Die Localisation der geistigen Vorgänge insbesondere der Sinnesempfindungen des Menschen: Vortrag, gehalten auf der 68. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Frankfurt [Reprint 2020 ed.] 9783112366400, 9783112366394


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Vorvort
Chapter 1
Chapter 2
Chapter 3
Chapter 4
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Die Localisation der geistigen Vorgänge insbesondere der Sinnesempfindungen des Menschen: Vortrag, gehalten auf der 68. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Frankfurt [Reprint 2020 ed.]
 9783112366400, 9783112366394

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DIE

LOGALISATION DER GEISTIGEN VORGÄNGE INSBESONDERE DER

SINNESEMPFINDUNGEN DES MENSCHEN. VORTRAG, GEHALTEN AUF DER GS. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE ZU FRANKFURT A. M. VON

DR. PAUL FLECHSIG, O. Ö. PROFESSO il DER PSYCHIATRIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG.

MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINEK

TAEEL.

LEIPZIG, V E R L A G V O N V E I T & COMP. 1896.

Druck von M e t z g e r & W i t t i g in Leipzig.

iPorwori. I m Aufbau unseres Geistes, in den grossen beharrenden Zügen seiner Gliederung spiegelt sich klar und deutlich die Architektur unseres Gehirns wieder: Dies näher darzulegen ist die vornehmste Bestimmung des vorliegenden Vortrags. Dass es mir gelingen werde, diesen Fundamentalsatz

aucli

sogleich zu allgemeiner Anerkennung

bringen, nehme ich indess nicht an.

zu

Denn obschon seine

Gültigkeit bereits jetzt in zahlreichen Einzelthatsachen evident zu Tage tritt, dergestalt, dass ich kaum ein gleich

fruchtbares h e u r i s t i s c h e s

Hirn-Seelenforschung

zu

nennen

Princip wüsste,

für

die

bedarf

es

zu einer durchgehenden und allgemein überzeugenden Beweisführung zweifellos noch unendlich vieler ArbeitArn wenigsten überrascht es mich, dass die introspective Psychologie sich ablehnend verhält, ja sich mit Händen und Füssen dagegen sträubt, besagtem Princip Eingang zu gewähren. Disciplin

Denn nicht nur, dass diese

im Wesentlichen

aus

der

Negirung x*

jener

ganzen

Betrachtungsweise die Berechtigung zu einer

Sonderexistenz

herleitet, so bedarf es vor allem a n -

s c h a u l i c h e r V o r s t e l l u n g e n , um s e l b s t ä n d i g prüfen zu können, was an dem vorliegenden neurologischen Beweismaterial

Anspruch

auf

allgemeine

Beachtung

machen darf — und dieses anschauliche Vorstellen wird naturgemäss

nur

durch

eingehendste

Beschäftigung

mit dem Hirnbau gewonnen, nicht durch introspective Beobachtung.

Andererseits

wahrscheinlich,

ist

es

auch

recht

un-

dass die reine Psychologie zu einer

wirklich naturgemässen Anschauung der Gliederung im Geistigen vordringen wird, solange sie der Anatomie des Seelenorgans grundsätzlich den Rücken kehrt. Aber noch ein zweiter durchaus praktischer Gesichtspunkt hat mich veranlasst

vor den vereinigten

medicinischen Sectionen der Frankfurter Versammlung die neuesten Errungenschaften der menschlichen HirnAnatomie mit Rücksicht auf ihre klinische Verwerthbarkeit

zu

behandeln — nämlich

der

thatsächliche

Mangel eines Lehrbuchs, welches den ärztlichen Bedürfnissen auch gerecht

nur

würde,

gegenwärtig

annähernd als

es

in

der

der Vollkommenheit

Leistungsfähigkeit

verfügbaren Untersuchungsmethoden

der ent-

spricht. Ich verkenne hierbei nicht — habe ich doch schon in Frankfurt a. M. darüber klagen hören — dass das in der Folge Mitgetheilte ohne zahlreiche Abbildungen dem allgemeinen Verständniss selbst der Aerzte nicht leicht zugänglich ist.

Ich füge deshalb

Abbildungen bei, welche wohl besser Vortrag von mir verwandten, weise Orientirung auch

hier

als

die

einige beim

eine wenigstens theil-

für Ungeübtere

ermöglichen.

Die Tafel giebt Photographien von halbschematischen Zeichnungen wieder, welche ich in meinen Vorlesungen verwende. Sie sollen hauptsächlich die hier zum ersten Mal näher ausgeführte Idee einer strengen C e n t r a l i s a t i o n des Seelenorgans erläutern. Linie

für Linie

Anspruch

auf

Sie können nicht

strenge

Objectivität

machen, wenn sie auch möglichst sorgfältig der Natur nachgebildet sind. Auch im Uebrigen enthält dieser Vortrag keineswegs nur Bekanntes; es sind zahlreiche neue Untersuchungsresultate

angedeutet,

wie

eine Vergleichung

meiner Schrift „Hirn und Seele", 2. Aufl. ergiebt, auf die ich behufs besseren Verständnisses der nachfolgenden Zeilen verweise. In den Anmerkungen 23 u. 42 finden sich einige Bemerkungen gegenüber Ansichten der Herren v. und v.

MONAKOW,

KÖLLIKER

welche ich für irrthiimlich und einer

Widerlegung für um so bedürftiger halte, als sie leicht zu principiell-falschen Anschauungen über den Hirnplan führen könnten. L e i p z i g , im October 1896.

Faul Flechsig.

enn ich

es unternehme,

ein

so umfäng-

liches, ja man darf wohl sagen grenzenloses Thema, wie die Localisation der geistigen Vorgänge nicht

vor Ihnen

zu behandeln,

so bin ich mir

im Zweifel, dass in der kurzen Spanne Zeit,

welche zur Verfügung steht, die Fülle des Thatsächlichen nur eklektisch Erwähnung finden kann. Ich werde deshalb im Wesentlichen nur die S i n n e s t e m p f i n d u n g e n in Betracht ziehen, muss mich aber auch hier darauf beschränken Einzelheiten herauszuheben, und bitte von vornherein um Nachsicht, wenn sich deutliche Lücken in meinen Ausführungen zeigen werden. Ich glaube, dass nun die Zeit gekommen ist, wo die Localisation der Hirnfunctionen nicht mehr seitig

klinisch

oder experimentell angefasst

ein-

werden

darf, wo vielmehr die H i r n - A n a t o m i e 1 b e a n s p r u c h e n kann, in allen Fragen gehört zu werden, und ich werde demgemäss a n a t o m i s c h e Thatsachen zur Basis meiner heutigen Betrachtungen machen.

8

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Noch vor kaum zwei Jahrzehnten wäre ein solches Beginnen nicht gerechtfertigt gewesen. Wenn die damals entstandene „ T o p i s c h e D i a g n o s t i k d e r H i r n k r a n k h e i t e n " des Herrn NOTHNAGEL noch heute so •werthvoll ist, wie am Tage ihres Erscheinens, so verdankt sie dies wesentlich dem Umstand, dass der erfahrene Kliniker äusserst wenig Rücksicht genommen hat auf die schwankenden Gestalten, welche die HirnAnatomie und -Physiologie damals dem trüben Blick des Neurologen zu zeigen vermochten. Das Buch ist fast nnr veraltet da, wo es ausnahmsweise Rücksicht nimmt auf Anschauungen zeitgenössischer Hirn-Anatomen. Heute verfügen wir über einen unvergleichlich grösseren Schatz gesicherter anatomischer Kenntnisse, welche für die Localisation der Hirnfunctionen verwerthbar sind. Hierbei handelt es sich keineswegs2 ausschliesslich oder vorwiegend um die durch GOLGI'S Silberfärbung errungenen Aufschlüsse über den feinsten Bau der centralen grauen Massen, sondern um relativ gröbere Verhältnisse der Hirnstructur, welche Herr v. KÖLLIKER ganz treffend als „gröbere mikroskopische Anatomie" der Centraiorgane bezeichnet: um den Verlauf der sensiblen und motorischen Bahnen, der Associationssysteme im Grosshirn u. dergl. m. — Verhältnisse, welche sich an guten Präparaten zum Theil schon mit blossem Auge erkennen oder wenigstens überschauen lassen. Ich werde mich bei meinen Ausführungen ausschliesslich mit dem M e n s c h e n beschäftigen. Ich

9

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

schätze die Bedeutung der Experimentalphysiologie und der vergleichenden Anatomie sehr hoch — aber Reichthum

ihrer

nicht

Nothwendigkeit,

der

Ergebnisse

überhebt die

uns

der

durchaus

Besonderheiten

des

menschlichen Gehirns an diesem selbst mittels directer Untersuchung

festzustellen.

Es

führt keineswegs zu

grösserer Klarheit der Anschauungen, wenn Beobachtungen an Thier werden.

und

Mensch promiscue

Die V e r g l e i c h u n g

Resultate,

nicht

verarbeitet

beider gewährt

sichere

aber die Vermengung — und

dies

gilt ganz vornehmlich für die geistigen Vorgänge, über welche uns überhaupt nur der sprachbegabte Mensch unzweideutige Aufschlüsse zu geben vermag. Man theilt die E m p f i n d u n g e n

ihrem Ausgangs-

punkt nach bekanntlich ein in die zwei grossen Gruppen der „ S i n n e s - und der O r g a n - E m p f i n d u n g e n " . empfinden nicht nur Veränderungen durch

äussere

(exogene)

Wir

unseres Körpers

Einflüsse, sondern

auch

Modificationen, welche unabhängig von äusseren Reizen e n d o g e n , zum Theil schon durch den Lebensprocess selbst entstehen. Bezüglich der

Sinnesempfindungen

ist

mehr möglich zu zweifeln, dass dieselben los

durch Vermittelung

der

es

kaum

ausnahms-

Grosshirnrinde

zu

Stande kommen — ohne Grosshirnrinde keine objectivirbare Sinneswahrnehmung.

Fraglich ist aber, ob dies

auch durchgehends für die Organ-Empfindungen gilt. Die Organ-Empfindungen sind schon insofern höchst

10

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

verschieden werthig, als ein Theil derselben gleich den Sinnesempfindungen zur W a h r n e h m u n g der Aussenwelt dient, ein anderer nicht; zu ersteren gehören vor allem die kinästhetischen, d. h. die an den Bewegungsapparat geknüpften Empfindungen, welche man früher kurz als „Muskelsinn" bezeichnete, während thatsächlich hierbei zu den von den Muskeln ausgehenden Empfindungen noch solche kommen, welche in den Nerven der Sehnen, Gelenke j a

vielleicht

auch Knochen

ihren

Ursprung

haben. Die E i n d r ü c k e des „Muskelsinns" sind wenigstens theilweise

objectivirbar; sie dienen

bekanntlich unter

anderem zur Bestimmung der Schwere gehobener Gewichte.

Ihnen stehen diejenigen Organ-Empfindungen

gegenüber,

welche

lediglich

die

Wahrnehmung

des

eigenen Körpers, seiner Bedürfnisse, der Beeinträchtigung wie F ö r d e r u n g seiner Leistungen vermitteln. Linie ist hier eine Gruppe hervorzuheben,

I n erster welche die

sinnlichen Triebe begleitet bezw. zum Bewusstsein bringt, die den Hunger, den Durst, die libido sexualis

anzeigen-

den l o c a l i s i r t e n Empfindungen im Rachen und Unterleib; ich will sie kurz „ l o c a l i s i r t e

Triebgefühle"

oder „ L o c a l z e i c h e n d e r T r i e b e " n e n n e n ,

wobei zu

bemerken ist, dass sie nur eine Theilerscheinung dessen darstellen, was wir „ T r i e b e " heissen. geht vielfach eine

allgemeine U n r u h e ,

psychischer N a t u r

ist

baren

(automatischen)

und

Denn

welche

vielleicht einer

Reizung

motorischer

apparate ihren Ursprung verdankt.

nebenher nicht

unmittelCentrai-

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Speciell

diese Triebgefühle zeigen

11

deutlich

Er-

scheinungen, welche man als „Gefühlstöne" der Empfindungen bezeichnet, die zwischen Lust und Unlust sich bewegenden inneren Zustände.

Lust-

und Unlustge-

fiihle werden noch gegenwärtig von namhaften Psychologen von den Organ-Empfindungen gesondert und als etwas ganz Eigenartiges (Reaction einer „Seele"?) hingestellt — doch kann ich hier in eine nähere

Er-

örterung dieser Frage nicht eintreten. Thatsache bleibt, dass wenigstens die sinnlichen Gefühle stets an Empfindungen gebunden erscheinen, insbesondere an OrganEmpfindungen, so dass sie zu diesen offenbar die engsten, unmittelbarsten Beziehungen haben. Unlustäusserungen 3 finden wir nun auch bei Missgeburten, welchen das Grosshirn vollständig (eventuell selbst bis zur Mitte der Vierhügelgegend) fehlt, desgleichen bei Frühgeburten von acht Monaten, bei welchen die Grosshirnrinde nirgends fertig entwickelte reife NervenElemente erkennen lässt. haft

4

Demgemäss ist es zweifel-

dass es zur Entstehung gewisser Organ-Empfin-

dungen mit selbst lebhafter Geühlsbetonung d e r G r o s s h i r n r i n d e bedarf. Ein Theil der Organ-Empfindungen wird möglicherweise vermittelt a u s s c h l i e s s l i c h

durch

niedere Hirntheile. Somit sind

nicht

alle

Bewusstseinserschei-

n u n g e n mit Sicherheit als Leistungen der Grosshirnrinde anzusehen — und ich stimme hier Herrn

GOLTZ

wohl mit

überein, welcher ja auch beim

gross-

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

12

hirnlosen Hund noch seelische Regungen

anzunehmen

geneigt ist. Was hingegen die obj e c t i v i r b a r e n Sinnesempfindungen anlangt, so spricht thatsächlich keine sichergestellte Thatsache gegen die Anschauung, dass hier a u s s c h l i e s s l i c h die Grosshirnrinde in Betracht kommt. Ja, man nimmt gegenwärtig wohl allgemein an,

dass

jeder besonderen Sinnesqualität ein besonderes

Feld

der Grosshirnrinde zugeordnet ist, welches die Fähigkeit

besitzt, die

zugeführten Nervenreize in Sinnes-

empfindungen, in Bewusstseinserscheinungen von specifischem Gepräge 5 zu transformiren. demgemäss

Wir unterscheiden

eine Sehsphäre der Grosshirnrinde,

eine

Hörsphäre, Riechsphäre, Tastsphäre u. s. w. Genauer bekannt war bis vor kurzem b e i m M e n s c h e n n u r die S e h s p h ä r e in Bezug auf Lage, Ausdehnung man

und

nur

Grenzen; von

ungefähr

die

der

Lage,

Hörsphäre sehr

kannte

verschwommen

waren die Vorstellungen über die Grenzen der Tastsphäre. Ich glaube nun Befunde gemächt zu haben, welche es ermöglichen, Lage, Grösse und Grenzlinien corticalen

Sinnessphären

aller

genauer zu bestimmen,

und möchte zunächst Ihre Aufmerksamkeit erbitten für eine kurze Darstellung der hierbei in Betracht kommenden a n a t o m i s c h e n V e r h ä l t n i s s e , die unentbehrliche Basis meiner weiteren Betrachtungen.

Die Lociilisatioii der geistigen Vorgänge.

13

I. Eine der Hauptaufgaben der Anatomie der Localisation der Hirnfunctionen gegenüber, lückenlose

Darlegung

der

ist die v ö l l i g

Sinnesleitungen

von

ihrem Eintritt in das Centraiorgan bis zu ihren Endstätten in der Hirnrinde.

Dieser Forderung lässt sich

gerade am Menschen Genüge leisten, sobald man das Gehirn des Fötus und Neugeborenen zur Untersuchung verwerthet u n d die so erlangten Befunde mit den Ergebnissen

der TiJEK'sclien Untersuchungsmethode (se-

cundare Degenerationen im Anschluss an Herderkrankungen — womöglich nach der „Methode der kleinsten Herde") vergleicht. 6 Die Sinnesleitungen entwickeln sich dergestalt, dass sie von allen Faserziigen des Grossliirn-Markes zuerst erscheinen und reifen, d. h. Markscheiden erhalten.

Sie

liegen so beim Fötus und Neugeborenen v ö l l i g i s o l i r t vor Augen; man kann ihren Verlauf, die Rindenbezirke, mit welchen sie in Verbindung treten etc., genau überblicken.

Es

Methode, vollkommen 7

giebt

thatsächlich

welche dies auch leistete.

Die

keine

andere

nur annähernd gleich

Schärfe

der

hierbei

zu

Stande kommenden Bilder ist geradezu überraschend für jeden, der zum

ersten Mal gut gelungene Prä-

parate sieht. Dass sich die Ergebnisse der entwickelungsgeschicht-

14

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

liehen und der r a t i o n e l l v e r w e r t h e t e n TüRK'schen Methode in ausgiebigster Weise decken mit den Resultaten einer geläuterten klinischen Beobachtung, erhöht naturgemäss das Vertrauen in die anatomischen Befunde. Doch ist es keineswegs zweckmässig, etwaige Lücken in der Anatomie auszufüllen durch klinische Thatsachen. Auch hier bleibt z u n ä c h s t jede Disciplin am besten auf ihrem Gebiet und sucht selbständig und unabhängig von anderen zu möglichst lückenlosen Resultaten zu gelangen. Ich gebe nun zunächst einen kurzen Ueberblick über die einzelnen Sinnesleitungen.

1. Hintere Wurzeln des Rückenmarkes bezw. der Oblongata (exel. 8. und 9. Hirnnerr). Von a l l e n Sinnesleitungen z u e r s t entwickeln sich die in den h i n t e r e n W u r z e l n des Rückenmarkes und der Oblongata enthaltenen. Im Grosshirnmark sind die z u e r s t zur Reife gelangenden Nervenfasern a u s s c h l i e s s l i c h (indirecte!) Fortsetzungen hinterer Wurzeln. Die h i n t e r e n W u r z e l n vermitteln bekanntlich einestheils s ä m m t l i c h e O r g a n e m p f i n d u n g e n , soweit nicht etwa der Sympathicus hierbei in Betracht kommt, anderentheils die verschiedenen Hautsinnesqualitäten (Tast- und Temperatursinn). Die k l i n i s c h e Medicin war bislang n i c h t in der Lage, aus Herden in den Grosshirnlappen den Umfang

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

15

des R i n d e n g e b i e t e s festzustellen, welches an d i e s e n Sinnes- und Organempfindungen betheiligt ist.

Dagegen

existirte e i n e wichtige, wohl allgemein anerkannte, in alle Lehrbücher übergegangene Beobachtung über Beziehungen

der

inneren

Kapsel

zu

Sensibilitätsstö-

rungen, welche ihrem Entdecker zu Ehren zweckmässig als TüRK'sche H e m i a n i t s t h e s i e bezeichnet wird. Dieselbe tritt in zwei Hauptformen auf, einer einfachen und einer complicirten.

Als e i n f a c h e bezw. uncomplicirte

betrachte ich einen Symptomencomplex, bei welchem auf einer ganzen Körperhälfte einestheils die c u t a n e n Empfindungen, anderentheils die an den Bewegungsapparat

geknüpften

Organgefühie und

die Schmerz-

empfindung in allen ä u s s e r e n T h e i l e n , einschliesslich M u n d h ö h l e , S e x u a l o r g a n e etc. aufgehoben sind. Die Empfindlichkeit der B a u c h - E i n g e w e i d e

auf Druck

ist in der Regel erhalten wohl deshalb, weil diese auf der Mittellinie gelegenen Organe zu beiden Hirnhälften in Beziehung stehen. was schon

TÜRK

Nicht selten gesellen sich auch,

beobachtete und insbesondere

CHARCOT

näher erforschte, Anästhesien der höheren Sinne, halbseitige Taubheit oder Hörschwäche, Hemianopsie, Hemiageusie und Hemianosmie (für Trigeminusreize) hinzu. Die einfache Form der TüRK'schen Hemianästhesie, bei welcher also n u r Functionen von h i n t e r e n

Wurzeln

ausgeschaltet sind, findet sich bei Läsionen des h i n t e r e n T h e i l e s der i n n e r e n Kapsel und des a n g r e n z e n d e n F u s s e s vom S t a b k r a n z ;

so lautet die heutige

16

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

officielle Lesart.

Diese Gegend bildet einen Theil

des C a r r e f o u r s e n s i t i f

CHARCOT'S.

Wichtig ist nun die weitere klinische Thatsache, dass von keinem enger begrenzten

Rindengebiet

her so regelmässig, so andauernd und so intensiv Hemianästhesie der hinteren Wurzeln,

der

Körpergefühle

eintritt, wie von besagtem Theil der inneren Kapsel aus. Die E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e

bezw. Anatomie

des Neugeborenen liefert hierzu in überraschender Weise den Schlüssel.

Die innere Kapsel in ihrem

hinteren

Drittel ist dasjenige Gebiet der Grosshirnlappen, welches z u e r s t beim Fötus markhaltige Fasern erkennen liisst.

Der Verlauf

der

an

der

TüRK'schen

Hemi-

anästhesie betheiligten Faserzüge der inneren Kapsel im Grosshirnmark, ihre Ursprünge und ihr Ausbreitungsgebiet in der Grosshirnrinde lassen sich demgemäss am Fötus bezw. Neugeborenen

wunderbar klar

erkennen.

Diese Leitungen zeigen entwickelungsgeschichtlich deutlich eine Dreigliederung, sodass ich drei sensible Fasersysteme der inneren Kapsel unterscheide; zur schärferen Markirung wähle ich zunächst einfach Ziffern: Nr. 1. Nr. 2. Nr. B (vergl. Figg. 1—3 S. 18—23). a) Das sensible System Nr. 1. Es erhält zuerst Mark, d. h. von Anfang des neunten Fötalmonats an und nimmt in der oberen Hälfte der inneren Kapsel das unmittelbar hinter der Pyramidenbahn gelegene Areal fast vollständig ein.

Die Fasern

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

17

desselben gehen überwiegend aus den basalen Abschnitten des l a t e r a l e n 8 Sehhügelkerns sowie dem schalenförmigen Körper

(FLECHSIG,

grnppen v.

MONAKOW'S)

V. T S C H I S C H

— ventrale Kerri-

hervor, zum Theil (Fig. 3 1")

direct aus der Hauptschleife (incl. „Brücken-Schleife") und gelangen a u s s c h l i e s s l i c h in die Rinde der C e n t r a i windungen,

welch' letztere also von allen Rinden-

bezirken zuerst mit der Körperperipherie in leitende Verbindung treten. Sie bilden ein

flaches

Faserblatt,

dessen Querschnitt im Mark des Scheitellappens eine von vorn nach hinten verlaufende Linie darstellt (1 1' 1" Fig. 1—3 S. 18—23). Ein recht unbedeutender Theil verläuft entsprechend der hinteren Kante des Linsenkerns in der äusseren Kapsel und im hintersten Abschnitt der Lamina medullaris externa des Linsenkern selbst. Ein kleines Bündel gelangt scheinbar in den unteren Theil der Sehstrahlung (1*); ob dieser Abzweiger des Systems Nr. 1 b i s z u r S e h s p h ä r e (vergl. Tafel) verläuft, vermochte ich nicht mit Sicherheit festzustellen; jedenfalls finden sich auf der fraglichen Entwickelungsstufe im Schläfenlappen nirgends markhaltige Fasern, während in der Sehstrahlung einzelne markhaltige Bündel auch noch weit hinten nachweisbar sind, und zwar ausschliesslich in den basalsten Theilen (nach aussen-unten vom Unterhorn).

Im Seh-

hügel lassen sie sich etwa b i s z u r G e g e n d des hintersten Abschnittes des lateralen Kerns (LK* Fig. 1 S. 18 — „hinterer" Kern v.

MONAKOW'S)

verfolgen.

18

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

SR \ HC.

E s sind nur die

Fasersysteme

des T h a l a m u s

opticus

dar-

gestellt, welche corticopctal leiten — die corticofugalen Leitungen der dorso-medialen Kerngruppe des Sehhügels, die motorischen liahnen der Grosshirniinde etc. fehlen vollständig. — D i e Anordnung

der

Punkte

im

ventro- lateralen schematisch.

Sehhügelbezirk

ist

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

19

E r k l ä r u n g zu Fig. 1.

Ac

des Linsenkerns.

Nucleus caudatus.

L K Lateraler Kern | p ir ^ ] i f».* • ventro-laterale S K Schalenförmiger Körper / v , ° * Kerngruppe des cm centre médian J HK

innerer K e r n und l'iilvinarj

v vorderer K e r n

Sehhügels.

dorso-mediale

J K e r n g r u p p e des

c i innere Kapsel. L Luvs'scher Körper. F I 1. Stirnwindung. FIJI

3. Stirnwindung.

O H Gyrus hippocampi. V C vordere 1 ! hintere J

HC

SB S.op

Centralwindunfr. b

Centralfurciie. Sulcus

occipito-perpendicularis.

Fi. ca Fissura calcarina. A u f F i g g . 1 — 3 bezeichnet:

1 1'

das sensible System Nr. 1.

ix

1"' 2 2'

das sensible System Nr. 2.

2"

2"'

3 1 3'

i

das sensible System Nr. 3.

3" 2*

20

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

SC •

Fig. 2. Frontalschnitt durch das menschliche Gehirn.

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

21

E r k l ä r u n g zu Fig. '2. I, II, III.

Erstes, zweites, drittes Glied des Linsenkerns. Sehhügels.

N e Nucleus caudatus. L LuYs'sclier Körper. oK oberer Kleinhirnstiel (Endtlieilung). o Tractus opticus. Am Amgydala, Mandelkern. F S Fossa Sylvii. HC hintere Centrahvindung. O s m Gyrus supramarginalis.

Till

3. J

Q vordere Querwindung des Schläfenlappens. o T Gyrus occipito-temporalis. Lp Lobulus paracentralis. Ba Balkenkörper. a Hörleitung (Cochlearis).

Die Localisation der geistigen Vorgänge

22

E r k l ä r u n g zu F i g I, II, III

3.

Erstes, zweites, drittes Glied des Linsenkerns.

Xc Nucleus caudatus. L K lateraler Kern I î K innerer Kern

I

des Selihügels.

cm centre médian P Pulvinar M

MEYKERT'SCIICS

Bündel (Querschnitt).

h C hintere Commissur. Z Zirbeldrüse. P' P y r a m i d e n b a h n .

I

A AnNoi-D'sche Bündel !• innere Kapsel. T sensible Region

J

a Hörleitung. S O Sehstrahlung

GRATIOLET'S

(i. w. S.J

a eorticofugale Bahnen derselben.

ß corticopetale = Stabkranz des äusseren Kniehöckers. Q vordere Querwindung in 1. Schläfenwindung übergehend. Q s Gyrus subangularis. FI Fill

1. | 3 I

„ Stirnwindung.

Of Gyrus fornicatus. S C Subiculum cornu Ammonis. II Hinterhorn des Seitenventrikels. Op Operculum. Pm

(punktirt)

Querschnitt

zwischen

Körperfühlssphäre

des grossen

Associationssystems

(Centraiwindungen)

und

hinterem grossen Associationscentrum, vcrgl.Text S.06flg. J J n s u l a Reilii (Rinde).

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Fi

Fig. 3. -i.

Horizontalschnitt durch das menschliche Gehirn. Hörleitung. J Sehstrahlung.

23

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

24

b) System Nr. 2. Etwa e i n e n M o n a t später als Nr. 1 tritt in der inneren Kapsel ein z w e i t e s Fasersystem hervor, welches gleichfalls aus dem lateralen Kern des Sehhügels herauswächst, aber mehr dorsal (vergl. Fig. 2 S. 20) als Nr. 1 welch' letzteres besonders an der Basis des Sehhügels austritt. Dieses z w e i t e Fasersystem gelangt nach oben in das Grosshirnmark zum T h e i l in d i e s e l b e n R e g i o n e n wie Nr. 1, in den Lobulus paracentralis und in den Fuss der 1. Stirnwindung ; zum anderen Theil biegt es spitzwinklig (2, 2, 2) nach innen um und tritt mit fast der ganzen Länge des G y r u s f o r n i c a t u s in Verbindung. Die hintersten Bündel (2' Fig. 1) treten ins Cingulum ein und verlaufen gegen das Ammonshorn. Diesen aus dem oberen und vorderen Rand der inneren Kapsel hervorgehenden Faserzügen gesellt sich gegen die Zeit der Reife ein weiterer bei, welcher vom lateralen Kern des Sehhügels

aus

basalwärts

verläuft, in

windung eintritt (2"') und von v o r n u n t e n

die Haken9

her in das

Subiculum cornu Ammonis gelangt, sodass also der ganze L o b u s l i m b i c u s mit dem lateralen Kern des Sehhügels (in m e i n e m S i n n ) zusammenhängt. — Die zum Fuss der 1. (bezw. 2.?) Stirn windung gelangenden Bündel scheinen aus dem centre médian10

(LUYS)

des Sehhügels

hervorzugehen. c) System Nr. 3. Ein bis mehrere Monate nach der Geburt wird ein drittes Fasersystem der inneren Kapsel inarkhaltig,

Die Localisation der geistigen Vorgänge,.

25

welches mit dem lateralen Sehhügelkern in Verbindung steht. Es tritt etwa im mittleren Theil der Kapsel aus dem vorderen Abschnitt des lateralen Kerns aus und verläuft theils

direct

zum Fuss der d r i t t e n

Stirn-

windung, theils beschreibt es vielfache scharf gekrümmte Curven (vergl. Fig. 1 S. 18 3. 3"), um zu der Kinde zu gelangen. Bündel letzterer Art laufen von der Gegend der Pyramidenbahn

nach

vorn im

Fasciculus

sub-

callosus und steigen am vorderen Band des Streifenhügels zur dritten Stirnwindung herab (3'); eine zweite Gruppe läuft durch den vorderen Schenkel der inneren Kapsel ins Stirnhirn fast bis zum Pol und biegt hier spitzwinklig um, sodass die Fasern einestheils zum mittleren Theil

des

Gyrus

fornicatus (3), 1 1

anderentheils

zur

vorderen Hälfte der ersten Stirnwindung (3") gelangen, einzelne auch zum Fuss der zweiten Stirnwindung. Untersucht man nun die Beziehungen

des seit-

lichen Sehhügelkerns zu tieferen Theilen der Centraiorgane bezw. zur K ö r p e r p e r i p h e r i e , so ergiebt sich, dass in denselben von u n t e n h e r a l l e die Leitungen eintreten, in welchen man die Fortsetzung der hinteren Wurzeln zu suchen hat — nämlich H a u p t t h e i l

der

S c h l e i f e n s c h i c h t (vergl. Tafel Fig. 2 l), o b e r e K l e i n h i r n s t i e l e (vergl. Tafel Fig. 2 B, H i n t e r - und S e i t e n stränge

etc.)

reticularis

und

Längsbündel

(vergl. Tafel Fig. 2 r).

12

der Die

Formatio Schleifen-

schicht tritt in den ventralen und hinteren Abschnitt

26

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

des lateralen Kerns (besonders die hintere Hälfte der ventralen Kerngruppe v. MONAKOW'S) ein; die b a s a l s t e n Bündel gehen direct in die innere Kapsel über. Der l a t e r a l e

Kern

des Sehhügels in

Sinn ist also e i n K n o t e n p u n k t

meinem

in d e r B a h n

der

h i n t e r e n W u r z e l n zur Grossliirnrinde; hier liegt, wie mir scheint, a l l e s beisammen, was von denselben rindenwärts zieht (auch die n i c h t hier endenden Leitungen) — was übrig bleibt, welches

ich

förmigen median

mit Körper

von LUYS.

vertheilt

Herrn

sich auf

v. TSCHISCH

bezeichnet

habe

das

als und

schalendas

D e r Rest des Sehhügels

den sensiblen Leitungen

Gebiet, centre

hat

mit

der hinteren Wurzeln nichts

zu thun, weshalb es sich empfiehlt alle zu den letzteren in Beziehung stehenden Kerne unter der gemeinschaftlichen Bezeichnung „ v e n t r o - l a t e r a l e "

Kerngruppe

des Thalamus zusammenzufassen und so von den übrigen Gebieten zu unterscheiden. Diese e n t w i c k e l u n g s g e s c h i c h t l i c h Aufschlüsse werden durchaus b e s t ä t i g t pathologischen

gewonnenen von

der

Anatomie.

Ich habe mit Herrn HÖSEL13 einen F a l l beschrieben, wo eine ca. 50 J a h r e bestehende Erweichung

beider

Centraiwindungen (besonders der hinteren, welche complet

geschwunden

war)

secundare

Degeneration

oberen Kleinhirnstiele, Schleifenschicht

14

der

und F o r m a t i o

reticularis herbeigeführt hatte. Neben dem schalenförmigen Körper zeigte auch der laterale Kern des Sehliügels —

27

Die Localisation dev geistigen Vorgänge.

und zwar bemerkenswerther Weise genau an den Stellen, wo das foetale System Nr. 1 entspringt — tionsschwund sämmtlicher Ganglienzellen,

Degenera-

sodass that-

sächlich Pathologie und Entwickelungsgeschichte

völlig

übereinstimmende Resultate liefern, dahin gehend, dass die Centraiwindungen zum Theil direct, in der Hauptsache indirect

mit den sensiblen Kernen

der Hinter-

und Seitenstränge des Rückenmarkes zusammenhängen. Vergleicht die

man

klinischen

mit

den

anatomischen

Beobachtungen,

so

Befunden

ergeben

sich

wenigstens theilweise befriedigende Uebereinstimmungen. Zerstörung

der C e n t r a i w i n d u n g e n

ist bekannt-

lich häufig von V e r l u s t d e r k i n ä s t h e t i s c h e n Emp findungen

Organ-

begleitet, sodass insbesondere

die

Lage- und die Bewegungsvorstellungen für die Extremitäten

und

werden.

die

Mundgegend

hinwegfallen

oder

defect

Von den Hautemptindungen leidet dabei, be-

sonders bei

kleinen Herden

nur

die Empfindung für

leichtere Berührungen und die genaue Localisation derselben regelmässiger.

Eine Folge davon ist z. B. bei

Verletzung des Armgebietes (Mitte der Centraiwindungen) Unfähigkeit, durch T a s t e n die F o r m äusserer Objecte zu erkennen. Durch Verletzung der dritten Stirnwindung 15

leidet

nach einer landläufigen Ueberzeugung (WERNICKE) die Fähigkeit

sich die Bewegungen

aasgedrückt Organe

wohl

auch

vorzustellen,

die Fähigkeit,

zu fühlen, welche

an

schärfer

die L a g e

der Sprache

der

betheiligt

28 sind.

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Die oben beschriebene Leitung Nr. 3 zur dritten

Stirnwindung (und vielleicht auch zur ersten Stirnwindung) ist demgemäss n i c h t in Bezug auf die Empfindungsqualität,

sondern in Bezug auf die zugehörige

K ö r p e r r e g i o n von den sensiblen Bahnen der Centraiwindungen unterschieden. Das Neugeborene macht (zum Zwecke der Selbsterhaltung) weitaus früher geordneten Gebrauch von seinen Extremitäten, den Lippen und der Zunge, als es Rumpf- und Sprachmuskeln

coordinirt

bewegt; und es entspricht wohl nur einfach dieser Erfahrungstatsache, dass die sensiblen (und motorischen) Bahnen

der Extremitäten

sich

eher

entwickeln, als

die für den Rumpf und die speciellen

Sprachorgane

bestimmten. Was die Systeme Nr. 2 anlangt, so hat man auch für die Endstationen einzelner derselben Beziehungen zum „Muskelsinn" angenommen.

Ganz besonders gilt

dies für den Gyrus hippocampi; doch ergiebt ein genaueres Studium dieser Fälle, dass niemals ausschliesslich der Gyrus hippocampi erkrankt war, dass vielmehr daneben auch die innere Kapsel bezw. Sehhügel Läsiorien zeigten.

Bereits

COUTY,

ein

trefflicher Beobachter,

hat aber darauf hingewiesen, dass bei Läsionen

der

tieferen Theile der inneren Kapsel (in welche System Nr. 1 eintritt)

Störungen speciell der

kinästhetischen

Empfindungen beobachtet werden. Reine Fälle von Erkrankung

des

G y r u s l i m b i c u s liegen leider nicht vor.

gesammten In dem am

29

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

ehesten hierher zu rechnenden Fall SAVILLE 1 0 bestand totaler Verlust der Sensibilität auf der gekreuzten Seite — doch nur transitorisch.

Wir sind somit mangels ge-

eigneter klinischer Beobachtungen darauf das Thierexperiment

herbeizuziehen,

angewiesen,

sofern

wir

uns

irgend eine positive Vorstellung über die Functionen des Gyrus limbicus machen woller.

Hier ist es zweifellos

von grossem Interesse, dass nach der übereinstimmenden Ansicht von FERRIER, HORSLEY und SCHÄFER Zerstörung des Gyrus limbicus (Gyrus fornicatus und hippocampi) beim Affen von deutlicher und p e r s i s t e n t e r Anästhesie für tactile und Schmerzreize gefolgt ist. Sonach würde der Gyrus limbicus Endstationen

von Leitungen für

Tast-Temperatureindriicke und Organempfindungen (Gemeingefühle) enthalten



nicht

für

sämmtliche

Leitungen dieser Art, aber doch für einen beträchtlichen Theil (diejenigen, welche nicht in den Centralund Stirnwindungen enden). Es ist sonach ein ungemein ausgebreitetes Eindengebiet17', welches zu den in der inneren Kapsel dicht neben

einander

verlaufenden sensiblen Leitungen in

Beziehung steht. Es empfiehlt sich für die gesammten Rindenfelder der hinteren Wurzeln eine gemeinschaftliche Bezeichnung zu wählen, und dürfte hier der von MÜNK zuerst angewandte

Ausdruck

aus zweckmässig sein,

„Körperfühlsphäre"

durch-

zumal auch die Sprache von

genialer Intuition geleitet, die von den hinteren Wur-

30

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

zeln vermittelten Sensationen s ä m m t l i c h als „Gefühle" von den „Empfindungen" der „höheren" Sinne trennt. Die Körperfühlsphäre stellt zweifellos eine Summe verschiedenartiger sensibler Centren dar, unter welchen die Tastsphäre von besonderer Bedeutung erscheint. Doch nimmt auch 'sie keineswegs für sich nur ein besonderes Feld in Anspruch, da auch das Tasten das Zusammenwirken verschiedener Empfindungsqualitäten voraussetzt. Die Körperfühlsphäre ist nun keineswegs nur mit sensiblen Leitungen verknüpft; vielmehr gehen aus ihr auch ungemein zahlreiche m o t o r i s c h e Bahnen bezw. Bahnen hervor, welche in centrifugaler Richtung leiten. Dieselben gliedern sich in zwei grosse Gruppen, insofern ein Theil durch den Hirnschenkelfuss aus dem Grosshirn austritt, ein anderer durch den Sehhügel und die Hirnschenkelhaube

mit

niederen Centren in Verbin-

dung steht. Was die zur Körperfühlsphäre gehörigen Bahnen des Grosshirnschenkelfusses anlangt, so bilden sie ca. 4

/ s des Gesammtquerschnittes, zählen somit Millionen

von Fasern.

Sie zeigen e n t w i c k e l u n g s g e s c h i c h t l i c h

e i n e ä h n l i c h e G l i e d e r u n g wie die sensiblen Systeme der inneren Kapsel. Dem System Nr. 1 entspricht dem Rindenursprung nach durchaus die „ P y r a m i d e n b a h n " welche alle am feineren Tasten betheiligten Muskeln innervirt, als einzige direct von der Rinde zu den Ursprungszellen motorischer Nerven von Oblongata und Rückenmark ziehende Bahn (vergl. Tafel Fig. 2 p).18

31

D i e Localisation der geistigen Vorgänge.

Dem System Nr. 3 entspricht

meine

frontale

( T r o s s h i r n r i n d e n - B r ü c k e n b a h n , welche im grossen Brückenganglion — wenigstens grösstenteils — endet. (MEYNERT'S

AitxoLjj'sche Bündel, das innere Drittel des

Fusses bildend — vergl. Tafel Fig. 2 6'). Ob im Fuss auch für das System Nr. 2 ein motorisches Correlat gegeben ist,

vermag ich vorläufig

nicht mit Sicherheit anzugeben; die Möglichkeit ist anatomisch wie entwickelungsgeschichtlich n i c h t von der Hand zu weisen. Die Bahnen, welche von der Körperfühlsphäre zum Sehhiigel leiten, 10 treten hier der Mehrzahl nach in die Gebiete ein, welchc n i c h t zu s i c h e r f e s t g e s t e l l t e n Bahnen

der hinteren Wurzeln in Beziehung stehen.

Es sind dies nach der älteren Nomenclatur der vordere, der innere Kern und das Pulvinar. TSCHISCH

alle

„Hauptkern" zeichnung mässiger.

diese

Theile

unter

zusammengefasst,

„dorso" - mediale

Ich habe mit VON der

Bezeichnung

finde aber

die

Kerngruppe

Be-

zweck-

Die dorso-mediale Kerngruppe umfasst den

ganzen Sehhügel mit Ausnahme des lateralen Kerns, des schalenförmigen Körpers und des centre médian

(LUYS),

also jener Gebilde, welche ich oben als v e n t r o - l a t e r a l e Kerngruppe zusammengefasst habe. auch k e i n e s w e g s

stricte

Wenn es sich nun

nachweisen

gilt es doch zweifellos a potiori,

lässt,

so

dass in die ventro-

laterale Kerngruppe (soweit Stabkranzfasern in Betracht kommen!)

im Wesentlichen

corticopetale,

in

die

32

D i e Localisation der geistigen Vorgänge.

dorso-medíale treten.

Gruppe c o r t i c o f u g a l e Leitungen

ein-

Nur ist dabei zu betonen, dass sich in der

dorsalen und vorderen Sehhügelregion beide Kerngruppen über einander schieben. In der dorso-medialen Kerngruppe steht nun wiederum jede besondere Abtheilung mit einem besonderen Rindengebiet in Verbindung: der vordere Kern vorwiegend mit dem Lobus limbicus (mit dem Ammonshorn speciell durch Fornix, corpus mammillare und

VICQ

n'AzYK'sches Bündel), der innere Kern

in seinem dorsalen äusseren Theil (lateraler Kern von mit den Centraiwindungen, im inneren Theil

MONAKOW)

mit dem Fuss sämmtlicher Stirnwindungen (und dem Streifenhügel).

Das Pulvinar hat mit der Körperfühl-

sphäre nichts zu thun; es steht ausschliesslich init der Sehsphäre in Zusammenhang und vielleicht (!) in seiner vorderen Grenzzone auch mit der Hörsphäre — worüber in der Folge mehr. Die

Bedeutung

dieser

anatomischen

Thatsachen

wird sich erst dann klar beurtheilen lassen, wenn es gelungen sein wird, für die dorso-mediale Kerngruppe des Sehhügels auch a l l e p e r i p h e r e n mit Sicherheit nachzuweisen.

Verbindungen

Gerade hier tappen wir

aber noch vielfach im Dunkeln. 2 0 Die

Frage

nach

den

corticofugalen

Leitungen

der Körperfühlsphäre ist von um so grösserer Bedeutung, als

innerhalb

Regionen machenden

dieser

liegen,

Sphäre

deren

Experimenten

die

Kenntniss der

„motorischen" wir

Herren

den

epoche-

FKITSCH

und

33

Die Localisation der geistigen Vorgänge. HITZIG

verdanken.

HORSLEY

Nach den Versuchen der Herren

und BEEVOR an der Hirnrinde und Capsula

interna des Orang-Utang zweifle ich nicht, dass hier (vielleicht n i c h t bei den niederen Säugethier-Ordnungen) lediglich die Bahnen elektrisch erregbar sind, w e l c h e im G r o s s h i r n s c h e n k e l f u s s v e r l a u f e n — die Bahnen für die eigentlichen Willkürbewegungen. Die Körperfühlsphäre hat aber ausserdem, nach klinischen Erfahrungen zu schliessen, auch nahe Beziehungen zur Athmungsmuskulatur (einschliesslich der Bauchmuskeln) und zum Circulationsapparat (zur Pulsfrequenz und Gefässweite und hierdurch zur Körpertemperatur).

Vermuthlich sind in den

corticopetalen

Bahnen der Körperfühlsphäre demgemäss auch Leitungen enthalten, welche die Organ-Empfindunger jener Körpertheile vermitteln, sodass neben Durst und Wollust etc. auch Geschehnisse im Respirations- und CirculationsMechanismus, die Contractionszustände aller willkürlich beeinflussbaren Muskeln u. a. m. durch Vermittelung der Körperfühlsphäre zu Bewusstsein kommen. Hierdurch aber wird es in hohem Grade wahrscheinlich gemacht, dass der Körperfühlsphäre auch am Bewusstwerden

der

die A f f e c t e begleitenden (bezw.

constituirenden) körperlichen Vorgänge (der Verminderung und Steigerung der Muskel-Innervation etc.), ein "wichtiger Antheil

zufällt,

insofern das Centraiorgan

21

dass

die Körperfühlsphäre

der psychischen Spiegelung

affectiver Körperzustände bildet und die entsprechende 8

34

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Componente zu den Gemüthsbewegungen stellt — ein für die Psychiatrie unendlich wichtiger Gesichtspunkt, auf welchen ich aber Mangels an Zeit hier nicht weiter einzugehen vermag.

2. Riechnerv. Die centralen Leitungen des Riechnerven entwickeln sich n a c h dem System Nr. 1 der hinteren Wurzeln. Nach Herrn EDINGEE tritt in der Wirbelthierreihe die Riechsphäre zuerst auf; ist dies richtig, so besteht zwischen der Ontogenie des Menschen und der Phylogenie kein Parallelismus. Die Reihenfolge der Entwickelung der corticalen Sinnessphären des Menschen zeigt einen besonderen Typus; es beginnt beim Menschen der am Tasten so wesentlich betheiligte und so vollkommen ausgebildete „Muskelsinn", nicht der relativ bedeutungslos gewordene Geruchsinn. — Zur Zeit, wo die Nervenfasern des Tractus olfactorius Markscheiden erhalten haben (gegen Ende des 9. Monats), sind in ihrem ganzen Ausbreitungsgebiet andersartige Fasersysteme nicht markhaltig, so dass es leicht gelingt, die corticalen Endstationen des Riechstreifens (soweit nicht etwa später noch weitere Faserzüge hinzukommen) scharf zu umgrenzen. Hierbei ergiebt sich, dass eine frontale und eine temporale Riechsphäre zu unterscheiden sind. Erstere umfasst den g e s a m m t e n hinteren Rand der Basis des Stirnlappens und den basalen Theil des Gyrus fornicatus; letztere den Uncus und einen Theil des benach-

35

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

barten „inneren" Pols des Schläfenlappens. Beide Sphären hängen am Grund der Insel zusammen. Von der frontalen Riechsphäre gelangen Leitungen, welche sich sehr frühzeitig entwickeln, durch die Stria tecta in den mittleren Abschnitt des Gyrus fornicatus, spätere

(FOKEL'S

Fornix

longus vergl. Tafel Fig. 2 F.l.) in das Septum pellucidum. welch' letztere, den Balken durchsetzend, als Bestandt e i l des Cingulum von hinten-oben her in das Ammonshorn (Alveus) eintreten (Fig. 3 .SC im Querschnitt). Die Stria medialis Lancisi nimmt einen ähnlichen Verlauf. Von der temporalen Eiechsphäre

aus zieht ein

besonders früh sich mit Mark umhüllendes Associationssystem

von vorn-unten

her (vergl. Tafel Fig. 2) in

das Ammonshorn (gleichfalls in den Alveus).

Sonach

hat das Ammonshorn nahe Beziehungen zu allen Theilen der Eiechsphäre, und es liesse sich daran denken, dass es an der Vermittelung von Geruchsempfindungen wesentlich betheiligt ist.

Hiergegen spricht nicht, dass

auch die hinteren Wurzeln Leitungen zum Ammonshorn entsenden, da bekanntlich der Trigeminus am Riechen wesentlichen Antheil hat und auch der Geschmack mit dem Geruch innig associirt ist.

Immerhin muss die

Möglichkeit im Auge behalten werden, dass i n s b e s o n d e r e dem S u b i c u l u m c o r n u A m m o n i s ,

welches,

wenigstens zum Theil, n i c h t d i r e c t m i t d e r R i e c h s p h ä r e , wohl a b e r m i t d e m l a t e r a l e n

Sehhügel-

k e r n (s. o.) z u s a m m e n h ä n g t , eine andersartige Function zukommt. — Sowohl von der frontalen als temporalen 3*

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

36

Riechsphäre gehen weitere Bahnen aus (zum Globus pallidus des Linsenkerns und zum Thalamus), welche vermuthlich corticofugale Reflexbahnen darstellen.

Be-

ziehungen zum Hirnschenkelfuss konnte ich nicht sicher nachweisen. Ueber die Lage der S c h m e c k s p h ä r e vermag ich auf Grund anatomischer Untersuchungen sichere Angaben nicht zu machen. Bereich

oder

am Rand

Riechsphäre zu suchen.

Sie ist wohl zweifellos im der Körperfühlsphäre

oder

12

3. Sehnerv. Der Sehnerv entwickelt sich beim Menschen nach dem Riechnerv; er lässt noch Mitte des 10. Monats Mark nur nach einer gewissen extrauterinen Lebensdauer erkennen, sodass also jüngere Früchte mit marklosem Sehnerv auf die Welt kommen.

Untersucht man nun

den Verlauf des Tractus bei reifen Neugeborenen, so lassen sich d i r e c t Fasern zum ä u s s e r e n K n i e h ö c k e r und

von da aus

zum vorderen Yierhügel verfolgen.

Dass aus dem Nervus opticus ein Bündel in den Thalamus opticus eintritt und hier endet — d a v o n h a b e ich m i c h b e i m M e n s c h e n n i c h t s i c h e r ü b e r z e u g e n können.

Wohl aber tritt aus dem äusseren Kniehöcker

ein mächtiges Bündel zunächst in das Pulvinar des Sehhügels ein, welches zum Theil eine directe Fortsetzung des Tractus opticus v o r t ä u s c h t , offenbar aber aus den Zellen des Kniehöckers hervorgeht, also eine i n d i r e c t e

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Fortsetzung des Sehnerven darstellt;

37

ich will es „Seh-

strahlung im engeren Sinne" oder Stabkranz des äusseren Kniehöckers nennen.

Auch dieses Bündel endet

aber

nicht, selbst nicht zu einem kleinen Theil im Sehhügel, sondern es geht in die S e h S t r a h l u n g

GKATIOLET'S

über

und gelangt durch diese zur Rinde der F i s s u r a calcarina, insbesondere zu dem durch den

VICQ

u'AzYR'schen

Streifen schon makroskopisch ausgezeichneten Theil des Cortex. Man kann dies bei Neugeborenen sehr leicht nachweisen, da hier die Sehstrahlung im engeren Sinne völlig isolirt als markhaltiger Strang im verläuft.

Ich

halte

es

sonach

für

Hinterhauptslappen unerwiesen,

dass

beim Menschen der Sehhügel ein Internodium auf der Bahn der Sehnerven zur corticalen Sehsphäre bildet. Auch die Sehstrahlung im weiteren Sinne d. h. im Sinne

GKATIOLET'S

und der Neueren ist keineswegs in

allen Theilen einfach nur Sehleitung; übertrifft sie doch an Querschnitt den T r a c t u s opticus um mehr als Fünffache, dient also auch anderen Functionen. erwähnt wurde,

das

Bereits

dass ein noch vor der Sehleitung er-

scheinendes Bündel von der (hinteren) lateralen K e r n gruppe des Sehhügels her sich der Sehstrahlung (?) beigesellt. der

Dazu kommen an Masse weit überwiegend n a c h

Sehleitung

entstehende

Faserbündel,

welche

zum

Pulvinar in Beziehung stehen, a b e r wie ich annehme, in der Hauptsache nicht corticopetal, sondern fugal leiten.

cortico-

S i e nehmen in der Sehstrahlung nirgends

einen Abschnitt für sich ein, sondern sind überall ge-

38

Die Locaüsation der geistigen Vorgänge.

mischt mit Fasern, welche aus dem äusseren Kniehöcker bez. vorderen Vierhügel hervorgehen. Ihr Ursprungsgebiet in der Rinde umfasst auch den gesammten Cuneus und den Lobulus lingualis 22 bis zur basalen Fläche des Hinterhauptes-Schläfenlappens (vergl. Tafel Fig. 1. 2). Ich bezeichne nun den gesammten Rindenbezirk, zu welchem die „Sehstrahlung im w e i t e r e n Sinn" in Beziehung tritt, als „SehSphäre". Er umfasst die g e s a m m t e Innenfläche des Hinterhauptslappens, an der Convexität nur eine schmale Zone im Bereich der ersten Occipitalwindung und des Polus occipitalis, n i c h t a b e r die äusseren Occipitalwindungen bezw. den Gyrus angularis. In jenem Bezirk ist die Sehsphäre sensu strictiori enthalten; sie geht nicht darüber hinaus, aber fraglich bleibt, ob wirklich alle einzelnen Stücke dieses Bezirks an den Gesichtsempfindungen betheiligt sind. Diese lediglich auf die Ergebnisse der entwickelungsgeschichtlichen Untersuchung sich gründenden Anschauungen werden glänzend bestätigt durch das Studium der secundären Degenerationen, sofern dieselben kritisch verwerthet werden.23 Bei Erweichung, welche ausschliesslich das Gebiet der Fissura calcarina betrifft, degenerirt das Mark des Hinterhauptslappens und des Sehhügels an allen den Stellen, wo beim jungen Kind die Sehstrahlung im engeren Sinn deutlich hervortritt, bis zum vorderen Vierhügel. Der äussere Kniehöcker kann hierbei in a l l e n s e i n e n T h e i l e n e n t a r t e t gefunden werden — woraus folgt, dass die ausserhalb

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

39

der Fissura calcarina gelegenen Gebiete der Sehsphäre nur beschränkten Antheil an den eigentlichen Sehleitungen haben können. Das Pulvinar zeigt auch ausserhalb der Sehstrahlung im engeren Sinne eine partielle Degeneration; es entartet in um so grösserer Ausdehnung, je mehr von dem ausserhalb der Fissura calcarina gelegenen Theil der Sehsphäre mit zerstört wird. Indem der obere Theil der Sehstrahlung im weiteren Sinne, welcher aus der Rinde des Cuneus und der ersten Occipitalwindung hervorgeht, durch das Mark des Scheitellappens unweit dem Gyrus angularis zum Sehhügel bezw. zur inneren Kapsel verläuft, haben Herde im Scheitellappen, insbesondere solche, welche unter dem Gyrus angularis gelegen sind, leicht eine secundare Degeneration des oberen Theiles der Sehstrahlung zur Folge, eine Thatsache, welche zu mannigfachen Trugschlüssen über die Zugehörigkeit des Gyrus angularis zur Sehsphäre etc. verleitet hat. 23 Der Gyrus angularis hat selbst mit der Sehstrahlung im weiteren Sinn nichts zu schaffen; er gehört nicht zur Sehspäre, wie dies insbesondere VIALET 24 auf Grund sorgfaltiger Untersuchungen klar ausgesprochen h a t Ja, im Gyrus angularis lassen sich überhaupt nicht corticopetale oder corticofugale Leitungen also „Projectionfasern" sicher nachweisen. Was als Stabkranz desselben beschrieben wird, sind thatsächlich entweder Theile der „Sehstrahlung" im weiteren Sinne

40

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

oder die Bändel, welche entsprechend der Linie 2' Fig. 1 S. 18 verlaufen oder auch zur Bahn 1' gehörige Faserzüge. Und hiermit harmoniren vollständig die Resultate der k l i n i s c h e n B e o b a c h t u n g : Hemianopsie bezw. überhaupt Anästhesie der Netzhaut tritt von der Hirnrinde aus nur ein bei Zerstörungen an der Innenfläche bezw. am Pol des Hinterhauptslappens — dies hat schon Herr NOTHNAGEL 188725 auf Grund einer Anzahl sorgfältiger Beobachtungen Früherer, unter Anderen auch HerrnWILBEAND'S, ausgesprochen, und alle neueren Untersuchungen, von denen ich nur die des Herrn H E N S C H E N hervorheben will, haben dies bestätigt. Verletzungen des Gyrus angularis haben, sofern die darunter liegende Sehstrahlung nicht gleichzeitig zerstört ist, Gesichtsfelddefecte nicht zur Folge.26 Somit sind auch die Ansichten F E R R I E B ' S über die Lage der Sehsphäre für den Menschen nicht gültig. 4. Hörnerv. Die Hörleitung, wenigstens der von der Schnecke ausgehende Theil, entwickelt sich in ihrem centralen Abschnitt erst nach der Geburt also zuletzt von allen Sinnesleitungen; sie nimmt insofern die höchste Stelle unter den Sinnesleitungen des Menschen ein, welcher denn auch zweifellos im Hinblick auf musikalische Begabung alle Lebewesen weit übertrifft. Ich habe mit Herrn v. B E C H T E R E W nachgewiesen, dass der Schneckennerv durch Vermittelung der lateralen

41

Die Localisation der geistigen VorgäDge.

Schleife und (beim Menschen wenigstens) spärliche Fasern der Formatio reticularis

mit dem unteren Vierhügel-

Ganglion in Verbindung tritt, während es das Verdienst des Herrn v. MONAKOW ist, nachgewiesen zu haben, dass der mit dem unteren Vierhügel

ausgiebig

innere

Kniehöcker

Rinde

lappens

und

sammenhängt.

mit

der

zwar ausschliesslich

verbundene

des

Schläfen-

dieses Lappens

zu-

Die Leitung von der Schnecke zur Hirn-

rinde ist also gegenwärtig wohl bekannt. Die

klinische Beobachtung

hatte

schon

vorher

darauf hingewiesen, dass es e i n e b e s o n d e r e u m s c h r i e b e n e Gegend des Schläfenlappens ist, Gehör in näherer Beziehung steht.

welche zu dem

Herrn WEBNICKE's

epochemachende Localisation der „sensorischen Aphasie" ist hier in erster Linie zu nennen; die corticale Form der sensorischen Aphasie (im Sinn der Herren LICHTHEIM und WEKNICKE), besser wohl als „perceptive Form der Worttaubheit" zu bezeichnen, ist gesetzmässig an Läsionen der ersten Schläfenwindung in der Regel der linken Seite geknüpft,

Herr NAUNYN27 hat die Region

näher bestimmt, welche hier in Betracht kommt und etwa das dritte und vierte Fünftel der Windung von vorn her gerechnet als meistbetheiligt hingestellt.

Dieses

Gebiet ist es nun, welches sowohl durch die Entwickelungsgeschichte als die secundären Degenerationen

als

Rindensphäre des Nervus cochlearis erwiesen wird. Insbesondere Herr v. MONAKOW hat vor kurzem 2 " gezeigt, dass gerade bei Zerstörung d i e s e r Gegend der

42

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

innere Kniehöcker und zwar eventuell über seinen ganzen Querschnitt entartet. Noch schärfer lässt sich aber an etwa zweimonatlichen Kindern Lage und Umfang der Hörsphäre erkennen durch den Umstand, dass die Strahlung (das Stabkranzbündel) des inneren Kniehöckers weit früher als alle anderen Faserzüge des Schläfenlappens Markscheiden erhält. Hierbei ergiebt sich nun, dass es die beiden b i s h e r n u r wenig gew ü r d i g t e n Q u e r w i n d u n g e n des Schläfenlappens sind, welche die Hörsphäre bilden, vorzüglich die vordere Querwindung (vergl. Tafel Fig. 1). Beide liegen in der Tiefe der Fossa Sylvii verborgen, hängen aber mit der aussen sichtbaren ersten Schläfenwindung, der WEKNiCKE'schen Windung, insofern innig zusammen als sie gewissermaassen die Wurzeln derselben bilden. Sie schieben sich ein zwischen den hinteren Inselrand und den aussen freiliegenden Theil der ersten Schläfenwindung, und zwar genau in j e n e m A b s c h n i t t , welchen H e r r Naunyn als Zone der sensorischen A p h a s i e a b g e g r e n z t hat. Zu allen diesen Belegen für die akustische Bedeutung dieser Rindenbezirke kommt schliesslich noch die Thatsache, dass in allen bisher bekannt gewordenen Fällen t o t a l e r T a u b h e i t in Folge doppelseitiger Rindenzerstörung beim Menschen stets die Gegend der Querwindungen beiderseits lädirt war, und dass auch Fälle einseitiger Taubheit oder Schwerhörigkeit bei einseitigen Herden auf einer Verletzung dieser Region oder ihres Stab-

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

43

kranzes (z. B. auch durch Tumoren des Scheitellappens) bezw. ihrer zuleitenden Fasern in der inneren Kapsel beruhten. Auch zur Hörsphäre gehört ein besonderes m o t o r i s c h e s Fasersystem. Die äusseren Bündel des Hirnschenkelfusses (TüRK'sche Bündel MEYNERT, temporale Grosshirnrinden-Brückenbahn FLECHSIG) gehen zweifellos zum guten Theil aus der Hörsphäre bezw. ihrer nächsten Umgebung hervor und verbinden dieselbe mit dem grossen Brückenganglion, insbesondere dessen distalen Abschnitten. Ein kleiner Theil dieser Bündel bleibt aber, wie es scheint, regelmässig intact auch bei Zerstörung der gesammten(?) Hörsphäre. Wo diese 2 9 Fasern des Hirnschenkelfusses entspringen, vermochte ich noch nicht sicher festzustellen, eine recht fühlbare Lücke in meinen Untersuchungen, da dieselbe verhindert, die corticalen Ursprungsbezirke der gesammten Bahnen des Fusses scharf zu umgrenzen. Bemerken will ich aber, dass der Gyrus angularis auch hier nicht in Betracht kommt, da bei totaler alter Zerstörung desselben wiederholt die fraglichen Bündel eine Degeneration n i c h t zeigten. Auch zur Grenzregion von Pulvinar und innerem Kern des Thalamus gelangen Fasern der Hörsphäre, so dass hier eine zweite corticofugale Bahn gegeben sein könnte. Dass dem N e r v u s v e s t i b u l a r i s ein Antheil an der Hörsphäre des Schläfenlappens zukommt, ist nicht erwiesen. Der Nerv der Bogengänge verläuft wie die

44

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

meisten hinteren Wurzeln der Oblongata, so dass man seine corticale Endstation am ehesten in der Körperfühlsphäre suchen möchte. 12 Ob er zum Thalamus in Beziehung steht, ob ihm ein b e s o n d e r e r „Kern" in demselben zugehört, ist unbekannt; wohl zweifellos besitzt er reiche Verbindungen mit dem L i n s e n k e r n !

5. Xichtlocalisirte Triebgefühle. Sehen wir von den Localzeichen der Triebe ab, so verbleiben jene dumpfen Sensationen, welche vielfach nur als eine vage allgemeine Unruhe wahrgenommen also zum Theil erst mittelst der secundaren Folgezustände einer dunkeln primären Eeizung bewusst werden. handelt sich hier

wohl um directe Erregungen

Es der

Centraiorgane selbst, insbesondere durch in den Gewebsflüssigkeiten

enthaltene Substanzen, wechselnde Weite

der Blutgefässe u. dergl. m.

Am besten bekannt sind

die durch C0 3 -Ueberladung des Blutes

entstehenden

Beklemmungsgefühle, welche theilweise peripher jicirt

und

somit

localisirt

pro-

werden, zum Theil jeder

Localisation unzugänglich sind.

Das Gleiche gilt von

den „sinnlichen Trieben" und zahlreichen unter pathologischen

Verhältnissen

auftretenden

Zuständen

wie

„innere Spannung", Angst u. dergl. m., welche zu mototorischen Entladungen „drängen" und so ohne weiteres sich als den Trieben nahe verwandt legitimiren. Die

hierbei

in

die Erscheinung

tretenden

Be-

wegungen gehen, wie bereits oben angedeutet, nicht

45

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

sämmtlich von der Grosshirnrinde aus,

werden viel-

mehr auch durch niedere Centren ausgelöst, wie die Beobachtung grosshirnloser Missgeburten und von achtmonatlichen Frühgeburten

zeigt.

Hier ist nun

wohl

die Thatsache nicht ohne Interesse, dass sich in der Oblongata ganz besonders frühzeitig Gruppen grosser Zellen

der

Formatio

reticularis

differenziren, deren

Axencylinder-Fortsätze in Fasern der spinalen VorderSeitenstränge (Grundbündel) übergehen, und dass diese offenbar

centrifugalen

Leitungen

wohlausgebildete

Markscheiden schon zu einer Zeit erkennen lassen, wo die sensiblen Wurzeln der Medulla oblongata Nervenmark noch nicht besitzen.

Jene Zellen und

Fasern

sind also fertig ausgebildet und funetionsfähig s c h o n zu e i n e r Z e i t , wo die h i n t e r e n W u r z e l n e m b r y o n a l erscheinen. wahrscheinlich, „Automatie"

noch

Hierdurch aber wird es höchst

dass für die niederen Hirntheile die

und

nicht

der

ReHex

die

Primärform

der centralen Functionen darstellt. Die sensiblen Nerven wirken nach ihrer Fertigstellung regulirend

auf

Centren

ein,

auslösend

welche

schon

eventuell vorher

existirten und funetionsfähig waren. In dieser Hinsicht besteht nun

ein

bemerkens-

i werther Gegensatz zwischen Grosshirnrinde und verlängertem Mark.

Die motorischen Bahnen der corti-

calen Sinnessphären entstehen a u s n a h m s l o s e r s t n a c h Fertigstellung der sensiblen; in strenger Gesetzmässigkeit gilt dies für alle zusammengehörigen corticopetalen

46

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

und corticofugalen Leitungen. In der Grosshirnrinde ist also der Reflex die Primärform der motorischen Bethätigung. Alle Willenshandlungen entstehen aus Rindenreflexen, gründen sich auf psychisch-reflectorische Vorgänge — eine für die Auffassung der „Willensentwickelung" bedeutsame Thatsache. Bevor ich nun eine Gesammtübersicht über die Sinnescentren gebe, habe ich mich noch mit einer klinischen Erscheinung abzufinden. Herr WERNICKE glaubt bekanntlich im u n t e r e n S c h e i t e l l ä p p c h e n ein motorisches Centrum für conjugirte Bewegungen von Augen und Kopf erblicken zu sollen. Was ist es damit? Zuzugeben ist, dass bei Verletzung dieser Gegend, insbesondere aber bei t i e f e r e n Erweichungsherden hier besonders häufig seitliche Ablenkung von Augen und Kopf beobachtet wird. Dabei zeigen in der Regel die contralateralen Extremitäten und Gesichtsmuskeln Lähmungserscheinungen — seltener Reizungserscheinungen in Form von Krämpfen. Im ersteren Fall „sehen die Augen den Herd an", im letzteren sehen sie von ihm hinweg; im ersteren Fall sind z. B. bei linksseitigem Herd die Rechtsdreher gelähmt, im zweiten krampfhaft contrahirt. Herr WERNICKE legt nun grosses Gewicht auf die Annahme, dass man es hier mit einem sogenannten d i r e c t e n Herdsymptom von Rindenerkrankung zu thun habe, nicht mit einer .Fernewirkung. Trotz seiner scharf-

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

47

sinnigen Beweisführung kann ich mich doch nicht mit seiner

Anschauung

anatomischen gebiet

befreunden;

Gründen.

entbehrt,

wie

in

Das

bereits

erster Linie

betreffende

oben bei der

aus

Rinden-

Sehsphäre

erwähnt wurde, nach den Ergebnissen sowohl der entwickelungsgeschichtlichen, als der TüRK'schen Methode, der

Projectionsfasern;

vorsichtiger ausgedrückt: es ist

wenigstens sehr arm daran. D a z u kommt,

dass gerade in dieser Gegend zwei

F a s e r z ü g e verlaufen, welche höchst wahrscheinlich

auf

die Augenbewegungen Einfluss haben, die Sehstrahlung und

die temporale

Hörsphäre;

sowohl

Grosshirnrinden-Brückenbahn Reizung

der

Seh-

als

der

der Hör-

sphäre macht beim Thier conjugirte Augenablenkung. Und endlich lassen sich die Symptome, welche am K r a n k e n beobachtet werden, schwer mit der Annahme eines

Centrums

vereinigen.

meist nur wenige T a g e ;

Die

Ablenkung

dauert

das Centrum wird also schon

nach wenigen T a g e n entbehrlich, ohne dass ein anderes Gelegenheit findet, sich einzuüben.

Auch

dieselben

vorderen

Erscheinungen

der Centralwinduugen aus;

vom

und

entstehen Rand

äusserst selten treten

sie ohne Betheiligung der Extremitäten etc. auf, so dass schon hierdurch das Bestehen einer hemmenden Fernewirkung nahegelegt wird. Soviel ich sehe, haben sich schon aus diesem Grund nur w e n i g e A u t o r e n H e r r n WERNICKE e n t s c h i e d e n angeschlossen.

Zu

dem

allen

kommt

aber,

dass

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

48 im

Mark

des

unteren

Scheitelläppchens

ein

mächtiger Faserzug offenbar ein „Associationssystem" verläuft, welches nach vorn mit der sicher nachgewiesenen motorischen Gegend für Kopf und Augen zusammenhängt — worüber in der Folge noch mehr. Es sprechen also weit mehr Gründe für die Annahme, dass es sich um ein i n d i r e c t e s Herdsymptom handelt. Hierdurch

aber

entfällt

die Nothwendigkeit

im

Gyrus angularis ein besonderes o p t i s c h - m o t o r i s c h e s Feld zu suchen. Es giebt indess in d e r N ä h e der fraglichen Kegion einen

Windungs-Abschnitt,

welcher

entwickelungsge-

schichtlich eine gewisse Sonderstellung einnimmt: Das V e r b i n d u n g s s t ü c k zwischen zweiter Temporalwindung und zweiter Occipitalwindung; ich will es der Kürze halber G y r u s s u b a n g u l a r i s nennen, da es nach oben an den Gyrus angularis (soweit man einen solchen beim Menschen abgrenzen kann) anstösst. Dieser Rindenbezirk (vergl. Tafel Fig. 1

+ + + )

geht in Bezug auf das Auftreten

markhaltiger Bündel der Umgebung voraus.

Obwohl

einzelne dieser früh markhaltigen Fasern in die Sehstrahlung eintreten, halte ich es doch nicht für erwiesen, dass es sich hier

etwa

um

optische

oder

optisch-

motorische Projectionsbündel handelt; denn dieselben lassen sich b e i e i n e r

gewissen

meist bis in das Tapetum

30

Schnittrichtung

und in die Balkenfaserung

verfolgen; andere gelangen im Tapetum nach vorn in eine Gegend,

wo zahlreiche Fasern

aus der

ersten

49

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Schläfenwindung von vorn her ins Tapetum einstrahlen. Zahlreich sind Faserbündel, welche vom G. subangularis nach rückwärts zur Sehsphäre ziehen, noch reichlicher an Zahl solche, die längs der Aussenfläche der Sehstrahlung aufsteigend zur Gegend der Centraiwindungen, besonders der mittleren Abschnitte Gerade

diese

letzteren Fasern

deren Verletzung nach

sich

verfolgen

lassen.

passiren die Stellen, conjugirte

WEKNICKK

Augen-

ablenkung zur Folge hat. Soweit meine Untersuchungen bisher reichen, kann ich im Gyrus subangularis nur ein Rindengebiet erblicken, welches ungemein ausgiebige associative Bezieh angen zur Sehsphäre

einerseits,

zur Körperfünl-

sphäre andererseits, in geringerer Ausdehnung auch zur Hörspliärc zeigt,

Projectionsfasern können nur in ge-

ringer Zahl darin vorhanden sein -— und hiermit stimmt auch die pathologische Beobachtung überein, insofern bei oberflächlichen Herderkrankungen der Thalamus,

dieser

Gegend

die innere Kapsel etc. secundare De-

generationen nicht zeigen. 23 Hiernach ist kaum ein Zweifel möglich daran, dass die Sinnessphären keineswegs die gesammte Hemisphärenoberfläche einnehmen.

Sie bilden nur einen Theil der

Grosshirnrinde und berühren sich untereinander nirgends direct. Bevor ich nun die Consequenzen dieser fundamentalen Thatsache

ziehe, habe

ich

zunächst

auf

den

F u n c t i o n s k r e i s der Sinnescentren näher einzugehen. 4

50

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

II. In welchem Umfang betheiligen sich die Sinnessphären der Grosshirnrinde an den Erscheinungen des Bewusstseins bezw. den geistigen Vorgängen überhaupt? Kaum zweifelhaft kann es hier sein, dass alles was den Charakter „sinnlicher Schärfe", der „Sinnenfälligkeit" an sich trägt, auf ihre Rechnung zu setzen ist, ja vermuthlich ausschliesslich auf ihre Rechnung. Man denke sich die Sinnessphären entfernt, und neben dumpfen unbeschreiblichen Gefühlen werden nur noch Erinnerungsbilder das Bewusstsein bilden, d. h. nur ein Traumleben wird noch denkbar sein. Mit Zerstörung beider Sehsphären schwindet alles was den Charakter von Gesichtsempfindungen an sich trägt; der Kranke sieht absolut nichts mehr — wenn derartige Individuen gelegentlich noch Gesichtsempfindungen zu haben glauben, so erweisen sich dieselben bei näherer Untersuchung als Phantasiegebilde. Kranke mit doppelseitiger Zerstörung der H ö r s p h ä r e sind absolut taub — irgend eine functionelle Substitution der zerstörten Theile in Bezug auf diese Sinnesempfindungen tritt nie ein; es vermittelt beim Menschen n u r die Sehsphäre Gesichtsempfindungen, nur die Hörsphäre Gehörsempfindungen. Die specifische Energie der einzelnen Sinne kommt erst durch die corticalen Sinnessphären zur Geltung.31 Sollten die subcorticalen

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

51

Sinnescentren überhaupt irgend etwas dem Bewusstsein ähnliches vermitteln, weislich

über

so erhebt sich dies nicht nach-

dumpfe

unlocalisirbare

Organempfin-

dungen. Dies gilt wenigstens der klinischen E r f a h r u n g nach f ü r die h ö h e r e n Sinne des Menschen! Bezüglich der K ö r p e r f ü h l s p h ä r e lässt sich allerdings nicht mit Sicherheit in Abrede stellen, dass eine Substitution ihrer psychischen Leistungen, w e n i g s t e n s e i n e s T h e i l e s ihrer Empfindungsqualitäten durch subcorticale Centren möglich ist.

Man könnte h i e r u. a.

auch an Substitution durch den Streifenhügel denken, welcher

reiche

Abzweigungen

hinteren Wurzeln erhält. 3 3 Feststellung

Fälle

von

von

den Bahnen

der

E s würden zur endgültigen totaler

Zerstörung

beider

K ö r p e r f ü h l s p h ä r e n mit erhaltener Aeusserungsfähigkeit für innere Zustände nothwendig sein; diese Forderung

enthält

aber

eine

Contradictio

in adjecto



ohne Körperfühlsphäre keine Aeusserung intellectueller Vorgänge.

Höchstwahrscheinlich

können

sich

beide

Sphären weitgehend vertreten — wie dies j a auch beim Gehör der F a l l — , sodass selbst bei totalem Mangel einer Hemisphäre

halbseitige Aufhebung der

cutanen

und der Organ-Empfindungen nicht deutlich ausgeprägt ist.

Hiermit stimmen auch einzelne Erfahrungen über

weitgehende Vertretungen beider Hemisphären in Bezug auf die Motilität, die wir f r ü h e r für unmöglich gehalten haben würden 3 3 , durchaus überein. Ist nach

dem

früher Bemerkten

der

„wache"4*

52

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Zustand als eine Function der corticalen Sinnessphären aufzufassen, so handelt es sich hier keineswegs nur um rein passive Leistungen; vielmehr giebt sich schon in den reinen Sinneswahrnehmungen, in der Bewusstseinsspiegelung

simultaner

Thätigkeit

Eindrücke

eine

Arbeit,

eine

des Gehirns kund, welche wir auf die

Sinnessphären zu beziehen haben.

Die Verknüpfung

einer Mannigfaltigkeit z. B. von Tastreizen zur Wahrnehmung eines umgrenzten in sich zusammenhängenden Ganzen, d. h. die Anschauung einer räumlichen Ordnung der Einzeleindrücke ist in erster Linie als eine Leistung

der Tastsphäre anzusehen.

Denn

mit Er-

krankung derselben geht diese Fähigkeit verloren, während die Zerstörung anderer Theile der Rinde sie nicht nothwendigerweise beeinträchtigt. Werden z. B. die linken Centraiwindungen etwa in der Mitte auch nur partiell zerstört, so verliert der Kranke die Fähigkeit, die Form eines beliebigen Gegenstandes lediglich mit Hülfe der rechten Hand richtig zu erkennen und so den Gegenstand richtig zu bezeichnen, auch wenn er zahlreiche Einzeleindrücke von dem Object erhält. Herr WEKNICKE, welchem das grosse Verdienst zukommt, auch diese Erscheinung analysirt und localisirt zu haben 3 4 , ist allerdings zu einer anderen Auffassung ihrer

Wesenheit

gelangt.

Er

führt

die

fragliche

Störung in erster Linie zurück auf einen Defect des Erinnerungsvermögens.

Erkennt

hierbei

der Kranke

einen Apfel, einen Kamm u. dgl. Objecte nicht als

Die. Locii.lisn.tion d e r g e i s t i g e n

53

Vorgänge.

solche, so soll ihm das „tactile" Erinnerungsbild des Apfels, des Kamms verloren gegangen und es ihm d e s h a l b unmöglich sein, das Object, welches er in der Hand hält, w i e d e r z u e r k e n n e n , zu „identificiren". Herr WERNICKE

weist zum Beleg dafür darauf hin, dass in

den fraglichen Fällen die sensiblen Componenten des Tastsinns

bei P r ü f u n g

im

Einzelnen

keineswegs

immer hochgradige Störungen zeigen, dass also eine Anomalie des Wahrnehmungsvorganges nicht die wesentlichste Grundlage der Taststörung abgeben könne. Man finde bei Erkrankung peripherer Nerven viel stärkere Anästhesien des Muskelsinns, des Tastsinns etc. ohne Aufhebung des stereognostischen Erkennens.

Ich

möchte dem gegenüber auf zweierlei hinweisen. Einmal

können

wir

nicht

alle

an

diesem

Er-

kennen betheiligten Factoren mittelst unserer gebräuchlichen Untersuchungsmethoden feststellen; höchst wahrscheinlich spielen dabei aucli unbewusste Elemente eine wie mir scheint nicht unwichtige Rolle. Noch triftiger als dieser Einwand

erscheint

immerhin

mir folgender.

theoretische

Kranke

mit

der

WEKNicKE'sclien Taststörung können Objecte mittelst der Hand nicht nur nicht als Ganzes erkennen; sie können sie auch n i c h t im E i n z e l n e n

richtig

be-

s c h r e i b e n ; ihre Beschreibung zeigt grosse Lücken in der Wahrnehmung, viel grössere als man sie nach den Ergebnissen der Prüfung der Sinnesqualitäten im Einzelnen vermuthen sollte.

Da man nun unter normalen

54

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Verhältnissen

die Form

eines jeden

nie vorher

ge-

fühlten Gegenstand richtig beschreiben kann, so spielen hierbei die Erinnerungsbilder ganzer Objecte nur eine secundare

Eolle.

Die

Verknüpfung

der

neben

und

nach einander stattfindenden Einzeleindrücke zu einem einheitlichen Gesammteindruck ist das wesentlichste — und das gerade leidet wie mir scheint, bei der WERNIOKE'schen Taststörung.

E s handelt sich um eine s e n -

sible C o o r d i n a t i o n s s t ö r u n g , eine sensible A t a x i e , vermuthlich in Folge Störung des inneren Zusammenhanges, der anatomischen Ordnung innerhalb der Tastsphäre. 35 Ich glaube mich, mit dieser Deutung, auch keineswegs mit Herrn WERNICKE in Widerspruch zu setzen. Derselbe

hat

selbst

hervorgehoben,

dass

der

Vor-

gang bei der fraglichen Taststörung „ganz v o r u r t e i l s los" dahin präcisirt werden könne, dass die (Object)Vorstellungen

durch

den Vorgang

mehr h e r v o r g e r u f e n werden.

des Tastens

nicht

Diese Fassung kommt,

wie mir scheint, mit meiner Auffassung im wesentlichen überein.

Zur Auslösung einer richtigen Object-Vorstel-

lung bedarf es einer w e n i g s t e n s t h e i l w e i s e correcten Ordnung der elementaren Tasteindrücke. es

associativ

welche

die

zur

Auslösung

Lücken

von

im Eindruck

Nur so kommt

Erinnerungsbildern, ergänzen.

In

der

Eegel wird auch der Name des getasteten Objectes erinnert,

und im Anschluss

zahlreiche Erinnerungsbilder

hieran

treten

von

neuem

objectiver Natur ins Be-

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

wusstsein.

55

Die Zerstörung der Tastsphäre

schneidet

alle diese associativen Vorgänge, welche für die Ergänzung der Tasteindrücke von grösster Bedeutung sind, an der Wurzel ab — aber die Ursache ist

psychisch

genommen doch die qualitativ veränderte, die „ataetische"

Wahrnehmung.

Insofern

derartige

sensible

Ataxien durch Erkrankungen sowohl der Tast- als der Sehsphäre 3 7 entstehen,

ist der Beweis gegeben,

diese letzteren die Einzeleindrücke, pheren

Endorgane

ordnen

zu

gesondert aufnehmen,

Anschauungen.

Die

zusammen-

räumliche

s c h a u u n g ist zunächst eine Function Sinnessphären;

dass

welche die peri-

der

An-

corticalen

und dasselbe gilt auch für die Wahr-

nehmung der z e i t l i c h e n Ordnung von Gehörseindrücken, also von ä u s s e r e n Vorgängen, wie aus Nachfolgendem hervorgeht. Offenbar ist diejenige F o r m s e n s o r i s c h e r Aphasie, bei welcher die Kranken

nach

eigener Aussage

gesprochene Worte nur als ,,wirres Geräusch"

vorhören

und deshalb nicht verstehen, eine der WERiacKE'schen Taststörung durchaus entsprechende Form

von

Hör-

störung. Gerade diese „perceptive" Worttaubheit beruht, wie die NAUNYN'sche Zusammenstellung zeigt, sofern sie nicht s u b c o r t i c a l bedingt ist, auf einer Läsion linken (bei Linkshändern der rechten) Hörsphäre. hierbei handelt es sich aber wohl nicht, wie meint,

der Auch

WEBNICKE

in erster Linie um einen dauernden

Verlust

von Wortklang — Erinnerungsbildern, sondern um Un-

56

D i e Localisation der geistigen

Vorgänge.

fähigkeit, die in einem vorgesprochenen

Wort aufein-

ander folgenden Laute auseinanderzuhalten,

die Ton-

intervallc zwischen Sylben und Worten richtig zu unterscheiden.

Der Kranke

nimmt

von

vornherein

nicht

geordnete Lautcomplexe wahr, sondern ein unentwirrbares

Chaos

von Tönen

und Geräuschen. —

hierbei r e i n e Verletzungen

der Hörsphäre

Wenn

vorliegen,

können die Kranken s p o n t a n eine grosse Menge Worte richtig hervorbringen (dergestalt,

dass der Unkundige

eine Sprachstörung an ihnen kaum wahrnimmt 3 0 ); es sind also

die Wortklang-Erinnerungsbilder

erhalten

trotz

Zerstörung der Hörsphäre. — Gerade umgekehrt, wenn die U m g e b u n g in

dem

der Hörsphäre

bekannten

Fall

selbst unversehrt ist. transcortischen

zerstört

HEUBNEB'S)

ist und (wie

die

Hörsphäre

Die Kranken bringen bei d i e s e r

sensorischen

Aphasie

im Sinne

LICHTHEIM'S und WERNICKE'S spontan

äusserst

Worte

der

hervor

(amnestische

Aphasie

oder es besteht hochgradige Paraphasie;

wenig

Früheren)

die Kranken

sind aber von Anfang a n 3 8 im Stande, vorgesprochene Worte richtig nachzusprechen, ein Beweis, dass sie die Worte richtig gehört haben.

Hier ist also die Fähig-

keit, die Intervalle zwischen Silben und Worten richtig wahrzunehmen, erhalten.

Wenn sie trotzdem worttaub

sind, so liegt der Grund darin, dass die richtig gehörten Worte nicht associativ die zugehörigen den „Sinn" ausmachenden anschaulichen Erinnerungsbilder hervorrufen (apperceptive 39 Worttaubheit).

In

natura

finden

sich

Die Legalisation der geistigen

beide Formen selten ganz rein, da in der der

Fälle

die H ö r s p h ä r e

mehr weniger

zusammen

und ihre erkrankt

Mischformen sind unbrauchbar

57

Vorgänge.

Mehrzahl Umgebung

sind.

Diese

für die Entscheidung

der Frage, ob und inwiefern Erkrankungen der H ö r sphäre

allein

haben — was

(!) Erinnerungsstörungen WEKNICICE

ganz übersehen

zur

Folge

zu

haben

scheint. Die corticale Form der pereeptiven Worttaubheit beruht somit nicht in

erster Linie auf Verlust

der

Wortklang-Erinnerungsbilder, sie ist höchst wahrscheinlich eine

sensorisch-atactische Störung:

Die zeitliche

Ordnung der Gehörsempfindungen fehlt. Sonach sind in den Sinnessphären die wesentlichen Grundlagen der räumlichen und zeitlichen Anschauung zu suchen.

Die Sinnessphären sind

der Raum- und Zeitanschauung,

geradezu

letzterer

Organe

wenigstens

soweit sie sich auf ä u s s e r e Geschehnisse bezieht. Zweifellos setzt dies voraus, dass ihren nervösen Elementen

auch

eine

gewisse

Art

Gedächtniss

zu-

kommt, die Fähigkeit z. B. einen Tasteindruck, einen Ton so lange in der Erinnerung festzuhalten, bis das Wort, der Satz zu Ende ist.

Inwieweit an diesem

Sinnesgedächtniss 40 stets auch ausserhalb der Sinnessphäre gelegene Elemente betheiligt sind, lässt schwer entscheiden.

sich

Vermuthlich werden durch das oft

wiederholte Hören einer Tonfolge auch dauernde Modificationen (Gedächtnissspuren) in der Hörsphäre hervor-

58

D i e Localisation der geistigen Vorgänge.

gebracht.

Nichts destoweniger erscheinen die Sinnes-

sphären beim Menschen unfähig, grössere Mengen von Erinnerungsbildern selbständig zu reproduciren. wird

diese Reproductionsfähigkeit

weit

Auch

mehr

beein-

trächtigt durch Erkrankungen, welche ausserhalb der Sinnessphären

ihren Sitz haben; und was besonders

wichtig, man hat Fälle beobachtet, wo die Reproduction z. B. von Gesichtseindrücken r e l a t i v wenig Noth gelitten hatte, obwohl beide Sehsphären zerstört waren. Insbesondere

WILBRAND

und

NOTHNAGEL

haben diese

Thatsache betont und daraus geschlossen, dass optische Erinnerungsbilder und Gesichtsempfindungen

an

ge-

t r e n n t e Rindengebiete geknüpft sein müssen — ein Satz, für welchen unter Anderen auch

CHARCOT

werth-

volles klinisches Beweismaterial beigebracht hat. Wo liegen nun aber die für die G e d ä c h t n i s s spuren der Sinneseindrücke Regionen des Grosshirns?

besonders

wichtigen

Diese Frage führt uns un-

mittelbar auf die Betrachtung der zwischen und neben den Sinnessphären gelegenen Rindengebiete. Was haben diese zu bedeuten?

III. Die Restgebiete umfassen die vorderen Abschnitte der ersten und zweiten Stirnwindung, Theile der dritten und den Gyrus rectus im Stirnhirn, die Insel bis an ihre Ränder, die erste und zweite Parietal-, die zweite und

59

D i e Localisation der geistigen Vorgänge.

dritte Temporalwindung, ausschliesslich des inneren Polus temporalis, den Gyrus occipito-temporalis, die zweite und dritte Occipitalwindung und den Präcuneus fast ganz (vergl. Tafel Figg. 1 u. 2 die niclitpunktirten Flächen). Alle diese Windungsgebiete

entwickeln sich mit

Ausnahme des Gyrus subangularis beträchtlich

später

als die Sinnescentren, sodass noch bei ca. 3 monatlichen Kindern die ersteren durch ihre Armuth an Nervenmark sich scharf von den letzteren unterscheiden. Verfolgt man nun die Markentwickelung in den Zwischenstücken näher, so ergiebt sich, dass Projectionsfasern von i r g e n d treten. 4 1

erheblicher

Menge

darin nicht auf-

Wehl aber wachsen aus den benachbarten

Sinnescentren z a h l l o s e A s s o c i a t i o n s f a s e r n (im Sinne MEYNERT'S)

in sie herein, wie auch aus der Rinde der

Zwischenstücke Associationssysteme hervorgehen und zu näheren und entfernteren Rindenbezirken in Beziehung treten.

Insbesondere sind ungemein zahlreiche Balken-

fasern also Associationsfasern, welche die Rinde beider Hemisphären verbinden, in ihnen nachweisbar.

Diese

Associationssysteme gehen aus allen Schichten der Rinde hervor, nicht nur aus den untersten Spindelzellen wie MEYNEBT

annahm.

Mit Rücksicht

auf das absolute

Ueberwiegen von Associationssystemen

habe

ich

die

Zwischenstücke demgemäss a l s „ A s s o c i a t i o n s c e n t r e n " der Grosshirnrinde bezeichnet. Sie verknüpfen i n d i r e c t die verschiedenen Sinnessphären unter einander dadurch dass (vergl. Tafel Fig. 1 Gegend von

+ + von + )

verschie-

60

Die Legalisation dfr geistigen Vorgänge.

denen

Sinnescentren

her

Assooiationsysteme

in

die

Zwischenstücke einmünden — eine Einrichtung, welche meines Erachtens eine „ C o a g i t a t i o n " mehrerer Sinnescentren ermöglicht. Gerade in Bezug hierauf nun weiche ich ganz erheblich ab von den Ansichten früherer Autoren, insbesondere centren

MEYNERT'S,

welcher annahm, dass die Sinnes-

verschiedener Qualität

mit einander

direct

durch zahlreiche Associationssysteme verbunden sind. Musste diese Auffassung schon insofern recht fragwürdig erscheinen, als in keinem Lehrbuch der Anatomie Associationssysteme dieser Art wirklich dargestellt sind, so glaube ich mich auch durch

eigene

ausgedehnte

Untersuchungen überzeugt zu haben, dass den meisten Faserzügen, welche man bisher als directe Associationssysteme der Sinnescentren aufgefasst hat, wie z. B. der Fasciculus longitudinalis inferior, eine

andersartige

Bedeutung zukommt. Es dehnte

giebt

somit

meines

Rindenbezirke,

Wesentlichen

darin

deren

besteht,

zustände verschiedenartiger assoeiiren.

Erachtens

ausge-

Thätigkeit die

im

Erregungs-

Sinnessphären

zu

Die Ganglien-Zellen dieser E.indengebiete

sind Centraiorgane u. a. auch der Vorstellungs-Association. Obwohl es nicht meine Absicht ist, auf diese erst vor kurzem von mir an einem anderen Ort behandelte Frage hier näher einzugehen, so möchte ich doch im Hinblick auf einige später zu betrachtende Thatsachen

Die Localisation d e r geistigen V o r g ä n g e .

(>1

d a r a u f hinweisen, dass meine A n s c h a u u n g e n sich zwar in e r s t e r Linie auf a n a t o m i s c h e B e f u n d e stützen, indess auch

durch

die klinische

Beobachtung

durchgehends

B e s t ä t i g u n g finden. Dies gilt ganz besonders f ü r j e n e s grosse Gebiet, welches sich zwischen Tast-, Seh- u n d H ö r s p h ä r e

aus-

d e h n t u n d welches ich in V e r b i n d u n g mit den sich ang l i e d e r n d e n W i n d u n g e n des Schläfeiiiappens als p a r i e t o occipito-temporales o d e r h i n t e r e s tionscentrum

grosses

Associa-

bezeichnet h a b e (vergl. Tafel).

Z e r s t ö r u n g e n im B e r e i c h dieser

Rindenabschnitte

setzen weder pereeptive T a u b h e i t u n d B l i n d h e i t ,

noch

tactile Anästhesie, sofern n i c h t die a n g r e n z e n d e n Sinnessphären

oder

ihre

sensiblen

Leitungen

beeinträchtigt

werden.

H i n g e g e n finden sich klinische E r s c h e i n u n g e n

a n d e r e r A r t wie Seelenblindheit, S e e l e n t a u b h e i t , S e e l e n Gefühllosigkeit, i n s g e s a m m t

gelegentlich

d a s Bild

A p r a x i e o d e r Agnosie (FBEUÜ) eventuell tiefen sinn

mit

Incohärenz"

ergebend,

ferner

der

„Blöd-

Schwächung

der visuellen E i n b i l d u n g s k r a f t (v. MONAKOW), U n f ä h i g keit, sich f r ü h e r w o h l b e k a n n t e Melodien ins Bewusstsein zu r u f e n — endlich bei V e r l e t z u n g e n speciell d e r Sprache sphäre optische

vermittelnden, Symptome Aphasie,

wie

also

meist

sensorische

(amnestische

der

linken

(optische)

Farbenblindheit

die

HemiAlexie, WIL-

BBAND), a p p e r e e p t i v e (transcorticale) W o r t t a u b h e i t , verbale P a r a p h a s i e , sensorisch-amnestische Aphasie (Unfähigkeit zu, dem Bewusstsein vorschwebenden ideellen Vor-

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

62

Stellungen die entsprechenden Wortklangbilder zu finden).

E s handelt sich also um ein Gemisch von Ge-

dächtniss- und Associationsstörungen. vermögen

Das Erinnerungs-

leidet einestheils in dem Maasse, als die

associative Auslösung der Vorstellungen gestört ist, und vermuthlich überdies in Form einer dauernden Vernichtung von Gedächtnissspuren. Auf Grund aller dieser klinischen Erfahrungen ergiebt sich als Functionskreis des hinteren grossen Associationscentrums die Bildung und das Sammeln von Vorstellungen äusserer Objecte und von Wortklangbildern, die Verknüpfung derselben unter einander,mithin das eigentliche p o s i t i v e W i s s e n , nicht minder die phantastische

Verstellungsthätigkeit,

die Vorbereitung der Rede nach Gedankeninhalt und sprachlicher Formung u. dgl. m. — kurz die wesentlichsten Bestandtheile dessen, was die Sprache speciell als „ G e i s t " 4 2 bezeichnet. W a s die I n s e l anlangt, so verknüpft ihre Rinde den anatomischen Befunden nach sämmtliche um die Fossa Sylvii gelegene Windungsbezirke Dieselben

gehören

theils

untereinander.

der Körperfühlsphäre (ins-

besondere der Region f ü r die Sprachorgane), theils der Hörsphäre, theils der Riechsphäre a n ,

so dass auch

hier die Bezeichnung „Associationscentrum" hinreichend gerechtfertigt sein dürfte. Theilweise

anders

p r ä f r o n t a l e Gebiet. Rindenbezirk

verhält

sich vielleicht das

Obwohl zweifellos auch

zwischen

verschiedenwerthige

dieser Sinnes-

63

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Sphären eingeschoben ist, insofern sein basaler Theil hinten und innen von der Riechsphäre (Schmecksphäre?) die convexe und innere Fläche von der Körperfühlsphäre begrenzt wird, ist es höchst

unwahrscheinlich,

dass

er im W e s e n t l i c h e n nur der Association von Gefühlsund Geruchs-Eindrücken dient, da der Riechsinn beim Menschen j a relativ sehr wenig, das Stirnhirn im Maximum 4 3 entwickelt ist. Zweifellos steht das frontale Associationscentrum in nächster Beziehung zur Körperfühlsphäre; es lassen sich aus a l l e n T h e i l e n Fasern

in

das Stirnhirn

derselben

verfolgen, so dass

diesem

Gedächtnissspuren aller bewussten körperlichen Erlebnisse insbesondere auch aller Willensakte sich einprägen können.

Doch stösst die erschöpfende Klarlegung der

Functionen des Stirnhirns Schwierigkeiten.

vorläufig noch auf grosse

Thatsache scheint, dass das positive

Wissen nicht unmittelbar leidet, wenn das Stirnhirn zerstört wird — wohl aber die zweckmässige Verwerthung desselben, indem eventuell eine vollständige Interesselosigkeit 44 , ein Hinwegfall aller persönlichen Antheilnahme an inneren und äusseren Vorgängen sich geltend

macht.

Insofern hiermit eine

Herabsetzung

aller persönlichen Betätigungen, der activen Aufmerksamkeit, des „Nachdenkens" u. dgl. m. einhergeht, gewinnt es den Eindruck, dass das frontale Centrum in hervorragender Weise an dem Gefühle und Willensakte vorstellenden, dem aus sich heraus hemmend und anregend wirkenden I c h betheiligt ist — um so mehr als

64

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

partielle Läsionen des Stirnhirns nicht gar selten von eigenartigen Veränderungen des C h a r a k t e r s 4 5 begleitet sind.

Immerhin wird man noch weitere klinische Er-

fahrungen abzuwarten haben, bevor man ein abschliessendes Urtheil zu fällen sucht, insbesondere auch darüber, ob der Functionskreis des Stirnhirns von dem des hinteren grossen Associationscentrums, zum Theil wenigstens, e s s e n t i e l l verschieden ist. 43

IV. Schon nach dem bisher Bemerkten kann es kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Gliederung, welche wir

im

Gefüge des

„Geistes"

introspectiv

wahrzu-

nehmen vermögen, in deutlichen Beziehungen steht zu keineswegs transcendenten, dem anatomischen Verständniss durchaus zugänglichen Bauverhältnissen des Gehirns, aus welchen wir das seelische Geschehen weitgehend reconstruiren und objectiv ableiten können — und dieser durchgehende Parallelismus tritt um so deutlicher hervor, je weiter wir in den Bauplan des Seelenorgans eindringen. Die Zeit gestattet mir es leider nicht, auch wichtige Thatsachen der E l e m e n t a r s t r u c t u r hier näher zu berühren.

der

Hirnrinde

Nur das möchte ich im Hin-

blick auf einige mir gemachte Einwände 4 2 hervorheben, dass die Sinnescentren zweifellos in Bezug auf die Anordnung, zum Theil auch in Hinsicht der Form ihrer

65

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

nervösen

Elemente

unterscheiden.

in

charakteristischer

Ein einigermassen geübter

Weise sich Beobachter

wird einen mikroskopischen Schnitt aus der Kinde des mittleren Gyrus fornicatus ohne weiteres sicher erkennen und von Schnitten z. B. aus der Sehsphäre, der Hörsphäre etc. sofort unterscheiden.

Insofern auch in den

neuesten Hand- und Lehrbüchern die Thatsachen nicht gewürdigt sind, möchte ich hier nur zweierlei besonders hervorheben, einmal dass im Gyrus fornicatus sich eine eigenartige Zellenform findet, grosse Spindelzellen (Riesenspindeln,

WILHELM

Freiherr v.

BRANCA),

wie ich sie

sonst in der Rinde nirgends wahrzunehmen vermochte — und ferner dass

die Sinnessphären durch einen auf-

fallend grossen Gehalt an

intracorticalen40

ciationsfasern vor den Associationscentren

sich

Assoaus-

zeichnen, dergestalt, dass dort schon für das blosse Auge bald auf der Oberfläche (Gyrus uncinatus. Körperfühlsphäre) die Tangen tialfaserscliicht, bald (VICQ Ü'AZYR'schen Streifen der Sehsphäre) in der Tiefe eine weisse Markschicht deutlich hervortritt. Inwiefern diese Einrichtung zu der oben erwähnten „Coordination" der elementaren Empfindungen zu Wahrnehmungen in Beziehung steht, erscheint wohl einer Prüfung werth. Auch sonst bietet die Vergleichung der einzelnen Sinnessphären

noch mancherlei

hochinteressante Ge-

sichtspunkte; dies betrifft insbesondere ihre Flächenausdehnung und relative Lage.

Die Körperfühlsphäre

erweist sich hier als die weitaus wichtigste; sie über5

66

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

trifft alle anderen zusammen an Ausdehnung und liegt im Centrum der gesammten Rindenorganisation, um die „ C e n t r a i f u r c h e " , während die Sehsphäre z. B. excentrisch gelagert ist. Die Körperfühlsphäre bildet aber nicht nur äusserlich, sondern auch durch ihre associativen Beziehungen den eigentlichen Mittelpunkt des Seelenorgans.

Sie ist u n e n d l i c h v i e l r e i c h e r a n

Asso-

c i a t i o n s s y s t e m e n a l s die ü b r i g e n S i n n e s s p h ä r e n . Die Hör- und Sehsphäre hängen in der

Hauptsache

nur mit benachbarten Windungen direct zusammen. Lange Associationsbahnen gehen von ihnen nach meinen bisherigen Untersuchungen nicht oder höchstens in geringer Anzahl aus. Demgemäss ist jede dieser Sphären umgeben von einem Rindenbezirk, welchen ich kurz als „ R a n d z o n e " 4 7 bezeichnen will, in welchen zahllose Associationsfasern je der betr. Sinnessphäre eindringen.

Bei

der Hörsphäre wird die Randzone gebildet von Insel, Gyrus supramarginalis, der zweiten und dem vordem Abschnitt, der ersten Schläfenwindung, bei der Sehsphäre von der zweiten und dritten Occipitalwindung, einem Theil des Präcuneus und dem Gyrus occipito-temporalis. Auch die Körperfühlsphäre hat eine solche Randzone, a b e r sie s e n d e t ü b e r d i e s s m i t t e n in d i e C e n t r a i gebiete der grossen Associationscentren mein

zahlreiche

lange Faserzüge:

unge-

Insbesondere

verläuft ein mächtiges Bündel von den Centraiwindungen nach hinten in die Centraigebiete des hinteren grossen Associationscentrum (vergl. Tafel Fig. 1) an die Aussen-

67

D i e Localisation der geistigen Vorgänge.

flache des Scheitellappens, an die Aussenfläche und die Basis des Schläfenlappens, welches sich durch seine ungemein sp ä t e Entwicklung von allen anderen Faserzügen des Grosshirnmarkes sondert, also muthmasslich seiner Function nach die höchste Rangstufe (willkürliche oder affective Auslösung von Vorstellungen? 48 ) einnimmt. Es deckt sich zum Theil mit dem Fasciculus arcuatus, wie ihn

MEYNERT

dargestellt hat.

Insofern die Centraiwin-

dungen nach vorn mit dem Stirncentrum, nach unten mit der Inselrinde zusammenhängen, l a u f e n in d e r K ö r p e r f ü h l s p h ä r e L e i t u n g e n man kann sagen aus der g e s a m m t e n R i n d e z u s a m m e n , da die Centraigebiete (Centralneurone) der Associalionscentren ihrerseits wieder mit den Randzonen der Sinnessphären auf das innigste verknüpft sind (vergl. Tafel Fig. 1

+ + + ).

Hiernach wird es begreiflich, dass die Körperfiihlsphäre für den Wachzustand 4 9 die weitaus grösste Bedeutung hat.

Von da aus kann offenbar die Rinde in

grosser Ausdehnung erregt, vermuthlich auch (wie klinische Erfahrungen zeigen) in ihrer Thätigkeit gehemmt werden. 48 )

Durch Vermittlung

der

Körperfühlsphäre

wirken vielleicht auch Stirnhirn und hinteres grosses Centrum aufeinander, wofür u. a. auch spricht, dass d i r e c t e associative Verbindungen zwischen beiden Centren nicht in irgend erheblicher Menge nachweisbar sind. Diese ausgeprägte Centralisation 50 des Seelenorgans wird ohne Weiteres verständlich, wenn man die functionellen Leistungen der Körperfühlsphäre

näher ins 5*

68

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

Auge fasst. Sie ist die unentbehrliche Voraussetzung iür die Bildung der Ich-Vorstellung, welche sich ja in erster Linie auf den Eindrücken der hinteren Wurzeln aufbaut. Damit ist die Körperfühlsphäre auch die einzige für die geistige Entwicklung absolut unentbehrliche Sinnessphäre. Ohne sie ist die Herausbildung einer geistigen Persönlichkeit undenkbar, während die Sehsphäre, die Hörsphäre und die Riechsphäre nicht nur jede für sich sondern allesammt (wenigstens functionell) ausfallen können, ohne dass die Erreichung selbst einer relativ guten geistigen Leistungsfähigkeit hierdurch ausgeschlossen wird, wie das Beispiel von Lauba Bridgeman deutlich darthut. Hiernach gewinnt aber auch die Entwickelungsfolge der Sinnessphären ein erneutes Interesse. Indem das System Nr. 1 der Körperfühlsphäre allen anderen vorauseilt 51 , erhält der Fötus zunächst nur Eindrücke aus dem eigenen Körper und erst an diese gliedern sich secundär die Eindrücke der äusseren Sinne an — als ein Appendix, nicht als von vornherein gleichwerthige Factoren. Hiernach herrscht von vornherein nicht Ebenbürtigkeit unter den Sinnessphären, sondern ein Subordinationsverhältniss. Nicht die Republik, sondern die Monarchie ist in der Organisation des Seelenorgans verwirklicht. — Der Körperfühlsphäre fällt von Anfang an die Führung zu, und sie behält sie als Hauptträger des Selbstbewusstseins auch durch das ganze Leben hindurch — zumal aus i h r auch a l l e

Die Loealisation der geistigen V o r g ä n g e .

«9

für das „ H a n d e l n " wichtigen motorischen Leitungen

hervorgehen.

Demgemäss gehen auch ausgedehnte Erkrankungen beider Körperfühlsphären mit einer weit intensiveren Schädigung der Intelligenz einher, als man auf den ersten Blick erwarten sollte;

vermuthlich kommt es

schon hierdurch zu einer besonderen Form von „Geisteszerrüttung". 35 Ich bin am Schluss!

Ich hoffe Sie werden den

Eindruck gewonnen haben, dass Anatomie und Entwickelungsgeschichte

des

Gehirns

uns

im

weitesten

Maasse die Aussicht auf eine natürliche Seelenlehre eröffnen. Die Entwicklungsgeschichte

würde sich aber

bei weitem nicht so leistungsfähig erweisen, wenn es nicht dank den Fortschritten der histologischen Technik gelungen wäre, die successive Bildung der Markscheiden in allen ihren Einzelheiten zu verfolgen.

Ich erfülle

demgemäss nur eine Pflicht der Dankbarkeit, wenn ich darauf hinweisse, dass insbesondere Herr

CAEL WEKJEBT

durch seine Hämatoxylinfärbung sich auf diesem Gebiete unvergängliche Verdienste erworben hat.

(Anmerkungen. 1

Vergl. die Vorrede.

2

Vergl. Anm. 42.

3

Deutliche Aeusserungeu von Lust

nicht!

GOLTZ

be-

richtet nur von einem gewissen Behagen seines grosshirnlosen Hundes nach Stillung des Nahrungsbedürfnisses.

Neugeborene

zeigen deutliche Lustgefühle viel später als Unlustgefühle (vergl. PREYER: 4

Die Seele des Kindes). Der Bewusstseinszustand der fraglichen Wesen lässt sich

nur vermuthungsweise erschliessen; unzweideutige Aufschlüsse sind nicht zu erlangen. 5

Vergl. Anm. 31 und 42 am Sehluss.

e

Ich lege ganz besonderes Gewicht auf die Vergleichung;

— vergl. Anm. 23. 7

Ich kann nur bedauern, dass so wenige Verfasser von

Lehrbüchern sich es angelegen sein lassen, die fraglichen Bilder aus eigener Anschauung kennen zu lernen. 8

Der „laterale" Kern des Sehhügels in dem h i e r

brauchten Sinn umfasst v.

MONAKOW'S

ventrale

ge-

Kerngruppen

ausser ventr. b. (mein schalenförmiger Körper), seinen hinteren Kern und den basalen Theil seines lateralen Kerns, Abtheilung.

Den

dorsalen Theil und

t h e i l u n g d e s „ l a t e r a l e n " K e r n s v.

MONAKOW'S

noch

zur

zum

inneren

Kern

bezw.

äussere

die m e d i a l e

Ab-

r e c h n e ich

dorso-medialen

K e r n g r u p p e (s. o. S. 31). 9

Ich kann mit meiner Methode nicht d i r e c t feststellen,

inwieweit diese Fasern im lateralen Kern entspringen oder endigen. Ich kann nur ein nicht völlig zuverlässiges Kriterium allgemeinerer Art verwerthen, nämlich die r e l a t i v

frühzeitige Entstehung.

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

71

Die corticofugalen Fasern des Sehhiigels entstehen im allgemeinen später — indess gerade dem in Rede stehenden Bündel gegenüber nur unwesentlich später.

Es ist somit wohl möglich, dass

gerade letzteres theilweise (meist?) corticofugal leitet, zumal es im Sehhügel bis zur Grenze der dorso-medialen Kerngruppe aufsteigt und Begleitfasern sichcr in letztere eindringen. 10

v.

MONAKOW

lässt das eentre

median

mit der dritten

Stirnwindung zusammenhängen. Die Stabkranzbündel des ersteren entwickeln sich aber früher als die der letzteren, unterscheidet

übrigens n i c h t

v.

MONAKOW

wie ich corticofugale Leitungen

iin Stabkranz des Thalamus; hierdurch wird seine Schilderung viel summarischer Widersprüche.

als die meine, und es entstehen scheinbare

Die Unhaltbarkeit der Ansicht v.

MONAKOW'S

dass a l l e Stabkranzbündel des Sehhügels c o r t i c o p e t a l leiten, hat v.

KÜLLIKER

11

eingehend dargethan (vergl. Anm. 19).

Der unter dem Fuss der e r s t e n Stirnwindung gelegene

Theil des Gyrua fornicatus steht also mit z w e i ,

anscheinend

sensiblen Systemen der inneren Kapsel (hinteren Wurzeln) in Verbindung und ist überhaupt viel reicher an Projectionsfasern als die anderen Theile. zuerst v.

MONAKOW

Beziehungen zum vorderen Kern

hat

angegeben; hierbei handelt es sich wohl um

Faserbündel, welche ohne Umwege zu machen, direct verlaufen und c o r t i c o f u g a l leiten. 12

Auch Theile des hinteren L ä n g s b ü n d e l s gehen in die

v e u t r o - l a t e r a l e Kerngruppe des Sehhiigels über. Insofern nach HELD

nicht nur der Trigeminus, sondern auch der V e s t i b u l a r i s

Fasern in dieses Bündel schicken, könnte hier u. a. auch an eine corticopetale Bahn des Vestibularis gedacht werden. Stärkere centrale Bahnen des letzteren verlaufen in der Formatio reticularis, mit centralen Leitungen des Trigeminus, Glossopharyngeus etc. unweit dem Boden der Rautengrube und lassen sich zum Theil bis in F u s s s c h l e i f e u n d L i n s e n k e r n

verfolgen.

verläuft mit der Haubenschleife, so dass

höchstwahrscheinlich

Der Rest

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

72

sowohl die Nerven der Bogengänge, als die Geselimacksnerven mit der Körperfühlsphäre in Verbindung treten. 13

Wir haben bei unseren ersten Untersuchungen (Neurolog. Centralbl. Nr. 14, 1890, Arcli. f. Psych., Bd. XXIV) die Degeneration der fraglichen Sehhügelzellen nicht wahrgenommen, weil dieselben ohne Hinterlassung irgend welcher Spuren geschwunden waren. Erst nachdem ich am Fötus die Ganglienzellengruppe kennen gelernt hatte, an welcher die Hauptschleife zum grössten Tlicil endet, habe ich mich überzeugt, dass speciell das U r s p r u n g s g e b i e t des fötalen S y s t e m s Nr. 1 vollständig fehlt. Das Vorhandensein eines Zellenschwundes hatte indess H Ö S E L bereits vorher richtig erkannt. In seiner diesbezüglichen Mittheilung nähert es sich dem von M A H A I M und v. M O N A K O W eingenommenen, t h e i l w e i s e richtigeren Standpunkt. In der Hauptsache bestehen sonach Differenzen bezüglich der SchleifenEndigung im Sehhügel nicht mehr. Nur muss ich nach meinen Präparaten daran festhalten, dass ein Theil der Hauptschleife d i r e e t in die innere Kapsel übergeht ( d i r e c t e Rindenschleife). M

Dass (beim Menschen!) die Hauptschleife h a u p t s ä c h l i c h m i t den C e n t r a l Windungen in Z u s a m m e n h a n g s t e h t , halte ich für eine d e r s i c h e r s t e n Errungenschaften der Anatomie. In dem von H Ö S E L und mir beschriebenen Fall war nur die „ F u s s s c h l e i f e " intact, welche zum grössten Theil im Globus pallidus des Linsenkerns endet und vielleicht indirect mit der u n t e r e n Hälfte der vorderen Centraiwindung sich verbindet. 15 Die dritte Stirnwindung gehört zum grösseren Theil zum frontalen Associationscentrum (s. u.); demgemäss zeigt sie auch in Bezug auf die Rindenstruktur an den meisten Orten den gewöhnlichen fünfschichtigen (insbesondere durch die vierte Schicht kleinster Pyramiden ausgezeichneten) Typus wie es bei H A M M A R BERG (Taf. I, Fig. 3, 4) richtig dargestellt ist. Jedenfalls fällt sie wie auch die untersten Abschnitte der Centraiwindungen in ein

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

73

U c b e r g a i i g s g e b i e t , welches einen besonders charakteristischen Bau nicht erkennen lässt — vergl. Anm. 42. 16

Neurolog. Centralblatt von

1892 Nr. 5.

MENDEI.

" Vielleicht sogar noch Theile der Sehsphäre umfassend. 19

Meiner Fusssclileife entspricht als motorisches Correlat

wenigstens theilweise die „mediale 1 ' Schleife, welche

in

der

Brücke endet. 19

weise v.

Es handelt sich hier um Schlüsse aus der Verzweigungsder

Stabkranzfasern

im

Sehhügel

— vergl.

hierüber

(Gewebelehre, 6. Aufl., II. Bd. § 169), wo die Frage

KÜLLIKER

eingehend behandelt ist.

Beachtenswert!! ist, dass Theile der

dorso-medialen Kerngruppe bei Rindenzerstörung r a s c h e r generiren,

de-

als die Zellen der ventro-lateralen — was sich

leicht erklärt, wenn man annimmt, dass erstere von der Rinde, letztere ( v.

von

MONAKOW 2(1

subthalamischen

Leitungen

Arch. f. Psych. Bd.

S.

27

425

her

erregt

werden.

Anm. x x).

Hier ist nach meinen neueren Untersuchungen vor allem

an die c e n t r a l e H a u b e n b a h n irrthümlich

aus

dem Linsenkern

zu denken, welche ich früher abgeleitet

habe;

ferner

an

Fasern, wclclie vom Thalamus in das centrale Höhlengrau der Vicrhügel und der Rautengrube (Vagus-Kern etc.) gelangen. 21

Die Uebertragung affectiver Erregungen, welche im An-

schluss an irgend welche I d e e n entstehen, auf die Körperorgane wird nach einer weitverbreiteten Ansicht vermittelt.

Vom anatomischen Standpunkt

diese Hypothese nicht unannehmbar.

durch den Sehhügel aus betrachtet ist

Welche Bahnen aber die

affective Erregung von der Rinde zu dem Sehhügel leiten, ist noch unbekannt. Am nächsten liegt es auch hier an die Bahnen von der Körperfühlsphäre zur dorso-medialen Kerngruppe zu denken.

Die reichen Beziehungen letzterer (s. Anm. 20) zum

centralen Höhlengrau sind von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet von grossem Interesse. 28

Auf der Tafel Fig. 2 ist in Folge einer falschen Ver-

74

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

kürzung der untere Rand der Sehsphäre nicht richtig dargestellt. Es sollte in letztere die g e s u m m t e B a s i s des Lobulus lingualis einbezogen sein. -3 Ich muss dies besonders Herrn von

MONAKOW

gegenüber

betonen, der in seinen experimentellen und pathologisch-anatomischen Untersuchungen

über die Haubenregion etc. (Arch. für

Psychiatrie Bd. X I V , X V I , X X I I I ,

X X V und XXVII) auch

über s e c u n d a r e D e g e n e r a t i o n e n im m e n s c h l i c h e n Gehirn berichtet und neben wichtigen Befunden, deren Zuverlässigkeit ich durchaus anerkenne, eine Anzahl Meinungen über die corticale Ausbreitung

des Projectionssystems

kundgiebt,

welche

keineswegs thatsächlich begründet, zum Theil nachweisbar falsch sind. Es beruht dies zum Theil darauf, dass das wirklich brauchbare d. h. unzweideutige Aufschlüsse ergebende Untersuchungsmaterial, auf Grund dessen v.

MONAKOW

Beziehungen des Tha-

lamus fast zur g e s a m m t e n Hirnrinde annimmt, d u r c h a u s u n g e n ü g e n d ist.

Er verfügt über nicht mehr als v i e r

kaum ein Sechstel der

insgesammt

Rinde betreffende Fälle, bei welchen

Erkrankungen von Windungen ohne ausgedehnte Läsionen tieferer Markmassen vorliegen (Die Fälle 1, 2, 10, 11 der Tabelle S. 420, Arch. f. Psych., Bd. XXVII).

In den Fällen 3 - G und 9 sind

im Wesentlichen tiefliegende Markmassen, theilweise auch die Grosshirnganglien und die innere Kapsel primär erkrankt, in zwei Fällen (2 und 8) Windungen Die ersten vier Fälle

und letztere Theile

zusammen.

im Wesentlichen

Aufschlüsse

ergeben

welche sich mit meinen Anschauungen über die Verbreitung des Projectionssystems,

insbesondere

Auffallender Weise

hat

wichtige Beobachtung

v.

nicht

der

MONAKOW

Sinnesleitungen in

decken.

seine Tabelle

aufgenommen, nämlich

die

eine im

Wesentlichen auf Oberflächengebiete beschränkte Erkrankung der l i n k e n Hemisphäre in Fall 1 der Tabelle, welche nicht nur in pathologisch-anatomischer Hinsicht sondern auch klinisch recht interessant ist. Hier ist ein beträchtlicher Theil meines hinteren

75

Die Localisation der geistigen Vorgänge. grossen Associationsccntrums erweicht,

welcher die zweite und

dritte T e m p o r a l w i n d u n g , zweite und dritte Occipitalwindung in beträchtlicher A u s d e h n u n g und unter anderem auch meinen G y r u s subangularis umfasst.

Secundare Degenerationen

im

Thalamus

und der inneren K a p s e l ,

also von Projectionsfasern ü b e r h a u p t

konnte

nicht

v.

MONAKOW

hier

nachweisen;

dagegen

waren

ausgeprägte Associationsstörungen vorhanden wie ich sie f ü r das hintere

grosse

Associationscentrum

für

charakteristisch

halte,

(appereeptive W o r t t a u b h e i t und Seelenblindheit bei „ e r h a l t e n e r T h e i l n a h m e f ü r die Mitmenschen" also ,.intactem G e m ü t h " , — was ich

hervorhebe,

weil

ich

genau

dasselbe

beobachtet

habe

bei doppelseitiger E r k r a n k u n g des hinteren grossen Associationsccntrums neben völliger I n t a k t h e i t der vorderen Hirnhälfte). Trotzdem schlicsst v.

MONAKOW

auf G r u n d viel complicirterer und viel

schwerer zu d e u t e n d e r Fälle, dass gerade die betreffenden T h e i l e der S c h l ä f e n w i n d u n g e n mit dem hinteren S e h h ü g e l k e r n zusammenhängen.

Es handelt sich hier thatsächlich um eine reine V e r -

m u t h u n g , und dasselbe gilt f ü r vermeintliche Beziehungen der Inselrinde zum Nucleus ventralis c, des G y r u s supramarginalis zu ventralis b, der

basalen

Teinporahvindungen

zum

Nucleus

lateralis. Die zum Beweis angezogenen F ä l l e sind so complicirt, dass die Aufstellung derartiger Beziehungen geradezu w i l l k ü r l i c h erscheint.

Im Fall

5,

welchen v.

MONAKOW

als E r w e i c h u n g s h e r d

im G y r u s angularis uud I ' r ä c u n e u s bezeichnet und aus welchem er den Schluss zieht, dass der G y r u s a n g u l a r i s , wie ü b e r h a u p t die äusseren W i n d u n g e n des H i n t e r h a u p t s l a p p e n s zur Sehsphäre geh ö r e n , liegt eine ausgedehnte p r i m ä r e Z e r s t ö r u n g nicht nur der S e h s t r a h l u n g aus den i n n e r e n W i n d u n g e n des H i n t e r h a u p t s l a p p e n s (v.

MONAKOW

bezeichnet sie zum Theil irrthümlich

als

Fasciculus longitudinalis inferior), sondern auch des Stabkranzes der h i n t e r e n C e n t r a i w i n d u n g (daher auch H e m i p a r e s e vorhanden!) vor, w ä h r e n d der G y r u s angularis in der H a u p t s a c h e intact ist W i e v.

MONAKOW

bei alledem zu dem Ausspruche k o m m t ,

dass

76

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

seine Ergebnisse mit denen Räthsel, da

V I A r , ET

v.

gut harmoniren, bleibt ein

VIALET'S

MONAKOW'S

Ansichten bekämpft und die

Sehsphäre auf Grund secundärer Degenerationen so abgrenzt wie i c h es thue auf Grund der Entwickelungsverhältnisse. Die meisten dieser schwerwiegenden Irrthümer v.

MONAKOW'S

beruhen darauf, dass er den Verlauf der Projectionsfasern im Grosshirnmark

insbesondere auch

die schlingenförmigen

Um-

biegungen zahlreicher dieser Bündel im Stim- und Scheitellappen nicht kennt wie sie Fig. 1 (S. 18) bei -H- und tt dargestellt sind. Diese

Schlingenbildung

findet sich

speciell im

Bereich

der

Assoeiationscentren, da wo der Balken besonders mächtig ist; die Entwickelung dieses letzteren ist vermuthlich die Hauptursache der Schlingenbildung, indem er beim AVachsen die schon vorher vorhandenen Projectionsfasern vor sich her treibt. Täuschungen

Zu welchen

über die Rindenursprünge von Projectionsfasern

man so kommen kann, lehrt ein weiterer Blick auf Fig. 1 S. 18. W e n n ein Herd bei -H- oder tt sitzt, so zerstört er Fasern, die s c h e i n b a r von den P u n k t e n ^ ^ u n d ^ d e r Rinde kommen, in Wirklichkeit von weit entfernten.

Auch zerstören Herde bei -tf

Fasern der Sehstrahlung, welche vom Punkt O des Cuneus zum Thalamus verlaufen, so dass die Täuschung entsteht., die Scheitelwindungen besitzen Projectionsfasern, während solche in Wirklichkeit nur durch das Mark des Scheitellappens in grosser Menge hindurchziehen. würdigt werden,

W e n n die genannten Fehlerquellen nicht geergiebt die TflnK'sclie Methode irreführende

Resultate, und v. M O N A K O W ist weit entfernt davon sie zu würdigen. Es gelingt dies überhaupt nicht, sofern man nur die secundaren Degenerationen zur Erforschung des Faserverlaufs benützt; denn es würde hier eines unendlich grossen Materials bedürfen, um zu unzweideutigen Aufschlüssen zu gelangen. Hiernach ist die Annahme v.

MONAKOW'S,

der Umfang der

corticalen Sinnessphären sei grösser, als ich angebe, unbegründet. Selbst wenn die dorso-mediale Kerngruppe des Sehhügels und

77

Die Localisation der geistigen Vorgänge.

der äussere Theil des Hirnschenkelfusses mit grösseren Kindengebieten zusammenhängen sollten, als ich abgebildet habe, so würde hieraus keineswegs ohne Weiteres auf einen grösseren Umfang speciell der S i n n e s s p h ä r e n geschlossen werden dürfen, da h i e r f ü r ein thatsächlicher Beweis nicht vorliegt — insbesondere auch nicht seitens der klinischen Beobachtung. B e i d e r g r o s s e n A u s d e h n u n g der R i n d e n g e b i e t e ,

welche zwischen den

S i n n es c e n t r e n e i n g e s c h a l t e t s i n d , w ü r d e m e i n E i n t h e i l u n g s p r i n c i p auch n i c h t e r s c h ü t t e r t sein, w e n n hier oder d a d i e G r e n z e e i n e r S i n n e s s p h ä r e u m 1 — 2 cm h i n a u s geschoben werden müsstc.

G e r a d e das G e g e n t h e i l ist

aber wenigstens für einzelne Stellen wahrscheinlicher. Im Uebrigen darf ich wohl auch darauf hinweisen, dass i c h s e l b s t früher auf meinen Hirnplänen mit Projectionsfasern ausgestattet habe.

alle

Rindengebiete

Es geschah dies aber

lediglich auf Grund ungenügender Methoden, insbesondere m a k r o s k o p i s c h e r (!) Bilder aus dem kindlichen Gehirn und in v.

MONAKOW'S

generationen

Weise und

unkritisch

klinischer

verwertheter

secundärer

Beobachtungen.

So

früher im Scheitellappen das Centrum der cutanen

habe

Deich

Sensibilität

gesucht, indem ich die in dem Sulcus postcentralis

gelegene

hintere Grenze des corticalen Gebietes von System 1 nicht kannte. FERHIER

hat demgemäss auch mit Kecht die Unzulänglichkeit meiner

damaligen anatomischen Anschauungen hervorgehoben.

Ich bin

erst durch die Herstellung lückenloser gut gefärbter Schnittreihen aus zahlreichen Gehirnen in den Stand gesetzt worden, den Arerlauf aller sensiblen Systeme der inneren Kapsel zu überblicken und constatire gern, dass diese meine neueren

anatomischen

Untersuchungen den von den englischen Experimentatoren schon früher ausgesprochenen Anschauungen durchaus entsprechen. Die Einwände, welche v.

MONAKOW

auf Grund von E x -

p e r i m e n t e n a n n i e d e r e n S ä u g e r n gegen meine Abgrenzung der Sinnessphären vorgebracht hat, sind schon insofern hinfällig,

78 Die Localisation der geistigen Vorgänge. — 't — als das Thier B e s o n d e r h e i t e n zeigt gegenüber dem Menschen. Sowenig man aus der Thatsache, dass die Katze eine artikulirte Sprache nicht besitzt, sehliessen darf, dass auch der Mensch sprachlos ist, sowenig darf man aus der Kleinheit der Associationscentren bei der Katze schliesson, dass auch der Mensch solch' kleine Centren besitzt.

Selbst wenn v.

MONAKOW'S

Angaben für

die von ihm untersuchten Thiere gelten s o l l t e n (?), würden sie hiedurch für den M e n s c h e n nicht o h n e W e i t e r e s

Geltung

erlangen, und die Vergleiclning beider a n d e r H a n d

zuver-

l ä s s i g e r M e t h o d e n liefert denn auch e n t s c h e i d e n d e weise

dafür, dass

v.

MONAKOW

t h eil w e i s e

zu

f a l s c h e n A n s c h a u u n g e n über das c o r t i c a l e

Be-

durchaus

Projections-

s j ' s t e m d e s M e n s c h e n gelangt ist. 24

VIAJ.ET:

intracérébral.

Les centres cérébraux de la vision et l'appareil

Paris, 1893.

•¿s u 27 Verhandig. des Congresses für innere Medicin 1887. 20

Fälle von Alexie ohne Hemianopsie.

Vielleicht ist die

E i n e n g u n g des Gesichtsfeldes bei Läsionen des Gyrus angular-is (gekreuzte Amblyopie

GOWERS)

Folge eines Druckes auf die Seh-

strahlung (Erhöhung des Leitungswiderstandes?) 29

Arch. f. Psych. Bd. X X V I I S. 428f.

49

Vielleicht kommt hier auch der Nucleus caudatus

Betracht.

Einzelne Fasern

der TÜIIK'schen Bündel

in

(MEYNEHT)

treten sicher in denselben ein; ich konnte aber noch nicht feststellen, ob sie wirklich hier entspringen. 30

Das Tapetum ist nicht einfache Balkenausstrahlung;

enthält auch Associationssysteme,

es

welche nicht die Mittellinie

überschreiten — weshalb es auch bei vollständigem Balkenmangel theilweise erhalten bleibt. 31

Ich habe bereits an einem anderen Ort (Gehirn

und

Seele 2. Aufl.) darauf hingewiesen, dass die specifische Energie der Siunesnerven wahrscheinlich zum Theil auch von primären Eigenschaften der corlicalen Sinncssphären abhängt, da letztere

D i e Localisation der geistigen Vorgänge.

79

(besonders die des Geruchs und Gesichts) einen besonderen Hau zeigen. — Vergl. Anm. 42 am Scliluss. 32

die T h e i l u n g

Vergl. F i g . 2 o K

der oberen

Kleinhirn-

stiele in eine Sehhügel- und Linsenkernbahn. Das gleiche gilt auch für die Schleife und andere Bündel der Grosshirnschenkelhaube. 33

v. MONAKOW, Arcli. f. P s y c h . B d . X X V I I . S. ;i8(!f.

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