelegen. Gleichwohl ist festzustellen, daß der Bund den Ländern in der Praxis häufig entgegengekommen ise . Regelmäßig läuteten Ereignisse wie Verhandlungen oder Abschlüsse von Gründungs- und Zusatzverträgen über die Europäische Gemeinschaft oder Z.B. die erste Direktwahl des Europäischen Parlaments einen neuen Abschnitt für die Beteiligungsrechte von Bundesrat und Bundestag ein. Vor allem die Länder und mit ihnen der Bundesrat wurden sich mit der fortschreitenden Integration ihrer schwindenden Bedeutung in der immer enger werdenden europäischen Rechtsvernetzung bewußt. Dadurch übernalunen sie für den Bundestag eine Art Vorreiterrolle. Im folgenden wird die Entwicklung der bisherigen Beteiligungsrechte beider Gesetzgebungskörperschaften aufgezeigt.
1 Siehe auch Hrbek, in: Hrbek!Ihaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, 17 (24).
A Die Rechte des Bundesrates
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A. Die Rechte des Bundesrates Bei der Beteiligung der Länder an der europäischen Rechtsetzung und an sonstigen europäischen Angelegenheiten begegnen einander im Kern völlig gegenläufige Interessen: Von Beginn der europäischen Integrationsentwicklung an ging es für die Länder im wesentlichen darum, den innerstaatlichen Willensbildungsprozeß des Bundes möglichst weitgehend im Sinne ihrer Interessen beeinflussen zu können. Demgegenüber mußte die Bundesregierung darauf bedacht sein, bei den Verhandlungen in Brüssel zeitlich flexibel und mit einem weiten Verhandlungsspielraum ausgestattet handeln zu können. Dementsprechend war es von Beginn an schwierig, ein Verfahren zu vereinbaren, das von beiden Seiten als ein akzeptabler Kompromiß angesehen werden konnte. Das Wort ,,Kompromiß" gibt hierbei bereits einen Hinweis auf die häufig zähen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sowie auf die zahlreichen Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung der jeweiligen Verfahren.
I. Die Beteiligung vor 1957 Bereits 1951 hatten die Länder im Zuge der Beratungen des EGKS-Vertrags im Bundesrat ihre Befürchtungen darüber geäußert, daß die auf europäische Integration gerichtete Politik der Bundesregierung langfristig dazu führen könne, den Ländern ihre verfassungsrechtlich zugesprochenen originären Gesetzgebungsbefugnisse und ihre Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes weitgehend abzuschneiden. Dadurch entstünde die Gefahr, daß die Eigenstaatlichkeit der Länder auf eine ,,reine Verwaltungseinheit" zurückgeführt werde2 . Da die europäische Rechtsetzung in einem noch sehr begrenzten Rahmen stattfand, war zum damaligen Zeitpunkt eine Durchsetzung konkreter Mitwirkungsrechte der Länder nicht wie in heutigem Maße angezeigt und möglich3 . Die Länderbeteiligung an der Sekundärrechtsetzung beschränkte sich daher auf den 2 So die vielzitierte Äußerung des Ministerpräsidenten von NRW Amold, Protokoll der 61. Sitzung des Bundesrates vom 27. Juli 1951 (1. Wahlperiode), S. 445. Auch in neuerer Zeit werden solche Bedenken inuner wieder geäußert, vgl. Jaspert, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 87 (88); Rupp, ZRP 1990, 1 (3); Oeter, in: Borgmann (Hrsg.), 115 (120) sowie Wilhelm, BayVBI 1992,705. 3 Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Ratifizierungsgesetz des EGKS-Vertrags gefordert, "daß bei der Willensbildung der deutschen Stellen im Rahmen des Schuman-P1ans die Mitwirkung des Bundesrates vor der RatifIzierung im Gesetz sichergestellt (werde)", BR-Drucks. 470/51 (Beschluß), Ziffer 5. Gesetzentwürfe, nach denen die Bundesregierung erst nach der Beratung mit den Ländern Weisungen an den deutschen Vertreter im Rat erteilen sollte, scheiterten im Bundestag.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
Grundsatz der Unterrichtung des Bundesrates über europäische Angelegenheiten durch die Bundesregierung. Rechtlich stützte sich diese Vereinbarung4 auf die Pflicht der Bundesregierung aus Art. 53 Satz 3 GG, den Bundesrat über die Führung der Geschäfte auf dem laufenden zu halten. Die tatsächliche Grundlage dieses Verfahrens bildete eine Absichtserklärung von Bundeskanzler Adenauer zur Unterrichtung des Bundesrates. Da es aber an einer konkreten Ausgestaltung der Unterrichtung fehlte und diese zumeist erst nach der Beschlußfassung im Rat erfolgte, blieb den Ländern häufig nur die Möglichkeit der nachträglichen Kenntnisnahme. Zudem wurden sie auch nicht - wie vorgesehen - laufend, sondern nur sporadisch und später überhaupt nicht mehr unterrichtetS . Aus diesem Grund wurde das Verfahren in der Praxis aus der Sicht der Länder verständlicherweise schnell als unzureichend empfunden6 .
n. Das Zuleitungsverfahren nach Art 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen von 1957 1. Ursprüngliches Verlahren Die ersten, ausdrücklich im Gesetz verankerten Beteiligungsrechte erhielten die Länder und mit ihnen der Bundesrat im sog. Zuleitungsverfahren anläßlich der Ratifizierung der Römischen Verträge im Jahre 19577 . Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, daß das Ratifikationsgesetz - im Gegensatz zu dem des EGKS-Vertrags - der Zustimmung des Bundesrates gern. Art. 84 Abs. I sowie Art. 105 Abs. 3 GG bedurfte. Damit konnten die Länder stärkeren Druck auf die Bundesregierung ausüben und verfügten dadurch über eine bessere Ausgangsposition als bei der Ratifikation des Vertrags über die Montan-Union im Jahre 1951 8 . Dennoch erreichten die Länder zunächst weniger, als sie beabsichtigt hatten; mit ihrer erneut vorgebrachten Forderung9 , daß der Bund seinen Vertretern in den Räten Weisungen erst zu einem Zeitpunkt ertei-
4 Zusage der Bundesregierung: Protokoll der 74. Sitzung des Bundesrates vom 1. Februar 1952, Stenographischer Bericht S. 33, Ziffer V ~ Borchmann, AöR 112 (1987), 586 (588). 6 Sasse, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, 333 (336f); Oberthür, Integration II11978, 58 (59). 7 Vereinzelt wird dieses Verfahren auch als ,,Bundesratsverfahren" bezeichnet (siehe z.B. HannalecklSchumann, ZPar11983, 362 (365). Dies ist zwar in der Sache zutreffend, weil die Beteiligung der Länder über den Bundesrat verlief; die Bezeichnung ,,Bundesratsverfahren" gilt jedoch in erster Linie dem Verfahren, das seit 1986 praktiziert wurde (siehe dazu unten unter V). a So auch Jaspert, APUZ 12/1982, 12 (14). 9 Vgl. Fn. 3.
A. Die Rechte des Bundesrates
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len sollte, wenn die Beratungen im Bundesrat abgeschlossen seien 1o , konnten sie nicht durchdringen. Die Bundesregierung vertrat nämlich die Auffassung, daß sie nach Art. 53 Satz 3 GG zwar zu einer laufenden Unterrichtung des Bundesrates in Angelegenheiten der EWG, jedoch nicht zu einer eingehenden Beratung mit ihm verpflichtet sei 11 . a) Zuleitung
Immerhin sah Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zum EWG-Vertragl2 die laufende Unterrichtung des Bundesrates über die Entwicklung in den Räten vor. Der Bundesrat war in Angelegenheiten der europäischen Rechtsetzung zeitlich vor der Beschlußfassung der Räte zu unterrichten, falls dadurch innerdeutsche Gesetze erforderlich gemacht wurden (= Richtlinien) oder in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht geschaffen wurde (= Verordnungen). Auf diese Weise sollte gegenüber dem bis dahin praktizierten Verfahren ein zeitlicher Fortschritt erzielt werden. Konkret bedeutete dies, daß das Ratssekretariat in BfÜssel Vorlagen an das Bundeswirtschaftsminsterium übersandte und diese von dort über das Bundeskanzleramt an den Bundesrat weitergeleitet wurden 13 . Dabei machte es keinen Unterschied, ob es sich um Angelegenheiten handelte, die zum Kompetenzbereich des Bundes oder der Länder zählten. Da es sich bei den Vorlagen jedoch zunächst ausschließlich um offizielle Kommissionsvorschläge handelte, erhielt der Bundesrat häufig wiederum nur einen verspäteten Einblick in die Rechtsetzungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft, denn die vorbereitenden Entwürfe der Kommission erreichten den Bundesrat auf diese Weise erst gar nicht. Grundlage für die verfahrensmäßige Umsetzung des Zuleitungsverfahrens war die interministerielle Vereinbarung vom 21. Januar 1963. Nach dem vorläufigen Inkrafttreten im Januar folgten noch weitere geringfiigige Änderungen. Sie waren im Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt vom 6. September 1963 14 an die Bundesminister enthalten, mit dem er die endgültige Fassung der Verfahrensregelung an die Bundesminister übersandte. Die Regelung sah vor, daß die Entwürfe der Kommission zu Verordnungen und Richtlinien auch dann dem Bundesrat zugeleitet werden sollten, wenn zweifelhaft sei, ob die innerdeutsche Gesetzgebung hiervon betroffen sei. Sonstige Vorlagen der Kommission an den Rat wie z.B. Memoranden, Berichte, EmpfehlunBR-Drucks. 146/57 (Beschluß). BT-Drucks. 2/3440. 12 BGBl. II 1957, S. 766. 13 Hanna1eck/Schwnann, ZPar11983, 362 (366). 14 Abgedruckt in: HrbeklThaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, Anhang, Dokwnent Nr. 3. 10 11
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
gen etc. sollten dagegen nur dann zugeleitet werden, wenn eine Berührung der innerdeutschen Gesetzgebung offensichtlich sei. Organisatorisch zuständig für die Zuleitung der Vorlagen im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft war das Bundeswirtschaftsministerium und für die Übersendung der Entwürfe der Europäischen Atomgemeinschaft an das Bundeskanzleramt das Bundesforschungsministerium. Das Bundeskanzleramt versah die Dokumente mit einem Zuleitungsschreiben und leitete sie weiter an den Bundesrat. Zudem wurde festgelegt, welche Informationen dieses Zuleitungsschreiben enthalten solltel~. Bis zur Beschlußfassung im Rat sollte das federführende Ressort den mit der Vorlage befaßten federführenden Ausschuß des Bundesrates im Wege der Kontaktpflege über Inhalt und Auswirkungen sowie über sich abzeichnende wesentliche Änderungen auf dem laufenden halten. Für den Fall, daß ein Entwurf ersetzt wurde, sollte das federführende Ressort beim Wirtschaftsministerium (bei Entwürfen und Beschlüssen des Rates der EURATOM das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung) dessen Zuleitung über den Bundeskanzler anregen. Ferner sollte das federführende Ressort nach der Beschlußfassung im Rat auf Anfrage dem Bundesrat darüber Auskunft geben, inwieweit dessen etwaige Anregungen in der endgültigen, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften verkündeten Textfassung Berücksichtigung gefunden hatten. Darüberhinaus war der Bundesrat auch über Inhalt und Auswirkungen von Verordnungen der Kommission zu unterrichten.
b) Beratung im Bundesrat Im Bundesrat wurden die Vorlagen unmittelbar an die zuständigen Ausschüsse weitergeleitet. Federführend war regelmäßig der EG-Ausschuß des Bundesrates, welcher zunächst allein berechtigt sein sollte, der Vollversammlung die Verabschiedung eines von ihm verfaßten Beschlusses zu empfehlen l6 .
.I' SO mußte der Titel der Verordnung, Richtlinie oder Entscheidung, das Datum der Übersendung an den Präsidenten des Rats sowie der voraussichtliche Zeitpunkt der Verabschiedung im Rat angegeben werden. Ferner sollte neben einem Hinweis auf Art. 2 Abs. 2 des Zustimmungsgesetzes als Rechtsgrundlage der Zuleitung der Hinweis darüber enthalten sein, ob der Entwwf vor seiner Verabschiedung im Rat dem Europäischen Parlament und dem Wirtschafts- und Sozialausschuß vorgelegt werden sollte. Etfolgte die Zuleitung verspätet, so war die Angabe der hierfiir verantwortlichen Gründe etforderlich. (Schreiben des Staatssekretärs vom 6. September 1963, siehe Fn. 14). 16 Jaspert, APUZ 12/1982, 17 (22).
A. Die Rechte des Bundesrates
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aa) Der EG-Ausschuß l7 Auf Anregung des bayerischen Ministerpräsidenten vom 24. September 1957 setzte der Bundesrat durch Beschluß vom 20. Dezember 1957 den "Sonderausschuß Gemeinsamer Markt und Freihandelszone" ein l8 . Der Ausschuß sollte den Ländern die ständige und eingehende Beratung der mit den Gemeinschaften und der geplanten Europäischen Freihandelszone zusammenhängenden Fragen ermöglichen. In diesem Rahmen sollte er nicht nur dem Bundesrat durch die Bundesregierung zugeleitete Informationen entgegennehmen, sondern seinerseits aktiv werden und Länderinteressen gegenüber der Bundesregierung und den Organen der Europäischen Gemeinschaft vertreten. Dennoch lag der Schwerpunkt der Ausschußarbeit eindeutig in der Informationsbeschaffungl9 . Nachdem die Schaffung der Freihandelszone vorerst gescheitert war, wurde der Ausschuß am 26. November 1965 in ,,Ausschuß für Fragen der Europäischen Gemeinschaften" umbenannro, nahm aber nach wie vor die gleichen Aufgaben wahr. Diese bestanden vor allem darin, die Beratung der Vorlagen nicht lediglich unter nationalen Gesichtspunkten, sondern auch unter Berücksichtung der integrationspolitischen Gesamtlage - wozu die Präambel des Grundgesetzes schließlich verpflichtete - durchzuführen21 . Da in der Praxis später alle mit der jeweiligen Vorlage befaßten Ausschüsse unabhängig von dem i.d.R. federführenden EG-Ausschuß ihre Empfehlungen im Plenum zur Abstimmung bringen konnten, beleuchtete der EG-Ausschuß auch diese Beschlußempfehlungen. Er befürwortete, kritisierte oder lehnte sie ab. Zudem war es notwendig geworden, die Beschlußempfehlungen der übrigen Ausschüsse vor der Abstimmung im Bundesrat und in den Landesregierungen zu koordinieren22 . Zur Unterstützung seiner Aufgabenwahrnehmung diente die regelmäßige Berichterstattung unter anderem durch Mitglieder der Bundesregierung23 • Seit dem 1. Januar 1967 beriet der EG-Ausschuß und nach ihm das Plenum des Bundesrates zudem über die halbjährlich von der Bundesregierung zu erstellenden Integrationsberichte24 . Auch die Ergebnisse dieser Beratungen wur17 Eingehend zur Tätigkeit des EG-Ausschusses siehe Jaspert, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 87 (92ff). U Stenographischer Bericht der 11. Sitzung des Bundesrates vom 20. Dezember 1957, S. 855 (B). 19 Jaspert, APUZ 12/1982, 17 (21). 20 Stenographischer Bericht der 289. Sitzung des Bundesrates, S. 242 (B). 21 Hannaleck/Schumann, ZPar11983, 362 (366). 22 Eingehend zum Ganzen: Jaspert, APUZ 12/1982, 17 (22f.). 23 Auch der unter bb) behandelte Länderbeobachter zählte zu diesen regelmäßigen Berichterstattern. 24 Vgl. MorawitzIKaiser, S. 47. Diese Berichte gewähren zunächst einen Überblick über die deutsche Europapolitik sowie über Schwerpunkte der Integrationsentwicklung 3*
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
den der Bundesregierung in Form von Empfehlungen mitgeteilt, an die sie nicht gebunden war. Inwieweit sie dennoch ihr Handeln danach ausrichtete, stand in ihrem Ermessen. Dabei war sie wiederum lediglich dem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Bundestreue verpflichtet. Vor allem aus der Sicht der übrigen Ausschüsse wurde die Arbeit des EGAusschusses in dieser Phase kritisch beurteilt. So bemängelte man, daß seine Beratungsergebnisse im wesentlichen den Empfehlungen der anderen Ausschüsse entsprachen, Diese Empfehlungen wurden dann entweder von ihm zur Kenntnis genommen oder übernommen. Diese Entwicklung lag sicher nicht daran, daß der EG-Ausschuß seinem Ziel, integrationspolitischer Wächter des Bundesrates zu sein, nicht genügend nachkam. Vermutlich ist der Grund für diese Erscheinung vielmehr darin zu suchen, daß die übrigen Ausschüsse des Bundesrates sich bei ihren Entscheidungen nicht nur - wie ursprünglich wohl befürchtet - auf einen engen, von nationalen und ländereigenen Interessen geprägten Blickwinkel beschränkten, sondern durchaus auch die europapolitische Lage wohlwollend im Blick behalten hatten. Dieser Umstand war übrigens auch dem EG-Ausschuß selbst nicht verborgen geblieben2~ . bb) Der Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften Die Institutionalisierung des Beobachters der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften beruht auf einer Vereinbarung der Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Bayern mit Außenminister von Brentano aus dem Jahre 1956. Zunächst hatte der Länderbeobachter lediglich an den Vorbereitungen zu den Vertragsverhandlungen über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft 1956 sowie der Schaffung einer Europäischen Freihandelszone 1958 teilnehmen sollen. Nachdem letztere aber 1959 gescheitert war, bestand die Einrichtung des Länderbeobachters fort und entwickelte sich zu einer dauerhaften Verbindungsstelle zwischen Bund und Ländern in Fragen der europäischen Integration. Seine Existenz wurde von der Bundesregierung global gebilligt26 .
und zeigen daran anschließend Verhandlungen und Beschlüsse des vergangenen halben Jahres auf 2' Siehe hierzu auch Jaspert, APUZ 12/1982, 17 (23). 26 Eine ausfiihrliche Darstellung zu der Stellung und den Aufgaben des Länderbeobachters fmdet sich bei Oetting, S. 96 ff., Birke, S. 53 ff. sowie bei Morawitz, S. 31 ff. Siehe auch Stöger, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 101 ff.
A. Die Rechte des Bundesrates
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Der Sitz des Länderbeobachters war zunächst traditionell die Landesvertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund in Bonn27 . Erst später konnten die Länder durchsetzen, daß er ein zusätzliches Außenbüro in Brüssel erhielt. Die Aufgabe des Länderbeobachters bestand darin, die Bundesländer so früh wie möglich über konkrete Vorgänge sowie sich abzeichnende Entwicklungen bei den Gremien der Gemeinschaft zu informieren, welche in den Bereich der ausschließlichen Ländergesetzgebung fielen oder die wesentlichen Interessen der Länder berührten. Zu diesem Zweck nahm er an den Tagungen des Ministerrates und den vorbereitenden Sitzungen teil, pflegte Kontakte zur EG-Kommission sowie zur Ständigen Vertretung der Bundesregierung in Brüssel und den Ressorts der Bundesregierung. Gleichzeitig mit der Übersendung an die Bundesregierung erhielt auch er vom Ratssekretariat die Dokumente, über welche er daraufhin seinerseits die Fachminister der Länder und die Ausschüsse des Bundesrates unterrichtete28 . Ferner übermittelte der Länderbeobachter auch die Wünsche der Bundesländer an die EG-Kommission29 und nahm als regelmäßiger Berichterstatter an den Sitzungen des EG-Ausschusses des Bundesrates teil. Dies wiederum half dem Ausschuß, seinen integrationspolitisch geprägten Beratungsauftrag zu erfiillen30 . Obwohl der Länderbeobachter offiziell der deutschen Ratsdelegation angehörte, spielte er auf europäischer Ebene nur eine rein beobachtende und passive Rolle ohne Interventionsreche' . Dagegen war seine Anwesenheit bei den Sitzungen des EG-Ausschusses von großer Bedeutung für das Diskussionsniveau des Ausschusses und damit von Vorteil für das gesamte Zuleitungsverfahren32 . c) Die Stellungnahme des Bundesrates
Die Abgabe einer Stellungnahme des Bundesrates zu den jeweiligen Vorlagen war tatsächlich durchaus möglich. Ob dies aber geschah, war für das Verfahren in Brüssel und das dortige Verhandlungsgebaren der Bundesregierung nicht von Belang, da eine solche Stellungnahme rechtlich unverbindlichen Charakter besaß33 . Aufgrund der erst relativ spät erfolgenden Informations27 28 29
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Sasse, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, 333 (342). Morawitz, S. 32f Morawitz, S. 33. Jaspert, APUZ 12/1982, 17 (21). Schweitzer, ZG 1992, 128 (134). Sasse, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, 333 (343). Schröder, JöR (n.F.) 85 (1986), 83 (97); Schweitzer, ZG 1992, 128 (132).
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirklmgsrechte
verschaffung34 - dies gilt insbesondere für solche Vorlagen, deren Beschlußfassung im Rat zum Zeitpunkt der Zuleitung unmittelbar bevorstand - hatte man im Bundesrat aber oftmals bereits wegen der Kürze der Zeit keine Möglichkeit, Einvernehmen zwischen den Ländern herzustellen und eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben. So beschränkte sich die Handhabung der Länderrechte nach Art. 2 in der Praxis auf eine Anhörung und gelegentliche Konsultationen des Bundesrates35 .
d) Mitwirkung von Ländervertretem in EG-Gremien während der Verhandlungsphase Im Rahmen einer Bund-Länder-Kommission fanden in der Zeit von 1964 bis 1967 Gespräche statt, bei denen es darum ging, das Zusammenwirken von Bund und Ländern im Bereich der auswärtigen Gewalt zu klären und die Länder stärker als bisher bei internationalen Verhandlungen einzubeziehen. Obwohl sich dieses Problem zunächst unabhängig vom Zuleitungsverfahren stellte, spielte es in den Bereich der Mitwirkung der Länder an der europäischen Integration dadurch hinein, daß zu den internationalen Verhandlungen ebenfalls die Verhandlungen auf EG-Ebene gezählt wurden. Ausgangspunkt hierbei war Art. 2 Abs. I Satz I Fusionsvertrag36, der bestimmte, daß sich der Rat aus Vertretern der Mitgliedsstaaten zusammensetzte. Gern. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 des Fusionsvertrages mußte es sich dabei um Regierungsmitglieder handeln. Gemeint waren damit Mitglieder der Bundesregierung. Folglich waren die Länder von einer Vertretung auf europäischer Ebene ausgeschlossen. Die einzige Ausnahme bildete der Beobachter der Länder, der jedoch - wie oben dargestellt - eine rein beobachtende Rolle spielte und kein Stimmrecht besaß. Das Ergebnis dieser Gespräche war die rechtlich unverbindliche sog. KramerlHeubl-Absprache von 1968 37 , nach der eine Beteiligung von Ländervertretern an der bundesdeutschen Delegation dann möglich sein sollte, wenn - der Bund aufgrund fehlender innerstaatlicher Zuständigkeit nicht über die erforderliche Sachkenntnis verfügte, - der Sachverstand der Delegation durch die Teilnahme qualifizierter Ländervertreter noch zusätzlich gestärkt werden konnte oder - in BfÜssel über wesentliche Belange der Länder zu verhandeln sein würde.
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Hannaleck/Schumann, ZParl1983, 362 (366).
3~ Schröder, JöR (n.F.) 85 (1986), 83 (97); siehe auch Art. 53 GG (BGBl. I vom 1.
Juli 1966, S. 437) sowie § 19 GOBR. 36 BGBl. Il1965, S. 1453 (1456). 37 Abgedruckt bei Morawitz, Anhang Il, S. 87 f[
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Ansprechpartner der Bundesregierung bei ihrem Ersuchen um Mitwirkung war eine bei der Ständigen Vertragskomrnission der Länder eingerichtete Kontaktstelle. Zwischen dieser Stelle und den federführenden Bundesressorts war sodann Einvernehmen über die zu beteiligenden Personen herzustellen. Im Außenverhältnis sollten die Ländervertreter im Gegensatz zum Länderbeobachter gleichberechtigt neben die übrigen Delegationsmitglieder als Regierungsvertreter der Bundesrepublik treten; delegationsintern blieb es jedoch bei ihrem Status als nicht gleichberechtigte Ländervertreter. Als Regierungsvertreter standen sie für die Auffassung der Bundesregierung. An diesem internen Willensbildungsprozeß der Bundesregierung konnten die Länder zum einen in dem oben geschilderten begrenzten Rahmen mitwirken. Zum anderen konnten sie jedoch auch durch die Erteilung von Weisungen an ihre Ländervertreter Einfluß ausüben, welche dann die Möglichkeit hatten, in delegationsinternen Vorbereitungsverhandlungen die fachlichen und politischen Belange der Länder in die Gesamtkonzeption einzufügen. Auf dieses Bemühen hatte der Bund wiederum im Rahmen seiner Pflicht zu länderfreundlichem Verhalten einzugehen. Trotz dieser Zugeständnisse machte die Bundesregierung deutlich, daß die vorgesehene Art der Beteiligung der Länder im auswärtigen Bereich nicht zur Regel werden dürfe und nur in eng umgrenztem Rahmen stattfinden könne. So blieben auch die unterschiedlichen Auffassungen von Bund und Ländern über die Auslegung des Begriffs der auswärtigen Beziehungen in Art. 32 GG von dieser Absprache unberührt. Nach Angaben von Morawitz ist das Verfahren zur Beteiligung der Länder an den Verhandlungen auf EG-Ebene sowie an den EG-Ausschüssen in der Folge jedoch trotz dieser Kontroversen reibungslos verlaufen38 .
e) Bewertung des Zuleitungsverfahrens in seiner ursprünglichen Form Bei der Bewertung des Zuleitungsverfahrens überwiegt eine positive Einschätzung durch Literatur und Politik. So müsse Art. 2 des Zustimmungsgesetzes, welcher materiell nicht über die Regelung des Art. 53 Satz 3 GG hinausging, nur als der formale Ausgangspunkt für die Beteiligung des Bundesrates verstanden werden39 . Im Laufe der Zeit habe sich auf dessen Basis eine intensive Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Bundesrat in europäischen Angelegenheiten entwickelt. Dabei sei es zu einem sachlichen Mei-
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Morawitz, S. 45. Sasse, in: Der Bundesrat als Vetfassungsorgan und politische Kraft, 333 (335).
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nungsaustausch gekommen, von dem beide Seiten profitiert hätten4o . Vorstellungen und Argumente der Länder hätten so in die Willensbildung des Regierungsvertreters im Rat einfließen können41 . Dies sei vor allem der Bundesregierung im Bereich der Verwaltung, in dem die Länder über großen Sachverstand und viel Erfahrung verfügten, bei ihren Verhandlungen in Brüssel zugute gekommen42 • Auch könne man nicht pauschal behaupten, daß die Stellungnahmen des Bundesrates für die Bundesregierung völlig unverbindlich gewesen seien. Zum einen habe die Bundesregierung die Auffassung der Länder im Rahmen des länderfreundlichen Verhaltens berücksichtigen müssen43 . Zum anderen habe die Berücksichtigungspflicht auch bestanden, weil die Durchführung der gemeinschaftlichen Rechtsakte in die Zuständigkeit der Länder gefallen sei44 . Schließlich sei es auch politisch für die Bundesregierung nicht von Vorteil gewesen, gegen den erklärten Willen des Bundesrates und der Länder zu handeln4S . Daher habe der Bundesrat und durch ihn die Länder in dieser Phase bereits tatsächlich über einen gewissen Einfluß auf die Europapolitik der Bundesregierung verfügt. Demgegenüber gab es jedoch durchaus auch kritische Anmerkungen zu dem ursprünglichen Verfahren. Insbesondere wurde bemängelt, daß zum einen - wie oben bereits angesprochen - die Vorlagen dem Bundesrat teilweise erst relativ spät zugeleitet worden waren46 . Zum anderen sei von seiten der Bundesregierung häufig im Zuleitungsschreiben nicht darauf hingewiesen worden, daß die Beschlußfassung der betreffenden Vorlage im Rat unmittelbar bevorstand, so daß der Bundesrat über deren Eilbedürftigkeit nicht unterrichtet war und seine Stellungnahme zu spät gekommen sei, um noch von der Bundesregierung bei ihren Verhandlungen in Brüssel berücksichtigt werden zu können. Die insgesamt recht positive Beurteilung der tatsächlichen Lage kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß, rechtlich betrachtet, die Lage der Länder äußerst unbefriedigend war47 . Das im Laufe der Zeit entwickelte Verfahren beruhte schließlich nur zu einem Teil - dem der laufenden Unterrichtung des Bundesrates durch die Bundesregierung - auf der Grundlage einer gesetzlich normierten Pflicht der Bundesregierung. Das, was das Verfahren jedoch tatsächlich ausmachte und zu einer echten Kooperation geführt hatte, nämlich die Funktion des Länderbeobachters, die Diskussionen und der Mei.40 So Minister Hasselrnann in der 469. SitZWIg des Bl.Uldesrates (8/469), Stenographiseher Bericht, S. 39 (A), 50 (D); ebenso OschatzlRisse, EA 1988, 9 (10). 41 Rudolf, in: Festschrift für H.J. Schlochauer, S. 117 (125). 42 Jaspert, APUZ 12/1982, 17 (25). 43 Oetting, S. 146 f. 44 Jaspert, APUZ 12/1982, 17 (26). 4~ Hannaleck/Schwnann, ZParl, 1983,362 (367). 46 Hannaleck/Schwnann, ebd. S. 366f. 47 Rudolf, in: Festschrift für H. 1. Schlochauer, S. 117 (125 f.).
A. Die Rechte des BlUldesrates
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nungsaustausch im EG-Auschuß sowie die Mitwirkung der Ländervertreter in Brüssel, entbehrte einer gesetzlichen Grundlage und beruhte lediglich auf dem Wohlwollen und dem Entgegenkommen der Bundesregierung. Eine Behebung dieses von den Ländern beklagten Mangels sollte jedoch vorerst noch am Widerstand der Bundesregierung scheitern. So kam es 1979 zunächst wiederum nur im tatsächlichen Bereich zu geringfügigen faktischen, nicht rechtlichen Verbesserungen des Zuleitungsverfahrens. 2. Modifiziertes Verfahren von 1979 Die Modifizierung des Zuleitungsverfahrens ging auf eine Anregung des Vorsitzenden des EG-Ausschusses, Minister Hasselmann, vom 17. Februar 1979 zurück48 . Nach Verhandlungen mit der Bundesregierung einigte man sich auf folgende Änderungen des bisherigen Verfahrens: Als Reaktion auf die bereits oben genannte Kritik sollte die Bundesregierung in Zukunft in ihrem Zuleitungsschreiben darauf eingehen, wieviel Zeit dem Bundesrat für seine Beratung zur Verfügung stand. Die laufende Unterrichtung der mit der Vorlage befaßten Ausschüsse des Bundesrates durch das federführende Ressort der Bundesregierung sollte im wesentlichen beibehalten und nur dahingehend verbessert werden, daß vor der Beratung in den Ausschüssen eine Verständigung zwischen dem federführenden Ressort und dem Ausschußsekretär oder dem Berichterstatter zu erfolgen hatte. Ferner wurde die Notwendigkeit der Anwesenheit der Ressortvertreter in den Ausschußsitzungen betont. Schließlich sollte der Bundesrat auf seinen entsprechenden Wunsch hin auch nach seiner Beschlußfassung vom federführenden Ressort schriftlich oder mündlich über wesentliche Änderungen von Vorlagen sowie darüber unterrichtet werden, ob die Stellungnahme des Bundesrates bei den Verhandlungen der Bundesregierung Berücksichtigung gefunden habe. Die weitergehende Forderung des Bundesrates, auch über die Gründe informiert zu werden, aus denen die Bundesregierung möglicherweise eine Stellungnahme des Bundesrates nicht berücksichtigt habe, konnte sich nicht durchsetzen. Begründet wurde dies damit, daß die Bundesregierung nach Art. 53 Satz 3 GG nicht zur Konsultation, sondern lediglich zur Information des Bundesrates verpflichtet sei und sich daher für ihre Verhandlungsführung in Brüssel nicht vor dem Bundesrat rechtfertigen müsse49 . Eine weitere Umsetzung des Zuleitungsverfahrens erfolgte durch die interministerielle Vereinbarung gemäß dem Schreiben des Chefs des Bundes48 49
Morawitz, S. 39. Morawitz, S. 38.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
kanzleramtes Lahnstein an die Bundesminister vom 9. August 1981~o. Dieses Schreiben enthielt gegenüber der bisherigen interministeriellen Absprache~l keine wesentlichen Neuerungen. Es sah unter anderem noch einmal die Ausgestaltung des Zuleitungsschreibens, die Einzelheiten der Übermittlung durch das Bundeswirtschafts- bzw. Bundesforschungsministerium sowie das Verfahren bei sich abzeichnenden wesentlichen Änderungen der EG-Vorlagen vor und orientierte sich dabei inhaltlich an den bereits getroffenen Vereinbarungen.
ill. Das Länderbeteiligungsverfahren Gegen Mitte der 70er Jahre meldeten die Länder - wohl überwiegend vor dem Hintergrund der inzwischen deutlich gesteigerten Rechtsetzungsaktivitäten der Europäischen Gemeinschaft - abermals ihre Unzufriedenheit mit den vorhandenen Beteiligungsrechten an. Daraufhin setzten die Chefs der Staatsund Senatskanzleien im Jahre 1975 eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel ein, einen Entwurf für eine Bund-Länder-Vereinbarung zu einer erweiterten Beteiligungsmöglichkeit der Länder in den Bereichen zu erarbeiten, in denen durch die Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft in ausschließliche Länderkompetenzen eingegriffen wurde. Die Länder verlangten zum einen eine Formalisierung des Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Zum anderen forderten sie eine grundlegende Änderung der bisherigen Praxis dadurch, daß nunmehr auch sie selbst anstelle des Bundesrates der Ansprechpartner für die Bundesregierung in europäischen Angelegenheiten sein sollten~2. Dadurch sollte das Mehrheitsprinzip des Bundesratsverfahrens umgangen werden, damit kein Land überstimmt werden konnte. Der Entwurf einer entsprechenden Vereinbarung wurde 1976 vorgelegt. Eine Verhandlungskommission zwischen Bund und Ländern (die sog. ,,Maußer-Kommission") beschäftigte sich zwischen 1977 und 1979 mit diesem Problemkreis. Im Laufe der Beratungen wurde jedoch deutlich, daß die Bundesregierung nicht zu einer förmlichen Vereinbarung bereit
war.
Das Ergebnis der Länderbemühungen war daher lediglich eine einseitige, nicht justitiable Erklärung des Bundeskanzlers Schrnidt in einem Brief an die
~o Abgedruckt in: HrbekfThaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, Anhang, Dokument Nr. 7, 238 f[ ~1 Siehe oben, Absprache vom 6. September 1963 unter 11. 1. a) sowie die Modifizierung des Zuleitungsverfahrens von 1979, siehe unter 11. 2. ~2 Vgl. Schweitzer, ZG 1992, 128 (132).
A. Die Rechte des Bundesrates
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Ministerpräsidentenkonferenz vom 19. September 197953 . Daraus geht hervor, daß der Grundsatz der Bundestreue die rechtliche Grundlage des neuen Verfahrens bildete. Bund und Länder sollten bei der Behandlung von EG-Vorhaben, die in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fielen oder deren wesentliche Interessen berührten, zu einer intensiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet sein. Auf dieser Grundlage verpflichtete sich die Bundesregierung zunächst zu einer rechtzeitigen und umfassenden Unterrichtung der Länder über die Vorhaben der Europäischen Gemeinschaft. Soweit diese Vorhaben in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fielen, sollten diese Gelegenheit zu einer einheitlichen Stellungnahme erhalten, die innerhalb einer angemessenen Frist vorzulegen war und die auf die außen- und integrationspolitischen Bindungen der Bundesregierung Rücksicht zu nehmen hatte. Der Bund sollte von diesem Standpunkt der Länder wiederum nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen dürfen, die er den Ländern mitzuteilen hatte. Jeweils zwei Ländervertreter mußten in die Beratungsgremien der Kommission und des Rates hinzugezogen werden - allerdings nur auf Verlangen der Länder und auch nur insoweit, als es der Bundesregierung möglich war. Berührten Vorhaben der Gemeinschaft die wesentlichen Interessen der Länder, waren die Länder anzuhören. Schließlich sah die Erklärung des Bundeskanzlers die Schaffung einer Verfahrensregelung in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vor, deren Fassung im Juni 1980 in § 85 a GGO vereinbart und verabschiedet wurde 54 . In seinem Schreiben vom 26. September 1979 erklärte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz Rau sein Einverständnis mit dieser Erklärung des Bundeskanzlers55 .
1. Ausgestaltung des Verfahrens Die nähere Ausgestaltung des Verfahrens beruhte im wesentlichen auf dem Grundsatzbeschluß der Ministerpräsidentenkonferenz vom 5. September 1979. In diesem verständigten sich die Länderregierungschefs über ein Verfahrensschema zur Abstimmung und Abgabe von Stellungnahmen und zur Benennung von Ländervertretern für EG-Verhandlungen, das im Februar 1980 er-
~3 Abgedruckt in: HrbekfIhaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, Anhang, Dokwnent Nr. 5, 237f. 54 Abgedruckt in: MorawitzlKaiser, Anlage IX, S. 166; im einzelnen siehe hierzu Morawitz, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 45 }46ff). ~ Abgedruckt in HrbekfIhaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, Anhang, Dokwnent Nr. 5,238.
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1. Kapitel: Die bisherigen MitwirkWlgsrechte
stellt wurde56 . Darin wurde das Verfahren in drei Phasen unterteilt: die Informationsphase, die Meinungsbildungsphase und die Verhandlungsphase. a) Injormationsphase 57
Die Versorgung der Länder mit Vorlagen und Informationsmaterial sollte ausschließlich über den Länderbeobachter erfolgen. Während der Informationsphase erhielt der Länderbeobachter direkt vom Ratssekretariat Dokumente, für deren Zuleitung das Bundesministerium für Wirtschaft die Verantwortung trug. Zudem bekam er gern. § 85 a GGO auch von den jeweils zuständigen Bundesministerien sämtliche Vorschläge und Entwürfe der EG-Kommission. Davon ausgenommen waren lediglich solche Vorlagen, die offensichtlich keine Länderinteressen berührten. Der Länderbeobachter seinerseits leitete die erhaltenen Dokumente an die Länder weiter. Dies geschah entweder über deren Landesvertretungen in Bonn oder über die von den Ländern zu diesem Zweck bestimmten AnlaufsteIlen, welche die Vorlagen den federführenden Ressorts der Länder zusandten. b) Meinungsbildungsphase 58
Während der Meinungsbildungsphase hatte sich zunächst jedes Land intern seine eigene Meinung zu der jeweiligen Vorlage zu bilden. Dabei oblag die Koordinierung der verschiedenen Ansichten dem federführenden Ressort des Landes. Zu der Meinungsbildung gehörte auch die Entscheidung darüber, ob das Land eine gemeinsame Stellungnahme aller Länder gegenüber dem federführenden Bundesressort für notwendig oder angebracht hielt. Die Auffassung des jeweiligen Landes wurde von seinem federführenden Fachressort einer sog. "Gemeinsamen Stelle" des Landes mitgeteilt. Dabei handelte es sich um Koordinierungsorgane, deren Funktion von jeweils einem
~6 Beschluß der Ministerpräsidenten der Länder vom 5. September 1979 sowie "Schema vom 7./8. Februar 1980 für ein Verfahren der Länder bei Maßnahmen der EG auf Gebieten, die zur GesetzgebWlgskompetenz der· Länder gehören oder deren wesentliche Interessen berühren", abgedruckt bei Morawitz, Anhang VIII, S. 108 (110). ~7 Siehe "Schema vom 7./8. Februar 1980 ... ", abgedruckt bei Morawitz, Anhang VIII, S. 108 f; dazu Morawitz, S. 69 ff. ~8 Siehe "Schema vom 7./8. Februar 1980 ... ", abgedruckt bei Morawitz, Anhang VIII, S. 109 f sowie die ausfiihrliche DarstellWlg bei Hanna1eck/Schumann, ZParl 1983,362 (363f).
A. Die Rechte des Bundesrates
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Landesfachminister übernommen wurde 59 • Aufgabe dieser Gemeinsamen Stellen war es, die Abstimmung zwischen allen Ländern über die eingereichten Stellungnahmen durchzuführen. Dabei konnte auch darüber abgestimmt werden, ob und welche Ländervertreter zur Entsendung in die Gremien der Gemeinschaft vorgeschlagen werden sollten60 . Bei der Abstimmung hatte - im Gegensatz zur Abstimmung im Bundesrat - jede Länderstimme das gleiche Gewicht. Ferner herrschte das Prinzip der Einstimmigkeit, so daß kein einzelnes Land überstimmt werden konnte61 . Die gemeinsame Stellungnahme der Länder sollte daraufhin - sofern sie zustarIde kam - dem zuständigen Bundesministerium übermittelt werden. Konnte eine Einigung nicht erzielt werden, sollte dies zusammen mit dem aktuellen Meinungsstand der Länder Gegenstand der Mitteilung sein. Von dieser Stellungnahme waren der Länderbeobachter sowie die zuständigen Ressorts der Länder zu informieren. c) Verhandlungsphase 62
In der Phase der Verhandlungen in Brüssel hielten die entsandten Ländervertreter sowie die Gemeinsame Stelle Kontakt zu den federführenden Landesressorts und informierten diese über den Stand und die weitere Entwicklung der Verhandlungen. Falls die Länder in dieser Phase die Abgabe einer weiteren Stellungnahme für erforderlich hielten, koordinierte und übermittelte sie die Gemeinsame Stelle an das betreffende Bundesministerium. Ferner übernahm sie die Unterrichtung des Länderbeobachters. 2. Das Verhältnis zwischen Länderbeteiligungsund Zuleitungsverfahren Das Länderbeteiligungsverfahren beschränkte sich auf die Behandlung solcher Vorlagen, die entweder in den Bereich der ausschließlichen Ländergesetzgebung fielen oder aber wesentliche Interessen der Länder berührten. Im Gegensatz dazu war das Zuleitungsverfahren auch in den Fällen anzuwenden, ~9 Eine Übersicht über die Zuständigkeitsverteilung der "Gemeinsamen Stellen" frodet sich bei Morawitz, Anhang VIII, S. 111 ff. 60 Basis fiir die Entsendung war - wie oben geschildert (m. 1. d) - die ,,Kramer/ Heubl-Absprache" von 1968. 61 Hrbek, in: HrbekfThaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 17 (30); Morawitz, S. 60. 62 Siehe "Schema vom 7./8. Februar 1980 ... ", abgedruckt bei Morawitz, Anhang VIII, S. llOf.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
in denen die Vorlagen in den Bereich der Bundeszuständigkeit fielen. Sofern die Vorlagen daher ausschließliche Länderkompetenz betrafen, ging das Länderbeteiligungsverfahren eindeutig vor. Waren jedoch sonstige wesentliche Interessen der Länder berührt - eine nicht unproblematische Umschreibung-, fielen die Vorlagen in den Bereich der Bundeskompetenz, weswegen es hier zu einer Doppelgleisigkeit der Verfahren kommen mußte. Um dies weitgehend zu vermeiden, verzichteten die Länder in diesen Fällen auf die Abgabe einer eigenen Stellungnahme, es sei denn, daß ein Land die Weiterführung des Länderbeteiligungsverfahrens für angeraten halten sollte63 . In solchen Fällen bestand aufgrund der unterschiedlichen Abstimmungsmodi 64 die Gefahr der Abgabe abweichender Stellungnahmen von Bundesrat und der "Gemeinsamen Stelle,,65 . Dieser Konflikt war der Bundesseite wohl bewußt gewesen und hatte vermutlich mit dazu beigetragen, daß sich die Bundesregierung einer verbindlichen Vereinbarung verweigerte, um im Konfliktfall eine freie Entscheidung treffen zu können66 . 3. Bewertung und Konsequenzen aus dem Verfahren
Das Länderbeteiligungsverfahren hat in Literatur und Praxis durchweg keine positive Beurteilung erfahren61 . Aus heutiger Sicht wird man ohne Einschränkung sagen können, daß das mit der Schaffung dieses Verfahrens angestrebte Ziel, die Länder unmittelbar an der innerstaatlichen Willensbildung in europäischen Angelegenheiten zu beteiligen, weitgehend fehlgeschlagen ist. Dies lag sicherlich an dem Verfahren selbst. So war häufig schon das Herbeiführen einer einvernehmlichen Stellungnahme der Länder aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips schwierig. Teilweise war es zudem so langwierig, daß die Länder in den Fällen, in denen es überhaupt zu der Abgabe einer Stellungnahme gekommen war68 , die Verhandlungen in Brüssel verpaßten. Ferner war es als deutlicher Mangel des Verfahrens anzusehen, daß der Länderbeobachter 63 "Schema vom 7.18. Februar 1980 ... ", abgedruckt bei Morawitz, Anhang vm, S. 107ff, sowie Morawitz, S. 76. 64 Dazu oben, unter 2. b). 6' Siehe auch Morawitz, S. 60. 66 So auch Morawitz, S. 61. 61 Hannaleck/Schumann, ZParl 1983, 362 (367ff); Ziller, in: HrbekfThaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 89 (98); Ress, EuGRZ 1986,549 (557); Haas, DÖV 1988, 613 (617). ,. In den Jahren 1980 - 1986 sind von ca. 1000 dem Länderbeobachter übersandten, die Interessen der Länder berührenden Vorlagen von diesem nur 300 an die sog. Gemeinsamen Stellen weitergeleitet worden und in 37 Fällen eine gemeinsame Stellungnahme der Länder erarbeitet worden, siehe Zarges, in: EG-Magazin 5/1986, S. 8; Strohmeier, DÖV 1988, 633 (635).
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lediglich während der Informationsphase tätig wurde, so daß er die Vorlagen während der Meinungsbildungs- und der Verhandlungsphase trotz gelegentlicher Unterrichtung durch die Gemeinsame Stelle aus dem Blickfeld verlor. Daher wußte er oftmals nicht, ob und welche zusätzlichen Informationen die Länder noch benötigten69 . Schließlich lag ein weiterer Grund für das Fehlschlagen in der völlig unzureichenden Infrastruktur des Länderbeobachters und der "Gemeinsamen Stellen". Denn diese Organe verfügten lediglich über einen entweder sehr begrenzten oder keinen dauerhaften organisatorischen Unterbau70 . Ein anderer Grund für die negative Beurteilung und das Scheitern des Verfahrens ist schließlich aber auch in dem Umstand zu suchen, daß sich das Zuleitungsverfahren im Laufe von mehr als 20 Jahren so gut eingespielt hatte, daß sich daraus eine für Bundesregierung und Bundesrat recht befriedigende Zusammenarbeit entwickelt hatte, mit der das neue Verfahren nicht konkurrieren konnte71. So bestanden langjährige nützliche Kontakte, die man nicht zugunsten eines noch unerprobten Verfahrens aufgeben wollte. Teilweise wird sogar die Ansicht vertreten, daß man mit dem Länderbeteiligungsverfahren lediglich das formalisiert habe, was bis dahin bereits längst gängige Praxis geworden war, nämlich die umfassende und frühzeitige UnterriChtung der Länder und die Entsendung von Ländervertretern in die Verhandlungsdelegation der Bundesregierung72 .
Iv. Exkurs: Die Errichtung der Länderbüros in Drüssel 1. Beweggründe für die Errichtung
Im Laufe der 80er Jahre erkannten die Länder, daß ein grundsätzlicher Mangel ihrer Beteiligungsrechte nach wie vor darin lag, daß diese erst relativ spät einsetzten. Die dem Rat vorgelegten offiziellen Entwürfe der EG-Kommission, die den Ländern entweder noch im Wege des älteren Zuleitungsverfahrens oder über den Länderbeobachter im Rahmen des Länderbeteiligungsverfahrens übersandt wurden, wiesen bereits eine weitgehende Festlegung der offiziellen Position auf. Dazu kam, daß durch das im Ministerrat übliche Einstimmig-
Hannaleck/Schumann, ZParl1983, 362 (365). Hierzu Strohmeier, DÖV 1988, 633 (635) Wld Engholm, EA 1989, 383 (388). 71 Hannaleck/Schumann, ZParl1983, 362 (366). 72 Hrbek, in: Hrbek!Thaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder Wld die Europäischen Gemeinschaften, 17 (30f). 69
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keitsprinzip73 Änderungen an diesen Kommissionsentwiirfen nur sehr schwer zu erreichen waren74 . Die Länder erkannten daher, daß es für eine Einflußnahme auf die europäische Rechtsetzung und Politik notwendig war, bereits zu einem früheren Zeitpunkt Einfluß auf die Arbeit der Kommission selbst auszuüben75 . Dies war vor allem durch ihre ständige Präsenz in Brüssel zu erreichen76 . So kam es im Sommer 1984 zu einer Initiative der Länder, das Büro des Länderbeobachters bei den Europäischen Gemeinschaften in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Brüssel einzubinden77 . Dieser Vorstoß scheiterte jedoch 1985 an dem Widerstand der Bundesregierung, die als Bedingung gefordert hatte, daß der Länderbeobachter dem auswärtigen Dienst der Bundesrepublik einzugliedern sei und den Weisungen der Ständigen Vertretung zu unterstehen habe 78 . 2. Gründung
Da dies eine für die Länder inakzeptable Forderung darstellte, entschlossen sie sich stattdessen dazu, sog. Länderbüros in Brüssel zu errichten79 • Den Anfang machte dabei Hamburg im Januar 1985. Das Saarland folgte im August 1985. In den darauffolgenden Jahren richteten auch die übrigen alten Bundesländer eigene Büros in Brüssel ein oder schlossen sich an vorhandene an. Als letzte der alten Bundesländer folgten Berlin und Hessen im Jahre 1988. Nachdem die neuen Bundesländer sich zunächst durch vorhandene Büros hatten vertreten lassen80 , haben auch sie mittlerweile eigene Büros errichtet. Die Organisationsform der Büros ist teils privatrechtlicher, teils öffentlichrechtlicher Natur. Entsprechend differieren die Beschäftigungsverhältnisse des Personals. Während einige Länder ihr Personal durch Werk-, Berater- oder 73 Vgl. Borchmann, AöR 112 (1987), 586 (600); erst der aufgnmd der Einheitlichen Europäischen Akte in den EWG-Vertrag eingefugte Art. 100 a sah eine qualifizierte MehrheitsentscheidWlg des Ministerrates für den Erlaß von Maßnahmen zur AngleichWlg der Rechts- Wld VerwaltWlgsvorschriften der Mitgliedsstaaten vor, welche die Schaffung des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. 74 Eingehend hierzu Fastenrath, DÖV 1990, 125 (127). 7~ Ebd. 76 Siehe Hamburger Senatsdrucksache Nr. 1407 vom 20. November 1984; vgl. auch Strohmeier, DÖV 1988, 633 (635). 77 Siehe Fastenrath, DÖV 1990, 125 (127). 71 Ebd. 79 Ebd.; auf den Zusammenhang zwischen den ForderWlgen der BWldesregierWlg Wld der ErrichtWlg der Länderbüros wies der damalige BWldesratspräsident Börner in der 570. SitZWlg des BWldesrates vom. 7. November 1986 (S. 573 f) ausdrücklich hin. BO Schweitzer, ZG 1992, 128 (139); Münster, EG-Magazin 5/1991, 19 (21).
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Arbeits-/Dienstverträge gebunden haben, besetzen andere Länder ihre Büros mit Landesbeamten81 . 3. Aufgabenbereich Die Länderbüros dienten und dienen auch heute noch in erster Linie der frühzeitigen Informationsvermittlung und Aufarbeitung von Informationen, um dadurch die Chancen einer direkten Einflußnahme auf Entscheidungen der Gemeinschaft zu erhöhen82 . Insofern haben sie die Funktion von Frühwarnsystemen83 . Daneben haben die Büros aber auch die Aufgabe, Kontakte zwischen Behörden sowie Forschungseinrichtungen etc. und den Institutionen der Gemeinschaft zu vermitteln und zu pflegen. Schließlich obliegt es ihnen, Standortwerbung für die jeweiligen Länder als Wirtschaftsplätze zu betreiben und auf diese Weise deren Wirtschaftsforderung zu unterstützen84 . Da gerade in diesem Bereich von den Ländern häufig konkurrierende Interessen verfolgt werden, zeigte es sich im Laufe der Zeit, daß die Einrichtung ländereigener Büros einen deutlichen Vorteil gegenüber der ursprünglich beabsichtigten, für alle Länder einheitlichen Vertretung durch den Länderbeobachter aufwies 85 . 4. Bedenken der Bundesregierung Von Beginn an betrachtete die Bundesregierung die Errichtung der Länderbüros mit erheblicher Skepsis. Sie fürchtete, daß diese Art der Kontaktpflege der Länder zu den Institutionen der Europäischen Gemeinschaft die in Art. 32 Abs. I GG niedergelegte Außenvertretungskompetenz des Bundes aushebeIn würde und die Länder an Bonn vorbei eine Art "Nebenaußenpolitik" betreiben könnten 86 . Diese Bedenken suchten die Länder jedoch bereits frühzeitig zu zerstreuen. So versicherte der Hamburger Bürgermeister, daß es sich bei dem ,,Hanseoffice" der Stadt Hamburg nicht um eine Botschaft handele, die der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Konkurrenz machen wolle 87 . Auch die Landesregierung von Baden-Württemberg stellte klar, daß es ihr lediglich um InSchmidt-Meinecke, Speyerer Forschungsberichte 59.1, S. 100. Vgl. Hamburger Senatsdrucksache Nr. 1407 vom 20. November 1984. 13 Vgl. Rupp, ZRP 1990, 1 (3). 84 Eine ausführliche Übersicht über die Aufgaben der Länderbüros fmdet sich bei Borchmann, NVwZ 1988, 218 (219). Borchmann, NVwZ 1988, 218. 16 So auch die Bundestagsabgeordnete Dr. Hellwig, EA 1987, 297 (302). 17 Pawe1czyk, Europäische Zeitung 1/1987. 11
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formationsaustausch und Wirtschaftsforderung, keineswegs aber um Politik gehe88 . Dennoch versuchte die Bundesregierung im folgenden, die Aktivitäten der Länder in diesem Bereich zu begrenzen und zu kontrollieren89 , indem sie zum einen eine durchweg privatrechtliche Organisationsform der Büros forderte und im übrigen einen bestimmten Aufgabenkreis der Büros festlegen wollte, der sich auf Informationsbeschaffung, Betreuung von EG-Projekten in den jeweiligen Ländern, Wirtschaftforderung und Besucherbetreuung beschränken sollte90 . Mit diesen Forderungen konnte sie sich jedoch nicht durchsetzen, da die Länder nicht bereit waren, die erheblichen Auswirkungen der fortschreitenden europäischen Integration auf ihren ausschließlichen Verantwortungsbereich ohne diese neue unmittelbare Informationsquelle zu tolerieren91 . Zudem erhielten die Länder Unterstützung seitens der juristischen Literatur. So wurde z.B. von Fastenrath ausführlich dargelegt, daß die Länderbüros, sofern sie wie bisher keinen Botschaftsstatus in Anspruch nähmen oder sich diplomatische Vorrechte oder Mitgliedschaftsrechte in der EG anmaßten, keineswegs die alleinige Außenvertretungskompetenz des Bundes nach Art. 32 Abs. 1 GG verletzten oder einschränkten92 • Ob die Länder nämlich ihre Aktivitäten von ihrem Territorium oder von Brüssel aus betrieben, sei kompetenzrechtlich ohne Belang. Das gleiche gelte für ihre Organisationsform sowie für die Rechtsform der Beschäftigtenverhältnisse ihrer Belegschaften93 . Im übrigen dürfe der Bund seine ausschließliche Außenvertretungskompetenz nach Art. 32 GG nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Bundestreue ausüben94 . Auch wenn die Bundesregierung der Arbeit der Länderbüros noch lange Zeit mit Vorbehalten gegenüberstand, hat sie sich inzwischen doch weitgehend
81 ,,Die Bundesländer wollen ihren Anteil an Europa", Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 25. März 1986, S. 7. 19 Dies geschah vor allem an1äß1ich der Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. Dezember 1987 zur Umsetzung des in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte festgeschriebenen neuen Bundesratsverfahrens, siehe dazu ausfiihr1ich unten, unter V. .90 BT-Drucks. 10/6663; vgl. Borchmann, NVwZ 1988, 218 (220); Fastenrath, DÖV 1990,125 (128). 91 So der Wissenschaftsminister des Landes Hessen Gerhardt, FAZ vom 20. April 1989, S. 5. 92 Fastenrath, DÖV 1990, 125 (128ff); zu dem gleichen Ergebnis gelangten auch Borchmann, VR 1987, 1 (5) und Rudolf, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 263 (267). 93 Fastenrath, DÖV 1990, 125 (136). 94 Birke, S. 102f
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mit der Etablierung dieser Büros abgefunden95 . Für die Länder sind die Länderbüros heute zu einer unverzichtbaren Informations- und Kontaktbörse geworden96 .
V. Das Bundesratsverfahren nach Art. 2 EEAG von 1986 1. Die Einheitliche Europäische Akte Das als ,,Einheitliche Europäische Akte" (im folgenden: EEA)97 bezeichnete, von den EG-Außenministern am 2./3. Dezember 1985 unterzeichnete Vertragswerk legte den Grundstein für die mit dem Vertrag von Maastricht geschaffene Europäische Union. So bekannte sich die Gemeinschaft in Titel 1, Art. 1 Abs. 1 EEA zu dem gemeinsamen Ziel, konkrete Fortschritte auf dem Wege zu einer Europäischen Union erreichen zu wollen. Ferner enthielt die EEA Vorschriften zur Vollendung des gemeinsamen Binnenmarktes bis zum 31. Dezember 1992 (Art. 13-19) sowie Regelungen über die währungspolitischen Ziele der Gemeinschaft und ihre Zusammenarbeit beim Hinwirken auf eine Konvergenz der europäischen Währungen (Art. 20). Die EEA erweiterte und konkretisierte den Wirkungskreis der Gemeinschaft im sozialpolitischen (Art. 21 ff.) sowie im Forschungs- (Art. 24) und Umweltbereich (Art. 25). Sie stärkte die Rechte und die Stellung des Europäischen Parlaments (Art. 6-9) und verschaffte der im Jahre 1970 errichteten Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) eine völkerrechtliche Grundlage (Art. 30). Die EPZ beinhaltete eine gegenseitige Information, Konsultation und Abstimmung von Handlungen im außenpolitischen Bereich. Sie kann als Vorläufer der mit dem Maastrichter Vertrag eingerichteten Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) betrachtet werden. Schließlich sah Art. 10 EEA eine Kompetenzerweiterung der Kommission zum Erlaß gemeinsamer Durchführungsvorschriften vor. Der Umfang der Reform, welche durch die EEA ereicht wurde, fand in der Öffentlichkeit eine eher zurückhaltende Bewertung98 . Dagegen vertrat die Bundesregierung die Auffassung, daß die EEA die wichtigste Reform der Gemeinschaftsverfassung seit den Römischen Verträgen und ein unverzichtbarer
Borchmann, NVwZ 1988,218 (219). Fastenrath, DÖV 1990, 125 (136). 97 BGBl. 111986, S. 1102ff 91 Vgl. Magiera, in: Gedächtnisschrift für Geck, 507ff; Borchmann, AöR 112 (1987), 586 (600) m.w.N. 95 96
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkwtgsrechte
Zwischenschritt auf dem Weg zur Verwirklichung einer Europäischen Union darstelle99 . Für die Länder bedeutete sie in erster Linie eine erneute Ausweitung der EG-Kompetenzen und einen fortschreitenden Eingriff in ihre ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen und ihre wesentlichen Länderinteressen 100 . Diese Gefahr bestand nicht so sehr aufgrund der Wahrnehmung von Einzelermächtigungen durch die Gemeinschaft, sondern vielmehr aufgrund der Wahrnehmung von Generalermächtigungen wie Art. 235 EWG-Vertrag oder des durch Art. 18 EEA in den EWG-Vertrag eingefügten Art. 100 a. Letzterer sah erleichterte Möglichkeiten der Rechtsangleichung vor, wich zu diesem Zweck von dem bis dahin im Rat üblichen Einstimmigkeitsgrundsatz ab und ließ eine qualifizierte Mehrheit genügen 101 . Damit erleichterte er den oft schwerfälligen Abstimmungsprozeß zwischen den Mitgliedsstaaten. Dies zog automatisch nach sich, daß nunmehr Positionen einzelner Staaten unberücksichtigt bleiben konnten 102 . Zudem waren auch die Einflußmöglichkeiten der Mitgliedsstaaten und dadurch der Länder im Rat durch die erweiterten Durchführungskompetenzen der Kommission weiter beschränkt worden. Hierdurch sahen die Länder zusätzlich zu ihrer im übrigen betroffenen Gesetzgebungszuständigkeit ihre Verwaltungszuständigkeit bedroht 103 • Aus diesen Gründen hielten die Länder mit dem Abschluß der EEA den Zeitpunkt gekommen, um eine Neuregelung ihrer Beteiligung an der Willensbildung des Bundes in europäischen Angelegenheiten, aber auch an der Willensbildung der EG selbst durch Entsendung von Ländervertretern in die Beratungsgremien der EG zu fordern 104 . 2. Das Beteiligungsverfahren a) Entstehungsgeschichte
Die im Anschluß an die EEA im Ratifizierungsgesetz festgeschriebenen Länderbeteiligungsrechte gehen im wesentlichen auf die beharrlichen Initiativen der Bayerischen Staatsregierung zurück 105 • Diese stützte sich auf den BT-Drucks. 10/6392, S. 19. Grabitz, EuR 1987, 310 (313); Haas, DÖV 1988, 613 (617). 101 Ress, EuGRZ 1986, 549 (550). 102 Haas, DÖV 1988, 613 (617). 103 Hrbek, Aussenpolitik 1988, 120 (125). 104 Vgl. Grabitz, EuR 1987, 310 (313f); nach Ansicht von MorawitzIKaiser war es jedoch nicht überzeugend, wenn die Länder anläßlich der EEA verstärkte Beteiligungsrechte einforderten, da die EEA keine Übertragung substantieller neuer Sachkompetenzen auf die Gemeinschaft brachte, S. 65 f 105 Dazu Borchmann, AöR 112 (1987), 586 (605 ff). 99
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A. Die Rechte des Bundesrates
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Schlußbericht der Enquetekommission Verfassungsreform aus dem Jahre 1976 106 und forderte bereits frühzeitig eine Änderung des Art. 24 Abs. 1 GG dahingehend, daß die Übertragung von Hoheitsrechten der Länder der Zustimmung des Bundesrates bedürfe 107 . Ebenso wie das Schrifttum, das die bestehenden Mitwirkungsrechte der Länder einhellig als ungenügend beurteiltelOS , verlangten sie zudem die Festschreibung einer Regelung über die innerstaatliche Willensbildung in europäischen Angelegenheiten 109 . Ohne auf die Bedenken der Bayerischen Staatsregierung zu reagieren, unterzeichnete die Bundesregierung am 17. Februar 1986 die EEA und der Bundesrat schloß sich in seiner Stellungnahme vom 21. Februar 1986 der Bundesregierung an llO . Am 4. April 1986 leitete die Bundesregierung dem Bundesrat den Entwurf eines Ratifizierungsgesetzes zu. In den Beratungen über diesen Gesetzentwurf beschäftigten sich der Bundesrat und dessen Ausschüsse vor allem mit Fragen darüber, in welcher Form die Beteiligung der Länder zu erfolgen habe und inwieweit die Bundesregierung an eine Stellungnahme der Länderseite gebunden sein sollte. Ein weiteres Thema war, ob der Bundesrat seine Zustimmung zum Ratifizierungsgesetzlli davon abhängig machen sollte, in welchem Maße die Bundesregierung auf die Beteiligungswünsche der Länder eingehen würde ll2 . Von den in die Diskussion eingebrachten Verfahrensvorschlägen setzte sich schließlich - wohl vor allem unter dem Eindruck der erheblichen Praktikabilitätsschwächen des Länderbeteiligungsverfahrens von 1979 113 - das sog. Bundesratsverfahren durch, das eine generelle Beteiligung der Länder durch den Bundesrat vorsah 1l4 . Dies geschah, obwohl seine Gegner berechtigterweise 106 Siehe die Stellungnahme der Enquetekommission vom 2. Dezember 1976, BTDrucks. 7/5924. 107 Siehe den Entschließungsantrag des Landes Bayern vom 23. Januar 1986, BRDrucks. 50/86. 101 Siehe Strohmeier, DÖV 1988, 633. 109 Vgl. Fn. 107. 110 BR-Drucks. 50/86 (Beschluß). 111 Zur Zustimmungsdürftigkeit des Ratifizierungsgesetzes zur EEA siehe Borchmann, AöR 112 (1987),586 (607f (Fn. 73)). 112 Borchmann, AöR 112 (1987), 586 (607). 113 Siehe oben unter ill. 3; Hrbek bezeichnete die Installierung des Bundesratsverfahrens als Eingeständnis der Länder fiir das Scheitern des Länderbeteiligungsverfahrens, in: HrbeklThaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, 17 (31). 114 Bei den beiden abgelehnten Verfahren handelte es sich jeweils um Länderbeteiligungsverfahren: - Nach dem strengen Länderbeteiligungsverfahren sollten die von der Bundesregierung einzuholenden Stellungnahmen von einem Gremium der Länder abgegeben werden, das personell mit dem EG-Ausschuß des Bundesrates übereinstimmte. In Fällen ausschließlicher Gesetzgebung der Länder war eine Zustimmung aller Länder er-
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirlamgsrechte
eingewandt hatten, daß als Träger ausschließlicher Länderkompetenzen lediglich die einzelnen Länder in Betracht kommen konnten, nicht aber das Bundesorgan Bundesrat11S . Die Beratungen fanden ihren Abschluß in einer einstimmig beschlossenen Stellungnahme des Plenums, die die Einfügung eines Art. 1 a in das Ratifizierungsgesetz zur EEA verlangte und dessen Entwurf enthielt 116 . In diesem Entwurf wurde die Bundesregierung zur Einholung und Berücksichtigung einer Stellungnahme des Bundesrates verpflichtet, von der sie im Falle ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz der Länder nur aus außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen durfte und dem Bundesrat die dafür maßgeblichen Gründe mitzuteilen haben sollte. Er sah ferner auf Verlangen der Länder eine Beteiligung von Ländervertretern bei den Verhandlungen in den EGGremien sowie eine nähere Regelung in einem noch abzuschließenden BundLänder-Abkommen vor. Die Stellungnahme sprach sich schließlich dafür aus, diese Mitwirkungsrechte zu einem zukünftigen Zeitpunkt verfassungsrechtlich zu verankern 117 und stellte die Zustimmung des Bundesrates zu dem Ratifizierungsgesetz für den Fall in Aussicht, daß die Bundesregierung der Ergänzung ihres Gesetzentwurfes um den Art. 1 a zustimmen werde l18 . In ihrer Gegenäußerung auf diese Stellungnahme des Bundesrates vom
10./12. November 1986 119 brachte die Bundesregierung nach Verhandlungen
mit der Bayerischen Staatskanzlei ihre Bedenken zu einigen Forderungen der Länder zum Ausdruck, ging aber weitgehend auf sie ein, so daß nun eine rasche Einigung erzielt werden konnte. Der Bundestag verabschiedete das Rati-
forderlich, bei der Berühnmg wesentlicher Interessen der Länder im Bereich der Blmdesgesetzgeblmg lediglich die Zustimmlmg von mindestens sechs Ländern. Verweigerten die Länder ihre Zustimmlmg, sollte die Blmdesregier1m.g dem Vorhaben in Brüssel ihrerseits nur dann zustimmen lmd damit von der Vorgabe der Länder abweichen dürfen, wenn zwingende außen- oder integrationspolitische Gründe dieses notwendig machten. - Das modifizierte Länderbeteiliglmgsverfahren sah abweichend von dem strengen Verfahren bei der Berühnmg wesentlicher Länderinteressen lediglich eine Verpflichtlmg der Blmdesregieflmg zur Einhollmg einer Stelllmgnahme des Blmdesrates (plenum) vor; ausführlich siehe hierzu Borchmann, AöR 112 (1987), 586 (608 f[). m So auch Blumenwitz, in: Gedächtnisschrift für Sasse, Bd. 1, S. 215 (218); Schröder, JöR (n.F.) 85 (1986), 83 (100). 116 BR-Drucks. 150/86 (Beschluß). 117 Siehe auch die Pressemitteillmg des Bayerischen Staatsministers für Bundesangelefienheiten vom 23. Juni 1987. 18 Zu diesem J1mktim siehe Morawitz, in: MagieralMerten (Hrsg.), Blmdesländer lmd Europäische Gemeinschaft, 45 (51). 119 BT-Drucks. 10/6392; 10/6418.
A. Die Rechte des BlDldesrates
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fizierungsgesetz am 4. Dezember 1986 120 , der Bundesrat am 19. Dezember 1986 121 . Am l. Juli 1987 trat die EEA in Kraft. b) Das Verfahren im einzelnen 122
Das neue Beteiligungsverfahren sollte nach dem Wunsch der Länder zu einer ,,Föderalisierung der Außen- und Europapolitik" der Bundesregierung führen 123 . Mit Art. 2 EEAG 124 hatten die Länder das jahrzehntelang angestrebte Ziel erreicht, ihre Mitwirkungsrechte sowohl bei der innerstaatlichen Wtllensbildung in EG-Angelegenheiten als auch bei der Wtllensbildung der EG gesetzlich zu verankern. In Ausführung zu Art. 2 Abs. 6 EEAG wurde schließlich am 17. Dezember 1987 eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern getroffen, die die näheren Einzelheiten der Beteiligungsrechte der Länder regelte 12S . aa) Die Unterrichtung des Bundesrates Die umfassende und frühestmögliche Unterrichtung des Bundesrates über Vorhaben der Gemeinschaft, welche für die Länder von Interesse sein konnten, war in Art. 2 Abs. 1 EEAG vorgesehen. Abschnitt I der Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. Dezember 1987 führte hierzu aus, daß der Bundesrat laufend und in der Regel schriftlich über Dokumente des Europäischen Rats, des Ministerrates, dessen Gremien, der informellen Ministertreffen sowie der Kommission und ihrer Dienststellen 126 unterrichtet wurde. Ferner waren in diese Unterrichtung Berichte von EG-Organen über Sitzungen des Europäischen Rates, des Ministerrates, der informellen Ministertreffen, des Ausschusses der Ständigen Vertreter sowie sonstiger Ausschüsse oder Arbeitsgruppen des Rates und der Beratungsgremien der Kommission einzubeziehen. Hinzu kamen Berichte der Ständigen Vertretung über Sitzungen des Rates und Entscheidungen der Kommission, die ausdrücklich nur einem begrenzten Personenkreis Stenographischer Bericht 10/19716. Protokoll der 572. SitZlDlg vom 19. Dezember 1986, S. 693 ff 122 Hierzu eingehend v. Welck, S. 51 ff 123 Ress, EuGRZ 1986, 549ff 124 BGBl. 11 vom 19. Dezember 1986. S. 1102. m "VereinbaIlDlg zwischen der BlDldesregieIlDlg lDld den RegieIlDlgen der Länder über die UnterrichtlDlg lDld BeteiliglDlg des BlDldesrates lDld der Länder bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften ... ", abgedruckt in: MagieralMerten (Hrsf.) BlDldesländer lDld Europäische Gemeinschaft, Anhang, 263 ff 12 Falls deren Dokwnente an den Rat gerichtet waren oder der BlDldesregieIlDlg sonst offiziell zugeleitet worden waren. 120 121
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
der jeweiligen obersten Landesbehörden zugänglich gemacht werden durften. Schließlich war der Bundesrat über förmliche Initiativen, Stellungnahmen etc. der Bundesregierung und über Verfahren mit deutscher Beteiligung an Europäischen Gerichten zu informieren. Ergänzende Informationen waren mündlich zu erteilen. Darüberhinaus ist noch bemerkenswert, daß die Bundesregierung sich in Abschnitt I Nr. 3 der Vereinbarung verpflichtete, dem Bundesrat Zugang zu ressortübergreifenden Datenbanken zu gewähren und sich darüber hinaus zu bemühen, ihm auch den Zugang zu EG-Datenbanken zu ermöglichen. Dies kam einer Totalinformation des Bundesrates gleich, so daß der Bundesrat - zumindest in der Anfangsphase - personell kaum in der Lage war, diese Informationen effizient zu verwerten 127 • bb) Die Beteiligung an der innerstaatlichen Willensbildung des Bundes (1) Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme durch den Bundesrat
Gern. Art. 2 Abs. 2 EEAG war die Bundesregierung dazu verpflichtet, im Falle ausschließlicher Länderkompetenzen oder der Berührung wesentlicher Länderinteressen dem Bundesrat innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Waren ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder betroffen, durfte die Bundesregierung von der Stellungnahme bei den Verhandlungen in Brüssel gern. Art. 2 Abs. 3 EEAG nur aus unabweisbaren außen- und intergrationspolitischen Gründen abweichen. Im Falle der Berührung wesentlicher Länderinteressen hatte sie die Stellungnahme lediglich zu berücksichtigen. Die Bundesregierung mußte also mit ihrem Abstimmungsverhalten im Rat nicht solange warten, bis eine Stellungnahme des Bundesrates vorlag, sondern war nur innerhalb der gestellten Frist zum Still halten verpflichtee 28 . Damit die Stellungnahme noch rechtzeitig abgegeben werden konnte, um berücksichtigt zu werden, hatte die Bundesregierung nach Abschnitt 11 Nr. I der Bund-Länder-Vereinbarung den Bundesrat über den zeitlichen Rahmen der Beratung in den Gremien des Rates sowie über den Zeitpunkt zu unterrichten, bis zu dem ihr eine Berücksichtigung der Stellungnahme noch möglich sein würde. Jedoch bestand gern. Nr. 2 für den Bundesrat auch während der Beratungen in den Ratsgremien noch die Möglichkeit, seine Stellungnahme dem Stand der Verhandlungen anzupassen oder zu ergänzen. Für die laufende Unterrichtung des Bundesrates - auch während der Verhandlungsphase - hatte die Bundesregierung zu sorgen. 127 128
Schweitzer, ZG 1992, 128 (133). Hrbek, Aussenpolitik 1988, 120 (129).
A Die Rechte des Bundesrates
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(2) Abgabe der Stellungnahme durch die EG-Kammer Zur Durchführung des Bundesratsverfahrens und in Ausführung von Alr schnitt II Nr. 3 der Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. Dezember 1987 129 gründete der Bundesrat am 10. Juni 1988 durch Änderung seiner Geschäftsordnung eine EG-Kammer, die sog. ,,Kammer für Vorlagen der Europäischen Gemeinschaft,,\3O . Mit der Bildung dieser Kammer sollte der Bundesrat in die Lage versetzt werden, in Eilfällen besonders effizient und flexibel und bei vertraulichen Vorlagen diskret seine Stellungnahmen erarbeiten zu können 13l . Zu diesem Zweck sah die Geschäftsordnung des Bundesrates in § 45 b Abs. 2 vor, daß die Beschlüsse der Kammer die Wirkung von Beschlüssen des Bundesrates hatten \32 . Die Länder konnten jeweils nur ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied des Bundesrates als Kammermitglied entsenden. Die Verhandlungen der EG-Kammer waren gern. § 45 f GOBR grundsätzlich öffentlich. Der Alr stimmungsmodus richtete sich nach Art. 51 Abs. 2 GG, d.h., es galt das Mehrheitsprinzip. Neben der EG-Kammer beschäftigten sich aber nicht nur die übrigen Ausschüsse mit den EG-Vorlagen, wenn diese thematisch in deren Zuständigkeit fielen, sondern regelmäßig auch der EG-Ausschuß des Bundesrates. Dies führte dazu, daß die Bedeutung der EG-Kammer faktisch auf besonders eilbedürftige Fälle beschränkt war. Daher sollte das Wirken der EG-Kammer auch nicht an der Zahl ihrer Beschlüsse, sondern an der Schnelligkeit und der Effizienz, mit der diese gefaßt worden sind, gemessen werden; allein darin lag der Sinn dieser Institution. Diesbezüglich hat die EG-Kammer zufriedenstelIende Ergebnisse geliefert\33 . 129 Wortlaut des 113.: Stellungnahmen des Bundesrates sind auch solche, die von einem Beschlußgremium des Bundesrates abgegeben werden, sofern der Bundesrat ein solches Gremium errichtet. 130 Siehe die 590. Sitzung des Bundesrates, Stenographischer Bericht S. 178 f., BRDrucks. 230/88. \31 Siehe OschatzlRisse, DÖV 1989, 509. 132 Als nicht ganz unproblematisch wurde die Frage beurteilt, ob die Delegation von Beschlußfimktionen des Bundesrates auf ein Unterorgan unter den Gesichtspunkten der Repräsentation und der Außenwirkung seiner Entscheidungen zulässig war und ob das dafür vom Bundesrat vorgesehene Verfahren der Änderung seiner Geschäftsordnung, einen gangbaren Weg darstellte. 1m Ergebnis wurde dies überwiegend für zulässig gehalten, siehe ausführlich hierzu OschatzlRisse, DÖV 1989, 509ff; auch Schütz, NJW 1989, 2l60ff, der allerdings Bedenken hinsichtlich der Bildung der Kammer durch bloßen Geschäftsordnungsbeschluß äußerte, da dieser Weg nur dann zulässig sei, wenn es um die Bildung eines Organs gehe, dessen Wirkung primär nach innen gerichtet sei und welches zum typischen Innenleben einer parlamentarischen Verfahrensordnung gehöre. Dies sei bei der EG-Kammer aber sicher nicht der Fall, weswegen zu deren Bildung eine Verfassungsänderung notwendig gewesen wäre (S. 2165); kritisch auch Frowein, in: Vierzig Jahre Bundesrat, 285 (295 f). \33 OschatzlRisse, DÖV 1989, 509 (519).
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
(3) Abweichen der Bundesregierung von der Stellungnahme Wollte die Bundesregierung von der Stellungnahme des Bundesrates abweichen und waren ausschließliche Ländergesetzgebungskompetenzen betroffen, mußte sie gern. Art. 2 Abs. 4 EEAG dem Bundesrat die Gründe hierfür von sich aus schriftlich 134 mitteilen. Waren wesentliche Interessen der Länder berührt, mußte die Bundesregierung nur auf Verlangen und dann auch nur mündlich im Plenum des Bundesrates oder in der EG-Kammer Auskunft über die Gründe ihres Abweichens geben. Der Entwurf des Bundesrates hatte noch vorgesehen, daß die Bundesregierung bei ausschließlicher Länderkompetenz nur aus ,,zwingenden" außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen durfte. Diese Formulierung war der Bundesregierung jedoch scheinbar nicht unbestimmt genug gewesen. Schließlich war sie daran interessiert, ihren Spielraum für eine Abweichung möglichst frei zu gestalten. Daher forderte sie in ihrer Gegenäußerung auf die Stellungnahme des Bundesrates vom 10./12. November 1986 m , daß die Gründe lediglich "unabweisbar" zu sein hätten, womit sie sich schließlich durchsetzen konnte. Um der Bundesregierung klar zu machen, daß die Länder unabhängig von der Wortwahl die Bindung der Bundesregierung an das Votum des Bundesrates streng beurteilen würden, kündigten einige Vertreter der Länderseite deutliche Konflikte für den Fall an, daß die Bundesregierung zu großzügig über die Stellungnahmen hinweggehen WÜfde 136 • Jedoch zeigte bereits die Tatsache, daß im Gesetz eine Abweichungsmöglichkeit für die Bundesregierung - noch dazu unter derart unbestimmten 137 - vorgesehen war, daß die Bindung der Bundesregierung an die Stellungnahme des Bundesrates letztlich doch nicht so stark war, wie verschiedentlich im Anschluß an die Verabschiedung des Gesetzes von seiten der Bundesregierung befürchtet worden war 138 . Auf diese Weise konnte sich die Bundesregierung ihre Handlungsfähigkeit grundsätzlich bewahren und war nicht von den Weisungen des Bundesrates abhängig 139 . Dies bewies schließlich auch der Streit um die Rundfunkricht1inie140 , bei dem das Bundesverfassungsgericht das Abweichen der Bundesregierung von der Stellungnahme des Bundesrates für zulässig erklärt hae 41 •
Abschnitt 11 Nr. 4 der BWld-Länder-VereinbafWlg. m BT-Drucks. 10/6392; 10/6418. 136 Z.B. Staatssekretär Dr. Vorndran (Bayern) in der 597. Sitztmg des BWldesrates vom 10. Februar 1989, StenographischerBericht, S. 63ff. 137 Schweitzer sah in dem Begriff der "Wlabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründe" ein ideales Konfliktpotentia1 enthalten, ZG 1992, 128 (133). 131 Hrbek, Aussenpolitik 1988, 120 (127). 139 So auch Hrbek, Aussenpolitik 1988, 120 (129). 134
A. Die Rechte des Bundesrates
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cc) Die Beteiligung an der Willensbildung der EG durch Mitwirkung von Ländervertretern in EG-Gremien Art. 2 Abs. 5 EEAG verankerte erstmals gesetzlich das bereits seit der KramerlHeubl-Absprache von 1968 142 praktizierte Verfahren der Beteiligung von Ländervertretern bei den Verhandlungen in den Gremien der EG. Abweichend von diesem Verfahren sollte in den Fällen, in denen der Bundesrat die Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, nunmehr eine Hinzuziehung von Ländervertretern auf Verlangen der Länderseite möglich sein. Weitere fachliche Voraussetzungen, wie sie das Verfahren im Anschluß an die Kramer-HeublAbsprache noch vorgesehen hatte - z.B. eine unzureichende Sachkenntnis des Bundes aufgrund fehlender innerstaatlicher Zuständigkeit etc. - mußten nicht mehr vorliegen. Die Bundesregierung war ursprünglich gegen eine solche gesetzliche Festschreibung gewesen. Dies galt vor allem insoweit, als eine Beteiligung von Ländervertretern jetzt auch dann erfolgen sollte, wenn wesentliche Länderinteressen berührt waren. Sie hatte sich jedoch in den erwähnten Verhandlungen mit der Bayerischen Staatsregierung weitgehend umstimmen lassen. Schließlich sah sie sich auch von den Ländern dadurch stark unter Druck gesetzt, daß diese ihre Zustimmung zum Ratifizierungsgesetz nur für den Fall in Aussicht gestellt hatten, daß die Bundesregierung ihre Wünsche nach einer verstärkten, gesetzlich festgeschriebenen Beteiligung akzeptieren würde 143 • Daher bestand die Bundesregierung nur noch auf dem Zusatz "soweit dies der Bundesregierung möglich ist"l44 , was sie letztlich auch durchsetzen konnte. Einzelheiten des Verfahrens wie die Unterrichtung über Ort, Zeitpunkt und Beratungsgegenstände der betreffenden Sitzungen sowie die Abstimmung zwischen Bund und Ländern über die Gremien und Gruppen der Gemeinschaft, in denen eine Teilnahme von Ländervertretern möglich sein sollte, waren in Abschnitt III Nr. 1 und 2 der Bund-Länder-Vereinbarung geregelt. Der Bundesrat
140 Richtlinie des Rates vom 3. Oktober 1989, ABt. 1989, Nr. L 298, S. 2311:; zu diesem Konflikt siehe Scholz, in: MagieralMerten (Hrsg.), Europarecht und Grundgesetz, 53 (57f). 141 BVerfGE 80, 74; in den Jahren zwischen 1987 und 1989 wich die Bundesregierung insgesamt bei vier Vorlagen, die in den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder fielen, von der Stellungnahme des Bundesrates ab, vgl. Gerber, in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirkungen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, 77 (130). 142 Siehe oben, unter ll. 1. d). 143 Siehe oben, unter V 2. a); zur Hausen, EuR 1987, 322 (323). 144 BT-Drucks. 10/6392 und 10/6418.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkwtgsrechte
selbst ernannte gern. Nr. 3 die Ländervertreter, so daß es nicht mehr wie bisher notwendig war, über die Personen Einvernehmen zwischen Bundesregierung und Ländern herzustellen. Auch der Länderbeobachter konnte stellvertretend benannt werden. Zu den Ratstagungen selbst konnten gern. Nr. 3 Abs. 3 nur dann - im Rahmen des der Bundesregierung Möglichen - zwei Ländervertreter entsandt werden, wenn ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen waren. Im Gegensatz dazu konnten Ländervertreter zu den Sitzungen der vorbereitenden und beratenden Gremien auch dann hinzugezogen werden, wenn lediglich wesentliche Belange der Länder von den Beratungen berührt waren. An der Stellung der Ländervertreter als Mitglieder der Delegation änderte sich gegenüber der bisherigen Praxis nichts. Gern. Nr. 4 und Nr. 5 waren sie an die Stellungnahme der Bundesregierung gebunden, auch wenn demgegenüber der neu in die Geschäftsordnung des Bundesrates eingefügte § 45 j eine Bindung der Vertreter an Stellungnahmen oder sonstige Weisungen des Bundesrates vorsah. Sie hatten das Recht, an Vorbereitungssitzungen teilzunehmen oder diese anzuregen. Sie durften weder die Delegationsführung noch die Sprecherrolle des Bundes übernehmen, sondern hatten lediglich die Möglichkeit, nach Zustimmung des Delegationsleiters eigene Erklärungen abzugeben. Im Kultusbereich hatten die Länder dagegen seit der Protokollerklärung des Bundeskanzlers vom 19. Mai 1983 145 weitergehende Rechte. So wurde die Bundesrepublik bei den Sitzungen des Kulturministerrates durch den Präsidenten der Kultusministerkonferenz der Länder als Delegationsleiter und den Kultusminister des dort jeweils vorsitzenden Landes vertreten, soweit Themen überwiegend in die ausschließiche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fielen 146 . 3. Indirekt Beteiligte
a) Der Länderbeobachter
Nach Abschnitt IV Nr. 4 der Bund-Länder-Vereinbarung sollten die Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten des Länderbeobachters gegenüber der Bundesregierung wie auch gegenüber der Gemeinschaft von dem neuen Bundesratsverfahren unberührt bleiben. Dennoch stellte sich - auch unter Berücksichtigung der in der Zwischenzeit zahlreich errichteten Länderbüros in BrüsseI - nunmehr die Frage nach dem Sinn und der zukünftigen Funktion des
W Siehe hierzu Memminger, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bwtdes1änder wtd Europäische Gemeinschaften, 61 (63, 69). 146 V gl. Gerber, in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirkwtgen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, 77 (134).
A. Die Rechte des BWldesrates
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Länderbeobachters. Mit dem neuen Verfahren entfiel nämlich die Hauptaufgabe des Länderbeobachters: Die Versorgung der Länder mit für sie interessanten EG-Vorlagen. Diese erfolgte nunmehr ausschließlich über den Bundesrat. Zudem konnten die Informationsbüros die Interessen der jeweiligen Länder viel individueller und damit effektiver als der Länderbeobachter vertreten, der Interessenwalter aller Länder war. Gleichwohl kam eine von den Chefs der Staats- und Senatskanzleien eingesetzte Arbeitsgruppe zu dem Ergebnis, daß der Länderbeobachter - insbesondere aufgrund seiner Kontaktmöglichkeiten auf EG-Ebene - eine nach wie vor unverzichtbare Einrichtung für die Länder darstellte l47 . Dieselbe Ansicht vertrat die Landwirtschaftsministerkonferenz der Länder, so daß die Chefs der Staats- und Senatskanzleien den Länderregierungschefs am 28. April 1988 ein Abkommen über den Länderbeobachter zur Unterzeichnung empfahlen, in dem dieser als gemeinsame Einrichtung der Länder weitergeführt werden sollte. Seine Aufgabe sollte darin bestehen, den Bundesrat in der Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte zu unterstützen und die Länder über Vorgänge und Entwicklungen auf EG-Ebene zu informieren, soweit dies für sie bedeutsam war. Zu diesem Zweck sollte er an den Tagungen des Rates, des Ausschusses der Ständigen Vertreter und anderen Ausschüssen der EG sowie an Vorbereitungssitzungen der Bundesregierung teilnehmen und Kontakt zur Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Brüssel halten. Auf diese Weise wollten die Länder die im Laufe der Jahre entwickelten offiziellen Kontakte des Länderbeobachters für die Unterrichtung auch mit inoffiziellen Informationen nutzen. Ferner sollte der Länderbeobachter die nach Art. 2 Abs. 5 EEAG in die Beratungen der EG-Gremien einbezogenen Ländervertreter bei ihrer Arbeit unterstützen und notfalls selbst als ein solcher fungieren. Seine Ernennung erfolgte durch die im EG-Bundesratsausschuß vertretenen Landesminister und war auf vier Jahre begrenzt. Obwohl die Einrichtung seiner Stelle bei dem Landesminister erfolgen sollte, der der Vorsitzende des EGBundesratsausschusses war, sollte der Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus Gründen der Effektivität nach Brüssel verlagert werden. b) Die Landtage
An die durch die Ratifizierung der EEA erfolgte Diskussion der Beteiligung der Länder durch den Bundesrat schloß sich die Diskussion um die Beteiligung der Landtage an der innerdeutschen Willensbildung in EG-Angelegen147 Auch das Schrifttum war der Ansicht, daß der Länderbeobachter nach der Einfiihnmg des neuen Verfahrens nach Art. 2 EEAG eine eigenständige Funktion behalten müsse, siehe z.B. PüttnerlKretschmer, S. 288.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirlrungsrechte
heiten an l48 . Mit einem Kompetenzzuwachs der Exekutive auf höherer Ebene ist notwendig ein Kompetenzverlust der Legislative auf niederer Ebene verbunden l49 . Dementsprechend verloren die Landtage in gleichem Maße Kompetenzen, wie sie dem Bundesrat und dadurch den Landesregierungen durch Art. 2 EEAG zuwuchsenIso . Daher forderten die Präsidenten der deutschen Landesparlamente in ihrer Entschließung vom 4. November 1986 eine Beteiligung der Landtage an der Willensbildung der Landesregierung im Bundesrat, in welcher sie neben einer umfassenden Unterrichtung über alle rur das Land bedeutsamen Vorhaben der EG das Recht zu Stellungnahmen der Landtage rur die Fälle forderten, in denen eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des jeweiligen Landes gegeben oder dessen wesentliche Interessen berührt warenIsI. Bei Abweichung der Landesregierungen von diesen Stellungnahmen sollten dem Landtag die dafiir maßgeblichen Gründe mitzuteilen sein. Für Eilfälle sollte ein besonderes Verfahren vorgesehen werden. Die Landesregierungen standen diesen Forderungen äußerst reserviert gegenüber 1S2 • Zum einen berurchteten sie eine zu starke Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeit. Zum anderen würde die Entscheidungskette bei der Festlegung der Verhandlungsposition der Bundesrepublik in Brüssel noch um ein weiteres Glied verlängert werden, was das gesamte Verfahren nicht nur in zeitlicher Hinsicht in die Länge zöge, sondern auch zusätzlich kompliziere 1S3 . Im Schrifttum ging man mit der Kritik an der Forderung der Landtage teilweise sogar noch weiter und bezweifelte, ob die Landtage überhaupt fachlich in der Lage seien, derartige Mitwirkungsrechte angemessen und effektiv nutzen zu können ls4 . Des weiteren wurde die Forderung der Landtagspräsidenten, verbindlich Weisungen an die Landesregierungen richten zu dürfen, als 141 Rudolf, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 263 (264). Zur Lage davor siehe derselbe, in: Festschrift fiir Carstens, Bd. 11, S. 757ff. sowie Scholz, ebd., S. 831 ff. 149 So auch Tomuschat, 1. öffentliche Anhörung der GVK vom 22. Mai 1992, Stenographischer Bericht, S. 31; ebenso Isensee, ebd., S. 41. m Ossenbühl hat dies mit dem Prinzip der kommunizierenden Röhren verglichen, AöR 99 (1974), 369 (419). m Abgedruckt in HrbekfIhaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, Anhang, Dokument Nr. 21, 287ff. m Siehe etwa die Erklärung der Bayerischen Staatsregierung vom 3. Februar 1988, P1enarprotokoll des Bayerischen Landtags 11148, Anl. 2 (S. 33). m So auch Grabitz, in: HrbekfIhaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, 184 (190); Glaesner, Diskussionsbeitrag in Hrbekl Thaysen (Hrsg.), S. 83; Everling, Diskussionsbeitrag, in: HrbekfIhaysen (Hrsg.), S. 76 (78/. ~ Borchmann, DÖV 1988, 623 (629); Hrbek, Aussenpolitik 1988, 120 (131).
A. Die Rechte des Bundesrates
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verfassungsrechtlich bedenklich bewertet. Zum einen erlösche die Gesetzgebungsbefugnis der Länder - ähnlich wie bei der konkurrierenden Gesetzgebung - dann, wenn die EG von ihrem Gesetzgebungsrecht Gebrauch mache. Zum anderen handele es sich beim Bundesrat um ein Organ der Exekutive, dessen Legitimation nicht auf dem Prinzip des Parlamentarismus, sondern auf dem der Bundesstaatlichkeit beruheiss . Die Landtage seien durch ihre parlamentarische Kontrollfunktion nicht zur Lenkung des Handelns der Landesregierung, sondern zu dessen nachträglicher Bewertung bestimmt. Zulässig sei daher lediglich eine laufende Unterrichtung der Landtage und deren Möglichkeit zur Abgabe unverbindlicher Stellungnahmen IS6 • Von anderer Seite wurde demgegenüber das Defizit der Landtagsbeteiligung heftig kritisiert 1S7 . Dabei diskutierte man, ob die herkömmliche Gewaltenteilung, die das Verhältnis zwischen Ländern, Bund und der EG bestimme, nicht zu überdenken sei. Es entspreche dem herkömmlichen Gewaltenteilungsverständnis, wenn vertreten würde, daß die Landesregierungen und damit die Exekutive ihr Stimmverhalten im Bundesrat bestimmten und daher nicht an die Legislative - sprich an die Landtage - gebunden seien 1S8 , sog. Exekutivföderalismus 1s9 . Da aber das Tätigwerden des Bundesrates im Bundesratsverfahren von der Verfassung nicht vorgesehen und mit der Beteiligung des Bundesrates an der Bundesgesetzgebung nicht vergleichbar sei, könne man vertreten, daß das herkömmliche Gewaltenteilungsverständnis für dieses Verfahren und damit für den gesamten Komplex der Länderbeteiligung an der EG-Rechtsetzung nicht angewendet zu werden brauche l60 . Im Rahmen des Bundesratsverfahrens könne man sogar von einer Vorrangigkeit des Demokratieprinzips vor dem Gewaltenteilungsprinzp161 und somit davon ausgehen, daß die Exekutive doch durch die Legislative gebunden werden könne l62 . Sollte dies auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen, müßten notfalls die Länderverfassungen geändert werden163 .
m Haas, DÖV 1988, 613 (621ff.). mEbd. m Schweitzer, ZG 1992, 128 (146ff.); Schütz, NJW 1989, 2160 (2161). m So BVerlGE 8, 104 (120); Bericht Teil Zwei der Kommission ,,Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland - auch in einem vereinten Europa", Grosse-Sender (Hrsg.), S. 71. m Vitzthum, AöR 115 (1990), 281 (286). 160 Schweitzer, ZG 1992, 128 (147). 161 So auch Bericht Teil Eins der Kommission ,,Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland - auch in einem vereinten Europa", Grosse-Sender (Hrsg.), S. 68. 162 Schweitzer, ZG 1992, 128 (148). 163 Ebd.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
Unabhängig davon, ob dies tatsächlich ein gangbarer Weg ist, hat dieser Vorschlag bei den Ländern offenbar keinen Widerhall gefunden. Jedenfalls erfolgte keine entsprechende Initiative der Länder. Dagegen schien sich die überwiegende Zahl der Landtage mit der mißlichen Situation abgefunden zu haben; denn ihre Beteiligung beschränkte sich in der Regel weiterhin auf eine umfassende Unterrichtung durch die Landesregierungen über alle Vorhaben der EG, die das jeweilige Land betrafen l64 . 4. Verhältnis zwischen Bundesrats-, Zuleitungsund Länderbeteiligungsverfahren Die Länder hatten bereits zu einem frühen Zeitpunkt des Ratifizierungsverfahrens zur EEA deutlich gemacht, daß sie an dem Länderbeteiligungsverfahren von 1979 nicht festhalten wollten, da es sich aus ihrer Sicht nicht bewährt hatte l6S . Dementsprechend wurde das Länderbeteiligungsverfahren durch Art. 2 EEAG und die Bund-Länder-Vereinbarung vom 17. Dezember 1987 gern. Abschnitt IV Nr. 1 der Vereinbarung ersetzt. Hingegen behinderten sich das Zuleitungs- und das Bundesratsverfahren gegenseitig nicht, da in beiden Fällen die Rechte der Länder durch den Bundesrat wahrgenommen wurden und im übrigen das Zuleitungsverfahren gesetzlich ausdrücklich nur die Unterrichtung des Bundesrates vorsah, nicht aber dessen Konsultation. Daher enthielt Art. 2 Abs. 1 EEAG denn auch einen ausdrücklichen Hinweis auf die Weitergeltung des Zuleitungsverfahrens auf der Basis des Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Veträgen hinsichtlich der Unterrichtung des Bundesrates. 5. Bewertung des Bundesratsverfahrens Obgleich die gesetzliche Verankerung der Beteiligungsrechte institutionell als ein großer Erfolg zu werten war 166 , wurde auch nach Einfiihrung des Bundesratsverfahrens die Kompensation der durch die Übertragung von Hoheits164 Vgl. Beschluß des Bayerischen Landtags vom 3. Februar 1988, in welchem sich der Landtag mit einer umfassenden Unterrichtung zufrieden gegeben hat, LT-Drucks. 11/5214. Im Gegensatz dazu hat aber z.B. das Land Nordrhein-Westfalen ein entsprechendes Verfahren eingeführt, vgl. Brief des Ministerpräsidenten von NRW vom 18. Januar 1989, abgedruckt in: Bericht Teil Eins der Kommission ,,Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland - auch in einem vereinten Europa, Grosse-Sender (Hrsg.), Anhang X, Nr. 5. 16~ BR-Drucks. 150/86 (Beschluß). 166 Borchmann, AöR 112 (1987), 586 (622).
A Die Rechte des BlDldesrates
65
rechten der Länder an die Europäische Gemeinschaft verlorenen Kompetenzen der Länder insgesamt überwiegend als unbefriedigend bezeichnee 67 . Teilweise wurde die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in Zweifel gezogen 168 . Als besonders bedenklich wurde der Umstand beurteilt, daß ein einfaches Gesetz nunmehr das Verhältnis zwischen den Verfassungsorganen Bundesregierung und Bundesrat regelte l69 . Indem die Länderrechte die Handlungsfreiheit und die Außenvertretungskompetenz der Bundesregierung ohne Rechtfertigung in einem zu starken Maße einschränkten, gingen die Länderrechte außerdem über das verfassungsrechtlich zulässige Maß hinaus l70 . Eine solche Rechtfertigung wurde insbesondere nicht darin gesehen, daß die Länder unter dem Gesichtspunkt der bundesstaatlichen Ordnung eine Kompensation für ihre an die EG verlorenen Gesetzgebungsbefugnisse einforderten, da eine solche Kompensation - wenn überhaupt - nur dann erforderlich werden könnte, wenn der Kernbereich der Länderkompetenzen gern. Art. 79 Abs. 3 GG durch die Aktivitäten der EG angetastet würde 171 • Die föderative Struktur der Bundesrepublik sollte die europäische Integration - wenn möglich - überhaupt nicht behindern. Art. 24 Abs. 1 GG und die Verankerung des Integrationsprinzips in der Präambel des Grundgesetzes zeigten, daß dies die Grundentscheidung des Parlamentarischen Rates gewesen sei, von der nicht abgerückt werden dürfe l72 . Im übrigen wurde auch die Konstruktion der Mitwirkung durch den Bundesrat bemängelt 173 , da dieser - insbesondere im Bereich der originären Ländergesetzgebungskompetenzen - kein Koordinierungsorgan für die Länder darstelle l74 .
167 Zuleeg, DVBI 1992, 1329 (1333); Schweitzer, ZG 1992, 128 (133); Grabitz, EuR 1987, 310 (319); Sachs, in: Hanns Seidel Stifttmg (Hrsg.), Die Zukunft des kooperativen Föderalismus in Deutschland, 183. 161 Rudolf, in: Festschrift fiir Partsch, S. 357 (365); derselbe, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus lDld Europäische Gemeinschaften, 263 (271 f); Frowein, in: Vierzig Jahre BlDldesrat, 285 (331); Schweitzer, ZG 1992, 128 (133); Grabitz, EuR 1987, 310 (31~; Schütz, NJW 1989, 2160 (2165); a.A. Haas, DÖV 1988, 613 (619). 1 9 Tomuschat, in: MagieralMerten (Hrsg.), BlDldesländer lDld Europäische Gemeinschaft, 21 (34). 170 Ress, EuGRZ 1986, 549 (556); Meier, ZRP 1987,228 (229f). 171 Ress, EuGRZ 1986, 549 (556f); differenzierend dagegen Tomuschat, in: MageralMerten (Hrsg.), BlDldesländer lDld Europäische Gemeinschaft, 21 (37 ff.). Meier, ZRP 1987,228 (229). 173 Schütz, NJW 1989, 2160 (2161); Ress, EuGRZ 1986, 549 (557). 174 Reuter, S. 36; Ress, EuGRZ 1986, 549 (557); Schütz, Der Staat 28 (1989), 201 (211); a.A. Haas, DÖV 1988, 613 (619); ausdrücklich fiir die Instrumentalisierung des BlDldesrates auch Oschatz, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus lDld Europäische Gemeinschaften, 63 (76). 5 Lang
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirklmgsrechte
Eine weitere Frage war, ob die Bundesregierung in Brüssel überhaupt an die Stellungnahmen und Weisungen der Länder gebunden werden konnte m . Der bundesdeutsche Vertreter im Rat war zwar an die Weisungen der Bundesregierung gebunden. Wich er jedoch von ihnen ab, so war damit sowohl seine Stimmabgabe als auch der Ratsbeschluß, an dem er mitgewirkt hat, weder unwirksam noch anfechtbar 176 . Die erarbeitete Verhandlungsposition war aber auch im Falle der Mitwirkung der Länder an der innerstaatlichen Willenbildung immer nur eine Position des Bundes, da nur er allein Verhandlungspartner auf europäischer Ebene war. Auch in Fällen ausschließlicher Gesetzgebungszuständigkeit der Länder konnte daher die Verhandlungsposition nie eine nach außen zu vertretende Position der Länder sein. Das Gleiche mußte auch für die innerstaatliche Rückbindung des Vertreters im Rat in Form von Weisungen und bindenden Stellungnahmen der Länder an die Bundesregierung gelten. Überwiegend wurde jedoch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit - wenn teilweise auch unter Zurückstellung erheblicher Bedenken177 - bejahe 78 . Soweit sich die Bundesregierung mit der Zulassung von Ländervertretem zu Sitzungen der EG-Gremien eine Selbstbeschränkung ihrer ausschließlichen Kompetenz im Bereich der auswärtigen Beziehungen auferlegt hatte, wurde dies als verfassungsrechtlich zwar bedenklich, jedoch gerade insoweit noch für zulässig befunden, als es als Ausfluß und Konkretisierung des Grundsatzes der Bundestreue zu werten sei 179 . Demgegenüber wurde aber auch bezweifelt, ob diese Regelung die Wünsche der Länder erfüllen könnte. Schließlich sei eine - wie auch immer geartete Mitwirkung des Bundesrates an der Willensbildung des Bundes in Angelegenheiten der europäischen Sekundärrechtsetzung keinesfalls ein angemessener Ausgleich für die den Ländern durch die Integration verlorengegangenen Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Bundesrechts über Art. 76, 77 GG und erst recht nicht für den Verlust an ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der einzelnen Länder, insbesondere der Länderparlamente 18o . Der m Grabitz, EuR 1987, 310 (319). 176 Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 340. 177 Schütz, NJW 1989, 2160 (2165) . • 178 Z.B. Haas, DÖV 1988, 613 (619); v. SimsonlSchwarze, S. 38 f; Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 10 (41, Fn. 92); Grabitz, EuR 1987, 310 (319); Kruis, in: Festschrift fiir Geiger, S. 155 (159f.); Oschat7lRisse, EA 1988, 9ff.; unentschieden insofern Vitzthurn, AöR 115 (1990), 281 (294) und Dörr, NWVBl1988, 289 (294). 179 Haas, DÖV 1988,613 (619); Grabitz, EuR 1987, 310 (319); Ress, EuGRZ 1989, 549 ~556); v. SimsonlSchwarze, S. 38. 11 Ziller, in: HrbekfIhaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, 89 (97); Rudolf, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 263 (272).
A. Die Rechte des BlDldesrates
67
Erfahrungsbericht der Bevollmächtigten der Länder beim Bund zog zwar eine insgesamt positive Bilanz über das neue Verfahren l81 . Dennoch gab er zu verstehen, daß sich in einigen Punkten bereits Nachbesserungsbedarf gezeigt hatte. Diese betrafen jedoch nicht die Beteiligungskonstruktion als solche, sondern hauptsächlich das Verfahren selbse 82 . Rückblickend ist festzustellen, daß mit dem Abschluß der EEA erstmals in diesem Ausmaß deutlich wurde, daß der Konflikt zwischen der Verwirklichung des Integrationsprinzips und dem der Bundesstaatlichkeit Deutschlands geradezu unlösbar und daß der Preis für die Integration ein grundlegender Gestaltwandel des Föderalismus vom Kompetenzföderalismus zum sog. ,,Beteiligungsföderalismus"183 war l84 . Obwohl man erkannt hatte, daß die gewählte Form der Länderbeteiligung an der europäischen Rechtsetzung letztendlich kein Bollwerk gegen eine fortschreitende Kompetenzabwanderung zugunsten der EG darstellen konnte, wurde in Art. 2 EEAG dennoch die Grundlage dafür gesehen, daß sich der Abwanderungsprozeß maßvoll und nicht - wie bis dahin geschehen - disziplinlos und willkürlich vollziehen werde l8s . Der Bundesstaat sollte nicht mehr - wie bisher - den Zielen der europäischen Integration nachgeordnet werden dürfen l86 . Diese Bedenken zeigen, daß auch nach fast dreißig Jahren zähen Ringens noch kein Konzept der Länderbeteiligung gefunden worden war, das die Länder und die Bundesregierung gleichermaßen zufriedenstellen konnte. Allerdings war man zu der Erkenntnis gelangt, daß es bei dem bestehenden Zielkonflikt zwischen der Bundesstaatlichkeit einerseits und der europäischen Integration andererseits nicht zu einer völligen Kompensation der verlorenen Länderrechte kommen konnte l87 und daß die Länder sich, so gut es eben ging, mit dieser Situation arrangieren mußten; dabei würde es auf sie selbst ankommen, die EG von der Notwendigkeit des Föderalismus und der regionalen
111 Bericht vom 16. Mai 1990, abgedruckt in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirlomgen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, Anlage 7. 112 So wurde z.B. angeregt, die UnterrichtlDlg auf die regelmäßige ZusendlDlg vorbereitender Vorschläge auszuweiten, um bereits im Vorstadium eines Vorhabens die BefasslDlg des BlDldesrates mit der Angelegenheit zu ermöglichen; auch sollte die UnterrichtlDlg genauere Informationen über die TerminplanlDlg von Rat lDld Kommission enthalten; ebd., S. 20. 113 Siehe Ossenbühl, in: derselbe (Hrsg.), Föderalismus lDld Regionalismus in Europa, 117 (148). 184 Streinz, DVB11990, 949 (962). m Ossenbühl, DVB11989, 1230 (1237). 186 Ossenbühl, ebd., der die Zukunft Europas an eine ,,BlDldesstaatsverträglichkeitsprüfung" binden will. 187 Zuleeg, DVB11992, 1329 (1333).
5'
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
Vielfalt sowie deren Initiativen zu überzeugen l88 . Insofern sollten nicht zuletzt sie selbst dazu beitragen, daß die Gemeinschaft nicht länger mit ,,Landesblindheit geschlagen" sei 189 .
B. Die Rechte des Bundestages Im Gegensatz zum Bundesrat hat der Bundestag nicht bereits von Beginn der europäischen Integration an eine möglichst weitgehende Beteiligung an der innerstaatlichen Willensbildung in europäischen Angelegenheiten zu erreichen versuche 90 . Wie zu Beginn angedeutet, haben aber auch bereits in der Zeit vor dem Abschluß des Maastrichter Vertrages Beziehungen zwischen dem Deutschen Bundestag und der europäischen Ebene - insbesondere dem Europäischen Parlament - bestanden. Allerdings erreichten diese bei weitem nicht das Ausmaß der Beziehungen und Rechte des Bundesrates und waren - abgesehen von dem Recht auf Information - nicht einmal einfachgesetzlich fixiert. Mit seiner Zustimmung zu den Römischen Verträgen von 1957 hatte der Bundestag sein Einverständnis zu der Aufgabe seiner gesetzgeberischen Befugnisse in verschiedenen Bereichen der Politik und mit der gleichzeitigen Übertragung dieser Zuständigkeiten auf die EWG und die EAG erteilt. Dies geschah in dem Wissen, daß diese Zuständigkeiten nicht mehr von einem demokratisch unmittelbar legitimierten Organ - einem Parlament -, sondern von lediglich mittelbar legitimierten Organen der Exekutive - der Kommission und dem Ministerrat - ausgeübt werden würden. Dabei hatte allerdings auf seiten des Bundestages die Erwartung vorgeherrscht, daß diese Aufgaben nur vorübergehend von Kommission und Rat ausgeübt und nach einer gewissen Übergangsphase einem noch zu gründenden Europäischen Parlament übertragen werden würden 191 . Bis heute ist diese Erwartung nicht erfUllt worden. Das 1979 erstmals gewählte Europäische Parlament verfUgt nicht über ein mate rielles Gesetzesinitiativreche 92 . Bis zum Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages stand dem Europäischen Parlament sogar nicht einmal ein Vetorecht
Ossenbühl, DVB11989, 1230 (1237). Diese oftmals zitierten Worte gehen auf HP. Ipsen zurück, in: Festschrift fiir Hallstein, S. 248 (256). 190 Siehe auch Sasse, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und als politische Kraft, 333 (337); Birke, S. 46; Oetting, S. 22; Oberthür, Integration 1111978,59. 191 Hellwig, in: Hrbek!Ib.aysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, 111. 192 Zum formellen Initiativrecht des Europäischen Parlaments siehe unten, 2. Kapitel A. 11. 1. c) aa). 111 119
B. Die Rechte des Bundestages
69
gegen die Gesetzesvorschläge der Kommission zu 193. Obwohl der Bundestag diese unbefriedigende und mit Art. 20 Abs. 2 GG in Widerspruch stehende Situation erkannt hatte, verzichtete er seinerzeit im Interesse der bundesdeutschen Handlungsfreiheit im Rat darauf, nach dem Vorbild des dänischen ,,Markt-Ausschusses" ein Gremium zur Kontrolle der Vertreter im Rat einzurichten l94 .
I. Das Zuleitungsverfahren nach Art 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen von 1957 Die Beteiligung des Bundestages beschränkt sich im Kern bis heute auf das Zuleitungsverfahren auf der Basis von Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen von 1957 195 , welches ebenfalls für den Bundesrat gale 96 .
1. Ursprüngliches Verfahren a) Die Unterrichtung des Bundestages
Das Zuleitungsverfahren wurde - wie bei der Unterrichtung des Bundesrates - durch das Schreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt an die Bundesminister vom 6. September 1963 197 verfahrensmäßig umgesetzt. Das Verfahren beinhaltete eine laufende und umfassende Unterrichtung des Bundestages über die Entwicklungen und anstehenden Entscheidungen in den Räten der Wirtschafts- und Atomgemeinschaft - seit dem Fusionsvertrag von 1965 198 über Entscheidungen in den Räten der EWG. Die Unterrichtung des Bundestages verlief parallel zu der des Bundesrates. So sollte die Zuleitung von Informationen über Vorhaben zeitlich vor der Beschlußfassung in den Räten (im Rat) erfolgen, wenn die Beschlüsse die Schaffung innerdeutscher Gesetze erforderlich machten (= Richtlinien) oder durch sie unmittelbar geltendes Recht geschaffen wurde (= Verordnungen). Entwürfe 193 Heute hat das Parlament in den Fällen der Geltung des neu eingefiihrten Kodezisionsverfahrens nach Art. 189b EGV immerhin ein VelWertlmgsrecht, siehe dazu unten, 2. Kapitel A. 11. 1. c) aa). 194 Hellwig, in: Hrbek!Ihaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, 111 (112). 19~ BGBl. 11 1957, S. 766. 196 Siehe oben, unter A. 11. 197 Abgedruckt in: Hrbek!Ihaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Euroräischen Gemeinschaften, Anhang, Dokwnent Nr. 3. 19 BGBl. 11 1965, S. 1453 ff.
70
1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirktmgsrechte
der Kommission zu Richtlinien und Verordnungen sollten dem Bundestag nur dann zugeleitet werden, wenn zweifelhaft war, ob die innerdeutsche Gesetzgebung berührt wurde. Im Gegensatz dazu erfolgte die Übersendung von Unterlagen zu sonstigen Ratsbeschlüssen (Memoranden, Berichte, Empfehlungen etc.) nur dann, wenn ein Eingriff in die innerdeutsche Gesetzgebung offensichtlich war. Ab dem 1. Januar 1967 wurden dem Bundestag ferner die von der Bundesregierung halbjährlich erstellten Integrationsberichte zur Information über den jeweiligen Stand der Integration sowie über weitere diesbezügliche Entwicklungstendenzen zugeleitee 99 . Im Interesse einer zügigen Unterrichtung sollte die Zuleitung aller Entwürfe der EWG an das Bundeskanzleramt zentral durch das Bundesministerium der Wirtschaft und aller Entwürfe der EAG durch das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung erfolgen. Vom Bundeskanzleramt wurden die Dokumente dann dem Bundestag zugestellt. Das beigefügte Schreiben des Bundeskanzlers an den Präsidenten des Bundestages (sog. Zuleitungsschreiben) mußte bestimmte Erläuterungen zu den jeweiligen Dokumenten enthalten, wie Z.B. den Titel der Verordnung, Richtlinie oder Entscheidung, das Datum der Übersendung an den Ministerrat, den voraussichtlichen Zeitpunkt der Beschlußfassung im Rat sowie einen Hinweis auf die Rechtsgrundlage der Zuleitung, Art. 2 des Zustimmungsgesetzes200 . Bis zur endgültigen Beschlußfassung im Rat mußte das federführende Bundesressort den für die entsprechende Vorlage federführenden Ausschuß des Bundestages über Inhalt, Auswirkungen und sich abzeichnende wesentliche Veränderungen der Entwürfe informieren. Waren die Änderungen so gravierend, daß von einem neuen Entwurf gesprochen werden konnte, erfolgte eine erneute Zuleitung über das Bundeskanzleramt. Nach der Beschlußfassung im Rat gab das federführende Bundesressort dem Bundestag Auskunft über Änderungen der Entwurffassung und über die Berücksichtigung von evtl. erfolgten Stellungnahmen des Bundestages. Das Verfahren der Unterrichtung innerhalb des Bundestages regelte die Anlage 6 zur Geschäftsordnung des Bundestages (a.F.). Danach mußten sämtliche dem Bundestag zugeleiteten Vorlagen unabhängig von ihrem Inhalt und ihrer Bedeutung als Bundestagsdrucksachen ausgegeben und verteilt werden. Die Verteilung erfolgte durch das Parlamentssekretariat an die jeweils federführenden und mitberatenden Ausschüsse.
199
200
Jaspert, APUZ 1982, 17 (22). Weitere Einzelheiten siehe oben, lUlter A 11. 1. a).
B. Die Rechte des Hlmdestages
71
b) Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme
aa) Rechtsgrundlage Obwohl Art. 2 des Zustimmungsgesetzes lediglich die Unterrichtung des Bundestages durch die Bundesregierung vorsah, bestand für den Bundestag ebenso wie für den Bundesrat die tatsächliche Möglichkeit, der Bundesregierung gegenüber eine Stellungnahme zu der jeweiligen Vorlage abzugeben201 . Eine spezielle Rechtsgrundlage für diese Anhörung gab es allerdings nicht. bb) Beratungsverfahren Intern war die Beratung in Anlage 6 der GOBT (a.F.) geregelt. Danach berieten die hierfür vorgesehenen Ausschüsse die EG-Vorlagen und richteten, soweit dies für notwendig befunden wurde, eine Stellungnahme oder eine Empfehlung an den federführenden Ausschuß. Dieser entschied dann unter Einbeziehung dieser Ausschußvoten darüber, ob und welche Beschlußempfehlung an das Plenum gerichtet wurde. Dabei war der federführende Ausschuß in seiner Entscheidung allerdings nicht völlig frei, denn Anlage 6 GOBT (a.F.) legte hierzu Richtlinien fest. Die Vorschrift orientierte sich an der in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes angelegten Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Arten der Vorlagen. Handelte es sich lediglich um eine Unterrichtung oder eine unverbindliche Empfehlung oder Stellungnahme des Rates oder der Kommission, lag die Berichterstattung an das Plenum im Ermessen des federführenden Ausschusses. Auf Verlangen des Plenums mußte jedoch ein Bericht vorgelegt werden. Bei Vorlagen, die innerdeutsche Gesetze erforderlich machten oder selbst unmittelbar geltendes Recht schufen, bestand dagegen eine generelle Pflicht des federführenden Ausschusses zur Berichterstattung, ohne daß das Plenum dies ausdrücklich verlangen mußte. Da das Zuleitungsverfahren des Bundestages dem des Bundesrates nicht nur in konzeptioneller, sondern auch in zeitlicher Hinsicht entsprach, erreichten die Vorlagen den Bundestag - wie den Bundesrat - häufig zu spät, um eine eingehende Befassung zu ermöglichen und eine sinnvoll erarbeitete Stellungnahme abgeben zu können202 . Auch konnte die Bundesregierung oftmals keine Angaben über den zeitlichen Rahmen und insbesondere den Zeitpunkt der Beschlußfassung im Rat machen, weil die Terminierung in Brüssel erfolgte. Im übrigen erwuchs sowohl dem Rat als auch der Kommission aus den Verträgen nicht die Pflicht, bei ihrer Terminplanung auf innerstaatliche, z.B. durch 201 202
Jaspert, APUZ 1982, 17 (26). Pöhle, ZPar11993, 49 (61).
72
1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirlomgsrechte
den Bundestag verursachte Verzögerungen Rücksicht zu nehmen. Diese Umstände erschwerten die Abgabe einer Stellungnahme erheblich und machten sie teilweise sogar unmöglich203 . Die Beschlußempfehlungen der federführenden Ausschüsse beschränkten sich daher zumeist darauf, die Vorlage zur Kenntnis zu nehmen und keine eigene Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung abzugeben. So ist es zu erklären, daß sich tatsächlich die Mehrzahl der Vorlagen durch Kenntnisnahme des Plenums erledigten und der Bundestag nur in relativ seltenen Fällen eine Stellungnahme an die Bundesregierung richtete. cc) Verbindlichkeit der Stellungnahme Was die Verbindlichkeit der Stellungnahmen betraf, fehlte es wie bei ihrer Abgabe an einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. Während der Bundesrat noch darauf verweisen konnte, daß seine Stellungnahme die Meinung der Länder widerspiegelte und die Bundesregierung allein bereits aufgrund des Grundsatzes der Bundestreue die Interessen der Länder und damit die Stellungnahme des Bundesrates zu beachten hatte204 , blieb dem Bundestag lediglich der in rechtlicher Hinsicht schwache Hinweis auf seine parlamentarische Kontrollfunktion; schwach deshalb, weil der Bundestag nach dem Verständnis des Grundgesetzes lediglich über nachträgliche Kontrollrechte verfügte, nicht aber - wie hier - über Instrumente der parlamentarischen Vorauskontrolle. Dies führte in der Praxis dazu, daß die mangelnde rechtliche Bindung durch eine politische Bindung ersetzt wurde. Hier spielte die aktuelle politische Stärke und Macht des Bundestages eine entscheidende Rolle. Zwar führte die Ignorierung oder die ungenügende Berücksichtigung einer Stellungnahme des Bundestages nicht bereits zu einem Mißtrauensvotum gegen den Bundeskanzler, immerhin wurde aber die politische Bindungswirkung einer solchen Stellungnahme von den Mitgliedern der Bundesregierung überwiegend ernst genommen20 ' . Wenn dies auch rechtlich unbefriedigend war, kann daher jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß die Stellungnahmen des Bundestages im allgemeinen völlig unverbindlich gewesen sind206 .
203
S.
Vgl. hierzu Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher Bundestag (Hrsg.),
1~IO). 2
Siehe oben, lUlter Am. 1. c).
m So z.B. der frühere Bundesminister fiir Landwirtschaft und Forsten Hermann
Höcherl, der die Stellungnahme des Bundestages als ,,Prozeßauftrag fiir einen Anwalt" bezeichnete, BT-Drucks. 5/1943. 206 Jaspert, APUZ 1982, 17 (25).
B. Die Rechte des Bundestages
73
2. Modifizierungen des Zuleitungsverfahrens a) Änderung der Anlage 6 der GOBT 1977 Wegen der ständig wachsenden Zahl von EG-Vorlagen207 wurde es zunehmend schwieriger, diese in den zuständigen Ausschüssen oder im Plenum des Bundestages angemessen zu beraten208 . Daher wurde das bislang praktizierte interne Verfahren aus den Reihen des Bundestages selbst als unbefriedigend kritisiert209 . Zur Behebung des Mißstandes verabschiedete der Bundestag 1977 die Änderung der Anlage 6 GOBT (a.F.), die das bisherige interne Verteilungs- und Beratungsverfahren im Rahmen des Zuleitungsverfahrens stark modifizierte, sog. abgekürztes oder vereinfachtes Zuleitungsverfahren210 . Danach sollte eine Aussonderung bedeutsamer EG-Vorlagen ermöglicht werden, wohingegen weniger bedeutsame Vorlagen von den Ausschüssen nur noch zur Kenntnis genommen werden mußten. So hoffte man, den wichtigen Vorlagen mehr Aufmerksamkeit und eine eingehendere Beratung widmen zu können211 . Der Kern der Neuregelung bestand u.a. darin, den aufwendigen Druck und die Verteilung sämtlicher zugeleiteter EG-Vorlagen entbehrlich zu machen. Dieses Verfahren war nur noch ausgewählten Vorlagen vorbehalten, die wegen ihrer Bedeutung im Plenum und in den zuständigen Ausschüssen materiell beraten werden sollten. Zu diesem Zweck sah die Regelung vor, daß der Bundestagspräsident im Benehmen mit dem Ältestenrat des Bundestages die EGVorlagen nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes212 an die zuständigen Ausschüsse überwies. Die von den Fraktionen benannten ständigen EG-Beauftragten der jeweiligen Ausschüsse entschieden dann bereits aufgrund dieser Vorabinformationen darüber, welche der Vorlagen lediglich zur Kenntnis genommen werden und welche der Ausschuß wegen ihrer Bedeutung eingehender beraten 207 In der 4. Wahlperiode wurden im Rahmen des Zuleitungsverfahrens noch 235 EG-Vorlagen an den Bundestag geleitet. Diese Zahl stieg in der 7. Wahlperiode auf 1189 EG-Vorlagen an, siehe Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wah~rüfimg, hnmunität und Geschäftsordnung, BT-Drucks. 8/1265 (neu), S. 4. 20 Von den 1189 EG-Vorlagen der 7. Wahlperiode wurden lediglich ca. 130 durch Beschlußempfehlung des zuständigen Ausschusses an das Plenum erledigt, siehe BTDrucks. 8/1265 (neu); S. 4; diese Beschlüsse wurden vom Plenum in der Regel ohne Aussprache angenommen, vgl. Ritzel!Bücker, § 93 GOBT, Anm. 2. b); Thöne-Wille, S. 109. 209 BT-Drucks. 8/1265 (neu), S. 3. 210 BT-Drucks. 8/1265 (neu). 211 BT-Drucks. 8/1265 (neu), S. 1; Hellwig, in: Hrbek/Thaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, 111 (113). 212 D.h. Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen des Rates und der KommISSIon.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
sollte. Anhand dieser Wünsche überwies der Präsident über das Parlamentsekretariat die entsprechenden Vorlagen an die Ausschüsse. Eine Sammelübersicht über die Titel und die befaßten Ausschüsse wurde als Bundestagsdrucksache verteilt. Nur dann, wenn der federführende Ausschuß beschlossen hatte, dem Bundestag einen über die Kenntnisnahme hinausgehenden Beschluß zu empfehlen, d.h., eine echte Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung abzugeben, wurde die Vorlage in vollem Wortlaut als Bundestagsdrucksache verteilt. Soweit die Vorlage lediglich zur Kenntnis genommen werden sollte und kein Bericht an das Plenum erfolgte, mußte dies in den amtlichen Mitteilungen bekanntgegeben werden213 . Verlangte der federführende Ausschuß von der Bundesregierung eine weitergehende Unterrichtung zu Inhalt, Hintergrund und Auswirkungen einer EG-Vorlage, so war dies nicht als eine über die Kenntnisnahme hinausgehende Beschlußempfehlung an das Plenum anzusehen, die den Umdruck und die Verteilung als Drucksache erforderlich gemacht hätte. Vielmehr sollte der Ausschuß sich direkt an die Bundesregierung wenden und diese um Berichterstattung bitten dürfen214 • Auch dies sollte dazu dienen, dem Bundestag Gelegenheit zu geben, sich vorweg Kenntnis über das Wesen und die Tragweite der geplanten Regelung zu verschaffen und die knapp bemessene Beratungszeit nur auf für wichtig befundene Vorlagen verwenden zu können. Die möglichst rasche Terminierung im Plenum über Aussprache und Abstimmung erfolgte durch die vom Ältestenrat aus den eigenen Reihen bestellten EG-Obleute in Abstimmung mit den ständigen EG-Beauftragten der befaßten Ausschüsse21S •
b) Modijizierungen nach 1977 aa) § 93 GOBT Das durch Anlage 6 GOBT (n.F.) geschaffene abgekürzte oder vereinfachte Zuleitungsverfahren fand im Rahmen der Geschäftsordnungsreform 1980 unverändert Eingang in § 93 GOBT216 . Es bestand bis 1993 im wesentlichen
foIfl7.
BT-Drucks. 8/1265 (neu), S. 4; RitzellBücker, § 93 GOBT, Anm. 3. a). BT-Drucks. 8/1265 (neu), S. 5. m Ebd., S. 3. 216 BGBl. I vom 5. August 1980, S. 1237. 217 Dazu RitzellBücker § 93 GOBT, Anm. 2. Wld 3. 213 214
B. Die Rechte des Btmdestages
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bb) Folgen der Einheitlichen Europäischen Akte Das EEAG hat dem Bundestag im Gegensatz zum Bundesrat keine Aufwertung seiner Rechte gebracht. Zwar hatte es einen Antrag auf Einfügung eines Art. 1 b in das Vertragsgesetz gegeben. Dieser Vorschlag sah vor, daß die Bundesregierung vor ihrer Zustimmung zu Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaft zu EG-Vorhaben, die ganz oder teilweise Gesetzgebungsmaterien des Bundes beträfen, dem Bundestag binnen angemessener Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben habe218 . Die Bundesregierung erklärte jedoch daraufhin im Plenum des Bundestages, daß sie dem Bundestag bei Verordnungen der EG, die Gesetzgebungsvorhaben des Bundes betreffen sollten, vor ihrer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme geben werde, und es dem Bundestag auch ansonsten unbenommen bliebe, von seinen parlamentarischen Kontrollrechten, insbesondere von seinem Zitierrecht Gebrauch zu machen219 . Mit dieser mündlichen Zusage gab sich der Bundestag zufrieden und beharrte nicht länger auf einer gesetzlichen Festschreibung seiner Beteiligungsrechte220 . cc) Unterrichtung während der Parlamentsferien Zur weiteren Beschleunigung beschloß der Ältestenrat 1988, daß er nunmehr auch in den Parlamentsferien über die Zuleitung und Überweisung der Vorlagen an die Ausschüsse durch Auflistungen informiert werden solle221 • Die interne Verteilung der Vorlagen an die mitberatenden und federführenden Ausschüsse wird heute vom zuständigen Fachbereich übernommen, der derzeit noch die Koordinierungsstelle des Bundestages für Informationen über Angelegenheiten der Europäischen Union darstellt. c) Die EG-Beratungsgremien des Bundestages
Seit 1979 wurden die vom Bundestag eingerichteten EG-Beratungsgremien zunehmend in das beschriebene Informations- und Beratungsverfahren miteingebunden.
Antrag der SPD-Btmdestagsfraktion, siehe BT-Drucks. 10/6663, tmter 4. Stenographischer Bericht der 246. SitZtmg des Blmdestages vom 13. November 1986, Protokoll, 10/18976. 220 Hierzu auch Ress, EuGRZ 1987,361 (367). 221 Protokoll der 18. SitZtmg des Ältestenrates vom 21. Januar 1988, S. 5. 218 219
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
aa) Die Doppelmandatschaft Bis zum Jahre 1979 besaß der Bundestag kein Gremium, das sich speziell und ausschließlich mit den Problemen und Auswirkungen der Europäischen Integration befaßte. Eine Auseinandersetzung mit europäischen Fragen sowie eine auf den Ausgleich europäischer und nationaler Belange gerichtete Beratung der EG-Vorlagen erfolgte - wie eben dargestellt - lediglich in den Fachausschüssen des Bundestages, vor allem im Auswärtigen und im Wirtschaftsausschuß. Die Einrichtung eines solchen Gremiums war nicht für notwendig befunden worden, da das Beziehungsgeflecht zwischen dem Deutschen Bundestag und dem Europäischen Parlament ohnedies eng geknüpft war. Dies lag zum einen daran, daß das Europäische Parlament vor seiner ersten Direktwahl im Jahre 1979 ein reines Delegiertenparlament gewesen war. Der Bundestag entsandte jeweils zu Beginn einer Wahlperiode auf Vorschlag der Fraktionen 36 seiner Mitglieder als Mitglieder des Europäischen Parlaments222 . Damit hatten diese Bundestagsabgeordneten ein sog. Doppelmandat inne223 . Da sie zudem häufig Mitglieder korrespondierender Ausschüsse beider Parlamente waren, konnte der Informationsaustausch zwischen dem Bundestag und dem Europäischen Parlament in der Regel ungehindert und ohne die Notwendigkeit einer Zwischenschaltung der Bundesregierung stattfinden. Zum anderen hatte der Bundestag aber auch schlechte Erfahrungen mit einem Beratungsgremium für europäische Angelegenheiten gemacht. So trat der 1965 einberufene sog. ,,Integrationsältestenrat" zwischen 1965 und 1967 insgesamt nur sechsmal zusammen. Zu seinen Aufgaben gehörte insbesondere die Entgegennahme von EG-Vorlagen und Unterrichtungen und deren Verteilung an die Fachausschüsse sowie die Erörterung europäischer Grundsatzfragen. Weil seine Ergebnisse jedoch nicht befriedigten, wurde er 1969 nicht wieder eingesetzt224 . Mit der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament im Juni 1979 erhöhte sich zwar die Zahl der deutschen Mitglieder auf 81. Da es sich aber nun nicht mehr um ein Delegiertenparlament handelte, waren von diesen 81 Mitgliedern nur noch 26 gleichzeitig Träger eines Bundestagsmandats. Diese Zahl sank nach der Bundestagswahl 1980 auf lediglich zwei Abgeordnete, bis schließlich nach der Bundestagswahl 1983 kein deutsches Mitglied des Europaparlaments mehr gleichzeitig Mitglied des Bundestages war. Damit war für den Bundestag die Quelle direkter Information versiegt. Die Unterrichtung über den weiteren Integrationsverlauf und über das Geschehen in Brüssel
222 223 224
Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher Bwtdestag (Hrsg.), S. 1(4). Vgl. hierzu ausfiihrlich Mehl, S. 24 ff. Hierzu auch Leonardy, ZParl 1989, 527 (530).
B. Die Rechte des Bundestages
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verlief nun ausschließlich über das Zuleitungsverfahren nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen. Bereits zum Zeitpunkt der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments war diese Entwicklung wegen der Umwandlung von einem Delegiertenparlament in ein Parlament von gewählten Vertretern absehbar gewesen. Daher beschloß der Ältestenrat des Bundestages 1979 die Einrichtung einer Kommission, die sich mit den Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft befassen sollte: Die ,,Kommission zur Behandlung von Fragen der Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und dem Deutschen Bundestag" sollte als Ersatz für den Verlust der Personalverflechtung durch die Doppelmandatschaft ein Bindeglied zwischen dem Bundestag und dem Europäischen Parlament bilden22~ .
bb) ,,Kommission zur Behandlung von Fragen der Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und dem Deutschen Bundestag" von 1979 Die ,,Kommission zur Behandlung von Fragen der Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und dem Deutschen Bundestag" bildete den Beginn der Bestrebungen des Bundestages, die Europapolitik aktiv zu begleiten226 . Sie beschäftigte sich zunächst vor allem mit der Betreuung der deutschen Abgeordneten des Europaparlaments. So entstand hier z.B. im wesentlichen das deutsche Europaabgeordnetengesetz227 . In der Folge widmete sich die Kommission insbesondere der Frage, wie die Beziehungen zwischen dem Bundestag und dem Europäischen Parlament nach dem Wegfall des Doppelmandats institutionalisiert werden konnten. Die Kommission beendete im Jahre 1982 ihre Tätigkeit mit ihrer gleichzeitig wichtigsten Aufgabe, der Unterbreitung eines Vorschlags zur Einrichtung einer mit Europafragen befaßten Kommission des Bundestages nach dem Modell einer Enquetekommission228 . Die Einrichtung einer Enquetekommission nach § 56 GOBT stellt rur den Bundestag ein Mittel der parlamentarischen Kontrolle dar. Sie bereitet Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Gesetzgebungsvorhaben oder staatliche Planungen vor29 . Sie bietet dem Bundestag darüber hinaus im Gegensatz zu den übrigen Ausschüssen und Gremien die Mögm BT-Drucks. 8/167; zu der Neugestaltung der Beziehungen zwischen dem Bundestap und dem Europäischen Parlament siehe eingehend Schoof, ZParl 1982, 199 j[ 22 Süssmuth, in: Hellwig (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 10 (12). 227 BGBL I 1978, S. 709. 228 BT-Drucks. 9/3407. 229 PüttnerlKretschmer, S. 143.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
lichkeit, Mitglieder nicht nur aus dem Kreis des Bundestagsplenums zu benennen230 . Diese in § 56 Abs. 2 GOBT festgelegte Regelung verschafft den Abgeordneten den Vorteil, sich bei den Beratungen auf organfremden Sachverstand stützen zu können, wodurch die Enquetekommission für das Plenum eine gutachterliche Funktion erhält231 . Diesen Vorteil hielt die Kommission für ideal, um auf diese Weise eine sachkundige und mit europäischen Problemstellungen vertraute Beratung zu ermöglichen. Um diesen Vorteil in besonderer Weise auszunutzen, sollten in der Enquetekommission als reine Beratungsmitglieder nicht - wie sonst üblich - Sachverständige aus dem öffentlichen Leben, der Wissenschaft etc., sondern deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments vertreten sein232 . Dadurch hoffte man, die relativ intensiven Beziehungen der Vergangenheit zwischen den beiden Parlamenten auch nach dem zu erwartenden Verlust der Doppelmandatschaft aufrechterhalten zu können, um nicht ausschließlich auf die Unterrichtung durch die Bundesregierung angewiesen zu sein233 . cc) Die Europa-Kommission von 1983 Durch einstimmigen Beschluß234 setzte der Bundestag daraufltin am 16. Juni 1983 gern. § 56 GOBT die ,,Europa-Kommission,,m ein, die sich am 14. Oktober 1983 konstituierte. Besetzt war die Kommission mit 22 ordentlichen Mitgliedern, von denen die eine Hälfte aus Mitgliedern des Bundestages und die andere Hälfte aus Abgeordneten des Europaparlaments bestand. Rechtlich gesehen befand sich die Kommission in einem Zwischenbereich zwischen Ausschüssen und Enquetekommissionen. Es handelte sich damit zwar an sich um ein ,,geschäftsordnungsmäßiges Novum,a36, behandelt wurde sie dennoch als Enquetekommission237 . Insoweit hatte man den Vorschlag der Kommission zur Behandlung von Fragen der Zusammenarbeit zwischen Europäischem Parlament und Bundestag aufgegriffen. Die Europa-Kommission beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit drei Themenbereichen238 : zum einen oblag ihr die Erarbeitung von Empfehlungen für EG-Vorlagen und für sonstige europapolitische Entscheidungen, die für die 230
Ebd., S. 127.
232
Ebd.
231 Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher Bundestag (Hrsg.), S. 1 (5). 233 Ebd. S. 4.
BT-Drucks. 10/161. m Siehe hierzu eingehend Mehl, S. 38ff 236 Pöhle, ZParl1984, 352 (355). 237 Mehl, S. 44. 231 Dazu Pöhle, ZParl1984, 352 (356). 234
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Entwicklung der EG-Politik von grundsätzlicher Bedeutung waren. Des weiteren erörterte sie institutionelle Probleme der Gemeinschaft und befaßte sich schließlich mit der Stärkung der Zusammenarbeit von Deutschem Bundestag und Europäischem Parlament. Hierzu hatte im übrigen bereits die Einsetzung der Kommission selbst als institutionelle Brücke beitragen sollen239 . Nach Angaben der Kommissionsvorsitzenden gehörte es hingegen nicht zu den Aufgaben der Europa-Kommission, alle ihr vorgelegten EG-Vorlagen "akribisch auf ihre Vereinbarkeit mit dem nationalen Recht (zu) untersuchen" und die im Ministerrat vertretenen Mitglieder der Bundesregierung an die "parlamentarische Kette zu legen,a4o . Durch die Einsetzung der Kommission revidierte der Bundestag daher keineswegs seinen Verzicht auf eine Handlungsbeschränkung der Bundesregierung aufEG-Ebene. Insoweit sei diese Kommission nicht vergleichbar mit dem Markt-Ausschuß in Dänemark oder dem Europaausschuß in Großbritannien, welche in integrationspolitischer Hinsicht eine Bremswirkung entfalteten241 . Vielmehr legte die Europa-Kommission die Betonung ihrer Arbeit auf die Förderung der Integration. Zu diesem Zweck überprüfte sie bei der Beratung einer Vorlage die nationalen und gemeinschaftlichen Argumente, wog sie gegeneinander ab und suchte den Kompromiß. Die Betonung ihrer Arbeit lag damit eindeutig auf der Förderung der Gemeinschaft und weniger auf der Interessenwahrung des Bundestages242 . Während ihrer vierjährigen Tätigkeif43 bestätigte sich die Einschätzung, daß die Mitberatung von Mitgliedern des Europäischen Parlaments als Sachverständige die Europa-Kommission zu einem idealen Forum für die Aussprache über die Aufgaben und das Zusammenwirken von Bundestag und Europäischem Parlament werden ließ. Hinzu kam, daß an den Beratungen regelmäßig sowohl Vertreter der Bundesregierung als auch der EG-Kommission teilnahmen, was für einen Informations- und Meinungsaustausch der beiden Exekutiven auch an dieser Stelle sorgte. Neben diesen Vorteilen brachte die Wahl der Form als Kommission auch einen gravierenden Nachteil mit sich, der schließlich dazu führte, daß die Europa-Kommission in der 11. Wahlperiode nicht wieder in dieser Form ins Leben gerufen wurde. Als Kommission war die Europakommission nämlich nicht in der Lage, Entschließungen zur unmittelbaren Beschlußfassung im Plenum zu verabschieden. Sie mußte ihre Empfehlungen vielmehr an die jeweils federführenden Ausschüsse überweisen und hoffen, daß diese die Emp239 Hellwig, in: HrbekfThaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, III (1l3). 240 Ebd. 241 Ebd., S. 112. 242 Ebd., S. 114. 243 Im einzelnen hierzu Pöhle, ZParl1984, 352ff. und Mehl, S. 46ff.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
fehlungen aufgriffen und als Beschlußempfehlung im Bundestag zur Abstimmung vorlegten244 . Dadurch war die Europakommission trotz ihrer intensiven Beratungen und aller sich durch sie bietenden Vorteile in ihren tatsächlichen und unmittelbaren Einflußmöglichkeiten beschränkt. Selbstkritisch räumte denn auch ihre Vorsitzende ein, daß dieses "Vermittlungsverfahren" zwischen Bundestag und Europäischem Parlament durch die Kommission keineswegs zu der Annahme verleiten dürfe, daß dadurch die übliche, verfassungspolitisch gewollte parlamentarische Kontrolle des Bundestages ersetzt werden könne24s . Ihre Äußerung, daß der Bundestag sehr wohl erkannt habe, daß die nationalen Parlamente im Rechtsetzungsprozeß der Gemeinschaft keine entscheidende Funktion mehr innehätten246 , kann als ein Zeichen der Resignation gewertet werden. Vor diesem Hintergrund hätte man sich von Anfang an für eine Stärkung der Bundesregierung, d.h. der Exekutiven entschieden. Schließlich helfe es in dieser Situation auch nicht, den "wilden Mann" zu spielen247 . dd) Der Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses von 1987 Anstelle der Europakommission setzte der Bundestag zu Beginn der 11. Wahlperiode 1987 den "Unterausschuß für Fragen der Europäischen Gemeinschaft" beim Auswärtigen Ausschuß ein248 . Der Nachteil der mangelnden Beschlußvorlagenfähigkeit war mit der Eigenschaft als Unterausschuß nunmehr geheilt. Allerdings stellte sich dafür nun das Problem der Unzulässigkeit einer stimmberechtigten Mitgliedschaft für Nichtmitglieder des Bundestages, d.h. für die Mitglieder des Europäischen Parlaments. Durch Beschluß vom 5. November 1987249 gern. § 126 GOBT wurde die Möglichkeit einer lediglich beratenden und nicht stimmberechtigten Mitgliedschaft deutscher Mitglieder des Europäischen Parlaments geschaffen. Der Ausschuß bestand aus 13 stimmberechtigten Bundestags- sowie ebensovielen mitwirkungsbefugten Mitgliedern des Europäischen Parlaments. Die im Ausschuß vertretenen Mitglieder des Bundestages waren neben ihrer Zugehörigkeit zu diesem Ausschuß zu244 Süssmuth, in: Hellwig (Hrsg.), S. 10 (12); Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher BWldestag (Hrsg.), S. 1 (6); Brück, ZParl 1988, 220 (222). W Hellwig, in: HrbekfThaysen (Hrsg.), Die Deutschen BWldesländer Wld die Europäischen Gemeinschaften, 111 (112). 246 Ebd. 247 Ebd. Diese Bemerkung war gegen die BestrebWlgen einiger BWldestagsmitglieder anläßlich der RatifiziefWlg der EEA zu einer EinrichtWlg eines Europaausschusses nach dänischem Wld britischem Vorbild gemünzt. 248 Beschluß vom 20. Mai 1987, in: Schindler, Datenhandbuch Band 3, Deutscher BWldestag (Hrsg.), S. 849. 249 Auf EmpfehlWlg des Ausschusses für Wahlpriifimg, lmmWlität Wld GeschäftsordnWlg, BT-Drucks. 11/927.
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gleich in anderen Fachausschüssen des Bundestages als ordentliche Mitglieder vertreten. Somit war der Unterausschuß ein sog. Querschnittsausschuß. Dadurch konnte ein reger Informations- und Gedankenaustausch zwischen den mit EG-Vorlagen befaßten Ausschüssen stattfinden. In der Sache beschäftigte sich der Unterausschuß mit Fragen der institutionellen Weiterentwicklung der Gemeinschaft im Wege von Vertragsänderungen, d.h. mit dem Fortschreiten der Europäischen Integration und mit den Problemen der Verwirklichung einer bereits damals ins Auge gefaßten Vereinigung Europas2so . Daneben befaßte er sich auch laufend mit den in den Bundestag eingebrachten EG-Vorlagen, wobei besonderer Wert auf die intensive Beteiligung der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments an der Beratung gelegt wurde, um - ebenso wie die Europakommission von 1983 nicht nur die nationalen, sondern auch die gemeinschaftlichen Interessen berücksichtigen zu können2S1 . Jedoch konnte auch die Rechtsform als Unterausschuß auf Dauer nicht befriedigen2S2 . Beklagt wurde der unselbständige Status als Unterausschuß, der im Gegensatz zu den Fachausschüssen bereits aus Gründen der Symbolik eine relativ schwächere Position gegenüber der Bundesregierung und auch gegenüber den Europaausschüssen der übrigen nationalen Parlamente der EG-Mitgliedsstaaten einnahm. So stellte der Vorsitzende des Unterausschusses Brück fest, daß ,,zuständigkeits- und Verfahrensprobleme" sowie ein "nur untergeordnetes politisches Ansehen" den Unterausschuß hinderten, "die Koordinierungsfunktion in der notwendigen Breite wahrzunehmen"m. Schließlich fühlten sich seine Mitglieder nicht immer für vollwertig gehalten2s4 . Aus diesen Gründen beschloß der Bundestag zu Beginn der 12. Wahlperiode, auf die erneute Einrichtung des Unterausschusses zu verzichten2ss .
2'0 Süssmuth, in: Hellwig (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 10 (12f); Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher Bundestag (Hrsg.), S. 1 (6). m Schoof, ebd. m So kritisierte die Abgeordnete Dr. Hellwig, daß die Europapolitik des Bundestages in einen Unterausschuß versunken sei, wohingegen in den übrigen Mitgliedsstaaten Europaausschüsse der nationalen Parlamente gegründet wurden, in: dieselbe (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 21 (22). m BTÜck, ZParl1988, 220 (224). 2'4 Schoof, in: Stichwort EG-Ausschuß, Deutscher Bundestag (Hrsg.), S. 1 (7). m BT-Drucks. 12/739.
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirklmgsrechte
ee) Der EG-Ausschuß von 1991 (1) Einsetzung
Durch Beschluß vom 13. Juni 1991 setzte der Bundestag auf interfraktionellen Antrag von CDU, FDP und SPD anstelle des Unterausschusses den EGAusschuß ein, der sich am 4. September 1991 konstituierte236 . Nach vielen Widerständen vollzog sich damit der Wandel von einem Unterausschuß zu einem regulären und ständigen 24. Fachausschuß. Hintergründe dieser Einsetzung waren neben der Unzufriedenheit mit der Rechtsform des Unterausschusses die bevorstehenden Reformen der Gemeinschaftsverträge und die damit verbundenen grundlegenden Entscheidungen bei der SchaffUng der Europäischen Unionm . Für diese richtungweisenden Entscheidungen hatte der Europäische Rat am 15. Dezember 1990 in Rom zwei Regierungskonferenzen zur Politischen Union sowie zur Wirtschafts- und Währungsunion eingesetzf38. Wie aus der parlamentarischen Beratung über diesen Antrag sowie aus der Antragsbegründung selbst hervorgeht, hatte der Bundestag erkannt, daß die fortschreitende Integration eine intensive und ständige Beratung des Bundestages erforderlich machte. Daher wollte er den deutschen Einfluß auf die weitere Entwicklung Europas nun endlich nicht mehr allein der Bundesregierung überlassen. Durch die Einrichtung des bis heute bestehenden ständigen Ausschusses beabsichtigte er, die Regierungsverhandlungen parlamentarisch zu begleiten239 . Der Bundestag folgte damit dem Beispiel anderer europäischer nationaler Parlamente, die bereits seit längerem über einen Europaausschuß verfügten260 . (2) Besetzung
Besetzt wurde der Ausschuß mit 31 ordentlichen Mitgliedern der Bundestagsfraktionen und entsprechend vielen Stellvertretern. Zusätzlich entsandten die beiden Gruppen jeweils ein stimmberechtigtes Mitglied mit Stellvertreter in den Ausschuß261 . Wie bereits beim Unterausschuß von 1987 handelte es sich bei diesen Ausschußmitgliedern allerdings um Abgeordnete, die gleichzeitig ordentliches Mitglied eines anderen Fachausschusses waren. Dies zeigt auf der einen Seite, daß der EG-Ausschuß noch immer nicht den Status eines Ebd. m Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher Bundestag (Hrsg.), S. 1 (7). m HölscheidtlSchotten, S. 24. m BT-Drucks. 12/739, II. 1. 260 Hellwig, in: dieselbe (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 21 (22). 261 Dabei handelte es sich um Bündnis 90/DIE GRÜNEN und PDS/Linke Liste. Dies war nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Gruppenstatus bestätigt worden, siehe BVerlGE 84, 304ff. ·2~6
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völlig gleichwertigen Fachausschusses erlangt hatte. Andererseits diente die Eigenschaft als sog. Querschnittsausschuß der Qualität der Beratungen, da auf diese Weise der Sachverstand der anderen Fachausschüsse einfließen konnte. In Anknüpfung an die bisherige Praxis der Europagremien des Bundestages wurden neun deutsche Mitglieder oder Beobachter62 des Europäischen Parlaments zur Mitwirkung im Ausschuß zugelassen. Sie verfügten allerdings - wie dies auch bereits im Unterausschuß der Fall gewesen war - nicht über ein Stimmrecht. Ihre Mitwirkungsmöglichkeiten beschränkten sich laut Einsetzungsbeschluß auf die Anregung von Beratungen einzelner Verhandlungsgegenstände sowie die Erteilung von Auskünften und die Abgabe von Stellungnahmen hierZU263 . Auch die Gruppen konnten jeweils einen Beobachter des Europäischen Parlaments mit jeweiligem Stellvertreter benennen. Insgesamt hatte der Ausschuß damit 44 ordentliche Mitglieder und entsprechend viele Stellvertreter. (3) Aufkaben Nach dem Einsetzungsbeschluß umfassen die Aufgaben des EG-Ausschusses die Beratung über die institutionelle Weiterentwicklung der EG. Diese Weiterentwicklung betraf insbesondere die geplante Reform der Gemeinschaftsverträge (späterer Vertrag von Maastricht). Ferner beschäftigte sich der Ausschuß mit der Zusammenarbeit zwischen Bundestag, Europäischem Parlament und den übrigen nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten sowie mit der laufenden Beratung von EG-Vorlagen. Diese wurden dem Bundestag bis zur Änderung des Grundgesetzes im Jahre 1992 nach wie vor auf der Rechtsgrundlage des Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen zugeleitet und vom zuständigen Fachbereich an den EG-Ausschuß als regelmäßig mitberatenden Ausschuß übersandt. Im Jahre 1994 handelte es sich dabei durchschnittlich um ca. 5-7 Vorlagen pro Woche. Der EG-Ausschuß wandte sich daraufhin mit dem sog. Datenblatt, welches Fragen zu den einzelnen Vorlagen enthielt, an das Auswärtige Amt. Dort bemühte man sich um eine rasche Beantwortung der Fragen, die z.B. den Beratungsgegenstand in Brüssel oder die Bedeutung des Vorhabens betrafen. Dabei versorgte sich das Auswärtige Amt seinerseits mit Informationen der jeweiligen Fachressorts. Dieses Informationsüberleitungsverfahren hat sich nach Auskunft des EGAusschusses bewährt. Der Ausschuß bezog hierüber seine wichtigsten Grund262 Bei den Beobachtern handelte es sich um noch von der 1990 gewählten Volkskammer der DDR in das Europäische Parlament fiir die Dauer einer Wahlperiode entsandte Volkskammerabgeordnete, siehe Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher Blmdestag (Hrsg.), S. 1 (9). 263 BT-Drucks. 12/739 (Antrag).
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkungsrechte
informationen über die Vorlagen. Bestand darüberhinaus noch weiterer Informationsbedarf, so wandte sich der Ausschuß direkt an das zuständige Fachressort. Aufgrund der eingehenden Unterrichtung beriet der EG-Ausschuß die wichtigsten Vorlagen intensiv, vereinzelt bis zu dreimal. Daraufhin faßte er seinen Beschluß, den er dem federführenden Ausschuß zu dessen Beschlußfassung an das Plenum übersandte. Im Rahmen seiner Beschäftigung mit EG-Vorlagen beriet der EG-Ausschuß unter anderem über das Delors-II-Paket, über die Reform der europäischen Agrarpolitik sowie über die Verwirklichung des Binnenmarktes und die damit zusammenhängenden Probleme wie die Gefahr eines Sozialdumpings in einzelnen Mitgliedsstaaten. (4) Probleme der Ausschußtätigkeit
Als Problem für die Arbeit des EG-Ausschusses hat sich das Verhältnis zwischen dem EG-Ausschuß und den übrigen Fachausschüssen herausgestellt. Von Beginn an hatte er mit dem Widerspruch zu leben, daß er zwar allzuständig in EG-Angelegenheiten war, jedoch die Zuständigkeiten der anderen Fachausschüsse unverändert blieben264 • Trotz großer Bemühungen hat der EG-Ausschuß nicht erreichen können, daß ihm die Federführung in den jeweiligen EG-Gesetzgebungsangelegenheiten übertragen wurde; sie verblieb weiterhin bei den übrigen Ausschüssen265 . Lediglich in etwa einem Dutzend Fällen, bei denen es sich ausschließlich um Unterrichtungen des Europäischen Parlaments handelte, hat der EG-Ausschuß die Federführung erhalten. Dies stellte einen eklatanten Nachteil für die Möglichkeiten des EG-Ausschusses dar, auf die Stellungnahme des Bundestages entscheidenden Einfluß nehmen zu können266 : denn gern. § 66 GOBT oblag allein dem federführenden Ausschuß die Koordination der Stellungnahmen mitberatender Ausschüsse sowie die Berichterstattung und das Abfassen der Beschlußempfehlung für das Plenum. Letztere stellte bei Annahme durch das Plenum die Stellungnahme des Bundestages W 67 • Der federführende Ausschuß konnte somit den Inhalt des Berichts und der Beschlußempfehlung bestimmen und darüber entscheiden, ob er sich die eine oder andere Stellungnahme mitberatender Ausschüsse (so auch diejenige des EG-Ausschusses) zu eigen machte oder nicht. Die Vorsitzende des EG-Ausschusses kam daher zu dem Ergebnis, daß der Ausschuß seine 264
Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher Bundestag (Hrsg.), S. 1 (8).
26~ Hier sind insbesonderen der Wirtschafts- und der Auswärtige Ausschuß zu nen-
nen, zu letzterem besteht nahezu eine Art Idealkonkurrenz. 266 So Hellwig, in: dieselbe (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 21 (26). 267 PüttnerlKretschmer, S. 124.
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eigentliche Aufgabe als sog. "Clearing-Stelle", nämlich die Bündelung unterschiedlicher und widersprüchlicher Stellungnahmen der Fachausschüsse zu einer einheitlichen Stellungnahme des Bundestages, bereits aus tatsächlichen Gründen nicht zu erfüllen imstande ~68. Als einen besonderen Schlag empfand der EG-Ausschuß die Tatsache, daß der Bundestag ihn nicht mit der Federführung bei der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages betraute. Hier hatte neben dem EG-, dem Auswärtigen und dem Wirtschaftsausschuß auch der Finanzausschuß die Federführung beantragt. Da der Bundestag, bzw. der für die Federführung vorschlagsberechtigte Ältestenrat keine Entscheidung zu treffen vermochte, setzte der Bundestag am 8. Oktober 1992 eigens den Sonderausschuß ,,Europäische Union - (Vertrag von Maastricht)" ein269 . Dieser Sonderausschuß bestand zwar aus Mitgliedern aller beteiligten Fachausschüsse; die personelle Verflechtung war jedoch unübersehbar, denn der Anteil der Mitglieder des EG-Ausschusses lag bei ca. 90 Prozene70 . Die Beratungen zur Ratifizierung wurden somit im wesentlichen vom EG-Ausschuß vorgenommen. Die offizielle Ermächtigung hierzu als federführender Ausschuß hatte man ihm jedoch versagt. Trotz intensiver Beratungen und der Pflege laufender Kontakte zu Vertretern der Bundesregierung und des Europäischen Parlaments ist zusanunenfassend festzustellen, daß die Arbeit des EG-Ausschusses unter schwierigen Bedingungen stattgefunden hat. Insbesondere die ständige Konkurrenz zu den übrigen Fachausschüssen hat dazu geführt, daß der EG-Ausschuß in den Jahren seines Bestehens kaum - und in Gesetzgebungsangelegenheiten überhaupt nicht - federführend tätig gewesen ist. Dies zeigt, daß der Bundestag noch immer keine ausreichende Bewußtseinsschärfe für die Bedeutung einer engagierten parlamentarischen Kontrolle der Europapolitik der Bundesregierung entwickelt hatte271 . 3. Bewertung des Zuleitungsverfahrens Das Zuleitungsverfahren stieß im Bundestag zunehmend auf Ablehnung272 . Man bezweifelte, ob es geeignet sei, die Bundesregierung ausreichend zu kontrollieren und auf diese Weise Einfluß auf die europäische Rechtsetzung neh-
Hellwig, in: dieselbe (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 21 (26). BT-Drucks. 12/3373; ausfiihrlich hierzu siehe unten 2. Kapitel, B. ill. 2. 270 Hellwig, in: dieselbe (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 21 (26). 271 Ebenso Hänsch, EA 1986, 191 (197); Streinz, in: HdStR VII, § 182 Rdnr. 47; derselbe, DVB11990, 949 (961). 272 Vgl. hierzu auch die Ausfiihrungen von Mehl, S. 14-16. 268 269
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men zu können273 . So kritisierte z.B. der Abgeordnete Wehner, daß keine eingehende Diskussion der europäischen Vorlagen im Bundestag stattfinde274 . Vor allem anläßlich der Beratungen des federführenden Auswärtigen Ausschusses zum Ratifizierungsgesetz zur EEA wurden Bedenken des Bundestages gegen die Ansprüche der Länder und das beschränkte Maß der eigenen Beteiligungsrechte lauf7~ . Bemängelt wurde vor allem die starke Aufwertung des Bundesrates gegenüber dem Bundestag, dessen Mitwirkungsrechte seit 1957 im wesentlichen unverändert geblieben waren. Abgesehen von den erweiterten echten Mitwirkungsrechten des Bundesrates blieb der Bundestag bereits hinsichtlich des Unterrichtungsverfahrens weit hinter dem Bundesrat zurück. So erhielt der Bundestag im Rahmen des Zuleitungsverfahrens weit weniger Informationen als der Bundesrat nach Art. 2 EEAG. Während der Bundesrat auf der Basis von Abschnitt I der Bund-Länder-Vereinbarung von 1987 umfassend über nahezu alle Vorgänge, Vorhaben und Programme unterrichtet wurde276 , mußte sich der Bundestag mit den Vorlagen der EG-Kommission an den Rat, den Vorschlägen für Rechtsakte oder Entschließungen des Rates sowie den Mitteilungen der Kommission an den Rat begnügen277 . Gleichwohl blieb diese Einsicht ohne grundsätzliche Konsequenzen und Initiativen seitens des Bundestages. Die über die bloße Unterrichtung hinausgehende Beteiligung des Bundestages beruhte ausschließlich auf dem rechtlich unverbindlichen Angebot der Bundesregierung, den Bundestag und dessen Ausschüsse von sich aus über wichtige Vorhaben der Europäischen Gemeinschaft zu unterrichten und ihm bei EG-Verordnungen aus dem Bereich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes die Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist zu geben. Insgesamt wurde jedoch nicht geleugnet, daß es sich bei dem Zuleitungsverfahren um eine ,,Hilfskonstruktion" handele, wenn es um die Kompensation der Gesetzgebungskompetenzen gehe, die der Bundestag durch die extensive Rechtsetzung der EG eingebüßt ha273 Hellwig, in: HrbekfIhaysen (Hrsg.), Die Deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, 111 (113); Schoof bekennt sogar, daß das Verfahren nach Art. 2 des ZustG von 1957 "absolut ungeeignet ist, den Mangel an echten Kompetenzen dort, wo sie hingehörten, nämlich zum Europäischen Parlament, zu kompensieren", in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher Bundestag (Hrsg.), S. 1 (11). 274 207. Sitzung des Bundestages vom 5. Dezember 1975, Protokoll 7/14301 D; desgleichen der Abgeordnete Scheu, Protokoll 7/14301 D - 14303 A; siehe auch die Abgeordneten Gansei, 69. Sitzung vom 6. Dezember 1973, Protokoll 7/4219 A und Dr. Schweitzer, 233. Sitzung vom 1. Apri11976, Protokoll 7/16249 D - 16252 A m BT-Drucks. 10/6663. 276 Siehe oben, unter A V 2. b) aa). 277 Die federführenden Ausschüsse erhielten daneben noch Mitteilungen zu wesentlichen Änderungen im Verlauf der Beratungen in den EG-Gremien sowie über die Tagungen des Rates, siehe Gerber, in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirkwlgen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, 77 (143).
B. Die Rechte des Blmdestages
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be278 . Rein quantitativ erschien die Mitwirkung sehr umfangreich: So wurden im Parlamentsjahr 1991/1992 dem Bundestag ca. 560 EG-Ratsdokumente zugeleitet. Davon wurden allerdings die weitaus meisten von den Ausschüssen lediglich zur Kenntnis genommen, wobei auch dies häufig erst nach der Entscheidung des Ministerrates geschah279 . Dem Bundestag blieb somit häufig nur noch die Umsetzung einer beschlossenen Richtlinie in nationales Reche 80 • So kam die Vorsitzende des EG-Ausschusses zu dem Schluß: ,,Bei der Europäischen Gesetzgebung läuft nach wie vor fast alles ohne den Bundestag,asl . Deutliche Worte für die Stellung des Bundestages innerhalb des europäischen Rechtsetzungsverfahrens fand auch die verfassungsrechtliche Literatur. So bemängelte man den fortschreitenden Kompetenzverlust des Bundestages und die dadurch bedingte Störung der innerstaatlichen, vom Grundgesetz austarierten Machtbalance zwischen der Bundesregierung und dem Bundestag, zwischen Exekutive und Legislative282 . Der Bundestag sei von einer merkwürdigen Apathie283 betroffen, wenn es um die Wahrung seiner Interessen, sprich um den Ausgleich seiner Kompetenzverluste gehe. Obwohl das Demokratiedefizit in der Europäischen Gemeinschaft ein vieldiskutiertes Thema sei, habe der Bundestag offenbar selbst kaum die Notwendigkeit einer Abhilfe verspürf 84 . Der Eindruck sei nicht von der Hand zu weisen, daß der Bundestag die Möglichkeiten einer effektiven Kontrolle des Handeins der Regierungsrnitglieder im Ministerrat und auch die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament gar nicht voll ausschöpfen wolle; er schiene sich vielmehr mit der Aufgabenverteilung zwischen den europäischen 278 So bereits der Abgeordnete Margulies in der 224. SitZlmg des Blmdestages vom 5. Juli 1957, Protoko112/13323 D; ebenso Ferdinand, in: Festgabe fiir Blischke, S. 145 (148) sowie Hellwig, in: HrbekfThaysen (Hrsg.), Die Deutschen BWldesländer Wld die Europäischen Gemeinschaften, 111 (113). 27 Für den Zeitraum von 1980 bis 1986 gilt ähnliches. In diesen sechs Jahren gingen dem Blmdestag 2506 EG-Vorlagen zu, von denen sich der BWldestag mit 256 in Form einer BeschlußempfehlWlg des zuständigen Ausschusses befaßte. Von diesen wiederum waren zum ZeitpWlkt der Beschlußfasslmg des BWldestages bereits 167 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft erschienen lmd somit in Kraft getreten, siehe hierzu Hänsch, EA 1986, 191 (197); dies liegt ua. daran, daß das Beratlmgsverfahren der Vorlagen innerhalb des BWldestages selbst durchschnittlich fast vier Monate betrug, demgegenüber die eigentliche Zuleitlmg durch die BWldesregieflmg jedoch lediglich 8-10 Tage in Anspruch nahm, vgl. hierzu Ferdinand, in: Festgabe fiir Blischke, S. 145 (162). 280 Hellwig, in: dieselbe (Hrsg.), Der Deutsche Blmdestag lmd Europa, 21 (23). 211 Ebd. 282 Siehe Ossenbühl., DVB11993, 629 (635); Herdegen, EuGRZ 1992, 589 (592). 283 Ossenbühl, DVB11993, 629 (636). 214 E. Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (76), der von einer ,,fehlsamen SelbsteinschätZlmg des BWldestages" spricht, hiergegen Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher BWldestag (Hrsg.), S. 1 (11).
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirkwtgsrechte
und den nationalen Organen abgefunden zu haben28s • Auf diese Weise sei das europäische Rechtsetzungsvetfahren lange Zeit am Bundestag vorbeigegangen. Die einzige Form, in der sich der Bundestag mit ihr befaßt habe, sei die der nachträglichen Kenntnisnahme oder - in Fällen von Richtlinien - der Umsetzung in innerstaatliches Recht gewesen. Eine echte Kompensation der Kompetenzverluste habe dagegen nicht stattgefunden286 . Es liegt auf der Hand, daß die Mitwirkungsrechte des Bundestages an der Sekundärrechtsetzung der EG in der Vergangenheit - vor allem im Vergleich zu den Mitwirkungsrechten des Bundesrates und der Länder - geradezu kümmerlich ausfielen. Im Gegensatz zur Länderseite, die seit 1957 mehrmals Anläufe zur Intensivierung und Verbesserung des Beteiligungsvetfahrens unternommen und durchgesetzt hatte, führte der Bundestag ein Schattendasein. Er beklagte hin und wieder das Fehlen einer effizienten Mitwirkung an der Sekundärrechtsetzung der Gemeinschaft und gefiel sich im übrigen in seinem ,,Dornröschenschlaf'. Die spärlichen Rechte, die ihm nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen zustanden sowie seine parlamentarischen Kontrollrechte verstand er nicht zu nutzen287 . Auch die Errichtungen der verschiedenen Europaausschüsse verbesserten die Situation nicht. Innerparlamentarische Rangeleien um die Ausschußkompetenz in europäischen Angelegenheiten lähmten deren Arbeit und machten die aufkeimende Hoffnung auf eine intensivere Beteiligung des Bundestages schnell zunichte. Insgesamt gesehen müssen die bisherigen Rechte des Bundestages daher als ausgesprochen unzureichend bezeichnet werden288 .
ll. Exkurs: Sonstige Formen supranationaler parlamentarischer Zusammenarbeit Neben dem eigentlichen Zuleitungsvetfahren nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen und der Befassung seiner jeweiligen Europagremien mit den übersandten EG-Vorlagen verfügt der Bundestag noch über weitere informelle Kontakte auf europäischer und internationaler Ebene.
m Bleckmann, ZPar11991, 572 (582). Ossenbüh1, DVBl1993, 629 (636). 287 Streinz, Europarecht, Rdnr. 283; offenbar auch Schwarze, JZ 1993,585 (588). m Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher Bundestag (Hrsg.), S. 1 (11).
286
B. Die Rechte des Bundestages
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1. Die Konferenz der Parlamentspräsidenten
Die seit 1973 bestehende sog. ,,Konferenz der Präsidenten der Europäischen Parlamentarischen Versammlungen" ist aus regelmäßigen Treffen der nationalen Parlamentspräsidenten entstanden und im Laufe der Zeit zu einer ständigen Einrichtung geworden289 . Seit 1988 nehmen an dieser Konferenz - in Vorbereitung auf eine mögliche Erweiterung der Europäischen Union - auch verschiedene osteuropäische Parlamentspräsidenten teil. Die Konferenz verfügt zwar über keinerlei Kompetenzen, dient jedoch dem regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch auf höchster parlamentarischer Ebene. Ferner unterbreitet sie Vorschläge und Anregungen für die Zusammenarbeit der nationalen Parlamente untereinander und mit dem Europäischem Parlament, um das Demokratiedefizit und die mangelnde parlamentarische Kontrolle innerhalb der Gemeinschaft abzumildern. Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang der Einfluß, den die Parlamentspräsidenten auf die Struktur und die Organisation der Parlamentsarbeit und der Parlamentsverwaltung ausüben. Allerdings liegt die letzte Entscheidung in der Bundesrepublik insofern bei den zuständigen Gremien des Bundestages, dem Präsidium und dem Ältestenrae90 .
2. "COSAC" Seit 1987 findet zweimal jährlich eine Konferenz der Europaausschüsse der nationalen Parlamente unter Beteiligung von Vertretern des Europäischen Parlaments statt, die sog. "conference des organes specialises dans les affaires communautaires" (COSAC). Hier findet - ähnlich wie bei der Konferenz der Parlamentspräsidenten - ein Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den Parlamentariern statt, welcher ebenfalls dem Ausgleich des Demokratiedefizits der Gemeinschaft dienen sole91 . Seine Wirkung wird jedoch durch die ständige Konkurrenz zu den Fachausschüssen der nationalen Parlamente relativiert. Schließlich bereitet auch die unterschiedliche Machtfülle der Parlamente Probleme bei der Zusammenarbeit. So ist ein dem mächtigen dänischen Markt-Ausschuß angehörender Parlamentarier nicht an Zielen und Projekten interessiert, die für die übrigen Parlamentarier, deren Fachausschüsse nicht über eine entsprechende Macht verfügen, von großer Bedeutung sind. Aus die-
219 Hierzu siehe Süssmuth, in: Hellwig (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 10 (14ff.). 290 Kritisch zur Wirkung der Konferenz daher Pöhle, ZParl1993, 49 (61). 291 Vgl. Hellwig, in: dieselbe (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 21 (24).
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1. Kapitel: Die bisherigen Mitwirktmgsrechte
sen Gründen wird die Vorstellung, die COSAC könnte ein wichtiges Bindeglied zwischen den nationalen Parlamenten darstellen, kritisch beurteilf92 . 3. "Europäische Assisen" Auch die Konferenz der nationalen Parlamente, ,,Europäische Assisen" genannt293 , diente dem Zweck der Beseitigung des demokratischen Defizits der Gemeinschaft im Zusammenhang mit der Reform der Gemeinschaftsverträge (Vertrag von Maastricht). Allerdings wurden diese Assisen sowohl vom EGAusschuß als auch vom Bundestag selbst nicht befürwortet. Grund hierfür war die begründete Befürchtung, daß eine solche Konferenz lediglich eine unnötige Konkurrenz sowohl zum Europäischen Parlament als auch zur "COSAC" darstellen könnte und damit nur einer Kompetenzausweitung dieser Institutionen im Wege stünde294 . Damit würde sie den Demokratiebestrebungen in der Gemeinschaft eher schaden als nützen.
Siehe ausführlich hierzu Pöhle, ZPar11993, 49 (60 f) Sie trat zum ersten Mal vom 27.-30. November 1990 in Rom zusammen. 294 Schoof, in: Stichwort: EG-Ausschuß, Deutscher BlDldestag (Hrsg.), S. 1 (19); Süssmuth, in: Hellwig (Hrsg.), Der Deutsche BlDldestag lDld Europa, 10 (17). 292
293
2. Kapitel
Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG und seiner Begleitvorschriften Den Ausgangspunkt für die Entstehung des neuen Art. 23 GG bildete die verfassungsrechtliche und -politische Diskussion über das Verhältnis zwischen der weiteren Entwicklung der Europäischen Integration und der grundgesetzlieh normierten Staatsstruktur der Bundesrepublik. die im wesentlichen durch den Abschluß und die Ratifizierung des Maastrichter Vertrages über die Eur~ päische Union (im folgenden: EU) ausgelöst wurde. Im Verlauf des Ratifizierungsverfahrens wurden zunächst Zweifel an der Tragfahigkeit der bisherigen Integrationsvorschrift des Grundgesetzes, dem sog. ,,Integrationshebel'" Art. 24 Abs. 1 GG für die Übertragung weiterer Hoheitsrechte an die Gemeinschaft laut. Daneben galt es auch, sich mit der lange währenden Unzufriedenheit und den Forderungen der Bundesländer und schließlich auch des Bundestages auseinanderzusetzen, die den Maastrichter Vertrag als Einbruch in das nati~ nale Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern einerseits sowie zwischen Exekutive und Legislative andererseits empfanden. Um die Motivation für diese Verfassungsdiskussion nachvollziehen zu können, soll zunächst ein Blick auf die durch den EU-Vertrag verfügten Neuerungen und Änderungen des bisherigen Gemeinschaftrechts geworfen werden.
A. Der Maastrichter Vertrag als Ausgangspunkt für die Verfassungsdiskussion Nach dem Wortlaut seiner Präambel soll mit dem Vertrag von Maastricht der mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft eingeleitete Prozeß der europäischen Integration auf eine neue Stufe gehoben werden. Mit der Schaffung einer Europäischen (politischen) Union hat er die Verwirklichung des Zieles vollendet, das die Einheitliche Europäische Akte 1986 bereits genannt hatte.
, Vgl. Ipsen, in: HdStR, Bd. VII, § 181, Rdnr. 7.
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
I. Struktur des Vertrages Der Maastrichter Vertrag fußt auf einem Drei-Säulen-Konzept. Die erste Säule utnfaßt neben den Änderungen der Griindungsverträge über die bisherige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EAG, EGKS und EWGi auch die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion. Die zweite Säule wird gebildet durch die Zusammenarbeit in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik (GASp' Titel V, Art. J - 1.11). Die dritte Säule stellt die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZJIP, Titel IV, Art. K - K. 9) dar. Über diesen drei Säulen3 wölbt sich die EU, die im Gegensatz zu den Gemeinschaften4 keine eigene Rechtspersönlichkeit besitztS • Gern. Titel I Art. C verfügt sie aber über einen einheitlichen institutionellen Rahmen, der die Gemeinschaften und die übrigen beiden Bereiche umfaßt. Der Grund für diese Unterscheidung liegt in der unterschiedlichen Qualität des Zusammenwirkens; während das Handeln der Gemeinschaften seine Basis in der gemeinschaftlichen Rechtsordnung hat, die der Kontrolle des EuGHs unterliegt, scheiterte eine entsprechende Eingliederung der Politiken des Außen- und Sicherheits- sowie des Innen- und Justizbereichs. Als Form des gemeinsamen Wirkens konnte lediglich die intergouvernementale Zusammenarbeit vereinbart werden6 .
rr. Inhaltliche Bestimmungen Die Hauptziele, die sich die EU mit diesem Vertrag selbst setzt, werden in Titel I Art. B genannt. Es handelt sich dabei um die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union, die Entwicklung einer engen Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres und schließlich die Einführung einer Unionsbürgerschaft 2 Diese wird nunmehr in ,,Europäische Gemeinschaft" umbenannt. Damit wird der EWG-Vertrag zum EG-Vertrag; bei dem bisher verwendeten Begriff der Europäischen Gemeinschaft handelte es sich lediglich um einen politischen, keinen juristischen Begriff, vgl. HölscheidtJSchotten, S. 11. Die Bezeichnung ,,Europäische Gemeinschaft" ist deshalb unkorrekt, weil es sich immer noch um drei Gemeinschaften handelte, die seit dem Fusionsvertrag von 1965 lediglich über gemeinsame Organe verfügten. 3 In diesem Zusammenhang wird auch von einer Pfeilerstruktur" gesprochen, siehe HölscheidtJSchotten, S. 10. 4 EWG: Art. 210 EWGV; EAG: Art. 184 EAG-Vertrag; EGKS: Art. 6 EGKSVertrag. ~ Blanke, DÖV 1993, 412 (416); HölscheidtJSchotten, S. 9; zweifelnd Stein, EuR 1993,328; a.A. Ress, JuS 1992, 985 (986). 6 Blanke spricht daher von "verschiedenen Aggregatzuständen unterschiedlich verdichteter Integration", DÖV 1993, 412 (416).
A. Der Maastrichter Vertrag als Ausgangspunkt
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für alle Angehörigen der Mitgliedsstaaten. Daneben bekennt sich die Union zu Kohärenz und Kontinuität (Titel I Art. C), zu Demokratie, Menschenrechten, Grundfreiheiten, zur Achtung der nationalen Identität ihrer Mitgliedsstaaten (Titel I Art. F) und zu dem Prinzip der Subsidiarität (Präambel).
1. Erste Säule: Änderung der Griindungsverträge a) Begründung und Erweiterung von Gemeinschajlskompetenzen
Der Vertrag begründet und erweitert durch Art. 6 EUV für die juristisch nunmehr in Europäische Gemeinschaft umbenannte EWG in erheblichem Umfange neue Zuständigkeiten7 . Darunter fallen die Bereiche der Bildungspolitik8 , der Kultur9 , der Jugendpolitik, des Gesundheitswesens, der SozialpolitiklO , des Verbraucherschutzes, der Transeuropäischen Netze, der Industrie, des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, der Forschung und technologischen Entwicklung sowie der Umwelt. b) Wirtschajls- und Währungsunion
Das Kernstück des Maastrichter Vertrages bildet die über das Europäische Währungssystem (EWS) von 1978 hinausgehende Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), die in Art. l02a - 109m EGV geregelt ist. Ziel dieser Union ist es, die Wechselkurse der Währungen der Mitgliedsstaaten unwiderruflich festzulegen und eine einheitliche Währung einzuführen. Ferner soll eine einheitliche Geld- und Wechselpolitik der Union festgelegt und durchgeführt werden.
Breuer, NVwZ 1994,417 (420); ausführlich AlgierilSchmuck/Wessels, S. 70ff. Hierzu BeckedorflHenze, NVwZ 1993, 125 ff. 9 Wie bislang bleibt es allerdings im Bereich der Bildungs- und Kulturpolitik bei punktuellen Einzelzuständigkeiten der EU, die jedoch bei der extensiven Auslegung durch Rat und Kommission weit in die Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten hineinreichen können, so bereits für die bisherige Praxis nach der EEA Schweitzer, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 147. Eingehend zu den Kompetenzerweiterungen der EU auf den Gebieten der allgemeinen Bildung, der beruflichen Bildung und der Kultur siehe BerggreenlHochbaum, in: Borkenhagen/BrunsKlöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 47 (53 ff.), die beklagen, daß durch die Fülle unbestimmter Rechtsbegriffe der Handlungsrahmen und die TätigkeitsbeschreibunWen der EU weiterhin unklar bleiben; ebenso Hochbaum, DÖV 1992, 285 ff. 1 Hierzu Boetticher, in: Borkenhagen/Bruns-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 61 (68ff.). 7
S
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
Die Umsetzung der WWU soll stufenweise erreicht werden. Mit dem 1. Januar 1994 ist gern. Art. 10ge ff. EGV der Eintritt in die zweite Stufe der WWU erfolgt. Mit Hilfe des Europäischen Währungsinstituts (EWl) sollen die Mitgliedsstaaten im Verlauf der zweiten Stufe eine Verstärkung der Konvergenz ll der nationalen Wirtschafts- und Währungspolitiken vornehmen 12 . Ob ein ausreichend hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht worden ist, entscheidet der Rat auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit und legt seine Stellungnahme dem Europäischen Rat vor. Dieser trifft seinerseits bis spätestens zum 31. Dezember 1996 eine Entscheidung. Erfolgt die Festlegung des Eintritts in die dritte Stufe nicht bis zum 31. Dezember 1997, so beginnt die dritte Stufe gern. Art. 109 Abs. 4 EGV am 1. Januar 1999 mit denjenigen Mitgliedsstaaten, die die Konvergenzkriterien erfüllen. Sie wirken im folgenden in vollem Umfange an der WWU mit. Auf Antrag oder mindestens alle zwei Jahre wird dann im Europäischen Rat bezüglich der übrigen Mitgliedsstaaten entschieden, ob sie die Konvergenzkriterien erfüllen und beitretenkönnen. Bis zum Eintritt in die dritte Stufe verbleibt die geldpolitische Verantwortung bei den einzelnen Mitgliedsstaaten. Danach geht sie auf das Europäische System der Zentralbanken (ESZB)13 über. Dieses unabhängige 14 System besteht aus der Europäischen Zentralbank und den Zentralbanken der Mitgliedsstaaten. Seine Aufgabe liegt vor allem in der Gewährleistung der Preisstabilität und der Unterstützung der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft (Art. 105 Abs. 1 EGV). Zu diesem Zweck legt es u.a. die Geldpolitik der Gemeinschaft fest und verwaltet die Währungsreserven der Mitgliedsstaaten. Die einheitliche Währung Euro wird mit den noch verbleibenden Währungen durch feste Wechselkurse verbunden, so daß ein einheitlicher Währungsraum entsteht. Um die Konvergenz der Mitgliedsstaaten zu erhalten, unterliegen diese gern. Art. 104c EGV einer ständigen Überwachung von Kommission und Rat. Im Falle übermäßiger Verschuldung kann dem betreffenden Mitgliedsstaat durch einen Zwei-Drittel-Mehrheitsbeschluß des Rates - notfalls unter Auferlegung einer Geldbuße - die Durchführung von Maßnahmen zum Abbau des Defizits aufgegeben werden.
11 Als Konvergenzkriterien nennt Art. 109j Abs. 1 EGV einen hohen Grad an Preisstabilität, eine ausgeglichene Haushaltslage ohne übennäßige Verschuldung, die Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus und die Dauerhaftigkeit der Konvergenz. 12 Die Aufgaben des EWl sind in Art. 109 fEGV niedergelegt. 13 HölscheidtiSchotten, S. 11. 14 Siehe Art. 107 EGV.
A Der Maastrichter Vertrag als Ausgangspunkt
95
Ob der Eintritt in die dritte Stufe automatisch erfolgt, ist lange Zeit heftig diskutiert worden ls . Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 12. Oktober 1993 entschieden, daß der Eintritt in die dritte Stufe einen entsprechenden Beschluß des Bundestages voraussetzt l6 . Es hat damit einen Automatismus verneint. Inwieweit allerdings ein ablehnender Beschluß des Bundestages, der zunächst einmal - weil im EU-Vertrag nicht vorgesehen - lediglich innerstaatliche Wirkung entfalten kann, Einfluß auf die vertragliche Verpflichtung der Bundesrepublik gegenüber den übrigen Mitgliedsstaaten ausüben kann, ist äußerst fraglich l7 . Die EU ist durch einen solchen Parlamentsvorbehalt in keinem Fall gebunden - im Gegensatz zu der Bundesregierung, die sich damit im Spannungsfeld zwischen dem Bundestag und der EU befindet. Sollte sich der Bundestag aber an seine Zusicherung halten, die Zustimmung lediglich dann zu verweigern, wenn der Rat aus Opportunitätserwägungen großzügig über die fehlende Einhaltung der Konvergenzkriterien hinwegsieht und den Eintritt in die dritte Stufe unter unzureichenden Voraussetzungen beschließen will, würde der Parlamentsvorbehalt die eingegangenen Verpflichtungen nicht einschränken, sondern deren strikte Anwendung sicherstellen l8 . Allerdings ist hierbei vom Bundestag zu berücksichtigen, daß dem Rat hinsichtlich der Konvergenzkriterien ein nicht zu unterschätzender Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht '9 . Die WWU bildet für die Kritiker des Maastrichter Vertrages den Hauptangriffspunkt. So wird auch heute über ihre Verwirklichung und ihren zeitlichen Ablauf noch heftig gestritten. In rechtlicher Hinsicht bedingt der Übergang zu einer gemeinsamen Währungspolitik und einer einheitlichen Währung, welche " Auch der Sonderausschuß ,,EU (Vertrag von Maastricht)" hatte in seinem Schlußbericht festgehaIten, daß es diesbezüglich keinen Automatismus geben werde, sondern daß der Bundestag vielmehr das Vorliegen der Konvergenz selbst überprüfen und einen Beschluß hierüber sowie über den Eintritt in die dritte Stufe fassen werde, Beschlußempfehlungund Bericht BT-Drucks. 12/3895, S. 7 sowie BT-Drucks. 12/3896 (Nationaler Teil), S. 22, siehe auch unten, unter B. ill. 2. c) aa); im Schrifttum war demgegenüber häufig ein Automatismus beim Übergang in die dritte Stufe bejaht worden, so z.B. Herdegen, EuGRZ 1992, 589 (594); KleinlHaratsch, DÖV 1993, 785 (797); Wolf, JZ 1993, 594 (596). 16 Leitsatz 9. c) des Urteils; ausführlich zur WWU nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts siehe Weber, JZ 1994, 53ff. 17 Der Bundestag hatte in seiner vom Sonderausschuß ,,EU (Vertrag von Maastricht)" verfaßten Erklärung zur WWU die Bundesregierung dazu aufgefordert, das Votum des Bundestages zu respektieren (BT-Drucks. 12/3895, Beschlußempfehlung Nr. 4) und diese Vorgehensweise den übrigen Mitgliedsstaaten sowie der Kommission und dem Europäischen Parlament mitzuteilen (BT-Drucks. 12/3895, Beschlußempfehlung Nr. 5). Siehe auch die Entschließung des Bundestages zur WWU in BT-Drucks.
12/3906. 11 19
So die Abg. Wieczorek-Zeul, EA 1993, 405 (411). Hierzu eingehend Wieczorek-Zeul, ebd.
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2. Kapitel: Die EntstehWlgsgeschichte des Art. 23 GG
die Unabhängigkeit der Bundesbank und die Existenz der DM beendet, einen erheblichen Souveränitätsverlust für Deutschland20 . Hier geht es um wesentliche Staats strukturen der BundesrepubliJ(21. Vor allem in der Endphase der WWU dürfte es problematisch werden, ob und wieweit die Staatlichkeit und die Souveränität Deutschlands zu dem durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kernbereich gehört22 . c) Der institutionelle Rahmen der EU
Nach Art. C EUV verfügt die EU über einen einheitlichen institutionellen Rahmen, um Kohärenz und Kontinuität der Maßnahmen, die dem Erreichen von Zielen der Union dienen, zu gewährleisten. Während hinsichtlich der Stellung und der Befugnisse von Rat und Kommission keine nennenswerten Veränderungen zu verzeichnen sind23 , hat das Europäische Parlament eine gewisse Aufwertung erfahren, um das Demokratiedefizit innerhalb der EU zu verringern. Auch die Stellung der Regionen wurde verbessert. aa) Stärkung des Europäischen Parlaments Die Stellung des Europäischen Parlaments ist durch den EU-Vertrag wenn auch nur geringfügig24 - verbessert worden. So wurde neben der Erweiterung von Legislativbefugnissen des Parlaments auf Bereiche - wie z.B. das Niederlassungsrecht - für Regelungen aus dem Bereich des Binnenmarktes in Art. 189b EGV ein neues Mitentscheidungsrecht, das sog. Kodezisionsverfahren, installiere. In einem komplizierten Rechtsetzungsverfahren mit der Möglichkeit zur Einschaltung eines Vermittlungsausschusses kann der Rat gegen den Willen der absoluten Mehrheit des Parlaments in Zukunft keinen Rechts20 Stöcker, Der Staat 1993, 495 (497); Schachtschneider, APUZ 1993, B 28, 3 (6); v. SimsonJSchwarze, S. 47. 21 Müller, EA 1990, 381. 22 Isensee, Stenographischer Bericht der 1. öffentlichen Anhörwtg der GVK vom 22. Mai 1992, S. 10; a.A. Tomuschat, ebd., S. 32 Wld Randelzhofer, ebd., S. 35. 23 So ist der Rat nach Art. C EUV weiterhin Fühnmgs- Wld Inspirationsorgan der Europäischen Union. 24 Nach Nentwich ist die Aufwertung der RechtsstellWlg des Europäischen Parlaments nur zögernd Wld selektiv erfolgt, EuZW 1992, 235 (243); Ress, JuS 1992, 985 (988) geht dagegen von einem entscheidenden Fortschritt für das Europäische Parlament aus; es seien jedoch nach wie vor erhebliche Lücken bei der demokratischen Le~timation Wld Kontrolle der übertragenen Hoheitsgewalt zu beklagen. , Das neue Verfahren kommt in den Fällen der Art. 49, 56 Abs. 2, 57, 100a, 126, 128, 129, 129a, BOi, Wld 130s EGV zum Zuge.
A. Der Maastrichter Vertrag als Ausgangspunkt
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akt mehr erlassen, wie dies nach dem weitergeltenden Zusammenarbeitsverfahren gem. Art. 189c EGV der Fall ist. Daneben erhält das Europäische Parlament Ernennungs- und Kontrollrechte. So ist z.B. die Ernennung der Mitglieder der Kommission künftig gem. Art. 158 Abs. 2 Satz 3 EGVan das Zustimmungsvotum des Parlaments gebunden. Dem Europäischen Parlament wird zudem erstmalig ein gewissermaßen formelles Initiativrecht im europäischen Rechtsetzungsverfahren zugesprochen. Art. 138b Abs. 2 EGV bestimmt, daß das Parlament mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Kommission auffordern kann, Vorschläge für den Erlaß eines Gemeinschaftsaktes vorzulegen, welcher nach Auffassung des Parlaments erforderlich ist. Damit kann vom Parlament nunmehr - wie dies auch beim Rat bislang bereits nach Art. 152 EGV der Fall gewesen ist - die Setzung eines gemeinschaftlichen Rechtsaktes angeregt werden. Auf den Inhalt eines entsprechenden Vorschlags hat das Parlament jedoch keinen Einfluß. Insoweit verbleibt das materielle Initiativrecht nach wie vor bei der Kommission26 . Ob die Kommission verpflichtet ist, der Aufforderung durch das Parlament zu folgen und dem Rat einen Vorschlag zu unterbreiten, ist allerdings fragwürdig27 und kann weder dem Wortlaut des Art. 138b noch dem des Art. 152 EGV entnommen werden. Gleichwohl wird dl.e Meinung vertreten, daß zumindest in den Fällen des Kodezisionsverfahrens nach Art. 189b EGV von einer durchsetzbaren formellen Weisungsbefugnis des Parlaments auszugehen sei28 und es sich sowohl bei Art. 152 als auch bei Art. 138b EGV um Rechte handele, die beim EuGH mittels einer Untätigkeitsklage eingeklagt werden können29 . Weitere Rechte wie das Recht zur Einsetzung eines nichtständigen Untersuchungsausschusses (Art. 138c EGV) und das Recht zur Entgegennahme von Petitionen (Art. 138d EGV) kommen hinzu. Sie sollen die Stellung des Europäischen Parlaments innerhalb der Union festigen. Schließlich erhält das Parlament auch in den neu eingeführten Bereichen der intergouvernementalen Zusammenarbeit (GASP und ZllP) Anhörungs-, Unterrichtungs- und Fragerechte sowie das Recht, Empfehlungen an den Rat zu richten und in dessen Stellungnahmen ,,gebührend berücksichtigt" zu werden30 . Festzuhalten bleibt, daß auch der Maastrichter Vertrag dem Europäischen Parlament kein eigenes materielles Gesetzesinitiativrecht hat verschaffen können. Eine Führungsrolle ist dem Europäischen Parlament weiter versagt ge26
27 28 29 30
7 Lang
Nentwich, EuZW 1992, 235 (237). Siehe Ress, JuS 1992,985 (988). Ress, JuS 1992, 985 (988, Fn. 42). Nentwich, EuZW 1992, 235 (237). Titel V, Art. 1. 7 Wld Titel VI, Art. K. 6 EUV
2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
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blieben31 , so daß es nach wie vor kein echtes Gegengewicht zur starken Exekutive in der EU bildet. bb) Stellung der Regionen (1) Die Errichtung des Ausschusses der Regionen
Der durch Art. 198a - 198c EGV errichtete Ausschuß der Regionen32 ist neben dem bereits bestehenden Wirtschafts- und Sozialausschuß ein weiteres Gremium der Union, das die Kommission und den Rat berät. Der Ausschuß soll sich für die Interessen und Belange der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften einsetzen. Er ist mit deren Vertretern besetzt. Die in Art. 198c EGV verankerten Rechte des Ausschusses sind noch sehr beschränkt ausgestaltet. So kann der Ausschuß immer dann vom Rat oder der Kommission gehört werden, wenn diese es für zweckdienlich halten. Die Anhörungsmöglichkeit ist nicht auf vertraglich vorgesehene Fälle beschränkt. Gedacht ist hier wohl vor allem an die Regionenpolitik sowie kulturpolitische Fragen. Der Ausschuß hat das Recht, eine Stellungnahme abzugeben. Wenn er es für angeraten hält, kann er dies auch von sich aus ohne Aufforderung tun. Insbesondere besteht dazu die Möglichkeit, wenn der Wirtschafts- und Sozialausschuß angehört wurde und der Ausschuß der Regionen die Ansicht vertritt, daß spezifisch regionale Interessen von der Anhörungsmaterie betroffen sind. Damit verfügt der Ausschuß über ein Selbstbefassungsrecht. Die Stellungnahme des Regionalausschusses ist jedoch rechtlich nicht verbindlich, im Vertrag ist nicht einmal eine Berücksichtigungspflicht der Rates oder der Kommission vorgesehen. Aus diesem Grunde wird vermutlich der tatsächliche Einfluß der Regionen auf die Rechtsetzung der Gemeinschaft für die nächste Zeit gering bleiben33 . Blanke, DÖV 1993, 414 (418). Eingehend zum Regionalausschuß siehe Hrbek, in: Festschrift fiir Börner, S. 125 (138ff.) sowie Hoppe/Schulz, in: Borkenhagen/Bnms-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 26 (31 ff.) . •33 v. SimsonlSchwarze, S. 54; hinzu kommt, daß der Regionalausschuß mit erheblichen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hatte. So wurden drei Termine abgesagt, bevor es im März 1994 schließlich zur konstituierenden Sitzung des Ausschusses kommen konnte. Außerdem war es lange Zeit umstritten, ob sich der Ausschuß organisatorisch an das Sekretariat des Wirtschafts- und Sozialausschusses anschließen sollte, bis sich Deutschland und Spanien mit ihrer Forderung nach einer eigenständigen Organisation durchsetzen konnten. Nach diesen anfänglichen organisatorischen Schwierigkeiten bleibt abzuwarten, ob der Regionalausschuß eine ,,kleinkarierte Versammlung von Bürgermeistern (wird), die sich in endlosen Geschäftsordnungsdebatten 31 32
A. Der Maastrichter Vertrag als Ausgangspunkt
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(2) Klagemäglichkeiten der Regionen
Eigene Klagemöglichkeiten vor dem EuGH sind den Regionen nicht gewährt worden34 . Vielfach war befürchtet worden, daß die Länder und Regionen ihre mangelnden rechtlichen und politischen Gestaltungsmöglichkeiten auf Gemeinschaftsebene durch eine Klage vor dem EuGH auszugleichen versuchen würden. Vordergründig wurde jedoch behauptet, daß im Falle eines aktiven Klagerechts der Kreis der in Art. 173 Abs. I EWGV genannten Klageberechtigten zu stark erweitert würde33 . 2. Zweite Säule: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Die in Titel V Art. J EUV geregelte, den 2. Pfeiler der Union bildende Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) stellt eine Fortsetzung der mit der EEA errichteten Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) dar36 • In sachlicher Hinsicht wird die Gemeinsame Außenpolitik um die gemeinsame Sicherheitspolitik erweitert, die gern. Art. 1.4 Abs. 1 EUV auf längere Sicht in eine gemeinsame Verteidigungspolitik einmünden und möglicherweise eine gemeinsame Verteidigung umfassen soll. Zur Durchführung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sieht der EU-Vertrag neben der gegenseitigen Unterrichtung der Mitgliedsstaaten im Rat neue Formen des Zusammenwirkens wie die Festlegung gemeinsamer Standpunkte durch den Rat (1.2) oder die vom Rat einstimmig zu beschließende ,,gemeinsame Aktion" (1.3) vor. Darüberhinaus kann der Rat festlegen, in welchen Fragen mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird. Ein Ratsbeschluß über die ,,gemeinsame Aktion" hat für die Mitgliedsstaaten rechtlich bindende Wirkung. Die Durchführung von Entscheidungen und Aktionen der EU, die verteidigungspolitische Auswirkungen haben, obliegt der Westeuropäischen Union (WEU). Im Gegensatz zur Europäischen Gemeinschaft hat die Kommission in diesem Bereich gegenüber dem Europäischen Parlament nicht nur eine Pflicht zur Unterrichtung über die Neuentwicklungen und Entscheidungen in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, sondern sogar die Pflicht zur Konsultation (Art. 1.7).
(erschöpft) und die Gelegenheit eines politischen Signals (versäumt)", vgl. Hort! Stabenow, FAZ vom 4. Februar 1994, S. 7. 34 Zur Notwendigkeit dieser Klagerechte Memminger, in: BorkenhagenlBrunsKlöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 139 (145). 3' So auch v. Simson/Schwarze, S. 54. 36 Siehe oben, 1. Kapitel A. V 1. 7*
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
Der Umstand, daß die GASP nicht der ersten Säule zugeordnet worden ist, stellt klar, daß dieser Politikbereich nicht vergemeinschaftet ist, sondern auf der Ebene der intergouvernementalen Zusammenarbeit verbleibt. Dies bedeutet, daß die Mitgliedsstaaten nach wie vor Träger dieser Politikbereiche sind37 • Daher ist die Vereinbarung der GASP auch nicht in dem Maße von den Vertragsgegnern angegriffen worden wie die WWU. Allerdings ist auch hier darauf hinzuweisen, daß die Außen- und Sicherheitspolitik zum Kernbereich der staatlichen Souveränität gehöreS . Immerhin müssen die Mitgliedsstaaten sich im Rahmen der GASP über die ganze Breite ihrer Außenpolitik einer politischen und rechtlichen Bindung unterwerfen39 . Des weiteren wohnt dem Vertrag gerade in den integrationspolitisch noch nicht soweit entwickelten Bereichen naturgemäß ein dynamisches Element inne40 , das nach einem Fortschreiten der Integration verlangt und sich nicht mit dem status quo zufrieden geben wird. Daher ist die weitere Entwicklung dieser Politikbereiche durchaus kritisch zu betrachten. 3. Dritte Säule: Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres Für die im Titel VI Art. K EUV verankerte Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZJIP) gilt ähnliches wie für die GASP Auch hier hat keine Vergemeinschaftung der Materie stattgefunden, sondern es ist lediglich eine intergouvernementale Zusammenarbeit vereinbart worden41 . In ihrem Rahmen sollen die mitgliedsstaatlichen Aktivitäten in Form von gegenseitigen Unterrichtungen, Konsultationen, Koordinierung. Festlegungen gemeinsamer Standpunkte (K.3 Abs. 2 lit. a) und Durchführung gemeinsamer Maßnahmen (K.3 Abs. 2 lit. b) die innenpolitischen Ziele der Union verwirklichen. Hierbei entscheidet der Rat durch einstimmigen Beschluß. Die durch die ZJIP zu erreichenden Ziele der Union werden in K. 3 EUV näher umrissen: Angestrebt wird eine Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten in den Bereichen der Asyl- und Einwanderungspolitik, der Bekämpfung der Drogenkriminalität und des organisierten Verbrechens, der Grenzkontrollen, des Zollwesens sowie der justitiellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen. Zudem soll ein unionsweites System zum Zwecke des Informationsaustauschs im RahOppennanniClassen, APUZ 1993, 11 (19). So auch D.epennanniClassen, NJW 1993, 5 (11). 39 Blanke, DOV 1993, 414 (416). 40 Wieczorek-Zeul, EA 1993, 405 (406); zur Prozeßhaftigkeit der europäischen Interation auch Blanke, DÖV 1993, 414. 4 Blanke, DÖV 1993, 414 (416f.). 37
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A. Der Maastrichter Vertrag als Ausgangspunkt
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men des Europäischen Polizeiamtes (Europol) aufgebaut werden. Diese Bereiche werden als "Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse" klassifiziert.
4. Unionsbürgerschaft Die in Art. 8 ff. EGV geregelte Unionsbürgerschaft ist nicht als eine eigene EU-Staatsangehörigkeit zu verstehen42 , sondern ist an eine mitgliedsstaatliehe Staatsangehörigkeit geknüpft. Sie verschafft Rechtspositionen, die zum Teil bereits bisher bestanden, zum Teil aber auch erst durch den Vertrag geschaffen wurden. Dazu zählt z.B. das neue aktive und passive Kommunalwahlrecht, das Recht zur Wahl des Europäischen Parlaments am jeweiligen Wohnort innerhalb der EU, das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament und die allgemeine Freizügigkeit in den Mitgliedsstaaten. Der Sinn der Unionsbürgerschaft liegt in der Hervorhebung und Abgrenzung der Rechtsstellung von Angehörigen der Mitgliedsstaaten im gesamten Gebiet der EU gegenüber Angehörigen aus Drittstaaten43 . Sie entspricht dem Grundsatz der angestrebten Bürgernähe Europas.
5. Subsidiaritätsprinzip Nach dem in Art. 3 b Abs. 2 EGV festgelegten Subsidiaritätsprinzip44 wird die Gemeinschaft nur dann tätig, wenn die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedsstaaten nicht ausreichend erreicht werden und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser von der Gemeinschaft selbst verwirklicht werden können. Damit regelt das Subsidiaritätsprinzip die Frage der Wahrnehmung nicht ausschließlicher, d.h. konkurrierender Gemeinschaftskompetenzen45 . Dieses auf Betreiben der Bundesrepublik - insbesondere der Länder - in den EU-Vertrag aufgenommene Prinzip 46 sucht den kompetentiellen Vorrang der jeweils kleineren vor der jeweils größeren Einheit einzuräumen47 und soll Abhilfe gegen die wachsende Regelungswut der Union und daOppermanniClassen, NJW 1993, 5 (7). In diesem Zusammenhang wird von einem "inter-se-Status" der ,,EG-Bürger" ge~rochen, siehe OppermanniClassen, NJW 1993, 5 (7). Gnmdlegend zum Subsidiaritätsprinzip siehe Isensee, "Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht", S. 106ff., 143ff., 229ff.; Konow, DÖV 1993, 405ff.; Goppel, EuZW 1992, 367ff.; Lambers, EuR 1993, 229ff.; Renzsch, ZParl 1993, 104ff.; Heintzen, JZ 1991,317ff. 4~ Zu der Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen ausschließlicher und nicht ausschließlicher Gemeinschaftskompetenz siehe Konow, DÖV 1993, 405 (407). 46 Hierzu eingehend Konow, DÖV 1993, 405 (406) und SchmidhuberlHitzler, NVwZ 1992, 720 ff. 47 Scholz, NJW 1992, 2593 (2599). 42
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
mit gegen eine fortschreitende Zentralisierung schaffen48 . Aus diesen Gründen sieht man in ihm ein Mittel gegen das Demokratiedefizit in der Ett9 . Vielfach ist das Subsidiaritätsprinzip als ein leeres Bekenntnis und infolgedessen als juristisch wertlos beurteilt wordenso. Dies liegt zum einen an der überaus integrationsfreundlichen Rechtsprechung des EuGHsl , der sich selbst als Motor der EG-Integration begreift. Zum anderen aber drängt sich der Eindruck auf, daß die Bereichszuweisung außerhalb der ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinschaft denkbar unbestimmt vorgenommen worden istS2 . So fallt es letztlich in den Beurteilungsspielraums3 des Rates als dem eigentlichen Gesetzgebungsorgan der Gemeinschaft und in letzter Konsequenz in den Beurteilungsspielraum des EuGH, wann die Ziele durch Maßnahmen der Mitgliedsstaaten ,,nicht ausreichend erreicht werden können" und deshalb von der Gemeinschaft selbst "besser ... erreicht werden können,..s4. Sogar die grundsätzlichen Befürworter des Subsidiaritätsprinzips räumen ein, daß diese generalklauselartige Formulierung wenig justitiabel istss . Letztlich ist dies aber auch belanglos, weil eine gerichtliche Beurteilung ohnehin der integrationsfreundliche und -freudige EuGH vornähme. Vor diesem Hintergrund fallt es schwer, nachzuvollziehen, warum das Subsidiaritätsprinzip als ,,Instrument der Renationalisierung gefürchtet" wird, weil es der Gemeinschaft eine Darlegungs- und Begründungspfliche6 auferleges7 . Die Begründungspflicht nach Art. 190 EGV gilt aber nach dem Wortlaut der Vorschrift allgemein für Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, die von den EG-Organen angenommen werden. Sie erstreckt sich auf den gesamten Zusammenhang sowie sämtliche Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet und ist nicht speziell auf die Begründung der Kompetenzwahrnehmung durch die Gemein41 Vgl. MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (25); zur Herleitung und Ausgestaltung des Begriffs im einzelnen vgl. Borchmann/Memminger, in: Borkenhagen/Bruns-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 17 ff. 49 BorchmannJMenuninger, ebd.; vgl. auch BVerfGE 89,155 (210). '0 Möschel, JZ 1992, 877 (882); Schachtschneider, JZ 1993, 751 (756); Rupp, ZRP 1993,211 (212). 'lOssenbühl, DVBI 1993, 629 (635); Kirchhof, EuR, Beiheft 111991, 11 (17); Stoiber, EA 1987, 543 (545); siehe auch Rupp, ZRP 1993, 211 (212), der den EuGH als treibende Kraft der Ausweitung EG-rechtlicher Kompetenzen versteht. '2 Ress, JuS 1992, 985 (990). '3 So auch Möschel, JZ 1992, 877 (882). ~ So jetzt auch das Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 12. Oktober 1993, BVerfGE 89, 155 (211). " OppermannlClassen, NJW 1993, 5 (8). '6 Zur Begriindungspflicht auch Wieczorek-Zeul, EA 1993, 405 (412). '7 Siehe v. SimsoniSchwarze, S. 46; Ress, JuS 1992,985 (990) geht zwar ebenfalls von einer ,,Argumentationslast" der Union aus, bezweifelt aber dennoch die Wirksamkeit des Subsidiaritätsprinzips als geeignetes juristisches Abgrenzungskriterium zwischen den Kompetenzen der Mitgliedsstaaten und denen der Union.
A. Der Maastrichter Vertrag als Ausgangspunkt
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schaft bezogenS8 . Zudem fehlt es an einem geeigneten Verfahren zur Überprüfung der Voraussetzungen der SubsidiaritätS9 wie auch an einem Organ, das diese Überprüfung objektiv durchfiihrt60 . Schließlich bildet auch das Wort "Subsidiarität" selbst ein Hindernis, denn in den Mitgliedsstaaten erfährt dieses Wort eine unterschiedliche Bedeutung, die zum Teil das Gegenteil von dem beinhaltet, was die Deutschen unter dem Begriff verstehen, nämlich die Befugnis der Gemeinschaft, Kompetenzen an sich zu ziehen61 . Es ist daher zu befürchten, daß von dem Subsidiaritätsprinzip tatsächlich keine Umkehr der bisherigen Entwicklung einer ausufernden Wahrnehmung von Gemeinschaftskompetenzen erwartet werden kann62 . Ob das Prinzip dazu geeignet ist, den Konflikt zwischen der zentralistisch ausgerichteten Gemeinschaft und der föderalistischen Binnenstruktur der Bundesrepublik beizulegen63 , wird die Praxis erweisen64 •
6. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Gern. Art. 3 b Abs. I EGV darf die Gemeinschaft nur innerhalb der Grenzen der ihr zugewiesenen Befugnisse und Ziele tätig werden. Damit ist der Maastrichter Vertrag formell bei dem Prinzip der begrenzten EinzeIermächtigung geblieben, d.h., es gilt die Vermutung zugunsten der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten6s . Dies ist jedoch von den Kritikern des Vertrags in Frage gestellt worden. Sie vertraten die Ansicht, daß der EU-Vertrag das bereits durch Art. 235 EWGV stark modifizierte Prinzip der Einzelermächtigung abgelöst hat. Insbesondere sei dies durch die Vorschrift Art. F Abs. 3 als sog. ,. Vgl. Schmidt, in: Groeben!ThiesinglEhlennalUl, Rdnm. 6-14 zu Art. 190 EWGV; BleckmalUl, Europarecht, Rdnr. 210ff.; EuGH 203/85 Slg. 1986, S. 2049ff., Leitsatz 1; a.A. v. SimsoniSchwarze, S. 46. '9 Wie eine solche Übetprüfimg auszusehen hätte, beschreibt Konow, DÖV 1993, 405 (408f.). 60 Die Vorstellung des Bundesrates, der durch den EU-Vertrag neu eingerichtete Ausschuß der Regionen (Art. 198a-c EGV) kölUle diese Aufgabe wahrnehmen (BRDrucks. 810/92 (Beschluß», kalUl angesichts der beschränkten Befugnisse (siehe oben, unter 1. c) bb) aaa) nicht geteilt werden. 61 Rack, VVDStRL 50, 174, spricht in diesem Zusammenhang von Art. 3 b EGV als einer "Selbstbedienungsvorschrift" für die Gemeinschaft. 62 Im Ergebnis so auch Möschel, JZ 1992, 877 (882); Ossenbühl, DVBl1993, 629 (635) m.w.N.; Heintzen, JZ 1991,317 (319); Renzsch, ZParl1993, 104 (110); ebenso zweifelt Oschatz, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 63 (69); Rupp, ZRP 1993, 211 (213); recht positiv zur Wirkung des Subsidiaritätsprinzips dagegen E. Klein, VVDStRL 50 (1991),56 (72). 63 So aber v. SimsoniSchwarze, S. 46. 64 Vgl. BVerfGE 89, 155 (212). 6' Konow, DÖV 1993, 405 (407); Ress, JuS 1992,985 (990); Hilf, EuR 1993, 327.
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
Kompetenz-Kompetenz geschehen66 . Dort ist vorgesehen, daß die Union sich mit den Mitteln ausstattet, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind. Den Charakter einer Kompetenz-Kompetenz dieser Vorschrift hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Maastrichter Vertrag vom 12. Oktober 1993 jedoch klar verneint67 • Nach seiner Ansicht handelt es sich vielmehr um eine programmatische Aussage mit dem Inhalt, daß die Mitgliedsstaaten der Union beim Fortschreiten und der Vertiefung der Integration ihre Unterstützung nicht verweigern dürfen. Eine konkrete Ermächtigung kann Art. F Abs. 3 also nicht entnommen werden68 . 7. Sonstige Neuerungen a) Art. 146 EGV
Abweichend von der bisherigen Regelung sieht Art. 146 EGV 9 fiir die Zusammensetzung des Ministerrates vor, daß jeder Mitgliedsstaat einen Vertreter auf Ministerebene entsenden kann, ohne vorzugeben, daß es sich um ein Mitglied der nationalen Regierung handeln muß 70 • Damit ist es nunmehr auch fiir einen Landesminister möglich, direkt im Rat vertreten zu sein und dort verhandeln zu können, sofern er intern mit der Befugnis ausgestattet ist, verbindlich fiir die Bundesregierung zu handeln. Diese Neuregelung bedeutet eine konkrete Umsetzung des in Titel I Art. F EUV niedergelegten Gebotes, die nationale Identität der Mitgliedsstaaten zu achten. Zugleich wird damit die wiederholt und anIäßlich der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages erneut geäußerte Forderung der Bundesländer auf (gleichberechtigte) Verhandlungsfiihrung im Rat erfiillt71 . b) Die Rolle der nationalen Parlamente
Die in der Schlußakte des Vertrags enthaltenen Erklärungen zur Rolle der einzelstaatlichen Parlamente und zur Konferenz der Parlamente halten eine stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente an den Aktivitäten der Union fii~ wichtig. Zu diesem Zweck sehen sie eine Stärkung des InformationsausSo vor allem SchachtschneiderlEmmerich-Fritzsche/Beyer, JZ 1993, 751 (756). BVerfGE 89,155 (194ff.). 68 Ebenso Tomuschat, EuGRZ 1993,489 (492); Weber, JZ 1993,325 (328). 69 Art. G Nr. 43 EUV 70 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 146 EGV ausfiihrlich BorchmannIKaiser, in: Borkenhagen!Bruns-Klöss (Hrsg.), Die Deutschen Länder in Europa, 36 (40ff.) 71 BR-Drucks. 550/90. 66 67
A. Der Maastrichter Vertrag als Ausgangspwtkt
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tauschs zwischen den Parlamenten und dem Europäischen Parlament, sowie eine gesteigerte Kontaktpflege zwischen einzelnen Abgeordneten der verschiedenen Parlamente vor. Ferner wird ein erneuter Zusammentritt der sog. ,,Europäischen Assisen"n angeregt, die erstmals vom 27.-30. November 1990 getagt hatten.
ill. Zusammenfassung Ein Überblick über die durch den EU-Vertrag in den EG-Vertrag eingefügten Bestimmungen und sonstigen Neuregelungen zeigt, daß insbesondere durch die Einführung der WWU die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten deutlich enger geworden sind und daß die Staaten in ihrer Geldpolitik einer ständigen strengen Kontrolle durch die Kommission unterworfen sind. Neben diesen direkten Übergriffen in die staatliche Souveränität eröffnet der Vertrag von Maastricht aber auch zahlreiche Kompetenzverlagerungen in anderen Politikbereichen. Dabei geht eine große Gefahr für den innerstaatlichen ,,Kompetenzausverkauf' von den sog. Evolutivklauseln wie Art. K. 9 oder dem nach wie vor bestehenden Art. 235 EGV aus73 . Im Ergebnis ist daher ein deutlicher quantitativer Zuwachs an Hoheitsbefugnissen der gemeinschaftlichen Exekutivorgane74 unter gleichzeitig nur zögernd stattfindender Zunahme an echter demokratischer Legitimation dieser Befugnisse durch das Europäische Parlament zu verzeichnen. Formal bleibt es allerdings bei der bisherigen Vertragskonzeption und der Allzuständigkeit der Mitgliedsstaaten75 . Die Abhängigkeit der EU von den Verfassungen der Mitgliedsstaaten ist danach immer noch gegeben76 , so daß diese nach wie vor ,,Herren der Verträge" sind71 . Gleichwohl sind die zahlreichen Aufgaben und Machterweiterungen auf EUEbene und die Tendenz hin zu einem europäischen Bundesstaat unverkennbar78 .
Zu den Assisen siehe oben, l. Kapitel B. 11. 3. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gehört Art. F Abs. 3 EUV nicht in diese Kategorie, weil es sich lediglich um einen Programmsatz handele, siehe oben unter 6. 74 So auch E. Klein, EuR 1994, 39 (40). 7' Blanke, DÖV 1993, 414 (417); Wesseis, Integration J/92, 2 (15). 76 Blanke, DÖV 1993, 414 (419). 77 E. Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (59); Thürer, VVDStRL 50 (1991), 97 (123f); Schotten, VR 1992, 305 (310f); als ,,Herren der Union" bezeichnet von Schweitzer, EuR 1993, 329. 78 Vgl. auch Breuer, NVwZ 1994, 417 (420). 72
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
B. Das RatifIZierungsverfahren I. Hintergnmd des Ratifizienmgsverfahrens Das eigentliche parlamentarische Verfahren für die Ratifizierung nach Art. 59 Abs. 2 GG begann in der Bundesrepublik vergleichsweise spät, nämlich erst nach der Sommerpause 199279 . Grund dafür war der Wunsch der Bundesregierung, vor der Einbringung ihrer Gesetzentwürfe die Beratungen und den Beschluß der Gemeinsamen Verfassungskommssion (GVK) vom 26. Juni 1992 mit ihren Empfehlungen zum Thema "Grundgesetz und Europa" abzuwarten80 •
1. Position der Bundesländer Die von den Bundesländern anläßlich der EEA erkämpften Beteiligungsrechte an der europäischen Sekundärrechtsetzung hatten sich in der Verfassungswirklichkeit - vor allem aus ihrer Sicht - als nicht ausreichend erwiesen81 . Aus diesem Grund sahen die Länder das Ratifizierungsverfahren und die Beratungen der GVK als willkommene Gelegenheit an, um ihre seit längerem gestellte Forderung nach der verfassungsrechtlichen Verankerung verstärkter Länderbefugnisse in Angelegenheiten der EU zu bekräftigen82 . Zudem befürchteten die Länder durch das Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages eine weitere erhebliche Kompetenzverschiebung zu ihren Lasten. Schon jetzt befände sich die europäische Sekundärrechtsetzung in einer Gemengelage zwischen klassischer Außen- und europäischer Innenpolitik83 . Daher stellten 79 Verheugen, ZG 1993, 162 (163); HölscheidtlSchotten, S. 64; im Vergleich dazu hatte die Ratifizierung in fast allen übrigen Mitgliedsstaaten zu dieser Zeit schon begonnen oder war bereits abgeschlossen. So hat bspw. die luxemburgische Abgeordnetenkammer am 2. Juli 1992 die Ratifizierung beschlossen, die Ratifikationsurkunde wurde am 24. August 1992 hinterlegt. Das griechische Parlament befürwortete den Vertrag am 31. Juli 1992, die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde errolgte am 3. November 1992, usw. Eine ausführliche Darstellung der Ratifizierungsverrahren in den jeweiligen Mitgliedsstaaten findet sich bei HölscheidtlSchotten, S. 30ft: 10 HölscheidtlSchotten, S. 64; Verheugen, ZG 1993,162 (163). n Siehe Scholz, NJW 1992, 2593 (2596). 112 Ebd. 83 So auch Oppermann, Europarecht, Rdnm. 45, 548; Lerche, Stenographischer Bericht der 1. öffentlichen Anhörung der GVK vom 22. Mai 1992, S. 37; Möller/ Limpert ZParl 1993, 1; Oschatz, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 63 (73); BorchmannlKaiser, in: Borkenhagen/Bruns-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 36 (37); zweifelnd dagegen Grabitz, in: Hrbekl Thaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 169 (176).
B. Das Ratiftzienmgsvetfahren
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die Länder von vornherein klar, daß eine Zustimmung zu dem Vertragsgesetz im Bundesrat nur dann erfolgen könne, wenn sowohl die fOderativen Grundentscheidungen des Grundgesetzes sich fortentwickelten als auch die innerstaatliche Beteiligung an den europapolitischen Entscheidungen der Bundesregierung sich verbesserte. Sie stellten damit ein politisches Junktim zwischen der Ratifizierung und einer länderfreundlichen Neugestaltung des geltenden Art. 24 GG mit einer verfassungskräftigen Verankerung von Mitspracherechten her84 . Zwar lag den Ländern viel an einer Bindung der Bundesregierung an die Zustimmung des Bundesrates bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU. Dennoch war es ihr wichtigstes Ziel, die Bundesregierung künftig stärker als bisher an die Mitwirkung des Bundesrates zu binden - insbesondere wenn es die (Rechtsetzungsangelegenheiten der EU betrafs .
2. Änderungsvorschläge der Länder zu Art. 24 GG Bereits am 16. Mai 1991 hatte der Bundesrat einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Art. 24 Abs. 1 GG in den Bundestag eingebracht86 , der allerdings noch sehr allgemein formuliert war. Er sah die Mitwirkung der Länder an der Willensbildung des Bundes und darüber hinaus die Möglichkeit einer wesentlichen Einflußnahme auf die Europapo1itik des Bundes vor, sofern Zuständigkeiten oder wesentliche Interessen der Länder berührt sein sollten. Die nähere Ausgestaltung der Regelung sollte einem (zustimmungsbedürftigen) Ausführungsgesetz überlassen bleiben. Die ,,Kommission Verfassungsreform", die durch Beschluß des Bundesrates vom 1. März 1991 eingesetzt worden war87 , brachte dagegen am 14. Mai 199288 einen Vorschlag zur Neufassung des Art. 24 GG ein, der wesentlich detaillierter ausgestaltet war. In einem Abs. 2 sah der Vorschlag neben der Mitwirkung der Länder an der Willensbildung des Bundes auch die Mitwirkung bei der Außenvertretung der Bundesrepublik in den Gremien der EU für den Fall vor, daß im Schwerpunkt grundgesetzlich festgelegte Zuständigkeiten der Länder 14 Siehe Ergebnisprotokoll der Ministerpräsidentenkonferenz vom 12. März 1992, Ziffer 3: ,,Die Regienmgschefs der Länder werden den Vertrag über die EU zusammen mit den Ergebnissen der Verhandlungen über die Fortentwicklung der foderalistischen Gnmdentscheidungen des Gnmdgesetzes und über die Verbessenmg der innerstaatlichen Beteiligung einer Gesamtbewertung unterziehen und auf dieser Gnmdlage darüber entscheiden, ob die Länder dem Vertrag zustimmen können"; vgl. auch Wilhelm, BayVBI 1992, 705. 8' Scholz, NJW 1992, 2593 (2596). 86 BT-Drucks. 12/549. 87 BR-Drucks. 103/91 (Beschluß). 11 BR-Drucks.360/92.
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
berührt sein sollten. Ferner sollte die Möglichkeit einer wesentlichen Einflußnahme der Länder auf die Willensbildung des Bundes nicht lediglich vorgesehen werden, sondern die Länder sollten durch die Regelung selbst bereits diese Möglichkeit erhalten. Auch hier sollten Einzelheiten durch ein (zustimmungsbedürftiges) Gesetz geregelt werden.
11. Die Beratungen in der Gemeinsamen Verfassungskommission 1. Die Gemeinsame Verfassungskommission
Eine zentrale Rolle bei der Entstehung des neuen Art. 23 GG spielte die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundesrat und Bundestag (im folgenden: GVK). Diese von Bundestag und Bundesrat aufgrund Art. 5 des Einigungsvertrags eingesetzte89 , paritätisch besetzte Kommission, die sich am 16. Januar 1992 konstituierte, besaß laut Einsetzungsbeschluß den Auftrag, insbesondere über die in Art. 5 des Einigungsvertrags genannten Verfassungsänderungen und -ergänzungen sowie über solche Grundgesetzänderungen zu beraten, die mit der Verwirklichung der EU erforderlich wurden90 . Mit dem Thema "Grundgesetz und Europa" befaßte sich die GVK bereits in ihrer 2. Sitzung am 13. Februar 1992 sowie bis zum 15. Oktober 1992 noch weitere fünf Mal91 . Dabei führte sie am 22. Mai und am 10. September 1992 öffentliche92 Anhörungen von Sachverständigen durch93 . Den Ausgangspunkt 19 BI-Drucks. 12/1590 in der Fassung der BI-Drucks. 12/1670 vom 28. November 1991 und BR-Drucks. 741/91 (Beschluß) vom 29. November 1991. 90 Siehe Nr. 5 der nahezu wortgleichen Einsetzungsbeschlüsse BI-Drucks. 12/1590 und BR-Drucks. 741/91 (Beschluß). Gem. Nr. 10 des Einsetzungsbeschlusses mußten die den Gesetzgebungsorganen vorzulegenden Empfehlungen der GVK durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet werden. Diese in Art. 79 Abs. 2 GG für Verfassungsänderungen vorgesehene Mehrheit sollte zum Ausdruck bringen, daß die GVK verfassungsrechtliche Kompromiß- und Konsensmöglichkeiten auszuloten hatte; zudem indizierte die Verabschiedung von Empfehlungen auf der Basis dieser Mehrheitsverhältnisse eine entsprechende Verwirklichung der gesetzgebenden Organe, Bericht der GVK vom 5. November 1993, BI-Drucks. 12/6000, S. 9. 91 Vgl. Stenographische Berichte der Sitzungen der GVK vom 13. Februar 1992, S. 27ff.; vom 12. März 1992, S. 3ff.; der 1. öffentlichen Anhörung vom 22. Mai 1992; vom 4. Juni 1992, S. 2ff.; vom 26. Juni 1992, S. 1 ff.; vom 15. Oktober 1992, S. 1 ff. 92 Die Öffentlichkeit der Anhörung ergibt sich aus der Anwendbarkeit von § 70 GOBT, siehe Nr. 10 der Einsetzungsbeschlüsse, BT-Drucks. 12/1590 und BR-Drucks. 741/91 (Beschluß). 93 Die am 22. Mai 1992 durchgeführte Anhörung befaßte sich ausschließlich mit dem Themenkomplex "Grundgesetz und Europa", wohingegen das Hauptthema der Anhörung vom 10. September 1992 das Parlamentsrecht, und in dessen Rahmen der neu einzurichtende Unionsausschuß des Bundestages war.
B. Das Ratiftzienmgsverfahren
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für die Beratungen über die Grundgesetzänderungen bildeten neben dem Schlußbericht der ,,Enquete-Kommission Verfassungsreform" vom 2. Dezember 197694 der Bericht und die Vorschläge der ,,Kommission Verfassungsreform" des Bundesrates vom 14. Mai 199295 . 2. Umfang der GG-Änderungen im Zuge des Maastrichter Vertrages Der Umfang der erforderlichen Grundgesetzänderungen stand zu Beginn der GVK-Beratungen noch nicht fest. Welche Änderungen der Maastrichter Vertrag erforderlich machte, zeigte sich zum Teil erst nach einer eingehenden Diskussion einzelner Punkte des Vertragswerks selbst und deren Vereinbarkeit mit den grundgesetzlichen Bestimmungen. a) Art. 28 und 88 GG
Die Notwendigkeit der Ergänzung von Art. 28 GG wegen des Unionsbürgerwahlrechts auf kommunaler Ebene96 sowie von Art. 88 GG hinsichtlich der Befugnisse der Europäischen Zentralbank war den Gesetzgebungsorganen des Bundes von vornherein bewußt97 und wurde auch von den in der Anhörung vom 22. Mai 1992 befragten Sachverständigen durchweg bejaht98 . Eine Einigung hierüber konnte daher rasch erzielt werden99 . Die Empfehlungen der GVK vom 26. Juni 1992, mit denen sie den ersten Teil ihrer Beratungen zu dem Thema "Grundgesetz und Europa" abschloß, enthielten hierzu bereits Formulierungsvorschläge100 .
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BT-Drucks. 7/5924.
9~ BR-Drucks.360/92.
96 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist das kommunale AusländelWahlrecht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, BVerfGE 83, 37 ff 97 Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 19. 91 Siehe Stenographischer Bericht der 1. öffentlichen· Anhönmg der GVK vom 22. Mai 1992, Hölzer, S. 8; Lerche, S. 12; Randelzhofer, S. 14115; Stern, S. 19; Tomuschat, S.21. 99 Scholz, NJW 1992, 2593 (2594); Hölscheidt/Schotten, S. 67. 100 Empfehlungen der Berichterstatter der GVK vom 26. Juni 1992 zum Thema "Grundgesetz und Europa", Kommissionsdrucksache Nr. 7 (neu), siehe auch unten, unter II. 4.
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2. Kapitel: Die Entstehlmgsgeschichte des Art. 23 GG b) Tragfähigkeit von Art. 24 Abs. 1 GG als Ratijizierungsgrundlage aa) Problemstellung
Kontrovers wurde dagegen das Problem erörtert, ob die Ratifizierung des Maastrichter Vertrages noch auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 1 GG, der die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen vorsieht, möglich sei. Dreh- und Angelpunkt war dabei die Frage, ob die EU noch als eine zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne des Art. 24 Abs. I GG verstanden werden konnte 101 . Sollte dies nicht der Fall sein, stellte sich die Frage, wie die Rechtsnatur der EU nunmehr zu beurteilen sei und welchen Einfluß dies auf die Eigenstaatlichkeit der Bundesrepublik hatte 102 . bb) Früherer Meinungsstand Bereits in der Vergangenheit hatte es ähnliche Diskussionen um die Rechtsnatur der Europäischen Gemeinschaft gegeben. Überwiegend war damals aber davon ausgegangen worden, daß die Gemeinschaft, obgleich sie über eigene Organe wie den Ministerrat, die Kommission und das Parlament verfügte, noch keine staatsähnlichen Merkmale aufweise 103 . Da ihre Konstruktion vielmehr nach wie vor auf der Erfüllung völkerrechtlicher Verträge ruhe, deren Herren die Mitgliedsstaaten seien 104 , fülle sie den Begriff der zwischenstaatlichen Einrichtung noch aus. Teilweise wurde sogar die Ansicht vertreten, daß 101 Unter einer zwischenstaatlichen Einrichtlmg ist nach herkömmlicher Definition eine inter- oder supranationale Organisation zu verstehen, welche auf dem Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrags beruht, über eine hohe Befugnisintensität verfUgt, jedoch noch keine Staatsqualität besitzt lmd daher die nationale Staatlichkeit in ihrer grmtdlegenden Identität lmverändert läßt, siehe BVerlGE 37, 271 (297); 68, 1 (93); 73, 339 (375); Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24 GG, Rdnrn. 7, 20, 46ff. Nach allgemeiner Auffasslmg bot Art. 24 Abs. 1 GG damit nicht die Kompetenzgrmtdlage für einen Anschluß der Blmdesrepublik an einen europäischen Blmdesstaat, statt aller siehe Dürig in: MaunzlDürig/Herzog/Scholz, Art. 24 Abs. 1, Rdnr. 20 (Stand 1964). Teilweise wurde eine Eingliedermtg in eine zwischenstaatliche Einrichtlmg aber dann noch als zulässig beurteilt, wenn diese Einrichtlmg sich in einem Übergangszustand zwischen Staat lmd klassischer internationaler Organisation befand lmd sich bereits relativ stark an eine blmdesstaatliche Struktur angenähert hatte, siehe Ress, in: Festschrift für Geck, S. 625 (668). 102 Diese Diskussion zog sich sogar noch hin bis zu den Verfasslmgsbeschwerdeverfahren gegen den Maastrichter Vertrag vor dem Blmdesverfasslmgsgericht. 103 Zu den VoraussetZlmgen eines Staates im völkerrechtlichen Sinne siehe Verdrosst Simma, S. 379ff. 104 Steindorff, AöR 116 (1991), 460ff.; Hesse, Gnmdzüge des Verfasslmgsrechts, Rdnr. 113; Schilling, AöR 116 (1991), 32 ff.; so auch Isensee, Stenographischer Bericht der 1. öffentlichen Anhörmtg der GVK vom 22. Mai 1992, S. 9.
B. Das Ratifizienmgsvetfahren
111
die Gemeinschaft nicht mehr als ein wirtschaftlicher Zweckverband sei 105 • Auch das Bundesverfassungsgericht vertrat die Ansicht, daß die Gemeinschaft keinen Staat oder ein staatsähnliches Gebilde darstelle, weil in ihr keines der Elemente der Drei-Elementen-Lehre verwirklicht sei 106 . Zunehmend waren jedoch Zweifel daran laut geworden, daß die Europäische Gemeinschaft angesichts ihrer ständig wachsenden Kompetenzen noch eine zwischenstaatliche Einrichtung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 GG darstellte 107 • Es wurde sogar die Ansicht vertreten, daß die Bundesrepublik bereits Teil eines europäischen Bundesstaates sei, der legitimatorisch nicht mehr über Art. 24 Abs. 1 GG gedeckt sei 108. Solche Vermutungen waren vereinzelt auch bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahre 1957 geäußert worden. Allerdings war schon damals klargestellt worden, daß eine Eingliederung der Bundesrepublik in einen europäischen Bundesstaat die Legitimationskonstruktion des Art. 24 Abs. 1 GG sprengen würde 109 . cc) Meinungsstand nach Abschluß des Maastrichter Vertrages Durch die Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages mit seinen vieliältigen Kompetenzbegründungen und -erweiterungen erhielten diese Vermutungen neue Nahrung. Der erneuten Diskussion um die Tragfähigkeit des Art. 24 Abs. 1 GG lagen nun jedoch veränderte Bedingungen zugrunde, denn sowohl bei den Befürwortern als auch bei den Kritikern des Vertragswerks herrschte mehrheitlich die Meinung vor, daß der Vertrag mit der Erweiterung der supranationalen Zuständigkeiten, der Einführung der WWU, der Schaffung der GASP und der ZJIP weitreichende Eingriffe in die nationalstaatliche Souveränität gestatte und die europäische Integration damit auf eine völlig neue Stufe stelle llO . Insbesondere die Einführung der Unionsbürgerschaft sei ein wesentlicher Schritt zur Staatsqualität der Union 111 . Da die EU im Ergebnis m HP. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 197ff.; Scholz, NJW 1992, 2593; E. Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (60); a.A Everling, in: Festschrift für Mosler 1983, S. 173 (183). 106 BVerlGE 75, 223 (242); so auch HP. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 192; Huber, AöR 116 (1991), 210 (221). 107 Oppermann, Europarecht, Rdnr. 789ff.; Thürer, VVDStRL 50 (1991), S. 97 (122); Breuer, NVwZ 1994,417 (418). 101 Everling, in: Festschrift für Mosler, 1983, S. 173 (183). 109 Klein, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, 2. Halbband 1953, S. 456 (472); Scheuner, ebd., S. 94 (143). BO Verheugen, ZG 1993, 162; Scholz, NJW 1992, 2593 (2594); Murswiek, Der Staat 1993, 161 (166); Rupp, NJW 1993, 38 (40). 111 Wesseis, Integration 1192,2 (5); Herdegen, EuGRZ 1992, 589 (590); a.A Seidel, EuR 1992, 125 (140f).
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
keine zwischen-, sondern vielmehr bereits eine eigenstaatliche Einrichtung darstelle oder wenigstens in diese Richtung tendiere ll2 , beinhalte der Vertrag einen "Qualitätssprung", der einer neuen eindeutigen verfassungsrechtlichen Absicherung bedürfe l13 . Teilweise wurde sogar die These vertreten, daß eine Ermächtigung zur Ratifizierung des Maastrichter Vertrages nicht nur den Rahmen des Art. 24 Abs. 1 GG, sondern auch den der zulässigen Verfassungsänderungen gern. Art. 79 Abs. 3 GG sprenge, indem sie die Prinzipien der Bundesstaatlichkeit, der Demokratie und damit der deutschen Staatlichkeit an sich mißachte. Aus diesem Grund könne eine Ratifizierung des Vertrags nur durch den pouvoir constituant im Wege eines Volksentscheids ratifiziert werden114 . Demgegenüber wurde aber auch die Ansicht vertreten, der Vertrag stelle keinen derart herausragenden Meilenstein in der Entwicklung der Europäischen Integration dar llS . Auch nach dem Maastrichter Vertrag sei der Status der EU der einer völkerrechtlichen Staatengemeinschaft, deren rechtliche Legitimation auf den Verfassungen der Mitgliedsstaaten beruhe 116 . Deshalb reiche Art. 24 Abs. 1 GG als Ratifikationsgrundlage völlig aus 117 . dd) Die Sachverständigenanhörung vom 22. Mai 1992 Um eine Lösung für das Problem der ausreichenden Ratifikationsgrundlage zu finden, holte die GVK. in ihrer ersten öffentlichen Anhörung vom 22. Mai 1992 den Rat von Sachverständigen ein. Erwartungsgemäß - entsprechend der kontroversen Diskussion im Schrifttum - gingen die Positionen der Sachverständigen über die Frage, ob die EU noch als eine zwischenstaatliche Einrich112 Scholz, NJW 1992, 2593 (2594); Häberle, EuGRZ 1992, 429 (433); Möschel, JZ 1992, 877; Rubel, JA 1992, 265 (269). 113 Tomuschat, EuGRZ 1993, 489 (492); Ossenbühl, DVBl1993, 629; Scholz, NJW 1993, 1690 (1691); Müller, DVBI 1992, 1249 (1254); Grimm, Merkur 1992, 1059 (1066). 114 Ossenbühl, DVB11993, 629 (632); Murswiek, Der Staat 1993, 161 (188); Rupp, NJW 1993, 38 (40); Doehring, ZRP 1993, 98 (102). m So hat nach OppermanniClassen, NJW 1993, 5 (11) die Gründung der EU weitgehend verbalen Charakter. Zwar ähnele die Union in manchem einem "staatsähnlichen Zusammenschluß" und europäisiere mit der Währungsunion möglicherweise einen Kernbereich deutscher Staatlichkeit; dennoch leite sie ihre Legitimation nach wie vor von den Mitgliedsstaaten ab. Vor allem fehle es ihr an einem europäischen Staatsvolk als notwendigem völkerrechtlichen Staatsgriindungsmerkmal. 116 StauffenberglLangenfeld, ZRP 1992, 252 (253); Blanke, DÖV 1993, 414 (415); OppermanniClassen, NJW 1993, 5 (11); Scholz, NVwZ 1993, 817 (818); Schotten, VR 1992,305 (313); Berthold, APUZ 1993, B 28, 29. 117 Schwarze, JZ 1993, 585 (587); Schotten, VR 1992, 305 (313).
B. Das Ratiftzierungsverrahren
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tung i.S.d. Art. 24 Abs. I GG angesehen werden könne und eine Ratifizierung des Maastrichter Vertrages auf dessen Grundlage möglich sein würde, deutlich auseinander. Wer in erster Linie auf die deutlich gewachsenen Kompetenzen abstellte, mußte die Frage bejahen, ob mit der Gründung der EU ein Qualitätssprung im europäischen Integrationsprozeß dergestalt verbunden sei, daß von der EU als einer zwischenstaatlichen Einrichtung nicht mehr die Rede sein könne. Die EU weise bereits parastaatliche Strukturen auf und tendiere damit in Richtung eines europäischen Bundesstaates 118 . Daraus folgerten die Vertreter dieser Auffassung die Ablehnung von Art. 24 Abs. I GG als ausreichender Ratifizierungsgrundlage 119 • Wer dagegen vorrangig die immer noch völkerrechtliche Konstruktion der Gemeinschaft betrachtete, mußte zu dem Ergebnis gelangen, daß es sich auch bei der EU noch um eine zwischenstaatliche Einrichtung handele. Mithin sei kein Qualitätssprung bei der Integration zu verzeichnen und eine Ratifizierung nach Art. 24 Abs. I GG grundsätzlich mÖglich120 . Es bestand jedoch insoweit Einigkeit, als Art. 24 GG dem dynamischen Charakter der europäischen Integration - bis hin zu einem Übergang der Bundesrepublik in einen Teil eines europäischen Bundesstaats - auf Dauer keinesfalls würde genügen können. Man kam daher überein, daß es aus integrationsund verfassungspolitischen Gründen wünschenswert sei, die Teilnahme der Bundesrepublik am Integrationsprozeß durch eine klarstellende Regelung im Grundgesetz ausdrücklich zu legitimieren 121 .
111 Stenographischer Bericht der 1. öffentlichen Anhörung der GVK vom 22. Mai 1992, Tomuschat, S. 21; Lepsius, ebd., S. 11; Isensee, ebd., S. 9. 119 Diese Ansicht vertrat der größere Teil der Sachverständigen, siehe z.B. Isensee, ebd., S. 9; Lepsius, ebd., S. 11; Stern, ebd., S. 19; Tomuschat, ebd., S. 21. 120 Lerche, ebd., S. 2; Randelzhofer, ebd., S. 13 f, der allerdings darauf hinwies, daß die Einfiihrung des Kommunalwahlrechts für EU-Bürger den Rahmen des Art. 24 GG sprenge und diesbezüglich Art. 24 Abs. 1 GG keine ausreichende RatifIkationsgrundlage darstelle, S. 14; Stern sah zwar die EU bereits als in einem Stadiwn zwischen einer zwischenstaatlichen Einrichtung und einem Staat befmdlich an, hielt Art. 24 GG mit Ausnahme einer Legitimation des Kommunalwahlrechts für EU-Bürger aber dennoch für ausreichend, S. 19. 121 Hölzer, ebd., S. 8; Isensee, ebd., S. 10; Lerche, ebd., S. 12; Randelzhofer, ebd., S. 15; Tomuschat, ebd., S. 22; für eine eigene Regelung bzgl. der EU innerhalb des Art. 24 Abs. 1 GG (neben der Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen) sprach sich Stern aus, ebd., S. 21.
8 Lang
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
ee) Schaffung des Art. 23 GG Da der deutlich größere Teil der Sachverständigen die Schaffung einer neuen Ratifizierungsgrundlage fur erforderlich gehalten hatte und diejenigen Sachverständigen, die Art. 24 Abs. I GG fur noch ausreichend befunden hatten, einer solchen Lösung aus den genannten Gründen nicht ablehnend gegenüberstanden 122 , kam die GVK zu dem Schluß, daß die EU einen qualitativ andersgearteten Tatbestand gegenüber einer zwischenstaatlichen Einrichtung i.S.d. Art. 24 Abs. I GG und mithin einen Qualitätssprung darstelle 123 . Sie beschloß, in dem durch die deutsche Wiedervereinigung freigewordenen Art. 23 GG eine neue Regelung zu verankern. Diese sollte nicht nur die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU, sondern auch die Ausgestaltung der europäischen Integration als Staatsziel sowie die innerstaatliche Beteiligung der Länder in Angelegenheiten der EU beinhalten 124 . Die Entscheidung fur Art. 23 GG und die Ersetzung der verwirklichten deutschen Vereinigung durch die europäische Vereinigung hatte bewußt hohen symbolischen Charakter 125 • Es sollte dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß das Grundgesetz in Ausfullung und Ergänzung seiner Präambel die Verankerung des wiedervereinigten Deutschlands in einem vereinten Europa anstrebe 126 . Aufgrund des neuen Europaartikels konnte es nun letztlich dahingestellt bleiben, ob der bisherige Art. 24 GG ausgereicht hätte, um den Maastrichter Vertrag zu ratifizieren. Art. 24 GG blieb somit in seiner Form erhalten127 und gilt in Zukunft fur zwischenstaatliche Einrichtungen im herkömmlichen Sinne
Lerche, ebd., S. 12. Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 20. 124 Stenographischer Bericht der 8. Sitzung der GVK vom 26. Juni 1992, S. 3. Dabei erhielt Art. 23 Abs. 1 GG eine sog. Strukursichenmgsklausel mit den tragenden Prinzipien Demokratie, Föderalismus, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit, Gnmdrechtsschutz und Subsidiarität. Auf diese Weise sollte die Bundesrepublik dazu beitragen, daß sich die EU in einer Weise entwickele, die mit diesen Gnmdsätzen vereinbar sei. Gleichzeitig sollte darin aber auch eine Sicherung für die innerstaatliche Struktur der Bundesrepublik liegen. . m So auch HölscheidtlSchotten, S. 67, Fn. 13; Wilhelm, BayVBl1992, 705 (706). 126 Bericht des Abgeordneten Dr. Möller, Arbeitsunterlage Nr. 64 der GVK, siehe auch Stenographischer Bericht der 8. Sitzung vom 26. Juni 1992, S. 4; ausdrücklich gegen die Besetzung des Art. 23 GG hatte sich Stern ausgesprochen, da dieser Artikel im Prozeß der Wiederherstellung der deutschen Einheit einen hohen Stellenwert gehabt habe und die historische Verankenmg bestehen bleiben soll, Stenographischer Bericht der 1. öffentlichen Anhönmg der GVK vom 22. Mai 1992, S. 53. 127 Es wurde lediglich ein Absatz eingefügt, welcher es den Ländern erlaubt, Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen zu übertragen. 122
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B. Das Ratifizienmgsvetfahren
115
wie z.B. die NATO, die WEU, die KSZE oder Eurocontrol weiter 128 . Damit ist die GVK. den Bedenken der Kritiker des Vertrags und seiner Ratifizierung durch den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht gefolgt. Sie vertrat vielmehr die Ansicht, daß das im Vertrag enthaltene Integrationspotential noch im Einklang mit den Grundprinzipien des Art. 79 Abs. 3 GG stand129 .
3. Verankerung der Länderrechte Auch die innerstaatlichen Beteiligungsmöglichkeiten der Bundesländer sollten nach Ansicht der GVK. in dem neuen Europaartikel 23 GG festgeschrieben werden. Bei den Beratungen über die nähere Ausgestaltung dieser Regelung konnte sich die GVK. - wie erwähnt - bereits auf die intensive Vorarbeit der ,,Kommission Verfassungsreform" des Bundesrates stützen. Deren Arbeitsergebnisse sowie ähnlich lautende Vorschläge der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder vom 14. Mai 1992 lagen der Diskussion der GVK. zugrunde. In der GVK. bestand schnell Einigkeit über die Notwendigkeit einer Verbesserung der Länderrechte und ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung130 . Dabei ließ man sich von dem Gedanken leiten, daß die Europapolitik aufgrund der massiven Verlagerung nationaler Kompetenzen auf die europäische Ebene längst keine ,,klassische Außenpolitik" mehr darstellt, sondern "europäische Innenpolitik" geworden sei l31 . Was allerdings die Wahrnehmung der mitgliedsstaatlichen Rechte durch die Länder betraf, vertrat die Bundesregierung weiterhin132 den Standpunkt, daß die Außenvertretung ausschließlich eine Angelegenheit des Bundes sei 133 •
121 Stern, Stenographiseher Bericht der 1. öffentlichen Anhönmg der GVK vom 22. Mai 1992, S. 33; zum Verhältnis von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zu Art. 24 Abs. 1 GG jetzt eingehend Sommermann, DÖV 1994, 596ff. 129 Dem hat das Bundesvetfassungsgericht in seinem Urteil vom 12. Oktober 1993 schließlich recht gegeben, BVerlGE 89, 155 ff. 130 Scholz, NJW 1992, 2593 (2596) sowie im Stenographischen Bericht der 1. öffentlichen Anhönmg der GVK vom 22. Mai 1992, S. 53. 131 Siehe oben, unter I. 1. 132 Siehe oben, 1. Kapitel A Iv. 4. 133 Diese Ansicht vertrat auch ein Teil der Sachverständigen in der Anhönmg der GVK vom 22. Mai 1992, so z.B. Stern, Stenographiseher Bericht, S. 33 und Hölzer, ebd., S. 8; anders dagegen Isensee, der das Außenvertretungsmonopol des Bundes lediglich auf formelle Akte bezieht, also nur auf Vertragsabschlüsse, Mitwirkung in offiziellen Gremien und formelle diplomatische Kontakte. Daher beurteilte er die Einrichtung von informellen Kontaktstellen der Länder in Brüssel nicht als dem Außenvertretungsmonopol des Bundes widersprechend, ebd., S. 40.
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
4. Die Empfehlungen der GVK vom 26. Juni 1992 Die Empfehlungen der GVK vom 26. Juni 1992, welche mit großer Mehrheit verabschiedet wurden 134 , enthielten neben den Formulierungsvorschlägen zur Neufassung der Artt. 28 und 88 auch solche zu Art. 23 GG (neu) und der darin vorgesehenen Neuregelung der Übertragung von Hoheitsrechten, der Erhebung der europäischen Integration in den Rang eines Staatszieles, der Beteiligung der Bundesländer an der innerstaatlichen Willensbildung des Bundes sowie der Wahrnehmung der Rechte der Bundesrepublik als Mitgliedsstaat durch die Länder 13S . Daneben hatte die GVK in sog. Protokollnotizen Eckwerte für ein Ausführungsgesetz vereinbart, das die in Art. 23 GG verankerten Mitwirkungsrechte der Länder näher ausgestalten sollte 136 • Dies war nicht Teil der offiziellen Empfehlungen der GVK, weil es sich hierbei um ein einfaches Gesetz handelte, für dessen Regelung es der GVK an einer Zuständigkeit mangelte 137 . Diese Empfehlungen wurden an die Bundesregierung gerichtet, die die Ausarbeitung der entsprechenden Gesetzentwürfe zu leisten hatte. 5. Forderungen des Bundestages Die Abgeordneten des Bundestages und dessen jeweilige Europagremien hatten bereits seit Jahren die Auffassung vertreten, daß eine Stärkung des Europäischen Parlaments erforderlich sei, um das demokratische Defizit innerhalb der EU auszugleichen. Anläßlich der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages versuchten sie daher, auch die übrigen nationalen Parlamente für eine Initiative mit diesem Ziel zu gewinnen. Insbesondere die Parlamente von Großbritannien und Dänemark, aber auch von Frankreich waren jedoch anderer Ansicht. Ihr Interesse richtete sich nicht auf die Stärkung des Europäischen Parlaments. Sie zogen es stattdessen vor, für die Stärkung ihrer nationalen Parlamente einzutreten, die in der EG-Rechtsetzung ebenso wie der Bundestag bestenfalls eine völlig untergeordnete Rolle mehr spielten. Dadurch sollte den Parlamenten und ihrer Bedeutung für die nationale Identifikation wieder mehr Geltung verschafft werden. Der Bundestag hielt dieses Streben für eine Illusion und wollte diesen Weg lange Zeit nicht einschlagen, weil er 134 Die Empfehlungen wurden bei lediglich 1 Gegenstimme und 3 Enthaltungen angenommen, siehe Stenographischer Bericht der 8. Sitzung der GVK vom 26. Juni 1992, S. 24. m Kommissionsdrucksache Nr. 7 (neu). 136 GVK-Arbeitsunterlage Nr. 63. 137 Siehe Kommissionsvorsitzender Scholz, Stenographischer Bericht der 8. Sitzung der GVK vom 26. Juni 1992, S. 21.
B. Das Ratifizienmgsverfahren
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nach wie vor den Ausbau der Befugnisse des Europäischen Parlaments fur richtiger und sinnvoller hielt 138 • Im Laufe der Ratifizierungsdebatte revidierte der Bundestag jedoch diese Auffassung und trat fur eine verfassungsrechtliche Verankerung und gleichzeitige Stärkung seiner Rechte ein. Der Grund hierfur lag zum einen in der Erkenntnis, daß der Zuwachs an Rechten des Europäischen Parlaments nicht so groß ausgefallen war wie erwartet 139 . Zum anderen trug aber sicherlich in nicht unerheblichem Maße die Diskussion über den Verlust der in Art. 79 Abs. 3 GG normierten Eigenstaatlichkeit Deutschlands zu diesem Wandel bei 140 . Um dem Maastrichter Vertrag den Nimbus eines zunehmenden Ausverkaufs der Eigenstaatlichkeit zu nehmen, bemühte man sich nun darum, es als vorteilhaft darzustellen, daß das Europäische Parlament weiterhin eine schwache Position bekleidete. Denn ein starkes Parlament hätte ein zusätzliches Argument fur die Interpretation der EU als "Superstaat" geliefert, der die Staatlichkeit der in ihr aufgehenden Nationen beseitigt. Da eine Abmilderung des eklatanten Demokratiedefizits über eine Stärkung des Europäischen Parlaments tatsächlich wegen des bereits unterschriebenen Vertrags nicht mehr möglich und zudem politisch nicht opportun war, blieb nur der Versuch eines Ausgleichs über die Stärkung des Bundestages 141 . In der Anhörung der Sachverständigen vom 22. Mai 1992 war dieses Thema lediglich am Rande behandelt worden. Dabei wurde deutlich, daß auf Bundesebene der Bundestag in erheblichem Umfang Gesetzgebungskompetenzen eingebüßt hatte. Diese nahm die Bundesregierung als Teil des Ministerrates wahr, ohne daß sie unmittelbar durch das Europäische Parlament kontrolliert wurde. Man erkannte daher die grundsätzliche Notwendigkeit an, die Rechte 138 So die Abgeordnete Hellwig, in: dieselbe (Hrsg.), Der Deutsche BlUldestag lUld Eurora, 1 (24). 13 So verfugt das Europäische Parlament z.B. noch immer nicht über ein materielles Gesetzesinitiativrecht, siehe oben, lUlter A 11. 1. c) aa). 140 Ob dies wirklich so ist, wird nur allerdings bestritten; so wird die MeinlUlg vertreten, daß Art. 79 Abs. 3 00 nicht die Eigenstaatlichkeit festschreibe; vgl. Tomuschat, der einen Übergang der BRD in einen europäischen BlUldesstaat trotz der Existenz von Art. 79 Abs. 3 00 fiir möglich hält, Stenographischer Bericht der 1. öffentlichen Anhönmg der GVK vom 22. Mai 1992, S. 52; damit setzt er sich allerdings in Widerspruch zu seiner Kommentienmg im Bonner Kommentar, Rdnm. 47 ff. zu Art. 24 00; fiir eine Verankenmg der Eigenstaatlichkeit der BlUldesrepublik in Art. 79 Abs. 3 00 dagegen Stern, Stenographischer Bericht der 1. öffentlichen Anhönmg der GVK, S. 48; Ossenbühl, DVBI 1993, 629 (632); Penski, ZRP 1994, 192; Murswiek, Der Staat 32 (1993), 161 (162); Rupp, ZRP 1993, 211. 141 Entsprechend Wieczorek-Zeul, EA 1993, 405 (408); ebenso der Abg. Poppe, Stenographischer Bericht der 8. Sitztmg der GVK vom 26. JlUli 1992, S. 16; hierzu eingehend lUlten, 4. Kapitel.
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
des Bundestages jedenfalls solange zu stärken, wie auf europäischer Ebene noch ein Demokratiedefizit festzustellen sei l42 • Allerdings sahen die Sachverständigen keine Möglichkeit, dieser mißlichen Situation abzuhelfen. Daß der Bundestag der Bundesregierung Instruktionen hinsichtlich ihres Verhaltens in Brüssel erteilen könnte, hielt man für mit dem herkömmlichen Verfassungsverständnis unvereinbar l43 . Der Bundestag müsse sich vielmehr in das Unvermeidliche fügen und seine politischen Kontrollmöglichkeiten ausnutzen, soweit und so gut dies eben möglich sei 144 . Nach der Verabschiedung ihrer Vorschläge zu Art. 23 GG am 26. Juni 1992 beriet die GVK auf Verlangen mehrerer Bundestagsabgeordneter14S hin eingehend über die Kompensationsmöglichkeiten für die erlittenen und in Zukunft zu erwartenden Kompetenzverluste des Bundestages. Bis dahin war eine Regelung über die Mitwirkung des Bundestages nur als Grundsatzfeststellung in Art. 23 Abs. 2 GG vorgesehen gewesen l46 • Eine Regelung hinsichtlich der Rechte des Bundestages war ausdrücklich ausgespart worden, weil sich die Berichterstatter der GVK sowohl über deren Umfang als auch über deren Standort noch nicht einig geworden waren147 . Diskutiert wurde über eine Verankerung in der Verfassung, in einem Ausfiihrungsgesetz oder in der Geschäftsordnung des Bundestages. Weil die Rechte des Bundestages bislang unberücksichtigt geblieben waren, hatten einige Abgeordnete bereits bei der Verabschiedung der Empfehlungen vom 26. Juni 1992 die Unausgewogenheit der Neuregelung des Art. 23 GG beklagt. Da diese eine in geradezu ,Jiebevoller Detailarbeit" erstellte Regelung bzgl. der Mitwirkung des Bundesrates enthalte und sich andererseits über eine Mitwirkung des Bundestages weitgehend ausschweige, verstärke sie den Zug in Richtung einer Kompetenzstärkung der Exekutive 148 • Im Rahmen des Themenkomplexes ,,Parlamentsrecht" beschäftigte sich die GVK daher intensiv mit den Forderungen des Bundestages und arbeitete in Anlehnung an die vorgesehenen Vorschriften für die Mitwirkung des Bundesrates eine Formulierung für die Beteiligung des Bundestages an der innerstaatlichen 142 Hierzu äußerten sich vor allem Tomuschat, Stenographiseher Bericht der 1. öffentlichen Anhörung der GVK vom 22. Mai 1992, S. 22 (31) und Bieber, ebd., S. 44. 143 Tomuschat, ebd., S. 31. 144 Isensee, ebd., S. 41; Scharpf, ebd., S. 35. W Abg. Dr. Möller, Stenographiseher Bericht der 7. Sitzung der GVK vom 4. Juni 1992, S. 21[; derselbe, Stenographiseher Bericht der 8. Sitzung der GVK vom 26. Juni 1992, S. 5; Abg. Verheugen, ebd., S. 10; Abg. Dr. Hirsch, ebd., S. 20. 146 Siehe hierzu die Empfehlungen der GVK vom 26. Juni 1992, Kommissionsdrucksache Nr. 7 (neu). 147 Siehe die Stellungnahme des Abg. Dr. Möller, Stenographiseher Bericht der 8. Sitzung der GVK vom 26. Juni 1992, S. 5. 141 Abg. Dr. Hirsch, ebd., S. 20.
B. Das Ratifizienmgsvenahren
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Wtllensbildung des Bundes in europäischen Angelegenheiten aus. Dabei wurde darauf geachtet, daß eine Regelung fiir den Bundestag auch optisch ein Gegengewicht zu der ausfiihrlichen Regelung der Rechte des Bundesrates bildete 149 .
6. Die Empfehlungen der GVK vom 15. Oktober 1992 Die Empfehlungen der GVK vom 15. Oktober 1992 enthielten einen Formulierungsvorschlag fiir die Einfiigung verstärkter Mitwirkungsrechte des Bundestages als Abs. 3 in die am 26. Juni 1992 beschlossene Fassung des Art. 23 GG (neu) sowie fiir die institutionelle Verankerung eines Europa-Ausschusses in Art. 45 GG (neu); konkretisiert wurde dieser Vorschlag durch Eckwerte fiir ein Ausfiihrungsgesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag in europäischen Angelegenheiten 150. Die Empfehlungen wurden von der GVK einstimmig verabschiedet l5l .
ill. Das Gesetzgebungsverfahren 1. Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung Das eigentliche Gesetzgebungsverfahren kam erst relativ spät in Gang. Die Entwürfe der Bundesregierung zum Ratifizierungsgesetz sowie zu dem damit in Zusammenhang stehenden Grundgesetzänderungsgesetz, in welches die Empfehlungen der GVK vom 26. Juni 1992 übernommen worden waren, wurden dem Bundesrat erst am 14. August 1992 vorgelegt152. Nachdem am 25. September 1992 der Bundesrat seine Stellungnahme abgegeben hatte 153 , wurden die Gesetzentwürfe am I. und 2. Oktober 1992 dem Bundestag vorgelegtl54.
149 Abg. Verheugen, Stenographiseher Bericht der 11. SitZWlg der GVK vom 15. Oktober 1992, S. 3. 1'0 Stenographiseher Bericht der 11. SitZWlg der GVK vom 15. Oktober 1992, S. 1 ff.; siehe auch Sonderausschuß-Drucks. 12/0820. m StenographischerBerichtder 11. Sitzung der GVK vom 15. Oktober 1992, S. 10. m Gesetzentwurf zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union, BR-Drucks. 500/92; Gesetzentwurf zur Ändenmg des Gnmdgesetzes, BR-Drucks. 501192. 1'3646. Sitzung des Bundesrates, Stenographiseher Bericht, S. 419. l~ Gesetzentwurf zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union, BT-Drucks. 12/3334 vom 1. Oktober 1992; Gesetzentwurf zur Ändenmg des Gnmdgesetzes, BT-Drucks. 12/3338 vom 2. Oktober 1992.
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
2. Die Arbeit des Sonderausschusses "EU (Vertrag von Maastricht)" Dadurch, daß die Gesetzentwürfe der Bundesregierung dem Bundestag erst Anfang Oktober zur parlamentarischen Beratung überwiesen worden waren ISS, war der zeitliche Rahmen für die parlamentarischen Beratungen innerhalb des Ratifizierungsverfahrens äußerst knapp bemessen 1S6 . Zudem existierte von seiten der Bundesregierung die Vorgabe, die Gesetzentwürfe durch die gesetzgebenden Körperschaften noch vor der für den 12. Dezember 1992 in Edinburgh geplanten Sitzung des Europäischen Rates verabschieden zu lassen. Eine rechtzeitige Verabschiedung sollte zu einer Stärkung der Position der Bundesregierung beitragen, wenn in Edinburgh über die Erhöhung der Anzahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments verhandelt werden würde 1S7 •
a) Einsetzung des Ausschusses Zur Konzentration der Beratungen 1S8 setzte der Bundestag in erster Lesung der Gesetzentwürfe der Bundesregierung durch Beschluß vom 8. Oktober 1992 gern. § 54 Abs. 1 Satz 2 GOBT den Sonderausschuß ,,EU (Vertrag von Maastricht)" ein 1S9 . Der Ausschuß bestand aus 39 ordentlichen Mitgliedern, von denen einige zugleich Mitglieder der GVK waren l60 . Diese personelle Verzahnung war für nützlich gehalten worden, um die Beratungen und Empfehlungen der GVK vom 26. Juni 1992 161 optimal verwerten zu können l62 . Ferner nahmen an den Beratungen - allerdings ohne Stimmrecht - auch die elf im EG-Ausschuß des Bundestages mitberatenden Mitglieder und Beobachter des Europäischen Parlaments sowie sechs Beauftragte des Bundesrates teil. Der Ausschuß konstituierte sich am 14. Oktober 1992 unter dem Vorsitz des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD, Günter Verheugen, und tagte bis m Verheugen, ZG 1992, 162 (163). 1~6 Hö1scheidtiSchotten, S. 71, Fn. 27; Hintergrund dieses Zeitdrucks war die Tatsache, daß nach der ursprünglichen Planung der Maastrichter Vertrag bereits am 1. Januar 1993 in Kraft treten sollte. m Hö1scheidtiSchotten, S. 71. m Die Tatsache, daß eigens ein Sonderausschuß eingesetzt wurde, lag nicht allein an der Bedeutung, die der Bundestag der Beratung des Maastrichter Vertrags zumaß, sondern auch daran, daß keine Einigung über die Federfiihrung eines der Fachausschüsse (Auswärtiger-, Finanz-, Wirtschafts- oder Europa-Ausschuß) hatte erzielt werden können. Siehe dazu oben, 1. Kapitel B. I. 2. c) ee) (4). 1~9 BT-Drucks. 12/3373; Sonderausschuß-Drucks. 12/001. 160 So die Abgeordneten Dr. Scholz, Dr. Möller, Dr. Jahn, Verheugen und Irmer. 161 Kommissionsdrucksache Nr. 7 (neu). 162 Hö1scheidtiSchotten, S. 72.
B. Das RatifIzienmgsverfahren
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zu seiner letzten Sitzung am 27. November 1992 insgesamt elfmal. Im Verlauf seiner Beratungen hörte der Ausschuß mehrere Mitglieder der Bundesregierung sowie den Präsidenten der Bundesbank. Seine Arbeit schloß der Sonderausschuß mit der Vorlage einer Beschlußempfehlung und zwei Berichten am 1. Dezember 1992 ab 163 . b) Beratungsgegenstand Zunächst beriet der Ausschuß über den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf des Ratifizierungsgesetzes l64 und in diesem Zusammenhang über den Maastrichter Vertrag selbst. Bei der Beratung über den Entwurf des Grundgesetzänderungsgesetzes 16S stützte sich der Sonderausschuß zusätzlich auf die Empfehlungen der GVK vom 15. Oktober 1992, bei denen es sich - wie oben dargesteUe 66 - insbesondere um die Verankerung von Mitwirkungsbefugnissen des Bundestages in Angelegenheiten der EU handelte. Am 11. November 1992 wurden diese Empfehlungen als Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in die Beratungen des Sonderausschusses eingebracht. Schließlich beschäftigte sich der Sonderausschuß mit der näheren Ausgestaltung der innerstaatlichen Mitwirkungsbefugnisse von Bundesrat und Bundestag, d.h. mit den Entwürfen zu den beiden, im neuen Art. 23 GG vorgesehenen Ausführungsgesetzen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der EU (im folgenden: EUZBLG), der am 25. September 1992 dem Bundesrat übersandt worden war 167 und zu dem der Bundesrat am 16. Oktober 1992 seine Stellungnahme abgegeben hatte 168 , wurde am 22. Oktober 1992 an den Bundestag übersandt l69 . Das Plenum überwies den Entwurf in erster Lesung am 29. Oktober 1992 an den Sonderausschuß zur federführenden Beratung170 .
163 Beschlußempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 12/3895 sowie Besch1ußempfeh1unfl und Bericht (Nationaler Teil), BT-Drucks. 12/3896. 64 BT-Drucks. 12/3334. 16' BT-Drucks. 12/3338. 166 Siehe oben, 11. 6. 167 BR-Drucks. 630/92. 161 Stenographischer Bericht der 647. Sitzung des Bundesrates vom 16. Oktober 1992, S. 520 (D). 169 BT-Drucks. 12/3540. 170 Stenographischer Bericht der 115. Sitzung des Bundestages vom 29. Oktober 1992, S. 9766 (e).
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2. Kapitel: Die Entstehl.Ulgsgeschichte des Art. 23 GG
Zu dem Rechtsstellungsgesetz des Bundestages (im folgenden: EUZBBG) wurden am 4. November 1992 zwei nahezu wortgleiche Entwürfe vorgelege 7l - der eine von seiten der Koalitionsfraktionen 172 , der andere von seiten der SPD_Fraktion I73 • Am 5. November 1992 überwies der Bundestag in erster Lesung dem Sonderausschuß auch diese Entwürfe zur federführenden Beratung l74 . c) Beratungsinhalt
aa) Ratiftkationsgesetz Im Rahmen seiner Beratungen über das Ratifikationsgesetz stellte der Ausschuß durchaus Mängel am Vertragswerk fest. So bedauerte er Z.B. den selektiven Charakter der Ausweitung von Kompetenzen des Europäischen Parlaments und das damit fortbestehende Defizit an demokratischer Legitimation der EU. Ebenso mißbilligte er das deutliche Zurückbleiben der Politischen Union hinter der WWU und äußerte seine Besorgnis über den Übergang in die dritte Stufe der Währungsunion. Dennoch stand er dem Maastrichter Vertrag und der Idee eines immer enger werdenden Zusammenschlusses der Völker Europas durchweg positiv gegenüber l7S . Er verfaßte daher eine feierliche Entschließung des Bundestages zum Unionsvertrag176 . Den Beratungsschwerpunkt hinsichtlich des Entwurfs zum Ratifikationsgesetz 177 bildete die Zustimmungsbedürftigkeit einer Entscheidung über den Übergang zur dritten Stufe der WWU durch die gesetzgebenden Körperschaften l78 . Die Mitglieder des Sonderausschusses und die Vertreter des Bundesra171 Die Gnmdlage für diese Gesetzentwürl'e bildeten die Eckwerte der Berichterstatter der GVK für ein Ausfiihnmgsgesetz zu Art. 23 Abs. 3 GG (Arbeitsl.Ulterlage Nr. 86 der GVK). Diesbezüglich konnte die GVK keine eigene Empfehll.Ulg abgeben, da es sich um ein einfaches Gesetz handelte l.Uld insofem die Zuständigkeit der GVK nicht gegeben war, siehe oben, l.Ulter B. 11. 4. sowie Scholz, 8. SitZl.Ulg der GVK vom 26. Jl.Uli 1992, S. 21. In BT-Drucks. 1213614. 173 BT-Drucks. 12/3609. 174 Stenographischer Bericht der 11. SitZl.Ulg des Bl.Uldestages vom 5. November 1992, S. 9904 (B). m Die einzige Ausnahme hierbei bildete der Vertreter der Gruppe PDSlLinke Liste. Zu der EinschätZl.Ulg des Vertragsinhalts durch den Sonderausschuß im einzelnen der Bericht des Sonderausschusses BT-Drucks. 12/3985 sowie Verheugen, ZG 1993, 162
(16~. 1 6 177 171
BT-Drucks. 12/3905. BT-Drucks. 12/3334. Siehe dazu auch oben, l.Ulter A 11. 1. b).
B. Das Ratifizienmgsverfahren
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tes einigten sich schließlich dahingehend, daß in zwei beinahe gleichlautenden Entschließungen des Bundesrates und des Bundestages zur WWU ein positives Abstimmungsverhalten der Bundesregierung im Ministerrat an ein ,,zustimmendes Votum" von Bundestag und Bundesrat gebunden sei, welches die Bundesregierung zu respektieren habe. Im übrigen wurde die Bundesregierung in diesen Entschließungen dazu aufgefordert, den übrigen Mitgliedsstaaten sowie der Kommission und dem Europäischen Parlament diese Vorgehensweise mitzuteilen l79 • bb) Grundgesetzänderungsgesetz In seinen Beratungen über das Grundgesetzänderungsgesetz 180 beschäftigte sich der Ausschuß neben der Fassung des Art. 23 GG mit der Verankerung eines Europa-Ausschusses in Art. 45 GG 181 . (1) Mitwirkung des Bundesrates
Die Regelungen über die Mitwirkung des Bundesrates übernahm der Sonderausschuß in der Form des Gesetzentwurfs der Bundesregierung in seine Empfehlung, allerdings mit der Ausnahme, daß sich nach der Einfügung der Mitwirkungsrechte des Bundestages in Art. 23 Abs. 3 GG die Vorschriften über die Mitwirkung des Bundesrates auf die Absätze 4-6 verschoben. Dabei enthielt Absatz 4 den Grundsatz der Mitwirkung an der innerstaatlichen Willensbildung des Bundes und Absatz 5 eine detailliert ausgestaltete und an der jeweiligen innerstaatlichen Kompetenzverteilung ausgerichtete Abstufung der Mitwirkungsrechte, die von einer einfachen bis zu einer maßgeblichen Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundesrates reichte. Absatz 6 sah schließlich die Wahrnehmung von Rechten der Bundesrepublik als Mitgliedsstaat durch den Bundesrat vor.
179 Entschließung des Bundestages in BT-Drucks. 12/3906 sowie die in der Entschließung zum Ratifikationsgesetz enthaltene Entschließung des Bundesrates in BRDrucks. 810/92 (Beschluß). 180 BT-Drucks. 1213338. 111 Hinsichtlich der Regelungen in Art. 23 00 wird im folgenden nur die Beratung des Ausschusses über die innerstaatliche Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat nach Art. 23 Abs. 2 bis 7 00 behandelt. Die Beratungen über Art. 23 Abs. 1 00, der Auftrag, Ermächtigung und Grenzen der Mitwirkung Deutschlands bei der europäischen Integration enthält, bleiben hier unberücksichtigt.
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2. Kapitel: Die Entstehl.Dl.gsgeschichte des Art. 23 GG
(2) Mitwirkung des Bundestages (a) Berücksichtigung der Stellungnahme durch die Bundesregierung Ein umstrittener Punkt der Mitwirkungsrechte war die Regelung des Art. 23 Abs. 3 GG, der vorsah, daß die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundestages zu Rechtsetzungsakten der EU bei ihren Verhandlungen zu berücksichtigen habe. § 3 Abs. 3 des EUZBBG verlangte demgegenüber, daß die Bundesregierung die Stellungnahme ihren Verhandlungen zugrundezulegen habe. Da dieser Gesetzentwurf in zwei sehr ähnlichen Fassungen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion eingebracht worden war, mutmaßten die an den Sitzungen des Sonderausschusses teilnehmenden Bundesratsbeauftragten, daß durch das Abweichen vom Verfassungswortlaut von seiten des Bundestages der Versuch unternommen werden sollte, in der einfachgesetzlichen Regelung über die Verfassung hinauszugehen und eine entsprechende Interpretationshilfe für Art. 23 Abs. 3 GG zu leisten. Damit sollte auf Umwegen die Bedeutung der Mitwirkung des Bundestages gesteigert werden l82 . Der Sonderausschuß interpretierte die Abweichung dagegen anders. In seinem Schlußbericht zum nationalen Teil des Maastricht-Pakets stellte er fest, daß "berücksichtigen" den gesamten Prozeß der Willensbildung des Bundes in Angelegenheiten der europäischen Sekundärrechtsetzung vom Beginn bis zur Schlußabstimmung im Ministerrat erfasse. ,,zugrunde legen" kennzeichne demgegenüber nur den Anfang dieses Willensbildungsprozesses l83 . Mithin hielt der Sonderausschuß diese Abweichung vom Wortlaut des Grundgesetzes für unbedeutend. Bis zum Abschluß der Beratungen konnte in diesem Punkt keine Einigkeit zwischen Bundesrat und Bundestag erzielt werden. Der Bundesrat rief deswegen später den Vermittlungsausschuß an l84 . (b) Konfliktlösungsmechanismus
Intensiv wurde auch das Bedürfnis nach einer verfassungsrechtlichen Regelung für den Fall diskutiert, daß sich die Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat zu einem Rechtsetzungsvorhaben der EU widersprachen. Ein Antrag auf Ergänzung von Art. 23 Abs. 3 GG um einen Satz 4, der in einem solchen Fall die vorrangige Berücksichtigung einer Stellungnahme durch die Bundesregierung davon abhängig machte, ob im Falle innerstaatlicher Gesetz-
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BR-Drucks. 853/1/92. BT-Drucks. 1213896, S. 19. BR-Drucks. 853/92 (Beschluß), näher dazu l.DI.ten, l.DI.ter 3.
B. Das RatifIzienmgsverfahren
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gebung die Materie schwerpunktmäßig in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fiele, wurde vom Sonderausschuß jedoch abgelehnt l8S . (c) Der Europa-Ausschuß gern. Art. 45 GG Die in Art. 45 GG vorgesehene Einrichtung eines Europa-Ausschusses des Bundestages, der durch Ermächtigung des Plenums dessen Rechte gegenüber der Bundesregierung wahrnehmen können sollte, warf im Sonderausschuß die Frage nach der Auswirkung eines Scheiterns des Maastrichter Vertrages auf. Durch seine Benennung als ,,Ausschuß für die Angelegenheiten der EU" schien der Europa-Ausschuß von dem Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages direkt abhängig zu sein, weil durch diesen die EU erst gegründet werden sollte. Der Sonderausschuß stellte deshalb klar, daß sich der Ausschuß zwar auf das Bestehen einer EU stütze, es jedoch unmaßgeblich sei, ob diese durch den Maastrichter Vertrag oder ein anderes entsprechendes Vertragswerk gegründet worden sei l86 . Lediglich für den Fall, daß eine EU nicht entstünde, müsse über die Einsetzung eines entsprechenden Ausschusses neu beraten werden. Art. 45 GG in der Fassung des Beschlusses der GVK vom 15. Oktober 1992 wurde daher vom Sonderausschuß mit überwältigender Mehrheit verabschiedet I 87 • cc) Beratung der beiden Ausführungsgesetze zu Art. 23 GG Gegenüber den Beratungen über das Ratifikations- und das Grundgesetzänderungsgesetz gab es bei der Diskussion um die Fassung der Ausführungsgesetze, die die konkrete Beteiligung der gesetzgebenden Körperschaften an der Europapolitik der Bundesregierung regeln sollten, deutlich mehr strittige Punkte. Dabei handelte es sich zum einen um die oben bereits angesprochene abweichende Formulierung des § 5 Satz 3 EUZBBG '88 von Art. 23 Abs. 3 GG. Im Gegensatz zum Grundgesetz, das der Bundesregierung lediglich eine Berücksichtigungspflicht bezüglich der Stellungnahme des Bundestages auferlegte, verlangte sie, daß die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundestages
m BT-Drucks. 12/3896, S. 19. BT-Drucks. 12/3896, S. 21. 117 Nur der Vertreter der PDSILL stimmte dagegen, vgl. 11. Sitzung des Sonderausschusses vom 27. November 1992, Protokoll, S. 20. m BT-Drucks. 12/3614 und 12/3609. 116
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
ihren Verhandlungen zugrundelege. Der Sonderausschuß beließ es jedoch bei der kritisierten Formulierung189 • Heftig umstritten war auch die ursprünglich für Art. 23 Abs. 3 Satz 4 GG geplante, bereits angesprochene Vorrangregelung bei sich widersprechenden Stellungnahmen des Bundesrates und des Bundestages. Obwohl der Sonderausschuß das Bedürfnis für die Aufnahme einer solchen Regelung in das Grundgesetz verneint hatte, stimmte er mit Mehrheit für die Verankerung der Konfliktregelung in § 6 Satz 1 EUZBBG190 . Diese machte ebenso wie die für Art. 23 Abs. 3 Satz 4 GG vorgeschlagene Formulierung eine vorrangige Berücksichtigung der jeweiligen Stellungnahmen davon abhängig, ob die Materie im Falle der innerstaatlichen Gesetzgebung schwerpunktmäßig in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fiele. Die Vertreter des Bundesrates waren demgegenüber der Ansicht, daß eine solche Regelung im Ausführungsgesetz gegen Art. 23 GG verstoße, da dieser grundsätzlich von einer gleichrangigen Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundestages und des Bundesrates ausginge. Im Rahmen der Beratungen über das EUZBLG 191 waren vor allem die im Zusammenhang mit der Errichtung des Regionalausschusses durch Art. 198 a ff. EUV stehenden Fragen Gegenstand der Diskussion. Dabei ging es zum einen um das Verfahren zur Besetzung des Regionalausschusses. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte hierüber keine Regelung enthalten. Die Ländervertreter einigten sich jedoch mit der Bundesregierung darauf, daß diese dem Ministerrat von den Ländern benannte Vertreter als Mitglieder des Regionalausschusses sowie deren Vertreter vorschlagen solle. Dies wurde in der als § 13 ades Ausführungsgesetzes eingefügten Vorschrift festgehalten l92 , die im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens in § 14 umbenannt wurde. Zum anderen wurde - ebenfalls an dieser Stelle - vom Sonderausschuß vorgesehen, daß die Länder ein Beteiligungsverfahren regeln sollten, das den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine angemessene Beteiligung an der Besetzung des Regionalausschusses sicherte. Auf Betreiben der kommunalen Spitzenverbände verabschiedete der Sonderausschuß dabei eine Formulierung, nach der die Länder keinen entscheidenden Einfluß mehr auf die Bestimmung der Angemessenheit kommunaler Beteiligung hatten. Der Gesetzentwurf sah nunmehr vor, daß die Kommunen das Recht haben sollten, mindestens drei Vertreter in den Regionalausschuß zu entsenden l93 . Diese Bestimmung empfand der Bundesrat jedoch als einen Einbruch in die Gesetzgebungszuständigkeit der Län119
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BT-Drucks. 12/3896, S. 24.
Ebd.
BT-Drucks. 12/3540. BT-Drucks. 12/3896, S. 12. 193 BT-Drucks. 12/3896, S. 12 und S. 26.
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B. Das RatifizienmgsveIfahren
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der, da es sich hier um institutionelle Fragen der Länder als Gliedstaaten der Bundesrepublik handele l94 .
3. Vermittlungsverfahren und Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens Der Bundestag stimmte dem Ratifizierungsgesetz, dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes sowie den beiden Ausführungsgesetzen zu Art. 23 GG über die Mitwirkungsrechte des Bundestages und des Bundesrates auf der Grundlage der Beschlußempfehlungen und der Berichte des Sonderausschusses 195 am 2. Dezember 1992 mit überwältigender Mehrheie 96 zu. Ferner verabschiedete er mit entsprechender Mehrheit die feierliche Entschließung zum Maastrichter Vertrag197 und zur WWU198 . Vom Bundesrat wurde das sog. Maastricht-Paket am 18. Dezember 1992 einstimmig verabschiedet 199 . Ausgenommen blieben davon die beiden Ausruhrungsgesetze, für die der Bundesrat beschloß, gern. Art. 77 Abs. 2 GG wegen der drei oben genannten Streitpunkte den Vermittlungsausschuß anzurufen200 . Die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 3. Februar 1993 zum EUZBBG201 sah die Streichung des Konfliktlösungsmechanismus in § 6 vor. Demgegenüber wurde die Bestimmung über das Zugrundelegen der Stellungnahme des Bundestages bei den Verhandlungen der Bundesregierung in § 5 Satz 3 unverändert gelassen. Nach der Empfehlung des Vermittlungsausschusses zum EUZBLG202 sollte auch die Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an der Besetzung des Ausschusses der Regionen gern. § 14 Satz 2 grundsätzlich bestehen bleiben. Allerdings sollte diese durch drei von den kommunalen Spitzenverbänden vorzuschlagende, nunmehr zu wählende Vertreter erfolgen. Das Wort ,,mindestens" drei sollte gestrichen und dadurch die Beteiligung der kommunalen Vertreter zahlenmäßig deutlich begrenzt werden. BR-Drucks. 853/92 (Beschluß). BT-Drucks. 12/3895 lDld 12/3896. 196 Bei der AbstimmlDlg über das GnmdgesetzänderlD1gsgesetz hatten von 567 abgegebenen Stimmen 543 mit "Ja" gestimmt, 16 mit ,,Nein" lDld 8 sich enthalten, siehe Stenographischer Bericht der 126. Sitzung vom 2. Dezember 1992,10880 (A). 197 547 Ja-Stimmen, 16 Nein-Stimmen, 6 EnthaltlD1gen. 198 546 Ja-Stimmen, 15 Nein-Stimmen, 7 EnthaltlD1gen. 199 Stenographiseher Bericht der 650. Sitzung des BlDldesrates vom 18. Dezember 1992, S. 653. 200 Siehe BR-Drucks. 853/92 (Beschluß): § 5 Satz 3 lDld § 6 EUZBBG sowie § 14 Satz 2 EUZBLG. 201 BT-Drucks. 12/4247. 202 BT-Drucks. 12/4246. 194 195
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2. Kapitel: Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 GG
Der Bundestag stimmte den Vorschlägen des Vermitdungsausschusses am 4. Februar 1993203 , der Bundesrat am 12. Februar 1993204 zu. Nachdem das Ratifizierungsgesetz am 28. Dezember 1992205 und das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes bereits am 21. Dezember 1992206 im Bundesgesetzblatt verkündet worden waren, konnten nach dem erfolgreichen Abschluß des Vermittlungsverfahrens nunmehr am 12. März 1993 auch die beiden Ausführungsgesetze veröffentlicht werden207 •
IV. Inkrafttreten der Regelungen Über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelungen war im Sonderausschuß eingehend beraten worden. Wegen des verzögerten Ratifizierungsverfahrens in einigen Mitgliedsstaaten, insbesondere in Großbritannien und in der Bundesrepublik, konnte der Maastrichter Vertrag nicht - wie geplant - am 1. Januar 1993 in Kraft treten. Gerade vor dem Hintergrund der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen den Maastrichter Vertrag wurde bis zuletzt sogar befürchtet, der Vertrag werde wegen eines Ausscherens Deutschlands in der beschlossenen Form scheitern. Für diesen Fall wollten sowohl der Bundestag als auch die Ländervertreter ~ine Absicherung ihrer Mitwirkungsrechte bei Vorhaben, die auf den häufig als "Generalermächtigung" bezeichneten Art. 235 EWGV gestützt werden würden, sicherstellen208 . Aus dieser Notwendigkeit heraus kam es zu der Verankerung einer komplizierten Regelung des gestuften Inkrafttretens. Da die Ratifikation des Maastrichter Vertrages auf der Grundlage des neuen Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG erfolgen sollte, mußte diese Regelung zeitlich vor der Ausfertigung des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag in Kraft getreten sein. Dementsprechend erschien das verfassungsändernde Gesetz vom 21. Dezember 1992, welches den neuen Art. 23 GG enthielt, am 24. Dezember 1992 im Bundesgesetzblatt und trat am 25. Dezember 1992 in Kraft209 . Daraufhin konnte das Zustimmungsgesetz vom 28. Dezember 1992 im Bundesgesetzblatt vom 30. Dezember 1992 veröffentlicht werden und am 31. Dezember 1992 in Kraft treten210 .
Stenographischer Bericht der 137. Sitzung, S. 11812 (A). Stenographischer Bericht der 652. Sitzung, S. 20 A und B. 20~ BGBl. 11 vom 30. Dezember 1992, S. 1251. 206 BGBl. I vom 24. Dezember 1992, S. 2086. 207 BGBl. I vom 19. März 1993, S. 311 und S. 313. 201 HölscheidtiSchotten, S. 89 f. 209 BGBl. I vom 24. Dezember 1992, S. 2086. 210 BGBl. 11 vom 30. Dezember 1992, S. 1251. 203 204
B. Das Ratifizienmgsverfahren
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Für die Absätze 2-7 des Art. 23 GG hatte der Sonderausschuß festgestellt, daß sie an die Existenz einer - nicht notwendig durch den Maastrichter Vertrag begründeten2l1 - EU gebunden seien und daher erst zu einem Zeitpunkt anwendbar sein sollten, an dem eine solche EU entstanden sei. Bis dahin sollte die innerstaatliche Mitwirkung von Bundesrat und Bundestag nach den bislang geltenden Regelungen, d.h. nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen und Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur EEA sowie nach § 5 Abs. 3 EUZBLG und § 7 EUZBBG erfolgen212 . Da aber auch die beiden Ausführungsgesetze begriftlich an die Existenz der EU anknüpften, sollten sie gern. § 16 Satz 1 EUZBLG und § 7 Satz 1 EUZBBG erst am Tage der Gründung der EU in Kraft treten213 , welcher schließlich der 1. November 1993 ~14. Um dem Bundestag und dem Bundesrat aber auch für den Fall des Scheiterns des Maastrichter Vertrages erweiterte Mitwirkungsmöglichkeiten zu verschaffen, sind jedoch davon abweichend gern. § 16 Satz 3 EUZBLG und § 7 Satz 3 EUZBBG die für den Bereich des Art. 235 EWGV geltenden Vorschriften bereits am 1. Januar 1993 in Kraft getreten.
211 Für den Fall, daß der Vertrag von Maastricht doch noch scheitern sollte, definierte der Sonderausschuß den Begriff der in den Grundgesetzändenmgen genannten EU als eine Integrationsgemeinschaft, die sich gegenüber der heutigen Integrationsgemeinschaft lDld gegenüber dem gegenwärtigen Integrationsstand durch vertragliche RegellDlgen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder durch die solche Ändenmgen oder ErgänzlDlgen ermöglicht werden, in RichtlDlg auf eine EU weiterentwickelt; siehe Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 22. Welche Schwierigkeiten der Sonderausschuß bei der Definition des Begriffs der EU hatte, läßt sich daraus ersehen, daß der Begriff schließlich durch den Begriff selbst erklärt wurde, eine Methode, die die Definition als solche bereits in Fralie stellt. 12 Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 30. 213 BGBl. II vom 19. März 1993, S. 311lDld S. 313. 214 Dies war möglich geworden, nachdem das BlDldesverfasslDlgsgericht durch sein Urteil vom 12. Oktober 1993 die VerfasslDlgsbeschwerden gegen das ZustimmlDlgSgesetz zum Maastrichter Vertrag abgewiesen lDld somit den Weg zum Abschluß des Ratifizienmgsverfahrens freigemacht hatte. Der BlDldespräsident hatte am 18. Dezember 1992 im Hinblick auf die anhängigen VerfasslDlgsbeschwerden auf die Hinterlegung der RatifLZienmgsurklDlde verzichtet.
9 Lang
3. Kapitel
Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates, bzw. der Länder durch den Bundesrat, sind in Art. 23 Abs. 4-6 GG sowie im Ausführungsgesetz zu Absatz 7, dem EUZBLG, festgelegt. Der Umfang dieser Rechte ist abgestuft ausgestaltet und richtet sich grundsätzlich nach der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Gehört die Materie, die im konkreten Fall Gegenstand des europäischen Rechtsetzungsaktes ist, in den Bereich, für den der Bund innerstaatlich die Gesetzgebungskompetenz besitzt, so fallen die Beteiligungsrechte der Länder durch den Bundesrat entsprechend geringer aus, als wenn es sich um eine Materie handelt, die innerstaatlich der konkurrierenden-, der Rahmen- oder der originären Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfa.l1t. Gleiches gilt für die Zuständigkeitsverteilung bei der Wahrnehmung der Rechte der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedsstaat der EU.
A. Die Notwendigkeit der grundgesetzlichen Verankerung J. Ausgangssituation Unabhängig von den Verfassungsänderungen, die durch die Ratifizierung des Maastrichter Vertrages erforderlich geworden waren 1 , bedurfte es aus Sicht der Länder im Hinblick auf die fortschreitende Integration eines Ausbaus und einer verfassungsrechtlichen Klarstellung ihrer Mitspracherechte, denn die mit dem Vertrag verbundenen Integrationsfortschritte betrafen nicht nur die Bundes-, sondern auch die Landesebene. Wenn schon bislang die Länderrechte gern. Art. 2 EEAG hinter dem Stadium der Integration zurückblieben, 1 Hierzu zählen neben der Verankenmg der Struktursichenmgsklausel mit den tragenden Prinzipien Demokratie, Föderalismus, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit, Gnmdrechtsschutz und Subsidiarität in Art. 23 Abs. I GG insbesondere die Änderung von Art. 28 GG bezüglich der Schaffung des Kommunalwahhechts für Unionsbürger und von Art. 88 GG bezüglich der Einfiihrung einer Europäischen Zentralbank, siehe oben, 2. Kapitel B. 11. 2. a).
A Die Notwendigkeit der gnmdgesetzlichen Verankenmg
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so hatte sich dieser Effekt nach Auffassung des Bundesrates mit Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages noch verstärkf . Die im Vertrag vorgesehenen erweiterten Kompetenziibertragungen auf die EU - insbesondere in den Bereichen Bildung, Kultur, Medien, Gesundheit, Kommunalrecht und innere Sicherheit - haben dazu geführt, daß die originären Gesetzgebungsrechte der Länder in zunehmenden Maße weiter ausgehöhlt werden3 . Der Verlust an Gesetzgebungskompetenzen der Länder wirkt sich schließlich um so stärker aus, als bereits das erhebliche Übergewicht der Bundesgesetzgebung den Länderbefugnissen stark zugesetzt hat4 . Auch der Bundesrat verliert durch die zunehmende Übertragung an Bundeskompetenzen einen Teil seiner Mitwirkungsrechte an der Bundesgesetzgebung gern. Art. 50 GG an die EU. Die bisher dem klassischen Bereich der Außenpolitik zuzuordnende Europapolitik tangiert somit immer mehr die deutsche Innenpolitik. Das Schlagwort von der ,,Europäischen Innenpolitik" macht die Rundes. Das automatische Anwachsen der Kompetenzen auf seiten des Bundes durch die Mitwirkung der Bundesregierung an der Rechtsetzung des Rates führt zunehmend zu einer Verschiebung der innerstaatlichen Gewichte zwischen Bund und Ländern. Aus diesen Gründen bestand der Bundesrat auf einer Fortentwicklung der Länderbeteiligungsrechte, um den Erhalt der Länderstaatlichkeit zu gewährleisten6 .
11, Der Kompensanonsgedanke und Art. 23 GG Auf Verlangen der Länder und unter dem Druck des Ratifizierungsverfahrens erklärte sich die Bundesregierung daher bereit, den Ländern durch eine verfassungsrechtliche Verankerung und gleichzeitige Anhebung ihrer Rechte in Art. 23 GG die Möglichkeit einer gesteigerten Einflußnahme sowohl auf die innerstaatliche Willensbildung als auch auf die Außenvertretung des Bundes einzuräumen7 • 2 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwun der Bundesregienmg, BTDrucks. 12/3540, S. 8. 3 Borkenhagen!Godry, DA 1993, 607 (610); a. A Oppennann/C1assen, die die Ansicht vertreten, daß von einer ernsten Antastung der Länderkompetenzen nicht die Rede sein kann, vgl. APUZ 1993, B 28, 11 (17). 4 Vgl. Breuer, NVwZ 1994, 417 (425); Memminger, in: Borkenhagen/BnmsK1öss, Die deutschen Länder in Europa, 139 (140). , Siehe oben, 2. Kapitel B. I. 1. und TI. 3. mit Nachweisen. 6 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwun der Bundesregienmg, BTDrucks. 12/3540, S. 8. 7 Dies war bereits seit längerem vom Schrifttum verlangt worden, siehe z.B. Schröder, JöR 35 (n.F.) 1986, 83 (101); OschatzlRisse, EA 1988, 9 (14); Ress, EuGRZ 1987, 361 (367); Memminger, in: Borkenhagen/Bnms-Klöss (Hrsg.), ,,Die deutschen Länder in Europa", 139 (142); Tomuschat, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 21 (37); ebenfalls Lerche, Stellungnahme zur Vorbe-
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Gestützt wurde das Begehren der Länderseite auf das Erfordernis der Kompensation für ihre verlorenen Befugnisse. Hierzu gehört vor allem der Verlust weiter Teile ihrer Gesetzgebungskompetenzen8 . Über den Kompensationsgedanken ist in der Vergangenheit ausgiebig gestritten worden9 . Die Kritik richtete sich bereits gegen den Begriff als solchen. So wurde diskutiert, ob er eher dem Rechtsgedanken der bürgerlich-rechtlichen Aufrechnung entspricht oder dem Sinn nach eine Entschädigung darstelleo . Ein gewichtigeres Problem stellte jedoch die Frage dar, ob die Kompensation als durchsetzbarer Rechtsanspruch von den Ländern geltend gemacht werden kann oder lediglich als freiwilliges Zugeständnis der Bundesregierung zu sehen ist, um die Ratifizierung der jeweiligen Gemeinschaftsverträge zu ermöglichen II . Eine Pflicht der Bundesregierung, den Bundesländern Kompensation zu gewähren, konnte sich - wenn überhaupt - entweder aus dem Bundesstaatsprinzip und/oder aus dem ungeschriebenen wechselseitigen Verfassungsgrundsatz der Bundestreue herleiten lassen. 1. Bundesstaatsprinzip Das in Art. 20 Abs. I GG verankerte Bundesstaatsprinzip gewährleistet die Eigenstaatlichkeit der Länder, die sich vor allem in dem Verbleiben wesentlicher Entscheidungsbefugnisse und -hoheiten ausdrückt, sowie die grundsätzliche Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes 12 . Geschützt wird dieser Kernbereich durch die Bestandsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG. Daraus ergibt sich das Gebot zur Bewahrung dieser wesentlichen Entscheidungsbefugnisse. Die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern muß also grundsätzlich erhalten bleiben. Dies ist aber durch die Kompetenzaushöhlung auf seiten der Länder jedenfalls dann nicht mehr gewährleistet, wenn der reitung der 1. öffentlichen Anhörung der GVK. vom 22. Mai 1992, Stenographischer Bericht, S. 101 (111), der sich vehement für die Anhebung der Länderrechte einsetzte. Dieses Engagement für die Länder mündete schließlich in seine Benennung als Prozeßvertreter des Bundesrates in dem bundesverfassungsgerichtlichen Verfahren der Verfassungsbeschwerden gegen den Maastrichter Vertrag. S Nach Riegel ist dies von den Ländern als ,,notwendiges Integrationsopfer" hinzunehmen, DVB11979, 245 (251). 9 Vitzthum bezeichnet ihn als "weder sonderlich originelle(n), noch sonderlich durchschlagende(n) Ausgleichsgedanken", siehe AöR 115 (1990), 281 (294). 10 Zu diesem akademischen Streit siehe Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 835 f 11 Hierzu für die EEA Schütz, BayVBl 1990, 481 (483); auch nach der verfassungsrechtlichen Verankerung der Teilhaberechte besteht diese Frage fort, denn sie wurzelt in dem Problem, ob die Festschreibung in Art. 23 GG mit den übrigen Grundsätzen des Verfassungsrechts im Einklang steht. 12 BVerlGE 34,9 (19f).
A Die Notwendigkeit der gnmdgesetzlichen Verankerung
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Kernbereich des Bundesstaatsprinzips betroffen, nach dem Wortlaut des Art. 79 Abs. 3 GG der Grundsatz der Bundesstaatlichkeit genaugenommen sogar nur "berührt" wird. Die Bestimmung des Zeitpunkts, an dem diese Grenze überschritten ist, wird übereinstimmend als äußerst schwierig beurteile 3 . Konkrete Anhaltspunkte vermag niemand so recht zu geben l4 . Das Problem hierbei liegt zum einen in der Schwierigkeit, die ihrerseits nur schwer greifbaren, weil vage gehaltenen Prinzipien des Art. 79 Abs. 3 GG zu konkretisieren 15 . Zum anderen ist wegen des sich hinziehenden Abwanderungsprozesses an Kompetenzen nur schwerlich festzustellen, ob durch eine bestimmte Kompetenzübertragung und punktuelle Kompetenzwahrnehmung durch die EU nun die Schwelle des Art. 79 Abs. 3 GG überschritten ist oder nicht l6 . Nur eine summierende Bilanz kann hier überhaupt zum Ergebnis führen. Diese quantitative Betrachtungsweise l7 wird man heute allerdings mit der sog. qualitativen Betrachtungsweise 18 zu kombinieren haben, um zu einem vernünftigen Ergebnis zu gelangen. Diese letztgenannte Ansicht sucht den Kernbereich der Bundesstaatlichkeit anhand qualitativer Kriterien positiv zu bestimmen, indem sie darauf abstellt, ob der Integrationsprozeß bereits soweit fortgeschritten ist, daß die Eigenstaatlichkeit der Länder insbesondere im Bereich der Gesetzgebung durch den Verlust ihrer typischen und historisch geprägten Erscheinungsform beeinträchtigt wird19 . Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu seinerzeit festgestellt, daß die Eigenstaatlichkeit der Länder nur dann noch gewährleistet sei, "wenn ihnen ein Kern eigener Aufgaben als Hausgut unentziehbar verbleibt,,20 . Dies allein ist eine hinreichend unbestimmte Formulierung. Das Gericht definiert diesen Bereich nichel , konkretisiert aber seine Vorstellungen von der Eigenstaatlichkeit der Länder dahingehend, daß dem Land die freie Bestimmung über seine OrgaZ.B Weber, DVBl1986, 801 (802); Philipp, ZRP 1992,433 (437). Ossenbühl spricht hier von einer "allgemeinen Ratlosigkeit", DVBI 1993, 629 (632); nach Eise1stein ist dieser ZeitpW1k.t dann erreicht, wenn die Länder ihr nahezu ausschließlich im Kultusbereich verbliebenes "lmabgeleitetes Eigenwirklmgsrecht" einbüßen würden, vgl. NVwZ 1989, 323 (330). Dagegen hat Riegel die zweifelhafte Ansicht vertreten, daß die Hauptbedeutung der Länder ohnehin im Verwaltlmgsvollzug läge lmd Art. 79 Abs. 3 GG auch nur in dieser Hinsicht relevant werden könnte, vgl. DVBl1979, 245 (251). 1~ Siehe Ossenbühl, DVBl1993, 629 (632). 16 Streinz, DVBI 1990, 949 (962); Murswiek spricht hier zutreffend von einer "Salamitaktik", Süddeutsche Zeitlmg vom 14. Oktober 1992, S. 11. 17 Sie wird von der h.M. vertreten, vgl. Haas, DÖV 1988, 613 (615); Schütz, Der Staat (1989),201 (209); Jooss/Scheurle, EuR 1989, 226 (234). ]I Dörr, NWVBl1988, 289 (292f). 19 Vgl Dörr, NWVBl1988, 289 (293); Baumhof, S. 58. 20 BVerfGE 34,9 (19). 21 "Was immer im einzelnen dazu gehören mag ... ", BVerfGE, ebd. 13
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
nisation und seiner in der Landesverfassung enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen sowie die Garantie der verfassungskräftigen Zuweisung eines angemessenen Anteils am Gesamtsteueraufkommen im Bundesstaat verbleiben muß22 . Auf den Erhalt der Reste von Gesetzgebungs- oder Verwaltungszuständigkeiten der Länder scheint das Gericht weniger Wert zu legen, da die Länder aus solcher Sicht "als Staaten (00') nach und nach ausgehöhlt (würden), so daß am Ende nur noch eine leere Hülse von Staatlichkeit übrig bliebe,a3 . Daran gemessen wird man heute feststellen müssen, daß den Ländern zwar ein erheblicher Teil ihrer Befugnisse abhandengekommen ist, diese Entwicklung aber gerade noch nicht in den Kernbereich des Bundesstaatsprinzips eindringf4 , sodaß sich unmittelbar noch kein Handlungszwang ergibt. Sollte die EU allerdings weiterhin immer wieder und mit Erfolg die Finger nach dem ausstrecken, was für die Länder ihre letzte Domäne darstellt - nämlich die Kultur und hier insbesondere der Bereich des Medienrechts2S - so müßte vermutlich ein Einbruch in den Kern ihrer Eigenstaatlichkeit konstatiert werden. Ebenso bedrohlich scheint in dieser Hinsicht die mit der Wirtschafts- und Währungsunion verbundene Konjunktur-, Haushalts- und Fiskalpolitik der EU zu sein. Denn hierdurch könnte leicht die Fiskal- und Haushaltshoheit der Länder nach Art. 109 Abs. I GG verletzt werden26 , die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzweifelhaft unter den Begriff des Hausguts und damit in den Kernbereich der Eigenstaatlichkeit der Länder fallen27 • Auch das Bundesverfassungsgericht scheint in seinem ,,Maastricht-Urteil" davon auszugehen, daß der Kernbereich der Länderstaatlichkeit noch nicht betroffen ist, wobei es besondere Hoffnungen in das neu verankerte Subsidiaritäts-
BVerfGE, ebd., S. 20; hierzu näher Ossenbühl, DVB11989, 1230 (1231). BVerfGE, ebd., S. 19; Kewenig versucht dagegen, den Begriff des Hausguts auch anhand einer qualitativen Analyse der verbliebenen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder näher zu bestimmen. Wichtig ist seiner Ansicht nach vor allem, daß den Ländern ein "Strauß" von Sachzuständigkeiten erhalten bleibt, zu dem unzweifelhaft der Kern der Kulturhoheit mit dem wichtigen Bereich des Medienrechts gehöre, vgl. JZ 1990, 458 (46lf.); ähnlich Dörr, NWVBI 1988, 289 (293) und Kirchner/Haas, JZ 1993, 760 (769), die auf ,,Kompetenzvielfalt" setzen. 24 So auch die übetwiegende Ansicht in der Literatur, siehe z.B. Stein, EuR 1993, 328; Schotten, VR 1992, 305 (311); Kirchner/Haas, JZ 1993, 760 (769); ebenso Philipp, der diesen Zeitpunkt aber - nach Maastricht - unmittelbar bevorstehen sieht, ZRP 1992,433 (437); nach Rupp ist der Zeitpunkt mit Maastricht bereits gekommen, ZRP 1993, 211 (213); desgleichen Wolf, JZ 1993, 594 (599). 2' Zur Kulturhoheit der Länder ausfiihrlich Geis, DÖV 1992, 522ff. 26 Ebenso Kirchner/Haas, JZ 1993,760 (769). 27 Siehe BVerfGE 34,9 (19f.) 22
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A Die Notwendigkeit der gnmdgesetzlichen Verankenmg
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prinzip setzf 8 . Daraus folgt, daß das Bundesstaatsprinzip für sich allein - jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt - noch keine Pflicht zur Kompensation zu begründen vermochte29 . Es zeigt sich aber auch, daß es die Stoß richtung des Kompensationsgedankens trägt und ihm jedenfalls nicht entgegensteht. Eine grundgesetzliche Ermächtigung zur Kompensation war damit nicht ausgeschlossen3o .
2. Bundestreue Ähnliches gilt für den Grundsatz der Bundestreue31 . Das Bundesverfassungsgericht hat diesen ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz als moderierendes Moment anerkannt, das im Bund-Länder-Verhältnis die Beteiligten zwingt, bei der Ausübung ihrer Kompetenzen auf die Belange des jeweils anderen Rücksicht zu nehmen32 . Er stellt einen äußersten Rechtsbehelf zur Behebung empfindlicher und schwerwiegender Störungen der bundesstaatlichen Ordnung dar33 . Aus ihm müßte sich für die Bundesregierung das Gebot herleiten lassen, daß sie die Länder an der Ausübung der Kompetenzen beteiligt, die früher den Ländern zustanden, im Zuge der Vergemeinschaftung aber auf die Bundesregierung übergegangen sind34 • Gegen eine Herleitung des Kompensationsgedankens aus dem Grundsatz der Bundestreue ist eingewandt worden, der Grundsatz konstituiere Rechte und Pflichten innerhalb des bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen Bund und Ländern, hier dagegen gehe es um die Begründung eines neuen, selbständigen Rechtsverhältnisses 33 . Dies trifft jedoch nicht zu, denn die Kompensation greift in das bestehende Rechtsverhältnis zwischen Bund und Ländern ein, um dessen durch den Integrationsprozeß gestörte innere Balance wiederherzustellen. Um der Sachlage gerecht zu werden, ist es notwendig, das Rechtsverhältnis zwischen Bund und Ländern als Ganzes zu betrachten. Zu diesem Rechtsverhältnis gehört auch das bereits im Grundgesetz selbst angelegte natürliche Spannungsverhältnis zwischen Integrations- und Bundes21 BVerfGE 89, 155 (2l0f); vor übertriebenen Hoffill.mgen kann allerdings angesichts der langjährigen ,,Kompetenzausweitungspraxis" der Kommission und des Rates nur ,ewamt werden, vgl. oben, 2. Kapitel A 11 5. 2 Ebenso Schütz, BayVBl1990, 481 (483); Tomuschat, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 21 (37), Rudolf, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 263 (272). 30 Vgl. auch Ress, EuGRZ 1986, 549 (555). 31 Zu den Gnmdlagen der Bundestreue siehe Bleckmann, JZ 1991, 900ff. 32 BVerfGE 61, 149 (205). 33 Ossenbühl, DVBl1989, 1230 (1232). 34 Dafür tritt Tomuschat ein, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 21 (39). 3' So Schütz, BayVBl1990, 481 (483).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bwtdesrates
staatsprinzip 36 . Es bildet neben der rein innerstaatlich ausgerichteten Seite die andere Facette des Rechtsverhältnisses zwischen Bund und Ländern. Wegen der breiten Kompetenzwahrnehmungen durch den Bund und die EU besteht das urspünglich austarierte Gleichgewicht zwischen bundes- und länderstaatlichen Kompetenzen nicht mehr in jeder dieser Facetten. Wie eben festgestellt, ist es aber zu einem - i.S.d. Art. 79 Abs. 3 GG - wesentlichen Ausschlag zur Bundesseite hin noch nicht gekommen. Dies hindert allerdings die Berufung auf das Prinzip der Bundestreue als Grundlage der Kompensation nicht, denn dieses setzt wegen seiner fehlenden Einbindung in Art. 79 Abs. 3 GG nicht erst beim Schutz des Kernbereichs an. Da die Verfassung keinen statischen Charakter besitzt, kann sie selbst für den notwendig gewordenen Ausgleich sorgen, ohne daß die Betroffenheit des Kernbereichs erforderlich wäre37 . Dem kann sich die Bundesregierung jedenfalls solange nicht widersetzen, als ihre eigenen Kompetenzen nicht verletzt werden38 . Wenn das Prinzip der Bundestreue die Kompensation eingebüßter Länderkompetenzen vielleicht nicht zwingend gebietet, so kann aber mit Sicherheit festgestellt werden, daß es den Kompensationsgedanken als solchen grundgesetzlich träge 9 .
ill. Fazit Damit wird deutlich, daß die Verfassungsänderung des Art. 23 Abs. 2, Abs. 47 GG, die auf dem Gedanken der Kompensation in der Gestalt von Teilhaberechten der Länder beruht, durch die vorhandenen einschlägigen Verfassungsgrundsätze getragen wird. Sie berücksichtigt zudem die jahrelang geforderte Heranziehung der innerstaatlichen Zuständigkeitsnormen der Artt. 70ff., 83 ff. GG. Gegen die Übertragung dieser Normen ist vorgebracht worden, daß das Gemeinschaftsrecht aus einer autonomen Rechtsquelle fließe und daher vom innerstaatlichen Recht zu trennen sei40 . Bei der Beteiligung der Bundesländer han36 Vgl. Memminger, in: BorkenhagenlBrwts-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 139 (142); Baumhof, S. I; Vitzthurn, AöR 115 (1990), 281 (283). 37 Vgl. Kirchhof, EuR Beiheft 111991, 11 (16); ebenfalls für die Zulässigkeit einer Kompensation auch wtterhalb der Schwelle des Art. 79 Abs. 3 GG tritt Schröder ein, JöR 85 (n.F.) 1986,83 (98). 38 So wohl auch Tomuschat, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bwtdesländer wtd Europäische Gemeinschaft, 21 (39f.) 39 Im Ergebnis ebenso Tomuschat, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bwtdesländer wtd Europäische Gemeinschaft, 21 (39); Mosler, in: HdStR, Bd. vrr, § 175 Rdnr. 75. Auch Schütz scheint mit seiner Ablehnwtg letztlich nicht zufrieden zu sein, denn im Ergebnis bejaht auch er - allerdings ohne Begriindwtg - das Erfordernis der Kompensation, vgl. BayVB11990, 481 (483); a.A. v. SimsonlSchwarze, S. 36f., die-wenn überhaupt - aus dern Prinzip der Bwtdestreue allenfalls einen Informations- wtd Anhörwtgsanspruch der Länder abgeleitet sehen wollen. 40 v. SimsonlSchwarze, S. 35.
A. Die Notwendigkeit der gnmdgesetzlichen Verankenmg
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delt es sich aber tatsächlich in erster Linie um die innerstaatliche Mitwirkung. Es geht um die innerstaatliche Facette des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Bundesregierung und Bundesrat und damit zuvörderst um innerstaatliches Recht. Lediglich hinsichtlich der Außenvertretung Deutschlands innerhalb der EU nach Art. 23 Abs. 6 GG schlägt die Beteiligung der Länder nach außen hin durch. Dies ist jedoch gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden, da gerade dies durch Art. 146 EGV erst ermöglicht wurde. Das bislang geltende einfachgesetzliche Mitwirkungsverfahren der Länder durch den Bundesrat nach Art. 2 EEAG und die daran anknüpfenden, gesetzlich nicht fixierten Praktiken wurden auch von einigen Sachverständigen, die die GVK angehört hatte, als zu schwach beurteilt. Dies galt vor allem mit Blick darauf, daß es hierfür immer noch an einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Grundlage mangelte41 ; wenn auch das Zustimmungsgesetz zur EEA die Rechte der Länder deutlich aufgewertet hatte, stellte gerade dies in den Augen vieler problematische Verfassungsdurchbrechungen - wie z.B. die Verletzung der Bundeskompetenz im Auswärtigen Bereich gern. Art. 32 Abs. 1 GG - dar42 • Aus Sicht der Länder galt es daher, diesen Mangel zu beheben und die Mitwirkungsrechte der Länder verfassungskräftig abzusichern. Kritische Stimmen haben dagegen das Vorliegen eines sachlichen Grundes und damit die Notwendigkeit einer Verstärkung und verfassungsrechtlichen Verankerung der Mitwirkungsbefugnisse der Länder in europäischen Angelegenheiten bezweifelt und vermuteten, daß es den Ländern mehr um eine Veränderung der Gewichte im internen Verfassungssystem als um die europäische Integration gehe43 . Ob diese Kritik gänzlich unberechtigt ist, mag hier dahingestellt bleiben. Sie läßt jedoch völlig außer Acht, daß jedenfalls bereits aus politischen Gründen die tatsächliche Notwendigkeit zur Stärkung der Länderrechte bestand. Denn schließlich hatten die Länder ihre Zustimmung zum Ratifikationsgesetz unter den Vorbehalt der verfassungsrechtlichen Verankerung und Erweiterung ihrer Mitwirkungsrechte gestellt und damit erheblichen Druck auf die Bundesregierung ausgeübt44 . Ohne ihre Zustimmung hätte der Maastrichter Vertrag nicht in Kraft treten können. 41 Lerche, Stellungnahme zur Vorbereitung der 1. öffentlichen Anhönmg der GVK vom 22. Mai 1992, Stenographischer Bericht, S. 101 (111). 42 Siehe z.B. Herdegen, EuGRZ 1992, 589 (593); Frowein, in: 40 Jahre Bundesrat (Hrsg. Bundesrat), S. 2851[; Ress, EuGRZ 1986,3611[; Tomuschat, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, S. 211[; Schütz, BayVB11990, 481 (488); gegen die Notwendigkeit einer Vetfassungsändenmg dagegen Memminger, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 61 (65). 43 So z.B. Everling, DVB11993, 936 (946). 44 Vgl. oben, 2. Kapitel B. I. 1.; ebenso Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregienmg, BT-Drucks. 12/3540, S. 8, in der der Bundesrat die Fortentwicklung der Mitwirkungsrechte als eine unabdingbare Voraussetzung für die Ratifizienmg des Maastrichter Vertrags bezeichnete.
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3. Kapitel: Die Mitwirkwtgsrechte des BlDldesrates
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen I. Der Grundsatz der Mitwirkung in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 sowie Art. 50 GG Den Generaltatbestand4S der Beteiligung des Bundesrates bildet Art. 23 Abs. 2 GG. Dieser trifft in seinem Satz 1 die Aussage, daß der Bundesrat in Angelegenheiten der EU mitwirkt. Damit stellt Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG klar, daß im nationalen Innenverhältnis die Angelegenheiten der EU nicht mehr ausschließlich Sache der Bundesregierung sind46 . Dementsprechend ist auch Art. 50 GG, der die Aufgaben des Bundesrates allgemein umschreibt, um die grundsätzliche Feststellung der Mitwirkung erweitert worden. Aus dieser Vorschrift scheint auch der Begriff der ,,Mitwirkung" entnommen zu sein, da dort bislang bereits festgelegt war, daß die Länder durch den Bundesrat bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes ,,mitwirken". Auch § 1 EUZBLG stellt den Grundsatz der Mitwirkung noch einmal fest. Aufgegriffen wird dieser Grundsatz ferner in der Präambel der in Ausführung zu § 9 EUZBLG am 29. Oktober 1993 getroffenen Bund-Länder-Vereinbarung über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der EU (im folgenden: BLVt7 . Im Anschluß an das Bekenntnis zur Verwirklichung eines vereinten Europas und zum Vertrag über die EU erkennen Bund und Länder die gegenseitigen Informations- und Handlungspflichten an, die - wie ausdrücklich vermerkt - im wechselseitigen bundesstaatlichen Treueverhältnis wahrzunehmen sind. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern auf der Grundlage des Art. 23 GG und des EUZBLG soll "eng und vertrauensvoll" erfolgen und nach Maßgabe der BLV durchgeführt werden48 . 4~ Fischer, ZParl1993, 32 (42); Scholz, NVwZ 1993, 817 (820).
Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 19. Abgedruckt in: Handbuch des BlDldesrates fiir das Geschäftsjahr 1993/94, (Hrsg. BlDldesrat), S. 166ff. 41 Mit der Terminologie der ,,zusammenarbeit" paßt sich die BlDld-Länder-VereinbaflDlg an die ForrnulieflDlg im Titel des EUZBLG an, während das GTlDldgesetz selbst in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 von ,,mitwirken" spricht. Zwar bringt der Terminus des ,,Mitwirkens" die aktive lDld gestaltende Rolle zum Ausdruck (vgl. WilheIm, BayVBl1992, 705 (706)), dennoch vermittelt die Wortwahl ,,zusammenarbeit" nach herkömmlichem Sprachgebrauch eher das Bestehen einer gleichberechtigten Teilhabe am Zusammenwirken. Aus dieser AbweichlDlg ergeben sich jedoch keine AusleglDlgsprobleme, denn maßgebend ist allein die im GTlDldgesetz enthaltene ForrnulierlDlg. Diese entspricht zudem auch eher der rechtlichen Wirklichkeit, denn es handelt sich nach wie vor um die WillensbildlDlg des BlDldes, an der die Länder sich beteiligen lDld mitwirken können. Die Wortwahl des EUZBLG scheint demgegenüber eher den VorstelllDlgen der Länder RechnlDlg zu tragen, indem sie die Teilhabe der Länder als echte Zusammenarbeit gleichberechtigter Partner charakterisiert. Im Unterschied dazu hatte die alte 46 47
B. Die Mitwirkungsrechte im. einzelnen
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Entsprechend dem Charakter einer Grundsatzbestimmung spricht Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG von der Mitwirkung in Angelegenheiten der EU im allgemeinen. Um welche Angelegenheiten es sich dabei handelt und wie die Mitwirkung im einzelnen ausgestaltet ist, bleibt der weiteren Regelung des Art. 23 GG sowie dem EUZBLG und der neuen BLV überlassen. Sowohl aus Art. 23 Abs. 2 Satz 1 als auch aus Art. 50 GG und § 1 EUZBLG ergibt sich wegen des Grundsatzcharakters dieser Normen und ihrer allgemeinen Fassung als Funktionsbeschreibung noch keine konkrete Sachzuständigkeit des Bundesrates oder der Länder. Diese kann lediglich durch die nachfolgenden, speziellen Regelungen begründet werden.
n. Bundesratsverfahren Vom Ursprung her sind die Länder alleinige Anspruchsberechtigte ihrer Beteiligungsrechte gegenüber dem Bund. So ist die neue BLV - wie diejenige vom 17. Dezember 1987 - zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder getroffen worden, denn der Bundesrat hätte in seiner Funktion als Bundesorgan in diesem Falle nicht für die Länder handeln können. Zwar wird im Titel der Vereinbarung die grundsätzliche Anspruchsberechtigung der Länder herausgestellt, dennoch richten sich die Rechte und Pflichten - jedenfalls bei der Beteiligung der Länder an der Willensbildung des Bundes - auf das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundesrat. Damit bedienen sich die Länder zwecks rascher Bündelung ihrer Interessen, besserer Artikulationsmöglichkeit und verbindlicher Formierung ihrer Interessen des Bundesorgans Bundesrat. Art. 23 GG sieht damit ein erneuertes Bundesratsverfahren vor49 . Dies zeigt, daß man den mit dem Zustimmungsgesetz zur EEA eingeschlagenen Weg weiterverfolgt und sich endgültig von dem Modell der unmittelbaren Länderbeteiligung nach dem gleichnamigen Verfahren von 1979 abgewandt hat. Ein Grund hierfür liegt sicherlich darin, daß sich das Verfahren nach Art. 2 EEAG in der Praxis weitgehend bewährt hat. Zudem hatte die Bundesregierung befürchtet, daß ein Verlust des im Bundesrat geltenden Mehrheitsprinzips zu einer nicht hinnehmbaren Einschränkung der Handlungsfahigkeit Deutschlands auf europäischer Ebene führen würde 30 .
Bund-Länder-Vereinbanmg vom 17. Dezember 1986 laut Titel noch die Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrates zum Gegenstand, abgedruckt in: Magiera/Merten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, Anhang, S. 263 ff. 49 Siehe hierzu die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks. 12/3540, S. 5. ~o So auch Dästner, NWVB11994, 1 (3).
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3. Kapitel: Die Mitwirktmgsrechte des BlDldesrates
ill. Das Informationsrecht in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG 1. Information als Voraussetzung der Mitwirkung
Voraussetzung für eine effiziente und verantwortungsvolle Beteiligung an der Willensbildung des Bundes in europäischen Angelegenheiten ist eine umfassende und rechtzeitige Information über die gesetzgeberischen Vorhaben und sonstigen Entwicklungen der EU31 . Zu diesem Zweck schreibt Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG als Grundsatz die Pflicht der Bundesregierung zur urofassenden Unterrichtung des Bundesrates zum frühestmöglichen Zeitpunkt fest. Damit ist die Unterrichtungspflicht erstmals verfassungsrechtlich verankert worden. Eine detaillierte Regelung dieser Informationspflicht findet sich in § 2 EUZBLG. Danach unterrichtet die Bundesregierung den Bundesrat unbeschadet des Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen urofassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle Vorhaben im Rahmen der EU, die für die Länder von Interesse sein könnten. Der Hinweis auf das alte Unterrichtungsverfahren von 195732 stellt klar, daß das neue Verfahren neben dieses tritt und es nicht ersetzt. Das alte Unterrichtungsverfahren bleibt demnach formal in Kraft33 . Demgegenüber fehlt hier ein solcher Hinweis auf das Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 EEAG34 . Der Grund hierfür ist das Außerkrafttreten des EEAG durch das Inkrafttreten des EUZBLG gern. § 15 EUZBLG. Da gern. § 16 EUZBLG dieses Gesetz mit dem Tag der Gründung der EU in Kraft getreten ist, ist das alte Verfahren nach Art. 2 EEAG am 1. November 1993 außer Kraft getreten und durch das neue Beteiligungsverfahren nach Art. 23 Abs. 2 GG, § 2 EUZBLG ersetzt worden33 . In rechtlicher wie in praktischer Hinsicht bleibt dies jedoch ohne wesentliche Auswirkungen, denn der Wortlaut des § 2 EUZBLG entspricht dem des Art. 2 Abs. I EEAG. Ferner weist die Begründung zum Entwurf des EUZBLG darauf hin, daß auch die bisherige Praxis nach Art. 2 Abs. 1 EEAG beibehalten werden so1l36 . ~1 Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 21; ebenso auch Fischer, ZParl 1993,32 (41). ~2 BGBl. TI 1957, S. 753. ~3 Praktische Auswirktmgen hat dies allerdings nicht, denn das alte UnterrichtlDlgsvetfahren, das noch über das BlDldeskanzleramt lief lDld in dessen Rahmen die Zuleitlmgsschreiben der übersandten Dokumente die Unterschrift des BlDldeskanzlers trugen, wird wegen des zu großen ZeitaufWandes längst nicht mehr praktiziert. ~4 BGBl. TI 1986, S. 11 02. ~~ So auch Abschnitt Vlll Nr. 1 der BLV vom 29. Oktober 1993. ~6 Gesetzentwutf der BlDldesregier\Dlg, BT-Drucks. 12/3540, S. 5; gesetzestechnisch ist in diesem Zusammenhang allerdings auf eine Ungenauigkeit des Art. 23 Abs. 7 GG hinzuweisen. Dieser bestimmt ausdrücklich, daß das EUZBLG das Nähere nur
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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Mit der Unterrichtungspflicht und dem Unterrichtungsgegenstand der Vorhaben im Rahmen der EU, die für die Länder von Interesse sein könnten, beschäftigt sich ausführlich Abschnitt I der BLV vom 29. Oktober 1993. Dabei ist eine starke, zu einem erheblichen Teil sogar wörtliche Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung des Abschnitts I der alten BLV festzustellen~7 . 2. Unterrichtungsgegenstand Die Unterrichtung des Bundesrates durch die Bundesregierung erfolgt gern. Abschnitt I Nr. 1 der BLV laufend und in der Regel schriftlich. Gern. Abschnitt I Nr. 1 Satz 1 erstreckt sie sich grundsätzlich auf alle Vorhaben im Rahmen der EU, die für die Länder von Interesse sein könnten. Der Begriff des "Vorhabens" ist nicht eindeutig definiert~8 . Er umfaßt nicht die Vorgänge, bei denen es sich um Einzelentscheidungen handelt, d.h. z.B. keine einzelnen Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 169 Abs. 1 EGV, keine einzelnen Beihilfeentscheidungen und auch keine allgemeinen Berichte und Stellungnahmen der Bundesregierung an Organe der EU. Im übrigen ist er aber weit auszulegen~9. Die Unterrichtung bezieht sich auf die Vorlagen, die der Bundesregierung selbst zugeleitet worden sind. Diese werden unter 1. a) bis d) detailliert aufgezählt. Es handelt sich dabei zunächst - unverändert gegenüber der alten Vereinbarung - um Dokumente der Kommission und ihrer Dienststellen, die entweder an den Rat gerichtet oder auf andere Weise der Bundesregierung offiziell zugänglich gemacht worden sind. Des weiteren werden Dokumente des Europäischen Rates, der Ministerräte, der informellen Ministertreffen60 und der Ratsgrernien unabhängig davon übersandt, ob sie der zu den Absätzen 4 bis 6 regelt. Die Unterrichtungspflicht der Blmdesregienmg, zu der sich das EUZBLG als einer Voraussetz1mg der Länderbeteiligung äußert, wird allerdings durch Art. 23 Abs. 2 GG begründet, auf den sich das EUZBLG gern. Abs. 7 nicht beziehen soll. ~1 Siehe hierzu oben, 1. Kapitel A. V. 2. b) aa). ~8 Vgl. MorawitzlKaiser, S. 86. ~9 In der Praxis hat der Begriff des Vorhabens in keines Weise ein einschränkende Interpretation enahren. Vielmehr hat die Blmdesregier1mg an ihrer bewährten Praxis festgehalten, dem Blmdesrat praktisch alle der Blmdesregienmg offiziell zugänglich gemachten Dokumente des Europäischen Rates, des Rates sowie der informellen Ministertreffen zuzuleiten, siehe Bricht des Ausschusses fiir Fragen der Europäischen Union über die Praxis der Mitwirkung der Länder lmd des Blmdesrates in Angelegenheiten der EU, S. 2. 60 Dabei handelt es sich um Zusammenkünfte der jeweils zuständigen Minister oder deren Vertreter ohne feste Tagesordnlmg lmd ohne bindende Beschlüsse, siehe BorchmannlKaiser, in Borkenhagen/Bnms-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 36 (39).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Bundesregierung offiziell zugeleitet wurden oder nicht. Den Bundesrat erreichen ferner auch Kommissionsdokumente, die der Bundesregierung offiziell zugänglich gemacht wurden, aber nicht als Ratsdokumente erscheinen. Zudem erhält der Bundesrat inoffiziell zugeleitete vorbereitende Entwürfe der Kommission, damit er bereits in einem frühen Stadium, in dem noch kein offizieller Vorschlag der Kommission vorliegt, mit den Beratungen und der Meinungsbildung beginnen kann. Ebenfalls unverändert gegenüber der bisherigen Praxis übersendet die Bundesregierung gern. 1. b) der BLV die ihr vorliegenden Berichte und Mitteilungen über Sitzungen des Europäischen Rates, des Ministerrates und der informellen Ministertreffen, des Ausschusses der Ständigen Vertreter und sonstiger Ausschüsse oder Arbeitsgremien des Rates sowie der Beratungsgremien der Kommission. Nach 1. c) werden von der Übersendung auch die Berichte der Ständigen Vertretung über Entscheidungen der Kommission und Sitzungen des Minsterrates, der informellen Ministertreffen und des Ausschusses der Ständigen Vertreter erfaßt. Neu ist hier die Einbeziehung von Sitzungsberichten des Europäischen Parlaments und seiner Ausschüsse. Wie die alte BLV weist auch die neue ausdrücklich darauf hin, daß der Bundesrat dafür zu sorgen hat, daß nur ein begrenzter Personenkreis innerhalb der zuständigen obersten Landesbehörden Zugang zu diesen unter 1. c) genannten Berichten der Ständigen Vertretung erhält61 . Außerdem hat die Bundesregierung den Bundesrat nach 1. d) auch über diejenigen färmlichen Initiativen, Stellungnahmen und Erläuterungen zu unterrichten, die sie selbst an die Organe der EU gerichtet hat. Dies gilt auch für Initiativen anderer Mitgliedsstaaten, sofern diese der Bundesregierung offiziell zugeleitet worden sind und für die Meinungsbildung der Länder bedeutsam sind. Miteinbezogen in die Unterrichtung sind auch Unterlagen über Vorhaben, die auf Beschlüsse der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten gerichtet sind62 . Die Pflicht zur Unterrichtung über Verfahren vor den Europäischen Gerichten, insbesondere vor dem Europäischen Gerichtshof, an denen die Bundesre61 Dieses Vertraulichkeitserfordemis besteht insbesondere dann, wenn es sich um Anf:elegenheiten handelt, die sich bereits in der Beratung befinden. 2 Die Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten bilden den Ministerrat. In der Regel tagen sie als dessen Mitglieder. Sie können jedoch auch in ihrer Funktion als Regierungsvertreter tagen; dann stellen sie die "im Rat vereinigten Vertreter der Regienmgen der Mitgliedsstaaten" dar. Thre Beschlüsse bewegen sich im intergouvernementalen Bereich (Morawit7lKaiser, S. 119). Sie werden als sog. "uneigentliche Ratsbeschlüsse" bezeichnet. Haben sie ihre Grundlage im Primärrecht, sind sie als völkerrechtliche Verwaltungsabkommen zu qualifizieren. Fehlt diese Grundlage, stellen sie völkerrechtliche Verträge aufgrund völkerrechtlicher Handlungsflihigkeit der Mitgliedsstaaten dar, vgl. hierzu Streinz, Europarecht, Rdnr. 275 sowie SchweitzerlHummer, Europarecht, S. 76.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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publik beteiligt ist, findet sich nunmehr in erweiterter Form in Abschnitt V der BLV Grund für diese erweiterte Ausgestaltung ist die in § 7 EUZBLG getroffene Regelung, nach der die Bundesregierung auf Verlangen des Bundesrates63 vor dem Europäischen Gerichtshof oder dem Gericht erster Instanz Klage erhebt, sofern und soweit die Länder durch ein Handeln oder Unterlassen von Organen der Union betroffen sind und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat (Abs. I) oder wenn die Bundesregierung in einem vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme hat (Abs. 2). Im ersten Fall handelt es sich um eine Nichtigkeitsklage nach Art. 173 EGV oder um eine Untätigkeitsklage nach Art. 175 EGV; im zweiten Fall geht es vor allem um Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 177 EGy6'I . Die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung erstreckt sich gem. Abschnitt V Nr. 1 der BLV zunächst wie bisher auf alle Dokumente und Informationen sowie auf Urteile in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof und dem Gericht erster Instanz, an denen die Bundesregierung beteiligt ist. Darüberhinaus hat der Bundesrat sich nunmehr hinsichtlich der Ausübung von Klagerechten und der Prozeßführung auch aktive Mitwirkungsrechte erstritten6~ . Über sonstige Entwicklungen innerhalb der EU oder die ausdrücklich genannten Unterlagen zur ergänzenden Information unterrichtet die Bundesregierung den Bundesrat mündlich im Wege der ständigen Kontaktpflege. Diese ständige Kontaktpflege besteht auf allen Ebenen, d.h., sie reicht von der Referenten- bis zur politischen Ebene. Sie ist insbesondere für die Fälle vorgesehen, in denen schriftliche Dokumente erst gar nicht entstehen, also vor allem in Verhandlungssituationen66 . 1m Unterschied zur alten BLV ist nunmehr nicht mehr ausdrücklich vorgesehen, daß die Unterrichtung während der Parlamentsferien fortläuft, da dies als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Diese Praxis ist auch unumgänglich, da der Beratungs- und Verhandlungsrhythrnus der EU sich nach seinen eigenen zeitlichen Regeln und nicht nach den parlamentarischen Regeln der Bundesrepublik richtet. 3. Unterrichtungsverfahren
Abschnitt I Nr. 2 der BLV schreibt ebenso wie die frühere Vereinbarung vor, daß die Unterrichtung zum frühestmöglichen Zeitpunkt und auf dem kürzesten 63 Vgl. Dästner, NWVB11994, 1 (3).
64 Siehe hierzu die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks. 12/3540, S. 6. 6~ Siehe dazu unten, unter VI. 66 Daß die hier bedeutsame Referatsebene in der gewohnten Weise weiter miteinander kommuniziert, ergibt sich zudem aus Abschnitt vm Nr. 3 BLV, wonach ergänzende Formen der fachlichen Zusammenarbeit fortgeführt werden sollen.
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3. Kapitel: Die Mitwirkwtgsrechte des Bwtdesrates
Weg zu erfolgen hat. Der frühestmögliche Zeitpunkt dürfte derjenige sein, zu dem der Bundesregierung nach Erhalt der Dokumente und deren Sichtung und Selektion die Übersendung organisatorisch möglich wird. Die Formulierung zeigt, daß der Bundesregierung bei der Wahl des Zeitpunktes kein Ermessen zusteht, sondern der richtige Zeitpunkt allein an das Vorliegen objektiver Voraussetzungen (Erhalt, Sichtung, Selektion) geknüpft ist. Inzwischen ist die Bundesregierung allerdings dazu übergegangen, kaum noch eine Vorauswahl der Dokumente zu treffen, sondern nahezu alles, was sie selbst erhält, an den Bundesrat weiterzuleiten. An dieser Praxis gemessen wird man den frühestmöglichen Zeitpunkt dann anzunehmen haben, wenn die Bundesregierung selbst Kenntnis erhält. In der Regel ist dies der Fall, wenn eine Beschlußvorlage der Kommission beim Ministerrat eingeht67 . Die Übersendung übernimmt in der Regel das Bundesministerium für Wirtschaft, bei Dokumenten aus dem Bereich der Justiz- und Innenpolitik das Bundesministerium des Inneren. Die mittlerweile sehr zahlreichen Dokumente und Informationen gehen beim Büro des inzwischen in "Ausschuß für Fragen der Europäischen Union" umbenannten EG-Ausschusses des Bundesrates ein68 , bei dem regelmäßig auch die Federführung liegt69 • Dort werden sie in das seit 1985 bestehende Informationssystem KEp70 aufgenommen. Die Verteilung an die Länder und die Zuweisung an die Ausschüsse obliegt nach § 45 a Abs. 1 GOBR dem Bundesratspräsidenten, wird aber in der Praxis gern. Absatz 2 vom Direktor des Bundesrates übernommen. Dieser wird vom EU-Ausschuß hierin unterstützt. Regelmäßig erfolgt eine Aufteilung der Dokumente in drei Kategorien:
67 Vgl. Schütz, BayVBl 1990, 481 (485) zu der Auslegwtg des bereits in Art. 2 EEAG enthaltenen Begriffs der frühestmöglichen Unterrichtwtg. 61 Derzeit liegt die Zahl der Dokumente täglich durchschnittlich bei ca. 100. Teilweise erreicht sie sogar 180 Dokumente. 69 Im Gegensatz zwn Bwtdestag hatte sich der Bwtdesrat konsequenterweise nämlich dafiir entschieden, daß der EU-Ausschuß eine der wichtigsten Rollen bei der Beratwtg von EU-Vorlagen spielen sollte; zur wttergeordneten Stellwtg des EG-Ausschusses des Bwtdestages von 1991 siehe oben, l. Kapitel B. I. 2. c) ee). 70 KEP = Konkordanz - ,!;iG-Vorlagen - farlamentspapiere; hierbei handelt es sich um eine vorlagenbezogene Datensammlwtg zu EU-Vorhaben, die von der Kommission dem Rat zur Behandlwtg zugeleitet worden sind. Jede Vorlage enthält ein sog. Konkordanzb1att, auf dem alle zur Verfiigwtg stehenden wtd relevanten Daten aufgefiihrt werden. Es enthält Quellenangaben wie die Dokumenten-Nr. des Rates wtd der Kommission, den Titel, Folgedokumente des Rates, die Rechtsgrwtdlage des Vorhabens, die BR-Drucksache mit Ausschußzuweiswtgen wtd Behandlwtg im Plenum, die BTDrucksache, die Dokumenten-Nr. des Europäischen Parlaments, die dortige Beratwtg, die Veröffentlichwtg im Amtsblatt der EG wtd bei Richtlinien die vorgesehene UmsetZWlgsfrist.
B. Die Mitwirlamgsrechte im einzelnen
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- Wichtige Dokumente wie z.B. Richtlinienvorschläge werden regelmäßig als Drucksache umgedruckt und an die Ausschüsse versandt. Bei weniger bedeutsamen Dokumenten trifft der EU-Ausschuß eine Auswahl, welche er zur Information an die einzelnen Länder weiterleitet. Dokumente, deren Informationswert der EU-Ausschuß als eher gering einstuft, werden lediglich in die Eingangsliste des KEP aufgenommen und können dort von den Ländern eingesehen und bei Bedarf angefordert werden. Parallel zu diesem Verfahren wurde im April 1995 mit den daran interessierten Ländern der Testbetrieb eines Konzepts für den Anschluß an die elektronische Post zur Übermittlung von EU-Dokumenten aufgenommen, der seit Beginn 1996 nahezu reibungslos verläuft. Hierdurch soll den Klagen der Länder abgeholfen werden, wonach sie die benötigten Dokumente, Einladungen zu Gremiensitzungen und Fernschreiben der Ständigen Vertretung häufig erst erhalten, wenn sie nicht mehr aktuell sind. Allerdings konnten die Verzögerungen bei der Übermittlung von häufig sehr umfangreichen Kommissionsund Ratsdokumenten noch nicht zur Zufriedenstellung abgebaut werden, da diese derzeit noch nicht elektronisch zur Verfügung gestellt werden konnten. Dies soll allerdings ab Mitte 1996 über eine Datenbank beim Bundesministerium für Wirtschaft möglich sein71 . Abweichend von der bisherigen Regelung in Abschnitt I Nr. 2 der alten BLV ist nun nicht mehr festgelegt, daß eine Vorlage in jeweils zwei Exemplaren zu übersenden ist, da dies von der Seite des Bundesrates nicht mehr für notwendig befunden worden war. Unverändert gegenüber der alten BLV bleibt die in Abschnitt I Nr. 3 verankerte Pflicht der Bundes- und Landesministerien, dem Bundesrat im Rahmen der Datenschutzvorschriften Zugang zu ressortübergreifenden Datenbanken zu Vorhaben der EU zu gewähren. Allerdings beginnt diese Vorgabe erst jetzt an praktischer Bedeutung zu gewinnen, da die Bundesregierung bislang nicht über eine solche Datenbank verfügte und diese nunmehr aufbaut. Ebenfalls bestehen bleibt die Verpflichtung der Bundesregierung, sich zu bemühen, dem Bundesrat und den Regierungen der Länder den Zugang zu EU-Datenbanken zu ermöglichen, die grundsätzlich nur den Regierungen der Mitgliedsstaaten offen stehen72 .
71 Näheres zu der neuen elektronischen Übennittlung ist dem Bericht des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union über die Praxis der Mitwirkung der Länder und des Bundesrates in Angelegenheiten der EU vom 16. April 1996, S. 2ff zu entnehmen. 72 Siehe oben, 1. Kapitel A. V 2. b) aa). 10 Lang
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3. Kapitel: Die Mitwirlamgsrechte des Bundesrates
4. Ergebnis Die in Art. 23 Abs. 2 GG verankerten Informationsrechte des Bundesrates stellen eine Fortschreibung seiner bisherigen Informationsrechte auf der Basis des Art. 2 Abs. I EEAG dar. Da das Informationsverfahren bereits in der Vergangenheit eine sehr weitreichende Unterrichtung des Bundesrates gewährleistet hatte, ist in Art. 23 Abs. 2 GG, § 2 EUZBLG sowie Abschnitt I der BLV gegenüber Art. 2 EEAG auf wesentliche Änderungen verzichtet worden. Ein Grund dafür ist, daß es den Ländern aufgrund des bisher erfolgreichen Verfahrens nicht so sehr um ein weiteres Ansteigen des Informationsflusses als um die Fortschreibung und verfassungskräftige Verankerung ihrer aktiven Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte ging. Als erhebliche rechtliche Veränderung ist daher lediglich die verfassungskräftige Verankerung der Unterrichtungspflicht zu nennen. Tatsächlich finden sich lediglich punktuelle Erweiterungen, wie z.B. eine Übersendung von Berichten der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik über die Sitzungen der Ratsgruppen, des Europäischen Parlaments und seiner Ausschüsse. Die größte faktische Veränderung des Unterrichtungsverfahrens wird jedoch durch die Erweiterung der Gemeinschaftspolitik auf den Bereich der Justiz- und Innenpolitik bedingt73 . Damit und durch die Gewährleistung, daß auch inoffizielle Papiere und vorbereitende Initiativen und Entwürfe in die Information miteinbezogen werden, beinhaltet das neue Verfahren eine absolut umfassende und i.d.R. auch rechtzeitige Unterrichtung des Bundesrates. Käme die Bundesregierung ihrer weitgefaßten Unterrichtungspflicht nicht nach, bliebe dem Bundesrat rechtlich nur die Möglichkeit, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. In der Praxis spielt diese Frage jedoch keine Rolle. Angesichts der Fülle von übersandten Informationen stellt sich sogar viel eher die Frage, wie diese personell und sachlich vom Bundesrat bewältigt werden können. In jedem Fall garantieren sie aber dem Bundesrat die Möglichkeit der allumfassenden Information und stellen somit eine wichtige Voraussetzung für die Ausübung seiner Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte dar.
73 Gern. § 11 EUZBLG bleibt dagegen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) unberücksichtigt. Grund hierfiir ist die besondere Vertraulichkeit von Informationen in diesem Bereich, siehe Morawitz/Kaiser, S. 119.
B. Die MitwirJamgsrechte im einzelnen
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No Die Mitwirkung an der innerstaatlichen Willensbildung des Bundes 1. Leitsatz Der Leitsatz für die Beteiligung des Bundesrates an der Willensbildung des Bundes ist in Art. 23 Abs. 4 GG festgelegt. Hiernach ist der Bundesrat an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, sofern er im Falle einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder die Länder innerstaatlich zuständig wären. Wie eingangs erwähnt wurde, richtet sich der Umfang dieser Beteiligungsrechte nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Falle einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme. Mit Maßnahme ist dabei nicht allein der Bereich der Gesetzgebung gemeine 4 . Neben dem klassischen Normierungsbereich, der Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen umfaßt, erstreckt sich der Begriff der ,,Maßnahme" auch auf Aktionsprogramme der EU, Grünbücher, Weißbücher etc. In allen diesen Fällen erhalten die Länder fortan Mitwirkungsrechte. Die feine Abstufung dieser Rechte in den einzelnen Fallgruppen bleibt der Regelung des Art. 23 Abs. 5 GG vorbehalten. Insofern stellt Absatz 4 die Generalnorm der Beteiligung an der Willensbildung dar73 . In ihr wird das Grundanliegen deutlich, daß die Integration nicht zu einer Gewichteverschiebung innerhalb des föderalen Gefüges zugunsten des Bundes führen darf. Die Kompetenzverluste der Länder leben als Mitwirkungsrechte des Bundesrates fort76 . Damit wird der sog. ,,BeteiligungsfOderalismus"77 für die Angelegenheiten der EU erstmalig verfassungsrechtlich legitimiert. 2. Die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme a) VtJrbemerkung
Im Gegensatz zu Art. 2 Abs. 2 EEAG verzichtet Art. 23 GG auf die ausdrückliche Feststellung, daß die Bundesregierung in bestimmten Fällen dem Bundesrat die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme gibt. Diese Aufgabe übernimmt nunmehr § 3 EUZBLG. Danach muß die Bundesregierung dem Bundesrat die Gelegenheit zur Stellungnahme rechtzeitig binnen angemessener Frist einräumen. Auch wenn diese Vorschrift sich zunächst stark an 74 Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 20. 7~ Scholz, NJW 1992, 2593 (2597). 76 Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 20. 77 Siehe Ossenbühl, in: derselbe (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 117 (140). 10'
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
die Regelung des Art. 2 Abs. 2 EEAG anzulehnen scheint und die Begründung zum Entwurf des EUZBLG feststellt, daß sie im wesentlichen der geltenden Rechtslage entspriches, sind zwei interessante Veränderungen festzustellen. War bislang die Stellungnahme dann einzuholen, wenn das Vorhaben ganz oder in einzelnen Bestimmungen erkennbar ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betraf oder deren wesentliche Interessen berührte, reicht es heute dagegen aus, wenn überhaupt Interessen der Länder tangiert werden. Da die Interessen der Länder auf dem Gebiet der Rechtsetzung sehr weit gestreut sind - dies folgt allein schon aus ihrer Kompetenz zum Vollzug von Bundesgesetzen -, gewährt diese neue Regelung dem Bundesrat nunmehr in nahezu allen Fällen das Recht, eine Stellungnahme zu den Vorhaben abzugeben. Ein zweiter Unterschied zeigt sich in der Umschreibung des Zeitpunktes, vor dem die Bundesregierung dem Bundesrat die Gelegenheit zur Abgabe der Stellungnahme zu geben hat. Bislang mußte dies gern. Art. 2 Abs. 2 EEAG allgemein "vor ihrer Zustimmung bei Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften" erfolgen. Nach Abschnitt 11 Nr. 1 Abs. 2 der alten BLV benachrichtigte die Bundesregierung den Bundesrat aber darüber, zu welchem Zeitpunkt eine Stellungnahme von ihr noch berücksichtigt werden konnte. Heute ist dagegen bereits gesetzlich in § 3 EUZBLG festgelegt, daß der Bundesrat die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme rechtzeitig vor der Festlegung der Verhandlungsposition der Bundesregierung erhalten muß. Diese Formulierung kennzeichnet damit ausdrücklich einen früheren Zeitpunkt während der Vorbereitungen auf die Ratsverhandlungen, zu dem die Beratungen innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen sind. Das Gesetz bringt damit klar zum Ausdruck, daß die Bundesregierung zum Zeitpunkt der Abgabe der Stellungnahme noch keine vorgefestigte Ansicht zu dem Vorhaben vertreten darf und aufnahmefähig für Argumente des Bundesrates sein muß. b) Zeitlicher Rahmen Damit die Abgabe einer Stellungnahme nicht zu einer theoretischen Möglichkeit wird, ist es erforderlich, daß der Bundesrat über die Zeitspanne, die ihm für seine Beratungen zur Verfügung steht, unterrichtet wird. Zu diesem Zweck sieht Abschnitt III Nr. I Satz I der BLV die Pflicht der Bundesregierung vor, den Bundesrat in allen Fällen, in denen er die Möglichkeit zur Ab-
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Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3540, S. 5.
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gabe einer Stellungnahme hae 9 , über den zeitlichen Rahmen der Behandlung einer Vorlage in den Beratungsgremien des Rates und der Kommission zu informieren. Darüberhinaus kann die Bundesregierung gern. Abschnitt III Nr. I Satz 2 der BLV - wenn es die Verhandlungslage erlaubt - auch darüber Auskunft geben, bis zu welchem Zeitpunkt sie eine Stellungnahme des Bundesrates vor der Festlegung der eigenen Verhandlungsposition noch berücksichtigen kann. Werden in den Beratungsgremien der EU Vorhaben beraten, zu denen der Bundesrat eine Stellungnahme abzugeben befugt ist, so wird er außerdem gern. Abschnitt IV Nr. I BLV unverzüglich über Ort, Zeitpunkt und Beratungsgegenstand dieser Sitzungen unterrichtet. Der Bundesrat ist allerdings nicht gezwungen, sich sofort eine abschließende Meinung zu bilden und damit eine Stellungnahme abzugeben, von der er später nicht mehr abweichen kann. Abschnitt III Nr. 2 BLV gibt ihm für den Fall, daß im Verlauf der Beratungen und Verhandlungen in Brüssel wesentliche Änderungen an einem Vorhaben vorgenommen werden80 , die Möglichkeit, seine ursprüngliche Stellungnahme den veränderten Bedingungen anzupassen oder zu ergänzen. Nicht geregelt ist der Fall, daß der Bundesrat innerhalb der gestellten Frist zunächst keine Stellungnahme abgibt, sich im Verlauf der Verhandlungen in den Gremien der EU - möglicherweise aufgrund eingetretener Veränderungen der Sachlage - aber nun doch mit einer Stellungnahme in die Verhandlungsmarge der Bundesregierung einschalten möchte. Ausgehend vom Wortlaut des Abschnitts III Nr. 2 "anpassen und ergänzen" müßte davon ausgegangen werden, daß bereits eine Stellungnahme des Bundesrates vorgelegen haben muß, die dann im Verlauf der Beratungen verändert werden kann. Eine solche Auslegung wäre jedoch unpraktikabel und realitätsfern; denn der Bundesrat müßte dann in jedem Fall, auch wenn er im Zweifel darüber ist, ob er die Angelegenheit weiterverfolgen soll oder will, möglichst eine Stellungnahme abgeben, um sich dadurch die Möglichkeit des Eingreifens offenzuhalten. Es entspricht vielmehr dem Regelfall, daß der Bundesrat sich auch nachträglich, wenn die Verhandlungsphase bereits begonnen hat, noch mit einer Stellungnahme zu Wort meldet. Dies ist im Interesse einer flexiblen Behandlungspraxis auch erforderlich, denn dem Bundesrat muß die Möglichkeit offengehalten werden, bei Veränderungen jeder Art seine Mitwirkungsrechte, die ihm nach Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG zustehen, frei ausüben zu können. Schließlich ergibt sich die Zulässigkeit dieser Praxis indirekt auch aus § 45 a Abs. 3 GOBR, wonach die Zuweisung an den Bundesrat Dauerwirkung besitzt und bis zum Abschluß des 79 Dies ist bei allen Vorhaben der EU der Fall, durch die Interessen der Länder berührt werden. so Auch über diese hat die Bundesregienmg den Bundesrat nach Abschnitt I der BLV zu unterrichten.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BlUldesrates
Vorhabens in der EU besteht. Diese Vorschrift folgt aus dem Umstand, daß sich die Zuständigkeit des Bundesrates nicht allein auf konkrete Normsetzungsakte, sondern auch auf begleitende Mitwirkung an Verhandlungen sowie die Angabe von Stellungnahmen zu Grünbüchern, Weißbüchern, Programmen etc. erstreckt81 • c) Die Europakammer des Bundesrates Auch die Europakammer des Bundesrates ist befugt, in einigen Fällen anstelle des Plenums eine Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung abzugeben. aa) Einsetzung der Kammer Der im Zuge der Grundgesetzreform im Anschluß an den Maastrichter Vertrag in die Verfassung eingefügte Art. 52 Abs. 3a GG hat dem Bundesrat die Möglichkeit eröffnet, für die Wahrnehmung seiner Interessen in Europaangelegenheiten einen besonderen Ausschuß, die sog. ,,Europakammer" bilden. Eine entsprechende Pflicht besteht insoweit allerdings nicht. Diese Kammer soll der Effektuierung und verantwortungsvollen Wahrnehmung der Rechte des Bundesrates dienen82 und die Beratung von EU-Vorlagen auch in den Fällen sicherstellen, in denen eine Befassung des Plenums nicht möglich ist. Auch bislang verfügte der Bundesrat neben dem Ausschuß für Fragen der Europäischen Gemeinschaft83 über eine Kammer, die sich neben dem Plenum mit Vorlagen der Europäischen Gemeinschaft befaßte: die sog. EG-Kammer; diese Kammer war 1988 in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise kraft Organisationsgewalt des Bundesrates durch Ergänzung seiner Geschäftsordnung eingerichtet worden und hatte die Aufgabe, in Eilfä1len und bei vertraulichen Vorlagen Beschlüsse für das Plenum des Bundesrates zu fassen 84 • Erhebliche praktische Bedeutung hat diese EG-Kammer allerdings nicht erlangt, denn das Plenum konnte in der Mehrzahl der Fälle immer noch rechtzeitig die erforderliche Entscheidung treffen8S .
Siehe oben, lUlter IV 1. Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 25. 13 Dieser Ausschuß besteht seit 1957, siehe oben, 1. Kapitel A 11. 1. b) aa). 14 Siehe oben, 1. Kapitel A V. 2. b) bb) (2). I~ PüttnerlKretschmer, S. 289; so ist die EG-Kammer zwischen 1988 lUld 1990 1~ diglich ein Ma1- am 14. September 1988 - zusammengetreten, siehe hierzu Vitzthum, AöR 115 (1990), 281 (295). 81
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B. Die Mitwirlumgsrechte im einzelnen
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Im Zuge der Festschreibung verstärkter Mitwirkungsrechte der Länder und des Bundesrates und ihrer vetfassungsrechtlichen Verankerung kam es im November 1993 zu einer erneuten Änderung der Geschäftsordnung86 . Der Bundesrat machte von der in Art. 52 Abs. 3a GG eröffneten Möglichkeit Gebrauch und setzte gern. § 45 b Abs. 1 GOBR eine ,,Europakammer" ein, die die bisherige EG-Kammer ablöste. bb) Besetzung Die Besetzung der Europakammer regelt § 45 b Abs. 2 und 3 GOBR. Danach entsendet jedes Land jeweils ein Mitglied in die Europakammer. Dabei muß es sich um ein Mitglied oder ein stellvertretendes Mitglied des Bundesrates handeln. Stellvertretendes Mitglied der Europakammer für ein Land können dessen übrige Mitglieder und stellvertretende Mitglieder des Bundesrates sein. Dies entspricht der mitgliedschaftlichen Zusammensetzung der alten EGKammer. Daneben gewährleistet § 45 g GOBR auch die Teilnahme von Vertretern und Beauftragten der Bundesregierung sowie der Landesregierungen. Darüberhinaus können mit Einverständnis des Vorsitzenden noch andere Personen zur Teilnahme zugelassen werden. Zu denken ist hier neben Angehörigen der Fach- und Beamtenebene z.B. auch an den Länderbeobachter oder an Personen, die für die Teilnahme an Sitzungen der EU-Beratungsgremien von der Länderseite aus vorgeschlagen werden 87 . cc) Zuständigkeit Die Zuständigkeit der Europakammer regelt § 45 d GOBR. Zunächst wird die Europakammer nach Absatz 1 - wie bisher - in Eilfallen tätig, die eine besonders schnelle Beratung und Beschlußfassung des Bundesrates etfordern. Was unter Eilfall zu verstehen ist, erläutert § 45 d Abs. 2 GOBR. Ein Eilfall liegt danach vor, wenn die Beschlußfassung des Bundesrates zu einem Vorhaben wegen des fortgeschrittenen Beratungsstandes in den Gremien der EU keinen Aufschub bis zur nächsten bereits einberufenen Sitzung des Bundesratsplenums duldet. Dies entspricht faktisch der bisher gültigen Definition des Eilfalls in § 45 d Abs. 1 GOBR (a.F.). Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, daß sich die Organe der EU nicht nach dem innerstaatlichen Beratungsturnus der Mitgliedsstaaten richten und im Gegenzug der Entscheidungsablauf des Bundesratsplenums in europäischen Angelegenheiten sich nach wie vor nicht dem
16 17
Siehe in: Handbuch des B\Uldesrates 1993/94, S. 104 (119ff.). Dazu siehe \Ulten, \Ulter V. 1. \Uld 2.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Arbeitsrhythmus der EU-Organe angepaßt hat 88 . Dadurch besteht regelmäßig die Gefahr, daß mit der Wahrnehmung von Rechten des Bundesrates nach Art. 23 GG, dem EUZBLG und der BLV nicht bis zur nächsten Plenarsitzung des Bundesrates gewartet werden kann, weil die Entscheidung in Brüssel bereits zu einem früheren Zeitpunkt fällt. Daneben ist die Europakarnmer wie in der Vergangenheit auch in Fällen von zu wahrender Vertraulichkeit zuständig. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung nennt § 45 d Abs. 3 GOBR hierfür Beispielsfälle, wobei es sich nicht um eine abschließende Aufzählung (,,insbesondere") handelt. Ein vertraulicher Fall liegt demnach vor, wenn die Vertraulichkleit aus einschlägigen Vorschriften der EU hervorgeht (Nr. I), wenn die Bundesregierung sie für erforderlich hält (Nr. 2) oder ein Land oder ein Ausschuß des Bundesrates sie anregt (Nr. 3). Ein wichtiger Fall der Vertraulichkeit besteht vor allem beim Zusammenwirken mit der Bundesregierung während laufender Verhandlungen. Die Zuständigkeitszuweisung des § 45 d Abs. I bis 3 GOBR stellt klar, daß die Europakammer nur im Ausnahmefall tätig wird. Sie stellt damit kein generell verfügbares Ersatzplenum dar. Im übrigen ist ihre Einberufung auch bei Vorliegen eines Eil- oder Vertraulichkeitsfalles nicht zwingend. Dies ergibt sich aus § 45 d Abs. 4 Satz 1 GOBR, wonach es zum einen der Feststellung der Zuständigkeit durch den Bundesratspräsidenten bedarf und zum anderen bei Vorliegen eines Eil- oder Vertraulichkeitsfalles auch die Möglichkeit einer (außerordentlichen) Einberufung des Plenums besteht. Die Zuständigkeit der Europakammer bezieht sich nach § 45 d GOBR nicht nur auf die Abgabe einer Stellungnahme zur Mitwirkung an der inneren Willensbildung des Bundes. Sie erstreckt sich auch auf Aufgaben, die in Zusammenhang mit der Wahrnehmung der mitgliedsstaatlichen Rechte der Bundesrepublik stehen. Die Europakarnmer wird also ebenfalls bei der fachlichen Unterstützung der mitberatenden oder verhandlungsführenden Ländervertreter in den Beratungsgremien der EU tätig89 . dd) Zuweisung der Beratungsgegenstände Die Zuweisung konkreter Beratungsgegenstände an die Europakarnmer nimmt nach § 45 d Abs. 4 Satz I GOBR der Präsident des Bundesrates90 vor,
11 Insofern gibt es auch aus dem Gesichtspunkt der Gemeinschaftstreue heraus keine Rücksichtnahme, vgl. Vitzthum, AöR 115 (1990), 281 (287). 19 Siehe hierzu unten, unter V. 3. b). 90 Die Praxis folgt der in § 45 d Abs. 4 Satz 2 GOBR vorgesehenen Regelung, wonach der Direktor des Bundesrates im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des EU-
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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nachdem er deren Zuständigkeit im Einzelfall nach den Absätzen I bis 3 festgestellt hat. Die Beratung einer Vorlage in den Fachausschüssen wird nach Absatz 5 der Vorschrift durch die Zuweisung an die Europakammer nicht tangiert. ee) Beratungsverfahren Das Beratungsverfahren der Europakammer regeln die § 45 e - h GOBR. Wegen der Eilzuständigkeit tagt die Europakammer auch während der Plenarferien. Soweit zeitlich möglich, werden die Sitzungen durch die Fachausschüsse vorbereitet. I.d.R. übernimmt vor allem der EU-Ausschuß die Vorbereitung. Grundsätzlich verhandelt die Kammer öffentlich. Dies gilt allerdings nur für EilfaIle; bei Zuständigkeit im Vertrauensfall wird dagegen gern. § 45 f Abs. I Satz 2 GOBR konsequenterweise die Öffentlichkeit auszuschließen sein. Dementsprechend sind die Sitzungsberichte über vertrauliche Beratungen gern. § 45 j GOBR ebenfalls vertraulich, wohingegen Beschlüsse und Begründungen der Kammer gern. § 45 f Abs. 2 GOBR im allgemeinen zu veröffentlichen sind. :ff) Beschlußfunktion Kraft Art. 53 Abs. 3a GG sowie Abschnitt III Nr. 3 der BLV gelten die Beschlüsse der Europakammer als Beschlüsse des Bundesrates; sie ersetzen damit im Falle der Kammerzuständigkeit einen Beschluß des Plenums. Die Europakammer beschließt gern. § 45 h Abs. 3 GOBR - ebenso wie i.d.R. das Plenum - mit der Mehrheit ihrer Stimmen, wobei die Beschlußfähigkeit nach § 45 h Abs. 2 GOBR gegeben ist, wenn die Mehrheit ihrer Stimmen vertreten ist. Die Stimmabgabe und Gewichtung richtet sich gern. Art. 52 Abs. 3a, 2. Halbsatz GG nach Art. 51 Abs. 2 und 3 Satz 2 GG. Diesen Grundsatz greift § 45 h Abs. 1 GOBR auf und stellt damit sicher, daß die Stimmengewichtung derjenigen des Bundesrates entspricht und die Stimmen eines Landes nur einheitlich abgegeben werden können. Nach § 45 h Abs. 1 Satz 3 GOBR verfügen nur die Mitglieder der Europakammer sowie deren Stellvertreter über das Stimmabgaberecht. Ob auch die unter § 45 g GOBR genannten, zur Teilnahme berechtigten Personen ein Stimmrecht besitzen, ist unklar. Der Wortlaut der Geschäftsordnung spricht dagegen, da § 45 g GOBR lediglich die Teilnahme Ausschusses - der mit der Sichtung und Verteilung der Vorlagen betraut ist - die Zuweisung vornimmt.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
an den Verhandlungen der Kammer ermöglicht, die zur Teilnahme berechtigten Personen jedoch nicht ausdrücklich als Mitglieder bezeichnet. Aus dieser Beschränkung des Stimmabgaberechts können sich aber Probleme ergeben. Ist ein Land nur durch seine Regierungsmitglieder in der Europakammer handlungsfahig, so entstehen möglicherweise Schwierigkeiten im Hinblick auf deren engen Terminplan. Dies würde bedeuten, daß im wichtigsten Zuständigkeitsfall der Europakammer - dem Eilfall - die Beschlußfahigkeit nicht gesichert ist und die Europakammer ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nicht in vollem Umfange nachkommen kann. Diese Gefahr besteht umso mehr, als das alte Umfrageverfahren nach § 45 h Abs. 1 Satz 2 i.Vm. § 45 i GOBR (a.F.) abgeschafft worden ist. Danach konnte die Beschlußfassung durch Umfrage herbeigeführt werden, wenn die mündliche Beratung einer Vorlage für entbehrlich gehalten wurde. Dadurch war die Abstimmung abwesender Personen zulässig gewesen. Nunmehr stellt § 45 h Abs. 1 Satz 2 GOBR in Ausführung des Verweises von Art. 52 Abs. 3 a GG auf Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG klar, daß eine Stimmabgabe nur durch Anwesende erfolgen kann. Schließlich müssen die Entscheidungen, die von der Kammer zu treffen sind, nicht notwendig von der politischen Leitungsebene getroffen werden, sondern könnten - gerade im Eilfall - durchaus von der Beamtenebene vorgenommen werden. Dies wäre auch aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig, weil die in Art. 52 Abs. 3 a GG enthaltene Verweisung auf Art. 51 GG gerade Abs. 1 dieser Vorschrift nicht umfaßt, der die Mitgliedschaft im Bundesrat an die Mitgliedschaft in einer Landesregierung bindet. gg) Würdigung Die Zulässigkeit, einen Teil der Beschlußfunktionen des Bundesratsplenums auf ein Unterorgan zu übertragen, das aus seiner Mitte gebildet wird, ist in der Vergangenheit nie bezweifelt worden91 . Kritische Stimmen hatten sich allerdings gegen das Verfahren der Errichtung der EG-Kammer und der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen des Plenums im Wege einer Geschäftsordnungsänderung gewandt und die Organisationsgewalt des Bundesrates für nicht ausreichend zur Delegation von Beschlußfunktionen des Plenums auf Unterorgane befunden92 • Stattdessen war eine Verfassungsänderung für erforderlich gehalten worden93 • Mit der verfassungsrechtlichen Festschreibung hat die GVK und der verfassungsändernde Siehe Z.B. Schütz, BayVB11990, 518 (520). Besonders kritisch hatte sich Schütz (NJW 1989, 2160ff.) geäußert, siehe oben, 1. Kapitel A V 2. b) bb) (2). 93 Schütz, ebd. 91
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B. Die Mitwirlnmgsrechte im einzelnen
155
Gesetzgeber auf diese Kritik reagiert. Dadurch ist gegen die Beschlußfähigkeit der Europakammer anstelle des Plenums auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts mehr einzuwenden. Durch die neuen Regelungen in Art. 52 Abs. 3a GG und § 45 a - h GOBR ist das bisherige Verfahren der Europakammer mithin ausgebaut und verfassungsrechtlich abgesichert worden94 . Vor dem Hintergrund der früheren Praxis war von vorneherein jedoch zweifelhaft, ob die Europakammer zu größerer praktischer Bedeutung gelangen sollte als die bisherige EG-Kammer. Wie die Praxis gezeigt hat, sind diese Bedenken berechtigt gewesen, denn seit der Einsetzung der Kammer hat diese lediglich zweimal getagt. Dies mag zum einen daran liegen, daß der Bundesrat seine Stellungnahmen im regulären Sitzungsturnus beschließt. Andererseits hat es aber auch Fälle gegeben, in denen selbst eine Eilbefassung der Kammer nicht rechtzeitig hätte erfolgen können. Daß darüber hinaus verschiedentlich auf die Einberufung der Kammer verzichtet worden ist, wird vom Bundesrat damit begründet, daß es im Vorfeld bereits erkennbar gewesen sei, daß die Kammer nicht beschlußfähig sein werde95 . Zu einer Vereinfachung der Voraussetzungen für die Beschläßfähigkeit oder die Beschlußfassung hat sich der Bundesrat jedoch bisher nicht durchringen können. 3. Die direkte Beteiligung an der Festlegung der Verhandlungsposition der Bundesregierung Neben der Möglichkeit, durch den Bundesrat eine eigene Stellungnahme zu einzelnen Vorhaben abgeben zu können, üben die Länder auch direkten Einfluß auf die Willensbildung der Bundesregierung aus. Zu diesem Zweck sehen § 4 EUZBLG und Abschnitt 11 Nr. I der BLV vor, daß vom Bundesrat benannte Vertreter der Länder an den Beratungen der Bundesregierung zur Festlegung ihrer eigenen Verhandlungsposition zu einem Vorhaben zu beteiligen sind. Diese Möglichkeit besteht, soweit der Bundesrat an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder die Länder innerstaatlich zuständig wären. Es handelt sich hierbei um sog. "Weisungssitzungen", die der Vorbereitung von Sitzungen europäischer Beratungsgremien dienen. Dadurch erhalten die Länder die Gelegenheit, aktiv am Meinungsbildungsprozeß der Bundesregierung teilzunehmen und bereits frühzeitig Ansichten und Argumente auszutauschen. Im Rahmen dieser Weisungs sitzungen wird gern. § 4 94
PüttnerlKretschmer, S. 291.
9~ Siehe hierzu der Bericht des Ausschusses fiir Fragen der Europäischen Union
über die Praxis der Mitwirlnmg der Länder Wld des BWldesrates in Angelegenheiten der EU vom 16.4.1996, S. 6.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BlUldesrates
Abs. 2 EUZBLG und Abschnitt 11 Nr. 1 Satz 2 BLV auch über die Anwendung der §§ 5 und 6 EUZBLG, d.h. über die Zuordnung der Vorhaben zum Zuständigkeitsbereich des Bundes oder der Länder beraten96 . Da es hier um die Teilnahme an Vorbereitungssitzungen der Bundesregierung geht, die der internen Koordinierung und damit der Orientierung der Länder und des Bundesrates dienen, könnte man dieses Teilnahmeangebot der Bundesregierung auch als einen Unterfall ihrer Unterrichtungspflicht auffassen; allerdings trägt es durch die Möglichkeit der aktiven beratenden Teilnahme bereits stark mitgestaltende Züge, die über eine bloße Rezeption von Informationen hinausgeht. Die Ländervertreter für die Weisungssitzungen hat der Bundesrat 1994 benannt97 . Zu diesen Weisungssitzungen lädt das jeweils federführende Bundesministerium ein98 . Die Bundesregierung erkennt keine Verpflichtung an, die Ländervertreter zu allen oder zu bestimmten Ressortbesprechungen hinzuzuziehen. Gestützt wird dies vom Wortlaut der BLV, die in Abschnitt 11 Nr. 1 lediglich von ,,Beratungen" nicht aber von "den Beratungen" spricht99 . Derzeit erfolgt die Einladung der Ländervertreter zu den Vorbereitungssitzungen zum Ausschuß der Ständigen Vertreter (AStV oder COREPER)lOo, zum SAL 101 und zu den Ministerräten 102 . Nach anianglichem Zögern sind auch die Bundesressorts, die bisher keine Besprechungen zur Festlegung der Verhandlungsposition durchgeführt hatten, dazu übergegangen, solche Sitzungen unter Beteiligung der Ländervertreter durchzuführen. Aus einem Tätigkeitsbericht der für die AStV-Weisungsitzungen benannten Ländervertreter ergibt sich, daß sich die Zusammenarbeit zwischen dem EU-Ausschuß, dem Länderbeobachter und der Bundesregierung gut gestaltet 103 .
Siehe hierzu ausführlich lUlten, lUlter 4. a), 5. a) lUld lUlter V 1. a), 2. b) bb). BR-Drucks. 386/94 (Beschluß). 91 Abschnitt 11 Nr. 1 Satz 1 der BLV; in der Regel handelt es sich dabei um das BlUldesministerium fiir Wirtschaft. 99 Vgl. hierzu MorawitzlKaiser, S. 93. 100 Dabei handelt es sich um die VersammllUlg der in Brüssel akkreditierten Botschafter der Mitgliedsstaaten der EU. Der Ausschuß stellt eine Unterorganisation des Rates dar lUld ist neben der Kommission das wichtigste Organ der EU, vgl. Beutler/ BieberlPipkornlStreil, S. 138. Er bereitet die Arbeit des Rates vor lUld führt dessen Aufträge aus, siehe Streinz, Europarecht, Rdnr. 271. 101 = ~onder!!usschuß Landwirtschaft; der SAL bildet einen Teil des AStV, vgl. Streinz, Europarecht, Rdnr. 271. Näheres hierzu bei BeutlerlBieberlPipkornlStreil, S. 138f. 102 Für die Jahre 1994 lUld 1995 hat der BlUldesrat jeweils zwei Vertreter fiir diese vorbereitenden SitZlUlgen benannt. 103 Siehe hierzu den Bericht des Ausschusses fiir Fragen der Europäischen Union über die Praxis der MitwirklUlg der Länder lUld des BlUldesrates in Angelegenheiten der EU vom 16. Apri11996, S. 4. 96
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B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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4. Die einfache Berücksichtigung der Stellungnahme durch die Bundesregierung gem. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG umfaßt im Verhältnis zu Satz 2 der Vorschrift den Bereich der schwächeren Bundesratsmitwirkung. Danach hat die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates bei der Festlegung ihrer Verhandlungsposition zu den jeweiligen Vorhaben zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigungspflicht umfaßt zunächst die Fälle, in denen ein Vorhaben der EU in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes f,illt und dennoch Interessen der Länder berührt. Außerdem obliegt diese Pflicht der Bundesregierung auch "soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat". a) Anwendungsbereich
aa) Interessen der Länder im Bereich der ausschließlichen Bundesgesetzgebung Der Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes umfaßt alle Zuständigkeiten des Bundes, für die das Grundgesetz auch unter Berücksichtigung der Art. 30 und 70 GG keine Kompetenz der Länder enthält. In diesem Bereich besitzen die Länder gern. Art. 71 GG nur nach ausdrücklicher Ermächtigung lO4 durch Bundesgesetz die Kompetenz zur Gesetzgebung. Er umfaßt nach dem - nicht abschließenden 105 - Katalog des Art. 73 GG Regelungsmaterien von gesamtstaatlicher Bedeutung, die sinnvollerweise vom Bund wahrgenommen werden sollen. Dazu gehören z.B. die Angelegenheiten des Auswärtigen, der Verteidigung, des Währungs-, Zoll-, Handels- und Postwesens sowie der Zusammenarbeit des Bundes und der Länder bei der Kriminalpolizei, der internationalen Verbrechensbekämpfung, dem Schutz der freiheitlichen Grundordnung und dem Verfassungsschutz des Bundes und der Länder. Ebenfalls zu diesem Bereich gehören die Regelungsmaterien der bundeseigenen Verwaltung gern. Artt. 86 ff. GG 106 .
104 Solche Ennächtigungen sind in der Praxis allerdings sehr selten, so z.B. § 22 ParteiG (WahlkampfkostenerstattwJ.g bei Landtagswahlen), vgl. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, S. 160 f 10' Das Gnmdgesetz begründet im übrigen zahlreiche ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen des Bundes; immer dann, wenn es sich um ein ,,Bundesgesetz" handelt, ist dies der Fall, vgl. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, S. 161. 106 Vgl. Randelzhofer, in: Maunz/Dürig/HerzoglScholz, Rdnr. 207 zu Art. 24 GG.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Was unter ,,Interessen der Länder" zu verstehen ist, wird weder in Art. 23 GG selbst noch im EUZBLG näher bestimmeo7 . Der Umstand, daß die Mitwirkungsrechte des Bundesrates gem. § 11 EUZBLG nicht für den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) gelten und diese Materien einen bedeutenden Anteil der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes ausmachen, erschwert eine Definition zusätzlich. Es handelt sich hier um einen relativ unbestimmten und keinen eigentlich rechtlichen Begriff. Eine Konkretisierung erscheint daher schwer möglich. Allgemein ist festzustellen, daß im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes Belange der Länder naturgemäß nicht allzu häufig vertreten sind. Daher ist davon auszugehen, daß Interessen der Länder bereits dann bestehen, wenn deren Belange in irgendeiner Weise tangiert werden. Der Ausdruck "berührt" unterstützt diese Interpretation und stellt klar, daß der Sachbereich der Regelung die Belange der Länder lediglich tangieren muß. Es ist daher nicht erforderlich, daß sie erheblich von dem Vorhaben beeinträchtigt werden. In dem genannten Bereich der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern können vielf"altige Interessen der Länder bestehen, die auf den konkreten Regelungsgegenstand selbst bezogen sind. Aber auch im Bereich der Verteidigung ist eine Berührung von Länderinteressen denkbar, beispielsweise die Berücksichtigung regionaler Interessen bei der Frage von Waffenstationierungen. Ein anderer Anwendungsbereich ergibt sich möglicherweise beim Abschluß grenznachbarschaftlicher Verträge, so z.B. falls Bayern besondere Interessen bei der Alpenkonvention berücksichtigt wissen möchte. Regelmäßig bestehen in solchen Fragen nicht gleichermaßen Interessen aller Bundesländer. Daher reicht es für den Anwendungsfall des Art. 23 Abs. 5 Satz I 1. Alternative GG aus, wenn die Interessen eines einzigen Landes in der beschriebenen Weise berührt sind. Die Stellungnahme wird aber auch in einem solchen Fall vom Bundesrat abgegeben, nicht von dem einzelnen Land. Generell wird man jedenfalls dann von der Berührung wesentlicher Länderinteressen ausgehen müssen, wenn deren finanzielle Belange berührt werden. Unklar ist das Verhältnis zur Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen aus dem Bereich der ausschließlichen Bundesgesetzgebung. Denn hier bestehen ebenfalls regelmäßig Interessen der Länder, auch wenn diese sich lediglich auf Fragen der Verwaltungsorganisation beziehen, wenn die Zustimmungsbedürftigkeit also auf Art. 84 Abs. I oder Art. 85 Abs. 1 GG beruht. Der Bereich der Zustimmungsbedürftigkeit scheint aber nicht deckungsgleich mit dem Bereich der Länderinteressen zu sein; denn in diesem Falle hätte man den Bereich einfacher und präziser mit dem Erfordernis der Zustimmungsbedürftigkeit um107 Auch die Begründungen zu den GesetzentwiiIfen und die Abschlußberichte der GVK. und des Sonderausschusses geben dazu keine Erläuterung.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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schreiben können. Ferner hat die Untersuchung auch gezeigt, daß über den Fall der Zustimmungsbedürftigkeit hinaus einzelne oder gemeinsame Länderinteressen bestehen können. Schließlich wird man dem Bund zugestehen müssen, daß er nicht in allen Fällen, in denen eine Zustimmungsbedürftigkeit gegeben ist, auch im Bereich der europäischen Angelegenheiten Rücksicht auf die Länderbelange nehmen muß, so z.B. dann, vvenn sich lediglich äußerst geringe Auswirkungen auf die Verwaltungsstruktur zeigen. ,,Interessen der Länder" darf also nicht gleichgesetzt werden mit ,,zustimmungsbedürftigkeit" von Gesetzen.
bb) "Soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat" Unabhängig davon, ob Interessen der Länder berührt sind, unterliegt die Bundesregierung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative GG der Berücksichtigungspflicht auch, soweit der Bund im übrigen das Recht zur Gesetzgebung hat. Dies bedeutet zunächst, daß, soweit der Bund außerhalb seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz das Recht zur Gesetzgebung besitzt, die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates immer zu berücksichtigen haeo 8 . Im übrigen ist die Definition dieses Bereichs bei den Beratungen zur Verfassungsänderung zwischen der Bundesregierung und den Ländern lange Zeit umstritten gewesen. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß die Formulierung des Art. 23 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative GG bereits zu einem Zeitpunkt beraten und verabschiedet wurde, als die Beratungen der GVK über die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern noch nicht abgeschlossen waren. Die Formulierung "soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat" ist daher zunächst vor dem Hintergrund der damals geltenden Fassung der Kompetenzzuweisungsregel des Art. 72 GG zu untersuchen. Sodann ist danach zu fragen, ob sich durch die Neufassung des Art. 72 GG :für den Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 5 Satz I 2. Alternative GG Änderungen ergeben haben. (1) Auslegung vor dem Hintergrund des Art. 72 GG (a.F)
(a) Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung gern. Art. 72 Abs. 2 GG (a.F.) Die Umschreibung "soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat" deutet auf den Regelungsbereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung des Bundes hin l09 . Da dem Bund dem Wortlaut nach die lOB Vgl. Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 29 sowie Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 20. 109 Fischer, ZParl1993, 32 (42); Wilhelm, BayVB11992, 705 (708).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Gesetzgebungskompetenz tatsächlich zustehen muß, war es erforderlich, daß die von den Ländern seit langer Zeit vielbeklagte Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllt war llO . Nach dieser Klausel stand dem Bund das Gesetzgebungsrecht im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung insoweit zu, als ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung bestand1ll . Gern. Art. 75 GG galt dies in gleichem Maße für den Bereich der Rahmengesetzgebung. Dafür, daß im Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 5 Satz I 2. Alternative GG die Voraussetzungen der Bedürfnisklausel erfüllt sein mußten, spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Zunächst war von der Bundesregierung die Formulierung "soweit im übrigen Gegenstände der Bundesgesetzgebung betroffen sind" vorgeschlagen worden. Davon wäre neben der ausschließlichen Bundesgesetzgebung auch der gesamte Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung des Bundes erfaßt worden - unabhängig davon, ob ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung bestanden hätte oder nicht ll2 . Die GVK griff diesen Vorschlag allerdings nicht auf, sondern plädierte stattdessen für die jetzt geltende Fassung des Art. 23 Abs. 5 Satz I GG. Denn diese Regelung faßte nicht die gesamte konkurrierende und Rahmengesetzgebung in den Bereich der abgeschwächten Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 5 Satz I GG, sondern knüpfte die Zugehörigkeit zum Bereich der einfachen Berücksichtigung an das Bestehen eines Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung ll3 . Bestand also - unter entsprechender gedanklicher Übertragung auf die innerstaatliche Ebene - bei einem Vorhaben der EU aus einem der in Artt. 74, 74 a und 75 GG genannten Regelungsbereiche ein Bedürfnis nach einer länderübergreifenden Regelung, wurden die Beteiligungsrechte des Bundesrates in gleichem Maße auf die Stufe der einfachen Berücksichtigung einer Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 5 Satz I GG verwiesen, wie dies - innerstaatlich - für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder gegolten hätte 1l4 .
Rande1zhofer, in: MaunzIDüriglHerzogiScholz, Rdnr. 207 zu Art. 24 00. Wortlaut des Art. 72 Abs. 200 (a.F.): Der Bund hat in diesem Bereiche das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfuis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil 1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann oder 2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder 3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschafteinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert. 112 Hierzu Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 22. 113 Schlußbericht der GVK, ebd. 114 Siehe auch Fischer, ZParl1993, 32 (42). 110
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B. Die MitwirkWlgsrechte im einzelnen
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(b) Das Gebrauchmachen von der Gesetzgebungsbefugnis als Abgrenzungskriterium zwischen Art. 23 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 GG Es wurde allerdings relativ rasch deutlich, daß diese aufgezeigte Parallelität des Art. 23 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative GG zur konkurrierenden und zur Rahmengesetzgebung nicht völlig durchgehalten werden konnte, weil sie nicht alle denkbaren Fallkonstruktionen befriedigend zu lösen imstande war" s . Sollte nämlich der Fall eintreten, daß dem Bund das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung nach den Katalogen der Artt. 74, 74a GG sowie den allgemeinen Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG zustand, er von diesem Recht jedoch noch keinen Gebrauch gemacht hatte, kam es zu dem Interpretationskonflikt, ob dieser Fall unter Art. 23 Abs. 5 Satz I 2. Alternative GG oder den noch zu behandelnden Satz 2 zu fassen sein sollte, in dessen Anwendungsbereich die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen hat, die Beteiligung des Bundesrates an der Willensbildung des Bundes also bereits nach dem Wortlaut von einer höheren Qualität ist als nach Satz 1. . Die Bundesregierung, die daran interessiert war, die Beteiligung des Bundesrates möglichst gering zu halten, um eigenständig und ungebunden agieren zu können, vertrat die Ansicht, daß bei der beschriebenen Konstellation ein Anwendungsfall des Satzes 1 vorläge, da der Bund das Recht zur Gesetzgebung besäße 11 6 . Demgegenüber nahmen die Länder diesen Bereich für ihre stärkere Einflußnahme nach Satz 2 in Anspruch ll7 . Nach ihrer Ansicht hätte die Pflicht der Bundesregierung zur maßgeblichen Berücksichtigung immer dann bestanden, wenn von dem Rege1ungsvorhaben Bereiche betroffen gewesen seien, für die der Bundesgesetzgeber trotz Zuständigkeit gern. Art. 72 Abs. 2 GG noch kein Bundesrecht erlassen hatte. Sie führten dies auf den Wortlaut in Satz 2 ("Gesetzgebungsbefugnisse der Länder"), die in Art. 70 und 72 Abs. 1 GG vorgenommene grundsätzliche Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten von Bund und Ländern und auf die Entstehungsgeschichte des Art. 23 Abs. 5 GG zurück" 8 . m Dies hat auch die GVK erkannt: ,,Allerdings läßt der WillensbildWlgsmechanismus innerhalb der EU eine bruchlose Projektion der innerstaatlichen KompetenzordnWlg auf die WillensbildWlg in Angelegenheiten der EU nicht zu", Schlußbericht, BT-Drucks. 12/6000. S. 22. 116 Siehe die BegriindWlg zum Gesetzentwurf der BWldesregierWlg, BT-Drucks. 1213338, S. 8. 117 StellWlgnahme des BWldesrates zum Gesetzentwurf der BWldesregierWlg, BTDrucks. 12/3338, S. 12. m StellWlgnahme des BWldesrates zum Gesetzentwurf der BWldesregierWlg, BTDrucks. 12/3338, S. 12; ebenso Wilhelm, BayVB11992, 705 (708). 11 Lang
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BWldesrates
Die allgemeinen Bestimmungen des Art. 72 Abs. I GG verlangten als Voraussetzung für ein Aufleben der Länderkompetenz das fehlende Gebrauchmaehen des Bundes von seinem Gesetzgebungsrecht. Genaugenommen stellte das "Gebrauchmachen" jedoch keine Voraussetzung für die Begründung eines Gesetzgebungsrechts des Bundes, sondern vielmehr eine Voraussetzung für den Ausschluß der Gesetzgebung durch die Länder dar. Sofern der Bund das Recht zur Gesetzgebung hatte, stand es ihm frei, davon Gebrauch zu machen oder nicht. Aus diesem Grund muß das Ziehen einer Parallele zu den Artt. 72 ff. GG abgelehnt werden. Der Ansicht, daß nur dann, wenn der Bund von seinem Recht tatsächlich Gebrauch gemacht hatte, der Bundesrat auf sein schwächeres Mitwirkungsrecht des Satzes I verwiesen werden konnte, wenn es demgegenüber aber an einem Gebrauchmachen durch den Bund fehlte, das stärkere Beteiligungsrecht des Satzes 2 gelten sollte, kann daher nicht gefolgt werden 119 . Da Art. 23 Abs. 5 Satz I 2. Alternative GG nämlich ausdrücklich nur das Bestehen einer Bundeskompetenz verlangt, konnte es nach seinem Wortlaut für die Abgrenzung zwischen Satz 1 und Satz 2 nicht darauf ankommen, ob der Bund tatsächlich bereits Regelungen in diesem Bereich geschaffen hatte 120 . Das "Gebrauchmachen" konnte folglich kein maßgebliches Kriterium für die Einordnung eines Vorhabens in den Bereich des Satz I 2. Alternative sein. Dies wäre - zu Ende gedacht - auch ausgesprochen unsinnig gewesen, da es zur Konsequenz gehabt hätte, daß die Art der Länderbeteiligung von der Zufälligkeit abhinge, ob der Bund von seinem Recht Gebrauch gemacht hätte oder nicht. Vordringliches Ziel des Bundes hätte demnach sein müssen, den Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung "totzuregeln", um im Falle eines europäischen Vorhabens, das diesen Bereich berührt, die Länder nur eingeschränkt beteiligen zu müssen 121 . Daß die Maßstäbe der Artt. 72 ff. GG hier nicht ohne Einschränkung heranzuziehen waren, ergab sich im übrigen auch aus dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 5 Satz I 2. Alternative GG. Wäre eine vollständige Übertragung der So aber Fischer, ZParl1993, 32 (42). So im Ergebnis auch Randelzhofer, in: Maunz/DüriglHerzog/Scholz, Rdnr. 207 zu Art. 2400; Wilhelm, BayVB11992, 705 (708 f.). Diese Ansicht vertraten auch die Gemeinsame Verfassungskommission (Schlußbericht BT-Drucks. 12/6000, S. 29) Wld der Sonderausschuß (Schlußbericht BT-Drucks. 12/3896, S. 20): ,,Bereich ... , fur den der BWld von seinem Recht nach Art. 72 Abs. 2 00 Gebrauch gemacht hat oder zumindest Gebrauch machen könnte". 121 Auf diese mögliche Folge weist die BWldesregierung in ihrer BegriindWlg zum Gesetzentwurf ausdrücklich hin, siehe BT-Drucks. 12/3338, S. 8. Dies erkennt schließlich auch Fischer, ZParl 1993, 32 (43); dabei dürfte es sich aber nicht um isolierte Sperrvorschriften ohne materiellen RegelWlgsgehalt handeln, da diese ,,NichtregeIWlgen" als WlZUlässig erachtet werden, vgl. PüttnerlKretschmer, S. 198. Damit wäre der Aufwand aber so groß, daß dies kaum im lnteresse sowohl des Bundes als auch der Länder liegen kann. 119
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B. Die Mitwirlomgsrechte im einzemen
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Grundsätze beabsichtigt gewesen, hätte dies durch einen ausdrücklichen Verweis auf die Artt. 72 11'. GG deutlich gemacht werden können. Dies ist jedoch nicht geschehen. Daraus wird ersichtlich, daß der Gegenstand der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung in Art. 23 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative GG nicht völlig urnfaßt werden sollte. Insoweit stellte Art. 23 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative GG gegenüber Art. 72 GG die speziellere Norm dar 122 . Entgegen der Ansicht des Bundesrates gibt auch die Entstehungsgeschichte nichts Entscheidendes für die Interpretation der Vorschrift her. Dies liegt vor allem daran, daß im Berichterstattergespräch vom 24. Juni 1992 vor der Abstimmung der GVK am 26. Juni 1992 eine andere Fassung Diskussionsgrundlage gewesen war. Dort hatten sich die Berichterstatter für Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG auf die Formulierung ,,gesetzliche Regelungen der Länder" geeinigt123 . Diese Fassung hätte es nicht zu dem dargestellten Interpretationskonflikt kommen lassen, denn so wäre eindeutig gewesen, daß eine maßgebliche Berücksichtigung des Ländervotums nur dann in Frage gekommen wäre, wenn und soweit die Länder von ihrem Gesetzgebungsrecht aus Art. 72 GG tatsächlich Gebrauch gemacht und landesrechtliche Regelungen bestanden hätten. Damit wäre zugleich entschieden gewesen, daß in den Fällen, in denen weder der Bund noch die Länder ihre Gesetzgebungsbefugnis aktualisiert haben, nur die schwächere Mitwirkungsform des Satzes 1 zur Anwendung gekommen wäre. Auf Anregung der Ministerpräsidenten der Länder vom 25. Juni 1992 änderten die Berichterstatter ihre Empfehlungen jedoch wieder ab und die GVK verabschiedete am 26. Juni 1992 die daraufhin im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene und jetzt geltende Fassung, die die Formulierung "Gesetzgebungsbefugnisse der Länder" enthäle24 . Schließlich erklärten sich auch Vertreter der Länderseite ausdrücklich damit einverstanden, daß Art. 23 Ab. 5 Satz 1 2. Alternative GG bereits dann anzuwenden sei, "wenn innerstaatlich die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers erfüllt (wären), d.h., wenn ein Bedürfnis nach einer bundesgesetzlichen Regelung i.S.v. Art. 72 Abs. 2 GG m (bestünde)"126. Ausdrücklich akzeptierten die Länder damit das Verlangen des Bundes nach Letztverantwortung für die Gegenstände der konkurrierenden und der Rahrnengesetzgebung127 . 122 So auch in der Begründung zwn Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks. 12/3338, S. 8. 123 Empfehlungen der Berichterstatter, Kommissionsdrucksache Nr. 7. 124 Siehe die geänderten Empfehlungen der Berichterstatter, Kommissionsdrucksache Nr. 7 (neu). m Gemeint ist Art. 72 Abs. 2 GG (a.F.). 126 Siehe z.B. der damalige Innenminister Dr. Schnoor, NRW, in der 7. Sitzung der GVK. vom 4. Juni 1992, S. 6. 127 Vgl. den Wortbeitrag des damaligen Innenministers Dr. Schnoor, NRW, a.a.O. (Fn. 122).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
(c) Fazit Im Ergebnis mußte die Bundesregierung eine Stellungnahme des Bundesrates also dann "einfach" berücksichtigen, wenn ein Vorhaben der EU dem Regelungsbereich der Kataloge der Artt. 74, 74a und 75 GG unterfiel und gern. Art. 72 Abs. 2 GG im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich war. Dies sollte auch dann gelten, wenn der Bund in dem betreffenden Bereich bislang noch nicht gesetzgebend tätig geworden war. Sogar in den Fällen, in denen die Länder bereits ihrerseits Gesetze erlassen hatten, sollten, sobald der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht hätte Gebrauch machen wollen, diese Regelungen außer Kraft treten 128. Dem Bund war damit die Möglichkeit eröffnet worden, unter Hinweis auf die Erforderlichkeit einer länderübergreifenden Regelung eine Materie an sich ziehen und damit die gesetzlichen Regelungen der Länder aushebeln. Auch in einem solchen Fall sollte der Bundesrat auf ein einfaches Beteiligungsrecht nach Art. 23 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative GG verwiesen werden. Da das Bundesverfassungsgericht die Frage des Bedürfnisses nach bundesgesetzlicher Regelung einer "politischen Wertung" vorbehalten 129 und so in das gerichtlich nicht nachprüfbare Ermessen des Bundesgesetzgebers gestellt hatte 130 , war die konkurrierende wie auch die Rahmengesetzgebung bekanntlich zu einer Art "Selbstbedienungsladen" für den Gesetzgeber des Bundes geworden. Die Vermutung für das Bestehen einer Gesetzgebungskompetenz der Länder hatte sich dadurch längst in einen nahezu ausschließlichen Vorrang der Gesetzgebungskompetenz des Bundes verkehrt, so daß die Entwicklung zu einem "unitarischen Bundesstaat" unübersehbar geworden war 131 . Auch wenn dies von den Ländern und vom verfassungsrechtlichen Schrifttum vielfach beklagt wurde 132 , erfolgte keine Abkehr von dieser Rechtsprechung. In den genannten Bereichen war es demzufolge zu einer beinahe lückenlosen Bundesgesetzgebung gekommen, die den Ländern kaum noch Raum ließ. Auf Art. 23 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative GG übertragen bedeutet dies: Soweit der Bund die konkurrierende und die Rahmengesetzgebung bereits an sich gezogen hatte und weiter an sich zu ziehen beabsichtigte, konnte für den Bundesrat nur die schwächere Form der Beteiligungsmöglichkeit, die einfache Berücksichtigung der Stellungnahme in Betracht kommen. Da dies ganz überwiegend der Fall war, fiel der Bereich der konkurrierenden und Rahmengesetzgebung zu einem großen Teil in den Bereich der einfachen Berücksichtigung nach Hesse, Rdnr. 240. Siehe BVerfUE 13, 230 (233). 130 BVerfUE 2,213 (224); dazu auch Schlaich, S. 55. 131 Vgl. Sommennann, Jura 1995,393 (394). 132 Siehe z.B. J. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, S. 165; Hesse, Rdnr. 240; Scholz, ZG 1994, 1 (11). 121 129
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Satz 1, auch wenn der Sonderausschuß gefordert hatte, daß vom Bund im einzelnen dargetan werden müsse, daß ihm im nationalen Bereich das Recht zur Gesetzgebung nach Art. 72 Abs. 2 GG zustünde 133 . Wenn nämlich bereits im innerstaatlichen Bereich an das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Gesetzgebungsrecht des Bundes in der Praxis nur geringe Anforderungen gestellt wurden, hätte man für den Bereich der europäischen Rechtsetzungsvorhaben kaum mehr verlangen können. Dies ist jedoch nicht als struktureller Fehler des Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG selbst zu begreifen, sondern wurde ganz wesentlich - wie dargestellt - durch die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sanktionierten, oben beschriebene Staatspraxis bedingt. (2) Auslegung vor dem Hintergrund des Art. 72 GG (n.F) (a) Entstehung und Intention des Art. 72 GG (n.F.) Im Rahmen ihrer Beratungen zur Grundgesetzreform befaßte sich die GVK. auch mit der Verteilung der innerstaatlichen Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. Aufgrund der oben erwähnten Mißstände 134 im Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung hatten die Länder bereits in dem Ministerpräsidentenbeschluß vom 5. Juli 1990 13S verschiedene Forderungen zur Stärkung der Länder gestellt. Hierzu gehörte u.a. die Festschreibung höherer Schranken für den Bund bei der Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz. Daher lag der Schwerpunkt der Beratungen auf der Neufassung des Art. 72 GG, wobei insbesondere eine Änderung der umstrittenen ,,Bedürfnisklausel" des Art. 72 Abs. 2 GG (a.F.) beabsichtigt wurde. Im Ergebnis wurde Art. 72 GG wie im folgenden beschrieben neu gefaßt. Während nach bisheriger Fassung des Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungsbefugnis der Länder bereits dann ausgeschlossen war, wenn und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hatte - und sei es nur durch Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens -, stellt die neue Formulierung zum einen klar, daß nur ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren des Bundes die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder blockieren kann. Zum anderen beseitigt Art. 72 Abs. 1 GG die früher bestehende Vermutung, daß eine völlige Sperrwirkung für die Länder bereits eintritt, wenn der Bund die betreffende Materie auch nur teilweise geregelt hat. Nur bei entsprechenden Anhaltspunkten in der bundesgesetzlichen Regelung soll nunmehr der Schluß zulässig sein, der Bundesgesetzgeber habe von seiner konkurrieSchlußbericht des Sonderausschusses, BT. Drucks. 12/3896; S. 25. Siehe oben, unter (1) (c). m Abegdruckt in ZParl1990, 461 ff.
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renden Gesetzgebungszuständigkeit abschließend Gebrauch gemacht 136 . Der Regelungsumfang des Gesetzes begrenzt insoweit inhaltlich die Reichweite der Sperrwirkung für die Ländergesetzgebung137 . Im Rahmen des Art. 72 Abs. 2 GG wurde der Begriff des ,,Bedürfnisses" nach einer bundesgesetzlichen Regelung durch den der ,,Erforderlichkeit" ersetzt. Ferner wurde die Zahl der Fälle, in denen der Bund die Gesetzgebungskompetenz in Anspruch nehmen kann, auf zwei Alternativen, nämtich die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet 138 sowie die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse beschränkt. Der neu eingefügte Art. 72 Abs. 3 GG enthält schließlich eine Rückholk1ausel zugunsten der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für die Fälle bundesgesetzlicher Regelungen, für die eine Erforderlichkeit nach bundeseinheitlicher Regelung i.S.d. Abs. 2 nicht mehr besteht. Allerdings bleibt die Entscheidung über das Vorliegen dieser Erforderlichkeit der alleinigen Entscheidung des Bundesgesetzgebers überlassen. (b) Auswirkungen auf den Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 5 Satz I bzw. Satz 2 GG
Die Beantwortung der Frage, ob die Neufassung des Art. 72 GG sich auf den Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 5 Satz I und 2 GG - so wie er oben unter Zugrundelegen des alten Art. 72 GG definiert worden ist - auswirkt in der Art, daß sie den Anwendungsbereich für die Mitwirkungsrechte des Bundesrates überhaupt oder für die stärkeren Mitwirkungsrechte nach Satz 2 zu Lasten der schwächeren Beteiligungsform nach Satz I vergrößert, hängt zunächst von der Antwort auf die Frage ab, ob die Neuregelung des Art. 72 GG überhaupt Entscheidendes beitragen kann zum Erhalt oder zum Ausbau der Gesetzgebungsbefugnisse der Länder. Denn wie oben dargestellt 139 , orientierte sich der Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 5 GG im wesentlichen an den Maßstäben des Art. 72 GG. Im Rahmen des Art. 72 Abs. I GG, der strukturell ebenso wie der frühere Absatz I darauf beschränkt ist, die Sperrwirkung der Gesetzgebungszuständigk.eit des Bundes gegen die Länder in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht zu definieren, ergeben sich durchaus Vorteile für die Länderseite, z.B. dadurch, daß nur ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren die Länderzuständigkeit Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 33. Sommennann, Jura 1995, 393 (395). 131 Diese Alternative bezieht sich auf die HerstelllUlg der inneren Einheit Deutschlands, siehe Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 33. 139 Siehe oben, lUlter (1) (a) - (c). 136 137
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sperrt. Allerdings dürfte es sich hierbei lediglich um einen geringen Vorteil handeln, da der Bund - sofern es sich nicht um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz handelt - das Gesetzgebungsverfahren zügig beenden kann und wird, ohne daß ein Land ihm noch zuvorkommen kann, da auch das Land den verfahrensmäßigen Zwängen des Gesetzgebungsverfahrens unterworfen ist. Auch der Umstand, daß die Länderzuständigkeit nur noch dann völlig gesperrt sein soll, wenn die bundesgesetzliche Regelung den Schluß zuläßt, daß der Bundesgesetzgeber eine abschließende Regelung getroffen hat, stellt kein gravierendes Hindernis für den Bund dar bei der Inanspruchnahme seiner Gesetzgebungskompetenz. Schließlich hat der Bund in der Vergangenheit hinreichend unter Beweis gestellt, daß er durchaus in der Lage ist, eine Materie bis ins Detail "auszuregeln", so daß kein Raum mehr für sinnvolle ländergesetzliche Regelungen bleibt. Einer ähnlich kritischen Betrachtung muß sich auch das Kernstück des neuen Art. 72 GG, der Absatz 2 unterziehen, welcher angetreten war, die fehlende Justitiabilität der Kriterien für die Inanspruchnahme der Bundeszuständigkeit zu beseitigen und einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen. Zwar mag man der neuen Formulierung ,,Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse" zugute halten, daß sie sicherlich in stärkerem Maße föderalen Geist beinhaltet, als die bisherige Formel der "Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse". Allerdings dürfte es sich dabei im Ergebnis wohl eher um Wortspielereien handeln, die konkret nichts zur Stärkung der Länder beitragen können. Im übrigen f,iHt hierbei auf, daß der neue Wortlaut mit der ,,Herstellung" gleichwertiger Lebensverhältnisse der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtssprechung zu folgen scheint, wonach der Bundesgesetzgeber nicht darauf beschränkt ist, einer schon bestehenden Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu folgen, sondern befugt sei, "auf das ihm erwünscht scheinende Maß an Einheitlichkeit im Sozialen hinzustreben,,14o. Nicht zuletzt diese extensive Rechtsprechung hatte zur fortschreitenden Ausuferung der Bundeskompetenzen auf der Grundlage des Art. 72 Abs. 2 GG geführt. Bedeutsamer scheint demgegenüber die Einführung einer neuen Verfahrensart vor dem Bundesverfassungsgericht gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG zu sein, wonach das Bundesverfassungsgericht in Meinungsverschiedenheiten über die Erforderlichkeit des Art. 72 Abs. 2 GG zuständig ist. Im Ergebnis wird man aber auch hierin keinen wesentlichen Fortschritt für die Länder erblicken können. Trotz vehementer Kritik seitens der Länder sowie des Schrifttums hat sich das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit unter Hinweis auf den politischen Ermessensspielraum und die Einschätzungsprärogative des Bundesgesetzgebers beharrlich geweigert, Maßstäbe für die Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenzen durch den Bund aufzustellen. Dies fallt umso 140 BVerfGE 13, 230 (233).
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mehr auf, als das Gericht in anderen, mindestens ebenso hochpolitischen Angelegenheiten keineswegs eine solche Zurückhaltung geübt hae 41 . Vor dem Hintergrund, daß die neue Erforderlichkeitsklausel mindestens ebenso abstrakt ist wie die frühere Bedürfnisklausel, wird es entscheidend darauf ankommen, welchen Interpretationsmaßstab und welche Anforderungen das Bundesverfassungsgericht anlegen wird. Die Überprüfbarkeit allein bildet noch keinen Vorteil, denn dies war auch bislang entweder im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle oder eines Bund-Länder-Streits prozessual möglich. Für die Kontrolldichte durch das Bundesverfassungsgericht enthält Art. 93 Abs. I Nr. 2a GG jedoch keine inhaltlichen Vorgaben. Es erscheint daher insgesamt äußerst zweifelhaft, ob das Bundesverfassungsgericht ohne Zwang von seiner Linie der Zurückhaltung abweichen wird. Bislang ist dies jedenfalls noch nicht in Sicht. Schließlich muß auch die Wirksamkeit der Rückholklausel des Art. 72 Abs. 3 GG in Frage gestellt werden, da die Zuständigkeit der Länder nur dann wiederaufleben wird, wenn der Bundesgesetzgeber dies bestimmt. Die Länder haben hierbei kein Mitspracherecht, es sei denn, es handelt sich um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß die Neufassung des Art. 72 GG keine entscheidenden Vorteile für die Länderkompetenzen bringt. Daraus folgt, daß für die Bestimmung der Anwendungsbereiche des Art. 23 Abs. 5 Sätze I und 2 GG im wesentlichen das gilt, was unter Zugrundelegung der alten Regelung des Art. 72 GG festgestellt worden ist. So richtet sich die Formulierung "soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat" nach wie vor nach der Kompetenzabgrenzung im Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung des Bundes. Statt der alten Bedürfnisklausel müssen nunmehr die Voraussetzungen der neuen Erforderlichkeitsklausel vorliegen, d.h., die einfache Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung besteht immer dann, wenn - übertragen auf die innerstaatliche Ebene - eine bundesgesetzliehe Regelung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich wäre. Dabei wird es aller Voraussicht nach bei der großzügigen Handhabung der Inanspruchnahme der Bundeskompetenz bleiben, so daß der weitaus größte Teil der konkurrierenden und Rahmengesetzgebung über das Kriterium der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung den Bereich der schwächeren Mitwirkungsrechte des Satzes I und nicht dem Satz 2 unterfallen wird. Auch wenn sich im Rahmen des Art. 72 Abs. I GG beim Merkmal des Gebrauchmachens von der Gesetzgebungsbefugnis durch den Bund leichte Vorteile für die Länder ergeben haben, hat dies keine Aus141 Als Beispiele seien neben den politischen Entscheidungen der letzten Zeit in Sachen Abtreibung, out of area und Maastricht aus der Vergangenheit auch das Grundlagenvertragsurteil von 1973 genannt.
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wirkungen auf die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Art. 23 Abs. 5 Sätze 1 und 2 GG. Denn da sich auch nach der Neufassung des Art. 72 GG strukturell nichts daran geändert hat, daß das "Gebrauchmachen" von der Gesetzgebungskompetenz durch den Bund keine Voraussetzung für die Begründung eines Gesetzgebungsrechts des Bundes, sondern Voraussetzung für den Ausschluß der Gsetzgebung durch die Länder ist, hängt das Recht des Bundes zur Gesetzgebung i.S.d. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG nach wie vor nicht davon ab, ob er von diesem Recht Gebrauch gemacht hat oder nicht. Wie unter der Geltung des alten Art. 72 Abs. 1 GG kommt es daher für Art. 23 Abs. 5 Sätze 1 und 2 GG nicht darauf an, ob der Bund von seinem Recht Gebrauch gemacht hat oder nicht. Sobald wir uns im Bereich der Bundeszuständigkeit befinden, liegt demnach ohne Rücksicht darauf, ob der Bund von seinem Recht Gebrauch gemacht hat oder nicht, ein Fall der "einfachen Berücksichtigung" nach Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG vor. cc) Verfahren zur Bestimmung des Anwendungsbereichs Gern. § 4 Abs. 2 Satz 2 EUZBLG und Abschnitt II Nr. 1 BLV ist über die Anwendung des § 5 EUZBLG, d.h. über die Zuordnung der Regelungsmaterie und die Abstimmung der Stellungnahme Einvernehmen 142 zwischen Bund und Ländern herzustellen. Dies bedeutet, daß grundsätzlich Einverständnis zwischen der entscheidungszuständigen (Bundesregierung) und der mitwirkungsberechtigten Stelle (Bundesrat) herrschen SOll143 . Letztlich wird es aber die Bundesregierung sein, die gern. § 4 Abs. 1 EUZBLG darüber entscheidet, ob sie die Vertreter der Länderseite an den Sitzungen beteiligt oder nicht. Da ein solches Einvernehmen auf Seiten der Länder zunächst nur durch wenige Vertreter des Bundesrates getragen wird, haben sich die Länder ausdrücklich vorbehalten, daß die Festlegung der Länderposition lediglich unter der Voraussetzung gelten soll, daß das Plenum des Bundesrates sich ihr anschließe 44 •
b) Berücksichtigung der Stellungnahme Die Bundesregierung muß nach Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG die vom Bundesrat abgegebene Stellungnahme berücksichtigen. Nach übereinstimmender Ansicht der GVK und des Sonderausschusses ist darunter zu verstehen, daß die Bundesregierung die Argumente des Bundesrates zur Kenntnis nehmen, in Siehe weiter hierzu unten, unter V 2 b) dd) (2). Badura, in ErichsenlMartens (Hrsg.), § 40 ill. 144 Siehe Abschnitt II Nr. 1 Fn. 3 BLV, abgedruckt im Handbuch des Bundesrates 1995/96, S. 1661f 142
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ihre Entscheidung einbeziehen und sich mit ihnen auseinandersetzen muß, jedoch rechtlich nicht an sie gebunden ise 45 . Die Belange der Bundesländer dürfen bei der Willensbildung des Bundes demnach nicht gänzlich außer Acht gelassen werden 146 , andererseits besteht für die Bundesregierung aber auch keine Verpflichtung, ihnen zum Durchbruch zu verhelfen 147 . Das Letztentscheidungsrecht über die Willensbildung zu dem geplanten Regelungsvorhaben liegt somit eindeutig beim Bund, d.h. bei der Bundesregierung148 . Weicht die Bundesregierung von der Stellungnahme des Bundesrates ab, hat sie gern. Abschnitt III Nr. 5 der BLV auf Verlangen des Bundesrates nach Abschluß des Vorhabens diesem die maßgeblichen Gründe für ihr Abweichen mitzuteilen. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage nach Art. 2 Abs. 4 EEAG. Ob die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates tatsächlich in diesem Sinne berücksichtigt, kann im Grunde nachträglich nicht kontrolliert werden. Ein Indiz für eine stattgefundene Berücksichtigung liegt dann vor, wenn die Bundesregierung die Länderbelange in den Beratungsgremien der EU vorträgt. Hiervon wird der Bundesrat in der Regel durch die Berichte anwesender Ländervertreter unterrichtet. Spezielle Sanktionen des Bundesrates für den Fall mangelnder Berücksichtigung sind in den neuen Regelungen allerdings nicht vorgesehen. 5. Die maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG Eine erheblich stärkere Form der Mitwirkung steht dem Bundesrat gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG und § 5 Satz 2 EUZBLG zu, wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren von einem Vorhaben der EU betroffen sind. In diesen Fällen hat die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates ,.maßgeblich" zu berücksichtigen.
W Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 29 sowie Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 20; dem folgend Randelzhofer, in: Maunz! Dürig/Herzog/Scholz, Rdnr. 207 zu Art. 24 GG; Fischer, ZPar1l993, 32 (43); Scholz, NVwZ 1993, 817 (822); dies entspricht auch der von der Bundesregierung vertretenen Ansicht, siehe Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3338, S. 8. 146 Di Fabio vergleicht die Berücksichtigung mit der Abwägung von Belangen bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, Der Staat 1993, 191 (207). 147 Ossenbühl, DVBl1993, 629 (636). 141 So auch Scholz, NVwZ 1993, 817 (823) und Wilhelm, BayVBl1992, 705 (708).
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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a) Anwendungsbereich
aa) Gesetzgebungsbefugnisse der Länder Gesetzgebungsbefugnisse stehen den Ländern immer dann zu, wenn der Bund keine ausdrücklich oder stillschweigend zugewiesene Gesetzgebungskompetenz besitzt. Dies ergibt sich aus Art. 70 Abs. 1 GG. (1) Bereich der originären Gesetzgebungskompetenz der Länder
Der Anwendungsbereich von Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG umfaßt zunächst die Fälle, in denen Vorhaben der EU die originären Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betreffenl49 . In der Praxis gehört zu diesem Bereich neben der Regelung der Landesvetfassung und des Landeswahlrechts vor allem das Kommunalrecht, das Polizei- und Ordnungsreche 50 , das Recht des Kultur- und Bildungswesens l5l sowie gern. Art. 105 Abs. 2a GG die Regelung der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandsteuererhebung. (2) Bereich der konkurrierenden und Rahmengesetzgebung
Nach der Kompetenzverteilung der Artt. 72 ff. GG steht den Ländern die Befugnis zur Gesetzgebung darüberhinaus aber auch im Regelungsbereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung des Bundes zu. Dies ist zum einen der Fall, wenn gern. Art. 72 Abs. 2 GG kein Bedürfnis nach einer bundesgesetzlichen Regelung besteht. Wie oben bereits festgestellt wurde 152 , ist dies vor dem Hintergrund der extensiven Auslegung der früheren Bedürfnisklausel durch das Bundesvetfassungsgericht zugunsten des Bundes auch heute nur noch verhältnismäßig selten gegeben. Nach Art. 72 Abs. 1 GG steht die Gesetzgebungskompetenz den Ländern aber auch dann zu, wenn eine länderübergreifende Regelung zwar etforderlich ist, der Bund aber nicht oder noch nicht abschließend von seinem Recht zur Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat. Damit setzt sich hier das für den Anwendungsbereich von Satz 1 bereits erörterte Problem fort, welcher Anwen149
Scholz, NJW 1992, 2593 (2599).
I~O Soweit nicht der Bl.Dl.d vereinzelt zuständig ist (z.B. Bl.Dl.desgrenzschutz l.Dl.d
Bl.Dl.deskrimina1amt). m Soweit es nicht der Zuständigkeit des Bl.Dl.des l.Dl.terflillt, siehe Art. 74 Nr. 13 l.Dl.d Art. 75 Nr. 1a 00. m Siehe oben, l.Dl.ter 4. a) bb).
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3. Kapitel: Die MitwirkWlgsrechte des BWldesrates
dungsbereich den Fall umfaßt, in dem ein Regelungsvorhaben der EU innerstaatlich in den Bereich der konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung fällt und der Bund trotz Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung keinen Gebrauch von seinem Gesetzgebungsrecht gemacht hat. Nach den Regeln des Art. 72 Abs. I GG stünde den Ländern in einem solchen Fall die Gesetzgebungsbefugnis und somit parallel dazu dem Bundesrat nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG das Recht zu, eine von der Bundesregierung maßgeblich zu berücksichtigende Stellungnahme abzugeben. Aber auch hier kann - in Konsequenz zu Satz I - die Parallelität zwischen Art. 23 Abs. 5 Satz 2 und den Artt. 72 ff. GG nicht durchgehalten werden, da es sonst zu Überschneidungen zwischen den beiden Anwendungsbereichen des Art. 23 Abs. 5 GG käme 1S3 . Im übrigen bestünde wieder die Gefahr, daß der Bund - in Erwartung eines europäischen Regelungsvorhabens sein Gesetzgebungsrecht soweit wie möglich ausreizen würde,s4 . Es kann hier daher ebensowenig wie in Satz I darauf ankommen, ob in dem betreffenden Regelungsbereich bereits tatsächlich Bundesrecht erlassen wurde oder nicht'ss. Insofern ist in Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG im Anschluß an das Tatbestandsmerkmal "Gesetzgebungsbefugnisse der Länder" der Zusatz " ... und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat" ungeschrieben mitzulesen. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut der für die maßgebliche Berücksichtigung korrespondierenden Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz I EUZBLG, der diese Formulierung enthält. Maßgeblich ist daher allein, ob bei einem innerstaatlichen Vorhaben die Erforderlichkeit einer länderübergreifenden Regelung bestünde oder nicht. Im ersten Fall liegen die Voraussetzungen des Satzes 2 vor, sodaß die Stellungnahme des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen ist. Im zweiten Fall kommt dagegen nur die einfache Berücksichtigung der Stellungnahme in Betracht'S6 . Praktisch bedeutsam wird dieses Problem insbesondere in den Bereichen der Wirtschaftsforderung und der Forschungspolitik, in denen bislang die Kompetenz des Bundes zur Entscheidung auf europäischer Ebene unangem So bereits die BegründWlg zum Gesetzentwurf der BWldesregiefWlg, BT-Dmcks. 12/3338, S. 8; ebenso Randelzhofer, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Rdnr. 207 zu Art. 24 GG. ,~ Zur ausfiihrlichen Diskussion dieses Problems siehe oben unter 4. a) bb). m Vgl. Scholz, NVwZ 1993, 817 (823); derselbe, NJW 1992, 2593 (2600); Randelzhofer, in: MaWlzIDürig/Herzog/Scholz, Rdnr. 208 zu Art. 24 GG; Fischer, ZParl 1993, 32 (43); Diese Ansicht vertraten auch die GVK Wld der Sonderausschuß, siehe Schlußbericht der GVK, BT-Dmcks. 12/6000, S. 29; Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Dmcks. 12/3896, S. 20: " ... alle Kompetenztitel der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung, von denen der Bund keinen Gebrauch gemacht hat oder Gebrauch machen könnte, weil die VoraussetZWlgen des Art. 72 Abs. 2 GG nicht gegeben sind". "6 Vgl. Scholz, NVwZ 1993, 817 (823).
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fochten war, obgleich die Entscheidungen Bereiche betrafen, die innerstaatlich nicht durch Bundesgesetz geregelt waren. bb) Einrichtung von Behörden oder Verwaltungsverfahren der Länder Die Pflicht der Bundesregierung zur maßgeblichen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates besteht gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG auch dann, wenn die Einrichtung von Länderbehörden oder die Verwaltungsverfahren der Länder durch Vorhaben der EU betroffen sind. Diese Regelung beruht auf dem in Art. 83 GG verankerten Grundsatz der Länderexekutive 1S7 sowie auf Artt. 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 GG, wonach die Länder im Regelfall auch für die Ausführung von Bundesgesetzen entweder als eigene Angelegenheit oder im Wege der Bundesauftragsverwaltung zuständig sind. Praktisch hat dies zu einem Schwergewicht der Länder im exekutivischen Bereich geführt. Weil das Gemeinschaftsrecht ganz überwiegend nicht von den Gemeinschaftsinstanzen selbst ausgeführt wird und wegen des innerstaatlichen Vorrangs der Länderexekutive nach Art. 83 GG unterliegt auch die europäische Rechtsetzung fast ausschließlich dem Verwaltungsvollzug durch die Länder1s8 im Wege sog. mittelbarer Gemeinschaftsverwaltung1s9 . Erläßt die EU neue Regelungen, sind die Länder immer schon dann betroffen, wenn dadurch Einfluß auf ihre Behördenorganisation und ihr Verwaltungsverfahren genommen wird. Weil auf diese Weise zum Teil erheblich in die Exekutivdomäne der Länder eingegriffen wird, soll dem Bundesrat in diesen Fällen zum Ausgleich das gesteigerte Mitwirkungsrecht nach Satz 2 zustehen. Dieser Mitwirkungsbereich betrifft damit die hohe Zahl zustimmungsbedürftiger Gesetze. Vor allem durch die aufgrund Artt. 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Gesetze nimmt der Bund - zumeist nur am Rande direkt oder mittelbar Einfluß auf das Verwaltungsverfahren und die Organisation der Landesbehörden 160 . Allein die Gesetze, deren Zustimmungsbedürftigkeit auf Art. 84 Abs. 1 GG basiert, bilden mittlerweile etwa 70 Prozent aller zustimmungsbedürftigen Gesetze, welche insgesamt inzwischen einen Anteil von 50 bis 60 Prozent an der gesamten Bundesgesetzgebung erreicht haben 161 . Ursprünglich als Ausnahmefall gedacht, dient damit insbesondere Art. 84 Abs. 1 GG zunehmend für den Erlaß unitarischer Bundesorganisationsvorschriften in den meisten Bundesgesetzen, so daß diese Vorschrift häufig als m So auch Fischer, ZPar11993, 32 (43). 1~1 Scholz, NJW 1992, 2593 (2600); Tomuschat, in: MagieralMerten (Hrsg.), BWldesländer Wld Europäische Gemeinschaft, 21 (33). 1~9 Schwarze, JZ 1993, 585 (586). 160 Herzog, in: HdStR, Bd. 11, § 45 Rdnr. 12. 161 Vgl. Di Fabio, Der Staat 1993, 191 (208).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BWldesrates
"das große Einfallstor" für die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen bezeichnet wird162 .
cc) ,,Betroffen" Es reicht allerdings nicht aus, wenn das geplante europäische Rechtsetzungsvorhaben lediglich unwesentliche Auswirkungen auf die Gesetzgebungsbefugnisse, die Behördenstruktur und das Verwaltungsverfahren der Länder hat, diese Bereiche gewissermaßen nur "berührt". Nach dem Wortlaut der Vorschrift müssen sie vielmehr "betroffen" sein. Dies bedeutet, daß das Vorhaben der EU ins Gewicht fallende Auswirkungen auf die Gesetzgebungskompetenzen, die bestehende Struktur der Behörden oder das Verwaltungsverfahren der Länder haben muß, um in den Anwendungsbereich des Satzes 2 zu fallen l63 . Eine solche Einflußnahme ist z.B. dann anzunehmen, wenn Änderungen des Behördenaufbaus oder neue arbeitsintensive Verfahrensschritte erforderlich werden l64 . dd) Schwerpunktregelung Die Stellungnahme des Bundesrates ist allerdings nur dann maßgeblich zu berücksichtigen, wenn die genannten Bereiche ,Jm Schwerpunkt" von dem Rechtsetzungsvorhaben betroffen sind. Anderenfalls bleibt es bei der einfachen Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG. Betrachtet man die Vorschriften des Grundgesetzes zur Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen wie auch die bisherigen Länderrechte nach Art. 2 EEAG, so stellt man fest, daß es sich bei der Orientierung am Schwerpunkt einer Regelung um ein neuartiges Abgrenzungsmerkmal handelt. Auch an anderer Stelle im Grundgesetz findet sich dieser Begriff nicht. Was in diesem Zusammenhang unter "Schwerpunkt" zu verstehen ist, vermag schließlich auch die Bundesregierung nicht zufriedenstellend zu erklären. Zwar hat sie einige Interpretationshilfen aufgestellt, dabei handelt es sich aber letztlich
162 So bereits Schneider, DVB1 1957, 257; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369 (371); vgl. auch 1. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, S. 102. . 163 Siehe die BegriindWlg zum Gesetzentwurf der BWldesregiefWlg, BT-Drucks. 12/3338, S. 9. 164 Ebd.; vgl auch Wilhelm, BayVB11992, 705 (709), der hierfur Beispiele anfiihrt. So bringt z.B. die Richtlinie vom 18. JWli 1991 über die Kontrolle des Erwerbs Wld des Besitzes von Waffen über eine ÄndefWlg des Waffengesetzes fur die Kreisverwa1tWlgsbehörden eine erhebliche AusweitWlg der Aufgaben Wld Pflichten.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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selbst nur um unbestimmte Begriffe und UmschreibungenI6~. So sollen Materien dann im "Schwerpunkt betroffen" sein, wenn sie "bei einer Gesamtschau . .. im Mittelpunkt stehen oder ganz überwiegend den Regelungsgegenstand bilden,,166. Dabei soll der "Schwerpunkt" aber nicht quantitativ, sondern qualitativ bestimmt werden l67 . Es kommt demnach nicht darauf an, ob der an der Anzahl der Vorschriften oder an Textmenge überwiegende Teil der Regelung die Rechte der Länder oder die des Bundes betrifft. Maßgeblich muß vielmehr sein, ob die Vorschriften, die wesentlichen Einfluß auf die Länderrechte nehmen, den Kern des gesamten Regelungsvorhabens so bilden, daß - würde man sie hinwegdenken - der Regelungszusammenhang in seinem Sinn verändert würde. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts sollen zwar nicht Sinn und Zweck, sondern vielmehr der Ort einer Regelung ausschlaggebend für die Kompetenzverteilung sein l68 ; da aber die EU ihre Rechtsetzungsaktivitäten auf nahezu alle Gebiete ausdehnt - unabhängig davon, ob nun Bund oder Länder innerstaatlich zuständig sind - und auf diese Weise häufig eine Vermischung der Zuständigkeiten entsteht, ist das Kriterium des Ortes nicht dazu geeignet, eine Abgrenzung der Kompetenzen vorzunehmen. Auch die von der GVK angehörten Sachverständigen kamen daher zu dem Ergebnis, daß einzig eine Abgrenzung nach dem Schwerpunkt vorzunehmen sei, obgleich sie die Auslegungsprobleme der Formulierung erkannt hatten l69 . Nicht zu verwechseln ist die Formel vom "Schwerpunkt" mit der ,,Betroffenheit" der Länderrechte l70 . Während die Betroffenheit nur das Maß angibt, 16' Randelzhofer bezeichnet die Formulienmg "im Schwerpunkt" wie auch die Erläutenmgen der Bundesregienmg als ,,Leerformel" , in: MaunzJDüriglHerzog/Scholz, Rdnr. 208 zu Art. 24 00. 166 Siehe Begründung zwn Gesetzentzwurf der Bundesregienmg, BT-Drucks. 12/3338, S. 9; WilheIm, BayVBl 1992, 705 (709) empfindet diese Aus1egwtg als zu weit. Seiner Ansicht nach soll ein wesentlicher, ins Gewicht fallender Teil der Vorlage die Länderrechte betreffen. 167 Begründung zwn Gesetzentwurf der Bundesregienmg für das EUZBLG, BTDrucks. 12/3540, S. 6. Auf diese Interpretation beschränken sich auch Morawitzl Kaiser, S. 96. 161 BVerfGE 36, 193 (205). 169 Vgl. Lerche, Stellungnahme zur Vorbereitung der 1. öffentlichen Anhönmg der GVK vom 22. Mai 1992, Stenographischer Bericht S. 101 (111). Entsprechend grenzt Klein auch die Gemeinschaftskompetenzen selbst am Beispiel der Fernsehrichtlinie vom 3. Oktober 1989 danach ab, ob im Schwerpunkt der Dienstleistungs- oder der Kulturcharakter überwiegt, VVDStRL 50 (1991), 56 (65) m.w.N.; kritisch dazu aber Everling, EuR 1987, 214 (221). 170 Mißverständlich insofern Scholz, der die Schwerpunktregelung auf die inhaltlich Betroffenheit der Länderbefugnisse sowie auf die innerstaatliche Ausübungsverteilung zwischen Bund und Ländern bezieht und eine schwerpunktmäßige Betroffenheit der Länderrechte im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung annimmt, wenn der Bund seine Gesetzgebungskompetenz - auch bewußt - noch nicht wahrgenommen hat, NJW
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3. Kapitel: Die Mitwirkwtgsrechte des Bundesrates
in welchem sich das Rechtsetzungsvorhaben der EU wesentlich auf die Rechte der Länder auswirkt, beschreibt die Schwerpunktregelung dessen inhaltlichen Hauptgegenstand. Es zeigt sich damit, daß bei der Beurteilung, ob die Rechte der Länder im Schwerpunkt betroffen sind, ein erheblicher Beurteilungsspielraum besteht. Erforderlich ist jedoch, daß ein Vorhaben stets als Einheit betrachtet und nicht aufgesplittet wird, um die Schwerpunktregelung zu umgehen 171 . Da die Willensbildung auch nach der Formulierung des Art. 23 GG formal immer noch Sache der Bundesregierung ist und auch zwingend sein muß, steht dieser Beurteilungsspielraum der Bundesregierung zu. Zwar sind derartige Spielräume dem Grundgesetz - gerade auch im Zusammenhang mit der Zuständigkeit der Länder - keinesfalls fremd; dennoch hat die Untersuchung gezeigt, daß bislang kein objektiver Maßstab existiert, an dem sich die Kompetenzumschreibung des "Schwerpunkts" messen ließe. Es ist daher bereits heute abzusehen, daß Bund und Länder wegen der Unklarheit des Abgrenzungskriteriums künftig zuweilen darüber streiten werden, ob Gesetzgebungs- und Exekutivbefugnisse von einem Regelungsvorhaben der EU betroffen sind oder niche 72 . Eine verbindliche Klärung des ausfüllungsbedürftigen, aber auch ausfüllungsfahigen Begriffs wird vermutlich erst ein Verfassungsrechtsstreit in dieser Angelegenheit bringen l73 . Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß ein solcher Rechtsstreit mit Verfassungsrecht weniger zu tun hätte als mit der Schlichtung politischer Meinungsverschiedenheiten l74 . Wie üblich bei solchen Beurteilungs-
1992, 2593 (2600). Dies steht jedoch in Widerspruch zu den Ausführungen der GVK, siehe Schlußbericht, BT-Drucks. 12/6000, S. 29 und des Sonderausschusses, siehe Schlußbericht, BT-Drucks. 12/3896, S. 20, wonach es für die Abgrenzung zwischen Art. 23 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 GG nicht auf das Gebrauchmachen des Bundes von seiner Gesetzgebungsbefugnis ankommt, siehe oben, unter 4. a) bb). 171 MorawitzlKaiser, S. 87. 172 Eine erste Meinungsverschiedenheit zeigte sich im Falle des Aktionsprogramms ,,Leonardo da Vmci" (BR-Drucks. 110/94). Hier vertrat die Bundesregierung die Auffassung, daß die den Bund treffenden finanziellen Belastungen des Programms gegen einen Länder-Schwerpunkt sprächen. Dagegen sprach jedoch der Umstand, daß die Fälle fmanzwirksamer Vorhaben gesondert in Art. 23 Abs. 5 Satz 3 GG und § 5 Abs. 2 Satz 5 EUZBLG geregelt sind, vgl. hierzu unten, unter c) bb). 173 Vgl. auch Randelzhofer, in: MaunzlDüriglHerzoglScholz, Rdnr. 208 zu Art. 24 GG, der einen solchen Rechtsstreit für "quasi vorprogrammiert" hält; Everling, FAZ vom 15. Oktober 1992, S. 8. 174 Vgl. Everling, DVBI 1993, 936 (946), der beklagt, daß dem Bundesverfassungsgericht wieder einmal zugemutet werden würde, über politische Streitigkeiten in verfassungsrechtlicher Einkleidung ZU entscheiden; ebenso Breuer, NVwZ 1993, 417 (421).
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spielräumen wird das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung im übrigen eine erhebliche Einschätzungsprärogative zuerkennen müssen 175 . b) Die maßgebliche Berücksichtigung aa) Pflicht der Bundesregierung Innerhalb des aufgezeigten Anwendungsbereichs ist die Bundesregierung verpflichtet, die Stellungnahme des Bundesrates bei ihrer Willensbildung maßgeblich zu berücksichtigen. Auch der Begriff der maßgeblichen Berücksichtigung ist dem Grundgesetz bislang fremd und erscheint zunächst hinreichend unbestimme 76 . So ist auch teilweise bemängelt worden, es handele sich um einen Formelkompromiß, der nichts kläre und alles dem Interpreten überlassem. Die Protokolle der GVK 178 und die Diskussionen im Plenum des Bundestages179 lassen die Bedeutung der Formulierung jedoch deutlicher werden. Gemeint ist, daß die zu erarbeitende Verhandlungsposition zwar formal immer noch diejenige der Bundesregierung ist, inhaltlich jedoch ganz wesentlich vom Bundesrat bestimmt wird. Problemlos ist dies, wenn sich die Position der Bundesregierung und die des Bundesrates decken. Was die Pflicht zur maßgeblichen Berücksichtigung tatsächlich ausmacht, zeigt sich allerdings erst im Konfliktfall. bb) Konfliktfall Vertreten Bundesregierung und Bundesrat im Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG unterschiedliche Positionen über die Festlegung der deutschen Verhandlungsposition, so liegt ein Konfliktfall vor. Wie in einem solchen Fall zu verfahren ist, regelt § 5 Abs. 2 Satz 3 EUZBLG.
m Vgl. hierzu Schröder, JöR 85 (n.F.) 1986,83 (96). Randelzhofer, in: Maunz/DüriglHerzog/Scholz, Rdnr. 208 zu Art. 24 GG. 177 Isensee, Stenographischer Bericht der 1. öffentlichen Anhörung der GVK vom 22. Mai 1992, Stenographiseher Bericht, S. 10; Randelzhofer bezeichnet den Begriff als eine ,,kryptische Formulierung", in: Maunz/DüriglHerzog/Scholz, Rdnr. 208 zu Art. 24 GG. l7B Siehe Innenminister Dr. Schnoor, NRW, Stenographischer Bericht der 8. Sitzung der GVK vom 26. Juni 1992, S. 8; Staatsminister Dr. Stoiber, ebd., S. 13. 179 Siehe z.B. Abg. Dr. Möller, 126. Sitzung des Bundestages, Stenographischer Bericht S. 10867. 176
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(1) Herbeifohrung von Einvernehmen
Gern. § 5 Abs. 2 Satz 3 EUZBLG ist Einvernehmen anzustreben, wenn die Stellungnahmen von Bundesregierung und Bundesrat einander nicht entsprechen. Dabei kann es entweder um Meinungsverschiedenheiten fachlicher Art oder um Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung180 gehen. Nicht hierher gehört jedoch die Verständigung über Konflikte, die sich aus der Zuordnung eines Vorhabens zum Bereich der einfachen und der maßgeblichen Berücksichtigung ergeben 181 . Das herkömmliche Verständnis l82 zugrundegelegt, bedeutet Einvernehmen hier, daß die Bundesregierung ein echtes Einverständnis des Bundesrates benötigt. Nach Satz 4 der Vorschrift sowie gern. Abschnitt III Nr. 4 der BLV berät sich die Bundesregierung zu diesem Zweck unverzüglich mit vom Bundesrat benannten Vertretern der Länder. Aus Abschnitt III Nr. 4 der BLV und der Begründung zum Gesetzentwurf geht hervor, daß die Bundesregierung zu diesen Beratungen einlädt, womit klar gestellt wird, daß die Initiative von der Bundesregierung auszugehen hae 83 • Demnach hat der Bundesrat rein formal keine Möglichkeit, von sich aus das Streitschlichtungsverfahren in Gang zu bringen, wenn er der Ansicht ist, daß die Bundesregierung ihrer Pflicht zur maßgeblichen Berücksichtigung nicht ausreichend nachkommt. In den vorbereitenden Gesprächen nach Abschnitt 11 Nr. 1 der BLV ist aber auch hierüber Einvernehmen anzustreben. Im übrigen besteht auch von seiten der Bundesregierung Interesse daran, das innerstaatliche Verfahren voranzutreiben, um die Verhandlungen auf europäischer Ebene nicht zu behindern. Da § 5 Abs. 2 Satz 3 EUZBLG und die BLV nicht vorschreiben, auf welcher Ebene das Einverständnis erzielt werden soll, kann dies erforderlichenfalls auch auf politischer Ebene erfolgen l84 . Sollte sich in diesen Beratungen Einvernehmen herstellen lassen, so wird es von seiten des Bundesrates zwar von dessen autorisierten Vertretern getragen; sicherheitshalber haben die Länder aber in der BLV ausdrücklich festgehalten, daß dies nur vorbehaltlich einer dalIingehenden Beschlußfassung des Bundesrates gilt. Daraus folgt, daß auch im Falle einer Einigung noch ein Beschluß des Bundesrates erforderlich ist.
Näher hierzu lUlter c) ce). Vgl. Morawitz/Kaiser, S. 100. Hierüber ist eine KlärlDlg im Rahmen der vorbereitenden RessortbesprechlUlgen nach Abschnitt II der BLV herbeizufiihren, siehe oben lUlter 3. 182 Siehe oben, lUlter 4. a) bb). 113 Siehe die BegriindlDlg zum Gesetzentwurf der BlDldesregierlDlg, BT-Drucks. 12/3540, S. 6. 184 Ebd. 180 18\
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(2) Letztentscheidungsrecht des Bundesrates Läßt sich allerdings kein Einvernehmen herstellen, so setzt sich gern. § 5 Abs. 2 Satz 5 EUZBLG die Stellungnahme des Bundesrates durch, sofern dieser sie in einer erneuten Abstimmung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit bestätigt, sog. Beharrungsbeschluß. In jedem Fall muß also der Bundesrat im Anschluß an die Verhandlungen mit der Bundesregierung noch einmal über seine Position beschließen. Dadurch wird gewährleistet, daß der Bundesrat sich nochmals mit der Ansicht der Bundesregierung auseinandersetzen und deren Argumentation in seine Entscheidung miteinbeziehen muß. Vor allem verlangt das Erfordernis der Zwei-Drittel-Mehrheit aber ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen den einzelnen Ländern, so daß sichergestellt ist, daß nur diejenige Auffassung schließlich als Verhandlungsposition des Bundes erwächst, die von der überwiegenden Zahl der Länder getragen wird. Das Erfordernis eines erneuten Beschlusses entsteht für den Bundesrat im übrigen bereits in dem Zeitpunkt, in welchem die Verhandlungen mit der Bundesregierung über das Herbeiführen des Einvernehmens gescheitert sind. Es ist also weder ein Kabinettsbeschluß der Bundesregierung noch ihr förmliches Ersuchen notwendig. Die Bundesregierung muß sich dem erneuten, mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefaßten Beschluß des Bundesrates beugen. Sie ist damit an die Stellungnahme des Bundesrates nicht nur politisch, sondern auch rechtlich gebunden. Damit offenbart sich der Streitschlichtungsmechanismus nach § 5 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 EUZBLG als Letztentscheidungsrecht des Bundesrates 183 . Die Bundesregierung befindet sich hiermit grundsätzlich in einer ähnlichen Position, wie sie den Ländern in der Vergangenheit regelmäßig und nach der neuen Rechtslage im Anwendungsbereich von Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG zugewiesen worden ist. Sie hat im Konfliktfall lediglich die Möglichkeit, argumentativ auf den Bundesrat einzuwirken. Eine tatsächliche oder rechtliche Handhabe zur Durchsetzung ihrer Auffassung steht ihr dagegen zunächst nicht zur Verfügung. Wenn es sich auch formal nach dem Wortlaut des Gesetzes noch immer um die Willensbildung des Bundes handelt, bei der die Stellungnahme des Bundesrates ,,maßgeblich" zu berücksichtigen ist, ist festzustellen, daß die Lage sich der Sache nach ins Gegenteil verkehrt hat. Die Länder bestimmen die Position des Bundes zu dem Vorhaben - auch gegen die Ansicht der Bundesregierung. In diesem Punkt hat der sog. ,,Beteiligungsföderalismus" eine Qualität erreicht, in der die Bedeutung des Wortes ,,Beteiligung" erstmals überschritten wird m So auch Scholz, NJW 1992, 2593 (2598); Randelzhofer, in: MaunzlDürig/ Herzog/Scholz, Rdnr. 208 zu Art. 2400; Ossenbühl, DVB11993, 629 (636); Häberle, EuGRZ 1992, 429 (435); Fischer, ZParl1993, 32 (43); kritisch Di Fabio, Der Staat 1993, 191 (208) und Everling, DVB11993, 629 (636). 12*
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und nur formal noch von einer Beteiligung des Bundesrates an der Willensbildung der Bundesregierung gesprochen werden kann. Da es sich bei dem Bundesrat aber um ein Verfassungsorgan des Bundes handelt. bleibt es bei der Willensbildung des Bundes. auch wenn diese durch die Mehrheitsentscheidung der Länder maßgeblich bestimmt wird. Gegenüber den Rechten aus Art. 2 EEAG stellt das Letztentscheidungsrecht des Bundesrates den wohl größten Fortschritt für die Mitwirkungsbefugnisse der Länder dar 186 • denn nach Art. 2 EEAG waren die Stellungnahmen des Bundesrates immer nur einfach zu berücksichtigen. Selbst wenn es um ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder ging. konnte die Bundesregierung aus außen- und integrationspolitischen Gründen noch von ihnen abweichen 187 . Diese Möglichkeit sieht Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG ausdrücklich nicht mehr vor. Zum ersten Mal erhalten die Länder damit - innerhalb festgelegter Grenzen - die Möglichkeit. die Verhandlungsposition des Bundes bei einem Regelungsvorhaben der EU selbständig zu bestimmen und notfalls gegen den Willen der Bundesregierung durchzusetzen. (3) Fehlen einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat
Der Fall. daß der Bundesrat bei dem erneuten Beschluß nicht mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit an seiner Stellungnahme festhält. sondern möglicherweise lediglich eine einfache Mehrheit besteht. ist weder in Art. 23 GG noch in § 5 EUZBLG geregelt. Auch die entstehungsgeschichtlichen Unterlagen geben keinen Aufschluß darüber. was in diesem Falle gelten S01l188. Da das Gesetz ausdrücklich eine Zwei-Drittel-Mehrheit fordert. damit sich die Auffassung des Bundesrates als maßgebend durchzusetzen vermag. muß jedenfalls nach der Systematik davon ausgegangen werden. daß eine einfache Mehrheit des Bundesrates nicht die gleichen Rechtsfolgen auslösen kann. Dadurch eröffnen sich für das weitere Verfahren theoretisch zwei Möglichkeiten: (l) Zum einen besteht die Möglichkeit. daß der Bundesrat in erneuten Abstimmungen die Einigung auf eine Stellungnahme mit einer Zwei-DrittelMehrheit zu erreichen versucht. Das Hauptproblem. das diese Möglichkeit aufwirft. ist das Zeitproblem. Bereits mehrfach wurde darauf hingewiesen. daß die innerstaatlichen Beratungen und die Abstimmung auf eine bestimmte Verhandlungsposition zu einem europäischen Vorhaben wegen der Zeitplanung der Kommission und des Rates regelmäßig unter starkem zeitlichen Druck Fischer. ZParl1993, 32 (44). Siehe oben, 1. Kapitel A. V. 2. b) bb) (3). 181 Auch Randelzhofer läßt dies offen, in: Maunz/DürigfHerzog/Scholz, Rdnr. 208 zu Art. 24 GG. 186 187
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stehen. Um eine rechtzeitige Festlegung der Verhandlungsposition des Bundes zu gewährleisten, dürfte daher dem Bundesrat kaum Zeit dafür bleiben, in immer neuen Abstimmungen auf das Erreichen der erforderlichen Mehrheit hinzuarbeiten. Dies ist auch dem Bundesrat bekannt, der grundsätzlich bereits im eigenen Interesse und im Interesse der Länder das Verfahren der Willensbildung nicht blockieren möchte. Schließlich ist er dazu auch aufgrund seiner Bindung an die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes verpflichtet 189 . Diese Möglichkeit scheint aber Scholz zu bevorzugen, nach dessen Ansicht es "der entsprechend qualifizierten Mehrheit im Bundesrat (bedarf), um bei Streitfällen ... zu einer abschließenden und für die Verhandlungsposition des Bundes bei der EU verbindlichen Position zu gelangen"190 . Diese Lösung birgt die große Gefahr in sich, daß Schwierigkeiten, die bei dem Versuch der Einigung zwischen sechzehn Ländern auftreten, auf die Handlungsfahigkeit der Bundesrepublik auf europäischer Ebene übertragen werden. Denn solange die Länder keine Zwei-Drittel-Mehrheit erzielen könnten, wäre nach dieser Lösung eine Abstimmung und Verhandlung in den Gremien der EU nicht möglich. Damit würde die Bundesrepublik den gesamten Entscheidungsfindungsprozeß in Brüssel verschleppen, die europäischen Partner verärgern und sich selbst ins Abseits manövrieren. Schließlich ist es auch denkbar, daß sich die Länder überhaupt nicht auf eine gemeinsame Stellungnahme einigen können. In einem solchen Fall wäre die Bundesrepublik nicht fällig, in den europäischen Gremien zu verhandeln oder abzustimmen. Dies aber verstieße gegen die mitgliedsstaatlichen Pflichten der Bundesrepublik aus Art. 5 EGV, wonach die Funktionsfälligkeit des Rates nicht beeinträchtigt werden darf. (2) Zum anderen könnte der Bundesrat aber auch das Recht auf maßgebliche Berücksichtigung seiner Stellungnahme verwirkt haben, so daß nur noch die minder intensive Mitwirkungsform nach Art. 23 Abs. 5 Satz I GG in Betracht kärne 191 . In diesem Fall läge die alleinige Entscheidungsverantwortung wieder in den Händen der Bundesregierung, die lediglich die Argumente des Bundesrates zur Kenntnis nehmen und sich mit ihnen auseinandersetzen müßte, sie jedoch nicht zu befolgen hätte. Dagegen ließe sich anführen, daß dies dem Sinn der fein abgestuften und an die innerstaatliche Kompetenzverteilung geknüpften Mitwirkungsrechte des Art. 23 GG widerspräche; schließlich liegt Art. 23 GG der Grundsatz zugrunde, daß die Form der Mitwirkung sich an der innerstaatlichen Kompetenzverteilung auszurichten hat. Andererseits verstößt die oben diskutierte Lösung gegen Gemeinschaftsrecht und kollidiert mit der Pflicht des Bundesrates zur Wahrung der gesamtstaatlichen Ver189 Siehe hierZlI unter c) ce). 190 Scholz, NVwZ 1993, 817 (823). 191 So wohl auch Morawit:dK.aiser, S. 101.
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3. Kapitel: Die Mitwirktmgsrechte des BlUldesrates
antwortung l92 . Daher wird man annehmen müssen, daß der Bundesrat mit dem Verfehlen eines Beschlusses mit Zwei-Drittel-Mehrheit sein Letztentscheidungsrecht für den speziellen Anwendungsfall endgültig verwirkt hat. Der dadurch entstehende Druck auf die Länder zwingt diese dazu, von vornherein alle Kompromißmöglichkeiten untereinander rechtzeitig auszuloten und für eine straffe Bearbeitung und einen raschen Abschluß der Beratungen des Bundesrates zu den jeweiligen Vorhaben zu sorgen. Darüberhinaus erfordert er einen Beschluß, der von einem hohen Maß an Konsens getragen ist und damit deutlich macht, welche Bedeutung das Vorhaben für die Länder hat und wie notwendig ihr aktiver Einfluß in dieser speziellen Angelegenheit für sie ist. Dies macht genaue Abwägungen erforderlich, bevor sich die Länder entschließen, auf Konfrontationskurs mit der Bundesregierung zu gehen. Einen solchen Fall hat es in der Praxis bereits gegeben. Dabei ging es um die Kommunalwahlrichtlinie l93 . Nach dem Richtlinienvorschlag der Kommission sollten entsprechend ihrer Verpflichtung aus Art. 8b Abs. 1 EGV die Einzelheiten festgelegt werden, nach denen die Unionsbürger, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat haben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, dort das aktive und passive Wahlrecht bei den Kommunalwahlen ausüben können. Im Bundesland Bremen besteht jedoch kraft Landesverfassung die Besonderheit, daß sich die Gemeindevertretung aus den Abgeordneten zusammensetzt, die von den Wählern im Bereich der Stadtgemeinde Bremen in den Landtag des Landes Freie Hansestadt Bremen gewählt werden. Um eine Änderung von Landesrecht zu vermeiden, hatte Bremen in der GVK. beantragt, durch eine Ergänzung von Art. 141 GG Unionsbürgern das Recht zur Teilnahme an der Wahl zum Landtag einzuräumen, konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen l94 . Daher wollte Bremen nunmehr die Aufnahme einer Regelung in den Richtlinienvorschlag erreichen, die den Unionsbürgern die Teilnahme an der Gemeindevertretungswahl ermöglicht, auch wenn es sich dabei gleichzeitig um die Wahl zum Landtag handelt. Der Bundesrat nahm am 20. Mai 1994 gegen die Voten der befaßten Ausschüsse einen entsprechenden Antrag des Landes Bremen195 an 196. Gegen die Aufnahme einer speziellen Regelung bestanden aber erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken seitens der Bundesregierung, denn sie befürchtete darin einen Durchbruch auf dem Weg zum allgemeinen Ausländerwahlreche 97 • Deshalb sollte ihrer Ansicht nach die Lösung des Problems vielmehr dem Land Bremen selbst überlassen bleiben. In den nachfolgenden Erörterungen zwischen Bundesregierung und dem vom Hierzu näher lUlter c) cc). Ratsdokument 5744/94. 194 BR-Drucks. 800/93, S. 26. 19' BR-Drucks. 294/94. 196 BR-Drucks. 294/94 (Beschluß). 197 Siehe hierzu MorawitzIKaiser, S. 73. 192
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Bundesrat benannten Vertreter der Länder gern. § 5 Abs. 2 Satz 4 EUZBLG konnte kein Einvernehmen über die Verhandlungsposition des Bundes in diesem Punkt herbeigeführt werden. Das Bundesinnenministerium teilte daher mit Schreiben vom I. Juni 1994 198 dem Bundesrat mit, daß es einer erneuten Beschlußfassung des Bundesrates gern. § 5 Abs. 2 Satz 5 EUZBLG bedürfe, um die Bundesregierung an die Stellungnahme des Bundesrates binden zu können. In der erneuten Beratung des Bundesrates am 8. Juli 1994, für die ursprünglich die Bekräftigung des Bundesratsbeschlusses gern. § 5 Abs. 2 Satz 6 EUZBLG geplant gewesen war, kam es jedoch nicht zur Durchführung dieses Verfahrens. Die Bundesregierung war damit in ihrer Entscheidung grundsätzlich frei und nur noch an die Pflicht zur einfachen Berücksichtigung gebunden. Dies hatte zur Folge, daß die Bundesregierung sich nicht für die Aufnahme einer von Bremen erstrebten Regelung in den Richtlinienvorschlag einsetzte und dieser somit unterblieb 199 . Betrachtet man die derzeitige Praxis, so erkennt man rasch, daß die Diskussion um das Verfahren, das sich im Anschluß an eine verfehlte ZweiDrittel-Mehrheit anschließt, bislang rein akademischer Natur ist. Zwar hat der Bundesrat sich seit Inkrafttreten der neuen Regelung bei insgesamt 30 EUVorhaben auf seine verstärkten Mitwirkungsrechte nach § 5 Abs. 2 EUZBLG berufen200 . Auch ist es in zwölf dieser Fälle zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat über die Anwendung des § 5 Satz 2 EUZBLG gekommen201 . Allerdings hat der Bundesrat in keinem dieser Fälle letztlich seine Meinung durch einen Beschluß nach § 5 Abs. 2 Satz 6 EUZBLG bekräftigt. Dabei ist es nicht zu einem Scheitern aufgrund einer fehlenden Zwei-Drittel-Mehrheit gekommen, sondern dieses Verfahren ist nicht einmal angestrebt worden. Es ist damit festzustellen, daß der Bundesrat von dem Recht, seine Auffassung gegenüber derjenigen der Bundesregierung gern. § 5 Az. VI 5 -124 311114. Bremen ist daher nicht imstande, den in Bremen wohnhaften EU-Bürgern das KommWlalwahlrecht zu verschaffen. Eine Ändenmg dieser Rechtslage ist derzeit nicht in Sicht. 200 Dabei ist im Interesse der Rechtssicherheit in einer auf Arbeitsebene getroffenen Vereinbarung festgelegt worden, daß der BWldesrat in diesen Fällen der BWldesregierung eine bestimmte Frist stellt, innerhalb der sie sich zu erklären hat, siehe hierzu der Bericht des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union über die Praxis der MitwirkWlg der Länder Wld des BWldesrates in Angelegenheiten der EU vom 16. April 1996, S. 6. 201 Zu EU-Vorhaben aus dem Landwirtschaftsbereich hat die BWldesregierung vorgetragen, es könne nur eine Mitwirklmg nach § 5 Satz 1 EUZBLG in Betracht kommen, da der BWld die innerstaatliche GesetzgebWlgskompetenz habe Wld keine ins Gewicht fallenden Auswirklmgen auf die Behördenorganisation oder das VerwaltlUlgsverfahren der Länder zu erwarten seien, siehe Z.B. die VerordnWlgsvorschläge zur Finanzierung der GAP, BR-Drucks. 776/94. 191 199
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3. Kapitel: Die Mitwirlomgsrechte des Bundesrates
Abs. 2 Satz 6 EUZBLG durchzusetzen, bislang noch keinen Gebrauch gemacht hat. Begründet wird dies damit, daß es in der Sache selbst bisher keinen Dissens mit der Bundesregierung gegeben habe, weswegen der Bundesrat auf die Durchsetzung seiner Auffassung habe verzichten können202 . c) Einschränkungen der maßgeblichen Berücksichtigung
Die Pflicht der Bundesregierung zur maßgeblichen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates ist in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. aa) ,,insoweit" Die maßgebliche Berücksichtigung gilt zunächst nur "insoweit", als Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden sowie ihre Verwaltungsvetfahren betroffen sind. Sofern ein Rechtsetzungsvorhaben also innerstaatlich nur teilweise in den Gesetzgebungsbereich der Länder fallt, bleibt die Pflicht der Bundesregierung zur maßgeblichen Berücksichtigung nur auf den Teil des Rechtsetzungsvorhabens beschränkt, der innerstaatlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fiele, ohne daß eine Gesetzgebungsbefugnis des Bundes bestünde. Hinsichtlich des Teils, für den der Bund innerstaatlich das Recht zur Gesetzgebung besitzt, ist die Stellungnahme des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 1,2. Halbsatz GG nur "einfach" von der Bundesregierung zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für Rechtsetzungsvorhaben, die teilweise in die Behördenstruktur und die Verwaltungsorganisation der Länder eingreifen. Auch hier findet eine maßgebliche Berücksichtigung des Bundesratsvotums nur für den Teil des Vorhabens statt, der einen wesentlichen Einfluß auf die Behördenstruktur und das Verwaltungsvetfahren ausübt. Die oben erläuterte Schwerpunktregelung geht also nicht soweit, daß sie sofern der Schwerpunkt des Regelungsvorhabens die Befugnisse der Länder betrifft - das gesamte Rechtsetzungsvorhaben in den Bereich der intensiven Länderbeteiligung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG stellt. Nur was die speziel?1T2 Vgl. der Bericht des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union über die Praxis der Mitwirlomg der Länder und des Bundesrates in Angelegenheiten der EU vom 16.4.1996, S. 6f. Dieser Bericht weist ausdrücklich daraufhin,daß, sofern bislang Probleme aufgetreten sind, diese durch gegenseitiges Nachgeben sowohl von der Seite des Bundesrates als auch der Bundesregierung ausgeräumt worden seien. Im übrigen wird hier für künftige Zweifelsfälle, in denen kein Komprorniß erreicht werden kann, die Installierung eines Schiedsverfahrens angedacht, an dessen Ende ein durch gegenseitiges Nachgeben geschlossener politischer Vergleich stehen und der einem eventuellen verfassungsgerichtIichen Streit vorgeschaltet werden soll, siehe S. 7.
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len Bereiche der Gesetzgebungsbefugnisse sowie der Behörden- und Verfahrensorganisation betrifft, hat der Bundesrat einen Anspruch auf die maßgebliche Berücksichtigung seiner Stellungnahme. Im übrigen kann die Bundesregierung daher - unter einfacher Berücksichtigung des Ländervotums nach Satz I - ihre Willensbildung und die Bestimmung ihrer Verhandlungsposition selbständig vornehmen. bb) Finanzwirksame Ausgaben Gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 3 GG ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich, sofern das europäische Rechtsetzungsvorhaben zu Ausgabenerhöhungen oder zu Einnahmeminderungen für den Bund führen kann. Dieser Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Bundesregierung ist auf den Rechtsgedanken des Art. 113 Abs. I GG zurückzuführen203 . Danach hat die Bundesregierung die Möglichkeit, Gesetzesvorhaben, die sich finanziell belastend für den Bund auswirken, zu stoppen. Dieses Recht ergibt sich aus ihrer besonderen Verantwortung für eine sachgerechte Haushalts- und Finanzpolitik des Bundes204 . Der Grund für die Regelung des Art. 113 Abs. I GG lag ursprünglich vor allem in dem Erfordernis einer Kontrolle gegenüber erfahrungsgemäß ausgabefreudigen Parlamentariern205 . Art. 23 Abs. 5 Satz 3 GG dehnt dieses Recht der Bundesregierung nun auch auf finanzwirksame Maßnahmen der EU aus. Verweigert die Bundesregierung dem Bundesrat ihre Zustimmung, hat der Bundesrat auch bei Vorliegen einer Zwei-Drittel-Mehrheit keine Möglichkeit, seine Auffassung durchzusetzen. Zwar besteht die Pflicht der Bundesregierung zur maßgeblichen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates fort, d.h. intern wird die Willensbildung des Bundes nach wie vor durch die Stellungnahme des Bundesrates bestimme06 . Die Bundesregierung besitzt jedoch ein echtes Vetorecht, so daß ohne sie "nichts läuft". Angesichts der Tatsache, daß Rechtsetzung häufig mit einer Regelung über entstehende Kosten verbunden wird, ist festzustellen, daß der Bundesregierung mit diesem Vetorecht auch im Bereich der maßgeblichen Berücksichtigung eine wichtige Position zusteht. Damit erweist sich der Zustimmungsvorbehalt in finanzwirksamen 203 Siehe Begründung zum Gesetzentwwf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3338, S. 9; Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000; S. 23. 204 BVerfGE 45,1 (47). 205 Stern, Staatsrecht, Bd. 2, S. 1222 m.w.N.; Art. 113 GG ist allerdings bislang nur einmal (beim Viehzählungsgesetz 1953) angewendet worden, weshalb Püttner/ Kretschmer die Vorschrift als verfehlt bezeichnen, S. 254. Hesse steht der Regelung kritisch gegenüber, weil in der Bundesregierung und der Bundestagsmehrheit notwendig die gleichen politischen Kräfte vertreten seien, S. 245; diese Bedenken treffen hier im Hinblick auf die Mitwirlomg des Bundesrates allerdings nicht zu. 206 So auch Wilhelm, BayVB11992, 705 (709).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Angelegenheiten als deutliche Einschränkung des Letztentscheidungsrechts des Bundesrates207 . Der Zustimmungsvorbehalt erstreckt sich auf alle Formen der Ländermitwirkung, also auf den Bereich der maßgeblichen und der einfachen Berücksichtigungspflicht. Hinsichtlich der einfachen Berücksichtigung ist dieser Hinweis allerdings entbehrlich und hat lediglich klarstellende Funktion, denn die Letztentscheidung liegt hier in jedem Fall bei der Bundesregierung. cc) Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes Gem. Art. 23 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz GG sowie § 5 Abs. 2 Satz 2 EUZBLG ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. Aus dieser Formulierung geht nicht hervor, ob diese Pflicht jeweils allein dem Bundesrat oder der Bundesregierung obliegt oder ob beide Organe dieser Verpflichtung unterliegen. Ferner wird nicht deutlich, worauf sich diese Pflicht bezieht. Da es sich bei beiden Organen um Verfassungsorgane des Bundes handelt, die ohnehin als solche aus ihrer Funktion heraus der gesamtstaatlichen Verantwortung verpflichtet sind208 , ist davon auszugehen, daß die Vorschrift beiden Organen gleichermaßen die gesamtstaatliche Verantwortung zuweisen will. Insoweit hat Art. 23 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz GG zunächst klarstellende Funktion. Er gibt ausdrücklich wieder, was nach staatsrechtlichen Grundsätzen ohnehin gilt. Durch die Formulierung "dabei" in Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG und die Stellung der Maßgabe als Halbsatz zu Satz 2 entsteht der Eindruck, daß sich die Wahrung der gesamtstaatlichen Interessen nur auf den Bereich der gesteigerten Mitwirkungsform des Bundesrates bezieht, nicht aber auf den der einfachen Berücksichtigung. Daß dies jedoch nicht richtig sein kann, folgt bereits aus der Tatsache, daß sowohl Bundesregierung als auch Bundesrat grundsätzlich und nicht nur in bestimmten Fällen zur Wahrung der gesamtstaatlichen Belange verpflichtet sind209 . Unter ,,gesamtstaatlicher Verantwortung des Bundes" sind solche Aspekte zu verstehen, die typischerweise vom Bund im Umgang mit dem Ausland zum
Ebenso Breuer, NVwZ 1994,417 (427). So auch der Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 23; vgl. auch Scholz, NVwZ 1993, 817 (823); derselbe, ZG 1994, 1 (11); Memminger, in: Borkenhagen/Bruns-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 139 (155). 209 Auch die GVK hat die Wahrung der gesamtstaatlichen Belange auf Satz 1 ausgedehnt: ,,Die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes ... ist auch in dem Bereich, der dem gesteigerten Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, zu wahren.", Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 23. 207 201
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Wohle der Bundesrepublik zu berücksichtigen sind210 . Es handelt sich dabei insbesondere um solche Aspekte, die Eingang in die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 EUZBLG gefunden haben: außen-, verteidigungs- und integrationspolitische Gesichtspunkte211 . Damit sind die bereits in Art. 2 Abs. 3 EEAG enthaltenen außen- und integrationspolitischen Gründe, aus denen die Bundesregierung bislang von der Stellungnahme des Bundesrates abweichen durfte, über den Begriff der gesamtstaatlichen Verantwortung in das Grundgesetz aufgenommen worden. Angesichts der Tatsache, daß sich die Wahrung der gesamtstaatlichen Interessen auch auf den Bereich der gesteigerten Mitwirkungsform des Bundesrates erstreckt, in dem Gesetzgebungsbefugnisse der Länder oder ihre Verwaltungsstruktur im Schwerpunkt betroffen sind, stellt sich allerdings die Frage, inwieweit in Bereichen der originären Landesgesetzgebung oder der Verwaltungsorganisation außen-, verteidigungs- und integrationspolitische Fragen relevant werden können212 . Denn hierbei handelt es sich um Materien, die üblicherweise gerade keine Berührung mit solchen Fragen aufweisen. Wie bereits festgestellt, ist die Auffassung des Bundesrates aber nur insoweit maßgebend für die Willensbildung des Bundes, als sie sich auf Punkte bezieht, in denen die Zuständigkeit der Länder im Schwerpunkt betroffen ist. Daher kann "Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung" in diesem Zusammenhang nur bedeuten, daß der Bundesrat gerade in diesen Punkten auf eventuell bestehende gesamtstaatliche Belange Rücksicht nehmen muß. Angesichts der Tatsache, daß der Bundesrat als Verfassungsorgan des Bundes auch ohne die Direktive des Art. 23 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz GG dem gesamtstaatlichen Wohl sowie dem in Art. 23 Abs. 1 GG verankerten Staatsziel der Verwirklichung eines vereinten Europas verpflichtet ist, kann nicht uneingeschränkt nachvollzogen werden, wenn die Ansicht vertreten wird, daß die Pflicht des Bundesrates zur Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung eine ,,Ausnahme von der Regel" darstelle213 . Vielmehr muß diese Verpflichtung des Bundesrates als ,,Regel ohne Ausnahme" bezeichnet werden. Zutreffend ist zwar, daß Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG eine Regelbindung der Bundesregierung beabsichtigt, die Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung ist jedoch keine Ausnahme hiervon, sondern Basis dieser Regelbindung. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG will die Regelbindung nämlich nur unter der Voraussetzung, daß der Bundesrat die nationalstaatlichen Interessen berücksichtigt. Tut er dies nicht, so hat die Bundesregierung, die ihrerseits generell und aufgrund Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG im besonderen die gesamtstaatliche Verantwortung zu wahren 210 Siehe die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3338, S. 9. 2ll Siehe auch Protokollnotizen der Berichterstatter der GVK zum Thema "Grundgesetz und Europa", GVK-Arbeitsunterlage Nr. 63; Scholz, NVwZ 1993, 817 (823). 212 Ebenso Randelzhofer, in: MaunzlDüriglHerzogiScholz, Rdnr. 208 zu Art. 24 GG. 213 So aber Di Fabio, Der Staat 1993, 191 (208).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
hat, zunächst die Möglichkeit, in den Beratungen zur Konfliktlösung bei sich widersprechenden Auffassungen von Bundesregierung und Bundesrat nach § 5 Sätze 3 bis 5 EUZBLG dahingehend auf den Bundesrat einzuwirken, daß er in seinem Beharrungsbeschluß auf die gesamtstaatlichen Belange eingehe 14 . Unklar ist allerdings, was geschieht, wenn der Bundesrat im Bereich der maßgeblichen Berücksichtigung seiner Verpflichtung zur Wahrung der gesamtstaatlichen Belange nach Ansicht der Bundesregierung nicht oder nicht in ausreichendem Maße nachkommt. Wie erwähnt fehlt es in der neuen Regelung an einer ausdrücklichen Feststellung, daß die Bundesregierung aus außen- und integrationspolitischen Gründen von der Meinung des Bundesrates abweichen kann. Aus der Pflicht der Bundesregierung zur Bewahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung kann sich jedoch mittelbar eine solche Befugnis ergeben, wenn die Bundesregierung ein solches Versäumnis des Bundesrates geltend machen kann. Vor dem Hintergrund, daß die Bundesregierung den Bundesrat im Bereich seiner gesteigerten Mitwirkungsbefugnisse grundsätzlich bei der Festlegung der Verhandlungsposition gewähren lassen soll, kann ihre ausdrückliche Verpflichtung auf das gesamtstaatliche Wohl nicht anders verstanden werden, als daß sie befugt ist, im letzten Moment und in ausgesprochenen Extremfällen die "Notbremse" zu ziehen um eventuellen außen- und europapolitischen Schaden von der Bundesrepublik abzuwenden. Allerdings ist diese Möglichkeit von der Bundesregierung in der Praxis äußerst restriktiv zu handhaben, da sonst dem Umstand, daß die ausdrückliche Ermächtigung zur Abweichung keinen Eingang in die neue Regelung gefunden hat, nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Der Anwendungsbereich für die Möglichkeit des Abweichens muß jedenfalls deutlich kleiner sein als bisher unter der ausdrücklichen Ermächtigung. Träte dieser Fall ein, so hätte der Bundesrat nur noch die Möglichkeit, eine Klärung der Angelegenheit über das Bundesverfassungsgericht im Wege eines Organstreitverfahrens gern. Art. 93 Abs. I Nr. I GG oder - aufgrund des Zeitdrucks - über eine einstweilige Anordnung gern. § 32 BVerfGG zu erreichen21s . Das Bundesverfassungsgericht hätte dann zu überprüfen, ob die Ansicht der Bundesregierung, der Bundesrat habe gesamtstaatliche Belange nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt, zutrifft. Die Schwierigkeit eines solchen Unterfangens muß nicht eigens betont werden. Einerseits wird das Bundesverfassungsgericht hier der Bundesregierung eine erhebliche Einschätzungsprärogative zuzugestehen haben; andererseits muß es dafür sorgen, daß das grundsätzliche Letztentscheidungsrecht des Bundesrates nicht ad absurdum geführt wird. Das Gericht befande sich hier also auf äußerst unsicherem Terrain. Hinzu Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 23. m Näher hierzu unten, unter C. ill.
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B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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kommt, daß es sich hierbei wieder einmal - dem Trend der letzten Jahre folgend - je nach Stand der politischen Kräfteverhältnisse eher um eine politsche als um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelte. d) Pflicht zur Erläuterung der Abweichungsgründe
Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß auch im Bereich der maßgeblichen Berücksichtigung die Bundesregierung nicht strikt verbindlich an die Stellungnahme des Bundesrates gebunden ist. Dies äußert sich zudem in Abschnitt III Nr. 5 BLV Weicht die Bundesregierung danach von der Stellungnahme des Bundesrates ab, so muß sie ebenso wie bei der einfachen Berücksichtigung nach Abschluß des Vorhabens die maßgeblichen Gründe für das Abweichen erläutern, wenn der Bundesrat dies verlangt. Dies unterscheidet sich insoweit von der bisherigen Rechtslage nach Art. 2 Abs. 4 EEAG, als es sich um Vorhaben handelt, die innerstaatlich schwerpunktmäßig den Bereich der originären Ländergesetzgebung betreffen. Denn hier sah Art. 2 Abs. 4 EEAG bislang vor, daß die Bundesregierung auch ohne ausdrückliches Verlangen des Bundesrates die Abweichungsgriinde darzulegen hatte216 . Damit ist zum einen ein formaler Rückschritt zu verzeichnen, der in dem Umstand liegt, daß die Darlegungspflicht der Bundesregierung nicht mehr gesetzlich, sondern lediglich im Rahmen der BLV geregelt ist, welche im Rang etwa einer Verwaltungsvorschrift entspricht. Zum anderen bedeutet es aber auch einen sachlichen Rückschritt für die Länder, wenn die Bundesregierung nunmehr nicht mehr verpflichtet ist, von sich aus die Gründe für ein Abweichen darzulegen. Hier mußte die Länderseite offenbar Zugeständnisse an die Bundesseite für den Erhalt der erweiterten Rechte im Bereich der Bundesgesetzgebung machen. Ob die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates tatsächlich maßgeblich berücksichtigt hat, ergibt sich in eindeutiger Weise nur daraus, ob die Bundesregierung die Stellungnahme und die Belange der Länder in den europäischen Beratungsgremien vorgetragen hat oder nicht. Kontrolliert werden kann dies von der Länderseite über die Berichte der regelmäßig zu den Sitzungen dieser Gremien hinzugezogenen Ländervertreter, allerdings mit Ausnahme des AStV217 , zu dem die Ländervertreter keinen Zugang erhalten haben.
216 217
Siehe oben, 1. Kapitel A. V. 2. b) bb) (3). Hierzu siehe oben, unter 3.
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3. Kapitel: Die Mitwirlamgsrechte des Btmdesrates
e) Ergebnis Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG gewährt dem Bundesrat durch das sog. Letztentscheidungsrecht sicherlich sein stärkstes Recht im Bereich der innerstaatlichen Willensbildung des Bundes. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, daß die Regelung einige - eng zu fassende - Ausnahmetatbestände vorsieht, in denen der Bund letztlich die Verhandlungsposition zu bestimmen befugt ist. Angesichts der enorm gestiegenen Zahl der auf Art. 84 Abs. 1 und 85 Abs 1. GG beruhenden Zustimmungsgesetze des Bundes, dürfte sich der Bundesrat vor allem durch das Abstellen auf die Verwaltungsverfahren und die Behördenstruktur der Länder ein weites Feld für dieses Letztentscheidungsrecht erkämpft haben. Allerdings sollte dies aus Sicht des Bundes nicht zu dramatisch beurteilt werden218 . Schließlich ist zu berücksichtigen, daß sich die Bundesregierung anders als bei den innerstaatlichen Zustimmungsgesetzen, bei denen das Gesetz als ganzes der Zustimmung bedarf und der Bundesrat das Gesetz als ganzes blockieren kann - immer nur in den für das Bestehen des Letztentscheidungsrechts maßgeblichen Punkten, also soweit die Gesetzgebungsbefugnisse, die Behördenorganisation und das Verwaltungsverfahren der Länder betroffen sind, nach der Auffassung des Bundesrates zu richten hat. Der Geltungsbereich des Letztentscheidungsrechts richtet sich mithin nicht nach der Einheitsthese des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine einzige zustimmungspflichtige Bestimmung in einem Gesetz das betreffende Gesetz im Ganzen zustimmungspflichtig werden läßf l9 . Da die Länder im Bundesstaat regelmäßig für die verfahrensmäßige Durchsetzung des europäischen Vorhabens Sorge tragen, ist es aber schließlich die direkte Konsequenz des Bundesstaatsprinzips, wenn ihnen ein maßgebliches Mitspracherecht für den Teil der Regelung zusteht, der sie unmittelbar und erheblich betrifft. 6. Die Beteiligung des Bundesrates gern. § 5 Abs. 3 EUZBLG bei Vorhaben auf der Basis von Art. 235 EGV Nach § 5 Abs. 3 EUZBLG ist die Bundesregierung auch dann zu einer Beteiligung des Bundesrates verpflichtet, wenn es um die Willensbildung zu Vorhaben geht, die auf Art. 235 EGV gestützt werden. Damit wird solchen Vorhaben offenbar eine gewisse Sonderstellung zugewiesen.
211 219
So aber Di Fabio, Der Staat 1993, 191 (208). BVerfGE 8,274 (294); 24, 184 (196ff.); hierzu auch v. MÜllch, Staatsrecht, Bd.
1, Rdnr. 755.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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a) Art. 235 EGV 220
Gern. Art. 235 EGV erläßt der Rat geeignete Vorschriften, wenn ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich erscheint, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen und der Vertrag nicht die notwendigen Befugnisse enthält. Damit erweitert Art. 235 EGV die Befugnisse des Rates221 . Im Gegensatz zur allgemeinen Systematik des EG-Vertrags enthält er keine Einzel- sondern eine Generalermächtiguni22 . Er stellt also selbst keine Ermächtigung dar, sondern schaffi im Rahmen der Vertragsziele die Ermächtigung dort, wo sie ausdrücklich fehlt. Gäbe es ihn nicht, so wären die Mitgliedsstaaten gezwungen, einen Vertrag zu schließen, um der Gemeinschaft die fehlende oder unzureichende Befugnis zuzuweisen223 . Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß es sich bei Art. 235 EGV um eine sog. Kompetenz-Kompetenz handele224 . Da er aber nur Befugnisse innerhalb des durch die Ziele der Gemeinschaft festgelegten Bereichs schaffi, diese Ziel selbst jedoch nicht verändert, trifft diese Annahme nicht zum; er ändert den Vertrag nicht, sondern füllt ihn aus und stellt damit keine beliebige Integrationskompetenz zur Verfügung226 . Durch seinen Charakter als Evolutivklausef27 stellt er allerdings eine beachtliche Integrationsreserve ~8. In der Praxis hat sich Art. 235 EGV daher für die Gemeinschaft zu einer Generalklausel für die Begründung von nicht ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen entwickelt. Aus diesen Gründen hatten die Länder im Verlauf der Maastrichter Verhandlungen vergeblich versucht, die Abschaffung des Art. 235 EGV zu erreichen229 . Auch vor dem Hintergrund des neu verankerten Prinzips der Subsidiarität ist derzeit - angesichts der hiergegen geäußerten Bedenken230 - keine Einschränkung der auf Art. 235 EGV beruhenden Praxis zu erwarten. 220 Vor dem Maastrichter Vertrag lUld entsprechend im Gesetzestext noch ,,Art. 235 EWG-Vertrag". 221 Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 483. 222 Vgl. Mögele, BayVB11993, 129 (136); Grabitz, in: derselbe (Hrsg.), Rdnr. 1 zu Art. 235 EWGV; Borchmann, in: Borkenhagen!BflUls-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 100 (101). 223 Schwartz, in: Groeben!ThiesingfEhlennann, Rdnrn. 6-8 zu Art. 235 EWGV 224 v. Meibom, NJW 1968, 2165 (2166), Memminger, in Borkenhagen!BflUls-Klöss (Hrs~.), Die deutschen Länder in Europa, 139 (145). 22. Schwartz, in: GroebenfIhiesingfEhlennann, Rdnr. 8 zu Art. 235 EWGV 226 E. Klein, VVDStRL 50 (1991),56 (62). 227 Scholz, NVwZ 1993, 817 (824). 22& Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 27; kritischfiir den Bereich der GeslUldheitspolitik Kaiser, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus lUld Europäische Gemeinschaften, 137 (140f.). 229 Siehe Borchmann, in: Borkenhagen!BflUls-K1öss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 100 (102ff); hierfür tritt auch Weber ein, JZ 1993, 325 (328). 230 Siehe oben, 2. Kapitel A. 11. 5.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BlUldesrates
b) Hintergrund der Regelung
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung war § 5 Abs. 3 EUZBLG noch nicht enthalten231 . Die Vorschrift wurde erst auf Bestreben des Bundesrates232 und aufgrund des zustimmenden Votums des Sonderausschusses233 eingefügt. Grund hierfür waren die Befürchtungen der Länder, tatenlos einer weiteren Aushöhlung ihrer Rechte über die Kompetenzerweiterungsbestimmung des Art. 235 EGV zusehen zu müssen. Insbesondere befürchteten die Länder, daß die Gründung der EU aus irgendwelchen Gründen doch noch scheitern sollte und die in Art. 23 Abs. 4-7 GG verankerten Mitwirkungsrechte des Bundesrates, die an ein Bestehen der EU geknüpft waren, nicht in Kraft treten konnten. Daher sollte gern. § 15 Abs. 3 EUZBLG die Vorschrift des § 5 Abs. 3 EUZBLG in jedem Fall unabhängig vom Zeitpunkt der Gründung der EU am 1. Januar 1993 in Kraft treten234 . Die Bundesregierung hatte demgegenüber zunächst die Ansicht vertreten, daß sich die Mitwirkungsrechte der Länder unabhängig von der Rechtsgrundlage des Vorhabens nach Art. 23 Abs. 4-6 GG235 richteten. Für eine Sonderregelung der Fälle des Art. 235 EGV sei deshalb daneben kein Raum. Zwar handelt es sich auch bei Vorhaben auf der Grundlage des Art. 235 EGV um ,,Angelegenheiten der EU", an denen die Länder bereits aufgrund der Generalnorm des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG durch den Bundesrat mitwirken. Der Bundesrat blieb jedoch bei seiner Ansicht, daß Vorhaben auf der Grundlage des Art. 235 EGV nicht unter die Regelung des Art. 23 GG fallen und beharrte auf seiner Forderung nach Einfügung des § 5 Abs. 3 EUZBLG, mit der er sich schließlich auch durchsetzen konnte. Die Gründe hierfür sind nachvollziehbar. Zunächst wollte die Länderseite eine Mitwirkung an Vorhaben nach Art. 235 EGV in jedem Falle unabhängig vom Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages sicherstellen236 . Ferner gilt es aber auch zu beachten, daß es sich bei Regelungsvorhaben nach Art. 235 EGV zwar um Sekundärrechtsetzung handelt, die unmittelbare innerstaatliche Geltung beansprucht, diese aber der üblichen Sekundärrechtsetzung nicht völlig entspricht. Bei Vorhaben nach Art. 235 EGV geht es nämlich zugleich um eine Form der Hoheitsübertragung auf die Europäische Ebene, der die Länderseite im Ratifizierungsverfahren so nicht zugestimmt hat. Auch wenn diese Kompetenzübertragung bereits in den Vertragszielen angelegt ist, geschieht die konkrete Übertragung ohne Beteiligungsmöglichkeit der Länderseite. In systematischer Hinsicht Vgl. BT-Drucks. 12/3540. Siehe StelllUlgnahme des BlUldesrates zum Gesetzentwurf der BlUldesregieTlUlg, BT-Drucks. 12/3540, S. 9. 233 Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 10. 234 Siehe hierzu oben, 2. Kapitel B. Iv. 23~ Vor der Einfügung der Rechte des BlUldestages noch Abs. 2-5. 236 Siehe oben, 2. Kapitel B. Iv. 231
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B. Die Mitwirkwtgsrechte im einzelnen
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könnte man daher den Standort dieser Regelung im Ausführungsgesetz zu Art. 23 Abs. 4-6 GG beanstanden; denn da es sich bei Art. 235 EGV um eine Kompetenzübertragungsnorm handelt, korrespondiert die Mitwirkung des Bundesrates hier eher mit Art. 23 Abs. I GG, der die Hoheitsrechtsübertragung regelt und zu dem das Ausführungsgesetz an sich gern. Art. 23 Abs. 7 GG keine Regelungen treffen darf. c) Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 EUZBLG
Gern. § 5 Abs. 3 EUZBLG stellt die Bundesregierung vor ihrer eigenen Zustimmung in Brüssel Einvernehmen mit dem Bundesrat her, wenn und soweit innerstaatlich die Zustimmung des Bundesrates erforderlich oder die Zuständigkeit der Länder betroffen wäre. Die Mitwirkung des Bundesrates ist demnach dann vorgeschrieben, wenn es sich bei einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz handelt. Mittlerweile bedarf mehr als die Hälfte aller Bundesgesetze der Zustimmung des Bundesrates237 • Der Begriff des Bundesgesetzes umfaßt dabei nicht nur den Bereich der ausschließlichen und der konkurrierenden, sondern auch den Bereich der Rahmengesetzgebung des Bundes238 . Auch soweit die Länder bei einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme zuständig wären, ist der Bundesrat zu beteiligen. Dieser Bereich, der durch das Grundgesetz bislang nicht ausdrücklich definiert wurde, umfaßt zunächst diejenigen Materien, die der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfallen und für die der Bund keine Kompetenztitel besitzt, d.h. die Gegenstände der originären Ländergesetzgebung sind. Darüberhinaus erstreckt er sich aber auch auf den Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung. Nicht eindeutig geregelt ist allerdings, in welchem Umfang dieser Teil der Gesetzgebung erfaßt wird, d.h., ob der Bund bereits von seinem Gesetzge237 Siehe oben, wtter 5. a) bb): 50 bis 60 Prozent; so bedfufen Vetfasswtgsänderwtgen immer der Zustimmwtg des Bwtdesrates, weil durch sie Kompetenzen der Länder beeinträchtigt werden können. 1m übrigen können grob zwei Bereiche voneinander wtterschieden werden: Finanzgesetze sind zustimmwtgsbedürftig, wenn sie die Finanzverteilwtg zwischen Bwtd wtd Ländern regeln. Den weitaus überwiegenden Teil aber bilden die auf Artt. 84 Abs. I wtd 85 Abs. I 00 beruhenden Zustimmwtgsgesetze. Eine ausführliche Außistwtg aller zustimmwtgsbedürftigen Materien emdet sich bei Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369 (376f). 23B BVerlGE 21, 312 (326); so auch die h.M., vgl. Lerche, in: MaunzJDüriglHerzog/ Scholz, Rdnr. 72 zu Art. 83 00; Bull, in: Alternativ-Kommentar, Rdnr. 27 zu Art. 83 00; JarasslPieroth, Rdnr. 5 zu Art. 83 00; a.A. Broß, in: v. MÜflch, Rdnr. 3a zu Art. 8400.
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3. Kapitel: Die Mitwirklmgsrechte des Btmdesrates
bungsrecht Gebrauch gemacht haben darf oder nicht. Entsprechend dem System, das auch den Regelungen in Art. 23 Abs. 5 GG zugrundeliegt, dürfte davon auszugehen sein, daß auch hier lediglich auf die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung abzustellen ist. Die Zuständigkeit der Länder besteht also nur dann, wenn diese Erforderlichkeit zu verneinen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat oder nichf 39 . MorawitzlKaiser hatten - unter Geltung der alten Bedürfnisformel des Art. 72 Abs. 2 GG - darauf hingewiesen, daß der Vorschlag für ein EU-Vorhaben bereits das Vorliegen eines Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung impliziere, weswegen die innerstaatliche Zuständigkeit der Länder i.d.R. nicht gegeben see40 • Dem kann auch für die neue Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG so nicht zugestimmt werden. Wenn die Zuständigkeit der Länder wegen des Vorliegens der Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung nicht besteht, so wird dies i.d.R. nicht am Vorliegen eines Bedürfnisses für eine europaweite Regelung liegen. Davon zeugt der allseits bekannte Regelungsenthusiasmus der Kommission und des Rates, der auf alle Lebens- und Rechtsbereiche übergreiff41 . Es wird vielmehr im wesentlichen daran liegen, daß es innerstaatlich auch heute noch nach der Änderung des Art. 72 GG an einer strikten Eingrenzung für das ,,Bedürfnis" oder die ,,Erforderlichkeit" einer bundeseinheitlichen Regelung fehlf 42 • Neben diesem Gesetzgebungsbereich umfaßt der Bereich der innerstaatlichen Zuständigkeit der Länder auch ihre Verwaltungskompetenz. Die Mitwirkung des Bundesrates gern. § 5 Abs. 3 EUZBLG erstreckt sich mithin auf einen weiten Bereich. Insbesondere durch das Kriterium der innerstaatlichen Zustimmungsbedürftigkeit durch den Bundesrat hat sich die Länderseite erheblichen Einfluß gesichert, wenn es sich um Vorhaben auf der Basis des Art. 235 EGV handelt. Wegen des Charakters von Art. 235 EGV als wichtiger Kompetenzbegründungsnorm ist die Vorschrift des § 5 Abs. 3 EUZBLG für die Länder von nicht zu unterschätzender Bedeutuni43 . Zwar wird in gleichem Maße, wie ausdrückliche Einzelbefugnisnormen durch den Maastrichter Vertrag geschaffen worden sind, zunehmend die praktische Bedeutung des Art. 235 EGV als Kompetenzbeschaffungsnorm schwinden244 . Soweit aber diese
Ebenso MorawitzlKaiser, S. 105. MorawitzlKaiser, ebd. 241 Brenner, DÖV 1992, 903 (907). 242 Dazu oben, tmter 4. a) bb). 243 Bislang hat der Btmdesrat die Anwendtmg des § 5 Abs. 3 EUZBLG in insgesamt 15 Fällen eingefordert, z.B. BR-Drucks. 59/96 (Beschluß). 244 Diese Tendenz hat sich bereits im Anschluß an die EEA gezeigt, vgl. Schwartz, in: Groeben!ThiesinglEhlermann, Rdnr. 20 zu Art. 235 EGV ·239
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B. Die MitwirIomgsrechte im einzelnen
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neuen Befugnisse der regelungsfreudigen Kommission dennoch nicht ausreichen, bleibt Art. 235 EGV weiter subsidiär anwendba?45 . d) Einvernehmen Berührt ein Vorhaben den Anwendungsbereich von § 5 Abs. 3 EUZBLG, so ist die Bundesregierung dazu verpflichtet, mit dem Bundesrat Einvernehmen über die Festlegung ihrer Verhandlungsposition herzustellen. Auch hier bedeutet Einvernehmen, daß grundsätzlich das Einverständnis des Bundesrates erforderlich isf46 . Der Bundesrat muß demnach ein Votum abgeben. Durch die Formulierung wird klargestellt, daß die Initiative für das Herstellen des Einvernehmens von der Bundesregierung auszugehen hat. Nach dem Wortlaut "soweit" muß das Einvernehmen sich nur auf den Teil des Vorhabens beziehen, der die genannten Rechte tatsächlich tangierf47 . Der Teil des Vorhabens, der innerstaatlich nicht zur Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes oder zur Zuständigkeit der Länder führen würde, bleibt dagegen der Mitwirkung des Bundesrates nach § 5 Abs. 3 EUZBLG verschlossen. Hier kann die Bundesregierung selbständig die Willensbildung des Bundes vornehmen. e) Stimmenthaltung oder Ablehnung durch die Bundesregierung im Rat Ein Problem, das bei der Schaffung der Regelung von den Ländern scheinbar nicht berücksichtigt worden ist, ergibt sich nunmehr bei der praktischen Anwendung der Vorschrift. So vertreten Bundesregierung und Bundesrat unterschiedliche Auffassungen über die Reichweite von § 5 Satz 3 EUZBLG. Die Bundesregierung war von Beginn an - entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift - der Ansicht, daß das Einvernehmen mit dem Bundesrat nur für ihre Zustimmung im Rat erforderlich sei. Dies würde bedeuten, daß sie sich - sollte mit dem Bundesrat nicht das erforderliche Einvernehmen herzustellen sein anstatt ihre Zustimmung im Rat zu verweigern, auch der Stimme enthalten könnte248 . Auch falls im Rat Einstimmigkeit erforderlich ist, würde ein solches Abstimmungsverhalten der Bundesregierung das Zustandekommen eines einstimmigen Beschlusses zugunsten des Vorhabens nicht hindern können249 . Schwartz, ebd., Rdnr. 11. Siehe oben, unter 5. b) bb) (1). 247 Vgl. MorawitzlKaiser, S. 105. 248 Ebd., S. 106. 249 Siehe Art. 148 Abs. 3 EGV; vgl. hierzu Niederschrift der 381. Sitzung des EUAusschusses vom 4. Mai 1994, S. 1. W
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Damit hätte die Bundesregierung ihre Ansicht gegen das von ihr zu beachtende Votum des Bundesrates durchgesetzt, ohne daß der Bundesrat eingreifen könnte. Schließlich wäre es demnach auch möglich, daß die Bundesregierung sich über die Erforderlichkeit des Einvernehmens hinwegsetzen könnte, wenn der Bundesrat für ein Vorhaben votierte. Sie könnte dann ihrer eigenen Ansicht folgen und im Rat gegen das Vorhaben stimmen2so . Mangels Einstimmigkeit brächte sie so das Vorhaben gegen den Willen des Bundesrates zu FaleSl . Dies widerspricht allerdings dem Sinn des § 5 Abs. 3 EUZBLG, der dem Bundesrat generell dann die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Willensbildung des Bundes einräumen will, wenn das betreffende Vorhaben sich auf Art. 235 EGV stützt. Dementsprechend kann ,,zustimmung" auch nicht im Sinne der Bundesregierung interpretiert werden. Diese etwas unglücklich geratene Formulierung des § 5 Satz 3 EUZBLG meint nämlich nicht die Entscheidung und das Abstimmungsverhalten zugunsten des jeweiligen Vorhabens, sondern den Akt der Entscheidung und des Abstimmens als solchen. Die Bundesregierung soll sich also mit dem Bundesrat innerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschrift in jedem Fall einigen müssen. Daher kann es für das Erfordernis des Einvernehmens nicht darauf ankommen, wie sich die Bundesregierung letztendlich im Rat entscheidet. Anderenfalls würde der Sinn der Vorschrift unterlaufen. Die Ansicht der Bundesregierung, daß fehlendes Einvernehmen mit dem Bundesrat mit einer Enthaltung im Rat überdeckt werden kann, erweist sich damit als unhaltbar S2 . Eine Stütze für diese Interpretation mag man nun auch in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Fernsehrichtlinie sehen, in welchem der Bundesregierung die Verantwortung eines Sachwalters der Länderrechte zugewiesen worden ist, in deren Rahmen sie prozedurale Pflichten zu bundesstaatlicher Zusammenarbeit und Rücksichtnahme treffen2s3 . j) Antizipiertes Einvernehmen?
Soweit die Bundesregierung das Einvernehmen mit dem Bundesrat für erforderlich hält, drängt sie den Bundesrat zur Erleichterung ihrer Verhandlungen nunmehr dazu, sein Einvernehmen grundsätzlich zu erteilen und mit den Erwartungen zu verbinden, die das Vorhaben nach seiner Ansicht erfüllen muß, um von diesem Einvernehmen gedeckt zu sein. Damit könnte in vielen Fällen eine nochmalige Befassung des Bundesrates vermieden werden und die 2~O Für die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise treten MorawitzlKaiser ein, S. 106.
m Dieser Fall ist allerdings rein hypothetisch, denn der Bundesrat würde wohl kaum gegen die Meinung der Bundesregierung für die Übertragung von Länderhoheitsrechten auf die EU stimmen. m So aber MorawitzlKaiser, S. 106f m Vgl. BVerfGE 92, 203 ff., 1. Leitsatz.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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deutsche Delegation wäre in der Lage, in einem frühen Stadium ihre "essentials" auf Gemeinschaftsebene einzubringen und die Verhandlungen in diesem Sinne aktiv mitzugestalten254 . Die Bundesregierung verlangt damit vom Bundesrat ein "antizipiertes Einvernehmen". Der Vorteil eines solchen Verfahrens bestünde in einer nicht unerheblichen Zeitersparnis. Allerdings überwiegen demgegenüber die Bedenken gegen ein solches Vorgehen. Denn in Fällen, in denen der Bundesrat sein Einvernehmen vorab erteilte, böten die Erwartungen, an die dieses Einverständnis geknüpft wurde, keine zuverlässige Garantie dafür, daß die Bundesregierung die Verhandlungen und die Abstimmung im Sinne des Bundesrates vornähme. Schließlich bliebe es ohne eine Rücksprache allein der Beurteilung durch die Bundesregierung überlassen, ob die anstehende Entscheidung des Rates die vom Bundesrat aufgestellten Maßgaben erfüllte oder nicht. In einem solchen Fall könnte aber von einem ,,Einvernehmen" keine Rede mehr sein. Aber auch aus Sicht der Bundesregierung erscheint ein antizipiertes Einvernehmen des Bundesrates wenig sinnvoll; denn der Umstand, daß der Bundesrat keine Möglichkeit mehr hätte, auf das Verhandlungs- und Abstimmungsverhalten der Bundesregierung einzuwirken, würde unweigerlich dazu führen, daß der Bundesrat der Bundesregierung sämtliche in Betracht kommenden Anforderungen und Wünsche der Länder bezüglich des Vorhabens als Maßgaben mit auf den Weg gäbe. Dadurch würden die Kompromißmöglichkeiten und der Verhandlungsspielraum der Bundesregierung von vornherein deutlich eingeengt. Auf diese Weise könnte es nicht nur zu Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit zwischen den Vertretern der Bundesregierung und denen der Länder während der Beratungen kommen, sondern möglicherweise auch zu einer Verletzung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten der Bundesrepublik - wie der Pflicht zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Rates gern. Art 5 EGV führen. Aus diesen Gründen erscheint es zweckmäßiger, auf ein antizipiertes Einvernehmen zu verzichten und das Einvernehmen erst kurz vor der Entscheidung im Rat herzustellen, auch wenn dies einen erneuten Beschluß des Bundesrates verlangt und damit einen Zeitverlust bedeuten kann255 .
2~ Siehe Schreiben des Staatsministers beim Bmdeskanzleramt Pfeifer an die Be-vollmächtigten der Länder vom 1. September 1993. m Diese Ansicht wird auch vom EU-Ausschuß des Bmdesrates (siehe Niederschrift der 371. SitZl.IDg vom 1. Oktober 1993, 26 b) sowie vom Präsidenten des Bmdesrates (Schreiben des Präsidenten an den Vorsitzenden des Rechtsausschusses Hardraht vom 17. Jmi 1994 zum Beratungsverfahren der Ausschüsse in Angelegenheiten der EU) geteilt.
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3. Kapitel: Die Mitwirktmgsrechte des Bundesrates
g) Verhältnis von § 5 Abs. 3 zu § 5 Abs. 2 EUZBLG
§ 5 Abs. 2 und 3 EUZBLG sind grundsätzlich nebeneinander anwendbar. Zwar handelt es sich auch bei Vorhaben auf der Basis von Art. 235 EGV um ,,Angelegenheiten der EU", in denen die Länder durch den Bundesrat gern. Art. 23 Abs. 2 Satz I GG mitwirken2s6 . § 5 Abs. 3 EUZBLG ist allerdings eigens für die Fälle des Art. 235 EGV geschaffen worden und stellt daher die speziellere Norm dar. Dies ergibt sich eindeutig aus der Entstehungsgeschichte der Vorsc~S7 . Wird ein Vorhaben allerdings neben Art. 235 EGV auch auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, so kommt gleichberechtigt neben § 5 Abs. 3 auch die maßgebliche Berücksichtigung nach § 5 Abs. 2 EUZBLG in Betracht. Das gleiche gilt, wenn Art. 235 EGV erst später als zusätzliche Rechtsgrundlage genannt wird. In diesen Fällen kann über eine maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme möglicherweise eine stärkere Bindung der Bundesregierung an das Votum des Bundesrates erfolgen, als bei der Einvernehmensregelung nach § 5 Abs. 3 EUZBLG2S8 . Denn hier verfügt der Bundesrat u. U. über ein alleiniges Letztentscheidungsrechfs9 .
V. Die Beteiligung der Länderseite an der Außenvertretung des Bundes Nach der bisher geltenden Regelung des Art. 2 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 EEAG wie auch im früher durchgeführten Verfahren auf der Basis der Kramer/ Heubl-Absprache von 1968260 bestand die Beteiligung der Länder an der Außenvertretung lediglich in der Hinzuziehung von Ländervertretern oder des Länderbeobachters zu den Verhandlungen der Beratungsgremien der Kommission und des Rates. Auch die schon früher erhobenen Forderungen, nicht nur auf die interne Willensbildung der Bundesregierung Einfluß nehmen zu können, sondern auch an der Außenvertretung der Bundesrepublik bei den Verhandlungen und Abstimmungen in Brüssel beteiligt zu werden, wenn es um Angelegenheiten der Länder gehf61 , wurden im Zuge der Neuregelung der Beteiligungsrechte von den Ländern erneut erhoben und mit Abstrichen auch durchgesetzt. Die bislang in Art. 2 Abs. 5 EEAG geregelten Außenvertretungsrechte262 sind nunmehr in Art. 23 Abs. 6 GG, in § 6 des EUZBLG sowie 2~6 Siehe oben, unter b).
m Siehe oben, unter b).
m Vgl. MorawitzJKaiser, S. 107. 2~9 Siehe oben, unter 5. b) bb) (2). 260 261 262
Siehe oben, 1. Kapitel A n. 1. d). Vgl. hierzu die KramerlHeubl-Absprache von 1968, 1. Kapitel An. 1. d). Siehe oben, 1. Kapitel A V 2. b ) ce).
B. Die Mitwirlomgsrechte im einzelnen
199
in Abschnitt IV der BLV festgelegt. Dabei reichen die Beteiligungsmöglichkeiten - je nach innerstaatlicher Zuständigkeitsverteilung - von der einfachen Hinzuziehung von Ländervertretern bis zu deren Verhandlungs- und Stimmleitung in den Beratungsgremien der EU. 1. Das schlichte Hinzuziehen von mitberatenden Ländervertretem
Die bislang in Art. 2 Abs. 5 EEAG enthaltene Hinzuziehung von Ländervertretern zu Verhandlungen in den europäischen Beratungsgremien wird nun durch § 6 EUZBLG geregelt. Eine verfassungsrechtliche Festschreibung in Art. 23 GG hierüber ist nicht erfolgt. Grund hierfür ist vermutlich die Tatsache, daß das bisher praktizierte Verfahren aus Sicht der Länder auch auf einfachgesetzlicher Grundlage zu ihrer Zufriedenheit durchgeführt worden ist und zudem keine wesentlichen Veränderungen erfahren sollte. a) Anwendungsbereich
Die Hinzuziehung von Ländervertretern knüpft ebenso wie die Mitwirkung bei der Willensbildung der Bundesregierung an bestimmte innerstaatliche Zuständigkeiten an. Gern. § 6 Abs. 1 Satz 1 EUZBLG kommt sie dann in Betracht, wenn über ein Vorhaben verhandelt wird, bei dem innerstaatlich der Bundesrat mitzuwirken hätte, die Länder zuständig oder sonst wesentliche Interessen der Länder berührt wären. Die innerstaatliche Mitwirkung des Bundesrates erstreckt sich gern. Art. 50 GG auf die Gesetzgebung des Bundes. Sie umfaßt Zustimmungs- und Einspruchsgesetze263 , mithin also den gesamten Bereich der Bundesgesetzgebung. Der Bereich, in dem die Länder innerstaatlich zuständig sind, meint nicht nur die Materien, die der originären Landesgesetzgebung unterfallen, sondern auch diejenigen, die der konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung des Bundes angehören. Dies gilt allerdings entsprechend Art. 23 Abs. 5 Satz 1 und 2 GG nur, soweit kein Erfordernis einer bundeseinheitlichen Regelung besteht und ohne Rücksicht darauf, ob der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat264 . Neben der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder umfaßt der Begriff aber auch ihre Verwaltungszuständigkeit. Da hier ein deutlicher Vorrang der Länder gegenüber dem Bund besteht, öffnet sich hiermit ein weiter Bereich für die Hinzuziehung von Ländervertretern. 263 264
PüttrlerlKretschmer, S. 156f Vgl. oben, unter IV 4. a) bb) und unter 5. a) aa) (2).
200
3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Die Bereiche der innerstaatlichen Mitwirkung des Bundesrates und der innerstaatlichen Zuständigkeit der Länder sind breit angelegt und überschneiden sich insbesondere im Falle der Verwaltungszuständigkeit der Länder, weil dann i.d.R. auch ein Fall der Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG oder Art. 85 Abs. 1 GG vorliegt. Im Bestreben nach Vollständigkeit wurde die Hinzuziehung ferner ausdrücklich in den Fällen ermöglicht, in denen sonstige wesentliche Interessen der Länder durch ein Vorhaben berührt werden. Damit ist tatsächlich jeder denkbare Zuständigkeitsbereich abgedeckt und eine Hinzuziehung praktisch immer zulässig. Dies entspricht der bisher gängigen Praxis. Der Begriff "Vorhaben" knüpft an den Begriff der Maßnahme in Art. 23 Abs. 4 GG an und soll vermeiden, daß sich die Hinzuziehung der Ländervertreter nur auf europäische Normsetzungsverfahren beschränkt. "Vorhaben" erstreckt sich ebenso wie ,,Maßnahme" auch auf Aktionsprogramme, Weißbücher, Grünbücher, etc. Die Bundesregierung muß nicht von sich aus, sondern nur dann Ländervertreter hinzuziehen, wenn dies von der Länderseite verlangt wird. Da die neuen Beteiligungsrechte durchgängig dem Bundesratsprinzip folgen und auch die Benennung von Ländervertretern vom Bundesrat vorgenommen wird, muß dieses Verlangen vom Bundesrat ausgehen; es reicht demnach nicht aus, wenn ein einzelnes Land die Hinzuziehung fordert. Der Anspruch auf Hinzuziehung steht allerdings unter der Einschränkung, daß sie der Bundesregierung überhaupt möglich ist. Zwar obliegt der Bundesregierung die Verpflichtung nach Abschnitt IV Nr. 3 BLV, sich im Einzelfall zu bemühen, die Hinzuziehung zu ermöglichen, dennoch können sich praktische wie rechtliche Gründe ergeben, die eine Hinzuziehung ausschließen. Dies ist bei den Sitzungen des AStV, des SAL und im übrigen immer dann der Fall, wenn die Kommission die Teilnahme von lediglich einem oder zwei mitgliedsstaatlichen Vertretern erlaubt, die die Bundesregierung dann mit ihren Vertretern besetzt, so z.B. beim Beratenden Währungsausschuß nach Art. 109 C EGV26s . Handelt es sich um ein Vorhaben, das die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG erfüllt, so daß die Stellungnahme des Bundesrates von der Bundesregierung lediglich einfach zu berücksichtigen ist, kommt die Hinzuziehung von mindestens einem Ländervertreter in Betracht. Wird dagegen über ein Vorhaben beraten, das in den Bereich der maßgeblichen Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG fällt, sollten zwei Ländervertreter zu den Ver-
26'
Siehe MorawitzlKaiser, S. 108.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
201
handlungen hinzugezogen werden266 . Diese Richtschnur gilt allerdings ebenfalls nur insoweit, als der Bundesregierung dies möglich ist. Darüber, ob eine Hinzuziehung möglich ist, sowie über deren Modalitäten berät sich die Bundesregierung mit den Vertretern der Länderseite im Rahmen ihrer vorbereitenden Ressortbesprechungen nach § 4 Abs. 2 EUZBLG, Abschnitt 11 Nr. 1 der BLV In diesen Beratungen ist Einvernehmen zwischen Bund und Länderseite anzustreben267 . b) Ausgestaltung der Rechte der Ländervertreter Die Hinzuziehung der Ländervertreter erstreckt sich auf Verhandlungen der Beratungsgremien von Kommission und Rat sowie auf die Ratssitzungen selbse68 . Die Verhandlungsführung bleibt gern. § 6 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz EUZBLG in diesen Fällen immer bei der Bundesregierung. Dennoch sollte eine aktive Teilnahme der Ländervertreter an den Verhandlungen selbst dadurch ermöglicht werden, daß sie während der Sitzungen Erklärungen abgeben können sollten. Um sicherzustellen, daß diese im Einklang mit der Auffassung der Bundesregierung stehen oder zumindest ihrer Verhandlungslinie nicht widersprechen, sollte es der Zustimmung des verhandlungsführenden Vertreters der Bundesregierung bedürfen. In der Praxis haben die Ländervertreter allerdings die Erfahrung machen müssen, daß in den Fällen, in den ein Vorhaben nur unter § 5 Abs. 1 EUZBLG fallt, ihnen häufig von Mitarbeitern der Bundesregierung jede über ein reines Zuhören hinausgehende Teilnahme versagt worden ise69 . Gern. Abschnitt IV Nr. 4 BLV können auch zu rein informellen Treffen Ländervertreter hinzugezogen werden. Dies gilt jedoch nur insoweit, als im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind und kann nur im Einzelfall nach einer Verständigung zwischen Bundesregierung und Länderseite erfolgen. Nach Abschnitt IV Nr. 6 sind die hinzugezogenen Ländervertreter Mitglieder der deutschen Delegation. Als solche nehmen sie an den Delegationsbesprechungen teil, die zur Vorbereitung der Sitzungen oder bei Bedarf während Siehe Abschnitt IVNr. 3 der BLV Vgl. oben, unter IV 3. 268 Begründung zwn Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3540, S. 6; obwohl die Teilnahme von Ländervertretem an Sitzungen des AStV und des SAL nicht möglich ist (siehe oben, unter IV 5. e), besteht diese Möglichkeit aber fiir deren Vorbereitungssitzungen, die sog. AStV-Weisungssitzungen. 269 Vgl. Bericht des Ausschusses fiir Fragen der Europäischen Union über die Praxis der Mitwirkung der Länder und des Bundesrates in Angelegenheiten der EU vom 16. April 1996,S. 11. 266
267
202
3. Kapitel: Die Mitwirlomgsrechte des BlDldesrates
der Sitzungen durchgeführt werden. Sie sind allerdings keine gleichberechtigten Delegationsmitglieder. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, daß die Abgabe von Erklärungen durch Ländervertreter der Zustimmung des verhandlungsführenden Bundesvertreters bedarf.
2. Übertragung der Verhandlungsführung Neben der schlichten Teilnahme von Ländervertretern an der Delegation haben die Länder nunmehr erstmals die Möglichkeit erhalten, verhandlungsführend für die deutsche Delegation tätig zu werden.
a) Art. 146 EGV Ausgangspunkt hierfür ist Art. 146 Abs. 1 EGV, wonach der verbindlich für den Mitgliedsstaat handelnde Vertreter im Ministerrat der Ministerebene angehören muß. Bislang scheiterte das Bestreben270 der Länder nach einer stimm- und verhandlungsführenden Teilnahme an der bundesdeutschen Delegation im Rat an der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art. 2 Fus V Dort war festgelegt, daß eine Vertretung nur durch ein Mitglied der nationalen Regierung des Mitgliedsstaats zulässig sei. Die neue Formulierung des Art. 146 EGV, die auf eine belgische Initiative zurückgeht, der sich Deutschland zögernd angeschlossen hatte271 , ermöglicht jedoch nunmehr das Auftreten und die Verhandlungsführung eines Länderministers für die Bundesrepublik. Insofern hat das Recht der EU selbst die Voraussetzung für eine Intensivierung sowie eine neue Qualität der Ländermitwirkung auf der Außenvertretungsebene geschaffen und damit wenigstens in diesem Punkt ihre Landesblindheit aufgegeben.
b) Regelung des Art. 23 Abs. 6 GG im einzelnen
Art. 23 Abs. 6 GG setzt innerstaatlich die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe des Art. 146 EGV um. Wegen des bislang vorherrschenden weiten Verständ270 Die Fordenm.gnach verbesserten Mitwirlomgsrechten im Bereich der Außenvertret1Dl.g innerhalb der Europäischen Gemeinschaft war von den Ländern bereits häufig erhoben worden, siehe z.B. BR.Drucks. 550/90. 271 Hintergrund der deutschen Motivation war der Umstand, daß ein Rechtsgutachten vom juristischen Dienst des Rates vom 17. Mai 1989 die HandllDlgsbefugnis des Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz auf europäischer Ebene bezweifelt hatte, vgl. Borchmann/K.aiser, in: Borkenhagen/BrlDls-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 36.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
203
nisses von Art. 32 Abs. 1 GG, wonach der Bund auch gegenüber der europäischen Gemeinschaft Inhaber der Verbandskompetenz sein sollte, zumindest aber zur Klarstellung war hier eine Verfassungsänderung verlangt worden272 . Ergänzend zu Art. 23 Abs. 6 GG treten die Regelungen des § 6 Abs. 2-4 EUZBLG sowie Abschnitt V der BLV hinzu. Danach ist die Wahrnehmung mitgliedsstaatlicher Rechte durch die Länder unter den im folgenden zu erläuternden Voraussetzungen möglich. aa) Wahrnehmung der Rechte als Mitgliedsstaat Die entscheidende Veränderung, die im Bereich der Außenvertretung durch Art. 23 Abs. 6 GG eintritt, besteht darin, daß die Beteiligung der Ländervertreter sich nun auf die Wahrnehmung der Rechte als Mitgliedsstaat, d.h. auf die Verhandlungs- und Stimmführung in den europäischen Beratungsgremien erstreckf73 . Die Bundesregierung hat allerdings klargestellt, daß sie mit der Verhandlungsführung nicht auch die Delegationsleitung auf den Ländervertreter übertr~74 . Diese wird vielmehr - unabhängig von der Verhandlungsführung zu einzelnen Vorhaben - vom Vertreter der Bundesregierung im Benehmen mit dem Ländervertreter ausgeübe7S . Wahrgenommen werden diese Rechte gern. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG durch einen Vertreter der Länderseite, der durch den Bundesrat bestimmt wird. Dies entspricht der Grundentscheidung des Art. 23 GG für das Bundesratsprinzip276. Geht es um die Verhandlungsführung im Ministerrat selbst, so schreiben § 6 Abs. 2 Satz 2 EUZBLG und Abschnitt IV Nr. 5 der BLV in Entsprechung zu Art. 146 EGV vor, daß es sich um ein Mitglied einer Landesregierung im Ministerrang handeln muß. Das gleiche gilt für dessen Stellvertreter277 . Dem Wortlaut nach muß es sich allerdings nicht um ein Mitglied des Bundesrates handeln278 . Dies wäre auch unsinnig, da sonst die Gefahr bestünde, daß in einem solchen Fall die erforderliche Sachkenntnis nicht optimal eingebracht würde. Handelt es sich bei den Verhandlungen z.B. um spezielle 272 Rojahn, in: v. Mönch, Rdnr. 10 zu Art. 32 GG; E. Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (60); Riegel, DVB11979, 245 (246); Weber, DVB11986, 801 (805); Vitzthwn, AöR 115 &1990), 281 (282); Schröder, JöR 85 (n.F.) 1986, 83 (101). 27 Vgl. Randelzhofer, in: Maunz/Dürig/HerzoglScholz, Rdnr. 209 zu Art. 24 GG. 274 Abschnitt lVNr. 7 der BLV m Siehe Begriindwg zum Gesetzentwurf der Bwdesregier\UJ.g, BT-Drucks. 12/3540, S. 6; unzutreffend insoweit WilheIm, BayVB11992, 705 (710). 276 Dästner, NWVB11994, 1 (2). 277 Siehe die Begriindwg zum Gesetzentwurf der Bwdesregier\UJ.g, BT-Drucks. 12/3540, S. 6. 271 Vgl. Randelzhofer, in: Maunz/Dürig/HerzoglScholz, Rdnr. 209 zu Art. 24 GG.
204
3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BWldesrates
Maßnahmen aus dem Bereich der Bildungspolitik, so ist es wünschenswert, wenn die Aufgaben durch einen Kultusminister der Länder wahrgenommen werden. Sollte ein solcher nicht benannt werden können, weil er nicht Mitglied des Bundesrates ist, würde wertvoller Sachverstand ungenutzt bleiben. Gegenwärtig läuft die Möglichkeit, Nichtmitglieder des Bundesrates als Ländervertreter zu benennen, weitgehend leer, da in der Praxis alle Länderrninister jedenfalls stellvertretende Mitglieder des Bundesrates sind. Bedeutung kann diese Regelung im Augenblick nur dann erlangen, wenn eine Landesregierung neu gewählt wurde und ein für die betreffende Angelegenheit fachlich besonders qualifizierter Landesminister noch nicht Mitglied des Bundesrates ist. Im Gegenzug besteht für die Länder die Verpflichtung, die ordnungsgemäße Vertretung sicherzustellen. Sollte der mit der Verhandlungsführung betraute Ländervertreter an der Wahrnehmung dieser Aufgaben gehindert sein, so fällt das Außenvertretungsrecht wieder dem Bund ZU279 . Sofern es sich um Verhandlungen in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates, also nicht um Ratstagungen selbst handelt, besteht das Erfordernis nach einem Ländervertreter im Ministerrang nicht. Dies ergibt sich indirekt aus § 6 Abs. 2 Satz 2 EUZBLG. Hier ist demnach auch eine Vertretung durch Beauftragte der Landesregierungen auf Beamtenebene zulässig280 , zumal - wie eben erläutert - Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG nicht die Mitgliedschaft des Vertreters im Bundesrat voraussetzt. bb) Anwendungsbereich (1) Ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder
Eine Außenvertretung durch die Länderseite ist gern. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG dann zulässig, wenn von den Vorhaben, über die verhandelt werden soll, im Schwerpunkt "ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse" der Länder betroffen sind. Damit wird ein dem Grundgesetz bislang unbekannter Ausdruck als Abgrenzungsmerkmal verwendet. Bislang kannte das Grundgesetz nur den Begriff der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes. Dieser Begriff war Folge der allgemeinen Kompetenzvermutung der Art. 30 und 70 Abs. 1 GG zugunsten der Länder. Vor dem Hintergrund dieser Kompetenzvermutung handelt es sich bei dem Merkmal der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder um ein systemwidriges Abgrenzungmerkmal281 •
279 210 281
Siehe Abschnitt IV Nr. 5 der BLV, Vgl. Dästner, NWVBl1994, 1 (2). Ebenso KleinlHaratsch, DÖV 1993, 785 (794).
B. Die MitwirkWlgsrechte im einzelnen
205
Nach übereinstimmender Ansicht der GVK und des Sonderausschusses fallen in den genannten Bereich alle Materien, für die das Grundgesetz dem Bund keine Gesetzgebungskompetenztitel eingeräumt hae 82 • Sicher ist damit zunächst, daß der Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes den Außenvertretungsbefugnissen der Länder verschlossen bleibt. Da das Grundgesetz aber in Art. 72, 74, 74a und 75 Kompetenztitel für die Bereiche der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung des Bundes enthält, können diese auch dann nicht in den Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 6 GG fallen, wenn kein Erfordernis nach bundeseinheitlicher Regelung bestehe 83 . Erfaßt werden damit lediglich die originären Gesetzgebungsbefugnisse der Länder 84 . Zur Hauptsache dürfte es sich dabei um Vorhaben handeln, die sich innerstaatlich auf den Bereich der inneren Sicherheit, des Polizeiwesens, der Kultur und der Bildung auswirken285 . Da die Rechte der Länder betroffen sein müssen, ist eine erhebliche Beeinträchtigung durch das Rechtsetzungsvorhaben erforderlich286 . Der Anwendungsbereich der Übertragung von Wahrnehmungsrechten gern. Art. 23 Abs. 6 GG ist also enger als derjenige der maßgeblichen Berücksichtigung nach Abs. 5 Satz 2, da er den Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung des Bundes ausschließe 87 • Die Einstufung einer Verhandlungsmaterie in den Bereich der maßgeblichen Berücksichtigung zieht also die Übertragung der Verhandlungsführung nicht notwendig nach sich. Ebenso ist nicht in allen Fällen der Verhandlungsfüh282 Vgl. Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 24; Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 20; entsprechend auch Randelzhofer, in: MaWlZlDürig/Herzog/Scholz, Rdnr. 209 zu Art. 24 GG Wld Fischer, ZParl 1993, 32
(44~.
83 Anders MorawitzlKaiser, S. UO. Die BegriindWlg fiir ihre Ansicht ist allerdings nicht nachvollziehbar. So vertreten sie die AuffassWlg, daß sich die ErfassWlg des Bereichs der konkurrierenden Wld der RahmengesetzgebWlg aus dem Bestreben ergebe, alles einzubeziehen, was nicht Wlter § 5 Abs. 1 EUZBLG fällt. Zum einen steht § 5 Abs. 1 EUZBLG, der die einfache Berücksichtigwtg bei der inneren WillensbildWlg des BWldes regelt, in keinem Zusammenhang mit der Außenvertretwtgsbefugnis der Länder nach § 6 Abs. 2 EUZBLG. Zum anderen umfaßt aber gerade der AnwendWlgsbereich des § 5 Abs. 1 EUZBLG wie Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG die Materien der konkurrierenden Wld der RahmengesetzgebWlg, soweit kein Erfordernis einer länderübergreifenden RegelWlg besteht. 284 Ebenso Randelzhofer, in MaWlZlDürig/Herzog/Scholz, Rdnr. 209 zu Art. 24 GG; der Begriff der ausschließlichen LändergesetzgebWlg war im übrigen bereits in Art. 2 Abs. 3 EEAG enthalten Wld wurde ebenso interpretiert wie hier, siehe z.B. Oschatz, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus Wld Europäische Gemeinschaften, 63 (75); Grabitz, AöR Ul (1986), S. ur mEinen AnwendWlgsfall fiir die VerhandlWlgsfiihrung durch einen Ländervertreter bildete z.B. die 1749. Tagwtg des Ministerrates am 21. Apri11994 über Fragen des Katastrophenschutzes. 216 Siehe oben, Wlter Iv. 5. a) cc). 217 Anders MorawitzlKaiser, S. 112.
206
3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
rung die Ansicht des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; denn zum einen kann die Bundesregierung z.B. bei kostenrelevanten Entscheidungen oder in Extremfällen aus Gründen der gesamtstaatlichen Verantwortung von ihr abweichen; zum anderen ist es möglich, daß die erforderliche Zwei-DrittelMehrheit vom Bundesrat nicht erreicht wird und daher die Pflicht der Bundesregierung zur maßgeblichen Berücksichtigung entfällt. Die Anwendungsbereiche der maßgeblichen Berücksichtigung und der Verhandlungsführung sind folglich nicht deckungsgleich.
(2) Schwerpunktregelung Auch bei Art. 23 Abs. 6 GG ist entsprechend der Regelung bei der internen Willensbildung des Bundes in Abs. 5 erforderlich, daß die ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnisse der Länder ,,im Schwerpunkt" betroffen sind. Bereits oben wurde erläutert, daß die Schwerpunktregelung ein wenig praktikables und kaum justitiables Abgrenzungskriterium darstellf 88 • Dies gilt hier in gleichem Maße289 , weshalb der Versuch einer Auslegung zu ebenso unbestimmten und fragwürdigen Ergebnissen wie oben führt. Das Wahrnehmungsrecht der Länder setzt demnach voraus, daß die Regelungen, die die Rechte der Länder betreffen, ganz überwiegend den Mittelpunkt des europäischen Rechtsetzungsvorhabens bilden müssen, wobei es nicht auf das quantitative, sondern auf das qualitative Übergewicht ankommf90 .
(3) "Package deal"
Art. 23 Abs. 6 GG regelt nicht ausdrücklich, wer die Verhandlungsführung innehat, wenn neben dem Teil des Vorhabens, der im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder betriffi, über den Teil des Vorhabens verhandelt wird, der innerstaatlich in den Bereich der Bundesgesetzgebung fällt, sog. package deal. Es fällt allerdings auf, daß die Vorschrift im Unterschied zu Art. 23 Abs. 5 GG auf den Zusatz "soweit" oder ,,insoweit" verzichtet. Sie ordnet die Übertragung der Verhandlungs- und Stimmführung vielmehr generell dann an, wenn im Schwerpunkt die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind. Mithin soll die Wahrnehmung der mitgliedsstaatlichen Rechte innerhalb eines Vorhabens nicht geteilt werden, sie gilt Siehe oben, unter Iv. 5. a) dd). Vgl. auch Breuer, NVwZ 1994,417 (428). 290 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3338, S. 9; siehe auch oben, unter Iv. 5. a) dd); kritisch zur Schwerpunktregelung auch KleinlHaratsch DÖV 1993, 785 (794). 211 219
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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auch für den Teil des Vorhabens, der innerstaatlich die Bundesgesetzgebung betrifff91 . Diese Regelung folgt Praktikabilitätserwägungen, denn die Verhandlungsführung kann nur unter erheblichen Schwierigkeiten innerhalb eines Vorhabens wechseln292 . Nach § 4 Abs. 2 EUZBLG und Abschnitt 11 Nr. 1 der BLV ist über die Übertragung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter bereits im Rahmen der internen Ressortberatungen (Weisungssitzungen) der Bundesregierung unter Teilnahme von Ländervertretern Einvernehmen anzustreben293 . Die Übertragung der Verhandlungsführung erstreckt sich im übrigen nicht auf die gesamte Sitzung, sondern beschränkt sich auf den Tagesordnungspunkt, für den die Qualifikation gilf 94 . (4) Verhältnis zu § 6 Satz 1 EUZBLG
Da auch die schlichte Hinzuziehung von mitberatenden Ländervertretern zulässig ist, wenn die Länder innerstaatlich zuständig sind, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 EUZBLG und des Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG im Bereich der Länderzuständigkeit. Hier wird man wie folgt differenzieren müssen: § 6 EUZBLG umfaßt bereits nach seinem Wortlaut alle Bereiche der Länderzuständigkeit, also auch diejenigen, die innerhalb der ausschließlichen, der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung des Bundes gem. Artt. 72 ff. GG bestehen. Demgegenüber ist der Anwendungsbereich des Art 23 Abs. 6 Satz 1 GG nur auf die Fälle der Länderzuständigkeit beschränkt, die außerhalb der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes bestehen. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG ist damit lex specialis zu § 6 EUZBLG. Im Falle der Betroffenheit von ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder findet also nur eine Übertragung der Verhandlungsführung gem. Art. 23 Abs. 6 GG, nicht zugleich aber auch eine Hinzuziehung von mitberatenden Ländervertretern statt. cc) Übertragung der Wahrnehmungsrechte Gem. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG "soll" der Bund die Außenvertretungsrechte der Bundesrepublik auf einen Ländervertreter übertragen. Mit dieser Formulierung sollte klargestellt werden, daß es sich hierbei nicht um eine generelle So wohl auch der Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 24. Vgl. Morawitz/Kaiser, S. 111. 293 Siehe oben, unter Iv. 3. 294 Siehe die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3540, S. 6. 291
292
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Übertragung handelt, sondern diese vielmehr einzelfallbezogen vorzunehmen ise 95 . Die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen für eine Übertragung vorliegen, liegt mithin bei der Bundesregierung. Die Bundesregierung wollte damit eine "Übertragungsautomatik" vermeiden296 . Im allgemeinen ist allerdings anerkannt, daß es sich bei dem Ausdruck "soll" in der Regel um ein "muß" handelt297 , d.h., es besteht für die Bundesregierung ein rechtliches Gebot zur Übertragung, wenn der Anwendungsbereich betroffen ist. Nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen steht die Sollvorschrift zwischen der ,,Kann-" und der ,,Mußvorschrift". Während die Behörde im ersten Fall über einen Ermessensspielraum verfügt und im zweiten Fall zum Handeln verpflichtet ist, begründet die Sollvorschrift eine Regelverpflichtung, von der in Ausnahmefällen, d.h. in atypischen Situationen, abgesehen werden kann298 . Dementsprechend hat die Bundesregierung zur KlarsteIlung darauf hingewiesen, daß Ausnahmen von dieser Regelübertragung299 möglich sind30o . Solche Ausnahmen sind z.B. dann zulässig, wenn dies die Verpflichtung der Bundesrepublik zu gemeinschaftskonformem Verhalten verlangt, d.h., daß die Verhandlungsführung nie auf einen Ländervertreter übertragen werden darf, wenn dadurch Gemeinschaftsrecht verletzt würde301 . Von diesem Ausnahmefall abgesehen, beansprucht die Bundesregierung allerdings auch dann die Außenvertretung, wenn die Voraussetzungen für die Übertragung der Wahrnehmungsrechte auf die Länder eigentlich vorliegen, die Bundesregierung es aber aus "Gründen administrativer oder politischer Opportunität" für angeraten hält, die Außenvertretung selbst zu übernehmen302 . Dem tritt der Bundesrat allerdings richtigerweise entgegen303 , denn die Bedeutung des Begriffs "soll" enthält bereits implizit das Gebot, nur in besonders begründeten Fällen von der Regel abzuweichen. Sollvorschriften führen regelmäßig zu einer erheblichen Einschränkung des behördlichen
m Siehe die Begründung zwn Gesetzentwun der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3338, S. 9. 296 Ebd. 291 Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 20; Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 24; Fischer, ZParl1993, 32 (44); Scholz, NVwZ 1993,817 (823); Wilhelm, BayVB11992, 705 (710); Randelzhofer, in: MaunzlDürig/ Herzog/Scholz, Rdnr. 209 zu Art. 24 GG; Breuer, NVwZ 1994, 417 (428). 291 Vgl. Maurer, § 7 Rdnr. 7. 299 Randelzhofer, in: MaunzlDürigIHerzog/Scholz, Rdnr. 209 ZU Art. 24 GG. 300 Siehe die Begründung zwn Gesetzentwun der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3338, S. 9. 301 Ebd. 302 Ebd., S. 10. 303 Siehe Stellungnahme des Bundesrates zwn Gesetzentwun der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3338, S. 12.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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Spielraums304 . Dementsprechend gering muß der Spielraum der Bundesregierung bei der Frage bemessen sein, ob die Außenvertretungsrechte auf den Ländervertreter zu übertragen sind305 . Dies verlangt, daß sich die möglichen Ausnahmefälle auf eine überschaubare und eingrenzbare Anzahl beschränken. Mit diesen Anforderungen ist aber eine mögliche Berufung der Bundesregierung auf etwas so Unbestimmtes wie "Gründe administrativer oder politischer Opportunität" unvereinbar. Unter diesen dehnbaren Begriff läßt sich bei entsprechender Absicht nahezu alles subsumieren, was für den Bundesrat nicht nachzuvollziehen ist. Dadurch entstünde die Gefahr, daß die ursprünglich und nach der ratio legis begrenzt vorgesehenen Ausnahmetatbestände ausuferten. Insbesondere überzeugt diese Argumentation der Bundesregierung nicht, wenn sie als einziges Beispiel für das Vorliegen administrativer oder politischer Gründe anführt, eine Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter sei dann nicht möglich, wenn keine mündliche Behandlung im Rat erfolgt, weil bereits im vorhinein Einigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten hergestellt wurde306 . Bei diesem sog. A-Punkt-Verfahren handelt es sich aber gerade um den Fall, der ausdrücklich, ausschließlich und speziell als Ausnahmetatbestand in § 6 Abs. 4 EUZBLG geregelt ise o7 und daher eindeutig nicht in den Tatbestand des Art. 23 Abs. 6 GG oder des § 6 Abs. 2 Satz I EUZBLG fällt. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die Bundesregierung - entsprechend den verwaltungsrechtlichen Grundsätzen bei einer Sollvorschrift308 die Beweislast für das Vorliegen von Abweichungsgründen trifft. Bislang hat der Bundesrat in zwölf Fällen die Übertragung der Verhandlungsführung verlangt. Dies ist von der Bundesregierung allerdings verschiedentlich abgelehnt worden309 . Um solche Problemfälle in der Zukunft befriedigend lösen zu können, wird derzeit überlegt - ähnlich wie in den Fällen der Bestimmung, ob ein Vorhaben unter die Pflicht zur einfachen oder zur maßgeblichen Berücksichtigung fällt -, in der Bund-Länder-Vereinbarung ein spezielles, zügiges Schiedsverfahren festzuschreiben, das einem eventuellen verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgelagert wäre310 •
304
EyermannlFröhler, Rdnr. 10 zu § 114 VwGO.
30~ So auch Wilhe1.m, BayVB11992, 705 (710).
306 Gegenäußerung der Bl.Uldesregierung zur Stelll.Ulgnahme des Bl.Uldesrates, BTDrucks. 12/3338, S. 14. 307 Siehe hierzu näher l.Ulten, l.Ulter 11) (2). 308 EyermannlFröhler, Rdnr. 10 zu § 114 VwGO. 309 So z.B. beim Sokrates-Programm (BR-Drucks. 109/94), bei der Entschließl.Ulg zu Promotionsstudien (BR-Drucks. 336/95) l.Uld beim Aktionsprogramm zur Erha1tl.Ulg des kulturellen Erbes ,,RaphaeI" (BR-Drucks. 237/95). 310 Siehe hierzu den Bericht des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union über die Praxis der Mitwirkung der Länder l.Uld des Bl.Uldesrates in Angelegenheiten der EU vom 16.4.1996, S. 10f
14 Lang
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3. Kapitel: Die Mitwirhmgsrechte des BlDldesrates
dd) Die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung Gern. Art. 23 Abs. 6 Satz 2 GG steht das den Ländern übertragene Recht auf Verhandlungs- und Stimmführung nicht uneingeschränkt zu. Es muß vielmehr "unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung" wahrgenommen werden. (l) " Unter Beteiligung ((
Die Bedeutung des Begriffs ,,Beteiligung" läßt sich nur anhand der Eckwerte konkretisieren, die die GVK im Rahmen ihrer Empfehlungen vom 26. Juni 1992 für das EUZBLG aufgestellt hat311 . Demnach bedeutet ,,Beteiligung" der Bundesregierung die "Teilnahme von Vertretern der Bundesregierung und der Ständigen Vertretung an allen Sitzungen und förmlichen Außenkontakten". Offenbar fand auch die Bundesregierung keine klarere Umschreibung, da sie diese Formulierung wörtlich in die Begründung ihres Gesetzentwurfs übernahm312 • (2) "In Abstimmung"
Erheblich größere Schwierigkeiten bereitet die Auslegung des Begriffs ,,in Abstimmung". Das Erfordernis der ,,Abstimmung" besteht nicht nur im Hinblick auf die Vorbereitung der Sitzungen sondern auch auf das Vorgehen bei den Verhandlungen313 . Was der Begriff aber genau meint, bleibt im dunkeln314 . So beschränkt man sich regelmäßig auf die lapidare Feststellung, ,,Abstimmung" bedeute ,,mehr als Benehmen und weniger als Einvernehmen"m. Obgleich diese obskure Umschreibung von der GVK geprägt worden ist, konnten sogar deren Mitglieder nur wenig mit ihr anfangen316 . 311 Protokollnotizen der Berichterstatter zum Thema: Gnmdgesetz lDld Europa, GVK-ArbeitslDlterlage Nr. 63; ebenso auch Randelzhofer, in: MaunzJDürigIHerzog/ Scholz, Rdnr. 209 zu Art. 24 00. 312 BT-Drucks. 12/3338. S. 10. 313 Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 24; Wilhelm BayVBI 1992, 70? ~710). 31 Siehe hierzu auch Randelzhofer, in: MaunzJDüriglHerzog/Scholz, Rdnr. 209 zu Art. 2400. 313 Diese ebenfalls erstmals in den Protokollnotizen der Berichterstatter verwendete UmschreiblDlg (GVK-ArbeitslDlterlage Nr. 63) ist nicht nur von der BlDldesregierlD1g (BT-Drucks. 12/3338, S. 10), sondern auch vom Sonderausschuß (BT-Drucks. 12/3896, S. 20) lDld der bislang hierzu veröffentlichten Literatur gern lDld oft benutzt worden - allerdings meist ohne den Versuch einer begrifilichen KläIlDlg lDld häufig ohne einen Ansatz zur Kritik an dieser lDlbestimmten lDld lDlverständlichen Umschrei-
B. Die Mitwirlomgsrechte im einzelnen
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Es bedarf daher zunächst der Klärung, was genau - auf die vorliegende Situation bezogen - unter ,,Benehmen" und ,,Einvernehmen" zu verstehen ist. In der Gesetzes- wie auch in der Verwaltungssprache bedeutet ,,Einvernehmen" im allgemeinen, daß das Einverständnis eines anderen Gesetzgebungsorgans bzw. einer mitwirkungsberechtigten Behörde vor einem Gesetzes- oder Verwaltungsakt herbeigefiihrt werden muß 317 . Durch den Begriff des Einvernehmens drückt das Gesetz also den bestimmenden Einfluß der mitwirkungsberechtigten Stelle auf die entscheidungszuständige Stelle aus. Das Ergebnis ist zwar eine einheitliche Entscheidung, die jedoch nicht allein aufgrund des Willens der entscheidungszuständigen Stelle zustandekomme 18 . Auf die vorliegende Situation bezogen würde dies bedeuten, daß der vom Bundesrat benannte Ländervertreter die Außenvertretung der Bundesrepublik nicht ohne das Einverständnis der Bundesregierung vornehmen darf und demnach nicht über ein Letztentscheidungsrecht verfügt. Erforderlich wäre vielmehr eine einheitliche Entscheidung, die vom Ländervertreter und von der Bundesregierung gleichermaßen getragen würde. Ist eine Entschließung dagegen im ,,Benehmen" mit einer anderen Stelle zu treffen, so ist dieser Stelle regelmäßig lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zwar sollte das Ziel die Herbeifiihrung einer Verständigung zwischen beiden Stellen sein, dennoch besteht keine Bindung der handelnden Stelle an ein Einverständnis319 . Die mitwirkungsberechtigte Stelle übt lediglich beratenden Einfluß aus, indem sie gutachtlich tätig wird; die entscheidungsberechtigte Stelle kann also von der gutachtlichen Stellungnahme abbung, vgl. z.B. Fischer, ZPar11993, 32 (44); Dästner, NWVB11994, 1 (2); Wilhelm, BayVBI 1992, 705 (710); kritisch dagegen Randelzhofer, in: MaunzJDüriWHerogl Scholz, Rdnr. 209 zu Art. 24 GO und Scholz, NVwZ 1993, 817 (824). 316 So beklagte z.B. der Abg. Dr. Burkhard Hirsch: ,,Hier finden die Berichterstatter die etwas sybillinische Bemerlomg, das sei mehr als ,,Benehmen", aber weniger als ,,Einvernehmen". Da frage ich mich: Was ist es denn eigentlich? Ich glaube, da ist reichlich Stoff für Zweifel, was in Wirklichkeit gemeint ist und wie man das wirklich praktizieren soll", siehe Stenographischer Bericht der 8. Sitzung der GVK vom 26. Juni 1992, S. 20. Bedauerlicherweise sind jedoch im Verlauf dieser Sitzung, an deren Ende bereits die Abstimmung über Art. 23 GO in der ursprünglichen Form (d.h. ohne Ergänzung bzgl. der Regelungen des Bundestages) stand, diese Bedenken nicht mehr auf~egriffen oder geklärt worden. . 17 Siehe oben, unter Iv. 5. b) bb) (1). So Maurer, § 9 Rdnr. 30; Badura, in: ErichsenlMartens (Hrsg.), § 40 ill. Einvernehmen ist z.B. in § 14 Abs. 2 und § 36 Abs. 1 BauGB erforderlich. Redeker/v. Oertzen weisen allerdings daraufhin, daß die für die Mitwirlomgsformen verwandten Begriffe durchaus nicht immer einheitlich gebraucht würden und dementsprechend keinen zwingenden Schluß auf die rechtliche Qualifikation der Handlung zuließen, Rdnr. 84 zu § 42 VwGO. 311 Badura, in: ErichsenlMartens, § 40 ill. 319 Vgl. Badura, ebd. Benehmen ist z.B. erforderlich in § 3 Abs. 2 VereinsG oder § 5 Abs. 4 Satz 4 BFStrG. 14*
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
weichen320 . Danach hätte der Ländervertreter der Bundesregierung lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und wäre nicht an diese gebunden; er hätte mithin das Recht zur Letztentscheidung321 . Der Bereich der "Abstimmung" liegt nun nach allgemeiner Auffassung zwischen diesen beiden Positionen. Gerade in diesem Bereich fällt aber das Ausloten eines Interpretationsspielraums und eine endgültige Begriffsdefinition äußerst schwer, denn in letzter Konsequenz gilt es zu entscheiden, ob dem Ländervertreter hier ein Letztentscheidungsrecht eingeräumt wird oder nicht. Damit wird deutlich, daß die vielzitierte Umschreibung der GVK. geradezu unsinnig ist, weil zwischen den Begriffen ,,Benehmen" und ,,Einvernehmen" im Grunde kein Interpretationsspielraum besteht. Dies ist solange unschädlich, wie ein Einverständnis zwischen den Vertretern zügig hergestellt werden kann. Probleme ergeben sich allerdings dann, wenn sich die Vertreter auch unter großen Bemühungen nicht auf eine gemeinsame Verhandlungsführung einigen können. Daß dem Ländervertreter in diesem Fall hier kein unbeschränktes Letztentscheidungsrecht zustehen kann, ergibt sich bereits aus dem Umstand, daß Art. 23 Abs. 6 GG selbst auf die Erforderlichkeit der Beteiligung und Abstimmung mit der Bundesregierung hinweist und dadurch eine Einschränkung des Außenvertretungsrechts vorsieht. Andererseits ist aber aus der Befugnis des Ländervertreters zur verbindlichen Außenvertretung gem. Art. 146 EGV bei der Umsetzung keine Befugnis der Bundesregierung zur Erteilung von Weisungen entstanden. Dies folgt aus den in § 6 Abs. 2 Satz 3 EUZBLG gewählten Formulierungen "unter Teilnahme von" und ,,in Abstimmung mit" Vertretern der Bundesregierung. Sie enthalten eher eine Nuance der Gleichberechtigung zwischen Bundes- und Ländervertretern. Ein Hinweis zur Interpretation des Begriffs ,,in Abstimmung" ergibt sich jedoch aus § 6 Abs. 2 Satz 4 EUZBLG. Nach dieser Vorschrift ist die Abstimmung des Ländervertreters mit dem Bundesvertreter im Hinblick auf eine sich ändernde Verhandlungslage entsprechend den für die interne Willensbildung geltenden Regeln und Kriterien vorzunehmen. Maßstab für die Abstimmung ist demnach die Zuständigkeitsverteilung des Art. 23 Abs. 5 GG. Überträgt man diesen Gedanken auf die ursprüngliche Verhandlungslage, so gelangt man zu folgendem Ergebnis: Fällt das Vorhaben, über das verhandelt wird, in den Bereich der maßgeblichen Berücksichtigung, so liegt die Letztentscheidung bei dem verhandlungsführenden Vertreter der Länder; fällt es dagegen in den Bereich der einfachen Berücksichtigung, so ist letztlich die Auffassung Ebd. Es besteht also Ähnlichkeit zur einfachen ,,Berücksichtigung" der Stellungnahme des Bundesrates durch die Bundesregienmg bei der innerstaatlichen Festlegung der Verhandlungsposition gern. Art. 23 Abs. 5 Satz I GG. 320 321
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
213
des Vertreters der Bundesregierung für die Verhandlungsführung entscheidend. In diesem Fall entsteht die Situation, daß der verhandlungsfiihrende Ländervertreter den Standpunkt des Vertreters der Bundesregierung übernehmenmuß. Auf den ersten Blick scheint dies nicht einzuleuchten, denn der Anwendungsbereich der Verhandlungsfiihrung erstreckt sich ausschließlich auf Vorhaben, die originäre Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betreffen, die wiederum gleichzeitig unter die maßgebliche Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG fallen. Man könnte daher annehmen, daß hier Deckungsgleichheit vorliegt und infolgedessen alle Vorhaben, bei denen die Verhandlungsführung bei den Ländern liegt, automatisch maßgeblich zu berücksichtigen wären und daher das Letztentscheidungsrecht bei der Verhandlungsführung immer dem Ländervertreter zustünde. Dies trifft jedoch nicht zu. Wie oben festgestellt, liegt nämlich gerade keine Deckungsgleichheit zwischen Art. 23 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 GG vor322 ; denn nicht immer ist in den Fällen der Verhandlungsführung durch Ländervertreter die Ansicht des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen, da die Bundesregierung gem. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 und 3 GG in Ausnahmefällen die Möglichkeit zur Abweichung hae23 . Schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß es sich bei europäischen Vorhaben ganz überwiegend um gemischte Vorhaben handelt, die nur zu einem Teil Länderzuständigkeiten betreffen, während der übrige Teil in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fällt. Zwar macht die Übertragung der Verhandlungsführung diesbezüglich keinen Unterschied324 . Dies gilt aber nicht für die maßgebliche Berücksichtigung. Diese findet nämlich nur insoweit statt, als Länderbe lange im Schwerpunkt betroffen sind32s . Im übrigen gilt der Vorrang des Bundes. Zieht man also die Grundsätze über die innerstaatliche Willensbildung heran, so muß - wenn die streitbefangene Abstimmung zwischen den Vertretern die Bundeszuständigkeit betrifft - der Vertreter der Bundesregierung die maßgebliche Entscheidung treffen. ee) Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes Ebenso wie für Art. 23 Abs. 5 GG besteht auch für die Wahrnehmung der mitgliedsstaatlichen Rechte gem. Abs. 6 die ausdrückliche Verpflichtung, die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. Diese Pflicht trifft vor
322 323 324 32'
Siehe oben, unter b) bb) (1). Siehe oben, unter IV 5. c) bb) und ce). Siehe oben, unter b) bb) (3). Siehe oben, unter IV 5. c) aa).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
allem den Länder- und den Bundesvertreter, die die Wahrnehmung der Rechte in gegenseitiger Abstimmung vorzunehmen haben326 . Diese gemeinsame Pflicht unterstreicht die Verpflichtung der Vertreter, im Interesse des Gesamtstaates zu einer einvernehmlichen vertretbaren Lösung zu kommen. ff) Ausschluß der Übertragung
Die Übertragung der Wahrnehmungsrechte auf einen Ländervertreter wird in zwei Fällen ausdrücklich ausgeschlossen. (1) Ratsvorsitz
§ 6 Abs. 3 EUZBLG bestimmt, daß die Möglichkeit zur Übertragung der Verhandlungsführung grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn die Präsidentschaft in der EU durch die Bundesrepublik ausgeübt wird und sie den Vorsitz im Ministerrat führt. Allerdings hat sich die Bundesregierung mit dem für die Verhandlungsführung benannten Vertreter der Länder ins Benehmen zu setzen, wenn über Vorhaben verhandelt wird, die im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betreffen.
(2) A-Punkt-Verfahren
Nach § 6 Abs. 4 EUZBLG ist die Übertragung der Verhandlungsführung ausgeschlossen, wenn der Rat seine Abstimmung ohne Aussprache vornimmt. Bei diesen sog. A-Punkt-Verfahren327 handelt es sich zumeist um Verfahrensfragen oder andere Fragen politischer Natu?28. In diesen Fällen liegt nicht nur die Verhandlungsführung, sondern auch die federführende Koordinierung im schriftlichen Verfahren bei einem Vertreter der Bundesregierung. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß diese Vorgehensweise mit dem Ländervertreter abgestimmt worden ist, d.h., dessen Zustimmung ist unerläßlich. Sie wird allerdings nicht für jede Sitzung erneut eingeholt, sondern generell erteilt. Fälle, in denen der Rat eine Abstimmung ohne Aussprache vornimmt, sind relativ häufig. Die Ratstagungen werden jeweils vom AStV329 vorbereitet. Vgl. Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 24. Hierzu auch Streinz, Europarecht, Rdnr. 269. 321 SchweitzerlHummer, Europarecht, S. 236. 329 Siehe oben, unter Iv. 3. 326 327
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
215
Diese Vorbereitung ist meist so intensiv, daß es im Rat keine weiteren Aspekte zu erörtern gilt, in der Vorphase es bereits zu einer Einigung unter den Mitgliedsstaaten gekommen ist und so dem Rat die Abstimmung ohne Aussprache ermöglicht wird. Der Ausschluß nach § 6 Abs. 4 EUZBLG beschränkt sich jedoch ausschließlich auf die Verhandlungs- und Stimmführung. Damit die Rechte der Länder nicht völlig umgangen werden können, obliegt es der Bundesregierung im Rahmen ihrer grundsätzlichen Unterrichtungspflicht nach Art. 23 Abs. 2 GG, die Länder auch über die A-Punkt-Vorlagen laufend zu unterrichten. Das Recht auf Abgabe einer einfach oder maßgeblich zu berücksichtigenden Stellungnahme sowie das Recht auf Hinzuziehung von mitberatenden Ländervertretern bleibt unberührt. Gegebenenfalls hat die Bundesregierung deshalb im Rat dafür einzutreten, daß über bestimmte Vorhaben nicht ohne Aussprache beschlossen wird, damit die Länder durch den Bundesrat Gelegenheit zur Beteiligung erhalten330 . Diese Verpflichtungen der Bundesregierung bestehen umso mehr, als den Ländern kein Zugang zum AStV gewährt wird331 • 3. Benennung und fachliche Begleitung der Ländervertreter durch den Bundesrae32 a) Benennung
Gern. Art. 23 Abs. 6 GG und § 6 Abs. 1 und 2 EUZBLG i.Vm. Abschnitt IV der BLV benennt der Bundesrat Vertreter der Landesseite zur Verhandlungsführung oder zur schlichten Teilnahme an Verhandlungen über Vorhaben im Rahmen der EU. Dies umfaßt neben gewöhnlichen Rechtsetzungsvorhaben auch solche, die auf Art. 235 EGV gestützt werden sowie Aktionsprogramme und sonstige Vorhaben. Unterteilt wird die Benennung in die Teilnahme an Beratungen einer bestimmten Vorlage (vorlagenbezogene Benennung) und in die generelle Teilnahme an Sitzungen bestimmter Beratungsgremien (grernienbezogene Benennungi33 . Aus Gründen der Kontinuität und der Konzentration erfolgen diese Benennungen länder-, nicht personenbezogen. Daher
330 Siehe die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3540, S. 6. 331 Siehe oben, unter Iv. 5. d). 332 Zur Benennung und fachlichen Begleitung hat der Direktor des Bundesrates am 21. Dezember 1993 ein ausführliches Merkblatt herausgegeben. 333 Vgl. MorawitzlKaiser, S. 109. Hinsichtlich der Teilnahme an Ratstagungen hat der Bundesrat für vier Räte, nämlich Forschung, Bildung, Kultur sowie Innen und Justiz Minister und Senatoren benannt.
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3. Kapitel: Die Mitwirlomgsrechte des BlUldesrates
löst der Wechsel der Person innerhalb des Ressorts kein neues Benennungsverfahren aus334 . Bislang endete das Mandat bei vorlagenbezogenen Benennungen mit dem Abschluß der Beratungen in den Arbeitsgruppen des Rates. Da die Kommission aber im Anschluß daran regelmäßig Arbeitsgruppen zur Durchführung der verabschiedeten Regelungen oder Programme einsetzt, soll nunmehr das Mandat für die Beratungen der Kommissionsgremien fortwirken335 . Dadurch wird eine Neubenennung vermieden und die fachliche Kontinuität der Länder sichergestellt. In den letzten Jahren ist die Anzahl der in europäischen Beratungsgremien tätigen Ländervertreter ständig angestiegen. Im Jahre 1995 kam es schließlich zum Höchststand von ca. 450 Bundesratsbeauftragten. Für die Effektivität der Arbeit erwies sich dies jedoch nicht unbedingt als positiv. Der Bundesrat gewann vielmehr zunehmend den Eindruck, daß durch die stete Ausweitung der personellen Mitwirkung in Europaangelegenheiten eine Koordinierung erschwert, Intransparenz geschaffen und die Aufgabenwahrnehmung durch einzelne Ländervertreter vernachlässigt wurde. Aus diesem Grunde wurden von der Europaministerkonferenz am 23./24. Mai 1995 neue Grundsätze zur Benennung erarbeitet, die einerseits die ungehinderte Benennung abbremsen und andererseits das Bewußtsein für die Bedeutung der Benennung und der damit übernommenen Aufgaben und Pflichten schärfen sollten336 • Diese Grundsätze wurden erstmals im November 1995 umgesetzt, als die Neubenennung von etwa 200 im Jahre 1992 erstmals benannten Bundesratsbeauftragten anstand. Mithilfe der neuen restriktiveren Handhabung gelang es dem Bundesrat schließlich, die Gesamtzahl der Bundesratsbeauftragten auf 330 zu verringern, die insgesamt 397 Gremien betreuen337 . Bei der Außenvertretung kann die Verhandlungsführung immer nur durch einen, nicht aber durch zwei Ländervertreter gemeinsam ausgeübt werden. Für die Zulässigkeit einer gemeinsamen Ausübung ist aber der Bundesrat z.B. beim Vorentwurf des Aktionsprogramms Leonardo da Vinci eingetreten338 • Zur Begründung wurde auf die Formulierung in Abschnitt IV Nr. 3 der BLV
334 Schreiben des BlUldesratspräsidenten Wedemeier an den Vorsitzenden des Re.chtsausschusses des BlUldesrates Hardraht vom 17. JlUli 1994, S. 3, Ziffer 7. 33' Ebd., Ziffer 8. 336 Siehe hierzu den Bericht des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union über die Praxis der Mitwirlomg der Länder lUld des BlUldesrates in Angelegenheiten der EU vom 16. April1996, S. 8 tf. 337 Bericht des Direktors des BlUldesrates über die praktischen ErfahrlUlgen mit dem neuen Verfahren zu den Beauftragten des BlUldesrates in Gremien der Europäischen Union vom 24. JlUli 1996. 338 BR-Drucks. 110/94.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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verwiesen, in der von "die Ländervertreter" die Rede ise 39 . Aus der Überschrift des Abschnitts IV ergibt sich aber bereits, daß es hier lediglich um die schlichte Hinzuziehung von Ländervertretern, nicht aber um die Verhandlungsführung geht. Die einschlägigen Vorschriften des Art. 23 Abs. 6 GG und des § 6 Abs. 2 EUZBLG sprechen dagegen immer nur von einem Vertreter340 . b) Fachliche Begleitung
Gern. § 45 i Abs. I Satz I GOBR sind die Ländervertreter an Beschlüsse des Bundesrates gebunden. Dabei kann jedes Land beantragen, daß im Verlauf der Verhandlungen neue Weisungen an die Vertreter erteilt werden341 . Das gleiche gilt für Ausschüsse, denen die Vorlage zugewiesen worden ise42 • In diesen Fällen wird gern. § 45 d Abs. 2 GOBR automatisch die Eilfallzuständigkeit der Europakammer für die Beschlußfassung begründet, wenn ein Aufschub bis zur nächsten Sitzung des Plenums nicht möglich ist. Daneben kann auch deren Zuständigkeit in Vertraulichkeitsfällen gern. § 45 d Abs. 3 GOBR gegeben sein, um bestimmte Informationen während der Verhandlungsphase zu schützen. In diesem Fall müssen jedoch die speziellen Voraussetzungen des § 45 d Abs. 3 GOBR vorliegen. Die Ländervertreter sind gern. § 45 i Abs. 2 GOBR verpflichtet, dem Bundesrat unverzüglich und i.d.R. schriftlich über den Verlauf der einzelnen Sitzungen sowie über einen möglichen weiteren Beratungsbedarf des Bundesrates mit Blick auf die Verhandlungssituation Bericht zu erstatten. Darüberhinaus hat jedes einzelne Land und jeder beteiligte Ausschuß des Bundesrates nach Satz 2 der Vorschrift die Möglichkeit, die Erörterung eines solchen Berichtes zu verlangen. Diese Berichterstattungspraxis ist unerläßlich, da der Bundesrat nur dann eine sinnvolle fachliche Beratung vornehmen kann, wenn er über den aktuellen Verhandlungsstand genau unterrichtet ist. Um das Bewußtsein der Ländervertreter für ihre Aufgaben zu schärfen, hat die Europaministerkonferenz vom 23./24. Mai 1995 beschlossen, die Ländervertreter verstärkt in die durch das Büro des Ausschusses für Fragen der Euro-
339 Vgl. Protokoll der Sitzung des EU-Ausschusses vom 4. März 1994, S. 120 sowie BR-Drucks. 110/94 (Beschluß). 340 Diese Ansicht hat die Bundesregierung von vornherein vertreten und dies auch in ihrer Begründung zwn Entwurf des EUZBLG klargestellt, BT-Drucks. 12/3540, S. 6. Dem ist der Bundesrat in seiner Stellungnahme zwn Gesetzentwurf nicht entgegengetreten, a.a.O., S. 8ff. 341 § 45 i Abs. 1 Satz 2 und 3 GOBR. 342 § 45 i Abs. 1 Satz 4 GOBR.
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3. Kapitel: Die Mitwirklmgsrechte des Bmtdesrates
päischen Union durchgeführten Erfolgs- und Abschlußkontrollen betreffend die Stellungnahmen des Bundesrates zu europäischen Vorhaben einzubeziehen. Hierdurch soll der Informationsfluß wesentlich verbessert werden. 343 4. Ergebnis Während hinsichtlich der Hinzuziehung der Ländervertreter die Rechtslage im wesentlichen unverändert bleibt, wertet die Verhandlungs- und Stimmführung der Ländervertreter gern. Art. 23 Abs. 6 GG, § 6 Abs. 2 EUZBLG die Position der Länder deutlich auf. Allerdings sind dieser Verhandlungsführung deutliche Grenzen gesetzt. So betrifft sie ohnehin nur den schmalen Bereich der originären Gesetzgebungskompetenz der Länder. Ferner ist die Übertragung der Verhandlungs- und Stimmführung nicht zwingend vorzunehmen; neben den Fällen des Ratsvorsitzes der Bundesrepublik und der A-Punkt-Verfahren schafft das Erfordernis der Gemeinschaftsrechtskonformität einen weiteren Ausnahmetatbestand. Schließlich ist die Außenvertretung, wenn sie durch einen Ländervertreter wahrgenommen wird, nur unter Beteiligung und in Abstimmung mit dem Vertreter der Bundesregierung vorzunehmen.
VI. Die Willensbildung des Bundes bei Verfahren vor den Europäischen Gerichten gern. § 7 EUZBLG Auf Verlangen des Bundesrates macht die Bundesregierung gern. § 7 Abs. I Satz I EUZBLG von ihren Klagemöglichkeiten vor den europäischen Gerichten Gebrauch. Die Erhebung von Klagen gehört grundsätzlich zu den mitgliedsstaatlichen Rechten, die nach Art. 23 Abs. 6 GG auf Ländervertreter übertragen werden sollen. Gleichwohl hat dieser Bereich eine eigene Regelung erfahren. Dies liegt möglicherweise daran, daß die Vorschrift die Klageerhebung gern. § 7 Abs. I EUZBLG mit der Ausgestaltung der Prozeßführung verknüpft, bei der die Bundesregierung den Bundesrat gern. § 7 Abs. 3 EUZBLG an ihrer Willensbildung beteiligt. Hier treffen demnach Elemente der inneren Willensbildung mit solchen der Außenvertretungskompetenz zusammen.
343 Vgl. hierzu den Bericht des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union über die Praxis der Mitwirklmg der Länder mtd des Bmtdesrates in Angelegenheiten der EU vom 16.4.1996, S. 9.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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1. Ausübung von Klagerechten durch die Bundesregierung
Nach § 7 Abs. I EUZBLG macht die Bundesregierung auf Verlangen des Bundesrates von den vertraglich vorgesehenen Klagemöglichkeiten Gebrauch. Im Falle des § 7 Abs. I EUZBLG wird damit die Bundesregierung für die Länder vor den europäischen Gerichten tätig. Es handelt sich daher um eine Art materieller Prozeßstandschaft. Voraussetzung hierfür ist, daß die Länder durch ein Handeln oder Unterlassen der Organe der EU im Bereich ihrer Gesetzgebungsbefugnisse betroffen sind und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat. Ebenso wie bei der Bereichsbestimmung nach Art. 23 Abs. 5 Satz I und 2 GG versuchten die Länder, gegen die Formulierung "und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat" vorzugehen344 . Schließlich kann keine Klageerhebung von der Bundesregierung verlangt werden, wenn es sich um eine Verletzung im Bereich der konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung handelt und gern. § 72 Abs. 2 GG das Erfordernis nach einer ländefÜbergreifenden Regelung besteht, ohne daß es darauf ankommt, ob der Bund von seinem Recht zur Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat. Ebenso wie bei Art. 23 Abs. 5 GG konnte sich der Bundesrat aber auch hier nicht durchsetzen343 . Es bleibt somit dabei, daß eine Klageerhebung nur dann in Betracht kommt, wenn der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat. Im Unterschied zu Art. 23 Abs. 5 GG reicht es demgegenüber aber aus, wenn die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder "betroffen" sind, sie müssen nicht ,,im Schwerpunkt" betroffen sein. Gemessen an der bei Art. 23 Abs. 5 GG vorgenommenen Interpretation bedeutet dies, daß die Rechte der Länder durch das Verhalten eines Organs der EU zwar erheblich beeinträchtigt sein müssen; es ist jedoch nicht erforderlich, daß die Länderrechte im Mittelpunkt des OrganhandeIns oder -unterlassens gestanden haben. Es reicht demnach aus, wenn die erhebliche Verletzung der Rechte gelegentlich des HandeIns oder Unterlassens entstanden ist. Die Bundesregierung ist nur "unbeschadet eigener Klagerechte der Länder" zur Klageerhebung verpflichtet, d.h. nur in den Fällen, in denen die Länder nicht über eigene Klagerechte verfügen346 • Eine Aktivlegitimation der Länder liegt z.B. bei Nichtigkeitsklagen gern. Art. 173 Abs. 2 EGV gegen Verordnun-
344 Siehe Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwwf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3540, S. 9. 34~ Vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 12/3540, S. 11. 346 So auch MorawitzlKaiser, S. 117.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
gen, Entscheidungen und gegen Richtlinien347 vor, für deren Umsetzung sie innerstaatlich zuständig sind348 . Eine Klageerhebung durch die Bundesregierung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Bundesrat dies ausdrücklich verlangt. Ihm steht damit ein ,,Prognosespielraum" ZU349. Die Verpflichtung der Bundesregierung besteht deshalb auch dann, wenn nach ihrer Ansicht von einer Klageerhebung abgesehen werden sollte. Aus § 7 Abs. 1 Satz 2 EUZBLG ergibt sich aber, daß auch hier die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes einschließlich außen-, verteidigungs- und integrationspolitischer Fragen zu wahren ist. Die Bundesregierung muß deshalb keine Klage erheben, wenn starke gesamtpolitische Gründe dagegen sprechen. Dies muß auch der Bundesrat gern. § 7 Abs. 1 Satz 2 EUZBLG bei seiner Forderung nach Klageerhebung berücksichtigen. Auch ein einzelnes Land kann dieses Verlangen durch den Bundesrat veranlassen, wenn es einen Eingriff in seine Rechte befürchtet. Das Verlangen gegenüber der Bundesregierung kann aber nur der Bundesrat selbst aussprechen350 . Der Bundesrat befindet dann über einen entsprechenden Antrag der Landesregierung351 . Gern. Abschnitt V Nr. 2 der BLV wird die Klageschrift von der Bundesregierung verfaßt. Die Länder haben jedoch die Möglichkeit, hierzu ausführlich Stellung zu nehmen. Auf diese Weise können ihre Argumente in die Klageschrift miteinfließen, ohne daß jedoch eine Bindung der Bundesregierung entstünde. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, daß sich die Länder im allgemeinen mit der Abgabe einer gemeinsamen Stellungnahme schwer tun. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wurde das Länderbeteiligungsverfahren, welches auf der direkten Mitwirkung der Länder basierte, schließlich als gescheitert betrachtet. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, daß diese Stellungnahme nicht vom Bundesrat, sondern ausdrücklich von den Ländern selbst abzugeben ist.
AA Jooss/Scheurle, EuR 1989, 226 (232). SchweitzerlHwnmer, Europarecht, S. 119; Schweitzer, ZG, 1992, 128 (l37); Wenig, in: Grabitz, Rdnr. 53 zu Art. 173 EWGV; Geiger, in: Kremer (Hrsg.), Die Stellung der Bundesländer im Europäischen Gemeinschaftsrecht und ihre Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Rechtsakte der Gemeinschaft, 51 (69). 349 MorawitzlKaiser, S. 117. 3~O Dästner, NWVBI1994, 1 (3). 3~1 Praktiziert worden ist diese Möglichkeit der Beteiligung des Bundesrates bisher allerdings nicht. Zwar ist die Bundesregierung derzeit an etwa 100 Verfahren vor dem EuGH beteiligt, jedoch hat der Bundesrat noch zu keinem dieser Verfahren eine Beratung durchgeführt. 347
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B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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2. Prozeßfühl1lng
Hinsichtlich der Prozeßführung gehen die Rechte der Länderseite weiter. Nach § 7 Abs. 3 EUZBLG zieht die Bundesregierung dabei die Auffassung des Bundesrates zu Rate und stellt mit diesem Einvernehmen über die inhaltliche und formelle Prozeßführung her, soweit originäre Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind oder der Bund im Bereich der konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung kein Recht zur Gesetzgebung hae s2 . Wie in Abs. 1 reicht es auch hier aus, wenn die Länderrechte von den anhängigen Verfahren und der Verfahrensführung betroffen sind, sie müssen nicht "im Schwerpunkt" betroffen sein. Das Erfordernis des Einvernehmens gilt sowohl für den Fall, daß die Bundesregierung gern. § 7 Abs. 1 EUZBLG für die Länder Klage erhoben hat, als auch für die Fälle, daß die Bundesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme vor dem Europäischen Gerichtshof nach Abs. 2 hat oder Beklagte in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 169 EGV ist. Diese Beteiligungsrechte des Bundesrates setzen mithin erst dann ein, wenn die Entscheidung über die Klageerhebung oder die Beteiligung an einem Verfahren bereits gefallen ist. Unter Herstellung des Einvernehmens ist wie in den bisherigen Fällen grundsätzlich das Erfordernis eines Einverständnisses seitens des Bundesrates zu verstehen. Anders als bei der maßgeblichen Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 5 Satz GG ist hier kein Streitschlichtungsmechanismus vorgesehen. Dies kann letztlich nur bedeuten, daß sich keine Ansicht gegenüber der anderen durchzusetzen vermag, wenn nicht beide Teile damit einverstanden sind. Das Herstellen des Einverständnisses läuft daher auf eine einvernehmliche Handhabung der Prozeßführung hinaus, wenn es sich auch hier formal um die Willensbildung der Bundesregierung handelt. Was gelten soll, wenn ein Einverständnis nicht hergestellt werden kann, bleibt offen. Es ist aber zu beachten, daß die maßgebliche Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG immerhin ausdrücklich festlegt, daß grundsätzlich eine Bindung der Bundesregierung an die Stellungnahme des Bundesrates vorliegt. So weit geht die Einvernehmensregelung des § 7 Abs. 3 EUZBLG jedoch nicht. Das Recht auf maßgebliche Berücksichtigung ist damit offenbar ein stärkeres Recht als das Recht auf Herstellung von Einvernehmen. Aus Gründen der Praktikablilität und unter Beachtung der Einschätzungsprärogative der Bundesregierung wird
3'2 Auch hier bedeutet dies wieder, daß es nur auf das Fehlen eines Erfordernisses nach bundeseinheitlicher Regelung gern. Art. 72 Abs. 2 GG, nicht dagegen auf das Gebrauchmachen des Bundes von seinem Gesetzgebungsrecht ankommt, siehe oben, unter IV 4. a) bb).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
daher vermutlich ihre Ansicht letztlich den Ausschlag geben. Bislang ist das Verfahren nach § 7 EUZBLG jedoch noch nicht angewendet wordenm .
VII. Indirekt Beteiligte: Die Position der Landtage, des Beobachters der Länder und der Länderbüros 1. Die Landtage Wie oben dargestelle S4 traf die mit der Übertragung von Hoheitsrechten gern. Art. 24 Abs. 1 GG verbundene Auszehrung der Landesstaatlichkeit in der Vergangenheit die Landtage stärker als die Landesregierungen3SS , denn sie wurden nicht wie diese nach dem EEAG für den Verlust ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten durch gesonderte Mitwirkungsrechte entschädigt. Dadurch ist es innerhalb der Länder zu einer Verschiebung der Gewichte zugunsten der Exekutive gekommen. Durch die Beibehaltung des Bundesratsverfahrens und den Ausbau der Rechte des Bundesrates in Art. 23 GG hat sich dieser Effekt weiter verstärkt. Zwar hat die Konferenz der Präsidenten und Präsidentinnen der deutschen Landesparlamente am 11. Mai 1992 in ihrer Entschließung3S6 u.a. eine rechtzeitige Beteiligung der Landtage bei der Mitwirkung der Länder an der Willensbildung des Bundes gefordert. Tatsächlich aber bleibt die Beteiligung der Länder in EU-Angelegenheiten weiterhin im ,,gubernativen" Bereich357 • Für die Landtage beschränkt sich die Beteiligungsmöglichkeit in europäischen Angelegenheiten dementsprechend weitgehend auf Informationsund parlamentarische Kontrollrechte gegenüber der Landesregierung. Die Landtage werden von den Landesregierungen i.d.R. umfassend358 über alle Vorhaben der EU unterrichtet, die Länderinteressen berühren359 • Grundlage hierfür sind Absprachen zwischen den Landtagen und den Landesregie-
353 Siehe der Bericht des Ausschusses fiir Fragen der Europäischen Union über die Praxis der Mitwirkung der Länder und des Bundesrates in Angelegenheiten der EU vom 16. April 1996, S. 12. 354 Siehe oben, 1. Kapitel A V. 3. b). m Volkert, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 251 (25~; Schütz, BayVBl1990, 518 (520). 36 Abgedruckt in: AlgieriiSchmuck/Wesse1s, S. 151-155. 357 Vgl. Blumenwitz, in: Bonner Kommentar, Rdnr. 15 zu Art. 51 00; Dästner, NWVB11994, 1 (3). 35. Als zu eng wird die Unterrichtung allerdings von Riemer bezeichnet, in: v. AlemannlHeinzelHombach (Hrsg.), S. 202. 359 C1ostermeyer, in: Borkenhagen/Bruns-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 171 (176).
B. Die Mitwirktmgsrechte im einzelnen
223
rungen360 , eine gesetzliche oder gar landesverfassungsrechtliche Grundlage gibt es jedoch niche 61 . Allerdings herrscht bei den Landtagen eine noch größere Zeitnot als beim Bundesrat, da die Informationen erst vom Bundesrat über die Landesregierungen den Landtagen zugeleitet werden. So sind häufig - insbesondere in Eilsachen - die Stellungnahmen des Bundesrates bereits abgegeben, die Verhandlungsposition des Bundes gefaßt oder die Beratungen in Brüssel so weit fortgeschritten, daß eine aktive Teilnahme der Landtage an der Willensbildung des Bundes durch eigene Empfehlungen an die Landesregierungen unmöglich ist. Erschwerend kommt hinzu, daß der Tagungsrhythmus der Landtage nicht auf das europäische Rechtsetzungsverfahren abgestimmt ist. Um die Befassung der Landtage zu effektuieren, wäre es daher hilfreich, Europa-Ausschüsse einzurichten, die sich intensiv und ausschließlich mit EG-Materien befaßten362 • Rechtlichen Bedenken begegnet eine solche Lösung nicht. Die Zulässigkeit von Empfehlungen, Orientierungsrichtlinien, Instruktionen oder sonstigen Leitlinien der Landtage an die Adresse der Landesregierungen ergibt sich aus dem Prinzip der parlamentarischen Verantwortung der Landesregierung363 . Dies gilt allerdings nur insoweit, als EU-Vorlagen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder betreffen - seien es originäre oder solche aus dem Bereich der konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung364 . Der Bereich der ausschließlichen Bundesgesetzgebung muß dieser Form der Beteiligung allerdings verschlossen bleiben. Dies betrifft auch Zustimmungsgesetze, an denen der Bundesrat als Bundesorgan mitwirkt36S • Grundsätzlich muß gelten, daß die Landesparlamente ihre Beschlüsse nur an die jeweilige Landesregierung richten dürfen366 . Für Empfehlungen an die Bundesorgane oder gar an Organe der EU fehlt es an entsprechenden verfassungs- und europarechtlichen Grundlagen. Darüber hinausgehende Rechte im Bereich der Willensbildung des Bundes, insbesondere das Recht, verbindliche Instruktionen an die Landesregierungen 360 Siehe z.B. für NRW das Schreiben des Ministerpräsidenten an die Präsidentin des Landtages vom 20. November 1991, abgedruckt in: Algieri/Schmuck/Wessels, S. 132. 361 Vgl. hierzu auch Scholz, in: Festschrift für Carstens, S. 831 (838); Dästner, NWVB11994, 1 (4). 362 Siehe hierzu den Vorschlag von Algieri/Schmuck/Wessels, S. 98. 363 H.H. Klein, in: Vierzig Jahre Bundesrat (Hrsg. Bundesrat), S. 95 (108); Dästner, NWVB11994, I (3 f). 364 Dästner, NWVB11994, I (4). 36~ Problematisch sind hier allerdings die häufigen Fälle, in denen die Zustimmungsbedürftigkeit in der Einwirktmg auf die Verwaltungszuständigkeit der Länder beruht. 366 Vgl. Dästner, NWVB11994, I (4).
224
3. Kapitel: Die Mitwirlrungsrechte des BlDldesrates
für ihr Verhalten und ihre Abstimmung im Bundesrat zu richten, sind mit dem in Art. 50 GG festgeschriebenen Bundesratsprinzip unvereinbar. Sie verstoßen zudem gegen das Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes, weil sie in den exekutiven Kernbereich der Landesregierungen eingreifen367 . Dieser unterliegt jedoch der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG und ist daher unantastbar368 , so daß er auch einem Eingriff unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenverschränkung verschlossen bleibt. Aus diesem Grund können die Landtage die Landesregierungen nicht auffordern, ihre Stellungnahme ,,maßgeblich" zu berücksichtigen, wie dies im Verhältnis zwischen Bundesrat und Bundesregierung möglich ist, denn dies würde einer verbindlichen Instruktion nahekommen369 . Auch die Zulässigkeit einer verbindlichen Weisungsbefugnis der Landtage gegenüber dem aufgrund Art. 23 Abs. 6 Satz I GG verhandlungsführenden Ländervertreter ist zu verneinen, denn die Bundesregierung überträgt die Wahrnehmungsrechte gern. § 6 Abs. 2 Satz I EUZBLG unmittelbar auf den Ländervertreter. Der Bundesrat übernimmt lediglich die Benennung. Insoweit nimmt der Ländervertreter also keine Aufgaben der Länder, sondern vielmehr Aufgaben des Bundes wahr370 . Auch seine Eigenschaft als Landesminister kann deshalb nicht bewirken, daß er der verbindlichen Instruktion durch das Landesparlament unterliegt. Auch hier kommt nur eine Kontrolle im Rahmen der parlamentarischen Rückbindung des Landesministers durch "seinen" Landtag in Betracht. Es bleibt damit festzuhalten, daß der Maastrichter Vertrag und die verfassungsrechtlichen Neuregelungen des Art. 23 GG mit den dazugehörigen Begleitvorschriften für die Landtage lediglich die Abwanderung weiterer Kompetenzen ohne deren gleichzeitigen Ausgleich gebracht haben. Damit ist ein weiterer Schritt zur wachsenden Bedeutungslosigkeit der Landtage getan worden.
2. Der Beobachter der Länder Die Rechtsstellung sowie die Aufgaben und Befugnisse des Beobachters der Länder sind durch die Neuregelung der Länderrechte nicht verändert worden. Dies ergibt sich aus Abschnitt VIII Nr. 5 Satz 2 der BLV, wonach die Informa367 Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. 2, § 27 ill. 2.; Blumenwitz, in: Bonner Kommentar, Rdnr. 17 zu Art. 5100; Dästner, NWVB11994, 1 (3). 368 Dürig, in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Rdnr. 36 zu Art. 79 00. 369 Vgl. dazu oben die ErläuteflDlgen zu dem Begriff der ,,maßgeblichen" Berücksichtigmg, lDlter IV 5. b) bb) (2). 370 Vgl. Dästner, NWVB11994, 1 (4).
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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tions- und Beteiligungsmöglichkeiten des Länderbeobachters gegenüber den Institutionen und Gremien der Europäischen Gemeinschaft sowie gegenüber der Bundesregierung bestehen bleiben. Das Länderabkommen vom 19. November 1988, das seit dem 1. Januar 1989 in Kraft ist und Einzelheiten über Aufgaben, Organisation und Finanzierung des Beobachters der Länder regele 71 , behält folglich uneingeschränkt seine Gültigkeit. Gern. Abschnitt VIII Nr. 5 Satz 1 der BLV hat der Beobachter die Aufgabe, die Länder bei der Wahrnehmung ihrer Rechte nach dem EUZBLG zu unterstützen. Dazu zählt nicht nur die Unterstützung des Bundesrates bei der Wahrnehmung der Länderrechte gern. Art. 23 GG, sondern auch die ergänzende372 Unterrichtung des Bundesrates und der Länder über wichtige Vorgänge im Bereich der EU. Organisatorisch bleibt er weiterhin dem EU-Ausschuß zugeordnet. Ferner ist ihm lediglich die Mitberatung in den Beratungsgremien der EU erlaubt, eine Verhandlungsvollmacht oder eine Sprecherrolle erhält er nach wie vor nicht. Vom Bundesrat werden seine Berichte als informative, effiziente und daher hilfreiche Ergänzung bei der Unterrichtung durch die Bundesregierung sehr geschätzt. Dieser positiven Einschätzung ist es vermutlich zuzuschreiben, daß die selbständige Stellung des Länderbeobachters erhalten geblieben ist. Die Institution des Länderbeobachters stellt die pragmatische Antwort der Länder auf ihr wachsendes Informationsbedürfnis dar373 ; auch der Bund hat seine Existenz mittlerweile anerkannt. Da er nicht selbständig rechtlich verbindlich, sondern entweder nur zum Zwecke der Information und/oder eingebunden in die deutsche Delegation nach außen hin tätig wird, werfen seine Aktivitäten keine besonderen verfassungsrechtlichen Probleme auf 74 . Allerdings ist seine Position derzeit nicht dauerhaft gesichert, da die Bundesregierung ihre Bereitschaft signalisiert hat, möglicherweise die Abordnung von Beamten der Länder in die Ständige Vertretung zu gestatten. Gern. Abschnitt VIII Nr. 5 Fn. 9 der BLV werden die Länder daher, sobald es zu einer solchen Regelung gekommen ist, die Position des Länderbeobachters neu überdenken. Darauf hat sich auch die Europaministerkonferenz der Länder vom 8./9. Juni 1993 verständigt375 .
MBl. NW vom 23. Dezember 1988, S. 1884. D.h. ergänzend zur Unterrichtung durch die Bundesregierung. 373 Sasse, in: Bundesrat (Hrsg.), Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, 333 (342). 374 Ebenso Bawnhof, S. 114. 37' Allerdings sind die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Abordnung von Landesbeamten in die Ständige Vertretung bislang noch ohne Ergebnis geblieben, da die Bundesregierung darauf besteht, die Landesbeamten in die Hierarchie 371
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3. Kapitel: Die Mitwirklmgsrechte des Bundesrates
3. Die Länderbüros Die Aufgabe und Stellung der Länderbüros bleibt gegenüber der bisherigen Situation ebenfalls unverändert. Zwar hatten die Länder auch die verfassungskräftige Verankerung dieser Verbindungen zu Einrichtungen der EU376 verlangt. In den Verhandlungen der GVK war jedoch von der Bundesseite erreicht worden, daß die Beziehungen der Länder zu den Einrichtungen der EU nicht im Grundgesetz, sondern im Ausführungsgesetz zu Art. 23 Abs. 7 GG geregelt wurden. Mit § 8 Satz 2 EUZBLG, der bestimmt, daß die Länderbüros keinen diplomatischen Status erhalten, wurde schließlich eine Formulierung gewählt, die eindeutig erkennen läßt, daß es sich bei den Länderbüros nicht um Einrichtungen völkerrechtlicher Beziehungen bzw. um Botschaften der Länder in Brüssel handelt. Zugleich stellt Satz 3 der Vorschrift klar, daß die Aufgaben der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik von den Aktivitäten der Büros auch dann unberührt bleiben, wenn die Verhandlungsführung in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates auf einen Ländervertreter übertragen worden sind. Wenn auch die Länder mit ihren ursprünglichen Forderungen nach verfassungsrechtlicher Festschreibung der Büros nicht durchdringen konnten, so haben die Büros als Institution immerhin erstmals eine gesetzliche Anerkennung erfahren. Damit verbunden wird die freiwillige Selbstverpflichtung der Bundesregierung, über die Ständige Vertretung im Rahmen des Möglichen und soweit erforderlich die Büros bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und in einzelnen Angelegenheiten zu unterstützen377 . Bereits früher hatte Fastenrath überzeugend dargelegt, daß insbesondere das Außenvertretungsrecht des Bundes nach Art. 32 Abs. 1 GG nicht zur Verfassungswidrigkeit dieser Länderaktivitäten führt. Seiner Ansicht nach fallen nämlich nur völkerrechtliche Akte - also die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Völkerrechtssubjekten - in den Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 GG, zu denen die rein informelle Tätigkeit der Büros nicht zu zählen ise 78 . Auch aus europarechtlicher Sicht sind keine Bedenken ersichtlich, denn das Europarecht verbietet es den Ländern nicht, sich in informeller Weise Informationen über Vorhaben zu verschaffen, um im Rahmen ihrer sonstigen Möglichkeiten Einfluß auf diese nehmen zu können.
der Ständigen Vertretung einzuordnen. Dies stößt allerdings auf massiven Widerstand der Länderseite. 376 Auch die fiinf neuen Bundesländer verfugen mittlerweile über ihre eigenen Länderbüros, vgl. Schweizer, ZG 1992, 128 (139). 377 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum EUZBLG, BTDrucks. 12/3540, S. 7 und 12. 371 F astenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, S. 98 ff.
C. Würdigung der Mitwirktmgsrechte des Bundesrates
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Mit der gesetzlichen Anerkennung der Länderbüros hat der Bund die Konsequenz aus der Praxis der Länderbüros im Verlauf der letzten Jahre mit ihrer durchweg informellen Tätigkeit gezogen und die Befürchtungen einer unzulässigen Nebenaußenpolitik beiseite geschoben. Die Büros sind nunmehr als das anerkannt worden, was sie von Beginn an darstellten: keine Botschaften, sondern Instrumente des Länderlobbyismus.
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG Bereits in der Vergangenheit sind die Mitwirkungsrechte des Bundesrates basierend auf Art. 2 EEAG - häufig kritisiert worden. Ein nicht unerheblicher Teil des Schrifttums hatte sie dabei bereits deswegen für verfassungswidrig gehalten, weil sie das Rechtsverhältnis zwischen Bundesregierung und Bundesrat durch einfaches Bundesgesetz abänderten. Eine solche Regelung kam aber ihrer Ansicht nach - wenn überhaupt - nur mittels einer Verfassungsnorm in Betrache79 . Durch die jetzt vorgenommene verfassungsrechtliche Verankerung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates in Art. 23 Abs. 2 und Abs. 4-7 GG ist der verfassungsändernde Gesetzgeber auf Wunsch der Länder dieser Kritik gefolgt. Ohne darauf eingehen zu müssen, ob die Argumentation der Länder zutreffend war oder nicht, kann damit jedenfalls festgestellt werden, daß derartige Bedenken nun nicht mehr bestehen. Aber auch hinsichtlich der neugeregelten Rechte des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 2-7 GG sind in jüngster Zeit erhebliche Vorbehalte laut geworden380 . Dabei geht es - neben dem nur in tatsächlicher Weise relevanten Hinweis auf die Kompliziertheit der Regeln - nicht nur um verfassungsrechtliche, sondern auch um europarechtliche Bedenken. In verfassungsrechtlicher Hinsicht wird zum einen die integrationshemmende Wirkung der Rechte durch die Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten und der Integrationsgewalt der Bundesregierung gerügt. Zum anderen wird aber auch ein Verstoß gegen das Außenvertretungsmonopol der Bundes angenommen. Schließlich erblickt man einen Widerspruch einzelner Rechte gegen das Demokratie-, das Gewaltenteilungs- und das Ressortprinzip des Grundgesetzes. In europarechtlicher Hinsicht taucht immer wieder der Einwand auf, daß die Mitwirkungsrechte in unzulässiger Weise die Handlungs- und Kompromißfähigkeit der Bundesregierung im Rat einschränkten und daher gegen die in Art. 5 EGV niedergelegten mitgliedsstaatlichen Pflichten der Bundesrepublik verstießen.
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Statt vieler siehe Schröder, JöR 85 (n.F.) 1986, 83 (101). Siehe vor allem Everling, DVB11993, 936ff sowie Breuer, NVwZ 1994, 417ff
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3. Kapitel: Die Mitwirlamgsrechte des Bundesrates
Im folgenden wird daher zu untersuchen sein, ob derartige Bedenken tatsächlich bestehen. Schließlich soll aber auch danach gefragt werden, ob die Mitwirkungsrechte den ursprünglich an sie gestellten Anspruch - nämlich die Wahrung der Eigenstaatlichkeit der Länder - erfüllen und inwieweit sie gerichtlich - durchsetzbar sind.
I. Verfassungsrechtliche Würdigung 1. Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und das Integrationsprinzip des Grundgesetzes Ob sich die Rechte des Bundesrates in das Prinzip der Integrationso1Ienheit des Grundgesetzes einfügen, muß vor allem vor dem Hintergrund dessen beantwortet werden, in welchem Verhältnis das Bundesstaats- und das Integrationsprinzip zueinander stehen. a) Verhältnis zwischen Bundesstaats- und Integrationsprinzip
aa) Bundesstaatsprinzip Das Bundesstaatsprinzip gehört zu den tragenden Staatsprinzipien der Bundesrepublik Deutschland. Es ist in Art. 20 Abs. I GG niedergelegt und in seinem Kernbereich durch Art. 79 Abs. 3 GG vor jeder Verfassungsänderung geschütze 8 ! . Auch die Präambel des Grundgesetzes zeugt durch die Aufzählung aller Bundesländer von der eminenten Bedeutung des Bundesstaatsprinzips für das gesamte Verfassungsgefüge der Bundesrepublik. bb) Integrationsprinzip Auch das Integrationsprinzip ist ein bedeutendes Prinzip der deutschen Verfassung. Es ist nunmehr an drei Stellen innerhalb des Grundgesetzes verankert. Zum einen wurzelt es in der Präambel, die die Mitwirkung der Bundesrepublik als einem gleichberechtigten Glied in einem "vereinten Europa" fordert. Zum anderen ist es (immer noch) in Art. 24 Abs. 1 GG niedergelegt, der bislang die Übertragung von Hoheitsrechten auf die europäische Ebene regelte und heute die Eingliederung in andere zwischenstaatliche Einrichtungen wie z.B. die NATO
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Siehe oben, unter A II. 1.
c. Würdigung der Mitwirlomgsrechte des Bundesrates
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ermöglicht. Schließlich ist es nunmehr als explizit europäische Integration in Art. 23 Abs. I Satz I GG als Staatszielbestimmung382 festgeschrieben. Art. 23 Abs. 1 GG ist damit für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU nunmehr lex specialis zu Art. 24 Abs. 1 GG. Damit wird der Auftrag der Präambel aufgenommen und zur Verwirklichung eines "vereinten Europas" angesetzt. cc) Spannungsverhältnis zwischen Bundesstaats- und Integrationsprinzip (1) Bisheriges Verhältnis
Durch seine Integrationsoffenheit hat das Grundgesetz bereits von Beginn an ein Spannungsverhältnis zwischen Bundesstaats- und Integrationsprinzip angelege 83 , ohne daß es allerdings zu einer ausdrücklichen Berührung der beiden Prinzipien gekommen ist. Es entsprach jedoch allgemeiner Auffassung, daß beide Prinzipien nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung nur im Verhältnis zueinander und im Lichte der gesamten Verfassungsordnung interpretiert werden durften384 . Gleichwohl kamen mit zunehmender Integrationsdichte und damit verbundener Aushöhlung der Länderstaatlichkeit zuweilen Zweifel an der praktischen Umsetzung dieses Spannungsverhältnisses auf. So wurde das Konzept der offenen Staatlichkeit teilweise als "allzu kühner und deshalb revisionsbedürftiger Griff des Verfassungsgebers" angesehen38s • Der Grund für solche Befürchtungen mag u.a. in der Tatsache gelegen haben, daß das Integrationsprinzip das Prinzip der Bundesstaatlichkeit in der Rangfolge der wichtigsten Verfassungsgrundsätze verdrängt zu haben schien386 , obwohl die Bundesstaatlichkeit im Gegensatz zum Integrationsgrundsatz als tragender Verfassungsgrundsatz des Art. 20 GG den Schutz der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG genoß 387 .
Wilhelm, BayVBl1992, 705 (706). Memminger, in: Borkenhagen/Bruns-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 139 (148). 384 Statt aller Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 113 und Streinz, DVBl1990, 949 (953). 38~ Schröder, JöR (n.F) 85 (1986), 83 (94). 386 Siehe z.B. die nicht nachvollziehbare Auffassung von Rudolf, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 263 (272), der offenbar das Zurücktreten des Bundesstaatsprinzips gegenüber dem Gedanken der europäischen Integration - auch unter Verletzung der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG - fiir möglich hält. 387 Dies ist im übrigen auch heute noch der Fall. 312
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Btmdesrates
(2) Heutiges Verhältnis
Nunmehr hat das Bundesstaatsprinzip allerdings durch das in Art. 23 Abs. I Satz 2 verankerte Erfordernis der Zustimmungsbedürftigkeit der Übertragungsgesetze durch den Bundesrat und den in Satz 3 der Vorschrift enthaltenen Verweis auf Art. 79 Abs. 3 GG im Anwendungsbereich der Integrationsermächtigung ausdrücklichen Schutz erfahren. Dadurch verbindet mit Art. 23 Abs. I GG erstmals eine Grundgesetzvorschrift die Prinzipien der Bundesstaatlichkeit und der Integrationsoffenheit miteinander388 • (a) Träger der Integrationsgewalt Hauptträger der Integrationsgewalt des Grundgesetzes bleibt auch nach Art. 23 Abs. 1 GG grundsätzlich der Bund, da nur er gern. Art. 23 Abs. I Satz 2 GG befugt ist, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen. Dabei wird nicht zwischen Hoheitsrechten des Bundes und der Länder unterschieden. Deshalb ist wie bisher davon auszugehen, daß die Hoheitsrechtsübertragung auch die Länderrechte umfaßt. Allerdings kann dies nun nicht mehr gänzlich unter Ausschluß der Länderbeteiligung erfolgen, denn die Vorschrift sieht ausdrücklich die Zustimmungsbedürftigkeit des Ratifizierungsgesetzes durch den Bundesrat vor. Auch ist die Übertragung von Hoheitsrechten - soweit sie das Grundgesetz inhaltlich berührt - nun nicht mehr durch einfaches Gesetz, sondern gern. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 nur noch mit verfassungsändernder Mehrheit möglich. Zwar ist der Bundesrat ein Verfassungsorgan des Bundes, dennoch darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, daß sich in seiner Stellungnahme die Ansicht der in ihm vertretenen Länder repräsentiert. Damit ist der Bund formal eindeutig Träger der Integrationsgewalt geblieben. Gleichwohl erscheint es vor diesem Hintergrund zweifelhaft, die Rolle des Bundes als dem alleinigen Integrationsträger zu betonen und den Einfluß der Länder auf die Integrationsgewalt gegen Null zu interpretieren389 , denn mittelbar üben sie durch Art. 23 Abs. I Satz 2 und 3 GG einen nicht zu unterschätzenden Einfluß aus. Ohne das zustimmende Votum der Ländermehrheit ist fortan keine weitere Hoheitsrechtsübertragung mehr möglich. Dadurch ist ihnen in sachlicher Hinsicht ein erhebliches Stück vom Kuchen der Integrationsgewalt 311 Dagegen kann aus dem Verweis in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG, daß die EU foderativen Gnmdsätzen verpflichtet ist, indes nicht zwingend abgeleitet werden, daß der europäische Integrationsprozeß die foderative Struktur seiner Mitgliedsstaaten zu achten hat. Hiennit dürlte wohl in erster Linie die foderative Gnmdstruktur der EU selbst tmd der Schutz vor der Hoheitsübertragtmg auf einen europäischen Einheitsstaat gemeint sein; ebenso Everling, DVB11993, 936 (945); a.A Scholz, NJW 1992, 2593 (2599). 319 So aber Schede, S. 200.
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates
231
überlassen worden390 . Da hilft es auch wenig, die Zustimmung des Bundesrates als rein parteipolitisch motiviertes Instrument abzutun391 . Schließlich hat sich in der Vergangenheit und insbesondere anläßlich des Ratifizierungsverfahrens des Maastrichter Vertrages gezeigt, daß die Länder im Bundesrat als starke Einheit auftreten, wenn es um die Wahrung ihrer eigenstaatlichen Interessen im europäischen Einigungsprozeß geht. Dabei ist deutlich geworden, daß die Verfolgung der gemeinsamen Interessen im Rahmen der europäischen Integration jenseits aller parteipolitischen Zwänge und Kalküle stattfindee 92 . (b) Grenzen der Integrationsgewalt
Die heutigen Grenzen der Integrationsgewalt entsprechen denen, die bereits unter der Geltung des Art. 24 Abs. 1 GG bestanden haben. Wie Art. 24 Abs. 1 GG setzt Art. 23 Abs. I Satz 3 GG der Integrationsgewalt durch den ausdrücklichen Hinweis auf die Geltung des Art. 79 Abs. 3 GG nun eine absolute Grenze393 . Bereits in der Vergangenheit war Art. 79 Abs. 3 GG als Grenze des Art. 24 Abs. 1 GG anerkannt. Auch das Bundesverfassungsgericht bezog sich wohl in erster Linie auf Art. 79 Abs. 3 GG394 , wenn es davon sprach, daß die Integrationsgewalt bereits dann überschritten werde, wenn "die Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen des Grundgesetzes" aufgegeben werde39S . Weiter heißt es, " ... dasselbe würde für Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts gelten, die aufgrund einer entsprechenden Interpretation des geltenden Vertrags getroffen und in derselben Weise die dem Grundgesetz wesentlichen Strukturen berühren würden,u96 .
390 Wenn man auch mit Fug und Recht behaupten kann, daß angesichts der bereits auf die EU abgewanderten Kompetenzen nicht mehr viel von diesem Kuchen übrig geblieben ist. 391 So jedoch Schede, S. 200f. 392 Insbesondere die Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen haben sich hier durch zahlreiche Initiativen und Vorstöße hervorgetan und gemeinsam am Strang der Länderstaatlichkeit gezogen, obwohl man ihren Regierung im übrigen wohl wenig Gemeinsamkeiten nachzusagen vermag. 393 Vgl. Randelzhofer, in: Maunz/DürigfHerzogiScholz, Rdnr. 202 zu Art. 24 GG. 394 Bemerkenswert ist allerdings, daß das Bundesverfassungsgericht Art. 79 Abs. 3 GG nicht ausdrücklich als Mindestschranke der grundgesetzlichen Integrationsermächtigwtp genannt hat. 39 BVerfGE 73, 339 (375f.); ebenso auch BVerfGE 37, 271 (279); siehe hierzu auch Kirchhof, in: Merten (Hrsg.), ,,Föderalismus und Europäische Gemeinschaften", 109 ~112). 39 BVerfGE 37,271 (279f.).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Indem Art. 23 Abs. I Satz 3 GG ausdrücklich auf die Geltung der Wesensgehaltssperre des Art. 79 Abs. 3 GG hinweise 97 , stellt er klar, daß auch heute Hoheitsrechtsübertragungen und Akte der EU dann unzulässig sind, wenn der Wesensgehalt der übrigen Verfassungsprinzipien verletzt wird. Eingriffe unterhalb dieser Schwelle sind jedoch gestattee 98 . Dies entspricht den rechtlichen und tatsächlichen Erfordernissen des Grundgesetzes, denn das Integrationsprinzip ist Bestandteil der Verfassung und prägt ihr Gesamtbild. Es ist daher nur konsequent, daß gewisse Eingriffe und Relativierungen in die sonstigen grundgesetzlichen Garantien hingenommen werden müssen399 . Die Integrationsgewalt darf demnach nicht so verstanden werden, daß sie den Geltungsanspruch und die Wirkkraft der übrigen durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsaussagen sprengt400. Auch Art. 23 Abs. I GG liegt dabei die Grundentscheidung zugrunde, die Übertragung der gesamten Hoheitsgewalt, die Aufgabe der Staatlichkeit, der wesentlichen Verfassungsstrukturen und der originären Völkerrechtssubjektivität Deutschlands zu verbieten401 . Er verbietet damit klar die Eingliederung in einen europäischen Einheitsstaat402 . dd) Fazit Aus der vorangegangenen Untersuchung ergibt sich, daß es der Integrationsgewalt durch Art. 23 Abs. 3 GG nunmehr ausdrücklich verwehrt wird, derart in das Grundgefüge der Bundesrepublik einzubrechen, daß sie das Grundprinzip der Bundesstaatlichkeit im Kern verletzt. Daß der Grundsatz der Bun397 Aus diesem Gnmde ist ihm vereinzelt auch bereits vorgewotfen worden, im Gegensatz zu Art. 24 Abs. 1 ängstlich und bessetwisserisch zu postulieren, daß Europa "am eigenen Vetfassungswesen ... genesen müsse". Es bedütfe nunmehr einer entsprechenden "europaoffenen Auslegung" im Geiste der Präambel, um Art. 23 GG in der Praxis nicht zu einem "Iähmenden Europabehinderungsartikel" werden zu lassen, vgl. Op~ermanniClassen, APUZ 1993, B 28, 11 (14). 91 Vitzthum hat darum das Spannungsverhältnis zwischen Integrationskompetenz und Bundesstaatlichkeit als "delikates Ausgleichsverhältnis" bezeichnet, siehe AöR 115 ~1990), 281 (291). 39 Siehe BVerfGE 37,271 (279); 73,339 (376); 58, 1 (40f). 400 Randelzhofer, in: MaunzIDürigfHerzoglScholz, Rdnr. 204 zu Art. 24 GG; Scholz, NVwZ 1993, 817 (821); fiir Art. 24 GG siehe Kirchhof, in: Merten (Hrsg.), Föderalismvs und Europäische Gemeinschaften, 109 (112); derselbe, EuR 1991, Beiheft 1, 11 (152; ebenso Vitzthum, AöR 115 (1990), 281 (291). 01 Randelzhofer, ebd.; Ossenbühl, DVB11993, 629 (632); fiir Art. 24 Abs. 1 GGvgl. E. Klein, VVDStRL 50 (1991),56 (70); Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Rdnrn. 20, 46 zu Art. 24 GG; Gerber, in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirkungen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, S. 77 (81); Maunz, BayVBI 1990, 545
(546~
4 Vgl. KirchnerlHaas, JZ 1993, 760 (762); Everling, DVBI 1993, 936 (943); Breuer, NVwZ 1994,417 (423).
c. Würdigung der Mitwirklmgsrechte des Bundesrates
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desstaatlichkeit weiterhin berührt wird, läßt sich nicht verhindern; dies muß mit Rücksicht auf die von Beginn an angelegte Integrationsoffenheit des Grundgesetzes hingenommen werden. Allerdings ist eine solche Berührung gern. Art. 23 Abs. I Satz 2 GG nunmehr nur noch mit Zustimmung der Betroffenen, nämlich der Länder durch den Bundesrat, möglich. Es kann damit festgestellt werden, daß die Länder im Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG durch den Bundesrat einen deutlichen Zuwachs an Rechten erfahren haben, der Grundsatz der Bundesstaatlichkeit mithin eine Aufwertung erfahren hat. Dieser wirkt sich günstig für die Position des Bundesstaatsprinzips im Spannungsverhältnis zum Integrationsprinzip aus und trägt dadurch zur Wiederherstellung der gestörten Balance zwischen beiden Grundsätzen bei.
b) Die Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG im Spannungsjeld zwischen Bundesstaats- und Integrationsprinzip
Unter dem Eindruck dieser relativen Aufwertung des Bundesstaatsprinzip gegenüber dem Integrationsprinzip stellen auch die Mitwirkungsrechte der Länder durch den Bundesrat gern. Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG keinen Verstoß gegen den Grundsatz der offenen Staatlichkeit dar. Indem sie ausdrücklich so formuliert worden sind, daß die Wahrnehmung der Beziehungen Deutschlands zu den Einrichtungen eines vereinten Europas grundsätzlich Sache des Bundes ist, respektieren sie den formalen Integrationsvorrang des Bundes. In sachlicher Hinsicht tragen sie aber über die Erweiterung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates der Stärkung des Bundesstaatsprinzips gegenüber dem Integrationsprinzip durch Art. 23 Abs. 1 GG Rechnung. Sie gewähren weitgehende Informationsrechte des Bundesrates und vor allem durch Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG das Recht auf maßgebliche Berücksichtigung seiner Stellungnahme in Fällen, in denen besonders wichtige Länderaufgaben durch europäische Vorhaben betroffen sind. Andererseits tragen die Mitwirkungsrechte wegen der durchgängigen Anwendung des Bundesratsverfahrens und durch die Tatsache, daß die Bundesregierung aus gesamtstaatlichen Gründen im Ausnahmefall immer noch von der Stellungnahme des Bundesrates abweichen kann, der durch Art. 23 Abs. 1 GG postulierten vorrangigen Integrationsgewalt des Bundes Rechnung.
c) Ergebnis
Ein Verstoß der Mitwirkungsrechte aus Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG gegen das Integrationsprinzip des Art. 23 Abs. 1 GG kann daher nicht festgestellt werden.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BlDldesrates
2. Die Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG und die Außenvertretungskompetenz nach dem Grundgesetz Bei der Untersuchung von Beteiligungsrechten der Länder durch den Bundesrat in europäischen Angelegenheiten auf die Vereinbarkeit mit dem Außenvertretungsgrundsatz des Grundgesetzes wird häufig ein Verstoß gegen die Außenvertretungskompetenz des Bundes oder der Bundesregierung pauschal bejaht. Im folgenden ist zu überprüfen, ob dies zutrifft. Dabei ist zwischen der Verbandsund der Organkompetenz in auswärtigen Angelegenheiten zu unterscheiden. a) Die Verbandskompetenz im Bereich der auswärtigen Gewalt gem. Art. 32 GG
Art. 32 GG enthält die grundlegende Entscheidung darüber, wie die Kompetenzen im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten zwischen Bund und Ländern zu verteilen sind. Er regelt damit die Verbandskompetenz als bundesstaatliche Kompetenzfrage403 . aa) Grundsatz der Bundeskompetenz (1) Herkömmliches Verständnis des Art. 32 GG
Nach dem Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 GG ist die Außenkompetenz grundsätzlich dem Bund zuzuordnen. In Abs. 2 und 3 gewährt er allerdings auch den Gliedstaaten punktuelle Anhörungs- oder Vertragsabschlußbefugnisse im auswärtigen Bereich, soweit deren Gesetzgebungszuständigkeit oder besondere gliedstaatliche Verhältnisse betroffen sind. Diese Zuständigkeitsverteilung entspricht dem herkömmlichen Verständnis der Außenvertretung im Bundesstaat404 . Der Sinn des Art. 32 GG liegt nämlich in der Bündelung der Kräfte und der Sicherstellung einer eingleisigen Außenpolitik und eines einheitlichen Votums der Bundesrepublik, die nach außen hin trotz ihrer inneren Gliedstaatlichkeit als Einheit auftritt40S . Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend festgestellt, daß es ,,für die Interessenwahrnehmung der Bundesrepublik von erheblicher Bedeutung ist, 403 Siehe Zuleeg, in: Alternativ-Kommentar, Rdnr. 3 zu Art. 32 00; Degenhart, Rdnr.200. 404 Grewe, in: HdStR, Bd. vrr, § 77, Rdnr. 81 m.w.N. 40~ Oschatz, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus lDld Europäische Gemeinschaften, 63 (74); Nass, EA 1986, 619 (625); Fastenrath, DÖV 1990, 125 (130).
c. Würdigung der Mitwirklmgsrechte des BlDldesrates
235
daß sie auf internationaler Ebene mit einer einheitlichen Stitmne auftritt, wahrgenommen von den zuständigen Organen der auswärtigen Gewalt,,406 . (2) Verändertes Verständnis durch Fortschreiten des lntegrahonsprozesses?
In den letzten Jahren hat jedoch ein Teil des Schrifttums an dieser Zuständigkeitsverteilung im auswärtigen Bereich zugunsten des Bundes zunehmend Kritik geübt. Diese gründet sich auf die bereits mehrfach erwähnte Argumentation407 , die Europapolitik stelle im Zuge der fortschreitenden Integration durch die Europäisierung von nationalen Kompetenzen keine klassische Außenpolitik i.S.d. Art. 32 GG mehr dar. Angesichts dessen sei der Begriff der auswärtigen Gewalt in den letzten Jahren schamlos überdehnt worden; zwar kämen die Verhandlungspartner aus anderen Nationalstaaten, die Verhandlungsgegenstände gehörten allerdings nur selten dem Bereich der Außenpolitik an408 . So wurde Art. 32 GG des öfteren nachgesagt, daß er die vom traditionellen Völkerrecht abweichende europäische Sekundärrechtsetzung bundesstaatlich nicht aufgearbeitet habe409 . Vor allem Fastenrath hat dargelegt, daß Art. 32 GG nach systematischer, historischer und teleologischer Auslegung eine ausschließliche Kompetenz der Bundesregierung nur für völkerrechtsformliche Akte zu begründen verrnöge410 . Im übrigen sei Art. 32 GG ein Fremdkörper im Gewaltenteilungssystem des Grundgesetzes, das Kompetenzzuweisungen ansonsten nur auf Rechtsforrnen ausrichte, nicht dagegen auf sachliche Bereiche411 . Dies müsse zwangsläufig zu der Erkenntnis führen, daß es systemwidrig sei, den gesamten Außenpolitikbereich unabhängig von der innerstaatlichen Kompetenzzuweisung der alleinigen Ausübungsgewalt der Bundesregierung zu überantworten. Art. 32 GG könne demnach kein Gebot eines prinzipiellen Ausschlusses der Länder von der Ausübung einzelner, durch innerstaatliche Zuständigkeit der Länder gerechtfertigter Außenvertretungskompetenzen entnommen werden412 . Um diese Argumentation zu stützen, wurde auch der Hinweis darauf, daß die Außenvertretungskompetenz des Bundes ohnehin nicht uneingeschränkt gelte, BVetfGE 55, 349 (368). Siehe oben, 2. Kapitel B. I. 1. sowie ll. 3. lDld 3. Kapitel A 1. 401 Hierzu Pöhle, ZParl1993, 49 (54). 409 So Schröder, JöR 85 (n.F.) 1986, 83 (96). 410 Ausfiihrlich hierzu Fastenrath, DÖV 1990, 125 (132f.); im Ergebnis ebenso Borchmann, VR 1987,1 (4). 411 Fastenrath, ebd. 412 Dies gelte vor allem, wenn die Rechte der Länder durch den BlDldesrat wahrgenommen würden, vgl. Oppermann, in: Der BlDldesrat als VerfasslDlgsorgan lDld politische Kraft, 299 (304). 406 401
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3. Kapitel: Die Mitwirktmgsrechte des BlDldesrates
immer wieder herangezogen. Denn Art. 32 GG selbst sehe in Absatz 3 dessen Durchbrechung vor, indem er den Ländern im Falle ihrer innerstaatlichen Gesetzgebungszuständigkeit die Möglichkeit einräume, mit auswärtigen Staaten Verträge abzuschließen413 . Schließlich enthalte Art. 32 Abs. I GG einen inneren Widerspruch dadurch, daß der Bund auch dann die Berechtigung zur Außenvertretung erhielte, wenn innerstaatlich die Länder zuständig seien. Aber auch aus dem Gesamtgefüge des Grundgesetzes und unter Beachtung der heutigen Verfassungswirklichkeit könne der Anspruch des Bundes auf eine Alleinvertretung gegenüber der EU nicht aufrechterhalten werden. Anderenfalls würde sich durch das Fortschreiten der Integration im Laufe der Zeit eine totale Machtkonzentration zugunsten des Bundes einstellen. Vor allem unter dem Gesichtspunkt der grundgesetzlich verankerten Machtbalance, aber auch vor dem Hintergrund der Bundesstaatlichkeit wäre eine solche Entwicklung untragbar414 . (3) Ergebnis
Richtig an dieser Argumentation ist, daß Art. 32 GG wie jeder andere Artikel am Charakter des Grundgesetzes als nichtstatischer Verfassung teilhat. Daher erscheint es zulässig und bisweilen sogar geboten, die Interpretation verfassungsrechtlicher Bestimmungen an veränderte Bedingungen und die sich wandelnde Verfassungswirklichkeit anzupassen. Es ist heute kaum zu bestreiten, daß der Prozeß der europäischen Integration tiefgreifende Auswirkungen auf das innerstaatliche Rechtsgefüge mit sich bringt41S. So muß stark bezweifelt werden, ob die Väter des Grundgesetzes annähernd eine Vorstellung von dem gehabt haben, was heute die EU mit ihren weitreichenden Kompetenzen und ihrer enormen Regelungsdichte ausmacht, als sie mit Art. 24 GG und der Präambel die sog. "offene Staatlichkeit,,416 dem Grundgesetz als Prinzip mitgaben417 . Durch die zunehmende Europäisierung von Regelungsmaterien hat die Innenpolitik einen Einbruch der Außenpolitik in ihr Refugium erlebt. Dies gilt entsprechend für die Länderkompetenzen im Bereich des Innern, die durch Bundeskompetenz des Auswärtigen überlagert worden sind. Damit 413 Ebenso Memrninger, in: MagierafMerten (Hrsg.), Die BlDldesländer lDld die Europäische Gemeinschaft, 61 (65). 414 Vgl. Memrninger, in: BorkenhagenJBflDls-Klöss, Die deutschen Länder in Europa, 139 (151). . 41~ Kruis, in: Festschrift für Geiger, S. 155 (161); zweifelnd offenbar auch Vitzthum, AöR 115 (1990), 281 (295). 416 Kewenig, JZ 1990,458; Streinz, DVBl1990, 949 (953). 417 Ähnlich auch Memminger, in: MagierafMerten (Hrsg.), BlDldes1änder lDld Europäische Gemeinschaft, 61 (64) lDld Tomuschat, in: MagierafMerten (Hrsg.), BlDldesländer lDld Europäische Gemeinschaft, 21 (23); Streinz, DVB11990, 949 (955).
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates
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dieser Prozeß nicht ins Unendliche, bzw. bis zu dem Punkt, an dem die Länderkompetenzen vollständig aufgebraucht sind, fortgeführt werden kann, erscheint es durchaus sinnvoll, den Ländern eine größere Teilhabe an der auswärtigen Gewalt einzuräumen. Dies deckt sich im übrigen auch mit dem Grundsatz, daß die Kompetenz des Bundes für den ausschließlichen Herrschaftsbereich der Länder nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Bundestreue ausgeübt werden ~18. Das bedeutet, daß der Bund auch im Bereich der Außenvertretung Rücksicht auf die Länderinteressen zu nehmen hat. Der Grundsatz der Bundestreue begrenzt damit - übrigens nach verbreiteter Auffassung - die Kompetenzen des Bundes im Bereich der auswärtigen Gewalt419 . Gleichwohl hat sich diese Ansicht noch nicht durchsetzen können. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich ihr noch nicht angeschlossen. Dies hat wohl in erster Linie mit dem Grundgedanken der einheitlichen Außenvertretung zu tun, auf die auch der Bundesstaat angewiesen ist, um seine Position nach außen hin klar, eindeutig und berechenbar zu machen. Diese Notwendigkeit entfällt auch nicht im Zuge der fortschreitenden europäischen Integration, sondern besteht unverändert fort. Häufig ist deshalb von seiten der Bundesregierung die Befürchtung geäußert worden, die Länder könnten eine echte ,,Nebenaußenpolitik" betreiben. Dies würde aber im Ausland für Verwirrung sorgen und die Verläßlichkeit Deutschlands im Sinne einer Kontinuität der Positionen in Frage stellen. Auch wenn sich die Argumente für ein verändertes Verständnis des Art. 32 GG nicht von der Hand weisen lassen, muß es daher - wenigstens im Grundsatz - dabei bleiben, daß die Verbandskompetenz im auswärtigen Bereich beim Bund verbleibt. Dies schließt jedoch nicht aus, daß den veränderten Bedingungen durchaus im Wege begrenzter Ausnahmetatbestände zugunsten der Länder Rechnung getragen werden könnte. Auch hier müßte aber dann - etwa durch Zustimmung der Bundesregierung - die Kontinuität der Außenpolitik sichergestellt werden.
bb) Beziehungen zur EU als Teil der auswärtigen Gewalt Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten wird allgemein mit dem Begriff der "auswärtigen Gewalt" umschrieben420 . Dieser Begriff erfährt allerdings weder durch Art. 32 GG selbst noch sonst eine verfassungsrechtli-
411 Tomuschat, in: MagieralMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 36 (39); Grabitz, EuR1987, 310 (315). 419 Grabitz, in: HrbekfIhaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 169 (177), der Art. 32 Abs. 3 GG als positivrechtliche Ausprägung des Prinzips der Bundestreue versteht; derselbe, EuR 1989, 310 (315); ebenso bereits Birke, S. 102. 420 Rojahn, in: v. Mönch, Rdnr. 10 zu Art. 32 GG.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
che Definition, so daß nicht klar ist, auf was und gegen wen er sich richtet. Nach ganz überwiegender Ansicht ist der Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 GG, wonach sich die Pflege der Beziehungen auf auswärtige Staaten erstreckt, zu eng421 . Allgemein anerkannt ist heute, daß Art. 32 GG auch die Pflege der Beziehungen zu nichtstaatlichen Völkerrechtssubjekten, d.h. vor allem zu internationalen Organisationen umfaßt, auch wenn die Bundesrepublik selbst Mitglied dieser Organisation ist422 . Es bestehen daher keine Zweifel, daß das Verhältnis der Bundesrepublik zur EU unter Art. 32 GG fä1lt423 . Damit gilt, daß im Verhältnis zur EU grundsätzlich der Bund die Zuständigkeit besitzt und den Ländern lediglich im Rahmen der Ausnahmetatbestände des Art. 32 Abs. 2 und 3 GG einzelne Befugnisse zustehen. cc) Nichtvertragliche Beziehungen zur EU Bei der grundsätzlichen Zuständigkeit des Bundes gegenüber der EU handelt es sich für deren hier relevante laufende Angelegenheiten um die Zuständigkeit zur Wahrnehmung nichtvertraglicher Beziehungen. In diesem Bereich stehen den Ländern bislang nach Art. 32 Abs. 2 und 3 GG überhaupt keine Kompetenzen zu. Daher gilt hier die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 32 GG bislang unbeschränkt424 . dd) Beschränkung auf rein außenwirksame Handlungen Art. 23 Abs. 2-7 GG unterscheidet zwischen dem Prozeß der internen Willensbildung zur Festlegung der Verhandlungsposition der Bundesrepublik und der nach außen wirkenden Wahrnehmung der mitgliedsstaatlichen Rechte. Es stellt sich daher die Frage, ob beide Komplexe in Berührung mit Art. 32 GG gelangen, oder ob Art. 32 GG vom Anwendungsbereich her nur die außenwirksame Verhandlungsführung des Art. 23 Abs. 6 GG erfaßt. Grundsätzlich ist die Rechtslage eindeutig. Da Art. 32 GG ausdrücklich nur auswärtige Beziehungen erfaßt, d.h. Handlungs- oder Rechtsakte, die über die
421 Maunz, in: Maunz/Dürig/HerzowScholz, Rdnr. 14 zu Art. 32 GG; Rojahn, in: v. Miinch, Rdnr. 10 zu Art. 32 GG. 422 Maunz, in: Maunz/Dürig/HerzowScholz, Rdnr. 21 zu Art. 59 GG; Zuleeg, in: Alternativ-Kommentar, Rdnr. 11 zu Art. 32 GG. 423 Für die EG: Rojahn, in: v. Miinch, Rdnr. 10 zu Art. 32 GG; Memminger, in: Ma.IDerafMerten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 61 (64). 4 Kölble, DÖV 1965, 145 (146f.); Krüger bezeichnet dies als "ungeschriebene Inkompetenz der Länder", in: Festgabe für E. Kaufmann, S. 241 (245).
C. Würdigmtg der Mitwirkl.mgsrechte des Bundesrates
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Grenzen der Bundesrepublik Rechtswirkungen zu einem fremden oder teilfremden Rechtsträger entwickeln, können rein innerstaatliche Maßnahmen nicht dem Bereich des Art. 32 GG zugeordnet werden. Dies ist aber in den Fällen fraglich, in denen sich aus innerstaatlichen Maßnahmen Einflüsse auf die auswärtigen Beziehungen ergeben, wie dies z.B. bei der internen Willensbildung nach Art. 23 Abs. 4 und 5 GG der Fall ist; denn das Ziel dieser Willensbildung ist die Festlegung der Verhandlungsposition, die die Bundesrepublik auf europäischer Ebene - also im auswärtigen Verkehr - einnehmen wird. Bei der Beantwortung dieser Frage ist aber zu berücksichtigen, daß das Beteiligungsverfahren einen Beitrag zur innerstaatlichen Reföderalisierung leisten soll. Es geht hier um den Versuch eines Ausgleichs für den Verlust an Rechten der Länder im Verhältnis zum Bund und des Bundesrates im Verhältnis zur Bundesregierung durch Gewährung von innerstaatlichen Beteiligungsrechten an der Entscheidungsfindung des Bundes. Daß diese Rechte sich nun - gleichsam als Nebeneffekt - auf die auswärtigen Beziehungen auswirken, tritt hierbei in den Hintergrund. Eine bloße Rückwirkung innerstaatlicher Maßnahmen auf die auswärtigen Angelegenheiten kann nicht ausreichen, um diese schlechthin in ihrer Gesamtheit als Pflege auswärtiger Beziehungen zu qualifizieren425 . Ansonsten bestünde die Gefahr, daß sich die Außenkompetenz des Bundes enorm ausbreitete426 . Lediglich die rein nach außen wirksame Wahrnehmung von mitgliedsstaatlichen Rechten durch einen Ländervertreter gern. Art. 23 Abs. 6 GG und die Klageerhebung vor den europäischen Gerichten gern. § 7 EUZBLG können daher dem Bereich der auswärtigen Gewalt zugeordnet werden, nicht aber die innerstaatlichen Beteiligungsrechte des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 2, 4 und 5 GG427 . ee) Die Verhandlungsführung durch den Ländervertreter und die Verbandskompetenz Art. 23 Abs. 6 GG, wonach der Bund die Wahrnehmung der mitgliedsstaatlichen Rechte der Bundesrepublik auf einen Ländervertreter überträgt, scheint diesbezüglich mindestens eine partielle Durchbrechung des Außenver-
425 Siehe F astenrath, ,,Kornpetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt", S. 81f; ebenso Schütz, BayVB11990, 481 (487). 426 Ebenso Zuleeg, in: Alternativ-Kommentar, Rdnr. 4 zu Art. 32 GG. 427 Selbst wenn man hier aber eine andere Ansicht vertritt, ergibt sich kein Verstoß der internen Mitwirkl.mgsrechte gegen Art. 32 GG, denn formal bleibt es hinsichtlich der Festlegmtg der Verhandlungsposition immer bei der Zuständigkeit des Bundes. Dies gilt sogar im Falle des Letztentscheidungsrechts des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG.
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3. Kapitel: Die Mitwirkwtgsrechte des Bundesrates
tretungsgrundsatzes mit sich zu bringen. So ist teilweise befürchtet worden, Art. 23 Abs. 6 GG könne einen dem Bundesstaatsprinzip diametral entgegenlaufenden Einbruch der Länder in die Bundesaußenpolitik bringen428 . Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese Bedenken jedoch als haltlos, denn durch Art. 23 Abs. 6 GG werden keineswegs Teile der Außenkompetenz auf einzelne Länder oder die Ländergesamtheit übertragen. In systematischer Hinsicht widerspricht der Übertragung eines Teils der auswärtigen Gewalt auf die Länder bereits der Aufbau des Art. 23 GG. Dieser legt in Absatz 2 gewissermaßen als Leitsatz für die folgenden Absätze fest, daß die Mitwirkung der Länder in Angelegenheiten der EU durch den Bundesrat zu erfolgen hat. Ebenso wie bei der Mitwirkung an der Verhandlungsposition des Bundes handelt es sich aber auch bei der Verhandlungsführung auf europäischer Ebene um Angelegenheiten der EU. Jedenfalls läßt Absatz 2 nicht erkennen, daß eine Unterscheidung gerechtfertigt wäre. Ziel der Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2-7 ist folglich die Bündelung der Länderstimmen im Bundesrat. Gegen die alleinige Länderzuständigkeit spricht auch die Benennung des Vertreters durch das Bundesorgan Bundesrat. Ferner handelt es sich hier nicht um die generelle Übertragung von Außenkompetenzen, sondern lediglich um die einzelfallbezogene Übertragung der Wahrnehmung von Rechten, die sich auf die Verhandlungs- und Stimmführung beschränken. Nach dem Wortlaut wird nur die Wahrnehmung der Rechte übertragen, nicht aber die Rechte selbst. Der Bund betraut den Ländervertreter also lediglich mit der Ausübung der Rechte. Der Wortlaut spricht demnach dafür, daß die Rechte selbst beim Bund verbleiben. Bei der Verhandlungsführung handelt es sich somit auch dann noch um eine Kompetenz des Bundes, wenn sie von einem Ländervertreter ausgeübt wird. Hierfür spricht im übrigen die Formulierung des Art. 23 Abs. 6 GG, wonach es sich um Rechte handelt, "die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedsstaat der Europäischen Union zustehen" und bei deren Ausübung die Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung gewährleistet sein muß. Dies hindert den Ländervertreter aber nicht daran, intern als Vertreter der Länder aufzutreten und deren Weisungen zu befolgen429 .
428 So KleinJHaratsch, DÖV 1993, 785 (797); kritisch auch Herdegen, der von einem ,,kuriosen Vertretungsmechanismus" spricht, EuGRZ 1992, 589 (593). 429 So bereits Schütz, BayVB11990, 518 (519).
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Btmdesrates
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ff) Die Klageerhebung nach § 7 EUZBLG und die Verbandskompetenz
Hinsichtlich der Klageerhebung vor den europäischen Gerichten nach § 7 EUZBLG besteht keine Kollisionsgefahr mit Art. 32 GG, der nach herkömmlichem Verständnis die auswärtige Verbandskompetenz dem Bund zuordnet, denn § 7 EUZBLG läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß es sich bei der Klageerhebung nach wie vor um eine Kompetenz des Bundes handelt. gg) Ergebnis Die Untersuchung hat damit gezeigt, daß die Angelegenheiten der EU auch unter Geltung der neuen Bestimmungen des Art. 23 Abs. 2-7 GG immer noch im Kompetenzbereich des Bundes verblieben sind. Auch wenn man also die herkömmliche und immer noch herrschende Ansicht vertritt, Art. 32 GG verfüge - unter den engen Ausnahmen der Absätze 2 und 3 - eine grundsätzliche Verbandskompetenz des Bundes für alle Angelegenheiten des auswärtigen Bereichs, läßt sich kein Verfassungsverstoß der Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2-7 GG gegen Art. 32 GG feststellen. Der Bund bedient sich hier vielmehr seines vom Grundsatz des Art. 32 GG unabhängigen Rechtes, Länderorgane oder einzelne Bedienstete der Länder mit der Aufgabe zu betrauen, im Außenverhältnis Verhandlungen zu führen, punktuelle Entscheidungen zu treffen oder sonstwie auswärtige Beziehungen zu pflegen; die so beauftragten Personen (hier: der Ländervertreter) handeln auch in diesem Falle im Namen des Bundes430 • Der verfassungsändernde Gesetzgeber ist damit bei der Außenvertretung kein Risiko eingegangen, sondern hat mit Art. 23 Abs. 6 GG eine Konstruktion gewählt, die die unmittelbare Wahrung von Länderinteressen sichert, ohne den Anspruch des Bundes auf den gesamtstaatlichen Außenvertretungsanspruch zu vereiteln. b) Organkompetenz
aa) Die Bundesregierung als Hauptträger der auswärtigen Gewalt In keiner der für die auswärtige Gewalt einschlägigen Vorschriften trifft das Grundgesetz eine eindeutige Entscheidung der Frage nach dem organschaftlichen Träger der auswärtigen Gewalt. Auch im Schrifttum ist die Beantwor-
430 Für die Zulässigkeit dieses Vorgehens auch Oppennann, Europarecht, S. 615; Zuleeg, in: Alternativ-Kommentar, Rdnr. 40 zu Art. 32 GG; Kölble, DÖV 1966, 25 (28).
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3. Kapitel: Die Mitwirklmgsrechte des Blmdesrates
tung dieser Frage seit Jahren umstritten. Nach herkömmlicher Ansicht obliegt die Ausübung der auswärtigen Gewalt wesensmäßig der Exekutive im Bundesstaat, d.h. also der Bundesregierung431 . Nach anderer Ansicht ist die Außenpolitik dagegen Regierung und Parlament zur gesamten Hand übertragen432 . Durchweg wird jedoch ein starkes Übergewicht der Bundesregierung anerkannt433 • Das gilt auch für diejenigen, die eine generelle Zuordnung der auswärtigen Gewalt auf einen bestimmten Funktionsträger ablehnen434 . Dies entspricht im wesentlichen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach dessen Ansicht die Rechtsvermutung im auswärtigen Bereich in der Regel für die Zuständigkeit der Bundesregierung spreche43s . Nach überwiegender Ansicht liegt also das Schwergewicht der auswärtigen Gewalt bei der Bundesregierung. bb) Art. 23 Abs. 6 GG und die Organkompetenz Ein Verstoß von Art. 23 Abs. 6 GG gegen diesen Grundsatz der Organkompetenz im auswärtigen Bereich ist nicht ersichtlich, denn die organschaftliehe Zuständigkeit der Bundesregierung hinsichtlich der Außenvertretung gegenüber der EU bleibt trotz der einzelfallbezogenen Übernahme von Verhandlungsführungsbefugnissen durch einen Ländervertreter unangetastet436 . Zuvor wurde bereits festgestellt, daß mit der punktuellen Übertragung der Verhandlungs- und Stimmführung auf einen Ländervertreter die Verbandskompetenz für die auswärtige Gewalt dennoch beim Bund verblieben ist. Organschaftlich besteht hier also nur die Möglichkeit der Wahrnehmung durch
431 Grewe, HdStR, Bd. m, § 77, Rdnr. 41 ff; der Sache nach auch Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 499. 432 Menzel, in: AöR 79 (1953154), 326 (348); Friesenhahn, in: WDStRL 12 (1954), 179 (192ff.). 433 Kewenig, in: Schwarz (Hrsg.), Handbuch der deutschen Außenpolitik, S. 37 ff. ; Mosler, in: Festschrift fiir Bilfmger, S. 243 (269); Badura, Staatsrecht, S. 259; Püttnerl Kretschmer, S. 272. 434 Siehe Fastenrath, Kompetenzverteillmg im Bereich der auswärtigen Gewalt, S.
21~ff.
BVerlGE 1, 372 (394). Sofern man den Prozeß der internen Willensbildlmg entgegen der hier vertretenen Ansicht als Teil des Bereichs der auswärtigen Gewalt ansieht, ergibt sich kein Widerspruch der Art. 23 Abs. 4 lmd 5 GG sowie des § 5 Abs. 3 EUZBLG zur Organkompetenz der Blmdesregieflmg, denn die Verhandllmgsposition, die mit Hilfe des Blmdesrates festgelegt wird, ist gern. § 5 Abs. 2 Satz 1 GG immer die Verhandllmgsposition der Blmdesregierlm.g. Entsprechendes gilt fiir § 7 EUZBLG, denn auch die Klageerheblmg erfolgt nach seinem Wortlaut ausdrücklich durch die Blmdesregieflmg. 435 436
c. Würdigtmg der Mitwirkungsrechte des BWldesrates
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den Bundesrat oder die Bundesregierung selbst. Zwar wird der Ländervertreter vom Bundesrat benannt und dessen Wirken durch die Stellungnahmen des Bundesrates zur (erneuten) Festlegung der bundesrepublikanischen Verhandlungsposition unterstützt. Darin erschöpft sich aber bereits die Beteiligung des Bundesrates an der Außenvertretung. Auch muß der Ländervertreter nicht zwingend ein Mitglied des Bundesrates sein. Personelle Identität stärkt daher die Rechtsstellung des Bundesrates im Bereich der Außenvertretung nicht. Organschaftlich erhält der Bundesrat also bei der Wahrung der Außenvertretungsrechte keine wesentliche Funktion437 • Der Ländervertreter mag zwar möglicherweise ein Mandat des Bundesrates wahrnehmen438 , die eigentliche Organkompetenz bleibt jedoch bei der Bundesregierung. Diese Interpretation wird durch mehrere in Art. 23 Abs. 6 GG enthaltene Aussagen gestützt. Wie festgestellt handelt es sich bei der Verhandlungsführung gern. Art. 23 Abs. 6 GG ausdrücklich um eine Kompetenz der Bundesrepublik als Mitgliedsstaat der EU und damit als Gesamtstaat. Dafür spricht auch die Tatsache, daß nach Art. 23 Abs. 6 Satz 2, 2. Halbsatz GG bei der Wahrnehmung der Verhandlungsführung die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren ist. Mit Blick auf die Wirkung des Gesamtstaates nach außen liegt jedoch - wie gesehen - die Zuständigkeitsvermutung grundsätzlich bei der Bundesregierung. Hiervon macht Art. 23 Abs. 6 GG aber ausdrücklich keine Ausnahme. Der Gesamtstaat wird also auch dann nach außen hin durch die Bundesregierung repräsentiert, wenn die mitgliedsstaatlichen Rechte durch einen Ländervertreter wahrgenommen werden439 .
437 Auch dies würde aber nicht zwingend zu einem Verstoß gegen die Organkompetenz der BWldesregierWlg führen; denn ein Grund für die ForderWlg, daß die auswärtigen Angelegenheiten von der BWldesregierWlg wahrzunehmen seien, liegt in der VorstellWlg, daß es sich bei diesen Angelegenheiten um einen Fall von auswärtiger VerwaltWlg handelt, die von einem Organ der Exekutive ausgeübt werden müsse. Da der BWldesrat sich aber aus den Vertretern der LandesregierWlgen zusammensetzt, weist er ebenfalls stark exekutive Elemente auf (arg. e Art. 50 GG). In dieser Hinsicht wäre er also durchaus organschaftlich dazu geeignet, AußenvertretWlgskompetenzen wahrzunehmen; siehe hierzu auch OschatzlRisse, EA 1988, 9 (14); a.A Ress, EuGRZ 1987,361 (367). 431 Siehe BegriindWlg zum Gesetzentwwf der BWldesregierWlg, BT-Drucks. 12/3540, S. 6. Allerdings erscheint diese Interpretation sehr dünn Wld dürfte eher der Beschwichtigtmg der Länder gedient haben, denn sie griindet sich allein in der Befugnis des BWldesrates, den Ländervertreter zu "benennen". Es geht also nicht einmal um eine ,,EmennWlg", was zum Ausdruck bringen würde, daß es sich tatsächlich um eine inhaltliche Wld nicht nur um eine formelle Befugnis handelte. 439 Ebenso MorawitzlKaiser, S. 90.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Für die Kompetenz der Bundesregierung spricht ferner der Umstand, daß der Ländervertreter die Wahrnehmung der mitgliedsstaatlichen Rechte gern. Art. 23 Abs. 6 Satz 2, 1. Halbsatz GG nur "unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung" auszuüben befugt ist. Dies bedeutet - wie dargestellt440 -, daß ohne die Bundesregierung im Bereich der Verhandlungsund Stimmführung "nichts läuft", was in letzter Konsequenz zu einem Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung führen wird. Damit bleibt sie auch im Innenverhältnis das verantwortliche Organ. Schließlich hat sich die Bundesregierung eindeutig vorbehalten - und dies wurde auch von den Ländern anerkannt -, daß die Delegationsleitung in jedem Fall bei ihr verbleibt441 . Sie ist und bleibt folglich auch nach außen hin verantwortlich für das Handeln des Ländervertreters. Dies deckt sich im übrigen auch mit der europarechtlichen Vorgabe des Art. 146 EGV, wonach der deutsche Vertreter im Rat befugt sein muß, verbindlich für die mitgliedsstaatliche Regierung zu handeln. Auch im Außenverhältnis gilt mithin die Verantwortlichkeit der Bundesregierung, denn das Handeln des Vertreters im Rat gleichgültig ob Bundes- oder Ländervertreter - gilt für die Bundesregierung442 und berechtigt und verpflichtet daher einzig diese. cc) Fazit Die Mitwirkungsrechte des Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG brechen somit nicht mit der herkömmlichen Zuordnung der Organkompetenz im Bereich der auswärtigen Gewalt. c) Ergebnis
Es kann mithin festgehalten werden, daß die Mitwirkungsrechte der Länder durch den Bundesrat nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 2-7 GG sich nahtlos in die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Außenkompetenz - auch nach deren herkömmlichem Verständnis - einreihen. Wie bisher liegt die Verbandskompetenz beim Bund und die Organkompetenz ganz überwiegend bei der Bundesregierung.
Siehe oben, unter B. V. 2. b) dd), ee) fI). Siehe oben, unter B. V. 2. b) aa). 442 So auch Begründung zum GesetzentwUIf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/3540, S. 6. 440 441
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des BlDldesrates
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3. Die Mitwirkungsrechte und das Demokratieprinzip a) Demokratieprinzip
Das Demokratieprinzip ist in Art. 20 Abs. 2 Satz I GG als Leitprinzip der Ordnung des politischen Prozesses niedergelegt. Danach soll alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen. Das Bundesverfassungsgericht hat nun in seiner Maastricht-Entscheidung festgestellt, daß zum nicht antastbaren Gehalt des Demokratieprinzips gehört, daß die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen müssen und grundsätzlich ihm gegenüber zu verantworten sind. Dabei sei entscheidend, daß ein hinreichend effektiver Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werde443 . b) Demokratische Legitimation der Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2, 4 und 5 GG
Hinsichtlich der Mitwirkungsrechte des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 2, 4 und 5 GG stellt sich das Erfordernis dieser demokratischen Rückführung auf das Volk nicht als Problem dar. Ohnehin besteht die Notwendigkeit demokratischer Legitimation nur für das Treffen hoheitlicher Entscheidungen. Das Informationsrecht des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 2 GG bleibt daher unberührt. Soweit der Bundesrat hier aber Entscheidungen zur Festlegung der Verhandlungsposition des Bundes in Angelegenheiten der EU gern. Art. 23 Abs. 4 und 5 GG trifft, besteht eine legitimative Rückbindung über die parlamentarische Kontrolle der in ihm vertretenen Landesregierungen durch die Landtage. c) Demokratische Legitimation der Verhandlungsfohrung durch einen Ländervertreter gem. Art. 23 Abs. 6 GG
Dagegen wird das Bestehen einer ausreichenden demokratischen Rückbindung des stimm- und verhandlungsführenden Ländervertreters bezweifelt444 . So wird beklagt, daß in dem Fall, daß die Verhandlungsführung bei einem Länderminister liegt, dessen unmittelbare demokratische Rückbindung lediglich über "seinen" Landtag und nicht über den Bundestag erfolge. Damit sei
BVerfGE 89, 155 (182); ebenso bereits BVerfGE 83, 60 (72). Siehe auch OppennanniClassen, APUZ 1993, B 28, 11 (17) lDld Breuer, NVwZ 1994,417 (428). 443
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BlDldesrates
lediglich die Rückbindung über die Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes gewährleistet, nicht aber über das gesamte Volk der Bundesrepublik. Da der Ländervertreter aber stellvertretend für den Gesamtstaat Deutschland handele, reiche diese Form der demokratischen Rückbindung keinesfalls aus. Auch die Rückbindung über das Bundesorgan Bundesrat könne hier nicht weiterhelfen, denn insoweit handele es sich lediglich um eine indirekte Legitimierung44S . Es ist daher bereits die Rede von einer ,,Desorientierung der parlamentarischen Verantwortung", die sogar teilweise als Verstoß gegen den durch Art. 20 Abs. 1 und 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Kern des Demokratieprinzips gewertet wird446 . Solchen Bedenken kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie wurzeln in der Fehlvorstellung, daß die Verhandlungsführung durch den Ländervertreter die Verbandskompetenz der Länder und die Organkompetenz des Länderministers in auswärtigen Angelegenheiten begründet. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies jedoch nicht der Fall447 . Der Ländervertreter handelt nur für den Bund und zudem ermächtigt durch die Bundesregierung. Nach außen und nach innen ist die Bundesregierung verantwortliches Organ für das Verhalten des Ländervertreters, der ohne Absprache mit ihr keine Handlungen vornehmen darf. Sein Handeln wirkt berechtigend, aber auch verpflichtend für die Bundesregierung. Damit ist der Ländervertreter der mittelbar demokratisch legitimierten Bundesregierung auch verantwortlich. Ihr gegenüber hat er Rechenschaft abzugeben. Da diese weiterhin generell und in europäischen Angelegenheiten sogar in gesteigerter Form dem Bundestag parlamentarisch verantwortlich ist, besteht auch hinsichtlich des Handeins des Ländervertreters nach Art. 23 Abs. 6 GG eine demokratische Legitimation durch das gesamte Staatsvolk. Damit wird auch das Postulat des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Wahrung des Demokratieprinzips befolgt, da das Gericht nicht von einer zwingend unmittelbaren Rückbindung spricht, sondern davon, daß die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben sich "auf das Staatsvolk zurückführen lassen (muß)"448. Politisch gesehen tritt zu dieser Rückbindung noch die Legitimation über den jeweiligen Landtag hinzu. Tatsächlich ist dadurch die demokratische Legitimation eher stärker denn schwächer geworden. Von einer ,,Desorientierung der parlamentarischen Verantwortung" kann folglich keine Rede sein.
44S 446 447 441
Classen, ZRP 1993, 57 (60). Breuer, NVwZ 1994,417 (428). Siehe oben, lDlter B. V. 4. BVerfGE 89, 155 (182).
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates
247
d) Ergebnis Die Mitwirkungsrechte der Länder durch den Bundesrat stehen deshalb im Einklang mit dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG.
4. Die Mitwirkungsrechte und das horizontale Gewaltenteilungsprinzip Denkbar ist auch, daß der Umstand, daß der Bundesrat nunmehr durch Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG erweiterte Rechte bei der Einflußnahme auf Befugnisse erhalten hat, die bislang allein der Bundesregierung vorbehalten waren, zu einem Verstoß der Rechte gegen die exekutivische Eigenverantwortung der Bundesregierung und damit zu einem Verstoß gegen das horizontale Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes führt.
a) Das Prinzip der horizontalen Gewaltenteilung Nach dem Grundsatz der horizontalen Gewaltenteilung, der in Art. 20 Abs. 2 GG verankert ist, werden die Legislative, die Exekutive und die Judikative begrifilich und funktionell voneinander unterschieden. Dabei gilt der Grundsatz, daß kein Organ einer Gewalt Aufgaben einer anderen Gewalt wahrnehmen darf und die Gewalten sich gegenseitig kontrollieren und in ihrer Macht begrenzen, so daß kein Übergewicht einer Macht entsteht (sog. "checks and balances")449. Dieser Grundsatz wird aber vom Grundgesetz selbst nur mangelhaft eingehalten, denn es kommt häufig zu Übergriffen einer Gewalt in den Bereich einer anderen Gewalt4so . Daraus folgt, daß der Gewaltenteilungsgrundsatz allenfalls dann verletzt wird, wenn ein Einbruch einer Gewalt in den Kernbereich einer anderen Gewalt vorliegt4S1 .
b) Der Kembereich der exekutivischen Eigenverantwortung Es herrscht Übereinstimmung darüber, daß es erhebliche Probleme bereitet festzustellen, worin der Kernbereich der einzelnen Gewalten besteht und wann
449
Ausführlich hierzu MaunziZippelius, § 13 m. 1.
Siehe PüttnerlKretschmer, S. 50; so wirkt z.B. an der Gesetzgebung nicht allein der Bundestag sondern auch der Bundesrat mit, der nach Art. 50 GG aber zugleich ein Organ der Exekutive ist. 4S1 Vgl. BVerlGE 30, I (27f). 4S0
248
3. Kapitel: Die Mitwirk:1.mgsrechte des Bundesrates
ein Einbruch in ihn konstatiert werden kann452 . Konkrete Maßstäbe sind bisher noch nicht gefunden worden. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht den Kernbereich einer Gewalt so umschrieben, daß seine Verletzung ein Übergewicht der einen über die andere Gewalt bedeuten würde453 • Auf die Rechte des Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG bezogen bedeutet dies, daß ein Einbruch in den Kernbereich der exekutivischen Eigenverantwortung der Bundesregierung dann bejaht werden muß, wenn der Einfluß des Bundesrates in Angelegenheiten der EU so stark würde, daß er die Entscheidungs- und Gestaltungsgewalt der Bundesregierung überlagerte. Dabei muß allerdings beachtet werden, daß auch der Bundesrat über eine exekutive Verantwortung verfUgt, da er ebenfalls ein Organ der vollziehenden Gewalt ist. c) Einbruch in den Kernbereich durch die Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG?
Nach dem Gesagten erscheint - wenn überhaupt - einzig ein Einbruch in den Kernbereich durch das Letztentscheidungsrecht des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG möglich, denn in den übrigen Fällen ist die Bundesregierung rechtlich nicht an das Votum des Bundesrates gebunden (so im Falle der einfachen Berücksichtigung gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG) oder die grundsätzliche Kompetenz ist ohnehin bei ihr verblieben (so im Falle der Verhandlungsfiihrung durch den Ländervertreter454 ). Bei Vorliegen der Voraussetzungen fiir ein Letztentscheidungsrecht des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG entsteht demgegenüber jedoch eine rechtliche Bindung der Bundesregierung. In diesem Falle darf sie bei der Festlegung der Verhandlungsposition des Bundes nicht von der Stellungnahme des Bundesrates abweichen, soweit es um den Teil des europäischen Vorhabens geht, der in die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren eingreift. Bestünde diese strenge Bindung absolut und ohne Ausnahme, so müßte tatsächlich eine Überlagerung der Entscheidungsgewalt der Bundesregierung durch den Bundesrat bejaht werden. Allerdings muß diese Feststellung sogleich relativiert werden, wenn man bedenkt, daß auch der Bundesrat gern. Art. 50 GG u.a. ein Organ der vollziehenden Gewalt darstellt, dem die Ausübung exekutivischer Befugnisse keinesfalls fremd ist. Von diesem Standpunkt aus betrachtet nähme ein Organ der Verwaltung Funktionen eines anderen Organs der Verwaltung wahr. Das 4'2 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 478; J. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, D ill. 4'3 BVerfGE 34, 52 (59). 454 Siehe oben, unter 2. b) bb).
c. Würdigung der Mitwirklmgsrechte des Bundesrates
249
entscheidende Argument gegen das Vorliegen eines Einbruchs in den Kernbereich liegt aber in dem Umstand, daß die Bundesregierung über das in Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG enthaltene Korrektiv der Wahrung gesamtstaatlicher Verantwortung die Möglichkeit erhalten hat, im Ausnahmefall noch von der Stellungnahme des Bundesrates abzuweichen. Das gleiche gilt auch für den Fall, daß es sich um finanzwirksame Maßnahmen nach § 5 Abs. 2 Satz 6 EUZBLG handelt.
d) Ergebnis Ein Einbruch in den Kernbereich der exekutivischen Eigenverantwortung der Bundesregierung durch die Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 47 GG kann nicht festgestellt werden. Befürchtungen, daß das Letztentscheidungsrecht des Bundesrates die Handlungsfahigkeit der Bundesregierung in unzulässiger Weise beeinträchtigt, erweisen sich somit als haltlos. Die Bundesregierung darf sich allerdings nicht ohne weiteres über die bindende Stellungnahme des Bundesrates hinwegsetzen455 , wenn nicht einer der eng umgrenzten Ausnahmef,ille des Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG oder des § 5 Abs. 2 Satz 6 EUZBLG vorliegt; denn dies würde einen eklatanten Verfassungsverstoß bedeuten, den der Bundesrat vermutlich mit einem Gang nach Karlsruhe beantworten würden. 5. Die Mitwirkungsrechte und das Ressortprinzip des Art. 65 Satz 2 GG Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG mit den hergebrachten verfassungsrechtlichen Grundsätzen könnten sich im Hinblick auf das in Art. 65 Satz 2 GG verankerte Ressortprinzip ergeben.
a) Bedeutung des Art. 65 Satz 2 GG Die Vorschrift des Art. 65 Satz 2 GG räumt den Bundesministern das Recht ein, ihren Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung zu leiten. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die Bundesminister nicht bloße Gehilfen des Bundeskanzlers, sondern selbst Staatsorgane mit weitreichenden
m Dies wird jedoch vereinzelt verlangt, so z.B. Breuer, NVwZ 1994,417 (427).
250
3. Kapitel: Die Mitwirlomgsrechte des Bmdesrates
Befugnissen sind456 . Art. 65 Satz 2 GG garantiert ihnen deshalb eine eigene politische Hausmacht. Die selbständige Leitung des Geschäftsbereichs äußert sich vor allem im Recht des Ministers, eigene Weisungen für die zu verfolgende Politik auszugeben. b) Untersuchung der einzelnen Mitwirkungsrechte
aa) Informationsrecht Im Recht des Bundesrates auf umfassende Unterrichtung über die Angelegenheiten der EU kann keine Berührung des Ressortprinzips festgestellt werden, denn hier geht es um das passive Recht der Länderseite auf Information durch die Bundesregierung. Keinesfalls soll aber die Weisungs- und Entscheidungsbefugnis des jeweils zuständigen Bundesministers in Frage gestellt werden. bb) Recht auf einfache Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates Im Ergebnis gilt das gleiche für das Recht des Bundesrates auf Abgabe einer einfach zu berücksichtigenden Stellungnahme durch die Bundesregierung gern. Art. 23 Abs. 5 Satz I GG. Obwohl es sich hierbei um ein aktiv wahrzunehmendes Recht des Bundesrates handelt, das darauf gerichtet ist, Einfluß auf die Entscheidung über die Verhandlungsposition in bestimmten Angelegenheiten der EU zu nehmen, entsteht keine rechtliche Bindung der Bundesregierung an diese Stellungnahme. Damit ist zugleich der Bundesminister als Teil der Bundesregierung in seiner Entscheidung freim . cc) Recht auf maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme Bedenken könnten aber hinsichtlich der Pflicht der Bundesregierung zu maßgeblicher Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG bestehen; denn diese Pflicht kann - und soll im Regelfall - dazu führen, daß dem Bundesrat das Recht zur Letztentscheidung bei der
4'6 Hierzu md im folgenden Jöm Ipsen, Staatsorganisationsrecht, § 711. sowie Kölble, DÖV 1973, 1 ff. 4" Sieht man einmal von der Richtlinienkompetenz des Bmdeskanzlers ab, dazu sogleich mter ce).
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des BWldesrates
251
internen Bestimmung der Verhandlungsposition zusteht. Dadurch wird aber das Recht des Bundesministers in den Fällen, in denen es tatsächlich zu einer Letztentscheidung der Länderseite kommt, rechtlich und tatsächlich eingeschränkt. Bereits in der Vergangenheit sind solche Bedenken vorgetragen worden, haben letztlich aber richtigerweise wenig Widerhall gefunden4s8 . Zum einen ist es bereits fragwürdig, ob der Bundesminister sich tatsächlich noch in seinem Geschäftsbereich befindet, wenn er die Verhandlungsposition des Bundes zu einer Materie festlegt, die in einen Bereich fällt, für den den Ländern die Gesetzgebungskompetenz obliegt4s9. Zum anderen muß berücksichtigt werden, daß der Geschäftsbereich des Bundesministers ohnehin nicht unantastbar ist, denn immerhin steht dem Bundeskanzler nach Art. 65 Satz 1 GG die Richtlinienkompetenz zu. Daran ist auch der Bundesminister gebunden, denn Art. 65 Satz 2 GG gewährt ihm die selbständige Geschäftsführung und Eigenverantwortlichkeit ausdrücklich nur ,,innerhalb dieser Richtlinien". Daher werden die Rechte der Bundesminister durch die Pflicht der Bundesregierung zur maßgeblichen Berücksichtigung der Stellungnahme zwar möglicherweise begrenzt, dies geschieht aber nicht in unzulässiger Weise460 . A maiore ad minus gilt dieses Ergebnis auch in den Fällen, in denen bei der Letztentscheidung ein Einvernehmen zwischen Bundesregierung und Bundesrat erforderlich ist, so z.B. im Falle der Festlegung der Verhandlungsposition bei Vorhaben auf der Basis von Art. 235 EGV gern. § 5 Abs. 3 EUZBLG. Hierbei macht es im übrigen keinen Unterschied, daß die Beteiligung an Vorhaben nach Art. 235 EGV keine verfassungsrechtliche Verankerung erfahren hat, denn zum einen wird ihre verfassungsrechtliche Legitimation durch die Verwurzelung des Ausführungsgesetzes in Art. 23 Abs. 7 GG begründet. Zum anderen wird sie auch von dem Grundsatz des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG erfaßt, der bestimmt, daß der Bundesrat generell in Angelegenheiten der EU mitwirkt. Dazu zählen zweifellos auch Vorhaben auf der Rechtsgrundlage des Art. 235 EGV dd) Recht auf Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter Auch im Hinblick auf die Verhandlungsführung durch einen Ländervertreter läßt sich kein Verstoß gegen Art. 65 Satz 2 GG feststellen; denn nach der hier vertretenen Auffassung handelt der Ländervertreter für die Bundesregie-
4'.
Vgl. hierzu Birke, S. 115; Siehe auch Liesegang, in: v. Mönch, Rdnm. 13ff zu Art. 65 OOff; Schütz, BayVB11990, 481 (488); Ress, EuGRZ 1986, 549 (556f). 4'9 Anders offenbar Schütz, BayVB11990, 481 (488). 460 Im Ergebnis ebenso Schütz, ebd.
252
3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
rung und muß sich dabei mit der Bundesregierung und demnach auch mit dem zuständigen Bundesminister absprechen. Der Bundesminister bleibt damit im Regelfall bis auf wenige Ausnahmen wenigstens mitentscheidungsbefugt. Vor dem Hintergrund der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gern. Art. 65 Satz I GG steht ihm aber streng genommen auch nach dem Grundgesetz ein Mehr an Rechten nicht zu. Damit bricht auch Art. 23 Abs. 6 GG nicht unzulässig in das Ressortprinzip des Art. 65 Satz 2 GG ein.
b) Ergebnis Die Untersuchung hat somit gezeigt, daß die Mitwirkungsrechte der Länder durch den Bundesrat nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG nicht gegen das Ressortprinzip des Art. 65 Satz 2 GG verstoßen. 6. Die Mitwirkungsrechte und ihr Beitrag zum Erhalt der Länderstaatlichkeit Motivation für die Reform der Beteiligungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union ist - dies wurde bereits erwähnt - das Bestreben nach Erhalt und Absicherung der Eigenstaatlichkeit der Länder und des fOderalistischen Prinzips gewesen461 . Gegenüber der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der neuen Mitwirkungsrechte des Bundesrates stellt sich daher aus Sicht der Länder die Frage, ob diese Rechte dazu geeignet sind, die gestellten Erwartungen zu erfüllen.
a) Die Eigenstaatlichkeit der Länder Die Eigenstaatlichkeit der Länder wurzelt im Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. I GG. Zusammen mit diesem nimmt auch sie teil an der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG und ist daher vor Verfassungsänderungen geschützt. Grundgedanke der Gliedstaatlichkeit ist heute ganz überwiegend nicht mehr die Vorstellung der Notwendigkeit, traditionelle regionale Besonderheiten zu pflegen und dadurch die Mannigfaltigkeit der Bundesländer zu bewahren462 . Im Kern geht es heute vielmehr um die vertikale Gewaltenteilung463 .
Vgl. Renzsch, APUZ 1990, B 28, 28 (31). Vgl. Hesse, Grundzüge des VeIfassungsrechts, S. 87. 463 PüttnerlKretschmer, S. 46; siehe hierzu und im folgenden ausführlich Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 87ff.; derselbe, AöR 1973,1 (13ff.). 461 462
c. WürdigwJ.g der Mitwirkungsrechte des Bundesrates
253
Durch die Aufteilung von Gesetzgebungs-, Vollzugs- und Rechtsprechungskompetenzen zwischen Bund und Ländern einerseits und die Verschränkung dieser aufgegliederten Kompetenzen andererseits dergestalt, daß ein Tätigwerden des jeweils anderen erforderlich winr 64 , gewährleistet das bundesstaatliche Prinzip eine Gewaltenbalance, die einer allumfassenden Staatsgewalt entgegenwirkt. Eine ähnliche Funktion kommt ihm auch in Hinblick auf den sozialen Rechtsstaat zu. Auch hier bewirkt der föderale Aufbau die Zuordnung der Gewalten sowie die Sicherung der Leistungsfähigkeit und schützt das Volk durch Macht- und Kontrollbefugnisse vor Machtmißbrauch. Zudem bindet der bundesstaatliche Aufbau durch die Schaffung der Möglichkeit zu sachnahen und eigenverantwortlichen demokratischen Entscheidungen und Gestaltungen die Hoheitsgewalt näher an die Basis. Dadurch vervollständigt und stärkt er die demokratische Ordnung des Grundgesetzes. Wesentliches Merkmal für die Staatsqualität der Länder ist deren originäre, nicht vom Bund abgeleitete Hoheitsgewalt465 . Die Staatsqualität der Länder ist daher nicht mehr gegeben, wenn ihnen diese Hoheitsgewalt so weitgehend genommen wird, daß nicht einmal ein Kern eigener Aufgaben, das sog. ,,Hausgut" in ihrem Zuständigkeitsbereich verbleibt466 ; denn in diesem Fall vermögen sie nicht mehr in ausreichendem Maße die ihnen durch den bundesstaatlichen Grundgedanken zugeschriebenen Funktionen der Gewaltenkontrolle und der basisnahen demokratischen Legitimation wahrzunehmen. Staatsqualität der Länder beinhaltet demnach insbesondere die eigenverantwortliche und selbständige Wahrnehmung von originären Gestaltungsrechten. Inhaltlich äußert sich dies vor allem im Bestehen eines Mindestmaßes an originären Gesetzgebungskompetenzen, an eigenorganisatorischer Freiheit und finanzieller Sicherheit durch Beteiligung am Gesamtsteueraufkommen467 . Hierbei wird man die größte Bedeutung für die gestaltende Eigenständigkeit zweifellos der originären Gesetzgebungszuständigkeit der Länder beimessen müssen. Geht man von der hier vertretenen These aus, daß auch die· Gründung der Europäischen Union diesen Kern an gliedstaatlichen Befugnissen noch nicht so weit angetastet hat, daß ein Einbruch in das Hausgut zu verzeichnen ist468 , so gelangt man zu dem Ergebnis, daß die Eigenstaatlichkeit der Länder auch durch den Maastrichter Vertrag (noch) nicht verletzt worden ist. Vor diesem Hintergrund geht es hier also nicht darum, ob die Mitwirkungsrechte des Bundesrates die Länderstaatlichkeit vor dem Maastricht-bedingten Untergang be-
464
Siehe z.B. der Vollzug von Bundesgesetzen nach Art. 84 GG.
46~ Kimminich, in: HdStR, Bd. I, § 26 Rdnr. 14.
466 467 468
BVerlGE 34,9 (19). Siehe oben, unter A. 11. 1. Ebd.
254
3. Kapitel: Die Mitwirlamgsrechte des Bwtdesrates
wahren oder sogar wiederherstellen können, sondern um deren Erhalt und zukünftige Sicherung. Hinzu kommt, daß die Beteiligungsrechte des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG lediglich die Mitwirkung im Bereich bereits abgewanderter Kompetenzen regeln, diese Kompetenzen also nicht zurückholen können.
b) Die Entscheidung für das Bundesratsverfahren
Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG folgt durchgängig dem Prinzip der Beteiligung der Länder durch den Bundesrat. Diese Entscheidung für das sog. Bundesratsverfahren wird als Grundsatz in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 50 GG verfassungsrechtlich verankert. Die Instrumentalisierung des Bundesrates für die Mitwirkung der Länder kommt einer Organleihe gleich469 . Sie ist der Situation - angesichts des Zeitdrucks in der EU wie auch des gescheiterten Länderbeteiligungsverfahrens von 1979 - durchaus angemessen. Wie erwähnt, hätte die Bundesregierung ohne die Entscheidung der Länder für das Bundesratsverfahren und damit für das Mehrheitsprinzip dem Ausbau ihrer Beteiligungsrechte so nicht zugestimmt470 . Für den Bereich der Bundesgesetzgebung bestehen gegenüber dieser Lösung im allgemeinen keine Bedenken471 . Verschiedentlich wurde jedoch in der Vergangenheit angezweifelt, ob eine solche Organleihe dann zulässig ist, wenn es um die originären Gesetzgebungskompetenzen der Länder geht, ein Bereich, mit dem der Bundesrat als Bundesorgan keinerlei Berührung aufweist472 ; denn schließlich büßten die Länder durch das im Bundesrat herrschende Mehrheitsprinzip ihre Gleichberechtigung in europäischen Angelegenheiten ein und erlegten sich eine Einigungslast auf, die das Bundesverfassungsgericht mißbilligt habe473 . Zum anderen ist die Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes gerügt worden, weil die Gesetzgebungskompetenzen der Landtage auf diese Weise den im Bundesrat vertretenen Landesregierungen zuwachsen. Dadurch finde eine unzulässige Kompetenzverschiebung von der Legislative auf die Exekutive statt474 . So bereits Rudolf für das Bwtdesratsverfahren nach dem EEAG, in: Merten Föderalismus wtd Europäische Gemeinschaften, 263 (271). 4 Siehe oben, wtter B n. 471 So auch Schütz, BayVBl1990, 518 (520). . 472 Schütz, ebd.; derselbe, NJW 1989, 2160 (2161); Blurnenwitz, in: Gedächtnisschrift für Sasse, S. 215 (218); Ress, EuGRZ 1986, 549 (557); Tomuschat, in: Magieral Merten (Hrsg.), Bwtdesländer wtd Europäische Gemeinschaften, 21 (38); Rudolf, in: Festschrift für Partsch, S. 357 (367f). 473 Schröder, ]öR 85 (n.F.) 1986, 83 (100); siehe BVerfGE 1, 249 (315). 474 Vgl. auch Ress, EuGRZ 1986, 549 (557); Schütz, BayVBl1990, 518 (520). 469
(Hr~.),
C. Würdigung der Mitwirlamgsrechte des Bundesrates
255
Diese Zweifel sind aber im Ergebnis nicht haltbar, denn der Bundesrat agiert in seiner Eigenschaft als Bundesorgan lediglich als Sachwalter von Länderinteressen. Sein Einsatz dient der Bündelung dieser Interessen. Im Rahmen dieses Einsatzes wird er allerdings immer nur beratend und im Falle der durchgesetzten Letztentscheidungsbefugnis indirekt mitentscheidend im Rat tätig. Er fallt jedoch keine Rechtsetzungsentscheidungen der Länder an ihrer Stelle. Diese stehen den Ländern nicht mehr zu, weil die Materie auf der Grundlage der Verfassung (entweder durch Art. 24 Abs. I GG oder nunmehr durch Art. 23 Abs. I GG) bereits vergemeinschaftet worden ist47s • Nicht durch sein Tätigwerden, sondern durch die Europäisierung von Regelungsmaterien erleiden die Länder daher einen Verlust. Daher bedingt das Bundesratsverfahren selbst auch keine Kompetenzverschiebung zugunsten der Legislative oder der Exekutive und beinhaltet dadurch auch keinen Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Grundgesetzes. Der Verlust, den die Länder durch den integrationsbedingten Fortgang ihrer originären Gesetzgebungskompetenzen erlitten haben, wird durch den Einsatz des Bundesrates sogar eher abgemildert, weil sie sich nur durch die Bündelung ihrer Interessen Gehör und Geltung im europäischen Rechtsetzungsprozeß verschaffen und auf diese Weise möglicherweise doch noch Länderpositionen zur Geltung verhelfen können476 • Ferner ist zu berücksichtigen, daß es dem Verfassungsrecht und der Verfassungspraxis entspricht, daß die Länder für ihre unitarisierten Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der konkurrierenden und der Rahrnengesetzgebung ebenfalls lediglich Mitwirkungsrechte qua Bundesrat als Äquivalent für ihre Gesetzgebungskompetenzen erhalten. Auch wenn es sich hierbei um Gegenstände der Bundesgesetzgebung handelt, gilt auch hier der Grundsatz des Art. 70 Abs. I GG, wonach das Recht der Gesetzgebung grundsätzlich bei den Ländern liegt. Dies wird allgemein nicht in Frage gestellt, obgleich der Bundesrat - wenn die Gesetzgebungskompetenz durch den Landesgesetzgeber wahrgenommen wird - ebenso wenig an dieser Gesetzgebungsbefugnis teilhat, wie dies im Bereich der originären Ländergesetzgebung der Fall ist. Schließlich sind etwaige verfassungsrechtliche Zweifel durch die Ergänzung des Art. 50 GG um die grundsätzliche Feststellung, daß die Länder durch den Bundesrat in Angelegenheiten der EU mitwirken, beseitigt worden, denn Art. 50 GG unterscheidet bei der Zuständigkeit des Bundesrates in europäischen Angelegenheiten nicht zwischen originären Landeskompetenzen und Länderkompetenzen im Bereich der Bundesgesetzgebung. 47S Memminger, in: BorkenhagenlBruns-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 139 (154). 476 Vgl. Oschatz, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 63 (76).
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
In verfassungsrechtlicher Hinsicht bestehen demnach keine Zweifel an der Entscheidung des Art. 23 GG fur das Bundesratsverfahren. c) Die Mitwirkungsrechte unter dem Aspekt der Sicherung der Länderstaatlichkeit
Die im Anschluß an Art. 2 EEAG erfolgte Festlegung auf das Bundesratsverfahren bedingt, daß es sich bei den Mitwirkungsrechten nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG ausschließlich um Rechte des Bundesrates, nicht jedoch der Länder selbst handelt. So obliegt der Bundesregierung die Pflicht zur Unterrichtung nur gegenüber dem Bundesrat. Auch die einfach oder maßgeblich zu berücksichtigende Stellungnahme zur Festlegung der Verhandlungsposition bei europäischen Vorhaben kann lediglich durch den Bundesrat abgegeben werden. Und schließlich wird auch der zu den Beratungsgremien der EU hinzugezogene oder gar verhandlungsfuhrende Ländervertreter, bei dem es sich nicht notwendig um ein Mitglied des Bundesrates handeln muß, vom Bundesrat benannt und nimmt ein Mandat des Bundes wahr. Der Zugewinn an Kompetenzen auf seiten des Bundesrates stellt daher in erster Linie eine Stärkung föderaler Elemente auf der Ebene des Bundes dar. Auf Landesebene profitieren von diesem Zugewinn allenfalls die im Bundesrat vertretenen Landesregierungen. Auch dies gilt aber nur insoweit, als sie sich in der Bundesratsmajorität befinden477 . Selbst dann und auch im Falle der maßgeblichen Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG, bei der die Stellungnahme des Bundesrates in der Regelletztentscheidend wirken kann, ist allerdings fraglich, inwieweit ihr eine gestaltende Funktion zukommt, da ihr bei Mehrheitsentscheidungen im Rat immer noch die Überstimmung droht. Wie oben festgestellt478 , spielen jedoch nicht nur die Landesregierungen, sondern vor allem die Landtage in ihrer gesetzgebenden und damit gestaltenden Funktion bei der Untersuchung der gliedstaatlichen Staatsqualität eine wichtige Rolle. Gerade die Landtage haben jedoch keinen gleichwertigen Ausgleich fur ihre verlorenen Kompetenzen im Bereich der originären Gesetzgebung erhalten. Ihre Rechte beschränken sich auf bloße Informationsund parlamentarische Kontrollrechte gegenüber ihren Landesregierungen479 . Gestaltend werden sie hier nicht mehr tätig.
477 Im Hinblick auf die Stimmverteilung im Bundesrat haben es hier insbesondere die kleinen Länder mit weniger Stimmen schwer, ihre Vorstellungen durchzusetzen. 471 Siehe oben, unter B. VII. 1. 479 Siehe oben, unter B. VII. 1; ebenso Schede, S. 218.
C. Würdigung der Mitwirlamgsrechte des Bundesrates
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d) Fazit Die Länder haben durch den europäischen Integrationsprozeß zweifellos einen erheblichen Teil ihrer eigenständigen Gestaltungsmöglichkeiten verloren. Das Bundesratsverfahren nach Art. 23 Abs. 2-7 GG kann diese Kompetenzverluste nicht wieder zurückbringen, denn es regelt lediglich die Mitwirkung im Falle bereits abgewanderter Kompetenzen. Daher vermag es bereits vom Grundsatz her nur einen Beitrag dazu zu leisten, die erlittenen Kompetenzeinbußen für die Länder erträglicher zu machen, da sie durch dieses Verfahren an Einfluß auf die Entscheidungsfindung und die Gestaltungsrechte des Gesamtstaats und mittelbar auch der EU gewinnen. Sie erhalten für den Verlust an Gestaltungs- und Entscheidungsbefugnissen mithin aber keine neuen gleichwertigen Rechte, sondern lediglich Teilhaberechte an den Rechten des Bundes in der EU. Ihre gestaltende Funktion vermag das Bundesratsverfahren daher nicht zu stärken oder zu bewahren. Diese Entwicklung vom Kompetenz- zum Beteiligungsföderalismus, die angesichts der fortschreitenden Unitarisierung des Bundesstaates typisch geworden ist480 , setzt sich damit im Bereich der europäischen Integration uneingeschränkt fort. Vor diesem Hintergrund hilft es den Ländern wenig, wenn sie Z.B. gern. Art. 23 Abs. 5 Satz I GG Einflußmöglichkeiten auf den Bereich der ausschließlichen Bundesgesetzgebung erhalten, denn diese sind - wie festgestellt wurde - unverbindlicher Natur. Man wird zudem nicht ernsthaft behaupten können, die Möglichkeit zur unverbindlichen Stellungnahme hinsichtlich eines Vorhabens z.B. im Rahmen der GASP stärke die Eigenstaatlichkeit der Länder, denn hier ist keine Berührung mit dem ersichtlich, was gemeinhin als Hausgut der Länder bezeichnet wird. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß ein derartiger Zuwachs an Rechten des Bundesrates immerhin die Stärkung föderaler Elemente zum Ziel hat, die im Zuge der Unitarisierung des Bundesstaates in der Vergangenheit zunehmend ins Abseits gedrängt worden sind. Die Länderseite erhält - begrenzte - Einflußmöglichkeiten auf Regelungsmaterien, die bislang ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fielen. Wenn also das Bundesratsverfahren auch keinen unmittelbaren Beitrag zur Stärkung oder zum Erhalt der EigenstaatIichkeit der Länder zu leisten vermag481 , so ist die Tendenz zur Stärkung des Bundesstaatsprinzips in seiner Gesamtheit aber unübersehbar. 410 Siehe hierzu bereits Rudolf Smends Feststellung zur Entwicklung des Bundesstaates in der Weimarer Republik, daß durch die starke sachliche Unitarisierung im modemen Bundesstaat an die Stelle der den Ländern verlorengegangenen Landesgewalt das Moment ihrer Beteiligung an der Reichsgewalt getreten sei, S. 270. 4S1 Vom Bundesratsvetfahren unabhängig ist im übrigen die Sicherungswirlamg zu beurteilen, die Art. 23 Abs. I GG in seinen Sätzen 2 und 3 für die Bundesstaatlichkeit 17 Lang
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3. Kapitel: Die Mitwirklmgsrechte des BlUldesrates
7. Ergebnis Die vorangegangene Untersuchung hat damit ergeben, daß die Mitwirkungsrechte der Länder durch den Bundesrat gern. Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG zwar eine Reihe von verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Fragen aufwerfen, letztlich jedoch bei genauer Betrachtung jeweils noch im Einklang mit den Grundprinzipien der Verfassung stehen.
11. Europarechtliche Würdigung Auch in europarechtlicher Hinsicht sind bereits mehrfach Bedenken gegen die Mitwirkungsrechte der Länder durch den Bundesrat geäußert worden482 • Dabei geht es um die Befürchtung, die gesteigerten Mitwirkungsrechte des Bundesrates in Angelegenheiten der EU - insbesondere die maßgebliche Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung - könnten die Erfüllung der Pflichten, die der Bundesrepublik als Mitgliedsstaat der EU gern. Art. 5 EGV obliegen, unmöglich machen. 1. Die Mitwirkungsrechte und die mitgliedsstaatlichen Pflichten der Bundesrepublik nach Art. 5 EGV a) Mitgliedsstaatliche Pflichten gem. Art. 5 EGV
Art. 5 EGV gibt in seinem Abs. 2 den Mitgliedsstaaten der EU die Pflicht auf, alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele der EU gefährden könnten. Aus dieser Maßgabe läßt sich eine eigenständige Ver-
enthält, siehe oben, lUlter I. 1. a) cc) (2). Durch die BindlUlg der weiteren ÜbertraglUlg von BlUldes- lUld Landeshoheitsrechten an die ZustimmlUlg des BlUldesrates mit ZweiDrittel-Mehrheit haben die Länder eine starke Möglichkeit erhalten, die weitere AushöhllUlg ihrer originären Kompetenzen zu verhindern. Auch hier werden aber offene Flanken der Länderstaatlichkeit deutlich. Zum einen büßt auf diese Weise das einzelne Ll\lld wieder seine GestaltlUlgs- lUld EntscheidlUlgsbefugnisse ein. Zum anderen kann ein Schutz der gesetzgebenden Gewalt auf Länderebene wieder nur mittelbar erreicht werden, denn die ZustimmlUlgsentscheidlUlg selbst wird durch die Landesregier\Ulgen im BlUldesrat herbeigefiihrt. Die Landtage profitieren von diesem Zugewinn lediglich durch ihre parlamentarischen Kontrollrechte lUld schließlich durch den Verbleib von RegellUlgsmaterien in ihrem Zuständigkeitsbereich. Auch hinsichtlich dieser SicheflUlgswirklmg kann daher nur von einem mittelbaren Schutz der Länderstaatlichkeit die Rede sein. 482 Namentlich Everling, DVBl1993, 936ff. lUld Breuer, NVwZ 1994, 4l7ff.
c. Würdigung der Mitwirktmgsrechte des Bundesrates
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pflichtung der Mitgliedsstaaten ableiten, die Funktionsfahigkeit des Rates zu gewährleisten483 . Die Tätigkeit des Rates darf also nicht behindert werden. Im Falle einer Ratsentscheidung, die dem Einstimmigkeitserfordernis unterliegt, läge eine solche Obstruktion z.B. dann vor, wenn der Mitgliedsstaat - aus welchen Gründen auch immer - nicht in der Lage wäre, eine definitive Verhandlungsposition zu vertreten und danach abzustimmen oder andererseits so auf seine Verhandlungsposition fixiert wäre, daß ein teilweises Abweichen zum Zwecke der Kompromißfindung unmöglich wäre. In beiden Fällen würde ein solches Verhalten des Mitgliedsstaates zur Beschlußunfahigkeit des Rates führen. Unbestritten ist, daß die Vertreter der Mitgliedsstaaten im Rat den Weisungen ihrer Regierungen oder deren Minister nach nationalem Verfassungsrecht unterliegen484 . Damit ist ihre Weisungsgebundenheit prinzipiell zulässig48s . Es fragt sich allerdings, welche Qualität diese Weisungen noch haben dürfen, um nicht zu einer Obstruktion der Ratstätigkeit zu führen, welche Art. 5 EGV verbietet. Nach dem oben Gesagten dürfte es mit Sicherheit unzulässig sein, wenn ein Mitgliedsstaat seinen Vertreter an so strikte Weisungen bände, daß ein Kompromiß mit den Verhandlungspartnern im Rat unmöglich würde. Die Mitgliedsstaaten dürfen zwar nationale Interessen vertreten, sind aber zuvörderst dazu verpflichtet, einen Kompromiß anzustreben, der den gemeinsamen europäischen Interessen entspricht486 . Insofern verpflichtet Art. 5 EGV die Mitgliedsstaaten zur Rücksichtnahme auf die Interessen der EU. Art. 5 EGV ist jedoch nicht einseitig zu sehen. Die Rücksichtnahme beruht vielmehr auf Gegenseitigkeit, so daß auch die EU ihrerseits die Interessen der Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen hat487 . Aus dieser Gemeinschaftstreue488 folgt, daß die EU und ihre Organe - natürlich in angemessenem Rahmen - auch die föderalen Interessen der Bundesrepublik zu beachten haben489 . Hierdurch ließe sich möglicherweise ableiten, daß nicht schon jede - durch innerstaatliche Zwänge bedingte - geringe Starrheit in der Position als Obstruktion der 4&3 Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 42; Streinz, Europarecht, Rdnr. 283; Grabitz, Rdnr. 1 zu Art. 5 EWGV. 4&4 Siehe Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 42. m Siehe Ress, EuGRZ 1986, 549 (552). . 416 Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 42. 4&7 Ebenso Ress, EuGRZ 1986, 549 (550); Streinz, DVBI 1990, 949 (956); Geiger, Rdnr. 5 zu Art. 5 EGV; Grabitz, Rdnr. 1 zu Art. 5 EWGV; Hailbronner, JZ 1990, 149 (152); der EuGH spricht zwar nicht ausdrücklich von einer "Gemeinschaftstreue", sogar er erkennt aber eine sich aus Art. 5 EGV ergebende Pflicht der Mitgliedsstaaten und der Gemeinschaftsorgane zur "loyalen Zusammenarbeit" an, vgl. Rs. 230/81 LuxemburgIParlament, Slg. 1983 S. 255/287. 488 Eingehend hierzu Grabitz, DVB11976, 483 f[ 489 Grabitz, Rdnr. 17 zu Art. 5 EWGV; Geiger, Rdnr. 5 zu Art. 5 EGV.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
Ratstätigkeit ausgelegt werden dürfte. Auch eine in zeitlicher Hinsicht erfolgende Beeinträchtigung der Ratstätigkeit wird man wohl als unzulässig ansehen müssen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein Mitgliedsstaat noch keine Stellungnahme im Rat abgeben kann, weil sie innerstaatlich noch nicht gebilligt worden ist. Dadurch wäre er nicht imstande, seine Verhandlungsposition frühzeitig darzulegen. Bei Einstimmigkeit drohte dies den Ratsbeschluß zu verschleppen. Dies könnte allenfalls im Wege einer Enthaltung des Mitgliedsstaates verhindert werden490 . Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß das Problem der Obstruktion der Ratsarbeit zunehmend an Bedeutung verliert. Bereits durch die EEA und nun auch durch den Vertrag von Maastricht ist die Zahl der einstimmig vom Rat zu treffenden Entscheidungen gesunken491 . Die Verhandlungs- oder Abstimmungsumahigkeit eines Mitgliedsstaates führt unter der Anwendung des Mehrheitsprinzips nicht mehr in jedem Fall zur Beschlußumabigkeit des Rates. Auch durch innerstaatliche Vorgaben bedingte Gegenstimmen machen eine positive Entscheidung des Rates dann nicht mehr unmöglich. Lediglich bei Entscheidungen, die noch dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegen, besteht das Problem jedoch nach wie vor. b) Untersuchung der einzelnen Mitwirkungsrechte
Da die Mitwirkungsrechte der Länder durch den Bundesrat darauf gerichtet sind, Einfluß auf die Europapolitik der Bundesregierung zu nehmen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, daß es zu einer Beeinträchtigung der Funktion des Rates als Entscheidungsorgan der EU kommt. Diese Gefahr kann aber wenn überhaupt - nur insoweit entstehen, als sich die Mitwirkungsrechte auf die Entscheidungen der Bundesrepublik als Mitgliedsstaat auswirken, weil nur so ein hemmender Einfluß auf die Tätigkeit und Entwicklung der EU und auf die Mitwirkung und die Mitgliedsstaatlichen Pflichten der Bundesrepublik zur Gewährleistung einer störungsfreien Ratsarbeit denkbar ist. Daher sind hinsichtlich des Informationsrechts des Bundesrates aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG bereits im Ansatz keine derartigen Bedenken ersichtlich.
Auch in diesem Fall wäre aber eine innerstaatliche Bindung hinderlich. Ebenso Ehlermann, in: HrbekfThaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 139 (141). 490 491
C. Würdigung der Mitwirkwtgsrechte des Bundesrates
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aa) Die einfache Berücksichtigung der Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG Eine Verletzung der mitglieds staatlichen Pflichten der Bundesrepublik aus Art. 5 EGV durch die Pflicht der Bundesregierung zur Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG ist abstrakt denkbar, wenn die Bundesregierung dadurch an die Stellungnahme gebunden und aus diesem Grund in ihrer Handlungs- und Kompromißfahigkeit in den Ratsverhandlungen beeinträchtigt würde. Solche Bedenken sind jedoch im Falle der einfachen Berücksichtigung gegenstandslos. Wie festgestellt, verpflichtet die einfache Berücksichtigung die Bundesregierung nämlich nur dazu, sich mit den Argumenten des Bundesrates inhaltlich auseinanderzusetzen und sie in ihre Entscheidungsfindung miteinzubeziehen. Eine rechtliche Bindung an die Argumentation des Bundesrates muß jedoch verneint werden. Die Bundesregierung ist demnach nicht verpflichtet, ihre Verhandlungsposition an die Stellungnahme des Bundesrates anzupassen oder sie gar insgesamt zu übernehmen. Daher ist nicht zu erkennen, daß sich die einfache Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung auf die Pflicht der Bundesrepublik zur Erfüllung ihrer mitgliedsstaatlichen Verpflichtungen nach Art. 5 EGV auswirken könnte. Auch wenn man berücksichtigt, daß Art. 5 EGV alle Maßnahmen der Mitgliedsstaaten verbietet, die nicht erst unmittelbar eine Beeinträchtigung oder Störung der Ratsarbeit und damit der Vertragsverwirklichung nach sich ziehen, sondern bereits zu einer entsprechenden Gefährdung führen können492 , ergibt sich kein anderes Bild. Schließlich hat die Untersuchung gezeigt, daß die Bundesregierung immer von der einfach zu berücksichtigenden Stellungnahme abweichen kann. Insoweit ergibt sich keine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Handlungsfahigkeit auf europäischer Ebene. Die Bundesregierung ist gegenüber den europäischen Partnern nach wie vor kompromißfahig und offen für Kursänderungen. Auch die Verschleppung eines Ratsbeschlusses oder die Beschlußunfahigkeit des Rates durch das Fehlen einer deutschen Stellungnahme ist nicht zu befürchten, denn die Bundesregierung ist nicht dazu verpflichtet, die Stellungnahme des Bundesrates abzuwarten. Dies ergibt sich eindeutig aus Abschnitt III Nr. 1 der BLV, wonach die Bundesregierung dem Bundesrat mitteilt, bis zu welchem Zeitpunkt sie seine Stellungnahme noch berücksichtigen kann. Aber auch in seinem eigenen Interesse wird der Bundesrat das Verfahren nicht
492
Vgl. Grabitz, Rdnr. 10 zu Art. 5 EWGV
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
blockieren, da damit gleichzeitig seine Chancen sinken, Einfluß auf europäische Vorhaben zu nehmen493 . In der einfachen Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG liegt damit kein Verstoß gegen die Erfüllung der mitgliedsstaatlichen Pflichten der Bundesrepublik gern. Art. 5 EGV bb) Die maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG Anders könnte dies aber bei der maßgeblichen Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG sein, denn hier entsteht im Falle des Letztentscheidungsrechts des Bundesrates eine rechtliche Bindung der Bundesregierung an dessen Stellungnahme. Dementsprechend wird die Ansicht vertreten, daß eine solche Bindung des Ratsvertreters an die Stellungnahme einer gesetzgebenden Körperschaft eines Mitgliedsstaates gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, weil damit die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft beeinträchtigt werde. Sie sei mithin vertragswidrig und verstoße gegen die Pflicht des Mitgliedsstaates zur Gemeinschaftstreue nach Art. 5 EGV Wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts494 sei die Bestimmung des Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG folglich unanwendbar493 • Diese Einwände sind jedoch bei näherer Betrachtung im Ergebnis nicht haltbar. Es triffi: zwar zu, daß eine absolute rechtliche Bindung der Bundesregierung an das Votum des Bundesrates unzulässig ist496 • Eine rechtliche Bindung der Bundesregierung liegt im Bereich der maßgeblichen Berücksichtigung aber zunächst überhaupt nur dann vor, wenn der Bundesrat sich durch einen Beharrungsbeschluß mit Zwei-Drittel-Mehrheit gegenüber der Bundesregierung durchzusetzen vermag. Ist dies der Fall, so kann allerdings immer noch nicht von einer absoluten Bindung der Bundesregierung gesprochen werden, die sie auf die Stellungnahme des Bundesrates festlegen würde. Zum einen ist die Stellungnahme lediglich insoweit zu übernehmen, als das fragliche Vorhaben im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betriffi. Zum anderen darf nicht vergessen werden, daß das in Art. 23 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz GG
493 Vgl. Oschatz, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 63 (78). 494 Siehe hierzu Everling, DVBll985, 1201 ff. 49' Everling, DVBl1993, 936 (947). 496 So auch Ress, EuGRZ 1986, 549 (553).
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des BlBldesrates
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enthaltene Korrektiv zur Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes es - wie festgestellt497 - der Bundesregierung erlaubt, aus übergeordneten Erfordernissen im Ausnahmefall immer noch von der im Regelfall verbindlichen Stellungnahme des Bundesrates abzuweichen. Ein solcher Ausnahmefall wäre sicher dann gegeben, wenn eine abseitige und gegenüber den übrigen Mitgliedsstaaten völlig starre Position der Bundesrepublik eine Kompromißfindung im Rat unmöglich machen oder zumindest ganz erheblich erschweren würde. In einer derartigen Ausnahmesituation498 wäre die Bundesregierung also auch unter Anwendung des Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG befugt, die Verhandlungsposition der Bundesrepublik selbst zu bestimmen. Dementsprechend kann auch dann kein Verstoß der maßgeblichen Berücksichtigungspflicht gegen Art. 5 EGV festgestellt werden, wenn man berücksichtigt, daß Art. 5 EGV auch bereits solche Maßnahmen der Mitgliedsstaaten verbietet, die die Funktionsfähigkeit des Rates und die Verwirklichung der Ziele des Vertrags schon gefährden499 . Zu einer ernsthaften Gefährdung kann es somit gar nicht erst kommen. Auch in tatsächlicher Hinsicht scheint es aber keinen ernsten Anhaltspunkt für derlei Befürchtungen zu geben, denn die Länder haben in der Vergangenheit gegenüber der Bundesregierung durch effiziente Beteiligung an der Willensbildung des Bundes über den Bundesrat ganz überwiegend ein kooperatives Verhalten gezeigt, so daß sich früher geäußerte Bedenken über eine wesentliche Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik als unbegründet erwiesen haben50o . Zu einem solchen Verhalten sind die Länder im übrigen nicht nur durch das Prinzip der Bundestreue und die Verpflichtung des Grundgesetzes zur Integrationsoffenheit, sondern auch durch die dem Bundesrat obliegende Wahrung gesamtstaatlicher Verantwortung des Bundes nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz GG und nach § 5 Abs. 2 Satz 2 EUZBLG verpflichtet. Rechtliche wie tatsächliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der maßgeblichen Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG mit der Wahrung Mitgliedsstaatlicher Pflichten der Bundesrepublik gern. Art. 5 EGV bestehen mithin nicht501 . Siehe oben, unter B. Iv. 5. c) ce). Dies darf allerdings nicht zum Regelfall werden, denn sonst hätte das sog. LetztentscheidlBlgsrecht des Bundesrates seine Bedeuttmg völlig verloren. 499 Siehe oben, lBlter aa); Grabitz, Rdnr. 10 zu Art. 5 EWGV. 500 So auch Bieber, Stenographiseher Bericht der 1. öffentlichen AnhöflBlg der GVK am 22. Mai 1992, S. 55 (73); Streinz, in: HdStR, Bd. Vll, § 182, Rdnr. 47; kritisch dageyen Ress, EuGRZ 1986, 549 (551). A maiore ad minus gilt dies auch fiir das Erfordernis des Einvernehmens zwischen der BlBldesregieflBlg lBld dem BlBldesrat bei Vorhaben auf der GrlBldlage von Art. 235 EGV, da - wie oben lBlter B. Iv. 6. d) festgestellt - die maßgebliche Berück497 491
'0
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates
cc) Außenvertretung durch einen Ländervertreter (1) Hinzuziehung des Ländervertreters gem. § 6 Abs. 1 EUZBLG
Eine Beeinträchtigung der Ratstätigkeit und Verletzung der mitgliedsstaatlichen Pflicht aus Art. 5 EGV ist durch die bloße Hinzuziehung durch einen Ländervertreter nicht denkbar, da dieser lediglich mitberatende Funktion hat und gern. § 6 Abs. I Satz 2, 2. Halbsatz EUZBLG nur mit Zustimmung des verhandlungsführenden Vertreters der Bundesregierung Erklärungen abgeben kann. Sein Handeln hat daher keine bindende oder zeitlich verzögernde Wirkung auf das Wirken der Bundesrepublik im Rat. (2) Verhandlungs- und Stimmführung durch einen Ländervertreter gem. Art. 23 Abs. 6 GG
Die Vereinbarkeit von Art. 23 GG mit Art. 5 EGV ist auch dann zu bejahen, wenn die Verhandlungs- und Stimmführung im Rat gern. Art. 23 Abs. 6 GG einem Länderminister übertragen worden ist. Um die Handlungs- und Kompromißfähigkeit der Bundesrepublik in Brüssel zu erhalten, ist es erforderlich, daß die deutsche Delegation zur Umsetzung ihrer Positionen auch in den Ministerratssitzungen geschlossen auftritt und flexibel auf rasch sich ändernde Verhandlungssituationen reagieren kann502 . Dies ist aber auch im Falle des Art. 23 Abs. 6 GG gewährleistet, denn - wie festgestellt 503 - handelt der Ländervertreter auch nach außen verbindlich für die Bundesregierung. Ferner hat er die Verhandlungs- und Stimmführung nach ausdrücklicher Vorgabe des Art. 23 Abs. 6 GG unter Beteiligung und in Abstimmung mit dem Vertreter der Bundesregierung vorzunehmen, wobei wiederum ausdrücklich - die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren ist. Es kann daher nicht die Situation entstehen, daß der Ländervertreter im Rat neben dem Bundesvertreter eine zweite Meinung vertritt, die nicht die Meinung des Gesamtstaates darstellt. Der Mitgliedsstaat Deutschland spricht daher im Rat weiterhin nur mit einer Stimme, auch wenn dies - rein physisch gesehen - die Stimme des Ländervertreters ist. Unterstützend kommt hinzu, daß die Delegationsleitung nach wie vor ausschließlich bei der Bundesregierung liegt. sichtigung weiter reicht als die Herstellung des Einvernehmens nach § 5 Abs. 3 EUZBLG. ~02 So auch BorchmannlKaiser, in: Borkenhagen/Bnms-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 36 (45). m Siehe oben, unter B. V. 2. und unter C. I. 3. c).
C. Würdigtmg der Mitwirkungsrechte des Bundesrates
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Schließlich bestehen auch im übrigen keine Bedenken aus europarechtlicher Sicht, denn Art. 146 EGV selbst hat die Voraussetzungen für die Vertretung der Mitgliedsstaaten durch Minister unterhalb der nationalen Regierungsebene geschaffen. Darin könnte man im Zusammenhang mit der Gemeinschaftstreue aus Art. 5 EGV ein konkludentes Einverständnis der EU erblicken, auf zeitliche Zwänge, die sich eventuell aus der notwendigen Absprache zwischen Bundes- und Ländervertreter bei rasch wechselnden Verhandlungssituationen ergeben, in begrenztem Maße Rücksicht zu nehmen. Auch in rechtspolitischer Hinsicht ist nicht zu befürchten, daß bei einer Beteiligung der Länder die einheitliche und dadurch wirkungsvolle Vertretung der Bundesrepublik im Rahmen des Art. 5 EGV gefährdet sein könnte'04. Sollte auf eine erschwerte Koordinierung mit dem Ländervertreter hingewiesen werden, so darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, daß auch ohne dessen Beteiligung Koordinierungszwänge bestehen, diese also keinesfalls neu sind. Da es sich häufig um ressortübergreifende EU-Vorhaben handelt, besteht bereits innerhalb der Bundesregierung das Erfordernis nach Koordinierungsmaßnahmen zur Abstimmung und Festlegung, durch wen die Bundesrepublik in welchen Punkten vertreten werden soll~o, . Es ist daher nicht recht einzusehen, was die Koordinierung mit einem Ländervertreter so erheblich erschweren soll. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, daß auch von der Seite der Bundesregierung bislang immer die gute, ertragreiche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Ländern in europäischen Angelegenheiten hervorgehoben und gelobt worden ist'06 .
2. Ergebnis Die vorangegangene Untersuchung der einzelnen Rechte hat deutlich werden lassen, daß die erwähnten Bedenken gegen eine Vereinbarkeit der Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG mit der Wahrung der mitgliedsstaatlichen Rechte der Bundesrepublik aus Art. 5 EGV nicht geteilt werden können. Die Mitwirkungsrechte halten sich vielmehr klar im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben.
'04 So aber Everling, DVB11993, 936 (947).
'0' Lerche, Stenographiseher Bericht der 1. öffentlichen Anhörung der GVK am 22.
Mai 1992, S. 101 (114). ~06 Siehe z.B. BorchmannIKaiser, in: BorkenhagenlBruns-Klöss (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa, 36 (46); Morawitz, S. 81.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BlDldesrates
ill. Gerichdiche Durchsettbarkeit der Mitwirkungsrechte Die tatsächliche Stärke der Mitwirkungsrechte des Bundesrates hängt nicht nur von dessen politischem GewichtS07 , sondern auch davon ab, ob die Rechte im Streitfall gerichtlich durchsetzbar sind. Im Laufe der Darstellung und rechtlichen Untersuchung der Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG wurde bereits wiederholt auf die Gefahr drohender Verfassungsstreitigkeiten hingewiesen, welche durch stellenweise verklausulierte, unbestimmte und damit aus:füllungsbedürftige Formulierungen insbesondere in Art. 23 Abs. 5 und 6 GG ("im Schwerpunkt") hervorgerufen wird. Ebenfalls hingewiesen wurde auf den politischen Charakter einer solchen Streitigkeit, der durch die Überfrachtung des Art. 23 GG mit politischen Begriffen bedingt iseo8 . 1. Verfahrensart
a) Organstreitverfahren gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG
Träte tatsächlich ein verfassungsrechtlicher Streitfall zwischen der Bundesregierung und der Länderseite ein, der sich nicht einvernehmlich lösen ließe, käme :für das bundesverfassungsgerichtliche Verfahren ein Organstreit gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG zwischen Bundesregierung und Bundesrat in Betracht. Gegenstand eines solchen Verfahrens wäre die Rüge einer Verletzung von nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG obliegenden gegenseitigen verfassungsrechtlichen Pflichten, denn Art. 23 GG stattet sowohl die Bundesregierung als auch den Bundesrat mit eigenen einklagbaren Rechten aus. b) Bund-Länder-Streit gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG
Ob daneben auch ein Bund-Länder-Streit verfassungsrechtlicher Art gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG zulässig ist, muß zunächst bezweifelt werden. Zwar
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So auch Herdegen, EuGRZ 1992, 589 (593).
'0' Siehe oben, lDlter B. IV 5. a) dd);.ebenso EverIing, DVBI 1993, 936 (946). Al-
lerdings haben auch BlDldesregierlDlg lDld BlDldesrat diese potentielle Gefahr erkannt, weswegen derzeit im Rahmen einer ersten Bilanzanalyse des neuen MitwirklDlgsverfahrens Überlegwgen Platz greifen, etwaige MeinlDlgsverschiedenheiten zunächst in einem Schiedsverfahren beizulegen versuchen, bevor das BlDldesverfasslDlgsgericht angerufen werden kann. Letzteres soll schließlich auch nur dann möglich sein, wenn sowohl BlDldesregierlDlg als auch BlDldesrat jeweils eine juristisch vertretbare Linie verfolgen.
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates
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ist die Klagebefugnis einzelner Länder durch Art. 23 GG nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Dennoch fragt es sich, ob das neue Beteiligungsrecht den Ländern überhaupt eigene Rechte gewährt, in denen sie verletzt werden können, da auf Länderseite allein der Bundesrat mit konkreten Rechten ausgestattet wird. Allerdings schreiben Art. 23 Abs. 2 Satz I GG sowie Art. 50 GG als Grundsätze ausdrücklich die Mitwirkung der Länder in Angelegenheiten der EU fest. Die anschließende Feststellung, daß diese Mitwirkung durch den Bundesrat erfolgt, zeigt lediglich, daß der Bundesrat als ein mit Ausübungsrechten versehenes Werkzeug der Länder handelt. Diese Auslegung deckt sich auch mit der Motivation für diese Grundgesetzänderung, nach der die Länder einen Zuwachs für verlorene Rechte erhalten sollten. Daher muß grundsätzlich auch ein Bund-Länder-Streit zulässig sein, wenn die Bundesregierung oder ein Land geltend machen, in ihren verfassungsrechtlich garantierten Rechten nach Art. 23 GG verletzt zu sein~o9 . Für ein Land kommt ein solches Verfahren z.B. dann in Betracht, wenn es der Ansicht ist, daß die Bundesregierung ihrer Pflicht zur maßgeblichen Berücksichtigung der Bundesratsstellungnahrne nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG nicht genügt hat, der Bundesrat aber als Organ möglicherweise nicht klagen möchte. c) Einstweilige Anordnung gem. § 32 BVi!rjGG
In jedem der beiden verfassungsgerichtlichen Verfahren müssen allerdings die Spielräume beachtet werden, die verfassungskonforme gemeinschaftsbedingte Relativierungen eröffnen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann an der Gültigkeit eines ergangenen Ratsbeschlusses nichts ändern, eventuell aber an der Anwendbarkeit durch deutsche, an das Grundgesetz gebundene Organe~10. Von besonderer Bedeutung ist daher in diesem Zusammenhang der einstweilige Rechtsschutz nach Art. 32 BVerfGG, weil sonst die Gefahr des Auseinanderfallens verfassungsrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Bindung bestehtSll . Die einstweilige Anordnung gern. Art.
~09 Auch auf der Grundlage des alten Bundesratsverfahrens nach Art. 2 EEAG wurde die Zulässigkeit eines Bund-Länder-Streits überwiegend bejaht, siehe z.B. Baumhof, S. 66 und Streinz, Europarecht, S. 212 f. Auch beim Streit um die Rundfunkrichtlinie handelte es sich um einen Bund-Länder-Streit, vgl. BVerlGE 80, 74ff. m Offenbar auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Maastricht, siehe BVerlGE 89, 155 (195). m Streinz, Europarecht, Rdnr. 285; auch beim bereits erwähnten Bund-Länder-Streit über die Rundfunkrichtlinie handelte es sich zunächst um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz; der Antrag der Länder wurde allerdings abgelehnt, siehe BVerlGE 80,74ff.
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3. Kapitel: Die Mitwirlamgsrechte des BWldesrates
32 BVerfGG findet sowohl auf den Bund-Länder-Streit als auch auf das Organstreitverfahren AnwendungS12 . Auf diese Weise kann Z.B. die Zustimmung des deutschen Ratsvertreters verhindert werden, wenn durch sie verfassungsrechtliche Pflichten nach Art. 23 GG verletzt würdenS13 . Zulässig wäre der präventive Rechtsschutz auch dann, wenn es auf Ratsebene um die Zustimmung zu einer Norm ginge, die den Kompetenzrahmen des EGV sprengteSl4 . Die verbindliche Feststellung von Kompetenzüberschreitungen der EU beim Erlaß von Sekundärrecht kann jedoch nur durch den EuGH erfolgenSIS , denn die Akte des Rates sind Akte eines europäischen Organs und als solche nicht der nationalen Verfassungsgerichtsbarkeit unterworfenSl6 . Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht sich in seinem Maastricht-Urteil ausdrücklich vorbehalten, zu prüfen, ob Rechtsakte der europäischen Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte halten oder aus ihnen ausbrechenS17 .
2. "judicial selfrestraint" Soweit es sich hier um die richterliche Kontrolle außenwirksamer Maßnahmen handelt, betriffi dies die verfassungsrechtliche Problematik, in welchem Umfang das Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung von Entscheidungen anderer Bundesorgane, insbesondere der Bundesregierung, im Bereich der auswärtigen Gewalt befugt istS18 • Ein genauer Maßstab für die Zulässigkeit bundesverfassungsgerichtlicher Kontrolle von außenpolitischen Entscheidungen konnte bislang noch nicht gefunden werden. Ein völliger Verzicht an gerichtlicher Kontrolle durch Anerkennung der Theorie der gerichtsfreien HoheitsakteS 19 verstieße jedenfalls gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GGS20 . Daher hat das Bundesverfassungsgericht zum Zwecke einer organadäquaten Funktionenteilung durch Maßnahmen der richterlichen Selbstbeschränkung (,judicial selfrestraint") zuweilen versucht, dem Charakter der auswärtigen Gewalt als wichtigem Instrument der Staatsleitung Rechnung zu tragenS21 .
m Schlaich, S. 195; a.A. Mosler, in: Festschrift für Bilfinger, S. 243 (271). m Baumhof, S. 67. '14 Baumhof, S. 66. m Baumhof, S. 67. '16 Bleckmann, Europarecht, Rdnm. 42f m BVerfGE 89, 155 (188). m Nach der hier vertretenen AuffassWlg fallen nur rein außenwirksame Maßnahmen in den Bereich der auswärtigen Gewalt, siehe oben, Wlter 1.2. a) dd). m So aber die ForderWlg der BWldesregienmg im Streit über das Saarstatut, vgl. BVetfGE 4, 157 (161). '20 Grewe, in: HdStR, Bd. m, § 77 Rdnr. 91.
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates
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Dementsprechend müßten solche Grundsätze im Falle eines verfassungsgerichtlichen Streits über Rechte und Pflichten aus Art. 23 GG bei außenwirksamen Handlungen wie dem Abstimmungsverhalten des Vertreters im Rat anzuwenden sein. Was Entscheidungen der Bundesregierung betrifft, ist schließlich vom Bundesverfassungsgericht regelmäßig deren Einschätzungsprärogative zu berücksichtigen. 3. Ergebnis
Sofern also die Bundesregierung, der Bundesrat oder auch die Länder die Verletzung von Rechten aus Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG geltend machen können, sind diese Rechte verfassungsgerichtlich im Wege des Organstreits, des Bund-Länder-Streits oder im einstweiligen Rechtsschutz (vorläufig) durchsetzbar, wobei vom Bundesverfassungsgericht die Grundsätze des ,judicial selfrestraint" zu beachten sind. IV. Endergebnis Die neuen Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der EU gern. Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG, die die Länder durch den Bundesrat als Ausgleich für ihre Kompetenzverluste erhalten haben, welche sich durch den fortschreitenden europäischen Integrationsprozeß ergeben, sind sowohl in verfassungsrechtlicher als auch in europarechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden und gerichtlich durchsetzbar. Insbesondere das vielgerügte Letztentscheidungsrecht des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG und die Verhandlungsvertretung durch einen Ländervertreter gern. Art. 23 Abs. 6 GG beinhalten keinen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze wie z. B. das Demokratieprinzip, das Gewaltenteilungsprinzip und den Grundsatz der Bundeskompetenz im Bereich der auswärtigen Gewalt. Dabei liegt der größte Fortschritt für die Mitwirkung des Bundesrates in Angelegenheiten der EU nicht nur in der verfassungsrechtlichen Verankerung der Mitwirkungsrechte, sondern vor allem in der Letztentscheidungsund der Verhandlungsführungsbefugnis. Für das Letztentscheidungsrecht gilt dies insoweit, als nunmehr erstmals eine Regelbindung der Bundesregierung an die Stellungnahme des Bundesrates erreicht worden ist. Allerdings ist mit
m Z.B. beim Grundlagenvertrag BVerfGE 36, Iff.; zu diesen Grundsätzen im einzelnen siehe Grewe, in: HdStR, Bd. m, § 77 Rdnr. 91; kritisch zum Grundsatz des ,judicial-selfrestraint" larasslPieroth, Rdnr. 3 zu Art. 93 GG.
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3. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Blmdesrates
dem Korrektiv der Wahrung des gesamtstaatlichen Interesses durch die Bundesregierung und der Zustimmungsbedürftigkeit finanzwirksamer Regelungen eine nicht unerhebliche Abweichungsmöglichkeit für die Bundesregierung geschaffen worden, wenngleich auf den strengen Ausnahmecharakter dieser Möglichkeit zu verweisen ist. Was die Außenvertretung im Rat und den sonstigen europäischen Beratungsgremien betriffi:, so war zwar bislang bereits eine Hinzuziehung von beratenden Ländervertretern zulässig, eine Verhandlungs- und Stimmführung durch einen Ländervertreter ist jedoch erst unter der Geltung des Art. 23 Abs. 6 GG möglich geworden. Allerdings kann der Ländervertreter, der für die Bundesregierung handelt, seine Rechte nicht selbständig, sondern nur in Abstimmung mit der Bundesregierung wahrnehmen. Auch im Rahmen der erweiterten Mitwirkungsrechte des Art. 23 GG wird die Stellung der Bundesregierung als zentrales und letztentscheidendes Organ also weiterhin betont. Dies äußert sich in der Tatsache, daß sowohl die Festlegung der Verhandlungsposition als auch die Außenvertretungskompetenz grundsätzlich beim Bund bzw. bei der Bundesregierung verbleiben. Dies stellt zwar sicher, daß die Politik Deutschlands in der EU durch die erweiterten Mitwirkungsrechte des Bundesrates nicht an Kraft und Berechenbarkeit verliert m . Es zeigt aber auch, daß die Mitwirkungsrechte des Bundesrates im Ergebnis längst nicht so stark sind, wie häufig behauptet worden ist. Kritisch zu betrachten bleibt zudem die Wirkung der Mitwirkungsrechte auf die Eigenstaatlichkeit der Länder. Aus - nicht zu unterschätzenden - Praktikabilitätserwägungen heraus ist durchgehend auf eine unmittelbare Beteiligung der Länder in Angelegenheiten der EU verzichtet worden. Sie werden auch weiterhin im Bundesratsverfahren mediatisiert. Damit stellt sich immer dringender die Frage, welche sinnvolle parlamentarische Aufgabe die Landtage in der Zukunft noch zu erfüllen haben werden. Sieht man einmal von den Fällen ab, in denen die Voraussetzungen eines Letztentscheidungsrechts des Bundesrates vorliegen, so gilt nach wie vor das vielzitierte Wort von Ossenbühl, wonach der Kompetenzföderalismus zu einem ,,Beteiligungsföderalismus" mutiert~23 . Die damit einhergehende erhebliche Gewichtsverschiebung auf die Exekutive, die auch in der Vergangenheit durch das Bundesratsverfahren nach Art. 2 EEAG bereits festzustellen war, ist durch die Mitwirkungsrechte des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG nunmehr ausdrücklich verfassungsrechtlich zementiert worden.
m Anders Badura, in: Festschrift für Lerche, S. 369 (381). m Ossenbühl, in: derselbe (Hrsg.), Föderalismus lm.d Regionalismus in Europa, 117 (l45ff).
C. Würdigung der Mitwirhmgsrechte des Bmdesrates
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Entgegen mancherlei Hoffnung oder Befürchtung geht der neue Europaartikel also mit den Mitwirkungsrechten der Länder durch den Bundesrat nach Abs. 2 und 4-7 GG nur zaghaft neue Verfassungswege524 , denn er hält weitgehend an der Bundes(-regierungs)kompetenz im auswärtigen Bereich sowie an der vorrangigen Bundeskompetenz hinsichtlich der Integrationsgewalt als spezieller auswärtiger Gewalt fest und leistet keinen entscheidenden Beitrag zum Erhalt oder zur Sicherung der Länderstaatlichkeit.
'24 Dies geschieht vor allem durch das Letztentscheidmgsrecht des Bmdesrates nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 00.
4. Kapitel
Die Mitwirkungsrechte des Bundestages gern. Art. 23 Abs. 2 und 3 GG Im Gegensatz zum Bundesrat ist der Bundestag bei der Stärkung von Mitwirkungsrechten an der Willensbildung des Bundes in Angelegenheiten der EU lange Zeit völlig außer acht gelassen worden. Der Grund hierfür liegt u.a. in dem Umstand, daß der Bundestag über eine - gegenüber dem Bundesrat gänzlich anders geartete Stellung verfügt! , da aus seiner parlamentarischen Kontrollfunktion heraus nur ihm das Recht zusteht, auf die Bundesregierung einzuwirken2 und diese an seine Beschlüsse zu binden3 . Dies gilt grundsätzlich auch in europäischen Angelegenheiten4 . Einen weiteren Grund bildet sicherlich auch die schon erwähnte Apathie, die den Bundestag bislang befiel, wenn es um die Wahrung seiner Interessen in europäischen Angelegenheiten ging. Mit der Schaffung des neuen Art. 23 GG und der damit verbundenen Aufwertung der Rechte des Bundesrates hielt aber auch der Bundestag nach 35 Jahren der europäischen Integration endlich den Zeitpunkt für gekommen, die grundgesetzliche Verankerung und Erweiterung seiner Rechte in Angelegenheiten der EU einzufordern. Diese Rechte sind nunmehr in Art. 23 Abs. 2 und 3 GG festgeschrieben und sollen dem Bundestag die Möglichkeit einräumen, aktiver als bisher in europäischen Angelegenheiten mitzuwirken.
A. Die Notwendigkeit einer Stärkung und grundgesetzlichen Verankerung der Rechte Wie bereits angedeutet wurde, hat der Maastrichter Vertrag eine weitere Verschiebung von Kompetenzen der Bundes- und Landesebene auf die europäische Ebene mit sich gebrachtS . Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf das innerstaatliche Verfassungsgefüge zur Folge. Grundsätzlich hat dabei der Bund 1 2 3
4 S
Siehe Leonardy, ZParl1989, 527 (529). Ferdinand, APUZ 1981 (B 7), 17 (19). Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 23. Scholz, NVwZ 1993, 817 (820); Fischer, ZParl1993, 31 (41). Siehe oben, 2. Kapitel B. I.
A. Die Notwendigkeit einer Stärlamg der Rechte
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im Vergleich zu den Ländern faktisch mehr unter der Kompetenzverlagerung zu leiden, weil der Verlust an Bundeskompetenzen zumindest quantitativ ungleich höher ist als der Verlust an Länderkompetenzen6 . Der Verlust an Gesetzgebungskompetenzen des Bundes trifft insbesondere den Bundestag, weil damit ein erheblicher Teil seiner Hauptaufgaben als Organ der Legislative auf Bundesebene wegfällt. Zugleich entsteht durch die Fortentwicklung der europäischen Integration wegen der mangelnden Rechtsetzungskompetenz des Europäischen Parlaments und der wachsenden innerstaatlichen Entparlamentarisierung ein erhebliches Demokratiedefizit innerhalb der EU. Nicht nur zur Wahrung des horizontalen Gewaltenteilungsprinzips, sondern auch um das entstandene Demokratiedefizit in der EU wenigstens innerstaatlich auszugleichen, wurde es daher als notwendig angesehen, die Mitwirkungsrechte des Bundestages in europäischen Angelegenheiten zu stärken und entsprechend den Rechten des Bundesrates verfassungsrechtlich zu verankern7 .
I. Gewaltenteilung Bereits in der Vergangenheit, aber in zunehmendem Maße durch den Maastrichter Vertrag, sind vielf'ältige Kompetenzverlagerungen von der nationalen auf die europäische Ebene erfolgt. In diesen Bereichen wurde die Gemeinschaft und wird die EU rechtsetzend tätig. Dabei besitzt die Kommission das materielle Gesetzesinitiativrecht. Der abschließende Beschluß erfolgt i.d.R. durch die Vertreter der mitgliedsstaatlichen Regierungen im Ministerrat. Das Europäische Parlament spielt hierbei - sieht man einmal vom neugeschaffenen Kodezisionsverfahren nach Art. 189 b EG-Vertrag ab - lediglich eine beratende und damit untergeordnete Rolle. Das einzige bundesdeutsche Organ, welches unmittelbar an der europäischen Rechtsetzung der EU durch Teilnahme an den Verhandlungen und Beschlüssen mitwirkt, ist also die Bundesregierung8 . Durch ihre Beteiligung an der Letztentscheidungsbefugnis des Rates im Gesetzgebungsverfahren nimmt sie diejenigen gesetzgeberischen Aufgaben - zumindest teilweise - wahr, die bislang dem Bundestag im Rahmen der innerstaatlichen Gesetzgebung oblagen. Dies führt zu der bedenklichen Verfassungsrechtslage, daß die Bundesregierung als ein Organ der Exekutive in erheblichem Umfang legislative Aufgaben 6 Vgl. Di Fabio, Der Staat 30 (1993), 191 (209, Fn. 69); Rudolf, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, 263 (266); Ress, EuGRZ 1986,549 (556f); hierzu auch bereits Schüttemeyer, ZPar11978, 261 ff. 7 Siehe hierzu bereits Hilf, EuR 1984, 9; Frowein, EuR 1983, 303; Zuleeg, Der Staat 17 (1978), 27 sowie Steinberger, WDStRL 50 (1991), 9 (39). 8 Daran ändert auch der neue Art. 23 GG nichts, denn auch der verhandlungsfuhrende Ländervertreter, der ein Mandat des Bundesrates wahrnimmt, handelt letztlich für die Bundesregierung, siehe oben, 3. Kapitel C. I. 2. b) bb).
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
wahrnimmt. Die Entscheidungsgewalt des Ministerrates macht die Bundesregierung für das in Deutschland unmittelbar geltende europäische Recht zur gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt in einem9 . Es findet mithin eine Überlagerung der Kompetenzen des Bundestages statt, wodurch es zu einer Schieflage des Verfassungsgefüges zugunsten der Bundesregierung und damit zugunsten der Exekutive kommt. Diese Entwicklung berührt das in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG niedergelegte Gewaltenteilungsprinziplo. Zwar ist der im Grundgesetz als tragendes Organisationsprinzip und Kernstück der rechtsstaatlichen Verfassung verankerte Grundsatz der Gewaltenteilung" nicht so zu verstehen, daß er zu einer strikten Trennung der Funktionen der Staatsgewalt führt l2 . Das Bundesverfassungsgericht hat den Sinn des Gewaltenteilung vielmehr darin gesehen, daß sich die Gewalten gegenseitig kontrollieren und begrenzen, damit die Staatsmacht gemäßigt wird, sog. Gewaltenverschränkung13 . Diese Gewaltenverschränkung wird ihrerseits aber dadurch begrenzt, daß der Kernbereich jeder Funktion vor Übergriffen und Überlagerungen durch eine andere Funktion geschützt ist l4 , denn es muß verhindert werden, daß eine der Gewalten die ihr von der Verfassung zuerkannten typischen Aufgaben abtrittlS . Aus diesem Grunde lehnt das Bundesverfassungsgericht bspw. auch die Herleitung eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts aus dem Demokratieprinzip ab, da dies in den Kernbereich der exekutivischen Eigenverantwortung eingreife, der dem Grundsatz der parlamentarischen Verantwortung der Regierung zugrundeliege l6 . Typische Aufgabe des Bundestages als Organ der Legislative sei die Normsetzung, da nur er als Parlament die demokratische Legitimation zur p0litischen Entscheidung besitze l7 . Damit gehört das Gesetzgebungsrecht des Parlaments also zum Kernbereich des Prinzips der Gewaltenteilung'8 . Indem Ränsch, EA 1986, 191 (195). Vgl. Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 9 (40). 11 Badura, Staatsrecht, D 48. 12 Eine strikte Trennung der Gewalten hält auch das Gnmdgesetz selbst nicht durch, siehe oben, 3. Kapitel C. I. 4. a). 13 BVerfGE 3,225 (247). 14 Stern, Staatsrecht, Bd. 2, § 36 IV 5. IS BVerfGE 34,52 (59f); KirchnerlHaas, JZ 1993, 760 (767) . •16 BVerfGE 68, 1 (87). 17 BVerfGE 34,52 (60). 11 KirchnerlHaas, JZ 1993, 760 (768); dies trifft allerdings nicht fiir das Europäische Parlament zu, denn auf europäischer Ebene ist das Gewaltenteilungsprinzip eindeutig nicht verwirklicht. Dies ist in gewissem Sinn auch gar nicht möglich, da es sich bei der EU noch immer um einen Zusammenschluß souveräner gleichgeordneter Staaten handelt, vgl. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Rdnm. 55 f zu Art. 24 GG; Groß, Jura 1991, 576; anders allerdings KirchnerlHaas, JZ 1993, 760 (768), die die Ansicht vertreten, daß in dem Maße, in dem zusätzliche Kompetenzen auf die EU 9
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zunehmend Gesetzgebungskompetenzen vom Bund auf die EU verlagert und damit gleichzeitig dem Bundestag entzogen werden, wird also der Kembereich der Legislative, wenn vielleicht noch nicht betroffen, so aber jedenfalls tangiert. Demgegenüber steht aber die grundsätzliche Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß die Akte des auswärtigen Verkehrs grundsätzlich dem Kompetenzbereich der Exekutive zuzuordnen sind19 . Allein die Regierung verfüge institutionell und auf Dauer gesehen über die personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten, welche erforderlich sind, um flexibel, zügig und sachgerecht agieren und die Aufgabe der verantwortlichen Wahrnehmung auswärtiger Angelegenheiten bestmöglich erfüllen zu können20 . Ursprünglich handelte es sich bei der Europapolitik um Akte des auswärtigen Verkehrs. Sie gehörten damit in den Bereich der klassischen Außenpolitik. Nicht erst seit dem Vertrag von Maastricht ist diese strikte Zuordnung aber in Zweifel gezogen worden21 . Bei der Europapolitik handele es sich um die Vergemeinschaftung nationaler Politiken, welche - vor allem was den Bereich der Sekundärrechtsetzung betriffi - unmittelbare Auswirkungen auf die nationale Ebene habe. Diese Tendenz ist mit dem Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages weiter verstärkt worden, so daß die tatsächlichen Umstände mehr und mehr für eine Zuordnung der Europapolitik zur europäischen Innenpolitik sprechen22 . Bereits aus diesem Grunde könnte man daher zweifeln, ob die Zuordnung der Europapolitik zum Bereich der auswärtigen Angelegenheiten strikt durchgehalten werden kann und diese damit tatsächlich ausnahmslos in den Kompetenzbereich der Exekutive flillf 3 . Hinzu kommt jedoch - und dies ist entscheidend, daß das Bundesverfassungsgericht in der gleichen Entscheidung der Exekutive den Handlungsbereich zugewiesen hat, der - funktionell betrachtet - nicht Gesetzgebung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG darstellf4 . Anders als bei dem damals in Rede stehenden Anwendungsbereich des Art. 59 Abs. 2 Satz I GG handelt es sich bei der europäischen Sekundär-
übertragen werden, diese ZIDlehmend eine Struktur aufw"eisen muß, die dem Gewaltenteihmgsgnmdsatz des Gnmdgesetzes entspricht. 19 BVerfGE 68, I (87). 20 Ebd. 21 HölscheidtiSchotten, S. 86. 22 So auch MöllerlLimpert, ZPari 1993, 21 (24). Nach Ansicht von Hölscheidtl Schotten ist die Zugehörigkeit der Europapolitik zur klassischen Außenpolitik sogar endgültig als überholt anzusehen, S. 86. Eingehend zum Problem der Zuordnung der Europapolitik zur klassischen Außenpolitik siehe oben, 3. Kapitel C. I. 2. a) aa) (2). 23 Daß die Bundesregienmg aber Hauptträger des auswärtigen Gewalt bleiben muß, ist allerdings nicht zu bezweifeln, siehe oben, 3. Kapitel C. I. 2. b) aa). 24 BVerfGE 68, 1 (87). 1S*
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bwtdestages
rechtsetzung in sachlicher Hinsicht aber gerade um Gesetzgebuni 5 - entweder in direkter Form als Verordnung oder als Richtlinie zur Umsetzung in innerstaatliches Recht. Es darf daher bezweifelt werden, daß die Bundesregierung im Verhältnis zum Bundestag wirklich ausschließlich zuständig für europäische Rechtsetzungsangelegenheiten ist. Der fortschreitende Integrationsprozeß greift damit durch den Entzug von Rechtsetzungsbefugnissen auf Bundesebene immer deutlicher in die typischen Kompetenzen des Bundestages ein, so daß der Kernbereich seiner Aufgaben berührt wird. Aus diesem Grunde war daher eine Kompensation durch die Einräumung von Mitspracherechten berechtigt und angebrache 6 .
11. Demokratiedefizit 1. Demokratiedefizit innerhalb der EU
Die demokratische Legitimation der EU beruht zunächst auf den parlamentarischen Zustimmungsgesetzen zu den Verträgen27 , der mittelbaren Legitimation der Regierungsvertreter im Rat und der Rückbindung dieser Vertreter an die nationalen Parlamente. Seit Jahren wird daher das demokratische Defizit der Gemeinschaft bekl~8. Damit ist in erster Linie die mangelnde Rechtsetzungskompetenz des Europäischen Parlaments, aber auch die zunehmende Entparlamentarisierung des politischen Prozesses - insbesondere der Rechtsetzung - in den Mitgliedsstaaten gemeint, die durch die allein über die Regierungen vermittelte und mitgliedsstaatlieh strukturierte demokratische Legitimation von Rat und Kommission hervorgerufen wird29 . Diese Legitimation ist jedoch vielfach als völlig unzureichend bezeichnet worden30 , weil sie 2' MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (24).
26 So auch Fischer, ZParl 1993, 32 (37); MöllerlLimpert, ZParl 1993, 21 (24); HölscheidtlSchotten, S. 86. 27 Schotten, VR 1992, 305 (312). 21 Nach Ansicht von Hänsch entwickelt sich das schleichende Defizit an parlamentarischer Demokratie auf europäischer Ebene in den Mitgliedsstaaten zur "galoppierenden Schwindsucht", siehe EA 1986, 191 (194); starke Bedenken ebenfalls bei Steuer, Wirtschaftsdienst 1993, 13 8 ff. 29 Bleckmann, ZParl1991, 572 (573 f). 30 Z.B. Ress, in: Festschrift für Geck, S. 625ff.; Schilling, AöR 116 (1991), 32 (57); Dittmann, in: Bareis/Ohr (Hrsg.), Europäische Integration auf Abwegen, 59 (61); Zuleeg, JZ 1993, 1069 (1071); auch nach Ansicht Herzogs bewegte sich bereits 1978 "der Status quo des europäischen Parlamentarismus ... wtbestreitbar ... an der wtteren Grenze dessen, was mit den grwtdgesetzlichen Schranken des Art. 24 Abs. 1 überhaupt noch vereinbar (sei)", in: MawtzlDürig/Herzog/Scholz, Rdnr. 114 zu Art. 20 Abs. 1 GG; a.A. dagegen Classen, AöR 119 (1994), 238 (260).
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kein dem grundgesetzlich geschützten Demokratieprinzip vergleichbares demokratisches Konzept verwirkliche l . Das in Art. 20 Abs. I und 2 GG verankerte Demokratieprinzip ist ein elementares Strukturprinzip des Grundgesetzes, das an der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG teilnimmt. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz I GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Zum unveränderbaren Kernbereich des Demokratieprinzips gehört damit, daß das Volk primärer Träger der Staatsgewalt ist und diese in seinem Auftrag von den staatlichen Organen ausgeübt wird32 . Da das Volk seinen Willen, der bestimmend für das Handeln der Staatsorgane ist, durch Wahlen zu einem Parlament ausübt, ist die grundgesetzliche Demokratie eine parlamentarische Demokratie33 . Um eine entsprechende parlamentarische Demokratie auch auf der Ebene der EU zu sichern, reichen jedoch die spärlichen, i.d.R. lediglich mitberatenden Rechte des Europäischen Parlaments bei weitem nicht aus.
2. Ausgleich durch Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments Bereits seit längerem und insbesondere nach dem Inkrafttreten der EEA
war gefordert worden, die demokratische Legitimierung der europäischen Se-
kundärrechtsetzung auf europäischer Ebene durch eine deutliche Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments um weitgehende Entscheidungsund Steuerungsbefugnisse zu verstärken34 . Hergeleitet wurde dieses Verlangen nicht nur aus dem Gemeinschaftsrecht, sondern auch aus dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik35 . Das Grundgesetz fordere mit zunehmender KompetellZÜbertragung auf die Gemeinschaft gern. Art. 24 Abs. I GG die Werthomogenität mit den unveränderlichen Staats strukturen - also auch mit dem über Artt. 20, 79 Abs. 3 GG geschützten Demokratieprinzip 36 . Ossenbühl, DVB11993, 629 (633f); KirchnerlHaas, JZ 1993, 760 (765). KirchnerlHaas, JZ 1993, 760 (764). 33 Herzog, in: Maunz/DüriglHerzog/Scholz, Rdnr. 82 zu Art. 20 Abs. 1 00. 34 Ress, in: Festschrift für Geck, S. 625 (628); Hellwig, in: Hrbek!Ihaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 1U (U3); Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 9 (40); Gerber, in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirkungen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, 77 (142); Schwarze, JZ 1993, 585 (589); Leonardy, ZParl1989, 527 (544). 3~ Vor allem aus der Präambel der EEA i.Vm. Art. 1 EEA, die die Entschlossenheit der Mitgliedsstaaten zum Ausdruck bringt, "gemeinsam für die Demokratie einzutreten" und das Europäische ,,Parlament" als unerläßliches Ausdrucksmittel für die demokratischen Völker Europas bezeichnen, siehe Ress, in: Festschrift für Geck, S. 625 (633, 672). 36 Ress, ebd., S. 672; ebenso Schilling, AöR U6(1991), 32 (57); Schotten, VR 1992, 305 (312); teilweise wurde sogar festgestellt, daß mit lnkrafttreten des Maas31
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4. Kapitel: Die Mitwirkmtgsrechte des BlDldestages
Der Ruf nach einer Verstärkung der Befugnisse des Europäischen Parlaments stieß dagegen zu Recht auf Ablehnung. Das demokratische Defizit auf europäischer Ebene sei strukturell bedingt und könne daher nicht durch institutionelle Reformen prinzipiell behoben werden37 • Art. 24 GG verlange lediglich die ,,Homogenität der Wertvorstellungen", sodaß nur ein absoluter Mindeststandard an demokratischer Legitimation nicht unterschritten werden dürfe 38 . Im übrigen sei eine Staatengemeinschaft wie die Europäische Gemeinschaft nicht auf Demokratie angelegt, weil ihr das Staatsvolk als Legitimationsgeber fehle 39 . Eine Vollparlamentarisierung unterschätze nicht nur die Stärke und Notwendigkeit des föderalistischen Elements, sondern verkenne die besondere Natur der europäische Einigung, die aus der freiwilligen Einigung selbständiger Staaten hervorgehen müsse40 • Sie führe daher zu einer Veränderung der Gemeinschaft in einen bundesstaatsähnlichen Zustand und sei von Art. 24 Abs. I GG nicht gedeckt41 • Ohne Zweifel wäre eine Vollparlamentarisierung ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer Neukonzeption der EU in einen Bundesstaat oder zumindest in ein bundesstaatsähnliches Gebilde; denn die rechtsetzende Gewalt läge fortan nicht mehr beim Rat, sondern beim autonomen Europäischen Parlament. Dies würde aber zugleich bedeuten, daß die Rechtsetzung nicht mehr entscheidend von den Mitgliedsstaaten durch Weisungsrechte beeinflußt werden könnte, da dies unvereinbar mit der Unabhängigkeit der Abgeordneten wäre. Damit wäre jedoch das Fundament der EU ein völlig anderes als das bisherige, denn die Mitgliedsstaaten wären nicht mehr die ,,Herren der Integration". Einzig das Fehlen einer Kompetenz-Kompetenz würde die EU noch von einem klassischen trichter Vertrags das Demokratiedefizit innerhalb der EU soweit fortgeschritten sei, daß ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip gem. Art. 79 Abs. 3 00 vorläge, vgl. R~, ZRP 1993, 211 (213). Grimm, in: Der Spiegel vom 19. Oktober 1992, S. 59; wie er auch Ossenbühl, DVB11993, 629 (634); Frowein, EuR 1983, 301 (305); Hilf, EuR 1984, 9 (30), der davor warnt, das Prinzip der parlamentarischen Demokratie auf europäischer Ebene überzustrapazieren. 31 Siehe Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Rdnm. 51 ff zu Art. 24 00; Kirchner/ Haas, JZ 1993, 760 (763); in diesem Sinne wohl auch Friauf, in MagieralMerten (Hrsg.), Europarecht lDld Grundgesetz, 9 (25), wenn er die grlDldgesetzliche Notwendigkeit nach "vollständiger struktueller Kongruenz der zwischenstaatlichen Einrichmit der VerfasslDlgsordnlDlg der BlDldesrepublik Deutschland" ablehnt. 9 Kirchhof, EuR 1991, Beiheft 1, 11 (14); Rupp, ZRP 1993, 211 (213); ähnlich Böckenforde, in: HdStR, Bd. I, § 22 Rdnr. 26; a.A offenbar Classen, AöR 119 (1994), 238 (247), der eine wie auch immer geartete Schicksalsgemeinschaft als Legitimations,ffieber ausreichen lassen will. Frowein, EuR 1984, 301 (302). 41 Hieraufwies bereits Badura 1964 hin, vgl. WDStRL 23 (1964), 101 (These 21); Gerber, in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirkmtgen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, 77 (80f.); Streinz DVB11990, 949 (951).
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A. Die Notwendigkeit einer Stärkung der Rechte
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Bundesstaat und Deutschland von der Aufgabe seiner Eigenstaatlichkeit trennen. Angesichts vorhandener Evolutivklauseln, mit denen die Kompetenzen je nach Bedarf neu interpretiert und wahrgenommen werden können und angesichts der integrationsfreundlichen Rechtsprechung des EuGHs wäre dies kein allzu dickes Polster für die durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte deutsche Eigenstaatlichkeit - jedenfalls aber kein Anlaß, sich bequem darin zurückzulehnen.
3. Ausgleich durch Stärkung der Rechte des Bundestages Unabhängig davon, ob das Gemeinschaftsrecht oder das Grundgesetz die Erweiterung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments durch die Einräumung von gesetzgeberischen Letztentscheidungsbefugnissen nach dem Vorbild eines nationalen Parlaments letztlich zwingend erforderlich machen, ist festzustellen, daß eine Kompetenzerweiterung nicht erfolgt ist42 . Der "Geburtsfehler,,43 der Gemeinschaft, also die atypische Verteilung der Gesetzgebungsbefugnisse auf den Rat und zum Teil auch auf die Kommission, hat sich damit auf die EU weitervererbt. Angesichts der in der Anfangsphase der Gemeinschaft nur partiell erfolgten Übertragung von Hoheitsgewalt und der damit verbundenen beschränkten Gesetzgebungsgewalt der Gemeinschaft erschien dies auch lange Zeit vertretbar. Unter dem Eindruck der zunehmenden Kompetenzverlagerungen muß jedoch der Anspruch auf direkte demokratische Legitimation bei deren Wahrnehmung in gleichem Maße steigen44 . Da ein spürbarer Ausbau der demokratischen Grundlagen durch Stärkung des Europäischen Parlaments nicht vorgenommen worden war, blieb nunmehr einzig eine Stärkung der Rechte des Bundestages, um ein Mindestmaß an Legitimation zu gewährleisten. Eine ständige Kontrolle der Bundesregierung war auch bislang durch deren parlamentarische Verantwortlichkeit gesichert. Zum einen - dies wurde bereits festgestellt - hat es der Bundestag in der Vergangenheit nicht ausreichend verstanden, seine KontrollmögliChkeiten wirksam einzusetzen4S . Zum anderen bedeutet Kontrolle immer auch eine nur reaktive Handlungsmöglichkeit. Dagegen fehlte die Möglichkeit einer aktiven und begleitenden Beeinflussung der Willensbildung und des Verhaltens der Bundesregierung im Rat. Der Bundestag erhielt also keinen echten Ersatz für seine verlorenen Steuerungs-, Gestal42 Zu den Beteiligungsrechten des Europäischen Parlaments nach dem Maastrichter Vertrag siehe eingehend Boest, EuR 1992, 182 (184ff). 43 So treffend Ress, in: Festschrift fiir Geck, S. 625. 44 So wohl auch Herzog, in: MaunzlDürig/HerzoglScholz, Rdnr. 114 zu Art. 24 00; Gerber, in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirkungen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, 77 (80); Schilling, AöR 116 (1991), 32 (57); Kirchner/ Haas, JZ 1990, 760 (766); Streinz, DVB11990, 949 (958). 4S Siehe oben, 1. Kapitel B. I. 3.
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
tungs- und Entscheidungsbefugnisse. Soweit Rechte in diesem Zusammenhang überhaupt existierten, entbehrten sie einer gesetzlichen Grundlage46 . Daher war es zur Verminderung des Demokratiedefizits angebracht, weitergehende Beteiligungsrechte in Art. 23 Abs. 2 und 3 GG zu verankern47 . 4. Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts Daß eine Festschreibung von Mitwirkungsrechten verfassungsrechtlich erforderlich gewesen ist, muß rückwirkend auch vor dem Hintergrund der Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts48 bejaht werden. Obwohl das Urteil keine Entscheidung zum Demokratiedefizit innerhalb der EU darstellt49 , enthält es einige wichtige Ausführungen zu dieser Problematik. Zunächst stimmt das Gericht der allgemeinen Ansicht über das Bestehen eines demokratischen Defizits innerhalb der Europäischen Union zu, indem es eine stärkere demokratische Rückbindung der im Rat handelnden Exekutive über die nationalen Parlamente fordertSO. Dies muß seiner Ansicht nach nicht in einer bestimmten Form geschehen; wichtig ist allein, daß ein bestimmtes Legitimationsniveau erreicht wirdsI. Rückbindung in diesem Sinne meint das innerstaatliche parlamentarische System und die Verantwortlichkeit der RegierungS2 . Durch nationale Organteilhabe soll mittelbar die Verantwortbarkeit des Bundestages hergestellt werden. Nach Ansicht des Gerichts wahrt die EU zwar grundsätzlich die in den Mitgliedsstaaten vorgefundenen demokratischen Grundlagen und baut auch auf ihnen aufs3 . Allerdings weisen die Richter darauf hin, daß die mit dem EU-Vertrag verbundenen Kompetenzerweiterungen nicht von einer entsprechenden Stärkung und Erweiterung der demokratischen Grundlagen gestützt werden s4 . Bei der Kompetenzverlagerung durch den Maastrichter Vertrag stellt das Ge46 Wie oben dargestellt, war nur das Infonnationsrecht des Bundestages über Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen gesetzlich gesichert, siehe oben, 1. Kapitel B. I. 1. a). 47 Eindeutig anderer Ansicht ist Everling, DVBI 1993, 936 (941); unentschieden dagegen Fischer, ZParl 1993, 32 (41); deutlich fiir die Erforderlichkeit MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (25) und Ossenbühl, DVB11993, 629 (636). 41 BVerlGE 89, 155 ff ·49 Vgl. Götz, JZ 1993, 1081 (1082). 50 BVerlGE 89, 155 (185). 51 BVerlGE 89, 155 (182). 52 Ebenso H.P. Ipsen, EuR 1994, I (6). 53 BVerlGE 89, 155 (213); diese Erkenntnis gewinnt das Gericht u.a. aus der Existenz des Subsidiaritäts- und des Verhältnismäßigkeitsprinzips sowie aus der Bewahrun~ des Prinzips der begrenzten Einzelennächtigung. - BVerlGE 89, 155 (213).
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richt jedoch noch kein Übergewicht an Aufgaben und Befugnissen bei der Ratsgesetzgebung der EU fest. So vertritt das Gericht die Ansicht, daß durch die Form der Willensbildung und den Umfang der Befugnisse der EU auch nach dem Inkrafttreten des EU-Vertrages die Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse des Bundestages noch nicht in einem Maße entleert sind, daß der durch Art. 79 Abs. 3 GG i.Vm. Art. 20 Abs. I und 2 GG geschützte Kernbereich des Demokratieprinzips verletzt wirdss . Solange die EU noch den Rechtscharakter eines Staatenverbundes aufweist, muß die demokratische Legitimation notwendig und zuvörderst durch die Rückkopplung des Organhandeins an die nationalen Parlamente übermittelt s6 werdens7 . Obwohl der Bundestag mit der Übertragung von Hoheitsgewalt auf eine supranationale Organisation zwingend einen entsprechenden Teil seines Einflusses auf den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß verliert, müssen ihm aus diesem Grunde Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleibens8 . Lediglich ergänzend tritt die Legitimierung durch das Europäische Parlament in seiner derzeitig beschränkten Form hinzu. Die demokratischen Legitimationsstränge durch die nationalen Parlamente und das Europäische Parlament stehen also in einem komplementären Verhältnis zueinander. Da es sich aber bei der Integration um einen dynamischen Prozeß handelt, sehen die Richter durchaus den Zeitpunkt kommen, an dem die Hoheitsgewalt in einem solchen Ausmaß auf die EU übertragen sein wird, daß eine Übermittlung demokratischer Legitimation nur noch durch eine zusätzliche demokratische Abstützung über das Europäische Parlament erreicht werden kannS9 . Mit dem Ausbau der Gemeinschaftsbefugnisse besteht also die steigende Notwendigkeit einer demokratischen Legitimation des hoheitlichen Handeins der
~~ BVerlGE 89, 155 (181). ~6 Dies war auch seit längerem bereits gefordert worden, vgl. Streinz, in: HdStR,
Bd. vn, § 182 Rdnr. 50; Ossenbiihl, DVB11993, 629 (635); KirchnerlHaas, JZ 1993, 760 (767). ~7 BVerlGE 89, 155 (185 f); insofern also offenbar doch ein Solange m - Votum des Bundesverfassungsgerichts; ebenso H.H. Klein, Hektographierte Fassung eines Vortrags bei der VI. Europäischen Rechtskonferenz der Konrad-Adenauer-Stifumg, S. 1 (9), der als Richter am Bundesverfassungsgericht im 2. Senat an der Maastricht-Entscheidung mitgewirkt hat; a.A. offenbar Kahl, Der Staat 33 (1994), 241 (251). ~8 BVerlGE 89, 155 (186). Was darunter zu verstehen ist, erläutert das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht. Vereinzelt fmden sich hierzu jedoch Hinweise im Schrifttum. So vertreten KirchnerlHaas die Ansicht, daß bei einer intensiven Tätigkeit der EU auf dem Gebiet der Außen- und Verteidigungspolitik ein Eingriff in elementare Rechte des Bundestages und zugleich ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip vorliege, weil dem Bundestag über Art. 45 a GG mit dem Auswärtigen und dem Verteidi~~sausschuß seine wichtigsten Kontrollrechte zustünden, siehe JZ 1993, 760 (766). - BVerlGE 89, 155 (184).
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bmdestages
Union durch das Europäische Parlament60 . Ansonsten wäre das Demokratieprinzip auf staatlicher Ebene nachhaltig geschwächt61 . Zu diesem notwendigen demokratischen Unterbau zählen die Richter aber nicht nur das Europäische Parlament, sondern auch Parteien, Interessenverbände und Medien, die entscheidende Voraussetzung für die Willensbildung durch die Bürger sind62 . Notwendig für das Entstehen eines politischen Diskurses auf europäischer Ebene ist im übrigen auch das Vorhandensein von staatsbürgerlicher Identität, die sich auf Solidarität und Wertkonsens gründet und der die in der EU noch vorhandenen soziokulturellen, ökonomischen und schließlich auch sprachlichen Unterschiede klar abträglich sind63 . Kann aufgrund dieser Mängel im Vorfeld der staatlichen Meinungsbildung keine öffentliche Diskussion und Meinungsbildung der Bürger stattfinden, fehlt es an einer erforderlichen demokratischen Basis der Etf4 . Im Ergebnis bejaht das Bundesverfassungsgericht die Frage nach dem Bestehen eines notwendigen Einflusses des Bundestages auf die demokratische Legitimation innerhalb der EU, indem es zum einen darauf hinweist, daß der Bundestag nunmehr gern. Art. 23 Abs. 1 GG weiteren Übertragungen von Hoheitsrechten, einer Änderung der vertraglichen Grundlagen oder einer Erweiterung der Befugnisse der EU durch Gesetz mit zum Teil qualifizierter Mehrheit nach Art. 79 Abs. 2 GG zustimmen muß. Zum anderen begründet es den Einfluß des Bundestages aber auch mit den gesteigerten Mitwirkungsrechten des Bundestages an Rechtsetzungsakten der EU gern. Art. 23 Abs. 2 und 3 GGM .
ill. Ergebnis Vor dem Hintergrund des Maastricht-Urteils des Bundesverfassungsgerichts scheint damit die Anhebung und verfassungsrechtliche Verankerung der Mitwirkungsrechte des Bundestages ein notwendiger Beitrag zur Minderung des demokratischen Defizits innerhalb der Europäischen Union zu sein. Da zudem durch den zunehmenden Entzug von Rechtsmaterien aus dem Kompetenzbereich des Bundestages der Einbruch in den Kernbereich der Legislative drohte, kann die Festschreibung der Mitwirkungsrechte des Bundestages in Art. 23 Abs. 2 und 3 GG jedenfalls als gerechtfertigt angesehen werden. Ebd. BVerfGE 89,155 (186). 62 BVerfGE 89, 155 (185); so bereits Ossenbühl, DVB11993, 629 (634); Kirchner/ Haas, JZ 1993, 760 (767); Scharpf, Stenographiseher Bericht der 1. öffentlichen Anhöder GVK vom 22. Mai 1992, S. 131 (135). Hierzu eingehend Ossenbühl, DVBl1993, 629 (634). 64 Nach KirchnerlHaas, JZ 1993, 760 (767) ist deshalb Parlamentarismus nicht mit Demokratie gleichzusetzen. 6' BVerfGE 89, 155 (190f.). 60 61
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B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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Verfassungspolitisch bestand ohnehin die Notwendigkeit der grundgesetzlichen Festschreibung, weil sonst zu befürchten gewesen wäre, daß ohne entsprechende ausdrückliche Regelung im Grundgesetz der denkbaren Fehlinterpretation Vorschub geleistet werde, die Meinung des Bundestages sei im Gegensatz zu der des Bundesrates von der Bundesregierung überhaupt nicht zu berücksichtigen. Wäre eine Verankerung der Beteiligungsrechte nicht erfolgt, hätte der Bundestag möglicherweise auch der Festschreibung der Länderrechte nicht zugestimmt66 . Wie oben ausgeführt hatten die Länder aber gerade dies zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Maastrichter Vertrag gemacht. Daher war es auch aus politischen Gründen geboten, eine Regelung für die Beteiligung des Bundestages in das Grundgesetz aufzunehmen.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen I. Der Grundsatz der Mitwirkung in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG Ebenso wie für den Bundesrat bildet auch für den Bundestag Art. 23 Abs. 2 Satz I GG den Generaltatbestand der Mitwirkungsrechte. Er schreibt fest, daß der Bundestag in den Angelegenheiten der EU mitwirkt. Dieser Grundsatz wird in § 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag (im folgenden: EUZBBG) wiederholt.
11. Das Informationsrecht in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG 1. Information als Voraussetzung der Mitwirkung Entsprechend der Beteiligung des Bundesrates67 gilt auch hier, daß eine wirksame Mitwirkung des Bundestages nur dann möglich ist, wenn dieser rechtzeitig über die Vorhaben der EU - insbesondere im Rechtsetzungsbereich - informiert worden ist68 . Um diesem Erfordernis nachzukommen, ist in Art.
66 So auch Fischer, ZPar11993, 32 (41); siehe z.B. der Bericht des Abgeordneten Dr. Möller zu den Vorschlägen der Berichterstatter der GVK. zur Stärkung der Mitwirkungsrechte des Bundestages vom 15. Oktober 1992 (Kommissionsdrucksache Nr. 84), der unmißverständlich darauf aufmerksam machte, daß fiir ihn eine Stärkung der Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in der Vetfassung "Voraussetzung fiir die Zustimmung zu einer FestschreiblUlg der Mitwirkungsrechte der Länder im GrlUldgesetz (sei)", S. 5. 67 Siehe oben, 3. Kapitel B. ill. 1. 61 MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (25).
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4. Kapitel: Die MitwirklUlgsrechte des BlUldestages
23 Abs. 2 Satz 2 GG die Verpflichtung der Bundesregierung niedergelegt, den Bundestag umfassend und zum friihestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.
2. Unterrichtungsgegenstand a) Grundsatz
Der Gegenstand dieser Unterrichtungspflicht wird in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG nicht geregelt; dieser begründet lediglich die grundsätzliche Pflicht der Bundesregierung, wie sie auch dem Bundesrat gegenüber besteht. Im Grundsatz besteht die Unterrichtungspflicht daher dem Bundestag gegenüber in gleicher Weise und in gleichem Umfang wie gegenüber dem Bundesrat. b) Konkretisierung
Eine Konkretisierung der Pflicht zur umfassenden Unterrichtung des Bundestages findet sich im Ausführungsgesetz nach Art. 23 Abs. 3 Satz 3 GG, dem EUZBBG, sowie in einer Ressortabsprache vom 10. November 1995. § 3 EUZBBG wiederholt noch einmal den Grundsatz und bezieht die Unterrichtungspflicht auf "alle Vorhaben im Rahmen der EU, die für die Bundesrepublik von Interesse sein könnten". Auch dies entspricht der konkretisierten Unterrichtungspflicht gegenüber dem Bundesrat in § 2 EUZBLG, allerdings mit dem Unterschied, daß die Unterrichtung alle diejenigen Vorhaben umfassen soll, die für die Bundesrepublik interessant sein könnten, wohingegen sich die Pflicht gegenüber dem Bundesrat auf alles das erstreckt, was für die Länder von Interesse sein könnte. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, daß der Begriff des Vorhabens nicht eindeutig definiert, jedoch weit auszulegen ist69 . Fest steht, daß "Vorhaben" nicht die Vorgänge umfassen, bei denen es sich um Einzelentscheidungen, wie z.B. Beihilfeersuchen oder um allgemeine Berichte und Stellungnahmen der Bundesregierung an die Organe der EU handelt70 • Demzufolge und laut Ressortabsprache vom 10. November 1995 sind unter "Vorhaben" wie bereits bei Art. 2 des Zustimmungsgesetzes - verbindliche Beschlüsse des Rates und der Kommission wie Verordnungen und deren Entwürfe, Richtlinien und deren Entwürfe sowie die Vorschläge zu sonstigen Entscheidungen des Rates und der Kommission zu verstehen, die an die Bundesrepublik gerichtet sind und diese binden. Das gleiche gilt für Empfehlungen, Memoranden und 69
70
Siehe oben, 3. Kapitel B. ill. 2. Ebd., mit Nachweisen.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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Stellungnahmen von Rat und Kommission, die allerdings unverbindlich sind, sowie für Unterrichtungen des Europäischen Parlaments71 . Nach § 4 Satz 1 EUZBBG übersendet die Bundesregierung dem Bundestag insbesondere die Entwürfe von Richtlinien und Verordnungen. Damit konkretisiert die Vorschrift die grundsätzliche Pflicht zur Unterrichtung über alle die Bundesrepublik interessierenden Vorhaben der EU auf die Gegenstände der Sekundärrechtsetzung, welche entweder unmittelbar in der Bundesrepublik wirksam werden oder der Transformation bedürfen, um innerstaatliche Geltung zu erlangen. Diese Spezifizierung auf Rechtsetzungsangelegenheiten (,,insbesondere") macht deutlich, daß von der Unterrichtungspflicht nach § 3 auch andere Vorhaben außer Rechtsetzungsvorhaben umfaßt werden. Darunter fallen z.B. Aktionsprogramme oder Grünbücher der EU. Dennoch stellt das Gesetz auf diese Weise klar, wo der Schwerpunkt der Unterrichtung liegen soll. Entsprechend der Motivation der Grundgesetzänderung, nach der der Bundestag in erster Linie Ausgleich für den Verlust seiner Gesetzgebungskompetenzen erhalten soll, ist eine umfassende und rasche Information vor allem in Rechtsetzungsangelegenheiten der EU erforderlich. Die Anregung der Bundesregierung, in § 4 Satz 1 EUZBBG das Wort ,,Entwürfe" durch "Vorschläge" zu ersetzen, weil dies der Terminologie des EGVertrags entspreche72 , hat der Sonderausschuß nicht in seine Beschlußempfehlung aufgenommen. Es blieb daher bei der ursprünglichen Fassung. Begründet wurde dies damit, daß es denkbar sei, daß ein Vorhaben - selbst wenn es noch nicht das Stadium eines förmlichen Vorschlags erreicht haben sollte - für den Bundestag unter Umständen bereits von Interesse sein könne, weil es im Kern schon auf die endgültige Fassung hindeute. Auf diese Weise besteht für den Bundestag bereits frühzeitig die Gelegenheit, sich auf das betreffende Vorhaben einzustellen und seine Position zu bestimmen73 . Damit hat der Bundestag erstmals auf gesetzlicher Grundlage ausdrücklich das Recht erhalten, auch über vorbereitende Entwürfe der Kommission unterrichtet zu werden. c) Vorhaben nach Art. 235 EGV
Eine gesonderte Regelung erfährt die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung hinsichtlich der EU-Vorhaben auf der Rechtsgrundlage des Art. 235 EGV in § 6 EUZBBG. Die Vorschrift stellt klar, daß dem Bundestag über
Siehe hierzu RitzellBücker, § 93 GOBT, Anm. 1. Die RechtsetZWlgsvorlagen, die die Kommission dem Rat zur Berahm.g und Beschlußfassung übersendet, werden "Vorschlag" genannt. 73 MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (26). 71
72
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4. Kapitel: Die Mitwirlomgsrechte des Bundestages
seine bisherigen Unterrichtungsrechte nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen hinaus die im EUZBBG festgelegten Mitwirkungsrechte auch dann zustehen, wenn die EU gern. Art. 235 EGV tätig wird. Für diese Vorhaben gilt dementsprechend ebenfalls die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung nach §§ 3 und 4 EUZBBG. Nach dem Wortlaut des § 6 EUZBBG sollte dies bereits vor der Gründung der EU entsprechend gelten, um dem Bundestag auch im Falle des Scheiterns des Maastrichter Vertrages gerade in Fällen der Kompetenzbeschaffungsklausel des Art. 235 EGVerweiterte Mitwirkungsrechte zu gewährleisten. Daher ist diese Vorschrift gern. § 7 EUZBBG bereits am 1. Januar 1993 vorgezogen in Kraft getreten74 • Grundsätzlich ist nicht anzunehmen, daß sich darin der Regelungsgehalt des § 6 EUZBBG bereits erschöpft hat und die Mitwirkungsrechte an Vorhaben auf der Basis von Art. 235 EGV sich nunmehr unmittelbar nach §§ 1-5 EUZBBG richten. Wäre dies beabsichtigt gewesen, so hätte man - geknüpft an die Gründung der EU - eine Außerkrafttretungsregelung für § 6 EUZBBG vorsehen können. Im übrigen enthält das EUZBLG eine ähnliche Konstruktion; in § 16 Satz 3 bestimmt es, daß § 5 Satz 3 EUZBLG, der die Mitwirkung des Bundesrates bei Vorhaben nach Art. 235 EGV regelt, abweichend von den übrigen Vorschriften des Gesetzes vorgezogen in Kraft treten sollte. Aus dieser Parallelität könnte man schließen, daß sich die Mitwirkungrechte des Bundestages bei Vorhaben nach Art. 235 EGV auch nach der Gründung der EU nach § 6 EUZBBG richten. Im Sonderausschuß war jedoch ebenfalls umstritten, ob die Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG sowie §§ 1-5 EUZBBG die Mitwirkung bei Vorhaben auf der Grundlage von Art. 235 EGV bereits erfaßte oder niche' . Praktische Auswirkungen hat dies allerdings nicht, da § 6 EUZBBG lediglich die Geltung der übrigen Mitwirkungsrechte nach §§ 1-5 EUZBBG in Fällen des Art. 235 EGV vorschreibt. Im Gegensatz zu den Mitwirkungsrechten des Bundesrates sieht das Gesetz also keine anders ausgestalteten Rechte vor. 3. Unterrichtungsverfahren Gern. § 4 Satz 1 EUZBBG unterrichtet die Bundesregierung den Bundestag über den wesentlichen Inhalt und die Zielsetzung des Rechtsetzungsaktes sowie über den voraussichtlichen Zeitpunkt der Beratung und Beschlußfassung
74
Hierzu siehe oben, 2. Kapitel B. IV
7' Vgl. Amtliches Protokoll der 9. SitZWlg des Sonderausschusses vom 20. No-
vember 1992: Die Abgeordneten Irmer (S. 23) und Dr. Hellwig (S. 22) vertraten die Ansicht, die allgemeinen Mitwirlomgsrechte des Bundestages umfaßten auch die Vorhaben nach Art. 235 EGV; der Abgeordnete Stiegler vertrat die gegenteilige Auffassung (S.22).
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im Rat. Zudem hat sie den Bundestag gem. § 4 Satz 2 EUZBBG unverzüglich über ihre eigene Willensbildung, über den Beratungsverlauf sowie über die Stellungnahme des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, der übrigen Mitgliedsstaaten und die getroffenen Entscheidungen zu informieren. Im Rahmen des sog. förmlichen Zuleitungsverfahrens leitet das Bundesministerium für Wirtschaft dem Bundestag jeden vom Generalsekretariat des Rates der EU eingehenden Vorschlag zu Verordnungen und Richtlinien des Rates der EU sowie die Vorschläge zu Entscheidungen und sonstigen Beschlüssen des Rates umgehend in zwei Exemplaren ZU76. Dies gilt auch für Vorschläge zu Beschlüssen des Rates nach Art. 100 c, 138 und 201 EGV sowie nach Art. K.3 Abs. 2 und K.9 EUV77 • Den Dokumenten und Unterlagen ist ein Zuleitungsschreiben beigefügt, welches den Titel des Vorhabens, eingehende Informationen über den Inhalt, die Rechtsgrundlage, das im Rahmen des EU-Vorhabens anzuwendende Verfahren, die Auswirkungen, den Zeitpunkt der voraussichtlichen Verabschiedung im Rat und die Benennung des für das Vorhaben federführenden Ressorts enthalten so1l78. Im Rahmen einer allgemeinen Zuleitung übersendet des Bundesministeriums für Wirtschaft ein Exemplar aller eingehenden Ratsdokumente gleichzeitig dem Bundestag und dem federführenden Ressort. Über Rechtsakte oder sonstige Beschlüsse der Kommission, die von grundsätzlicher Bedeutung oder erheblicher Auswirkung auf die Interessen der Bundesrepublik sind und die nicht unter die förmliche oder allgemeine Zuleitung fallen, unterrichtet das federführende Ressort den Ausschuß des Deutschen Bundestages für die Angelegenheiten der Europäischen Union (im folgenden Europaausschuß)79 und den federführenden Ausschuß, soweit dieser bereits benannt und nicht mit dem Europaausschuß identisch ist. Der Europaausschuß erwartet darüber hinaus, daß in die Unterrichtung auch Informationen über eigene Initiativen, Initiativen aus den Bundesländern und des Bundesrates sowie Initiativen von Mitgliedsstaaten einbezogen werden. Im übrigen hat das federführende Ressort zu den im Rahmen des förmlichen und des zusätzlichen Zuleitungsverfahrens übermittelten Vorlagen binnen 5 Sitzungstagen dem Europaausschuß einen schriftlichen Erläuterungsbericht zu übersenden80 . Bei förmlich zugeleiteten Vorlagen unterrichtet das federfüh76 Die Zuleitung erfolgt durch Schreiben des Leiters der Europaabteilung des Bundesministeriwns für Wirtschaft an den Direktor des Bundestages. 77 Es werden nur in deutscher Sprache vorliegende Texte zugeleitet, siehe Ressortabsrarache vom 10. November 1005, S. 5. I Ressortabsprache vom 10. November 1995, S. 2. 79 Siehe hierzu eingehend unten, unter lli. 1. e). 80 Ressortabsprache vom 10. November 1995, S. 3; 5 Sitzungstage bedeutet: 5 Werktage in Sitzungswochen des Bundestages. Aus der Ressortabsprache geht hervor, daß wegen der zeitlichen Kürze von 5 Tagen der Erläuterungsbericht nicht in allen
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4. Kapitel: Die Mitwirklmgsrechte des Bundestages
rende Ressort den Europaausschuß und den federführenden Ausschuß über wesentliche Änderungen in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht sowie darüber, welche zusätzlichen Dokumente der Beratung in den Bundestagsausschüssen zugrundezulegen sind. Nach Abschluß des Vorhabens hat die Bundesregierung dem Bundestag unverzüglich über die Art der Berücksichtigung der Beschlüsse des Bundestages zu berichten und dabei gleichfalls darzulegen, ob und in welchem Umfang sie den Stellungnahmen des Bundesrates gefolgt ist. Der Bundestag erwartet von der Bundesregierung, daß sie Abweichungen von seinen Stellungnahmen begründet81 . Das Auswärtige Amt hat den Bundestag über die Entwicklungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu unterrichten 82 . Über den Zeitpunkt der Unterrichtung war in der GVK. und im Sonderausschuß lange Zeit beraten worden. Dabei waren Formulierungen wie ,,regelmäßig" und "rechtzeitig" diskutiert worden. Im Ergebnis wurden sie jedoch verworfen, da sie einerseits nicht garantierten, daß die Unterrichtung so früh wie möglich erfolgen würde (,,regelmäßig") und es andererseits völlig in das Ermessen der Bundesregierung stellten, zu welchem Zeitpunkt sie die Unterrichtung für richtig befand (,,rechtzeitig"). Die Mitglieder der GVK. und des Sonderausschusses einigten sich schließlich auf die Formulierung ,,zum frühestmöglichen Zeitpunkt", weil sie diese für die präziseste der möglichen Lösungen hielten. Die Formulierung ,,rechtzeitig" wurde mit der Begründung abgelehnt, daß der Zeitpunkt der Übersendung im Ermessen der Bundesregierung liege. Dies zeigt deutlich, daß die GVK. und der Sonderausschuß der nunmehr gefundenen Formulierung ,,zum frühestmöglichen Zeitpunkt" objektive Kriterien zugrundegelegt wissen wollten. Dies bedeutet, daß der frühestmögliche Zeitpunkt derjenige ist, zu dem die Unterrichtung aus organisatorischen Gründen (Erhalt der Dokumente aus Brüssel, Sichtung und Selektion, Versendung) möglich wird und nicht derjenige Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung die Übersendung der Vorlagen für angeraten hält. Auch hier kommt es also nicht darauf an, welchen die Bundesregierung subjektiv für den richtigen Zeitpunkt hält83 . Der frühestmögliche Zeitpunkt soll den Mitgliedern des Bundestages ausreichend Gelegenheit geben, sich über die Form und das Ausmaß der Beteiligung an der Beratung und Beschlußfassung über ein Vorhaben
Fällen erschöpfend sein kann. Hinzu kommt, daß, sofern Vorlagen in einem frühen Stadium übersandt werden, in welchem die Bundesregierung selbst noch kein genaues Bild von dem Vorhaben hat, der Erläuterugsbericht sich einer sehr vorsichtigen und flexiblen Formulierungsweise bedienen muß. 8\ Ressortabsprache vom 10. November 1995, S. 4. 82 Ressortabsprache vom 10. November 1995, S. 3. 13 Ebenso beim Bundesrat, siehe oben, 3. Kapitel B. ill. 3.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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zu emlgen und sich insbesondere über die Abgabe einer Stellungnahme schlüssig zu werden und diese zu formulieren 84 . Ursprünglich hatten beide Gesetzentwürfe des EUZBBG8s in § 3 auf das Fortbestehen von Art. 2 des Zustirnrnungsgesetzes zu den Römischen Verträgen hingewiesen. Der Sonderausschuß hielt einen solchen Verweis jedoch für "entbehrlich"86. Er wurde daher gestrichen. Die Formulierung "entbehrlich" zeigt aber, daß ebenso wie im Falle der Unterrichtung des Bundesrates das alte Unterrichtungsverfahren von 1957 formal fortbesteht. In praktischer Hinsicht hat dies jedoch keine Auswirkungen, da das alte Unterrichtungsverfahren zuletzt nicht mehr in seiner ursprünglichen Form über das Bundeskanzleramt durchgeführt worden, sondern dem modifizierten oder abgekürzten Zuleitungsverfahren über die Bundesministerien gewichen ist87 . 4. Ergebnis
Durch die verfassungsrechtliche Festschreibung der umfassenden Unterrichtungspflicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt, die der Unterrichtung des Bundesrates grundsätzlich entspricht, soll offenbar eine Fortschreibung und Erweiterung der bisherigen Informationspraxis auf einfachgesetzlicher Grundlage erreicht werden. Gleichzeitig nähern sich damit die Unterrichtungsrechte des Bundestages denen des Bundesrates - der auch bisher von der Bundesregierung bereits umfassend unterrichtet wurde - rechtlich und tatsächlich an, wenngleich dessen Rechte erheblich detaillierter in der Bund-Länder-Vereinbarung vorn 29. Oktober 1993 88 festgehalten worden sind. Die Praxis der vergangenen Jahre hat gezeigt, daß die Vorhaben der Gemeinschaft so zahlreich und vielfältig geworden sind, daß eine umfassende Unterrichtung über sämtliche Vorhaben nicht nur den Rahmen jeglicher parlamentarischen Befassungsmöglichkeit sprengen würde, sondern darüber hinaus unnötig wäre, da etliche Vorhaben nicht in den Interessen- oder Zuständigkeitsbereich des Bundestages fallen 89 . Aus diesem Grunde wurde mit dem Zusatz "die für die Bundesrepublik Deutschland von Interesse sein könnten" in § 3 EUZBBG ein notwendiges Korrektiv in die Unterrichtungsregelung einge14
Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 24.
I~ BT-Drucks. 12/3609 und BT-Drucks. 12/3614.
Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 24. Siehe hierzu oben, 1. Kapitel B. 1. 1. und 2. n Abgedruckt in: Handbuch des Bundesrates 1995/96, S. 166ff. 89 So auch bereits der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung in seiner Beschlußempfehlung zur Neufassung der Anlage 6 der GOBT, BTDrucks. 8/1265 (neu), S. 3. 16 17
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
fugt. Jedoch ist diese Umschreibung so ungenau gehalten, daß der Bundesregierung als dem Anspruchsverpflichteten ein gewisser Spielraum bei der Selektion des in Betracht kommenden Materials einzuräumen ist, welchen sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu nutzen hat90 • Fest steht aber auch, daß die Bundesregierung den Bundestag nur in dem Umfang zu unterrichten hat, in dem sie selbst informiert ist91 . Neben der verfassungsrechtlichen Verankerung der Informationspflicht und der angestrebten Annäherung an die Unterrichtungspraxis des Bundesrates ist als wichtige Neuerung zu vermerken, daß die Informationspflicht der Bundesregierung sich nunmehr auf gesetzlicher Grundlage auch auf inoffizielle Papiere sowie vorbereitende Initiativen und Entwürfe von Rechtsetzungsakten ausdehnt92 . Leider erfolgt die Zuleitung der Europavorlagen derzeit teilweise immer noch so verzögert, daß dem Bundestag auch heute nur eine geringe Beratungszeit zur Verfugung steht und die Stellungnahme zuweilen erst dann abgegeben werden kann, wenn die Beschlußfassung im Rat bereits erfolgt ist. Die Gründe sind zum Teil EU-struktureller Natur und daher vom Bundestag nicht beeinflußbar, zum Teil dürften die Verzögerungen aber auch ,,hausgemacht,.93 sein. Im übrigen bleibt abzuwarten, ob der Bundestag künftig die Informationsflut94 effizienter als bisher bewältigen wird.
MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (25). Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 24. 92 Siehe hierzu Anlage 10 zur Ausschußdrucksache Nr. 12-6-47 des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 27. Mai 1993, S. 84. Übersandt werden insbesondere erste Entwürfe von Verordnungen und Richtlinien etc., geänderte Fassungen der Entwürfe, Berichte, Vermerke, Beratungsergebnisse, Aufzeichnungen, Gutachten, Sachstände etc. 93 Siehe Anlage 4 zur Ausschußdrucksache Nr. 12-6-47 des Ausschusses fiir Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 27. Mai 1993, S. 45. 94 Von Dezember 1992 bis 1994 wurden dem Fachbereich Xll des Bundestages als EI\lpfangsstelle des Bundestages fiir EU-Informationen wöchentlich etwa 400 bis 500 Dokumente unterschiedlichen Umfangs zugeleitet und von dort aus den bereits befaßten Ausschüssen oder bei Vorlagen bezüglich neuer Vorhaben den vermutlich betroffenen Ausschüssen zugesandt, vgl. Anlage 4 zur Ausschußdrucksache Nr. 12-6-47 des Ausschusses fiir Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 27. Mai 1993, S. 37. Seit 1995 erfolgt die förmliche Zuleitung an den Direktor des Bundestages und die zusätzliche informelle Zuleitung an den Ausschuß des Deutschen Bundestages fiir die Angelegenheiten der Europäischen Union sowie an den jeweils federfiihrenden Ausschuß. 90
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m. Die Mitwirkung an der innerstaatlichen Willensbildung des Bundes 1. Die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme gem. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG Gern. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG gibt die Bundesregierung dem Bundestag vor ihrer Mitwirkung zu Rechtsetzungsakten der EU die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme. Was also bislang auch bereits ohne entsprechende einfachgesetzliche Legitimation praktiziert wurde95 , ist durch Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG nunmehr ausdrücklich verfassungskräftig verankert worden. a) Anwendungsbereich der Norm
Nach Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG sowie § 5 Satz 1 EUZBBG steht dem Bundestag dieses Mittel nur zur Verfügung, wenn es sich um die Mitwirkung an Rechtsetzungsakten handelt, nicht dagegen bei sonstigen Vorhaben der Union. Dies entspricht dem der gesamten Regelung zugrundeliegenden Gedanken, daß der Bundestag durch die Verankerung von speziellen Mitwirkungsrechten für den Verlust seiner Legislativbefugnisse entschädigt werden so1l96 . Ursprünglich hatten beide Gesetzentwürfe zum EUZBBG die Formulierung "vor ihrer Zustimmung zu Richtlinien und Verordnungen" enthalten97 . Der Sonderausschuß bemängelte jedoch, daß diese Formulierung nur Richtlinien und Verordnungen i.S.d. Art. 189 EG-Vertrag, nicht aber solche Beschlüsse des Rates umfasse, die selbst keinen Rechtsetzungsakt darstellten, einem solchen aber entsprächen. Dies ist z.B. der Fall bei Beschlüssen des Rates darüber, welche Drittstaaten einem Visumzwang unterliegen (Art. 100 c EG-Vertrag), Beschlüssen über die Ausarbeitung von Bestimmungen zur Wahl des Europäischen Parlaments (Art. 138 Abs. 3 Satz 2 EG-Vertrag) oder Beschlüssen über Bestimmungen hinsichtlich des Systems der Eigenmittel im Haushaltsplan der Gemeinschaft (Art. 201 Satz 2 EG-Vertrag)98. Um der Gefahr zu entgehen, durch eine unvollständige enumerative Aufzählung den Bundestag von der Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes hinsichtlich wichtiger Beschlüsse des Rates auszuschließen, beschloß der Sonderausschuß, anstelle 9~ Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen hatte diesbezüglich keine Regelung enthalten, siehe oben, 1. Kapitel B. I. 1. b) aa). 96 Siehe oben, unter A. I. 97 Vgl. BT-Drucks. 12/3609 und BT-Drucks. l2/3614. 98 Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 24; Möller/ Limpert, ZParl1993, 21 (27). 19'
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
der alten Formulierung den Oberbegriff ,,Rechtsetzungsakte" in das Gesetz aufzunehmen99 . Damit ist die Mitwirkung des Bundestages an Rechtsetzungssowie rechtsetzungsähnlichen Vorhaben der Gemeinschaft gesetzlich abgesichert. Auffällig ist, daß sowohl die verfassungs- als auch die einfachgesetzliche Norm im Gegensatz zu der Regelung des Bundesrates bei der Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme nicht danach unterscheiden, ob das betreffende Vorhaben nach innerstaatlichen Gesichtspunkten ganz oder zum Teil in den Kompetenzbereich des Bundes oder der Länder fällt. Demnach wäre es dem Bundestag möglich, nicht nur in allen Fällen der ausschließlichen, konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung des Bundes eine Stellungnahme abzugeben; mangels entgegenstehender Regelung müßte die Abgabe einer Stellungnahme auch dann zulässig sein, wenn innerstaatlich betrachtet das Vorhaben schwerpunktmäßig in den originären Zuständigkeitsbereich der Länder fiele. Dies ist zwar auf den ersten Blick verwunderlich, erweist sich aber bei näherer Betrachtung als konsequent, denn es trägt dem Umstand Rechnung, daß europäische Vorhaben vom innerstaatlichen Standpunkt aus in aller Regel bundes- und landesrechtliche Belange in sich vereinigen. Selbst wenn ein Vorhaben im Schwerpunkt originäre Länderrechte betrifft, wirkt es sich daneben auch auf die Kompetenzen des Bundes aus. In dieser Hinsicht sind dem Anwendungsbereich der Abgabe einer Stellungnahme durch den Bundestag also keine Grenzen gesetzt. Im Rahmen seiner nationalen Zuständigkeit erhält der Bundestag mithin das Recht, alle Materien zu beraten und der Bundesregierung für ihr Verhalten im Rat Empfehlungen und Vorgaben zu geben. b) Die Verpflichtung der Bundesregierung
Art. 23 Abs. 3 Satz I GG schreibt die Verpflichtung der Bundesregierung fest, dem Bundestag die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu geben. Denn die Formulierung ,,gibt ... Gelegenheit" in Art. 23 Abs. 3 Satz I GG sowie § 5 Satz 1 des EUZBBG stellt klar, daß der Bundesregierung kein Spielraum hinsichtlich der Wahrnehmung des Rechtes zur Stellungnahme durch den Bundestag zur Verfügung steht. Auch wenn die Formulierung auf die Wahl der Worte ,,muß" oder "soll" verzichtet, wird hierdurch ausgedrückt, daß der Bundestag in jedem einzelnen Fall der Vorlage eines Rechtsetzungsvorhabens der Union frei entscheiden kann, inwieweit er sich mit dieser Vorlage in Beratungen auseinandersetzt und ob er das Recht zur Abgabe einer Stellungnahme ausschöpfen möchte. Die Bundesregierung kann hierauf in keiner Wei-
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Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 24.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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se rechtlichen Einfluß nehmen. Sie ist verpflichtet, dem Bundestag die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu bieten und die Entscheidung des Bundestages hierüber anzunehmen. In manchen Fällen wird die Bundesregierung allerdings bereits aus tatsächlichen Gründen keine Gelegenheit zur Stellungnahme geben können. So sind im Bereich der Agrarmarktverwaltung oft sehr kurzfristige Anpassungen an die Entwicklung des Marktes durch EG-Verordnungen erforderlich. Dies geschieht in aller Regel durch Verordnungen der Kommission, an deren Zustandekommen die Mitgliedsstaaten durch ihre Stellungnahme im Verwaltungsausschußverfahren mitwirken. In dringlichen Fällen beträgt die Frist, innerhalb derer die Mitgliedsstaaten zu dem Verordnungsvorschlag der Kommission Stellung nehmen müssen, oft nur wenige Stunden lOO . Derartige Eilverfahren, z.B. zur Festlegung von Ausfuhrerstattungen, erfordern im übrigen ein besonderes Maß an Vertraulichkeit der Kommissionsvorschläge. In diesen Eilfällen ist eine aktive Mitwirkung des Bundestages an der Willensbildung des Bundes unrealistisch. In solchen Ausnahmefällen sollte und wird der Bundestag daher auf die Abgabe einer Stellungnahme verzichten. c) Vor der Mitwirkung/Zustimmung der Bundesregierung im Rat
Diese Gelegenheit zur Stellungnahme hat die Bundesregierung dem Bundestag gern. Art. 23 Abs. 3 Satz I GG vor ihrer ,,Mitwirkung" an Rechtsetzungsakten der EU zu geben. Demgegenüber bestimmt § 5 Satz I EUZBBG ausdrücklich, daß diese Pflicht der Bundesregierung vor ihrer ,,zustimmung" zu Rechtsetzungsakten der EU besteht. Damit stellt sich hier die Frage, ob diese unterschiedliche Wortwahl einen inhaltlichen Widerspruch zwischen der verfassungsrechtlichen und der einfachgesetzlichen Norm bedingt. Dies wäre tatsächlich der Fall, wenn man hier der Auslegung der Formulierung ,,zustimmung" folgen wollte, die die Bundesregierung im Falle des § 5 Abs. 3 EUZBLG vorgenommen hat lOl • Dort hat die Bundesregierung nämlich die Ansicht vertreten, daß sie den Bundesrat dann nicht in der vorgesehenen Form beteiligen muß, wenn sie sich im Rat oder in den übrigen Beratungsgremien der EU der Stimme enthält, so daß das Vorhaben trotz Einstimmigkeitserfordernisses verabschiedet werden kann. Zur Begründung verweist sie auf den Wortlaut der Vorschrift, nach welchem die Mitwirkung des Bundesrates vor der ,,zustimmung" der Bundesregierung zu 100 Im Regelfall unterbreitet die Kommission den Verordnungsvorschlag erst zu Beginn der Ausschußsitzung und läßt in derselben Sitzung darüber abstimmen. 101 Siehe hierzu eingehend oben, 3. Kapitel B. IV 6. e).
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4. Kapitel: Die Mitwirlamgsrechte des BlDldestages
Vorhaben erfolgen soll. Bereits in diesem Fall war aber die Auslegungsweise der Bundesregierung abzulehnen lO2 • Entsprechendes muß auch hier gelten. Der Terminus der ,,zustimmung" kann nach dem Sinn der gesamten Mitwirkungsregelung nicht die Entscheidung und das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung nur zugunsten eines Vorhabens meinen, sondern den Akt der Entscheidung als solchen; denn es soll doch offenbar darauf ankommen, daß der Bundestag generell Einflußmöglichkeiten als Ersatz für Gesetzgebungskompetenzen erhält und nicht nur dann, wenn die Bundesregierung gewillt ist, dem Vorhaben zuzustimmen. Für das Bestehen von Einflußrechten des Bundestages kann es deshalb nicht darauf ankommen, wie sich die Bundesregierung schließlich im Rat entscheidet. Dies ist auch praktisch nicht möglich, da die Pflicht zur Gewährung der Stellungnahmegelegenheit bereits in der Vorbereitungsphase der Verhandlungen entsteht. Zu diesem Zeitpunkt wird es der Bundesregierung aber häufig selbst noch nicht klar sein, ob sie dem Vorhaben voraussichtlich zustimmen will oder nicht. Eine Festlegung auf das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung als Voraussetzung der Mitwirkungsrechte des Bundestages ist deshalb nicht zulässig. Schließlich kann darauf verwiesen werden, daß die Verfassungsnorm der einfachgesetzlichen Norm vorgeht. Der Interpretationskonflikt kann somit zugunsten des Terminus "vor ihrer Mitwirkung" gelöst werden. Hierdurch wird sichergestellt, daß zum Zeitpunkt der Gewährung zur Stellungnahmegelegenheit die Mitwirkung der Bundesregierung im Rat noch nicht erfolgt ist, so daß eine Einflußnahme des Bundestages tatsächlich möglich ist. Andererseits wird deutlich, daß die Bundesregierung aber nicht verpflichtet ist, eine mögliche Stellungnahme durch den Bundestag abzuwarten. d) Abgabe der Stellungnahme durch den Bundestag
Indem die Bundesregierung gern. § 5 Satz 1 EUZBBG zur Gewährung einer Gelegenheit zur Stellungnahme verpflichtet wird, erhält der Bundestag korrespondierend zu dieser Pflicht das Recht, eine Stellungnahme zu Rechtsetzungsakten der EU abzugeben. Die Stellungnahme ist das wesentliche Instrument des Bundestages im Rahmen seiner Mitwirkungsrechte l03 , denn durch sie erhält er die Chance, über die Bundesregierung gestaltend auf die Sekundärrechtsetzung der EU einzuwirken. Die Stellungnahme des Bundestages wird derzeit vom jeweils federführenden Ausschuß unter Mitwirkung der übrigen Fachausschüsse als mitberatender 102
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Ebd. Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 2l.
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Ausschüsse in Form einer Beschlußempfehlung an das Plenum gern. § 66 Abs. 2 GOBT ausgearbeitet, wenn die Abgabe einer Stellungnahme für notwendig oder sinnvoll gehalten wird. Bis zum Ende der 12. Wahlperiode, d.h. bis zur Ergänzung der Geschäftsordnung im Jahre 1995, spielte der damalige EGAusschuß hierbei trotz seiner Fachkenntnis noch immer eine untergeordnete Rolle, denn er wurde regelmäßig lediglich mitberatend tätig104 . e) Abgabe der Stellungnahme durch den Europaausschuß
Verfassungsrechtlich besteht neben der Abgabe der Stellungnahme durch den Bundestag nunmehr gern. Art. 45 GG grundsätzlich auch die Möglichkeit, daß ein zu gründender Ausschuß für die Angelegenheiten der EU die Rechte des Bundestages nach Art. 23 GG wahrnimmt. Dies umfaßt auch das Recht zur Abgabe von Stellungnahmen nach Art. 23 Abs. 3 GG. Gern. Art. 45 Satz 2 GG hat der Bundestag das Recht, einen solchen Ausschuß hierzu zu ermächtigen. aa) Pflicht zur Bestellung des Ausschusses Nach Art. 45 Satz 1 GG und § 3 Satz 1 des EUZBBG bestellt der Bundestag einen besonderen Ausschuß für die Angelegenheiten der EU, den er ermächtigen kann, die Rechte des Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 GG gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. Dies dient der institutionellen Absicherung der Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG 105 . Damit erhält der Europaausschuß neben dem in Art. 45 a und c GG verankerten Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, dem Ausschuß für Verteidigung und dem Petitionsausschuß Verfassungsrang. Dies soll ihm bereits formal gegenüber den verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Fachausschüssen des Bundestages eine herausgehobene Stellung verschaffen. Die Schaffung eines solchen ständigen Parlamentsausschusses für Fragen in europäischen Angelegenheiten war bereits früher gefordert worden 106 . Der Grund hierfür liegt vor allem darin, daß es bei der Befassung des Parlaments mit den Angelegenheiten der EU auf ein besonders rasches Verfahren ankommt, um eine Stellungnahme abgeben und damit Einfluß auf die Willens-
104 Federführend waren regelmäßig entweder der Auswärtige oder der Wirtschaftsausschuß, siehe hierzu eingehend oben, 1. Kapitel B. I. 2. c) ee) (4). 10~ MöllerlLimpert ZParl1993, 21 (30). 106 Siehe z.B. E. Klein, WDStRL 50 (1991), 56 (76).
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4. Kapitel: Die Mitwirlamgsrechte des Bundestages
bildung der Bundesregierung nehmen zu können; denn häufig werden die Entscheidungen über die Vorlagen der Kommission im Rat schon bald getroffen, nachdem der Bundestag die Dokumente erst erhalten hae o7 • Gerade die zügige Handhabung des Beratungs- und Abstimmungsverfahrens in europäischen Angelegenheiten hat in der Vergangenheit angesichts des Koordinationsbedarfs der Fachausschüsse und des Abstimmungsbedarfs im Plenum nicht selten Schwierigkeiten verursacht l08 . Um dies für die Zukunft zu gewährleisten, sieht das Grundgesetz nunmehr in Art. 45 Satz 1 die Einrichtung eines ständigen Europaausschusses vor, der die Rechte des Plenums nach Art. 23 GG wahrnehmen können soll. Die in Art. 45 GG sowie in § 2 Satz 1 EUZBBG enthaltene Formulierung "bestellt einen Ausschuß" macht deutlich, daß dem Bundestag kein Spielraum darüber zusteht, ob ein solcher Europaausschuß einzurichten ist oder nicht. Es besteht vielmehr - im Gegensatz zum Bundesrat l09 - eine grundgesetzliehe Pflicht des Bundestages zu dessen Bestellung"° . Da es sich um einen durch das Grundgesetz vorgeschriebenen Ausschuß handelt, hat der Bundestag selbst im Rahmen seiner Geschäftsordnungsaut0nomie nach Art. 40 GG gern. § 54 Abs. 2 GOBT sowohl über das Verfahren als auch über die Zusammensetzung und die Befugnisse des Ausschusses zu entscheiden ll1 . Wie bereits erwähnt, war jedoch bis zum Ende der 12. Legislaturperiode die Einsetzung eines Ausschusses nach Art. 45 GG sowie die entsprechende Ergänzung der Geschäftsordnung noch nicht erfolgt112. Von ihr hatte man sich neben den genannten Punkten auch eine Regelung über das Verhältnis der Rechte des Ausschusses zum Bundestag einerseits und zu den
Siehe oben, 1. Kapitel B. I. 3.; ebenso Scholz, NJW 1993, 1690 (1691). Siehe Anlage 4 zur Ausschußdrucksache Nr. 12-6-47 des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 27. Mai 1993, S. 44ff 109 HierZlI siehe oben, 3. Kapitel B. IV 2. c) aa). 110 Siehe auch Ossenbühl, DVBI 1993, 629 (637): "vetfassungsrechtlich notwendiger Ausschuß"; ähnlich PüttnerlKretschmer, S. 291. 111 Dies hatte der Sonderausschuß ausdrücklich der Geschäftsautonomie des Bunde~ges überlassen, siehe Schlußbericht, BT-Drucks. 12/3896, S. 23. 112 Von den Fraktionen war bis dahin lediglich die Beauftragung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung als federführender Ausschuß angestrengt worden, die geschäftsordnungsrechtliche UmsetZ11ng und Bestellung des Ausschusses nach Art. 45 Satz 1 GG Zll beraten und einZ11leiten, vgl. Antrag der CDU/CSUund der FDP-Fraktion in BT-Drucks. 12/6283 und Antrag der SPD-Fraktion in BTDrucks. 12/6036. Selbst eine parlamentarische Beratung hatte in der 12. Wahlperiode nicht mehr stattgefunden. Aus diesem Gnmd konnte die EinsetZ11ng des Europaausschusses nicht schon Zll Beginn der 13. Wahlperiode etfolgen. 107
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Fachausschüssen andererseits erhofft 113 • Im für die Geschäftsordnungsergänzung federführenden Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung wurde z.B. lange über die Frage beraten, ob der Ausschuß sich aus benannten oder vom Plenum gewählten Mitgliedern zusammensetzen sollte 114 . Solange die Ergänzung der Geschäftsordnung nicht vorgenommen worden
war, bestand Unsicherheit, ob der in der 12. Legislaturperiode eingesetzte EG-
Ausschuß ll5 der Ausschuß nach Art. 45 GG sein sollte 116 . Vor dem Hintergrund, daß eine Einsetzungspflicht des Bundestages bestand und im übrigen die verfassungsrechtlich verankerten Ausschüsse für Auswärtiges und Verteidigung als federführende Fachausschüsse nach §§ 54, 63 GOBT fungierten, ohne gesondert in der Geschäftsordnung genannt zu werden, erschien dies zwar zunächst denkbar, aus mehreren Gründen schließlich jedoch äußerst fragwürdig. Zum anderen war der EG-Ausschuß bereits 1991 und damit zeitlich vor der· Grundgesetzänderung und vor der Gründung der EU eingesetzt worden. Hinzu kommt, daß er ausdrücklich für die Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft eingesetzt und in der Zwischenzeit auch nicht in ,,Europaausschuß" umbenannt worden war. Schließlich entsprach eines solche Vermutung auch nicht der Praxis, denn der EG-Ausschuß bekleidete am Ende seiner Tätigkeit 1994 noch die gleiche untergeordnete Position wie vor der Grundgesetzergänzung von 1992. Nach wie vor erhielt er keine Federführung und war erst recht nicht - auch nicht im Einzelfall - mit dem Recht ausgestattet worden, für das Plenum gegenüber der Bundesregierung Stellungnahmen nach Art. 23 Abs. 3 GG abgeben zu können. Auch bei der Beratung der Geschäftsordnungsergänzung hinsichtlich des Ausschusses nach Art 45 GG war er nur mitberatend tätig und verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme an den federführenden Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Angesichts dessen erschien es doch sehr gewagt, den EG-Ausschuß der 12. Wahlperiode als Ausschuß nach Art. 45 GG zu bezeichnen, von dem erhebliche Fortschritte bei der Europapolitik des Bundestages erwartet worden waren 117 . Mit der seinerzeit kargen Ausstattung des EG-Ausschusses an Rechten und Personal ließ sich wohl auch schwerlich der Verfassungsauftrag des Art. 45 GG erfüllen. Es bleibt damit festzuhalten, daß der Bundestag seinem Verfassungsauftrag aus Art. 45 GG bis zur 13. Wahlperiode nicht nachgekommen war. Dazu kam es erst nach der Bundestagswahl 1994 am 16. Dezember 1994 durch ÄndeSiehe MöllerlLimpert, ZParl 1993, 21 (31). Vgl. Anlage 1 zur Ausschußdrucksache Nr. 12-6-47 des Ausschusses fiir Wah1prüfung, Inununität und Geschäftsordnung, S. 13. m Siehe oben, l. Kapitel B. I. 2. c) ee). 116 PüttnerlKretschmer, S. 29l. 117 Zu solchen EIWartungen siehe z.B. MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (30tf). 113
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
rung bzw. Einfügung der §§ 93 und 93 a GOBT 1I8 . Hierdurch wurde der Europaausschuß als 22. Ausschuß des Bundestages eingesetzt. Der Ausschuß gehört mit 39 ordentlichen Mitgliedern zu den größeren Ausschüssen. Daneben haben gern. § 93 a Abs. 6 GOBT elf deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments Zutritt zu den Sitzungen des Ausschusses 1l9 und verfügen über ein Mitwirkungsrecht, in dessen Rahmen sie die Behandlung von Verfahrensgegenständen anregen und während der Ausschußberatungen Auskünfte erteilen und Stellung nehmen können l20 . Gern. § 69 Abs. 1 Satz 1 GOBT verhandelt der Europaausschuß grundsätzlich in nicht öffentlicher Sitzung. bb) Delegationsbefugnis des Bundestages (1) Charakter der Delegation
Art. 45 Satz 2 GG bestimmt, daß der Bundestag den Europaausschuß ermächtigen kann, seine Rechte aus Art. 23 GG gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. Hierdurch wird dem Bundestag erstmals ausdrücklich und verfassungskräftig die Möglichkeit zur Delegation seiner Rechte eröffnet. Die Rechte, mit denen der Europaausschuß ausgestattet werden kann, sind folglich nicht originärer, sondern derivativer Natur l21 . Dementsprechend mußte der Bundestag - auch wenn dies nicht verfassungsrechtlich ausdrücklich bestimmt ist - nach erfolgter Ermächtigung des Ausschusses auch das Recht erhalten, die Angelegenheit wieder an sich zu ziehen, sog. Rückholrecht. Dieses Rückholrecht ist nunmehr in Art. 93 a Abs. 2 SAtz 2 GOBT festgeschrieben. Die Ermächtigung ist damit widerruflich, so daß der Bundestag Herr des Verfahrens bleibe22 • Es handelt sich demnach nicht um eine echte Delegation, da das Bundestagsplenum als Delegierender seine eigene Zuständigkeit zugunsten des Europaausschusses als Delegatar nicht vollständig aufgegeben hat. Durch das Rückholrecht hat sich das Plenum vielmehr vorbehalten, die delegierte Kompetenz weiterhin selbst ausüben zu dürfen. Es handelt sich mithin um eine unechte, konkurrenzscha::ffende Delegation 123 .
Siehe BGBl. I, 1995, S. 11. Diese Mitglieder des Europäischen Parlaments werden vom Präsidenten des Bundestages auf Vorschlag der Fraktionen, die im Europäischen Parlament vertreten sind, berufen, vgl. § 93 a Abs. 6 Satz 2 GOBT. 120 Von diesem Teilnahme- und Mitwirkungsrecht wird allerdings derzeit noch sehr weni Gebrauch gemacht. 12 MöllerlLimpert, ZPar121 (31). 122 Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 24. 123 Zu dieser Unterscheidung Staupe, S. 35. 111
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(2) Art der Ausschußermächtigung Die Formulierung ,,kann ... ermächtigen" zeigt bereits, daß die Delegation der Rechte nicht zwangsweise erfolgen muß, sondern fakultativ ist. Es besteht damit zwar eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Bestellung des Europaausschusses, jedoch keine Pflicht zu dessen Ermächtigung. Lange Zeit blieb die Art der Ermächtigung gesetzlich unklar, denn sowohl dem Wortlaut des Art. 45 GG als auch dem des § 2 EUZBBG konnte nicht entnommen werden, ob es sich bei der Ermächtigung zur Wahrnehmung des Rechte des Bundestages um eine generelle Ermächtigung handeln oder ob sie für jeden konkreten Anwendungsfall gesondert erfolgen sollte und ob und wielange sie in einem solchen Fall zeitlich befristet sein sollte. Auch die Gesetzesmaterialien gaben keine entsprechende Interpretationshilfe. So sprach der Sonderausschuß lediglich von einer Ermächtigung nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bundestages 124 und ließ ausdrücklich offen, ob der Bundestag den Ausschuß generell oder auf den Einzelfall bezogen ermächtigen können sollte, seine Rechte wahrzunehmenm. Allerdings kamen die Berichterstatter der GVK übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß die Ermächtigung nicht pauschal und generell, sondern nur von Fall zu Fall erteilt werden durfte l26 . Da die Lösung dieses Problems somit weder durch die Verfassung selbst noch durch das EUZBBG vorgegeben war, blieb sie einer künftigen Regelung in der Geschäftsordnung des Bundestages überlassen. Die im Dezember 1994 vorgenommene Ergänzung der Geschäftsordnung sieht nunmehr in § 93 a Abs. 2 Satz 1 die Ermächtigung des Ausschusses ausdrücklich vor. Dabei handelt es sich - im Anschluß an die Auffassung der Berichterstatter der GVK - nicht um eine generelle, sondern um eine Einzelermächtigung. Auf Antrag einer Fraktion oder 5 % der Mitglieder des Bundestages kann der Bundestag den Europaausschuß von Fall zu Fall dazu ermächtigen, die Rechte des Bundestages gern. Art. 23 GG im Hinblick auf eine Unionsvorlage gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen.
(3) Umfang der Ermächtigung Ebenfalls in der Verfassung und dem EUZBBG nicht eindeutig geregelt ist die Frage, in welchem Umfang die Ermächtigung des Europaausschusses vorzunehmen ist d.h., welche Rechte vom Bundestag delegiert werden können.
Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 21. m Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 23. 126 Siehe hierzu der Stenographische Bericht der 11. Sitzung der GVK vom 15. Oktober 1992, S. 4. 124
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
Nach Art. 45 Satz 2 GG kann der Bundestag den Europaausschuß ermächtigen, "die Rechte des Bundestages gemäß Artikel 23" gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. Damit bezieht Art. 45 GG den Umfang der Delegationsbefugnis auf alle dem Bundestag durch Art. 23 GG zugewachsenen Rechte, d.h. auf die Informations-, Befassungs- und Beschlußrechte des Plenums in den Angelegenheiten der EU 127 . Dagegen sieht § 2 Satz 2 EUZBBG vor, daß sich die Ermächtigung darauf bezieht, "Stellungnahmen für ihn abzugeben". Damit erfaßt § 2 EUZBBG ausdrücklich nicht die Delegation von Informationsrechten des Bundestages und bleibt formal hinter der grundgesetzlichen Regelung des Art. 45 GG zurück. Die GVK hat hierzu festgestellt, daß die Möglichkeit zur Delegation die Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages umfaße 28 • Gesetzestechnisch handelt es sich bei der Wortlautabweichung des § 2 EUZBBG vom Inhalt des Art. 45 GG offenbar um eine redaktionelle Ungenauigkeit, der allerdings keine wesentliche Bedeutung zugemessen werden sollte. Die einfachgesetzliche Norm des § 2 EUZBBG spezifiziert scheinbar lediglich die Delegation auf den wichtigsten Teil der parlamentarischen Beteiligungsrechte - die Stellungnahme. Dadurch wird deren Bedeutung noch einmal besonders hervorgehoben. Diese Intention wird man auch dem Sonderausschuß unterstellen können, in dessen Anmerkung zu Art. 45 GG lediglich von der Ermächtigung zum ,,Handeln" gegenüber der Bundesregierung die Rede ise29 . Schließlich erfaßt die Verfassungsnorm als letztlich maßgebliche Vorschrift die Delegation aller Rechte, sodaß auch die Übertragung von Informationsrechten auf den Ausschuß möglich erscheint 130 . Dem folgt auch der neuen § 93 a Abs. 2 Satz 1 GOBT, der von der Wahrnehmung der Rechte des Bundestages gern. Art. 23 GG spricht. Daß der Europaausschuß über eigene Informationsrechte verfugt, ist bereits in einer Ressortabsprache vom 10. November 1995 festgelegt worden, wonach der Europaausschuß im Rahmen einer zusätzlichen Unterrichtung über solche Rechtsakte und sonstige Beschlüsse der Kommission von grundsätzlicher Bedeutung und erheblicher Auswirkung auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland unterrichtet werden soll, die nicht im Wege des förmlichen Zuleitungsverfahrens an den Bundestag übersandt werden. Allerdings gilt dieses Unterrichtungsrecht unabhängig von einer Ermächtigung nach § 93 a Abs. 2 Satz 1 GOBT. Das gleiche gilt für die Berichtspflicht der Bundesregierung über die Grundzüge der Beratungen in den Gremien der Europäischen Union gern. § 8 der gern. § 93 a Abs. 7 GOBT aufgestellten Grund127 Nicht hierher gehört die Erörterung der Frage, ob die Delegation auch fiir die Rechte des Bundestages nach Art. 23 Abs. 1 GG gelten soll. 128 Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 24; ebenso MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (31). 129 Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 21. 130 Im Ergebnis ebenso Groos, S. 1 (2).
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sätze des Europaausschusses über die Behandlung der ihm gern. § 93 GOBT zugeleiteten Unionsvorlagen vom 25. Oktober 1995. Das Novum dieser Regelung liegt in dem Umstand, daß die Stellungnahmen des Europaausschusses bei einer entsprechenden Ermächtigung nunmehr als solche des Bundestages gelten und - so der Europaausschuß eine verbindliche Stellungnahme abgibt - eine abschließende Beratung und Abstimmung des Plenums damit entbehrlich wird. Dies hat zur Folge, daß die Stellungnahme des Europaausschusses von der Bundesregierung in gleicher Weise zu berücksichtigen ist wie die des Plenums l3l . (4) Verfahren bei der Abgabe der Stellungnahme durch den Europaausschuß
Bei Vorliegen einer Ermächtigung des Ausschusses zur Abgabe einer Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung richtet sich das Vorgehen nach den §§ 6 und 7 der Grundsätze des Europaausschusses über die Behandlung der Unionsvorlagen vom 25. Oktober 1995. Im Falle des Art. 93 a Abs. 2 Satz I GOBT hat der Europaausschuß vor Abgabe seiner Stellungnahme eine Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse einzuholen. Stellt sich heraus, daß die Stellungnahmen des Europaausschusses von derjenigen eines oder mehrerer mitberatender Ausschüsse abweicht, so soll eine gemeinsame Sitzung der Ausschüsse anberaumt werden, in der über die Stellungnahme abzustimmen ist. Diese Abstimmung kann gern. §§ 93 a Abs. 3 Satz 4, 72 Satz 2 GOBT in Eilfallen auch schriftlich durch die Vorsitzenden der Ausschüsse herbeigeführt werden. Besteht aufgrund der in zeitlicher Nähe anstehenden Entscheidung auf europäischer Ebene großer Zeitdruck, so kann auch gern. § 93 a Abs. 3 Satz 2 GOBT ein vereinfachtes Verfahren gewählt werden, bei der es keiner ausdrücklichen Ermächtigung des Europaausschusses nach § 93 a Abs. 2 Satz 1 GOBT bedarf, der Europaausschuß aber gleichwohl in Abstimmung mit den übrigen befaßten Ausschüssen, die außerhalb einer offiziellen Sitzung auf Vorsitzendenebene gern. § 7 der Grundsätze über die Behandlung von Unionsvorlagen herbeizuführen ist, eine Stellungnahme an die Bundesregierung richten kann. Hierbei haben die übrigen Ausschüsse ein Widerspruchsrecht, für das eine bestimmte Frist zu vereinbaren ist. Erfolgt ein solcher Widerspruch nicht, gibt der Europaausschuß seine Stellungnahme gegenüber der Bunderegierung ab.
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Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 24.
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4. Kapitel: Die Mitwirktmgsrechte des Blmdestages
Für den Fall, daß der Europaauschuß eine Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung beschließt, erstattet er dem Bundestag gern. § 93 a Abs. 4 GaBT über den Inhalt und die Begründung dieser Stellungnahme einen Bericht, der als Bundestagsdrucksache verteilt wird und innerhalb von 3 Sitzungswochen auf die Tagesordnug des Plenums zu setzen ist. Eine Aussprache findet jedoch nur auf Antrag statt. In diesem Bericht teilt der Ausschuß dem Plenum gern. § 5 der Grundsätze über die Behandlung von Unionsvorlagen auch die Auffassung der beteiligten Ausschüsse mit. ce) Stellung gegenüber den Fachausschüssen Mit der Verankerung in Art. 45 GG erhält der Europaausschuß neben dem Auswärtigen Ausschuß, dem Petitionsausschuß und dem Verteidigungsausschuß als vierter Ausschuß Verfassungsrang. Der Umstand, daß er weder mit dem Auswärtigen und dem Verteidigungsausschuß in Art. 45a GG noch mit dem Petitionsausschuß in Art. 45c GG zusammen genannt wird, sondern einen eigenen Standort erhalten hat, sollte nach Auffassung der GVK 132 zum einen die Bedeutung des Ausschusses für die Rolle Deutschlands im weiteren europäischen Integrationsprozeß deutlich werden lassen. Zum anderen war die GVK aber auch deshalb um eine bereits formale Abgrenzung gegenüber den anderen Fachausschüssen bemüht, um die andersartige Funktion des Europaausschusses nach außen hin kenntlich zu machen 133 • In der Regel erfüllen die Ausschüsse des Bundestages lediglich beratende und vorbereitende Aufgaben, Entscheidungen werden dagegen vom Plenum des Bundestages getroffen 134 . Die Bundestagsausschüsse sind gern. § 62 Abs. 1 Satz 2 GOBT als vorbereitende Beschlußorgane des Plenums konzipiert. Ihre Zuständigkeit beschränkt sich auf die ihnen zur Federführung oder zur Mitberatung überwiesenen Vorlagen, ihr Befassungsrecht bezieht sich lediglich auf den eigenen Geschäftsbereich 135. Vor allem kommt den Ausschußempfehlungen aber i.d.R. keine Außenwirkung für den Bundestag ZU136. Davon abweichend kann nun der Europaausschuß im Falle einer entsprechenden Ermächtigung anstelle des Plenums gegenüber der Bundesregierung Stellungnahmen abgeben, die wie die Stellungnahmen des Bundestages von der Bundesregie-
132 Ebd.; Art. 45 GG war u.a. Gegenstand der 2.' Empfehllmg der GVK zum Themenkomplex "Gnmdgesetz lmd Europa" vom 15. Oktober 1992. 133 Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 24. 134 Bleckmann, Staatsrecht I, Rdnr. 1898. m MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (31). 136 TroßmannIRoll, Parlamentsrecht des Deutschen Blmdestages, 1981, Rdnr. 1 zu § 62 GOBT.
B. Die Mitwirlamgsrechte im einzelnen
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rung zu berücksichtigen sind. Seine Entscheidungen wirken somit im Außenverhältnis gegenüber der Bundesregierung. Durch seine (angestrebte) Position als parlamentarischer Ansprechpartner der Bundesregierung in europäischen Angelegenheiten sollte sich sein Befassungsrecht auch nicht lediglich auf einen Ressortbereich beschränken, sondern darauf gerichtet sein, die gesamte Europapolitik der Bundesregierung flächendeckend zu begleiten 137 . Logische Konsequenz dieser Intentionen war es, den Europaausschuß mit einem Selbstbefassungsrecht auszustatten. Obgleich seine sachliche Zuständigkeit auch gern. § I der Grundsätze des Europaausschusses über die Behandlung von Unionsvorlagen sehr weit auszulegen ist 138 , kann der Europaausschuß darüber hinaus gern. § 62 Abs. I Satz 3 GüBT wie die anderen Ausschüsse des Bundestages Angelegenheiten zum Verhandlungsgegenstand erklären, die außerhalb seiner Zuständigkeiten nach § lAbs. 1 der Grundsätze liegen, gleichwohl jedoch die Interessen der Bundesrepublik Deutschland berühren könnten, sog. ,,zugriffsrecht" oder "selbstveranlaßte Überweisung". Dadurch wird es dem Europaausschuß ermöglicht, von sich aus dem Plenum Beschlüsse zu empfehlen, auch wenn ihm keine entsprechende Vorlage zugewiesen wurde. Solche Empfehlungen sollen jedoch für das Plenum nicht rechtlich verbindlich sein 139 . Hintergrund dieser Regelung war die Vorstellung, daß der Europaausschuß sich als Kontroll- und Begleitgremium gegenüber der Bundesregierung im Hinblick auf deren Aktivitäten in der EU verstehen und damit den Bundestag als Ganzes gegenüber der Bundesregierung repräsentieren können sollte, um die verfassungsrechtliche Stellung des Parlaments gegenüber der Regierung in EU-Angelegenheiten zu verdeutlichen. Durch die Tätigkeit des Europaausschusses sollen die Zuständigkeiten und Arbeitsmöglichkeiten der Fachausschüsse bezüglich der Unionsvorlagen keinesfalls geschmälert, sondern vom Europaausschuß politisch gestützt und als eine Art "Clearing-Stelle"140 koordiniert werden 141 . Seine Funktion soll die des Parts und Widerparts im MöllerlLimpert; ZParl1993, 21 (32). Gern. § 1 Abs. 1 der Gnmdsätze bezieht sie sich auf die Behandlung von Unionsvorlagen gern. § 93 Abs. 1 GOBT, d.h. förmlich von der Bundesregierung dem Ausschuß zugeleitete Dokumente sowie auf Unionsdokumente gern. § 93 Abs. 2 GOBT, d.h. Unionsvorlagen und deren Entwürfe. 139 Siehe hierzu und im folgenden den Bericht des Abg. Dr. Möller zu TOP 1 der 9. Sitzung der GVK vom 9. Juli 1992, Arbeitsunterlage der GVK Nr. 67, S. 3. 140 MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (31). 141 So hat der Europaausschuß keine automatische Federfiihrung erhalten und im Falle der Federfiihrung wird auf die Mitberatung der übrigen Fachausschüsse nicht verzichtet. Hierbei stellt sich allerdings die Frage, ob sich unter der Mitberatung der Fachausschüsse die Maxime der Beschleunigtmg des Beratungsverfahrens auf Dauer noch im beabsichtigten Maße verwirklichen lassen wird; solche Bedenken äußert auch Everling, DVBI 1993, 936 (946). ln Eilfallen sollte daher im Falle der Federfiihrung des Europaausschusses auf die Mitberatung der Fachausschüsse verzichtet werden können. 137
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4. Kapitel: Die Mitwirktmgsrechte des Btmdestages
komplexen Informations- und Abstimmungsprozeß zwischen Bundestag und Bundesregierung erfüllen 142 • Dies zeigt das starke Bestreben, die Bedeutung des Europaausschusses über diejenige der EU-Kammer des Bundesrates hinausgehen zu lassen, weIche lediglich in Eil- oder besonderen Vertraulichkeitsfällen anstelle des Plenums tätig wird. Ein Streitpunkt, der in der Vergangenheit oftmals zu Problemen zwischen dem EG-Ausschuß von 1991 und den Fachausschüssen geführt hatte, war die Frage der Federführung gewesen. Auch in diesem Punkte sollte die Stellung des Europaausschusses gegenüber derjenigen des EG-Ausschusses deutlich verbessert werden. Im Vorfeld der Ergänzung der Geschäftsordnung stellte sich daher die Frage, ob der Europaausschuß automatisch immer oder nur dann federführend tätig werden sollte, wenn er ermächtigt wird, die Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen und ob er wenn nicht federführend - so doch automatisch mitberatend sein sollte. § 93 a GOBT sowie die Grundsätze des Europaausschusses über die Behandlung von Unionsvorlagen vom 25. Oktober 1995 haben diese Frage nun eindeutig beantwortet. Zunächst ist der Europaaauschuß nicht automatisch bei allen ihm überwiesenen Vorlagen federführend. Dies ergibt sich aus § 93 a Abs. 5 GOBT, wonach dem Ausschuß auch Vorlagen zur Mitberatung überwiesen werden. § 4 Abs. I der Grundsätze über die Behandlung von Unionsvorlagen bestimmt allerdings, daß der Europaausschuß in den Fällen einer ausdrücklichen Ermächtigung gern. § 93 a Abs. 2 Satz 1 GOBT die Federführung regelmäßig beanspruchen soll. Durch die Wortwahl "soll" wird deutlich, daß der Ausschuß die Federführung zwar beantragen kann, es jedoch keinesfalls zwingend ist, daß er sie auch erhält. Gern § 4 Abs. 2 dieser Grundsätze soll hierzu der Vorsitzende des Europaausschusses den Vorsitzenden der beteiligten Ausschüsse einen Überweisungsvorschlag zur Bestimmung des federführenden und der mitberatenden Ausschüsse vorlegen. Innerhalb von 3 Sitzungstagen haben diese ihre Bedenken an dem Vorschlag - soweit vorhanden - mitzuteilen. Die Präsidentin des Bundestages entscheidet sodann über die Überweisung. Nach diesen Regelungen kommt eine Federführung nicht nur, aber vor allem dann in Betracht, wenn ein Fall der Ermächtigung des Ausschusses vorliegt. Da im übrigen die Zuständigkeit des Europaausschusses weit zu fassen ist, wird der Ausschuß regelmäßig wenigstens mitberatend tätig. Ausdrücklich ist dies der Fall, wenn die Unionsvorlage ihm von der Präsidentin zur Mitberatung überwiesen wird. Im übrigen kann der Ausschuß von seinem Selbstbefassungsrecht Gebrauch machen. Im Falle einer Überweisung zur Mitberatung steht dem Europaausschuß gern. § 93 a Abs. 5 GOBT das Recht zu, Änderungsanträge zur Beschlußempfehlung des federführenden Ausschusses zu stellen. 142
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dd) Bisherige Praxis Obgleich mit der Verfassungsänderung und der Ergänzung der Geschäftsordnung die Möglichkeiten zu einer Sonderstellung des Europaausschusses geschaffen worden sind, ist festzustellen, daß diese Möglichkeiten hinter den Vorstellungen der GVK und des Sonderausschusses deutlich zurückgeblieben sind. Bereits anhand des Gesetzestextes läßt sich unschwer erkennen, daß der Europaausschuß nicht zu dem teilweise erhofften und teilweise befürchteten "Superausschuß" werden kann, der alle Unionsangelegenheiten an sich zieht und ohne Rücksicht auf die übrigen Ausschüsse, deren Zuständigkeitsbereich durch Unionsvorlagen berührt wird, Stellungnahmen anstelle des Plenums an die Bundesregierung richten kann. Vielmehr ist der Europaausschuß in seinem Handeln auf die Abstimmung mit den übrigen Ausschüssen angewiesen. Ein Blick auf die Praxis verschafft zusätzliche Ernüchterung, denn gegenüber dem EG-Ausschuß von 1991 hat sich an der tatsächlichen Sachlage kaum etwas geändert. So hat es eine formelle Ermächtigung des Europaausschusses gern. § 93 a Abs. 2 Satz 1 GOBT bis heute noch nicht ein einziges Mal gegeben. Auch zu dem informellen Verfahren zur Abgabe einer Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung nach § 93 a Abs. 3 Satz 2 GOBT ist es bislang noch nicht gekommen. Zwar ist dies verschiedentlich vom Ausschuß abgestrebt worden, letztlich konnte er sich jedoch aufgrund Widerspruchs seitens der beteiligten Fachausschüsse nicht durchsetzen. Offenbar ist von den übrigen Fachausschüssen die Intention, die mit der verfassungsrechtlichen Verankerung des Europaausschusses verbunden war, völlig verdrängt worden. Auch in der Angelegenheit der Federführung ist es kaum zu Veränderungen gekommen. Hinsichtlich europäischer Legislativvorhaben, also eines Bereichs, in dem die effektive Nutzung der Instrumente des Bundestages zur Kompensation des durch die Integration erlittenen Verlusts an Kompetenzen besonders bedeutsam ist, wurde die Federführung noch nicht ein einziges Mal auf den Europaausschuß übertragen. Derzeit werden solche Vorlagen dem Ausschuß allenfalls zur Mitberatung übersandt. Wenn überhaupt, so ist es zur Federführung des Europaausschusses nur bei solchen Vorlagen gekommen, die keine Legislativvorhaben zum Inhalt hatten. So erhielt der Ausschuß Ende 1995 die Federführung bei der Beratung über die Positionen des Bundestages zur Folgekonferenz zum Maastrichter Vertragl43. Auch vom Selbstbefassungsrecht macht der Europaausschuß bislang nur sehr spärlich Gebrauch. Begründet wird dieses neuerliche Dilemma eines Bundestagsausschusses für europäische Angelegenheiten vornehmlich mit der fehlenden personellen Ausstattung der Verwaltung des Ausschusses. Es muß tatsächlich bezweifelt werden, 143 Beschlußempfehlung und Bericht des Europaausschusses, BT-Drucks. 13/3247. 20 Lang
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4. Kapitel: Die Mitwirlomgsrechte des Bundestages
ob ein Bundestagsausschuß, dem - anders als dem EU-Ausschuß des Bundesrates - der gesamte Fachunterbau in Gestalt eines kompetenten Beamtenapparats fehlt, überhaupt in der Lage sein kann, dem in Artt. 45 und 23 GG enthaltenen Verfassungsauftrag nachzukommen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die Praxis der übrigen Fachausschüsse, für die keine solchen Instrumentarien vorgesehen sind wie für den Europaausschuß, sehr viel öfter federführend an Unionsvorlagen beteiligt sind, als dies beim Europaausschuß der Fall ist. Das Argument der personellen Unterbesetzung ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, allerdings kann es nicht darüber hinwegtäuschen, daß es gewiß nicht zur Erfüllung der verfassungsrechtlichen Aufgaben des Europaausschusses beiträgt, wenn der Ausschuß sich zudem immer noch in erheblichem Maße mit dem Widerstand durch die übrigen Fachausschüsse, welche auf die Sicherung ihrer Pfründe bedacht sind, auseinandersetzen muß und im Rahmen dieser Auseinandersetzung regelmäßig unterliegt. Der Umstand, daß - nachdem der Europaausschuß bereits im Vorfeld in erheblichem Maße Vorschußlorbeeren erhalten hatte (,,zentrales Organ", "Clearing-Stelle", etc.) - es dem Bundestag trotz Einigkeit der Fraktionen in grundlegenden Sachfragen erst zwei Jahre nach der Grundgesetzänderung gelang, die Geschäftsordnung zu ändern und den Europaausschuß einzusetzen, kann daher offenbar als symptomatisch für das Dilemma des Ausschusses angesehen werden. Insgesamt hat sich damit der Bundestag im Gegensatz zum Bundesrat 144 ein weiteres Mal als unfähig erwiesen, dem vorbereiteten Weg seiner Interessenwahrung konsequent zu folgen. Der Vorwurf mangelnden Problembewußtseins in europäischen Angelegenheiten besteht damit unvermindert fort. j} Frist zur Abgabe der Stellungnahme Nach § 5 Satz 2 EUZBBG muß die Frist für die Abgabe der Stellungnahme so bemessen sein, daß der Bundestag ausreichend Gelegenheit hat, sich mit der Vorlage zu befassen. Der Bundestag erwartet von dieser Vorschrift, daß die Bundesregierung ihm den geeigneten Zeitpunkt für die Abgabe seiner Stellungnahme empfiehlt, zu dem die Verhandlungen im Rat eine Berücksichtigung dieser Stellungnahme erlauben 14S . Dieser Hinweis soll nach Ansicht des Sonderausschusses so rechtzeitig erfolgen, daß der Bundestag die Gelegenheit hat, sich frühzeitig auf die Situation und deren zeitliche Erfordernisse einzustellen und seine Beratung dementsprechend zu organisieren 146 .
144 Dieser hatte bereits im November 1993 seine Geschäftsordnung hinsichtlich der lediglich fakultativ einzurichtenden Europakammer gern. Art. 52 Abs. 3a GG ergänzt, siehe oben, 3. Kapitel B. IV 2. c) aa). 14' Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 24. 146 Ebd.
B. Die Mitwirklmgsrechte im einzelnen
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2. Die Berücksichtigung der Stellungnahme
Gern. Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen in den europäischen Beratungsgremien der EU.
a) Die Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung
Die Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung ist zum einen in Art. 23 Abs. 3 GG, zum anderen in § 5 Satz 3 EUZBBG festgelegt. aa) ,,Berücksichtigen" gern. Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG
Nach Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG "berücksichtigt" die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundestages bei den Verhandlungen. Damit lehnt sich das Gesetz an die bereits für die Mitwirkungsrechte des Bundesrates gefundene Formulierung an. Auch die Bedeutung der Wortwahl entspricht einander. Die Stellungnahme ist dazu bestimmt, auf den internen Prozeß der Willensbildung der Bundesregierung in europäischen Rechtsetzungs- und rechtsetzungsähnlichen Angelegenheiten Einfluß zu nehmen. Dieser Willensbildungsprozeß beinhaltet die Festlegung des Standpunktes sowie der Verhandlungsposition und -strategie der Bundesregierung in den europäischen Gremien sowie insbesondere im Ministerrat, wo die abschließenden Entscheidungen über die Rechtsetzungsvorhaben getroffen werden 147 . Daher tritt die Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung auch bereits in dem Zeitpunkt ein, in dem sie sich ihre Meinung bildet und die Verhandlungsposition festlegtl48. In diesem Moment hat die Bundesregierung die in der Stellungnahme des Bundestages enthaltenen Argumente - ebenso wie die des Bundesrates bei der einfachen Berücksichtigung - zur Kenntnis zu nehmen; sie muß sich mit ihnen inhaltlich auseinandersetzen und sie in ihre Entscheidungsfindung miteinbeziehen 149 . Im für den Bundestag günstigsten Fall macht sich die Bundesregierung dessen Argumentation zu eigen und übernimmt seine Stellungnahme gänzlich. Eine Pflicht hierzu besteht jedoch nicht ISO • Denn aus dem Wortlaut der Vor147 Abgesehen vom Kodezisionsverfahren nach Art. 189 bEG-Vertrag, welches auch dem Europäischen Parlament eine gewisse Entscheidungsgewalt verleiht, siehe oben, 2. Kapitel A 11. 1. c) aa). 141 MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (28). 149 Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 22. I~O MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (28). 20'
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bwtdestages
schrift ergibt sich bereits, daß die Pflicht zur Berücksichtigung lediglich eine mehr oder weniger intensive Befassung mit der Stellungnahme vorschreibt, ein Ergebnis hinsichtlich der tatsächlichen Übernahme von Standpunkten oder Argumenten dagegen offenläßt. Um dieser Pflicht zu genügen, reicht es demnach offenbar bereits aus, wenn die Bundesregierung keines der vom Bundestag angeführten Argumente oder Zielsetzungen übernimmt und sich auch keine seiner Forderungen in ihrer Willensbildung und in ihrem Verhandlungsverhalten niederschlägt. Entscheidend ist lediglich, daß die Bundesregierung nachweisen kann, sich inhaltlich mit den Vorschlägen und Hinweisen des Bundestages befaßt und eine Übernahme seiner Stellungnahme mindestens in Erwägung gezogen zu haben 151 . Zwischen diesen beiden Extrempositionen von totaler Übernahme und völliger Ablehnung ist eine Fülle von Möglichkeiten der Berücksichtigung denkbar. Sie reicht von einer teilweisen Übernahme der Stellungnahme über eine Ausrichtung an den Zielsetzungen oder der Artikulation der deutschen Vorstellungen bis hin zur entsprechenden Interpretation des geplanten Rechtsetzungsaktes. Damit obliegt der Bundesregierung eine Befassungs-, Begründungs- und Sorgfaltspflicht l52 . Bei diesen Pflichten steht ihr ein Spielraum zu, der dem Spielraum von Behörden zu eigener und eigenverantwortlicher Wahl und Entscheidung im Rahmen von Ermessensakten gleicht. Dementsprechend sind mehrere unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Verhaltensweisen der Bundesregierung rechtlich zulässig l53 . bb) ,,zugrundelegen" gern. § 5 Satz 3 EUZBBG Im Gegensatz zu Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG sieht das EUZBBG in § 5 Satz 3 vor, daß die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundestages ihren Verhandlungen in den Gremien der EU ,,zugrundelegt". Die im Sonderausschuß mitberatenden Vertreter der Länderseite, aber auch die Bundesregierung sahen hierin einen Widerspruch zu der im Grundgesetz enthaltenen Formulierung der ,,Berücksichtigung" und damit den Versuch des Bundestages, über den Umfang der Beteiligungsrechte des Bundestages hinauszugehen, welchen der in der GVK erzielte Komprorniß vorgesehen hatte. Der Begriff des ,,zugrundelegens" verpflichte die Bundesregierung in einem viel größeren Umfang als der Begriff der ,,Berücksichtigung". Mit Hilfe des § 5 Satz 3 EUZBBG könnte demnach der Begriff der ,,Berücksichtigung" bei der Stellungnahme des Bunm Einen Vergleich zwischen dem Begriff der BeTÜcksichtigwtg wtd einem Abwäim Baurecht zieht Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (207). 1.2 MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (28). m Siehe zum Ermessenspielraum von Behörden ErichsenJMartens, § 1211.2. b).
gwt~sbelang
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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destages weiter auszulegen sein als bei der Stellungnahme des Bundesrates, obwohl das Grundgesetz selbst offenbar keinen Unterschied zwischen der Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundestages und des Bundesrates macht - sofern es sich nicht um die maßgeblich zu berücksichtigende Stellungnahme des Bundesrates in Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG handelt. Daher vertrat der Bundesrat die Auffassung, daß § 5 Satz 3 EUZBBG gegen den in Art. 23 GG festgelegten Grundsatz verstoße, daß der Stellungnahme des Bundesrates ebensoviel Bedeutung beizumessen sei wie der Stellungnahme des Bundestages 1S4 . Bereits in den Verhandlungen der GVK war der Antrag gestellt worden, Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG so umzuformulieren, daß die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundestages ihren Verhandlungen zugrundezulegen habe lSS . Der Antrag wurde jedoch von der Kommission mit der Begründung abgelehnt, daß, sofern es sich um die Form der einfachen Berücksichtigung einer Stellungnahme des Bundesrates handele, den Stellungnahmen von Bundesrat und Bundestag die gleiche Bedeutung zuzumessen sei IS6. Die beiden Entwürfe für das EUZBBG hatten demgegenüber von vornherein die Formulierung des ,,zugrundelegens" enthalten 1S7 • Dabei war man sich durchaus darüber im klaren gewesen, daß dieser Wortlaut nicht im Einklang mit der grundgesetzlichen Regelung des Art. 23 Abs. 3 Satz 2 stand. Nach langwierigen Beratungen kam der Sonderausschuß jedoch "einmütig" zu dem Ergebnis, daß "berücksichtigen" den gesamten Prozeß der Willensbildung auf europäischer Ebene zu Rechtsetzungsakten der EU vom Beginn bis zur Schlußabstimmung im Rat erfasse. Demgegenüber bezeichne ,,zugrundelegen" lediglich den Anfang dieses Willenbildungsprozesses 1s8 . Nach dieser Interpretation des Sonderausschusses umfaßt also der allgemeine Begriff der ,,Berücksichtigung" den des ,,zugrundelegens" der Stellungnahme, so daß kein Widerspruch zwischen beiden Begriffen bestehe s9 . Auch dem Wortlaut nach ist diese Auffassung im Ergebnis zu teilen, denn ,,zugrundelegen" bedeutet lediglich, daß die Stellungnahme des Bundestages als Basis für die Willensbildung der Bundesregierung dient. Ebenso wie der Begriff der ,,Berücksichtigung" enthält ,,zugrundelegen" aber kein finales Element, das die Bundesregierung auf die Bildung eines der Stellungnahme entsprechenden Willens festlegt. Die Möglichkeit zur Abweichung von der Stellungnahme ist in beiden Fällen gegeben. ,,zugrundelegen" stellt demnach lediglich sicher, daß die Bundesregierung sich in einem Stadium mit der Stellungnahme des Bundestages befaßt, in dem sie noch l~ BR-Drucks. 853/92 (Beschluß), S. 2. m Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 22. 1~6 Ebd. m BT-Drucks. 12/3609 und BT-Drucks. 12/3614. m Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 19. m Ebd., S. 24.
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BWldestages
offen für dessen Argumente ise 60 . Dies entspricht aber auch der Rechtslage bei der Berücksichtigung des Bundesratsvotums161 . Wie oben bereits dargestellt wurde 162 , teilten die Ländervertreter diese Einschätzung nicht. Sie hielten die Regelung in § 5 Satz 3 des EUZBBG trotz übereinstimmender Auslegung des Sonderausschusses und der Bundesregierung163 weiterhin für einen Verstoß gegen höherrangiges Recht. Bei der Anrufung des Vermittlungsausschusses zwecks Streichung dieser Vorschrift machte sich der Bundesrat diese Argumentation zu eigen l64 . Das Vermittlungsverfahren blieb in diesem Punkt jedoch für die Länderseite ohne Erfolg, denn der Vermittlungsausschuß empfahl, es bei der umstrittenen Formulierung zu belassen l6S . Dem stimmte der Bundesrat schließlich zu und gab sich mit der beschriebenen Auslegung des § 5 Satz 3 EUZBBG zufrieden 166 . cc) Fazit Interpretiert man das ,.z;ugrundelegen" der Stellungnahme in § 5 Satz 3 EUZBBG in der dargestellten Weise, besteht mithin kein Widerspruch zwischen der einfachgesetzlichen und der grundgesetzlichen Vorgabe zur Berücksichtigung des Bundestages. Insbesondere ergibt sich kein Unterschied zur einfachen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG 167 . In beiden Fällen besteht damit innerstaatlich eine politische Bindung der Bundesregierung an die Stellungnahmen168 . b) Anwendungsbereich
Ebenso wie bei der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG und § 5 Satz 1 EUZBBG unterscheidet weder Art. 23
160 Dies setzt allerdings voraus, daß das Votum des BWldestages bereits frühzeitig vorliegt, was wiederum wegen der notwendigen Koordination der Ausschußberatwtgen schwierig sein dürfte. 161 Siehe oben, 3. Kapitel B. Iv. 2. 162 Siehe oben, 2. Kapitel B. ill. 3. 163 Hierzu siehe Schlußbericht des Sonderausschusses BT-Drucks. 12/3896, S. 24. 164 BR-Drucks. 853/12 (Beschluß), S. 2. 16~ BT-Drucks. 12/4247. 166 Stenographischer Bericht der 652. Sitzung des BWldesrates vom 12. Februar 1993, S. 20 A Wld B. 167 Schlußbericht der GVK 12/6000, S. 22; MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (27). 161 Siehe Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 19 sowie Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 29.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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Abs. 3 Satz 2 GG noch § 5 Satz 3 EUZBBG bei der Berücksichtigung der Stellungnahme danach, ob das betreffende Rechtsetzungsvorhaben innerstaatlich im Schwerpunkt in den Zuständigkeitsbereich des Bundes oder der Länder fälle 69 . Daraus folgt, daß die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundestages immer zu berücksichtigen hat. Dies gilt demnach auch in den Fällen, in denen das Vorhaben schwerpunktmäßig den Kompetenzbereich der Länder betrifft. c) Das Verhältnis der Stellungnahme zum "schlichten Parlamentsbeschluß" Teilweise wird die Stellungnahme als Fortentwicklung des schlichten Parlamentsbeschlusses angesehen und als "verfassungsrechtliches Novum" bezeichnet l70 . Im folgenden soll untersucht werden, ob diese These zutrifft und worin der Unterschied zwischen beiden Äußerungsformen des Parlaments liegt. aa) Der schlichte Parlamentsbeschluß Der schlichte Parlamentsbeschluß zählt zu den klassischen Kontrollinstrumenten des Bundestages l71 . Als grobe Definitionsanleitung lassen sich die schlichten Parlamentsbeschlüsse als Hoheitsakte des Parlaments beschreiben, die nicht im Gesetzgebungsverfahren ergehen und sich nicht allein auf die intraparlamentarischen Rechtsverhältnisse beziehen 172 . Sie sind zu unterscheiden von den echten Beschlüssen, denen eine rechtliche Bindungswirkung zukommt, wenn und soweit das Grundgesetz ihnen diese Eigenschaft zumißt. Zu solchen Beschlüssen zählen z.B. die Gesetzesbeschlüsse nach Artt. 76ff. GG, aber auch Wahlprüfungsentscheidungen, die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten nach Art. 46 Abs. 2 GG oder auch die Feststellung des Verteidigungsfalles nach Art. 115a GG 173 . Die Abgrenzung vom fcirmlichen Gesetz erfolgt im Hinblick auf das Verfahren beim Zustandekommen, d.h., ein schlichter Parlamentsbeschluß ist eine nicht in Gesetzesform verabschiedete Parla-
Siehe oben, unter 1. a). MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (28). 171 Zum schlichten Parlamentsbeschluß ausführlich Sellmann, ,,Der schlichte Parlamentsbeschluß". 172 Achterberg, S. 738. 173 Siehe Stern, Staatsrecht, Bd. 2, § 26 11. 2. c) sowie H.H. Klein, in: HdStR, Bd. 11, § 40 Rdnr. 11. 169
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bwtdestages
mentsentscheidung l74 • Der schlichte Parlamentsbeschluß ist zudem thematisch nicht auf Materien beschränkt, die Inhalt eines Gesetzes sein könnten. Er kann darüberhinaus als Äußerung des Bundestages zu exekutivischen Entscheidungen der Bundesregierung eingesetzt werden l7S . Meist besteht er in einem Ersuchen an die Regierung (z.B. Rücktrittsgesuch an einen Minister) oder legt die Auffassung der Bundestages zu nationalen oder internationalen Fragen dar 176 . Die Parlamentsbeschlüsse bilden keine homogene Gruppe. Schlichte Parlamentsbeschlüsse beruhen entweder auf grundgesetzlicher, einfachgesetzlicher oder geschäftsordnungsrechtlicher Anordnung; zulässig sind sie aber auch dann, wenn sie sich nicht auf eine Rechtsquelle des Außenrechts stützen können 177 . In diesem Fall bestehen sie ausschließlich im politischen Raum 178 . Bei einem Vergleich des herkömmlichen schlichten Parlamentsbeschlusses mit der Stellungnahme des Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 GG kommt es weniger auf die normative oder faktische Zulässigkeit des Parlamentsbeschlusses als vielmehr auf seine Verbindlichkeit gegenüber der Bundesregierung an. Welche Form der Verbindlichkeit schlichten Parlamentsbeschlüssen zukommt, ist allerdings noch immer umstritten. Während vereinzelt die Ansicht vertreten wird, daß auch sie zuweilen Rechtsverbindlichkeit begründen können l79 , sind die schlichten Parlamentsbeschlüsse nach überwiegender Ansicht zwar zulässig, vermögen jedoch i.d.R. die Bundesregierung rechtlich nicht zu binden 180. Begründet wird dies richtigerweise zumeist mit dem Gewaltenteilungsprinzip, aus dem abzuleiten ist, daß verbindliche Weisungen des Parlaments - so sie nicht ausdrücklich vom Grundgesetz vorgesehen sind - in den Kernbereich der Exekutiventscheidungen eingreifen l81 . Dennoch ist die Bedeutung des schlichten Parlamentsbeschlusses nicht zu unterschätzen, da er die Meinung der Mehrheit des Plenums und deren politische Absichten dokumentiert l82 . Die Bundesregierung erhält durch ihn die Möglichkeit, die aktuel174 So die h.M., siehe Kratzer, BayVBI 1966,365 (367); Butzer, AöR 119 (1994), 61 (70); Achterberg, S. 738 m.w.N. m J. Ipsen, "Staatsorganisationsrecht" , § 5, 2. c). 176 Siehe Stern, Staatsrecht Bd. 2, § 26 11. 2. c). 177 Butzer, AöR 119 (1994),61 (67); Achterberg, S. 739. 171 Achterberg, S. 739 . . 179 Siehe Kretschmer, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht wtd Parlarnentspraxis, § 9 Rdnr. 64; Kirchhof, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz Bd. 2, S. 50 (77). IBO Stern, Staatsrecht Bd. 2, § 26 11. 2. c); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 590; Lerche, NJW 1961, 1758; J. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, § 5, 2. c); HH Klein, in: HdStR, Bd. 11, § 40 Rdnr. 12; MöllerlLirnpert, ZParl 1993, 21 (28); Butzer, AöR 119 (1994),61 (94); differenzierend Sellmann, S. 38ff. 18l Siehe z.B. Lerche, NJW 1961, 1758f m Vgl. MöllerlLirnpert, ZParl1993, 21 (28).
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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len Mehrheitsverhältnisse und die Stimmung im Bundestag bzgl. konkreter Sachfragen einzuschätzen. Von ihrer Seite findet demnach zwar lediglich eine politische Bewertung des Parlamentsbeschlusses statt 183 , im parlamentarischen Regierungssystem bedeutet dies aber praktisch gesehen, daß die Regierung sich nicht ohne weiteres über das Votum des Bundestages hinwegsetzen kann 184 . Hinzu kommt, daß das Parlament durchaus über Mittel verfügt, seine Meinung gegenüber der Bundesregierung durchzusetzen, indem es einerseits dem Inhalt des schlichten Parlamentsbeschlusses die Form eines Gesetzes verleiht oder andererseits Gebrauch von seinen parlamentarischen Kontrollrechten bis hin zum konstruktiven Mißtrauensvotum gern. Art. 67 GG macht 185 • Aus diesem Grunde wird immer wieder darauf hingewiesen, daß die schlichten Parlamentsbeschlüsse zwar nicht rechtlich verbindlich, gleichwohl aber rechtlich erheblich sind186 . bb) Die Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 3 GG Im Gegensatz zum schlichten Parlamentsbeschluß ist die Stellungnahme des Bundestages gern. Art. 23 Abs. 3 GG und § 5 EUZBBG in europäischen Angelegenheiten zunächst thematisch auf Rechtsetzungs- und rechtsetzungsähnliche Vorhaben der EU beschränkt. Gemeinsam ist jedoch den beiden Äußerungsformen des Parlaments, daß auch die Stellungnahme nicht in Form eines Gesetzes, sondern eines einfachen Mehrheitsbeschlusses ergeht. Nach Auffassung des Sonderausschusses und der GVK sowie der Literatur, die sich mit dieser Frage bislang nur vereinzelt beschäftigt hat, ist die Bundesregierung zudem an die Stellungnahme rechtlich nicht gebunden 187 . Der SonderausStern, Staatsrecht, Bd. 2, § 26 n. 2. c); MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (28). Stern, Staatsrecht, Bd. 2, § 26 n. 2. c). m H.H. Klein, in: HdStR, Bd. n, § 40 Rdnr. 12; allerdings weisen MöllerlLimpert zutreffend darauf hin, daß die Möglichkeit eines Mißtrauensvotums doch wohl eher theoretischer Natur ist, denn es sei schwer denkbar, daß eine BWldesregienmg gestürzt werde, weil der BWldestag mit dem AbstimmWlgsverfahren der Regienmg beim Erlaß einer europäischen VerordnWlg nicht einverstanden ist, vgl. ZParl 1993, 21 (29); schließlich ist zu bedenken, daß die BWldesregienmg von der fiir ein Mißtrauensvotum erforderlichen Mehrheit getragen wird, sog. StaatsleitWlg zur gesamten Hand, siehe Friesenhahn, VVDStRL 16 (1957),9 (37) sowie Vitzthum, Parlament Wld P1anWlg, S. 259ff 116 Siehe z.B. H.H. Klein, in: HdStR, Bd. n, § 40 Rdnr. 12; nach Ansicht von Butzer, AöR 119 (1994),61 (94) schrumpft wegen der genannten DurchsetZWlgsmöglichkeiten des BWldestages allerdings die ,,Differenz zwischen der Rechtsverbindlichkeit Wld der Rechtserheblichkeit zu einem bloß graduellen Unterschied". 187 Siehe oben, Wlter a); vgl. Schlußbericht der GVK, BT-Drucks. 12/6000, S. 22; Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 19; Scholz, NVwZ 183
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Btmdestages
schuß hat hierzu sogar ausdrücklich vermerkt, daß die Bundesregierung innerstaatlich im Verhältnis zum Bundestag nur politisch gebunden wird188 . Nach dem Gesagten handelt es sich also bei der Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 3 GG lediglich um eine zwar auf verfassungsrechtlicher Grundlage beruhende, rechtlich jedoch unverbindliche Meinungsäußerung des Parlaments zu exekutivischen Entscheidungen im Bereich der Europapolitik. cc) Unterschied Dies wirft nun allerdings die Frage auf, welcher Unterschied zwischen der Stellungnahme des Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 GG und dem schlichten Parlamentsbeschluß hinsichtlich der Bindungswirkung besteht und was die verfassungsrechtliche Verankerung der Mitwirkungsrechte des Bundestages tatsächlich Neues bringt. Schließlich konnte der Bundestag der Bundesregierung auch bislang von den jeweiligen Fachausschüssen formulierte Stellungnahmen über europäische Sekundärrechtsetzungsvorhaben vorlegen l89 , die diese bei ihren Verhandlungen berücksichtigte l90 . Diese Stellungnahmen entbehrten allerdings einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage, denn gesetzlich verankert war bis zur Neufassung des Art. 23 GG lediglich das Recht des Bundestages auf Information durch die Bundesregierung. Zudem war die Bundesregierung auch nur politisch an sie gebunden. Im Hinblick auf die früheren Stellungnahmen besteht damit kein Zweifel, daß es sich dabei um schlichte Parlamentsbeschlüsse ohne rechtliche Bindungswirkung und ohne Rechtsgrundlage gehandelt hat. Auch zwischen der Stellungnahme des Bundestages gern. Art. 23 Abs. 3 GG und dem schlichten Parlamentsbeschluß scheint auf den ersten Blick bis auf die verfassungsrechtliche Verankerung kein wesentlicher Unterschied zu bestehen, 1993, 817 (822); MöllerlLimpert, ZParl 1993, 21 (27); Everling, DVBI 1993, 936 (946); Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (209). 181 Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 19. 189 Diese Stellungnahmen nahm der Bundestag zumeist ohne Debatte an, siehe Everling, DVB11993, 936 (946). 190 Daß dies in der Vergangenheit nicht allzu häufig geschehen ist, lag nicht so sehr im Verantworttmgsbereich der Btmdesregiertmg als vielmehr in der Tatsache begründet, daß der Btmdestag sich wegen verspäteter Informationen oder interner Organisationsprobleme zeitlichen Zwängen ausgesetzt sah, die eine ausführliche BeratWlg der Vorlagen im Plenum oder in den Ausschüssen tmd die Formuliertmg einer Stelltmgnahme oft unmöglich machten, siehe oben, 1. Kapitel B. I. 1. b) bb) tmd 3.; vgl. auch der Bericht des Abgeordneten Dr. Möller zu den Vorschlägen der Berichterstatter der GVK über die Stärkung der Mitwirkungsrechte des Btmdestages vom 15. Oktober 1992 (Komrnissionsdrucksache Nr. 84, S. 5).
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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weil die Wirkungen, die die Stellungnahme auslöst - ähnlich denen des schlichten Parlamentsbeschlusses - lediglich in der politischen Bindung der Bundesregierung liegt. Insoweit scheint sich auch gegenüber der bisherigen Rechtslage nicht viel Neues ergeben zu haben. Diese Schlußfolgerung ist jedoch im Ergebnis nicht stimmig, denn der Unterschied gegenüber dem schlichten Parlamentsbeschluß und also auch gegenüber der früheren Rechtslage liegt in der verfassungsrechtlichen Verankerung von speziellen Befassungs-, Begründungs- und Sorgfaltspflichten der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag191 , die die politische Wirkung des Stellungnahmebeschlusses nach Art. 23 Abs. 3 GG zu untermauern helfen und sie dadurch konkret rechtserheblich werden lassen. Die Bundesregierung ist nun - anders als beim schlichten Parlamentsbeschluß - dazu verpflichtet, sich sichtbar mit dem Beschluß und seinem Inhalt auseinanderzusetzen. Sie kann sich im Ergebnis zwar nach Erfüllung dieser Befassungs-, Begründungs- und Sorgfaltspflichten über den Inhalt des Stellungnahmebeschlusses des Bundestages hinwegsetzen. Sie ist jedoch nicht dazu befugt, ohne Beachtung über ihn hinwegzugehen, wie dies verschiedentlich beim schlichten Parlamentsbeschluß - z.B. bei Entlassungsverlangen gegenüber Bundesministern - der Fall ist. Eine spezielle Regelung darüber, wie eine Pflichtverletzung der Bundesregierung zu sanktionieren ist, enthält jedoch weder die Verfassung selbst noch das EUZBBG. Daher gilt im Falle einer Pflichtverletzung auch hier, daß der Bundestag von seinen parlamentarischen Kontrollrechten, im äußersten Fall bis hin zum Mißtrauensvotum gern. Art. 67 GG Gebrauch machen kann. Letzteres wird allerdings auch nach neuer Rechtslage kaum vorkommen 192 . Von größerer Bedeutung dürfte daher sein, daß der Bundestag durch die Begründung konkreter Pflichten in Art. 23 GG auch in die Lage versetzt wird, diese im Klagewege durchzusetzen - so er die Pflichtverletzung beweisen kann 193 . Auch hier ist ein Fortschritt gegenüber dem schlichten Parlamentsbeschluß zu verzeichnen, denn was die Frage der Durchsetzbarkeit anbetrifft, so herrscht Einigkeit darüber, daß schlichte Parlamentsbeschlüsse i.d.R. nicht im Rechtswege durchgesetzt werden können 194 . Mit der Festschreibung der Rechte in Art. 23 GG ist somit der große Schritt von einer Gefälligkeit zu einer verfassungsrechtlich verankerten Pflicht der 191 Siehe MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (28). 192
Siehe oben, tmter aa).
193 Es dürfte allerdings Schwierigkeiten bereiten, die Erfiilltmg oder Nichterfiilltmg
der Pflichten durch die Btmdesregiertmg an einem konkreten Fall festzumachen. Bei der Beweisfiihnmg - sei es von seiten des Btmdestages zwecks Belasttmg der Btmdesregiertmg, sei es von seiten der Btmdesregiertmg zwecks ihrer Entlasttmg - könnte z.B. die Abgabe einer mindestens mündlichen, besser jedoch einer schriftlichen Begrürtdtmg der Btmdesregiertmg zur Festlegwlg der Willensbildtmg des Btmdes von großem Nutzen sein. 194 Ferdinand, in: Festgabe für Blischke, S. 145 (161); Oetting, S. 169.
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BlDldestages
Bundesregierung getan worden. Dies wertet die Stellung des Bundestages in europäischen Angelegenheiten in tatsächlicher und in rechtstheoretischer Hinsicht deutlich auf. Damit findet sich schließlich die These bestätigt, daß es sich bei der Stellungnahme um eine Fortentwicklung des schlichten Parlamentsbeschlusses handelt. 3. Der Konfliktfall: Sich widersprechende Stellungnahmen des Bundestages und des Bundesrates Zusätzliche Probleme der Berücksichtigungspflicht der Bundesregierung bei Rechtsetzungs- oder rechtsetzungsähnlichen Akten der EU können sich aus dem Umstand ergeben, daß der Bundesregierung bei der Festlegung ihres Standpunktes nicht nur die Berücksichtigung der Bundestagsstellungnahme obliegt. Wie oben dargestellt, verfügt nämlich auch der Bundesrat gern. Art. 23 Abs. 5 Satz I GG in den Fällen der ausschließlichen, konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung des Bundes über ein Recht auf Abgabe einer von der Bundesregierung zu berücksichtigenden Stellungnahme, sofern Interessen der Länder berührt oder betroffen sind19s . In den Fällen des Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG ist die Stellungnahme des Bundesrates von der Bundesregierung sogar maßgeblich zu berücksichtigen196 . Tritt nun der Fall ein, daß Bundestag und Bundesrat in Ausübung ihrer Mitwirkungsrechte einander widersprechende Stellungnahmen zu einem Vorhaben abgeben, stellt sich die Frage, welcher Stellungnahme bei der Berücksichtigung durch die Bundesregierung größere Bedeutung zukommt. Weder Art. 23 GG selbst noch die beiden Ausführungsgesetze enthalten jedoch in ihrer heutigen Fassung eine entsprechende ausdrückliche Regelung. a) Die ursprüngliche Regelung des § 6 EUZBBG (a.F.)
Ursprünglich hatte der Sonderausschuß eine solche Regelung in § 6 EUZBBG (a.F.) aufgenommen, nachdem ein Bedürfnis aufverfassungsrechtliche Verankerung in Art. 23 Abs. 3 GG von ihm verneint worden war 197 . § 6 EUZBBG (a.F.) enthielt eine Vorrangregelung für die Berücksichtigung der Stellungnahmen, welche sich danach richtete, ob die betreffende Materie
m Siehe oben, 3. Kapitel B. Iv. 4. Siehe oben, 3. Kapitel B. Iv. 5. 197 Siehe 9. SitZlDlg des Sonderausschusses vom 20. November 1992, Amtliches Protokoll, S. 31. 196
B. Die Mitwirktmgsrechte im einzelnen
317
schwerpunktmäßig in die innerstaatliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder oder des Bundes fiel 198 . aa) Begriff der vorrangigen Berücksichtigung Mit dieser Vorschrift wurde neben dem Begriff der einfachen ,,Berücksichtigung" und der ,,maßgeblichen Berücksichtigung" die neue Kategorie der "vorrangigen Berücksichtigung" eingeführt. Unter vorrangiger Berücksichtigung war zu verstehen, daß die Bundesregierung zwar nach wie vor beide Stellungnahmen in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen hatte, jedoch die Argumente der vorrangig zu berücksichtigenden Stellungnahme im Verhältnis zu denen der anderen schwerer zu gewichten hatte und im Zweifelsfalle auch eher dieser als der anderen folgen sollte. Konkret enthielt die Regelung folgenden Grundsatz: Handelte es sich um ein Rechtsetzungsvorhaben, welches innerstaatlich schwerpunktmäßig in den Bereich der ausschließlichen, konkurrierenden oder Rahmengesetzgebung des Bundes nach Artt. 71 ff. GG fiel, so sollte der Stellungnahme des Bundestages der Vorrang einzuräumen sein. War dagegen schwerpunktmäßig die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder von dem Vorhaben betroffen, so sollte die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates vorrangig zu berücksichtigen haben. bb) Verhältnis von § 6 EUZBBG (a.F.) zu den Rechten des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 5 GG (1) Verhältnis zu Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG
Keine Auslegungsprobleme ergaben sich durch diese Regelung im Hinblick auf die Pflicht der Bundesregierung zur einfachen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG. Denn die Vorgabe, daß der Stellungnahme des Bundestages im Bereich der Bundeskompetenzen Vorrang gegenüber der Stellungnahme des Bundesrates eingeräumt werden sollte, welcher in diesem Zusammenhang hauptsächlich als "Sprachrohr der Länder" fungiert, kann noch nachvollzogen werden, obgleich man hierge198 Wortlaut des § 6 EUZBBG: ,,Im Falle sich widersprechender Stellungnahmen des Bundestages und des Bundesrates berücksichtigt die Bundesregienmg vorrangig die Stellungnahme des Bundestages oder des Bundesrates, je nachdem, ob im Falle innerstaatlicher Gesetzgebung die Materie schwerpunktmäßig in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fiele. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG bleibt unberührt."
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4. Kapitel: Die Mitwirlnmgsrechte des BWldestages
gen einwenden könnte, daß nach dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 GG kein Unterschied zwischen den einfach zu berücksichtigenden Stellungnahmen der beiden gesetzgebenden Körperschaften besteht. Hinzu kommt, daß der Bundesrat seine Stellungnahmen auch als Ersatz für den Verlust an eigenen Gesetzgebungsrechten auf Bundesebene abgibt. (2) Verhältnis zu Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG
Stark umstritten war im Sonderausschuß dagegen das Verhältnis von § 6 EUZBBG (a.F.) zu den aus Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG folgenden Rechten des Bundesrates, die eine ,,maßgebliche Berücksichtigung" der Stellungnahme des Bundesrates und damit dessen grundsätzliches Letztentscheidungsrecht vorsehen l99 . Dieses Letztentscheidungsrecht wird den Ländern nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG nicht nur dann eingeräumt, wenn im Schwerpunkt ihre originären Gesetzgebungsbefugnisse betroffen sind, sondern auch dann, wenn es um die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren geht. Demgegenüber stellte § 6 EUZBBG (a.F.) nur auf die jeweiligen Gesetzgebungsbefugnisse ab. Es konnte somit die Situation eintreten, daß nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes die Gesetzgebungszuständigkeit zwar beim Bund lag, die Regelung der Verwaltungsverfahrens und die Einrichtung der Behörden jedoch Sache der Länder waren. Nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 hätte das Ländervotum dann maßgeblich berücksichtigt werden müssen und somit den Vorrang gehabt, wenn die EU-Regelung in ihrem Schwerpunkt die Behördeneinrichtung und das Verwaltungsverfahren der Länder regelte. Im Gegensatz dazu hätte aber nach § 6 EUZBBG (a.F.) die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundestages vorrangig berücksichtigen müssen, da sie als einziges Konfliktauflösungskriterium die innerstaatliche Gesetzgebungszuständigkeit, nicht aber Verwaltungsfragen anerkannte. Die Vorrangregelung beinhaltete damit für sich gesehen - einen Widerspruch zu Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG und stellte somit einen Verstoß gegen höherrangiges Recht dar. Um die - wie gezeigt - berechtigten Bedenken der Ländervertreter hinsichtlich der Beeinträchtigung des Letztentscheidungsrechts des Bundesrates zu zerstreuen, sah § 6 EUZBBG (a.F.) in Satz 2 zudem vor, daß Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG von der Vorrangregelung unberührt bliebe. Dadurch sollte klargestellt werden, daß das Letztentscheidungsrecht nicht· angetastet werde und in dem Bereich, in dem die Einrichtung der Behörden oder die Verwaltungsverfahren betroffen sein sollten, insoweit die vorrangige Berücksichtigung der Bundes199
Siehe die amtlichen Protokolle der 7. Wld 9. Sitzung des Sonderausschusses.
B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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tagsstellungnahme gegenüber der maßgeblichen Berücksichtigung des Bundesratsvotums zurücktreten sollte20o . Damit stellte § 6 Satz 2 EUZBBG (a.F.) aber hinsichtlich des Letztentscheidungsrechtes der Länder dasjenige klar, was in Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG ohnehin festgelegt war. Obwohl die Vorschrift mithin insgesamt nicht in Widerspruch zu Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG stand, rief der Bundesrat in dieser Angelegenheit den Vermittlungsausschuß an201 . Dieser empfahl die Streichung der Vorschrift, was schließlich auch vom Bundestag akzeptiert wurde202 . Seiner Auffassung nach sollten Konflikte bei sich widersprechenden Stellungnahmen von Bundesrat und Bundestag allein auf der Grundlage von Art. 23 GG zu lösen sein203 .
b) Heutige Konflikt/äsung nach Art. 23 Abs. 2-7 GG Ohne das Vorliegen einer ausdrücklichen Vorschrift zur Regelung der beschriebenen Konfliktlage ergibt sich die Rechtslage aus dem Zusammenspiel der Absätze 3 und 5 des Art. 23 GG und stellt sich folgendermaßen dar: Handelt es sich bei dem Vorhaben um eine Rechtsmaterie aus dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, so hat die Bundesregierung lediglich die Stellungnahme des Bundestages einzuholen und zu berücksichtigen. Sind in diesem Bereich allerdings Interessen der Länder wenn auch nur am Rande - berührt, so hat der Bundesrat einen Anspruch auf einfache Berücksichtigung seiner Stellungnahme, die nach dem Grundsatz des Art. 23 GG204 gleichberechtigt neben der des Bundestages steht. Daher ist in diesem Falle die Bundesregierung in ihrer Entscheidungsfindung prinzipiell freeo~. Das gleiche gilt, wenn der geplante Rechtsetzungs- oder rechtsetzungsähnliche Akt innerstaatlich in den Bereich der konkurrierenden oder Rahrnengesetzgebung des Bundes fällt und ein Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung gern. Art 72 Abs. 2 GG bestehfo6 . Sind von dem EU-Rechtsetzungsvorhaben im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen, oder berührt es innerstaatlich den Bereich der konkurrie-
Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3986, S. 24. BR-Drucks. 853/12 (Beschluß); siehe auch oben, 2. Kapitel B. III. 3. 202 Siehe oben, 2. Kapitel B. ill. 3. 203 Beschlußempfehlung des Vennittlungsausschusses, BT-Drucks. 12/4247 sowie Stenographischer Bericht der 137. Sitzung des Bundestages (12. WP), S. 11812. 204 In beiden Fällen "berücksichtigt" die Bundesregierung die Stellungnahme. 20~ So auch Scholz, NVwZ 1993, 817 (823). 206 Hierzu siehe oben, 3. Kapitel B. IV 4. a) bb). 200 201
320
4. Kapitel: Die Mitwirkwtgsrechte des Bwtdestages
renden oder der Rahmengesetzgebung des Bundes, ohne daß ein Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung besteht, muß die Bundesregierung ebenfalls die Stellungnahme des Bundesrates und des Bundestages einholen. Sie hat dabei jedoch die Stellungnahme des Bundesrates vorrangig zu berücksichtigen, da es sich hier um ihre Pflicht zur maßgeblichen Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG handelt. Dies gilt allerdings nur bezüglich des Teils der geplanten Regelung, der die Länderzuständigkeit konkret im Schwerpunkt betrifft, da die Bundesregierung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG die Stellungnahme des Bundesrates nur ,,insoweit" zu berücksichtigen hat. c) Unterschied der Lösungen Vereinzelt ist die Ansicht geäußert worden, daß es sich bei dem früheren § 6 EUZBBG lediglich um eine Vorschrift mit rein deklaratorischer Bedeutung gehandelt habe207 • Dies träfe allerdings nur dann zu, wenn man unter der Anwendung von § 6 EUZBBG (a.F.) die gleichen rechtlichen Ergebnisse erzielte wie ohne dessen Geltung. Wie oben ausgeführt wurde, war der Widerspruch der Vorrangregelung des § 6 EUZBBG (a.F.) zu Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG durch den Zusatz über die Unantastbarkeit des Letztentscheidungsrechtes der Länder in § 6 Satz 2 EUZBBG (a.F.) ausgeräumt worden. Hinsichtlich des in Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG umschriebenen Bereichs der ausschließlichen Bundesgesetzgebung, in dem Länderinteressen von dem europäischen Rechtsetzungsvorhaben berührt werden, oder des Bereichs der konkurrierenden und Rahmengesetzgebung des Bundes, soweit die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung besteht, ergibt sich jedoch ein Widerspruch zwischen § 6 EUZBBG (a.F.) und der Lösung nach Art. 23 Abs. 2-7 GG. Denn nach § 6 EUZBBG (a.F.) gebührte der Stellungnahme des Bundestages der Vorrang, während nach heutiger Rechtslage beide Stellungnahmen gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Allerdings darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Begriff der "einfachen" Berücksichtigung wie oben dargelegt208 keine tatsächliche oder rechtliche Bindung beinhaltet, sondern vielmehr bedeutet, daß die Bundesregierung sich mit den Argumentationen der gesetzgebenden Körperschaften auseinandersetzen soll, in ihrer Entscheidung aber prinzipiell frei ist. Aus diesem Grunde spielt es weder rechtlich noch tatsächlich eine große Rolle, ob in diesem Bereich die Stellungnahmen des Bundestages und des Bundesrates gleichrangig zu berücksichtigen
Scholz, NVwZ 1993, 817 (823). Für den Bwtdesrat siehe oben, 3. Kapitel B. IV 4. b); für den Bwtdestag siehe oben, wtter 2. a). 207
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B. Die Mitwirkungsrechte im einzelnen
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sind, oder ob der Stellungnahme des Bundestages der Vorrang einzuräumen ist209 . d) Fazit
Die Streichung des § 6 EUZBBG (a.F.) hat somit zwar formal eine Änderung der Rechtslage bewirkt. Aus den genannten Gründen handelt es sich jedoch rechtlich und tatsächlich um eine eher unwesentliche Änderung. Nach heutiger Rechtslage sind also die Stellungnahmen des Bundesrates und des Bundestages grundsätzlich gleichberechtigt zu berücksichtigen. Lediglich im Falle der maßgeblichen Berücksichtigung des Bundesratsvotums geht dieses der Stellungnahme des Bundestages vor. 4. Ergebnis
Obwohl die Bundesregierung auch nach bisheriger Verfassungslage bereits in der politischen Verantwortung des Bundestages gestanden haf 10 , ist mit Art. 23 Abs. 3 GG die ausdrückliche Pflicht der Bundesregierung zur Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundestages bei der Festlegung ihrer Verhandlungsposition in europäischen Rechtsetzungsangelegenheiten in die Verfassung aufgenommen worden. Die Stellungnahme kann dabei entweder vom Plenum des Bundestages oder gern. Art. 45 Satz 2 GG vom Europaausschuß abgegeben werden. Letzteres war bislang allerdings noch nicht der Fall. Dieses Stellungnahmerecht steht ergänzend neben der parlamentarischen Kontrollfunktion und ist in erster Linie Ausdruck der parlamentarischen Gesetzgebungsfunktion211 , denn es soll dazu beitragen, die Verluste an Legislativaufgaben, die der Bundestag durch den europäischen Integrationsprozeß erlitten hat, auszugleichen. Die Pflicht der Bundesregierung zur Berücksichtigung solcher Stellungnahmen ist allerdings nicht als strikte rechtliche Bindung dergestalt zu verstehen, daß die Bundesregierung bei der Festlegung ihrer Verhandlungsposition nicht mehr von dem Bundestagsvotum abweichen dürfte. Dies ist nach wie vor uneingeschränkt möglich, wenn es die Bundesregierung Z.B. aus gesamtstaatlichen Gründen für erforderlich hält. Die Bundesregierung wird allerdings dazu verpflichtet, sich inhaltlich mit der Ansicht des Bundestages auseinanderzusetzen. Daraus erwächst wiederum ihre Pflicht, dem Bundestag im Falle des Abweichens auf Anfrage die hierfür verantwortlichen
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Im Ergebnis wohl ebenso Scholz, NVwZ 1993, 817 (823). So auch WilheIm, BayVB11992, 705 (708). Hierzu H. H. Klein, in: HdStR, Bd. 11, § 40 Rdnm. 15 ff.
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4. Kapitel: Die Mitwirktmgsrechte des Blmdestages
Gründe zu erläutern. Diese rechtlichen Pflichten zur Beachtung der Stellungnahme werden durch die parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesregierung zu einer politischen Bindung an die Stellungnahme. Damit ist die verfassungsrechtliche Stellung des Bundestages in europäischen Angelegenheiten deutlich aufgewertet worden. Allerdings bedarf es neben der Optimierung des neuen Verfahrens und der nach über zwei Jahren endlich erfolgten Ergänzung der Geschäftsordnung im Hinblick auf den Europaausschuß nach Art. 45 GG noch einer deutlich zunehmenden Verschärfung des Problembewußtseins und des Willens zur aktiven Mitgestaltung der Europapolitik der Bundesregierung, um das Verfahren der Beratung von EU-Vorlagen nicht zu einem ,,riesigen, ineffektiven und Frust auf allen Ebenen erzeugenden Arbeitsbeschaffungsprogramm" werden zu lassen212 . Dabei muß allerdings auch beachtet werden, daß die Arbeit des Bundestages in europäischen Angelegenheiten bei der derzeitigen personellen Ausstattung keinesfalls mit der des Bundesrates verglichen werden kann, denn hierzu fehlt es dem Bundestag an einem entsprechenden fachkundigen Unterbau, wie ihn der Bundesrat in Gestalt der Ministerialbürokratie der Länder zur Verfügung hat. Solange also beim Bundestag keine erhebliche administrative Aufstockung stattfindet und solange die übrigen Fachausschüsse des Bundestages nicht dem Europaausschuß seinen vorgesehenen Wirkungskreis bereit sind einzuräumen, sondern seiner Tätigkeit stattdessen ihren Widerstand entgegensetzen, wird das deutliche Gefälle zwischen der Mitwirkung des Bundesrates und des Bundestages bestehen bleiben.
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages Ebenso wie die neuen Mitwirkungsrechte des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 2 und 4 bis 7 GG sind auch die Rechte des Bundestages gern. Art. 23 Abs. 2 und 3 GG mit Blick auf ihre verfassungsrechtliche und europarechtliche Vereinbarkeit kritisiert worden. Dabei gehen die Ansichten deutlich auseinander. Während manche die Ansicht vertreten, daß die Rechte des Bundestages nicht genügend aufgewertet worden seien213 , sind andere der Meinung, daß der Bundestag sich durch Art. 23 Abs. 2 und 3 GG gerade seine Mindestrechte gesichert habe214 . Wieder andere befinden dagegen die Rechte als zu. weitgehend und konstatieren nicht nur einen Einbruch der Mitwirkungs-
212 Anlage 1 zur Ausschußdrucksache Nr. 12-6-47 des Ausschusses fiir Wahlpriifimfi Immlmität lmd Geschäftsordnlmg, S. 46. 13 Vgl. Di Fabio, Der Staat 1993, 191 (208). 214 So z.B. Ossenbühl, DVBl1993, 629 (637).
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des BlDldestages
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rechte in den Kompetenzbereich der Bundesregierung21S , sondern halten die Rechte schlechthin für integrationshemmend216 und undemokratisch217 . Im folgenden wird daher zu untersuchen sein, ob die Mitwirkungsrechte des Bundestages sowohl den verfassungsrechtlichen als auch den europarechtlichen Grundanforderungen entsprechen und ob sie überdies den an sie gestellten Anspruch erfüllen, den Verlust an demokratischer Legitimation innerhalb der EU und den Verlust der Gesetzgebungsbefugnisse des Bundestages wenigstens teilweise auszugleichen. I. Verfassungsrechdiche Würdigung 1. Die Mitwirkungsrechte und das Integrationsprinzip des Grundgesetzes
Die Vereinbarkeit der Mitwirkungsrechte des Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG mit dem Grundsatz der Integrationsoffenheit des Grundgesetzes muß vor dem Hintergrund des Verhältnisses betrachtet werden, welches Art. 23 Abs. I GG nunmehr zwischen der Integrationsgewalt und dem Grundsatz der parlamentarischen Demokratie geschaffen hat. a) Verhältnis zwischen Integrationsprinzip und parlamentarischer Demokratie
Ebenso wie zwischen dem Bundesstaats- und dem in Art. 23 Abs. 1 GG verankerten Integrationsprinzip besteht auch zwischen dem Grundsatz der parlamentarischen Demokratie und dem Integrationsprinzip ein verfassungsimmanentes Spannungsverhältnis: Je weiter die europäische Integration voranschreitet, desto mehr Rechtsetzungsmaterien werden auf die EU übertragen und dem Bundestag als dem einzig unmittelbar demokratisch legitimierten Verfassungsorgan entzogen. Bislang galt bereits, daß das Integrationsprinzip dort seine Grenze finden müsse, wo es in die das Grundgefüge des Grundgesetzes konstituierenden Strukturen einbreche218 , was größtenteils mit der Durchbrechung der Wesensgehaltssperre des Art. 79 Abs. 3 GG gleichgesetzt
m Vgl. Brenner, ThürVBl1993, 196 (202).
Everling, DVBl1993, 936 (946). So der fraktionslose Abgeordnete Lowack in dem Organstreitvetfahren gegen den BlDldestag, 2 BvE 6/93, siehe BT-Drucks. 12/5573. 211 BVetfGE 73,339 (375 f.). 216 217
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4. Kapitel: Die Mitwirlrun.gsrechte des BlUldestages
wurde219 . Dies bedeutete also in der Vergangenheit, daß der über Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Kern des Demokratieprinzips im Hinblick auf die Integrationsgewalt zu bewahren war. Entsprechend der Regelung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates kommt es - abgesehen von Art. 59 Abs. 2 GG - in Art. 23 GG nunmehr erstmals zu einer unmittelbaren Berührung zwischen der Integrationsgewalt und den Befugnissen des Bundestages, die aus der parlamentarischen Demokratie erwachsen. Dabei ist Art. 23 Abs. 1 GG so konstruiert, daß er zwar die europäische Integration als Staatsziel festschreibt, jedoch gleichzeitig deren Beschränkung durch die Mitwirkungrechte der gesetzgebenden Körperschaften vorschreibt, denn fortan ist keine Hoheitsübertragung auf die EU mehr ohne die Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages mehr möglich. Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG bedarf es hierfür teilweise sogar verfassungsändernder Mehrheiten gern. Art. 79 Abs. 2 GG. Dies bedeutet, daß die weitere Integrationsentwicklung von der Zustimmung des Bundestages abhängt. Somit begrenzen die Rechte des Bundestages eindeutig die Integrationsoffenheit des Grundgesetzes. Auch Art. 79 Abs. 3 GG wird in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG als Grenze der Integrationsgewalt ausdrücklich festgeschrieben, so daß kein Zweifel mehr daran bestehen kann, daß das Demokratieprinzip in seinem Kern das Integrationsprinzip begrenzf20 . Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil zum Maastrichter Vertrag davon aus, daß hinsichtlich der erforderlichen demokratischen Legitimation die Integrationsgewalt des Art. 23 GG begrenzt ist. Er verbiete nämlich, "die durch die Wahl bedingte Legitimation und Einflußnahme auf die Ausübung der Staatsgewalt durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages so zu entleeren, daß das demokratische Prinzip, soweit es Art. 79 Abs. 3 i. v.m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG für unantastbar erklärt, verletzt wird,,221 . In letzter Konsequenz sind Kompetenzübertragungen im Rahmen des Art. 23 Abs. 1 GG daher nur dann zulässig, wenn dadurch die demo219 Statt vieler Kirchhof, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus lUld Europäische Gemeinschaften, 109 (112). 220 Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß beide Grundsätze als VerfasslUlgsprinzipien grlUldsätzlich gleichrangig sind. Dies muß auch lUlter dem Gesichtspunkt geiten, daß das Demokratieprinzip im Gegensatz zum Integrationsprinzip an der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG teilhat (zur prinzipiellen Gleichrangigkeit der VerfassslUlgsgrlUldsätze siehe PüttnerlKretschmer, S. 11.). Daher müssen sie im Sinne der Einheit der VerfasslUlg nach den Grundsätzen praktischer Konkordanz interpretiert werden, um beide VerfasslUlgswerte zu einem bestmöglichen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 7, 198ft:; 17, 108ft:; Hesse, Grundzüge des VerfasslUlgsrechts, Rdnrn. 317 ft:). Eine Begrenzung der parlamentarischen Demokratie durch die Integrationsoffenheit erfolgt damit nicht ausdrücklich, sondern verfasslUlgsimmanent. 221 Siehe BVerfGE 89, 155, 1. Leitsatz.
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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kratische Selbstbestimmung des Deutschen Volkes und die staatliche Souveränität der Bundesrepublik unangetastet bleiben. Anderenfalls halten die Richter den verfassungsrechtlichen Rubikon des Art. 79 Abs. 3 GG für überschritten. Als vorläufiges Fazit läßt sich somit festhalten, daß der Bundestag über Art. 23 Abs. 1 GG in erheblichem Maße an der zukünftigen Integrationsentwicklung und Integrationsgewalt teilnimmt und seine Stellung in Angelegenheiten der EU dadurch deutlich aufgewertet wird.
b) Die Mitwirkungsrechte zwischen europäischer Integration und parlamentarischer Demokratie Die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte des Bundestages tragen dem vorgehend dargestellten Befund über das Verhältnis zwischen parlamentarischer Demokratie und Integrationsprinzip in ihrem vollen Umfange Rechnung, indem sie die verfassungsrechtlich gefestigte Stellung des Bundestages im Bereich der Hoheitsrechtsübertragung konsequent auf den Bereich der europäischen Sekundärrechtsetzung übertragen und umsetzen. Auch hier soll der Bundestag insbesondere über das Instrument der Stellungnahme ein Mitspracheund Mitgestaltungsrecht erhalten. Zieht man eine Parallele zwischen Art. 23 Abs. I und Abs. 3 GG, so ist festzustellen, daß die Rechte des Bundestages bei der Sekundärrechtsetzung keinesfalls über den von Art. 23 Abs. I GG vorgegebenen Rahmen hinausgehen, sondern eher dahinter zurückbleiben. Während nämlich eine verfassungsändernde Hoheitsrechtsübertragung gern Art. 23 Abs. I GG nicht ohne die Zustimmung des Bundestages erfolgen kann222 , somit die Bundesregierung also vom Votum des Bundestages zwingend abhängig ist, wirkt der Bundestag an der europäischen Sekundärrechtsetzung lediglich beratend und nicht mitentscheidend mit, so daß die Bundesregierung nicht auf das zustimmende Votum des Bundestages angewiesen ist. Dadurch sowie durch den Umstand, daß der Bundestag nur an der Festlegung der Verhandlungsposition der Bundesregierung mitwirkt, trägt Art. 23 Abs. 3 GG der immer noch und notwendig vorrangigen Integrationsgewalt der Bundesregierung Rechnung. Da sie grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird und die Entscheidung der Bundesregierung bei der Festlegung der Verhandlungsposition frei fallen kann, ist auch aus Sicht der bundesdeutschen Verfassung nicht ersichtlich, daß sich die Mitwirkungsrechte des Bundestages integrationshemmend auswirken könnten. 222 Auf die Bedeutung dieser Tatsache hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Maastricht-Entscheidung nochmals ausdrücklich hingewiesen, siehe BVerfGE 89, 155
(191).
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4. Kapitel: Die Mitwirklmgsrechte des Bundestages
c) Ergebnis
Ein Verstoß der Mitwirkungsrechte des Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG gegen das in Art. 23 Abs. 1 GG verankerte Integrationsprinzip ist daher nicht feststellbar. 2. Die Mitwirkungsrechte und das Demokratieprinzip a) Das parlamentarische Demokratieprinzip des Grundgesetzes
Das Demokratieprinzip ist in Art. 20 Abs. 1 sowie Abs. 2 Satz 1 GG festgelegt und verlangt, daß alle Staatsgewalt vom Volk ausgehen muß. Die grundgesetzliche Demokratie versteht sich als repräsentative, parlamentarische Demokratie. Nicht das Volk selbst übt die Hoheitsgewalt aus223 . Vielmehr muß sich die Hoheitsgewalt auf das Volk zurückführen lassen. Diese die Hoheitsgewalt unmittelbar legitimierende Funktion der Demokratie ergibt sich aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach die Staatsgewalt vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird224 . Damit wird das Parlament zum Gesamtrepräsentanten des Staatsvolkes. aa) Legitimation staatlicher Hoheitsgewalt Auf der Grundlage des freien Mandats ist das Parlament Forum der innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen vor Öffentlichkeit und Regierung und zudem diejenige politische Kraft, durch deren Unterstützung die Herrschaftsausübung erst demokratisch legitimiert wird. Da diese Ausübung von Hoheitsgewalt vornehmlich durch das Treffen hoheitlicher Entscheidungen erfolgt, muß sich gerade diese Entscheidungsgewalt auf den Willen des Volkes zurückführen lassen22s . Zwar ist der grundgesetzliche Demokratiebegriff erheblich von der Wesentlichkeitstheorie geprägt, wonach wesentliche Entscheidungen vom unmittelbar legitimierten Parlament getroffen werden müssen226 . Allerdings begründet das Demokratieprinzip keinen Totalvorbehalt, es fordert also nicht für alle objektiv wesentlichen Entscheidungen die Gesetzesform227 . Die demokratische Legitimation staatlicher Hoheitsgewalt vollzieht sich somit Hesse, Gnmdzüge des Verfassungsrechts, Rdnm. l30ff. Siehe hierzu JarasslPieroth, Rdnr. 6 zu Art. 20 00; v. MÜllchISchnapp, Rdnr. 31 zu Art. 20 00. 22:1 Ossenbühl, DVB11993, 629 (634). 226 BVerlGE 34, 165 (192); 49, 89 (126ff.). 227 BVerlGE 68,1 (l09); Degenhart, Rdnr. 42. 223 224
C. Würdigtmg der Mitwirlamgsrechte des Bwtdestages
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nicht nur durch Gesetz. Überdies vollzieht sie sich zum einen auch dadurch, daß die Regierung aus dem Parlament hervorgeht oder vom Parlament gewählt wird und zum anderen dadurch, daß die Regierung sich auf das Vertrauen des Parlaments stützen muß228 . Das Erfordernis strenger demokratischer Entscheidungslegitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG gilt umfassend für die von Verfassungsorganen des Bundes ausgeübte deutsche Staatsgewalt, so daß die übrigen Verfassungsgrundsätze sich nur in diesem Rahmen entfalten können. Keinesfalls vermögen diese Verfassungsgrundsätze den Verzicht auf eine Legitimation durch das Staatsvolk zu tragen229 . bb) Legitimation supranationaler Hoheitsgewalt Nicht unmittelbar und uneingeschränkt gilt das Erfordernis demokratischer Legitimation für die Hoheitsgewalt, die von den Organen der supranational organisierten EU in der Bundesrepublik ausgeübt wird, denn insoweit nimmt die deutsche Staatsgewalt ihren Geltungsbereich zugunsten der teilfremden Hoheitsgewalt zurück. Jedoch ist auch diese Hoheitsgewalt nicht völlig frei vom Legitimationserfordernis. So war auch in der Vergangenheit bereits anerkannt, daß der Grundsatz der parlamentarischen Demokratie an der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG teilnimmt230 . Durch den Verweis des Art. 23 Abs. I Satz 3 GG auf die Geltung der Wesensgehaltssperre des Art. 79 Abs. 3 GG weist das Grundgesetz nunmehr ausdrücklich darauf hin, daß der Kern des Demokratieprinzips auch im Anwendungsbereich der europäischen Integrationsgewalt nach Art. 23 Abs. 1 GG Bestand hat. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG schützen daher i. Vm. Art. 23 Abs. 1, 79 Abs. 3 GG die parlamentarische Demokratie auch im Hinblick auf die von der EU ausgeübte Hoheitsgewalt in ihrem unantastbaren Kernbereich231 . Diese Garantie umfaßt neben der Existenz des Parlaments gleichzeitig auch die Sicherung eines Mindeststandards parlamentarischer Befugnisse, zu denen unzweifelhaft z. B. ein umfassendes Gesetzgebungsrecht zählf 32 • Kuper, ZPar11991, 620 (625). Classen, AöR 119 (1994), 238 (241). 230 So die h.L., vgl. Herzog, in: Maunz/DüriglHerzog/Scholz, Rdnr. 82 zu Art. 20 Abs. 200; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 746f; Schmidt-BleibtreuIKlein, Rdnr. 15 zu Art. 7900. 231 Siehe Kirchhof, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus wtd Europäische Gemeinschaften, 109 (112). 232 Ress, in: Festschrift fur Geck, S. 625 (672); Herzog, in: Maunz/DüriglHerzog/ Scholz, Rdnr. 82 zu Art. 20 Abs. 2 00. Dies läßt sich im übrigen auch aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 00 entnehmen, der die Existenz einer Volksvertretwtg in den Ländern, Kreisen wtd Gemeinden sichert, die aus allgemeinen, wtmittelbaren, freien, gleichen 228 229
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BWldestages
Bei der Übertragung des demokratischen Prinzips auf die europäische Ebene sind allerdings Modifikationen nicht zu vermeiden, denn es ist zu berücksichtigen, daß in einem zwischen- oder überstaatlichen System die Funkti0nenteilung notwendig anderen Mustern folgen muß als in herkömmlichen Nationalstaaten233 . Auch kann beim Zusammenschluß der europäischen Völker nicht von einem Staatsvolk gesprochen werden, von dem eine einheitliche demokratische Legitimierung ausgeht. Aus diesem Grund ist der Wesensgehaltssperre des Art. 79 Abs. 3 GG bereits dann entsprochen, wenn zwischen der verfassungsstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik und der EU eine gewisse strukturelle Kongruenz besteht234 . Dem entspricht auch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG, der ein Mitwirken der Bundesrepublik an der EU nur dann erlaubt, wenn diese demokratischen Grundsätzen verpflichtet ist, sog. Struktursicherungsklausel. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Maastricht-Urteil festgestellt, daß der Bundestag als vom Volk gewähltes Repräsentationsorgan mit der Einräumung von Hoheitsrechten zugunsten der EU notwendig an Einfluß auf den politischen Willensbildungsprozeß verliert235 . Dennoch hindert das Demokratieprinzip des Grundgesetzes die Bundesrepublik nicht an einer Mitgliedschaft in einer supranational organisierten Gemeinschaft wie der EU. Bedingung hierfür ist allerdings, daß eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflußnahme auch innerhalb der EU gesichert isf36 . Entscheidend ist allein, daß innerhalb des "Staatenverbundes" ein bestimmtes demokratisches Legitimationsniveau erreicht wird237 . cc) Die zentrale Rolle des Bundestages Vor allem durch das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sieht sich der Bundestag unversehens und unverhofft in den Mittelpunkt des europäischen Integrationsprozesses aus deutscher Sicht gestellt238 . Ihm kommt die zentrale Rolle bei der demokratischen Legitimation der europäischen Hoheitsgewalt zu, denn nach Ansicht des Gerichts ist die demokratische Legitimation der EU als ,,Rückkoppelung des Handeins europäischer Organe an die ParlaWld geheimen Wahlen hervorgehen. Durch einen Rückschluß dieser Vorschrift über da:; in Art. 28 Abs. I Satz 1 00 verankerte Homogenitätsprinzip ergibt sich, daß die verfassWlgsmäßige GnmdordnWlg ein Parlament auf BWldesebene in gleicher Weise in seinem Bestand schützt, siehe Ress, ebd. 233 Vgl. Nicolaysen, Europarecht, S. 80. 234 Schmidt-BleibtreuIKlein, Rdnr. 15 zu Art. 7900. m BVerlGE 89, 155 (182). 236 Ebd., S. 184. 237 Ebd., S. 182. 238 Götz, JZ 1993, 1081 (1082).
C. WürdigWlg der Mitwirkungsrechte des Bundestages
329
mente der Mitgliedsstaaten" zu verstehen. Diese Legitimation wird grundsätzlich proportional zur Integration in steigendem Maße durch das von den Bürgern der Mitgliedsstaaten gewählte Europäische Parlament ergänzt239 . Um die legitimatorische Aufgabe erfüllen zu können, hält das Bundesverfassungsgericht es für erforderlich, daß dem Bundestag auch im Geltungsbereich des Art. 23 Abs. I GG ,,Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben müssen,a4o. Die oftmals im verfassungsrechtlichen Schrifttum vertretene Ansicht, es bedürfe gegenwärtig bereits einer erweiterten demokratischen Legitimation durch Ausbau der Kontroll- und Gestaltungsfunktionen des Europäischen Parlaments241 , läßt sich vor dem Hintergrund dieser Gerichtsentscheidung so nicht mehr aufrechterhalten. Aus deutscher Sicht wird also eine hinreichende demokratische Legitimation, der das Grundgesetz über Art. 20 Abs. 2 i. Vm. Art. 79 Abs. 3 GG im Kern verpflichtet ist, auch innerhalb der EU bei durch deren Organe ausgeübte Hoheitsgewalt garIZ wesentlich über eine Rückbindung der Bundesregierung an den Bundestag erreiche42 . b) Die Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG und ihre demokratiesichernde Wirkung In diese Vorgabe fügen sich die Mitwirkungsrechte des Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG nahtlos ein. Sie treten neben das durch Art. 23 Abs. 1 GG begründete Erfordernis, daß der Bundestag durch seine Zustimmung zur FortentwickIung der Europäischen Integration die demokratische Basislegitimation der EU gewährleistet. Dadurch soll der Bundestag in die Lage versetzt werden, an der Wahrnehmung deutscher Mitgliedschaftsrechte in den Organen der EU mitzuwirken und dadurch auch eine demokratische Legitimation der laufenden Sekundärrechtsetzung zu sichern. aa) Das Informationsrecht gern. Art. 23 Abs. 2 GG Informationsrechte des Parlaments dienen regelmäßig der Orientierung sowie der Erweiterung und Vertiefung des parlamentarischen Sachverstands. Insbesondere in Ausübung seiner Kontrolltätigkeit bedient sich der Bundestag
239 BVerfGE 89, 155 (184ff.). 240
BVerfGE 89, 155 (186).
241 Siehe z. B. Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 9 (42 und 54); Ress, in: Fest-
schrift fiir Geck, S. 625 ff. 242 Vgl. auch bereits Ossenbühl, DVB11993, 629 (635).
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4. Kapitel: Die Mitwirlrungsrechte des Blmdestages
vielfaltiger Informationsrechte243 . Sie dienen jedoch nicht nur der Kontrolle, sondern stellen gleichzeitig parlamentarische Befugnisse dar, durch die der Bundestag Anteil an der Staatsleitung nimmt und in die Lage versetzt wird, Tribüne der Öffentlichkeit zu sein244 . Durch die deutliche Ausweitung der Informationsrechte gegenüber der Bundesregierung - z.B. auch auf vorläufige Informationen und Berichte über Vorhaben der EU - erhält der Bundestag die Möglichkeit, sich in öffentlicher Diskussion mit den Zielen, Vorhaben und Tendenzen der EU auseinanderzusetzen. Somit wird neben besseren Voraussetzungen für sachgerechte Entscheidungen des Bundestages gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, in der Bundesrepublik einen öffentlichen Diskurs über den politischen Meinungs- und Willensbi1dungsprozeß auch in europäischen Angelegenheiten in Gang zu setzen. Dies dient der Transparenz des europäischen Willensbildungsprozesses und ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts und des verfassungsrechtlichen Schrifttums für das Funktionieren und den Erhalt einer lebendigen Demokratie in den Mitgliedsstaaten der EU unerläßlich24s . Inwieweit sich dies in der Praxis umsetzen lassen wird, hängt in erster Linie vom Einsatz und von der Durchsetzungskraft des Bundestages ab, wie er in Zukunft mit dem gesteigerten Informationsfluß umgehen und ob er die Öffentlichkeit - das deutsche Volk - ansprechen und erreichen wird. Immerhin ist jedoch durch die verfassungsrechtliche Festschreibung und Erweiterung der Informationsrechte ein erster Schritt auf dem Weg zu einer ,,Integration von unten,a46 und damit zu einer erhöhten demokratischen Akzeptanz getan worden. Die demokratiesichernde Wirkung des Art. 23 Abs. 2 GG ist somit nicht zu bezweifeln. bb) Das Stellungnahmerecht gern. Art. 23 Abs. 3 GG Durch die Stellungnahme, die von der Bundesregierung zu berücksichtigen ist, soll der Bundestag Einfluß auf die Festlegung der Verhandlungsposition der Bundesregierung zu konkreten EU-Vorhaben nehmen können. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Recht des Bundestages als dazu geeignet befunden, im Zusammenspiel mit seinen Rechten aus Art. 23 Abs. 1 und 2 GG
243 Hierzu H.H. Klein, in: HdStR, Bd. n, § 40 Rdnm. 33 ff. 244 Stern, Staatsrecht, Bd. 2, § 26 n. 3.
W Siehe BVerlGE 89, 155 (Leitsatz 3 b) sowie S. 185); Ossenbühl, DVB1 1993, 629 (634); Doehring, ZRP 1993, 103; Schmidt-BleibtreulKlein, Rdnr. 86 zu Art. 20 00; MöllerlLimpert, ZPar121 (32). 246 So Ossenbühl, DVB11993, 629 (635).
C. Wilidigtmg der Mitwirkungsrechte des BlDldestages
331
sowie seinen parlamentarischen Kontrollrechten, seinen zur Erhaltung der Demokratie notwendigen Einfluß auf die europäische Politik zu sichern247 . Dem kann im Ergebnis gefolgt werden. Bedenkt man, daß die Beriicksichtigungspflicht der Bundesregierung nicht ihre rechtliche Bindung an die Übernahme der Stellungnahme nach sich zieht, so erweisen sich die tatsächlichen Einflußmöglichkeiten des Bundestages zwar zunächst als begrenzt, denn sie richten sich nicht so sehr auf die Entscheidung der Bundesregierung, die Stellungnahme zu übernehmen oder abzulehnen. Hier ist die Bundesregierung grundsätzlich frei und unterliegt im übrigen den gewöhnlichen parlamentarischen Kontrollrechten des Bundestages248 . Die Einflußmöglichkeiten nach Art. 23 Abs. 3 GG richten sich jedoch auf den Entscheidungsprozeß der Bundesregierung als solchen. Dies bedeutet, daß der Bundestag vor allem mittels des Stellungnahmerechts nach Art. 23 Abs. 3 GG den Willensbildungsprozeß der Bundesregierung begleitet und kontrolliert. Zu der ohnehin vorhandenen parlamentarischen Kontrolle tritt also eine spezielle begleitende Kontrolle hinzu. Hier manifestiert sich, daß parlamentarische Kontrolle nicht notwendig im Sinne einer nachgängigen Beaufsichtigung des Regierungshandelns zu verstehen isf49 . Zudem bieten die Plenarentscheidungen gern. Art. 23 Abs. 3 GG der Bundesregierung eine parlamentarische Orientierung für das Verhalten der Bundesregierung im Ministerrat, im Europäischen Rat und in sonstigen Gremien der EU. Durch die Kontrolle des exekutiven Willensbildungsprozesses kommt auch dem Stellungnahme- und Beriicksichtigungsrecht des Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 GG Transparenzfunktion und damit demokratiesichernde Wirkung ZU2~O . cc) Fazit Obwohl die demokratische Legitimation in erster Linie über die mitgliedsstaatlichen Parlamente erfolgt, kann das Demokratieprinzip im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG innerhalb der EU nicht vollständig verwirklicht werden, da die supranationale Organisation der EU dies nur bedingt zuläßt. Fest steht allerBVerfGE 89, 155 (191). Kritisch deshalb Breuer, NVwZ 1993, 417 (426); da das politische EntscheidlDlgsrecht nach wie vor eindeutig bei der BlDldesregier\Dlg verbleibe, ändere sich nichts an der AushöhllDlg der parlamentarischen Demokratie aufBlDldesebene. 249 Zur begleitenden Wirkung der Kontrolle siehe HH Klein, in: HdStR, Bd. TI, § 40, Rdnr. 30; speziell in europäischen Angelegenheiten siehe E. Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (76). 2'0 Zur demokratiesichemden Wirkung der Beteiligtmg nationaler Parlamente an der VorbereitlDlg der Mitgliedsstaatlichen WillensbildlDlg siehe Streinz, DVBI 1990, 949 (961). 247
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
dings, daß in der Bundesrepublik der Hauptlegitimationsstrom europäischer Hoheitsgewalt über den Bundestag erfolgen muß. Ein gewisses Demokratiedefizit im Verhältnis zu den grundgesetzlichen Maßstäben des Art. 20 Abs. 2 GG kann dadurch allerdings nicht vermieden werden, denn der Bundestag vermag unmittelbar immer nur das Handeln der Bundesregierung, nicht aber das der EU zu kontrollieren251 . Das Bestehen eines Demokratiedefizits innerhalb der EU ist allerdings solange unschädlich, wie die notwendige strukturelle Kongruenz zwischen grundgesetzlicher und europäischer Demokratie besteht. Sie wird nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch das Bestehen eines gewissen Legitimationsniveaus durch den Bundestag gewährleistef s2 . Hierzu tragen die Mitwirkungsrechte des Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG bei. Insofern kann ihnen durchaus eine demokratiesichernde und sogar -steigernde Funktion zugesprochen werden. Dies läßt sich insbesondere beim Informationsrecht des Bundestages feststellen, weil hierdurch die Möglichkeiten für einen öffentlichen, europapolitischen Diskurs deutlich erweitert werden und sich dies wiederum auf die Wahlentscheidung der Bürger auswirken kann. Aber auch das Stellungnahmerecht verschafft dem Bundestag zusätzliche demokratieerhaltende Befugnisse, indem er z.B. von der Bundesregierung verlangen kann, ihm die Gründe für das Abweichen von seiner Stellungnahme zu erläutern. Damit ist er in der Lage, den Entscheidungsprozeß der Bundesregierung in europäischen Angelegenheiten - auch begleitend - zu kontrollieren und transparenter zu machen. c) Der Europaausschuß nach Art. 45 GG und die Statusrechte des Abgeordneten nach Art. 38 GG
Verfassungsrechtlich fragwürdig scheint dagegen zunächst das institutionelle Verfahren im Bundestag über den Europaausschuß gern. Art. 45 GG zu sein. Dieser Ausschuß soll die Bedeutung und die verfassungsrechtliche Stellung des Bundestages gegenüber der Bundesregierung im EU-Willensbildungsprozeß unterstreichen, in dem er eine effiziente Wahrnehmung der Aufgaben des Bundestages nach Art. 23 GG durch eine straffe und stringente Beratung mit der Möglichkeit der direkten Abstimmung anstelle des Plenums sichern hilft. Dadurch soll er der Bewahrung des demokratischen Prinzips dienenm. m Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 42.
m BVerfGE 89, 155 (181).
m Siehe hierzu oben, unter B. m. 1. e) dd). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf das gesetzlich vorgesehene Verfahren und gelten für den Fall, daß der Bundestag von diesem Verfahren eines Tages tatsächlich in dem geplanten Maße Gebrauch machen wird, was - wie oben, unter B. III. 1. e) dd) dargestellt - derzeit noch immer nicht der Fall ist.
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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Zwar ist einzusehen, daß die Koordinierung einer begrenzten Anzahl von Ausschußmitgliedern im Gegensatz zur Koordinierung des Plenums sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht eine Erleichterung darstellt und zur Straffung des Verfahrens beiträgt. Dennoch wirft die Konstruktion als stellvertretend für das Plenum tätiger und beschlußfähiger Ausschuß erhebliche Probleme für die Rechtsposition des Abgeordneten, insbesondere des fraktionslosen Abgeordneten auf, weil ihm durch die Delegation der Entscheidungsrechte auf den Ausschuß das Schlußabstimmungsrecht im Plenum entzogen wird. Es stellt sich daher die Frage, ob mit dieser neuartigen Funktion eines Ausschusses als Beschlußorgan anstelle des Plenums nicht eine Verletzung des verfassungsänderungsfesten Kerns der Abgeordnetenrechte aus Art. 38 GG i.Vm. Artt. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1 und 2 GG verbunden ise s4 . In einem solchen Fall wäre es dem Bundestag verwehrt, seine Beschluß- und Entscheidungskompetenzen auf den Europaausschuß zu übertragen. Denn dies würde die demokratische Legitimation der Hoheitsgewalt durch alle Abgeordneten nicht mehr gewährleisten und dadurch das demokratische Prinzip verletzen. Um feststellen zu können, welche Änderungen mit der Errichtung und Ermächtigung des Europaausschusses einhergehen, erscheint es sinnvoll, zunächst den Status des Abgeordneten nach bisheriger Verfassungslage darzustellen. aa) Der Status des Abgeordneten nach bisheriger Rechtslage (1) Fraktionsangehöriger Abgeordneter
In Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Rechte des Bundestagsabgeordneten festschreibt, kommt das Prinzip der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes zum Ausdruc~sS . Danach sind Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes. Dadurch begründet Art. 38 Abs. I Satz 2 GG das Recht und die Pflicht des einzelnen Abgeordneten, an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Bundestages mitzuwirken2s6 . Zu den Rechten des Abgeordneten gehört daher vor allem das Rede- und das Stimmrecht, die Beteiligung an der Ausübung des Frage- und Informationsrechts des Parlaments, das Recht, sich
2~ Der frühere fraktionslose Abgeordnete Lowack (12. WP) hatte aus diesem Grunde unmittelbar im Anschluß an die Einfügung des Art. 45 in das Grundgesetz ein Organstreitverfahren gegen den Bundestag eingeleitet (BvE 6/93), siehe hierzu BTDrucks. 12/5573. m BVerlGE 80, 188 (221); vgl. Schneider, in: Alternativ-Kommentar, Anm. 18 zu Art. 38; SeifertlHömig, Rdnr. 8 zu Art 20 00; Hölscheidt, DVBl1989, 291. 2~6 So bereits BVerlGE 44, 308.
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4. Kapitel: Die Mitwiriomgsrechte des Bundestages
an den vom Parlament vorzunehmenden Wahlen zu beteiligen und parlainentarische Initiativen zu ergreifen sowie das Recht, sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion zusammenzuschließen257 . Diese Rechte versetzen den Abgeordneten in die Lage, an der Gesetzgebung des Bundestages sowie an dessen Kreations-, Informations- und Kontrollrechten teilzunehmen. Insoweit stehen allen Abgeordneten gleiche Rechte und Pflichten zu, was vor allem daraus folgt, "daß die Repräsentation des Volkes sich im Parlament darstellt, daher nicht von einzelnen oder einer Gruppe von Abgeordneten, auch nicht von der parlamentarischen Mehrheit, sondern vom Parlament als Ganzem, d.h. in der Gesamtheit seiner Mitglieder als Repräsentanten, bewirkt wird,a58 . Dies gilt uneingeschränkt für das Wirken des Abgeordneten im Plenum des Bundestages. Im heutigen Parlamentsleben werden jedoch wesentliche Aufgaben des Parlaments auf die Ausschüsse übertragen. So erfüllen sie nicht nur einen erheblichen Teil der Informations- und Kontrollrechte gegenüber der Bundesregierung, sondern bereiten die endgültigen Entscheidungen des Plenums vor. Hierbei nehmen sie allerdings einen Teil des Entscheidungsprozesses entlastend vorweg, denn i.d.R. werden die mehrheitsfähigen Kompromisse der Ausschüsse im Plenum nicht mehr veränderf 59 . Dies liegt nicht zuletzt daran, daß jeder Ausschuß durch seine Aufgabenstellung in die Repräsentationsfunktion des Plenums eingebunden wird und deshalb dessen verkleinertes Abbild und dessen Stärkeverhältnisse darstellen muß, sog. Spiegelbildfunktion260 . Da insbesondere im Ausschuß der Abgeordnete die Chance erhält, seine eigenen politischen Vorstellungen in die parlamentarische Willensbildung einfließen zu lassen, muß grundsätzlich jeder Abgeordnete des Bundestages daher Anspruch darauf haben, jedenfalls in einem Ausschuß mitzuwirken261 . Er hat jedoch kein Recht auf Zugehörigkeit zu einem Ausschuß nach seiner Wahl262 . Somit verfügt grundsätzlich jeder Abgeordnete über Rede-, Antrags- und Stimmrechte sowohl im Plenum des Bundestages als auch in den Ausschüssen, denen er angehört.
m Vgl. BVerlGE 80, 188 (218).
Ebd. m Vgl. Trute, Jura 1990, 184 (189); Kürschner, S. 112. 260 BVerlGE 80, 188 (222). . 261 BVerlGE 80, 188 (222, 224); so z.B. auch Kürschner, S. 114ff.; Grimm, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), § 6 Rdnm. 31ff.; Birk, NJW 1988, 2521 (2523); Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 147; Scherer, AöR 112 (1987), 189 (201); Vetter, S. 80ff. 262 BVerlGE 80, 188 (226); ebenso Kürschner, S. 143; Schu1ze-Fielitz, DÖV 1989, 829 (833); Hölscheidt, DVBl1989, 291 (293f). 251
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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(2) Fraktionsloser Abgeordneter Das Grundgesetz selbst trifft keine Unterscheidung zwischen der Rechtsstellung eines fraktionsangehörigen und der eines fraktionslosen Abgeordneten. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht im sog. Wüppesahl-Urteil entschieden, daß die Rechte des einzelnen Abgeordneten auch einer Beschränkung durch die Organisationsgewalt des Bundestages zum Zwecke der sachgerechten Erfüllung seiner Aufgaben unterliegen, denn als Mitgliedschaftsrechte müssen sie sich in deren notwendig gemeinschaftliche Ausübung einfügen263 . Im Rahmen dieser Einfügung muß allerdings gewährleistet bleiben, daß die oben dargestellten Statusrechte dem einzelnen Abgeordneten nicht entzogen werden: ,,Richtmaß für die Ausgestaltung der Organisation und des Geschäftsgangs muß das Prinzip der Beteiligung aller Abgeordneten bleiben,a64 . Wenn auch das Recht jedes Abgeordneten, seine politischen Vorstellungen in den Willensbildungsprozeß des Parlaments einzubringen, grundsätzlich nicht angetastet werden darf, so entwickelt sich nach Meinung des Gerichts der tatsächliche Einfluß des Abgeordneten auf Verlauf und Inhalt parlamentarischer Entscheidungsfindung unter anderem auch nach Maßgabe seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Fraktion unterschiedlich26s . Bereits früher hat das Bundesverfassungsgericht die hohe Bedeutung der Fraktionen im Parlament erkannt und sie als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens und maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung bezeichnet. Ihre verfassungsrechtliche Anerkennung beruht auf derjenigen der politischen Parteien gern. Art. 21 Abs. 1 GG266 sowie auf der in Ausübung des freien Mandats getroffenen Entscheidung des Abgeordneten gern. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG267 . Wegen ihrer Bedeutung ist der Bundestag verschiedentlich auch bereits als ,,Fraktionenparlament" bezeichnet worden268 . Dies schlägt sich auch in der Zusammensetzung und Arbeitsweise der Ausschüsse nieder. So dokumentiert deren Spiegelbildfunktion in erster Linie die Kräfteverhältnisse zwischen den Fraktionen. Hieraus ergeben sich Einschränkungen bei der Mitwirkung der einzelnen Abgeordneten an den Entscheidungen der Ausschüsse. Es entsteht mithin ein Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit der spiegelbildlichen Zusammensetzung der Ausschüsse und der
BVerfGE 80, 188 (219); siehe auch Schulze-Fielitz, DÖV 1989, 829 (830). BVerfGE 80,188, ebd.; sinngemäß auch bereits BVerfGE 44,308 (316). 26~ BVerfGE 80, 188 (221). 266 BVerfGE 70, 324 (350); Schulze-Fielitz, DÖV 1989, 829 (830); ebenso bereits Linck, DÖV 1975, 689 (692). 267 BVerfGE 80, 188 (220). 261 Troßmann, in: JöR (n.F.) 28 (1979),1 (155). 263 264
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4. Kapitel: Die MitwirkWlgsrechte des BWldestages
Bedeutung der Ausschußmitarbeit für den einzelnen Abgeordneten269 . Dieses Spannungsverhältnis löst das Bundesverfassungsgericht für den fraktionslosen Abgeordneten auf, indem es diesem das Recht auf Mitgliedschaft sowie ein Rede- und Antragsrecht in einem Ausschuß zuerkennf70 . Dabei kommt es offenbar nicht darauf an, ob es sich um einen offenen oder geschlossenen oder um einen fakultativen oder obligatorischen Ausschuß handelt, denn das Gericht trifft keine Differenzierungen bei der Zubilligung des Anspruchs auf Ausschußmitgliedschaft. Fest steht lediglich, daß sich die Mitgliedschaft nur auf ständige Ausschüsse bezieht271 . Das Gericht hält es demgegenüber jedoch trotz der wichtigen Funktion der Ausschüsse für verfassungsrechtlich nicht geboten, dem fraktionslosen Abgeordneten zugleich ein Stimmrecht im Ausschuß einzuräumen, denn dies würde sich nach Ansicht des Gerichts überproportional auswirken, die Spiegelbildfunktion des Ausschusses beeinträchtigen und damit die Rechte der übrigen Abgeordneten in unzulässiger Weise beschränken272 . Im übrigen liege der Schwerpunkt der Ausschußarbeit auf der Beratung von Vorlagen und dementsprechend das Schwergewicht der Abgeordnetenmitwirkung auf der Einbringung von Argumenten und der Befruchtung der Sachdiskussion273 . Das Stimmrecht des fraktionslosen Abgeordneten werde zudem in der Sache nicht verkürzt, da ihm sein Abstimmungsrecht im Plenum weiter uneingeschränkt zur Verfügung stehe274 . Damit wird deutlich, daß das Bundesverfassungsgericht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG kein Recht des fraktionslosen Abgeordneten auf Teilhabe an sämtlichen parlamentarischen Entscheidungsvorgängen ableitet. Der Gewährleistungsinhalt des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG umfaßt offenbar lediglich das Stimmrecht des Abgeordneten im Plenum. Die Literatur hat sich zahlreich gegen diese Aufteilung zwischen Rede- und Antragsrecht einerseits und Stimmrecht andererseits gestellf7S • Ihrer Ansicht nach sprechen gegen die Entziehung des Stimmrechts eines fraktionslosen Abgeordneten gute Gründe, wobei es sich um eben die Gründe handelt, die das Bundesverfassungsgericht selbst für die Begründung des grundsätzlichen Mitwirkungsrechtes in einem Ausschuß angeführt hat. Hierzu gehört vor allem die große praktische Bedeutung, die die Ausschüsse heute im Parlamentsleben BVerfGE 80, 188 (221 f). BVerfGE 80, 188 (224). 271 Schulze-Fielitz, DÖV 1989, 829 (833). 272 BVerfGE 80, 188 (224); mit Bedenken, im Ergebnis jedoch zustimmend Ziekow, JuS 1991,28 (3lf). 273 BVerfGE 80, 188 (224). 274 BVerfGE 80, 188 (225). m Hö1scheidt, DVBl1989, 291; Trute, Jura 1990, 184 (191); Schulze-Fielitz, DÖV 1989,829 (833); ebenso das OVG Bremen für fraktionslose Mitglieder der Bremerhavener Stadtverordnetenversamm1Wlg, NVwZ 1990, 1195 (1196). 269
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C. Würdigung der Mitwirlomgsrechte des Bundestages
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erlangt haben und die streng genommen dazu führt, daß die Entscheidungen des Plenums materiell bereits in den Ausschüssen fallen. Darauf ist nicht nur von seiten des Schrifttums im Anschluß an das Wüppesahl-Urteil276 , sondern auch vom Vorsitzenden Richter Mahrenholz selbst in seinem Sondervotum zu der genannten Entscheidung überzeugend hingewiesen worden277 . Vor allem der überproportionalen Wirkung der Stimme des fraktionslosen Abgeordneten im Ausschuß, auf die das Gericht die Ablehnung des Stimmrechts in besonderer Weise zu stützen scheint, kann durch verhältnismäßig einfache Mittel wie die in geringem Maße erforderliche Aufstockung der Sitzzahl begegnet werden, so daß auch bei knappen Ausschußmehrheiten die geforderte Spiegelbildfunktion des Ausschusses für das Plenum jedenfalls grundsätzlich gewahrt bleibe78 . Der Bundestag hat sich dennoch der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen. So bleibt festzuhalten, daß der fraktionslose Abgeordnete gern. § 57 Abs. 1 Satz 2 GOBT zwar Mitglied eines Ausschusses werden kann279 , dort auch über ein Rede- und Antragsrecht, jedoch gern. § 57 Abs. 2 Satz 2 GOBT nicht über ein Stimmrecht verfügt. Seine Rechte im Plenum stehen ihm allerdings uneingeschränkt zu. bb) Veränderungen durch den Europaausschuß Art. 45 GG erlegt dem Bundestag in Satz I die Pflicht auf, einen Ausschuß für die Angelegenheiten der EU zu bestellen. Er stellt es ihm daneben in Satz 2 frei, diesen Ausschuß dahingehend zu ermächtigen, die Rechte des Bundestages nach Art. 23 GG gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. Damit wird zunächst deutlich, daß die einzige zwingende Veränderung, die mit Art. 45 GG einhergeht, die Errichtung eines weiteren ständigen Ausschusses ist, der zuständig für die Angelegenheiten der EU sein wird. Für sich alleine vermag Art. 45 Satz 1 GG jedoch keine Beeinträchtigung der Statusrechte des Abgeordneten zu begründen, denn der einzelne Abgeordnete wird nicht bereits dadurch in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG i.Vm. Artt. 79 276 Trute, Jura 1990, 184 (191); Schulze-Fielitz, DÖV 1989, 829 (833); vorher bereits Hölscheidt, DVBl1989, 291 tf 277 BVerlGE 80, 188 (235 tf). 278 Ebenso siehe Hölscheidt, DVBI 1989, 291 (293); Schulze-Fielitz, DÖV 1989, 829 ~833 f.). 27 Im Unterschied zu den fraktionsangehörigen Abgeordneten, die gern. § 57 Abs. 2 Satz 1 GOBT von den Fraktionen benannt werden, wird der fraktionslose Abgeordnete gern. § 57 Abs. 2 Satz 2 GOBT vom Präsidenten des Bundestages einem Ausschuß zugewiesen.
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Blmdestages
Abs. 3,20 Abs. 1 und 2 GG verletzt, daß die Einrichtung eines weiteren Fachausschusses bereits durch das Grundgesetz und nicht erst durch die Geschäftsordnung vorgesehen ist. Dem deutschen Parlamentsrecht entspricht es sogar, daß die Verfassung selbst Vorgaben für die Geschäftsordnung des Bundestages mache 80 . Dies entspricht auch der Rechtslage bei Art. 45 a und c GG, in denen dem Bundestag die Einrichtung des Auswärtigen, des Verteidigungs- und des Petitionsausschusses aufgegeben wird. Im übrigen steht - wie festgestellt grundsätzlich jedem Abgeordneten das Recht auf Ausschußmitgliedschaft zu. Aber auch Art. 45 Satz 2 GG ist für sich betrachtet nicht geeignet, die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zu verletzen. Denn weder ordnet er eine Delegation der Entscheidungsbefugnisse des Bundestages selbst an, noch verpflichtet er den Bundestag dazu, dies im Wege der Geschäftsordnungsergänzung und/oder durch konkrete Einzelfallermächtigungen zu tun. Eine Gefährdung der Rechte einzelner Abgeordneter kann demnach erst dann überhaupt möglich werden, wenn der Bundestag von dieser Ermächtigungsmöglichkeit auf der Verfassungsrechtsgrundlage des Art. 45 Satz 2 GG konkret Gebrauch macht. Dies ist bislang jedoch noch nicht geschehen. Zu diskutieren ist hier deshalb lediglich der Fall, daß der Bundestag tatsächlich Entscheidungsbefugnisse auf den Europaausschuß auf der Basis von Art. 45 Satz 2 GG i.Vm. § 93 a Abs. 2 GOBT delegiert. (1) Fraktionsangehöriger Abgeordneter
Im folgenden ist zu untersuchen, wie sich die Einsetzung und mögliche Ermächtigung auf die Rechtsstellung des fraktionsangehörigen Abgeordneten auswirkt. Nachteilige Auswirkungen für einen Abgeordneten sind übe.rhaupt nur dann denkbar, wenn dieser nicht Mitglied des ermächtigten Europaausschusses geworden ist. Im Hinblick auf die Besetzung des Europaausschusses war lange Zeit ungeklärt, ob sie sich nach den allgemeinen Regeln richten sollte, d.h., ob die Fraktionen gern. §§ 57 Abs. 2, 12 Satz 1 GOBT die Ausschußmitglieder und deren Stellvertreter im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen im Plenum benennen sollten. Als eine weitere Möglichkeit der Besetzung wurde dilil Wahl der Mitglieder durch das Plenum diskutiere 81 . Durch die Ergänzung 210 Siehe Zeh, in: HdStR, Bd. 11, § 43 Rdnr. 3; Pietzcker, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), § 10 Rdnr. 2. 211 Zu diesen beiden Möglichkeiten siehe Anlage 1 zur Ausschußdrucksache Nr. 126-47 des Ausschusses für Wahlprüfung, Immlmität lmd Geschäftsordnlmg, S. 13; zur legitimierenden Funktion einer solchen Wahl siehe Kretschmer, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), § 9 Rdnr. 106.
c. Würdigung der Mitwirlrungsrechte des BWldestages
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der Geschäftsordnung ist nunmehr klargestellt worden, daß hinsichtlich der Besetzung des Europaausschusses keine Sonderregelungen gegenüber den anderen Ausschüssen greifen. Die Besetzung erfolgt daher über die Benennung der Abgeordneten durch die Fraktionen. Grundsätzlich besteht daher für jeden fraktionsangehörigen Abgeordneten die gleiche Chance, für die Besetzung nominiert zu werden. Es gilt jedoch weiterhin der Grundsatz, daß der einzelne Abgeordnete keinen Anspruch auf Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ausschuß seiner Wahl hat. Die Rechte eines Abgeordneten werden daher nicht bereits dadurch verletzt, daß er möglicherweise nicht Mitglied des Europaausschusses wird. Insoweit besteht kein Unterschied zu den übrigen Ausschüssen und ist grundsätzlich keine Verletzung der Mitwirkungs- und Gleichheitsrechte des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. I Satz 2 GG gegeben. Anders könnte es sich aber angesichts einer Ermächtigung des Ausschusses zur Entscheidung anstelle des Plenums verhalten, denn in diesem Falle verlieren alle Abgeordneten, die nicht Mitglied des Europaausschusses sind, ihr Recht zur Schlußabstimmung im Plenum. Wie bereits ausgeführt, scheint aber nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der Gewährleistungsgehalt des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG das Mitwirkungs- und Stimmrecht des Abgeordneten im Plenum zu umfassen282 . Es stellt sich mithin die Frage, ob es mit den Statusrechten des Abgeordneten verfassungsrechtlich vereinbar ist, wenn der Bundestag einen Teil seiner Entscheidungsrechte auf einen Ausschuß delegiert. (a) Delegationsbefugnis des BundestagesVerlagerung von Beschlußkompetenzen auf Ausschüsse Die Möglichkeit zur Delegation von Entscheidungsbefugnissen des Plenums auf die Ausschüsse des Bundestages ist bis zur Einfügung des Art. 45 GG verfassungsrechtlich grundsätzlich weder ausdrücklich vorgesehen noch verboten gewesen283 . Nunmehr sieht Art. 45 Satz 2 GG und hieran anschließend der am 16.12.1994 eingefügte § 93 a GOBT in seinem Absatz 2 Satz 1 ausdrücklich die Möglichkeit hierzu vor. Die Konstruktion eines Ausschusses mit außenwirksamen Beschlußkompetenzen ist von der Grundidee her keineswegs so neu, wie man zunächst anVgL BVerfGE 80, 188 (225). Achterberg, S. 680 Wlter dem Hinweis, daß sich in manchen Fällen wie z.B. bei der Wahl des BWldeskanzlers durch den BWldestag gern. Art. 63 Abs. 2 Satz 1 GG ein mittelbares Delegationsverbot aus der VerfassWlgsvorschrift ergebe; ebenso Kewenig, Staatsrechtliche Probleme, S. 45; skeptisch zur Zulässigkeit der Delegation Frost, AöR 95 (1970), 38 (85). 282
283
22*
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
nehmen könnte; bereits bislang wurden bestimmte Aufgaben des Plenums lediglich von einzelnen Ausschüssen wahrgenommen, ohne daß dem gesamten Plenum und damit allen Abgeordneten gleichermaßen ein Mitwirkungsrecht dabei zugestanden wurde. So haben bspw. der Kontrollausschuß (§ 10 a BHO), der für die Kontrolle der Mittelverwendung der nachrichtlichen Tätigkeit des Bundes zuständig ise 84 , wie auch der G-I 0- Ausschuß, der Vermittlungsausschuß285 , der Richterwahlausschuß und der Gemeinsame Ausschuß, der im Verteidigungsfall gern. Art. 115 e GG i.Vm. Art. 53 a Abs. I GG die Rechte des Bundesrates und des Bundesrates wahrnimmt, das Recht, für den Bundestag Beschlüsse mit Außenwirkung gegenüber anderen Verfassungsorganen zu fassen. Auch der Haushaltsausschuß ist befugt, anstelle des Bundestages zu beschließen286 . Die Beschlußfassungskompetenz dieser Ausschüsse ist jedoch lediglich einfachgesetzlich geregelt und verfassungsrechtlich nicht abgesicherf 87 . Immerhin zeigt sich an diesen Beispielen aber, daß der Bundestag auch im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie gern. Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG in der Vergangenheit sogar ohne Vorliegen einer verfassungskräftigen Delegationsbefugnis die konkreten Mitwirkungsrechte der Abgeordneten ausgestaltet und eingeschränkt hae 88 . Dies liegt darin begründet, daß die Geschäftsautonomie dem Bundestag weitgehende Freiheiten zur Gestaltung seiner inneren Ordnung eröffnee 89 . Innerhalb des Demokratieprinzips stehen die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten und die Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages demnach in einem Spannungsverhältnis zueinande?90. Bei der Wahrnehmung seiner Geschäftsordnungsautonomie muß sich der Bundestag primär an dem Ziel orientieren, das Parlament funktionsfähig zu erhalten und die aus dem Repräsentationsprinzip sowie aus dem Gleichheitsgrundsatz folgenden Abgeordnetenrechte zu beachten291 . Verschiedene tatsächliche Einschränkungen der Abgeordnetenrechte sind daher durchaus in Grenzen zulässii92 . Wenn
214
BVerIDE 70, 324 (358ff.).
m BVerIDE 84, 304 (333).
216 Sog. Sperrvennerk, verschiedene Titel des Haushaltsplans, der die Ausgabeermächtigung der Exekutive darstellt, werden bezüglich ihrer Verwendung an die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses gebunden; siehe hierzu PüttnerlKretschmer, S.123. 217 PüttnerlKretschmer, S. 123. m Vgl. BVerIDE 80, 188 (219f); Ziekow, JuS 1991,28 (29). 289 BVerIDE 80, 188 (220); Schneider, in: Altemativ-Kommentar, Arun. 9 zu Art. 4000; ebenso Schulze-Fielitz, DÖV 1989, 829 (830). 290 Böckenforde, in: HdStR, Bd. TI, § 22 Rdnr. 45; Trute, Jura 1990, 184 (188). 291 Siehe hierzu Hölscheidt, DVB11989, 291 (292); Kürschner, S. 118; Ziekow, JuS 1991, 28 (30). 292 BVerIDE 80, 188 (220f).
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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dies für die auf Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG basierende Geschäftsordnung gilt, so muß eine gewisse Einschränkung ebenfalls auf der vetfassungsrechtlich eröffneten Delegationsbefugnis des Art. 45 Satz 2 GG möglich sein. Da es sich sowohl bei Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG als auch bei Art. 45 Satz 2 GG um gleichrangige Normen des Vetfassungsrechts handelt, unterliegt ihr Verhältnis ebenso wie das Verhältnis zwischen der Geschäftsautonomie und den Abgeordnetenrechten dem Grundsatz praktischer Konkordan.i93 . Dies bedeutet, daß den aufeinandertreffenden Rechtsgedanken Grenzen gezogen werden müssen, damit beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen können. Die Delegationsbefugnis begrenzt daher die Statusrechte des Abgeordneten und umgekehrt. (b) Kein ersatzloser Wegfall des Stimmrechts Nicht zu übersehen ist in diesem Zusammenhang, daß das Stimmrecht im Plenum mit der Delegation auf den Europaausschuß auch für den Abgeordneten nicht ersatzlos entfällt, der nicht Mitglied des Europaausschusses ist. Schließlich tritt anstelle der Entscheidung über die Stellungnahme die Entscheidung des Plenums über die entsprechende Ermächtigung des Ausschusses. Ohne eine Abstimmung des Plenums kann die Ermächtigung nämlich weder als nun in der Geschäftsordnung in § 93 a Abs. 2 GOBT vorgesehene Einzelfall-, noch als fiktive Generalermächtigung etfolgen. Bei dieser Abstimmung verfügt jedoch jeder Abgeordnete gleichermaßen über ein uneingeschränktes Stimmrecht. Zudem ist oben festgestellt worden, daß die Delegation der Rechte nicht unwiderruflich vorgenommen wird, sondern daß vielmehr gewährleistet sein muß, daß dem Plenum ein ,,Rückholrecht" zusteht, wie es § 93 a Abs. 2 Satz 2 GOBT nun vorsieht. Dies bedeutet, daß dem Abgeordneten, der nicht Mitglied des Europaausschusses ist, auch die Teilhabe an der Entscheidung des Plenums zusteht, ob die erteilte Ermächtigung zurückgeholt wird und das Plenum die Entscheidungsgewalt wieder an sich zieht. Sowohl bei der Ermächtigungsals auch bei der Rückholentscheidung herrscht absolute und uneingeschränkte Gleichwertigkeit der Stimmen aller Abgeordneten. Mitwirkungs-, Gleichheitsund Minderheitenrechte werden auf diese Weise grundsätzlich gewahtf 94 .
293 Zur praktischen Konkordanz im Verhältnis zwischen der Geschäftsautonomie des Bundestages nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG und den Rechten des Abgeordneten gern. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG siehe PüttnerlKretschmer, S. 105. 294 Kretschmer hält eine Delegation auf die Ausschüsse allerdings offenbar nur dann fur zulässig, wenn die Mitglieder des ermächtigten Ausschusses vom Bundestag gewählt würden, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), § 9 Rdnr. 106. Wie die ergänzte Geschäftsordnung zeigt, hat sich der Bundestagjedoch gegen diese Möglichkeit entschieden.
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4. Kapitel: Die Mitwirlomgsrechte des Bundestages
(c) Kein Verlust von Entscheidungsbefugnissen im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen Schließlich ist zu berücksichtigen, daß diejenigen Abgeordneten, die nicht Mitglied des Ausschusses sind, bei Vorliegen einer Ermächtigung nicht von Normsetzungsaufgaben abgeschnitten sind. Bei den Stellungnahmen, die der Bundestag nach Art. 23 Abs. 3 GG und im Falle einer Ermächtigung der Europaausschuß gegenüber der Bundesregierung abgibt, handelt es sich gerade nicht um endgültige Rechtsetzungsbeschlüsse des Bundestages. Es handelt sich vielmehr um rechtlich erhebliche, aber dennoch letZtlich unverbindliche Beschlüsse im Bereich von Regelungsmaterien, für die der Bundestag die Gesetzgebungskompetenz auf die EU übertragen, mithin also bereits verloren hat. Diese Beschlüsse berücksichtigt die Bundesregierung bei ihrer Mitwirkung an der Rechtsetzung der EU. Dies heißt aber weder, daß sie diese Stellungnahmen selbst übernimmt, noch, daß sie im Falle der Übernahme ihnen im Rat zum Durchbruch verhilft. Die Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 3 GG erreicht damit keinesfalls die Qualität und Rechtswirkung von Gesetzgebungsbeschlüssen des Bundestages. (d) Öffentlichkeitsprinzip Ein weiteres Problem der Delegation von Entscheidungsbefugnissen des Plenums liegt in der Gewährleistung des Öffentlichkeitsprinzips des Bundestages. Grundsätzlich nimmt das Plenum gern. Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG seine Kreations- und Kontrol1funktion in öffentlicher Verhandlung wall?9S , denn repräsentative Demokratie kann sich nur über eine öffentliche parlamentarische Verantwortlichkeit verwirklichen296 . Die Öffentlichkeit sorgt für die Transparenz des Willensbildungsprozesses im Bundestag und dient dadurch der Sicherung des demokratischen Prinzips. Dagegen verhandeln die Ausschüsse gern. § 69 Abs. I Satz I GOBT grundsätzlich nicht öffentlich. Dies gilt auch für den Europaausschuß. Die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen auf die Ausschüsse bedingt allerdings einen totalen Verlust an Transparenz und durchbricht damit das Öffentlichkeitsprinzip hinsichtlich der Verhandlungen und der in diesen getroffenen Entscheidungen. Gerechtfertigt erscheint dies Z.B. in den Fällen des Kontrollausschusses aus Gründen des staatlichen Geheimschutzinteresses297 . Vergleichbare Gesichtspunkte greifen aber bei der Beschlußfassungskompetenz des Europaausschusses nur insoweit, als es sich tatsächlich um vertrauliche Vorhaben der EU handeln sollte. 29' 296 297
BVerlGE 89, 155 (191). Böckenförde, in: HdStR, Bd. 11, § 30 Rdnr. 15. PüttnerlKretschmer, S. 123.
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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Immerhin besteht bei der Möglichkeit zur Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf den Europaausschuß aber der erhebliche Unterschied, daß die Verfassung selbst in Art. 45 Satz 2 die Rechtsgrundlage für die Delegation der Beschlußrechte des Bundestages bildet, falls der Bundestag eine entsprechende Ermächtigung erteilt. Laut § 93 a Abs. 2 Satz I GOBT handelt es sich dabei um eine Einzelfallermächtigung. Der grundsätzlich nicht öffentlich verhandelnde Europaausschuß hat in § 10 seiner Grundätze über die Behandlung von Unionsvorlagen vom 25. Oktober 1995 Sonderregeln hinsichtlich der Öffentlichkeit im Falle einer Ermächtigung gem § 93 a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 GOBT getroffen. Danach kann der Ausschußvorsitzende den Ausschuß für die Schlußberatung der Verhandlungsgegenstände, für die eine Ermächtigung zur Wahrnehmung der Bundestagsrechte besteht, zu einer öffentlichen Sitzung einberufen, sofern nicht eine Fraktion im Ausschuß dem widerspricht. Davon abgesehen steht es dem Ausschuß frei, nach den allgemeinen Regeln der §§ 69, 70 GOBT die Öffentlichkeit auszuschließen oder herzustellen. Mit dieser ,,Kann-Bestimmung" bleibt es bei der grundsätzlichen Nichtöffentlichkeit der Ausschußsitzungen; § 10 der Grundsätze über die Behandlung von Unionsvorlagen regelt damit lediglich das, was nach §§ 69 und 70 GOBT ohnehin bereits gilt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß auch nach bisheriger Rechtslage das Plenum selbst unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall durchaus das Recht hat, die Öffentlichkeit auszuschließen. Insoweit können an die Verhandlungen des Europaausschusses keine strengeren Anforderungen gestellt werden als an die Sitzungen des Plenums. Zwar ist einzuräumen, daß ein grundsätzlicher Unterschied in Hinblick darauf besteht, ob der Grundsatz der Öffentlichkeit im Einzelfall bei Vorliegen besonderer Gründe der Nichtöffentlichkeit weichen muß, oder ob in der Regel die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist und sie nur beschränkt auf bestimmte Fälle zugelassen wird. Insoweit begegnet die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit von Verhandlungspunkten bei Sitzungen des Europaausschusses den gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken wie die Nichtöffentlichkeit von Entscheidungen für den Bundestag z.B. des Haushaltsausschusses, des Vermittlungsausschusses, US~98. Für die Wahrung des Öffentlichkeitsprinzips durch den Europaausschuß vermögen diese Bedenken jedoch letztlich nicht durchzugreifen, denn immerhin zeigt § 10 der Grundsätze über die Behandlung von Unionsvorlagen, daß der Ausschuß das Problem der Öffentlichkeit der Schlußabstimmungen durchaus erkannt und durch die ausdrückliche Wiederholung der nach § 69 Abs. 1 Satz 2 GOBT bereits bestehenden Möglichkeit zur Vermeidung einer Durchbrechung des Öffentlichkeitsprinzips diese noch einmal besonders betonen wollte. Dadurch hat der Ausschuß einen deutlichen Hinweis auf seine Intention gege-
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Siehe oben, unter (a).
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4. Kapitel: Die Mitwirklmgsrechte des Bundestages
ben, die an die Stelle der Plenumsabstimmung tretende Schlußabstimmung des Ausschusses im Regelfall der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Daher bestehen unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeit letztlich keine durchgreifenden Bedenken gegen eine Delegation der Entscheidungsbefugnisse in europäischen Angelegenheiten. (e) Erforderlichkeit der Delegation Auch vor dem Hintergrund der Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts muß die Rechtmäßigkeit der Möglichkeit zur Entscheidungsermächtigung des Europaausschusses grundsätzlich bejaht werden; denn in diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht dem Deutschen Bundestag eine zentrale Rolle bei der Frage der demokratischen Legitimation hoheitlichen Handeins in der EU zugedachf 99 . In erster Linie über ihn wird aus deutscher Sicht die Hoheitsgewalt der EU legitimiert300 . Diese Rolle kann er jedoch nur dann tatsächlich wahrnehmen, wenn er seine Rechte nach Art. 23 GG effizient durchzusetzen vermag. Die effiziente Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte scheiterte in der Vergangenheit regelmäßig daran, daß der Bundestag zum einen relativ spät über Vorlagen informiert wurde, bzw. daß die Rechtsetzungsterminierung in Brüssel von der Zuleitung eines Kommissionsvorschlags an den Rat bis zur voraussichtlichen Beschlußfassung im Rat außerordentlich zügig erfolgeO I . Zum anderen aber - und dies ist entscheidend - war der Bundestag häufig nicht in der Lage, der Bundesregierung rechtzeitig fundiert erarbeitete Stellungnahmen und Vorschläge zu den Vorlagen zuzuleiten. Dies lag in der langwierigen Beratungs- und Abstimmungskoordination zw.ischen dem Plenum, dem federführenden Ausschuß und den mitberatenden Ausschüssen im Zusammenspiel mit der Terminierung der Aussprachen und Entscheidungen innerhalb des Bundestages begründet. Ohne Errichtung eines speziellen Ausschusses, der notfalls auch in der Lage sein muß, schnelle Entscheidungen anstelle des Plenums zu treffen, würde sich daher an der bisherigen Situation nichts ändern. Die neuen Rechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG würden damit leerlaufen, weil zu vermuten steht, daß die Stellungnahme des Bundestages wie in der Vergangenheit regelmäßig zu spät abgegeben würde, um noch von der Bundesregierung gern. Art. 23 Abs. 3 GG vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der EU berücksichtigt werden zu können. Auf die
Siehe BVerlGE 89,155 (184ff, 190ff). BVerlGE 89, 155 (185). 301 I.d.R. handelt es sich dabei je nach Bedeutung des Vorhabens um 6-Wochen, sowie 3- oder 6-Monats-Fristen, vgl. Anlage 4 zur Ausschußdrucksache Nr. 12-6-47 des Ausschusses fiir Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, S. 43. 299
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c. Würdigung der Mitwirlamgsrechte des Bundestages
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Ausübung dieser Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG hat aber das Bundesverfassungsgericht in seiner Maastricht-Entscheidung besonderes Gewicht bei der Frage gelegt, ob dem Bundestag noch hinreichend Rechte von substantiellem Gewicht verblieben sind, um eine ausreichende demokratische Legitimation der europäischen Hoheitsgewalt gewährleisten zu können. Ohne Einsetzung und Ermächtigung des Europaausschusses nach Art. 45 Satz 2 GG wäre der Bundestag folglich nicht in der Lage, den ihm vom Bundesverfassungsgericht zuerkannten Verfassungsauftrag hinreichender demokratischer Legitimierung zu erfüllen. Nur durch effiziente Durchsetzung seiner Mitwirkungsrechte kann der Bundestag überhaupt die Gelegenheit dazu erhalten, in der europäischen Innenpolitik eine bedeutsamere Rolle zu spielen. Angesichts dessen ist die Einrichtung und - soweit erforderlich - die Ermächtigung des Ausschusses offenbar nicht nur zulässig, sondern geradezu zwingend302 • Eine begrenzte Einschränkung von Rechten einzelner Abgeordneter erscheint daher unumgänglich, um die Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundestages in seiner Gesamtheit nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG und damit die Arbeitsfähigkeit des Parlaments in europäischen Angelegenheiten gewährleisten zu können303 • (2) Fraktionsloser Abgeordneter
Auch hier bedarf es zunächst der Klarstellung, daß eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung durch Art. 45 GG nicht in Betracht kommt, da Art. 45 Satz 2 GG ebenso wie § 93 a Abs. 2 Satz 1 GOBT lediglich die Befugnis zur Ermächtigung des Ausschusses einräumt. Solange der Bundestag von dieser Befugnis jedoch keinen Gebrauch macht, kann auch keine unmittelbare Gefährdung der Rechte des fraktionslosen Abgeordneten vorliegen. Dies wäre erst bei einer konkreten Ermächtigung des Europaausschusses denkbar. Für den fraktionslosen Abgeordneten ergäbe sich dann folgende Situation: Ist er nicht Mitglied des ermächtigten Europaausschusses, so wird er von seinem Stimmrecht bei der Schlußabstimmung im Plenum aufgrund der Delegation abgeschnitten. Dies ergibt sich allerdings nicht aus seiner Fraktionslosigkeit, sondern ist unmittelbare Folge der Delegation und gilt gleichermaßen für alle Abgeordneten, die nicht Mitglied des Europaausschusses sind. Insofern ist der fraktionslose Abgeordnete den fraktionsangehörigen Abgeordneten
302 Der Bundestag handelt daher derzeit geradezu sträflich, indem er die ihm zur Verfiigung stehenden Instrumentarien, insbesondere den Europaausschuß, bei weitem nicht in dem geplanten und auch etforderlichen Maße zum Einsatz bringt. 303 Trute, Jura 1990, 184 (189); Grimm in: Schneider/Zeh (Hrsg.), § 6Rdnr. 33.
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4. Kapitel: Die Mitwirlomgsrechte des Bundestages
gleichgestellt und muß - wie oben dargelegt - die Einschränkung seiner parlamentarischen Mitwirkungsrechte durch die Delegation unter den beschriebenen Voraussetzungen hinnehmen. Etwas anderes könnte aber gelten, wenn der fraktionslose Abgeordnete bei der Besetzung des ermächtigten Europaausschusses berücksichtigt worden ise 04 . Legt man hier die Regelung des § 57 Abs. 2 Satz 2 GOBT und das sog. Wüppesahl-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, so läge es hier nahe, dem fraktionslosen Abgeordneten das Stimmrecht im Ausschuß zu versagen. In diesem Punkt würde also das fraktionslose Ausschußmitglied gegenüber dem fraktionsangehörigen Ausschußmitglied benachteiligt, denn ihm wäre auf diese Weise von vornherein die Möglichkeit verwehrt, an europapolitisehen Entscheidungen teilzuhaben, die an den Ausschuß delegiert werden. Gegen diese Annahme sprechen jedoch gewichtige Gründe, die insbesondere das Bundesverfassungsgericht überzeugend dargelegt haeos . Zum einen hat das Gericht festgestellt, daß wegen der traditionell vorbereitenden Funktion der Ausschüsse der Schwerpunkt der Ausschußarbeit auf der Beratung, der Einbringung von Argumenten und der Befruchtung der Sachdiskussion liege306 . Unter anderem mit diesem Argument haben die Richter die Notwendigkeit abgelehnt, dem fraktionslosen Abgeordneten ein Stimmrecht im Ausschuß zu gewähren. Diese Begründung vermag hier jedoch nicht durchzuschlagen, denn sofern der Europaausschuß Entscheidungen für das Plenum trifft, wird er im Unterschied zu den anderen Ausschüssen eben nicht nur vorbereitend, sondern letztentscheidend tätig. Folglich liegt das Schwergewicht der Ausschußarbeit beim Europaausschuß auch nicht lediglich auf der Beratung sondern ebenfalls auf der Schlußentscheidung. Im Verhältnis zur Situation, die dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrundelag, sind hier also veränderte Grundbedingungen festzustellen. Mit dem vorgenannten Argument ließe sich daher im vorliegenden Falle ein Ausschluß des Stimmrechts nicht überzeugend begründen. Als ein weiteres Argument gegen die Gewährung des Stimmrechts hat das Bundesverfassungsgericht angeführt, daß das Kräfteverhältnis im Ausschuß 304 Dies ist deshalb rechtlich nicht ausgeschlossen, weil es dem fraktionslosen Abgeordneten grundsätzlich unbenommen ist, einen Wunsch auf Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ausschuß zu äußern, der bei seiner Benennung durch den Präsidenten des Bundestages gern. § 57 Abs. 2 Satz 2 GOBT nach Möglichkeit zu berücksichtigen ist; einen entsprechenden durchsetzbaren Anspruch hat er allerdings ebensowenig wie die fraktionsangehörigen Abgeordneten, siehe hierzu oben, unter aa) (1) sowie BVerfGE 80, 188 (226). 30S BVerfGE 80, 188 (221 ff.). 306 BVerfGE 80, 188 (224).
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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wegen dessen Spiegelbildfunktion dem des Plenums entsprechen müsse und daher die Stimme des Fraktionslosen, der nur für sich und nicht gleichzeitig für seine Fraktion spreche, notwendig überproportional wirke307 . Verfolgt man die Argumentationslinie des Gerichts, so muß diese Begründung insbesondere dann gelten, wenn der Ausschuß als Ersatz für das Plenum eintritt, denn vor allem dann ist die Wahrung der Spiegelbildfunktion von Bedeutung. Die Schlagkraft dieses Arguments ist jedoch bereits oben in Frage gestellt worden308 . Was der Senat mit "schwierigen Korrekturen" meint, die notwendig seien, um den mit dem Stimmrecht des Fraktionslosen verbundenen Einfluß zu neutralisieren, bleibt im dunkeln. Immerhin weisen die größeren Ausschüsse - mit 39 ordentlichen Mitgliedern und zusätzlich 11 mitwirkenden Mitgliedern des Europäischen Parlaments gehört der Europaausschuß zu diesen eine Regierungsmehrheit von drei Stimmen auf, so daß es eher unwahrscheinlich ist, daß sich aus einer stimmberechtigten Mitgliedschaft eines fraktionslosen Abgeordneten eine Störung der Funktionsfahigkeit des Ausschusses ergeben könnte. Erforderlichenfalls wäre jedoch jederzeit die Aufstockung der Sitze der Mehrheitsfraktionen mÖglich309 . Auch hieraus läßt sich daher keine Berechtigung zum Entzug des Stimmrechts herleiten. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht das Stimmrecht des Abgeordneten im Plenum als durch den GeWährleistungsinhalt des Art. 38 Abs. I Satz 2 GG garantiert angesehen und den Entzug des Ausschußstimmrechts vor allem nur deshalb für gerechtfertigt gehalten, weil durch den Verbleib des Plenumsstimmrechts die Statusrechte des Abgeordneten in der Sache nicht verkürzt würden310 • Dies trifft hier jedoch so nicht zu, denn im Falle einer Ermächtigung des Ausschusses findet eine Schlußabstimmung im Plenum nicht mehr statt, an der der fraktionslose Abgeordnete teilhaben könnte. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das Stimmrecht des fraktionslosen Abgeordneten im Plenum tatsächlich völlig weggefallen ist, oder ob hierfür ein adäquater Ersatz besteht. Ein solcher Ersatz könnte - wie oben bereits ausgeführt wurde3ll - in der Abstimmung über die Ermächtigung des Ausschusses sowie über die mögliche Rückholung der Angelegenheit ins Plenum liegen. Dies wurde bereits für diejenigen fraktionsangehörigen und fraktionslosen Abgeordneten als ausreichend im Hinblick auf Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG befunden, die als Nichtmitglieder des Europaausschusses ebenfalls keine Schlußabstimmungsbefugnis im Plenum mehr besitzen. Aus diesem Grund wurde eine Verletzung BVerfGE 80,188 (224f). Siehe oben, unter aa) (2). 309 Ebenso zum Ganzen Mahrenholz in seinem abweichenden Votum zum Wüppesahl-Urteil, BVerfGE 80, 235 (240). 310 BVerfGE 80, 188 (225). 311 Siehe oben, unter (1). 307 308
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
der Statusrechte des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. I Satz 2 GG abgelehne 12 . Wenn also in den genannten Fällen die Mindestanforderungen an die Statusrechte des Abgeordneten als nicht unterschritten befunden wurden, muß dies auch in dem hier diskutierten Fall gelten. Auch aus dem Umstand, daß es sich hier immerhin um ein Ausschußmitglied handelt, ergeben sich keine weiteren Gesichtspunkte, die ein Stimmrecht des fraktionslosen Abgeordneten zwingend erforderlich machten. Denn seiner durch die Ermächtigung des Plenums legitimierten Stellung wird dadurch genügt, daß der fraktionslose Abgeordnete in vollem Umfang an der Beratung und dem Sachaustausch des Ausschusses teilhat. Was sein Stimmrecht nach Art. 38 Abs. I Satz 2 GG betrifft, so übt er dies durch Legitimierung der anderen Ausschußmitglieder aus. Die Ausschußmitgliedschaft verschafft dem fraktionslosen Abgeordneten im übrigen keine über Art. 38 Abs. I Satz 2 GG hinausgehenden Rechte, sie gestaltet seine Rechte allenfalls im Wege von Geschäftsordnungsbestimmungen aus. Der Ersatzfunktion der Ermächtigungs- und Rückholentscheidung kann auch nicht mit dem Argument begegnet werden, daß der fraktionslose Abgeordnete bei dieser Abstimmung notwendig überstimmt wird und so gegen seinen Willen eine Delegation vom Plenum beschlossen werden kann, denn seine Rechte aus Art. 38 Abs. I Satz 2 GG umfassen lediglich das Recht auf Mitwirkung an der Plenumsentscheidung, nicht aber das Recht, seine Ansicht auch durchzusetzen. Die Teilhabe an der Ermächtigungs- sowie an der Rückholentscheidung des Plenums vermag damit auch dem fraktionslosen Ausschußmitglied einen ausreichenden Ersatz für sein fehlendes Ausschußstimmrecht zu verschaffen. cc) Fazit Abgesehen von der Tatsache, daß die Delegation von Entscheidungsrechten auf den Europaausschuß verfassungsrechtlich durch Art. 45 Satz 2 GG abgesegnet ist und die Statusrechte des Abgeordneten nach Art. 38 Abs. I Satz 2 GG deshalb nunmehr ohnehin im Verhältnis praktischer Konkordanz zu ihr stehen, bleibt der Gewährleistungsinhalt des Art. 38 Abs. I Satz 2 GG grundsätzlich gewahrt. Zum einen wird den Abgeordneten durch die vorgesehene Delegation nicht die Teilhabe an Normsetzungsrechten entzogen. Zum anderen bleibt ihre von Art. 38 Abs. I Satz 2 GG erfaßte Mitwirkungs- und Abstimmungsberechtigung im Plenum grundsätzlich dadurch gewahrt, daß anstelle des Schlußabstimmungsrechts die gleichberechtigte Teilhabe an der Ermächtigung des Ausschusses durch das Plenum sowie an der Entscheidung über die Rückholung der Angele-
312
Ebd.
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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genheit tritt. Dies gilt gleichermaßen für Mitglieder und Nichtmitglieder des Europaausschusses wie auch für fraktionsangehörige und fraktionslose Abgeordnete. Letztere werden zudem auch nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, daß sie auch bei Mitgliedschaft im Ausschuß kein Stimmrecht erhalten. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit ist allerdings eine legitimierende Entscheidung des Plenums hinsichtlich der Delegation der Entscheidungsbefugnisse auf den Ausschuß, wie sie § 93 a Abs. 2 Satz I GOBT nun vorsieht. Schließlich steht auch der Grundsatz der Öffentlichkeit der Delegation von Entscheidungsbefugnissen nicht entgegen. Damit fügt sich die durch Art. 45 GG eröffnete Delegationsbefugnis des Bundestages in das Verfassungsbild ein. Sie ist aber auch im Hinblick auf die zentrale Kontroll- und Mitgestaltungsrolle, die das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag zugeschrieben hat, rechtlich und politisch erforderlich, um dem Bundestag die effiziente Wahrnehmung seiner Rechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG zu ermöglichen und zu sichern. Dies verträgt sich auch mit der von Achterberg vertretenen Ansicht, daß eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf einen Ausschuß grundsätzlich dann erlaubt ist, "wenn ein demjenigen der Vollversammlung möglichst ähnelndes Verfahren garantiert ist und sich die Entscheidungskompetenz eines Ausschusses derjenigen des Plenums als überlegen erweist, ohne dabei jedoch die parlamentarische Repräsentanz wesentlich zu verkürzen,,313 . Art. 45 GG bedingt demnach durch die in ihm enthaltene Delegationsbefugnis des Bundestages keine Verletzung der Statusrechte des Abgeordneten nach Art. 38 Abs. I Satz 2 GG. Auch ein Verstoß des Art. 45 Satz 2 GG gegen den aus dem demokratischen Prinzip abgeleiteten Schutz parlamentarischer Minderheiten, gegen den Grundsatz formalisierter Wahlrechtsgleichheit sowie das demokratische Prinzip in der Ausgestaltung der repräsentativen Demokratie selbst ist nicht ersichtlich, denn das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, daß diese Rechtsprinzipien keine über Art. 38 Abs. I Satz 2 GG hinausgehenden Rechte vermitteln, sondern in der Rechtsstellung der einzelnen Abgeordneten nach Art. 38 Abs. I Satz 2 GG aufgehen314 . d) Ergebnis
Ein Verstoß der neuen Mitwirkungsrechte des Bundestages aus Art. 23 Abs. 2 und 3 GG sowie aus Art. 45 GG gegen das Demokratiegrundsatz des Art. 20 Abs. 2 GG kann nicht festgestellt werden. Vielmehr dienen diese Rechte der
Achterberg, S. 68l. BVerlGE 80, 188 (220f); ebenso Trute Jura 1990, 184 (187); Schulze-Fielitz, DÖV 1989, 829 (832). 313
314
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
Sicherung des demokratischen Prinzips sowohl in der Bundesrepublik als auch innerhalb der EU. 3. Die Mitwirkungsrechte und das horizontale Gewaltenteilungsprinzip
Die Frage, ob sich die neuen Mitwirkungsrechte des Bundestages im Rahmen des über Art. 20 Abs. 2 GG i.Vm. Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Prinzips der horizontalen Gewaltenteilung halten, entscheidet sich durch die Überprüfung folgender Überlegungen. Zum einen gilt es zu untersuchen, ob die Rechte des Bundestages in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung einbrechen. Ferner stellt sich die Frage, ob Art. 23 Abs. 2-7 GG das bestehende Kräfteverhältnis zwischen den beiden gesetzgebenden Körperschaften Bundestag und Bundesrat wahrt oder eine Verschiebung vornimmt. Schließlich soll danach gefragt werde, ob die Mitwirkungsrechte einen Beitrag zur Wahrung der Legislativbefugnisse des Bundestages zu leisten vermögen. a) Einbruch in die exekutivische Eigenverantwortung der Bundesregierung?
Bereits oben wurde ausgeführt, daß der in Art. 20 Abs. 2 GG verankerte Grundsatz der horizontalen Gewaltenteilung nicht bewirkt, daß das Grundgesetz durchgängig auf einer strikten Trennung der drei Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative besteheiS . Vielmehr greifen die Gewalten ineinander über, begrenzen und kontrollieren sich gegenseitig, damit es zu keinem Übergewicht einer der Gewalten komme l6 . Ein wesentliches Merkmal der grundgesetzlichen Gewaltenteilung ist daher die sog. Gewaltenverschränkung317 • Die praktische Bedeutung des Prinzips der Gewaltenteilung bzw. -verschränkung liegt in der politischen Machtverteilung und der Mäßigung der Staatsgewale l8 .
Siehe oben, 3. Kapitel C. I. 4. a). BVerfGE 3, 247; 7, 188. 317 Siehe hierzu Schmidt-BleibtreulKlein, Rdnr. 19 zu Art. 20 GG; C1assen, AöR 119 &1994), 57 (60). 31 Schmidt-BleibtreuIKlein, Rdnr. 19 zu Art. 20 GG; Degenhart, Rdnr. 220. 31S
316
C. Würdigung der Mitwirlrun.gsrechte des Bwtdestages
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aa) Das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestag im Gefüge des Grundgesetzes Dem Zweck der Gewaltenteilung dient u.a. die Aufteilung staatlicher Funktionen (Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 GG: "besondere Organe")319. Im Rahmen dieser Funktionenteilung werden jedem besonderen Organ bestimmte und begrenzte Aufgabenbereiche zugewiesen320 . Trotz Gewaltenverschränkungen und -balancierungen haben sich daher klare Zuständigkeitsbereiche und Verantwortlichkeiten herausgebildee21 . Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestag, innerhalb dessen sich grundsätzliche Funktionstrennungen erkennen lassen, wenngleich es auch hier zu mannigfaltigen Überschneidungen und Verknüpfungen komme22 . Während es der Regierung grundsätzlich zusteht, staatsleitende Entscheidungen zu treffen323 , versteht sich das Parlament als diejenige politische Kraft, die die Willkür der Machtausübung im Staat einschränkt, indem es das Regierungshandeln an die von ihm selbst beschlossenen allgemeingültigen Gesetze bindet und deren Einhaltung kontrolliert324 . Das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestag ist somit grundsätzlich gekennzeichnet von parlamentarischer Verantwortlichkeit und Kontrolle 325 , wobei gewährleistet sein muß, daß die Regierung dem Bundestag als selbständiges und gleichrangiges Verfassungsorgan gegenübersteht und nicht zum Exekutivausschuß des Bundestages degradiert wird326 . Jedoch hat sich bereits seit geraumer Zeit die Annahme durchgesetzt, daß die Staatsleitung als politische Leitungsgewalt nicht ausschließlich der Regierung überlassen bleibt, sondern vielmehr Regierung und Parlament gewissermaßen ,,zur gesamten Hand" zustehe27 . Diese Annahme gründet auf dem Umstand, daß die Bundesregierung durch die Parlamentsmehrheit getragen wird 319 v. Miinch/Schnapp, Rdnr. 33 zu Art. 20 00.
Hesse, Gnmdzüge des Verfasswtgsrechts, Rdnr. 490. Brenner, ThürVB11993, 196 (198). 322 So verfügt die BwtdesregiefWlg z.B. über das Initiativrecht bei der Gesetzgebwtg; auf der anderen Seite steht es dem Bwtdestag zu, in begrenztem Umfang Exekutiventscheidwtgen zu treffen oder gern. Art. 80 00 Befugnisse an die Verwaltwtg zu 320 321
del~eren.
Badura, Staatsrecht, E 11. Kuper, ZParl1991, 620 (625). 32~ Ebenso Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 973 f. 326 Herzog, in: Maunz/Dürig/HerzoglScholz, Rdnr. 65 zu Art. 62 00. 327 Erstmals Friesenhahn, in: VVDStRL 16 (1957), 9 (37); Schewter, in: Festschrift fiir Smend, S. 253ff.; im Ansatz bereits Menzel, in: VVDStRL 12 (1953), 179; HH Klein, in: HdStR, Bd. 11, § 40 Rdnr. 8; Vitzthum, Parlament wtd Planwtg, S. 259ff.; kritisch dagegen Grewe, in: HdStR, Bd. m, § 77 Rdnr. 43. 324
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
und dadurch in ihrem Bestand wie auch in ihrer Regierungsfahigkeit von ihr abhängig ise28 . Bislang manifestierte sich die Mitwirkung des Bundestags bzw. der Bundestagsmehrheit ausdrücklich bereits in der grundgesetzlich besonders charakteristischen Erscheinungsform der Staatsleitung, nämlich in der Teilhabe an den grundlegenden Akten auswärtiger Gewalt gern. Artt. 24 und 59 Abs. 2 GG. Zu diesen Normen tritt nun noch Art. 23 Abs. I GG hinzu, der ebenfalls die Abhängigkeit der Regierung im Bereich der Staatsleitung von der Mitwirkung des Bundestages demonstriert. Der Bundestag ist damit prinzipiell zur Mitwirkung an der Regierungsfunktion berechtigt329 . Allerdings darf die Wahrnehmung staatsleitender Aufgaben durch Regierung und Parlament in wechselseitiger Abhängigkeit und wechselseitigem Zusammenwirken nicht zu der Annahme führen, daß hierdurch die Aufteilung der unterschiedlichen Staatsfunktionen auf besondere Organe unterlaufen wird330 . Bundestag und Bundesregierung bleiben vielmehr eigenständige Kräfte, die sich selbständig gegenüber stehen33 ! . Nur unter Wahrung der grundsätzlichen Unabhängigkeit beider kann nämlich die im System der gewaltenteilenden Demokratie erforderliche parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung wirksam erfolgen. Streng genommen bedeutet dies, daß der Bundestag nur solche Entscheidungen wirksam kontrollieren kann, die er nicht selbst getroffen hat. Daher darf die Mitwirkung des Bundestages an der Regierungsfunktion nicht soweit gehen, daß sie in den Kernbereich der exekutiven Einschätzungsprärogative und Entscheidungsgewalt eindringt mit der Folge, daß sie der Exekutive die Entscheidung weitgehend abnimmt; denn wenn auch der Bundestag in Grenzen an der Staatsleitung mitzuwirken befugt ist, so muß doch klar sein, daß es sich bei der Staatsleitung um eine originäre Exekutivfunktion handelt. Dies entspricht der These des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips erst mit dem Einbruch einer Gewalt in den Kern einer anderen Gewalt erfolge 32 . Dies ist wiederum dann der Fall, Hierzu und im folgenden Vitzthwn, Parlament und Planung, S. 260. Dies rechtfertigt sich auch, wenn man den Ansatz von Montesquieu betrachtet, auf den die Gewaltenteilungslehre maßgeblich zurückgeht, siehe "esprit des lois", 1748. Zwar verlangt dieser eine strikte Trennung zwischen Regierung und "parlement". Mit "parlement" war jedoch keineswegs das Parlament, so wie es heute verstanden wird, gemeint. ,,Parlement" bezeichnete vielmehr den Gerichtshof, so daß die Gewaltenteilung nach Montesquieu tatsächlich die strikte Trennung von Regierung und Judikative meint. Eine solch strikte Trennung zwischen Regierung und Volksvertretung hat Montesquieu dagegen nie postuliert. 330 Ebenso Brenner, ThürVB11993, 196 (198); siehe jedoch Kewenig, Staatsrechtliche Probleme, S. 30. 33! Vitzthwn, Parlament und Planung, S. 261 f 332 BVerlGE 9,268 (279f). 321 329
c. Würdigtmg der Mitwirkungsrechte des BWldestages
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wenn eine Gewalt ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über die andere Gewalt erlangt, so daß die überlagerte Gewalt der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt ise 33 . Für das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestag bedeutet dies konkret, daß der Bundestag zwar im Rahmen seiner grundgesetzlichen Rechte durchaus Einfluß auf die Regierungstätigkeit nehmen kann. Nicht jede Einflußnahme des Parlaments auf die Exekutive bedeutet daher schon einen Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz334 . Jedoch ist der Bundestag nicht befugt, die Regierungsentscheidung selbst an sich zu reißen oder sie der Bundesregierung etwa vorzuschreiben. Dies gilt insbesondere für den Bereich der auswärtigen Gewale 3S , für den das Bundesverfassungsgericht anerkannt hat, daß sie dem Kompetenzbereich der Exekutive zuzuordnen see 36 . bb) Das Informationsrecht gern. Art. 23 Abs. 2 GG Wällfend Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG lediglich die generelle Unterrichtung des Bundestages vorschreibt, sieht § 4 Satz 2 EUZBBG vor, daß die Bundesregierung den Bundestag unverzüglich über ihre Willensbildung zu unterrichten hat. Abgesehen davon, daß es fraglich ist, ob diese Form der Unterrichtungsverpflichtung überhaupt noch von der Grundgesetznorm gedeckt ist, ist festzustellen, daß sie wesentlich über die Unterrichtungspflicht gegenüber dem Bundesrat hinausgeht. Weil diese Pflicht der Bundesregierung die Preisgabe ihrer internen Beratungen und die Koordination ihrer Willensbildung auferlegt, stellt sich die Frage, ob es hierdurch bereits zu einem Einbruch in den Kernbereich der exekutivischen Eigenverantwortung kommt, oder ob diese Form der Unterrichtung sich noch im Rahmen der Auskunftspflichten bewegt, die der Bundesregierung nach dem Grundgesetz gegenüber dem Bundestag obliegen. Zum Zwecke der Regierungskontrolle stehen dem Bundestag nach dem Grundgesetz vielfältige informative Kontrollrechte gegenüber der Bundesregierung zu, wobei es sich insbesondere um Zitierungs-, Interpellations- und parlamentarische Anfragerechte handele 37 . Der Anspruch des Bundestages BVerfGE 9,268 (280); Schmidt-BleibtreulKlein, Rdnr. 19 zu Art. 20. Vgl. BVerfGE 9, 280. 33~ Wenngleich im Verlauf der Untersuchung bereits mehrfach darauf hingewiesen wurde, daß eine strikte Zuordnung der Europapolitik zum Bereich der auswärtigen Gewalt wegen der starken innenpolitischen Auswirkungen fiiglich bezweifelt werden kann. 336 BVerfGE 68, 1 (87); ebenso Hesse, Gnmdzüge des Vetfassungsrechts, Rdnr. 534 und Grewe, in: HdStR, Bd. m, § 77 Rdnrn. 43 ff 337 Eingehend zu den parlamentarischen Kontroll- und Informationsrechten Stern, Staatsrecht Bd. 2, § 26. 333
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
auf umfassende Information stellt daher ein ,)(ronrecht des Parlaments" dar, das eine effiziente Regierungskontrolle überhaupt erst ermögliche 38 . Aus diesem Grunde sollte der Bundesregierung auch grundsätzlich das Recht abgesprochen werden, die Antwort auf parlamentarische Fragen zu verweigern339 . Gleichwohl ist anerkannt, daß auch dem parlamentarischen Informationsrecht Grenzen gesetzt sind. So hat das Bundesverfassungsgericht den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung grundsätzlich einem nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich unterworfen340 . Dies bedeutet, daß der Kern der Regierungsberatung mit dem unverbindlichen Meinungsaustausch zwischen den Regierungsmitgliedern vor dem Informationsanspruch des Bundestages geschützt sein muß 341 . Bei der internen Willensbildung der Bundesregierung in Angelegenheiten der EU handelt es sich um vorbereitende Arbeiten der Regierung innerhalb ihres Initiativ- und Beratungsbereichs. Ob die Bundesregierung daher dazu verpflichtet werden kann, über solche vorbereitenden Arbeiten Auskunft zu geben, erscheint nach dem Gesagten fraglich 342 . Dagegen spricht die notwendige Wahrung des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung, in welchem die Willensbildung der Bundesregierung für den Bundestag nicht ausforschbar ise 43 . Daher vermag das Argument, die parlamentarische Kontrolle dürfe nicht nur auf eine posteriori - Nachprüfung beschränkt bleiben, weil ,,Kontrolle" durch das Parlament dem Regierungshandeln auch vorgängig oder begleitend see 44 , nicht zu begründen, warum das Parlament generell Einblick in nicht abgeschlossene Beratungsvorgänge innerhalb der Regierung erhalten soll. Schließlich reicht die Kontrollfunktion des Bundestages nur soweit, wie der exekutive Kernbereich der Bundesregierung nicht verletzt wird. Eine Kontrolle der vorbereitenden Beratungarbeiten der Bundesregierung könnte jedenfalls dann verfassungsrechtlich unbedenklich sein, wenn diese Arbeiten ein vorläufiges Ergebnisstadium erreicht hätten, in welchem die Regierung für dieses Ergebnis einstehen könnte. Mithin könnte auch die Informationspflicht über die laufende Willensbildung der Bundesregierung gern. § 4 Satz 2 EUZBBG nur so zu verstehen sein, daß die Regierung dem Bundestag das Ergebnis dieser Willensbildung mitteilte34~ . Ein solches Ergebnis wäre So der Abgeordnete Amdt in der 44. Sitzung des Bundestages vom 2. März Stenographischer Bericht, S. 1499. 339 Vgl. HerzoglPietmer, S. 79. 340 BVerfGE 67, 100 (139). 341 Siehe Magiera, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), § 52 Rdnr. 76; Brenner, ThürVBI 1993, 196 (200). 342 Ablehnend Partseh, S. 73; bejahend dagegen HerzoglPietmer, S. 84. 343 So auch MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (26). 344 HerzoglPietmer, S. 84f; Kewenig, Staatsrechtliche Probleme, S. 56. 34' So auch Brenner, ThürVB11993, 196 (199). 338
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C. Würdigung der Mitwirlamgsrechte des Bundestages
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allerdings mit dem Sinn der gesamten Regelung nicht zu vereinbaren, denn der Bundestag soll durch Art. 23 Abs. 3 GG schließlich die Gelegenheit erhalten, auf die Willensbildung der Bundesregierung in europäischen Angelegenheiten Einfluß zu nehmen. Dies wäre aber nicht möglich, wenn er seine Stellungnahme erst zu einem Zeitpunkt abgeben könnte, in dem die Willensbildung des Bundes bereits zu einem - wenn auch nur vorläufigen - Ergebnis gekommen ist. Dieses Dilemma zwischen verfassungsrechtlich vorgesehener Beteiligung des Bundestages und exekutivischer Eigenverantwortung läßt sich jedoch im Ergebnis für beide Seiten befriedigend lösen. Zunächst ist festzustellen, daß der Bundestag nicht notwendig auf die Unterrichtung über die innere Willensbildung der Bundesregierung angewiesen ist, um seine Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 3 GG abgeben zu können. Wichtig hierfür sind vor allem die in den Vorlagen selbst enthaltenen Informationen, über die sich der Bundestag eine eigenständige Meinung zu bilden hat. Die Unterrichtung über die Willensbildung der Bundesregierung könnte hierbei lediglich Anregungen und Hilfestellungen geben. Darüberhinaus dürfte der exekutivische Kernbereich jedenfalls dann gewahrt sein, wenn die Unterrichtungspflicht über die interne Willensbildung sich lediglich auf das vorläufige Ergebnis dieser Willensbildung bezieht. Bis dahin muß der Bundesregierung das Recht zugestanden werden, Auskünfte über ihre interne Koordination zu verweigern. Erst wenn sie über ein vorläufiges Fazit verfügt, kann der Bundestag Auskunft darüber verlangen. Auf diese Weise wäre der Bundestag dann schließlich auch noch in der Lage, durch eine dann erst zu bildende Stellungnahme auf das Endergebnis der Willensbildung durch die Bundesregierung hinzuwirken. Ob diese Überlegungen praktikabel sind, mag dahinstehen. Im übrigen sollte vor allem von seiten der Bundesregierung nicht übersehen werden, daß es auch in ihrem Interesse liegt, den Bundestag so früh und so umfassend wie möglich in eine optimale Lage zu versetzen, eine rechtzeitige und brauchbare Stellungnahme abgeben zu können, weil diese nicht nur die Politik der Bundesregierung legitimiert, sondern ihr auch noch zusätzliche Impulse geben kann. Daß der Bundestag dabei nicht auf die Informationen über den inhaltlichen Stand der Willensbildung der Bundesregierung angewiesen ist, wurde bereits erläutert; daß solche Informationen die Abgabe der Stellungnahme erleichtern, steht außer Frage. Die Bundesregierung hat es somit in der Hand, dem Bundestag die Erledigung seiner grundgesetzlichen Aufgaben zu erleichtern. Als Ausfluß einer interorganfreundlichen Verhaltenspfliche 46 und gern. Art. 23 Abs. 2 GG i. Vm. § 4 EUZBBG kann die Bundesregierung verfassungsrechtlich einwand-
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des BWldestages
frei jedenfalls lediglich zur Unterrichtung über ein vorläufiges Ergebnis ihrer Willensbildung verpflichtet werden347 • cc) Das Stellungnahmerecht gern. Art. 23 Abs. 3 GG Teilweise wird im Schrifttum das Stellungnahmerecht des Bundestages gern. Art. 23 Abs. 3 GG i.Vm. § 5 Satz 3 EUZBBG als Verletzung des exekutiven Kernbereichs gewertee 48 . Diese Beurteilung krankt vornehmlich an der Annahme, daß der Begriff des ,,zugrundelegens" der Bundestagsstellungnahme in § 5 Satz 3 EUZBBG eine rechtliche Bindung der Bundesregierung an das Bundestagsvotum statuiere. Infolgedessen beschreibt Brenner ein Szenario, in dem von "Vermischung der Verantwortungsbereiche", von der ,,Aushöhlung des dem Kernbereich der Regierung innewohnenden schöpferischen Elements", von ,,fremdbestimmtem Handeln" der Bundesregierung und der Pflicht des Bundeskanzlers, "eine ihm aufoktroyierte Position zu vertreten", die Rede ise 49 . Die Darstellungen gipfeln in der Feststellung, daß die Einordnung des Stellungnahmerechts in das System der parlamentarischen Verantwortlichkeit auf absehbare Zeit "ein verfassungsrechtliches Rätsel" bleiben werde350 . Unterstellt man die Prämisse Brenners, daß ,,zugrundelegen" gern. § 5 Satz 3 EUZBBG i.Vm. "berücksichtigen" nach Art. 23 Abs. 3 GG die Bundesregierung tatsächlich rechtlich binde und sie an ein bestimmtes und vom Bundestag gewünschtes Ergebnis ihrer Willensbildung festlege, als richtig, mögen seine Ausführungen zutreffend sein351 . Wie im Verlauf dieser Untersuchung herausgearbeitet worden ist, besteht eine derartige rechtliche Bindung jedoch gerade nicht. Sie wird auch nicht durch die Formulierung ,,zugrundelegen" begründet. Anband der Systematik des Art. 23 Abs. 2 und 3 GG sowie der Gesetzesmaterialien konnte eindeutig festgestellt werden, daß es im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestag immer und ausschließlich die Bundesregierung ist, die die Entscheidung über ihre eigene Willensbildung zu europäischen Vorhaben trifft. In diese Entscheidung bzw. in das Ergebnis dieser Entscheidung fließt die Stellungnahme des Bundestages mit ihrem sachlichen 347 In die gleiche RichtWlg gehen MöllerlLimpert, die die UnterrichtWlgspflicht dort enden lassen, wo der Kernbereich der Exekutive beginnt, in welchem deren WillensbildWlg für den BWldestag nicht ausforschbar ist, vgl. ZParl 1993, 21 (26). 341 Brenner, ThürVB11993, 196 (201 f). 349 Ebd., S. 202. 350 Ebd. 351 Unter ähnlichen Voraussetzungen hat auch Steinberger eine Verletzung des GewaltenteilWlgsprinzips durch ein bindendes StellWlgnahmerecht angenommen, in: VVDStRL 50 (1991), 9 (41, Fn. 92).
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des BWldestages
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Gehalt lediglich dann und insoweit ein, als die Bundesregierung dies zuläßt. Ob sie dies zuläßt, liegt wiederum allein bei ihr selbse s2 . Aus diesem Grunde kann der von Brenner beschriebene Fall, daß die Bundesregierung gezwungen werde, der ihrer eigenen Ansicht u.u. diametral entgegengesetzten Stellungnahme des Bundestages folgen zu müssen3S3 , gar nicht erst eintreten. Die Bindung der Bundesregierung besteht vielmehr nur insoweit, als sie die Stellungnahme beachten und sich mit ihr auseinandersetzen muß. In diesem Zusammenhang meint ,,zugrundelegen" lediglich, daß dies relativ zu Beginn ihres Willensbildungsprozesses zu geschehen hat, jedenfalls aber in einem Stadium, in dem eine Beeinflussung der Willensbildung wenigstens theoretisch noch möglich ist - unabhängig davon, ob dies nun auch tatsächlich geschieht oder nicht. ,,zugrundelegen" beinhaltet daher keine zwingend final ausgerichtete Bestimmung des Ergebnisses der Regierungswillensbildung in europäischen Angelegenheiten und hält sich damit im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgabe der Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 3 GG. So verstanden kann jedoch durch Art. 23 Abs. 3 GG i. Vm. § 5 Satz 3 EUZBBG ein Einbruch des Stellungnahmerechts in zentrale Gestaltungs- und Kernbereiche der Exekutivgewalt nicht festgestellt werden. Zutreffend ist, daß das Bemühen des Bundestages um Einflußnahme auf die Willensbildung der Regierung nicht dazu führen darf, daß deren Entscheidungs- und Einschätzungsprärogative unterlaufen wird. Auch in europäischen Angelegenheiten muß die Bundesregierung daher ein vom Bundestag getrenntes und selbständiges Verfassungsorgan bleiben. Aus diesem Grund ist eine strenge Bindung der im Rat handelnden Vertreter der Bundesregierung an die Auffassung des Bundestages dem deutschen Verfassungssystem unbekanne S4 . Dieser grundsätzliche Handlungsspielraum der Bundesregierung bei der Festlegung ihrer Verhandlungsposition zu Ratsentscheidungen muß deshalb erhalten bleiben. In diesem Zusammenhang ist anzuerkennen, daß auch im Rahmen des vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Postulats funktionsgerechter Aufgabenverteilung die Bundesregierung vor allem im auswärtigen Bereich Entscheidungsvorrang genießt3SS . Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben des Gewaltenteilungsprinzips werden von Art. 23 Abs. 3 GG respektiert und befolgt, indem die Festlegung der Verhandlungsposition des Bundes zu europäischen Vorhaben formal und inhaltlich allein Sache der Bundesregierung bleibt. Sie wird in ihrer Selbständigkeit nicht dadurch beeinträchtigt, daß der BundesSiehe oben, Wlter B. ill. 2. a) cc). m Brenner, ThürVB11993, 196 (202). 3~ Anders verhält es sich in Dänemark; der Marktausschuß des dänischen F olketing ist rechtlich in der Lage, die dänischen Ratsvertreter an seine Position zu binden, siehe BTÜck, ZParl1988, 220 (221). 3" BVerlGE 68, 1 (87). 3'2
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4. Kapitel: Die Mitwirktmgsrechte des Bundestages
tag rechtlich unverbindlich seine Meinung offenlegt. Art. 23 Abs. 3 GG huldigt also nicht der überkommenen Lehre vom Totalvorbehalt. Insofern erscheint es vor allem wichtig, einen Bewußtseinswandel der Bundesregierung dergestalt herbeizuführen, daß sie es als Vorteil ansehen sollte, wenn sie einerseits zusätzliche Anregungen und Argumentationshilfen durch den Bundestag erhält und wenn andererseits ihr Standpunkt vom Bundestag als dem einzigen unmittelbar demokratisch legitimierten Verfassungsorgan gestützt wird. Bereits oben unter bb) wurde darauf hingewiesen, daß innerhalb des exekutiven Willensbildungsprozesses ein Bereich existiert, der für die Mitwirkung des Parlaments - gleichgültig, ob es sich um Einwirkungs- oder Informationsrechte handelt - tabu ist. In diesem Bereich bleibt es allein der Regierung vorbehalten, durch ,,Koordination und Kombination vielfachen Ermessens nach einheitlichen Gesichtspunkten in Richtung auf einheitliche Ziele,.3S6 mögliche Handlungs- und Verhaltensweisen zu durchdenken, zu beraten und nach und nach auszuscheiden. Die Regierung stellt daher eine ,,Macht kombinierten Ermessens" dar3S7 . Wenn nun allerdings vermutet wird, daß Art. 23 Abs. 3 GG i.Vm. § 5 Satz 3 EUZBBG diese komplexe exekutivische Handlungsstruktur mißachte, indem er der Bundesregierung vorschreibe, welche Entscheidungsalternativen er zu befolgen habe und dadurch das der Regierung innewohnende schöpferische Element aushöhle und ihre Eigenständigkeit bedrohe, so kann dem nicht gefolgt werden. Der Bundestag schreibt der Bundesregierung nichts vor, er erteilt ihr lediglich einen Rat und verschafft ihr dabei Zugang zu Sichtweisen, die die Regierung bislang möglicherweise nicht berücksichtigt hat. Insofern wird der Ermessensspielraum der Bundesregierung weder auf Null reduziert noch wird er eingeengt. Vielmehr besteht die Chance, daß zu den bereits vorhandenen und von der Bundesregierung erwogenen Entscheidungsalternativen eine weitere hinzutritt, der Ermessensspielraum der Bundesregierung wird also streng genommen noch erweitert. Hierin kann keine Beeinträchtigung des exekutivischen Gestaltungs- und Ermessensbereichs gesehen werden. Schließlich vermag auch der Gesichtspunkt einer erforderlichen Distanz zwischen Kontrolliertem und Kontrollierendem3s8 an diesem verfassungsrechtlichen Befund nichts zu ändern3s9 . Zwar wirkt der Bundestag an der Willensbildung der Bundesregierung mit. Auch insoweit ist aber wieder darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung über ihre Verhandlungsposition die Bundesregierung selbst frei und eigenverantwortlich trifft - ohne rechtliche Bin-
3~6 3~7 3~1 3~9
Brenner, ThürVBl1993, 196 (198). Ebd., S. 202 m.w.N. Siehe oben, unter aa). So aber Brenner, ThürVB11993, 196 (198 f.).
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des BWldestages
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dung an die Stellungnahme des Bundestages und damit ohne Zwang, dessen Argumentation oder Ansicht ganz oder teilweise übernehmen zu müssen. So kontrolliert der Bundestag also auch nicht seine eigene Entscheidung, sondern die eigenständig gefaßte Entscheidung der Bundesregierung. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Bundesregierung tatsächlich die Argumentation des Bundestages ganz oder zum Teil übernimmt, denn in diesem Falle besteht die zu kontrollierende Entscheidung in der freien und unter Abwägung aller Möglichkeiten gefaßten Entscheidung auf Übernahme der Stellungnahme360 . Es läßt sich somit auch in dem Recht des Bundestages auf Abgabe einer Stellungnahme, die von der Bundesregierung "berücksichtigt" werden muß, kein Einbruch in den Kernbereich der Exekutivgewalt und in das immer noch bestehende Außenvertretungsmonopol der Bundesregierung feststellen. Sogar wenn die Ansicht vertreten wird, daß das Informations- und das Stellungnahmerecht als "begleitende Kontrolle" oder auch als "Vorauskontrolle" eine Modifizierung oder Auflockerung des Gewaltenteilungsprinzips vornehme361 , so erscheint selbst dies als zu weit gegriffen. Schließlich war auch in der Vergangenheit bereits anerkannt, daß parlamentarische Kontrolle sich nicht zwingend auf die Bewertung abgeschlossenen Verhaltens der Regierung beschränken müsse, sondern durchaus auch als begleitende, mitwirkende oder dirigierende Kontrolle zu verstehen see62 . Auch die seinerzeit vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Zuordnung der auswärtigen Gewale 63 steht der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Stellungnahmerechts nicht entgegen. Zum einen ist die europäische Sekundärrechtsetzung nicht mehr einschränkungslos Bestandteil der auswärtigen Gewale 64 . Zum anderen bleibt die Bundesregierung aber auch formal und inhaltlich letztzuständig für die Haltung der Bundesrepublik in der EU, denn 360 In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die parlamentarische Kontrolle Wlter erschwerten Bedingungen stattfindet. Solange im Rat Beschlüsse einstimmig gefaßt werden, ist es den nationalen Parlamenten wenigstens theoretisch möglich, ihre RegiefWlgen nachträglich zur VerantwortWlg zu ziehen. Bei der tendenziell ansteigenden Zahl an MehrheitsentscheidWlgen scheidet eine solche nachträgliche Verantwortbarkeit bei den RegiefWlgen, die sich der Mehrheit im Rat haben beugen müssen dagegen aus, siehe hierzu Hänsch, EA 1986, 191 (197). 361 Siehe Dästner, NWVB11994, 1 (3); dazu, daß das GewaltenteilWlgsprinzip gegenüber ModifiziefWlgen gfWldsätzlich offen ist übrigens auch Brenner, ThürVBI 1993, 196 (202). 362 Hierzu siehe H.H. Klein, in: HdStR Bd. n, § 40, Rdnm. 30ft:; Ferdinand, in: Festgabe für Blischke, S. 145 (158); Achterberg, S. 411f.; Schröder, ZParl1984, 473 (476); Busch, S. 11ft:; a.A. offenbar Gerber, in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirkungen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, 77 (142) Wld Haas, DÖV 1988, 613 (622). 363 Siehe BVerlGE 68, 1 (87). 364 So auch Dästner, NWVB11994, 1 (3).
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4. Kapitel: Die Mitwirlamgsrechte des Bundestages
das Parlament greift nicht in laufende Verhandlungen und Entscheidungen auf EU-Ebene ein36s • dd) Fazit Es zeigt sich damit, daß die Mitwirkungsrechte des Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG sich in das System der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung eingliedern lassen und kein "verfassungsrechtliches Rätsel" aufgeben366 • Streng genommen findet nicht einmal eine Ausgestaltung des bestehenden Parlamentsvorbehalts ganz zu schweigen von einem Totalvorbehalt in europäischen Angelegenheiten statt. Somit führt weder das Stellungnahme- noch das Informationsrecht des Bundestages in der hier vorgenommenen Interpretation zu einem derartigen Übergewicht des Bundestages über die Bundesregierung, daß von einem Einbruch in den exekutiven Kernbereich gesprochen werden kann. b) Wahrung der Kräftebalance mit dem Bundesrat?
Bereits in der Vergangenheit ist mit Blick auf die bereits recht weitgehenden Rechte des Bundesrates nach Art. 2 EEAG und die demgegenüber eher dürftige Beteiligung des Bundestages nach Art. 2 ZuStG zu den Römischen Verträgen darauf hingewiesen worden, daß es durch die unterschiedlichen Einflußmöglichkeiten auf die Europapolitik der Bundesregierung zu einer Gewichtsverlagerung zwischen Bundestag und Bundesrat zu Lasten des Bundestages gekommen see 67 . Diese Entwicklung scheint sich nun jedoch durch die neuen Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2-7 GG - wenn auch auf einem qualitativ höheren Beteiligungsniveau - weiter fortzusetzen 368 • So wird im verfassungsrechtlichen Schrifttum bereits bedauert, daß es nicht zu einer weitergehenden Beteiligung des Bundestages gekommen ist. Dies gilt nicht so sehr für eine verstärkte Mitwirkung von Bundestagsvertretern an den Verhandlungen im Rat, sondern vor allem im Hinblick darauf, daß die Stellungnahme des Bundesta-
36S Dies hatte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für unzulässig erklärt, siehe BVerlGE 67, 100 (139). 366 So aber Brenner, ThürVB11993, 196 (202). 367 Siehe Brück, ZParl1988, 220. 361 Hierzu Pemice, DVB11993, 909 (920); Badura, S. 57.
c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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ges nur einfach, die des Bundesrates in einigen Fällen maßgeblich zu berücksichtigen ise 69 . Demgegenüber wird allerdings vertreten, daß es dem Bundestag auch nicht viel nützen würde, wenn seine Stellungnahmen von der Bundesregierung "maßgeblich" berücksichtigt werden müßten, denn hierbei handele es sich lediglich um Wortspiele, die ohnehin von der Realität überrollt würden370 . Daß dies so nicht zutrifft, hat die vorangegangene Untersuchung gezeigt. Zwar ist es der Bundesregierung auch im Bereich der maßgeblichen Berücksichtigung nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG letztlich noch möglich, aus gesamtstaatlichen oder finanzpolitischen Gründen von der Stellungnahme des Bundesrates abzuweichen. Hierbei unterliegt sie jedoch einem gesonderten Begründungszwang. Im übrigen kommt ein solches Vorgehen lediglich im Ausnahmefall in Betracht. Ansonsten bleibt es bei der vom Grundgesetz gewollten Regelbindung der Bundesregierung an das Bundesratsvotum. Eine solche Regelbindung mit begrenzten Ausnahmen sieht Art. 23 Abs. 3 GG für die Stellungnahme des Bundestages jedoch eindeutig nicht vor. Seine Voten sind von vornherein rechtlich unverbindlich. Daher dürfte hier wohl eine Übernahme der Stellungnahme durch die Bundesregierung eher die Ausnahme als die Regel bleiben. Damit besteht sowohl in tatsächlicher wie auch in dogmatischer Hinsicht ein erheblicher Unterschied zwischen den Gewichten der Einflußmöglichkeiten. Ossenbühl hat darauf hingewiesen, daß sich der Bundestag mit Art. 23 Abs. 2 und 3 GG wenigstens einige ,,Minimalbeteiligungsrechte als Kompensation" für seine eingebüßten Gesetzgebungskompetenzen erstritten habe, was immerhin einen gewissen Fortschritt bedeute. Allerdings stehe das Recht des Bundestages auf Abgabe einer Stellungnahme ,,in einem vom Verfassungssystem her nicht erklärbaren Widerspruch zum Letztentscheidungsrecht des Bundesrates,,371 . Hiergegen ließe sich möglicherweise einwenden, daß die Rechtsinhalte der Mitwirkungsrechte des Bundesrates auf das Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung nicht übertragbar sind, da sie sich sämtlich auf die Stellung der Länder im Bund, nicht jedoch auf das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament beziehen. Ferner trifft es zu, daß parlamentarische Kontrolle nicht so weit gehen darf, daß sie in den Kernbereich der exekutivischen Eigenverantwortung eindringt und der Regierung ihre Entscheidungsgewalt quasi entzieht. Diese Tabuzone gilt jedoch in gleichem Maße für das Handeln des Bundesrates. Im übrigen wurde oben gezeigt, daß die stärkere Bindung der Bundesregierung an die Meinung des Bundesrates noch nicht so 369 So ausdrücklichDiFabio, Der Staat 32 (1991),191 (207); desgleichen Ossenbühl, der bemängelt, daß der Bundestag sich lediglich einen ,,Mindeststandard" an Mitwirkun~srechten gesichert habe, DVB11993, 629 (637). 30 Everling, DVB11993, 936 (946). 371 Ossenbühl, DVBl1993, 629 (637).
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
streng ausgestaltet ist, daß von einer Verletzung des Exekutivbereichs gesprochen werden kann. Aus diesem Grunde läßt sich tatsächlich nicht nachvollziehen, warum die Rechte des Bundestages deutlich schwächer ausgefallen sind als die des Bundesrates. Dies läßt sich auch nicht dadurch überzeugend begründen, daß der Bundestag im Gegensatz zum Bundesrat über Kontrollrechte zur Überprüfung und Maßregelung der Bundesregierung verfügt; denn wie bereits erläutert wurde und auch in der Praxis anerkannt ise n , sind diese Kontrollrechte entweder so unverbindlicher Natur, daß sie ihrerseits fast ausschließlich politische Wirkungen erzielen (z.B. schlichte Parlamentsbeschlüsse) oder aber so drastisch, daß sie anläßlich einer Meinungsverschiedenheit über eine europäische Richtlinie oder Verordnung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingesetzt werden (z.B. das konstruktive Mißtrauensvotum). Insbesondere um dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Postulat einer verstärkten Rückkoppelung des Organhandelns auf europäischer Ebene durch den Bundestag zu entsprechen, wäre daher eher eine stärkere Beteiligung des Bundestages erforderlich gewesen als die Egalisierung des Bundesrates mit der Bundesregierung373 . In diesem Falle wäre allerdings möglicherweise das Problem entstanden, daß die Bundesregierung durch rechtliche Regelbindungen nach zwei Seiten kaum noch ihren Entscheidungsmöglichkeiten und -rechten hätte gerecht werden können. Auch ihr Ermessensspielraum wäre stark eingeschränkt worden, so daß es durch die Kumulation zweier Regelbindungen374 tatsächlich zu einem Einbruch in den Kernbereich der Exekutive hätte kommen können. Um dies zu vermeiden, hätten beide gesetzgebenden Körperschaften in gleichem Maße auf einen Teil ihrer Rechte verzichten müssen, so daß letztlich bei beiden eine Abstufung auf die Pflicht zur einfachen Berücksichtigung stattgefunden hätte37s • So aber ist der "Verzicht" unfreiwillig lediglich zu Lasten des Bundestages und zugunsten des Bundesrates erfolgt, ohne daß hierfür ein verfassungsrechtlich zwingender Grund spräche. Dies schwächt die Position des Bundestages in europäischen Angelegenheiten und verschiebt die Gewichtsverteilung zwischen Bundestag und Bundesrat. Allerdings stellt diese Verlagerung noch keinen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 GG i.Vm. Art. 79 Abs. 3 GG dar, da es sich in erster Linie um zwei gesetzSiehe MöllerlLimpert, ZParl1993, 21 (28f). Siehe Ossenbühl, DVB11993, 629 (637); ähnlich offenbar Classen, ZRP 1993, 57 (60); derselbe, AöR 119 (1994), 238 (253, Fn. 90.); Classen vertritt die Ansicht, daß die starke Aufwertung, die der Bundestag durch das Maastricht-Urteil erfahren hat, das entstandene Ungleichgewicht zwischen den beiden gesetzgebenden Körperschaften wieder ausgleichen solle. 374 Jede Regelbindung für sich betrachtet wäre jedoch noch als zulässig zu erachten. m Ebenso Di Fabio, Der Staat 32 (1993),191 (207ft':). 372
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c. Würdigung der Mitwirlamgsrechte des Bundestages
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gebende Körperschaften, mithin Angehörige derselben Gewalt handelt. Dies gilt auch in Anbetracht der Tatsache, daß der Bundesrat gern. Art. 50 nicht nur an der Gesetzgebung, sondern auch an der Verwaltung des Bundes mitwirkt, denn schließlich gilt die Entscheidungs- und Einschätzungsprärogative der Bundesregierung bei staatsleitenden Entscheidungen auch im Verhältnis zum Bundesrat. Auch unter dem Gesichtspunkt der Funktionentrennung zwischen den Organen ergibt sich kein Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG, denn das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt, daß die Befugnisse des Bundestages noch nicht soweit entleert sind, daß seine substantiellen Zuständigkeiten und Aufgaben nicht mehr gewährleistet sind376 . Verfassungsrechtlich fragwürdig bleibt das Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesrat in europäischen Angelegenheiten gleichwohl. c) Ausgleich des Verlusts an Legislativbefugnissen
Durch den Integrationsprozeß hat der Bundestag in den vergangenen Jahrzehnten einen erheblichen Teil seiner Gesetzgebungsbefugnisse eingebüßt und ist dadurch erheblich in seiner Rechtsetzungsprärogative377 beeinträchtigt worden. Die Intention der durch Art. 23 Abs. 2 und 3 GG vorgenommenen Verfassungsergänzung lag daher in dem Bestreben, einen Ausgleich für diese Beeinträchtigung der parlamentarischen Gesetzgebungsfunktion zu schaffen378 . Ebenso wie bei der Verankerung der Länderrechte in Art. 23 Abs. 4-7 GG besteht aber auch hier das Problem, echte eigenverantwortliche Gestaltungsbefugnisse im Rahmen der bundesdeutschen Gesetzgebung durch Mitspracherechte an fremden Gestaltungsfunktionen im Rahmen der europäischen Sekundärrechtsetzung ausgleichen zu wollen. Ein solches Vorhaben ist notwendig mit einem "Weniger" an eigenständigen und entscheidungsbildenden Rechten verbunden. Diese Schwierigkeiten sind jedoch auch keineswegs geleugnet worden. So hat der Sonderausschuß ausdrücklich bekannt, daß "die Mitspracherechte des Deutschen Bundestages in europäischen Angelegenheiten den Verlust an nationaler legislativer Kompetenz nur teilweise ausgleichen können,,379. Einen gleichwertigen Ersatz vermögen die Mitwirkungsrechte gern. Art. 23 Abs. 2 und 3 GG daher sicherlich nicht darzustellen380 . Es ist jedoch gleichwohl nicht zu verkennen, daß mit der verfassungsrechtlichen Veranke376 BVerfGE 89, 155 (181, 191). 377 H.H. Klein, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), § 40 Rdnr. 15. 371 Siehe Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 23; ferner
MöllerlLimpert, ZPar11993, 21 (23). 379 Schlußbericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 12/3896, S. 17. 310 Siehe auch Wilhelrn, BayVB11992, 705 (708).
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
rung dieser Rechte eine deutliche Anhebung der Mitwirkungsbefugnisse und Aufwertung der Position des Bundestages im bundesdeutschen Entscheidungsprozeß in europäischen Angelegenheiten verbunden ist. Zudem muß berücksichtigt werden, daß es sich bei den Gegenständen der Mitspracherechte sämtlich um Regelungsmaterien handelt, die bereits in die Rechtsetzungskompetenz der EU übergegangen sind, an denen der Bundestag mithin ohne die Rechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG überhaupt keine Einwirkungsmöglichkeiten mehr besäße - sieht man von der daneben bestehenden parlamentarischen (nachträglichen) Kontrolle einmal ab. Die Rechte des Bundestages beinhalten damit unbestreitbar einen gewissen Fortschritt381 . Ein echter Ausgleich findet dagegen nicht statt. Dies scheint aber auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderlich zu sein, denn das Gericht hat festgestellt, daß die Mitwirkungsrechte gern. Art. 23 Abs. 2 und 3 GG zum Erhalt der notwendigen Befugnisse des Bundestages beitragen382 • Für das Gericht ergibt sich im übrigen noch ein weiterer Aspekt aus dem Zusammenspiel von Art. 23 Abs. 2 und 3 GG mit dem Subsidiaritätsprinzip des Maastrichter Vertrages 383 . Nach seiner Ansicht soll das Subsidiaritätsprinzip dadurch, daß die nationalen Parlamente wieder häufiger gesetzgebend tätig werden sollen, als Bewahrer der Gesetzgebungskompetenzen des Bundestages fungieren 384 . Daher könne und müsse der Bundestag gern. Art. 23 Abs. I GG über Art. 23 Abs. 3 GG auf die Ratspraxis einwirken und im Sinne des Subsidiaritätsprinzips beeinflussen, um der Entleerung der Aufgaben und Befugnisse des Bundestages entgegenzuwirken38s . Welche Wirkungen hiervon tatsächlich erwartet werden können, wird die zukünftige Entwicklung zeigen. Unabhängig davon, ob man die Hoffnungen des Bundesverfassungsgerichts teilt, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, daß das Subsidiaritätsprinzip für die bereits erfolgten Hoheitsrechtsübertragungen auf die EU keine Schützenhilfe für den Bundestag erwarten läßt, da es den Mitgliedsstaaten nicht das Recht einräumt, die Gemeinschaftsrechtsetzung der Vergangenheit außer Kraft zu setzen. Daher kann das Subsidiaritätsprinzip lediglich eine Entspannung für die Zukunft bringen. Im Bereich der bereits übertragenen Hoheitsbefugnisse kommen dagegen die neuen Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG zum Tragen und bieten dem Bundestag einen - keinesfalls gleichwertigen, aber dennoch ausreichenden - Ausgleich für seine verlorenen Gestaltungsbefugnisse.
Zu diesem Ergebnis gelangt auch Ossenbühl, DVB11993, 629 (637). BVerfGE 89, 155 (191). 383 Siehe hierzu oben, 2. Kapitel A. 11. 5. 384 BVerfGE 89, 155 (211); ähnliche Hoffuungen äußert Pöhle, ZParl1991, 49 (58). 38S BVerfGE 89, 155 (211 f.). 311
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C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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d) Fazit
Ein Verstoß der Mitwirkungsrechte gegen das Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes nach Art. 20 Abs. 2 GG i.Vm. Art. 79 Abs. 3 GG ist somit nicht festzustellen. 4. Die Mitwirkungsrechte und das Ressortprinzip des Art. 65 Satz 2 GG Auch ein Verstoß der Mitwirkungsrechte des Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG gegen das Ressortprinzip gern. Art. 65 Satz 2 GG ist nicht festzustellen. Eine Verletzung von Art. 65 Satz 2 GG wäre auch nur dann überhaupt denkbar, wenn die selbständige Leitung des Geschäftsbereichs und das damit verbundene Recht des Ministers, eigene Weisungen für die zu verfolgende Politik auszugeben, beeinträchtigt würde 386 . Dies ist aber weder durch die Informationsrechte nach Art. 23 Abs. 2 GG noch durch das Recht des Bundestages auf Abgabe einer zu berücksichtigenden Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 3 GG der Fall, denn wegen der fehlenden rechtlichen Bindung der Bundesregierung an eine Übernahme der Stellungnahme wird die Weisungs- und Entscheidungsbefugnis der Bundesminister als Mitglieder der Bundesregierung nicht in Frage gestellt. Auch die pflicht der Bundesregierung, sich mit den Argumenten des Bundestages auseinanderzusetzen und notfalls Erläuterungen über die Abweichungsgründe geben zu müssen, vermag an diesem Befund nichts zu ändern. Eine Diskrepanz zwischen Art. 65 Satz 2 GG und Art. 23 Abs. 2 und 3 GG besteht somit nicht. 5. Ergebnis Die neuen Mitwirkungsrechte des Bundestages sind demnach in verfassungsrechtlicher Hinsicht insoweit unbedenklich, als sie nicht die Rechte der Bundesregierung oder des Bundesrates einschränken. Demgegenüber scheint jedoch das Kräfteverhältnis zwischen Bundestag und Bundesrat wie in der Vergangenheit deutlich zum Nachteil des Bundestages auszufallen und ist daher verfassungsrechtlich als zumindest fragwürdig zu beurteilen.
386 Zu der Bedeutung und den Voraussetzungen des Art. 65 Satz 2 GG siehe ausfiihrlich Kölble, DÖV 1973, Uf.; siehe auch oben, 3. Kapitel C. I. 5. a).
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
11. Europarechtliche Würdigung Ebenso wie die Mitwirkungsrechte des Bundesrates in europäischen Angelegenheiten sind auch die Rechte des Bundestages mit Blick auf ihre europarechtlichen Auswirkungen kritisiert worden387 . Auch hierbei geht es vornehmlich um die Vereinbarkeit der Mitwirkungsrechte mit Art. 5 EGV. 1. Die Mitwirkungsrechte und Art. 5 EGV
Art. 5 EGV statuiert Pflichten, nach denen die Mitgliedsstaaten der EU alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen oder der Verpflichtungen, die sich aus dem Handeln der Gemeinschaftsorgane ergeben, zu treffen haben und alle Maßnahmen unterlassen müssen, die die Verwirklichung der Vertragsziele gefährden könnten. Aus diesen mitgliedsstaatlichen Verpflichtungen ist die Pflicht abzuleiten, die Funktionsfähigkeit des Rates zu gewährleisten und infolgedessen seine Tätigkeit nicht zu beeinträchtigen oder zu behindern388 .
Die Tätigkeit des Rates ist im Ergebnis darauf gerichtet, einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen mitgliedsstaatlichen Interessen und Verhandlungspositionen zu erzielen. Am Ende der Verhandlungen steht daher in der Regel ein Kompromiß, in dem sich die einzelnen Mitgliedsstaaten jeweils wiederfinden. Zur Gewährleistung einer störungsfreien Ratsarbeit ist daher eine gewisse Kompromißfähigkeit der mitgliedsstaatlichen Ratsvertreter unbedingt erforderlich. Daher ist es unbestritten, daß die Weisungsgebundenheit dieser Vertreter an mitgliedsstaatliche Vorgaben begrenzt ist und dort endet, wo ein Beschluß des Rates verhindert oder zeitlich erheblich verschleppt wird389 . Allerdings folgt andererseits aus dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue nach Art. 5 EGY, daß nicht bereits jede geringfügige Behinderung als Obstruktion der Ratstätigkeit unzulässig ise 90 . Eine derartige Beeinträchtigung ist - wenn überhaupt - nur durch das Stellungnahmerecht des Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 GG denkbar. Auch hier gilt es aber zu bedenken, daß die Bundesregierung nicht an die Auffassung des Bundestages gebunden ist; weder muß sie seine Stellungnahme abwarten, bevor sie selbst im Rat tätig werden kann, noch muß sie sich seiner Vgl. Everling, DVBl1993, 936 (946) und Brenner, ThürVBl1993, 196 (203). Vgl. Grabitz, Rdnr. 1 zu Art. 5 EGV 319 Geiger, Rdnr. 5 zuArt. 5 EGV, Streinz, Europarecht, Rdnr. 283; Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 42 m.w.N. 390 Zu den Voraussetzungen und Anfordenmgen von Art. 5 EGV im einzelnen siehe oben, 3. Kapitel C. 11. 1. a). 317
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c. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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Ansicht inhaltlich anschließen. Deshalb besteht auch keine Weisungsgebundenheit des mitgliedsstaatlichen Ratsvertreters an die Stellungnahme des Bundestages, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Vertreter der Bundesregierung oder der Länderseite handelt. Aus diesem Grunde unterliegt die Bundesregierung auch nicht der Pflicht, sich während des Abstimmungsprozesses im Rat laufend in Rückverhandlungen mit dem Bundestag zu begeben und dadurch ihre Beweglichkeit bei den Verhandlungen zu erschweren. Die Kompromißfähigkeit des deutschen Ratsvertreters wird durch die Stellungnahme also weder erheblich erschwert noch ernsthaft beeinträchtigt. Dementsprechend wirkt sie sich auch nicht nachteilig auf die Entscheidungsfähigkeit des Rates selbst aus. Möchte der Bundestag, daß die Bundesregierung seine Stellungnahme berücksichtigt, so hat er selbst dafür zu sorgen, daß für die Bundesregierung keine zeitlichen Reibungen entstehen. Im übrigen sei auf den Markt-Ausschuß des dänischen Folketing verwiesen, der die dänische Regierung seit Jahren weit stärker an sein Votum bindet, als dies dem Bundestag auch nach Art. 23 Abs. 3 GG möglich ist. Gleichwohl ist es im Rat nie zu einer ernsthaften Blockadepolitik von dänischer Seite gekommen391 . Gemeinschaftsrechtlich steht daher einer Effektuierung der Kontrolle der Regierungstätigkeit durch die nationalen Parlamente nichts im Wege, solange sich der jeweilige Mitgliedsstaat im Rat gemeinschaftskonform verhäle 92 . Schließlich hat sogar der Europäische Rat selbst ausdrücklich eine stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente befürwortee93 . Die Beteiligung des Bundestages durch sein Stellungnahmerecht bleibt damit zweifelsfrei unter der Grenze, die das Obstruktionsverbot des Art. 5 EGV zieht. 2. Ergebnis Damit steht fest, daß die Mitwirkungsrechte des Bundestages entgegen mancher Befürchtung weder die Handlungsfähigkeit noch die Flexibilität der verhandlungsführenden Bundesregierung im Rat in Frage stellen. Die Bedenken im Hinblick auf eine Lähmung oder Beeinträchtigung der Ratstätigkeit durch fehlende Kompromißfähigkeit erweisen sich daher als haltlos. Die Rechte des Bundestages gern. Art. 23 Abs. 2 und 3 GG sind daher im Ergebnis mit Art. 5 EGV vereinbar.
Ebenso Streinz, in: HdStR, Bd. VII, § 182 Rdnr. 50. Streinz, DVBl1990, 949 (961). 393 Siehe die Schlußfolgerungen von Dublin aus dem Juni 1990, Bulletin der Bundesregierung 1990, S. 724. 391 392
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4. Kapitel: Die Mitwirkungsrechte des Bundestages
ill. Gerichtliche Durchsetzbarkeit der Mitwirkungsrechte Soweit durch Art. 23 Abs. 2 und 3 GG konkret rechtliche Informations-, Befassungs-, Begründungs- und Sorgfaltspflichten der Bundesregierung begründet werden, sind diese grundsätzlich auch gerichtlich durchsetzbar. Hierunter fallt nicht die Pflicht der Bundesregierung, an die Stellungnahme des Bundestages gebunden zu sein, denn insoweit handelt es sich lediglich um eine politische nicht aber um eine rechtliche Pflicht. Gerügt werden könnte jedoch in diesem Zusammenhang z.B., wenn die zur Bildung einer Stellungnahme erforderliche Übermittlung von Informationen von der Bundesregierung schuldhaft verzögert würde, oder wenn die Bundesregierung sich nicht oder nur unzureichend mit dem Inhalt einer rechtzeitig abgegebenen Stellungnahme des Bundestages befaßt hätte. Das spezielle Problem bei der gerichtlichen Durchsetzbarkeit der Rechte wird insbesondere in der Beweisbarkeit von Pflichtverletzungen durch die Bundesregierung liegen. Dies zeigt insbesondere das letztgenannte Beispiel. Über den genauen Verlauf der Willensbildung der Bundesregierung wird der Bundestag nämlich nicht im Detail informiert, da insoweit der exekutive Kernbereich geschützt ist. Das Handeln des Rates selbst unterliegt ohnehin nicht der Kontrolle des Bundestages; dies gilt jedoch nicht für das Handeln des bundesdeutschen Vertreters im Rat. Da die Verhandlungen des Rates aber nicht öffentlich sind, ist zudem das einzelne nationale Parlament in der Regel auch nicht in der Lage zu verfolgen, inwieweit die eigene Regierung sich für das Petitum des Bundestages eingesetzt hae 94 . Deshalb sollte von seiten des Bundestages besonderen Wert auf das Recht gelegt werden, von der Bundesregierung nach Abschluß eines Vorhabens Erläuterungen darüber zu verlangen, aus welchen Gründen der Stellungnahme des Bundestages nicht gefolgt werden konnte. Sinnvoll wäre zudem sicherlich die Anfertigung eines (schriftlichen) Berichts über die Grundzüge der Willensbildung und den Verhandlungsverlauf im Rat. Nicht übersehen werden darf jedenfalls, daß der Charakter der Ratstätigkeit als Kompromiß- und Ausgleichsfindung eine ,,Exkulpation" der Bundesregierung in der Regel erleichtern wird. Durch eine Intensivierung der Kontakte des Bundestages zu Ländervertretern, die an den Ratssitzungen teilnehmen, könnte einer solchen Entwicklung jedoch wirksam begegnet werden. Das richtige Verfahren für die Durchsetzung der Pflichten aus Art. 23 Abs. 2 und 3 GG ist im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestag das Organstreitverfahren gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Möglich ist dabei auch eine einstweilige Anordnung gern. § 32 BVerfGG, wenn auf diese Weise eine gegen Art. 23 Abs. 2 oder 3 GG verstoßende Zustimmung des deutschen Rats394
So auch Pöhle, ZParl1993, 49 (54).
C. Würdigung der Mitwirkungsrechte des Bundestages
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vertreters verhindert werden kann. Im übrigen gelten für die Durchsetzbarkeit der Bundestagsrechte die oben erwähnten Grundsätze des ,judicial seIfrestraint", wonach das Bundesverfassungsgericht durch Maßnahmen richterlicher Selbstbeschränkung dem Charakter der auswärtigen Gewalt als wichtigem Instrument der Staatsleitung Rechnung zu tragen hae 95 . Aus diesem Grund wird das Gericht grundsätzlich eine gewisse Einschätzungsprärogative der Bundesregierung zu beachten haben.
Iv. Endergebnis Die neuen Mitwirkungsrechte, die der Bundestag nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 2 und 3 GG als Ausgleich für den integrationsbedingten Verlust an Gesetzgebungskompetenzen erhalten hat, erscheinen bei abschließender Betrachtung als verfassungs- und europarechtlich zulässig und sind im Wege des Verfassungsrechtsstreits gerichtlich durchsetzbar. Entgegen mancher Ansiche 96 verletzen weder das nunmehr umfassende Informationsrecht noch das Recht auf Abgabe einer einfach zu berücksichtigenden Stellungnahme insbesondere den Kernbereich der exekutivischen Eigenverantwortung noch schränken sie die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung auf europäischer Ebene ein. Die Informationspflicht der Bundesregierung reicht nämlich nur soweit, wie ihre Willensbildung für den Bundestag ausforschbar ist und an die Stellungnahme des Bundestages kann die Bundesregierung nicht in der Weise gebunden werden, daß sie zu deren vollständiger oder teilweiser Übernahme verpflichtet ist. Wenngleich der Bundestag nunmehr verfassungsrechtlich die Möglichkeit hat, aktiv Einfluß auf die Willensbildung der Bundesregierung zu Vorhaben der EU zu nehmen, bleibt damit auch ihm gegenüber die Eigenverantwortlichkeit und grundsätzliche Zuständigkeit der Bundesregierung in europäischen Rechtsetzungsangelegenheiten durchweg erhalten. Auch hinsichtlich der Mitwirkungsrechte des Bundestages geht Art. 23 GG daher nur vorsichtig neue Verfassungswege. Es ist aber gleichwohl nicht zu verkennen, daß die Rechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG einen klaren Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage nach Art. 2 des ZuStG zu den Römischen Verträgen beinhalten. Vor allem die verfassungsrechtliche Verankerung der Mitwirkungsrechte wertet die Position des Bundestages im Gefüge des europäischen Willensbildungsprozesses deutlich auf. Ferner existiert nunmehr nach fast 40 Jahren europäischer Integration erstmals eine gesetzlich fixierte Rechtsgrundlage für das bereits früher unre-
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Siehe oben, 3. Kapitel C. m. 2. Siehe nur Brenner, ThürVB11993, 196ff m.w.N.
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4. Kapitel: Die Mitwirkwtgsrechte des Bundestages
gelmäßig praktizierte Stellungnahme- und Berücksichtigungsverfahren in europäischen Rechtsetzungsangelegenheiten. Damit ist gewährleistet, daß die Bundesregierung sich jedenfalls mit der Ansicht des Bundestages zu einem bestimmten Rechtsetzungsvorhaben auseinandersetzen muß. Ein weiterer Fortschritt und eine große Chance für die Effektuierung seiner Beratungen hat der Bundestag gern. Art. 45 GG mit der Möglichkeit zur Einsetzung eines u. U. anstelle des Plenums beschlußfassungsbefugten Europaausschusses erhalten. Die Untersuchung hat ergeben, daß eine solche Delegation von Entscheidungsbefugnissen des Plenums auf den Europaausschuß nicht gegen demokratische Grundsätze verstößt. Insbesondere erfährt auch der fraktionslose Abgeordnete keine unvertretbare Einschränkung seiner Statusrechte. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht die Stärkung der Rechte des Bundestages zum Anlaß genommen, um dessen - aus deutscher Sicht - erhebliche Bedeutung für den europäischen Integrationsprozeß hervorzuheben, so daß der Bundestag sich "unversehens in den Mittelpunkt des Integrationsprozesses gestellt" siehe 97 . Auf diese Weise und auf der Grundlage der Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG kann der Bundestag grundsätzlich nun endlich für eine verstärkte demokratische Rückbindung der europäischen Hoheitsrechtsausübung sorgen, so wie sie das Bundesverfassungsgericht gefordert hae 98 • Trotz dieser positiven Ansätze weisen die Mitwirkungsrechte des Bundestages jedoch auch eine Reihe von Schwächen auf. So sind z.B. die Bundestagsrechte deutlich schwächer ausgefallen als die Rechte des Bundesrates. Zwar sind die Rechte des Bundestages neben denen des Bundesrates gleichberechtigt im Grundgesetz festgeschrieben, sie fallen jedoch wegen ihrer vergleichsweise knappen Fassung bereits optisch gegenüber den Bundesratsrechten ab. Dieser Eindruck setzt sich bei der rechtlichen Würdigung der Rechte uneingeschränkt fort. Während die Stellungnahmen des Bundesrates von der Bundesregierung bei der Festlegung ihrer Verhandlungsposition regelmäßig einfach und zuweilen ,,maßgeblich" zu berücksichtigen sind - was im Regelfall zu einem Letztentscheidungsrecht des Bundesrates führt -, bleibt es beim Bundestag in jedem Fall bei einer schlichten Berücksichtigung seiner Stellungnahme. Der Bundestag verfügt also nicht über ein dem Letztentscheidungsrecht nach Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG vergleichbares Recht. Hieraus folgt zwar im Ergebnis noch kein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip nach Art. 20 Abs. 2 GG i.Vm. Art. 79 Abs. 3 GG, es entsteht aber jedenfalls ein beklagenswertes und verfassungsrechtlich nicht gefordertes Ungleichgewicht zwischen Bundestag und Bundesrat in Angelegenheiten der EU.
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So Götz, BayVBI1993, 1081 (1083). BVerfUE 89, 155 (184f.).
c. Würdigung der Mitwirlamgsrechte des Bundestages
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß durch die neuen Bestimmungen in Art. 23 Abs. 2 und 3 GG der integrationsbedingte Kompetenzverlust des Bundestages nur unvollkommen kompensiert werden kann. Dabei darf allerdings auch nicht übersehen werden, daß die eigene Herrschaftsausübung im Verhältnis zu der Beteiligung an einer fremden Herrschaftsausübung notwendig mit einer Einbuße an Rechten verbunden ist. Die Verpflichtung der Bundesregierung zur Beteiligung des Bundestages an der eigenverantwortlichen Festlegung ihrer Verhandlungsposition kann daher bereits vom Ansatz her den Verlust eigener, selbstverantwortlich wahrzunehmender Rechte des Bundestages nicht angemessen ersetzen. Angesichts der Integrationsoffenheit des Grundgesetzes muß dieser Mangel aber bis zur Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG in Kauf genommen werden, die das Bundesverfassungsgericht in seinem MaastrichtUrteil noch nicht für überschritten gehalten hae 99 . Zu bedauern ist schließlich, daß das bereits früher weitgehend fehlende Problembewußtsein des Bundestages im Hinblick auf seine Rolle in europäischen Angelegenheiten offenbar noch immer unterentwickelt ist. Zu dieser Schlußfolgerung gelangt man unausweichlich nach einem Blick auf die Entstehungsgeschichte der notwendigen Geschäftsordnungsergänzung einerseits und auf die derzeitige Handhabung in der Praxis andererseits. So gelang es dem Bundestag - im Gegensatz zum Bundesrat - erst nach Ablauf von zwei Jahren nach der Verfassungsänderung, den Europaausschuß gern. Art. 45 GG einzusetzen und für eine geschäftsordnungsmäßige Umsetzung der hiermit verbundenen effizienzsteigernden Verfahrensweisen zu sorgen. Wiederum fast ein weiteres Jahr benötigte der Europaauschuß dafür, um - wie in § 93 a Abs. 7 GOBT vorgesehen - Grundsätze über die Behandlung der ihm gern § 93 GOBT zugeleiteten Unionsvorlagen aufzustellen, welche die Verfahrensweise ausführlich regeln. Und schließlich ist festzustellen, daß heute - immerhin dreiundeinhalb Jahre nach der Grundgesetzänderung - der als "clearingStelle" und als ,,Part und Widerpart im Dialog mit der Bundesregierung" angekündigte Europausschuß kaum über die Bedeutung des EG-Ausschusses von 1991, dessen Position mehr als beklagenswert war, hinausgewachsen ist, indem er in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle - für Legislativaufgaben gilt dies ausnahmslos - nicht einmal mit der Federführung europäischer Angelegenheiten betraut wird. In praktischer Hinsicht hat die Grundgesetzänderung daher nicht zu wesentlichen Veränderungen im Verfahren geführt. In rechtlicher Hinsicht ist im Ergebnis festzuhalten, daß die neuen Mitwirkungsrechte des Bundestages zwar sowohl mit der Verfassung als auch mit dem Europarecht vereinbar sind, den 399 Siehe hierzu BVerlGE 89, 155 (191), wo die Richter darlegen, daß der notwendige Einfluß des Bundestages noch gesichert sei.
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4. Kapitel: Die MitwirIomgsrechte des Bundestages
Kompetenzverlust des Bundestages im Bereich der Gesetzgebung jedoch nicht auszugleichen, sondern lediglich abzumildern imstande sind und schließlich Fragen zum künftigen Kräfteverhältnis zwischen Bundesrat und Bundestag in den zunehmend bedeutsamen Angelegenheiten der EU aufwerfen.
Zusammenfassung und Ausblick Durch den fortschreitenden europäischen Integrationsprozeß haben die Länder, der Bundesrat und der Bundestag einen im Laufe der Zeit erheblichen Teil ihrer Gesetzgebungskompetenzen an die EG verloren. Durch ihre Mitgliedschaft im Rat wuchsen diese Kompetenzen der Bundesregierung wenigstens teilweise zu. Mit Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages sind weitere Rechte auf die neu gegründete EU übertragen worden. Hierdurch hat sich der beschriebene Kompetenzschwund weiter verstärkt. Während der Bundesrat sich im Laufe der europäischen Integration ständig darum bemüht hat, den eigenen Kompetenzverlust und den Kompetenzverlust der Länder durch verstärkte Beteiligung an den Rechten der Bundesregierung wenigstens teilweise auszugleichen, beschränkte sich der Bundestag im wesentlichen darauf, seine schwindende Bedeutung zu beklagen und verfiel im übrigen in Lethargie. Dies führte schließlich dazu, daß die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Bundestages vor dem Inkrafttreten des neuen Art. 23 GG immer noch lediglich in dem Recht auf Unterrichtung durch die Bundesregierung über die wichtigsten EG-Vorlagen auf der Basis von Art. 2 ZuStG zu den Römischen Verträgen von 1957 bestanden. Ein gesetzlich fixiertes Recht auf Abgabe einer Stellungnahme zu europäischen Rechtsetzungsvorhaben gab es dagegen nicht. Im Gegensatz dazu verfügte der Bundesrat, dessen Beteiligung sich zunächst ebenfalls nach Art. 2 ZuStG zu den Römischen Verträgen gerichtet hatte, schon bald über weitergehende Rechte. Schließlich erhielt er durch Art. 2 EEAG aus dem Jahre 1986 nicht nur das Recht auf eine umfassende und frühzeitige Unterrichtung durch die Bundesregierung, sondern hatte auch Anspruch auf die Abgabe von Stellungnahmen zu den Vorhaben. Diese Stellungnahmen mußte die Bundesregierung bei der Festlegung ihrer Verhandlungsposition berücksichtigen. In den Fällen, in denen das europäische Vorhaben innerstaatlich den Bereich der originären Länderzuständigkeit betraf, konnte der Bundesrat gegenüber der Bundesregierung sogar beanspruchen, daß von der Stellungnahme nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen abgewichen wurde. Ausgelöst durch die Deutsche Einheit, aber auch durch den Abschluß des Maastrichter Vertrages kam es in der deutschen Politik und Staatsrechtslehre zu einer eingehenden Verfassungsdiskussion, in deren Verlauf der Bundesrat auf eine weitere Verstärkung und verfassungsrechtliche Verankerung seiner Mit-
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Zusammenfassung und Ausblick
wirkungsrechte in Angelegenheiten der EU drängte. Von der Umsetzung dieser Forderungen machte er seine Zustimmung zum Ratifizierungsgesetz des Maastrichter Vertrages abhängig. Das forsche Auftreten des Bundesrates rief schließlich auch den Bundestag auf den Plan. Nunmehr verlangte auch er die verfassungsrechtliche Festschreibung und Erweiterung von Mitwirkungsrechten in Angelegenheiten der EU. Mit diesen Forderungen konnte er sich schließlich in der GVK durchsetzen, so daß der am 22. Dezember 1992 in Kraft getretene neue Europaartikel 23 GG nicht nur erweiterte Rechte des Bundesrates, sondern auch des Bundestages enthielt. Die dazugehörigen Ausführungsgesetze traten am Tage der Gründung der EU, d.h. am 1. November 1993 in Kraft. Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates, die ihren Niederschlag in Art. 23 Abs. 2 und 4-7 GG sowie im EUZBLG gefunden haben, gliedern sich in Informations-, Stellungnahme- und Außenvertretungsrechte. Das in Art. 23 Abs. 2 GG verankerte Informationsrecht erweitert die bisherige Unterrichtungspflicht der Bundesregierung und garantiert dem Bundesrat die frühzeitige Übersendung aller Dokumente, Berichte und Vorlagen, die für die Länder von Interesse sein könnten. Hierunter fallen auch vorbereitende EG-Dokumente, um dem Bundesrat die Gelegenheit zu geben, sich frühzeitig auf Entwicklungen innerhalb der EU einzustellen. Die Mitwirkung des Bundesrates an der innerstaatlichen Willensbildung des Bundes durch das Stellungnahmerecht erfolgt in zwei unterschiedlichen Intensitätsstufen, die sich nach dem Grad der innerstaatlichen Auswirkungen richten. Bei Vorhaben der EU, die innerstaatlich den Bereich der ausschließlichen Bundesgesetzgebung betreffen, wird die Stellungnahme des Bundesrates von der Bundesregierung gern. Art. 23 Abs. 5 Satz I GG einfach berücksichtigt, d.h., sie muß sich inhaltlich mit ihr auseinandersetzen, ist jedoch nicht verpflichtet, sie als ihre Verhandlungsposition zu übernehmen. Das gleiche gilt, wenn ein Vorhaben innerstaatlich den Bereich der konkurrierenden oder Rahmengesetzgebung des Bundes betrifft, wobei zwar ein Erfordernis nach bundesgesetzlicher Regelung gern. Art. 72 Abs. 2 GG (n.F.) bestehen muß, der Bund jedoch noch nicht von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht haben muß. Im übrigen ist es hierbei nicht notwendig, daß das EU-Vorhaben spezielle Länderinteressen tangiert. Die stärkere Form der Mitwirkung an der Willensbildung der Bundesregierung bildet das Recht auf "maßgebliche" Berücksichtigung der Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG. Dieses sog. Letztentscheidungsrecht steht dem Bundesrat nur dann zu, wenn das europäische Vorhaben im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betrifft. Grundsätzlich statuiert das Letztentscheidungsrecht eine Regelbindung der Bundesregierung an das mit Zwei-Dritte1-Mehrheit beschlossene Votum des Bundesrates, so daß sie es übernehmen muß. In Ausnahmefällen kann sie jedoch von ihm abweichen. Solche Ausnahmefälle liegen vor, wenn es sich um Vorhaben handelt, die sich nachteilig auf die Finan-
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zen des Bundes auswirken können oder wenn die Bundesregierung es aus außen- und integrationspolitischen Gründen und zur Wahrung des gesamtstaatlichen Wohls für angeraten hält, die Meinung des Bundesrates nicht zu übernehmen. Durch beide Ausnahmetatbestände wird das Letztentscheidungsrecht also nicht unerheblich aufgeweicht, so daß von einer strikten Bindung der Bundesregierung letztendlich nicht gesprochen werden kann. Schließlich gewährt Art. 23 Abs. 6 GG neben einer Hinzuziehung von Ländervertretern zu Beratungsgremien der EU im Falle der Betroffenheit originärer Gesetzgebungskompetenzen der Länder der Länderseite erstmals die Möglichkeit, die Verhandlungsführung in den EU-Gremien oder im Rat von einem Ländervertreter vornehmen zu lassen, der vom Bundesrat benannt wird. Allerdings kommt es nicht zu einer generellen Übertragung der Außenvertretungskompetenz. Zum einen sind verschiedene Ausnahmen möglich, zum anderen behält die Bundesregierung nicht nur die Delegationsführung, sondern der Ländervertreter handelt sogar für die Bundesregierung und verpflichtet diese. Schließlich erfolgt die Verhandlungsführung unter Beteiligung und in Abstimmung mit dem Vertreter der Bundesregierung, so daß im Konfliktfall die letzte Entscheidung i.d.R. doch von der Bundesregierung getroffen wird. Weitere Mitwirkungsrechte stehen dem Bundesrat bei der Willensbildung des Bundes in Verfahren gern. § 7 EUZBLG zu. Die Überprüfung der Rechte des Bundesrates hat ergeben, daß diese zunächst weder verfassungs- noch europarechtlich zu beanstanden sind. Durch die durchgängige Respektierung der vorrangigen Kompetenz der Bundesregierung sowie die letztliche Garantie ihrer freien und eigenverantwortlichen Entscheidung bei der Festlegung ihrer Verhandlungsposition in Angelegenheiten der EU ergibt sich entgegen mancher Ansicht insbesondere kein Verstoß gegen das Integrations- und das Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes sowie den Grundsatz der Handlungsfreiheit der Bundesregierung im auswärtigen Bereich. Schließlich beeinträchtigen die Mitwirkungsrechte auch nicht die Erfüllung der mitgliedsstaatlichen Rechte nach Art. 5 EGV, so daß es auch im Falle des Letztentscheidungsrechts sowie des Rechts auf Verhandlungs- und Stimmführung durch einen Ländervertreter nicht zu einer Obstruktion der Ratstätigkeit und damit zu einem Verstoß gegen Art. 5 EGV kommt. Im Hinblick auf den Erhalt der Länderstaatlichkeit sind die Mitwirkungsrechte des Bundesrates jedoch eher dürftig zu beurteilen. Da sie durchgängig auf dem Bundesratsverfahren beruhen, werden die Länder auch in europäischen Angelegenheiten weiterhin im Bundesrat mediatisiert. Damit bietet auch Art. 23 GG keine Lösung, wie der wachsenden Bedeutungslosigkeit der Landtage begegnet werden kann. Lediglich auf Bundesebene ist es zu einer Stärkung der föderalen Elemente gekommen. Allerdings muß auch bedacht werden, daß anders als durch Bündelung ihrer Interessen die einzelnen Länder nicht stark genug wären, um ihre Belange zunächst auf Bundes- und später auf europäi-
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scher Ebene durchsetzen zu können. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Integrationsoffenheit des Grundgesetzes wird man daher im Ergebnis die fortschreitende Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit der Länder notgedrungen hinnehmen müssen. Die in Art. 23 GG festgelegten Rechte und Pflichten sind schließlich im Wege des Organstreits oder auch des Bund-Länder-Streits vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzbar, wobei allerdings vom Gericht die Grundsätze des ,judicial seifrestraint" zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus wird nun zwischen Bundesrat und Bundesregierung die Möglichkeit eines speziellen Schiedsverfahrens zur Lösung von auftretenden Problemen und zur Beseitigung etwaiger Meinungsverschiedenheiten über die rechtliche Zuordnung europäischer Vorhaben zum Bereich der einfachen oder der maßgeblichen Berücksichtigung sowie der schlichten Hinzuziehung von Ländervertretern zu Sitzungen europäischer Gremien oder der Übertragung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter diskutiert, welches einem verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgeschaltet werden soll. Gegenüber den Rechten des Bundesrates fallen die neuen Mitwirkungsrechte des Bundestages ebenso wie in der Vergangenheit deutlich schwächer aus. Im Unterschied zu den Rechten des Bundesrates beziehen sie sich lediglich auf Rechtsetzungs- und rechtsetzungsähnliche Angelegenheiten der EU. Gem. Art. 23 Abs. 2 GG i.Vm. §§ 3 und 4 EUZBBG steht dem Bundestag zwar gegenüber der Bundesregierung ein umfassendes Recht auf frühestmögliche Information über die Rechtsetzungs- und rechtsetzungsähnlichen Vorhaben der EU, die für ihn von Interesse sein könnten sowie über die Willensbildung der Bundesregierung zu. Dagegen beschränkt sich das Recht zur Abgabe einer Stellungnahme gem. Art. 23 Abs. 3 GG auf eine von der Bundesregierung einfach zu berücksichtigende Stellungnahme. Demnach kann die Bundesregierung in allen Fällen, in denen der Bundestag eine Stellungnahme abgibt, lediglich dazu verpflichtet werden, sich mit dessen Ansicht sachlich auseinanderzusetzen. Die Stellungnahme braucht daher nicht Eingang in ihre Verhandlungsposition zu finden, wie dies im Regelfall der maßgeblichen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates der Fall ist. Sie kann nunmehr erstmals auch durch einen in Art. 45 GG verfassungsrechtlich vorgesehenen Europaausschuß stellvertretend für das Plenum abgegeben werden. Insoweit ist der Bundestag verfassungsrechtlich zur Delegation seiner Entscheidungsbefugnisse ermächtigt worden. Die Einsetzung und Ermächtigung des Ausschusses soll nicht nur einer institutionellen Absicherung, sondern auch einer Effektuierung der Bundestagsrechte dienen. Nach der schwachen Position, die der EG-Ausschuß der 12. Wahlperiode des Bundestages innehatte, war eine Veränderung dringend erforderlich geworden. Allerdings hat sich der Bundestag mit der geschäftsordnungmäßigen Umsetzung von Art. 45 GG lange Zeit schwergetan.
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Erst nach zweijähriger Existenz der neuen Verfassungsvorschriften ist eine Änderung der Geschäftsordnung und die Einsetzung des Europausschusses erfolgt. Leider ist festzustellen, daß der Bundestag die ihm nun zur Verfügung stehenden Instrumente zur Effektuierung seiner Beteiligungsrechte derzeit bei weitem nicht nutzt. So bekleidet der Europaausschuß heute eine ähnliche Rolle wie seinerzeit der EG-Ausschuß von 1991. Er erhält nur in Ausnahmefällen die Federführung und ist bislang noch nicht ein Mal dazu ermächtigt worden, für das Plenum eine Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung abzugeben. So drängt sich zum einen der Verdacht auf, daß der Bundestag die Zeichen der Zeit in europäischen Angelegenheiten, nämlich die Notwendigkeit eines aktiven Eingreifens in die Europapolitik der Bundesregierung zum Zwecke einer dringend erforderlichen demokratischen Rückbindung europäischen Handeins offenbar noch immer nicht erkannt hat. Zum anderen wird mehr und mehr deutlich, daß der Bundestag im Gegensatz zum Bundesrat bereits von der Struktur her - schließlich fehlt es an einem entsprechend fachkundigen ministerialen Unterbau - auch auf lange Sicht nicht in der Lage sein wird, seine verfassungskräftig verankerten Rechte ähnlich effektiv auszuüben wie der Bundesrat. Es bleibt daher nur zu hoffen, daß der Bundestag die sich ihm bietende Chance auf eine Umgestaltung, Straffung und Intensivierung der Beratung europäischer Vorhaben wenigstens auf lange Sicht ansatzweise nutzen und nicht nach dem kurzzeitigen Aufilackern von Energie anläßlich der Grundgesetzänderung wieder in seiner altbekannten Lethargie verharren wird. In verfassungsrechtlicher wie auch in europarechtlicher Hinsicht bestehen an den Mitwirkungsrechten des Bundestages, die gerichtlich im Wege des Organstreitverfahrens gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG durchsetzbar sind, keine letztlich durchgreifenden Bedenken. Wie auch vom Bundesverfassungsgericht vermerkt, tragen sie neben Art. 23 Abs. 1 GG als eine Säule demokratischer Legitimation der supranationalen europäischen Hoheitsgewalt zur Stärkung des demokratischen Prinzips bei. Ein Verstoß gegen demokratische Grundsätze im Hinblick auf die Statusrechte der Abgeordneten durch die Möglichkeit der Delegation von Entscheidungsbefugnissen des Plenums ist zudem nicht ersichtlich. Da die Mitwirkungsrechte des Bundestages in noch stärkeren Maße als die Rechte des Bundesrates die Handlungsfähigkeit und die eigenständige Entscheidungskompetenz der Bundesregierung in europäischen Angelegenheiten respektieren, kann durch sie weder ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip und das Integrationsprinzip des Grundgesetzes noch gegen die Erfüllung der mitgliedsstaatlichen Pflichten der Bundesrepublik gern. Art. 5 EGV festgestellt werden. Fragwürdig und unverständlich bleibt jedoch das bereits in der Vergangenheit auf niederem Niveau bestandene, nunmehr verfassungsrechtlich auf erhöhtem Niveau festgeschriebene ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Bundestag und Bundesrat. Auch der Hinweis darauf, daß dem Bundestag im Gegensatz zum Bundesrat parlamentarische Kontrollrechte
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gegenüber der Bundesregierung zustehen, vermag dies nicht zu rechtfertigen, da diese Rechte entweder so schwach sind, daß ihr Einsatz dem Bundestag keinen entscheidenden Vorteil bringt, oder aber so stark (konstruktives Mißtrauensvotum), daß ihr Einsatz zu drastisch und daher unangemessen erscheint. Schließlich hat auch die Praxis gezeigt, daß zum einen solche drastischen Kontrollrechte bei Meinungsverschiedenheiten in europäischen Angelegenheiten nicht angewendet werden; zum anderen ist auch die Beteiligung des Bundesrates in den letzten Jahren unvergleichlich intensiver gewesen als die des Bundestages. Zwar ist die Stellung des Bundestages durch die verfassungsrechtliche Verankerung der Rechte aufgewertet und formal derjenigen des Bundesrates angeglichen worden. Nach jahrzehntelanger Ungleichbehandlung wäre hier jedoch auch ein sachlicher Ausgleich zwischen Bundesrat und Bundestag - möglicherweise auf der Ebene der einfachen Berücksichtigung - wünschenswert und machbar gewesen. Zu einem Verfassungsverstoß führt dieser beklagenswerte Zustand letztlich jedoch nicht. Schließlich gilt für den Bundestag gleichermaßen wie auch für den Bundesrat und durch ihn für die Länder, daß eine volle Gleichwertigkeit zwischen einer Alleinentscheidungsbefugnis und einer Mitwirkung an der Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung, die grundsätzlich auch im Falle des Letztentscheidungsrechts besteht, nicht erreicht werden kann. Gleichwertigkeit ist aber auch keine notwendige Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Kompensation! . Der Bewahrung der föderalistischen Strukturen sowie dem Erhalt eines notwendigen Parlamentarismus ist daher eher durch einen teilweisen Ausgleich als durch keinerlei Ausgleich gedient. Abschließend ist festzustellen, daß der neue Art. 23 GG in ästhetischer Hinsicht sicher kein Vorzeigebeispiel für eine schlanke und griffige Grundgesetznorm geworden ist. Betrachtet man die Textmenge und die Kompliziertheit der Formulierungen2 , kann daher nur zugestimmt werden, wenn die neue Verfassungsnorm als "Monstrum" bezeichnet wird 3 . Hier zeigt sich schließlich, daß Art. 23 GG nicht aus einem übergreifenden Konsens heraus entstanden ist, sondern das Ergebnis eines langen und zähen politischen Ringens und damit ein Komprorniß mit all seinen Nachteilen ist. Zudem zeugen zahlreiche redaktionelle Ungenauigkeiten von der Eile und dem Zeitdruck, unter dem Art. 23 GG und dessen Begleitvorschriften entstanden sind. Wenn heute bemängelt wird, daß Art. 23 Abs. 2-7 GG, insbesondere die Bestimmungen über den Bundesrat, viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthält4 , so ist dies gleichAnders aber Schütz, BayVBl1990, 481 (483). Diesen Mangel gestehen sogar diejenigen ein, die maßgeblich an der Entstehung der Vorschrift beteiligt waren, siehe z.B. Scholz, ZG 1994, 1 (10). 3 Siehe Ossenbühl, DVB1 1993,629. 4 Breuer, NVwZ 1994,417 (427). 1
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falls nicht von der Hand zu weisen. Es erscheint aber überzogen, aus diesem Grunde die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts als unweigerlich und schier unausweichlich darzustellen5 . Schließlich hat es auch schon früher namentlich in Art. 2 EEAG - unbestimmte Rechtsbegriffe gegeben, die als nicht justitiabel bezeichnet wurden6 . Dennoch haben sie nicht zu ständigen verfassungsgerichtlichen Querelen zwischen Bund und Ländern, sondern dank der allseits vorhandenen Einsichts- und Kompromißfähigkeit in den allermeisten Fällen zu einverständlichen Lösungen geführe. Die derzeitige Praxis zeigt, daß dieser bisherigen Linie weiterhin gefolgt wird, was auch für die Zukunft auf eine einverständliche Ausübung der neuen Mitwirkungsrechte nach Art. 23 Abs. 2-7 GG hoffen läßt. Gegenseitige Blockaden würden schließlich nicht nur dem Ansehen der Bundesrepublik in der Staatengemeinschaft nachhaltig schaden, sondern auch das innerstaatliche Verhältnis zwischen Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und den Ländern belasten.
5 So aber vor allem Breuer, NVwZ 1994, 417 (427) und Randelzhofer, in: Maunz) Dürig/Herzog/Scholz, Rdnr. 209 zu Art. 24 GG. Anzuerkennen sind in diesem Zusammenhang auch die neuen Bestrebungen des Bundesrates und der Bundesregierung, ein dem verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgeschaltetes Schiedsverfahren zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten zu installieren. 6 Insbesondere ging es hierbei um die Regelung des Art. 2 Abs. 3 Satz 2 EEAG, nach der die Bundesregierung nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen von der Stellungnahme des Bundesrates abweichen durfte, wenn innerstaatlich ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen von dem Vorhaben betroffen waren, vgl. Grabitz, in: HrbekfThaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäische Gemeinschaft, 169 (178) und Gerber, in: Cottier (Hrsg.), Staatsrechtliche Auswirkungen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, 77 (137). 7 OschatzfRisse, EA 1988, 9 (12).
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