Die älteste Kirche der Welt: Christliche Predigtstätten, Versammlungsräume und Kirchen vor Konstantin [1 ed.] 9783412526870, 9783412526856


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Die älteste Kirche der Welt: Christliche Predigtstätten, Versammlungsräume und Kirchen vor Konstantin [1 ed.]
 9783412526870, 9783412526856

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Reiner Sörries

DIE ÄLTESTE KIRCHE DER WELT

Christliche Predigtstätten, Versammlungsräume und Kirchen vor Konstantin

Reiner Sörries

Die älteste Kirche der Welt Christliche Predigtstätten, Versammlungsräume und Kirchen vor Konstantin

B öhl au Verl ag Wien Köln

Gedruckt mit Mitteln des Kunstfonds der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2023 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande  ; Brill USA Inc., Boston MA, USA  ; Brill Asia Pte Ltd, Singapore  ; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland  ; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill ­Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Coverabbildungen  :    links oben : Kirche in Kiş (Aserbaidschan). Gegründet von Elisay (Elisäus) im 1. Jh. rechts oben : Ostia Antica. Kirche nach dem Muster einer antiken Schola, ggf. vorkonstantinisch unten : Aqaba ( Jordanien). Älteste intentional errichtete und archäologisch nachweisbare Kirche, um 300. Abbildungen vom Verfasser. Korrektorat  :  Simone Buckreus, Regensburg Umschlaggestaltung  : Guido Klütsch, Köln Satz und Layout  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52687-0

In sum, place in early Christianity is a complex concept. Paul Corby Finney

Inhalt

Ein Kampf gegen Windmühlen. Vorwort. . . . . . . . . . . . . . .   9 Die älteste Kirche der Welt. Einführende Gedanken.. . . . . . . . .

 15

»… es war aber eine Menge beisammen von etwa hundertzwanzig …«. Die Anfänge bis zur Eroberung von Jerusalem (70 n. Chr.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 23

Von der Synagoge zur Ekklesia. Von der Eroberung Jerusalems bis etwa 135 n. Chr.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kirchen. Von etwa 135 bis zur ersten reichsweiten Christenverfolgung 250.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 65

Kirchenbauten der kleinen Friedenszeit. Von Gallienus bis Diokletian (260 – 303). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 93

»Siehe, da ist Wasser  ; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse  ?« Taufpraxis in vorkonstantinischer Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . 119 »Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte«. Genese des Kirchenbaus.. . . . . . . . . 129 Architektur und Ausstattung ­vorkonstantinischer Kirchen. Der Versuch einer Rekonstruktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Systematik der Kirchen vor Konstantin. Zusammenfassung. . . . . .

153

Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

7

Anhang . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . Die älteste Kirche der Welt. Bildnachweise. . . . . . . . Nachwort und Dank. . . . .

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Ortsregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

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Inhalt

Ein Kampf gegen Windmühlen Vorwort

Eigentlich ist zu dem Thema alles schon gesagt. Längst bevor die Hauskirche von Dura Europos entdeckt worden war, bemerkte Orazio Marucchi 1912 auch für den deutschen Leserkreis lapidar  : »Die Christen hielten ursprünglich ihre Versammlungen in den Sälen der Privathäuser.«1 Diese indes dienten zugleich als Wohnung für die Kleriker, für die kirchliche Verwaltung, die Aufbewahrung der Heiligen Schriften und Geräte sowie zur Versorgung der Armen und Pilger. »Deshalb waren die ursprünglichen Kirchen gewöhnliche, in besonderer Weise für den christlichen Gottesdienst oder vielmehr für die gesamten Angelegenheiten der christlichen Gemeinde bestimmte Häuser.«2 Als Willy Rordorf 1964 zusammentrug, was wir über die christlichen Gottesdiensträume der vorkonstantinischen Zeit wissen, ging er zwar davon aus, »daß zumindest seit dem Ende des 2. und vor allem seit dem 3. Jahrhundert auch eigentliche Kirchengebäude existierten«, um dennoch kategorisch zu konstatieren  : Wohl kann man im allgemeinen sagen  : die ersten drei Jahrhunderte sind die Zeit der Hauskirchen. Die Christen versammelten sich für ihre Gottesdienste nicht in eigens dazu errichteten Gebäuden, sondern statteten gewisse Räume in schon bestehenden Häusern für ihre gottesdienstlichen Bedürfnisse aus.3

Er verband diese Tatsache mit der unsicheren Rechtslage, die das Christentum der ersten drei Jahrhunderte geprägt habe, denn es war im römischen Staat als Religionsgemeinschaft nicht anerkannt. Obwohl Rordorf in seinem Aufsatz durchaus auf vorkonstantinische Kirchengebäude einging, blieb das Hauskirchenideal unangefochten. Und trotz mancher Vorstöße in eine andere Richtung »haben sich die meisten Christlichen Archäologen und Kirchenhistoriker mit wenigen Ausnahmen einseitig auf das Lieblingsproblem der Hauskirche konzen­ triert«, schrieb der Schweizer Archäologe Beat Brenk 2003.4

Vorwort

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Die Hauskirche war mit der Entdeckung einer solchen in Dura Europos so in den Vordergrund gerückt, dass man Kirchen im eigentlichen Sinn sogar kategorisch ausschloss  : »So gab es also in den ersten Jahrhunderten des Christentums keine christliche Sakralarchitektur«, heißt es in der Theologischen Realenzyklopädie 1989, denn die Kultübungen fanden in (grö­ßeren) Privathäusern statt.5 1999 ergänzte Hans-Georg Thümmel  : So ist bis in das 4. Jahrhundert hinein fast nichts erhalten, was als christliche Kirche bezeichnet werden könnte. Andererseits hätte jeder größere Raum für den Gottesdienst dienen können, und mancher hat es vielleicht auch, ohne dass bei Ausgrabungen der archäologische Befund darüber Aufschluss gäbe.6

Das Bekenntnis zu den Hauskirchen besaß fast ideologischen Charakter, als Friedrich Wilhelm Deichmann nicht nur auf Privathäusern und Räumen beharrte, »die nicht von den anderen in diesen Häusern verschieden waren«, sondern die Existenz von Sakralarchitektur für unmöglich erachtete  : »So blieb die Kultstätte als ein irdischer Ort in der Zeit der Urkirche reiner Zweckbau, der Kult heiligte nicht den Kultplatz. Daher besaß das Urchristentum keine Sakralarchitektur, für die stets Heiligkeit oder Heiligung Voraussetzung gewesen ist und immer sein wird.«7 Dass sich dies nach Deichmann ab dem 3. Jahrhundert allmählich änderte, blieb dabei eher eine Randnotiz. Es blieb im Prinzip dabei, was Marucchi zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben hatte. Fast hundert Jahre später brachte es 2003 der US-amerikanische Neutestamentler Graydon F. Snyder auf den Punkt  : There is neither literary evidence nor archeological indication that any such home was converted into an extant church building. Nor is there any extant church that certainly was built prior to Constantine. Consequently, we have no evidence regarding the intentional structure of a Christian meeting place prior to the ›peace‹.8

Eigentlich ist alles gesagt.9 Die Windmühle ist die Hauskirche, ihre Flügel sind Theologen und Archäologen, die teils aus einer Tendenz zur Romantisierung oder Idealisierung des Urchristentums, teils aufgrund fehlender Befunde die Hauskirchen-Windmühle am Laufen halten, obwohl sich die Stimmen mehrten, die vorsichtig ins Laufwerk der Windmühle eingriffen. 10

Ein Kampf gegen Windmühlen

Denn Hugo Brandenburg erinnert in seinem Lexikonartikel für die Theologische Realenzyklopädie durchaus daran, dass u. a. der Kirchenhistoriker Eusebius in seiner Kirchengeschichte auf Kirchenbauten der vorkonstantinischen Zeit verweise, nur wisse man nicht, wie diese Kirchenbauten ausgesehen hätten  : So wissen wir also nicht, ob der frühchristliche Kultbau der vorkonstantinischen Zeit bereits eine eigene architektonische Prägung besessen hat, die ihn, soweit es sich um Neubauten handelte, als solchen auszeichnete und die Ausbildung einer spezifischen Architektur des christlichen Kultgebäudes begründete.10

Die reine Hauskirchentheorie für die vorkonstantinische Zeit ist vorsichtig ins Wanken geraten, so auch im Artikel Kultgebäude von Sible de Blaauw 2008 im Reallexikon für Antike und Christentum11  : Unter der Annahme, dass die frühen Christen keinen Kult im herkömmlichen Sinn ausgeübt haben, verbieten sich auch Spekulationen über ›Kultgebäude‹ analog zu heidnischen Tempeln. Allerdings haben sie bereits lange vor Konstantin eine Liturgie entwickelt und Gebäude zur Abhaltung ihrer Gottesdienste errichtet  ; dabei sind im 3./4. Jh. eigenständige architektonische Lösungen entstanden, die ihre Wurzeln in der Nutzung von Privathäusern hatten.

Eine vorsichtige Öffnung für die Erwägung eines vorkonstantinischen Kirchenbaus lag in der Luft. Lapidar hat Jutta Dresken bemerkt  : »Daß es vorkonstantinische Kirchen gab, ist bekannt.«12 Ganz ähnlich und ein Stück weiterführend formulierten es Barbara Weber-Dellacroce und Winfried Weber unter Hinweis auf die Quellen13 zu Kirchen, die nach dem Toleranzedikt von 311/313 restituiert oder neu erbaut wurden  : Daraus »geht hervor, dass es vor dem 4. Jahrhundert Gebäude gegeben hat, die dem christlichen Gottesdienst dienten.«14 Diese Entwicklung müsse um 200 eingesetzt haben, als die wachsenden Kirchengemeinden vor allem in den östlichen Provinzen bald größere und eigens zur Feier der Eucharistie eingerichtete Räume nutzten. Es blieb allerdings zunächst bei diesem Wissen um die vorkonstantinischen Kirchen(räume), ohne sie jedoch mit weiterem Inhalt zu füllen. Die Situation änderte sich nach der Jahrtausendwende nicht unerheblich. Gar nicht so sehr deshalb, weil nach jahrzehntelanger Glücklosigkeit Vorwort

11

der Archäologie hinsichtlich vorkonstantinischer Kirchen nach 2000 Entdeckungen solcher Kirchen im Nahen Osten, in Aqaba, in Rihab und in Megiddo, bekannt gemacht wurden, sondern weil einige Wissenschaftler neue Ansätze gesucht haben. In der 2007 erschienen Festschrift für Edwin M. Yamauchi, emeritierter Professor für Alte Geschichte, Biblische Archäologie und frühe Kirchengeschichte an der Miami University in Ohio, wendet sich der Theologe Robert W. Smith, Professor für biblische Theologie am Roanoke Bible College in Elizabeth City, North Carolina, in seinem Beitrag Ante-Pacem Christian Structures in the Levant entschieden und vehement gegen das Denkverbot vorkonstantinischer Kirchen.15 Die Nichtachtung der Existenz und des Gebrauchs öffentlich sichtbarer kirchlicher Gebäude vor Konstantin sei nicht entschuldbar. Über längere Zeiträume hinweg und in vielen Regionen sei das Christentum eine de facto tolerierte Gemeinschaft gewesen und habe über entsprechende Ressourcen und wohlhabende Gönner in ihren Reihen verfügt, um Kirchen zu errichten. Zudem müsse dem beinahe dogmengleichen Missverständnis gewehrt werden, die Christen seien vor Konstantin so arg bedrängt worden, dass sie unmöglich erkennbare, öffentliche Versammlungsgebäude besessen haben können. Smith fasst zusammen  : »Christians were able to have worship places from their beginning in the first century through the singular rule of Constantine.«16 Geändert habe sich mit Konstantin lediglich, dass die Kirche und entsprechend ihre Kirchen nun unter kaiserlichem Patronat gestanden hätten. Smith begründet seine Auffassung mit vielen, meist auch hinlänglich bekannten Quellen, die er teilweise anders interpretiert, sowie mit den archäologischen Zeugnissen, wobei er die neuen Funde von Aqaba, Rihab und Megiddo mit einbezieht. Dabei teilt er andere Überlegungen, dass sich um 200 mit der wachsenden Zahl der Christen und der Hierarchisierung der Kirche die Verhältnisse zugunsten eigenständiger, größerer Kirchen ändern, doch hinsichtlich der Definition von Kirche als Bauwerk gibt er zu bedenken, dass man oftmals den Bautyp der Basilika so sehr mit dem Kirchengebäude in Eins setze, dass man nicht als Kirche anerkenne, was nicht aussehe wie eine Basilika, die tatsächlich erst nach Konstantin zum Standardtyp im Kirchenbau wurde. Kirche müssen auch die großen Versammlungsgebäude vor 313 genannt werden  : »The architectural shape of these new spacious worship facilities is not clearly specified, but must have included a large space for corporate assemblies.«17 Den bis dahin stets als 12

Ein Kampf gegen Windmühlen

prototypisch angesehenen Hausumbau zur Hauskirche in Dura Europos streift Smith nur beiläufig, aber nicht als Beleg für die Hauskirche, sondern als Beispiel für die Nutzung vorhandener Strukturen, die zu höchst unterschiedlichen Formen geführt hat. Einen eigenen und bis dahin wenig begangenen Weg schlug der amerikanische Neutestamentler Edward Adams ein, als er 2013 den Hauskirchen öffentliche und halböffentliche Örtlichkeiten zur Seite stellte, wo Zusammenkünfte von Christen stattfinden konnten. Es war wohl bekannt, dass Paulus in Ephesus die Räumlichkeiten der Philosophenschule des Tyrannus nutzte (Apg. 19, 9 f.), aber Adams ging doch viel weiter und nahm Warenhäuser, Badeanlagen oder Tavernen und natürlich die Friedhöfe in den Blick.18 Adams befasste sich hier zwar nicht mit Kirchen, aber er hatte damit die Suche nach den vorkonstantinischen Verhältnissen in anderer Weise neu eröffnet. Gegen die »Grundannahmen des Modells der ›Hauskirche‹ für die Entwicklung christlicher Kultbauten bis zur ›konstantinischen Wende‹« wandte sich auf einer Tagung 2013 der Althistoriker Karl Strobel mit der eigentlich bekannten, nun ausführlich begründeten Feststellung, wonach »bereits seit 260 n. Chr. in Städten mit entsprechend finanzstarken Gemein­den von eigenständigen und sich als öffentlich präsentierenden Kirchenbauten […] auszugehen« ist.19 Aus seinen zurate gezogenen Quellen folgert er, diese Kirchenbauten seien »wohl meist verbunden mit Räumlichkeiten im Sinne eines kirchlichen Zentrums bzw. Gemeindezentrums für Katechumenenunterweisung, Taufe, Bischofsresidenz und Gemeindearbeit einschließlich der Infrastruktur für die Agape […,] wobei der Bautypus der Basilika mit Vorhof und Nebengebäuden zumindest für Nordafrika bereits vor 303 n. Chr. bezeugt ist.«20

Solche Kirchen und Kirchenkomplexe waren kaum mit Hilfe von Hauskirchen zu realisieren. Strobel wollte zudem nicht ausschließen, dass mit Kirchenbauten durchaus schon früher zu rechnen sei  : »Mit der Wende 2./3. Jh. n. Chr. sind erstmals Gebäude bzw. große Räumlichkeiten bezeugt, die nur für den Gottesdienst bestimmt und damit der profanen Nutzung gänzlich entzogen waren.«21 Den jüngsten Akzent setzte der Kirchenhistoriker Stefan Heid, der die These der Hauskirche kategorisch ablehnte und 2018 als »klassiVorwort

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sches Wissenschaftsphantom« bezeichnete.22 In seiner 2019 erschienen Monographie zum Altar untermauert er diese Einschätzung noch  : »Die Hauskirchen-Theorie verstellt geradezu den Blick auf die frühchristliche Kirchenstruktur und damit auch auf die Funktion von Kirchenbau und Altar.«23 Dabei wendet er sich sowohl gegen das Modell der pluralen Hausgemeinde als Organisationsform als auch gegen die damit verbundene Vorstellung, man habe sich in Privathäusern getroffen. An ihre Stelle setzt Heid eine Ortsgemeinde mit einer Kirche. Da diese einen Altar besitzt, wird die Kirche zum Sakralraum. Freilich kann Heid dafür kein exaktes Datum nennen und denkt an ein prozesshaftes Geschehen. »Nichts berechtigt dazu, willkürlich eine zeitliche Grenze zu setzen, wann der Ort der Christenversammlung zum kollektiven Erinnerungsort der Nähe Gottes und damit zum Sakralraum wird.« Es sei ein bruchloser Prozess, »dessen Anfänge sicher schon im zweiten Jahrhundert liegen.«24 Mit Hugo Brandenburg ist sich Heid einig, dass spätestens seit dem Ende des 2. Jahrhunderts mit dem Wachsen der Gemeinden schon eigene für den Kult bestimmte Räumlichkeiten, Häuser oder auch schon für die Bedürfnisse der Gemeinde errichtete Bauten notwendig wurden.25 In der Einschätzung der frühchristlichen Versammlungsräume in vorkonstantinischer Zeit haben sich somit verschiedene Akzentverschiebun­ gen ergeben. Für die Frühzeit des Urchristentums stehen nun neben den privaten Häusern und Wohnungen temporär genutzte und gemietete Räumlichkeiten zur Disposition. Und der zeitliche Schwerpunkt der Hauskirchenepoche verlagert sich auf das 1. und 2. Jahrhundert, während spätestens ab 200 oder sogar schon früher durchaus mit eigens gebauten Kirchen gerechnet wird. Schon Clemens von Alexandrien (150 – 215) wusste darum, dass Kirche (Ekklesia) sowohl die Gemeinde wie das Gebäude bezeichnet. Und mehr noch  : Die Gebäude sind mit handwerklichem Geschick errichtet und künstlerisch ausgestattet.26 Unter diesen Voraussetzungen sollte es sich doch lohnen, Rosinante nochmals zu satteln, um dem Wissenschaftsphantom der Hauskirche nachzugehen und eine etwas differenziertere Entwicklung zu skizzieren. Und es sollte sich doch etwas mehr über die Architektur und Ausstattung der vorkonstantinischen Kirchen sagen lassen, als bisher geschehen.

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Ein Kampf gegen Windmühlen

Die älteste Kirche der Welt Einführende Gedanken

Um es vorwegzunehmen  : Die Frage nach der ältesten Kirche der Welt kann auch hier nicht beantwortet werden. Das ist weder den literarischen noch den archäologischen Quellen anzulasten, sondern ist dem Begriff Kirche geschuldet. Spricht Christus (Mt. 16, 18), »du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen (τὴν ἐκκλησίαν)«, so meint Ekklesia sicher kein Bauwerk, sondern die Versammlung. Ab wann aber diese Versammlung als christliche Kirche zu verstehen ist, dafür gibt es kein fixes Datum. Denkbar ist, bereits im Pfingsterlebnis die Gründungsurkunde des Christentums zu sehen, präziser ist es, sich an Apg. 11, 26 zu halten, als in Antiochia »die Jünger zuerst Christen (Χριστιανούς) genannt« wurden. Hier erscheinen sie als eigenständige, von den Juden unterscheidbare Gruppierung, zu denen sie bis dahin gerechnet werden müssen. Das geschah wohl etwa um das Jahr 49. Kann es also eine Kirche erst nach diesem Datum geben  ? Gleichwohl hatten sich die christusgläubigen Juden bereits vorher zusammengefunden und ihre Religion, ihren Glauben praktiziert. Nach Apg. 3, 1 waren Petrus und Johannes zur Gebetszeit in den Tempel gegangen und in Apg. 3, 12 wird berichtet, dass Paulus sogar im Tempel predigte. Man wird jedoch den Tempel in Jerusalem nicht als Kirche bezeichnen. Schon nach der Himmelfahrt Christi »stiegen sie hinauf in das Obergemach des Hauses, wo sie sich (nun  ?) aufzuhalten pflegten (εἰς τὸ ὑπερῷον ἀνέβησαν οὗ ἦσαν καταμένοντες)« (Apg. 1, 13). Kann dieses Obergemach dann als erste Kirche bezeichnet werden  ? Man wird sich diesem Gedanken wohl nur schwer annähern wollen. Orientiert man sich an dem Jesuswort »wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt. 20, 18), so kann Kirche sogar überall stattfinden, und dies darf für die religiöse Praxis der ersten Christgläubigen durchaus ernst genommen werden. Paulus predigte, wo sich die Gelegenheit bot, eine gewisse Anzahl von Menschen zu erreichen, z. B. in Synagogen. Als ihm das in Ephesus schließlich von den Einführende Gedanken

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strenggläubigen Juden untersagt wurde, wich er in die Schule des Tyrannus aus, wo er seine Lehrtätigkeit zwei Jahre lang ausübte (Apg. 19, 9 f.). Damals besaßen Philosophen eigene, oft geräumige Häuser als Treffpunkte für die philosophische Debatte unter der Anleitung eines Meisters. Der Aufenthalt des Apostels in Ephesus datiert etwa auf die Jahre 52 – 54. Zuvor war schon davon berichtet worden, dass Paulus in Athen einerseits in der Synagoge predigte, andererseits mit den Philosophen diskutierte und sich dazu »in die Mitte des Areopags« stellte (Apg. 17, 22). In den zu den Pseudo-Clementinen zählenden Rekognitionen wird vom Aufenthalt des Petrus in Tripolis berichtet, wo ihm ein reicher Bürger der Stadt namens Maro eine Halle für 500 Personen und dazu einen Garten zur Verfügung stellt  : Und als Petrus so gesprochen hatte, fragte er, wo es einen geeigneten Ort für Diskussionen gäbe. Und Maro sagte  : ›Ich habe eine sehr geräumige Halle, die mehr als fünfhundert Mann aufnehmen kann, und es gibt auch einen Garten im Haus  ; oder wenn es Ihnen gefällt, an einem öffentlichen Ort zu sein, würden es alle vorziehen, denn es gibt niemanden, der nicht wenigstens Ihr Gesicht sehen möchte.‹ Dann sagte Petrus  : ›Zeig mir die Halle oder den Garten.‹ Und als er die Halle gesehen hatte, ging er auch in den Garten  ; und plötzlich eilte die ganze Menge, als hätte jemand sie gerufen, ins Haus und brach von dort in den Garten ein, in dem Petrus bereits stand, und suchte sich einen geeigneten Ort für Diskussionen aus.27

Als Kirchen wird man solche Örtlichkeiten zunächst vielleicht nicht bezeichnen wollen, denn es sind öffentliche oder halböffentliche Orte, aber die Funktion einer Kirche erfüllen sie allemal. Doch in den gerade zitierten Pseudo-Clementinen wird Ähnliches aus Antiochia berichtet, und die gestiftete Halle wurde als Basilika geweiht  : Theophilus weihte den großen Palast seines Hauses unter dem Namen einer Kirche (basilicam ecclesiae), und das ganze Volk stellte ihm einen Stuhl für den Apos­ tel Petrus hinein  ; und die ganze Menge, die sich täglich versammelte, um das Wort zu hören, glaubte an die gesunde Lehre.28

Die Datierung der Pseudo-Clementinen ist umstritten und schwankt zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert, aber das ist kein Beinbruch, wenn sie in 16

Die älteste Kirche der Welt

späterer Zeit einen Sachverhalt in apostolische Zeit versetzt. Gerade das ist ein Beleg für große Hallen, in denen Christen in großer Zahl zusammenkamen. Und die Zeitgenossen nennen sie Kirche, basilica ecclesiae. Oder muss man für eine Kirche eine gewisse Exklusivität voraussetzen  ? Sie scheint dort gegeben zu sein, wo die Christgläubigen sich nach dem Beieinandersein im Tempel (ἐν τῷ ἱερῷ) im Haus (οἶκον) trafen, um das Brot zu brechen (Apg. 2, 46). Als Petrus nach seiner wunderbaren Befreiung aus dem Gefängnis zurückkehrte, wandte er sich zum Haus der Maria, der Mutter des Johannes mit dem Beinamen Markus, »wo viele beieinander waren und beteten« (Apg. 12, 12). Will man so schon die konstitutiven Elemente eines christgläubigen Versammlungsraumes ableiten, so sind dies die Zusammenkunft, das Gebet und das Brotbrechen im Sinne des Herrenmahles. Als Paulus während seiner dritten Missionsreise sieben Tage in Troas (in Kleinasien) weilte, predigte er am ersten Tag der Woche in einem Obergemach (ὑπερῴῳ). Die Länge der Predigt und die durch viele Lampen und die Anzahl der Menschen stickig gewordene Luft mag dazu geführt haben, dass einer der Zuhörer schläfrig geworden aus dem Fenster im dritten Stock fiel, um anschließend von Paulus wieder von den Toten erweckt zu werden. Da in diesem Kontext nicht nur von der langen Predigt des Apostels gesprochen wird, sondern auch davon, dass sie das Brot brachen, darf von einer exklusiven Zusammenkunft von Christgläubigen ausgegangen werden (Apg. 20, 7 – 1 2). Dürfen solche Häuser und Obergemächer als die ersten Kirchen angesprochen werden  ? Gilt in den genannten Fällen, dass die an sich unspezifischen Räume erst durch die versammelten Christgläubigen zu christgläubigen Versammlungsstätten werden, so sind Kirche im Sinne der Versammelten und Kirche als Raum noch deckungsgleich. Setzt man jedoch für eine Kirche voraus, dass sie erstens permanent diesem Zweck dient, zweitens eigens dafür erbaut oder zumindest dafür hergerichtet wurde und drittens einen sakralen oder immerhin religiösen Charakter besitzt, so sind das Ende einer Fahnenstange des Wissens und der Grad der Spekulation sehr schnell erreicht, zumindest in Bezug auf das 1. und 2. Jahrhundert. Die schwierige Suche nach der ältesten Kirche verschärft sich, wenn man für eine Ergebnissicherung nicht nur auf literarische Quellen angewiesen sein will, sondern den Beistand der Archäologie erwartet. Diese wird uns bis ins 3. Jahrhundert (weitestgehend) im Stich lassen und selbst dann nur mit singulären und regionalen Befunden mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben. Einführende Gedanken

17

Dabei wäre alles so einfach gewesen, wäre man nicht übereingekommen, den 1938 entdeckten christlichen Andachtsraum im Obergeschoss der Casa Bicentenario in Herculaneum als Fake zu entlarven, nicht den Raum an sich natürlich, den es tatsächlich gibt, aber seine Deutung. Dabei hatte es mit einem Bericht des Ausgräbers Amedeo Maiuri so verheißungsvoll begonnen  : Die sensationellste und unerwartetste Entdeckung ist in den letzten zwei Jahren aus Herculaneum zu uns gekommen […,] eine Entdeckung ohne künstlerischen Wert, aber reich und einzigartig, von höchstem historischen und religiösen Wert und dazu bestimmt, Überraschung und Erstaunen und die leidenschaftlichste Debatte auf dem Gebiet der Christlichen Archäologie zu erregen  ; die Entdeckung eines großen Kreuzzeichens, das so gemacht und platziert wurde, dass es ein heiliges Emblem der christlichen Anbetung darstellt.29

Der Raum misst nur 3 × 2,70 m. An der Wand entdeckte man den Abdruck eines Kreuzes, davor die angekohlten Reste eines hölzernen Altarschrankes, vielleicht sogar mit einer Kniebank davor. All das hat Maiuri mit eindrucksvollen Fotos unterstrichen (Abb. 1). Die Entdeckung Maiuris hat Schlagzeilen gemacht, war doch der älteste christliche Andachtsraum gefunden, zweifellos vor dem großen Vesuvausbruch im Jahre 79 n. Chr. zu datieren. Maiuri schloss seinen Bericht mit den Worten  : Aber was all die großen und beeindruckenden Entdeckungen betrifft, die das Leben des Geistes enthüllen, so können wir auch hier sicher sein, dass die Entdeckung des Kreuzes von Herculaneum bald selbst die verwirrten und zweifelnden Menschen gewinnen wird  ; und es ist weit davon entfernt, den Glauben der Gläubigen und das Gewissen der Gelehrten zu stören, denn es wird zum Eckpfeiler und ehrwürdigen Denkmal der ältesten Geschichte der Kirche.30

Da war der christliche Versammlungsraum. Ein Obergeschoss wie in Troas, zwar ohne Fenster und vielleicht etwas klein, aber dafür mit einer christlichen Einrichtung. Doch Maiuri sollte nicht Recht behalten, denn die Zweifler ergriffen das Wort und haben sich durchgesetzt. Das Kreuz war ein Kleiderhaken oder die Konstruktion für ein Regalbrett, der Altar eine schlichte schränkchenartige Kommode. Uneingeschränkte Zustimmung hatte Maiuri jedoch durch den 2016 verstorbenen, US-amerikanischen Alttestamentler William L. Holladay gefunden  : 18

Die älteste Kirche der Welt

Abb. 1  Die Figuren 3, 5 und 6, mit denen Amadeo Maiuri seinen Beitrag zur Entdeckung des Kreuzes in Herculaneum (Sulla scoperta della croce ad Ercolano, in  : Bollettino d’Arte 1939/40, Tav. LXXVI) illustrierte, ließen zu ihrer Zeit kaum einen Zweifel aufkommen, dass hier der älteste christliche Gebetsraum gefunden worden war.

Einführende Gedanken

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Dies ist ein äußerst aufregender Fund, den ich für echt halte. Wir haben eine Kapelle, die von Christen kaum eine Generation nach der Kreuzigung benutzt wurde. Wir haben eine archäologische Bestätigung der Kraft der Predigt des Paulus und des kultischen Gebrauchs des Kreuzes zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Wir haben eine frühe Bestätigung der von den Kirchenvätern bewahrten Tradition, dass das Kreuzigungskreuz ein lateinisches und kein Tau-Kreuz war. Wir haben einen Altar aus dieser Zeit. Diese monumentale Entdeckung wirft ein neues Licht auf die Kreuzsymbolik in der frühchristlichen Archäologie und verdient eine möglichst umfassende Prüfung und Diskussion. Professor Maiuri verdient unsere Dankbarkeit, dass er uns darauf aufmerksam gemacht hat.31

1970 war es der Klassische Archäologe Heinz Kähler, der für die Echtheit des Kreuzes im christlichen Andachtsraum in Herculaneum eintrat  : »Es kann sich bei dem, was in dem kleinen, nur drei Meter im Quadrat messenden vom Stuckfeld umschlossenen Raum nur um ein Kreuz handeln und um nichts anderes.«32 Heute gilt der Befund im besten Fall als zweifelhaft, wie es der Neutestamentler Eckhard J. Schnabel ausdrückt  : »Für Herculaneum wurde ein Abdruck in der Casa Bicentenario als Kreuz und damit als Beleg für Christen gewertet. Der archäologische Befund ist jedoch nicht eindeutig.«33 Es ist still geworden um den christlichen Andachtsraum in Herculaneum. Als das Haus 2019 nach 30-jähriger Schließung wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, war in den Verlautbarungen nichts mehr davon zu lesen. Die Archäologie hatte sich darauf verständigt, dass es materielle christliche Zeugnisse, erst recht ein Kreuz in so früher Zeit nicht gibt. Nach Snyder wäre das Kreuz in Herculaneum nur ein ärgerliches Hindernis  : »And if it were a cross, it would simply appear to us as a surd in the development of early Christian art  : it came three hundred years too soon.«34 Und was nicht sein darf, das nicht sein kann.35 Schon längst hat erst recht das Kreuz an der sog. Bäckerei oder Stampfmühle in Pompeji die Bühne der Wissenschaft verlassen müssen. Erläutert und mit einer Zeichnung vorgestellt hatte es der französische Architekt und Archäologie François Mazois schon 1824.36 Danach trug das betreffende Haus auch die Bezeichnung Pistrinum dei Christiani. Das ein Kreuz darstellende Relief befand sich an der Außenseite des Geschäfts und gilt heute als verschollen bzw. zerstört. Als der Neutestamentler und Kirchenhistoriker Bruce W. Longenecker gemeinsam mit dem Kreuz von Herculaneum erneut seine Echtheit reklamierte,37 erhielt er unmittelbar darauf den zu erwartenden Gegenwind. Die kreuzförmige Vertiefung in einer 20

Die älteste Kirche der Welt

Wand aus Herculaneum sei wahrscheinlich von einer Regalstütze hinterlassen und das Basrelief einer Bäckerei in Pompeji weise wahrscheinlich auf eine Art Bäckerwerkzeug hin, argumentierte John Granger Cook.38 Ähnlich kategorisch lehnte Frances M. Young die christliche Interpretation der Kreuze in ihrer Rezension zu Longenecker ab.39 Ihre Argumente sind etwa hinsichtlich des Kreuzes in Pompeji jedoch problematisch. Als christliches Zeugnis könne es nicht gelten, so die Rezensentin, weil sich im Inneren des Hauses auch pagane Spuren befänden. Ihr zweites Argument offenbart die Denkweise. Christlich könne es nicht gedeutet werden, weil sich im Inneren des Hauses keine weiteren Spuren christlicher Präsenz fänden. Man kann natürlich fragen, was man denn finden müsste, um eine solche Anwesenheit von Christen zweifelsfrei zu bestätigen. Sollte man von einem Versammlungsraum der Christgläubigen erwarten, dass an seiner Fassade ein Kreuz und ein biblischer Vers auf diese Bestimmung des Gebäudes hinweisen  ? Von einfachen Häusern oder Gebetsräumen darf man das ebenso wenig erwarten wie das Vorhandensein von Altargeräten, Bibeln usw. Stattdessen ist die Archäologie oder genauer die Christliche Archäologie darin übereingekommen, ein für kirchliche Zwecke umgebautes Haus in Dura Europos, einer römischen Grenzstadt am Euphrat, sei das älteste, zumindest in Ruinen erhaltene Kirchengebäude. Um 232/233 n. Chr. gebaut bzw. umgebaut diente es der christlichen Gemeinde nur bis 256, als man im Zuge von Grenzsicherungsmaßnahmen die Stadtmauer aufschüttete und so die umgebenden Häuser mit Sand auffüllte. Dieser Maßnahme verdankt die Kirche ihre zumindest teilweise Erhaltung. Schicksalhaft war die Benennung als Hauskirche (Abb. 16), die dann zugleich als Blaupause für den christlichen Kirchenbau diente, bevor man nach den von den Kaisern Licinius und Konstantin erlassenen Toleranzedikten von 311/313 richtige Kirchen baute. Unberücksichtigt blieb dabei, dass es sich bei Dura Europos bis vor kurzem um einen Einzelfall handelte, noch dazu um einen an der östlichsten Peripherie des Römischen Reiches in einer Kleinstadt. Und sollte bzw. darf man diesen Befund tatsächlich generalisieren  ? Zwar warten die Archäologen und Archäologinnen inzwischen mit Aussagen auf, es habe bereits vor Konstantin Kirchen gegeben40, von denen man allerdings kaum mehr weiß, als dass es sie gegeben hat, aber sie beschäftigen sich damit kaum, weil sie nicht erhalten sind. Vielleicht ist deshalb der Kirchenbau der ersten drei Jahrhunderte kein Gegenstand der Christlichen Archäologie.41 Aber nur weil sie dem Thema nichts abgewinnen kann, erEinführende Gedanken

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lischt ja nicht die Frage danach, wie, wo und unter welchen Bedingungen die Christen ihre religiösen Zusammenkünfte gestalteten. Was ist den literarischen Überlieferungen abzugewinnen, welche Aussagekraft haben Legenden, und kann man Rückschlüsse aus jüngeren, nachkonstantinischen, archäologisch erforschten Kirchen auf frühere Bautraditionen ziehen  ? Es gibt zahlreiche Bücher und noch mehr Aufsätze zum Christentum in den ersten drei Jahrhunderten. Wie bzw. wo sie ihr gottesdienstliches Leben gestalteten, bleibt in diesen durchweg theologischen Publikationen fast gänzlich außen vor. Und vielleicht ist die Frage nach der ältesten Kirche einfach nur populär oder ein Vermarktungsargument lokaler Tourismusverbände. Immerhin überschlugen sich seit der Jahrtausendwende die Meldungen  : In Jordanien sei sie endlich gefunden, ein um oder vor 300 zu datierender Lehmziegelbau in Aqaba, dann eine inschriftlich 230 n. Chr. datierte Kirche in Rihab, und nicht zuletzt eine auf die Jahre 33 bis 70 n. Chr. zu datierende Höhlenkirche ebenfalls in Rihab (Abb. 11a – c). Eine archäologische Sensation aus Israel wurde mit der Entdeckung der sog. Megiddo-Church vermeldet, eine noch vor Konstantin zu datierende Hauskirche. Und russische Forscher der National University of Science and Technology MISiS in Moskau präsentierten 2019 eine kreuzförmige, überkuppelte Kirche in der Naryn-Kala genannten Zitadelle der Stadt Derbent am Kaspischen Meer  ; sie sei um 300 zu datieren. Unterstrichen haben sie ihre Forschungen durch die exklusive Muon Radiography Method, die hier zur Anwendung kam, weil eine herkömmliche Ausgrabung auf dem denkmalgeschützten Gelände nicht möglich war. Es könne sich allerdings auch um eine Zisterne oder einen zoroastrischen Feuertempel handeln.42 Ihnen allen ist es wissenschaftlich nicht gelungen, dass geltende Axiom vom Kirchenbau, der erst im 4. Jahrhundert einsetzt, ins Wanken zu bringen. Von diesem letztgenannten Befund abgesehen, werden die genannten Kirchen im Verlauf der Abhandlung näher besprochen. Hier soll nun in aller gebotenen Kürze versucht werden, Archäologie, Kirchengeschichte und Tradition zusammenzubringen, um der Frage nach den räumlichen Gegebenheiten frühchristlicher Religionsübung näherzukommen. Dabei kann es indes nicht nur um Kirchen gehen, in denen gewissermaßen regelmäßige Gottesdienste stattfanden, sondern es müssen ebenso Erinnerungsstätten, Grabkapellen oder Oratorien berücksichtigt werden, also sämtliche Orte, an denen sich christlicher Kultus manifestierte. Diese Spurensuche soll so weit wie möglich und bei allen zeitlichen Überlappungen in chronologischer Reihenfolge schrittweise erfolgen. 22

Die älteste Kirche der Welt

»… es war aber eine Menge beisammen von etwa hundertzwanzig …« Die Anfänge bis zur Eroberung von Jerusalem (70 n. Chr.)

Wo man sich nach den österlichen Ereignissen das Zusammenkommen der Christusgläubigen vorzustellen hat, hängt wesentlich von der Frage ab, von welcher Personenzahl man ausgehen kann. War sie so gering, dass dazu die Häuser und Wohnungen ausreichten  ? Kurz nach der Erfahrung von Jesu Himmelfahrt heißt es  : »Und in diesen Tagen trat Petrus auf unter den Brüdern – es war aber eine Menge beisammen von etwa hundertzwanzig« (Apg. 1, 15). Im Anschluss an die Pfingstpredigt des Paulus heißt es  : »Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen  ; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen« (Apg. 2, 41), und wenig später wird berichtet, dass ihre Zahl auf fünftausend stieg (Apg. 4, 4). Eine solche Vielzahl war nicht in einem Haus unterzubringen, wenn es dann heißt  : »Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet« (Apg. 2, 42). Egal wie man die Zahlen wertet, die vielleicht zu hoch gegriffen sind, so ist doch von einer gewissen Menge an Christgläubigen auszugehen, und während man sich 120 Personen noch in einem großen Haus vorstellen kann, so ist das für eine größere Zahl nicht mehr möglich. So wird in der Regel angenommen, dass von mehreren Hausgemeinden auszugehen ist. Setzt man indes auch schon für die Anfänge eine gewisse zentrale Organisationsstruktur voraus, so wird man nicht umhinkommen, nach größeren Versammlungsräumen Ausschau zu halten, in denen sich die Gemeinde versammeln konnte. So vermutet der Neutestamentler Udo Schnelle  : »Nachdem sie eine bestimmte Gesamtgröße erreicht hatte, kam als Versammlungsort für die Gemeinde auch das Tempelareal mit seinen Höfen und Hallen infrage. Ebenso können die Synagogen als Versammlungsorte für Gottesdienste gedient haben.« Auch »öffentliche Plätze, Geschäfte, Tavernen und Gärten« will er nicht ausschließen.43 Weiter ist es hilfreich, sich die Struktur einer antiken Stadt vorzustellen, in der es eine Vielzahl öffentlicher Gebäude gab, die mit einem multifunkDie Anfänge bis zur Eroberung von Jerusalem (70 n. Chr.)

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tionalen Charakter den unterschiedlichen Bedürfnissen von Handel, Geldgeschäften und Versammlungen dienten.44 Sie konnten temporär für die Versammlungen der Christgläubigen genutzt werden. Erinnert sei auch an die privaten Philosophenschulen, wie sie Paulus in Ephesus nutzte.45 Jerusalem war nicht nur eine ansehnliche Stadt, sondern in besonderer Weise als kultisches Zentrum Ziel zahlreicher Pilger, die zu den drei großen jüdischen Hauptfesten, dem Passa-, Wochen- und Laubhüttenfest in die Stadt kamen. Die Zahl der Menschen, die verpflegt und untergebracht werden mussten, schwoll erheblich an. Solche Herbergen mögen den Christgläubigen ebenfalls zur Verfügung gestanden haben. Boten die genannten öffentlichen Örtlichkeiten nur temporäre Möglichkeiten des Zusammenseins, so sind auch dauerhaft genutzte Räumlichkeiten in Erwägung zu ziehen. Solche hat man bislang nicht in Betracht gezogen, da man konsequent von christgläubigen Hausgemeinden ausging, die nur den Rückzugsraum privater Räumlichkeiten kannten. Demzufolge hätte es je nach Größe der Gemeinde in einer Stadt mehrere solcher Hauskirchen gegeben. Dieser Auffassung, die sich wie ein Axiom durch die Kirchengeschichtsschreibung zieht, hat zuletzt der am Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana in Rom lehrende Kirchenhistoriker und Christliche Archäologe Stefan Heid vehement widersprochen  : »Hauskirchen sind ein klassisches Wissenschaftsphantom.«46 Die Vertreter der Hauskirchen-Theorie würden sich jedweder Beweislast entledigen, indem sie die frühen Hauskirchen aufgrund ihrer profan-sakralen Mischnutzung prinzipiell für nicht archäologisch nachweisbar hielten. Stattdessen belegt er umfangreich, dass es in einer Stadt nur eine Kirche gab  : Die einzig belastbare und historisch plausible Alternative eines Hauskirchenchristentums ist die Annahme einer einheitlichen Stadtgemeinde  : In jeder Stadt etablierte sich von Anfang an eine Gesamtgemeinde, die sich öffentlich-städtisch, nicht privat-familiär organisierte und daher nur einen gemeinsamen Gottesdienst feierte.47

Leider lässt Heid jedoch die Frage offen, wie man sich diese Kirchen48 im Sinne öffentlich-städtischer Einrichtungen vorzustellen habe.

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»… es war aber eine Menge beisammen von etwa hundertzwanzig …«

Das Modell der Schola als Ort der Zusammenkunft der ­Christgläubigen Räume für ihre Zusammenkünfte besaßen die in Vereinen organisierten berufsbezogenen oder religiösen Gruppierungen, die in der Antike im gesellschaftlichen Leben eine wichtige Rolle spielten. Diese Collegia besaßen sog. Scholae, um ihre Veranstaltungen, Feste oder Gottesdienste abzuhalten. Eine Vielzahl solcher Scholae unterschiedlichster Art ist bspw. in den Städten Ostia, Athen oder Pergamon gut erforscht und dokumentiert.49 Sie folgen keinem bestimmten Bautyp und sind sicher nur über ihre epigraphische oder bildliche Ausstattung als solche zu bestimmen. Neben den Weiheinschriften für die Scholae sind bei religiösen Gruppierungen Altäre oder entsprechende Skulpturen von Göttern oder mythologischen Figuren aussagekräftig. Der Klassische Archäologe Alfred Schäfer charakterisiert solche Vereinshäuser folgendermaßen  : Die Unternehmungen der Gruppe konnten sich in der Raumgestaltung artikulieren, so daß der Versammlungsort das Gepräge der Gruppe erhalten hat. Das Vereinshaus als Mittelpunkt des sozialen Lebens von Handwerkern oder einer Kultgemeinschaft stellt damit eine Vereinigung unterschiedlich genutzter Räume dar. Durch seine räumliche Gestalt legt es den Mitgliedern zugleich Verhaltensweisen auf und prägt ihnen eine Summe von Bildern ein, die ebenso festgelegt sind und regulierend wirken wie die Rituale und Statuten einer Gemeinschaft.50

Man wird selbst für die Anfänge der christgläubigen Gemeinschaft gewisse Strukturen und eine Organisationsform voraussetzen müssen, allein um den wichtigen Gedanken einer Gütergemeinschaft umsetzen zu können  : »Die Menge derer, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam« (Apg. 4, 32). Es gibt außerdem stichhaltige Gründe, dass sich die Gesamtgemeinde zum Herrenmahl an einem Ort versammelte, was gleichermaßen eine Organisation und eine entsprechende Räumlichkeit voraussetzt, allein aufgrund der Personenzahl. »Wenn nun die ganze Gemeinde zusammenkommt«, schreibt Paulus im 1. Korintherbrief (14, 23), doch fast bedeutsamer ist es, wenn er fortfährt  : »… und es kommen Unkundige oder Ungläubige herein«, weil diese Möglichkeit impliziert, dass die Versammlung nicht im privaten Haus oder in einem Das Modell der Schola als Ort der Zusammenkunft der C ­ hristgläubigen

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geheimen Zirkel stattfand. Demnach muss man sich die Zusammenkunft an einem erkennbaren und im Prinzip öffentlich zugänglichen Ort denken, wie dies für die Scholae der Collegia nicht ausgeschlossen ist. Sie machen sogar durch ausgeprägte Eingangsgestaltungen samt Inschriften auf ihren Verein aufmerksam. Was liegt näher, als sich die frühchristliche Organisation analog zu den säkularen und religiösen Vereinen vorzustellen  : In der Außenwahrnehmung erschienen die christlichen Gemeinden wie die jüdisch-hellenistischen Synagogengemeinden als Vereine. So wie sich in der römisch-hellenistischen Antike das Gemeinschaftsleben in Vereinen vollzog, und im Gemeinschaftsmahl seine Mitte und seinen Höhepunkt hatte, strukturierte sich auch das christliche Gemeinschaftsleben um das Gemeinschaftsmahl herum.51

Darf oder muss man vor diesem Hintergrund nicht zugleich die Existenz von christlichen Vereinshäusern annehmen  ? Freilich konnten solche bis heute nicht verifiziert werden. Gab es schon für die antiken Scholae keine verbindliche Bauform, so wird man eine solche auch für christliche Gebäude nicht annehmen dürfen. Vielleicht kann aber der Hinweis auf die Ausstattung paganer Scholae mit entsprechendem Bildschmuck Hinweise geben. Sollten nicht auch Christgläubige ihre Versammlungsstätten nach üblichem Brauch mit entsprechenden Figuren und Bildern ausgestattet haben  ? Man mag einwenden, dass sich die Christgläubigen in strenger jüdischer Tradition an das alttestamentliche Bilderverbot gebunden wussten und auf figürliche Darstellungen verzichtet haben, doch ist archäologisch das Gegenteil gesichert. Zwar wurde die noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts favorisierte Frühdatierung der ersten christlichen Bilder ins 1. Jahrhundert auf das frühe 3. Jahrhundert korrigiert, doch stellen sie trotzdem unter Beweis, dass das Bilderverbot nicht sakrosankt war. Und warum sollen frühere Bilder ausgeschlossen sein  ? Selbst freiplastische Skulpturen mit potenziell christlichem Charakter sind durchaus bekannt, wenngleich die in Frage kommenden Stücke aus stilistischen und historischen Gründen erst ins 3. oder 4. Jahrhundert datiert werden. Am häufigsten anzutreffen sind Schafträger, denen man früh eine Deutung als Christus, der gute Hirte beimaß, die man später allerdings vor26

»… es war aber eine Menge beisammen von etwa hundertzwanzig …«

Abb. 2  Statuetten von Schaf­ trägern waren in der Spätantike weit verbreitet. Hat man sie lange Zeit oft im christlichen Sinn als Christus, der Gute Hirte, interpre­ tiert, so neigt man heute zu größ­ ter Zurückhaltung. Sie können, müssen aber nicht christlich ver­ standen werden. Statuette eines Schafträgers, wohl 4. Jh. n. Chr., im Museum der Byzantinischen Kultur in Thessaloniki.

sichtiger im Sinne der Bukolik genannten Hirtenromantik allgemein antik und nicht exklusiv christlich verstanden wissen wollte (Abb. 2). Theodor Klauser hat in ihnen die Personifikation der Humanitas und mit der komplementären Gestalt der Pietas den bildgewordenen Ausdruck einer in der Antike populären Zweitugendethik von Menschenliebe und Gottesfurcht gesehen.52 So ist zu konstatieren, dass Plastiken von Schafträgern sowohl im paganen wie im christlichen Kontext vorkommen können und somit als Ausstattung einer christlichen Schola denkbar sind. Bei der Vielzahl der erhaltenen Schafträger-Figuren ist man zugegebenermaßen geneigt, in den besonders schönen Exemplaren eine christliche Variante zu sehen. Das gilt auch für eine Plastik im Museo Nazionale in Rom, die man gerne als jugendlichen, lehrenden Christus interpretiert (Abb. 3).53 Das ist zwar unsicher, und es besteht zudem eine Vermutung, die heute isolierte Figur habe ursprünglich zur Dekoration eines Sarkophags gedient, aber sie belegt die potenzielle Präsenz solcher Figuren im christlichen Kontext. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die unter dem Namen Cleveland Marbles bekannte Figurengruppe eine alternative Funktionsbestimmung Das Modell der Schola als Ort der Zusammenkunft der C ­ hristgläubigen

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Abb. 3  Die Darstellung eines ­jugendlichen, sitzenden Mannes, wohl in der Gestik des Lehrens, hat man vielfach als lehrenden, ­jugendlichen Jesus interpretiert, ohne dafür eine Sicherheit erlangen zu können. Wohl Ende 4. Jh. n. Chr. Rom, Nationalmuseum.

erhalten. Dabei handelt es sich um ein Konvolut von drei, bis zu einem halben Meter hohen Figuren, die eindeutig der biblischen Jonageschichte zuzuordnen sind und das Verschlingen des Propheten (Abb. 4a), seine Ausspeiung und seine Ruhe unter der Laube zum Inhalt haben. Eine weitere Figur in Gestalt eines betenden Mannes könnte vielleicht als dankbarer und betender Jona gedeutet werden. Zum Konvolut gehört schließlich die Darstellung eines Schafträgers (Abb. 4b), die man im Kontext der biblischen Jonafiguren christlich interpretieren kann. Zum Komplex gehören zudem drei Büstenpaare, jeweils bestehend aus Mann und Frau (Abb. 4c). Nach heute gültiger Einschätzung datieren die Figuren in die Jahre um 280/290 n. Chr., vielleicht schon in die Mitte des 3. Jahrhunderts. In jedem Fall sind die Jonafiguren die ältesten bekannten Plastiken biblischen Inhalts und könnten durchaus die Vorstellung der Ausstattung einer frühchristlichen Schola nähren. Die Büsten könnten als Stifterportraits fungiert haben. Unklar ist freilich sowohl ihre Herkunft aus dem dubiosen Kunsthandel, der als Provenienz Kleinasien angegeben hat, als auch ihre Funktion. Meist werden sie in einem sepulkralen Zusammenhang verortet, doch ist 28

»… es war aber eine Menge beisammen von etwa hundertzwanzig …«

Abb. 4a  Freiplastische Darstellung der Verschlingung des Jona durch das Meerunge­ heuer. Teil der sog. Cleveland marbles, die nach Angaben des dubiosen Kunsthandels aus Kleinasien stammen. Recht übereinstimmend werden sie ans Ende des 3. Jh. n. Chr. datiert. Cleveland Museum of Art. Abb. 4b  Statuette eines Schafträgers aus der Gruppe der Cleveland marbles. Cleveland Museum of Art

Abb. 4c  Eines der drei Portraitpaare aus dem Konvolut der Cleveland marbles. Cleve­land Museum of Art. Das Modell der Schola als Ort der Zusammenkunft der C ­ hristgläubigen

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dies nicht weniger hypothetisch als ihre Verortung in einer (christlichen) Schola. Gefunden waren sie angeblich in einem Pithos. Literarische Belege für Bilder bzw. Portraits biblischer Personen sind seit langem bekannt, aber nicht in den Zusammenhang einer möglichen Schola-Ausstattung gebracht worden. Von Bildern, gemalt oder plastisch, spricht der Kirchenvater Irenäus (ca. 135 – 200) in seiner Schrift Adversus Haereses, als er sich mit der gnostischen Sekte der Karpokratianer auseinandersetzte  : Sie nennen sich Gnostiker und haben gemalte oder sonstwie hergestellte Bilder Christi, dessen Typus von Pilatus gemacht sein soll zu der Zeit, da Jesus unter den Menschen wandelte. Diese krönen sie und stellen sie gleichzeitig mit den Bildern weltlicher Philosophen wie des Pythagoras, Plato, Aristoteles und anderer aus und unterscheiden sich in solchen Gebräuchen wenig von den Heiden.54

Von Kaiser Alexander Severus (208 – 235) berichtet die Historia Augusta (29, 1)  : Er betete im Heiligtum seiner Laren, in dem er Statuen der vergötterten Kaiser aufbewahrte – von denen jedoch nur die besten ausgewählt worden waren – und auch bestimmter heiliger Seelen, darunter Apollonius und laut einem zeitgenössischen Schriftsteller, Christus, Abraham, Orpheus und andere mit demselben Charakter und außerdem die Porträts seiner Vorfahren.

In diesem Zusammenhang wurde dem Kaiser außerdem bescheinigt, er habe die Privilegien der Juden respektiert und den Christen eine unbeschwerte Existenz zugestanden. Rechnet man in solchen Scholae zudem mit Wandmalereien, kann man sich ebenfalls nur an jüngeren Beispielen orientieren. Nach geltender Einschätzung stammen die ältesten Belege christlicher Wandmalerei aus den römischen Katakomben aus dem frühen 3. Jahrhundert. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass die christliche Bildnerei tatsächlich an den Gräbern entstand  ? Wären hier nicht die Scholae (trotz fehlender Beispiele) viel eher als Ursprung zu vermuten – mit Wandmalereien aus der Christusgeschichte oder den Bildnissen der Hauptprotagonisten wie Jakobus, Petrus oder Paulus (Abb. 5), vielleicht nicht mehr zu ihren Lebzeiten, aber doch nach ihrem Tod  ? 30

»… es war aber eine Menge beisammen von etwa hundertzwanzig …«

Abb. 5  Es ist denkbar oder sogar wahrscheinlich, dass die Bilder biblischer ­Geschichten und Protagonisten nicht im sepulkralen Bereich, sondern als Ausstat­ tung christlicher Gottesdiensträume oder Scholae entstanden sind. Lediglich ihr Erhalt beschränkt sich in der christlichen Frühzeit fast ausschließlich auf die Kata­ kombenmalerei wie hier in der Katakombe S. Giovanni in Syracus aus dem 4./5. Jh. mit einer Darstellung des Apostels Paulus. Das Modell der Schola als Ort der Zusammenkunft der C ­ hristgläubigen

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Solange es keine gesicherten Befunde aus dem 1.  Jahrhundert gibt, müssen Rückprojektionen jüngerer Objekte helfen, um ein Bild entstehen zu lassen, zumal die Schola als Typ des Versammlungslokals wohl noch in späterer Zeit genutzt wurde. Hier kann auf einen Gebäudekomplex in Kourion auf der Insel Zypern verwiesen werden, der zwar erst Ende des 4. oder zu Beginn des 5. Jahrhunderts in dieser Form entstanden ist, aber durchaus das System der christlichen Schola verdeutlichen kann. Es handelt sich um das sog. Haus oder die Villa des Eustolios, wo sich um einen Gartenhof eine Vielzahl von größeren und kleineren Räumen einschließlich einer kleinen Badeanlage gruppieren. Sie können allen Bedürfnissen einer Schola mit Versammlungsraum, Räumen für die Verwaltung, für diakonische Zwecke usw. und sogar der Hygiene gerecht werden. Die zypriotischen Archäologen halten es nicht für ein Wohnhaus, sondern betrachten es als eine Art Recreation Center oder Club. Man kann darin jedoch eine Schola sehen, deren christlicher Charakter sich einzig aus einer Inschrift erschließt (Abb. 6a), die dem zentralen Mosaik vorgelagert ist (Abb. 6b). Die Inschrift55 lautet (in Übersetzung)  : »Anstelle von großen Steinen und festem Eisen, anstelle von glänzender Bronze und Diamanten ist dieses Haus umgürtet von den vielverehrten Symbolen Christi.« Auf dem Mosaik befindet sich direkt oberhalb der Inschrift die Darstellung eines Fisches, der nicht zwingend, aber möglicherweise als ein Christussymbol verstanden werden kann. Ob die anderen Tiermotive des Mosaiks ähnlich zu verstehen sind, muss freilich offenbleiben. Wenn der Eustolios-Komplex auch nur annähernd einer frühchristlichen Schola gleichkommt, so wird man ihn im herkömmlichen Sinn kaum als Kirche bezeichnen, doch würde er ihre Funktion mit einschließen. An den Eustolios-Komplex in Kourion ließen sich durchaus weitere Kandidaten anschließen, die als Scholae gedient haben könnten. Obwohl dafür jeder größere Wohnkomplex in Frage käme, bieten jedoch nur als christlich zu interpretierende Dekorationen entsprechende Verdachtsmomente. Dies ist bei einigen spätantiken Villen der Fall, die auch im Kontext der Hauskirchenfrage diskutiert wurden. Eine im 1. Jahrhundert errichtete und später mehrfach umgebaute Villa in Lullingstone in der englischen Grafschaft Kent kommt in Frage, weil hier im Zuge einer Umbaumaßnahme Räume geschaffen und mit Malereien ausgestattet wurden, in denen drei gemalte Christogramme signifikante Hinweise auf eine christliche Nutzung liefern. Auf die gesamte Villa gesehen, die u. a. ein großes mit 32

»… es war aber eine Menge beisammen von etwa hundertzwanzig …«

Abb. 6a  Kourion (Zypern), Villa des Eustolios, Inschrift (s. Anm. 55), 5. Jh.

Abb. 6b  Kourion (Zypern), Villa des Eustolios. Mosaik mit Fischen, Vögeln und einem Perlhuhn in der Mitte. Könnten die Fische im Sinne der iχθύς-Symbolik christlich gedeutet werden, so gelingt dies bei Vögeln und Perlhuhn nicht in derselben Weise. Die Anfangs­ buchstaben des griechischen Wortes iχθύς lassen sich auflösen als Jesus Christus Gottes Sohn Retter. Das Modell der Schola als Ort der Zusammenkunft der C ­ hristgläubigen

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paganen Mosaiken ausgestattetes Triclinium sowie ein Bad und etliche weitere Räume besaß, handelt es sich um einen verhältnismäßig kleinen Raum, dessen Funktion in der Literatur zwischen Hauskirche oder Hauskapelle schwankt.56 Hauskapelle meint in diesem Sinn, dass sich der christlich gewordene Villenbesitzer einen privaten Gebetsraum eingerichtet hat. Aber es spricht auch nichts dagegen, den Komplex ähnlich Kourion als Schola mit einem kirchlichen Raum zu verstehen. Selbst wenn man der lediglich auf Münzfunden basierenden Datierung nach 360 folgt, kann die Villa bereits vorher als Schola gedient haben. Wann ein Funktionswechsel von der Villa zur Schola anzusetzen ist, muss unklar bleiben. Villen dieser Art, die christlich konnotierte Räume besitzen, gibt es mehrere, wenngleich sie alle archäologisch erst für die Zeit nach Konstantin bestätigt sind. Kimberly Bowes hat für sie den Ausdruck villa churches geprägt, um sie entsprechend von den Hauskirchen abzusetzen.57 Denn nach Bowes sind diese Villen-Kirchen nicht Gemeingut der Gemeinde, sondern Ausdruck der Selbstdarstellung der christlichen gewordenen Villenbesitzer. Demnach handelt es sich um Privatkapellen, die in erster Linie den Hausbewohnern als Andachtsraum dienen. Ist dieser Gedanke weder zu bestätigen noch zu dementieren, so bleibt die Möglichkeit, dass es sich ähnlich Kourion um eine Art von Gemeindezentrum handelt, das neben der gottesdienstlichen Versammlung gesellige, karitative und sanitäre Aufgaben übernimmt. Da sämtliche villa churches nicht vor dem 4. Jahrhundert datiert werden, können sie zwar nicht als Repräsentanten einer vorkonstantinischen, frühchristlichen Schola dienen, doch können sie einen Eindruck vermitteln, wie diese ausgesehen haben könnten. Wobei durchaus gefragt werden kann, ob ihre jeweilige Spätdatierung nicht auch auf der Präsenz von Christusmonogrammen, die Räume in diesen Villen erst als christlich ausweisen, beruht, die es nach geltender Meinung vor Konstantin nicht geben kann. Solch ein Christusmonogramm befindet sich als einziges christliches Symbol in einer spätantiken Villa nahe der spanischen Ortschaft Fraga in Aragonien. Vom Peristyl aus öffnet sich an seiner Südseite ein nicht allzu großer, etwa 5,85 mal 4,70 Meter messender Raum, an dessen Schwelle ein Christusmonogramm den Namen FORT V + NAT VS in der Mitte unterbricht (Abb. 7). Doch außer dem Christuszeichen lässt dieser Befund fast alles offen. Selbst, ob es sich um den Namen des Villenbesitzers handelt oder ob damit ›zum Glück geboren‹ gemeint ist, ist nicht abschließend zu 34

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Abb. 7  Auf dem Mosaik der spätantiken Villa in Fraga (Spanien) flankieren die Buchsta­ ben FORT V und NAT VS ein Christusmonogramm. Das übrige Dekorum mit Vögeln, Ran­ ken und einem Kantharos ist nicht eindeutig.

entscheiden. Vielleicht wurde das Christusmonogramm als apotropäisches Zeichen verwendet, vielleicht als Hinweis auf die Frömmigkeit des Hausherrn. Beim Raum kann es sich um eine villa church der Hausbewohner handeln, aber eben auch um den Andachtsraum einer Schola. Aber auch sie würde nach dem Urteil der Archäologen als vorkonstantinisches Beispiel ausscheiden, denn sie datieren die Mosaiken erst ins 4. Jahrhundert. Wahrscheinlich lässt ihnen das Dogma vom Christogramm, das erst nach 313 zu denken sei, keine andere Wahl. Ohne Christogramm kommt eine Villa im bulgarischen Plovdiv (Philippopolis) aus, die hier ebenfalls beispielhaft genannt werden kann. Ihr potenziell christlicher Charakter wird aus einem Mosaikboden abgeleitet, der in seinen beiden Mosaikfeldern an figürlichen Motiven einen Kantharos und die inschriftlich bezeichnete Personifikation der EIPHN H enthält (Abb. 8a–b). Der Kantharos als Symbol von Fülle und Überfluss ist allgemein ein spätantikes Motiv, sowohl pagan wie christlich zu interpretieren. Und wenn auch die Versuchung naheliegt, die Personifikation des Friedens christlich zu deuten, so ist eine profane Darstellung keineswegs ausDas Modell der Schola als Ort der Zusammenkunft der C ­ hristgläubigen

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Abb. 8a  Plovdiv (Bulga­ rien), sog. Haus der Eirene. Mosaik­feld mit der Darstellung der E ­ irene im Zen­ trum und der mar­ mornen Einfas­ sung eines Was­ serbeckens. Abb. 8b  Detail aus Abb. 8a mit dem Bild­ nis der Eirene. Plovdiv, Regiona­ les Geschichts­ museum.

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zuschließen. Immerhin gab sie jedoch den Anlass, hier eine Hauskirche zu vermuten. Allerdings ähnelt die Struktur des nur teilweise ausgegrabenen Gebäudes eher einer Villa als einer Kirche. Zwischen den beiden Mosaikfeldern, die außer den genannten Motiven rein ornamentales Dekor besitzen, befindet sich ein achteckiges Becken, zu dem in Bleirohren Wasser geführt werden konnte. Unvoreingenommen könnte man darin eine Piscina für die Taufe sehen, aber andere Erklärungen etwa als Brunnen sind ebenso denkbar. Daran ändert selbst die im Haus gefundene Marmorskulptur eines Fisches nichts, da seine Deutung ebenfalls nach allen Richtungen offen ist. Zuletzt würde das Haus der Eirene als vorkonstantinische Schola ausscheiden, denn die Mosaiken des in der Mitte des 3. Jahrhunderts gebauten Hauses datieren ins 4./5. Jahrhundert.58 All diese Beispiele, und man könnte noch die englischen Befunde in Hinton St. Mary oder Frampton hinzuziehen,59 sind nicht zwingend. Die Spurensuche nach einer frühchristlichen Schola endet archäologisch immer wieder an der Unbestimmbarkeit der in Frage stehenden Gebäude und für die vorkonstantinische Zeit ohnehin an der übereinstimmenden Einschätzung, sie seien erst ins 4. Jahrhundert oder später zu datieren. Naheliegend scheint die Organisationsform als Verein mit einer eigenen Schola dennoch. Breitete sich das Christentum bereits in den ersten Jahrzehnten schnell über Jerusalem hinaus aus, so muss man mit einer Vielzahl solcher Scholae zumal in den Städten rechnen, die jedoch nicht zu identifizieren sind, wenn nicht irgendwann ein entscheidender Zufall hilft. Neben solchen Gemeindezentren mögen weitere Orte für die Christgläubigen von spiritueller Bedeutung gewesen sein, an denen man vielleicht keine Gottesdienste feierte, sie aber mit Ehrfurcht und Gebet aufsuchte.

Öffentliche und halböffentliche Orte Einen eigenen Weg beschritt Edward Adams auf der Suche nach den Orten, an denen Christen zusammenkommen und sich treffen konnten. Neben den hinlänglich bekannten Annahmen, die Christen hätten sich fast ausnahmslos in ihren eigenen Häusern und Wohnungen versammelt,60 erörterte er Ladengeschäfte, Werkstätten, Waren- bzw. Lagerhäuser, Tavernen oder Badeanlagen als mögliche Treffpunkte christlicher Gemeinschaften,61 zu denen sie ja als Mitbewohner der Städte Zugang hatten. Öffentliche und halböffentliche Orte

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Dieser Gedanke ist grundsätzlich nicht abwegig, allerdings ist schon fraglich, ob sie dort über das bloße Zusammensein hinaus christliche Zusammenkünfte, und sei es im weitesten Sinn, gestalten konnten. Am ehesten ist zu denken, dass man dort im kleinen Kreis oder vielleicht sogar vor größerer Menge etwas vom Evangelium berichtete. Adams untersuchte die Räumlichkeiten der in Frage stehenden Örtlichkeiten auf ihre dafür vorhandenen Möglichkeiten. Seine Argumentation nimmt aber bisweilen skurrile Züge an, wenn er die Christen sich in den öffentlichen Thermen treffen lässt, die ihnen der Bademeister nach Betriebsschuss geöffnet hätte, um sich ein kleines Zubrot zu verdienen. Grundsätzlich gesteht Adams zu, dass es dafür nirgends einen archäologischen Nachweis gebe bzw. geben könne und auch keine literarische Quelle. Im Falle der viel zitierten Vorgängerstrukturen der Kirche SS Giovanni e Paolo in Rom glaubt er jedoch, ein Ladengeschäft bzw. eine Taverne lokalisieren zu können, wo solche Treffen stattgefunden haben. Dass sich dort Ladenlokale befunden haben, ist archäologisch evident, ebenso der christliche Andachtsraum, der zu einem späteren Zeitpunkt im 4./5. Jahrhundert in einem Obergeschoss eingerichtet worden war. Damit sei dieser Ort an sich christlich besetzt, und Adams will diese Tradition bis zum vorkonstantinischen Ladenlokal zurückgeführt wissen. Richtig ist allerdings, dass schon Paulus in Ephesus die Philosophenschule des Tyrannus für seine Predigten angemietet hat (Apg. 19, 9 f.). Bei seiner Ankunft in Rom wurde dem Apostel erlaubt, für sich allein zu wohnen (Apg. 28, 16), womit wohl die in Vers 23 genannte Herberge gemeint ist, wohin viele Menschen kamen, denen Paulus das Reich Gottes predigte und Jesus Christus bezeugte. In den apokryphen Paulusakten ist von einer Scheune die Rede. Und so können freilich öffentliche und halböffentliche Orte zumindest als Orte der Verkündigung nicht ausgeschlossen werden. Dazu zählen nach Adams außerdem Gartenanlagen, Strand- und Uferbereiche sowie Straßen und Stadttore. Das ist alles für sporadische und temporäre Zusammenkünfte natürlich denkbar, geeignete Orte für Gottesdienste waren sie wohl eher nicht. Gleiches gilt für Grabstätten, die in antiker Tradition Stätten des Totengedenkens geblieben sind. Der familiäre Charakter hat sich dann im Zuge der wachsenden Märtyrerverehrung allerdings zugunsten einer kultischen Verehrung durch die Gemeinde und Pilger verändert, bis die Gräber der Heiligen mit eigenen Memorialarchitekturen ausgestattet wurden, was allerdings kaum vor dem ausgehenden 38

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3. Jahrhundert nach den Christenverfolgungen unter Decius und Valerian zu denken ist und später erörtert wird. Während also Adams sowohl den privaten Wohnräumen als auch den verschiedensten öffentlichen und halböffentlichen Orten seine Aufmerksamkeit widmet, bleiben bei ihm Kirchen und Sakralräume (bewusst  ?) außen vor.

Urchristliche Erinnerungsstätten Aus späteren Zeiten weiß man, welche Bedeutung die LO CA SANCTA , die heiligen Stätten, für die Frömmigkeit und sogar für die Theologie erlangt haben. Die Kaisermutter Helena ist für ihre Spurensuche im Heiligen Land bekannt, und ihr Sohn, Kaiser Konstantin, hat über den Jesusstätten im frühen 4. Jahrhundert große Basiliken und Zentralbauten errichten lassen. Freilich kann man die Frage nach der Authentizität dieser Orte stellen, aber es ist nicht auszuschließen, dass die Ortskenntnis von den Christgläubigen bewahrt und weiter tradiert wurde. Im Bereich der konstantinischen Grabeskirche in Jerusalem befindet sich direkt neben der Kapelle bzw. Grotte der Kreuzauffindung eine weitere Grotte, die heute unter armenischer Verwaltung steht und dem heiligen Vartan geweiht ist.62 Einbauten aus mächtigen Blöcken, die eindeutig vorkonstantinisch und am ehesten der hadrianischen Zeit (117 – 138) zuzurechnen sind, deuten auf eine Markierung des Ortes hin, der offenbar schon vor Helena mit der Kreuzigung Jesu in Verbindung gebracht wurde. Vermutlich stammen die Blöcke vom Tempel, den Hadrian hier hat errichten lassen, wobei man vermuten kann, dass damit die von Christen verehrte Stätte entweiht werden sollte. Als Ort des christlichen Gedächtnisses kennzeichnet ihn die bei den Forschungen in den 1970er Jahren entdeckte Zeichnung eines Schiffes auf einem der hadrianischen Blöcke mit der gekritzelten Inschrift DO MIN E IVIMVS, etwa »Herr, wir werden kommen«, die eine Anlehnung an den Wallfahrtspsalm 122 erkennen lässt  : »In domum Domini ibimus« – Ins Haus des Herrn werden wir gehen (Abb. 9). In lateinischer Sprache abgefasst, legt die Inschrift nahe, dass es sich um das Votum von Pilgern aus Italien oder dem römischen Europa handelt, die nach Jerusalem gewallfahrtet sind. So kann durchaus davon ausgegangen werden, dass der Ort bereits den ersten Christusgläubigen bekannt war und in Ehren gehalten wurde. Urchristliche Erinnerungsstätten

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Abb. 9  Jerusalem, Kapelle St. Vartan. Ritzzeichnung eines Schiffes mit der Inschrift ­ O M I N E I V I M V S an einer hadrianzeitlichen Mauer. D

Eine Tilgung von Erinnerungen soll auch an anderen christlich relevanten Orten versucht worden sein. Ein Adonisheiligtum soll Kaiser Hadrian über der Geburtsgrotte in Bethlehem errichtet haben. Über dem Haus in Damaskus, in dem Hananias den zum Christusglauben bekehrten Paulus getauft haben soll, konnte bei Ausgrabungen 1921 ein ins 2./3. Jahrhundert zu datierender paganer Altar gefunden werden, der auf einen Tempel des Baal Shamayim hindeutet. Trotzdem wurden nach der konstantinischen Wende Kirchen an diesen Orten errichtet, denn die Erinnerung war nicht ausgelöscht worden. Die Geburtskirche in Bethlehem ist dafür ein sichtbares Zeichen. Und die Kirche über dem Haus der Paulustaufe wurde zwar um 700 zerstört, doch erhalten ist über die Zeiten in der Altstadt von Damaskus eine kleine, doppelräumige Kapelle, 6 m unter dem modernen Straßenniveau auf der Höhe der römischen Straße, die als Haus des Hananias gilt.63 Die Erinnerung ist geblieben. Ähnliches mag für andere Orte gelten, die mit dem Lebensweg Jesu oder der Apostel in Verbindung standen, etwa das Haus des Petrus in Kapernaum, über dem im 5. Jahrhundert eine Kirche errichtet wurde. Ausgrabungen belegen, dass sich darunter die Reste antiker Wohnbebauung aus hellenistischer Zeit finden, und es ist viel darüber spekuliert worden, ob dort eine Hauskirche eingerichtet worden sei,64 was sich wohl nicht erhärten lässt. Trotz der Ablehnung einer solchen Möglichkeit ist die Bewahrung einer lokalen Tradition nicht ausgeschlossen  : »If there was some 40

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memory of the site of the actual house, then it may have been part of the folk traditions of the town.«65 Nach Virgilio Corbo, dem Ausgräber des Petrus-Hauses, bezeugen christliche Graffiti an den Wänden des Hauses, dass es im 2. und 3. Jahrhundert mit Andacht besucht wurde.66 Es scheint durchaus naheliegend, dass die erste Generation der Christgläubigen solche Örtlichkeiten kannte und im kollektiven Gedächtnis bewahrte. Nach der konstantinischen Wende griff man auf solche lokalen Überlieferungen zurück und heiligte diese Orte durch den Bau einer richtigen Kirche. So wurden an dem Petrus-Haus zunächst bauliche Veränderungen vorgenommen, um diesen Raum zu nobilitieren, ehe im 5. Jahrhundert darüber eine oktogonale Kirche folgte. Moshe Fischer schrieb dazu, es sei überhaupt nur diesen darüberliegenden Bauten und späteren Pilgerberichten zu verdanken, in den darunterliegenden Hausstrukturen das traditionelle Haus des Petrus zu sehen. Bei diesen Traditionen spielt es keine Rolle, ob sie tatsächlich authentische Orte benennen, wichtig ist nur, dass die Konkretisierung dieser Orte wichtig war und Authentizität beanspruchte. Dabei darf man durchaus von konkurrierenden Traditionen ausgehen. So wurde 2019 in verschiedenen Medien berichtet, ein israelisch-amerikanisches Archäologenteam habe in der Nähe des Sees Genezareth bei Bethsaida eine frühbyzantinische Kirche ausgegraben, die sich über einer hellenistischen Wohnbebauung erhebt. Die Archäologen seien sich sicher, hier sei das Haus von Petrus und seinem Bruder Andreas zu lokalisieren.67 Es könnte sich um konkurrierende oder sich ergänzende Befunde handeln, denn neben der Kapernaumüberlieferung gibt das Johannesevangelium an (1, 44), Philippus stamme aus Bethsaida, der Stadt des Andreas und Petrus. Möglicherweis sind Bethsaida als Geburtsort und Kapernaum als Wirkungsstätte der Brüder als Fischer zu verstehen. Die Erinnerung an historische Wirkungsstätten Jesu und der Apostel war nicht auf das Heilige Land beschränkt. Das im Hinblick auf seine Wirkungsgeschichte bedeutungsvollste Zeugnis gibt der Kirchenhistoriker Eusebius in seiner Kirchengeschichte (2. Buch 25), in dem er einen Brief des römischen Presbyters Gaius zitiert, der um das Jahr 200 datiert  : »Ich kann die Tropaia der Apostel zeigen. Denn wenn du zum Vatikan gehen willst oder auf die Straße nach Ostia, wirst du die Tropaia derer finden, die diese Kirche gegründet haben.« Gemeint sind die Denkmäler an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus in Rom. Grabungen in der römischen Nekropole unter St. Peter haben diese Notiz in Form der Relikte dieses Urchristliche Erinnerungsstätten

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Tropaions gleich neben dem vermuteten Petrusgrab eindrucksvoll unterstrichen.68 Auch in diesem Fall mag die Authentizität des Ortes als Petrusgrab umstritten sein, belegt ist jedoch die Örtlichkeit, die Gaius bezeugt. Natürlich kann man fragen, wie weit diese Tradition wohl zurückreicht, doch warum sollten Gaius bzw. jene, die das Tropaion errichtet haben, einen solchen Ort erfinden  ? Für das Heilige Land sind Bellarmino Bagatti und Emmanuele Testa überzeugt, dass Judenchristen von Beginn an die Erinnerung an die Wirkstätten Jesu bewahrt hätten und dieses Wissen bis ins 4. Jahrhundert weitergegeben worden sei.69 Mag man zustimmen, dass die Kenntnis solcher loca sancta bis in die Zeit der ersten Christgläubigen zurückreicht, so wird man an ihnen zwar nicht die Feier von Gottesdiensten postulieren, doch zu Andacht und Gebet wird man sich zusammengefunden haben, wie es auch die späteren Pilger taten, die dies in ihren Pilgerberichten festgehalten haben. Ein gesichertes archäologisches Zeugnis für das Verhalten der Christen an einem Verehrungsort bietet der in catacumbas genannte, vor den Toren von Rom gelegene Gedenkort für die Apostel Petrus und Paulus. Es ist in diesem Kontext unwichtig, den historischen Hintergründen für diesen Ort nachzugehen, ob dort nach der Legende die beiden Apostel gewohnt haben oder ob ihre Gebeine infolge der valerianischen Verfolgung dort vorübergehend gemeinsam deponiert waren. Archäologische Tatsache ist, dass im Bereich der Nekropole an der Via Appia, wo Touristen heute die Sebastiano-Katakomben besuchen, eine trapezförmige Memorialanlage angelegt wurde. Sie bestand aus einem Innenhof mit zwei überdachten Loggien, zwischen denen eine Treppe zu einer Quelle hinabführte. Die von den Christen benutzte östliche Loggia, triclia genannt, lag etwas erhöht und besitzt Wandmalereien mit Darstellungen von Blumen und Tieren sowie zahlreiche Graffiti. Lässt bereits die Anlage an sich vermuten, dass dort Totenmahlzeiten abgehalten wurden, so wird dies durch die Graffiti bestätigt, wenn zu lesen ist refrigeravit Felicissimus cum suis – Felicissimus hat mit den Seinen ein Refrigerium gehalten. Andere Inschriften bestätigen, dass dort die beiden Apostel im Gebet angerufen wurden Paule et Petre petite pro nobis omnibus – Paulus und Petrus, bittet für uns alle. Mehr als 500 derartiger Inschriften belegen die Praxis der Refrigeria und die Gebetspraxis an diesem besonderen Ort, der mit den Apostelfürsten im Zusammenhang steht. Der Chronograph von 354, ein christlicher Kalender, nennt für die Einrichtung dieser Gedenkstätte den 29. Juni 258. 42

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Das Christentum ist eine Religion, in der sich das göttliche Wirken in geschichtlichen Ereignissen manifestiert, weshalb den historischen Manifestationen von Beginn an Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Markieren diese zunächst neutestamentliche Wirkungsstätten, so vermehrten sie sich in der Folgezeit durch die Verehrung der Märtyrer und eine Heiligung ihrer Gräber. Einen Plan gab es nicht, wie diese Gedächtnisorte zu gestalten waren  ; dies richtete sich nach den Örtlichkeiten. Erst später und vermutlich nach den ersten Martyrien begann man, ihre Gräber zu verehren und seit dem 3. Jahrhundert mit Oratorien auszuzeichnen, von denen später zu reden sein wird.

Die 70 Jünger in Rihab und das Phänomen der Höhlenkirchen Würde man den türkischen Fremdenverkehrseinrichtungen vertrauen, so wäre die Suche nach der ältesten Kirche der Welt hier beendet. Es ist die Höhlenkirche des heiligen Petrus in Antiochia, der dieses Prädikat zugeschrieben wird. In dieser Stadt wurden die Christgläubigen erstmals Christen genannt, und Petrus hat die Kirche in einer natürlichen Grotte eingerichtet. Die Höhle, die man heute besichtigen kann, ist etwa 13 m lang, 9,5 m breit und 7 m hoch. Den Eingang bildet eine monumentale Fassade, im Inneren steht ein Altar, dahinter ein steinerner Sitz. Den Angaben von Jørgen Christensen-Ernst zufolge stammt das Erscheinungsbild der Petrus-Grotte erst aus der Zeit, nachdem sie der französische Konsul von Aleppo 1856 erworben und der katholischen Kirche geschenkt hat. Die Fassade wurde 1863 errichtet. Einen ursprünglich hölzernen Altar ersetzte man 1931 durch einen aus Stein, und erst 1990 folgte die Aufstellung des Sitzes dahinter.70 Nach Sichtung vieler Quellen konstatiert Christensen-Ernst, dass die Höhle gesichert erst seit 1580 als Kirche genutzt wurde, nachdem sie den Christen von den Muslimen geschenkt worden war. 1738 beschrieb der Reisende Richard Pococke eine zum Gottesdienst genutzte Höhle, bezeichnete sie jedoch als Johanneskirche. Erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei die Höhle mit Petrus in Verbindung gebracht worden und er konstatierte  : »Consequently, it is safe to conclude that the cave had no connection whatsoever to first century Christians, including the apostle Peter.«71 Die 70 Jünger in Rihab und das Phänomen der Höhlenkirchen

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Doch wie auch immer es um die Historizität der Petrus-Grotte in Antiochia bestellt sein mag, sie wirft die Frage nach dem Charakter und der Bedeutung der Höhlenkirchen an sich auf, die es rund um das Mittelmeer in großer Zahl gibt, überall dort, wo es die geologischen Verhältnisse erlauben oder nahelegen. Am bekanntesten sind die Höhlenkirchen in Kappadokien, in denen Einsiedler schon im 1. Jahrhundert die Abgeschiedenheit von der Welt gesucht haben sollen. Von vielen weiteren Höhlen auf Zypern und Kreta über Süditalien und Sizilien bis nach Malta und Spanien wollen manche Ortstraditionen wissen, dass sich dort schon in ganz früher Zeit Christen versammelt hätten. Beispielhaft sei die heute Panayia Chrysospiliotissa genannte Höhlenkirche bei der Ortschaft Kato Deftera auf Zypern genannt. Auf halber Höhe einer mächtigen Felswand befinden sich drei höhlenartige Räume, die durch Korridore miteinander verbunden sind (Abb. 10). Die Überlieferung sagt, dass hier der heilige Iraklidios gewirkt hat, ein Schüler der Apostel Paulus, Barnabas und Markus und erster Bischof von Tamassos.72 Freilich ist davon nichts überprüfbar, Fresken in der Höhlenkirche stammen vielleicht aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Selbstredend gibt es auch Höhlen, die direkt mit dem Apostel Paulus in Verbindung gebracht werden wie die Paulus-Grotte unter der Kollegiatskirche St. Paul in Rabat auf Malta. Hier soll der Apostel nach seinem Schiffbruch gewohnt und gepredigt haben. Natürlich gibt es außer den örtlichen Traditionen keinerlei Anhaltspunkte, dass die Nutzung einer dieser Höhlen oder Höhlenkirchen bis in frühchristliche Zeit zurückreicht oder gar als vorkonstantinischer Versammlungsraum der Christgläubigen gedient hat. Allerdings ist die Überlegung nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen, denn in den antiken Kultpraktiken sind oftmals Höhlen genutzt worden. Pagane Kulte kannten heilige Haine, heilige Berge oder heilige Grotten. Im Mithraskult hat man nicht nur natürliche Höhlen genutzt, sondern solche auch künstlich hergestellt, um dort die Mysterienfeiern abzuhalten. So stellt sich die Frage, warum dies für die Christgläubigen grundsätzlich ausgeschlossen sein soll. Dabei wäre festzuhalten, dass die Nutzung von Höhlen keineswegs aus Angst vor Verfolgung geschah, wie dies häufig in der lokalen Überlieferung heißt, sondern weil es sich um praktisch nutzbare Örtlichkeiten handelte und die Praxis aus paganen Kulten bekannt war. Man kann indes sogar darauf verweisen, dass Höhlen im Christentum eine geradezu symbolische Bedeutung besitzen. In einer Höhle war Jesus zur 44

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Abb. 10  Nach einer örtlichen Überlieferung gehen die heute über Treppen zugänglichen Höhlen der Panagia Chrysospiliotissa bei Kato Deftera, elf Kilometer südwestlich von Lef­ kosia (Nicosia), auf frühchristliche Zeit zurück. Dafür gibt es zwar keine archäologische Evidenz, ausgeschlossen ist dies allerdings auch nicht.

Welt gekommen. Dort sollen Maria und Joseph noch zwei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes gelebt haben  ; und die Legende weiß auch zu berichten, dass Maria zuvor in Nazareth in einer Höhle gewohnt hat. Und in einer Höhle, einem Felsengrab, ist Jesus bestattet worden, und Konstantin ließ darüber die Grabeskirche errichten. Und Eusebius berichtet, dass der Kaiser über weiteren sakral bedeutsamen Höhlen Kirchen errichten ließ  : Er wählte sich aber in demselben Lande noch zwei andere Orte aus, die durch geheimnisvolle Grotten ausgezeichnet waren, um auch sie mit reicher Pracht zu schmücken. Einmal ließ er der Grotte, in der der Erlöser zuerst erschienen ist und wo er auch dem Fleische nach geboren werden wollte, die entsprechenden Ehren zuteil werden  ; zum andern verherrlichte er bei der Grotte der Himmelfahrt droben auf der Spitze des Berges das Andenken daran. Indem er aber diese Orte mit großer Pracht auszeichnete, verewigte er zugleich das Andenken seiner Mutter, die diese große Wohltat dem Menschengeschlecht verschafft hatte.73

Bei der Benennung dieser Höhlen vermeidet Eusebius den Ausdruck spe­ laion, sondern übernimmt mit antron die Redeweise der MysterienreligiDie 70 Jünger in Rihab und das Phänomen der Höhlenkirchen

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onen, die eine Höhle im kultischen Sinn bezeichnet. Meist verwendet er den Begriff heilige Höhle (hieron antron) oder mystische Höhle (mystikon antron) oder heilbringende Grotte (soterion antron). Beim Bau der Grabeskirche schreibt Eusebius, dass vorher die ruchlosen Männer samt den Dämonen versucht hätten, die heilige Höhle vergessen zu machen und die göttliche Höhle unter Schutt zu verbergen.74 War dadurch die Höhle per se ein heiliger Ort, so kann es zu Nachahmungen dieser heilbringenden Grotten gekommen sein, in denen sich die frühen Christen dem Heilsgeschehen symbolisch nahe wähnten. Die Höhle als Heilsort zählte zu den Grunderfahrungen der frühen Christenheit.75 Umfänglich setzte sich Joan E. Taylor mit der These der BagattiTesta-­School auseinander, »that Jewish-Christians utilized ›mystic grottos‹ or ›caves of light‹ in which they enacted sacred mysteries«.76 All dies führt geradezu konsequent zu der 2008 in den Gazetten und Medien praktisch weltweit verbreiteten, sensationellen und praktisch stets gleichlautenden Meldung  : »World’s ›oldest Christian church‹ discovered in Jordan.«77 Gemeint war jedoch nicht die kurz zuvor, 2002, über praktisch gleichlautende Headlines verbreitete ›oldest church‹ in Gestalt der St.  Georgskirche in Rihab, deren Alter mit 230 angegeben wurde, was jedoch wie inzwischen anerkannt auf einer falsch gelesenen Inschrift beruht,78 sondern eine genau darunterliegende Höhlenkirche  : a very early underground church was found beneath the ancient Saint Georgeous Church. Alle Meldungen bezogen sich auf die zunächst in der Jordan Times veröffentlichte Aussage von Abdel-kader Al-Hissan, dem Chefarchäologen des Rihab Centre for Archaeological Studies  : »We have uncovered what we believe to be the first church in the world, dating from 33 AD to 70 AD.« Und kurz darauf war in werbender Absicht rasch ein entsprechendes Schild aufgestellt. Über Treppen (Abb. 11a) gelangt man in eine natürliche, geräumige Höhle, die allerdings deutliche Bearbeitungsspuren aufweist. Eine gemauerte Wand trennt sie in zwei Bereiche (Abb. 11b). Der vordere Bereich wird als Wohnraum gedeutet, der hintere als Kultbereich mit einer Art halbkreisförmiger Apsis, die von einer aus dem Fels gehauenen Sitzbank gefüllt wird (Abb. 11c). Von der Höhle führt ein Tunnel zu einer Wasserquelle. Es kann nicht bestritten werden, dass die Höhle durch verschiedene Maßnahmen für einen bestimmten Zweck hergerichtet wurde. Dieser Zweck erschließt sich nicht aus der Höhle selbst, sondern am ehesten aus der Tat46

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Abb. 11a  Treppenabgang zum Eingang der vermute­ ten Höhlenkirche von Rihab (Jordanien).

sache, dass über der Höhle kaum zufällig eine Kirche errichtet wurde, welche die darunterliegende Höhle nobilitiert, möglicherweise als einen von Christen verehrten oder ursprünglich genutzten Versammlungsort kennzeichnet. Abdel-kader Al-Hissan wird dafür mit der kühnen Vermutung zitiert  : »We have uncovered what we believe to be the first church in the world, dating from 33AD to 70AD […] We have evidence to believe this church sheltered the early Christians  : the 70 disciples of Jesus Christ.«79 Er begründete dies vor allem mit einem Mosaik in der Georgskirche (vor der Apsis), dessen Inschrift er ausschnittsweise mit den Worten »the 70 beloved by God and Divine« wiedergab, die an die 70 Jünger erinnern sollen, und dies könne sich nur auf die darunterliegende Höhlenkirche beziehen, in der sie sich während der Verfolgung verborgen hielten, dort wohnten und ihren Kult übten. Die in der Erstpublikation von 200280 nur in Englisch wiedergegebene zweite und entscheidende Zeile dieser Inschrift lautet bei ihm  : »Introduced by the 70 beloved by God and the divine head of the monastery«, und damit gehen Samer Abu-Ghazalah und Abdel-kader Al-Hissan völlig Die 70 Jünger in Rihab und das Phänomen der Höhlenkirchen

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Abb. 11b  Eine gemauerte Wand trennt die beiden Bereiche der natürlichen Höhle der hier vermuteten Höhlenkirche von Rihab.

an der Realität vorbei, wenn Blumell/Cianca die Inschrift völlig anders übersetzen  : »From the offerings of Thomas son of Gaianus«81 (aus den Opfergaben von Thomas, dem Sohn des Gaianus). Im Original heißt es  : EK ΠPOCΦ ΘWNA ΓAI AHO.82 Nun räumen Blumell/Cianca mit Recht ein, dass die Inschrift mit Abkürzungen, fehlerhaften Worten und Rechtschreibung schwer zu lesen, aber die Lesart Introduced by the 70 beloved by God and the divine head of the monastery und damit zugleich die Erinnerung an die 70 Jünger völlig ausgeschlossen sei. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass Samer Abu-Ghazalah und Abdel-kader Al-Hissan hier fälschlich (bewusst  ?) an die Stelle der zweiten Zeile in der in Frage stehenden Inschrift die dritte Zeile einer weiteren Inschrift (vor dem Eingang) der Georgskirche mit folgendem Wortlaut EΠI T WN ΘEOΦIΛ Λ ΠPOKWΠ I O Y C EP Γ I O Y (Abb. 11d) setzen, doch selbst diese Zeile gibt außer dem beloved by God (gottgeliebt – ΘEOΦIΛ) nicht den gewünschten Inhalt wieder. Vielleicht kann man nur sagen, schade, dass es nicht passt. 48

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Abb. 11c  Apsisartige Wand mit ausgearbeiteten Sitzstufen in der vermuteten Höhlen­ kirche von Rihab.

Abb. 11d  Zweite, vor dem Eingang liegende Inschrift der St. Georg Kirche in Rihab ­(Jordanien), die sich über der vermuteten Höhlenkirche befindet und in die Mitte des 6. Jahrhunderts zu datieren ist.

Einen Widerhall in der Fachwissenschaft fand diese älteste Kirche der Welt auch nicht, denn es gibt für ihre Authentizität einfach keine Anhaltspunkte. Der israelische Archäologe Boaz Zissu von der Bar-Ilan University wird mit den Worten zitiert  : I can only judge the findings once I have read the full report, but from what has been published so far I am not convinced that there is any evidence pointing to Die 70 Jünger in Rihab und das Phänomen der Höhlenkirchen

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the fact that the cave was used for Christian worship in the first century or that there is any connection between the later church above and the cave below.83

Man vermutete sogar einen Geniestreich der jordanischen Fremdenverkehrswerbung, fügte Jerome Murphy-O’Connor, Professor für Neues Testament an der French Biblical and Archaeological School of Jerusalem, hinzu  : »Pushing the date back to the year 70 is very speculative. The Jordanians are desperate to create church sites for tourism. I would be suspicious of this sort of hype.«84 Es sei nur angemerkt, dass die Höhle, deren Nachricht als älteste Kirche der Welt 2008 um die Welt ging, bereits in der genannten Publikation 2002 von Samer Abu-Ghazalah und Abdel-kader Al-Hissan in zwei Zeilen mit einer Datierung in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, probably after 150 A.D., erwähnt ist. Doch selbst wenn man der kühnen These der Ausgräber und ihrer Korrektur auf 30 – 70 n. Chr. nicht zustimmen mag, so ist eine Nutzung der Höhle durch Christen aus sehr früher Zeit nicht auszuschließen  : »The subterranean meeting room beneath the Church of St. George could be a venerated place used by Christians from an earlier time as suggested by the excavator«85 (wobei Smith hier noch von der früheren Datierung von Abdel-kader Al-Hissan um 150 ausging). Die ausgearbeitete Apsis mit umlaufender Sitzbank stammt nach Smith möglicherweise erst aus byzantinischer Zeit und würde so die lang anhaltende Verehrung dieses besonderen Ortes belegen. Wie die weitere Einschätzung der Höhle in Rihab in Zukunft auch ausfallen wird, sie lenkte doch den Blick auf die Höhle als möglichem christlichen Versammlungsort. Denn zum einen ist die Fortführung antiker Kultpraxis in Höhlen denkbar, zum anderen jedoch gab es eine eigene christliche Wertschätzung von mystischen Höhlen, die auch außerhalb des Heiligen Landes nachahmend beibehalten wurde.

Erster Zwischenschritt Für die ersten Jahrzehnte sind die Orte, an denen Christen zusammen­ kamen, praktisch nur aus Quellen, zeitbedingten Erscheinungen und wenigen archäologischen Verdachtsmomenten zu erschließen. Dabei sind verschiedene Arten des Zusammenkommens zu unterscheiden. 50

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Erstens  : Soweit sich die ersten Christgläubigen zugleich noch als Juden verstanden, trafen sie sich zum Gebet im Tempel und in den Synagogen. Zweitens  : Um von ihrer Erfahrung des auferstandenen Christus zu reden und das Evangelium zu verkünden, nutzten sie alle Orte, an denen Menschen anzutreffen waren. Das geschah wiederum in den Synagogen oder in den Vorhöfen des Tempels, aber ebenso an allen denkbaren öffentlichen und halböffentlichen Orten. Belegt sind angemietete oder zur Verfügung gestellte Räume sowie öffentliche Plätze. Genauso wird man bspw. das Stadttor nennen dürfen, das in der Antike ein kommunikativer Treffpunkt war. Drittens  : Über die Feier des Herrenmahls definierten sich die Christgläubigen als exklusive Gruppe und trafen sich als geschlossene Gesellschaft quellenmäßig belegt in ihren eigenen Wohnungen und Häusern. Dass sie dazu bei wachsender Gemeindegröße auch angemietete Lokalitäten nutzten, ist denkbar, nahezu notwendig. Viertens  : Wie allen Bürgern der antiken Gesellschaft standen ihnen Tavernen, Herbergen, Ladengeschäfte, Warenhäuser, öffentliche Badeanstalten usw. offen, die sie besuchen konnten. Ein Austausch über religiöse Fragen konnte dort stattfinden, vielleicht auch ein Gespräch mit Andersgläubigen. Fünftens  : Sobald sich die Christgläubigen als eigenständige Glaubensgemeinschaft, als Christen, verstanden, entwickelten sich erste Organisa­ tionsformen und damit verbunden das Bedürfnis nach eigenen, festen Orten sowohl für ihre religiösen Zusammenkünfte als auch für organisatorische und diakonische Anliegen ihrer Gruppe. Zu realisieren war das am ehesten über die Struktur als Verein in einer schola, wie es von vielen gewerblichen und religiösen Vereinen her bekannt war. Die schola als Gebäudekomplex hatte keine definierte Bauform, sondern musste lediglich als Um- oder Neubau den verschiedenen Anforderungen gerecht werden. Ein Raum für die religiöse, kultische Zusammenkunft konnte analog zu paganen scholae mit Bildern oder Skulpturen sakralisiert sein. Definiert man Kirche als exklusiven, permanenten Ort für den Gottesdienst, so wären in den scholae die ältesten Kirchen zu sehen. Sechstens  : Die im Christentum analog zu anderen Kultvereinen vorhandene Wertschätzung von mythischen Höhlen und Grotten kann dazu geführt haben, sie tatsächlich für religiöse Zusammenkünfte zu nutzen und ggf. herzurichten. Die Höhlenkirche von Rihab kann möglicherweise dazu gedient haben. Erster Zwischenschritt

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Siebtens  : Es ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass angefangen bei den ersten Christgläubigen die Erinnerung an die Wirkstätten Jesu und der Apostel bewahrt und über Generationen weitergegeben wurde, bis sie in konstantinischer Zeit durch Kirchenbauten nobilitiert und als loca sancta verehrt wurden. Dass bereits die ersten Christgläubigen das Grab Christi in Jerusalem oder das Haus des Petrus in Kapernaum besuchten und dort Andachten hielten, darf angenommen werden. Für die folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte ist damit zu rechnen, dass das Modell der schola noch lange Bestand hatte. Die Nutzung von Höhlenkirchen fand ihre Fortsetzung in byzantinischer und mittelalterlicher Zeit, und ihr Besuch dauert bis in die Gegenwart an. Prägend für das Christentum wurde vor allem über die Zeiten hinweg die Pilgerreise zu den loca sancta.

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Von der Synagoge zur Ekklesia Von der Eroberung Jerusalems bis etwa 135 n. Chr.

Eigentlich sind Synagoge und Ekklesia Synonyme und bedeuten Versammlung. Mit Synagoge gibt die griechische Übersetzung des Alten Testaments das hebräische Wort für Versammlung wieder. Ekklesia meint im klassischen Griechisch die (Volks-)Versammlung und wird bereits im Neuen Testament als Bezeichnung für die Gemeinde bzw. Kirche der Christgläubigen verwendet.86 Beide Begriffe können zudem die Örtlichkeit, das Gebäude, bezeichnen, in dem sich die Gläubigen versammeln. Doch ab welchem Zeitpunkt lassen sich Synagoge und Ekklesia voneinander unterscheiden und zwar im Hinblick auf die Gläubigen wie auf die Gebäude  ? Seit wann sind sich die Christgläubigen bewusst, dass sie keine Juden sind und sie stattdessen in der Ekklesia und nicht in der Synagoge zusammenkommen  ? Für einen gewissen Zeitraum mögen Synagoge und Ekklesia noch identisch gewesen sein und zwar sowohl hinsichtlich der personalen Struktur wie der Örtlichkeit, ehe sich die Erkenntnis der Verschiedenheit durchsetzte. »Das Jahr 70 leitet die letzte Epoche des frühen Christentums ein, deren Ende schwer zu bestimmen ist«, schreibt Udo Schnelle87 und gibt doch einige Hinweise. In den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts begannen die Apologeten, sich gegen Verleumdungen zur Wehr zu setzen und beim Kaiser um Verständnis für das Christentum zu werben. Außerdem musste man sich gegen die Gnosis verteidigen, die sich ab dem ersten Drittel des 2. Jahrhunderts innerhalb des Christentums zu einer Großbewegung entwickelte. Schließlich fing man an, sich deutlicher gegen das Judentum abzugrenzen. Der auf theoretischem Weg postulierten Eigenständigkeit trat eine neue Organisationsform zur Seite, die an die Stelle der Apostel und Lehrer den Bischof und das Presbyterium setzte. Folglich war es eine Ära, die von radikalen und zukunftsweisenden Umbrüchen geprägt war. Das Jahr 135 ist freilich relativ willkürlich gesetzt und will plus/minus verstanden werden. Es ist das Jahr, indem die Juden aus Jerusalem verbannt wurden.

Von der Eroberung Jerusalems bis etwa 135 n. Chr.

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Die ersten Kirchen waren Synagogen Vom Besuch Kaiser Hadrians 130 in Jerusalem weiß Bischof Epiphanius von Salamis (um 315 – 403) zu berichten, dass der Kaiser die Stadt in Rui­ nen gefunden habe mit Ausnahme einiger weniger Häuser und einer kleinen Kirche Gottes an der Stelle, an der sich die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu versammelt hätten. Und diese Kirche, die der Zerstörung entgangen sei, habe sich auf dem Zion befunden. Handelt es sich hier um die älteste Kirche der Christenheit, wie es zusammenfassend der anglikanische Theologe und Professor für Neues Testament Richard Bauckham formuliert  : »Through good times and bad the little church of God was clerished as the first assembly-place of the church in Jerusalem«  ?88 Der aus Südtirol stammende und 1969 ins Heilige Land gekommene Benediktinermönch und Archäologe Bargil Pixner ist nicht unumstritten, erst recht werden seine Ausgrabungen auf dem Zionsberg in Jerusalem kritisch gesehen. Dennoch lohnt ein Blick auf seine dort gewonnenen Hypothesen. Dort, wo auf dem Zion den Touristen der Saal des letzten Abendmahls Jesu im Obergeschoss gezeigt wird, liegt ein Stockwerk darunter der Raum mit dem Davidsgrab in Gestalt eines großen Kenotaphs. Den Christen gilt dieser Raum zugleich als Ort der Fußwaschung. Die Baugeschichte ist unklar, am ehesten kreuzfahrerzeitlich. Doch unter dem Estrich des unteren Raumes fanden sich Spuren eines älteren Fußbodens, und an seiner Außenseite sind Steinblöcke zu sehen, die aus der herodianischen Epoche, also aus der Zeit vor der Eroberung Jerusalems durch die Römer stammen. Da sie an den Ecken und Kanten wohl durch einen Transport teilweise beschädigt sind, dürften sie hier in sekundärer Funktion verwendet worden sein, um – wie nun Pixner erklärt – nach der Eroberung Jerusalems dem Bau einer Synagoge zu dienen  : Someone during the Roman period (after the destruction of Jerusalem) must have erected this synagogue structure by using ashlars brought here from elsewhere. Who would have done this  ? I believe that the returning Judeo-Christians did it in the late first century, when they put up their synagogue on the site they identified with the cenacle (the Upper Room, where the Last Supper was held), the center of the primitive community around James, ›the brother of the Lord‹ (Galatians 1  : 19).

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Den Bau dieser juden-christlichen Synagoge datiert er zwischen 70 und 132 n. Chr  : »The most probable period when such an imposing structure would have been built was between 70 and 132 A.D.« und schränkt weiter ein  : »The Judeo-Christians probably built their church, at that time called a synagogue, sometime in the decade after 73 A.D.«89 Entsprechend hat Pixner seine Erläuterungen zur Kirche auf dem Zion mit den Worten überschrieben The First Churches Were Synagogues.90 Es gilt zu erklären, warum dieser Raum überhaupt für eine (juden-  ?) christliche Nutzung reklamiert werden kann. Zum einen ist es die Lage an einem Ort, der mit der Jesusgeschichte in Verbindung gebracht wurde. Zum Zweiten kann die Nische bzw. Apsis des Raumes genannt werden, die – nach Pixner – nicht auf den Tempel, sondern auf den Ort des Grabes Jesu gerichtet ist. Und zum Dritten sind es Inschriften, die eine Anrufung Jesu formulieren. Weiter führt Pixner unter Berufung auf Bischof Epiphanius (315 – 403) an, beim Besuch Kaiser Hadrians im Jahr 130/131 habe auf dem Zion eine kleine Kirche gestanden, die in allerdings noch späteren Quellen Kirche der Apostel genannt wird. Es ist müßig, der bisweilen konstruiert wirkenden und auch angefochtenen Argumentation Pixners weiter zu folgen, aber es ist durchaus sinnvoll, seinem Gedankengang nachzugehen, Christen (nach Pixner Judenchristen) hätten für ihre religiöse Praxis eine Synagoge errichtet. Was lag denn näher, als dass Christen, die nicht nur in jüdischer Tradition standen, sondern sich auch, wenn auch als Christgläubige, noch als Juden verstanden, an der Struktur der Synagoge festhielten  ? Der US-amerikanische Jesuit und Professor für Biblische Archäologie in Jerusalem Richard M. Mackowski schreibt an ganz unverfänglicher Stelle in seinem Buch über Jerusalem als Stadt Jesu  : »During this period Christians met in houses, hired halls, and synagogues modeled after the Jewish synagogues.«91 Damit fügt er dem bereits genannten Sachverhalt, dass die Christgläubigen Häuser und gemietete Hallen für ihre Zusammenkünfte nutzten, die Synagoge als Ort christgläubiger Praxis hinzu. Richtig verstanden meint er indes nicht, dass sie sich in jüdischen Synagogen trafen, sondern eigene Synagogen nach jüdischem Vorbild besaßen. Synagoge in diesem Sinn bedeutet auch entsprechend ihrem Wortlaut zunächst nur Versammlung bzw. den Ort der Versammlung. Inzwischen weiß man einiges über sehr frühe Synagogen und ihre bauliche Gestalt. Zunächst erhellt die sog. Theodotus-Inschrift, die ins 1. JahrDie ersten Kirchen waren Synagogen

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hundert datiert wird und als ältester epigraphischer Zeuge für die Existenz von Synagogen gilt, dass Synagogen mehr waren als nur ein Versammlungsort. Die Inschrift wurde 1913 in Jerusalem gefunden und besitzt in griechischer Sprache folgenden Wortlaut, hier übersetzt wiedergegeben  : Theodotos des Vettenos Sohn, Priester und Synagogenvorsteher, Sohn eines Syna­ gogenvorstehers, Enkel eines Synagogenvorstehers, erbaute die[se] Synagoge zur Vorlesung des Gesetzes und zum Unterricht in den Geboten, ebenso auch die Herberge und die Kammern und die Wasseranlagen für die (Pilger) aus der Fremde, die eine Herberge brauchen. Den Grundstein dazu hatten gelegt seine Väter und die Ältesten und Simonides.92

Demnach gehören zur Synagoge eine Herberge sowie eine Wasserversorgung. Vorsichtig wird man daraus eine Multifunktionalität ableiten, wie sie auch für christliche Institutionen wichtig war. Als eine der ältesten bekannten Synagogen in Palästina gilt die Synagoge in Gamla im Golan, etwa 8 km östlich des Sees Genezareth. Das Gebäude ist in nordost-südwestlicher Richtung und damit gen Jerusalem orientiert, was allerdings auch der Topographie des Ortes geschuldet sein kann. Der zentrale, 13,4 m × 9,3 m (ca. 125 qm) messende Raum ist von insgesamt 16 Säulen umgeben und besitzt umlaufend an den Wänden zwei- und vierstufige Sitzbänke. Im Nordosten liegt ein Raum, der gelegentlich als Studierzimmer interpretiert worden ist, und westlich des Gebäudes befindet sich ein 4 m mal 4,5 m großes Becken, in dem man eine Miqwe sehen möchte. Innerhalb des Baus fand sich ein Steinblock mit einer eingeritzten Rosette. Da sich dieses Motiv häufig etwa auf jüdischen Ossuarien findet, wurde es zur Identifizierung des Baues als Synagoge herangezogen. Signifikante jüdische Motive oder Inschriften, die auf eine Synagoge hinweisen, fehlen allerdings. Könnte man diesem offenkundig der Versammlung dienenden Raum auch eine andere Funktion zuschreiben  ? Im Estrich gefundene Münzen aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. sowie das Fragment einer Lampe aus herodianischer Zeit legen eine Datierung in die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis zum Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr. nahe. Stimmt die Datierung des Baues in Gamla, so wird man seine Funktion als eine der ältesten bekannten jüdischen Synagogen zwar nicht ausschließen können, aber ebenso wenig kann man eine andere Form einer profanen oder christlichen Nutzung ausklammern. Nach Carsten Claußen hat 56

Von der Synagoge zur Ekklesia

die hellenistische Synagoge erheblichen Einfluss auf die Organisation des Urchristentums ausgeübt.93 Er bezieht sich dabei zwar wesentlich auf die organisatorische Struktur der frühen Gemeinden, aber warum sollte das nicht auch für die bauliche Gestalt des Versammlungsraumes gelten  ? Etwas anders liegen die Verhältnisse bei einem 2009 in Migdal (Magdala) an der Westküste des Sees Genezareth, etwa 6 km nördlich von Tiberias, gefundenen, strukturell vergleichbaren Gebäude. Dominant ist der etwa 120 qm große Hauptraum mit seiner umlaufenden Sitzbank. Die Zeitstellung ist unsicher, reicht aber nach Einschätzung der Ausgräber Dina Avshalom-Gorni und Arfan Najar bis ins 1. Jahrhundert. Der in Migdal in Teilen erhaltene mosaizierte Fußboden ist rein ornamental gestaltet, und eine Inschrift, die Klarheit verschaffen könnte, ist nicht vorhanden bzw. erhalten. Auffallend ist einzig ein Ornament, das von einem Kreis umschlossen an die Ligatur von Ι und Χ erinnert, die auch als Christogramm verwendet wurde, freilich nach allgemeiner Einschätzung nicht vor dem 4. Jahrhundert. Doch ist diese Festlegung ein letztlich nicht hinreichend begründetes Axiom. Jedoch soll die Interpretation der Synagoge von Migdal weder an diesem Ornament festgemacht, noch überhaupt ihr christlicher Charakter behauptet werden. Es ist hier aber keineswegs ausgeschlossen, dass es sich um eine nach dem Vorbild jüdischer Synagogen errichtete christliche Synagoge handelt. Stein des Anstoßes ist im wahrsten Sinn des Wortes der im Inneren gefundene Stein von Magdala94, der das Hauptargument für die jüdische Interpretation liefert. Auf einer Seite trägt der reich verzierte Block eine von Amphoren flankierte Menora (Abb. 12). Die übrigen Verzierungen sind rein ornamental. Der Stein habe im Leseraum als Tisch für die Schriftrolle gedient. Freilich versucht man, die Existenz dieses blockhaften Steins mit einer Art Bima zu erklären, warum sollte aber die Deutung als Altarblock nicht auch möglich sein  ? Tatsächlich werden antike Bauwerke in Ermangelung anderer Kriterien aufgrund des Vorhandenseins jüdischer Kultsymbole als Synagogen gedeutet. Objektiv betrachtet handelt es sich bei Menora, Lulav, Etrog usw. um alttestamentliche Kultgegenstände. Warum sollten sie nicht von Christen verwendet worden sein, solange Christen und Juden enge Verwandte waren  ? Für die ersten Generationen der Christgläubigen blieb das Alte Testament die Heilige Schrift, solange es noch kein kanonisiertes Neues Testament gab. Die Vergegenwärtigung des Tempels bzw. nach dessen Zerstörung die Erinnerung an ihn konnte für Juden wie für Christgläubige Die ersten Kirchen waren Synagogen

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Abb. 12  Sog. Stein von Magdala mit dem Relief einer Menora zwischen Amphoren in der Synagoge von Magdala (Israel). Gemeinhin gilt der Steinblock mit dieser Darstellung als Beleg für eine Funktion des Bauwerks als Synagoge. Gleichwohl wird man seine Funktion als Altarblock einer frühchristlichen Kirche nicht ausschließen können.

relevant sein. Selbst der archäologische Nachweis eines Toraschreins macht aus einer Synagoge nicht automatisch eine jüdische Synagoge, denn für die frühen Christgläubigen hatte die Tora ihre religiöse und kultische Bedeutung nicht eingebüßt  : »… we must add that the early Jewish believers saw no reason not to observe the Torah.«95 Denn sie hatten ja ihre jüdische Identität nicht verloren, weder in ihren eigenen Augen noch in den Augen der Juden. So gilt ein Gebäude in der antiken Hafenstadt Ostia als eine der ältesten Synagogen in der Diaspora, die möglicherweise in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts durch den Umbau eines bestehenden Hauses dort eingerichtet wurde. So wie sich der Bau archäologisch heute präsentiert, stammt er wohl aus dem 4. Jahrhundert. Die Deutung als Synagoge beruht auf dem Relief einer Menora (Abb. 13a – b) sowie dort gefundenen Lampen mit demselben Motiv. Es handelt sich um einen Komplex mit mehreren Räumlichkeiten. Der größte unter ihnen besaß wohl umlaufend Bänke, ein Podium im Westen sowie entgegengesetzt neben dem Eingang eine nach Os58

Von der Synagoge zur Ekklesia

Abb. 13a  Der apsidale ­Einbau im spätantiken ­Gebäude in Ostia wird über­ einstimmend als Tora-­ Schrein gedeutet. Die bei­ den Menoroth über den Säulen werden als Beleg für die jüdische Funktion ge­ wertet. Abb. 13b  Detail aus Abb. 13a mit einer Menora über der Säule.

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ten gerichtete Apsis, die als Toraschrein gedeutet wird. Neben diesem Raum befand sich ein zweiter größerer, mit Bänken an zwei Seiten. Den ganzen Komplex betritt man über eine Vorhalle, in der sich nahe beim Eingang ein Marmorbrunnen befindet. Streng genommen ist die Menora der einzige Hinweis auf eine jüdische Synagoge, woher dann die Funktion der Apsis als Toraschrein abgeleitet wird. Solange die Christen keine eigene Kirchenarchitektur und keine eigene Symbolik ausgebildet hatten, kann ihnen die Menora als Zeichen gut gedient haben. Die beiden größeren Räume können sehr wohl als Predigt- und Gebetsraum sowie als Raum für die Mahlfeier genutzt worden seien. Das ist alles mit der notwendigen Vorsicht gesagt, doch darf man die Menora nicht ausschließlich als jüdisch-signifikantes Symbol reklamieren. Auch die bei den Ausgrabungen gefundene Stifterinschrift, in der sich Mindius Faustus als Stifter des Baues und des Schreins (Kibotos) ausweist, ist nicht eindeutig jüdisch zu interpretieren.96 Man muss auch gar nicht an der Deutung als jüdische Synagoge zweifeln, aber sie könnte formal ebenso der Komplex einer frühchristlichen Gemeinde sein. Es geht hier einzig um die Feststellung, dass als jüdisch deklarierte Synagogen grundsätzlich auch christlich sein konnten. Dies müsste im Einzelfall geprüft werden, doch bleibt ungewiss, ob Synagogen bzw. Synagogen-Kirchen überhaupt signifikante Unterschiede aufweisen. Die frühen, bisher als jüdisch reklamierten Synagogen besitzen durchaus eine gewisse architektonische Vielfalt, die für sich genommen kaum als determinierend gelten kann. So sie nicht durch eine Inschrift als solche ausgewiesen sind, sondern lediglich im Dekor alttestamentliche Kultsymbole aufweisen, könnten Synagogen auch von Christgläubigen errichtet worden sein.97 Freilich ist dies zunächst nur eine Hypothese, die allerdings auch nicht definitiv widerlegt werden kann. Bleibt man allerdings beim jüdischen Hintergrund der bislang als Synagogen interpretierten Gebäude, so zeigen auf jeden Fall jene in der Diaspora eine höchst unterschiedliche Architektur, die auf äußere Gegebenheiten sowie ihre Umwandlung aus profanen Gebäuden zurückgeführt werden kann. Einen verbindlichen Bauplan für Synagogen hat es entsprechend nicht gegeben. Trifft dies ebenso auf frühchristliche Versammlungsstätten zu, dann wird man vergebens eine urchristliche Kirche anhand ihrer Architektur identifizieren wollen. Nimmt man spätere Beispiele frühchristlicher Kirchen hinzu, so kann man schließen, dass die für Synagogen typische Sitzbänke auch in christlichen Kirchen verwendet wurden, sei es als 60

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Steinbänke entlang der (Seitenschiff-)Mauern der späteren Basilika oder in Gestalt beweglichen Mobiliars.98

Die Synagoge als kommunale Einrichtung Die nach dem Neuen Testament zu erschließende Praxis der Christgläubigen, zum Gebet in die Synagoge zu gehen, fände einen neuen Aspekt, falls die These des in den USA geborenen israelischen Archäologen und Judaisten Lee I. Levine von der Synagoge als kommunaler Einrichtung zutreffen würde  : In light of the above, a very different approach to our understanding of the first-century institution has been put forth recently by this author. On the basis of first-century archaeological and literary sources, I have suggested that the synagogue at that time was primarily a communal institution serving the many and varied needs, including the religious ones, of the local community. First-century sources point clearly to a wide range of activities and services that may have taken place there  : political and social gatherings, courts, punishments such as flogging, hostel, collection of monies for local and Temple needs, communal meals, instruction, and, finally, worship – be it prayer or Torah-reading.99

Levine sieht dabei die Synagoge als Kommunikationszentrum in der Nachfolge des Stadttores, nachdem dieses stärker fortifikatorisch strukturiert wurde. Unter dieser Voraussetzung wäre die Synagoge unter den für Christen zugänglichen öffentlichen Orten eine Option gewesen. Levine sieht allerdings in der Spätantike ein wachsendes religiöses Profil der Synagoge. Und dies, so könnte man weiter folgern, dürfte gleichermaßen für Juden wie für Christen gegolten haben. Im Bestreben, eigene fixe Institutionen zu organisieren, hätten Juden wie Christen den Typus der Synagoge aufgegriffen. Dabei war die Synagoge von ihrer Idee her ein multifunktionaler Ort, in dem man die eigenen Bedürfnisse realisieren konnte, während die Architektur selbst keinen bestimmten Vorgaben folgte. Eine solche architektonische Vielfalt findet sich unter den als jüdisch geltenden Synagogen in der Diaspora, die man in gleicher Weise für christliche Synagogen annehmen muss. Soweit definitive Hinweise auf die jeweilige Die Synagoge als kommunale Einrichtung

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Urheberschaft fehlen, sind kommunale und religionseigene Synagogen nicht zu unterscheiden. Dies gilt es, auf der Suche nach vorkonstantinischen Kirchen zu berücksichtigen, die auch aus diesem Grund nicht erkennbar wären.

Ein einheitliches gottesdienstliches Lokal Die Auseinandersetzungen mit der paganen Umwelt und die Abgrenzung vom Judentum haben zu einem neuen Selbstverständnis des Christentums geführt und das Bischofsamt samt Presbyterium zur neuen Organisationsform werden lassen.100 Einen epochalen Einschnitt zu Beginn des 2. Jahrhunderts konstatierte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts der evangelische Theologe, Kirchenhistoriker und Christliche Archäologe Hans Achelis  : Unter den Maßregeln, welche die Kirche […] ergriff, war keine so wichtig wie die, daß sie den Gottesdienst in jeder Stadt an einem Ort zusammenzog und ihn unter die Leitung des Bischofs stellte. Die Winkelgottesdienste in den Privathäusern hörten auf. An ihre Stelle trat ein einheitliches gottesdienstliches Lokal.101

Aus heutiger Sicht wird man seine Vorstellung der Gottesdienste in den Hausgemeinden korrigieren müssen, aber er findet Zustimmung, dass seit dem 2. Jahrhundert die Gottesdienste überall zentral in einem Raum stattfinden, die einer größeren Zahl von Menschen Platz bieten  : Demnach gibt es – in einer Stadt – nur einen Bischof, ein Presbyterium und einen Altar für die (Sonntags-) Eucharistie […] Bis ins vierte Jahrhundert gibt es in jeder Stadt nur einen großen Saal (innerhalb eines Gebäudekomplexes) für die Eucharistiefeier. Dieser Saal fungiert spätestens seit dem zweiten Jahrhundert als sakraler, exklusiver Kultraum.102

In der Tat wird man seit dem 2.  Jahrhundert mit einem stetigen, teilweise sprunghaften Anstieg der Christen zu rechnen haben,103 weshalb sie »dazu übergingen, ihre Versammlungen in großen Sälen und später in Basiliken zu veranstalten.«104 Leider legte sich Beat Brenk nicht fest, ab wann mit den ex novo errichteten Saalbauten und Basiliken zu rechnen ist, aber das Wachstum der Gemeinden, die Stärkung des Bischofsamtes und die zunehmende Öffentlichkeit der Kirche legen nahe, dass dies bereits 62

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seit dem 2. Jahrhundert geschah. Nach Stefan Heid wäre es nun falsch, in diesen Räumlichkeiten »beliebige und belanglose Versammlungsräume«105 zu sehen, sondern er plädiert entschieden für ihren sakralen Charakter. Mit dem US-amerikanischen Althistoriker Corby Finney ist er sich einig, »es sei falsch zu behaupten, die Leitidee der frühchristlichen Religion sei die innerliche, kultlose, anikonische und immaterielle Richtung der späthellenistischen Philosophenkonventikel gewesen«.106 Gegen zeitgenössische, modernistische Auffassungen vom frühchristlichen Versammlungsraum als einem nahezu profanen Bethaus verteidigt Heid das Gebet als zutiefst sakrale Handlung und die dazu dienenden Räume »als Räume kollektiv erfahrener Theophanie«.107 Hauptsächlich macht er es allerdings an der Existenz des Altars fest, den er für jeden frühchristlichen Versammlungsraum voraussetzt, von dem es jeweils nur einen in einer Stadt gibt. Obwohl Heid ausführlich und für jede Region die Existenz dieser einen Kirche in der Stadt nachweist, muss er die Antwort auf ihre Gestalt und ihr Erscheinungsbild schuldig bleiben. Muss man aber nicht aus der Sakralität dieser einen und bischöflichen Kirche auf eine entsprechende sakrale und im Erscheinungsbild einer Stadt präsente Architektur und Ausstattung schließen  ? Das muss selbstredend nicht die Basilika gewesen sein, sie ist als multifunktionaler Bautyp der Antike aber auch nicht ausgeschlossen.

Zweiter Zwischenschritt Mit der Entstehung des rabbinischen Judentums, das nach der Zerstörung des Tempels die Tora und die Befolgung der jüdischen Gesetze in den Mittelpunkt rückte, mussten sich die Christgläubigen verstärkt als eigenständige religiöse Gruppierung verstehen. Es galt die Jesustradition zu festigen, und aus diesem Bestreben heraus entstanden die Evangelien, deren Abfassung in die Zeit zwischen 70 und 110 fällt. Der Sicherung der Jesusüberlieferung diente die Erinnerung an die bereits genannten loca sancta, deren erste Manifestation in der Errichtung der kleinen Kirche Gottes oder der Kirche der Apostel auf dem Zion gesehen werden kann. Zudem wurde bei wachsender Gemeindegröße der fixe Versammlungsraum wichtig. Erstens  : Von temporär genutzten Versammlungsorten ist weiterhin auszugehen. Zweiter Zwischenschritt

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Zweitens  : Der Sicherung der Jesustradition als Grundlage des eigenen, neuen Glaubens diente die Pflege der Erinnerungsorte, die wohl in der kleinen Kirche auf dem Zion ihren ersten baulichen Ausdruck fand. Drittens  : Als Vorbild für gemeindeeigene Räumlichkeiten der Christen kann neben der bereits genannten Schola die Synagoge in Erwägung gezogen werden. Sowohl Schola als auch Synagoge besaßen keine funktions­ spezifische Architektur, sondern mussten lediglich den verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden. Viertens  : Für archäologisch bekannte Synagogen in Palästina wie in der Diaspora ist eine (juden-) christliche Urheberschaft nicht auszuschließen. Fünftens  : Grundsätzlich wird man seit um 200 verstärkt mit der Errichtung von christlichen, kirchlichen Gebäuden ex novo ausgehen dürfen. Diese folgten zwar keinem bestimmten Architekturtypus, waren aber als Versammlungsgebäude der Christen im öffentlichen Raum sichtbar. Sechstens  : Indizien deuten darauf hin, dass der Versammlungsort innerhalb eines gemeindeeigenen Komplexes als Sakralraum wahrgenommen wurde.

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Von der Synagoge zur Ekklesia

Kirchen Von etwa 135 bis zur ersten reichsweiten Christenverfolgung 250

Um die folgenden gut hundert Jahre zu charakterisieren, wird man am besten an die These von Hans Achelis anknüpfen,108 dass mit dem Erstarken des Bischofsamtes und dem Ringen um die wahre Kirche (gegen die Gnosis) der Besitz einer wahren, der richtigen Kirche an Bedeutung gewinnt. Etwa hundert Jahre später hat Stefan Heid die These von der einen Kirche in einer Stadt umfangreich und über alle Regionen hinweg durch Sichtung der Quellen erschöpfend vertieft.109 Damit hat Heid das Axiom der Hauskirchen demontiert, dass es vor dem Friedensedikt von 313 nur mehr oder weniger selbständig agierende Hausgemeinden gegeben habe, die sich in Privathäusern getroffen hätten. Dabei hatten die Vertreter der Hauskirchenthese durch den in den 1930er Jahren freigelegten Fund der Hauskirche in Dura Europos eine ebenso unerwartete wie glücklich aufgegriffene Bestätigung durch die Archäologie erfahren. Die Kirchenhistoriker sahen ihre These von einem demokratischen, in Hausgemeinden organisierten, unverfälschten Christentum bestätigt.110 Und ihrerseits hatte sich die Christliche Archäologie auf diesen Zufallsfund versteift, und mit den Worten von Beat Brenk gehört seitdem das Thema Hauskirche »zu den Lieblingen der christlichen Archäologie«.111 Der einzige, erst in jüngerer Zeit, 2005, erfolgte Parallelfund einer Hauskirche in Megiddo hat zwar die Lehrbücher der Kirchengeschichte noch nicht erreicht, aber er wäre wohl Wasser auf die Mühlen der Hauskirchenverfechter. Nun ist die Tatsache nicht bestreitbar, dass es sich in Dura Europos um ein christliches Versammlungslokal handelt, das nach entsprechenden Umbauten in einem römischen Haus eingerichtet wurde. Die vermutungsweise kleine Gemeinde der römischen Grenzstadt am Euphrat konnte sich mit dem hier zur Verfügung stehenden Raum, dessen Versammlungssaal etwa 65 bis 75 Personen Platz bot, begnügen. Dura Europos sagt aber nichts anderes, als dass bei geringem Platzbedarf und vielleicht beschränkten finanziellen Mitteln ein umgebautes Haus als Kirche dienen konnte. Von etwa 135 bis zur ersten reichsweiten Christenverfolgung 250

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Dura Europos sagt nicht aus, dass dies überall so sein musste. In größeren Städten waren es entsprechend größere Gebäude und in großen Städten ganz große  ! Der vermutlich älteste Beleg für eine große Kirche (»ingentem basilicam ecclesiae«112) ist dem Pseudoklementinischen Roman Die Reisen des Petrus – Recognitiones Clementis113 zu entnehmen, der wohl auf das 2. Jahrhundert zurückgeht. In Antiochia hat der wohlhabende Bürger Theophilus sein Haus Petrus zur Verfügung gestellt, um dort täglich vor einer großen Menge zu predigen. Wichtig ist nicht die Historizität dieses Sachverhaltes, sondern die Rede von einer großen Kirche, wie sie zur Abfassung des Romans schon bekannt waren. Etwa um 150 sind die Anfänge eines christlichen Kirchengebäudes zu datieren, und sei es, dass nun auch Privatgebäude größerer Dimensionen in Kirchen umgewandelt wurden, so auch der US-amerikanische Professor für religiöse Studien Vincent Branick  : From roughly AD 150 we begin to see adaptations and dedications of private residences for the exclusive use of the church. At this point the buildings should not be considered house churches. These buildings are churches, and soon bear that name.114

Es gibt viele Gründe, warum diese Kirchen bisher nicht gefunden wurden. Man hat nicht nach ihnen gesucht, weil man nicht mir ihnen rechnete. Weil sie nicht zu identifizieren sind. Weil sie im Zuge der Christenverfolgungen zerstört wurden. Oder weil sie in späteren Kirchen aufgegangen sind. Möglicherweise tragen die Archäologen eine Mitschuld, weil auf der Suche nach der klassischen Vergangenheit jüngere Schichten zu schnell abgetragen wurden. Für nicht wenige Kirchen der späteren Jahrhunderte sind sogar vorlaufende Strukturen bekannt, die aber bspw. L. Michael White115 allenfalls im Geist der Hausgemeinden als potenzielle Hauskirchen deklariert hat. Die Christliche Archäologie mag (bislang) den Mythos der Hauskirche nicht zu entmythologisieren, da sie vorkonstantinische Kirchen mit dem Spaten nicht liefern kann und möglichen Kandidaten mit ausgesprochener Skepsis oder definitiver Ablehnung begegnet. Doch müsste sie als Disziplin der Altertumswissenschaft die literarischen Überlieferungen berücksichtigen. Da wäre die Kirche in der syrischen Stadt Edessa (heute Türkei) zu nennen, die 201 von einer großen Flut zerstört wurde. Zu berücksichtigen wären die Beschreibungen von Kirchen in den frühen syrischen Kirchen66

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ordnungen, und nicht zuletzt die historisch bezeugten Restitutionen von Kirchen nach der ersten allgemeinen Christenverfolgung der Jahre 250 bis 260. Das sind eigentlich wohl bekannte Fakten, denen jedoch offenbar nicht dasselbe Gewicht beigemessen wird wie der Hauskirche in Dura.

Das Heiligtum der Kirche der Christen in Edessa und die Kirchen im Osten Die Mitte des 6. Jahrhunderts verfasste Chronik von Edessa schildert ganz zu Anfang die Katastrophe einer Flut, die im Jahr 201 n. Chr.116 Teile der Stadt mit ihren prächtigen Gebäuden fortriss und auch das Heiligtum der Kirche der Christen beschädigt hat117 (Quelle 1). Das syrische Wort haykla, das hier mit Heiligtum wiedergegeben ist, bedeutet eigentlich Palast oder Tempel.118 Es ist dieser kurzen Erwähnung einer Kirche in Edessa nichts über ihre Gestalt, ihre Architektur zu entnehmen, aber ihre Charakterisierung mit einem Wort, das auch Tempel oder Palast bedeuten kann, erlaubt die Annahme eines repräsentativen Bauwerks jenseits aller belang- und bedeutungslosen Versammlungsräume, die als Hauskirchen ihre Sakralität einzig durch die Feier des Gottesdienstes erlangten. Ist diese Kirche in Edessa nicht gerade erst kurz vor dem Eintreffen der Flut fertig geworden, so reicht ihre Erbauungszeit ins 2. Jahrhundert zurück und gibt einen ersten Hinweis auf einen monumentalen Kirchenbau. Auch an der Glaubwürdigkeit der Quelle ist kaum zu zweifeln  : »However there is no reason to doubt the historicity of the reference«, schreibt L. W. Barnard.119 Es sei ein sicheres Faktum in einer dunklen Zeit, bemerkt Paul Kahle.120 Die Kirche in Edessa ist nicht die einzige mit einer sehr frühen Zeitstellung. In der aus mehreren Quellen kompilierten Geschichte Albaniens (Kaukasus), die im Mittelalter Movses Dasxuranci zugeschrieben wurde,121 ist von der Gründung der Kirche in Kiş (manchmal auch Gis, Aserbai­ dschan) die Rede  : Einer der Jünger des Herrn, namens Elisay (Elisäus), der vom heiligen Jakob dem Herrenbruder geweiht wurde, kam in früherer Zeit nach Albanien. Dort predigte er, dann erbaute er eine Kirche, als es noch keine in Armenien gab. Das ist die Kirche in Gis, die allererste des Morgenlandes.122 Das Heiligtum der Kirche der Christen in Edessa und die Kirchen im Osten

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Freilich ist vieles an dieser Quelle unklar. Man erfährt wieder nichts über die Baugestalt dieser Kirche, und nicht einmal ihre Örtlichkeit ist gesichert. Sie wird zwar vielfach in der heutigen Ortschaft Kiş bei Şəki in Aserbai­ dschan lokalisiert, doch es gibt konkurrierende Orte.123 Vor allem spiegelt sich in ihr der Wettstreit zwischen Albanien und Armenien um die ältere christliche Tradition,124 aber sie kann auch nicht einfach beiseitegeschoben werden. Die in Frage stehende Kirche in Kiş in ihrer heutigen Gestalt stammt vermutlich nicht einmal aus dem 5., sondern erst aus dem 11./12. Jahrhundert (Abb. Titelseite links), doch Ausgrabungen haben unter der Kirche ein prähistorisches Heiligtum offenbart. Die Tilgung eines alten Kultplatzes durch eine darauf errichtete Kirche wurde zu einer signifikanten Praxis der christlichen Mission. So soll es sich auch bei der Kathedrale von Etschmiadzin in Armenien verhalten, die Gregor der Erleuchter über Fundamenten eines heidnischen Tempels, wahrscheinlich eines Feuertempels, errichtet haben soll. Mit einer Weihe im Jahr 303 zählte auch sie zu den vorkonstantinischen Kirchen. Zunächst sei zugestanden, dass im Gegensatz zur Kirche in Edessa mit einer hohen historischen Wahrscheinlichkeit die albanische Kirche in Kiş nicht dieselbe Historizität für sich beanspruchen kann. Es muss jedoch auffallen, dass gerade im syrisch-kaukasischen Raum eine frühe, in Teilen sogar durchgreifende Christianisierung zu konstatieren ist. Daran erinnert legendär die Erbauung einer Kirche in Hah (Anıtlı) im Tur Abdin durch die Weisen aus dem Morgenland, wodurch die Gründung des heutigen Mutter-Gottes-Klosters gar in die Zeit kurz nach der Geburt Jesu verlegt ist.125 Was auch immer dort geschehen ist, um die Erbauung einer Kirche kann es sich freilich nicht handeln, doch lässt sich spekulieren, dass dort sehr früh eine Kirche erbaut wurde, deren hohes Alter durch die Legende der Weisen aus dem Morgenland nobilitiert werden sollte. Überhaupt habe es weit im Osten schon zu Lebzeiten des Mari 360 Kirchen gegeben. So weiß es zumindest der 1286 im persischen Täbriz gestorbene Bar Ebroya, auch Gregorius Bar-Hebraeus genannt, in seiner Kirchengeschichte (Chronicum ecclesiasticum) zu berichten  : »Ferunt ejus [sc. Mari] tempore trecentas et sexaginta ecclesias fuisse aedificatas in Orientem.«126 Mari, ein Schüler des Addai (Thaddäus von Edessa), gilt als Apostel des Ostens und wirkte im 1./2. Jahrhundert. Ihm wird auch die Gründung der bereits genannten Kirche in Edessa zugeschrieben, die er mit Mitteln des Königs Abgar von Edessa erbaut haben soll. Die Tradi68

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tion meint zwar König Abgar V., der durch seinen legendären Briefwechsel mit Jesus bekannt geworden ist, historisch wahrscheinlicher ist jedoch Abgar IX. mit einer Regierungszeit zwischen 179 und 216. Aus archäologischer Perspektive verdient die von Bar Ebroya ebenfalls Mari zugeschriebene Kirche in Seleucia bzw. Veh Ardashir (Irak), wie die Stadt nach ihrer 230 erfolgten Umbenennung durch den Gründer des Sassanidenreichs, König Ardashir I., hieß, Beachtung. Da Veh Ardashir eine Vorstadt der alten Metropole von Ktesiphon war, wird diese Kirche auch Kirche von Ktesiphon genannt, so etwa bei Richard Krautheimer.127 Seine mit Fragezeichen versehene Datierung der Kirche in Ktesiphon um 600 soll gar nicht in Frage gestellt werden, wenn es um den archäologisch erhobenen Bau geht. Doch könnte ihre Bauweise durchaus Anhaltspunkte für die ursprüngliche Kirche liefern, denn sie weicht vom sonst bekannten frühchristlichen bzw. frühbyzantinischen Basilikentyp grundsätzlich ab. Der Plan der Kirche, wie ihn Krautheimer darstellt, besteht aus einem rechteckigen, tonnengewölbten Raum (27 × 15 m), an dessen östlichem Ende drei gegen das Langhaus deutlich abgegrenzte Kapellen liegen. Die mittlere ist etwas größer und kann als Raum für Bischof und Klerus interpretiert werden, die seitlichen sind kleiner und wohl als Pastophorien zu verstehen. Der Wandabschluss ist gerade und besitzt nicht die später typische, halbrund oder polygonal vorspringende Apsis. Diese Raumstruktur steht gut im Einklang mit den frühen Kirchenordnungen, wie sie später noch skizziert werden (Abb. 14 und 15). Es handelt sich in Veh Ardashir / Ktesiphon um einen Bautyp, der im südlichen Mesopotamien und in Arabien an einigen weiteren, teils ein-, teils dreischiffigen Kirchen festgestellt werden konnte.128 Dieses Gebiet besaß keinen expliziten Austausch mit Byzanz, weshalb der Kirchenbau weder von der römischen Basilika noch vom byzantinischen Zentralbau beeinflusst wurde. Hier greift auch die Periodisierung in vorkonstantinisch und konstantinisch nicht, weshalb über die Jahrhunderte mit einer kontinuierlichen Kirchenarchitektur gerechnet werden kann. Typisch für diesen Raum sind einschiffige Kirchen mit Tonnengewölbe oder dreischiffige mit drei parallelen Tonnengewölben sowie jeweils drei abgetrennten Räumen (Kapellen) am Kopfende. Für den mittleren Raum ist eine Überhöhung durch eine Trompenkuppel nachgewiesen oder anzunehmen. So somit handelt es sich um das Sanktuarium, während die seitlichen Räume als Pastophorien zu verstehen sind. Schwierig ist die zeitliche Einordnung Das Heiligtum der Kirche der Christen in Edessa und die Kirchen im Osten

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Abb. 14  Grundriss der einschiffigen Kirche von Seleucia-Ktesiphon (Irak) nach Richard Krautheimer. Er datiert den Bau um 600 n. Chr., gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass er einen Bautyp repräsentiert, der im Nahen Osten bereits im 2./3. Jahrhundert für Kirchen in Verwendung stand. Er konnte auch nach der ›konstantinischen Wende‹ aktuell bleiben, weil Mesopotamien außerhalb des Römischen Reiches von der kaiserlichen Bau­ politik unbeeinflusst blieb.

Abb. 15  Vergleich des Grundrisses einer Kirche, wie er sich nach den Angaben der Apo­ stolischen Konstitutionen rekonstruieren lässt, mit der Kirche in Al-Hira, Mound XI.

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dieser Kirchen, die für ihre Gesamtheit, bisweilen aber für das einzelne Gebäude zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert schwankt. Vereinzelt handelt es sich um längst bekannte Gebäude, die nur oberflächlich erforscht sind, aber selbst in der Gegenwart sind die Forschungen in diesem islamisch geprägten Raum aufgrund der politischen Lage schwierig, weshalb z. B. über einen der jüngsten, 1986 gefundenen Kirchenbau in Jubail in Saudi Arabien nur wenig mehr als die Architektur bekannt ist. Doch auch hier ist nach dem Plan von John Langfeldt129 die Zweiteilung des Raums in ein nahezu quadratisches Schiff und drei Kapellen im Osten bei geradem Wandabschluss signifikant. Ähnliche Strukturen besitzen weitere Kirchen am arabischen Golf, die ähnlich Jubail schwer zu datieren sind.130 Ihre Datierung schwankt zwischen dem 4. ( Jubail) und dem 6./7. Jahrhundert (Sir Bani Yas), ohne dass es wirklich belastbare Gründe gibt. Bei einem Vergleich dieses Bautyps mit den weiter unten behandelten frühen Kirchenordnungen drängt sich eine Entsprechung mit den darin gemachten Vorgaben für einen Kirchenbau geradezu auf.

Archaische Kirchenarchitekturen im Römischen Reich Man darf darauf verweisen, dass Kirchentypen, wie sie gerade für das östliche, außerhalb des Imperium Romanum gelegene Mesopotamien und Arabien genannt wurden, auch innerhalb römischer Grenzen noch zu finden sind. Als Langrechteck mit einer dreischiffigen Gliederung und einem dreigeteilten, geraden Ostabschluss werden die Kirchen von Bobalá (auch El Bovalar) bei Serós (Prov. Lerida) und Las Tamujas bei Malpica (Prov. Toledo) auf der Iberischen Halbinsel sowie von Son Pereto auf Mallorca beschrieben.131 Bei diesen Architekturen handelt es sich offenkundig um Bauten, die vom Typ der Basilika (noch) nicht beeinflusst sind. Die Kirche in Son Pereto auf Mallorca kann als dreischiffiger Rechteckraum mit dreigeteiltem Ostabschluss beschrieben werden und ähnelt den genannten Beispielen in Mesopotamien. Der Befund von Bobalá zeigt zudem, dass der Kirchenbau nicht isoliert steht, sondern an ein unregelmäßig scheinendes Konglomerat von Baulichkeiten angegliedert ist. Es ist zwar nicht klar, welche Gebäude konkret dem kirchlichen Komplex und in welcher Funktion zuzuordnen sind, aber man gewinnt einen Eindruck, Archaische Kirchenarchitekturen im Römischen Reich

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wie Kirche und die mehrfach schon erwähnten Funktionsräume zusammenspielen und einen Kirchenkomplex bilden. Freilich kann dies nur der Versuch sein, sich einen vorkonstantinischen Kirchenkomplex vorzustellen, denn mehr oder weniger übereinstimmend wird der Bau ins 5. bis 7. Jahrhundert, in westgotische Zeit datiert.132 Eine ähnliche Datierung gilt für die anderen genannten Kirchen, die ebenfalls nur illustrierend angeführt sind, weil sie vielleicht tatsächlich frühere Verhältnisse bewahrt haben. Beispielhaft kann zudem geographisch weit entfernt der Komplex von Khirbet et-Tireh bei Ramallah in der palästinensischen Westbank genannt werden.133 Innerhalb eines 28,5 mal 25,5 m messenden Areals befinden sich eine Kirche und eine Agglomeration verschiedener Räume, die sicher Teil des Kirchenkomplexes waren und von den Ausgräbern hilfsweise als auxiliary side rooms bezeichnet werden. Sie dienten gewiss den verwaltungstechnischen, diakonischen und weiteren Aufgaben einer Gemeinde. Hauptgebäude ist der eigentliche Gottesdienstraum, eine dreischiffige, im Rechteck angelegte basilikale Anlage. Am Ostende befinden sich ein hervorgehobener Raum für den Klerus und zwei seitliche Annexe (Pastophorien). Neu ist, dass der mittlere Klerusraum eine interne Apsisrundung besitzt. Hinweise auf die Zeitstellung liefern Münzen von Constantius II., weshalb eine Datierung in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts wahrscheinlich, eine frühere ins ausgehende 3. nicht ausgeschlossen ist. Typisch für die genannten Beispiele ist die Form einer Komplexanlage, die neben einem Kirchenraum weitere Funktionsräume um sich schart, wobei der Raum für den Gottesdienst zwar deutlich hervorgehoben erscheint, aber noch eine rechteckige, quasi vorbasilikale Form aufweist. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Beispiele von Kirchen mit innenliegender, nach außen nicht hervortretender Apsis, die den ursprünglichen rechteckigen Grundriss bewahren. Freilich sind dies allenfalls Annäherungen an einen vorkonstantinischen Kirchenbau, aber die nachfolgend angeführten Kirchenordnungen bestätigen im Wesentlichen solche Grundstrukturen.

Die Kirche im Spiegel der frühen Kirchenordnungen Die ersten Hinweise auf die Gestaltung einer Kirche liefern die frühen Kirchenordnungen, in denen Grundsätze des christlichen Glaubens, der Liturgie und des Versammlungsortes formuliert sind. Die älteste unter ihnen, die 72

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Didache oder Zwölfapostellehre, die vermutlich noch im 1. Jahrhundert von verschiedenen unbekannten Autoren wahrscheinlich in Syrien verfasst wurde, ist noch unergiebig. So heißt es in 14,1 lediglich  : »Am Tage des Herrn versammelt euch, brechet das Brot und saget Dank, nachdem ihr zuvor eure Sünden bekannt habet, damit euer Opfer rein sei.« Ergiebiger ist die syrische Didaskalia (Didaskalia Apostolorum), ein im 3. Jahrhundert (um 280  ?) in Palästina oder Syrien entstandenes Werk mit Vorschriften über kirchliches Leben und kirchliche Disziplin, das sich auf apostolischen Ursprung beruft. Es ist zwar nur in syrischer Sprache erhalten, doch war es ursprünglich in griechischer Sprache verfasst und darf damit durchaus eine überregionale Geltung beanspruchen. Hier wird in Kap. 12 verordnet  : »Bei euren Zusammenkünften aber in den heiligen Kirchen haltet eure Versammlungen in durchaus musterhafter Weise ab und bestimmt für die Brüder sorgfältig die Plätze mit aller Schicklichkeit.«134 Es ist von Kirchen die Rede, in denen eine Ordnung der Plätze geboten ist. »Für die Presbyter aber werde der Platz an der Ostseite des Hauses abgesondert, und der Thron des Bischofs stehe (mitten) unter ihnen, und die Presbyter sollen bei ihm sitzen.« Daraufhin folgt eine ausgesprochen detaillierte Anweisung zur Sitzordnung der Laien nach Geschlecht, familiärem Stand und Alter. Explizit setzen diese Anweisungen keinen fixen Kirchenraum voraus, denn man könnte freilich einen beliebigen Raum mit mobilem Gestühl entsprechend einrichten (Quelle 2). Diese Kirchenordnung nimmt bereits Gestaltungselemente vorweg, die für den Kirchenbau nach Konstantin konstitutiv sind  : die strenge Scheidung von Klerus und Laien, die durch den Einbau von Schrankenanlagen organisiert wird, sowie die Sitzordnung der Kleriker auf einer in die Apsis eingefügte oder freistehende halbrunde Priesterbank, die Synthronon genannt wird, weil sie sich zu beiden Seiten des erhöhten Bischofthrons anschließt. Ist zudem vom Sitzen der Laien die Rede, so lassen sich archäologisch gemauerte Bänke entlang der Seitenschiffe nachweisen. Aus Kircheninventaren lässt sich außerdem das Vorhandensein mobiler Bänke und Sitze erschließen.135 Dass man dem Gottesdienst im Sitzen beiwohnt, erinnert überzeugend an den Synagogendienst. So gehören Bänke entlang der Seitenwände zum archäologischen Befund sowohl der frühen Synagogen wie mancher frühchristlicher Kirchen. Nimmt man die Apostolischen Konstitutionen hinzu, so ergeben sich weitere Hinweise. Diese Kirchenordnung, die ausführlich Gottesdienst Die Kirche im Spiegel der frühen Kirchenordnungen

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und Lehre der frühen Kirche behandelt, galt als Werk der Zwölf Apostel, deren Instruktionen von Clemens von Rom gesammelt und überliefert wurden. In der bekannten Fassung stammt sie zwar erst aus den Jahren 375/380, bewahrt jedoch offenkundig vorkonstantinische Verhältnisse. Darin heißt es an den Bischof gerichtet u. a. (2. Buch, Kap. 57)  : Wenn du aber die Gläubigen in der Kirche Gottes um dich versammeln willst … Was vorerst das Haus der Versammlung betrifft, so sei es länglich und schaue gegen Morgen, und auf beiden Seiten habe es gegen Osten Pastophorien, so daß es einem Schiff gleicht. In der Mitte soll der Thron des Bischofs stehen – zu seinen beiden Seiten sitze die Priesterschaft  ; die Diakonen sollen stehen, leicht gekleidet, denn sie gleichen den Matrosen und den Ruderknechten. Sie haben dafür zu sorgen, daß das Volk in den übrigen Räumen sich ruhig und mit Anstand versammle und Platz nehme  ; die Frauen sollen getrennt sitzen und Stillschweigen beachten. Der Lektor lese nun von einem erhöhten Orte in der Mitte der Kirche die Schriften.136

Hier wird bestimmt, dass die Kirche länglich und geostet ist sowie beidseits (des Klerusbereichs) Pastophorien haben soll. Im Osten der Kirche soll der Thron des Bischofs stehen, während die Presbyter zu beiden Seiten des Bischofs sitzen sollen. Für die Lesung der Heiligen Schrift ist ein Ort in der Mitte der Kirche vorgesehen. Außerdem finden sich hier noch ausführlichere Anweisungen zur Sitzordnung der Laien (Quelle 3). Vergleicht man diese Vorgaben mit den mesopotamischen Kirchen, wie sie bereits erwähnt wurden, so ergibt sich eine deutliche Entsprechung. Besonders augenscheinlich wird eine solche Übereinstimmung bei der bereits 1932 von Talbot Rice publizierten Kirche in Al-Hira Nr. 6 bzw. Mound XI (Abb. 15)  : Sie besitzt einen rechteckigen, dreischiffigen, nach Südosten gerichteten Grundriss, einen Ambo in der Mitte sowie den dreigliedrigen Ostabschluss mit dem Zentralraum für den Klerus und den flankierenden Pastophorien.137 Talbot Rice datierte den Bau ins 6. Jahrhundert, doch sind die Kriterien dafür mager. Und – wie bemerkt – kann dieser Kirchbautyp sehr viel ältere Formen bewahrt haben, die unabhängig von römischem Einfluss noch lange Jahrhunderte gepflegt wurden. Die politischen Parameter in den Staaten, wo sich die Kirche des Ostens etabliert hat, stellen sich für weitere Forschungen nicht günstig dar. Ob weitere, neue oder ggf. revidierende Ergebnisse zu erwarten sind, ist deshalb eher als wenig wahrscheinlich einzuschätzen.138 74

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Doch verweisen die Apostolischen Konstitutionen nicht nur auf die Anfänge des Kirchenbaus, sondern besitzen mit der Vorgabe von Pastophorien und Ambo Strukturen, die sich im späteren Kirchenbau tatsächlich wiederfinden. Man möchte daraus den Schluss ziehen, dass die späteren bekannten Kirchen doch etwas mehr über die vorkonstantinischen Kirchen aussagen, als man gemeinhin annehmen möchte. In jedem Fall lassen die Kirchenordnungen erkennen, dass man die Ausgestaltung des Gottesdienstraumes nicht dem Zufall oder dem Geschmack der jeweiligen Gemeinde überlassen wollte. Angaben zur Liturgie und zum Kirchenraum belegen, dass man schon feste Vorstellungen von dessen räumlicher Disposition besaß. Ob sie überall konsequent eingehalten werden konnten, ist daraus freilich nicht abzuleiten. Gerade in der ältesten archäologisch eindeutig nachweisbaren Kirche in Dura Europos scheint man diese Vorgaben nicht berücksichtigt zu haben.

Der Kirchenkomplex in Dura Europos und der Hauskirchenirrtum In allen Handbüchern der Christlichen Archäologie und in den Abhandlungen zum frühchristlichen Kirchenbau wird sie als die älteste Kirche benannt, und entsprechend heißt die jüngste Monographie zur Kirche in Dura Europos von Michael Peppard schlicht The World’s Oldest Church.139 Bereits im Standardwerk zum frühchristlichen Kirchenbau von Richard Krautheimer nimmt sie diesen besonderen Rang ein, und ihre Abbildung erscheint als fig. 1 (Abb. 16). Es ist ausgerechnet diese viel zitierte Ikone des frühchristlichen Kirchenbaus, die generelle Referenz für alle Vertreter der Hauskirchentheorie, die eigentlich nur Verwirrung stiftet. Gerade die sog. Hauskirche von Dura Europos widerspricht den Kriterien für einen Gottesdienstraum, die den genannten Kirchenordnungen zu entnehmen sind. Die Fakten  : An der Stadtmauer von Dura Europos inmitten einer durchgehenden Bebauung140 befindet sich ein Haus mit einem nicht ganz regelmäßigen Grundriss von etwa 17 × 20 m, dessen Räume sich um einen Hof gruppieren. Der größte Raum an der Südseite, wohl das Triclinium, wurde bei einem Umbau um einen angrenzenden Raum erweitert, so dass die Raumgröße auf 13 × 5 m anwuchs. Die ursprünglich an den Wänden angeordneten Klinen des Tricliniums wurden bei der Erneuerung des Fußbodens überdeckt. Über dem neuen Fußboden wurde an der Ostwand ein Der Kirchenkomplex in Dura Europos und der Hauskirchenirrtum

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Abb. 16  Isometrische Darstellung der Haus­ kirche von Dura Euro­ pos (Syrien), um 230, nach Richard Krauthei­ mer. Bemerkenswert ist, dass Krautheimer hier nicht von Hauskir­ che (House church) spricht, sondern in der Bildunterschrift von Christian community house bzw. im Text von meeting place spricht.

20 Zentimeter hohes Podium von etwa 1 × 1,5 m angelegt, zudem anschließend ein Minipodium von allenfalls 20 × 20 cm. Seitlich vom Podium öffnet eine Tür den Zugang zu einem kleinen, dahinterliegenden Raum. Dass sich hier die christliche Gemeinde von Dura versammelte, legt der Raum an sich nicht nahe. Seine Funktion als Kirche innerhalb dieses Hauses erschließt sich erst aus einem weiteren Raum an der Nordseite, der einen trogartigen Einbau mit einem auf zwei Säulen ruhenden Baldachin besitzt. Ausschlaggebend sind die Malereien mit unzweifelhaft alt- und neutestamentlichen Motiven an den Wänden dieses Raumes, der recht übereinstimmend als Baptisterium verstanden wird, ohne dass es dafür einen letztlich gesicherten Beweis gibt. Der Vermutung, es könne sich um eine Grab- bzw. Märtyrerkapelle handeln, konnte nur mit Indizien widersprochen werden. Eine griechische Inschrift auf der Westwand der Versammlungshalle nennt das Jahr 545 der seleukidischen Ära, was dem Jahr 232/233 n. Chr. entspricht, außerdem fand man unter dem Boden des Versammlungsraums eine Münze aus der Zeit von Alexander Severus (222 – 235). Unklar ist, ob das Jahr der Inschrift den Bau des Hauses oder den Umbau datiert. Der 76

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evangelische Theologe Ulrich Mell geht davon aus, dass zwei Nutzungsphasen zu unterscheiden sind. Zunächst sei das Haus von 232/233 bis ca. 240 vom Bauherrn, dem Christen Dorotheos141, privat genutzt worden. Er habe jedoch »als situierter christlicher Hausvater […] die privaten Räume seines Anwesens zudem für wöchentliche gottesdienstliche Versammlungen der städtischen Christenheit von Dura Europos geöffnet«142. Dann sei »aufgrund einer Übereinkunft zwischen dem Pater familias des privaten christlichen Hauses, Dorotheos, und der christlichen Gemeinde von Dura Europos […] das Gebäude irgendwann im 5. Jahrzehnt des 3. Jh. n. Chr. der Gemeinde zur Verfügung gestellt und in eine christliche Hauskirche umgebaut« worden.143 Diese angenommene Abfolge bietet das geradezu idealtypische Bild von der Hausgemeinde zur Hauskirche. Freilich kann das Gebäude auch von der christlichen Gemeinde käuflich erworben worden sein. Man weiß es einfach nicht. Jegliche Funktion verlor das Gebäude bereits im Jahre 256, als man im Zuge der Verstärkung der Stadtmauer zum Schutz vor einem sassanidischen Angriff die umgebenden Häuser mit Sand auffüllte. Dieser Umstand hat allerdings zur zumindest teilweisen Erhaltung des Gebäudes und seiner Malereien geführt und sichert zugleich die Zeitstellung als terminus ante quem. Der Versammlungsraum lässt eigentlich alles vermissen, was man aufgrund der genannten Kirchenordnungen erwarten müsste. Der Raum ist nicht nach Osten ausgerichtet, doch ist dies der Einordnung in die umgebende Bebauung geschuldet. Er besitzt keine Pastophorien, doch kann man ihre Funktion dem Raum hinter dem Podium zuweisen. Es fehlen erkennbare trennende Glieder zwischen Klerus und Laien sowie das Gestühl für Bischof und Presbyter. Doch kann man mit beweglichem Mobiliar für das Gestühl, die Schranken und schließlich auch für den Altar sorgen, von dem sich ebenfalls keine Spuren gefunden haben. All dies soll die Funktion dieses Raumes als christlichem Versammlungsraum gar nicht in Frage stellen, aber es sei schon festgehalten, dass es sich um eine eher untypische Kirche handelt. Das mag natürlich dem vielleicht geringen Vermögen der Gemeinde geschuldet sein, die lediglich in der Lage war, ein normales Wohnhaus für ihre Zwecke zu erwerben. Falls die Bestimmung des südlich gelegenen Raumes als Baptisterium zutrifft, hat sich die Gemeinde damit eine Art Gemeindezentrum geschaffen mit einem weiteren Raum unklarer Funktion an der Westseite. Der Kirchenkomplex in Dura Europos und der Hauskirchenirrtum

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All dies hat die Kirchenhistoriker mit Unterstützung der Archäologen nicht daran gehindert, das Gebäude in Dura zur prototypischen Hauskirche zu stilisieren. Sie gilt gewissermaßen als archäologischer Beweis für das seit urchristlicher Zeit praktizierte Hauskirchenwesen. Stellvertretend sei der in Jerusalem lehrende Archäologe Joseph Patrich zitiert  : To judge from the archaeological record, during the first 250 to 300 years Christians did not have a house of prayer of a definitive shape, easily recognizable at a glance from the outside. In cities, towns, and in the countryside, Christians assembled in inconspicuous private dwellings that were adapted to serve the religious and other manifold needs of the congregation. Such a house is known in the scholarly literature as domus ecclesiae. Its size and installations reflect the status of the congregation and liturgical requirements. The Christian house in Dura Europos, on the Euphrates, is of this type.144

Letztlich besteht die Konfusion aber darin, das im architektonischen Sinn durchaus als Hauskirche zu bezeichnende Gebäude in Dura zugleich im idealen Sinn als Hauskirche einer Hausgemeinde zu verstehen. Das archäologisch erforschte Gebäude ist nicht eine Hauskirche, sondern die Kirche von Dura gewesen. So notiert Stefan Heid  : Von fundamentaler Bedeutung für die vorkonstantinische Zeit ist die christliche Versammlungsstätte in Dura Europos am Euphrat (232/33 – 256/57). Sie gilt als einziges, unbestrittenes Beispiel einer Hauskirche, wenn man unter Hauskirche ein römisches Privathaus versteht, dessen Räume für den kultischen Gebrauch umgebaut wurden. Faktisch handelt es sich also um eine Kirche (domus ecclesiae). Es handelt sich zudem um das einzige christliche Gotteshaus der Stadt, offensichtlich die Bischofskirche, worauf das Baptisterium deutet. Mithin versammelten sich alle Christen von Dura Europos dort zum Gottesdienst. Der große Saal bietet etwa 65 – 75 Personen Platz145

und damit Raum genug für die kleine Gemeinde einer Kleinstadt. Der Wert der Kirche von Dura, die durch bestimmte Anpassungen ein normales römisches Haus nutzt, soll überhaupt nicht bestritten werden. Sie dokumentiert ein Beispiel kirchlichen Gemeindewesens, wie es etliche mehr gegeben hat. Doch darf sie nicht als zu verallgemeinernder Typus des Kirchenbaus der Jahrhunderte vor Konstantin herangezogen bzw. ideali78

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siert werden, als hätte es nichts anderes gegeben, zumal Dura ganz an der östlichen Peripherie des Römischen Reiches lag.

Die Kirche von Megiddo Man hätte sich natürlich gewünscht, ein richtiges Kirchengebäude aus dem 2. oder 3. Jahrhundert zu finden, doch stattdessen legte der Archäologe Yotam Tepper 2005 in Kefar ›Othnay nahe Megiddo (Israel) eine frühchristliche Kirche frei, die er als Prayer Hall bezeichnete.146 Das erweckt den Anschein, als würde der Archäologe seinen eigenen Augen nicht trauen und es nicht wagen, von einer Kirche zu sprechen. Andere waren mutiger und sprachen von The Ancient Church of Megiddo.147 Ungeachtet der Benennung weist der Befund von Megiddo unübersehbar Parallelen zu Dura Europos auf und scheint die Hauskirchenthese zu bekräftigen. Es handelt sich um ein römisches Haus, das durch gezielte Umbaumaßnahmen zu einem christlichen Versammlungsort gestaltet wurde. Er liegt gewissermaßen etwas abseits eines Weges und wird durch einen kurzen Zuweg erschlossen. Das gesamte Gebäude misst etwa 20 × 30 m und ist damit etwas größer als das Haus in Dura (Abb. 17a). Der Versammlungsraum selbst ist 10 m lang und 5 m breit und damit ähnlich breit, aber etwas kürzer. Über die Funktion der weiteren Räume dieses Hauses ist nichts bekannt. Im Wesentlichen bestätigt die Megiddo Church den Befund von Dura, in dem es sich um einen rechteckigen, nord-süd-orientierten Raum ohne signifikante architektonische Elemente handelt. So mag man durchaus an der dem Aufsatz von Tepper/Di Segni beigefügten, von T. Melchin gezeichneten Rekonstruktion Zweifel hegen, die wohl zu sehr vom Denken in basilikalen Formen beeinflusst ist (Abb. 17b). Als christlicher Versammlungsraum gibt er sich durch seine Ausstattung zu erkennen. Ziemlich in der Mitte des Raumes erhebt sich ein blockartiger Stipes, der eine Altarplatte getragen haben dürfte. Dies ergibt sich aus den Inschriften, die in einen ansonsten weitgehend ornamentalen Mosaikboden eingefügt sind (Abb. 17c). Quer zum Raum in der Flucht des Stipes befinden sich zwei kleinere Mosaikfelder, die flächig mit auf den Kopf gestellten Quadraten gefüllt sind, die mittig einen Punkt besitzen. In der Längsrichtung des Raumes befinden sich zu beiden Seiten des Stipes zwei größere Mosaikfelder, ebenfalls ornamental geschmückt  ; das kleinere, südliche Mosaikfeld besitzt zwei InDie Kirche von Megiddo

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Abb. 17a  Plan des Gebäudekomplexes, in dem sich die sog. Megiddo-Church befindet.

schriften, das größere, nördliche Feld eine Inschrift und in einem zentralen Medaillon die Darstellung zweier gegenläufig angeordneter Fische. Freilich passte die Ikonographie der Fische gut zu einem christlichen Abendmahlsraum, ebenso gut aber in einen antiken Speiseraum. Unverkennbar christlich sind jedoch die Inschriften. Auf eine Altarstiftung bezieht sich die griechische Inschrift der Akeptous im kleineren Mosaikfeld (in Übersetzung)  : »Gestiftet hat Akeptous, die Gott liebt, diesen Tisch Gott Jesu Christi (IY XW) zum Gedächtnis«. Damit scheint die Existenz des Altares gesichert zu sein. In eben diesem Feld lautet eine zweite Inschrift mit memorialem Charakter  : »Erinnert Primilla und Kyriaka und Dorothea besonders auch Chreste.« Quer zum Raum entlang der Längsseite des größeren Mosaikfeldes verläuft die dritte Inschrift  : »Gaianus, der auch Porphyrios (genannt wird), Centurio, unser Bruder, hat diesen Boden auf eigene Kosten machen lassen als Zeichen seiner Freigiebigkeit. Brutius hat das Werk ausgeführt.« Überraschend sind im Gegensatz zu Dura die Bodenmosaiken und mehr noch die darin befindlichen Inschriften, die zur (Gebets-) Erinnerung auffordern und den Stifter sowie den Ausführenden eines Mosaiks benennen. 80

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Abb. 17b  Rekonstruktion der sog. Megiddo-Church. Sie orien­ tiert sich wohl zu sehr an einem basilikalen Typus. Abb. 17c  Zwei große und zwei kleine Mosaikfelder umgeben einen Block, der wohl als Altar-­ Stipes zu verstehen ist.

Die Kirche von Megiddo

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Und noch verblüffender muss die durch eine Inschrift bezeugte Stiftung eines Altars wirken, der zumindest in Form eines festen Steinsockels erhalten ist. Wenn das alles nach Überzeugung des Ausgräbers in vorkonstantinische Zeit zu datieren ist, dann wären es der älteste erhaltene Altar und die ältesten erhaltenen Memorial- und Stifterinschriften im Kirchenraum, wie sie sonst erst im 5./6. Jahrhundert in großer Zahl als wichtiger Teil der Kirchenausstattung belegt sind. Dies lässt manche Forscher an der frühen Datierung Teppers zweifeln148 und erlaubt noch keine endgültige Beurteilung. Angesichts der Zweifler beklagte Robert Smith einmal mehr das Denkverbot, das grundsätzlich bei vorkonstantinischen Kirchen verhängt wird  : »This announcement was met with opposition from scholars, who did not believe that church structures of this sophistication existed at the time.«149 Und man darf wirklich fragen, warum eine Kirche im 3. Jahrhundert nicht mit einem Mosaikboden ausgestattet sein sollte, der Stifter- und Memorialinschriften sowie das Motiv eines Fisches aufweist. Vor der zufälligen Entdeckung der Kirche von Dura Europos hätte man wahrscheinlich auch ausschließen wollen, dass die Wände einer Kirche des 3. Jahrhunderts mit biblischen Motiven bemalt wurden. Ob nun tatsächlich die Megiddo Church der älteste christliche Sakralraum ist, der archäologisch nachgewiesen ist und mit Altar, Bodenmosaiken (Fisch), Stifter- und Memorialinschriften signifikante Merkmale eines christlichen Kultraums aufweist, steht und fällt also mit seiner Datierung. Tepper plädierte nach Analyse der keramischen und numismatischen Funde für eine Zeitstellung um 230, die er historisch mit der toleranten Christenpolitik von Alexander Severus stützte. Der 2015 verstorbene Archäologe Vassilios Tzaferis hielt eine Datierung in die kleine Friedenszeit nach 250 für wahrscheinlicher.150 Stefan Heid tendierte ebenfalls womöglich zu einer Datierung im 3. Jahrhundert. Für ihn wäre es zudem der älteste nachgewiesene sakrale, aus Stein gemauerte Altar, »wenn der dortige Kultraum wirklich aus dem dritten Jahrhundert stammt.«151 Die Zweifel an der frühen Datierung beruhen vor allem darauf, dass man eine derartig vollständige Kirchenausstattung mit Altar, Bodenmosaiken, Memorial- und Stifterinschriften in dieser Epoche nicht erwartet bzw. vor Konstantin ausschließen zu können glaubt.

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Die Hauskirchen von Stobi und Martigny Obwohl die Hauskirche von Stobi später als Dura Europos und Megiddo und mit einer Münze des Galerius Maximianus (293/311) erst kurz vor der Friedenszeit datiert wird, sei sie hier genannt, wenn es denn eine Hauskirche gewesen ist. Immerhin hat sie die nordmazedonische Archäologin Blaga Aleksova so bezeichnet und strukturell mit Dura Europos verglichen.152 Die Hauskirche, deren zentraler Raum 1993 entdeckt wurde und eine nahezu quadratische Fläche von 7 × 7,20 m einnimmt, ist in einem Gebäudekomplex im Stil der üblichen Hausarchitektur eingerichtet worden. Über diesem Gebäudekomplex errichtete man später die Bischofskirche von Stobi in zwei Phasen. Der ältere Bau stammt aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Aufsehen erregt oder gar fachspezifische Wellen geschlagen hat dieser Befund allerdings nicht. Er wurde schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen konnte man 2012 in dem Online-Magazin Fasti Online den lapidaren Satz lesen »[…] before the Old Basilica was constructed no remains indicating that the church was preceded by domus ecclesiae were found.«153 Mag sein, dass Blaga Aleksova nicht viele Argumente auf ihrer Seite hatte, aber die völlig Ignoranz ihrer Ausführungen zeugt von der grundsätzlichen Skepsis gegenüber Befunden vorkonstantinischer (Haus-) Kirchen. Dabei sind ältere Gebäudestrukturen unter späteren Kirchen immer ein Verdachtsfall, hier einen christlichen Versammlungsraum zu vermuten. Bei ihrer Besprechung der Kirche Notre-Dame-des-Champs in Martigny und ihrer Vorgängerstrukturen haben Guido Faccani und Hans-Rudolf Meier genau diesen Sachverhalt thematisiert. Diese Kirche war über dem Teil eines größeren Wohnkomplexes erbaut worden  : »Entsprechend ist die Frage nach dem Verhältnis zu diesen Vorgängerbauten zu stellen, womit das interessante, aber oft schwer lösbare Problem der Transformation vom Wohnhaus, der domus, zur domus ecclesiae angesprochen ist.«154 Im Falle von Martigny haben die beiden Autoren unter der bis heute bestehenden Kirche schwer deutbare antike Strukturen festgestellt, die sie als mehrräumigen Gebäudekomplex beschrieben, der funktional nicht zu bestimmen ist. Baumaßnahmen in einer zweiten Phase »klären nun die Situation, indem die Anlage in mehreren Schritten zu einer schliesslich zweifelsfrei erkennbaren Kirche transformiert wurde.«155 Als prägnant sahen sie die Erweiterung des Nordsaales um eine nach Osten gerichtete Exedra an, womit eine Die Hauskirchen von Stobi und Martigny

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herausgehobene Zone geschaffen worden war. Die Exedra selbst sei zwar als gemeinhin verwendetes architektonisches Element noch kein Argument pro Kirche, aber sie führen drei weitere Argumente an  : Erstens der Kontrast zwischen der weiterhin bescheidenen Ausstattung des Apsidensaals und der Repräsentationsform ihres Ostabschlusses, würde man doch bei einem relativ einfachen Wohnbau Investitionen in andere Massnahmen zur Hebung des Wohnkomforts für vordringlicher halten […] (Zweitens) Die Exedra stand nicht frei, sondern war mindestens im Norden von einem Nebenraum teilweise verdeckt  ; von ihm hat sich ein schmales Mauerrestchen und Teile eines Mörtelbodens erhalten. Die Wirkung der Apsis zielte folglich nach Innen, wo sie den Nordsaal würdig abschloss […] Schliesslich soll drittens die Kontinuität angeführt werden, ist doch schon bald eine bis heute durchgehende kirchliche Nutzung der Anlage mit Sicherheit zu belegen.156

Wie im Falle von Stobi ist die kontinuierliche Nutzung als Kirche das wichtigste Indiz für eine vorlaufende (Haus-) Kirche.

Haussynagogen als Vorbild oder parallele Erscheinung Ziemlich am anderen Ende des antiken Stobi befindet sich eine Basilika, die über einer älteren Synagoge an dieser Stelle errichtet wurde. Doch nicht dieser Umstand erweckt die Aufmerksamkeit, sondern die Tatsache, dass diese Synagoge als Stiftung aus einem Privathaus hervorgegangen ist. Hier ist demnach dasselbe Phänomen wie bei christlichen Hauskirchen zu beobachten. Synagogen wie Kirchen können ihren Ursprung in normalen Häusern haben. Es ist die berühmte, vielfach behandelte, erwähnte oder zitierte Polycharmus-Inschrift.157 Auf einer gut 2 m hohen Säule158 liest man sehr ausführlich, dass Claudius Tiberius Polycharmus, der hier als ›Vater der Synagoge‹ (πατὴρ τῆς συναγωγῆς) bezeichnet wird, aus eigenem Vermögen Räume (im Erdgeschoss), u. a. das Triclinium, für eine Synagoge stiftete, während er sich selbst ein Wohnrecht im Obergeschoss sicherte. Der damit sehr gut dokumentierte Übergang von einem Privathaus (und einer Privatsynagoge) zum gemeindeeigenen Synagogengebäude ist für antike Synagogen mehrfach vermutet oder sogar belegt, z. B. in Delos, Priene, Sardes und Dura Europos.159 Der Übergang eines privaten Gebäudes in ge84

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meindlichen Besitz, im Falle von Stobi durch eine Stiftung, muss demnach als ganz normaler Vorgang angesehen werden.

Archäologische Revisionen am Beispiel von Oratorium A in Salona Während Befunde wie in Stobi oder Martigny im Kontext christlicher Versammlungsräume aus vorkonstantinischer Zeit praktisch nicht zur Kenntnis genommen wurden, musste man sich mit jenen auseinandersetzen, die in der älteren Forschung zunächst unwidersprochen den Status einer vorkonstantinischen Hauskirche erlangt hatten. Dazu gehört ein Gebäude in Salona, das bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als Hauskirche angesprochen und zuletzt von Ejnar Dyggve unter der Bezeichnung Oratorium A in der Wissenschaft etabliert wurde.160 Ein Rechtecksaal mit halbrunder, gemauerter Priesterbank soll durch den Umbau einer privaten Badeanlage zu einer Hauskirche umgestaltet worden sein. In dieser Interpretation folgten ihm 1972 Heinz Kähler, 1987 Branimir Gabričević und 1991 Nenad Cambi, doch das Blatt wendete sich durch eine archäologische Revision des Oratoriums A durch ein kroatisch-französisches Team. Ein antikes Gebäude sei erst in einer dritten Phase zu einem Bad umgebaut worden und eine christliche Adaption erst im 5. oder 6. Jahrhundert erfolgt.161 Ähnliche Revisionen haben immer wieder dazu geführt, selbst etablierte vorkonstantinische Versammlungsräume oder Kirchen aus der Diskussion zu nehmen.

Weitere Kirchen Die Sichtbarkeit der Herrschaft Jesu begründete der Kirchenvater Origenes (185 – ca. 254) u. a. damit, dass Kirchen gebaut würden.162 Die Existenz von Kirchengebäuden bestätigte Clemens von Alexandrien (150 – 215) gerade dadurch, dass er den Ausdruck der Heiligkeit Gottes eher in der Gemeinde als in dem Gebäude, wo sie sich versammelt, gespiegelt sah  : Wenn aber der Begriff ›das Heilige‹ in zweierlei Bedeutung gebraucht wird, von Gott selbst und von dem zu seiner Ehre errichteten Bauwerk, wie sollten wir da Weitere Kirchen

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nicht im vollen Sinn die Kirche, die zur Ehre Gottes auf Grund voller Erkenntnis heilig geworden ist, ein Heiligtum Gottes nennen, das viel wert ist und nicht durch Handwerkskunst erbaut, aber auch nicht von der Hand eines Gauklers ausgeschmückt, sondern durch den Willen Gottes selbst zu einem Tempel gemacht ist  ? Denn ich nenne hier nicht den Raum, sondern die Gemeinschaft der Auserwählten ›Kirche‹. Dieser Tempel ist besser dazu geeignet, die Erhabenheit der Würde Gottes in sich aufzunehmen. Denn das Wesen, das viel wert ist, das ist dem, der alles wert ist, dem gegenüber vielmehr alles wertlos ist, wegen seiner überragenden Heiligkeit geweiht.163

Clemens verdeutlicht hier nicht nur, dass es im 2. Jahrhundert Kirchen gab, denen man Heiligkeit zuschrieb, sondern dass es sich um Gebäude handelte, die mit Handwerkskunst errichtet und ausgeschmückt waren, auch wenn er von solchem Kirchenschmuck offensichtlich wenig hielt. Dass Christen der Erwerb von öffentlichem Grund und Boden für den Bau von Kirchen zumindest zeitweise offiziell erlaubt war, bestätigt eine Einschätzung des Kaisers Severus Alexander (222 – 235), die in der Historia Augusta überliefert ist. Es sei besser den Christen einen solchen Erwerb zu erlauben als irgendwelchen Kneipenbetreibern, denn der Gottesdienst für welche Gottheit auch immer, wäre allemal besser, als den Platz den Kneipenbetreibern zu geben, wird der Kaiser zitiert.164 Bestätigt wird die Existenz von Kirchen durch den Kirchenhistoriker Eusebius, der in seiner Kirchengeschichte berichtet, dass nach den ersten allgemeinen Christenverfolgungen durch Decius und Valerian die Kirchen auf Anordnung von Cäsar Publius Licinius Gallienus, den Euseb den Frommen, Glücklichen und Erlauchten nennt, zurückerstattet werden sollten (Quelle 4). Das geschah in den Jahren nach 260/261, als Kaiser Gallienus sein Amt angetreten hatte. Euseb spricht also von Kirchen, die vor 250 und dem Einsetzen der Christenverfolgung unter Decius errichtet wurden. Da Stefan Heid mit großer Akribie wahrscheinlich gemacht hat, dass es in jeder Stadt nur eine Kirche, die des Bischofs, gegeben hat, kann es sich bei diesen restituierten Kirchen nicht um kleine, private Hauskirchen gehandelt haben. Es müssen Kirchen gewesen sein, deren Fassungsvermögen für die jeweilige Ortsgemeinde ausreichte. Das kann wie im Falle der kleinen Gemeinde von Dura Europos eine Kirche gewesen sein, die ein modifiziertes Wohnhaus nutzte, doch in den Städten, erst recht in den Großstädten, müssen es große Kirchengebäude gewesen sein. 86

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Das muss nach Heid auch für Rom gegolten haben, wo man doch seid Johann Peter Kirsch unter den späteren Stadtkirchen den Ursprung der Titelkirchen der Stadt vermutet,165 die dann als Hauskirchen eines dezentral organisierten Christentums gewertet wurden. Solche Hauskirchen sind aber nach Heid archäologisch in Rom nicht nachzuweisen.166 Es sei stattdessen in Rom an eine Kirche zu denken, die zugleich Bischofssitz ist. Die Tatsache, dass Konstantin nach dem Toleranzedikt nur eine Kirche,167 die Bischofskirche am Lateran, errichten ließ, mag dies rückwirkend durchaus bestätigen. Wo allerdings diese eine Bischofskirche vor Konstantin gelegen hat, muss ebenso wie ihre Baugestalt offenbleiben.

Die sog. Titelkirchen Lange Zeit galten die römischen Titelkirchen mit ihren vorkonstantinischen Strukturen als die städtischen Pendants zur Hauskirche in Dura, doch hielten sie der kritischen archäologischen Nachfrage nicht stand. Ist aber die Existenz von Vorgängerkirchen unter den stadtrömischen Kirchen wirklich vom Tisch  ? So gibt es doch unter S. Crisogono interessante Vorläuferstrukturen, die sich sogar recht gut rekonstruieren lassen. Hier wurde in einen Hauskomplex des 2. Jahrhunderts eine in Ost-West-Richtung gelagerte Halle eingebaut, die immerhin eine Länge von 60 m aufweist, eine Fassade mit einer dreiteiligen Arkade über die ganze Front und einer Apsis von 10,5 m Weite. So ist von einer durchaus repräsentativen apsidalen Halle auszugehen, die wohl auch öffentlich sichtbar war und sich keineswegs versteckte. Kein geringerer als Richard Krautheimer vermutete aufgrund des Mauerwerks für diese pre-Constantinian Christian Hall mit der Abbildung einer Rekonstruktionszeichnung »a date very early in the fourth century«168 (Abb. 18). Somit gibt es sie also doch, diese vorkonstantinische Kirche, auch wenn Krautheimer sie so nicht nennen wollte. Leider, muss man sagen, denn es gab sie. Zwar wurden weder ihre Existenz noch ihre Gestalt in Frage gestellt, doch sie wird nun »nach Ausweis des Mauerwerks wahrscheinlich im 5. Jahrhundert«169 angesiedelt. Charles Pietri schloss seine Untersuchungen zur domus ecclesiae mit dem lapidaren Satz  : Ce dernier exemple [sc. San Crisogono] conclut un bilan un peu péssimiste. Assurement, les chrétiens disposaient de lieux de culte dans la Rome du III siècle, Die sog. Titelkirchen

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mais le temoignage de l’archéologie ne permet pas d’en reconnaître la repartition géographique  ; il faut chercher ailleurs.170

Man muss also an anderer Stelle suchen. So liest man hoffnungsfroh, was den Touristen in Rom zur Besichtigung angeboten wird, das Haus einer Matrone namens Lucina, das den ersten Treffen der Christen geöffnet worden sei  : Nonostante sia tuttora complesso leggere e interpretare le strutture ancora visibili, sappiamo con certezza che nella zona si trovava una domus, un’abitazione di una matrona romana, Lucina, che ha dato anche il nome alla successiva chiesa. La domus infatti era probabilmente stata aperta dalla matrona alle prime riunioni dei cristiani che dovevano avvenire in segreto e proprio su di essa fu poi successivamente costruita la chiesa.171

Gemeint sind die Strukturen, die unter der Kirche S. Lorenzo in Lucina ausgegraben wurden. Vorhanden ist tatsächlich ein großer kommerzieller Baukomplex des 2. und frühen 3. Jahrhunderts mit Ladenlokalen, Magazinen und Wohnungen, typisch für die intensive Bebauung im spätantiken Rom. Doch auch hier muss man sich damit abfinden, was Brandenburg als Forschungsstand formulierte  : »Reste, die eindeutig einem frühchristlichen Bau des 4. Jahrhunderts zuzuweisen wären, haben sich nicht gefunden.«172 Wie aber sollten solche eindeutigen Reste beschaffen sein, um einen frühchristlichen Versammlungsort zu definieren  ? Hat doch schon Kirsch konstatiert, dass an den in Frage stehenden Gebäuden, die im 3. Jahrhundert von der christlichen Gemeinde genutzt worden waren, zunächst kaum bauliche Änderungen vorgenommen wurden. Man wird jedoch akzeptieren müssen, dass die Tradition, die an einem Ort haftet, und seine Nobilitierung durch einen späteren Kirchenbau nicht ausreichen, um den heute gültigen Kriterien entsprechend einen vorkonstantinischen Kirchenbau zu belegen. Es verwundert aber nicht, dass manche Lokaltraditionen in Rom unverzagt an ihrer Vergangenheit festhalten, die bis in die vorkonstantinische Zeit zurückreicht. Dies gilt auch für die Kirche Santi Giovanni e Paolo bzw. den Titulus Pammachii, von der es auf der Website der Kirchengemeinde heißt, sie sei im Ursprung » un edificio, databile tra il I e il II secolo, utilizzato prima come domus ecclesiae da una comunità cristiana«.173 88

Kirchen

Abb. 18  Rekonstruktion der ersten Kirche von S. Crisogono in Rom nach Richard Krautheimer. Der langen Halle ist ein dreitoriger Eingang vorgelagert.

Bekannt sind die Ladenlokale an der antiken Straße Clivus Scauri aus dem 2./3. Jahrhundert, über denen es einen großen Saal gegeben hat, der Jan Vaes zu der Hypothese veranlasste  : Es wird, mit anderen Worten, möglich, dass in diesen Gebäuden von ca. Mitte des dritten Jahrhunderts ab ein christliches Zentrum eingerichtet war, dessen großer Saal für liturgische Zusammenkünfte sich in den oberen Geschossen befand, wobei das Ganze hinter einer sozusagen ganz gewöhnlichen Fassade versteckt war.174

Eigentlich, so Vaes, habe man keine Chance, derart unauffällig und neutral ins spätantike Stadtbild integrierte Gebäude als Kirchenräume zu identifizieren,175 wenn nicht besondere Merkmale als Indizien hinzuträten. Im Falle von Santi Giovanni e Paolo seien es einige deutlich christliche Fresken. »Den einzigen positiven Beweis, dass Teile dieser Häuser je zu christlichen Zwecken verwendet wurden, bilden einige deutlich christliche Fresken, die man in den ebenerdigen Räumen angetroffen hat, und zwar genau in den Räumen, die von der Strasse aus zu durchlaufen waren, um die Treppe nach den oberen GeDie sog. Titelkirchen

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schossen zu erreichen. Die Datierungen für das älteste Fresko (orans) laufen ziemlich auseinander, die Tendenz ist aber, es sei gerade vor oder um 313 angefertigt worden.«

Galten Vaes jedoch die Sujets der Fresken mit Orans, Palliatus und bukolischen Motiven noch als christlich, so werden sie heute als gemeinantik bzw. profan angesehen. Außerdem war sich bereits Vaes bewusst, dass die Datierungen der Fresken weit auseinander gehen, in der Tendenz gerade vor oder um 313. Auch diesbezüglich ist man heute vorsichtiger und plädiert ganz allgemein für das 4. Jahrhundert.176 So braucht man sich nicht zu wundern, dass auch der Titulus Pammachii als kirchlicher Vorgänger von Santi Giovanni e Paolo Stück für Stück neutralisiert wurde. Eindeutige Reste eines vorkonstantinischen christlichen Versammlungsraums oder einer Kirche lassen sich also nirgendwo unter den späteren Titelkirchen nachweisen, weshalb sich hier die Aufzählung weiterer Titelkirchen erübrigt, die ein ähnliches Schicksal wie S. Crisogono, S. Lorenzo in Lucina oder Santi Giovanni e Paolo besitzen. Es scheint lediglich so zu sein, dass man für Rom (und andere Städte) schon aufgrund der anzunehmenden Größe der Gemeinden mit Versammlungsräumen rechnen darf, die das Ausmaß einer bescheidenen Hauskirche oder Wohnung deutlich übertroffen haben.

Dritter Zwischenschritt Das Dilemma, in dem sich die Forschung befindet, wird schon bei Willy Rordorf in seinem Aufsatz über die christlichen Gottesdiensträume der vorkonstantinischen Zeit deutlich, der 1964 erschien. Einerseits schreibt er  : Die ersten drei Jahrhunderte sind die Zeit der Hauskirchen. Die Christen versammelten sich für ihre Gottesdienste nicht in eigens dazu errichteten Gebäuden, sondern statteten gewisse Räume in schon bestehenden Häusern für ihre gottesdienstlichen Bedürfnisse aus,

um andererseits gleich anzufügen  : 90

Kirchen

Trotzdem sind wir durch die Quellen davon unterrichtet, daß zumindest seit dem Ende des 2. Jahrhunderts und vor allem seit dem 3. Jahrhundert auch eigentliche Kirchenräume existierten.177

Dann fügt er hinzu  : »[…] so lassen doch einige Texte darüber keinen Zweifel, daß die Christen eigene Kirchengebäude besaßen.«178 Obwohl die Quellenlage heute durchaus ernst genommen und der Schluss gezogen wird, dass es »bereits seit dem Ende des zweiten Jahrhundert ausschließlich oder doch vorwiegend für den Kult bestimmte Räumlichkeiten gibt«179, die eine sakrale Würde besitzen,180 so blieb die Hauskirche die bevorzugte Lesart für den vorkonstantinischen Gottesdienst. Wahrscheinlich handelt es sich gar nicht um ein Dilemma, sondern um ein Sowohl-als-auch. Erstens  : Archäologisch gesichert ist durch die Befunde von Dura Europos und wahrscheinlich auch von Megiddo, dass in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts umgebaute, umgestaltete Häuser als Kirchen gedient haben. Es ist durchaus irreführend, sie als Hauskirchen zu bezeichnen.181 Aus archäologischer Sicht erwiesen sich Hauskirchen in jeder Hinsicht als eine moderne Erfindung, resümierte Gisella Cantino Wataghin.182 Zweitens  : Dura Europos und Megiddo belegen, dass Kirchen mit biblischen Bildern und Bodenmosaiken mit Stifter- und Memorialinschriften sowie figürlichen Motiven (Fische) ausgestattet sein konnten. Clemens von Alexandrien (150 – 215) bestätigte, dass Kirchen handwerklich und künstlerisch hergerichtet waren, auch wenn er das kritisierte. Drittens  : Frühe Kirchenordnungen belegen, dass es spätestens seit dem 3. Jahrhundert konkrete Vorstellungen über die Ausrichtung und Herrichtung eines Kirchenraums gab. Insbesondere die Ausrichtung der Kirche nach Osten, die Trennung von Klerus und Laien samt einer entsprechenden Sitzordnung sowie die Berücksichtigung von Pastophorien werden genannt. Viertens  : Längsrechteckige, ein- oder dreischiffige Bauten mit einem dreigliedrigen Ostabschluss bei gerader Außenwand erfüllen die Bedingungen der Kirchenordnungen. Kirchen dieses Zuschnitts haben sich in Mesopotamien und Arabien, in Syrien und auf der Iberischen Halbinsel erhalten, die – wenngleich sie vermutlich erst aus späteren Jahrhunderten stammen – diese archaische Architektur bewahrt haben können.

Dritter Zwischenschritt

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Fünftens  : Es ist davon auszugehen, dass Kirchen im Sinne exklusiver Gottesdiensträume seit dem 2. Jahrhundert Verbreitung fanden. Hinter­ grund ist die Hierarchisierung des Klerus und die Herausbildung des Bischofs­amts. Sechstens  : Durch die gallienischen Restitutionsedikte war die Existenz von Kirchen gesichert, die vor den mit den Verfolgungen unter Decius und Valerian einhergehenden Konfiszierungen und Zerstörungen erbaut worden waren. Sie müssen also mindestens vor der Mitte des 3. Jahrhunderts errichtet worden sein. Siebtens  : Grundsätzlich ist mit einer Vielfalt von Lösungen für den Kirchenbau zu rechnen. Sie umfassen Umbauten und Umnutzungen bestehender privater oder kommerziell-öffentlicher Gebäude sowie Neubauten.

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Kirchenbauten der kleinen Friedenszeit Von Gallienus bis Diokletian (260 – 303)

In der um 313/317 gehaltenen Festrede über die Erbauung der Kirchen, gewidmet Paulinus, dem Bischof der Tyrier, die Eusebius in seiner Kirchen­ geschichte überliefert, wurde an die verheerenden Auswirkungen durch den bösen Dämon während der eben zu Ende gegangenen Verfolgungszeit erinnert  : »Nach Art eines wütenden Hundes […] richtete er seinen tierischen Wahnsinn zuerst gegen die Steine unserer Bethäuser und das tote Material von Gebäuden und machte die Kirchen, wie er wenigstens selbst glaubte, zu öden Stätten.«183 Darin wird auch Psalm 74, 5 – 7 zitiert, um die Zerstörung der Kirchen und ihre damit verbundene Entweihung während der diokletianischen Verfolgung zu beschreiben  : »Hoch sieht man Äxte sich heben wie im Dickicht des Waldes. Sie zerschlagen all sein Schnitzwerk mit Beilen und Hacken. Sie verbrennen dein Heiligtum, bis auf den Grund entweihen sie die Wohnung deines Namens.«184 Nun, so Eusebius, sei die Zeit angebrochen, dass sie »wieder an einem Orte zusammenkämen«, und der Platz sei »viel größer« als bei der vorherigen, zerstörten Kirche. So unterrichtet uns Eusebius rückblickend von den Kirchen aus der Zeit vor der diokletianischen Verfolgung (vgl. Quelle 5).

Große und schöne Kirchen Wurden während der Verfolgungszeit die Kirchen konfisziert oder zerstört, so sind damit jene gemeint, die zuvor in der sog. kleinen Friedenszeit oder früher errichtet worden waren. Kaiser Gallienus hat die Verfolgung unter seinem Vorgänger Valerian beendet und den Christen freie Religionsausübung gewährt. Diese Periode dauerte von 260 bis 303, als die letzte große und allgemeine Christenverfolgung unter Diokletian einsetzte und von Galerius bis 311 fortgesetzt wurde. In dieser sog. kleinen Friedenszeit (vor der endgültigen Friedenszeit nach 311/313), die annähernd vier Jahrzehnte dauerte, sind zahlreiche Kirchen errichtet worden  ; es herrschte ein Große und schöne Kirchen

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regelrechter Bauboom. Dabei wurden diese Kirchen zumindest zum Teil mit dem Wohlwollen staatlicher Instanzen bedacht (Quelle 9). War die Kirche in Tyros, die kurz nach 313 gebaut und eingeweiht wurde, durchaus größer als ihr Vorgänger, so weiß Eusebius jedoch davon zu berichten, dass es bereits in der sog. kleinen Friedenszeit Gotteshäuser gab, die eine große Volksmenge aufnehmen konnten  : Wer gar vermöchte zu schildern jene tausendköpfigen Versammlungen und die Mengen derer, die Stadt für Stadt zusammentraten, und die herrlichen Zusammenkünfte in den Bethäusern  ? Da infolge hiervon die alten Gebäude nicht mehr genügten, erbaute man in allen Städten ganz neue und geräumige Kirchen.185

Daraus ist zu schließen, dass man bereits in den Jahren nach 260 ältere, kleinere Kirchen durch neue und größere ersetzte. Ersetzte nun die Kirche in Tyros eine ältere, so stellt sich die Frage, ob sie nur größer und schöner war oder auch einen völlig neuen Kirchentyp repräsentierte. Das ist insofern von Interesse, als mit der Kirchweihpredigt des Eusebius die erste ausführliche Beschreibung und Würdigung einer Kirche vorliegt (Quelle 15). Da diese Kirchweihpredigt und somit die Erbauung und Einweihung der Kirche allgemein auf 313/314 datiert werden, kann durchaus erwogen werden, dass gegenüber dem Vorgängerbau nicht völlig neue architektonische Prinzipien herrschten. Beschreibt Eusebius in seiner Predigt eine dreischiffige Basilika (»Hallengänge zu beiden Seiten des Tempelhauptraumes«) mit Fenstern im Obergaden (»ließ in der Höhe darüber, damit weiteres und reichlicheres Licht eindringe, verschiedene Öffnungen in das Gebäude brechen«), so könnte auch bereits die Vorgängerkirche eine Basilika gewesen sein. Und Euseb beschreibt auch ein von Säulengängen umstandenes Atrium. Kann dieser Neubau in basilikalen Formen unmittelbar nach 313 bereits auf kaiserlichen Einfluss zurückzuführen sein  ? Mag sein, dass Konstantin die erste Bischofskirche am Lateran in Rom bereits kurz nach 313 und dann in basilikalen Formen erbauen ließ, aber ob sich der neue Baustil sofort bis in die Provinzen verbreitete, ist doch fraglich. Und müsste man dann nicht den Schluss ziehen, dass der basilikale Bautyp bereits für vorkonstantinische Kirchen Anwendung fand  ? Das muss vorläufig eine Hypothese bleiben, die aber den Blick dafür schärfen kann, ob eine Kirche mit basilikaler Architektur grundsätzlich erst nach 313 entstanden sein kann. 94

Kirchenbauten der kleinen Friedenszeit

Doch zurück zu den Kirchen der kleinen Friedenzeit und was man über sie wissen kann. Waren sie in der folgenden Verfolgung zerstört wurden, so mussten sie nach der 311/313 erfolgten Tolerierung des Christentums wieder hergestellt werden. Davon berichtet die um 340 zu datierende Grab­ inschrift des langjährigen Bischofs von Laodikea, Markos Ioulios Eugenios. Darin heißt es u. a.: »Ich habe volle 25 Jahre das Amt des Bischofs mit Auszeichnung verwaltet und die ganze Kirche von den Fundamenten neu aufgebaut.«186 Dabei habe er den »ganzen dazugehörigen Schmuck«, darunter Mosaiken und Malereien, »herrichten« lassen. In der Inschrift werden die Worte ανοικοδομησας und κατασκευασας gebraucht für wieder aufbauen sowie herrichten, ausstatten. Ganz klar wird nicht, ob damit auch gemeint ist, dass er Mosaiken und Malereien wieder herrichten ließ, aber es spricht doch viel dafür, dass in dem wieder aufgebauten Kirchenbau mit Mosaiken und Malereien keine völlig neue Ausstattung zum Tragen kam. Es ist eher wahrscheinlich, dass musivischer und malerischer Schmuck schon zum Vorgängerbau gehörte. Es wird nicht nur von Neubauten berichtet, die zerstörte Kirchen ersetzt haben, sondern auch von Verschönerungen und Erweiterungen bestehender Kirchen, die während der Verfolgungszeit nicht zerstört wurden. In Alexandria erfolgte unter Bischof Alexander (312 – 328) eine Erweiterung der Bischofskirche. Sie ist auch als Theonaskirche bekannt, benannt nach Theonas, der von 282 bis 300 Bischof der Stadt war. Er hat sie wohl schon vor seiner Amtszeit zur Zeit von Kaiser Aurelian (270 – 275) errichten lassen, wobei er damit eine schon ältere Kirche ersetzte.187 Es müssen zumindest teilweise große Kirchen gewesen sein, die in diesen Jahrzehnten errichtet wurden, und sie waren im Stadtbild sichtbar. Die Kirche in Nicomedia war vom Kaiserpalast aus gut zu sehen, wie Laktanz berichtet (Quelle 6)  : »Die beiden Kaiser [Diokletian und vermutl. Galerius] standen auf der Warte – die hochgelegene Kirche war nämlich vom Palaste aus zu sehen – und stritten lange miteinander, ob man nicht lieber Feuer anlegen sollte.«188 Da Diokletian jedoch einen dadurch ausgelösten Stadtbrand befürchtete, »denn viele und große Gebäude umgaben ringsum den Platz«, entschied man sich dazu, die Kirche zu plündern und zu schleifen  : »Es rückten also die Prätorianer in Reih und Glied mit Beilen und Brechwerkzeugen an, und von allen Seiten anstürmend machten sie das hochragende Heiligtum in wenigen Stunden dem Erdboden gleich.« Ähnliches berichten Eusebius über die Zerstörung der Kirchen in Amasia (Pontus) Große und schöne Kirchen

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durch Licinius (Quelle 7) und Laktanz im Machtbereich des Konstantius Chlorus (Quelle 8). Man muss daraus auf einen Kirchenbau schließen, der mitten in der Stadt von anderen Gebäuden umgeben hoch aufragte. Dies wird durch eine neutrale Quelle antichristlichen Charakters bestätigt. So schrieb der Philosoph Porphyrios etwa um 270, dass die Christen sehr große Gebäude errichten, in denen sie zum Beten zusammenkämen, obwohl sie doch in ihren Häusern beten könnten  : Aber die Christen errichten, indem sie Tempel nachahmen, große Gebäude, in denen sie sich zum Gebet treffen, obwohl sie nichts hindert, das in ihren Häusern zu tun, denn natürlich hört sie ihr Herr überall.189

Die Verfolgungen während der Tetrarchie beendete Kaiser Galerius im Osten 311, wie Eusebius in seiner Geschichte berichtet  : »Auf Grund kaiserlichen Gesetzes und Ediktes sollten sie rasch ihre Kirchen (εκκλησιας) wieder aufbauen und die gewohnten Gottesdienste abhalten, betend für das Leben des Kaisers« und zitiert dann wörtlich den Erlass im Wortlaut, der hier nur auszugsweise wiedergegeben wird  : »Sie sollen also wiederum Christen sein und die Häuser (οικους), in denen sie sich versammelten, wieder herstellen, jedoch unter der Bedingung, dass sie in keiner Weise gegen die Staatsverfassung handeln.«190 In ähnlicher Weise schildert Laktanz das Toleranzedikt des Galerius. Als Auslöser für den kaiserlichen Gesinnungswandel beschreibt er dessen Erkrankung  : Diese dauerte ein ganzes Jahr lang ununterbrochen fort, bis er endlich, durch Leiden gebeugt, sich gezwungen sah, Gott zu bekennen. In der Zwischenzeit, bis wieder ein neuer Anfall des Schmerzes kam, rief er oft laut aus, er werde den Tempel Gottes (dei templum) wieder herstellen und für den Frevel Genugtuung leisten.191

Im Edikt verkündet der Kaiser  : […] so haben wir in Anbetracht unserer mildesten Schonung und im Hinblick auf unsere immerwährende Gepflogenheit, allen Menschen Verzeihung zu gewähren, diese unsere bereitwilligste Nachsicht auch auf die Christen ausdehnen zu müssen geglaubt, so dass sie von neuem Christen sein und ihre Versammlungsstätten (conventicula) wieder herstellen dürfen, jedoch so, dass sie nichts wider die öffentliche Ordnung unternehmen.192

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Kirchenbauten der kleinen Friedenszeit

Laktanz zitiert weiterhin das von Licinius und Konstantin 313 in Mailand gemeinsam erlassene »Edikt an die Statthalter über die Wiederherstellung der Kirche (ecclesia)«. Darin heißt es u. a.: Wer etwa solche Stätten, an denen die Christen früher zusammenzukommen pflegten (loca ad quae antea convenire consuerant), […] in früherer Zeit von unserem Schatze oder sonst von irgendjemand käuflich erworben hat, der muss dieselben ohne Kaufpreis und ohne irgendwelche Entschädigung mit Ausschluss aller Hintanhaltung und Umständlichkeit zurückerstatten […] Und nachdem die nämlichen Christen nicht bloß die Stätten, an denen sie sich zum Gottesdienst zu versammeln pflegten (loca ad quae convenire consuerunt), sondern auch noch anderes zum Eigentum hatten, das zum Recht ihrer Körperschaft (corporis), das heißt der Kirchen (ecclesiarum), nicht einzelner Menschen, gehörte, so wirst du all dieses nach dem Gesetz, das wir oben dargelegt haben, ohne jegliche Ausflucht und Widerrede denselben Christen, das heißt der Körperschaft und den Versammlungsstätten (conventicula) der Christen zurückgeben lassen unter Einhaltung der vorher erwähnten Rücksichtnahme.

Diese und andere Quellen (Quelle 10 – 14) bestätigen auf ihre Weise nicht nur die Rückerstattung der Kirchen aus den Zeiten vor der Verfolgung, sondern zudem ihre Vergrößerung und Verschönerung, die auf direkten kaiserlichen Befehl hin erfolgte. Auffällig ist, dass für die Kirchen verschiedene Termini verwendet werden. Benutzt Eusebius seine eigenen Worte, so spricht er von εκκλησια, während im zitierten Edikt von οικος die Rede ist, wo sich die Christen versammeln. Analog ist in der lateinischen Fassung von loca die Rede, wo sich die Christen zu versammeln pflegten, oder von conventicula. Laktanz hingegen verwendet in seiner Schreibweise die Begriffe dei templum oder ecclesia. Erscheint im Edikt selbst das Wort ecclesia, so ist damit analog zu corporis die Kirche als Gemeinde gemeint. Das soll nun keineswegs überbewertet werden, es sei lediglich als Hinweis verstanden, dass es offenkundig um 300 noch keine feststehende Bezeichnung für das Kirchengebäude gab. Das wiederum kann sich auf das Verständnis von Quellen auswirken, deren Terminologie eben nicht eindeutig ist. Als Beispiel sei die in diesem Kontext viel zitierte Kirche von Cirta in Nordafrika genannt. In einem Bericht über die Konfiszierung von Kirchengütern im Mai des Jahres 303, also zu Beginn der Verfolgung, heißt es, dass sie zum Haus kamen, in dem sich die Christen versammeln (ad domum, in Große und schöne Kirchen

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qua christiani conveniebant [Die Akten von Cirta (CSEL 26, 185 – 197), hier 195]). Vertreter der Hauskirchentheorie sehen darin einen weiteren Beleg für die Existenz von Hauskirchen noch zu Beginn des 4. Jahrhunderts. Gemeint ist aber dasselbe wie in den Edikten von 311/313, wenn gleichbedeutend von οικος oder von locus die Rede ist, wo sich die Christen versammeln. Entsprechend handelt es sich in Cirta um ein Kirchengebäude, oder man muss eher von einem Kirchenkomplex sprechen, zu dem u. a. auch eine Bibliothek und ein Triclinium gehörten.193 Dies wird für die christlichen Versammlungsstätten grundsätzlich zu beachten sein, dass es sich wohl selten um ein Kirchengebäude für sich handelte, sondern weitere Funktionsräume anzunehmen sind. Die Quellen, die von der Konfiszierung und Zerstörung sowie von Wiederaufbau und Verschönerung von Kirchen der vorkonstantinischen Zeit berichten (Quelle 10 – 14), ließen sich durchaus vermehren, wodurch aber keine weiteren Erkenntnisse für das Aussehen dieser Kirchen zu gewinnen wären. Und obwohl die Berichte ganz überwiegend von christlichen Schriftstellern stammen, sind sie glaubwürdig. Wäre es doch politisch durchaus ansprechender gewesen, davon zu reden, das Licinius und Konstantin überhaupt erst den Bau von Kirchen ermöglicht und unterstützt hätten. Stattdessen wird von ihnen berichtet, dass sie ältere, eben vorkonstantinische Kirchen wiederherstellen und verschönern ließen (Quelle 11 – 1 2).

Die Benennung der Kirchen Aus den angeführten Quellen wird deutlich, dass es noch im 3. und frühen 4. Jahrhundert keine einheitliche Benennung für die Kirchen gab. Aus ihnen lassen sich keine Rückschlüsse auf die Architektur ziehen. Es finden sich die Bezeichnungen εκκλησια bzw. ecclesia, οίκος bzw. domus, conventiculum oder sogar templum. Oder ihre Versammlungsstätten werden einfach loca genannt, ad quae convenire consuerant. Auch wenn der Begriff basilica verwendet wird, ist er nur ein weiteres Synonym für Kirche, ohne eine bestimmte Bauform zu meinen. Die Terminologie hilft also nicht weiter, wenn es um die Frage der Gestalt einer Kirche geht. Das kann darauf hindeuten, dass es eine einheitliche Bauweise oder Architektur noch nicht gegeben hat, doch ist dies nicht zwingend. Auch der gegenwärtige Sprachgebrauch von Kirche als Bauwerk impliziert keine bestimmte Architektur. 98

Kirchenbauten der kleinen Friedenszeit

Archäologische Zeugnisse Die Sprache der Quellen ist eindeutig  : Es gab in vorkonstantinischer Zeit Kirchen, Kirchengebäude, Kirchenkomplexe. Bedeutend unklarer sind die wenigen archäologischen Befunde zu diesem Sachverhalt. Zu diskutieren sind die ältesten Spuren der Doppelkirchenanlage in Aquileia und des bischöflichen Komplexes in Trier. Erst vor 2000 wurde in Aqaba ( Jordanien) ein Gebäude ausgegraben, das den Ausgräbern zufolge um 300 zu datieren ist und damit das älteste bekannte Kirchengebäude wäre, das eigens für den christlichen Gottesdienst erbaut wurde. Gibt es schon bei diesen Befunden diverse Unsicherheiten, so gilt dies erst recht für die Kirche in Silchester in der Grafschaft Hampshire im Süden Englands. Gemeinsam haben alle, dass sie aus den Jahren vor der konstantinischen Wende stammen (können). »Seit 1909«, schreibt Sebastian Ristow,194 »ist die funktionale Interpretation der Baureste als frühchristliche Basilika bereits auf selbstverständliche Weise mit den Hallen verknüpft.« Gemeint sind die Hallen unter der Domkirche in Aquileia, die parallel angeordnet eine Doppelkirchenanlage bilden und im Westen durch eine weitere Halle miteinander verbunden sind. Beide Hallen sind architektonisch schlichte Rechtecksäle, doch weisen sie mit einer etwa gleichen Größe von ca. 37 × 20 m eine doch respektable Größe auf. Aufgrund einer Inschrift im Mosaik der Südhalle werden sie als Werk des Bischofs Theodorus gedeutet.195 Seine Amtsjahre werden unterschiedlich mit 308 bis 319 oder 312 bis 323 angegeben. Gesichert ist nur seine Teilnahme am Konzil in Arles 314. Immerhin lassen auch die etwas widersprüchlichen Angaben zu seiner Amtszeit die Möglichkeit zu, seine Kirche in Aquileia sei bereits vor der konstantinischen Wende erbaut worden. Nachdem Josef Fink im Widerspruch zur christlichen Deutung 1954 die Hypothese aufgestellt hatte, es habe sich ursprünglich um einen kaiserlichen Palast gehandelt,196 zog dies eine umfängliche, kontroverse Diskussion nach sich. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die Theodorus-Inschrift samt dem berühmten Mosaik mit der Geschichte des Propheten Jona nachträglich in ein Mosaik eingefügt worden ist, dessen Motivik ganz auf das Kaiserhaus bezogenen war und felicitas temporum verhieß. Somit residierte Bischof Theodorus in der Halle eines kaiserlichen Palastes, der für kirchliche Zwecke umgewidmet worden war. Allerdings bleibt trotzdem die Frage, wann diese Umwidmung zur Kirche erfolgte, denn die Amtszeit des Bischofs schließt ein Datum vor Archäologische Zeugnisse

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313 nicht aus. Denkbar wäre die Umwidmung eines kaiserlichen Palastes im Falle einer Damnatio memoriae. Sebastian Ristow hat in Erwägung gezogen, es könne sich um Maximian, der 310 in Ungnade fiel, und um dessen Palast in Aquileia gehandelt haben. »Möglicherweise nicht allzulange nach 310 wurde der Bau dann in eine kirchlich genutzte Anlage umgewandelt.«197 Zu klären ist der Sachverhalt nicht  : »The problems of the earliest Christian edifices at Aqulieia have not been solved.«198 Fest stehen darf allerdings, dass es sich um die Umwidmung eines profanen Baus für kirchliche Zwecke handelt, und das wiederum darf sowohl für die Zeit vor wie für die Zeit nach Konstantin zur kirchlichen Praxis gerechnet werden. Im Falle von Aquileia hat man sich damit begnügt, den wohl auf das kaiserliche Wohl bezogenen Mosaikboden an einer Stelle um das biblische Motiv des Jona zu ergänzen und das Stiftermonogramm des Bischofs Theodoros einzufügen. Zudem kann die notwendige Binnengliederung des Raumes durch hölzernes Mobiliar erfolgt sein, das sich nicht erhalten hat. Die große Kirchenanlage in Trier besteht etwa um 330 aus vier H-förmig angeordneten Basiliken. Als ihr ältester Teil gilt die Basilika, die vor der heutigen Liebfrauenkirche unter der neuzeitlichen Dominformation liegt.199 Das in etwa nach Osten ausgerichtete dreischiffige, annähernd quadratische Gebäude misst 27 × 30 m und besaß zwei Stützenreihen zu je fünf Säulen. Nach Osten schloss sich, durch eine Säulenstellung mit drei Arkaden getrennt, ein gegenüber dem Schiff um zwei Stufen erhöhter Bereich an, dessen mittlerer Teil von zwei Räumen etwa in der Breite der Seitenschiffe flankiert war, in denen man die Pastophorien sehen kann. Es gibt keine Fundstücke, welche die kirchliche Nutzung des Raumes definitiv belegen, und eine Funktion in Bezug auf das nahe gelegene tetrarchische Regierungszentrum ist nicht ausgeschlossen, aber sie wird doch mit begründeter Wahrscheinlichkeit aus der etwa zwei Jahrzehnte später erfolgten Integration in die große Kirchenanlage erschlossen. Aufgrund von unter dem Estrich gefundener Münzen wird der Bau ins zweite Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts datiert und mit Agritius in Verbindung gebracht, der ab 314 Bischof in Trier war. Selbst wenn nun der Bau in den Amtsjahren des Agritius kurz nach der konstantinischen Wende erfolgte, so könnte er trotzdem etwas über den vorkonstantinischen Kirchenbau verraten, denn die Säulenhalle besitzt zwar einen herausgehobenen, abgetrennten Klerusbereich, aber statt des apsidalen Abschlusses der typischen Basilika eine 100

Kirchenbauten der kleinen Friedenszeit

gerade Abschlusswand. Die Agritiuskirche wäre damit noch nicht vom konstantinischen, basilikalen Kirchenbautyp beeinflusst. Für den Bau dieser Hallenbasilika wurde ein deutlich kleineres Gebäude abgerissen, das gegen Ende des 3. Jahrhunderts errichtet worden war. Dabei handelte es sich um einen 10,6 × 5,8 m messenden Saal mit einer Apsis, die nach Westen gerichtet war. Archäologisch kann über die Funktion dieses Raumes nichts ausgesagt werden, aber die Versuchung liegt nahe, in einer Kontinuität der Bauten hier den bescheidenen Vorgänger der Agritiuskirche zu sehen, größenmäßig etwa mit dem Versammlungsraum in Dura Europos zu vergleichen, ohne irgendwelche weiteren Parallelen zu ziehen. Hallenkirche ist auch das Stichwort für eine Kirche, deren Fundamente unter dem Oktogon in Philippi liegen, das im 5. Jahrhundert darüber errichtet wurde. Dabei handelt es sich um ein rechteckiges Bauwerk mit einer Länge von 29 und einer Breite von gut 10 m, das in drei gleich große annähernd quadratische Bereiche gegliedert war. Rekonstruieren lässt sich demnach ein einschiffiges Bauwerk ohne Apsis, das durch eine Mosaik­ inschrift am Eingang als Basilika des Paulus benannt ist,200 errichtet durch Bischof Porphyrius in Christo (Abb. 19). Obwohl die genauen Lebensdaten des Bischofs Porphyrius nicht bekannt sind, so ist er zumindest als Teilnehmer einer Synode in Serdica im Jahr 343 aufgeführt. Die Pauluskirche gehört damit zu den ältesten durch eine Inschrift in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts datierten Kirchen. Nach Stylianos Pelekanidis ist ihr Bau nach den Toleranzedikten von 311/313 zu datieren.201 Das ist an sich noch nichts Ungewöhnliches, doch handelt es sich bei der inschriftlich als BAC I Λ I K H C des Paulus benannten Kirche nicht im architektonischen Sinn um eine Basilika, sondern um eine einschiffige Halle, die, selbst wenn sie erst in konstantinische Zeit datiert, einen vorkonstantinischen Bautyp verkörpert. Der Boden der Kirche war mit einem polychromen Mosaik mit floralen Motive und Vögeln belegt. Zum Ostende der Halle hin beschreibt das Mosaik einen Apsisbogen, der möglicherweise den Standort eines Synthronons für Bischof und Klerus markiert. Dabei kann durchaus erwogen werden, dass die Belegung des Kirchenbodens mit Mosaiken ebenfalls bereits vor Konstantin üblich war wie bei anderen antiken Bauten ebenfalls. Einen mosaizierten Bodenbelag besaß bereits die Kirche in Megiddo. Nach White ist die Bauform dieser Kirche signifikant für die ältesten Kirchenbauten, während die späteren der architektonischen Form der Basilika folgen.202 Archäologische Zeugnisse

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Abb. 19  Stiftungsinschrift der ersten Bischofskirche in Philippi.

Einen völlig anderen Zuschnitt besitzt eine Kirche am Roten Meer. Im Zuge des 1994 begonnenen Roman Aqaba Project zur Erforschung der römischen Stadt Aila am Roten Meer ( Jordanien) wurde ein Gebäude ausgegraben, das der verantwortliche Archäologe S. Thomas Parker 1998 kurz als An Early Church, Perhaps the Oldest in the World vorstellte.203 Aus dieser vielleicht ältesten Kirche der Welt machten die populären Medien der Welt rasch die älteste Kirche der Welt, die als solche eigens für den christlichen Gottesdienst errichtet wurde, im Gegensatz zu der Kirche in Dura Europos, für die ein römisches Haus umgenutzt wurde. Es wäre dann tatsächlich in diesem Sinn der älteste archäologisch nachweisbare Kirchenbau, der als Kirche errichtet wurde, zumal Parker zuletzt ein Zeitfenster zwischen dem späten 3. oder beginnenden 4. Jahrhundert wahrscheinlich machte. Dies würden die Keramikfunde und eine wahrscheinlich in tetrachische Zeit fallende Münze nahelegen. Ein Baudatum vor oder um 300 sei wahrscheinlich.204 Parker interpretierte das Gebäude – mit seinen Worten a monumental mudbrick structure – als Kirche aufgrund seiner Ostung, seiner basilikalen Struktur und der Tatsache, dass sich keine Hinweise auf eine anderweitige Funktion finden ließen. Kleinfunde wie Fragmente einer gläsernen Öl­lampe führte er ebenfalls an. In einem benachbarten Friedhof fand sich eine durch die Beigabe eines Kreuzes christlich zu interpretierende 102

Kirchenbauten der kleinen Friedenszeit

Abb. 20a  Aqaba-Aila (Jordanien), Blick über das Ausgrabungsgelände der von Thomas Parker ausgegrabenen Kirche, östlicher Teil.

Abb. 20b  Aqaba-Aila (Jordanien), Blick über das Ausgrabungsgelände der von Thomas Parker ausgegrabenen Kirche, westlicher Teil. Archäologische Zeugnisse

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Abb. 20c Aqaba-Aila (Jor­ danien), schemati­ scher Grundriss nach Parker. (Im Vergleich zur Publikation von Parker ist der Grund­ riss gedreht, damit er mit den Aufnahmen 20a–b kompatibel ist.)

Bestattung. Der auf Steinfundamenten errichtete Lehmziegelbau besitzt die Maße von 28 × 16 m, wobei die Mauern in Teilen noch bis zu einer Höhe von 5 m aufrecht stehen (Abb. 20a–c). Betreten wurde das Gebäude nach Parker zunächst von der Nordseite her durch zwei Eingänge, die in einen Narthex führten. Rechtwinklig öffnete sich von dort in Ostrichtung nach einem Korridor das Kirchenschiff der Laien, das zudem ein nördliches Seitenschiff besaß und südlich ein weiteres Seitenschiff oder eher einen weiteren Korridor. Eine Schrankenanlage, deren Fundament gesichert ist, trennte den Laienbereich vom anschließenden Klerusbereich, der durch eine rechtwinklige Apsis abgeschlossen wurde. Nördlich vom Klerusbereich befand sich ein vielleicht als Pastophorium zu deutender Raum. Stufen einer Treppe am Narthex können zu einem oberen Stockwerk oder einem begehbaren Dach geführt haben. Nur spekuliert werden kann, ob neben dem Korridor zwischen Narthex und Schiff eine Art Turm stand. Das alles zusammengenommen zeigt alles andere als einen typischen basilikalen Grundriss, den man eher in die Ruine hineinlesen muss. Vorausgesetzt es handelt sich um eine Kirche, wäre aber gerade dieser Befund 104

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ein bemerkenswerter Hinweis auf die Struktur eines Kirchenbaus, ehe die konstantinische Basilika zur kirchlichen Normarchitektur wurde. Folgt man den Erläuterungen Parkers, so habe die Kirche von Aila trotzdem alle relevanten Raumteile besessen, die seit den frühen Kirchenordnungen für eine Kirche vorgesehen sind. Mit Kirchen, die vor dem magischen Datum des Kirchenfriedens 311/313 entstanden sein könnten, tut sich Fachwelt der Archäologen schwer. Gilt das für die Kirche in Aila, deren Entdeckung und Erstpublikation gerade mal gut zwei Jahrzehnte zurückliegen, so trifft das auch für die Kirche von Silchester in der Grafschaft Hampshire im Süden Englands zu, die schon 1892 entdeckt wurde. In allen wesentlichen Erörterungen zur Entstehung des frühchristlichen Kirchenbaus fand sie keine Berücksichtigung. Es ist zugegeben ein kleines Gebäude, dessen Grundmauern südlich des Forums der römischen Stadt Calleva Atrebatum zutage kamen. Ihr Ausgräber, der englische Antiquar William St John Hope, vermutete, dass es sich um eine Kirche handelt. Rev G.W. Minns veröffentlichte ein Foto des ausgegrabenen Zustandes (Abb. 21a) sowie einen schematischen Plan (Abb. 21b).205 Das Foto und der Plan schienen keinen Einwand gegen die Deutung einer frühchristlichen, basilikaähnlichen Kirche zuzulassen. Das Gebäude besitzt ein Langhaus oder längliches Schiff mit den Maßen 8,91 × 3,05 m, das im Westen in eine Apsis mündet. Direkt vor dieser befand sich ein quadratisches Mosaikfeld mit einem schwarz-weißen Schachbrettmuster. Südlich und nördlich schließen sich je ein Seitenschiff von 1,52 m in der Breite an, die zur Apsis hin eine querschiffartige Verbreiterung besitzen. Grob gerechnet ergeben sich für den Raum ungefähr 60 qm, etwas mehr als für den Versammlungsraum in Dura Europos. Vorgelagert ist ein Vorraum, den man Narthex nennen möchte, der 7,30 × 2,06 m misst und an seinem Nordende eine runde Vertiefung aufweist, die vielleicht eine Taufstelle markiert, von der später zu reden sein wird. Diese Struktur war ausschlaggebend für die Einschätzung des Ausgräbers, dass es sich um eine Kirche handeln müsse  : »From a comparison of the plan and surroundings of the building with those of a similar character in Italy and other of the Roman Empire, there seems to be little, if any, doubt, that we have here a small church of the basilican type.«206 Die Zustimmung war zunächst allgemeiner Art, und die Kirche von Silchester geriet zu einem wichtigen Baustein in der Darstellung des frühen Christentums in Britannien. Nach der Mitte des 20. Jahrhunderts trübten skeptische Stimmen die bis dahin Archäologische Zeugnisse

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Abb. 21a  Historische Aufnahme des ausgegrabenen Befundes der Kirche in Silchester von 1892.

Abb. 21b  Schematischer Plan der Kirche in Silchester.

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geübte Einigkeit. So äußerte Jocelyn Toynbee den Einwand, man könne nicht allein aufgrund des freigelegten Grundrisses den Schluss auf eine Kirche ziehen  ; so gebe es bspw. in Rom pagane Tempel vergleichbaren Zuschnittes.207 Die Archäologin forderte deshalb eine neue Ausgrabung, die 1961 durchgeführt wurde. Ian Richmond führte die Nachgrabung durch – er war von der Bestimmung der Kirche überzeugt – und nach dessen Tod publizierte der Archäologe Sheppard Sunderland Frere 1975 die Ergebnisse, die er in Abwägung aller Ergebnisse folgendermaßen zusammenfasste  : »[…] the balance of probability thus strongly suggests that the building should be accepted as Christian and a church.«208 Noch ehe Freres Final Report veröffentlicht war, goss der Historiker Michael Jonathan Taunton Lewis Wasser in den frühchristlichen Wein, indem er einräumte, »[t]he building, from its plan, certainly represents a place of worship«, zugleich aber hinzufügte, »but in the absence of any ritual objects the question of cult cannot be dogmatically answered.«209 Doch die Bestimmung als Kirche war nicht der Stachel im Fleisch von Freres Final Report. Dies war vielmehr die aus keramischen Funden und Münzen hergeleitete Datierung ins letzte Drittel des 3. Jahrhunderts mit einem terminus post quem von 268/270 anhand von drei Münzen des Victorinus, den seine Truppen zum Kaiser der abgefallenen Westprovinzen des Römischen Reichs ausgerufen hatten. Somit fiele die Kirche in Silchester in die sog. kleine Friedenszeit, die mit Gallienus begonnen hat. Diese Frühdatierung einer archäologisch bezeugten Kirche durfte so natürlich nicht stehen bleiben. Sie sei nach allem, was bekannt ist, nicht denkbar, folgerte der Archäologe Anthony King  : The major difficulty in accepting the Silchester building as Christian lies in its probable date […] Any date for its construction previous to Constantine’s encouragement of the Church in the 310s – 330s almost certainly rules out the possibility of an ecclesiastical origin, for such a prominent and distinctive building is completely out of step with what is known of Christian cult-centres in the pre-Constantine era (Krautheimer 1975, chapter 1). Congrational churches were virtually unknown at this time, since meetings took place in houses or discreet modified dwellings, to avoid official attention.210

Archäologische Zeugnisse

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Eine vorkonstantinische Kirche würde demnach den Regeln widersprechen, die Archäologen, Historiker und Theologen aufgestellt haben, und die Windmühle der Hauskirche feierte ihren Triumph. Selten wurde so deutlich ausgesprochen, was nicht sein kann, das nicht sein darf. Es ist dann rasch zu erkennen, dass unter dieser Prämisse auch keine vorkonstantinischen Kirchen gefunden werden können. Da jedoch Anthony King die Datierung des Gebäudes nicht in Abrede stellen wollte oder konnte, tendierte er zu einem Gebäude für einen östlichen Kult, da tatsächlich eine private oder öffentliche anderweitige Nutzung nicht in Frage käme. Belässt man es bei der Deutung einer vorkonstantinischen Kirche, so wird im Aufriss gar nicht unbedingt eine Basilika zu rekonstruieren sein, es ist durchaus auch ein Holzbau über einem Steinfundament denkbar, aber es bleibt eben ein Kultraum mit Apsis für den Klerus, mit einem durch ein Mosaik markierten Standort für den Altar, einem Kirchenschiff für die Laien mit seitlich anschließenden Schiffen oder Räumen. Ein Vorraum (Narthex) ist vorhanden, an dessen nördlichen Ende sich eine runde Vertiefung möglicherweise als Ort für ein Taufbecken (davon später) ansprechen lässt. Gerade weil Silchester trotz gewisser Ähnlichkeiten nicht dem Standardtyp des postkonstantinischen Kirchenbaus entspricht, könnte sie auf ihre Weise eine frühe Zeit repräsentieren, »als die Normen des Kirchenbaus noch nicht festgelegt waren«, resümierte der Historiker Carsten Peter Thiede, um zu folgern  : »In diesem Fall wäre sie nicht nur die älteste bisher entdeckte Kirche nördlich der Alpen, sondern eine der ältesten, vielleicht sogar die älteste Kirche, die als solche gebaut wurde – im gesamten römischen Reich.«211

Kirchenkomplexe Spätestens der 11. Internationale Kongress für Christliche Archäologie 1986 hat den Blick über das eigentliche Kirchengebäude hinaus auf das bischöfliche Ensemble und den Kirchenkomplex gerichtet,212 in dem die verschiedensten Funktionen eines christlichen Gemeinwesens vereint sind. Solche Bedürfnisse werden explizit im Testamentum Domini Nostri Jesu Christi, das zur Gattung der Kirchenordnungen gehört, erläutert. Dort werden nach den Regeln zur Ausstattung der Kirche weitere funktionale Räume genannt  : 108

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Und es sei im Westlichen außerhalb (wörtlich ›unterhalb‹, in diesem Kontext eher als ›innerhalb‹ zu verstehen) der Ort der Taufe, der Ort der Ermahnung, und so ebenfalls ein Haus der Abgesonderten, ein Lager außerhalb, es sei gegenüber der Kirche, denn in ihm sind die Ermahnten, daß sich befinden die Hörer der Kapitel und der geistlichen Lobpreisungen und der Psalmen, die rezitiert werden in der Kirche […] Und es sei das Haus des Vorstehers oberhalb der Kirche in nördlicher Richtung, und die Opfergaben, die dargebracht werden jeden Tag, es sollen aufschreiben die Diakone die Namen, in denen dargebracht werden […] Und es sei der Ort der Umherziehenden bei der Kirche für die Fremden, und es werden getragen ihre Bedürfnisse von ihrem Vermögen gemäß dem Befehl des Vorstehers.213

Man kann daraus vorsichtig Orte für die Taufe, für die Katechumenen und die Büßer sowie ein Haus des Vorstehers und ein solches für die Opfergaben und ihre Verwaltung sowie ein Hospiz für die Fremden ableiten. Einigkeit besteht darin, dass das ursprünglich in Griechisch verfasste Manuskript frühesten um 400, wahrscheinlich aber erst im Laufe des 5. Jahrhunderts entstanden ist. Freilich ist erstens nicht auszuschließen, dass der Text des Testamentum Domini mit seinem Anspruch, in apostolische Zeit zurückzureichen, ältere Quellen verarbeitet, und zweitens recht gesichert, dass es solche multifunktionalen Kirchenkomplexe bereits in vorkonstantinischer Zeit gab. Ein Beleg dafür ist der Bericht über die Konfiszierung von Kirchengütern im nordafrikanischen Cirta im Jahre 303. Außer dem Haus, in dem die Christen zusammenkommen, werden eine Bibliothek und ein Triclinium genannt  ; und eine Schatzkammer für die Kirchengüter kann erschlossen werden.214 Weder aus dem Testamentum Domini noch aus dem Befund von Cirta kann eine Regel abgeleitet werden, dass es sich dabei um einen geschlossenen Komplex oder um einzelne Gebäude bzw. Räume außerhalb des eigentlichen Kirchengebäudes handelt. Nicht zuletzt wird dies von den örtlichen Gegebenheiten abhängig gewesen sein. Es sei aber daran erinnert, dass es bereits in der Kirche von Dura Europos neben dem Versammlungsraum und dem angenommenen Baptisterium weitere Räume gab, die funktional nicht zugeordnet werden können, aber gewiss nicht ohne Funktion waren. Insofern kann man bereits in Dura Europos einen Kirchenkomplex sehen. Derartige räumliche Anforderungen der kirchlichen Bedürfnisse wird man wohl nirgends außer Acht gelassen haben. Kirchenkomplexe

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Die Kirche in der Fischfabrik Es ist offenkundig, dass christliche Kirchen nicht allein Neubauten, sondern oft genug Umbauten bestehender Gebäude gewesen sind. Das können Gebäude gewesen sein, die von ihren Besitzern zur Verfügung gestellt oder aus privater oder öffentlicher Hand von der Gemeinde erworben wurden. Im südlichen Portugal liegen auf einer Halbinsel mit dem Städtchen Troia an der Mündung des Flusses Sado gegenüber von Setubal die Ruinen einer namentlich nicht bekannten Stadt, einer Stätte mit einer umfangreichen fischverarbeitenden Industrie. Wasserbassins und Produktionsstätten für das in der Antike so begehrte Garum sind nachgewiesen. Offenkundig wurde beim Niedergang der Produktion ein zuvor industriell genutztes, 22,5 m langes Gebäude in eine Kirche umgewandelt. Der Raum wurde durch von Säulen getragenen Arkaden in vier quergelagerte Schiffe untergliedert. Der kirchliche Charakter des Raumes wurde an den Wandmalereien festgemacht, in denen ein (nicht mehr sichtbares) kranzumschlossenes Christogramm zwischen Alpha und Omega und dekorativen Vögeln inmitten floraler und ornamentaler Motive zu sehen war.215 Die ungewöhnliche Architektur ließe sich durch die Umnutzung eines der Fischverarbeitung dienenden Vorgängerbaus erklären. Aber gerade dieser Umstand kann verdeutlichen, dass es für Kirchenräume keine feststehenden Architekturformen gegeben hat. War der Raum für die zu versammelnde Gemeinde nur groß genug, so wusste man sich darin ggf. durch entsprechendes mobiles Mobiliar einzurichten. Um sich das an diesem Beispiel zu vergegenwärtigen, ist eine konkrete Datierung der Umbaumaßnahme nicht notwendig. Zwar ist eine solche Adaption schon um 300 vorstellbar, so tendieren die Archäologen einmal mehr aufgrund des Christogramms eher in nachkonstantinische Zeit. Man darf aber anfügen, dass nach Konstantin wohl eher Neubauten im Basilikastil gebaut werden konnten und man nicht mehr auf die Umnutzung bestehender Gebäude angewiesen war.

Vorkonstantinische Oratorien, Totengedenken und Martyria Oratorium ist ein schwer fassbarer Begriff, der hilfsweise mit Betraum übersetzt wird, ohne dass damit seine Funktion geklärt wäre. In seiner umfassenden Studie zu den frühchristlichen Kapellen unterscheidet Gillian 110

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Vallance Mackie Märtyrergedenkstätten und Grabkapellen, häusliche Kapellen (domestic oratory) sowie Kapellen innerhalb von Kirchen,216 doch von der Systematik abgesehen bleibt für die Frage nach den Verhältnissen in der vorkonstantinischen Zeit hier praktisch nichts übrig. Die Räume in den villa churches wie in Lulligstorne können als Oratorien angesprochen werden,217 ebenso mag der Begriff für die loca sancta angemessen sein. Vom Sprachgefühl her wird man damit Andachtsstätten verbinden, die im Gegensatz zu Kirchen nicht dem regelmäßigen Gottesdienst, sondern orts- und anlassbezogen der Versammlung von Christen im kleinen oder größeren Kreis gedient haben. Dies können bspw. Grabstätten gewesen sein, an denen man sich zur christlich konnotierten Totengedenkfeier im Familienkreis zusammenfand. Waren dort ein Märtyrer oder eine Märtyrerin beigesetzt, so versammelte sich die christliche Gemeinde als Kollektiv. Am ehesten archäologisch auszumachen sind solche Martyria, die indes keine spezifisch christliche Form entwickelt haben, sondern der allgemeinen spätantiken Grabarchitektur folgen. Hinzu kommt, dass dezidiert christliche Memorialbauten wohl erst im Zuge der letzten reichsweiten Christenverfolgung unter Galerius und Diokletian entstanden und somit allenfalls kurz vor, eher nach der sog. konstantinischen Wende zu datieren sind. An manchen von ihnen haftet indes bis heute hartnäckig eine weiter zurückreichende Tradition. Es seien die Soldaten Cassius und Florentinus der Thebäischen Legion gewesen, die ihr Martyrium erlitten, als sie sich weigerten das vorgeschriebene Kaiseropfer darzubringen. Ihnen ist das Münster in Bonn geweiht, und als man 1928 bei Ausgrabungen unter dem Münster ein antikes Gräberfeld freilegte, fand man ein 3,35 × 2,55 m messendes Areal mit zwei gemauerten tischartigen Blöcken und einer umlaufenden Sitzbank. Das konnte natürlich nichts anderes sein als die cella memoria, die Gedächtniskapelle der beiden Märtyrer. Über Cassius und Florentinus ist eigentlich wenig bekannt. Ihre Zugehörigkeit zur Thebäischen Legion ist nicht gesichert, ebenso wenig ihr Todesdatum (vermutlich Ende des 3. Jahrhunderts) oder die Umstände ihres Todes. Erst in einer Urkunde von 691/692 werden sie in Bonn erwähnt. Der kleine Bau, an dem ihr Gedächtnis haftet, ist bei objektiver Betrachtung ein typisch spätantiker Raum für die Abhaltung der Totengedächtnismahle. Richard Krautheimer hielt dies noch für ein einfaches Martyrion unter freiem Himmel, das etwa zeitgleich mit der Triclia in Rom um die Mitte des 3. Jahrhunderts entstanden sei.218 Doch Vorkonstantinische Oratorien, Totengedenken und Martyria

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Krautheimers Einschätzung dieser Cella, die keine signifikant christlichen Merkmale besitzt, hielt den neueren Ansichten nicht stand, und die Archäologen datieren ihn heute erst ins 4. Jahrhundert. Wie in Bonn gibt es in manchen Orten solche und ähnliche Strukturen, die als Nucleus einer später darüber errichteten Kirche gelten und mit einer örtlichen Tradition verbunden sind. Als vorkonstantinische Belege für ein frühes Christentum sind sie inzwischen alle von der Archäologie entzaubert. So lautet bspw. das Fazit von Sebastian Ristow über die Verhältnisse an Rhein, Maas und Mosel  : »Vor dem 4. Jahrhundert kann […] (mit Ausnahme von Trier) […] kein Zeugnis christlichen Lebens im RheinMosel-Raum identifiziert werden.«219 Damit war die Konstruktion von der christlichen, vorkonstantinischen cella memoria in Bonn wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt. Spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert sind die Archäologen sehr streng geworden und ließen nur noch die Fakten sprechen. Lange Zeit galt ein privates Familienmausoleum auf der spätantiken Nekropole von Marusinac bei Salona/Split, das einer gewissen Asklepia gehörte, als Prototyp für die Verbindung von Privatmausoleum und christlichem Kultbau, denn die fromme Frau hatte darin 304 den Märtyrer Anastasius bestatten lassen. Sein Sarkophag ruht im Untergeschoss des doppelgeschossigen Mausoleums, während im Obergeschoss die Totengedächtnismahle abgehalten werden konnten. Dieses Kartenhaus ist mindestens stark ins Schwanken geraten, nachdem alle drei spätantiken Nekropolen von Salona, die als wesentlich für die Entwicklung des christlichen Märtyrerkultes angesehen wurden, neuerlich durch die Kunsthistorikerin Ann Marie Yasin überprüft wurden  : This investigation of Salona’s three primary Christian burial complexes has sought to challenge the traditional reading of archaeological evidence from these sites. Our re-examination of the archaeological and textual sources for the late antique saints’ cults has revealed just how little firm evidence there is to support the conventional histories of architectural development at the extraurban shrines. These findings are all the more significant given the primacy that Salona has played in scholarship on late antique saints’ cults. If my analysis is correct, the interpretation of three of the principal sites, on which the evolutionary model of martyrium development heavily rests, appears far less clearly monolithic. Both the stability and the explanatory force of model itself, therefore, are called into question.220

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Alles kommt auf den Prüfstand. Vielleicht hat das Oratorium des heiligen Maurus als Nucleus der späteren Basilika Euphrasiana in Porec in Istrien Bestand. Eine Inschrift weiß zu berichten  : HOC CUBILE SANCTUM CON FESSORIS M AURI / N IBEUM CONT ENET CORPUS / H AEC PRIMIT IVA EIUS OR AT IBUS / REPAR ATA EST ECCLESI A / HIC CON DIGN E T R ANSL AT US EST / UBI EPISCOPUS ET CONFESSOR EST FACTUS / IDEO IN HONORE DVPLICAT VS EST LO CUS /M SVB … ACT VS. 221

Milan Prelog leitete daraus zwei Phasen der euphrasianischen Vorgängerkirche ab, eine erste ecclesia primitiva und eine ecclesia reparata, die duplicatus est der Aufnahme der Gebeine des Heiligen diente, die vom Friedhof hierher übertragen wurden.222 Dies erlaubt die Rekonstruktion, dass der Märtyrer zunächst wie üblich und vorgeschrieben auf einem Friedhof außerhalb der Stadt beigesetzt wurde und ihm zum Gedächtnis innerorts in einem Wohnkomplex nahe der Stadtmauer eine ecclesia primitiva gewidmet wurde. Diese ecclesia primitiva wird in der Literatur auch als Oratorium des heiligen Maurus bezeichnet und bisweilen schon vor der konstantinischen Wende um 300 oder zumindest noch während der Verfolgungszeit angesetzt. Die reparierte Kirche, in die der Leichnam des Maurus überführt wurde, nahm zu diesem Zeitpunkt die Gestalt einer Doppelkirche (duplicatus) an, worunter man sich wohl den Typ der Zwillingskirche oder basilica gemini vorstellen kann. Dies wird aufgrund von Münzen des Kaisers Valens (365 – 378) im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts erfolgt sein. Es folgten eine Basilika des 5. Jahrhunderts und schließlich der euphrasianische Neubau im 6. Jahrhundert. Vom ursprünglichen Wohnkomplex mit der ecclesia primitiva bis zur Euphrasiana ist der Werdegang der Kirche recht gut zu fassen, demzufolge die ecclesia primitiva lediglich ein rechteckiger Raum ohne Apsis war. Die teilweise erhaltenen Mosaiken in diesem Bereich stammen wohl teilweise noch aus dem ersten Maurus-Oratorium, mehrheitlich aber aus dem Nachfolgebau des späten 4. Jahrhunderts. Das Mosaik mit dem berühmten Fisch (Abb. 22), den man so gerne dem vorkonstantinischen Oratorium zuordnen möchte, wird allerdings weitgehend übereinstimmend dem Bau des 4. Jahrhunderts zugerechnet. So bleibt die Erkenntnis, dass es vielleicht schon vor Konstantin im Wohnumfeld Andachtsräume gegeben hat, die allerdings im Falle von P ­ orec Vorkonstantinische Oratorien, Totengedenken und Martyria

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Abb. 22  Mosaik mit einem Fisch aus der Vorgängerkirche der Basilica Eufrasiana in Porec-­ Parentium (Kroatien). Der Fisch, der aufgrund seiner angenommenen iχθύς-Symbolik (vgl. Abb. 6b) vormals gerne als christliches Symbol interpretiert wurde, wird heute nicht mehr mit dieser Bestimmtheit betrachtet. Er kann auch in profanem Kontext vorkommen.

als rechtwinkliger Raum wenig signifikant sind. Sollte allerdings bereits diese ecclesia primitiva dem Gedächtnis des Bischofs und Märtyrers Maurus gedient haben, so wäre sie ein Beleg für die Pflege des Totengedächtnisses außerhalb von Friedhöfen und losgelöst von der Grabstätte in einem Oratorium. Gesichert ist die Pflege des Totengedächtnisses für heiligmäßig Verstorbene indes auf spätantiken Friedhöfen und vor allem in den römischen Katakomben. In Cimitile bei Nola wurde der im hohen Alter verstorbene heilige Felix von Nola am Ende des 3. Jahrhunderts beigesetzt. Erst nach der strengen Verfolgungszeit wurde zwischen 303 und 305 über der Grabstätte ein quadratischer Grabbau errichtet. Die Katakomben waren ihrerseits nichts anderes als große Friedhöfe, die aus zweckmäßigen Gründen überall angelegt worden waren, wo es die geologischen Verhältnisse erlaubten oder die beengten Platzverhältnisse sub divo es erforderlich machten. In ihnen hielten die Familien antiker Tradition entsprechend die Totenmahlzeiten. Archäologisch belegt sind 114

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sie durch entsprechende Räume, in denen aus dem anstehenden Stein gehauene Tische und Liegebänke dafür hergerichtet waren. Außerdem bezeugen in der römischen Katakombenmalerei Mahldarstellungen diesen Brauch. Dargestellt sind Menschen, die auf einem typischen, sigmaförmigen Speisepolster ruhen, vor dem ein kleiner Tisch steht. Bisweilen sind die Dienerinnen zu sehen, welche die Mahlteilnehmer bewirten. Weder aus dem einen noch aus dem anderen ist konsequent abzuleiten, dass diese Mahlzeiten christlich ausgerichtet waren, aber es ist denkbar. Sobald auch Märtyrerinnen und Märtyrer in den Katakomben bestattet wurden, sind Zusammenkünfte zu ihrem Gedenken zu erwarten wie auf Friedhöfen unter freiem Himmel auch.

Kirche im Geheimen  ? Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts lebten die Christengemeinden von lokalen Verfolgungen abgesehen unbehelligt im Römischen Reich. Der christliche Glaube musste deshalb nicht im Geheimen gelebt werden. Gefahr für Leib und Leben brachten vor allem die reichsweiten antichristlichen Dekrete unter den Kaisern Decius und Valerian in der Mitte des 3. Jahrhunderts und unter Kaiser Diokletian in den ersten Jahren des 4. Jahrhunderts. Dass in diesen Zeiten christliche Versammlungen und Gottesdienste im Verborgenen stattfanden, ist denkbar und wahrscheinlich. Lange Zeit hat man sie in den Katakomben vermutet, was aber aus verschiedenen Gründen von Totengedenkfeiern abgesehen nicht denkbar ist. Selbst die größeren Cubicula boten kaum einer größeren Zahl von Menschen den notwendigen Raum. Entscheidender ist aber, dass diese Begräbnisstätten den Behörden bekannt waren, weshalb sie nicht für geheime Treffen geeignet waren. Falls es solche Gottesdienste im Geheimen oder gar stationäre Geheimkirchen gegeben hat, liegt es in der Natur der Sache, dass sie unsichtbar waren und geblieben sind. Im südspanischen Merida ist nun 1988 bei Ausgrabungen einer römischen Villa eine im Keller gelegene Zisterne entdeckt worden, die als solche geheime Kirche der Verfolgungszeit interpretiert und von Francisco Javier Heras Mora eben also solche arquitectura invisible bezeichnet wurde.223 Die über eine schmale Treppe zugängliche, tonnengewölbte Zisterne habe während der Verfolgung unter Decius/Valerian oder DiocleKirche im Geheimen  ?

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tian als Gottesdienstraum gedient. Beleg sei ein an der Stirnwand gemaltes, von einem Kranz umschlossenes Christusmonogramm, das zwar nur fragmentarisch, aber eindeutig erhalten ist. Die Unannehmlichkeiten, die man mit der Nutzung dieses dunklen und klammen Raumes auf sich nahm, seien nur dadurch zu erklären, dass man sich im Verborgenen treffen musste. Freilich will Francisco Javier Heras Mora nicht ausschließen, dass die ganze Villa dem Hausbesitzer und der Gemeinde als Hauskirche gedient habe, während der unterirdische Zisternenraum als Taufort einzuschätzen sei. Nach herkömmlicher Lesart schließt jedoch gerade das Christogramm eine Datierung in die Zeit vor Konstantin aus. Zudem wäre der Befund einer vorkonstantinischen Geheimkirche völlig singulär. Möglicherweise schließt sich die domus in Merida eher den oben genannten villa churches wie in Lullingstone oder Fraga an. Unabhängig von diesem konkreten Fall in Merida können die Überlegungen von Francisco Javier Heras Mora zur Einsicht führen, dass es in vorkonstantinischer Zeit neben den großen, öffentlich bekannten Kirchen ebenso kleine und quasi unsichtbare gegeben hat. Ihr unsichtbarer Charakter ist es, der es den Archäologen unmöglich macht, sie als solche zu identifizieren.

Vierter Zwischenschritt Es gibt einen gewissen wissenschaftlichen Konsens, dass im halben Jahrhundert der kleinen Friedenszeit von der Existenz deutlich sichtbarer Kirchen ausgegangen werden muss, seien es Um- oder Neubauten, für die jedoch in keinem Fall die Vorstellung von der Hauskirche ausreicht. Die Berichte von Zerstörungen während der diokletianischen Verfolgung und der anschließenden Restitution und Neuerrichtung von Kirchen lassen keinen anderen Schluss zu. Archäologische Befunde wie in Silchester werden allerdings weitgehend abgelehnt, Neufunde wie in Aqaba skeptisch betrachtet. Erstens  : Der bereits vor den decisch-valerianischen Verfolgungen geübte Bau exklusiver Kirchen wurde in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts unvermindert fortgesetzt. Die zerstörten Kirchen wurden größer und schöner wieder hergestellt. Sie besaßen neben dem notwendigen Mobiliar Wandmalereien und Mosaiken.

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Kirchenbauten der kleinen Friedenszeit

Zweitens  : Die großen Kirchen konnten in den Städten einen öffentlichen und stadtbildprägenden Charakter besitzen. Drittens  : Dabei trat die christliche Gemeinde im Sinne einer Körperschaft als Bauherr auf. Viertens  : Die in Frage stehenden archäologischen Zeugnisse machen deutlich, dass es noch keine verbindliche äußere Baugestalt gab. Sie lassen zugleich erkennen, dass sie nicht dem basilikalen Baustil der Zeit nach Konstantin folgten. Ihre Bauweise richtete sich nach regionalen und örtlichen Gegebenheiten. Fünftens  : Neben Neubauten entstanden weiterhin Kirchen durch entsprechende Umbauten privater oder kommerziell bzw. industriell genutzter Vorgänger. Sechstens  : Neben den Kirchen, in denen sich die Gemeinde zum Gottesdienst versammelte, gab es weitere Örtlichkeiten, an denen man sich zu Gebet und Gedenken traf. Das geschah in Oratorien, an den Gräbern und vor allem an den Gräbern der Märtyrerinnen und Märtyrer. Siebtens  : Eine hohe Bedeutung kommt der Frage zu, ob die Kirchenbauten der kleinen Friedenszeit eine Neuerung in der Gottesdienstpraxis der Christen darstellen. Nicht wenige tendieren zu der Auffassung von Hans Georg Thümmel, der 1999 formuliert hat  : »Ein gewisser Wandel wird im späteren 3. Jh. deutlich.«224 Nach den Ergebnissen des vorherigen Kapitels muss man jedoch zu dem Ergebnis kommen, dass sie lediglich eine Fortsetzung jener Kirchen sind, die es bereits vor der decisch-valerianischen Verfolgung gegeben hat. Die Kirchen der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts mögen aufgrund des Anwachsens der Gemeinden größer gewesen sein als ihre Vorgängerinnen, aber einen Bruch mit der vorhergehenden Zeit oder eine Neuerung stellen sie nicht dar. Achtens  : Der Vermutung von Francisco Javier Heras Mora, er habe die Zisterne einer Villa in Merida als Ort identifiziert, an dem sich Christen während der Verfolgung im Geheimen getroffen hätten, muss man nicht zustimmen, aber der Blick wird darauf gelenkt, dass man auch mit solchen Kirchen rechnen muss. Indem der Archäologe die Struktur in Merida als arquitectura invisible bezeichnete, macht er im selben Atemzug deutlich, dass solche Kirchen unsichtbar waren (und sind), um ihren Zweck zu erfüllen.

Vierter Zwischenschritt

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»Siehe, da ist Wasser  ; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse  ?« Taufpraxis in vorkonstantinischer Zeit

In seiner kurz vor 200 verfassten Schrift Über die Taufe (De Baptismo) grenzt der Kirchenlehrer Tertullian die christliche Taufe von vergleichbaren Riten der paganen Umwelt ab  : Auch die Heiden, aller Einsicht in die geistigen Kräfte bar, messen ihren Idolen dieselben Wirkungen bei. Allein sie täuschen sich mit bloßem Wasser. Zu manchen Kulten nämlich lassen sie sich durch ein Bad aufnehmen, zu den Kulten der Isis oder des Mithras  ; auch tragen sie ihre Götter zu Abwaschungen heraus. Die Landhäuser, Wohnungen, Tempel und ganze Städte sühnen sie aus durch Besprengung mit überall umhergetragenem Wasser, lassen sich wenigstens zur Zeit der Apollospiele und der Eleusinien darin eintauchen und leben dann in dem Wahne, dergleichen zum Behuf der Wiedergeburt und Straflosigkeit für ihre Meineide vorzunehmen. Ebenso entsündigte sich bei den Alten, wer immer sich durch einen Totschlag befleckt hatte, mit Sühnwasser.225

Um eine eigene Taufpraxis zu entwickeln, konnten sich die Christen nicht nur an der Taufe Jesu durch Johannes im Jordan, sondern auch an den Praktiken ihrer paganen Umwelt orientieren. Dort kannte man, wie Tertullian bezeugt, das Baden, das Eintauchen, das Besprengen und das Abwaschen. Der 258 verstorbene Kirchenlehrer Cyprian antwortete auf die Frage, ob die Taufe durch Besprengen die gleiche Gültigkeit besäße wie das Abwaschen, dass hierin kein Unterschied bestehe  : Daraus (Num. 8, 5 – 7   ; 19, 9) geht hervor, dass auch die Besprengung mit Wasser das gleiche bedeutet wie das heilbringende Bad und dass alles in Ordnung ist und durch die Majestät des Herrn und die Wahrheit des Glaubens vollbracht und vollendet werden kann, wenn dies alles in der Kirche geschieht, wo der Glaube sowohl des Empfängers wie des Spenders unversehrt ist.226

Taufpraxis in vorkonstantinischer Zeit

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Bis ins 3. Jahrhundert hinein wurde der Taufpraxis an sich weniger Bedeutung beigemessen als dem Inhalt dieses Ritus und der Taufe auf den dreieinigen Gott. In der vielleicht noch Ende des 1. Jahrhunderts verfassten Apostellehre (Didache) wird zur Taufpraxis angemerkt  : Bezüglich der Taufe haltet es so  : Wenn ihr all das Vorhergehende gesagt habt, taufet auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes in fließendem Wasser. Wenn du aber kein fließendes Wasser hast, dann taufe in einem anderen Wasser  ; wenn du es nicht in kaltem tun kannst, tue es im warmen. Wenn du beides nicht hast, gieße dreimal Wasser auf den Kopf auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.227

Im Neuen Testament finden sich dazu keine einheitlichen Vorgaben. In der Apostelgeschichte 8, 27 – 39 wird die Taufe des Kämmerers der Kandake durch Philippus geschildert, die bald nach der Kreuzigung und Auferstehung Jesu geschah. Überzeugt von der Botschaft des Auferstandenen, begehrte der Kämmerer die Taufe und sagte, als sie an eine Wasserstelle kamen  : »Hier ist Wasser. Was steht meiner Taufe noch im Weg  ? Er ließ den Wagen halten und beide, Philippus und der Kämmerer, stiegen in das Wasser hinab, und er taufte ihn.« Der Ort ist demnach eher zufällig, und auch sonst ist man in apostolischer Zeit pragmatisch mit der Taufe umgegangen. Entspricht vielleicht die Taufe des Kämmerers in einem wohl offenen Wasser einer Idealvorstellung, die man sich vom Urchristentum macht, so wurde der Völkerapostel Paulus in einem Haus getauft, ohne dass die näheren Umstände beschrieben werden.228 In den apokryphen Akten der Xanthippe und der Polyxenia tauft Paulus die Xanthippe im Haus des Philitheus.229 Um eine Taufe im Haus scheint es sich auch zu handeln, als Paulus seinem Gefängniswärter und seinen Angehörigen die Taufe spendet.«230 Aus keiner Stelle wird jedoch klar, wie die Taufe in einem Haus vollzogen wurde, in einem privaten Bad, in einem Impluvium im Atrium oder vielleicht doch nur durch Übergießen oder Besprengen aus einem Gefäß. Möglichkeiten für eine Taufe waren sicherlich auch in den öffentlichen Bädern gegeben. Ein Beleg für die Nutzung öffentlicher Bäder findet sich für die oft mit der christlichen Taufe verglichenen Einweihungsrituale in die Isismysterien. In seinen Metamorphosen schildert Apuleius, wie sein Protagonist Lucius solches erlebte  : 120

»Siehe, da ist Wasser  ; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse  ?«

Wie es endlich nach des Hohenpriesters Angabe die Zeit erforderte, so führte er mich, vom ganzen Priesterschwarme begleitet, in das nächste Bad. Erstlich musste ich mich nach gewöhnlicher Weise baden, darauf hielt er ein Gebet über mich, besprengte mich über und über mit Weihwasser und reinigte mich.231

Die Nutzung eines Bades findet sich ebenfalls in den apokryphen Thomas­ akten bei der Taufe des Königs Gundaphorus. Und der König befahl, das Bad sieben Tage lang zu schließen und niemand darin zu baden  ; und als die sieben Tage getan waren, traten sie am achten Tag zu dritt ein bei Nacht ins Bad, damit Judas sie taufen kann. Und viele Lampen wurden im Bad angezündet.232

Neben der Örtlichkeit eines öffentlichen Bades findet sich hier eine einmalige Schilderung des Ambientes, indem die Taufe bei Nacht stattfindet und der Raum mit vielen Öllichtern erhellt wird. Stammen die Thomasakten aus dem 3.  Jahrhundert, so schildern sie durchaus die Taufpraxis, die sich vielfältig darstellt. »Und nachdem er sie gesalbt hatte, führte er sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ins Wasser«233, an anderer Stelle »war ein Wasserbrunnen, auf den der Apostel hinaufging und Mygdonia im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes taufte«234 und nochmals anders »befahl er, ein Gefäß zu bringen, und taufte sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.«235 Diese Quelle belegt somit auch das Übergießen oder Besprengen aus einem Gefäß. Schließlich wird in den apokryphen Petrusakten236 geschildert, wie der Apostel seine Gefängniswärter in Rom noch im Gefängnis mit Wasser tauft, das er wunderbarerweise aus der Wand fließen lässt. Sowohl in der frühchristlichen Katakombenmalerei wie in der Sarkophagplastik wurde diese Szene häufig dargestellt  ; meist fließt das Wasser von oben herunter und die taufwilligen Soldaten scheinen davon zu trinken. Ein Bezug zur Praxis ist daraus nicht abzulesen, vielmehr orientiert sich die Darstellung am Quellwunder des Moses in der Wüste, wo die durstigen Israeliten tatsächlich von diesem Quell trinken. Es lassen sich für die frühchristliche Taufpraxis zunächst keine Normen, stattdessen eine große Vielfalt konstatieren.237 Kaum genannt wurde bisher ein naheliegender Ort für die Taufe. Benutzten die Juden Tauchbäder Taufpraxis in vorkonstantinischer Zeit

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für die Reinigung wie zur Taufe von konversionswilligen Nichtjuden (Proselytentaufe), so verwendeten sie dafür die Mikwen genannten Tauchbecken, für die es bereits aus dem 1. Jahrhundert archäologische Belege gibt, z. B. mehrere im Umfeld des Tempels in Jerusalem, aber auch in Qumran, Massada oder im Herodianum bei Jericho. Derartige Mikwen sind in etwa halbmannshohe bis schulterhohe, rechteckige bis ovale Becken, in die einige Stufen hineinführen. Wie die Becken auf Massade zeigen, sind sie ergänzt um ein Regenwassersammelbecken und ein kleines Becken zum Reinigen von Händen und Füßen. Die eigentlichen Tauchbecken können durchaus als Vorläufer der christlichen Piscinen gesehen werden, von denen sie sich formal eigentlich nicht unterscheiden. Ohne Kontext sind jüdische Mikwen und christliche Piscinen nicht zu unterscheiden, soweit sie nicht kreuzförmig oder polygonal angelegt sind. Zumindest für die Zeit, als die Christgläubigen wie gesehen noch zum Gebet in die Synagoge gingen, scheint die Benutzung der Mikwe für die Taufe geradezu selbstverständlich zu sein. Es ist eine offene Frage, wann sich die Vorstellung von der Taufe an ­einem stationären, kultisch geprägten Ort durchsetzte und zu christlichen Taufräumen führte, die später als Baptisterien zu einem festen Bestandteil der Kirchenarchitektur wurden. Es ist schon denkbar, dass dies im Gleichklang zur Hierarchisierung und zur Verfestigung des Bischofsamtes geschah, wodurch ja auch die Stellung des Kirchengebäudes wuchs. Es gilt als nahezu unbestritten, dass sich diese Entwicklung archäologisch im Baptisterium der Kirche von Dura Europos und damit Mitte des 3. Jahrhunderts manifestiert. In dem zur Kirche umgebauten Haus hat man gegenüber dem Versammlungsraum einen weiteren Raum besonders hergerichtet, indem man an seiner Stirnseite einen Trog anbrachte und mit einem Ziborium versah (Abb. 16). Einzigartig für diese Epoche sind die Wandmalereien mit biblischen Themen, die es erst möglich machen, das Gebäude insgesamt als christlich einzustufen. Unter den Bildern an den Wänden lassen sich eindeutig die Heilung des Gichtbrüchigen, der Meerwandel Petri und der Kampf zwischen David und Goliath benennen. Ein fragmentiertes Bild mit einer Frau, die Wasser aus einem Brunnen schöpft, lässt sich vielleicht als Jesus und die Samariterin am Brunnen deuten. Der an Ost- und Südwand in der unteren Zone dargestellte Zug von Frauen zu einem Sarkophag ist aufgrund fehlender Parallelen nicht eindeutig zu benennen. Drei Frauen mit Gaben und Fackeln 122

»Siehe, da ist Wasser  ; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse  ?«

sind erhalten und könnten den Zug der Frauen zum leeren Grab Jesu (Mk. 16, 1 – 8) darstellen. Da die daran anschließende, aber zerstörte Bildfläche Raum für weitere Personen bietet und an der Ostwand die Fußpartien weiterer (weiblicher) Personen erhalten sind, ist der Bezug zu den Frauen am leeren Grab jedoch eher unwahrscheinlich. Unbestritten ist, dass der Raum aufgrund seiner Malereien und der baldachinartigen Installation eine besondere Bedeutung besaß. Er misst 6,85 × 3,15 m, woraus sich eine Fläche von etwa 21 qm ergibt. Die Raumhöhe betrug ca. 3 m. Außer zwei Türen, die in den Innenhof und ein benachbartes Zimmer führten, besaß der Raum keine Lichtquellen in Form von Fenstern. An der Ostwand war eine Bank aufgemauert, die mit einem kurzen Schenkel L-förmig auf die Südwand ausgreift. Gegenüber an der Westwand befindet sich ein 1,63 × 0,95 m messender Trog bei einer Tiefe von knapp 1 m. Über 1,5 m hohen Säulen erhebt sich ein Baldachin. Dieser ist an der Frontseite mit vegetabilen Motiven, an der arkosolartigen Rückwand mit einer bukolischen Szene und einem (vermutlich etwas später) hinzugefügten Motiv des Sündenfalls bemalt. Ob es sich bei dem Trog nun tatsächlich um die Piscina eines frühchristlichen Taufraums handelt, wird wie gesagt fast allgemein angenommen. In seiner umfassenden Monographie zu den frühchristlichen Baptisterien weist Sebastian Ristow anderslautende Deutungen kategorisch ab  : »Gelegentliche Deutungen des Beckens auf eine sepulkrale Funktion sind aber abzulehnen.«238 Ebenso lehnt Ulrich Mell in seiner Monographie zu Dura Europos eine sepulkrale Funktion ab  : »Raum Nr. 6 des Gebäudes wurde nicht als christliches Martyrium genutzt, sondern war seit der Umnutzung von Anfang an das Baptisterium der christlichen Hauskirche.«239 Allerdings deuten die Malereien an Trog und Wänden keineswegs zwingend auf die Taufe hin. Und es ist zumindest sehr überraschend, dass ein Bild der Taufe fehlt. Das Repertoire der Bilder findet sich gleichermaßen in der Katakombenmalerei und der Sarkophagplastik. Das Hauptargument gegen eine Grablege oder ein Martyrium fußt auf dem Verbot der innerstädtischen Bestattung. Umgekehrt wird das Gegenargument, dass dem Trog Zu- und Abfluss fehlen, mit unterschiedlichen Begründungen beiseitegeschoben. So sehr man sich im Kontext der Suche nach der ältesten Kirche über einen archäologischen Beleg für das älteste Baptisterium freuen könnte, so muss hinter dem Zeugnis von Dura Europos ein Fragezeichen stehen Taufpraxis in vorkonstantinischer Zeit

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bleiben, auch weil diese Form der Piscina, wenn sie denn eine war, keine Nachfolge gefunden hat. Die weiteren wenigen archäologischen Befunde, in denen vorkonstantinische Baptisterien vermutet wurden, halten nach Ristow einer Prüfung nicht stand.240 Im über 1000 Nummern zählenden Katalog der frühchristlichen Baptisterien von Ristow, der auch unsichere oder fälschlich als solche bezeichnete umfasst, fehlt indes der Befund der oben bereits besprochenen und mit guten Gründen vorkonstantinisch zu datierenden Kirche von Silchester. Im Vorraum der Kirche von Silchester, den man guten Gewissens als Narthex bezeichnen kann, fand sich am nördlichen Ende eine etwa kreisrunde Vertiefung mit einem Durchmesser von 71 cm, in der man eine Taufstelle vermuten kann (Abb. 21b). Diesen Befund kann man wiederum mit einer für das römische Britannien typischen Gruppe von Bleibottichen in Verbindung bringen, die zumindest in zehn Fällen mit dem Christusmonogramm und/oder Segenswünschen wie V T ERE FELI X u. Ä. versehen sind. Davon haben sich 29 Exemplare ganz oder fragmentiert erhalten, vorzugsweise im östlichen England. Ihr Durchmesser beläuft sich auf etwa 70 bis 80 cm und entspricht in etwa der in Silchester beobachteten Vertiefung in der Vorhalle. Im Britisch Museum in London zeigt man einen solchen Bleibottich aus Icklingham, der 1939 zusammen mit zwei anderen bei Ausgrabungen einer frühchristlichen Kirche mit Friedhof gefunden wurde (Abb. 23). Er besitzt einen Durchmesser von 80 cm und ist 33 cm hoch. An der Wandung findet sich zweimal das Christusmonogramm flankiert von Alpha und Omega. Diese christlichen Symbole gaben wohl den Ausschlag, dieses und vergleichbare Stücke ins 4. Jahrhundert zu datieren. Sieht man von dieser dogmatischen Festlegung der Christogrammdatierung ab, ist eine frühere zeitliche Ansetzung durchaus denkbar. Freilich wird die Funktion dieser Bottiche kontrovers diskutiert, doch scheint ihre Verwendung im kirchlichen Kontext schon wahrscheinlich, durchaus auch im Umfeld des Taufritus  : If these vessels can be seen as a group, the use to which they were put remains unclear. Their decoration with Christian motifs and their ability to hold water has led to an association with the Christian baptismal ceremony, possibly serving a role as a font, either for baptism by affusion, the pouring of water over the head or following baptism, the rite of foot-washing.241

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»Siehe, da ist Wasser  ; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse  ?«

Abb. 23  An einem von drei in Icklingham (Suffolk) nahe einer alten Kirche gefundenen Bleikesseln befindet sich an der Seitenwand ein von Alpha und Omega flankiertes Chris­ togramm. Möglicherweise hat das im Durchmesser 81cm und in der Höhe 33cm mes­ sende Gefäß als Taufbecken gedient, ohne dass dafür eine Gewissheit erreicht werden könnte. London, British Museum.

Radikal ablehnend äußerte sich dagegen Belinda Crerar, der zufolge der Schluss gezogen werden muss, dass die Beweise, die verwendet wurden, um die Bottiche mit der Taufe in Verbindung zu bringen, fehlerhaft sind.242 Vermutlich hilft zur Klärung selbst der sog. Walesby lead tank243 im The Collection genannten Museum von Lincolnshire in England nicht weiter, obwohl er neben einem Christusmonogram in Form von I und Χ einen schmalen Fries mit neun Figuren in drei Dreiergruppen besitzt, der als Taufszene gedeutet wurde. Die mittlere Gruppe zeigt eine nackte(?) Frau, flankiert von zwei Figuren (Frauen  ?), die sie an den Armen zu halten scheinen. Manche vermuten, dass die Szene die Taufe darstellt, mit jeweils drei Zeugen zur Linken und Rechten. Aber allgemein anerkannt ist diese Deutung freilich nicht und als ikonographisches Unikat nicht zweifelsfrei auf die Taufe zu beziehen. Solange kein anderer Verwendungszweck für solche Bottiche definitiv gegeben ist, bleibt seine Verwendung im Taufritus trotzdem diskutabel, vor allem wenn man sich die Taufpraxis vergegenwärtigt. Das Übergießen des Täuflings galt bereits in den frühen Kirchenordnungen als mögliche Form des Taufens. Praktischerweise stand dazu der Täufling im Wasser, in einem Becken oder eben einem Bottich. Ikonographisch ist diese Praxis durch den Grabstein eines Mädchens aus Aquileia belegt, auf dem Wasser über die Taufpraxis in vorkonstantinischer Zeit

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zu Taufende, die in einer kelchartigen Schale steht, herabfließt. Zu ihrer Rechten steht der nimbierte Taufende im Pallium, zur Linken eine Assistenzfigur in kurzer Tunika (Abb. 24).244 Eine ähnliche Anordnung zeigt ein schon im 18. Jahrhundert in San Canziano gefundener Silberlöffel.245 Auf ihm steht der unbekleidete Täufling zwischen dem Täufer und einer Assistenzfigur in einer großen Schale. Über ihm ergießt sich aus der Taube des Heiligen Geistes das Taufwasser in eine kleine Schale, die der Täufer hält, um das Wasser über den Täufling auszugießen. Selbst wenn die Datierung beider Objekte ins 4./5. Jahrhundert (und nicht früher) richtig ist, so belegen sie eine Taufpraxis, die gewiss nicht erst nach Konstantin entwickelt wurde und die gut zu den britischen Bleibottichen passt. Die Taufszenen in der Katakombenmalerei und Sarkophagplastik lassen ebenfalls erkennen, dass der Täufling nur mit den Füßen, allenfalls bis zu den Waden im Wasser steht, und manchmal ist auch der Strom des Wassers, der sich über ihn ergießt, gut zu erkennen. Selbst wenn auf diesen Bildern in der Regel die Taufe Jesu gemeint ist, so wird sich die Darstellungsweise wohl an der geübten Taufpraxis orientieren. Ein Ein- oder gar Untertauchen ins Wasser ist auf den frühen Sujets nirgends dargestellt.246 Aufgrund eines 2005 zufällig gefundenen Bleibottichs lassen sich die widerstrebenden Argumente hinsichtlich seiner Funktion verdeutlichen. Entdeckt wurde er in einer Vertiefung in etwa 50 m Entfernung der römischen Villa von Wigginton (Sussex). Die 30 cm hohe Seitenwandung ist durch vertikale, dekorative Streifen in fünf Felder gegliedert, von denen eines ein Christusmonogramm besitzt. In ihrer Vorstellung des Stückes halten die Forschenden die Nähe des Fundortes zur römischen Villa mit Bad für substanziell und denken an eine profane Verwendung im Bad, möglicherweise für die Zubereitung von heißem Wasser.247 Sie halten nicht nur eine kirchliche Verwendung für eher unwahrscheinlich, sondern auch das Chi Rho für eine persönliche Attitude des Villenbesitzers  : It is also unclear whether the chi-rho monogram signifies a connection between the tanks and the early Christian church, the personal faith of the (?villa) owner, or a popular emblematic device of the period associated with the imperial house and the elite.248

Die Nähe zu einem Bad kann umgekehrt gerade auf eine Funktion im Taufritus hindeuten, nachdem bekannt ist, dass die Christen ihre Taufen 126

»Siehe, da ist Wasser  ; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse  ?«

Abb. 24  Die Grabtafel eines Mädchens zeigt den Taufvorgang. Das Mädchen steht nur mit den Füßen in einem Becken und wird mit Wasser übergossen. Aquileia, Frühchristli­ ches Museum.

an unterschiedlichen, jeweils geeigneten Orten, wo Wasser vorhanden war, vollzogen haben. Wichtig ist schließlich die Beobachtung, dass das Gefäß in einer dafür angelegten Grube sorgfältig niedergelegt und unbrauchbar gemacht wurde, um es absichtlicher Verunstaltung bzw. Entweihung zu entziehen. Das spricht für eine vormals kultische Verwendung. Geht man davon aus, dass die Taufe überall an geeigneten Orten gespendet werden konnte, an Flüssen, Seen, an Becken und Brunnen, in Bädern usw., so konnten diese Orte durch solche Bottiche in geeigneter Weise dazu hergerichtet werden. So ist der Vorraum der Kirche von Silchester ebenfalls nicht auszuschließen. War als potenzielles Beispiel für eine christliche Schola bereits das sog. Haus der Eirene in Plovdiv erwähnt worden, so erfolgte dort bereits der Hinweis auf ein achteckiges Becken zentral im Raum mit einem Zufluss und Fragmenten, die die Rekonstruktion einer marmornen Brüstung (Abb. 8a) erlauben. Es muss hier keineswegs als Beleg für eine Piscina gelten, aber es dient zur Verdeutlichung, wie solche kleinen Becken in römischen Villen aussahen, die zur Taufe genutzt werden konnten.

Taufpraxis in vorkonstantinischer Zeit

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Fünfter Zwischenschritt Im Vergleich zu den christlichen Versammlungsräumen und Kirchen sind die literarischen und archäologischen Quellen zu den Tauforten noch weitaus spärlicher. In der Tendenz darf man davon ausgehen, dass die Taufe an den jeweils geeignet scheinenden Orten vollzogen wurde. Das können natürliche Gewässer ebenso gewesen sein wie öffentliche Badeanlagen oder häusliche Brunnenbecken, wie sie in den römischen Villen zu finden waren. Alle bildlichen Darstellungen legen eine Taufpraxis nahe, bei der der Täufling in flachem Wasser stehend durch Übergießen bzw. Besprengen mit Wasser und unter Handauflegung getauft wurde. Die in großer Zahl in England gefundenen Bleibottiche, teils mit christlichen Symbolen, können dazu multilokal verwendet worden sein. Dafür, dass die Taufe so in Kirchen gespendet wurde, könnte Silchester ein Beispiel sein. Das weit übereinstimmend als ältestes christliches Baptisterium eingestufte Objekt in Dura Europos muss diesbezüglich wie dargelegt kritisch hinterfragt werden. Sollte mit der Etablierung des eigenständigen Kirchenraums auch der Wunsch verbunden gewesen sein, dort die Taufe zu vollziehen, so hat dies eher noch nicht zur baulichen Ausführung von Baptisterien geführt. Das Besprengen bzw. Übergießen mit Wasser konnte mittels der geschilderten Bottiche oder mobiler Becken in den Kirchen oder einem entsprechenden Annexraum erfolgen.

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»Siehe, da ist Wasser  ; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse  ?«

»Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte« Genese des Kirchenbaus

Bevor hier der Versuch unternommen wird, aus den angestellten Überlegungen zusammenfassend eine Entwicklungslinie von den urchristlichen Versammlungsstätten bis zu den ersten Kirchen zu zeichnen, sollen zwei renommierte Modelle einer Evolution des frühchristlichen Kirchenbaus vorgestellt werden. Zu Wort kommt zunächst der deutsche und 1935 in die USA emigrierte Kunsthistoriker Richard Krautheimer mit seinem erstmals 1965 publizierten Standardwerk Early Christian and Byzantine Architecture, das bis 1986 in mehreren Auflagen erschienen ist. Nicht minder repräsentativ für den herrschenden Forschungsstand ist Friedrich Wilhelm Deichmann mit seiner Einführung in die christliche Archäologie, die 1983 erschienen ist. Und nicht verschwiegen werden soll die radikale Ablehnung eines vorkonstantinischen Kirchenbaus durch die Archäologin Kim Bowes, ehe eigene Schlüsse gezogen werden.

Richard Krautheimer Die hier zugrunde gelegte Ausgabe von Early Christian and Byzantine Architecture ist die von Richard Krautheimer gemeinsam mit Slobodan Ćurčić überarbeitete Auflage von 1986. Darin wird die vorkonstantinische Zeit in drei Abschnitte gegliedert, von 50 bis 150, von 150 bis 250 und von 250 bis 313. Von 553 Seiten Gesamtumfang entfallen 15 Seiten auf diese drei Zeitabschnitte, woran abzulesen ist, wie wenig letztlich über diese frühe Epoche gesagt werden kann, die so arm an Denkmälern ist. Von 50 bis 150 (eigentlich bis 200) hätten die Christgläubigen weder die Mittel noch die Organisation gehabt, eine eigene Sakralarchitektur zu entwickeln, mit Krautheimers Worten  : »not the slightest interest in evolving an ecclesiastical architecture«.249 Dabei seien für ihr religiöses Leben zwei Bereiche zu unterscheiden. Zum Weitersagen der guten Botschaft, des Richard Krautheimer

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Evangeliums, nutzten sie alle erdenklichen Örtlichkeiten. »They met in whatever place suited the occasion.« Dagegen fanden ihre regelmäßigen Zusammenkünfte zum Brotbrechen im privaten Umfeld ihrer Wohnungen und Häuser statt  : »Christian congregations prior to 200 were limited to the realm of domestic architecture, and further, to inconspicuous dwellings of the lower classes.« So zog Krautheimer die Konsequenz  : »Until A. D. 200, then, a Christian architecture did not and could not exist.« Im Zeitraum von 150 (200) bis 250 sind völlig neue Verhältnisse anzutreffen. Zum einen war die Zahl der Christen erheblich gestiegen, zum anderen hatten die Gemeinden nun eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen. Sie benötigten nicht nur größere Räume für ihre Versammlungen, sondern zudem Räume für Verwaltung, Unterricht und diakonische Aufgaben sowie für Wohnungen für den Klerus. Das hatte Konsequenzen  : »These manifold ends could not be met either by a privat house, taken over unchanged, or by an apartment temporarily at the disposal of the congregation.«250 Die Lösung des Problems sollten nun eigene, für diesen Zweck hergerichtete Gebäude mit entsprechenden Räumlichkeiten sein. Für Krautheimer kamen dafür adaptierte und angepasste Häuser in Frage  : »Such a structure would be called a domus ecclesiae, an oikos ekklisias.« Diese Bedingungen sah er archäologisch bestätigt durch das Christian community house, die Hauskirche von Dura Europos. Seien solche Hauskirchen typisch für ländliche und kleinstädtische Verhältnisse, so seien in Großstädten andere Verhältnisse anzutreffen. Dafür stünden in Rom die an die städtischen Verhältnisse angepassten Titelkirchen  : »The Christian communities of Rome installed their domus ecclesiae in just such tenements.«251 Solche Strukturen, die äußerlich praktisch nicht erkennbar waren, sah er repräsentiert durch die Befunde u. a. bei SS Giovanni e Paolo oder San Clemente. In dieser Zeit nach der Mitte des 2. Jahrhunderts haben die christlichen Gemeinden begonnen, eigene Begräbnisstätten für Körperbestattungen anzulegen, um eine Alternative zur bis dahin üblichen Kremation zu bieten. Und in diesem Kontext entstanden die ersten Denkmale für verehrte Verstorbene, so die Tropaia an den Gräbern von Petrus und Paulus sowie eine den beiden Aposteln an der Via Appia zugdachte Totengedenkstätte, die Triclia ad catacumbas. In der letzten Phase vor der konstantinischen Wende von 250 bis 313 habe die Anlage solcher Martyria zugenommen mit Beispielen in Rom, Salona oder Bonn, in denen man behutsam die Anfänge einer christlichen Sa130

Genese des Kirchenbaus

kralarchitektur sehen könnte, die in der Tradition des antiken Mausoleums oder Heroons stünden. Veränderungen ergaben sich auch für die christlichen Versammlungsräume  : »The buildings where congregations met for regular services and for administration of their affairs clung no much longer the concepts of purely utilitarian architecture.«252 Manche Bischöfe zeigten sich nun unzufrieden mit dem unauffälligen und rein zweckmäßigen Charakter ihrer Gebäude. Die Folge waren durchaus repräsentative, sichtbare Bauten, bspw. literarisch bezeugt in Nicomedia zu Beginn des 4.  Jahrhunderts oder archäologisch vermutet im Vorgängerbau von San Crisogono in Rom (Abb. 18). Zumindest zum Ende des 3. Jahrhunderts hin haben sich die Verhältnisse geändert. Dabei vermied Krautheimer bewusst den Begriff Kirche, sondern sprach von einer Pre-Constantinian Christian hall. Man muss den Eindruck gewinnen, dass Krautheimer erst bereit ist, von einer Kirche zu sprechen, wenn sie in den Formen der klassischen Architekturmodelle erscheint, wie es nach der konstantinischen Wende vorzugsweise die Basilika sein wird  : »Not before Constantine are Christian concepts expressed in the language of the official architecture of Late Antiquity.«253

Friedrich Wilhelm Deichmann In seiner 1983 erschienenen Einführung in die christliche Archäologie rechnet Deichmann für die ersten eineinhalb Jahrhunderte ohnehin nur mit geringen Spuren, was »im besonderen für die Bauten, und zwar für diejenigen, in denen die Urchristen ihre Andacht hielten und die Eucharistie feierten«254 gilt. »Beides geschah in Privathäusern, in Räumen, die nicht von den anderen in diesen Häusern verschieden waren.« Den Verzicht auf irgendwelche Formen von Sakralbauten sah er weniger in äußerlichen Umständen wie Armut oder Verfolgungsdruck, sondern in tieferen, geistigen Voraussetzungen  : »Alles Christliche drückte sich in dieser Epoche allein im Geistigen und Religiösen aus, es war nicht der Materie verhaftet.« Ähnlich Krautheimer sah Deichmann Veränderungen in der Zeit um und nach 200, machte dafür jedoch in der Hauptsache das Erstarken des Bischofsamtes mit einer damit einhergehenden Hierarchisierung des Klerus verantwortlich. Denn als diese kirchliche Hierarchie mit der himmlischen Hierarchie gleichgesetzt wurde, war die Grundvoraussetzung für die HeiFriedrich Wilhelm Deichmann

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ligung der kirchlichen Organisation und damit des Kultraumes geschaffen. »Langsam wurde damit der Kultbau zum Gotteshaus und folglich zu einem Heiligtum. Diese Entwicklung war im Wesentlichen zum Beginn des 4. Jahrhunderts abgeschlossen.«255 Für diese Entwicklungsphase im 3. Jahrhundert stellt Deichmann die Hauskirche in Dura Europos prototypisch in den Mittelpunkt. Und ähnliches »würden weiterhin jene Hausräume in Rom bestätigen, in denen manche vorconstantinische Hauskirchen erkennen wollen.«256 Doch trotz der zuvor konstatierten Sakralisierung der Versammlungsräume beharrte Deichmann darauf, dass es weiterhin »Nutzbauten [sind], deren einfachen Räumen nicht Prinzipien des Kunstbaus zugrunde liegen.« Und er fügt hinzu  : Diese Tatsache braucht jedoch nicht auszuschließen, daß bereits in vorconstantinischer Zeit, vielleicht schon im Laufe des 3. Jh., christliche Kultbauten entstanden sind, die wohl nicht in ihrer formalen Ausbildung, aber in ihrer Raumdisposition die spätere Architektur vorbereiteten.

Als überzeugter Archäologe beschränkte sich Deichmann auf diese wenigen Hinweise, weil die bis heute bekannten Befunde keine weiteren Schlüsse zulassen. Dies hat aber gleichzeitig zur Folge, dass auch bei ihm Dura Europos als zu seiner Zeit fast einziges gesichertes Denkmal eine solche Schlüsselstellung einnimmt, die möglicherweise den Blick auf anderes verstellt.

Zwei Konzepte – zwei Folgerungen In seiner zusammenfassenden Rückschau auf wesentliche Arbeiten zur frühchristlichen und vorkonstantinischen Architektur unterschied Paul Corby Finney zwei durchaus gegensätzliche Konzepte.257 Es handle sich zum einen um eine eher theoretisch-theologische, und zum anderen um eine eher historische Perspektive. Der ersten Kategorie rechnete er Deichmann258 gemeinsam mit Uwe Süssenbach259 und Harold W. Turner260 zu. Sie gingen von einem nahezu puristischen Modell einer vergeistigten Urkirche aus, die entsprechend ihrem Glauben Heiligkeit nur Christus zuerkannte und jede Form eines sakralisierten Baus ablehnte. Deshalb könne es vor Konstantin nur sein, dass einzig »the meeting-house type presents 132

Genese des Kirchenbaus

the authentic norm for the Christian tradition.«261 Selbst als die christlichen Versammlungsstätten weitergehende Strukturen annahmen, hätte man ihnen keinerlei religiösen Wert zuerkannt. Finney sah darin eine calvinistisch zu nennende Vorentscheidung, die einen Kirchenbau im Sinne sakraler Wertigkeit ausschloss. Er sagte  : »To summarize, the studies by Deichmann, Süssmann […] and Turner […] are constructed on a theological proposition  : God cannot be contained in a place.«262 Diese Argumentation würde im Sinne dieser Autoren durch das archäologische Argument e silentio gestützt, dass es vor 200 keine als christlich zu identifizierenden Versammlungsplätze gibt. Im Umkehrschluss wird aus dieser Betrachtungsweise, dass es auch keine gegeben haben kann. Zur zweiten Kategorie zählte Finney Richard Krautheimer, Willy Rordorf 263 und Lloyd Michael White264, die eher eine historische, und bei allen Unsicherheiten, archäologische Richtung einschlugen. Die Quellen, die ihnen zur Verfügung standen, waren zwar keine anderen und auch nicht neu, aber sie werteten sie progressiver dahin, dass es vielleicht schon im 2., bestimmt aber im 3. Jahrhundert eigens für den Gottesdienst ex novo errichtete (Kirchen-) Gebäude gab. Im Laufe der Zeit, so Rordorf, hätten die Christen ihre Hauskirchen zugunsten größerer und eigenständiger Gebäude aufgegeben. White wagte sich so weit vor, für solche potenziell vorkonstantinischen Kirchen konkrete Beispiele zu benennen. Whites Evolutionstheorie des Kirchengebäudes ähnelt zwar der von Krautheimer (s. o.), ist aber noch etwas differenzierter. Zwischen die Phasen von house church, domus ecclesiae und ex novo Gebäuden schiebt er noch zwei Übergangsstufen, die er als intermediate stage bezeichnet. Folgt man White und der historischen Konzeption, so kann es kein Datum für den Beginn des christlichen Kirchenbaus geben, und man kann einen solchen schon gar nicht mit der konstantinischen Wende ansetzen.

… und sie versammelten sich doch in den Häusern und ­Wohnungen der Wohlhabenden So zumindest lautet die These der Archäologin Kim Bowes, die in radikaler Argumentation jegliche Form von Kirchen in vorkonstantinischer Zeit ablehnt. Selbst die aus dem Umbau eines Hauses in Dura Europos entstandene Kirche bezeichnete sie als einen peripheren Sonderfall  : … und sie versammelten sich doch in den Häusern und W ­ ohnungen

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Dura Europos is emerging not as the tip of a domus ecclesiae iceberg, but as an unicum […] Conversely, the adaptation of the house at Dura seems could be understood not as normative, but quite possibly the opposite, a radical break from Christian practice in other cities, produced by particular local exigencies.265

Stattdessen sah sie es als gängige Praxis an, dass sich die Christen in größeren, aber privaten Räumen versammelten, ohne ihnen eine besondere Gestalt zu geben  : It is beginning to appear that even in cities with relatively large Christian populations, like Rome, third- and fourth-century Christians may not have modified their buildings for meeting purposes, but simply continued to meet in the homes of their wealthiest members, perhaps in the increasingly popular apsed audience halls, without causing any archaeologically discernable changes to these structures.266

So habe auch die Archäologie sämtliche Bauten, in denen man Kirchen aus vorkonstantinischer Zeit zu sehen glaubte [sc. bspw. die Titelkirchen Roms], sukzessive in nachkonstantinische Zeit umdatiert  : »The number of definite third- and early fourthcentury worship spaces has been steadily eroded as earlier excavations are re-evaluated and new chronological evidence brought to light.«267 Die kompromisslose Haltung von Kim Bowes beruht auf ihrer grundsätzlichen Skepsis gegenüber der Verbindung von archäologischen und literarischen Quellen, die allerdings unverzichtbar ist, um Geschichte schreiben zu können.268

Neue und erweiterte, eigene Überlegungen Gewiss gilt das Christuswort wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte, egal wo und in welchem Ambiente. Und theologisch ist der Gedanke verlockend, zumindest der Urkirche das Prinzip der Gottesbegegnung unabhängig von sakralen Räumen oder besonderen Gebäuden zuzugestehen, wenigstens für die ersten beiden Jahrhunderte, bevor dieses Prinzip schrittweise aufgegeben wurde. Aber ist das historisch betrachtet logisch  ? Ist nicht zu erwarten, dass eine religiöse Gruppe wie an134

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dere Gruppen auch, sobald sie sich konstituiert hat, sowohl nach einer Organisationsform als auch nach fixen Punkten ihres Zusammenseins strebt  ? So ist es eher eine Frage der Terminologie, ab wann man die Versammlungsräume der Ekklesia auch Ekklesia, Kirche, nennt. Insofern erübrigt sich die Suche nach der ältesten Kirche, wenn sie vor allem eine Frage der Definition ist. Kirche im räumlichen Sinn ist vielmehr dort gegeben, wo Christen im Bewusstsein, Christen zu sein, zusammenkommen, um ihren Glauben zu leben und ihm Gestalt zu geben. Kirche in diesem Sinn ist demnach also ein Prozess, der hier im Folgenden nachgezeichnet werden soll. Dass die Weisen aus dem Morgenland nach ihrer Rückkehr von der Krippe in Bethlehem in Hah im Tur Abdin in Nordmesopotamien am Oberlauf des Tigris eine Kirche gebaut haben, gehört gewiss ins Reich der Legenden früher Kirchengründungen. Gesichert scheint hingegen, dass die Jünger und Jüngerinnen Jesu sich nach den aufwühlenden Ereignissen von Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt in ihren Wohnungen und Häusern zusammengefunden haben. Gleichwohl gingen sie als fromme Juden, die sie zunächst geblieben waren, zum Gebet in den Tempel und die Synagoge. Es wird nur eine kurze Zeit gewesen sein, da sich die Christgläubigen zu ihren Zusammenkünften in ihren Häusern und Wohnungen trafen, wie es im Neuen Testament beschrieben ist. Nicht nur die Predigttätigkeit, auch das Zusammenkommen der zahlenmäßig rasch ansteigenden Gemeinde der Christgläubigen war auf größere, halböffentliche und öffentliche Räume angewiesen. Dass diese Räume, in denen man zu Predigt, Gebet und Herrenmahl zusammenkam, schon als Kulträume, als sakrale Orte verstanden wurden, ist eher unwahrscheinlich. Zumindest waren es diese Räumlichkeiten nicht per se, aber sie wurden es durch Gebet und Feier des Herrenmahls. Seit dem Zeitpunkt, als die Christgläubigen um die Mitte des 1. Jahrhunderts erstmals in Antiochia Christen genannt wurden, begannen sie sich als eigene (religiöse) Gruppe zu verstehen, die von Aposteln und Lehrern geführt wurde. Mit einem wachsenden Organisationsgrad stieg der Wunsch nach eigenen Lokalitäten, in denen auch die diakonischen und verwaltungstechnischen Aufgaben wahrgenommen werden konnten. Dabei bot sich als Organisationsstruktur der Verein (collegium) mit einem eigenen Vereinshaus (schola) an. Analog zu den paganen scholae kann man mit einem besonderen Raum für die kultisch geprägten Versammlungen rechnen, die mit religiösen Bildern und Figuren ausgestattet waren. SolNeue und erweiterte, eigene Überlegungen

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che Räume können bereits als sakral eingestuft werden. Für die Errichtung solcher scholae gab es keine Vorgaben, es ist aber nicht auszuschließen, dass man sich die Synagoge mit ihren umlaufenden Sitzbänken als Vorbild nahm. Spätere Traditionen wissen von einer kleinen Kirche auf dem Zion, die von ( Juden-) Christen am Ort des letzten Abendmahles errichtet wurde  ; Archäologen fanden Spolien hadrianischer Zeit. Es spricht einiges dafür, dass die Generation, die noch die Wirkungsstätten Jesu und der Apostel kannte, diese Orte erinnerte und markierte. Archäologische Hinweise bieten die heute St. Vartan genannte Kapelle am Ort der Kreuzigung und das Tropaion am Petrusgrab. Konstantin konnte an diesen Orten die Heilig-­ Land-Kirchen erbauen lassen und über dem Petrusgrab die Peterskirche. Im 1.  Jahrhundert nutzten die Christgläubigen die unterschiedlichsten Orte. In Frage kamen zunächst temporäre Lösungen, dann feste Orte, die sich strukturell an der schola orientierten. Ebenso pflegten sie die loca ­sancta. Mit der Verfestigung der Organisationsstruktur und einer Hierarchie, an deren Spitze nun der Bischof und das Presbyterium standen, ist ab Beginn des 2. Jahrhunderts mit Kirchen zu rechnen, wenn man unter Kirche einen stationären Sakralraum versteht. Geht man die einschlägigen Texte durch, so Stefan Heid, so entsteht für den christlichen Sakralraum »der Eindruck eines bruchlosen Prozesses, dessen Anfänge sicher schon im zweiten Jahrhundert liegen.«269 Noch fehlen allerdings alle Hinweise auf das Aussehen der Kirchen. Von der bei einer Flut 201 zerstörten Kirche weiß man nur, dass sie unter den zahlreichen prächtigen Gebäuden der Stadt genannt wurde, die der Fluss mit sich riss. Man muss bis zum 3. Jahrhundert warten, ehe die ältesten Kirchenordnungen Vorgaben für einen Kirchenbau formulieren, in denen die Ostung eines längsgerichteten Baus, die Trennung von Klerus und Laien und eine differenzierte Sitzordnung genannt werden. Das 3. Jahrhundert wartet mit den ersten archäologisch nachgewiesenen Kirchen auf, die in Dura Europos und wohl auch in Megiddo einerseits die Umwandlung eines Hauses in eine Kirche dokumentieren, andererseits aber eine Engführung auf das Modell Hauskirche mit sich brachten. Für dieselbe Zeit, also für die Jahrzehnte vor der decisch-valerianischen Christenverfolgung, belegen die Quellen konfiszierte und danach restituierte Kirchen, die aufgrund ihrer Größe und Pracht das Maß eines umgebauten 136

Genese des Kirchenbaus

Hauses sprengten. Zugleich eröffnen aber selbst Dura und Megiddo den Blick auf die Möglichkeit ausgemalter und mit Bodenmosaiken ausgestatteter Kirchen. Der Kirchenbau wird in der sog. kleinen Friedenszeit in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts quantitativ und qualitativ noch zugenommen haben und ist zunehmend im Stadtbild sichtbar. Dabei muss gleichermaßen mit Umbauten bestehender Gebäude wie mit Neubauten gerechnet werden. Während die Quellen für einen vorkonstantinischen Kirchenbau eindeutig sind, sind es die archäologischen Zeugnisse nicht in derselben Weise. Für einige von ihnen wie Aquileia, Trier oder Philippi ist eine kirchliche Nutzung vor 311/313 denkbar, aber nicht gesichert. Der alte Befund einer vorkonstantinischen Kirche in Silchester wird heute weitgehend abgelehnt oder ausgeklammert. Der Neufund einer vorkonstantinischen Kirche in Aqaba ist noch nicht anerkannt. Gleichwohl lassen diese Befunde, seien sie nun vor 311/313 oder danach errichtet, erkennen, dass es einen Kirchenbau gab, der noch nicht dem Typ der konstantinischen Basilika verpflichtet war. Anzutreffen sind stattdessen Hallen (Aquileia, Philippi), auch basilikale Hallen (Trier), komplex-verschachtelte Gebäude (Aqaba) oder basilikaähnliche Bauten (Silchester). Jüngere Kirchen von Mesopotamien über Syrien bis nach Spanien sind mögliche Reminiszenzen eines vorkonstantinischen Kirchentyps, bestehend aus einem rechteckigen Gebäude mit einem dreigliedrigen, geraden Ostabschluss, der in seiner schlichten Form den Empfehlungen aus den frühen Kirchenordnungen nahekommt.

Zusammenfassung Es ist ein theologisches, kirchengeschichtliches und archäologisches Missverständnis, den Kirchenbau der vorkonstantinischen Zeit auf die Hauskirchen zu reduzieren. Und so hat es Stefan Heid formuliert  : Die Theorie der ›Hauskirchen‹ hat also erhebliche Konsequenzen für die Art und Zahl der vorkonstantinischen Gottesdiensthäuser. Sie suggeriert einen eher späten Beginn spezieller Kulträume. Erst im ausgehenden 3. oder 4. Jahrhundert seien an die Stelle der Hauskirchen sakrale Kirchenräume getreten.270

Zusammenfassung

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Von einem Bewusstsein, sich in und an sakralen Orten zusammenzufinden, muss vielmehr bereits in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts ausgegangen werden. Sobald die Christgläubigen diese Orte als exklusiv religiös wahrgenommen haben, kann von einer Kirche gesprochen werden. Aus dieser Haltung heraus entwickelten sich zunehmend konkrete Vorstellungen von einer Kirche, die ihren Ausdruck in einer konsequenten Raum­ auffassung fanden. Diese konnte sowohl durch den Umbau bestehender Gebäude als auch durch Neubauten realisiert werden. Ob dabei schon ein ähnlich fester Bautyp entstanden ist, wie er nach Konstantin in Gestalt der Basilika Verbreitung fand, soll im folgenden letzten Abschnitt noch erwogen werden.

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Genese des Kirchenbaus

Architektur und Ausstattung ­vorkonstantinischer Kirchen Der Versuch einer Rekonstruktion

So wissen wir also nicht, ob der frühchristliche Kultbau der vorkonstantinischen Zeit bereits eine eigene architektonische Prägung besessen hat, die ihn, soweit es sich um Neubauten handelte, als solchen auszeichnete und die Ausbildung einer spezifischen Architektur des christlichen Kultgebäudes begründete.271

Mit diesen Worten von Hugo Brandenburg wurde eingangs das Problem des vorkonstantinischen Kirchenbaus benannt. Sollte es aber nun nach der bisherigen Spurensuche nicht möglich sein, etwas mehr dazu zu sagen  ? Der Versuch sei immerhin gewagt. Und so soll abschließend betrachtet werden, wohin uns Rosinante geführt hat. Wurde im vorhergehenden Kapitel die Evolution des christlichen Versammlungsraums als ein Prozess beschrieben, in dem diese Räume in Anpassung an die Gegebenheiten und unter Ausschöpfung der Möglichkeiten sukzessive Gestalt annahmen, so soll im Folgenden versucht werden, der Struktur einer Kirche näherzukommen, wenn sie durch Umbau eines bestehenden Gebäudes oder im Idealfall durch ein ex novo errichtetes Bauwerk realisiert werden konnte. Das Verlangen nach eigenständigen Kirchengebäuden scheint im 2. Jahrhundert gewachsen zu sein, und mit ihnen ist aus mehreren Gründen mindestens ab etwa um 200 zu rechnen. Eckpfeiler dieser These sind die nach Quellenlage 201 zerstörte Kirche von Edessa, die Maßgaben für einen Kirchenraum in den frühen Kirchenordnungen sowie die nach der valerianischen Verfolgung verfügte Restitution oder Erneuerung von Kirchen, die dementsprechend vor der Mitte des 3. Jahrhunderts errichtet worden sein müssen. In diese Zeit fallen als archäologische Zeugnisse die durch Umbauten von Häusern realisierten Kirchen in Dura Europos und (wahrscheinlich) in Megiddo. Möglicherweise verengen sie den Blick einseitig auf räumlich kleine Kirchen, zugleich eröffnen sie die Perspektive, dass Kirchen in dieser Der Versuch einer Rekonstruktion

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Zeit bereits ausgemalt und mit inhaltsreichen Bodenmosaiken ausgestattet sein konnten. Weitere gewonnene Überlegungen sollen helfen, Strukturen und Ausstattung eines vorkonstantinischen Kirchenbaus zu diskutieren. Unter Hintanstellung der Tatsache, dass die Kirche ziemlich von Beginn an ein Komplex sein musste, der verschiedene Funktionen zu erfüllen hatte, gelten die folgenden Überlegungen dem eigentlichen Gottesdienstraum, also dem, was gemeinhin als Kirche bezeichnet wird. Gesicherter erscheinen dabei Aussagen über die Binnengliederung und Ausstattung, mit denen begonnen wird, während Betrachtungen zu Erscheinungsbild und Architektur erst an zweiter Stelle stehen. Grundsätzlich muss im Kirchenraum von einer räumlichen Trennung von Klerus und Laien ausgegangen werden. Während in späteren Kirchen solche Schranken massiv und oftmals aus edlem Marmor waren, können dies vormals hölzerne Gitter oder gespannte Taue gewesen sein. Somit war der Raum hierarchisch gegliedert, die Kleriker saßen der Gemeinde gegenüber. Für Bischof und Presbyter waren Sitze hergerichtet, wobei der Bischof hervorgehoben thronte. Ebenso saßen die Gemeindeglieder, die Laien, wobei die Sitzordnung nach Geschlecht, Alter, Familienstand und sozialem Stand streng gegliedert war. Anzunehmen ist bewegliches Mobiliar in Form von Sesseln, Stühlen und Hockern,272 soweit die Gläubigen nicht auf Matten am Boden saßen. Vor allem bei Neubauten ist damit zu rechnen, dass Sitzbänke entlang der Wände aufgemauert waren. Solche Sitzbänke finden sich z. B. bereits bei Synagogen des 1. Jahrhunderts, und sie sind auch im späteren Kirchenbau nicht unbekannt und archäologisch an manchen Orten nachgewiesen.273 So äußerte sich Augustinus  : Es ist übrigens zweifelsohne überhaupt besser, dem Zuhörer, wo es füglich geschehen kann, gleich von Anfang an einen Sitz anzubieten. Noch weit angemessener aber ist es, wenn wie in manchen überseeischen Kirchen nicht nur der Bischof sitzt, wenn er zum Volke spricht, sondern wenn auch das Volk seine Sitze hat.274

Dem Klerus standen für die Vorbereitung der Liturgie Nebenräume, die sog. Pastophorien zur Verfügung. Sie sollten sich zu beiden Seiten des Klerusbereichs oder gleich beim Eingang befinden. Das verbindende Glied zwischen Klerus- und Laienbereich war die Lesestelle für die Heiligen Schriften, später als Ambo bekannt. In der An140

Architektur und Ausstattung v­ orkonstantinischer Kirchen

fangszeit mag dies ein Lesepult gewesen sein. Der vorsitzende Bischof hielt seine Predigt indes in antiker Manier von seinem Sitz aus. Ein gewisses Fragezeichen steht hinter dem Altar. Stefan Heid ist davon überzeugt, dass es bereits sehr früh einen fixen Altar in den Kirchen gab. In der Kirche von Megiddo ist ein fester Altarort samt einer Altarstiftung nachgewiesen, während in Dura Europos solche Spuren fehlen und man dort von einem mobilen Altar ausgehen muss. Lassen manche Quellen erkennen, dass Kirchen mit Handwerkskunst errichtet und ausgeschmückt sind, so ist daran zu denken, dass ihre Wände mit biblischen Bildern bemalt waren (Abb. 5). Ein Beleg dafür sind die Wandmalereien in Dura Europos unabhängig davon, ob der betreffende Raum der Taufe, der Bestattung bzw. Memoria oder einem Dritten diente. Als Begründung können auch die Wandmalereien in den römischen Katakomben dienen, deren älteste auf den Beginn des 3. Jahrhunderts datiert werden. Sie sind kaum im sepulkralen Bereich erstmals ausgeführt worden, wo sie in der Dunkelheit schwer zu sehen und nur einem kleinen Personenkreis zugänglich waren. Sie sind vielmehr eher aus der Kirchenmalerei übernommen worden. Die in den Katakomben meist auf Sterben, Tod und Auferstehung gedeutete Bildauswahl passte als bildgewordene Geschichte Gottes mit den Menschen ebenso in den Kirchenraum. Mosaizierte Fußböden sind analog der römischen Tradition ebenso vorauszusetzen und werden durch die Megiddo-Kirche bestätigt. Mit der Darstellung der Fische sind dort figürliche Motive zu sehen, die einen christlichen Bezug haben können.275 Eine namentlich signierte Altarstiftung durch Akeptous belegt die Sitte der später typischen Stifterinschriften, außerdem finden sich bereits Memorialinschriften. Der so dekorierte Fußboden besitzt einen inhaltlichen Bezug zum Kirchenraum und zu den Gemeindemitgliedern. In Laodikea ließ der Bischof die Kirche mit Malereien und Mosaiken wiederherstellen. Auf der Synode von Elvira in Spanien, die zwischen 295 und 314, am ehesten zwischen 300 und 306 stattfand, legte Kanon 36 fest, dass Bilder nicht in Kirchen angebracht werden dürfen, damit sie nicht zum Objekt der Verehrung und Anbetung werden.276 Man wird das schon so deuten müssen, dass sich dieser Beschluss gegen die Praxis der Kirchenmalerei, vielleicht sogar gegen plastische Bildwerke (Abb. 4a – c) wendet und nicht ohne Grund formuliert wurde. Für den Gottesdienst wurden Lampen und Leuchter entzündet, die im Kirchenraum in großer Zahl vorhanden waren und eine besondere AtmoDer Versuch einer Rekonstruktion

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sphäre verbreiteten. Zudem wurde Weihrauch entzündet. Bei der Konfiszierung der Kirchengüter in Cirta wurden u. a. sieben Silberleuchter, sieben kleine Bronzelampen, elf Bronzelampen an Ketten zum Aufhängen sowie zwei Wachskerzen beschlagnahmt sowie für das Abbrennen von Weihrauch ein silberner Weihrauchbrenner (Cucumellum).277 Dieselbe Liste umfasst zudem zwei goldene und sechs silberne Kelche für die Eucharistie. Überdeutlich weisen diese kostbaren Kirchengeräte auf die Sakralisierung des Kirchenraums hin, der eben weit mehr war als ein schlichter Versammlungsort. Es ist nicht möglich, von der geschilderten Binnengliederung und Ausstattung auf das Äußere des Gebäudes und seine Architektur zu schließen, wenngleich eine gewisse repräsentative Gestaltung damit verbunden sein konnte. Die konkrete Form wird regional und abhängig von der Größe und der finanziellen Ausstattung der Gemeinde verschieden gewesen sein.278 Klare archäologische Belege in Dura Europos und Megiddo machen deutlich, dass ein kirchliches Gebäude durch den Umbau eines Hauses geschaffen werden konnte. Die Hausarchitektur an sich steht dem nicht entgegen. Noch in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts wurde in Qirkbize neben einem Wohnhaus eine bescheidene Kirche im selben Stil eines Hauses errichtet, möglicherweise vom Hausherrn für seine Familie und das zugehörige Klientel.279 Es fehlt zugleich nicht an überzeugenden Hinweisen, dass es Kirchen gab, die hochaufragend und im Stadtbild unübersehbar waren. Manche von ihnen waren wohl so stadtbildprägend, dass ganze Straßenzüge nach ihnen benannt wurden.280 Ihrer Größe entsprechend gab es in den Großstädten große Säle und Hallen, nach Eusebius geeignet für tausendköpfige Versammlungen. Soweit sie in der bisherigen Forschung überhaupt vorkommen, werden sie manchmal als eucharistische Halle, manchmal abgrenzend zur domus ecclesiae als aula ecclesiae bezeichnet. Solche Hallen konnten mit oder ohne Apsis den liturgischen Ansprüchen gerecht werden. Entstanden sind diese großen Versammlungsräume, die man wohl mit Recht Kirchen nennt, durch Umbauten bestehender Gebäude, durch Umnutzungen gewerblichen Anlagen und durch Neubauten. Dabei muss auffallen, dass praktisch nichts darauf hindeutet, dass diese vorkonstantinischen Kirchen Basiliken im Sinne postkonstantinischer Sakralarchitektur gewesen wären. Selbst wo in Quellen ein Kirchengebäude als basilica bezeichnet wird, ist damit im Wortsinn eine königliche Halle 142

Architektur und Ausstattung v­ orkonstantinischer Kirchen

aber kein Architekturtyp gemeint. Vor allem die Einrichtung einer Kirche durch den Umbau eines bestehenden Gebäudes schließt geradezu aus, dass es einen einheitlichen Baustil gegeben haben kann. Das schließt aber wiederum nicht aus, dass ggf. eine bestehende Basilika adaptiert wurde, oder eine basilikaähnliche Kirche wie in Silchester gebaut wurde (wobei es sehr fraglich ist, ob sie im Aufriss basilikal war). Der einzig bekannte, vermutlich noch vor 300 neu errichtete Kirchenbau in Aqaba lässt die Elemente einer typischen Basilika vermissen, ohne auf die differenzierten Bauteile zu verzichten (Abb. 20a–b). Geht man davon aus, dass der vorkonstantinische Kirchenbau zwar den notwendigen Anforderungen entsprechen musste, doch dabei ein praktisches, unprätentiöses Bauwerk sein konnte, dann bieten sich beispielhaft die Kirchenbauten an, wie sie im Einflussbereich der Sassaniden errichtet und außerhalb des römischen Einflussbereichs unbeeinflusst vom basilikalen Bauprogramm der nachkonstantinischen Zeit blieben (Abb. 14, 15). Kirchenbauten ähnlichen Typs finden sich außerdem in Syrien und Spanien. So ließen sich aus den archäologisch bekannten Beispielen aus späteren Jahrhunderten Rückschlüsse auf die vorkonstantinische Zeit ziehen. In einem rechteckigen, tonnengewölbten Raum boten ein oder drei Schiffe Raum für die Laien, während der Klerikerraum nischenförmig separiert und von zwei Nebenräumen (Pastophorien) flankiert war. Dieser Kirchbautypus konnte alle Anforderungen der frühen Kirchenordnungen erfüllen. Doch völlig unabhängig von der Baugestalt deuten die Indizien darauf hin, dass spätestens ab dem 2. Jahrhundert, vielleicht schon vorher, der Raum, in dem sich die Christgläubigen zum Gottesdienst versammelten, als etwas Besonderes empfunden, besonders hergerichtet wurde, und so die Kriterien der Sakralität erfüllte. Die Hauskirche spielt darin eine Rolle als möglicher Bautyp, aber sie spielt keine Sonderrolle gegenüber andersartigen Um- und Neubauten von Kirchen. Die Baugestalt konnte vielfältig, auch zweckmäßig sein, im Innenraum entfaltete sich die Qualität durch die liturgische Ausstattung und die malerische, vielleicht sogar plastische Ausschmückung mit Bildern der biblischen Geschichten und ihrer Protagonisten. Sakrale Gebäude, die man Kirchen nennen kann und muss, gab es entsprechend dieser Überlegungen bereits vor der konstantinischen Wende, und es ist möglich, sich von ihrer Gestalt und Entwicklung ein Bild zu machen. Der Versuch einer Rekonstruktion

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Beispielhafte Konkretisierung In Ostia, dem antiken Hafen der Stadt Rom, liegt am Decumanus Maximus, der vom Stadtzentrum zur Porta Marina führt (Regio III – Insula I, 4), ein Gebäudekomplex, der 1939 von Guido Calza, dem leitenden Archäologen von Ostia antica ausgegraben wurde (Abb. 25a). Zwei Eingänge führen durch zwei Vestibüle (A/A) in zwei parallele, von fünf Säulen getrennte, vermutlich ehemals gedeckte Hallen (B/B), die in apsidial geschlossene Räume (C/C) münden (Abb. 25b), die von einer Säulenstellung getrennt sind. In beiden Apsiden befinden sich Nischen, die wohl zum Aufstellen von Statuen oder plastischen Bildwerken dienten. Im südlichen Apsidenraum befand sich zudem ein etwa 80 cm hohes Becken, das von Calza als Piscina eines Baptisteriums gedeutet wurde. An die nördliche Halle B schließen sich drei Räume (D/D/D) an. Zwischen der südlichen Halle B und dem anschließenden Apsidenraum befinden sich zwei Säulen mit einem Architrav, auf dem sich nur noch schwer lesbar eine Inschrift befindet (Abb. 25c–e)  : IN XP GEON FISON T IGRIS EVFR ATA (Palmzweig) / {T I}CRI[ST]I ANORVM SVMIT E FONT ES (Blatt)281, die nach Calza zu lesen wäre  : In Christus sind Gison, Pison, Tigris und Euphrat (die Paradiesströme282). Trink von den Quellen der Christen  ! Es war diese Inschrift mit dem Christusmonogramm Chi Rho und der Nennung der Paradiesströme, die Calza nicht nur veranlasste, in diesem Gebäude eine Kirche zu sehen, sondern diese zudem mit der im Liber Pontificalis283 bezeugten, von Kaiser Konstantin gestifteten Bischofskirche von Ostia zu identifizieren. Dass es sich nicht um die konstantinische Bischofskirche handeln kann, ist durch die Grabungsbefunde von 1998 inzwischen erwiesen. Denn an der Stadtmauer wurde eine richtige, dreischiffige, typisch konstantinische Basilika mit vorgelagertem Atrium entdeckt.284 Hingegen besitzt die von Calza freigelegte Kirche beileibe keine basilikale Form im strengen Sinn. Durch seine gewollt wirkenden Rekonstruktionszeichnungen versuchte er diesen Umstand zu kaschieren (Abb. 26a–c). Schließlich dachte man sogar daran, dem Komplex seinen kirchlichen Charakter ganz abzusprechen, denn es sei ja gar keine richtige Basilika. Es würden das rechte Seitenschiff und ein Altar fehlen, und die Statuennischen passten nicht zu einem kirchlichen Gebäude. Außerdem seien die Bassins nicht für Taufen geeignet. Und man könne die Paradiesflüsse nicht auf die Taufe zu beziehen, denn das wäre der Jordan. Der südliche 144

Architektur und Ausstattung v­ orkonstantinischer Kirchen

Abb. 25a  Ostia (Gebäude Regio III – Insula I, 4), sche­ matischer Plan nach einer vor Ort befindlichen Info-­ Tafel. Abb. 25b  Ostia (Gebäude Regio III – Insula I, 4), Blick in die nördliche Halle und den anschließenden Apsis­ raum mit den großen Ni­ schen  ; linkerhand die süd­ liche Halle und der säulen­ gestützte Architrav als Zu­ gang zum südlichen Apsis­ raum  ; rechterhand die Ne­ benräume D/D/D.

Beispielhafte Konkretisierung

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Abb. 25c  Ostia (Gebäude Re­ gio III – Insula I, 4), Blick durch die Säulen mit dem Inschrift tragenden Architrav in den süd­ lichen Apsisraum. Die Inschrift ist aus dieser Distanz praktisch nicht mehr erkennbar. Abb. 25d  Ostia (Gebäude Re­ gio III – Insula I, 4), Architrav mit der Inschrift. Historisches Foto unbekannten Datums.

Apsidenraum sei demnach ein Nymphäum gewesen.285 Unglücklich an dieser Kritik ist, dass sie ausschließlich den konstantinischen Basilika-Typ als Kriterium für eine Kirche gelten lassen will, ohne zu berücksichtigen, dass es vor Konstantin Kirchen anderen Zuschnitts gegeben haben kann (bzw. muss). 146

Architektur und Ausstattung v­ orkonstantinischer Kirchen

Abb. 25e  Detail von Abb. 25c mit dem Christusmonogramm der Inschrift.

Bleibt jedoch der durch die Inschrift nahegelegte christliche Charakter des Komplexes, so wollte man andere Funktionen ins Feld führen  : ein Katechumeneion, ein Martyrium, eine christliche Bibliothek, eine Pilgerherberge oder einen Ort für die Taufe einer häretischen Christengruppe, soweit man nicht gänzlich eine christliche Funktion ausschließen wollte. Nur eins durfte der Komplex nicht sein  : ein Kirchenkomplex mit Gottesdienstraum und verschiedenen Funktionsräumen. Genau das aber entspräche den Anforderungen, die eine Christengemeinde bereits vor Konstantin an ihr Gemeindezentrum stellte. Würde die Inschrift fehlen, hätte man den Gebäudekomplex wohl als anonyme Schola bezeichnet, wie solche Schulen gerade in Ostia anhand von Inschriften mehrfach identifiziert werden konnten, sämtlich mit unterschiedlicher Architektur.286 Berücksichtigt man jedoch die Inschrift, könnte man zu dem Schluss gelangen, genau eine jener Kirchen vor sich zu haben, wie sie in vorkonstantinischer Zeit analog zu den profanen und paganen Scholae den christlichen Zusammenkünften gedient haben. Ob die Datierung des Kirchenkomplexes in Ostia diese Annahme zulässt, bleibt eine schwierige Frage. Wenngleich die erste Datierung von Beispielhafte Konkretisierung

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Abb. 26a  Rekonstruk­ tion der Fassade des Kirchenkomplexes (Ge­ bäude Regio III – Insula I, 4) nach Guido Calza – geleitet vom Versuch, ein basilikales Erschei­ nungsbild zu generie­ ren. Abb. 26b  Rekonstruk­ tion des Kirchenkomple­ xes (Gebäude Regio III – Insula I, 4) nach Guido Calza.

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Architektur und Ausstattung v­ orkonstantinischer Kirchen

Calza als konstantinische Stiftung im frühen 4. Jahrhundert aus besagten Gründen hinfällig ist, so tendiert die opinio communis zu einer zeitlichen Ansetzung im 4. oder gar erst im 5. Jahrhundert, zumindest in der letzten Bauphase.287 Doch einmal mehr scheint das Vorhandensein eines Christusmonogramms einen terminus post quem nach Konstantin geradezu als zwingend erscheinen zu lassen. Aber  : Selbst wenn Laktanz von der historischen Glaubwürdigkeit von der kaiserlichen Traumvision überzeugt war, woraufhin Konstantin das Chi Rho auf den Schildern seiner Truppen anbringen ließ,288 so ist fast zwingend anzunehmen, dass dem Kaiser dieses Symbol bekannt war und er es aus strategischen Gründen verwendete. Das Chi Rho-Symbol auf einen Traum zurückführen zu wollen, ist realiter schlicht unglaubwürdig. So ist es historisch nicht zulässig, aufgrund des Christussymbols eine Datierung vor Konstantin auszuschließen. Dies ist bei allen Befunden, die aufgrund eines Christogramms nachkonstantinisch datieren, in die Waagschale zu werfen. In seiner umfassenden Studie zum Christogramm durch Konstantin bemerkt Hans Reinhard Seeliger289 mit Recht, dass Laktanz mit den Worten »indem er (Konstantin) den Buchstaben Χ wagerecht legte und die oberste Spitze umbog« kein Christo-, sondern ein Staurogramm beschrieb, wobei ihm Seeliger dabei einen Fehler unterstellte. Allerdings konnte Seeliger die Verwendung des Staurogramms in verschiedenen, auch paganen Zusammenhängen vor Konstantin belegen. Tatsächlich aber habe Konstantin, wie spätere Bildnisse belegen, ein Christogramm in Form des Chi Rho aus Χ und Ρ, den Anfangsbuchstaben von XPICTO C verwendet. Als Christuszeichen haben sich sowohl das Staurogramm wie das Christogramm etabliert. Wenn Seeliger zu dem Schluss kommt, vor Konstantin haben es das Chi Rho nicht gegeben, weil keine älteren Befunde bekannt sind, so bewegt er sich in einem Teufelskreis, wenn sämtliche Vorkommen nachkonstantinisch datiert werden. Wie aber lässt sich ein Chi Rho, eingeritzt in eine Katakombenwand oder auf einer Öllampe, sicher »vor Konstantin« datieren  ? Man kann durchaus davon ausgehen, dass Staurogramm und Christogramm vor Konstantin bekannt waren. Darauf konnte Konstantin in welcher Form auch immer zurückgreifen, um seine Soldaten mit einem magischen Zeichen in die Schlacht zu schicken. Aber ganz abgesehen davon, ist man sich weitgehend darüber einig, dass der in Frage stehende Gebäudekomplex in Ostia mehrere Bauphasen aufweist, die mindestens bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. zurückreichen.290 Die Beispielhafte Konkretisierung

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Abfolge der einzelnen Raumteile wird dabei kontrovers eingeschätzt. Einmal sind die beiden Apsidenräume (C/C) gleichzeitig, einmal nacheinander entstanden, einmal stehen die Nebenräume (D/D/D) am Beginn der Entwicklung, einmal an deren Ende. Will sagen, Baufolge und Datierung des Komplexes sind höchst unsicher, und nichts spricht zwingend gegen eine vorkonstantinische Datierung. Dann stünde uns hier tatsächlich ein Gebäudekomplex vor Augen, der alle Erwartungen an eine vorkonstantinische Kirche erfüllt  : ein recht zentral gelegenes, repräsentatives Gebäude mit säulengestützten bzw.- säulengegliederten Hallen und kultisch anmutenden Apsidenräume. Die Nischen darin sprechen ebenfalls nicht gegen eine Kirche, sondern können – wie bereits eingangs vermutet – der Aufstellung christlicher Plastiken gedient haben (Abb. 2 – 4). Den differenzierten Anforderungen an einen Kirchenkomplex können die Nebenräume (D/D/D) gedient haben. Der säulengestützte Zugang zum südlichen Apisraum mit Inschrift markierte die Schwelle zu einem herausgehobenen Kultraum, mag es nun der Gottesdienstraum selbst oder das Baptisterium gewesen sein. Doch selbst wenn man den Gebäudekomplex in Ostia nicht in vorkonstantinische Zeit datieren möchte, so schließt das nicht aus, dass er einen vorkonstantinischen Typus bewahrt, denn es ist nicht zu erwarten, dass bereits mit den ersten konstantinischen Basiliken alle Kirchen diesem Bautyp verpflichtet waren. Nach unserer Auffassung kann der Gebäudekomplex am Decumanus maximus in Ostia anschaulich machen, wie eine vorkonstantinische Kirche ausgesehen haben kann. Er verdeutlicht aber zugleich die Problematik, solche Gebäude als Kirche zu identifizieren. Wäre nicht die Inschrift am Architrav des Zugangs zum südlichen Apsisraum, gäbe es keine Möglichkeit, hier einen Kirchenkomplex zu vermuten. Kirchen, seien sie durch Umbauten oder ex novo entstanden, gab es ohne Zweifel bereits in vorkonstantinischer Zeit. Synagogen oder Vereinsgebäude (Scholae), die man zunächst nur temporär nutzte, haben die Vorbilder geliefert, nach denen man dann auch eigene Gebäude bzw. Gebäudekomplexe mit verschieden Funktionsräumen errichtet hat. Weder für die Diaspora-Synagogen noch für die Scholae gab es verbindliche Architekturformen, weshalb es sie auch für die Kirchen zunächst nicht gegeben hat. Ausschlaggebend für ihre äußere Form waren die Größe und das Vermögen der jeweiligen Gemeinde sowie nicht zuletzt die lokalen, 150

Architektur und Ausstattung v­ orkonstantinischer Kirchen

städtebaulichen Gegebenheiten. Ähnlich den Vereinsgebäuden stattete man sie mit identifizierenden Bildwerken und einem entsprechenden liturgischen Mobiliar aus. Das schließt zwar auch die Umnutzung von Häusern für kirchengemeindliche Zwecke nicht aus, aber eine Engführung auf die Hauskirche als den vorkonstantinischen Kirchentyp ist nicht zulässig. Aber nicht nur das Hauskirchenphantom muss hinterfragt werden. Nicht wenige archäologisch verifizierte oder vermutete Kirchen werden mangels belastbarer Kriterien ins 4. Jahrhundert (oder später) datiert, weil eine frühere zeitliche Ansetzung nicht ins Bild passt. Diese generelle Vorgehensweise ist problematisch. Das gilt gleichermaßen für die Absolutsetzung der Datierung von Christogrammen oder Kreuzen, deren Vorkommen man vor Konstantin ausschließen zu können glaubt. Zuletzt bleibt anzumerken, dass die Identifizierung einer Kirche nicht an ein basilikales Schema geknüpft sein darf. Gerade für vorkonstantinische Kirchen darf das kein Kriterium sein (wenngleich basilikaähnliche Strukturen auch nicht auszuschließen sind). Ob den Archäologen das Glück beschieden sein wird, weitere vorkonstantinische Kirchen zu entdecken, ist durchaus zu erwarten, wie es die jüngeren Funde der Megiddo-Church und der Kirche von Aqaba schon gezeigt haben.

Beispielhafte Konkretisierung

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Systematik der Kirchen vor Konstantin Zusammenfassung

Um sich auf den Versuch einzulassen, eine Systematik der Kirchen vor Konstantin zu erstellen, muss man sich von einem herkömmlichen Kirchenbegriff im Sinne eines markanten und eindeutigen Bauwerks, wie es die konstantinische Basilika oder der byzantinische Zentralbau darstellen, lösen, was aber nicht bedeutet, dass es in vorkonstantinischer Zeit keine exklusiven Gottesdiensträume gegeben hätte. Kirche in diesem Sinn sind Gebäude und Räumlichkeiten, in denen die Christgläubigen zur Verkündigung des Evangeliums, zum Gebet und zur Feier des Herrenmahls zusammenkamen. Im Folgenden werden Kategorien solcher Kirchen genannt,291 deren Abfolge allerdings nicht als chronologisch im absoluten Sinn zu verstehen ist, denn es gibt zahlreiche zeitliche Überlappungen.

Temporär genutzte Räumlichkeiten Genügten den allerersten Menschen, die sich zu Jesus als dem Christus bekannten und in seiner Verheißung das Herrenmahl feierten, noch die Räume in ihren Wohnungen und Häusern für ihre Zusammenkünfte, so reichten diese beim raschen Anwachsen der Christgläubigen nicht mehr aus. Größere und große Räume wurden angemietet und temporär genutzt. In Ephesus bspw. nutzte der Apostel Paulus die Schule des Philosophen Tyrannus sogar zwei Jahre lang (Apg. 19, 9 f.). Diese Begebenheit ist etwa in den beiden Jahren nach 53 n. Chr. anzusetzen. Es ist völlig unmöglich, temporäre Örtlichkeiten wie die Philosophenschule zu identifizieren, und man ist auf Belege im Neuen Testament und in den Apokryphen angewiesen, die aber diesbezüglich vertrauenswürdig sind. Solange sich die Christgläubigen (noch) als Juden verstanden, kamen sie auch zu Predigt und Gebet in den Synagogen und in den Vorhöfen des Tempels zusammen. Auch hierfür kann es keine archäologischen Belege geben. Die Predigt an sich konnte sogar an den verschiedensten öffentlichen und halböffentlichen Orten gehalten werden. Temporär genutzte Räumlichkeiten

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Der Schola-Typ Mit dem Anwachsen der Gemeinde, die man wohl seit 59 n. Chr. in Antiochia Christen nannte (Apg. 11, 26), erwuchs aus ihrer Organisationsform und der damit verbundenen Differenzierung ihrer Aufgaben die Notwendigkeit, eigene Räumlichkeiten und Gebäude zu nutzen. Naheliegend war es, in Anlehnung an das profane und pagane Vereinswesen ein eigenes Vereinshaus (Schola) mit verschiedenen Räumlichkeiten zu unterhalten. Das dürfte bereits ab der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts der Fall gewesen sein. Analog zu den antiken Scholae ist durchaus damit zu rechnen, dass sie mit identitätsstiftenden Malereien und Skulpturen ausgestattet waren. Archäologisches Zeugnis könnte der mehrräumige Kirchenkomplex in Ostia sein, ein Gebäudeensemble, dessen Anfänge im 2. Jahrhundert liegen (Abb. 25a – d). Es gibt repräsentative Hallen und Räume mit Apsiden, die Nischen für einen Figurenschmuck besitzen. Der südliche Apsisraum, den man durch einen hervorgehobenen Eingang mit Inschrift der Paradiesflüsse und einem Christusmonogramm betritt, könnte der eigentliche Kirchenraum gewesen sein, während sich an die nördliche Halle drei Nebenräume für unterschiedliche Zwecke anschließen. Wie hier im Text an mehreren Stellen ausgeführt, kann die Datierung des Christogramms nicht von der legendären Traumvision Konstantins abhängig gemacht werden. Falls der Bericht von Laktanz zutrifft, so war dem Kaiser dieses Christuszeichen bereits vor seinem Traum bekannt, um es dann auf den Schilden seiner Soldaten anbringen zu lassen. Letztlich ist die umstrittene und in der Bauabfolge unsichere Datierung des Komplexes in Ostia nicht einmal entscheidend, aber er zeigt beispielhaft, wie man sich eine solche christliche Schola vorstellen kann.

Loca Sancta Die Religion des Christentums gehört zwar auch zu den sog. Offenbarungsreligionen, zugleich beharrt sie jedoch auf einem historischen Jesus und den mit ihm und den Aposteln verbundenen historischen Ereignissen. So zählte die Sicherung historischer Orte zu den Grundanliegen bereits der urchristlichen Gemeinden. Später nannte man diese Orte loca sancta (heilige Orte), über denen seit Konstantin z. T. monumentale Kirchen errichtet 154

Systematik der Kirchen vor Konstantin

wurden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Authentizität dieser Orte von den ersten Christgläubigen bis ins 4. Jahrhundert und darüber hinaus tradiert wurde. Somit geht das Bestreben zur Sicherung dieser Orte gewiss noch auf das 1. Jahrhundert zurück. Dort wurden bauliche Maßnahmen vorgenommen, deren Ergebnis man zumindest als Kapellen bezeichnen kann. Eine kleine Kirche Gottes ist an der Stelle vor 130 n. Chr. bezeugt, an der sich die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu versammelt haben. Manche bezeichnen sie als die älteste Kirche der Christenheit, doch wird dieser Titel noch mehrfach vergeben. Auch der Ort der Kreuzigung und der Grabeshöhle Jesu blieb bekannt und wurde besucht (Abb. 9). Vermutlich waren auch dort schon bauliche Veränderungen vorgenommen worden. Nicht minder blieb die Erinnerung an manchen Wirkungsstätten der Apostel haften, etwa am Haus der Petrus in Kapernaum, an dem Umbaumaßnahmen vorgenommen worden waren. Ähnliches gilt für das Petrusgrab in Rom, das zu einer Andachtsstätte und mit dem Tropaion genannten Monument ausgezeichnet wurde, nicht minder für den Gedenkort für die Apostel Petrus und Paulus an der Via Appia ad catacumbas, wo Gläubige zu Gebet und Refrigerium zusammenkamen. Die Wertschätzung oder gar Verehrung der loca sancta hat einen entscheidenden Anteil, dass Orte und damit auch Kirchen einen sakralen Status erhielten, der sie zu einer wichtigen Bauaufgabe des frühen Christentums schon vor Konstantin werden ließ. Zur Veränderung im Sinne einer »Tendenz zur Verörtlichung der Heiligkeit« führte »vor allem der Beginn der Verehrung der Wirkungsstätten Christi im Heiligen Land« führte Miriam Czock aus, allerdings ist ihre zeitliche Einschätzung dieser Entwicklung widersprüchlich. Einmal benennt sie eine entsprechende religiöse Praxis »vornehmlich seit dem 4. Jahrhundert«, um andererseits zu bemerken, dass »eine erste Phase der Ineinssetzung von Gemeinde und Kirchengebäude […] bereits im 2. Jahrhundert festzustellen« sei.292 Nach dem bisher Gesagten begann die Sicherung historischer Orte des Jesusgeschehens und der Apostel bereits im 1. Jahrhundert.

Höhlenkirchen293 Zu den loca sancta zählten u. a. die Geburtshöhle in Bethlehem, die Grabeshöhle in Jerusalem oder die Höhle auf dem Ölberg, wo die frühen Christen Höhlenkirchen

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der Himmelfahrt Christi gedachten. Folglich waren Höhlen den Christen als mystische Orte bekannt, wie sie auch in der paganen Umwelt als sakrale Orte eine Rolle spielten. In ihrer Beschreibung vermied Eusebius den Ausdruck spelaion, sondern übernahm mit antron die Redeweise der Mysterienreligionen, die eine Höhle im kultischen Sinn bezeichnet. So ist es denkbar, dass Christgläubige auch sonst Höhlen eine sakrale Qualität zumaßen. Rund um das Mittelmeer wissen örtliche Traditionen von Höhlen, in denen in frühchristlicher Zeit Christen zusammenkamen. Zwar werden dann oftmals die Notlagen der Verfolgungszeit als Grund für die Wahl dieser Rückzugsorte genannt, richtiger wird sein, dass Höhlen aufgrund ihres mystischen Charakters genutzt wurden oder weil sie sich einfach dazu eigneten, ohne (größere) bauliche Maßnahmen vornehmen zu müssen. Die Interpretation einer offenkundig durch Menschenhand ausgebauten Höhle in Rihab als Kirche einer Gruppe von Christen des 1. Jahrhunderts ist deshalb nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen, unabhängig davon, ob man sie mit dem Ausgräber in die Spanne zwischen 33 und 70 n. Chr. datieren mag (Abb. 11a – c). Als wichtiges Argument bleibt in diesem Fall, dass genau darüber im 5. Jahrhundert eine Kirche erbaut wurde. Ein Schild war schnell aufgestellt mit dem Hinweis auf die Oldest Chapel (Church) in the World (Abb. Titelseite). Gleichwohl bleibt es schwierig bis unmöglich, solche Höhlen als Kirchen vorkonstantinischer Zeit archäologisch zu sichern. Dass es solche Höhlenkirchen grundsätzlich nicht gegeben hat, ist jedoch auch nicht zu belegen. Es gibt sie zuhauf, nur ist ihre Datierung schwierig.

Umbauten bestehender Gebäude Beim ältesten gesicherten Kirchenbau oder besser Gemeindezentrum in Dura Europos handelt es sich bekanntlich um die Umnutzung eines vorhandenen Wohnhauses, wobei Umbauten vorgenommen und zumindest in einem Raum christlich zu deutende Wandmalereien angebracht wurden. Ähnlich gelagert ist der Fall bei der Kirche in Megiddo. Bereits bei Dura Europos hat man allerdings die Tatsache, dass es sich um ein vormaliges Wohnhaus handelte, überbewertet, was zur Etablierung des Hauskirchenideals geführt hat. Stattdessen wird man damit rechnen müssen, dass viele Kirchen durch Umbauten bestehender Baulichkeiten entstanden sind, wo156

Systematik der Kirchen vor Konstantin

bei aber nicht nur an Wohnhäuser zu denken ist, sondern ebenso an größere private, öffentliche oder kommerzielle Komplexe, die man für diesen Zweck erworben hatte. Auf der Halbinsel Troia gegenüber von Setubal (Portugal) war es eine ehemalige Fischfabrik, in der Garum hergestellt wurde, die für kirchliche Zwecke umgenutzt wurde. Wichtig für Umbauten und Umnutzungen war nicht der vormalige Charakter des Gebäudes, sondern die Möglichkeit, dieses entsprechend den Anforderungen einer christlichen Gemeinde zu gestalten. Derartige Umbauten zu Kirchen dürften vor allem in den Städten die Regel gewesen sein, wenn unbebaute Grundstücke für Neubauten nicht vorhanden gewesen sind. Der Erwerb dieser Immobilien konnte durch Überlassung, Schenkung oder Kauf erfolgen. Die Beispiele von Dura, Megiddo und Troia belegen nicht nur solche Umbauten, sondern lassen zugleich erkennen, dass sie entsprechend der neuen Nutzung mit Malereien und Mosaiken ausgestattet wurden  ; wahrscheinlich ist auch hier, wie bei den Schola-Kirchen angenommen, mit figürlicher Plastik zu rechnen.

Große Hallen Als einfachste architektonische Lösung zur Schaffung eines Kirchenraumes für eine größere Menschenmenge kann die rechteckig angelegte Halle genannt werden. Sie konnte wie im Falle der Kirche unter San Crisogono in Rom durch einen Umbau entstehen (Abb. 18) oder durch die Übernahme einer bestehenden, vormals kaiserlichen Halle wie in Aquileia. Um Neubauten solcher Hallen dürfte es sich in Philippi und in Trier gehandelt haben. Gemeinsam ist ihnen eine doch respektable Größe. Die größte dieser Hallen in Aquileia misst etwa 37 × 20 m  ; 30 × 27 m misst die beinahe quadratische Halle in Trier, 29 × 10 m die Halle in Philippi. Und die Halle unter San Crisogono hat die Maße von 27 × 15,5 m. Unterschiedlich sind allerdings die Ausführungen dieser Hallen. Sie reichen von den ungegliederten Hallen in Aquileia und San Crisogono über die dreischiffige Halle in Trier bis zur dreigliedrigen, aus drei Quadraten bestehenden Halle in Philippi. Gemeinsam ist ihnen wiederum ihre Datierung in die Zeit kurz nach 300, wobei vorkonstantinischer Ursprung nicht auszuschließen ist. Das bedeutet freilich nicht, dass es vergleichbare Hallen, die als Kirche genutzt wurden, nicht bereits vorher gab. Große Hallen

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Kleine Kirchen Wird man große kirchliche Hallen eher in Städten mit großen Gemeinden lokalisieren, so entsprechend kleinräumige Kirchen in kleineren Städten mit einer entsprechend kleinen Gemeinde. 13 × 5 m misst der Kirchenraum in Dura Europos, und ähnlich groß ist er mit 10 × 5 m in Megiddo. Der potenziell kirchlich genutzte Raum, der von der späteren Halle in Trier überbaut wurde, hat die Maße 10,6 × 5,8 m. Letzterer besaß im Gegensatz zu Dura und Megiddo eine Apsis. Nur wenig größer ist mit 13 × 9 m die (potenzielle) Kirche in Silchester, die nicht nur eine Apsis, sondern auch seitenschiffähnliche Räume sowie einen Narthex zu besitzen scheint. Dabei ist es freilich möglich, über den ausgegrabenen Fundamenten auch ähnlich einem Fanum einen geschlossenen Kernbau und seitlich umlaufend einen offenen Umgang zu rekonstruieren. Dann könnte Silchester auch ein paganes Heiligtum gewesen oder eine nach diesem Vorbild errichtete Kirche sein.

Geheimkirchen Der Befund einer malerisch, u. a. mit einem Christogramm geschmückten Zisterne einer römischen Villa in Merida hat den Archäologen und Ausgräber Francisco Javier Heras Mora veranlasst, hier von einer während der Verfolgungszeit genutzten Kirche im Geheimen zu reden. Eine feuchte, klamme Zisterne schien ihm kein geeigneter Ort für Gottesdienste, sondern eher eine Notlösung zu sein, um etwaigen Nachstellungen zu entgehen. Es sei dahingestellt, ob man seinen Ausführungen folgen mag, aber er lenkt den Blick auf ein diskutables Phänomen. Haben Christen während der Verfolgungszeiten unscheinbare und verborgene Örtlichkeiten für ihre Zusammenkünfte genutzt und sogar ausgeschmückt  ? Das ist denkbar, doch sind solche Orte bisher nicht bekannt. Diesen Umstand erklärt Francisco Javier Heras Mora selbst, indem er sie als arquitectura invisible, als unsichtbare Architektur bezeichnet. So darf man zwar mit solchen Geheimkirchen rechnen, doch gibt es nur eine verschwindend geringe Chance, sie zu entdecken und als solche zu identifizieren. Dass der unwirtliche Ort in Merida mit Malereien geschmückt war, spricht für eine besondere, die Funktion ­eines Wasserreservoirs überbietende Nutzung. Das Christogramm legt 158

Systematik der Kirchen vor Konstantin

dabei eine christliche Nutzung nahe. Es wird aber einmal mehr mit dem Axiom konfrontiert, dass es nicht vor 313 entstanden sein kann, womit eine Nutzung während der Verfolgungszeit nicht mehr in Betracht käme.

Der mesopotamisch-arabische Typ Noch ehe es seit Konstantin eine staatlich verordnete bzw. kaiserliche geförderte Kirchenbaupolitik gab, hatte die Kirche eigene Vorstellungen von der Struktur und Einrichtung ihrer Gottesdiensträume entwickelt. Diese haben ihren Niederschlag in Kirchenordnungen gefunden, die wohl in vorkonstantinische Zeit zurückreichen. Wesentlich sind die Ostung der Kirche, die Trennung von Klerus und Laien sowie den Raum des Presbyteriums flankierende Pastophorien. Diesen Anforderungen werden Kirchen im mesopotamisch-arabischen Raum auf einfache Weise gerecht  : ein- oder dreischiffige, tonnengewölbte Gebäude über rechteckigem Grundriss mit einem dreigliedrigen Ostabschluss, wobei das mittlere Presbyterium/Sanktuarium von einer Kuppel bekrönt und zwei seitlichen Räumen flankiert wird (Abb. 14 – 15). Von den bekannten Beispielen sind hier im Text die Kirchen von Veh Ardahir, al-Hira, Sir Bani Yas und Jubail genannt. Wenngleich diese sowie die hier nicht genannten Beispiele sämtlich und mit unsicheren Kriterien in die Spanne vom 4. bis zum 9. Jahrhundert datiert werden, ist schlüssig, dass sie den frühen Kirchenordnungen entsprechen, und denkbar, dass sie entweder selbst bereits früher entstanden sind oder zumindest einen Typ verkörpern, der in den ersten Jahrhunderten ausgebildet wurde. Dass diese Architektur über die Jahrhunderte konstant blieb, hängt damit zusammen, dass der in Frage stehende Raum außerhalb der römischen Einflusssphäre lag. Eine konstantinische Wende hat es hier nicht gegeben, auch keine kaiserlich beeinflusste Architektur. Die Kirchen dieses Raumes weisen teils ornamentale, teils figürliche Malereien sowie bauplastische Elemente auf, darunter Ornamente mit Kreuzzeichen, und sogar Figuren. Im Altarraum der Kirche von Veh Ardashir fand sich eine gut 1 m hohe Relieffigur aus bemaltem Stuck zusammen mit weiteren farbig gefassten Stuckfragmenten.294 Freilich ist ihre Datierung ebenso unsicher wie die der Kirchen selbst. Dass indes auch diese Kirchen samt Ausstattung nicht unbeeinflusst waren, betonte Jonathan Hardy auf Der mesopotamisch-arabische Typ

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einem 2019 gehaltenen Vortrag, als er nach Durchsicht der Ausgrabungsbefunde der Kirche in Veh Ardashir ihre Entstehung in einem engen kulturellen Austausch der Christen mit Sassaniden und Zoroastrien hervorhob  : A close analysis of these documents allows for a reinterpretation of the chronological horizons of this church in the Sasanian capital and connects it to the wider iconographic and architectural exchange between Christians, Zoroastrians, and the Sasanian aristocracy in late antiquity.295

Neubauten Von den Kirchen im mesopotamisch-arabischen Raum abgesehen, handelt es sich bei der großen Mehrzahl der zu diskutierenden vorkonstantinischen Kirchen um Umbauten bestehender Gebäude bzw. Gebäudekomplexe. Als bislang wahrscheinlichster Neubau einer Kirche gilt ein in Ruinen noch recht hoch aufragendes Gebäude in Aqaba in Jordanien (Abb. 20a – b). Mit einer Datierung vor oder um 300 halten die Ausgräber es für sehr wahrscheinlich, dass es sich hier um den ältesten bekannten Neubau einer Kirche handelt. In den etwas unübersichtlichen Ruinen lassen sich mit Phantasie und gutem Willen Elemente wie Narthex, Kirchenschiff, Seitenschiff, Klerus und Laien trennende Schrankenanlage und Presbyterium ausmachen, wenn man ein basilikales Vokabular verwenden möchte. Wichtigste Feststellung wäre allerdings, dass es sich nicht um eine Basilika im eigentlichen Sinn handelt. Gerade dies spräche allerdings in der Tat für einen vorkonstantinischen Kirchentyp, der noch nicht von kaiserlichen Vorgaben beeinflusst gewesen ist. Dann könnte die Aqaba-Kirche beispielhaft dafür stehen, wie man vor Konstantin an die Bauaufgabe Kirche herangegangen ist. Man achtete auf die liturgischen Erfordernisse und verlieh der Kirche zugleich ein markantes Aussehen, das im Stadtbild erkennbar war. Die Architektur an sich darf indes nicht als Typ verallgemeinert werden, lässt aber den Schluss zu, dass man bei Neubauten von Kirchen individuelle Lösungen fand, die von den unterschiedlichsten Faktoren bestimmt gewesen sein können.

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Systematik der Kirchen vor Konstantin

Basilika  ? Es ist bekannt, dass eine Basilika nicht inhaltlich determiniert, sondern funktional variabel ist, und ihre Architektur aus dem profanen Bauwesen stammt. Kaiser Konstantin habe die ersten Kirchen in diesem Baustil errichten lassen und damit die Kirchenarchitektur in der Folgezeit geprägt. Die Kirchweihpredigt des Eusebius in Tyros (Quelle 15) lässt kaum einen anderen Schluss zu, als dass die 313/314 gebaute und geweihte Kirche basilikale Formen besitzt. Sollte sich aber die Bauweise der von Konstantin errichteten römischen Bischofskirche im basilikalen Stil tatsächlich unmittelbar auf die Provinzen ausgewirkt haben  ? Oder knüpft der Neubau oder Wiederherstellungsbau in Tyros an basilikale Formen an, in denen bereits vor 313 Kirchen errichtet wurden  ? Gerade die Universalität der Basilika als Typ scheint dies nicht generell auszuschließen. Dafür gibt es allerdings weder einen literarischen noch einen archäologischen Beleg.

Ausstattung der Kirchen Eine auf den kirchlichen Raum bezogene Ausstattung ist archäologisch für das 3. Jahrhundert (Dura  ; Megiddo) in Form von biblischen Malereien und Mosaiken mit christlichen Dedikations- und Memorialinschriften nachgewiesen. Dass es außerdem figürliche Plastik gegeben hat, ist nicht nachgewiesen, aber denkbar. Mit Malereien und Mosaiken hatte Markos Ioulios Eugenios die Kirche in Laodikea nach der konstantinischen Wende wieder (!) ausstatten lassen. Im Kanon 36 der Synode von Elvira ist festgelegt, dass Bildwerke nicht in Kirchen angebracht werden dürfen, womit man sich offenkundig gegen bestehende Missstände, also das Vorhandensein von Bildern wandte.296 Die mehrfach beschriebene Pracht der Kirchen aus vorkonstantinischer Zeit wird wohl kaum nur anikonisch gewesen sein. Freilich ist es unsicher, wie weit sich eine bildliche Ausstattung der Kirchen ins 2. oder gar 1. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, aber es ist zumindest bedenkenswert, dass die malerische Ausstattung nicht in Dura Europos erfunden wurde.

Ausstattung der Kirchen

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Fazit Kirchen, die nach Konstantin errichtet worden waren, sind archäologisch aufgrund ihrer Architektur (Basilika, Zentralbau oder ggf. Saal mit Apsis), ihrer Ausstattung und ihrem Dekor meist eindeutig identifizierbar. Ähnliche Kriterien treffen für vorkonstantinische Zeiten allenfalls eingeschränkt zu. Typische architektonische Elemente besitzen die mesopotamisch-arabischen Kirchen, die wohl schon in den ersten drei Jahrhunderten ausgebildet wurden. Zumindest entsprechen sie den Vorgaben der frühen Kirchenordnungen. Sonst sind die Architekturen der Kirchen uneinheitlich, zumal wenn sie durch Umbauten entstanden sind. Indizien deuten darauf hin, dass der allerdings unspezifische Saal (ggf. mit Apsis) zunehmend präferiert wurde. Christliche Dekore, die als Kriterium dienen könnten, finden sich selten (Dura, Megiddo), sie ließen sich vermehren, wenn man zustimmte, das Christusmonogramm bereits vor Konstantin als Christuszeichen zu akzeptieren. Ansonsten gibt es nur archäologische Verdachtsmomente, die aber in Verbindung mit den literarischen Quellen einen verbreiteten Kirchenbau bereits seit dem 1. Jahrhundert erkennen lassen. Zugleich wird deutlich, dass es funktional differenzierte Bauaufgaben gab. Die Gemeinde(Bischofs-) Kirchen für den Gottesdienst und die Feier des Herrenmahls besaßen den Charakter von Kirchenkomplexen oder Gemeindezentren für die verschiedenen gemeindlichen Aufgaben. Bereits seit dem 1. Jahrhundert führte die Sicherung historischer Orte (loca sancta) zur Ausbildung von Gedächtnisstätten, für die es ihrerseits keinen verbindlichen Plan gegeben hat. Ein bislang nicht berücksichtigter und auch nicht weiter verfolgter Aspekt soll hier abschließend genannt werden. Wenn Paul Corby Finney resümiert, In sum, place in early Christianity is a complex concept, so bezieht er place nicht nur auf die materiellen Zeugnisse als Orte der Epiphanie, sondern versteht place umfassender als spirituellen Ort. Allerdings versteht er eben auch Kirchen als Orte der Epiphanie, als heilige Orte. Solches Verständnis habe im frühen Christentum konsequent zur Errichtung von Kirchen geführt  : »Early Christian attitudes toward cult places and sacred places are clearly a crucial consideration in the growth of church architecture during the pre-Constanian period.«297 Vor diesem Hintergrund ist die Tendenz zur Errichtung sakraler Räume, zum Bau von Kirchen, bereits in vorkonstantinischer Zeit eine konsequente Schlussfolgerung. 162

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Anmerkungen 1 Orazio Marucchi, Handbuch der Christlichen Archäologie, 1912, S. 419. 2 Ebd., S. 420. 3 Rordorf (1964), S. 110 – 128. 4 Brenk (2003), S. 64. 5 Hugo Brandenburg, Art. Kirchenbau I, in  : Gerhard Müller, Hrsg., Theologische Real­ enzyklopädie, 18, 1989, 421 – 4 42, hier  : S. 421. 6 Hans-Georg Thümmel, Versammlungsraum, Kirche, Tempel, in  : Beate Ego, Armin Lange und Peter Pilhofer, Hrsg., Gemeinde ohne Tempel. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, Tübingen 1999, S. 490. 7 Deichmann (1983), S. 69. 8 Graydon F. Snyder, Ante pacem. Archaeological Evidence of Church Life before Con­ stantine, 2003, S. 128. 9 Die literarischen und archäologischen Quellen der vorkonstantinischen Zeit zuletzt zusammengetragen von White (1997). 10 Brandenburg (wie Anm. 5), S. 422. 11 Sible de Blaauw, Art. Kultgebäude, in  : Reallexikon für Antike und Christentum, Tl. 22, 2008, Sp. 261 – 339. 12 Jutta Dresken-Weiland, Ein wichtiges Zeugnis zum frühen Kirchenbau in Kleinasien, in  : Jahrbuch für Antike und Christentum 48/49, 2005/2006, S. 67 – 76, hier  : S. 70. 13 Ohne die Hinzunahme von literarischen Quellen, wie es hier und im Folgenden noch mehrfach geschieht, ist das Gebiet des vorkonstantinischen Kirchenbaus nicht zu bearbeiten. Dies ist bei aller Skepsis gegenüber der Verbindung von Archäologie und Text, wie sie Kim Bowes äußert, nicht zu umgehen  : »The problem is exacerbated by the near­absence of a theoretical discourse on texts and material culture.« Kim Bowes, Early Christian Archaeology  : A State of the Field, in  : Religion Compass 2/4, 2008, S. 575 – 619, hier  : S. 577. 14 Barbara Weber-Dellacroce und Winfried Weber, »Dort, wo sich Gottes Volk versammelt« – Die Kirchenbauten konstantinischer Zeit, in  : Alexander Demandt und Josef Engemann, Hrsg., Konstantin der Große (Ausstellungskatalog Trier), 2007, S. 244. 15 Robert W. Smith, Ante-Pacem Christian Structures in the Levant, in  : John D. Wineland, Hrsg., The Light of Discovery. Studies in Honor of Edwin M. Yamauchi, 2007, S. 83 – 106. 16 Ebd., S. 87. 17 Ebd., S. 97. 18 Adams (2013). 19 Karl Strobel, Zur Frage christlicher Kirchenbauten vor und nach der diocletianischen Christenverfolgung, in  : Karl Strobel und Heimo Dolenz, Hrsg., Neue Ergebnisse zum

Anmerkungen

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frühen Kirchenbau im Alpenraum. Akten des Internationalen Kolloquiums Klagenfurt 6. – 7. Dezember 2013, 2016, S. 14. 20 Ebd.; dagegen hat David L. Riggs schon zuvor eingewendet, dass in Nordafrika Kirchenbauten zwar mehrfach mit dem Terminus Basilica benannt seien, doch dürfe daraus nicht der Schluss gezogen werden, es handle sich um Basiliken im architektonischen Sinn. Vielmehr sei der Terminus Basilica für höchst unterschiedliche Bauten verwendet worden, weshalb ein entsprechender Rückschluss auf eine basilikale Kirche nicht zulässig sei. Nirgendwo könne eine Basilica genannte Kirche durch entsprechende archäologische Belege verifiziert werden. Riggs, Placing the Christian Basilicas of Pre-Constantinian North Africa in Their Proper Architectural Context, in  : Studia patristica, Vol. XXXI X . Papers presented at the fourteenth International conference on patristic studies held in Oxford 2003, 2006, S. 103 – 107. 21 Ebd., S. 15. 22 Stefan Heid, Gab es ›Hauskirchen‹  ? Anmerkungen zu einem Phantom, in  : Studia Teologiczno-Historyczne Śląska Opolskiego 38, 2018, Nr. 1, S. 13 – 46, hier  : S. 14. 23 Stefan Heid, Altar und Kirche. Prinzipien christlicher Liturgie, 2019, S. 70. 24 Ebd., S. 184. 25 Hugo Brandenburg, Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahrhundert. Der Beginn der abendländischen Kirchenbaukunst, 2004, S. 11. Bei Heid (wie Anm. 23), S. 198. 26 Clemens von Alexandrien, Stromateis, 7. Kap., 5. Buch, 3 – 4. 27 Pseudo-Klementinen, Rekognitionen, Buch 4, Kap. 6. 28 Ebd., Buch 10, Kap. 71. 29 Amedeo Maiuri, Sulla scoperta della croce ad Ercolono, in  : Bollettino d’Arte 1939/1940, S. 187 – 192, hier S. 187. Text aus dem Italienischen übersetzt. 30 Ebd., S. 192. 31 William L. Holladay, The Herculaneum Cross, in  : Journal of Bible and Religion, Vol. 19 (no. 1), 1951, S. 16 – 1 9, hier  : S. 18 f. (in Übersetzung). 32 Heinz Kähler, Die frühesten christlichen Denkmäler, in  : disputationes salonitanae 1970, S. 46  ; Kähler (1972/82), S. 16 – 2 7, hielt das Kreuz gemeinsam mit einem weiteren in Pompeji für christlich, verortete indes den Raum selbst wohl aufgrund seiner winzigen Dimensionen im privaten Bereich. 33 Schnabel (2002), S. 795. 34 Snyder (2003), S. 67. [Den gibt es auch in ausführlicher Version, müsste also theoretisch mit Snyder (wie Anm. xy) angegeben werden. Könnte man das nicht vereinheitlichen  ?] 35 Entsprechend wehrt sich Longenecker (2015, wie Anm. 37), S. 129 f. gegen solche unbegründeten Voraussetzungen  : »Readers of this book (Snyder, 2003) can already see how ill-founded presuppositions have predetermined the interpretation of this artifact.« 36 François Mazois, Les Ruines de Pompei  : Second Partie. 1824, S. 88. 37 Bruce W. Longenecker, The Cross Before Constantine. The Early Life of a Christian Symbol, 2015, S. 121 – 148 sowie The Crosses of Pompeii. Jesus Devotion in a Vesuvian Town, 2016, 101 – 144.

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Anmerkungen

38 John Granger Cook, Alleged Christian Crosses in Herculaneum and Pompeii, in  : Vigiliae Christianae, Bd. 72, 1, 2018, S. 1 – 20. 39 Frances M. Young, Rezension zu  : Bruce W. Longenecker (wie Anm. 37) in  : Interpretation  : A Journal of Bible and Theology 72 (1), 2018, S. 88 f. 40 Z. B. »Daß es vorkonstantinische Kirchen gab, ist bekannt.« Dresken-Weiland (wie Anm. 12), S. 70. 41 Z.B. »So gab es also in den ersten Jahrhunderten des Christentums keine christliche Sakralarchitektur.« Hugo Brandenburg, Art. Kirchenbau I, in  : TRE 18, 1989, S. 421, der allerdings durchaus auf Spuren monumentaler Kirchenbauten vor Konstantin verweist. 42 Muon Radiography Method for Non-Invasive Probing an Archaeological Site in the NarynKala Citadel, in  : Applied Sciences. Received  : 18 April 2019  ; Accepted  : 14 May 2019  ; Published  : 17 May 2019 = https://mdpi-res.com/d_attachment/applsci/applsci-09-0 2040/article_deploy/applsci-09–0 2040-v2.pdf (13.04.22). Das 12 m hohe Gebäude ist fast vollständig unter der Erde verborgen, obwohl es ursprünglich obertätig stand und eine Kuppel besaß, die in Fragmenten erhalten blieb. Der Bau besitzt Kreuzform  ; die Arme sind etwa 5 m breit  ; in der Länge messen sie etwa 4,2 m und abweichend der vierte (nördliche) mehr als 6 m, so dass die Grundform einem lateinischen Kreuz entspricht. Angaben zur Datierung um 300 sind dem Artikel nicht zu entnehmen. 43 Udo Schnelle, Die ersten 100 Jahre des Christentums. 30 – 130 n. Chr., 2015, S. 113. bzw. S. 257. Und ausführlich Adams (2013). 44 Ausführlich zu diesem Komplex  : Ulrich Fellmeth u. a., Hrsg., Wirtschaftsbauten in der antiken Stadt. Internationales Kolloquium 16. – 17. November 2012, 2016. 45 Apg. 19, 9 f. 46 Heid, (wie Anm. 22), S. 13 – 46, hier  : S. 14. Letztlich ist auch die Begrifflichkeit Hauskirche mehr als zweideutig. Sessa (2009) weist zudem darauf hin, dass der Terminus domus ecclesiae (οíκος τἥς ἐκκλησίας) in literarischen Quellen nicht vor 313 erscheint. 47 Ebd., S. 20. 48 Immerhin geht Heid davon aus, dass in diesen Versammlungsräumen jeweils der Altar stand. Sollte man dann nicht tatsächlich von Kirchen reden  ? 49 Zu diesem Komplex  : Ulrike Egelhaaf-Gaiser und Alfred Schäfer, Hrsg., Religiöse Vereine in der römischen Antike, 2002. 50 Alfred Schäfer, Raumnutzung und Raumwahrnehmung im Vereinslokal der Iobakchen von Athen, in  : Religiöse Vereine in der römischen Antike (wie Anm. 49), S. 173. 51 Schnelle (wie Anm. 43), S. 255 f. 52 Theodor Klauser, Studien zur Entstehungsgeschichte der christlichen Kunst, 3. Schafträger und Orans als Vergegenwärtigung einer populären Zweitugendethik auf Sarkophagen der Kaiserzeit, in  : Jahrbuch für Antike und Christentum 3, 1960, S. 112 – 133. 53 Serena Ensoli und Eugenio La Rocca, Hrsg., Aurea Roma. Dalla Città pagana alla città Cristiana, 2000, S. 361 f., Kat. Nr. 362. 54 Adversus haereses 1. Buch 25, 6. 55 ΑΝΤΙ ΛΙΘΩΝ ΜΕΓΑ ΛΩΝ, ΑΝΤΙ ΣΤΕΡΕΟΙΟ ΣΙΔΗΡΟΥ ΧΑ ΛΚΟΥ ΤΕ Ξ ΑΝΘ ΟΙΟ ΚΑΙ ΑΥΤΟΥ ΑΝΤ Α Δ Α ΜΑΝΤΟΣ (Ο)ΙΔΕ ΔΟΜΟΙ ΖΩΣΑΝΤΟ ΠΟΛΥΛ ΛΙΤΑ ΣΗΜΑΤΑ ΧΡΙΣΤΟΥ. Anmerkungen

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56 White (1997), S. 243 – 257. 57 Kim Bowes, Christianization of Villas, in  : A. Marzano and G. Métraux, Hrsg., Roman Villas in the Mediterranean Basin, 2018, S. 449 – 460. 58 Mina Bospacieva, Spätantike (frühchristliche) Denkmäler in Philippopolis (Plovdiv, Bulgarien), in  : Mitteilungen zur Christlichen Archäologie XI, 2005, S. 35. 59 Charles Thomas, Christianity in Roman Britain to A.D.500, 1981, S. 181 ff. 60 Adams (2013), S. 1 – 136. 61 Ebd., S. 137 – 197. 62 Der Überblick über die gegenwärtige Forschungssituation bei Max Küchler, Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt, 2006, S. 469 ff.; zuvor  : M. Broshi und G. Bakray, Excavations in the Chapel of St. Vartan in the Holy Sepulchre, in  : Israel Exploration Journal Vol. 35, No. 2/3, 1985, S. 108 – 1 28, die durchaus auf abweichende Lesarten der Inschrift beim Jerusalemschiff eingehen, ihre Entscheidung aber zugunsten der christlichen Lesart treffen. Zur wahrscheinlichen Authentizität von Kreuzigungsstätte und Grab Jesu vgl. auch Skarsaune (2002), S. 183 – 185  : »… we simply have to assume the local Jewish Christian community continued to keep the memory of the authentic place.« 63 Petrus Schüler OFM, Syrien – Geschichte und Gegenwart, in  : Im Land des Herrn. Franziskanische Zeitschrift für das Heilige Land, 73. Jg., 2, 2019, S. 64 – 66. 64 Nach Virgilio Corbo, Cafarno I. Gli edifici della città, 1975, S. 75 – 106 befand sich dort im 1. Jahrhundert ein einfaches Haus mit einem Hof, um den sich mehrere Räume gruppierten. Der größte unter ihnen sei Mitte des 1. Jahrhunderts nach Osten vergrößert worden und diente als Hauskirche. 65 Joan E. Taylor, Capernaum and its ›Jewish-Christians‹  : A Re-examination of the Franciscan Excavations, in  : Bulletin of the Anglo-Israel Archaeological Society Vol. 9, 1989 –  1990, S. 26. Vgl. auch Skarsaune (2002), S. 191. 66 Virgilio Corbo, The House of St. Peter at Capharnaum, a preliminary report of the first two Excavations, 1968, 1969. Vgl. dazu  : White (1997), S. 152 – 159  ; Moshe Fischer (mit ausführlicher Bibliographie), Kapharnaum  : eine Retrospektive, in  : Jahrbuch für Antike und Christentum 44, 2001, S. 142 – 167, bes. S. 162 f. Unstreitig scheint zu sein, dass manche Inschriften einen christlichen Charakter besitzen, weshalb auch Fischer »eine Art Christianisierung dieser Insula« für ersichtlich hält, gleichzeitig aber auf die kritischen Stimmen verweist, die Versuche in Frage stellen, manche Inschriften noch ins 3. Jahrhundert zu datieren. 67 Z. B. https://www.livescience.com/66074-church-of-apostles-found-sea-of-galilee.html (08.05.20). 68 Zum Komplex der Grabungen unter St. Peter  : Margherita Guarducci, Hier ist Petrus. Die Gebeine des Apostelfürsten in der Confessio von St. Peter, 1967. 69 Bellarmino Bagatti, The church from the circumcision. History and archaeology of the Judaeo-Christians, 1971, zusammenfassend S. 3 – 14. 70 von Jørgen Christensen-Ernst, The Cave Church of St. Peter in Antioch = https://www. academia.edu/12623139/The_Cave_Church_of_St._Peter_in_Antioch (15.05.20). 71 Ebd.

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Anmerkungen

72 Dort selbst in Tamassos (bei Politiko) weiß die lokale Überlieferung von einer Höhle, wo sich die kleine Christengemeinde im 1. Jahrhundert zum Gebet versammelt hat. Ruppert Gunnis, Historic Cyprus, 1973 , S. 398. 73 Vita Constantini, 3. Buch, Kap. 41. 74 Ebd., 3. Buch, Kap. 26. 75 Ernst Benz, Die heilige Höhle in der alten Christenheit und in der östlich-orthodoxen Kirche, 1954. 76 Joan E. Taylor, Christians and the Holy Places  : The Myth of Jewish-Christian Origins, 1993, S. 157 – 179 (Caves and tombs), hier  : S. 157. 77 Z. B. Tim Butcher, in  : The Telegraph – online  : 10 Juni 2008 = https://www.telegraph. co.uk/news/worldnews/middleeast/jordan/2106752/Worlds-oldest-Christian-church-dis covered-in-Jordan.html  ?fb (08.10.21). 78 Zunächst die Augräber  : Abdel-kader Al-Hissan, The New Archaeological Discoveries of the al-Fudayn and Rahāb – al-Mafraq Excavation Projects, 1991 – 2001, in  : Annual of the Department of Antiquities of Jordan, 46 (2002), S. 71 – 94. Dann konträr  : Lincoln Blumell und Jenn Cianca, The Oratory of St. George in Rihab  : The Oldest Extant Christian Building or Just Another Byzantine Church  ? = https://www.academia.edu/1399379/ The_Oratory_of_St._George_in_Rihab_The_Oldest_Extant_Christian_Building_or_ Just_Another_Byzantine_Church (25.05.20). Link ist nicht mehr abrufbar (8.9.22). 79 http://rihabresearchcenter.blogspot.com/ (25.05.20). 80 Samer Abu-Ghazalah und Abdel-kader Al-Hissan, Discovery of the Oldest Church of the World, in  : Architectural Science Review, Vol. 45.4, 2002, S. 296. 81 Lincoln Blumell und Jenn Cianca (wie Anm. 78), S. 3. 82 Der volle Wortlaut dieser Inschrift lautet in der Übersetzung von Blumell/Cianca (zeilenweise)  : (1) In the name of the Holy Trinity, (2) from the offerings of Thomas son of Gaianus, (3) the sole founder. (4) The oratory of Saint George was completed in (5) the month of Apellaios at the time of the eighth indiction of the year four hundred and twenty-four (6) through the zeal of Sergius the watchman. 83 https://www.archbalt.org/archaeologists-claim-jordan-cave-was-first-church-scholars-skep tical/  ?print=print (25.05.20). 84 https://www.bibleplaces.com/blog/2008/06/earliest-church-in-jordan/ (30.09.21). 85 Smith (wie Anm. 15), S. 103. 86 Apg. 8, 1  ; 1. Kor. 12, 28  ; Kol. 1, 18. 87 Schnelle (wie Anm. 43), S. 27. 88 Zu diesem Komplex  : Richard Bauckham, The Book of Acts in its First Setting. Vol. 4 Palestinian Setting, 1995, S. 305 – 321, hier  : S. 321. 89 Bargil Pixner, Church of the Apostles found on Mt Zion, in  : Biblical Archaeology Review, May/June 1990, S. 16 – 35. Vgl. dazu auch Skarsaune (2002), S. 185 – 191. 90 Ebd. 91 Richard M. Mackowski, Jerusalem City of Jesus. An Exploration of the Traditions, Writings, and Remains of the Holy City from the Time of Christ, 1980, S. 143. 92 Adolf Deißmann, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt, 1923 , S. 380. Anmerkungen

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93 Das ist die Hauptthese seiner Dissertation von 1999, die 2002 unter dem Titel Versammlung, Gemeinde, Synagoge. Das hellenistisch-jüdische Umfeld der frühchristlichen Gemeinden, Göttingen 2002, erschienen ist. 94 Maße (Länge/Breite/Höhe) 0,6 × 0,5 × 0,4 m. 95 Oskar Skarsaune, In the Shadow of the Temple. Jewish Influences on Early Christianity, 2002, S. 161. 96 Die Inschrift, deren erste Zeile in lateinischer, der Rest in griechischer Sprache abgefasst ist, lautet in Übersetzung  : »Für das Wohlergehen des Kaisers. Mindius Faustus mit seinem Haushalt baute [die Synagoge] aus seinem Vermögen und weihte die Bundeslade (Kibotos) für das heilige Gesetz.« Das Wort »Synagoge« ist in der Inschrift nicht genannt, hier sinngemäß ergänzt. Soweit bekannt, wurde an der Funktion als Synagoge nicht gezweifelt. Ausführlich  : L. Michael White, Synagogue and Society in Imperial Ostia  : Archaeological and Epigraphic Evidence, in  : The Harvard Theological Review Vol. 90, No. 1 ( Jan. 1997), S. 23 – 58  ; Claußen (2002), S. 195 – 199. 97 In einer griechischen Inschrift, die in einem neuzeitlichen Haus in Deir Ali (Syrien) gefunden wurde, wird der Versammlungsraum der christlich-gnostischen Gemeinschaft der Marcioniten in »Lebaba« explizit als »Synagoge« bezeichnet. Die Inschrift datiert 318/319. White (1997), S. 140. 98 Sörries (2020), S. 84 – 86. 99 Lee I. Levine, The First-Century Synagogue  : New Perspectives, in  : Svensk Teologisk Kvartalskrift Årg. 77, 2001, S. 22 – 30, hier  : S. 29. 100 »Eine zentrale Ebene war [nach 70 n. Chr.] die Frage nach der Organisation und Führung der Gemeinde  ; neue Amtsstrukturen treten in den Vordergrund, wobei vor allem die Presbyter und die Episkopen zu nennen sind.« Schnelle (wie Anm. 43), S. 421. 101 Hans Achelis, Das Christentum in den ersten drei Jahrhunderten, 1925 , S. 204. Verantwortlich machte er dafür vor allem das Agieren gegen die Gnosis. 102 Heid (wie Anm. 22), S. 20. 103 Schnelle (wie Anm. 43), S. 531 f. 104 Brenk (2003), S. 65. 105 Heid (wie Anm. 23), 2019, S. 178. 106 Ebd., S. 181  ; Paul Corby Finney, Topos Hieros und christlicher Sakralbau in vorkonstantinischer Überlieferung, in  : Boreas 7, 1984, S. 193 – 197. 107 Heid (wie Anm. 23), S. 181. 108 Achelis (wie Anm. 101). 109 Heid (wie Anm. 23), S. 93 – 124. 110 Snyder (2003), S. 299  : »It must be stated that the pre-Constantinian Church was remarkably democratic.« 111 Brenk (2003), S. 63. 112 Pseudoklementinen, Recognitiones X, 71  : »… domus suae ingentem basilicam ecclesiae nomine consecraret, in qua Petro apostolo constituta est ab omni populo cathedra, et omnis multitudo quotidie ad audiendum conveniens …«. 113 Daniel Alexander Erhorn, Übers., Die Reisen des Petrus – Recognitiones Clementis –

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Anmerkungen

Bericht des Klemens von Rom an Jakobus, den Bruder Jesu, über seine Reisen mit Petrus, dem Apostel Christi und Bischof von Rom, 2021. 114 Vincent Branick, The House Church in the Writings of Paul, 1989, S. 129. 115 White (1997). 116 Im Jahre 513 während der Regierung des Severus und des Königs Abgar (= 201). 117 Benjamin Harris Cowper, The Chronicle of Edessa, in  : Journal of Sacred Literature and Biblical Record, Vol. V (New Series), No. 9, 1865, S. 28 – 45, hier S. 30 f.; Gabriel Rabo, Der Kirchenbau und seine innere Ausstattung in der Syrisch-Orthodoxen Kirche, in  : Jobst Reller und Martin Tamcke, Hrsg., Trinitäts- und Christusdogma. Ihre Bedeutung für Beten und Handeln in der Kirche, Münster 2001, S. 51 – 65. 118 Jean Paul Deschler, Word and Meaning  : A Glossary in Liturgy and Iconography with Special Reference to the Theology of the Eastern Churches, 1994, S. 226. 119 Leslie. W. Barnard, The Origins and Emergence of the Church in Edessa during the First Two Centuries A.D., in  : Vigiliae Christianae Vol. 22, No. 3 (Sep. 1968), S. 161 – 175, hier  : S. 174. 120 Paul E. Kahle, The Cairo Geniza, 1960, S. 197. 121 C. J. F. Dowsett, The History of the Caucasian Albanians By Movses Dasxuranci, 1961. 122 Ebd., S. 177. 123 Jean-Pierre Mahè, Die Bekehrung Transkaukasiens  : Eine Historiographie mit doppeltem Boden, in  : Werner Seibt, Hrsg., Die Christianisierung des Kaukasus, Wien 2002, S. 118 – 120, hier S. 119 Anm. 101. 124 Hingegen war nach Überzeugung der armenischen Christen eine Kirche im Jahre 66 von Judas Thaddäus als erste Kirche der Welt gegründet worden. Er soll den Märtyrertod erlitten haben und wurde in seiner eigenen Kirche beigesetzt. Diese Überlieferung haftet am armenischen Kloster Sankt Thaddäus, auch schwarze Kirche genannt, ca. 18 km von Maku entfernt, im heutigen Iran. 125 Dale A. Johnson. Visits of Gertrude Bell to Tur Abdin, 2007, S. 144 f. 126 Bar Hebraeus Chronicon Ecclesiasticum Vol. 3, S. 1 = http://syri.ac/bhchronicles #EC2page (15.08.22). 127 Krautheimer (1986), S. 302. 128 Stefan R. Hauser, Christliche Archäologie im Sasanidenreich, in  : Arafa Mustafa u. a., Hrsg., Inkulturation des Christentums im Sasanidenreich, 2007, S. 93 – 136, hier  : S. 99 ff.; jüngst dazu  : Ute Verstegen, s. Anm. 138. 129 John A. Langfeldt, Recently Discovered Early Christian Monuments in Northeastern Arabia, in  : Arabian Archeology and Epigraphy 5, 1994, S. 32 – 60, Fig. 2. 130 Joseph Elders, The lost Churches of the Arabian Gulf  : recent discoveries on the islands of Sir Bani Yas and Marawah, Abu Dhabi Emirate, United Arab Emirates, in  : Proceedings of the Seminar for Arabian Studies, Vol. 31, Papers from the thirty-fourth meeting of the Seminar for Arabian Studies held in London, 20 – 22 July 2000 (2001), S. 47 – 57. 131 Helmut Schlunk und Theodor Hauschild, Hispania Antiqua. Die Denkmäler der frühchristlichen und westgotischen Zeit, 1978, S. 40 f. sowie S. 163 f. (Bobalá), S. 83 (Son Pereto). 132 Jordina Sales-Carbonell, El Bovalar (Serós, Lleida). ¿ Un monasterio productor de perAnmerkungen

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gamino en la Hispania visigoda  ?, in  : Rivista di Archeologia Cristiana 90, 2014, S. 423 –  464. 133 Salah Hussein A. Al-Houdalieh, The Byzantine Eastern Church of Khirbet et-Tireh, in  : Archaeological Discovery 4, 2016, S. 48 – 67. 134 Die syrische Didaskalia (Didaskalia Apostolorum) in der Übersetzung von Hans Achelis, 1904. 135 Sörries (2020), S. 84 – 86. 136 Apostolische Konstitutionen in der Übersetzung von Ferdinand Boxler, 1874. 137 Talbot Rice, Arte Cristiana in Asia, in  : Giuseppe Tucci, Hrsg., Le civiltà dell’Oriente. Storia, letteratura, religioni, filosofia, scienze e arte, Vol. IV, 1962, S. 441 und Fig. 7. 138 Martina Müller-Wiener und Ulrike Siegel, The Pre-Islamic and Early Islamic City of alḤīra  : First Results of the Archaeological Survey 2015, in  : Proceedings of the 10th International Congress on the Archaeology of the Ancient Near East, Vol. 1, 2017, S. 639 – 652  ; Barakatullo Ashurov, ›Sogdian Christianity‹  : Evidence from architecture and material culture, in  : Journal of the Royal Asiatic Society 29, Issue 1, January 2019, S. 127 – 168  ; Ute Verstegen, Der frühchristliche Kirchenbau in den Gebieten der Kirche des Ostens. Ein Blick auf Mesopotamien und den Persischen Golg, in  : INSIT U. Zeitschrift für Architekturgeschichte 13, 2021, Heft 2, S. 175 – 191. 139 Michael Peppard, The World’s Oldest Church  : Bible, Art, and Ritual at Dura-Europos, Syria, 2016. 140 Unweit entfernt befinden sich ein Mithräum und eine Synagoge. 141 Dass Dorotheos der Bauherr und Eigentümer ist, wird aus der Inschrift geschlossen, die auch das Datum 232/233 liefert und sich als Graffito oberhalb von zwei kleinen Fenstern an der Innenseite der Außenwand befindet. Es handelt sich allerdings um eine Memorialinschrift ›Dorotheos möge gedacht werden‹. Dass dieser Dorotheos Christ gewesen ist, wird aus dem Namen erschlossen, der so viel bedeutet wie Geschenk Gottes. 142 Mell (2010), S. 90. 143 Ebd., S. 92. 144 Joseph Patrich, Early christian Churches in the Holy Land, in  : Ora Limor und Guy G. Stroumsa, Hrsg., Christians and Christianity in the Holy Land  : From the Origins to the Latin Kingdoms, 2006, S. 360. 145 Heid (wie Anm. 22), S. 35. 146 Yotam Tepper und Leah Di Segni, A Christian Prayer Hall of the Third Century CE at Kefar ’Othnay (Legio)  : Excavations at the Megiddo Prison 2005, 2006. 147 Edward Adams, The Ancient Church at Megiddo. The Discovery and an Assessment of its Significance, in  : The Expository Times 120, Nr. 2, 2008, S. 62 – 69. 148 Zweifelnd  : Adams (2013), S. 96, 99  ; zustimmend Hugo Brandenburg, Die konstantinische Petersbasilika am Vatikan in Rom  : Anmerkungen zu ihrer Chronologie, Architektur und Ausstattung, 2017, S. 45. 149 Smith (wie Anm. 15), S. 103. 150 Vassilios Tzaferis, Inscribed »To God Jesus Christ«. Early Christian Prayer Hall Found in Megiddo Prison, in  : Biblical Archaeology Review, March/April 2007, S. 38 – 49. 151 Heid (wie Anm. 23), S. 56.

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Anmerkungen

152 Blaga Aleksova, Domus Ecclesiae at Stobi. The First Christian Community House in Macedonia, in  : Folia archaeologica Balkanica 1, 2006, S. 391 – 402, bes. 400 f. 153 http://www.fastionline.org/excavation/micro_view.php?fst_cd=AIAC_709&curcol= sea_cd-AIAC_4508 (04.03.22). Link ist nicht mehr abrufbar (8.9.22). 154 Guido Faccani und Hans-Rudolf Meier, Vom römischen Vorstadtbau zur Bischofs- und Pfarrkirche. Zwischenbericht über die Ausgrabungen in der Kirche Notre-Dame-desChamps in Martigny, in  : Vallesia Bd. 51, 1996, S. 243 – 2 70, hier  : S. 269. 155 Ebd., S. 246. 156 Ebd., S. 247 f. 157 A. Marmorstein, The Synagogue of Claudius Tiberius Polycharmus in Stobi, in  : The Jewish Quarterly Review New Series, Vol. 27, No. 4 (Apr. 1937), S. 373 – 384  ; Martin Hengel, Die Synagogeninschrift von Stobi, in  : Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft Bd. 57, Heft 3 – 4, 1966, S. 145 – 183  ; White (1997), S. 343 – 356  ; Ephrat Habas-Rubin, The Dedication of Polycharmos from Stobi  : Problems of Dating and Interpretation, The Jewish Quarterly Review 92, 200), S. 41 – 78  ; Claußen (2002), S. 199 –  202. 158 Belgrad, Nationalmuseum, Inv. Nr. 18/IV. 159 Claußen (2002), S. 191 – 208. 160 Ejnar Dyggve, History of Salonitan Christianity, 1951. 161 Iva Kaić und Vinka Bubić, Oratorium A and other 4th century Christian buildings in Salona, in  : Dragiša Bojović, Hrsg., Saint emperor Constantine and christianity. International Conference Commemorating the 1700th Anniversary of the Edict of Milan, 31 may – 2 june 2013, Vol. II, Niš 2013, S. 463 – 472. 162 Homeliae in librum Jesu Nave 2,1, gehalten etwa 249/250. 163 Clemens von Alexandrien, Stromateis, 7. Kap., 5. Buch, 3 – 4. 164 Historia Augusta, Severus Alexander, 49,6  : Cum Christiani quendam locum, qui publicus fuerat, occupassent, contra popinarii dicerent sibi eum deberi, rescripsit melius esse, ut quemammodumcumque illic deus colatur, quam popinariis dedatur. 165 Johann Peter Kirsch, Die römischen Titelkirchen im Altertum, 1918. 166 Heid (wie Anm. 23), S. 139. 167 Die Kirchen über den Gräbern von Petrus und Paulus liegen außerhalb der Stadt und sind reine Memorialkirchen gewesen. 168 Krautheimer (1986), S. 37. 169 Brandenburg (wie Anm. 25), S. 164. 170 Charles Pietri, Recherches sur les domus ecclesiae, in  : Revue des Études augustiniennes XXIV, 1978, S. 3 – 21, hier S. 21 (Dieses letzte Beispiel [sc. San Crisogono] schließt mit einer etwas pessimistischen Einschätzung. Gewiss hatten die Christen im Rom des 3. Jahrhunderts Kultstätten, aber die Zeugnisse der Archäologie erlauben uns nicht, die geographische Verteilung zu erkennen  ; man muss woanders suchen.) 171 https://visite.romasotterranea.it/i-sotterranei-di-s-lorenzo-in-lucina.html (29.05.2020). (Obwohl es immer noch schwierig ist, die noch sichtbaren Strukturen zu lesen und zu interpretieren, wissen wir mit Sicherheit, dass es in der Gegend ein Haus gab, das Zuhause einer römischen Matrone, Lucina, die auch der nächsten Kirche den Namen gab. Anmerkungen

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Tatsächlich war das Haus wahrscheinlich von der Frau für die ersten im Geheimen stattfindenden Christenversammlungen geöffnet und darauf die Kirche gebaut worden). 172 Brandenburg (wie Anm. xxv), S. 166. 173 https://www.basilicassgiovanniepaolo.it/ (05.03.22). 174 Jan Vaes, Christliche Wiederverwendung antiker Bauten. Ein Forschungsbericht, in  : Ancient Society Vol. 17, 1984 – 1986, S. 305 – 443, hier  : S. 353. 175 Ebd., S. 351. 176 Brandenburg (wie Anm. 25), S. 151. 177 Rordorf (1964), S. 111 f. 178 Ebd., S. 123. 179 Heid (wie Anm. 23), S. 198. 180 Ebd., S. 198 im Einklang mit Brandenburg (wie Anm. 25), S. 11 f. 181 Problematisch ist die Verknüpfung einer materiellen Hauskirche im Sinne eines umgebauten bzw. umgenutzten Hauses mit der spirituellen Hauskirche als einer Versammlung von Christen. 182 Gisella Cantino Wataghin, Domus ecclesiae, domus orationis, domus dei. La chiesa, luogo della communità, luogo dell’istitutione, in  : Settimane di studio del Centro italiano di studi sull’alto medioevo 61, 2014, S. 565 – 604. 183 Eusebius, Kirchengeschichte 10. Buch, Kap. 4. 184 Ebd. wird darauf Bezug genommen  : »… deren Tore sie mit Äxten aushieben wie im Baumwald und sie zugleich mit Beil und Hammer zerschlugen, deren Bücher sie vertilgten und das Heiligtum Gottes in Brand steckten und seine Wohnung bis zum Boden entweihten.« 185 Eusebius, Kirchengeschichte 8. Buch, Kap. 1. 186 Inschrift nach Jutta Dresken-Weiland, (wie Anm. 12, S. 69). 187 Heid (wie Anm. 23), S. 146. 188 Laktanz, Von den Todesarten der Verfolger (De mortibus persecutorum), Kap. 12. 189 Porphyrios, Contra Christianos, frag. 76. Vgl. White (1997), S. 104. 190 Eusebius, Kirchengeschichte, 8. Buch, 17. Kap. 191 Laktanz (wie Anm. 188), Kap. 33. 192 Ebd., Kap. 34. 193 Wortlaut bei White (1997), S. 105 – 110. 194 Sebastian Ristow, Zur Problematik der spätrömischen Reste auf dem Gelände der Domkirche zu Aquileia, in  : Jahrbuch für Antike und Christentum 37, 1994, S. 99. 195 T HEODORE FELI(X) (A)DIUVANT E DEO | O MN IPOT ENT E ET | POEMN IO C A ELI T US T I B I | (T R A) D I T UM O M N I A | (B) A E AT E FEC IST I ET | GL O RIOSE DEDICAS | T I. 196 Josef Fink, Der Ursprung der ältesten Kirchen am Domplatz von Aquileja, in  : Münstersche Forschungen 7, 1954, S. 57 f. 197 Ristow (wie Anm. 194), S. 109. 198 Snyder (2003), S. 138. 199 Sebastian Ristow, Frühes Christentum im Rheinland. Zeugnisse der archäologischen und historischen Quellen an Rhein, Maas und Mosel, 2007, S. 195 f.

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Anmerkungen

200 Es ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig, ob mit Paulus hier der Apostel oder ein lokaler Märtyrer gemeint ist. Siehe dazu auch die folgende Anmerkung  ! 201 Stylianos Pelekanidis, Kultprobleme im Apostel-Paulus Octogon von Philippi im Zusammenhang mit einem älteren Heroenkult, in  : Atti IX Congresso Internazionale di Archeologia Cristiana Tl. 2, 1978, S. 393 – 399. 202 White (1997), S. 178 – 186. 203 S. Thomas Parker, An Early Church, Perhaps the Oldest in the World, Found at Aqaba, in  : Near Eastern Archaeology 61, No. 4 (December 1998), S. 254  ; ein Jahr später  : Brief notice on a Possible 4th-c. Church at Aqaba, Jordan, in  : Journal of Roman Archaeology 12, 1999, S. 372 – 376. Skeptisch äußerte sich Silver (2017), S. 291 – 294 u. a. mit dem Argument, »because the building lacks essential features of a church« (S. 293). 204 S. Thomas Parker, Roman Aqaba Project (American Schools of Oriental Research Archaeological Reports, Bd. 19), 2014. 205 Rev G.W. Minns, The ancient Christian Church at Silchester (Calleva Attrebatum), in  : Papers and proceedings of the Hampshire Field Club, Vol. 2, pt 3 / edited by the Rev G.W. Minns. 1894, S. 240 – 251. 206 William Henry St. John Hope, The surroundings of the basilica and forum, in  : G. E. Fox und W. H. St. John Hope, Hrsg., Excavations on the site of the Roman city at Silchester, Hants, in 1892, in  : Archaeologia 53, 1893, S. 539 – 573, hier  : S. 565. 207 Jocelyn Toynbee, Christianity in Roman Britain, in  : Journal of the British Archaeological Association, series 3, 16, 1953, S. 1– 4, hier  : S. 9. 208 Sheppard Sunderland Frere, The Silchester Church. The excavation by Sir Ian Richmond in 1961, in  : Archaeologia 105, Jahr  ?, S. 277 – 302, hier  : S. 296. 209 Michael Jonathan Taunton Lewis, Temples in Roman Britain, 1966, S. 109. 210 Anthony King, The Roman Church at Silchester Reconsidered, in  : Oxford Journal of Archaeology 2 (2), 1983, S. 225 – 237, hier  : S. 234. 211 Carsten Peter Thiede, Funde, Fakten, Fährtensuche. Spuren des frühen Christentums in Europa, 1992, S. 77 und 78. 212 Actes du XIe congrès international d’archéologie chrétienne. Lyon, Vienne, Grenoble, Genève, Aoste, 21 – 28 septembre 1986, 1989. 213 Testamentum Domini 19, 3 ff., nach der Übersetzung von Andreas Johannes Ellwardt, Die Kirchenordnung aus dem Testamentum Domini Nostri Jesu Christi nach den Redaktionen der Handschriften Borg. arab. 22 und Petersburg or. 3, Diss. Tübingen 2018. 214 White (1997), S. 105. 215 António Inácio Marques da Costa, Estudos sobre algumas estações da época luso-romana nos arredores de Setúbal, in  : Arqueólogo Português, XXI X , 1930 – 1931, 1933. 216 Gillian Vallance Mackie, Early Christian Chapels in the West  : Decoration, Function and Patronage, 2003. 217 Auch kleine apsidiale Räume in Aquileia wurden schon als Oratorien bezeichnet. In zwei Villenkomplexen waren ganz in der Nähe des Doms Grundmauern einer römischen Siedlungsanlage freigelegt worden. Die ältesten Bauten dieses Komplexes entstanden wahrscheinlich zur Zeit des Kaisers Augustus und liegen außerhalb der republikanischen Stadtmauern. In zwei Häusern wurden im 4. Jahrhundert Räume angelegt, deren BodenAnmerkungen

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mosaiken teilweise erhalten sind. Im nördlichen Raum zeigt das Mosaik in der Mitte einen Hirten, um den verschiedene Tiere, wie Lämmer, Fische, Delphine, Pfaue und andere Vögel gruppiert sind. Solange der Gute Hirt ganz selbstverständlich als christlich verstanden wurde, lag die Annahme einer christlichen Funktion auf der Hand. Seitdem der Hirt eher allgemein zum Repertoire der spätantiken Ausschmückungen gezählt wird, war eine darauf gründende Interpretation nicht mehr haltbar. Im südlichen Oratorium ist das Fußbodenmosaik rein ornamental und erst recht nicht als christlich haltbar. 218 Krautheimer (1986), S. 33. 219 Ristow, (wie Anm. 199), S. 292. 220 Ann Marie Yasin, Reassessing Salona’s Churches  : Martyrium Evolution in Question, in  : Journal of Early Christian Studies 20  :1, 2012, S. 59 – 112, hier  : S. 111. 221 Mögliche Übersetzung  : Diese heilige Ruhestätte enthält den schneeweißen Leib des Märtyrers Maurus. Diese ursprüngliche Kirche wurde auf seine Bitten hin restauriert. Hierher wurden seine sterblichen Überreste überführt, wo er Bischof war und zum Märtyrer wurde  ; deshalb wurde der Ort zu dessen Ehre verdoppelt. 222 Milan Prelog, The Basilica of Euphrasius in Porec, 1994, S. 8. 223 Francisco Javier Heras Mora, Un nuevo documento arqueológico sobre el origen del Cristianismo emeritense. La domus de la Puerta de la Villa de Mérida, in  : Mérida excavaciones arqueológica 11, 2005 (2015), S. 507 – 533, hier  : S. 524. 224 Hans Georg Thümmel, Versammlungsraum, Kirche, Tempel, in  : Beate Ego, Armin Lange und Peter Pilhofer, Hrsg., Gemeinde ohne Tempel. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kultes im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, 1999, S. 489 – 504, hier  : S. 492. 225 Tertullian, De baptismo 5, 5. 226 Cyprian 69. Brief, 12. 227 Didache 7. Kap. 228 Apg. 9, 17 – 18. 229 James, M. R., Apocrypha anecdota  : a collection of thirteen apocryphal books and fragments, 2, 3. Jahr  ? 230 Apg. 16, 25 – 34. 231 Apuleius, Metamorphosen, 11, 5. 232 Thomasakten 26. Han J.W. Drijvers  : Thomasakten, in  : Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2, Tübingen 2001 , S. 303 – 367. 233 Ebd., S. 157. 234 Ebd., S. 121. 235 Ebd., S. 132. 236 Passio Petri oder sogenannter Pseudo-Linus, entstanden in Rom zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert. 237 Robin M. Jensen, Living Water. Images, Symbols, and Settings of Early Christian Baptism, 2011, insb. S. 129 – 132. 238 Sebastian Ristow, Frühchristliche Baptisterien, 1998, S. 236. 239 Mell (2010), S. 29. 240 Ristow (wie Anm. 238), S. 54.

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Anmerkungen

241 Steve Malone, A Group of Romano-British lead tanks from Lincolnshire and Nottinghamshire, in  : Mark Williams, Hrsg., Rumours of Roman Finds  : Recent Work on Roman Lincolnshire, 2010, S. 141  ; Frances Mawer, The Lost Lead Tank from Icklingham, Suffolk, in  : Britannia, Vol. 25, November 1994, S. 232 – 236. 242 Belinda Crerar, Contextualising Romano-British Lead Tanks  : A Study in Design, Destruction and Deposition, in  : Britannia, Vol. 43, November 2012, S. 135 – 166. 243 https://www.thecollectionmuseum.com/assets/images/content/_medium/walesby_746_ 440.jpg (01.10.21). 244 Jensen (wie Anm. 237), S. 71 – 75. 245 Maurizio Buora, Angelo Maria Cortenovis e i cucchiai degli Eusebii. Un eccezionale ritrovamento del periodo tardoantico nell’agro di Aquileia, in  : Antichità Altoadriatiche LXII, 2006, S. 613 – 636. 246 Erst in späteren Darstellungen der Taufe Jesu, steht Jesus bis zur Hüfte im Wasser. 247 Paul Booth, Esther Cameron und Belinda Crerar, A Roman Lead ›Tank from Wigginton, North Oxfordshire, in  : Oxoniensia. Oxfordshire Architectural and Historical Society LXXVI, 2011, S. 266 – 272. 248 Ebd., S. 271 f. 249 Krautheimer (1986), S. 24. Hier auch die drei folgenden Zitate. 250 Ebd., S. 26. Hier auch das folgende Zitat. 251 Ebd., S. 28. 252 Ebd., S. 36. 253 Ebd., S. 37. 254 Deichmann (1983), S. 68. Hier auch die beiden folgenden Zitate. 255 Ebd., S. 71 256 Ebd., S. 74. Hier auch die beiden folgenden Zitate. 257 Finney (1988), S. 319 – 339. 258 Friedrich Wilhelm Deichmann, Vom Tempel zur Kirche, in  : Mullus. FS für Theodor Klauser, 1964 sowie Deichmann (1983). 259 Uwe Süssenbach, Christuskult und kaiserliche Baupolitik bei Konstantin, 1977. 260 Harold W. Turner, From Temple to Meeting House  : The Phenomenology and Theology of Places of Worship, 1977. 261 Ebd., S. 11 f. 262 Finney (1988), S. 327. 263 Rordorf (1964). 264 Lloyd Michael White, Domus Ecclesiae – Domus Dei  : Adaption and Development in the Setting for Early Christian Assembly, Diss. Yale, 1982  ; später weitergeführt White (1997). 265 Kim Bowes, Early Christian Archaeology  : A State of the Field, in  : Religion Compass 2/4, 2008, S. 575 – 619, hier S. 581. 266 Ebd. 267 Ebd. 268 Ebd., S. 578. 269 Heid (wie Anm. 23), S. 184. Anmerkungen

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270 Heid (wie Anm. 22), S. 14. 271 Brandenburg (wie Anm. 5), S. 422. 272 Im Inventar der kleinen, spätantiken Landgemeinde Ibion in Ägypten werden drei hölzerne Stühle mit Armlehnen und zwei Bänke genannt, die man sich in der Funktion von mobilem Kirchengestühl vorstellen kann. Es werden außerdem zwei Lederpolster aufgeführt, die wohl den Bänken für ein bequemeres Sitzen zugeordnet werden können. Von Bänken für die Gesamtheit, die in geziemender Reihe und Ordnung aufgestellt werden, spricht auch die von Eusebius überlieferte Kirchweihpredigt von Tyros. 273 Entlang den Seitenschiffwänden aufgemauerte Sitzbänke sind bspw. in den beiden Basiliken von Hagios Georgios bei Pegeia (Zypern) sowie in der Bischofskirche in Kourion (Zypern) oder entlang der West-, Süd- und Nordwand in der Bischofskirche von Sandanski (Parthicopolis  ?, Bulgarien) nachgewiesen. Vgl. Sörries (2020), S. 84 – 86. 274 Augustinus, Vom ersten katechetischen Unterricht (De catechizandis rudibus), Kap. 13, 19. 275 Ein Fisch ist per se kein religiöses, kein christliches Motiv, aber er kann es sein. Erinnert sei an die oben erwähnten mosaizierten Fischdarstellungen in der Villa des Eustolios in Kourion und in der ecclesia primitiva in Parenzo sowie an die Fischskulptur im Haus der Eirene in Plovdiv. 276 Eckhard Reichert, Die Canones der Synode von Elvira. Einleitung und Kommentar, 1990. Der Text lautet  : »Ne picturae in ecclesia fiant. Placuit picturas in ecclesia esse non debere, ne quod colitur et adoratur in parietibus depingatur.« Daraus schloss Conrad Rudolph, Communal Identity and the Earliest Christian Legislation on Art  : Canon 36 of the Synod of Elvira, in  : Terryl N. Kinder, Hrsg., Perspectives for an architecture of solitude. Essays on Cistercians, Art and Architecture in Honour of Peter Fergusson, 2004, S. 7  : »Thus, in Canon 36 – the first official Church statement on art – we have an invaluable source that, like a prism, reveals the whole spectrum of the Christian attitude toward art before the Peace of the Church in 313. Aside from the primary issue of communal identity, it tells us that art was used in Christian churches in Spain at this time, an art apparently monumental enough and widespread enough to engender legislation against it.« 277 White (1997), S. 108. 278 Dies trifft in derselben Weise auf die spätantiken Diaspora-Synagogen zu, die eine einheitliche Architektur nicht erkennen lassen. 279 White (1997), S. 135 f. 280 So in Oxyrhynchus die Nordkirchenstraße und die Südkirchenstraße nach einem Papyrus um 295. White (1997), S. 163 f. 281 Andere Lesart  : IN XP GEON FISON TIGRIS EVFR ATA (Palmzweig) / FL(umi­ num) CRI[ST]I ANORVM SVMIT E FONT ES (Blatt) nach http://www.ostia-antica. org/regio3/1/1-4.htm (03.10.21). 282 Gen. 2, 10 – 14. 283 LP I 183, 18 – 19. 284 Franz Alto Bauer und Michael Heinzelmann, The Constantinian Bishop’s church at Os-

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Anmerkungen

tia. Preliminary report on the 1998 season, in  : Journal of Roman Archaeology ( JRA), Vol. 12, 1999, S. 342 – 354. 285 The building lacks many features of a basilica, such as the right nave and an altar, and the statue-niches in room C do not belong in a church. The basins are not suited for baptism, which required total submersion. Baptism was related to the river Jordan, not the rivers of paradise. Room D was a nymphaeum. https://brewminate.com/the-rise-of-christia nity-in-ancient-ostia/ (03.10.21). 286 Vgl. dazu  : Ulrike Engelhaaf-Gaiser, Religionsethik und Raumordnung am Beispiel der Vereinsgebäude in Ostia, in  : Ulrike Egelhaaf-Gaiser und Alfred Schäfer, Hrsg., Religiöse Vereine in der römischen Antike, 2002, S. 123 – 1 72. 287 Theodora Leonore Heres, Alcuni appunti sulla Basilica Cristiana (III, 1, 4) di Ostia Antica, in  : Mededelingen van het Nederlands Instituut te Rome 42, 1980, S. 87 – 99. 288 »Konstantin ward im Traume ermahnt, das himmlische Zeichen Gottes auf den Schildern anbringen zu lassen und so die Schlacht zu beginnen. Er kommt dem Befehle nach, und indem er den Buchstaben Χ waagerecht legte und die oberste Spitze umbog, zeichnete er Chi / Christus auf die Schilde. Mit diesem Zeichen gewappnet greift das Heer zum Schwert.« Laktanz, Von den Todesarten der Verfolger (De mortibus persecutorum), 44. Aus dem Lateinischen übersetzt von Aloys Hartl. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Bd. 36), München 1919. 289 Hans Reinhard Seeliger, Die Verwendung des Christogramms durch Konstantin im Jahre 312, in  : Zeitschrift für Kirchengeschichte 100, 1989, S. 149 – 168. 290 Heres (wie Anm. 287) oder auch Annalisa Gobbi, Nuove osservazioni sulle fasi costruttive della c.d. basilica di Ostia Antica, in  : Rivista di archeologia cristiana 74/2, 1998, S. 455 – 480. 291 In der jüngsten Darstellung einer Genese des vorkonstantinischen Kirchenbaus schlug Silver (2018) vier Phasen vor  : Phase 1, vorzugsweise 1./2. Jahrhundert, sei davon geprägt, »that people in this period generally assembled and gathered in private homes of the well-to-do or Jewish synagogues in general.« (S. 280f )  ; Phase 2 »we call the Cave Phase, which may have started already at the end of the 1st but more clearly during the 2nd century AD, meaning that it was at least partially overlapping with the previous phase.« (S. 281)  ; Phase 3 und 4 sei vom 1. bis 3. Jahrhundert bestimmt von der House Church, wobei in der vierten Phase bereits eine Separierung und Sakralisierung festzustellen sei  : »Typologically, the Domus ecclesiae type of House Church shows already significant progress towards the separation of the profane from the sacred …« (S. 285), womit sich bereits ein gewisses Verständnis für die Heiligkeit der Kirchenarchitektur entwickelt habe. Dieser vierten Phase ordnet Silver die Kirchen in Kapernaum, Dura Europos und Megiddo zu. Eigenständige oder gar neu errichtete schließt Silver aus, weshalb er auch im Befund von Aqaba keine Kirche erkennen will. Insofern folgt Silver einer eher traditionellen Systematik des vorkonstantinischen Kirchenbaus. Neu bei ihm ist lediglich der Verweis auf die Höhlenkirchen, die in unserer eigenen Systematik ebenfalls berücksichtigt werden. 292 Miriam Czock, Gottes Haus  : Untersuchungen zur Kirche als heiligem Raum von der Spätantike bis ins Frühmittelalter, 2012, S. 29. Anmerkungen

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293 Dazu umfangreich Silver (2017), S. 281 – 283. 294 Jens Kröger, Die Kirche auf dem Hügel Qasr bint al-Qadi, in  : Arafa Mustafa u. a., Hrsg., Inkulturation des Christentums im Sasanidenreich, 2007, S. 136 – 157, hier Abb. 5. 295 https://www.archaeological.org/event/weh-ardasir-and-qasr-bint-al-qadi/ (12.10.2021). 296 Vgl. Anm. 276. 297 Finney (1988), S. 337.

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Anmerkungen

Anhang Literatur Adams (2013) – Edward Adams, The Earliest Christian Meeting Places. Almost Exclusively Houses  ?, 2013, 2016 Brenk (2003) – Beat Brenk, Die Christianisierung der spätrömischen Welt. Stadt, Land, Haus, Kirche und Kloster in frühchristlicher Zeit, 2003 Claußen (2002) – Carsten Claußen, Versammlung, Gemeinde, Synagoge. Das hellenistisch-jüdische Umfeld der frühchristlichen Gemeinden, 2002 Deichmann (1983) – Friedrich Wilhelm Deichmann, Einführung in die christliche Archäologie, 1983 Finney (1988) – Paul Corby Finney, Early Christian Architecture  : The Beginnings (A Review Article), in  : Harvard Theological Review, 81.,1988, S. 319 – 339 Kähler (1972/82) – Heinz Kähler, Die frühe Kirche  : Kult und Kulturraum, 1972 und 1982 Krautheimer (1986) – Richard Krautheimer, Early Christian and Byzantine Architecture, 1965, 1986 Langlotz (1972) – Ernst Langlotz, Der architekturgeschichtliche Ursprung der christlichen Basilika  : 162. Sitzung am 25. November 1970 in Düsseldorf (Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften), 1972 Mell (2010) – Ulrich Mell, Christliche Hauskirche und Neues Testament. Die Ikonologie des Baptisteriums von Dura Europos und das Diatesseron Tatians, 2010 Milburn (1988) – Robert Milburn, Early Christian Art and Architecture, 1988 Murphy-O’Connor (1995) – Jerome Murphy-O’Connor, OP, The Cenacle – Topographical Setting for Acts 2  :44 – 45, in  : Richard Bauckham, ed., The Book of Acts in its Palestinian Setting, (= The Book of Acts in its First Century Setting, vol. 4), 1995, S. 303 – 321 Riesner (1995) – Rainer Riesner, Synagogues in Jerusalem, in  : Richard Bauckham, ed., The Book of Acts in Its Palestinian Setting (= The Book of Acts in its First Century Setting, vol. 4), 1995, S. 179 – 211 Riggs (2006) – David L. Riggs, Placing the Christian Basilicas of Pre-Constantinian North Africa in their Proper Architectural Context, presented at the Fourteenth International Conference on Patristic Studies in Oxford 2003, 2006, S. 103 – 108

Literatur

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Rordorf (1964) – Willy Rordorf, Was wissen wir über die christlichen Gottesdiensträume der vorkonstantinischen Zeit  ? in  : Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft, 55., 1964, S. 110 – 128 Saxer (1988) – Victor Saxer, Domus ecclesiae – οικος της εκκλησιας in den frühchristlichen literarischen Texten, in  : RQ 83., 1988, S. 167 – 179 Sessa (2009) – Kristina Sessa, Domus Ecclesiae  : Rethinking a Category of Ante-Pacem Christian Space, in  : Journal of Theological Studies, Volume 60, 2009, Issue1, S. 90 – 108 Schnabel (2002) – Eckhard J. Schnabel, Urchristliche Mission, 2002 Silver (2017) – Kenneth K. A. Silver, He walked on ›the other side‹ of the River Jordan  : the early church in ancient Israel and beyond the River Jordan in the 1st to the 4th century AD’, in  : Aram Periodical, Volume 29, 1&2 (2017), S. 263 – 337. Skarsaune (2002) – Oskar Skarsaune, In the Shadow of the Temple. Jewish Influences on Early Christianity, 2002 Snyder (2003) – Graydon F. Snyder, Ante Pacem. Archaeological Evidence of Church Life Before Constantine, 2003 Sörries (2020) – Reiner Sörries, Der frühchristliche Kirchenraum. Ikonographie – Ausstattung – Liturgie, 2020 White (1997) – Michael L. White, The Social Origins of Christian Architecture, Volume II. Texts and Monuments for the Christian Domus Ecclesiae in its Evironment, 1997

Quellen 1

Der erste quellenmäßig erwähnte Kirchenbau ist das Heiligtum der christlichen Kirche in Edessa. Von ihrer Zerstörung durch eine Flut berichtet die Edessenische Chronik. Verfasst wurde sie von einem anonymen Autor Mitte des 6. Jahrhunderts oder um 600. Nach unserer Zeitrechnung beginnt die Chronik mit dem Jahr 201 n. Chr. und der im Text geschilderten Flut. Der Sachverhalt gilt im Allgemeinen als historisch korrekt. »König Abgar sah von der Höhe des großen sogenannten Perserturms beim Fackelschein das Wasser, und auf seinen Befehl wurden die Tore der acht Schleusen der westlichen Stadtmauer, von welcher her der Fluss fließt, geöffnet  ; aber in demselben Augenblick durchbrachen schon die Fluten die westliche Stadtmauer, zerstörten den großen und prächtigen Palast unseres Herrn Königs, rissen alles, was ihnen im Wege lag, weg, die schönen und herrlichen Bauten, alles, was dem Fluss im Süden und Norden nahe 180

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lag, und zerstörten auch das Heiligtum der christlichen Kirche. Hierdurch kamen mehr als 2000 Menschen um  ; viele aber von ihnen hatte das Wasser bei Nacht plötzlich im Schlaf überrascht, und sie ertranken.« Text nach Ludwig Hallier, Untersuchungen über die Edessenische Chronik. Mit dem syrischen Text und einer Übersetzung, 1892. Hier wird auch erörtert, dass die Gebeine des heiligen Thomas (Mar Tuma) um 232/233 n. Chr. in die Stadt gebracht und in der (wieder hergestellten) Hauptkirche bestattet wurden. 2

Die älteste bekannte Anleitung zur Gestaltung eines Kirchenraums stammt aus der Didaskalia Apostolorum, nach ihrer Herkunft aus Syrien auch Syrische Didaskalia genannt. Ihre Entstehungszeit wird im 3. Jahrhundert angenommen  ; sie beansprucht indes apostolische Autorität. Es handelt sich um eine Kirchenordnung mit Vorschriften über kirchliches Leben und kirchliche Disziplin. Kapitel 12  : »An die Bischöfe, versöhnlich zu sein. Ihr aber, o Bischöfe, seid nicht hart, nicht tyrannisch und jähzornig, seid nicht ärgerlich über das Volk Gottes, das euch übergeben ist, zerstört nicht das Haus des Herrn und zersprengt nicht sein Volk, sondern bringt einen jeden zurück, auf dass ihr Mithelfer Gottes seid, und bringt die Gläubigen zusammen mit viel Sanftmut, Langmut und Geduld, ohne Zorn, in Lehre und Gebet als Diener des ewigen Reiches. Bei euren Zusammenkünften aber in den heiligen Kirchen haltet eure Versammlungen in durchaus musterhafter Weise ab und bestimmt für die Brüder sorgfältig die Plätze mit (aller) Schicklichkeit. Für die Presbyter aber werde der Platz an der Ostseite des Hauses abgesondert, und der Thron des Bischofs stehe (mitten) unter ihnen, und die Presbyter sollen bei ihm sitzen. Wiederum aber auf der anderen [östlichen] Seite des Hauses sollen die männlichen Laien sitzen. So nämlich ziemt es sich, dass die Presbyter mit den Bischöfen an der Ostseite des Hauses sitzen, und darnach die männlichen Laien, und alsdann die Frauen, dass, wenn ihr steht, um zu beten, die Leiter zuerst stehen, darnach die männlichen Laien und alsdann wiederum die Frauen. Nach Osten zu müsst ihr nämlich beten, wie ihr (ja) wisst, dass geschrieben steht  : ›Gebt Gott die Ehre, der im höchsten Himmel einherfährt nach Osten zu‹. Was nun die Diakonen betrifft, so soll der eine von ihnen beständig bei den Opfergaben der Eucharistie stehen, der Quellen

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andere aber soll draußen an der Tür stehen und auf die Eintretenden achten, und darnach, wenn ihr (das Opfer) darbringt, sollen sie zusammen in der Kirche dienen. Und wenn es sich findet, dass jemand auf einem Platze sitzt, der ihm nicht gehört, so soll der Diakon, der darinnen ist, ihn schelten, ihn aufstehen heißen und an dem Orte, der für ihn passend ist, niedersitzen lassen. Denn mit einer Herde hat unser Herr die Gemeinde verglichen  ; wie wir nämlich die unvernünftigen Tiere, wir meinen die Rinder, Schafe und Ziegen, sippenweise lagern und stehen, weiden und wiederkäuen sehen, und keins von ihnen sich von seinem Geschlechtsgenossen trennt, und (wie wir) andererseits auch bei jedem einzelnen Tiere des Feldes (sehen), dass es mit seinesgleichen durch die Berge schweift, also sollen auch in der Kirche die Jünglinge für sich sitzen, wenn Platz vorhanden ist, und wenn nicht, aufrecht stehen  ; und die in vorgerückteren Jahren sind, sollen für sich sitzen. Die Kinder aber sollen an der einen Seite stehen, oder ihre Väter und Mütter sollen sie zu sich herannehmen, und sie sollen (dabei) aufrecht stehen  ; und wiederum sollen auch die Jungfrauen für sich sitzen, und wenn kein Platz ist, aufrecht stehen hinter den Frauen. Die verheirateten (Frauen) aber, die noch jung sind und Kinder haben, sollen für sich stehen, die Greisinnen und Witwen jedoch sollen abgesondert sitzen. Und der Diakon soll darauf sehn, dass jeder von ihnen, wenn er hereinkommt, an seinen Platz geht, dass nicht etwa einer von ihnen sich setze, wo nicht sein Platz ist  ; und weiterhin soll der Diakon darauf sehen, das niemand summe oder schlafe, lache oder nicke. Denn so geziemt es sich, in der Kirche in wohlanständiger Haltung und in Nüchternheit wachen Sinnes zu sein, und ein offenes Ohr zu haben für das Wort des Herrn. Wenn aber jemand aus einer andern Gemeinde kommt, ein Bruder oder eine Schwester, so soll der Diakon fragen und in Erfahrung bringen, ob sie verheiratet oder vielleicht gar eine gläubige Witwe ist, und ob sie der Kirche, oder vielleicht einer der Häresien angehört, und dann führe er sie und stelle sie an den ihr gebührenden Platz. Wenn aber ein Presbyter aus einer andern Gemeinde kommt, so nehmt ihr Presbyter ihn in Gemeinschaft auf euren Platz  ; und wenn es ein Bischof ist, soll er bei dem Bischof sitzen, und er soll ihn der Ehre seines Platzes für würdig halten, wie sich selbst. Und sage du zu ihm, o Bischof, er möge an dein Volk eine Ansprache richten, denn die Ermunterung und Ermahnung der Fremden ist sehr förderlich, zumal da geschrieben steht  : ›Es gibt keinen Propheten, der willkommen wäre in seinem Vaterlande‹. Und wenn ihr das Opfer darbringt, so soll er reden  ; wenn er aber weise ist und 182

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dir die Ehre gibt und nicht darbringen will, so soll er wenigstens über dem Becher reden. Wenn aber, während ihr sitzet, ein anderer kommt, sei es ein Mann oder eine Frau, denen Ehre in der Welt gebührt, entweder aus dem Orte selbst oder aus einer andern Gemeinde, dann nimm du, o Bischof, wenn du das Wort des Herrn verkündigst, oder zuhörst, oder vorliest, keine Rücksicht auf die Person und verlass (nicht) den Dienst deines Wortes und bestimme ihnen den Platz, sondern bleibe ruhig wie du bist und unterbrich nicht dein Wort  ; die Brüder aber mögen sie empfangen. Und wenn kein Platz da ist, so wird derjenige von den Brüdern, der voll Liebe ist und seine Brüder gern bat und gewohnt ist, Ehre zu erweisen, sich erheben und ihnen Platz machen, selbst aber aufrecht stehen bleiben. (Wenn aber,) während die Jünglinge oder die Jungfrauen sitzen bleiben, ein Greis oder eine Greisin sich erhebt und ihren Platz hingibt, so schau du, o Diakon, nach denen dich um, die sitzen bleiben, und sieh, wer unter ihnen jünger ist als seine Genossen, oder welche ein junges Mädchen ist, und lass sie aufstehen und den hinsetzen, der aufgestanden ist und seinen Platz hingegeben hat  ; und wen du hast aufstehen lassen, den führe weg und stelle ihn hinter seine Genossen, damit auch die andern erzogen werden und lernen, dass sie Platz zu machen haben denen, die angesehener sind, als sie. Wenn aber ein armer Mann oder eine arme Frau kommt, entweder von deinen Gemeindemitgliedern oder aus einer anderen Gemeinde, und besonders, wenn sie in hohen Jahren stehen, und es ist kein Platz da für solche, so schaffe ihnen Platz von ganzem Herzen, o Bischof, selbst wenn du auf dem Boden sitzen müsstest, dass du nicht seist wie einer, der die Person ansieht, sondern dass bei Gott dein Dienst wohlgefällig sei.« Text nach der Übersetzung von Hans Achelis und Johannes Paul Gotthilf Flemming, Die syrische Didaskalia. Übersetzt und erklärt (= Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts Band 2). 1904 3

Eine weitere Anleitung zur Gestaltung eines Kirchenraums enthalten die Apostolischen Konstitutionen, die ebenfalls im Sinne einer Kirchenordnung Gottesdienst, Lehre und Verhalten in der frühen Kirche regeln. Sie galten als Werk der Zwölf Apostel, deren Instruktionen von Clemens von Rom gesammelt und überliefert wurden. In der bekannten Fassung werden sie allerdings auf 375/380 datiert, bewahren jedoch offenkundig vorkonstanQuellen

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tinische Verhältnisse und zeigen Verwandtschaft mit der Didaskalia Apos­ tolorum (2). 2. Buch, Kap. 57  : »Du aber, o Bischof, sollst sein heilig, tadellos, nicht streitsüchtig, nicht zornig, nicht unfreundlich, sondern erbauend, bekehrend, belehrend, standhaft, sanftmütig, mild, langmütig, ermahnend und tröstend wie ein Mann Gottes. Wenn du aber die Gläubigen in der Kirche Gottes um dich versammeln willst, so sei wie der Steuermann eines großen Schiffes  ; sorge, dass die Versammlungen in aller Ordnung geschehen, indem du den Diakonen gleich Matrosen befiehlst, dass sie den Brüdern gleich Einsteigenden mit aller Sorgfalt und mit Anstand den Platz anweisen. Was vorerst das Haus der Versammlung betrifft, so sei es länglich und schaue gegen Morgen, und auf beiden Seiten habe es gegen Osten Pastophorien, so dass es einem Schiff gleicht. In der Mitte soll der Thron des Bischofs stehen – zu seinen beiden Seiten sitze die Priesterschaft  ; die Diakonen sollen stehen, leicht gekleidet, denn sie gleichen den Matrosen und den Ruderknechten. Sie haben dafür zu sorgen, dass das Volk in den übrigen Räumen sich ruhig und mit Anstand versammle und Platz nehme  ; die Frauen sollen getrennt sitzen und Stillschweigen beobachten. Der Lektor lese nun von einem erhöhten Orte in der Mitte der Kirche die Schriften des Moses und Josua, die Bücher der Richter und Könige, die Bücher Paralipomenon und was über die Rückkehr des Volkes in der Schrift enthalten ist, dazu die Bücher Hiobs und Salomons, auch die sechzehn Propheten. Darauf folge der Psalmengesang, und nun sollen die Apostelgeschichte und die Briefe unseres Mitarbeiters Paulus gelesen werden, welche er unter Eingebung des hl. Geistes an die Kirche gerichtet hat. Ein Diakon oder Priester lese dann die Evangelien, welche ich, Matthäus, und Johannes euch übergeben, und welche die Gehilfen des Paulus, Lukas und Markus, euch überliefert haben. Bei Lesung des Evangeliums sollen alle Priester und Diakonen und das ganze Volk in tiefem Stillschweigen selbiges stehend anhören, denn es steht geschrieben  : ›Höre, Israel, die Gebote, die ich dich lehre‹, und wiederum  : ›Du bleib hier bei mir, so will ich dir alle meine Gebote sagen, die du lehren sollst‹. Dann halte jeder Priester einzeln eine Ermahnung an das Volk, und endlich folgt die Anrede des Bischofs, welcher der Kapitän des Schiffes ist. Die Ostiarier sollen am Eingang der Männer stehen und sie beaufsichtigen, und die Diakonissinnen bei den Frauen. Wenn Jemand nicht an seinem Platze sitzend angetroffen wird, so soll er vom Diakon, der die Dienste eines Untersteuermannes versieht, getadelt und an seinen bestimmten Platz gewiesen 184

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werden, denn nicht nur einem Schiffe, sondern auch einer Herde soll die Kirche gleichen. Denn gleichwie die Hirten jegliches der Tiere, ich meine Ziegen und Schafe, nach Geschlecht und Alter stellen und jedes derselben das gleiche zum gleichen läuft  : so auch in der Kirche. Die Jüngeren sollen eigens sitzen, wenn Platz vorhanden ist  ; wenn aber nicht, so sollen sie aufrecht stehen  ; die Älteren aber sollen nach der Ordnung sitzen  ; die Kinder, welche stehen, sollen ihre Väter und Mütter zu sich nehmen  ; die jüngeren Frauen sollen wiederum eigens stehen, wenn Platz ist, wenn aber nicht, so sollen sie hinter den Frauen stehen  ; den verheirateten Frauen, welche Kinder haben, soll ein eigener Platz angewiesen sein  ; die Jungfrauen, Witwen und Matronen sollen ganz vorne stehen oder sitzen. Der Diakon soll dafür sorgen, dass jede Person beim Eintritt schnell ihren Platz einnehme und nicht am Eingang niedersitze. Dergleichen soll der Diakon Aufsicht halten über das Volk, damit Niemand schwätze, schlafe oder lache oder unruhige Bewegungen mache. Denn in der Kirche muss man mit Anstand, Nüchternheit und Achtsamkeit verweilen und nur auf das Wort des Herrn hören. Darauf sollen Alle sich erheben und gegen Sonnenaufgang schauen und, nachdem die Katechumenen und Büßenden die Versammlung verlassen haben, ein Gebet zu Gott verrichten, der da herrschet über die Himmel der Himmel, gegen Aufgang, und hierbei sich erinnern der anfänglichen Weide des gegen Morgen gelegenen Paradieses, aus welchem der Mensch, weil er Gottes Gebot verachtet und dem Rate der Schlange geglaubt, verstoßen worden ist. Nach dem Gebete haben die einen der Diakonen am Altar mit Ehrfurcht zu dienen, die Andern die Aufsicht beim Volke zu halten. Der assistierende Diakon ermahne das Volk zur Ablegung aller Feindschaft und allen Hasses, und hierauf geben sich die Männer unter einander und die Frauen unter einander den Friedenskuss. Tue dies Niemand mit Verstellung und Heuchelei, ähnlich dem Judas, welcher durch einen Kuss seinen Herrn verraten hat  ! Dann betet der Diakon für die gesamte Kirche, für die ganze Welt, für zeitlichen Wohlstand, für die Priester und Vorgesetzten, das kirchliche Oberhaupt, den König und den Frieden für Alle  ; der Oberpriester segnet darauf das Volk und betet für dasselbe, wie auch Moses den Priestern befohlen hat, das Volk mit folgenden Worten zu segnen  : ›Der Herr segne dich und behüte dich  ; der Herr zeige dir sein Angesicht und sei dir gnädig  ; der Herr wende zu dir sein Angesicht und gebe dir Frieden  !‹. Es soll also auch der Bischof bitten und sprechen  : ›Hilf, Herr, deinem Volke, und segne dein Erbe, das du dir erworben und besitzest durch das kostbare Blut deines Quellen

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Gesalbten‹ und das du genannt hast ›königliches Priestertum und heiliges Volk‹. Hierauf vollziehe man die hl. Opferhandlung, indem alles Volk steht und still betet. Nach vollendetem Opfer genieße jeglicher Stand für sich den Leib und das kostbare Blut des Herrn, und zwar in Ordnung mit Furcht und Frömmigkeit, da man ja dem Leib des Königs naht. Die Frauen sollen, wie es für das weibliche Geschlecht sich geziemt, verschleierten Hauptes hinzutreten. Die Türen sollen bewacht werden, damit kein Ungläubiger und kein Ungetaufter eintrete.« Text nach der Übersetzung von Ferdinand Boxler, Bibliothek der Kirchenväter, 1874. 4

Die Verhältnisse vor der Mitte des 3. Jahrhunderts schildert Eusebius († um 340) in seinen Ausführungen zum Edikt des Kaisers Gallienus nach der valerianischen Verfolgung 260 n. Chr. Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica), Siebtes Buch, 13  : »Nicht lange nachher geriet Valerianus in die Knechtschaft der Barbaren, und sein Sohn wurde Alleinherrscher. Seine Regierung war besonnener. Er stellte sofort durch Edikte die Verfolgung gegen uns ein und verordnete in einem Reskripte, dass die Vorsteher des Wortes ihren gewohnten Verpflichtungen frei nachgehen könnten. Dasselbe lautet also  : ›Der Kaiser Cäsar Publius Licinius Gallienus, der Fromme, Glückliche, Erlauchte an Dionysius, Pinnas, Demetrius und die übrigen Bischöfe. Ich habe Befehl gegeben, dass die Wohltat meines Gnadenerlasses über die ganze Welt sich erstrecken solle. Demzufolge sind die geweihten Stätten wieder zurückzugeben, und möget auch ihr euch der Verordnung meines Reskriptes erfreuen, so dass euch niemand weiter belästige. Das, was euch darnach zu tun frei gestattet ist, war von mir schon vor geraumer Zeit in Huld verfügt. Darum wird auch Aurelius Quirinius, der Groß Schatzmeister, über die von mir erlassene Verordnung sorgsam wachen.‹ Dieser Erlass sei, der besseren Verständlichkeit wegen aus der römischen Sprache übersetzt, hier eingeschaltet. Noch eine andere Verordnung desselben Kaisers ist überliefert. Er hatte sie an die übrigen Bischöfe gerichtet und darin gestattet, die sog. Zömeterien wieder in Besitz zu nehmen.« Text nach der Übersetzung von Philipp Häuser, Bibliothek der Kirchenväter, 1932.

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Über die Zeit der Verfolgung unter Kaiser Diokletian berichtet Eusebius († um 340) von der Zerstörung der Kirchen. Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica), Achtes Buch, 2  : »Es war das neunzehnte Jahr der Regierung des Diokletian (303), der Monat Dystros, bei den Römern Martius genannt, als beim Herannahen des Festes des erlösenden Leidens allenthalben ein kaiserlicher Erlass angeschlagen wurde, welcher befahl, die Kirchen bis auf den Grund niederzureißen und die Schriften zu verbrennen, und verfügte, dass Inhaber von Ehrenstellen die bürgerlichen Rechte und Bedienstete, sofern sie im Bekenntnis des Christentums verharrten, die Freiheit verlieren sollten. So lautete das erste Dekret gegen uns. Bald darauf erschien ein zweiter Erlass, wonach alle Vorsteher allerorts zuerst in Fesseln gelegt und dann auf jede Weise zum Opfern gezwungen werden sollten.« Text nach der Übersetzung von Philipp Häuser, Bibliothek der Kirchenväter, 1932. 6

Über den Abriss der Kirche in Nikomedia im Zuge der Verfolgungen unter Kaiser Diokletian am 23. Februar 303 berichtet Laktanz († nach 317). Von den Todesarten der Verfolger (De mortibus persecutorum), 12  : »Zur Ausführung der Angelegenheit suchte man nach einem passenden und glückverheißenden Tag und wählte gerade das Fest des Grenzgottes, das auf den 23. Februar fällt, damit so dieser Religion gleichsam die Grenze gesetzt würde. Jener Tag war des Todes Beginn und war des Verderbens Erster Beginn, das über die beiden Kaiser und über den Erdkreis kam. Als dieser Tag angebrochen war, die beiden Greise bekleideten eben – Diokle­ tian das achte und Maximian das siebente – Konsulat, da kam noch in der Dämmerung des Morgens der Befehlshaber mit Obersten und Hauptleuten und Schatzmeistern zur Kirche. Die Türen wurden aufgerissen und nach dem Bildnisse Gottes gesucht. Die aufgefundenen Schriften wurden verbrannt  ; es wird allgemeine Plünderung gestattet, alles raubt, läuft und stürzt durcheinander. Die beiden Kaiser standen auf der Warte – die hochgelegene Kirche war nämlich vom Palaste aus zu sehen – und stritten lange miteinander, ob man nicht lieber Feuer anlegen sollte. Doch drang die Ansicht Diokletians durch, der befürchtete, es möchte ein großer Brand entstehen und ein Teil der Stadt in Flammen aufgehen  ; denn viele und große Quellen

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Gebäude umgaben ringsum den Platz. Es rückten also die Prätorianer in Reih und Glied mit Beilen und Brechwerkzeugen an, und von allen Seiten anstürmend machten sie das hochragende Heiligtum in wenigen Stunden dem Erdboden gleich.« Text nach der Übersetzung von Aloys Hartl, Bibliothek der Kirchenväter, 1919. 7

Von der Zerstörung der Kirchen in Amasia (Pontus) durch Licinius berichtet Eusebius von Cäsarea († um 340) in seiner Lebensbeschreibung Kaiser Konstantins. Vier Bücher über das Leben des Kaisers Konstantin und des Kaisers Konstantin Rede an die Versammlung der Heiligen (Vita Constantini et Oratio ad coetum sanctorum), Buch II, 1/2  : »...was zum Beispiel bei Amasia in Pontus verübt wurde, das überstieg auch das äußerste Maß der Grausamkeit. Dort wurden die einen Kirchen vollständig niedergerissen, jetzt zum zweiten Mal, nachdem sie früher schon die ersten Drangsale durchgemacht hatten…«. Text nach der Übersetzung von P. Johannes Maria Pfättisch und Andreas Bigelmair, Bibliothek der Kirchenväter, 1913. 8

Den Abriss von Kirchen unter Konstantius Chlorus bestätigt Laktanz. Von den Todesarten der Verfolger (De mortibus persecutorum), 12  : »Konstantius, der den Schein des Abweichens von den Vorschriften der Höheren vermeiden wollte, gestattete zwar das Niederreißen der Versammlungsstätten, d. h. der Wände, die man wieder herstellen konnte, aber den wahren Tempel Gottes, der in den Menschen besteht, ließ er unversehrt.« Text nach der Übersetzung von Aloys Hartl, Bibliothek der Kirchenväter, 1919. 9

Die blühenden Zeiten vor der diokletianischen Verfolgung schildert Eusebius von Cäsarea († um 340) in seiner Kirchengeschichte, als die Kirche bis in höchste Kreise wohlwollende Anerkennung genoss und große Kirchen für die volkreichen Gemeinden errichtet wurden.

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Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica), Achtes Buch, 1  : »Es übersteigt unsere Kräfte, in würdiger Weise zu schildern die Größe und Art der Ehre und Freiheit, die das durch Christus der Welt verkündete Wort der Frömmigkeit gegen den Gott des Alls vor der Verfolgung unserer Tage bei allen Menschen, Griechen wie Barbaren, genossen hat. Beweise hierfür dürften sein die Gunstbezeigungen der Herrscher gegenüber den Unsrigen. Sie betrauten sie sogar mit der Leitung von Provinzen und entbanden sie dabei gemäß dem großen Wohlwollen, das sie gegen die Lehre hegten, von der ihre Gewissen beängstigenden Opferpflicht. Was soll man von den Leuten in den kaiserlichen Palästen und den obersten Beamten sagen  ? Diese ließen es zu, dass die Hofleute, Frauen, Kinder und Sklaven offen in Wort und Tat den Glauben bekannten, und gestatteten ihnen geradezu, sich ihrer Glaubensfreiheit zu rühmen. Sie bevorzugten sie in besonderer Weise gegenüber den Mitbediensteten. Dieser Art war der bekannte Dorotheus*, der unter allen die freundlichste Gesinnung und das größte Vertrauen ihnen entgegenbrachte und darum bei ihnen in höheren Ehren stand als Würdenträger und Statthalter. Und an seiner Seite der berühmte Gorgonius* und alle die Männer, die gleich ihnen des Wortes Gottes wegen derselben Ehrung gewürdigt wurden. Dazu konnte man sehen, welch liebevoller Aufnahme sich die Leiter der einzelnen Kirchen bei allen Zivil- und Militärbeamten erfreuten. Wer gar vermöchte zu schildern jene tausendköpfigen Versammlungen und die Mengen derer, die Stadt für Stadt zusammentraten, und die herrlichen Zusammenkünfte in den Bethäusern  ? Da infolge hiervon die alten Gebäude nicht mehr genügten, erbaute man in allen Städten ganz neue und geräumige Kirchen. Dieses allmähliche Vorwärtskommen und dieses tägliche Zunehmen an Stärke und Größe konnte kein Neid verhindern und kein böser Dämon beschwören oder durch menschliche Hinterlist aufhalten, solange die göttliche und himmlische Hand ihr Volk als dessen würdig schützte und schirmte.« *) Dorotheus war Oberkämmerer (magister palatii, cubiculi regis praepositus) des Kaisers Diokletian, und Gorgonius war Unterkämmerer (cubicularius). Beide gelten in der katholischen und in den orthodoxen Kirchen als Heilige und Märtyrer. Text nach der Übersetzung von Philipp Häuser, Bibliothek der Kirchenväter, 1932.

Quellen

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In der Friedenszeit nach Konstantin wurden nach Eusebius von Cäsarea († um 340) die während der Verfolgung beschädigten oder zerstörten Kirchen schöner und größer wieder hergerichtet. Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica), Zehntes Buch, 2  : »Sahen wir doch, wie jeglicher Ort, der noch vor kurzem von gottlosen Tyrannen zerstört darniederlag, wie aus langem und tödlichem Falle sich neu erhob und wie die Kirchen wieder von Grund aus zu unermesslicher Höhe erstanden und viel herrlicher wurden, als die zerstörten gewesen. Text nach der Übersetzung von Philipp Häuser, Bibliothek der Kirchenväter, 1932. 11

Nach Eusebius von Cäsarea († um 340) nahm Kaiser Konstantin darauf unmittelbaren Einfluss. Vier Bücher über das Leben des Kaisers Konstantin und des Kaisers Konstantin Rede an die Versammlung der Heiligen (Vita Constantini et Oratio ad coetum sanctorum), Buch I, 42  : »Und gar den Kirchen Gottes gewährte er reiche Unterstützung aus seinen Mitteln, indem er teils die Bethäuser vergrößerte oder höher bauen ließ, teils die ehrwürdigen Heiligtümer der Kirche mit sehr vielen Weihegeschenken schmückte.« Text nach der Übersetzung von von P. Johannes Maria Pfättisch und Andreas Bigelmair, Bibliothek der Kirchenväter, 1913. 12

Kaiser Konstantin förderte den Kirchenbau und achtete auf die Sorgfalt bei der Wiederherstellung, berichtet Eusebius von Cäsarea († um 340), indem er aus einem Schreiben Konstantins an Eusebius und die übrigen Bischöfe über die Erbauung von Kirchen zitiert. Vier Bücher über das Leben des Kaisers Konstantin und des Kaisers Konstantin Rede an die Versammlung der Heiligen (Vita Constantini et Oratio ad coetum sanctorum), Buch II, 46  : »Bei allen Kirchen also, denen du entweder selbst vorstehst oder deren Vorsteher, soweit sie sich an anderen Orten befinden, du kennst, seien es Bischöfe, Priester oder Diakonen, sollst du mahnen, dass man auf ihren Bau alle Sorgfalt verwende und die

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bestehenden entweder wieder herstelle oder größer mache oder aber, wo die Not es heischt, ganz neue baue.« Text nach der Übersetzung von von P. Johannes Maria Pfättisch und Andreas Bigelmair, Bibliothek der Kirchenväter, 1913. 13

Nach Veröffentlichung des Erlasses von Mailand 313 gab auch Licinius noch mündliche Anweisungen, dass den Christen die gottesdienstlichen Stätten in früherem Zustande zurückgegeben werden, überliefert Laktanz. Von den Todesarten der Verfolger (De mortibus persecutorum), 48  : »Nach Veröffentlichung dieses Erlasses gab Licinius auch noch mündliche Anweisungen, dass den Christen die gottesdienstlichen Stätten in früherem Zustande zurückgegeben würden. So sind vom Umsturz der Kirche bis zur Wiederherstellung zehn Jahre und ungefähr vier Monate verflossen.« Text nach der Übersetzung von Aloys Hartl, Bibliothek der Kirchenväter, 1919. 14

Eusebius von Cäsarea († um 340) berichtet über die Gesetzeslage, welche die der Kirchen einschließt. Vier Bücher über das Leben des Kaisers Konstantin und des Kaisers Konstantin Rede an die Versammlung der Heiligen (Vita Constantini et Oratio ad coetum sanctorum), zweites Buch, 45  : »Darauf wurden sodann zwei Gesetze zur selben Zeit erlassen, von denen das eine den abscheulichen Götzendienst verbot, der ehedem in Stadt und Land geübt wurde  ; keiner sollte es mehr wagen, Götterbilder aufzustellen oder sich mit Weissagung und andern derartigen unnützen Dingen zu befassen oder überhaupt noch zu opfern. Das andere Gesetz hingegen gebot, die Bethäuser höher zu bauen und die Kirchen Gottes breiter und länger zu machen, wie wenn der Wahn der Vielgötterei schon aus dem Wege geschafft wäre und sich fast alle Menschen künftig Gott anschließen wollten…«. Text nach der Übersetzung von P. Johannes Maria Pfättisch und Andreas Bigelmair, Bibliothek der Kirchenväter, 1913.

Quellen

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Eine von Eusebius von Cäsarea († um 340) überlieferte Predigt anlässlich der Einweihung der Kirche von Tyros, einem gewissen Paulinus gewidmet, schildert ausführlich den Kirchenbau. Eusebius gliederte die Rede als zehntes Kapitel seiner Kirchengeschichte an. Die Angaben zur Datierung schwanken zwischen 313/14 und 317, doch ist anzunehmen, dass hier keine revolutionäre Neuerung erfolgte, sondern die vormalige, durchaus ähnliche Kirche lediglich noch schöner und kostbarer gestaltet wurde. Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica), Zehntes Buch, 4  : »Der ganze Platz, den er sonach für den Bau absteckte, war viel größer (als bei der ersten Kirche). Nach außen befestigte er ihn in seinem ganzen Umfange mit einer ringsum laufenden Mauer, die der ganzen Anlage als sichere Wehr dienen sollte. Ein großer und zur Höhe sich dehnender Torbau, den er den Strahlen der aufgehenden Sonne zu sich öffnen ließ, sollte schon denen, die noch fern und außerhalb der heiligen Umfriedung stehen, in reichem Maße ein Bild dessen bieten, was das Auge im Innern schauen darf. Er wollte damit gleichsam die Blicke derer, die dem Glauben noch ferne stehen, auf die ersten Eingänge lenken. Niemand sollte vorübergehen, ohne zuvor beim Gedanken an die einstige Verödung und das erstaunliche Wunderwerk von heute in tiefster Seele ergriffen zu werden. In solcher Ergriffenheit, hoffte er, würde vielleicht mancher sich angezogen fühlen und so seine Schritte auf den bloßen Anblick hin nach dem Eingange lenken. Wer nun durch die Tore eingegangen, durfte nicht gleich mit unreinen und ungewaschenen Füßen das Innere des Heiligtums betreten. Er beließ vielmehr zwischen dem Tempel und den ersten Eingängen einen reichlich bemessenen Raum und schmückte diesen rings um mit vier schräg abgedeckten Hallengängen die allerseits auf Säulen ruhen, den Platz im Geviert umgebend. Den Raum zwischen Säule und Säule schloss er bis zu mäßiger Höhe mit hölzernem Gitterwerk. Die mittlere Fläche der Anlage aber beließ er als offenen Platz, wo man den Himmel sehen kann, helle Luft ihr gewährend und sie freigebend für die Strahlen des Lichtes. Hier stellte er Symbole heiliger Reinigungen auf, indem er dem Tempel gegenüber Brunnen errichten ließ, die in reichlich strömender Flut denen, die nach dem Inneren der heiligen Umfriedung vorschreiten, Reinigung bieten. Dieser Ort, an dem die Eintretenden zuerst verweilen, dient dem Ganzen zugleich zu Schmuck und Zier und denen, die der ersten Einführung (in den Glauben) bedürfen, zu schicklichem Aufenthalt. 192

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Den Anblick, den diese Teile gewähren, noch überbietend, brachte er an dem zuinnerst gelegenen und breiteren Hallengange, weit sich öffnend, die Zugänge zum Tempel an, indem er unter den Strahlen der Sonne noch einmal drei Pforten nebeneinander errichtete, von denen die mittlere die beiden seitlichen an Höhe und Breite weit übertreffen sollte. Er schmückte sie auch, um sie auszuzeichnen, mit Bronzeplatten, die mit Eisen befestigt wurden, und buntem Zierrat in erhabener Arbeit und gab ihr, der Königin, die beiden anderen gleichsam als Trabanten zur Seite. Und im gleichen Sinne ordnete er auch, entsprechend der bei den Torbauten festgelegten Zahl, die Hallengänge zu beiden Seiten des Tempelhauptraumes an und ließ in der Höhe darüber, damit weiteres und reichlicheres Licht eindringe, verschiedene Öffnungen in das Gebäude brechen, mit feiner Holzarbeit zierlich sie füllend. Das königliche Haus aber stattete er mit noch reicherem und vornehmerem Material aus, in verschwenderischer Freigebigkeit der Kosten nicht achtend. Ich halte es indessen für überflüssig, die Länge und Breite des Gebäudes hier zu beschreiben und zu schildern die strahlende Schönheit, die der Worte spottende Größe, den blendenden Anblick der Arbeiten, die zum Himmel strebende Höhe und, darüber lagernd, die kostbaren Zedern des Libanon, deren auch die göttliche Schrift zu erwähnen nicht vergaß, indem sie sagt  : ›Freuen werden sich die Bäume des Herrn und die Zedern des Libanon, die er gepflanzt.‹ Was soll ich jetzt einlässlich reden von der vollendeten Weisheit und Kunst, mit der das Ganze angeordnet, und von der überwältigenden Schönheit der einzelnen Teile, da das Zeugnis des Auges eine Belehrung durch das Ohr erübrigt  ? Nachdem er so den Tempel vollendet, stattete er ihn zur Ehrung der Vorsteher mit hocherhabenen Thronen und überdies, in geziemender Reihe und Ordnung, mit Bänken für die Gesamtheit aus und stellte zu allem hin in der Mitte als Allerheiligstes den Altar auf. Auch diesen Teil schloss er, damit die Menge ihn nicht betrete, durch hölzernes Gitterwerk ab, in erlesenster Feinarbeit ausgeführt, ein wunderbarer Anblick für alle, die es sehen. Auch dem Fußboden entzog er sein Augenmerk nicht. Und so lieh er ihm durch allerlei Zierrat in Marmor leuchtenden Schmuck. Sodann wandte er sich jetzt dem Äußeren des Tempels zu. Er ließ zu beiden Seiten in kunstvoller Weise Chöre und Räume von beträchtlichem Ausmaße anbringen, die an den Seiten dem Hauptbau zu einem Ganzen angegliedert und mit den zum Mittelbau führenden Eingängen verbunden sind und Quellen

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von unserem friedliebenden Salomon, dem Erbauer des Gotteshauses, für jene errichtet wurden die noch der Reinigung und Besprengung mit Wasser und dem Heiligen Geiste bedürfen. So ist die oben erwähnte Weissagung nicht mehr leeres Wort, sie ist zur Tat geworden. Denn es ward und ist jetzt wahrhaftig die letzte Herrlichkeit dieses Hauses größer als die erste. Text nach der Übersetzung von Philipp Häuser, Bibliothek der Kirchenväter, 1932. 16

Auf der Synode im spanischen Elvira wird festgelegt, dass es in der Kirche keine Bildnisse geben soll. Die Synaode fand zwischen 295 und 314, am ehesten zwischen 300 und 302 statt. Synode von Elvira, Can. 36  : »Es sollen keine Gemälde in der Kirche sein. Es wird vereinbart, dass es keine Gemälde in der Kirche geben sollte, damit nicht das, was verehrt und angebetet wird, an Wänden dargestellt wird.« Übersetzung des lateinischen Textes  : »Ne picturae in ecclesia fiant. Placuit picturas in ecclesia esse non debere, ne quod colitur et adoratur in paretibus depingatur.«

Die älteste Kirche der Welt Die Frage nach der ältesten Kirche der Welt kann gestellt, aber nicht beantwortet werden, und eigentlich ist sie auch irrelevant. Denn wie in der Arbeit versucht wurde darzustellen, sind die Anfänge christlicher Versammlungsstätten und Kirchen als Prozess zu verstehen. Dabei bleibt es letztlich erstens eine Definitionsfrage, was man als älteste Kirche verstehen will, und sie ist zweitens von der zufälligen Überlieferung archäologischer und literarischer Zeugnisse abhängig. So verzichten die einschlägigen Handbücher und Lexika auf entsprechende Hinweise. Lediglich in der Catholic Encyclopedia findet man diesen Eintrag  : »Certainly no spot in Christendom can be more venerable than the place of the Last Supper, which became the first Christian church.« Tritt dieses Buch aber mit dem Titel Die älteste Kirche der Welt an, so sollen die Leser*innen nicht völlig enttäuscht werden, wenn sich der Verfasser einer absoluten Klärung entzieht. Man kann natürlich auch googlen, 194

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am besten in mehreren Sprachen, weil auch dort die Konkretionen unterschiedlich ausfallen. Hier sei zumindest eine Liste potenzieller Kandidaten erstellt, aber sie steht bewusst nicht im Text, sondern hier im Anhang. Zugrunde liegen legendarische Überlieferungen, Textquellen und archäologische Zeugnisse. Bei aller Zurückhaltung aber lässt sich eine Tendenz erkennen, dass alle hier genannten Kirchen im Osten liegen, im östlichen Mittelmeerraum, im Nahen und Mittleren Osten. Befunde aus dem Westen wie der Andachtsraum in Herculaneum (Abb. 1), die Vorläufer der Titelkirchen in Rom (Abb. 18) oder das Kirchlein in Silchester (Abb. 21) sind hingegen durch den Forschungsverlauf längst getilgt worden, weshalb sie hier nicht weiter aufgeführt werden. Antiochia

In der örtlichen Überlieferung und in der touristischen Vermarktung wird der Höhlenkirche des Heiligen Petrus in Antiochia das Prädikat der ältesten Kirche zugeschrieben. Diese müsste dann vor dem Tod Petri zu datieren sein, der etwa 65/67 gestorben ist. Rihab

Die Ausgräber einer natürlichen, aber umgestalteten Höhle unter der St. Georg-Kirche in Rihab, Jordanien, haben diesen Ort zur ältesten Chapel / Church in the World erklärt und in die Jahre 33 – 70 datiert (Abb. 11). Kirche des Thaddäus

Nach Überzeugung der armenischen Christen ist von Judas Thaddäus im Jahre 66 eine Kirche, das spätere Thaddäus Kloster, 20 km südlich von Maku (Iran), begründet worden  ; sie gilt ihnen als die älteste der Welt. Die heutige Kirche wurde nach einem Erdbeben 1319 neu erbaut. Kiş (Gis)

Nach der im 10. Jahrhundert von Movses Dasxuranci (auch Movses Ka­ ghankatvatsi) verfassten Geschichte des kaukasischen Albanien handelt es sich in Kiş um eine Kirche, die von einem Jünger des Herrn, namens Elisay (Elisäus), der vom heiligen Jakob dem Herrenbruder geweiht wurde, errichtet wurde. Nach einer weiteren Version seines Lebens war Elisay einer der fünf Schüler des Thaddäus (von Edessa). Sein Sterbedatum wird mit 74 oder 79 n. Chr. angegeben. Somit würde es sich um eine Die älteste Kirche der Welt

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Kirchengründung des ersten Jahrhunderts handeln. Von diesem Bau ist nichts erhalten. Der heutige Bau stammt vermutlich aus dem 12. Jahrhundert (Abb. Titelseite). Jerusalem – die kleine Kirche Gottes

Eine kleine Kirche Gottes ist vor 130 n. Chr. an der Stelle bezeugt, an der sich die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu versammelt haben. Dies ist die von der Catholic Encyclopedia favorisierte Kirche für den Status älteste Kirche. Edessa (heute  : Şanlıurfa)

Die Kirche, die Mari, ein Schüler des Addai (Thaddäus von Edessa), erbaut haben soll, wurde im Jahr 201 durch eine große Flut zerstört. Sie wurde als prächtiges, tempelartiges Gebäude beschrieben. Dura Europos

Archäologisch gesicherter Kirchenkomplex mit Versammlungsraum, Nebenräumen und Baptisterium (?), der im 3./4. Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts durch den Umbau eines Privathauses entstanden ist (Abb. 16). Sie gilt in den Lexika und Handbüchern als die älteste, archäologisch bekannte Kirche. Aqaba

Gilt im Sinne des Ausgräbers als die älteste bekannte, intentional als solche errichtete und archäologisch nachgewiesene Kirche, die um 300 datiert wird (Abb. 20a–c). Bildnachweise Soweit nicht anders angegeben stammen die Abbildungsvorlagen vom Verfasser. Abb. 1  :

Amedeo Maiuri, Sulla scoperta della croce ad Ercolono, in  : Bollettino d’Arte 1939/40, Tav. LXXVI mit den fig. 3, 5 und 6 Abb. 4a – c  : Cleveland Museum of Art. Public domain Abb. 7  : Wikimedia Commons public domain

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Abb. 9  :

Ranbar (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Holy_Sepulchre_ ship_photo.jpg), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/le galcode Abb. 12  : Hanay (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Magdala_Stone_ (4).jpg), »Magdala Stone (4)«, https://creativecommons.org/licenses/ by-sa/3.0/legalcode Abb. 14  : nach Krautheimer, Early Christian Art and Architecture, 1965/1986, fig. 261 Abb. 15  : nach Elders, The lost Churches of the Arabian Gulf  : recent discoveries on the islands of Sir Bani Yas and Marawah, Abu Dhabi Emirate, United Arab Emirates, in  : Proceedings of the Seminar for Arabian Studies, Vol. 31, Papers from the thirty-fourth meeting of the Seminar for Arabian Studies held in London, 20 – 2 2 July 2000 (2001), fig. 5 Abb. 16  : nach Krautheimer, Early Christian Art and Architecture, 1965/1986, fig. 1 Abb. 17a –c  : nach Tepper/Di Segni, A Christian Prayer Hall of the Third Century CE at Kefar ‘Othnay (Legio)  : Excavations at the Megiddo Prison 2005, 2006, S. 21, 25 und 32 Abb. 18  : nach Krautheimer, Early Christian Art and Architecture, 1965/1986, fig. 8 Abb. 20c  : nach Parker (1999) wie Anm. 203 Abb. 21a – b  : nach Rev G.W. Minns, The ancient Christian Church at Silchester (Calleva Attrebatum), in  : Papers and proceedings of the Hampshire Field Club, Volume 2, pt 3 / edited by the Rev G.W. Minns. 1894, S. 240 und 244 Abb. 23  : London, British Museum. Public domain Abb. 25d  : Ostia. Historisches Foto. http://www.ostia-antica.org/regio3/1/1-4 _19.jpg Abb. 26a –b  : Guido Calza, in  : Rendic. della Pont. Acc. d’archeologia, XV, 1940, fig. 16 – 17.

Nachwort und Dank Vor einem Jahrzehnt erschien 2013 im Böhlau Verlag unter dem Titel Spätantike und frühchristliche Kunst meine Einführung in die Christliche Archäologie. Bereits damals hatte ich das Thema ›die älteste Kirche der Welt‹ (S. 46 ff.) thematisiert. Dass ich mich nun nochmal ausführlicher mit dieser kirchengeschichtlich-archäologischen Grauzone befassen konnte, ist Nachwort und Dank

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eine Gnade des Ruhestandes. Dass die hier vorgelegten Überlegungen dazu erneut den Weg zwischen zwei Buchdeckel gefunden, ist gleichwohl keine Selbstverständlichkeit. Und so gilt mein Dank wieder dem Böhlau Verlag, hier insbesondere Frau Kirsti Doepner, die dem Vorhaben seitens der Programmplanung des Verlags von Beginn an aufgeschlossen gegenüberstand, sowie Frau Miriam Espenhain für das Projektmanagement. Bücher mögen mit Fleiß und Druckerschwärze geschrieben und gedruckt werden, doch sind heute mehr als früher finanzielle Hürden zu meistern. Hier durfte ich einmal mehr die Unterstützung durch den Kunstfonds der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern erfahren. Mein Dank gilt hier in besonderer Weise Herrn Oberkirchenrat Prof. Dr. jur. Hans-Peter Hübner sowie dem Kunstbeauftragten Herrn Kirchenrat Helmut Braun. Ohne ihre Unterstützung und das Vertrauen in das Buchprojekt wäre Rosinante gewiss im Stall geblieben und ich hätte den Kampf gegen die Windmühlen nicht aufnehmen können. Schließen Danksagungen meist das familiäre Umfeld mit ein, so tue ich das ebenfalls in ganzer Aufrichtigkeit und sage ein tief empfundenes Dankeschön meiner Lebensgefährtin Sonja Gutknecht, die mir in allen Belangen den Rücken für meine Studien freihält. Reiner Sörries Kröslin, im September 2022

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Ortsregister Aila → Aqaba Alexandria 95 Anıtlı → Hah Antiochia 15, 16, 43 f., 66, 135, 154, 195 Aquileia 99 f., 125, 137, 157 Athen 16, 25 Aqaba (Aila) 12, 22, 99, 102, 105, 106, 116, 137, 143, 151, 160 Bethlehem 40, 135, 155 Bethsaida 41 Bobalá (auch El Bovalar) 71 Calleva Atrebatum → Silchester Cirta 97 f., 109, 142 Cleveland 27 Damaskus 40 Dura Europos 9 f., 13, 21, 65 ff., 75 ff., 87, 91, 101 f., 105, 109, 122 f., 128 – 136, 139 – 142, 156 ff., 161 f. Edessa (Şanlıurfa) 66 ff., 139, 180, 196 El Bovalar → Bobalá Ephesus 13, 15 f., 24, 38, 153 Fraga 34, 116 Frampton 37 Gamla 56 Gis → Kiş Gubail → Jubail Hah (Anıtlı) 68, 135 Herculaneum 18 – 21, 195 Hinton St. Mary 37 Icklingham 124 Ortsregister

Jerusalem 15, 24, 37, 39, 52 f., 54 – 56, 122, 155, 196 Jubail 71, 159 Kapernaum 40 f., 52, 155 Kato Deftera 44 Kefar ‘Othnay → Megiddo Khirbet et-Tireh 72 Kiş (Gis) 67 f., 195 Kourion 32, 34 Ktesiphon → Veh Ardashir Laodikea 95, 141, 161 Las Tamujas 71 Lullingstone 32, 116 Maku → Thaddäus-Kloster Martigny 83, 85 Megiddo (Kefar ‘Othnay) 12, 22, 65, 79 – 82, 91, 101, 136 f., 139, 141f, 151, 156 f., 158, 161 f. Merida 115 – 117, 158 Migdal (Magdala) 57 Nazareth 45 Nicomedia 95, 131 Ostia 25, 41, 58, 144, 147, 149 f., 154 Oxyrhynchus 176 Anm. 280 Pergamon 25 Philippi 101, 137, 157 Plovdiv 35, 127 Pompeji 20 f. Rabat 44 Rihab 12, 22, 46, 50 f., 156, 195

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Rom 27, 38, 41 f., 74, 87 f., 90, 94, 107, 111, 121, 130 f., 132, 144, 155, 157 Salona 85, 112, 130 Şanlıurfa → Edessa Seleucia → Veh Ardashir Setubal → Troia Silchester 99, 105, 107 f., 116, 124, 127 f., 137, 143, 158, 195 Sir Bani Yas 71, 159

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Son Pereto 71 Thaddäus-Kloster 195 Anm. 124 Trier 99 f., 112, 137, 157 f. Tripolis 16 Troas 17 f. Troia (Setubal) 110, 157 Tyros 94, 161, 192 Veh Ardashir 69, 159 f.

Ortsregister