Die Lehre vom »arischen« Christentum: Das wissenschaftliche Selbstverständnis im Eisenacher »Entjudungsinstitut« [1 ed.] 9783737007160, 9783847107163


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Die Lehre vom »arischen« Christentum: Das wissenschaftliche Selbstverständnis im Eisenacher »Entjudungsinstitut« [1 ed.]
 9783737007160, 9783847107163

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Kirche – Konfession – Religion

Band 70

Herausgegeben vom Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes unter Mitarbeit der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen von Mareile Lasogga und Reinhard Hempelmann in Verbindung mit Andreas Feldtkeller, Miriam Rose und Gury Schneider-Ludorff

Dirk Schuster

Die Lehre vom »arischen« Christentum Das wissenschaftliche Selbstverständnis im Eisenacher »Entjudungsinstitut«

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-1507 ISBN 978-3-7370-0716-0 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Die Promotion wurde gefçrdert von der Friedrich-Naumann-Stiftung fþr die Freiheit mit Mitteln des AuswÐrtigen Amtes. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Ir›ne Bollag-Herzheimer Stiftung in Basel. Die vorliegende Studie wurde am Institut fþr Religionswissenschaft der Freien UniversitÐt Berlin im Jahr 2016 als Dissertation angenommen.  2017, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Walter Grundmann: Vorwort, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen VerhÐltnisses. Zweiter Band. Sitzungsberichte der zweiten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des j þdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 3. bis 5. MÐrz 1941 in Eisenach, Leipzig 1942, o. S. (bearbeitet von Dirk Schuster).

Einmal wird dieser schreckliche Krieg doch vorbeigehen, einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein! (Anne Frank in ihrem Tagebuch am 11. April 1944)

Diese Arbeit ist gewidmet meiner Frau Irene, meiner Tochter Cleo und meiner Großmutter Elfriede.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Forschungsgegenstand . . . . . . . . . . . 1.2 Theoretische Überlegungen und Methode . 1.3 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Begriffsklärungen . . . . . . . . . . . . . .

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15 19 22 28 29

2. Religionswissenschaft im Nationalsozialismus – Interpretationen der Fachgeschichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben (»Entjudungsinstitut«) 3.1 Die Kirchenbewegung Deutsche Christen . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 »Arteigene« Christentumsvorstellungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Zur Entstehung der Kirchenbewegung Deutsche Christen . 3.1.3 Das religiöse Weltbild der Kirchenbewegung Deutsche Christen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Zwischenfazit und Ausblick auf die Zeit nach 1933 . . . . . 3.2 Das Eisenacher »Entjudungsinstitut« 1939–1945 – eine Überblicksdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Struktur und Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Internationale Vernetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Arbeitsergebnisse des »Entjudungsinstituts« – eine Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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45 45

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48 52

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55 64

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69 71 82 92

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96

8

Inhalt

4. Das Eisenacher »Entjudungsinstitut« und die »Judenforschung« im »Dritten Reich« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Faktoren Rasse und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Wandlung der universitären Wissenschaft ab 1933 am Beispiel Leipzigs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Institutionalisierung der »Judenforschung« im »Dritten Reich« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Das »Entjudungsinstitut« als Teil der »Judenforschung« . . . . .

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125

5. Methoden und Argumentationsstrukturen in den Arbeiten des »Entjudungsinstituts« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Theologisch-Völkische Religionswissenschaft – eine Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Theologische Religionswissenschaft . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Völkische Religionswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Theologisch-Völkische Religionswissenschaft . . . . . . . 5.2 Persönliche Engagements für das »Entjudungsinstitut« . . . . . 5.2.1 Johannes Leipoldt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Walter Grundmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Rudolf Meyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Siegfried Morenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Gerhard Delling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.6 Carl Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.7 Hans Heinrich Schaeder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Die Konstruktion eines »arischen« Christentums im Eisenacher »Entjudungsinstitut« – ein Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . .

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245

6. Kontinuitäten und Brüche nach 1945 . . . . . . . . . . . . . 6.1 Arbeiten zur »Entjudung« des Christentums nach 1945 . 6.1.1 Walter Grundmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Johannes Leipoldt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Carl Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Brüche mit der Programmatik des »Entjudungsinstituts« 6.2.1 Gerhard Delling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Rudolf Meyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Siegfried Morenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Hans Heinrich Schaeder . . . . . . . . . . . . . . .

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253 259 259 265 267 269 269 271 272 274

7. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist die überarbeite Version der unter gleichem Titel im Herbst 2015 am Institut für Religionswissenschaft der Freien Universität Berlin eingereichten Dissertation. Diese Studie wäre ohne die Unterstützung meiner Frau Irene Pfitzner nie zustande gekommen. Sie hat mir die nötigen Freiräume geschaffen, um mich ganz meiner Dissertation widmen zu können. Ihr gebührt mein besonderer Dank. Dies trifft ebenso auf meinen Vater Wolfgang Schuster zu, der mich dazu erzogen hat, den eigenen Verstand zu gebrauchen und Meinungen anderer immer kritisch zu hinterfragen. Darüber hinaus danke ich vor allem Frau Prof. Dr. Almut-Barbara Renger, die sich sofort bereit erklärte, das Thema zu betreuen und mit ihren konstruktiven Anmerkungen die vorliegende Arbeit begleitete und förderte. Ebenfalls möchte ich Prof. Dr. Uwe Puschner für die Bereitschaft danken, sich als Zweitgutachter zur Verfügung zu stellen. Selbstredend entsteht eine derartige Schrift nicht ohne die Hinweise von Freunden und Kollegen. Stellvertretend für alle Helferinnen, Helfer und Kritiker sei an dieser Stelle Prof. Dr. Horst Junginger, Prof. Dr. Susannah Heschel, Dr. Torsten Lattki, Dr. Johann Nicolai, Dr. Heinz Mürmel, Vanessza Heiland und Prof. Dr. Elke Blumenthal gedankt. Ich verneige mich zudem vor all den hilfsbereiten Archivmitarbeitern, die mir bei den unzähligen Recherchen halfen. Bekanntlich bedarf auch ein Nachwuchswissenschaftler gewisser finanzieller Zuwendungen, um seine Studien kontinuierlich vorantreiben zu können. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit förderte mit Mitteln des Auswärtigen Amtes diese Arbeit in Form eines Promotionsstipendiums, wofür ich ebenfalls herzlich danke. Darüber hinaus gilt mein Dank der Stiftung IrHne Bollag-Herzheimer, die durch einen Druckkostenzuschuss die schnelle Veröffentlichung dieser Arbeit ermöglichte. Zuletzt seien noch Martin und Gisela Pfitzner erwähnt, die mir durch mehrfache Buchspenden das Schreiben sehr erleichterten.

Abkürzungsverzeichnis

ACDP BArch BStU DC DDP DDR DNVP EZA LKAE MfS NSDAP PA AA SA SächsHStA SAW SD SED SPD SS StaL TWNT UA

Archiv für Christlich-Demokratische Politik – Konrad-Adenauer-Stiftung Bundesarchiv Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Deutsche Christen Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Deutschnationale Volkspartei Evangelisches Zentralarchiv Berlin Landeskirchenarchiv Eisenach Ministerium für Staatssicherheit Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Sturmabteilung Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Sächsische Akademie der Wissenschaften Sicherheitsdienst Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel Staatsarchiv Leipzig Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament Universitätsarchiv

1.

Einleitung

Wer das »arische« Christentum im Titel dieser Arbeit als bloße Provokation des Autors versteht, sei hiermit besonders eingeladen, sich eine eigene Meinung über die Verstrickungen von Religion und Wissenschaft mit der Weltanschauung des Nationalsozialismus zu bilden. Der unvoreingenommene Leser wird dabei feststellen, dass es sich nicht um eine effekthaschende Formulierung des Verfassers handelt, sondern dass die »Lehre vom arischen Christentum« im »Dritten Reich« sukzessive ihre Umsetzung fand. Am 6. Mai 1939 erfolgte auf der symbolträchtigen Wartburg in Eisenach die feierliche Eröffnung des Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben.1 Dem von mehreren protestantischen Landeskirchen finanzierten Institut gehörten insgesamt über 150 ehrenamtlich tätige Mitarbeiter an, unter ihnen namhafte Professoren und Dozenten aus den Geisteswissenschaften und der Theologie. Die meisten waren Mitglieder oder zumindest Sympathisanten der innerprotestantischen Organisation der Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen, die im Laufe der 1930er Jahre die kirchenpolitische Vorherrschaft in einem Teil protestantischer Landeskirchen übernehmen konnte. In seinem Vortrag während der Feierlichkeiten zur Institutseröffnung stellte der wissenschaftliche Leiter und Professor für Völkische Theologie und Neues Testament, Walter Grundmann (1906–1976), die Ziele jener Forschungseinrichtung vor: Der Kampf gegen das Judentum sei dem deutschen Volk »unwiderrufbar aufgegeben«, weshalb die Ausschaltung aller »jüdischen Einflüsse«

1 Für eine bessere Lesbarkeit finden im Folgenden ebenso die zeitgenössischen Institutsbezeichnungen Eisenacher Institut und »Entjudungsinstitut« Verwendung. Ab 1940 entfielen die Worte »und Beseitigung« aus dem offiziellen Institutsnahmen. Die Hintergründe der Namensänderung sind bis heute nicht zufriedenstellend geklärt. Vgl. Oliver Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2: Das »Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben« 1939–1945, Berlin 2010, S. 527–531.

16

Einleitung

auch für die Kirchen in Deutschland zur »Schicksalsfrage« geworden sei.2 Demzufolge seien jüdische Wörter und Verweise aus dem kirchlichen Liedgut sowie der gesamten Liturgie zu tilgen.3 Ebenso gelte es, den heilsgeschichtlichen Zusammenhang von Altem Testament und Christentum zu lösen.4 Grundmann forderte also, die historische Verwurzelung des Christentums im Judentum zu negieren und dies mithilfe vermeintlich wissenschaftlicher Nachweise zu belegen. Grundmann, Spiritus Rector dieses Instituts, gab mit seinem Vortrag einen wesentlichen Anstoß dazu, das evangelische Christentum in Deutschland vollständig zu »entjuden« und hierdurch dem »deutschen Volk in seinem religiösen Schicksalskampf [gegen jegliche jüdischen Einflüsse, D. S.] Klärung und Hilfe« zu bringen.5 Als methodische Forschungsgrundlage für die Beweisführung des angenommenen unüberbrückbaren Gegensatzes von Judentum und Christentum wählten die Institutsmitarbeiter einen historisch-vergleichenden Ansatz. Obwohl die meisten Mitarbeiter ausgebildete und praktizierende Theologen waren, nutzte ein Teil von ihnen für die Institutsforschungen einen solchen Vergleich, um sich bewusst von der exegetischen Universitätstheologie abgrenzen zu können.6 Das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben verstand sich mit seiner antisemitischen Programmatik als eine Forschungseinrichtung, die ihren Beitrag zum Zweiten Weltkrieg zu leisten habe: »Der entscheidende deutsche Kampf um Freiheit und Leben unseres Volkes offenbart sich immer deutlicher als Kampf gegen die zersetzenden und zerstörenden Mächte auf allen Gebieten des Lebens. Überall wird hinter diesen zersetzenden Mächten der Jude sichtbar. Die Aufgabe deutscher Geistes- und Religionswissenschaft wird in diesem Zusammenhang immer größer. Denn den Kampf der Waffen begleitet der Kampf des Geistes.«7

Einen solchen Kampf versuchte das Institut nicht allein mithilfe akademischer Debatten und wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu führen. Vielmehr ging es darum, »Nachweise« für die »zersetzende Macht des Juden« innerhalb der 2 Walter Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens als Aufgabe deutscher Theologie und Kirche, Weimar 1939, S. 9f. 3 Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens, S. 18. 4 Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens, S. 15. 5 Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens, S. 21. 6 Die Gründe, warum Mitarbeiter sich bewusst von ihrer eigenen theologisch-wissenschaftlichen Herkunft lösten, finden ausführlich in Kapitel 5.1 Beachtung. 7 Walter Grundmann: Vorwort, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Dritter Band. Sitzungsberichte der dritten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 9. bis 11. Juni 1942 in Nürnberg, Weimar 1943, o. S.

Einleitung

17

knapp 2.000jährigen Geschichte des Christentums aufzuspüren und derartige Erkenntnisse in breit angelegten Projekten zu verarbeiten. Als Beispiel kann die »entjudete« Bibel Die Botschaft Gottes gelten, die das Institut 1940 veröffentlichte. Die beteiligten Mitarbeiter tilgten darin nicht nur alle Verbindungen von Jesus und den ersten Christusanhängern mit dem Judentum, sondern stilisierten Jesus zusätzlich als Vorkämpfer gegen »den Juden«.8 Gerade jene Mitarbeiter, die gleichzeitig als akademische Lehrer an deutschen Universitäten wirkten, prägten die Arbeiten dieses Kircheninstituts. Sie erbrachten die vermeintlichen Belege, dass Jesus von Anbeginn der größte Feind des Judentums gewesen sei, und legten hierdurch den Grundstein für eine vollständige »Entjudung« des Christentums. Auch wenn die antisemitische Ausrichtung des Institutes deutlich hervortrat, stellte eine Beteiligung an den Forschungen nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reichs« keinen Grund für eine Entlassung aus den jeweiligen universitären oder kirchlichen Positionen dar. Vielmehr verblieben gerade die Ordinarien auf ihren akademischen Lehrstühlen und konnten trotz ihrer vorherigen Mitarbeit im »Entjudungsinstitut« ihre wissenschaftlichen Karrieren in der Nachkriegszeit fortsetzen. Weil der Wissenschaft die Institutsverwaltungsakten und die Korrespondenzen von Walter Grundmann erst seit 1990 zur Verfügung stehen, befindet sich die Aufarbeitung dieses Kapitels der Kirchen-, Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte noch immer am Anfang. Dass Wissenschaft und Öffentlichkeit überhaupt Kenntnis von jenem »Entjudungsinstitut« erhielten, ist den umfangreichen Arbeiten Susannah Heschels zu verdanken, die ab 1994 eine Reihe von Aufsätzen hierzu veröffentlichte9 und 2008 ihre Gesamtstudie The Aryan Jesus10 vorlegte. Darüber hinaus erschien 2010, in zwei Bänden, die über 8 Vgl. Birgit Jerke: Wie wurde das Neue Testament zu einem sogenannten Volkstestament »entjudet«? Aus der Arbeit des Eisenacher »Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben«, in: Leonore Siegele-Wenschkewitz, (Hg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen, Frankfurt/M. 1994, S. 201–234. 9 U. a. Susannah Heschel: Theologen für Hitler. Walter Grundmann und das »Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben«, in: Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen, Frankfurt/M. 1994, S. 125– 170; dies.: Nazifying Christian Theology. Walter Grundmann and the Institute for the Study and Eradication of Jewish Influence on German Church Life, in: Church History 63 (1994), S. 587–605; dies.: When Jesus Was an Aryan. The Protestant Church and Antisemitic Propaganda, in: Robert Ericksen/ Susannah Heschel (Hg.): Betrayal. German Churches and the Holocaust, Minneapolis 1999, S. 68–89; dies.: Dejudaizing Jesus – On Nazi »Judenforschung« and its Christian Ramifications, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts 5 (2006), S. 353–373. 10 Susannah Heschel: The Aryan Jesus. Christian Theologians and the Bible in Nazi Germany, Princeton 2008.

18

Einleitung

900 Seiten umfassende Dissertation von Oliver Arnhold, der in Band 1 den ideengeschichtlichen Weg innerhalb der Thüringer Landeskirche hin zur Institutsgründung skizziert.11 Darauf aufbauend zeichnet Band 2 auf Grundlage von Institutsakten, Briefen und den erschienenen Publikationen die Organisationsstruktur sowie die individuelle Beteiligung einzelner Mitarbeiter nach.12 Susannah Heschels Arbeiten stellen das Institut und seine Hauptprotagonisten in den Kontext der christlichen Judenfeindschaft, wodurch eine bereits weit vor 1933 einsetzende Entwicklung sichtbar wird, die in der »Entjudung« des Neuen Testaments zweifelsohne ihren Höhepunkt fand. Arnholds Arbeit legt dagegen den Fokus auf Struktur und Umfang des Instituts, weshalb seine Arbeit eine Art quellenbasiertes Nachschlagewerk darstellt. Die Veröffentlichungen von Heschel und Arnhold bilden dadurch einen ebenso nützlichen wie unerlässlichen Grundstock für jede weitere Erforschung des »Entjudungsinstituts« und seiner Mitarbeiter.13 Susannah Heschel hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der in den Institutsarbeiten genutzte religionshistorisch-vergleichende Forschungsansatz dazu diente, die neutestamentlichen Überlieferungen aus dem alttestamentlichen Kontext zu lösen und Jesus einen »arischen« Ursprung zu attestieren.14 »Race was central, and History of Religions methods were championed as the way to recognize the unique religious message appropriate to the German race – and eliminate Jewish influences that had distorted it.«15

In den wenigen Darstellungen zur religionswissenschaftlichen Fachgeschichte, allen voran in den Abschnitten für die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, sucht man indes vergeblich nach Hinweisen auf das Institut bzw. zu dessen Mitarbeitern. Allein Horst Junginger verwies 2001 darauf, dass sich auch innerhalb der Deutschen Christen eine eigene »protestantisch-theologische Religionswissenschaft« herausgebildet habe. Eine solche Sonderform von Religionswissenschaft im »Dritten Reich« trete nach Junginger besonders deutlich in den Arbeiten des Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben hervor, in denen christliche und antisemitische Vorstellungen eine Einheit bildeten. »Diese kirchliche Einrichtung […] formulierte die »Entjudung« des Christentums als ihr vordringlichstes Ziel, das man mit den wissenschaftlichen Methoden der Allgemeinen 11 Oliver Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1: Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939, Berlin 2010. 12 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund, Bd. 2. 13 Während der Konzeptionsphase der vorliegenden Arbeit war Arnholds Studie noch nicht erschienen, weshalb es in Details zwangsläufig zu Überschneidungen kommt. 14 Heschel: The Aryan Jesus, S. 202. 15 Heschel: The Aryan Jesus, S. 225.

Forschungsgegenstand

19

Religionsgeschichte vorantreiben wollte. Daraus ging schließlich eine Form des wissenschaftlichen Antisemitismus hervor, die sich selbst als Religionswissenschaft bezeichnete.«16

1.1

Forschungsgegenstand

Die vorliegende Arbeit bettet in Anknüpfung an die letztgenannten Ausführungen das »Entjudungsinstitut« in die Fachgeschichte der deutschen Religionswissenschaft ein. In Kapitel 5.1 werden hierfür die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sich herausgebildeten Ausdifferenzierungen der unterschiedlichen religionswissenschaftlichen Richtungen mit ihren jeweiligen Spezifika vorgestellt. Diese Erläuterungen dienen zur Untersuchung der These, dass das »Entjudungsinstitut« – im zeitgenössischen Selbstverständnis betrachtet – als Teil der Fachgeschichte für die Zeit des »Dritten Reichs« zu verstehen ist. Gleichwohl bedarf es hierfür einer terminologischen Differenzierung bezüglich des Begriffs Religionswissenschaft. Horst Junginger hat hierfür die theoretisierende Unterscheidung zwischen »völkischer« und »theologischer« Religionswissenschaft eingeführt, wobei sich innerhalb der theologischen Religionswissenschaft nochmals verschiedene konfessionell geprägte Zweige ausbildeten.17 Auch wenn Junginger den religionsvergleichenden Ansatz des »Entjudungsinstituts« nicht ausführlich analysiert, versteht er diesen als eine Untergruppe der protestantisch-theologischen Religionswissenschaft.18 Des Weiteren setzt sich die Arbeit zum Ziel, die Aufarbeitung der Geschichte des Instituts und dessen Einfluss auf die historische Christentumsforschung fortzusetzen. Heschel und Arnhold konnten aufgrund der großen Anzahl von Mitarbeitern sowie deren enormer Produktivität verständlicherweise nur einen ersten Einblick in die Arbeitsweise des Instituts geben. So konzentrieren sich beide besonders auf den wissenschaftlichen Leiter Walter Grundmann und die personellen Institutsverbindungen mit der Theologischen Fakultät der Universität Jena. 16 Horst Junginger : Einführung: Das Überleben der Religionswissenschaft im Nationalsozialismus, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 9 (2001), S. 149–167, hier S. 157. Zu diesem Sachverhalt ebenso Horst Junginger : Introduction, in: Horst Junginger (Hg.): The Study of Religion under the Impact of Fascism, Leiden Boston 2008, S. 1–103, hier S. 17; Horst Junginger: Völkische Religionswissenschaft, in: Ingo Haar/ Michael Fahlbusch (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen, München 2008, S. 704–713, hier S. 711. 17 Horst Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft. Das Fach Religionswissenschaft an der Universität Tübingen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Dritten Reiches, Stuttgart 1999. 18 Junginger : Einführung: Das Überleben der Religionswissenschaft, S. 157.

20

Einleitung

Die vorliegende Studie verfolgt indes einen anderen Ansatz: Bei den ersten Recherchen fiel auf, dass ein Teil der besonders aktiven Institutsmitarbeiter eine Verbindung zur Leipziger Universität besaß. Vor allem der Leipziger Neutestamentler Johannes Leipoldt (1880–1965) nahm für das Eisenacher »Entjudungsinstitut« eine Art Netzwerkfunktion ein, wie im Verlauf der Arbeit noch aufgezeigt werden wird. Die Fokussierung auf Leipzig als ein Kriterium zur Auswahl der zu untersuchenden Personen basiert darüber hinaus auf einem weiteren Sachverhalt: Leipzig war eines der, wenn nicht sogar das Zentrum der völkischen Bewegung im deutschen Kaiserreich.19 Neben einer Vielzahl von Verlagen mit einer Programmausrichtung auf völkisches Gedankengut20 war es vor allem der Publizist, Verleger und völkische Agitator Theodor Fritsch (1852–1933), der seit den 1880er Jahren in Leipzig ein antisemitisches Netzwerk aufbaute, welches speziell im Bildungsbürgertum großen Einfluss gewann.21 Die seit 1903 von Fritsch herausgegebene Zeitschrift Hammer integrierte unterschiedliche Richtungen der völkischen Bewegung, wodurch Fritsch endgültig zum »völkischen Propheten« wurde.22 Wie Uwe Puschner anmerkt, gab es unter Lehrern und Universitätsangehörigen viele Anhänger des völkischen Gedankengutes,23 weshalb jene Mitarbeiter des Eisenacher »Entjudungsinstituts« in den Mittelpunkt der Untersuchung gerückt werden, die als Professoren oder Dozenten im Laufe ihrer akademischen Laufbahn an der Leipziger Universität arbeiteten. Die Auswahl der betreffenden Personen unterliegt dabei zwei Einschränkungen:

19 Zur völkischen Bewegung im Kaiserreich vgl. Uwe Puschner : Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion, Darmstadt 2001. 20 Sandra Groß: Rassenwahn und Germanenkult – Die völkische Bewegung in Leipzig, in: Iris Edenheiser (Hg.): Von Aposteln bis Zionisten. Religiöse Kultur im Leipzig des Kaiserreichs, Marburg 2010, S. 148–158, hier S. 156f. Dort auch weitere Beispiele von völkischen Vertretern, Organisationen und Verlagen, die eine starke Verbindung mit Leipzig aufwiesen. 21 Matthias Piefel: Antisemitismus und völkische Bewegung im Königreich Sachsen 1879– 1914, Göttingen 2004, S. 67. Zu Fritsch in Leipzig vgl. Petra Klug: Antisemitische Hetzpropaganda aus Leipzig – Theodor Fritsch und der »Hammer«, in: Iris Edenheiser (Hg.): Von Aposteln bis Zionisten. Religiöse Kultur im Leipzig des Kaiserreichs, Marburg 2010, S. 159– 169; Andreas Herzog: Das schwärzeste Kapitel der Buchstadt vor 1933. Theodor Fritsch, der »Altmeister der Bewegung« wirkte in Leipzig, in: Leipziger Blätter 30 (1997), S. 56–59; Dirk Schuster : Stifter, Züchter, Apostel Ein Blick auf das alternativ-religiöse Leipzig um 1900, in: Susanne Schötz (Hg.): Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 3: Vom Wiener Kongress bis zum Ersten Weltkrieg, Leipzig 2017 (im Druck). 22 Puschner : Die völkische Bewegung, S. 60. Hierzu auch Uwe Puschner : Strukturmerkmale der völkischen Bewegung (1900–1945), in: Michel Grunewald/ Uwe Puschner (Hg.): Le Milieu intellectuel conservateur en Allemagne, sa presse et ses r8seaux (1890–1960), Bern 2003, S. 445–468, hier S. 452f. 23 Puschner : Die völkische Bewegung, S. 275.

Forschungsgegenstand

21

1. Die betreffenden Personen nutzten in ihren, im Rahmen des Institutsengagements ausgearbeiteten Studien, einen religionshistorischen Forschungsansatz, weshalb rein theologisch argumentierende Institutsmitarbeiter keine Beachtung finden. 2. Die Forscher blieben nach 1945 weiterhin in der wissenschaftlichen Religionsforschung tätig. Dies ermöglicht, Kontinuitäten und Brüche in den individuellen Nachkriegswerken gegenüber den vorherigen Institutsarbeiten aufzuzeigen. Es ist zu eruieren, ob die bis 1945 vorgebrachte »Tatsache« des angeblich rassisch bedingten Gegensatzes von Christentum und Judentum24 sich noch in Nachkriegsschriften der betreffenden Wissenschaftler finden lässt. Für die nationalsozialistische »Judenforschung« – zu der, wie in Kapitel 4 belegt, das »Entjudungsinstitut« zu zählen ist – konnte die Forschung bereits feststellen, dass vereinzelt vor 1945 begonnene Arbeiten noch nach Kriegsende veröffentlicht wurden.25 Dementsprechend gilt es zu klären, ob die sieben ausgewählten Wissenschaftler ihre noch während des »Dritten Reichs« begonnenen Arbeiten später einfach fortsetzten. Mit Beantwortung dieser Frage lässt sich gleichsam die Wirkungsgeschichte des Eisenacher Instituts über das Jahr 1945 hinaus weiterschreiben, auch wenn es seit diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte. Denn nur vereinzelt und zumeist ausschließlich in biographischer Betrachtungsweise widmeten sich die bisherigen Untersuchungen derartigen Fortgängen. Die aktuelle Debatte um Theodor Eschenburg (1904–1999) zeigt, wie notwendig fundierte Kenntnisse über das Wirken von Persönlichkeiten aus dem akademischen Bereich in der Zeit der NS-Herrschaft sind: Der als Begründer der deutschen Politikwissenschaft geltende Eschenburg beteiligte sich im »Dritten Reich« aktiv an der »Arisierung« eines jüdischen Unternehmens.26 2013 führte dies nach kontroversen Debatten zur Streichung des nach Eschenburg benannten Preises der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft.27 24 Zur Konstruktion einer solchen »Tatsache« vgl. Kapitel 3.2 sowie 5 dieser Arbeit. 25 Dirk Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie, Baden Baden 2011, S. 390. 26 Dies meint, dass jüdische Besitzer ihre Firmen und Geschäfte zwangsweise unter Wert verkaufen mussten. 27 Zur Eschenburg-Kontroverse, die auch ein breites Echo in der Tagespresse erfuhr, vgl. beispielhaft Hans-Joachim Lang: Theodor Eschenburg und die deutschen Vergangenheit. Die Enteignung Wilhelm Fischbeins – und was Theodor Eschenburg damit zu tun hat, in: Indes. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft 3 (2014), S. 133–144; Rainer Eisfeld: Theodor Eschenburg und der Raub jüdischer Vermögen 1938/39, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 62 (2014), S. 603–626; Eckhard Jesse: Theodor Eschenburg und die deutsche Vergangenheit. Die Abschaffung des Theodor-Eschenburg-Preises ist ein Armutszeugnis, in: Indes. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft 2 (2013), S. 130–135; Rainer Eisfeld: Theodor

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Einleitung

Im Bewusstsein dieser Debatten analysiert die vorliegende Arbeit erstmals systematisch-vergleichend die Beteiligung einzelner Wissenschaftler an dem offen antisemitisch ausgerichteten »Entjudungsinstitut«. Erst die Kenntnis darüber sollte die Grundlage einer noch zu erbringenden Bewertung von »geistigen Handlangerdiensten«28 an der nationalsozialistischen Ausgrenzung und Vernichtung der Juden bilden.

1.2

Theoretische Überlegungen und Methode

Die Idee einer »Entjudung« des Christentums zur Schaffung eines »arteigenen« christlichen Glaubens für das deutsche Volk entstammte nicht der Kirchenbewegung Deutsche Christen und des von ihr initiierten »Entjudungsinstituts«. Vielmehr gehörten derartige Vorstellungen zur Basis des sogenannten Deutschchristentums innerhalb der völkischen Bewegung und bildeten sich schon am Ende des 19. Jahrhundert heraus.29 Im Folgenden wird entsprechend auf einzelne Analogien zwischen »artgemäßen Christentumsvorstellungen« der völkischen Bewegung des Kaiserreichs und Sichtweisen, wie sie das »Entjudungsinstitut« hervorbrachte, verwiesen. Ziel der Arbeit ist aber ausdrücklich nicht, einen ideengeschichtlichen Zusammenhang zwischen Vorstellungen der völkischen Bewegung und jenen Ansichten der Protagonisten des »Entjudungsinstituts« nachzuzeichnen. Stattdessen verfolgt die Arbeit einen religionsgeschichtlichen Ansatz, der am Beispiel der Arbeiten des Eisenacher »Entjudungsinstituts« aufzeigt, wie religiöse und historische Narrative der Konstruktion einer religiösen Identität dienten.30 Mit der Erinnerung an die Vergangenheit und deren Interpretation entwickeln Menschen ein Verständnis für ihr gegenwärtiges Leben, wodurch Geschichte (und darin inbegriffen Religionsgeschichte) und deren Auslegung für die kulturelle Orientierung einer Gesellschaft in der Gegenwart mitverantEschenburg (II): »Der innere Widerstand gegen ein totalitäres Regime verlangte eben besondere Verhaltensweisen«, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 61 (2013), S. 522–542; Hans Woller/ Jürgen Zarusky : Der »Fall Theodor Eschenburg« und das Institut für Zeitgeschichte, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), S. 551–565; Udo Wengst: Der »Fall Theodor Eschenburg«. Zum Problem der historischen Urteilsbildung, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), S. 411–440; Rainer Eisfeld: Theodor Eschenburg: Übrigens vergaß er noch zu erwähnen … Eine Studie zum Kontinuitätsproblem in der Politikwissenschaft, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 59 (2011), S. 27–44. 28 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 644. 29 Puschner : Die völkische Bewegung, S. 203–222. 30 Vgl. hierzu den, diesen Ansatz verfolgenden Sammelband von Bernd-Christian Otto/ Susanne Rau/ Jörg Rüpke (Hg.): History and Religion. Narratting a Religious Past, Berlin Boston 2015.

Theoretische Überlegungen und Methode

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wortlich ist.31 In Bezug auf Geschichte ist die geteilte Kultur einer Gruppe, einer Gesellschaft, eines Volkes usw. entsprechend als ein Produkt von Deutungs- und Aushandlungsprozessen zu verstehen. So stellen beispielsweise Wissenschaftler Interpretationen von vergangenen und gegenwärtigen (sowie nicht selten zukünftigen) Entwicklungen zur Verfügung, die anschließend von einer Mehrzahl von Individuen möglichst angenommen werden. Dadurch wird soziales Wissen, als »gemeinsame[r] Vorrat sinnhafter Deutungen der Realität, auf den implizit Bezug genommen werden kann«, konstituiert.32 Mit dem Rückgriff auf vergangene Entwicklungen und deren narrative Interpretation lässt sich beispielsweise eine kollektive Identität wie ein Volk konstruieren. Die Herstellung und Plausibilisierung einer kollektiven Identität wie einem Volk ist demzufolge ein Prozess der rückwirkenden Produktion und »erscheint als Ergebnis dieses Signifikationsprozesses so, als ob es sie [die kollektive Identität; D. S.] schon immer gegeben hätte.«33 Die Herstellung kollektiver Identitäten, ebenso wie die Wahrnehmung historischer und anthropologischer Entwicklungen ist demnach als ein konstruktiver Akt, nicht als eine abbildende Tätigkeit der »Wahrheit«34 zu verstehen. Demzufolge sind auch wissenschaftliche Ergebnisse keine die Wirklichkeit abbildenden Produkte, sondern entstehen in von Selektion geprägten Prozessen. Die Selektion findet wiederum in unterschiedlichen historischen, sozialen sowie politischen Kontexten statt und ist gekennzeichnet von situationsspezifischen und interessengeleiteten Rahmenbedingungen.35 Dem sich daraus entwickelnden Konflikt zwischen dem konstruktiven Akt und der ontischen Welt, was Dinge und Verhältnisse der vom Individuum erfahrbaren Welt meinen soll, begegnet Ernst von Glasersfeld mit dem Begriff der Viabilität, der bei ihm »auf dem Begriff des Passens im Sinne des Funktionie-

31 Jörn Rüsen: Some Theoretical Approaches to Intercultural Comparative Historiography, in: History and Theory 35 (1996), Heft 4, S. 5–22, hier S. 8f. 32 Johannes Angermüller : Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse in Deutschland. Zwischen Rekonstruktion und Dekonstruktion, in: Reiner Keller u. w. (Hg.): Die diskursive Konstruktion von Wirklichkeit. Zum Verhältnis von Wissenssoziologie und Diskursforschung, Konstanz 2005, S. 23–47, hier S. 28. 33 Adrian Hermann/ Stephanie Gripentrog: Religiöse Kollektive? Einleitende Überlegungen zum Verhältnis von Kollektiv, Narration und Religion, in: Gabriela Brahier/ Dirk Johannsen (Hg.): Konstruktionsgeschichten. Narrationsbezogene Ansätze in der Religionsforschung, Würzburg 2013, S. 223–229, hier S. 226. 34 »Wahrheit« ist in diesem Zusammenhang als eine (aushandelbare) Legitimation von Regelsystemen zu verstehen. Vgl. Hubert Knoblauch: Über die kommunikative Konstruktion der Wirklichkeit, in: Gabriela B. Christmann (Hg.): Zur kommunikativen Konstruktion von Räumen. Theoretische Konzepte und empirische Analysen, Wiesbaden 2016, S. 29–53. 35 Ich stütze mich hierzu auf Karin Knorr Cetina: Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissenschaft. Erweitere Neuauflage, Frankfurt/M. 22002, S. 17–28.

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Einleitung

rens« beruht.36 Damit erklärt von Glasersfeld das Übergehen jenes Konfliktes zwischen einer konstruierten Erkenntnis und der dazu gegenüberstehenden Wahrnehmung in der unmittelbaren Erlebniswelt. Auf das hier zu behandelnde Thema lässt sich dies an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Dem mithilfe historischer Überlieferungen vollzogenen konstruktiven Akt eines nicht aus dem Judentum entstandenen Christentums steht die ontische Welt der neutestamentlichen Überlieferung gegenüber, in der Jesus von Nazareth (als Zentralfigur des späteren Christentums) als Jude beschrieben wird. Zur Darstellung der Umgehung jenes Konfliktes lässt sich das Beschreibungselement der Viabilität nutzen, der »Beziehung des Passens«. Von Glasersfeld meint damit, »daß wir in der Organisation unserer Erlebniswelt stets so vorzugehen trachten, daß das, was wir da aus Elementen der Sinneswahrnehmung und des Denkens zusammenstellen – Dinge, Zustände, Verhältnisse, Begriffe, Regeln, Theorien, Ansichten und, letzten Endes, Weltbild –, so beschaffen ist, daß es im weiteren Fluß unserer Erlebnisse brauchbar zu bleiben verspricht. ›Brauchbar‹ oder ›viabel‹ aber nennen wir in diesem Zusammenhang eine Handlungs- oder Denkweise, die an allen Hindernissen vorbei (den ontischen wie den aus der Handlung selbst erwachsenen) zum erwünschten Ziel führt.«37

Im konkreten Fall der Schaffung eines »arischen« Christentums ist das ›passend machen‹ folgendermaßen zu verstehen: Die bestehende ontische Welt, beispielsweise die neutestamentliche Überlieferung mit ihrer Darstellung des Jesus von Nazareth als Jude, wird als falsch dekonstruiert, um sie anschließend der eigenen Erlebniswelt eines nichtjüdischen Christentums anzupassen und damit die auf Konstruktion basierende Schaffung einer neuen Erlebniswelt abzuschließen. Die neutestamentliche Überlieferung, um bei dem genannten Beispiel zu bleiben, verstanden als ein in Textform verfasstes Kommunikationsmittel, besitzt keine eigene Bedeutung. Kommunikationsteilnehmer (Kirche, Gläubige und Wissenschaftler) ordnen dem Kommunikationsmittel eine auf Konsens beruhende Bedeutung (z. B. als heiliger Text) zu, wodurch die Bedeutung im Sinne einer Interpretation wieder als ein konstruktiver Akt zu verstehen ist.38 Die 36 Ernst von Glasersfeld: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität, in: Einführung in den Konstruktivismus, 15. Aufl., München Berlin Zürich 2015, S. 9–39, hier S. 19. Zur Kritik an von Glasersfelds radikal-konstruktivistischen Ansatz vgl. beispielhaft Tilmann Sutter : Interaktionistischer Konstruktivismus. Zur Systemtheorie der Sozialisation, Wiesbaden 2009, S. 37–68. 37 Von Glasersfeld: Konstruktion der Wirklichkeit, S. 30. 38 Vgl. Siegfried J. Schmidt: Vom Text zum Literatursystem. Skizze einer konstruktivistischen (empirischen) Literaturwissenschaft, in: Einführung in den Konstruktivismus, 15. Aufl., München Berlin Zürich 2015, S. 147–166, hier S. 154–160.

Theoretische Überlegungen und Methode

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Wissenschaft selbst beteiligt sich an derartigen Bedeutungszuschreibungen, indem sie – wiederum basierend auf konsensuell festgelegten Regeln – beispielsweise Lösungsansätze für die Interpretation von Texten und Quellen anbietet.39 Die sinnhafte Deutung durch die Wissenschaft erhält wiederum dann die Zuschreibung einer »objektiven Wirklichkeit«, wenn sie durch die Wahrnehmung anderer Bestätigung findet.40 So wird die Deutung der Geschichtswissenschaft, das Deutsche Reich habe 1945 den Krieg verloren, durch die Wahrnehmung und Akzeptanz der meisten Individuen bestätigt und erlangt damit den Status einer »objektiven Wirklichkeit«.41 Dabei handelt es sich aber nicht um ein starres und geradliniges System der Wirklichkeitskonstruktion, sondern neue Erkenntnisse bzw. Wahrnehmungen können jene »objektive Wirklichkeit« verändern. Die heutige (zumindest von den meisten Menschen so akzeptierte) Wirklichkeit, dass die Erde rund ist und nicht innerhalb von sieben Tagen erschaffen wurde, wäre vor wenigen Jahrhunderten keine Wirklichkeit gewesen, sondern eine falsche Wahrnehmung. Stellt dementsprechend die Wissenschaft42 gegenüber einer bestehenden »Wirklichkeit« eine neue Deutung zur Verfügung und wird diese von Anderen durch Akzeptanz bestätigt, konstituiert sich eine neue »Wirklichkeit«. Wenn also aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse – die wie angedeutet in Bezug auf Quellen- und Textauslegungen selbst ein Akt der interpretatorischen Konstruktion sind – argumentativ behauptet wird, Jesus sei kein Jude gewesen, müssen die einer solchen Deutung widersprechenden Quellen und Texte ebenfalls neu gedeutet werden. Denn die bis dahin bestehende »Wirklichkeit«, die Jesus als Juden zeichnete, steht der neuen Argumentation diametral entgegen. Anders ausgedrückt: Wenn Wissenschaft eine bestehende »Wirklichkeit« durch eine neue »Wirklichkeit« ersetzen möchte, muss die alte »Wirklichkeit« argumentativ widerlegt werden, damit die neue »Wirklichkeit« von anderen akzeptiert wird und dadurch erst den Status einer »objektiven Wirklichkeit« bzw. »Wahrheit« erhält. Speziell in unfreien politischen Systemen – beispielsweise totalitären Dikta39 Schmidt: Vom Text zum Literatursystem, S. 156. 40 Von Glasersfeld: Konstruktion der Wirklichkeit, S. 33. Hierzu auch mit empirischen Beispielen der politischen Gegenwart Anna-Katharina Hornidge: Wissen-fokussierende Wirklichkeiten und ihre kommunikative Konstruktion, in: Reiner Keller/ Hubert Knoblauch/ Jo Reichertz (Hg.): Kommunikativer Konstruktivismus. Theoretische und empirische Arbeiten zu einem neuen wissenssoziologischen Ansatz, Wiesbaden 2013, S. 207–234. 41 »Objektivität« ist entsprechend als ein Prozess der sozialen Ableitung zu verstehen. Vgl. Peter Berger/ Thomas Luckmann: Sociology of Religion and Sociology of Knowledge, in: Sociology and Social Research 47 (1963), S. 417–427, hier S. 423. 42 Nicht nur die Wissenschaft stellt neue Erkenntnisse und Deutungen zur Verfügung, doch soll aufgrund des zu behandelnden Themas bei diesem Beispiel geblieben werden.

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turen oder religiös legitimierten Herrschaften – besteht dann die Gefahr, dass »Wahrheit«, wie und durch wen auch immer diese konstruiert wird, die Funktion einer dogmatisierten Gewissheit übernimmt, die keine abweichende Ansicht mehr zulässt.43 In diesem Zusammenhang haben wiederum bestimmte, im zeitlichen Kontext emotional aufgeladene Begriffe entsprechende Konsequenzen: In der auf dem Antisemitismus beruhenden nationalsozialistischen Ideologie war der Begriff »jüdisch« nicht nur eine religiöse Zuschreibung. »Jüdisch« symbolisierte vielmehr das Gegenteil von »deutsch«, »arisch« usw. und klassifizierte hierdurch Dinge und Ansichten, die es abzulehnen galt.44 Eine von der Rassenideologie beeinflusste Wissenschaft, die sich selbst als Religionswissenschaft bezeichnete, unternahm es während des Nationalsozialismus, ein »arisches«, von jüdischen Einflüssen beseitigtes Christentum zu konstruieren. Vorliegende Arbeit rekonstruiert eben diese »Entjudung« in ihren Methoden, Argumenten und Praktiken.45 Die Arbeit zeichnet nach, mit welchen Argumenten Jesus, und mit ihm das gesamte Christentum, als »nichtjüdisch« beurteilt wurde, welche Grundannahmen einem solchen Denken zugrunde lagen und wie sich jene Konstruktion vor dem Hintergrund des politischen Systems des Nationalsozialismus entwickelte. Oder, um noch einmal auf Ernst von Glasersfelds Ansatz zurückzukommen: Wie versuchten die Mitarbeiter des Eisenacher »Entjudungsinstituts« mithilfe wissenschaftlicher und auf antisemitischen Stereotypen fußenden Interpretationen, einen auf Viabilität basierenden Ansatz eines von seinen jüdischen Wurzeln losgelösten Christentums zu entwickeln. Dabei ging es nicht um die Schaffung einer genuin neuen Religion, sondern um eine vermeintlich neue »Wirklichkeit«, welche die alte »Wirklichkeit« von Jesus als Juden und dem Judentum als Wurzel des Christentums mithilfe neuer Erkenntnisse ablösen sollte. Für eine solche Rekonstruktion wird am Beispiel von sieben Mitarbeitern des Eisenacher »Entjudungsinstituts« und deren in diesem Zusammenhang entstandenen wissenschaftlichen Arbeiten die argumentative Vorgehensweise nachgezeichnet. Es handelt sich bei den ausgewählten Beispielen nicht um ausführliche bio43 Bernhard Pörksen: Konstruktivismus. Medienethische Konsequenzen einer Theorie-Perspektive, Wiesbaden 2014, S. 6. 44 Zum Symbolgehalt von Wörtern in der gesellschaftlichen Kommunikation John R. Searle: Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit, Frankfurt/M. 2011, S. 75–77. 45 Der Wissensbegriff in Bezug auf Wissenschaft orientiert sich dabei an der Auslegung von Karin Knorr Cetina: Wissen ist ein durch Forscher produziertes Ergebnis, welches immer in einem historisch-sozialen Kontext entsteht und durch Selektionsprozesse (Auswahl von Methoden, Messinstrumenten, Quellen, Finanzierung, etc.) letztendlich konstruiert ist. Cetina: Die Fabrikation von Erkenntnis, S. 22.

Theoretische Überlegungen und Methode

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graphische Untersuchungen zu den betreffenden Personen. Vielmehr werden der jeweilige wissenschaftliche Werdegang sowie die erbrachten Forschungsergebnisse analysiert und in den wissenschafts- sowie gesellschaftsgeschichtlichen Kontext gestellt. Da Wissenschaftler im Laufe ihres Akademikerlebens eine Vielzahl an Publikationen und Artikeln veröffentlichen, beschränkt sich die Auswahl der zu analysierenden Schriften auf jene, die thematisch in einem Bezug zu den Zielen des »Entjudungsinstituts« stehen. Texte und Vorträge, die sich mit dem Christentum und dessen Beziehung zum Judentum auseinandersetzten oder direkt als Institutsschriften erschienen sind, werden dementsprechend auf antisemitische Argumentationslinien hin ausgewertet, die wiederum den Grundstein für jene vermeintlich neue »Wirklichkeit« bildeten. Weil sich das Institut in seinem Selbstverständnis als eine seriöse und in die wissenschaftliche Landschaft eingebettete Forschungseinrichtung verstand, fließen ebenso Rezensionen in die Untersuchung mit ein. Institutsmitarbeiter besprachen des Öfteren wohlwollend die Arbeiten ihrer Institutskollegen in anerkannten Fachzeitschriften. Es ist jedoch nicht angestrebt, eine vollständige Rezeptionsgeschichte der wissenschaftlichen Arbeiten der ausgewählten Forscher für die Zeit vor und nach 1945 vorzulegen. Der Fokus richtet sich darauf, wie rassische und antisemitische Argumentationsweisen genutzt wurden und ob derartige Ansichten bzw. Zuschreibungen noch in den wissenschaftlichen Arbeiten der Nachkriegszeit vorkamen. Darüber hinaus ist die Sichtung und Auswertung von Quellenmaterial für eine differenzierte Beurteilung der jeweiligen Mitarbeit wichtig: Eingeschränkte Publikationsmöglichkeiten aufgrund kriegsbedingter Papierverknappung sowie die Wehrdiensteinberufungen nicht weniger Institutsmitarbeiter ließen viele angedachte Forschungsarbeiten nicht mehr zur Umsetzung kommen.46 Für die Analyse dieser nicht vollendeten oder lediglich im Ideenstatus begriffenen Forschungen wurden die Verwaltungsakten des Eisenacher Instituts im Thüringer Landeskirchenarchiv Eisenach gesichtet. Darüber hinaus bieten Korrespondenzen und persönliche Aufzeichnungen eine Vielzahl von Informationen, die zur Klärung der individuellen Beteiligung an den antisemitischen Arbeiten für das »Entjudungsinstitut« beitragen. Beispielsweise enthält der erst 2008 wiederentdeckte Nachlass des Verlages J. C. Hinrich die persönlichen Brief-

46 Oliver Arnhold: »Die Entjudung des religiösen Lebens als Aufgabe deutscher Theologie und Kirche.« Christlicher Antisemitismus am Beispiel des kirchlichen »Entjudungsinstituts« in der Zeit von 1939 bis 1945, in: Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 7 (2013), S. 51– 74, hier S. 65.

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wechsel des Verlegers mit namhaften Geisteswissenschaftlern aus der Zeit bis 1945.47 Neben Überlieferungen aus diversen Universitätsarchiven, dem Bundesarchiv Berlin sowie dem Evangelischen Zentralarchiv wurden zusätzlich die betreffenden Personalakten des Archivs der Sächsischen Akademie der Wissenschaften sowie Überwachungsakten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gesichtet. Angeführte Bestandsignaturen entsprechen den Angaben, die zum Zeitpunkt der Akteneinsicht galten. Das Landeskirchenarchiv Eisenach hat den für diese Arbeit maßgeblichen Beständen vor wenigen Jahren neue Signaturen zugewiesen, weshalb sich die angegebenen Quellennachweise deutlich von jenen bei Heschel und Arnhold unterscheiden.48 Der im Universitätsarchiv Leipzig eingesehene Nachlass von Johannes Leipoldt besaß zur Zeit der Einsichtnahme noch keine feste Signatur, weshalb die hier in Absprache mit den Archivmitarbeitern vergebenen Signaturen möglicherweise in Zukunft andere Bezeichnungen führen.49

1.3

Aufbau

Die vorliegende Arbeit ist in fünf thematische Abschnitte gegliedert: Kapitel 2 widmet sich zunächst dem bisherigen Forschungsstand zur religionswissenschaftlichen Fachgeschichte in Deutschland, wobei der Schwerpunkt der Betrachtung auf der Zeit des »Dritten Reichs« liegt. Schon während der Weimarer Republik begann die Ausdifferenzierung des Faches, was wiederum während der NS-Zeit manchem Wissenschaftler die Möglichkeit eröffnete, sich im eigenen Forschungsbereich durch die Anlehnung an die NS-Ideologie zu profilieren. Zur historischen und ideengeschichtlichen Einordnung folgt in Kapitel 3 die zusammenfassende Geschichte des »Entjudungsinstituts«. Zunächst ist hierfür ein Exkurs zu Entstehung und Weltbild der Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen zwingend notwendig. Die Kirchenbewegung initiierte die Gründung jener Forschungseinrichtung und trug gleichzeitig die Hauptlast der Finanzierung. Sie erhoffte sich von den Institutsforschungen eine Verwissen47 Zur Wiederentdeckung des Verlagsnachlasses Thekla Kluttig: Adolf Erman, Hermann Grapow, Georg Steindorff et al.: Korrespondenzen des Leipziger Verlags J. C. Hinrichs im Staatsarchiv Leipzig, in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 138 (2011), S. 1–4. 48 Weil die meisten Akten keine durchgehende Blattzählung aufwiesen, ist den entsprechenden Archivsignaturen ein zusätzlicher Verweis beigefügt, um ein nachträgliches Auffinden zu erleichtern. 49 Für ein späteres Wiederfinden der entsprechenden Dokumente findet sich auch hier jeweils ein zusätzlicher Verweis.

Begriffsklärungen

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schaftlichung des eigenen religiösen Weltbildes, das unter anderem die vollständige »Entjudung« des Christentums beinhaltete. Darauf aufbauend fasst Kapitel 3.2 die Strukturen sowie die Hauptarbeiten des Eisenacher »Entjudungsinstituts« zusammen, um den Wirkungs- und Akzeptanzbereich darzulegen. Ebenso ist es erforderlich, das Institut nicht ausschließlich im Kontext der Kirchenbewegung Deutsche Christen bzw. im Rahmen innerprotestantischer Entwicklungen zu betrachten. Das »Entjudungsinstitut« muss vielmehr als Bestandteil der antisemitisch ausgerichteten »Erforschung der Judenfrage« im NS-Staat verstanden werden. Kapitel 4 beschreibt aufbauend auf die von Dirk Rupnow50 und Horst Junginger51 geleisteten Untersuchungen die Entstehungsgeschichte der nationalsozialistischen »Judenforschung«. Hierdurch lässt sich die besondere Rolle des »Entjudungsinstituts« aufzeigen, handelte es sich doch um die einzige kirchliche Forschungseinrichtung innerhalb der »NS-Judenforschung«. Den Hauptteil der Arbeit bildet Kapitel 5, wobei Kapitel 5.1 die wissenschaftliche Methodik von Forschungsarbeiten des Eisenacher Instituts analysiert. Im Anschluss daran folgt die werkbiographische Analyse von sieben Institutsmitarbeitern, die nach den genannten Kriterien ausgewählt wurden: Verortung in der religionshistorischen Forschung vor und nach 1945, Mitglied des »Entjudungsinstituts« sowie einen Mitarbeiterbezug zur Leipziger Alma Mater. Kapitel 6 bietet als inhaltlichen Abschluss eine Analyse für die Zeit nach Kriegsende. Darin wird speziell der Frage nachgegangen, inwieweit die untersuchten Akademiker weiterhin antisemitische Argumentationsstrukturen in ihren wissenschaftlichen Arbeiten verwendeten.

1.4

Begriffsklärungen

Für die Nachzeichnung der Konstruktion des »arischen« Christentums durch das Eisenacher »Entjudungsinstitut«, nimmt die hierfür verwendete Sprache eine nicht zu unterschätzende Rolle ein. Vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen nationalsozialistischen Propagandasprache war die Übernahme von Termini und propagandistischer Semantik durch die Protagonisten des Instituts ein entscheidender Baustein für die Akzeptanz des Konstrukts des »arischen« Christentums. Zeitgenössische Begriffe werden deshalb bewusst verwendet, um dem Leser 50 U. a. Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich. 51 Horst Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage« im Nationalsozialismus, Darmstadt 2011.

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nicht nur die Argumentationsweisen aufzuzeigen, mit denen Wissenschaftler ein »arisches« Christentum konstruierten. Durch die Benutzung zeitgenössischer und aus heutiger Perspektive oftmals abstoßender Begriffe sollen die Leser überdies einen Eindruck davon erhalten, wie Sprache bei der Umsetzung eines solchen »Entjudungsprogramms« wirkte. So lässt sich das Wort »entjuden« bzw. dessen Substantivierung »Entjudung« sicherlich umschreiben mit Begriffen wie loslösen, freimachen usw. Eine derartige Umschreibung löst aber meiner Meinung nach die hinter diesem Wort stehende Intention aus dem zeitgenössischen Kontext heraus und läuft überdies (im schlimmsten Fall) Gefahr, jene Intention zu verharmlosen. Am Beispiel der Wörter »entjuden« und »Entjudung« lässt sich dieses veranschaulichen: In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Begriff aus der Perspektive nichtjüdischer Autoren in Bezug auf Juden die Bedeutung von »sich assimilieren«, teils in Kombination mit einer mehr oder weniger direkten Aufforderung nach einer Anpassung an die Majoritätsgesellschaft. Ebenso fand dieser Begriff, im Zuge der sich ab dem 19. Jahrhundert ausbreitenden Religionskritik, Verwendung für Säkularisierung innerhalb des Judentums, sozusagen als Äquivalent zu »entchristlichen«. Innerhalb der zionistischen Bewegung galt »entjuden« wiederum als Schimpfwort im Sinne von sich »verdeutschen«, sich zu sehr an die deutsche Gesellschaft anzupassen und damit die eigenen jüdischen Wurzeln zu verlieren. Im christlich-theologischen Diskurs um die Trennung der christlichen Botschaft von deren jüdischem Erbe wurde der Begriff der »Entjudung« hingegen schon ab dem 18. Jahrhundert verwendet.52 In diesen Zusammenhängen betrachtet, besaß der Begriff aber noch nicht jenen eliminierenden Inhalt, den er seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben sollte und mit dem später die Nationalsozialisten die Verdrängung der Juden aus der deutschen Gesellschaft bis hin zu deren physischer Vernichtung bezeichneten.53 Als religionspolitisches Programm ist dieser Begriff dementsprechend direkt mit dem Aufkommen von Rassentheorien und der sich in Deutschland sowie Österreich-Ungarn herausbildenden völkischen Bewegung verbunden. Der Begriff »völkisch« findet im Folgenden seine inhaltliche Verwendung nach dem Neuen Brockhaus von 1938. Dort wurde völkisch als »die seit 1875 aufkommende Verdeutschung des Wortes ›national‹, im Sinne eines auf dem Rassegedanken begründeten Nationalismus« definiert.54 52 Vgl. zum Begriff »entjuden« ausführlich: Daniela Schmidt/ Dirk Schuster : »Entjudung« – Wort, Phänomen, Programm. Zur Verwendungsgeschichte eines Begriffes, in: PaRDeS. Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien 22 (2016), S. 167–191. 53 Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin New York 1998, S. 198. 54 Völkisch, in: Der Neue Brockhaus, Bd. 4, Leipzig 1938, 606, hier zitiert nach Puschner : Strukturmerkmale der völkischen Bewegung, S. 449.

Begriffsklärungen

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Der Rassengedanke prägte wiederum entscheidend die Ideologie der völkischen Bewegung und ist als ein Schlüsselbegriff für deren Verständnis zu begreifen.55 Der Begriff der Rasse, der zunächst als Fachbegriff in der Biologie für Art oder Variante / Varietät zum Einsatz kam, erlebte ab dem 19. Jahrhundert, jetzt bezogen auf den Menschen, seine ideologische Aufladung durch die Schriften Joseph Arthur de Gobineaus (1816–1882). Dieser »deutete die Zeitläufe als einen Kampf der ›Rassen‹, in dem der ›weißen Rasse‹ die Führungsrolle zukomme. […] Ausgehend von den Theorien Darwins über die Entstehung der Arten wurde der Rassenbegriff in einem ›völkisch-sozialdarwinistischen‹ Sinne auf die menschliche Spezies angewandt.«56 Im frühen 20. Jahrhundert kam es innerhalb der Rassentheorien hinsichtlich des Judentums zur »Entkonkretisierung und Abstrahierung des Rassenfeindes gegen den sie sich richteten. Das Judentum war hier nicht mehr nur eine (minderwertige) Rasse unter anderen, sondern es wurde zur Gegenrasse, zu einem fundamentalen Gegenprinzip des Eigenen stilisiert. Nicht nur, aber besonders in Deutschland wurde ›das Jüdische‹ oder ›das Semitische‹ in diesen Kontexten zu einem integralen Bestandteil der rassentheoretischen Selbstbeschreibung.«57 In deutschen Rassendiskursen setzte sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend die Vorstellung durch, dass es einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen der »arischen«58 und der »jüdischen Rasse« gäbe, der zwangsläufig auf einen Überlebenskampf zwischen diesen beiden Rassen hinauslaufe. Dies führte dazu, dass für die meisten Deutschen die Rassenlehre und der Antisemitismus dasselbe waren.59 Ist der Antisemitismus der völkischen Bewegung im Wilhelminischen Kaiserreich hingegen noch als »multi-faceted« mit unterschiedlichen inhaltlichen 55 Uwe Puschner : Anti-Semitism and German Voelkish Ideology, in: Hubert Cancik/ Uwe Puschner (Hg.): Antisemitismus, Paganismus, Völkische Religion, München 2004, S. 55–63, hier S. 62. 56 Jörn Retterrath: »Was ist das Volk?« Volks- und Gemeinschaftskonzepte der politischen Mitte in Deutschland 1917–1924, Berlin Boston 2016, S. 45. Ausführlich zum Begriff der Rasse auch Werner Conze/ Antje Sommer : Rasse, in: Otto Brunner/ Werner Conze/ Reinhard Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 5, Stuttgart 1984, S. 135–178; zur historischen Kontextualisierung vgl. George L. Mosse: Toward the Final Solution. A History of European Racism, New York 1997. 57 Christian Geulen: Rassentheorien, in: Wolfgang Benz (Hg.): Handbuch des Antisemitismus, Bd. 3: Begriffe, Theorien, Ideologien, Berlin 2010, S. 276–278, hier S. 277. Vgl. dazu auch Shulamit Volkov : Antisemitismus als kultureller Code, München 22000. 58 Zur unterschiedlichen Deutung der Begriffe »arisch« und »Arier« vgl. Klaus von See: Der Arier-Mythos, in: Nikolaus Buschmann/ Dieter Langewiesche (Hg.): Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA, Frankfurt/M. New York 2003, S. 56– 96. 59 Geulen: Rassentheorien, S. 278.

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Einleitung

Ausprägungen zu verstehen,60 so ist der Begriff, wie er im Folgenden für das Eisenacher »Entjudungsinstitut« Verwendung findet, klar zu fassen: Antisemitismus meint nachfolgend jene am Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Kombination von »moderne[n], scheinbar wissenschaftlich fundierte[n] Rassentheorien, wie sie von Joseph Arthur Comte de Gobineau entwickelt und […] propagiert wurden, und tradierter Judenfeindschaft, die sich zuvor auf soziale, religiöse oder wirtschaftliche Vorurteile beschränkt hatte.«61 Diese auch als Rassenantisemitismus bezeichnete Gedankenwelt basierte auf der Vorstellung, »die Geschichte der Juden und die ihnen zugeschriebenen charakterlichen Eigenschaften [seien] aus ihrer ›Rasse‹ heraus [zu erklären] und [legte] den Juden damit ein spezifisches, rassisch bedingtes Verhalten zugrunde […]. Der Rassenantisemitismus erklärt durch diesen biologischen Determinismus jede religiöse Konversion und gesellschaftliche Assimilation der Juden von vornherein als unmöglich und apostrophiert eine ›blutsbedingte‹ Minderwertigkeit des Jüdischen durch seine nicht zu ändernde Rassezugehörigkeit.«62

»Dem Juden« als imaginäre Person wurden entsprechend Eigenschaften zugeschrieben, die charakteristisch für eine wie auch immer gedachte »jüdische Rasse« sein sollten. Dabei war es nicht von Bedeutung, welcher Religion eine Person angehörte, die man als Juden wahrnahm. Denn im Verständnis dieser Form des Antisemitismus vererbten sich alle rassischen Eigenschaften über Generationen hinweg und waren nicht »ablegbar«.63 Der Begriff Antisemitismus wird also im Folgenden als eine Ideenwelt verstanden, basierend auf der Vorstellung von Unterschiedlichkeit. Das imaginäre Selbst definiert sich über die Zugehörigkeit zu einer Rasse, bzw. im engeren Sinn gefasst zu einem Volk, der bzw. dem wiederum bestimmte positive Eigenschaften zugesprochen werden. Demgegenüber steht der imaginäre »Andere«, 60 Puschner : Anti-Semitism and German Voelkish Ideology, S. 58. 61 Gregor Hufenreuter : Rassenantisemitismus, in: Wolfgang Benz (Hg.): Handbuch des Antisemitismus, Bd. 3: Begriffe, Theorien, Ideologien, Berlin 2010, S. 272f., hier S. 272. 62 Hufenreuter : Rassenantisemitismus, S. 273. Es sei aber darauf hingewiesen, dass im sogenannten modernen Antisemitismus nicht zwangsläufig ein Rassenkonzept notwendig war, um Juden als eine mit bestimmten, vererbbaren Eigenschaften verstandene Gruppe zu konstruieren. Hans-Joachim Hahn/ Olaf Kistenmacher : Zur Genealogie der Antisemitismustheorie vor 1944, in: Hans-Joachim Hahn/ Olaf Kistenmacher (Hg.): Beschreibungsversuche der Judenfeindschaft. Zur Geschichte der Antisemitismusforschung, Berlin München Boston 2015, S. 1–23, hier S. 5. 63 Es ist zu betonen, dass es, wie bereits angeklungen, gerade in der Zeit des Wilhelminischen Kaiserreichs innerhalb der völkischen Bewegung unterschiedliche Ausprägungen des Antisemitismus gab. Vgl. hierzu auch Puschner : Die völkische Bewegung. Da die Argumentationen der Kirchenbewegung Deutsche Christen sowie in den Veröffentlichungen des Eisenacher »Entjudungsinstituts« aber ausschließlich auf jenem hier vorgestellten Antisemitismus basierten, wird auf eine weitere Ausdifferenzierung verzichtet.

Begriffsklärungen

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»der Jude«.64 Diesem werden ebenfalls aufgrund seiner Zugehörigkeit zur konstruierten »jüdischen« bzw. »semitischen Rasse« bestimmte, jedoch ausnahmslos negative Eigenschaften zugesprochen. Diese Eigenschaften beziehen sich auf äußere Merkmale wie den Körperbau, aber auch auf innere Merkmale, z. B. bestimmte Charakter- und Verhaltensmerkmale, allgemeiner formuliert, auf dessen »Art« bzw. »Wesen«. Im Zusammenhang mit rassentheoretischen Vorstellungen werden diese Merkmale von Generation zu Generation vererbt, so dass jener imaginierte »Jude« immer der »jüdischen Rasse« zugeordnet wird, völlig unabhängig davon, ob er sich selbst als Jude definiert. Entsprechend bleibt die jeweilige »Art« immer in einem Menschen fest verankert und kann nicht durch Anpassung, Assimilation, Religionswechsel usw. verändert werden. Als letzten entscheidenden Aspekt des hier verwendeten Antisemitismus-Begriffes sieht das imaginierte Selbst in dem »Anderen«, »dem Juden«, immer den negativen Gegenpol zum eigenen, kollektiven Selbst.65 Hierdurch wird ein Konflikt zwischen dem eigenen Selbst in Form eines Volkes bzw. einer Rasse mit dem »Anderen« konstruiert, ein Konflikt, den man vermeintlich in der gesamten geschichtlichen Entwicklung zu erkennen glaubt. Volk fungiert entsprechend als Konstruktion einer Abstammungsgemeinschaft mit einem bestimmten zugeschriebenen Ethos. Während aber im Denken von Antisemiten alle Völker ein bestimmtes Ethos besitzen, besitzen Juden ein »Anti-Ethos«, welches das Ethos anderer Völker untergräbt. Basiere jeder Volksgedanke, so die antisemitische Denkweise, auf dem Prinzip einer solidarischen Gemeinschaft, kenne das Judentum nur das Prinzip des Eigennutzes und würde deshalb auf Kosten anderer Völker leben und deren moralische Grundlagen zerstören.66

64 Zur Konstruktion »des Anderen« vor dem Hintergrund des eigenen Ichs vgl. von Glasersfeld: Konstruktion der Wirklichkeit, S. 34f. 65 Vgl. Klaus Holz/ Jan Weyand: Von der Judenfrage zur Antisemitenfrage. Frühe Erklärungsmodelle des Antisemitismus, in: Hans-Joachim Hahn/ Olaf Kistenmacher (Hg.): Beschreibungsversuche der Judenfeindschaft. Zur Geschichte der Antisemitismusforschung, Berlin München Boston 2015, S. 172–188, hier S. 173–178. 66 Holz/ Weyand: Von der Judenfrage, S. 175. Zum Gemeinschaftsgedanken als Schlüsselelement der völkischen Bewegung vgl. Uwe Puschner : Gemeinschaft. Annäherung an einen Schlüsselbegriff im völkischen und völkischreligiösen Denken, in: Lucia Scherzberg (Hg.): Gemeinschaftskonzepte im 20. Jahrhundert zwischen Wissenschaft und Ideologie, Münster 2010, S. 97–110.

2.

Religionswissenschaft im Nationalsozialismus – Interpretationen der Fachgeschichtsforschung

Wenn auch nur in begrenztem Maße, so erfuhr die Erforschung der religionswissenschaftlichen Fachgeschichte in den letzten zwei Jahrzehnten einen gewissen Aufschwung. Zuvor hatte bereits 1962 Kurt Rudolph eine Studie vorgelegt, welche die Entwicklung der Religionswissenschaft als akademische Disziplin und die Abgrenzungstendenzen gegenüber der Theologie am Beispiel der Leipziger Religionswissenschaft ausführlich dokumentierte.67 Dreißig Jahre später beleuchtete Rudolph68 die enge Verflechtung der beiden Fächer am Beispiel seines Lehrers Johannes Leipoldt, welcher als Leipziger Neutestamentler religionsgeschichtlich arbeitete und darüber hinaus bereits 1922 einen ersten Teil seines unvollendet gebliebenen Handbuchs der Religionswissenschaft vorlegte.69 Zudem sollte Leipoldt neben dem Ägyptologen Siegfried Morenz (1914– 1970), dem Religionshistoriker Walter Baetke (1884–1978) und dem Alttestamentler Albrecht Alt (1883–1956) impulsgebend für die Entwicklung der Religionswissenschaft in Leipzig nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sein.70 Neben den Arbeiten Rudolphs zur Geschichte der Religionswissenschaft veröffentlichte Hans Gerhard Kippenberg 1997 eine Überblicksdarstellung zur Etablierung der universitären Religionsgeschichte, welche ab dem 19. Jahrhundert einen Aufstieg erlebte.71 In den letzten Jahren war es vor allem Michael Stausberg, der sich in einer dreiteiligen Zeitschriftenserie der Fachgeschichte in 67 Kurt Rudolph: Die Religionsgeschichte an der Leipziger Universität und die Entwicklung der Religionswissenschaft. Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte und zum Problem der Religionswissenschaft, Berlin 1962. 68 Kurt Rudolph: Leipzig und die Religionswissenschaft, in: Kurt Rudolph (Hg.): Geschichte und Probleme der Religionswissenschaft, Leiden New York Köln 1992, S. 323–339. Es handelt sich bei dem Artikel um einen Wiederabdruck aus dem Jahr 1962 [in: Numen 9 (1962), S. 53– 68], den Rudolph für die nochmalige Veröffentlichung veränderte und ergänzte. 69 Johannes Leipoldt: Handbuch der Religionswissenschaft. Griechen, Römer, orientalische Religionen in der hellenistisch-römischen Welt, Kelten, Germanen, Slaven, Berlin 1922. 70 Rudolph: Leipzig und die Religionswissenschaft, S. 337. 71 Hans G. Kippenberg: Die Entdeckung der Religionsgeschichte. Religionswissenschaft und Moderne, München 1997.

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gesamteuropäischer Perspektive gewidmet hat.72 Mithilfe bereits geleisteter (Teil-)Forschungen zeichnet Stausberg die Entstehungsgeschichte der ›study of religion(s)‹ in West- und Mitteleuropa nach. Seine räumliche Begrenzung erklärt er dabei mit der Erkenntnis: »Western Europe is home of the first chairs committed to the academic study of the history of religions. From a global perspective, Western Europe is still one of the strongholds of the (non-confessional/non-theological, historical, comparative, socialscientific) study of religion(s).«73

Auch wenn sich an europäischen Universitäten schon vorher mit Religion abseits rein theologischer Fragestellungen beschäftigt wurde, so entwickelte sich eine Verwissenschaftlichung mithilfe verschiedener Forschungszugänge erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit entstanden zwar erste eigene Lehrstühle der Religionsgeschichte, dennoch waren es neben Theologen zumeist Philosophen, Philologen, Orientalisten etc., welche sich mit Religion auseinandersetzten,74 eine Gegebenheit, die bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg Bestand haben sollte. Volkhard Krech stellt in seiner wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchung zur Religionsforschung in Deutschland von 1871 bis 1933 heraus, dass »die Unterscheidung zwischen Religion als einem objektiven Sachverhalt und Religiosität als einem psycho-sozialen Habitus« entscheidend sein sollte für die »Konstitutionsphase der Religionsforschung.«75 Infolge dieser Differenzierung bildete sich nach Krechs Auffassung bis zum Ende der Weimarer Republik – dort endet seine Untersuchung – auch keine einheitliche religionsforschende Disziplin heraus: »Auf der einen Seite konstituierten sich philologische Fächer wie die klassischen Altertumswissenschaften, die Indologie, die orientalischen Fächer und die Islamwissenschaften sowie die Wissenschaft des Judentums. Andererseits bildeten sich Fächer heraus, die spezifische Methoden zur Erforschung von Religion und Religiosität entwickelten und bereitstellten – etwa die Psychologie, Ethnologie und Soziologie.«76

Es existierten somit bis 1933 bereits Lehrstühle für vergleichende Religionsgeschichte und gleichzeitig etablierte sich hierzu eine Richtung innerhalb der 72 Michael Stausberg: The study of religion(s) in Western Europe (I): Prehistory and history until World War II, in: Religion 37 (2007), S. 294–318; ders.: The study of religion(s) in Western Europe (II): Institutional developments after World War II, in: Religion 38 (2008), S. 305–318; ders.: The study of religion(s) in Western Europe (III): Further developments after World War II, in: Religion 39 (2009), S. 261–282. Zudem ders.: Western Europe, in: Gregory D. Alles (Hg.): Religious Study. A Global View, New York 2007, S. 14–49. 73 Stausberg: The Study of religion(s) in Western Europe (I), S. 294. 74 Stausberg: The Study of religion(s) in Western Europe (I), S. 304. 75 Volkhard Krech: Wissenschaft und Religion. Studien zur Geschichte der Religionsforschung in Deutschland 1871 bis 1933, Tübingen 2002, S. 313. 76 Krech: Wissenschaft und Religion, S. 314.

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deutschen Universitätstheologie, die religionshistorisch und religionsvergleichend arbeitete.77 Es lässt sich festhalten, dass unterschiedliche Disziplinen mit jeweils spezifischen Fragestellungen und Ansätzen die Religionsforschung bis zum Ende der Weimarer Republik prägten,78 in deren Rahmen sich die Religionswissenschaft als eigenständiges akademisches Fach mit ihren heterogenen Untersuchungsansätzen nach und nach herausbilden sollte.79 In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierte trotz beginnender Loslösung von einseitigen theologischen Interpretationsmustern dennoch die »theologisch-religionswissenschaftliche Schule« (Kurt Rudolph), vertreten durch Rudolf Otto (1869– 1937), Gustav Mensching (1901–1978), Jakob Wilhelm Hauer (1881–1962), Friedrich Heiler (1892–1967) und weiteren.80 Allen voran Rudolf Otto propagierte eine theologische Betrachtungsweise bezüglich der Untersuchung religiöser Phänomene, was zum »Einzug eines Irrationalismus und Mystizismus [führte], der den wissenschaftlichen Charakter untergräbt und sie letztlich der Theologie und Metaphysik ausliefert.«81 Der große Einfluss der Vertreter jener religionswissenschaftlichen Richtung über deren eigentliche Wirkungszeit hinaus wird ersichtlich an der Feststellung von Kurt Rudolph aus dem Jahr 1962: »Wenn die Religionswissenschaft in Deutschland heute noch vielfach mit theologischen und dogmatischen Begriffen und Methoden operiert, so ist das nicht zuletzt dem Einfluß dieser theologisch-religionswissenschaftlichen Schule zuzuschreiben.«82

Eine solche, das religiöse Gefühl betonende Religionswissenschaft blieb nicht allein auf das akademische Fach bzw. die religionsforschenden Fächer innerhalb der Universitäten beschränkt, sondern dessen Vertreter trugen diese Art von Religionswissenschaft in die politischen und religiösen Veränderungen der 77 Vgl. hierzu ausführlicher Kapitel 5.1. 78 Krech: Wissenschaft und Religion, S. 3. 79 Zur Religionswissenschaft in der Weimarer Republik vgl. Rainer Flasche: Religionsmodelle und Erkenntnisprinzipien der Religionswissenschaft in der Weimarer Republik, in: Hubert Cancik (Hg.): Religions- und Geistesgeschichte der Weimarer Republik, Düsseldorf 1982, S. 261–276; ders. Der Irrationalismus in der Religionswissenschaft und dessen Begründung in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen, in: Hans G. Kippenberg/ Brigitte Luchesi (Hg.): Religionswissenschaft und Kulturkritik. Beiträge zur Konferenz The History of Religions and Critique of Culture in the Days of Gerardus van der Leeuw (1890–1950), Marburg 1991, S. 243–257. 80 Fritz Heinrich: Die deutsche Religionswissenschaft und der Nationalsozialismus. Eine ideologiekritische und wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung, Petersberg 2002, S. 34. 81 Rudolph: Die Religionswissenschaft an der Universität Leipzig, S. 55f. Vgl. kritisch gegenüber einer solchen Einschätzung Jeong Hwa Choi: Religion als »Weltgewissen«. Rudolf Ottos religiöser Menschheitsbund und das Zusammenspiel von Religionsforschung und Religionsbegegnung nach dem Ersten Weltkrieg, Wien u. w. 2013, S. 188–193. 82 Rudolph: Die Religionswissenschaft an der Universität Leipzig, S. 18.

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1920er und 1930er Jahre hinein. Deutlich dokumentiert dies das Verhalten von Otto und Hauer83 während des politischen Aufstiegs der Nationalsozialisten zu Beginn der 1930er Jahre: Gregory D. Alles beschreibt anhand der Beispiele von Rudolf Otto und Jakob Wilhelm Hauer, wie sich die nationalsozialitische Machtübernahme 1933 auf die Vorstellungen der beiden religionswissenschaftlichen Vertreter auswirkte: »Both Otto and Hauer, then, took the NS ›revolution‹ as an opportunity to promote religious change, Hauer a third ›confession,‹ Otto a third front. Both initiatives recognised in practice a claim central to their science of religions: religion is rooted in an experience of, in Hauer’s term, ultimate reality. Hauer sought to foster that experience in contradistinction to Protestantism and Catholicism. Otto saw it as the basis for effacing the Protestant – Catholic divide – indeed, whatever religious divides separated German people from one another […].«84

Otto und Hauer versuchten bereits unmittelbar nach der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten die Unterstützung der neuen Machthaber für eine erweiterte Förderung der Religionswissenschaft zu erhalten, indem sie die Notwendigkeit des Faches für die Forschung im »Dritten Reich« betonten. So erklärte Otto, dass die religiöse Einheit des Volkes – eine Forderung ebenfalls vertreten durch die Deutschen Christen, mit denen Otto 1933 noch sympathisierte – mithilfe der Religionswissenschaft gestärkt werden könne.85 Hierin zeigt sich frühzeitig eine Entwicklung bei einzelnen Vertretern der deutschen Religionswissenschaft, dass sie mit der eigentlichen Unabhängigkeit gegenüber ihrem Untersuchungsobjekt Religion brachen.86 Ihrer eigenen Wissenschaft wiesen sie vielmehr die Aufgabe zu, »den Anforderungen des Lebens entgegen zu 83 Zu Hauer und der von ihm geführten Deutschen Glaubensbewegung, die ab 1934 den völlig unrealistischen Anspruch erhob, als gleichberechtige Religionsgemeinschaft neben den beiden christlichen Kirchen anerkannt zu werden, vgl. Schaul Baumann: Die Deutsche Glaubensbewegung und ihr Gründer Jakob Wilhelm Hauer (1821–1962), Marburg 2005; Ulrich Nanko: Die Deutsche Glaubensbewegung. Eine historische und soziologische Untersuchung, Marburg 1993. Zur teilweise immer noch vorherrschenden Überhöhung des Einflusses der Deutschen Glaubensbewegung bzw. des sogenannten »(Neu-)Heidentums« vgl. Horst Junginger : Die Deutsche Glaubensbewegung und der Mythos der »dritten Konfession«, in: Manfred Gailus/ Armin Nolzen (Hg.): Zerstrittene »Volksgemeinschaft«. Glaube, Konfession und Religion im Nationalsozialismus, Göttingen 2011, S. 180–203. 84 Gregory D. Alles: The Science of Religions in a Fascist State: Rudolf Otto and Jakob Wilhelm Hauer during the Third Reich, in: Religion 32 (2002), S. 177–204, hier S. 182. Karla Poewe und Irving Hexham argumentieren, dass Hauer bereits in den 1920er Jahren einen völkisch-paganen deutschen Glauben propagierte, vgl. Karla Poewe/ Irving Hexham: Jakob Wilhelm Hauer’s New Religion and National Socialism, in: Journal of Contemporary Religion 20 (2005), S. 195–215, hier S. 206. 85 Alles: The Science of Religions in a Fascist State, S. 185. 86 Frank-Rutger Hausmann: Die Geisteswissenschaften im »Dritten Reich«, Frankfurt/M. 2011, S. 119.

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kommen«, wodurch sie leicht dem politischen Zeitgeist »Einlaß in ihren Interpretationsrahmen« gewährten.87 Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts plädierte der Tübinger Kirchenhistoriker Alfred Hegler (1863–1902) für die Öffnung der christlichen Theologie gegenüber religionswissenschaftlichen Fragestellungen, wobei das ›Christliche‹ aber entscheidend bleiben müsse. Diese »Theologische Religionswissenschaft« (Horst Junginger) stellte eine Richtung innerhalb der protestantischen Universitätstheologie dar, die das Ziel verfolgte, sich den wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Veränderungen anzupassen.88 Das zuvor genannte Beispiel Rudolf Ottos – den Junginger als klassischen Vertreter jener Theologischen Religionswissenschaft versteht – verdeutlicht, dass sich die Religionswissenschaft als noch junge, nicht klar definierte und oftmals noch unter theologischem Einfluss stehende Universitätsdisziplin, zumindest bei einem Teil ihrer Vertreter, anfällig zeigte für die Übernahme gesellschaftlicher sowie politischer Vorstellungen bezüglich Religion,89 was für die Zeit des »Dritten Reichs« fatale Folgen haben sollte.90 Die Termini Religionswissenschaft bzw. Religionswissenschaftler können deshalb für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht als starre Lehrstuhl- oder Fachzuschreibungen verstanden werden. Es handelte sich vielmehr um vage, von deren Vertretern unterschiedlich interpretierte Formen von Religionsforschungen.91 Die verschiedenen und divergenten Religionsforschungen in Deutschland mit der Zu- oder Eigenbeschreibung Religionsgeschichte / Religionswissenschaft / religionswissenschaftlich sollten sich, wie dargelegt, ab der Zeit der Weimarer Republik gänzlich ungleich entwickeln, ein Prozess, der sich ab 1933 nochmals verstärkte. 87 Heinrich: Die deutsche Religionswissenschaft und der Nationalsozialismus, S. 392. 88 Horst Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft. Das Fach Religionswissenschaft an der Universität Tübingen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Dritten Reiches, Stuttgart 1999, S. 72. Ausführlich dazu Kapitel 5.1 dieser Arbeit. 89 Für das Beispiel Otto ausführlich Choi: Religion als »Weltgewissen«. 90 Wie Geisteswissenschaftler und Theologen dem Nationalsozialismus aus eigenem wissenschaftlichen Willen und teilweise politischer Überzeugung heraus zuarbeiteten, verdeutlichen Horst Junginger: Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage« im Nationalsozialismus, Darmstadt 2011 sowie Dirk Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie, Baden Baden 2011. 91 Vgl. hierzu Udo Tworuschka: Einführung in die Geschichte der Religionswissenschaft, Darmstadt 2015. Darin deutet Tworuschka die Anfänge der Religionswissenschaft schon in der griechischen Antike. Hierzu kritisch Michael Stausberg: Rezension zu Udo Tworuschka: Einführung in die Geschichte der Religionswissenschaft, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 24 (2016), S. 107–110; Benedikt Erb: Rezension zu Udo Tworuschka: Einführung in die Geschichte der Religionswissenschaft, in: Zeitschrift für junge Religionswissenschaft 10 (2015), URL: http://zjr.revues.org/432 [abgerufen am 12. 10. 2015].

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Die in Stausbergs umfangreicher Abhandlung zur religionswissenschaftlichen Fachgeschichte lediglich zwei Seiten umfassende Zeit des Faschismus bzw. Nationalsozialismus,92 ist – wie Stausberg zu Recht bemerkt – dem Umstand geschuldet, dass erst in den letzten Jahren eine Aufarbeitung dieser Zeitepoche im Bezug auf die Religionswissenschaft begonnen hat. Es sind vor allem Fritz Heinrich93 und Horst Junginger94, die sich mit ihren Forschungen dieses komplexen Themas angenommen haben. Dennoch kann noch nicht von einem vollständigen Bild der Religionswissenschaft für die Epoche des »Dritten Reichs« gesprochen werden, wobei bis heute unter Fachvertretern umstritten ist, wie sich Religionswissenschaft selbst zu definieren und gegenüber anderen Disziplinen zu profilieren hat.95 Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts begann sich die historische Religionsforschung in Teilen vom theologischen Monopol der Religionsinterpretation zu 92 Stausberg: The study of religion(s) in Western Europe (I), S. 312f. 93 U. a. Fritz Heinrich: Das Religionswissenschaftliche Institut der Ernst Moritz Arndt-Universität Greifswald 1944–1945. Ein Beitrag zur Geschichte der Religionswissenschaft im Dritten Reich, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 5 (1997), S. 203–230; ders.: Die deutsche Religionswissenschaft und der Nationalsozialismus. 94 U. a. Horst Junginger : Völkerkunde und Religionswissenschaft, zwei nationalsozialistische Geisteswissenschaften?, in: Bernhard Streck (Hg.): Ethnologie und Nationalsozialismus, Gehren 2000, S. 51–66; ders.: Religionswissenschaft, in: Jürgen Elvert/ Jürgen Nielsen-Sikora (Hg.): Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, Stuttgart 2008, S. 52–86; ders.: Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft. 95 Vgl. aus neuester Zeit zu dieser Debatte beispielhaft Michael Stausberg: Religionswissenschaft: Profil eines Universitätsfachs im deutschsprachigen Raum, in: Michael Stausberg (Hg.): Religionswissenschaft, Berlin Boston 2012, S. 1–47, hier S. 8–14; Edith Franke/ Verena Maske (Hg.): Religionswissenschaft zwischen Sozialwissenschaften, Geschichtswissenschaften und Kognitionsforschung. Ein Autoren-Workshop mit Hubert Seiwert, Marburg 2014; Volkhard Krech: Wohin mit der Religionswissenschaft? Skizze zur Lage der Religionsforschung und zu Möglichkeiten ihrer Entwicklung, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 58 (2006), S. 97–113; Christoph Kleine: Wozu außereuropäische Religionsgeschichte? Überlegungen zu ihrem Nutzen für die religionswissenschaftliche Theorieund Identitätsbildung, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 18 (2010), S. 3–38; Jörg Rüpke: Historische Religionswissenschaft. Eine Einführung, Stuttgart 2007, S. 15–32; Rainer Flasche: Von der Selbstbeschränkung und Selbstbegründung der Religionswissenschaft, in: Rainer Flasche/ Fritz Heinrich/ Carsten Koch (Hg.): Religionswissenschaft in Konsequenz. Beiträge im Anschluß an Impulse von Kurt Rudolph, Münster 2000, S. 163–174. Vgl. zu unterschiedlichen Entstehungsideen bezüglich ›Religionswissenschaft‹ am Ende des 18. Jahrhunderts in deutschsprachigen Gebieten die Studie von Sigurd Hjelde: Das Aufkommen der Idee einer Religionswissenschaft. Einige deutsche Ansätze zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 22 (2014), S. 150–175. Ebenso der Artikel von Sigurd Hjelde: Die Geburt der Religionswissenschaften aus dem Geist der Protestantischen Theologie, in: Friedrich Wilhelm Graf/ Friedemann Voigt (Hg.): Religion(en) deuten. Transformationen der Religionsforschung, Berlin New York 2010, S. 9–28, in welchem Hjelde am Ende seiner Ausführungen die Verhältnisbestimmung von Religionswissenschaft zur Theologie thematisiert. Hierzu auch Kurt Rudolph: Die Ideologiekritische Funktion der Religionswissenschaft, in: Numen 25 (1978), S. 17–39.

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lösen.96 Die sich abzeichnende Etablierung einer ideologisch und theologisch ungebundenen Religionswissenschaft als eigenständiges akademisches Fach außerhalb der Theologie – eine Entwicklung, die sich in der Weimarer Republik nochmals verstärkte – scheiterte jedoch zunächst infolge der politischen Veränderungen ab 1933.97 Als Ausnahmebeispiel für die Zeit des Nationalsozialismus kann in diesem Zusammenhang der Leipziger Religionshistoriker Walter Baetke gelten, der sich im »Dritten Reich« den ideologischen Vereinnahmungsversuchen gegenüber seinen Forschungen verwehrte. Durch Baetkes Berufung im Jahr 1936 blieb »die streng methodisch wissenschaftliche Tradition des Leipziger Lehrstuhls [für Religionsgeschichte innerhalb der Theologischen Fakultät; D. S.] bewahrt.«98 Mit dem weltanschaulichen Einfluss des Nationalsozialismus veränderte sich ab 1933 gleichzeitig die Bedeutung von Religionswissenschaft als eigenständiger Forschungsansatz: Noch heute stehen Otto, Mensching und in Teilen Hauer als Vertreter für jene ›theologisch-religionswissenschaftliche Schule‹ bzw. ›Theologische Religionswissenschaft‹. Hingegen finden jene Personen kaum in der Fachgeschichtsschreibung Beachtung, die »religionswissenschaftlich« als Methodenbeschreibung für ihre eigenen, an die nationalsozialistische Ideologie angelehnten Religionsforschungen, versuchten zu instrumentalisieren. So äußert sich beispielhaft Fritz Heinrich zu dem Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben: »Die Bedeutung der Religionswissenschaft als Deckmantel für eine ideologisch orientierte Religionsforschung zeigte sich bei der Gründung des ›Institutes zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben‹. Das wissenschaftliche Organ dieser Einrichtung sollte den Namen ›Deutsche Religionswissenschaft‹ erhalten und als Untertitel den Namen des Instituts führen.«

Weil das Institut noch weitere Namen für ihr Fachorgan vorschlug, beispielsweise Das neue Ziel sowie Volk und Gott, folgert Heinrich, jene Zeitschrift hätte wenig mit Religionswissenschaft zu tun und dass ebenso 96 Vgl. für die beginnende Entstehung der vergleichenden Religionsgeschichte innerhalb der Theologie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch Krech: Wissenschaft und Religion, S. 121–126. 97 Junginger : Religionswissenschaft, S. 83; Hausmann: Die Geisteswissenschaften im »Dritten Reich«, S. 119. 98 Christian Espig: Religionswissenschaft, in: Ulrich von Hehl/ Uwe John/ Manfred Rudersdorf (Hg.): Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009, Bd. 4/1, Leipzig 2009, S. 458–480, hier S. 469. Zu Baetke vgl. auch Rudolph: Die Religionsgeschichte an der Leipziger Universität, S. 156–172; Fritz Heinrich/ Kurt Rudolph: Walter Baetke (1884–1978), in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 9 (2001), S. 169–184; Heinrich: Die deutsche Religionswissenschaft und der Nationalsozialismus, S. 272–287; Georg Schuppener (Hg.): Walter Baetke und die Germanenrezeption heute, Leipzig 2011.

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»[…] die Arbeit des Instituts […] inhaltlich wenig mit der Religionswissenschaft als akademischer Disziplin gemeinsam [hatte]. Die Mitarbeit von Religionswissenschaftlern sollte wohl die religiöse Unvoreingenommenheit des Unternehmens nach außen sicherstellen.«99

Ob eine solche Interpretation zutrifft, ist noch zu diskutieren. Es kann aber leicht zu Fehleinschätzungen kommen, deutet man die Begriffsentlehnung Religionswissenschaft ausschließlich als einen bloßen Deckmantel für eine ideologisch gefärbte Theologie. Heinrich selbst geht in seiner Untersuchung unter anderem auf den Theologen Wilhelm Koepp (1885–1965) und den schwedischen Religionshistoriker ake Ohlmarks (1911–1984) ein, die beide als Hauptinitiatoren des 1944 an der Greifswalder Universität gegründeten Religionswissenschaftlichen Instituts auftraten.100 Unerwähnt bleibt bei Heinrich, dass beide, Koepp und Ohlmarks, aktive Mitglieder des »Entjudungsinstituts« waren, was im Zusammenhang mit der Gründung des Greifwalder Religionswissenschaftlichen Instituts nicht unerwähnt bleiben sollte.101 In ähnlicher Weise ist die Studie von Manfred Bauschulte zu deuten:102 Er zeichnet darin die Forschungen zur Thematik Religion während der Weimarer Republik nach, unter anderem über das Verhältnis von Religion und Macht in Religionswissenschaft und Theologie sowie über die Gnosis-Forschung der 1920er Jahre und stellt hierzu fest: »Das Feld der Religionsforschung der Weimarer Zeit wird von Außenseitern bestimmt: Diese sehen sich in religiös-konfessionelle und existentiell-politische Konflikte verstrickt und fühlen sich einem forcierten kulturellen und säkularen Wandel unterworfen.«103

Auch wenn Stausberg diese Untersuchung als »an interesting and rich picture«104 bezeichnet, dem nicht zu widersprechen ist, so fehlt in Bauschultes erstem Teil 99 Heinrich: Die deutsche Religionswissenschaft und der Nationalsozialismus, S. 69f. Die Selbstbezeichnung Religionswissenschaft(ler) ist für manchen Theologen in heutiger Zeit noch attraktiv, vermittelt der Begriff doch eine größere Neutralität und Wissenschaftlichkeit als der Terminus Theologie. Stausberg: Religionswissenschaft, S. 13. 100 Heinrich: Die deutsche Religionswissenschaft und der Nationalsozialismus, S. 228. Zum Religionswissenschaftlichen Institut an der Universität Greifswald auch Heinrich: Das Religionswissenschaftliche Institut. 101 Vor allem Koepp argumentierte in seinen Arbeiten für das »Entjudungsinstitut« nicht ausschließlich exegetisch, sondern lehnte sich an dessen religionswissenschaftliche Methode an. Von daher bedarf es noch einer genauen Prüfung, ob in Greifswald »Religionswissenschaft« lediglich als Begriffsabänderung gegenüber »Theologie« Verwendung fand. Dass Heinrich den Zusammenhang von Koepp und Ohlmarks zum »Entjudungsinstitut« nicht ausführlich benennt, ist darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der geschichtlichen Aufarbeitung des Eisenacher Instituts erst nach Heinrichs Studien veröffentlicht wurde. 102 Manfred Bauschulte: Religionsbahnhöfe der Weimarer Republik. Studien zur Religionsforschung 1918–1933, Marburg 2007. 103 Bauschulte: Religionsbahnhöfe der Weimarer Republik, S. 23. 104 Stausberg: The study of religion(s) in Western Europe (I), S. 304.

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seiner Wissenschaftsgeschichte zumindest bezüglich des Orientalisten Hans Heinrich Schaeder (1886–1957) der biografische Kontext. Die Bedeutung einer Person wie Schaeder innerhalb der deutschen Religionsforschung bleibt hierdurch nicht nur unvollständig, sondern läuft Gefahr, ein Zerrbild erzeugen. Bauschulte widmet sich im zeitlichen Schwerpunkt zwar der Weimarer Republik, schreibt aber zur Rolle Schaeders nach 1933: »Seine Forschungs- und Lehrtätigkeit ist während der NS-Diktatur einem großen Anpassungsdruck ausgesetzt […].«105 Im zweiten Band seiner Studie106 befasst sich Bauschulte im Kapitel »Religionswissenschaft in der BRD (1965–1989)« abermals mit Schaeder. Hier relativiert er nunmehr seine eigene Aussage aus dem ersten Band, indem er die politische Anpassungsbereitschaft von Schaeder und dessen Forschungen gegenüber dem NS-System benennt. Dieser hatte schon in den 1920er Jahren durch seine umfangreichen Arbeiten maßgeblichen Einfluss auf das akademische Fach der Religionswissenschaft genommen. Schaeder war gleichzeitig, wie der erwähnte Koepp, einer derjenigen Vertreter, die während der NS-Zeit eine Verbindung von Christentum und Nationalsozialismus als Notwendigkeit ansahen und propagierten.107 Dies spiegelte sich beispielhaft in seiner Mitarbeit – ebenfalls wie Koepp – im Eisenacher »Entjudungsinstitut« wider. Er leitete darüber hinaus die Untergruppe 7 »Germanen und Indogermanen« innerhalb der Initiative »Kriegseinsatz der Indogermanistik«, welche wiederum einen Teil des »Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften« bildete108 und die als Ziel ausgab, »das Potential der Geisteswissenschaften so weit als möglich für die Belange der NS-Kriegspolitik auszuschöpfen.«109 Die hier nur kurz angerissenen Beispiele Koepp und Schaeder sollen lediglich verdeutlichen, wie schwierig eine eindeutige Abgrenzung von Religionswissenschaft als eigenständige Disziplin gegenüber anderen akademischen Fächern für die Zeit vor 1945 ist. Vielmehr nahmen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges verwandte Fächer und deren Vertreter einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die noch junge und methodisch sehr heterogen agierende Disziplin. Zur Religionswissenschaft im »Dritten Reich« hat Horst Junginger folglich 105 Bauschulte: Religionsbahnhöfe der Weimarer Republik, S. 253. 106 Manfred Bauschulte: Straßenbahnhaltestellen der Aufklärung. Studien zur Religionsforschung 1945–1989, Marburg 2012. 107 Junginger : Religionswissenschaft, S. 68. 108 Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 235. Zum Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften vgl. Frank-Rutger Hausmann: »Deutsche Geisteswissenschaft« im Zweiten Weltkrieg. Die »Aktion Ritterbusch« (1940–1945), Dresden 1998. 109 Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 234. Vgl. zu Schaeders weiteren Verstrickungen in antisemitische Institute und Organisationen sowie die massive Ideologisierung seiner Arbeiten ab 1933 Kap. 5.2.7 dieser Arbeit.

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festgestellt, dass diese weder politisch noch wissenschaftlich ein einheitliches Gefüge darstellte. Verschiedene Methoden und Fächer, teilweise sich gegenseitig ergänzend, teils in Konkurrenz zueinander stehend, schufen ein unübersichtliches Feld religionsgeschichtlicher Studien. Bedeutsam bleibt aber, der Einschätzung Jungingers folgend: »Das wichtigste Charakteristikum, das die Religionswissenschaft von anderen Disziplinen unterscheidet, ist aber zweifellos die unselige Verquickung der Fachgeschichte mit religiösen Problemen, auf unser Thema bezogen [Religionswissenschaft im Nationalsozialismus; D. S.] vor allem mit solchen Problemen, die im sogenannten Kirchenkampf eine Rolle spielten.«110

In Anknüpfung daran versteht die vorliegende Studie jene wissenschaftlichen Forschungen, die im Zusammenhang mit dem Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben entstanden, als einen Teil der religionswissenschaftlichen Fachgeschichte für die Zeit des »Dritten Reichs«.111 Es war weniger die theologische Bibelexegese, die den methodischen Schwerpunkt der Institutsarbeiten ausmachte, sondern religionshistorische Vergleichsstudien. Religionsforschungen im »Dritten Reich«, allen voran jene mit der Eigenbezeichnung Religionswissenschaft, sind meines Erachtens als Teil der Fachgeschichte zu verstehen. Wegen der Heterogenität religionswissenschaftlicher Ansätze bis 1945 sollte nicht der Fehler begangen werden, aus gegenwärtiger Perspektive derartige Ansätze zu deuten und sie folglich aus der Fachgeschichte zu verbannen, nur weil sie nicht dem heutigen Verständnis von Religionswissenschaft entsprechen. Die Herausbildung des Faches, als eine religiös-ungebundene Disziplin mit kultur- und sozialwissenschaftlichen Methoden, ist als ein Prozess zu verstehen, der keineswegs linear bis in die Gegenwart verlief. Innerhalb dieses Entwicklungsprozesses bildeten sich Ansätze heraus, unter denen die Religionswissenschaft der Kirchenbewegung Deutsche Christen und ihres »Entjudungsinstituts« zu einem – wenn auch unrühmlichen – Kapitel der Fachgeschichte wurde.

110 Junginger : Einführung: Das Überleben der Religionswissenschaft, S. 153. 111 So auch die Einschätzung bei Junginger: Einführung: Das Überleben der Religionswissenschaft, S. 157. Ausführlich zur Einordnung des »Entjudungsinstituts« in die religionswissenschaftliche Fachgeschichte Kap. 5.1 dieser Arbeit.

3.

Das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben (»Entjudungsinstitut«)

3.1

Die Kirchenbewegung Deutsche Christen

Das Entstehen eines deutschen Nationalbewusstseins, welches sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte und durch die sogenannten Einigungskriege zwischen 1864 und 1871 einen zusätzlichen Impuls erfuhr, war von Beginn an eng mit dem deutschen Protestantismus verbunden.112 Infolge der Siege über das »katholische« Österreich-Ungarn und das »katholische« Frankreich 1866 und 1871, entstand ein unter preußisch-protestantischer Vorherrschaft geeintes Reich, in welchem sich der institutionalisierte Protestantismus endgültig dem deutschen Nationalismus zuwandte und gleichzeitig zu einem elementaren Bestandteil des politischen Nationalkonservativismus wurde.113 Un112 Zur Verbindung von Protestantismus und Nationalismus in den deutschen Gebieten bzw. Deutschland zwischen 1800 und 1914 vgl. beispielhaft Lucian Hölscher : Geschichte der protestantischen Frömmigkeit in Deutschland, München 2005, S. 181–314; Manfred Gailus/ Hartmut Lehmann (Hg.): Nationalprotestantische Mentalitäten in Deutschland (1870– 1914). Konturen, Entwicklungslinien und Umbrüche eines Weltbildes, Göttingen 2005; Hartmut Lehmann: The Germans as a Chosen People. Old Testament Themes in German Nationalism, in: Hartmut Lehmann: Religion und Religiosität in der Neuzeit. Historische Beiträge, hg. v. Manfred Jakubowski-Tiessen und Otto Ulbricht, Göttingen 1996, S. 248– 259; Michel Grunewald/ Uwe Puschner (Hg.): Le Milieu intellectuel conservateur en Allemagne, sa presse et ses r8seaux (1890–1960), Bern 2003; Clemens Vollnhals: »Mit Gott für Kaiser und Reich«. Kulturhegemonie und Kriegstheologie im Protestantismus 1870–1918, in: Andreas Holzem (Hg.): Krieg und Christentum. Religiöse Gewalttheorien in der Kriegserfahrung des Westens, Paderborn u. w. 2009, S. 656–679; Horst Zilleßen (Hg.): Volk – Nation – Vaterland. Der deutsche Protestantismus und der Nationalismus, 2. Aufl., Gütersloh 1970; Martin Greschat: Krieg und Kriegsbereitschaft im deutschen Protestantismus, in: Martin Greschat: Protestanten in der Zeit. Kirche und Gesellschaft in Deutschland vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, hg. v. Jochen-Christoph Kaiser, Stuttgart 1994, S. 51– 66; Thomas Nipperdey : Religion im Umbruch: Deutschland 1870–1918, München 1988; Karl Hammer : Deutsche Kriegstheologie (1870–1918), München 1971. 113 Manfred Gailus: Protestantismus und Nationalsozialismus. Studien zur nationalsozialistischen Durchdringung des protestantischen Sozialmilieus in Berlin, Köln Weimar Wien 2001, S. 41f.

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Das »Entjudungsinstitut«

mittelbar nach der Vereinigung der deutschen Territorialstaaten 1871 zum Deutschen Reich erging ein Aufruf, die bereits seit 1848 vorherrschende Idee einer konfessionellen Einigung aller Deutschen nunmehr unter den neuen politischen Gegebenheiten in die Tat umzusetzen. Derartige Bemühungen, vorgetragen von Nationalprotestanten, hatten zum Ziel, mithilfe einer »Volkskirche« oder »Nationalkirche« die nationale Einigung nicht durch religiös-konfessionelle Gegensätze wieder in Gefahr zu bringen.114 In Teilen des deutschen Protestantismus verfestigten sich in den folgenden Jahrzehnten Vorstellungen, welche sich gegen jene Entwicklungen richteten, die der Aufklärung direkt oder indirekt zugrunde lagen: Liberalismus, Individualismus, Demokratie und der sich ausbildende Sozialismus. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges erfuhren die antiaufklärerischen Ideen innerhalb des Protestantismus noch eine zusätzliche völkische Färbung in Form einer aggressiven Kriegszustimmung und -verherrlichung.115 Nation und Volk fanden zunehmend Einzug in den christlichen Glauben, so unter anderem in der Vorstellung, die Deutschen seien anstelle des Volkes Israel das neue Bundesvolk Gottes.116 Innerhalb des deutschen Protestantismus entstand hierdurch ein zunehmend »nationalreligiöser Fundamentalismus«, der sich aus Elementen des göttlich Sakralen sowie des Profanen wie »Volk«, »Nation« und »Deutschtum« speiste.117 Völkisch-christliche Vorstellungen innerhalb der protestantischen Kirchen, welche sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten, waren hingegen etwas genuin Neues, wobei die Konzepte auf den Ideen der Nationalprotestanten

114 Vgl. Roland Kurz: Nationalprotestantisches Denken in der Weimarer Republik. Voraussetzungen und Ausprägungen des Protestantismus nach dem Ersten Weltkrieg in seiner Begegnung mit Volk und Nation, Gütersloh 2007, S. 79–82. Vereinfacht ausgedrückt ging die Idee der Volkskirche vom Volk als Souverän aus, die christliche Kirche hatte sich dementsprechend an den Bedürfnissen des deutschen Volkes auszurichten. Die nationalkirchliche Idee hingegen orientierte sich zunächst noch am Nationalstaat, wodurch internationale Verbindungen, wie die katholische an den päpstlichen Stuhl in Rom, abzubrechen seien. Später gehörte die rassische Inklusion zu den Hauptmerkmalen der nationalkirchlichen Idee, das heißt, nur Deutsche im rassischen Verständnis konnten Kirchenmitglieder sein und somit sie allein das göttliche Heil empfangen. 115 Vgl. Arlie J. Hoover : God, Germany, and Britian in the Great War. A Study in Clerical Nationalism, New York 1989. Zu nationalpolitischen Entwicklungen innerhalb des Christentums in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vgl. Martin Greschat: Der Erste Weltkrieg und die Christenheit. Ein globaler Überblick, Stuttgart 2014. 116 Kurz: Nationalprotestantisches Denken, S. 95. Die Vorstellung, die Deutschen seien das neue Bundesvolk Gottes, entstand bereits im 19. Jahrhundert, lebte aber ab August 1914 noch einmal in neuer Qualität auf. Vgl. Lehmann: The Germans as the Chosen People. 117 Gailus: Protestantismus und Nationalsozialismus, S. 51. Vgl. hierzu auch Rainer Lächele: Protestantismus und völkische Religion im deutschen Kaiserreich, in: Uwe Puschner/ Walter Schmitz/ Justus H. Ulbricht (Hg.): Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871– 1918, München u. w. 1996, S. 149–163.

Die Kirchenbewegung Deutsche Christen

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aufbauten.118 Hierbei ging es mehr als nur um eine »Eindeutschung« des christlichen Glaubens und dessen Organisationen. Jene Protagonisten, die sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts einer »Verdeutschung« von Kirche und Religion auf Grundlage rassischer Vorstellungen verschrieben,119 können aus heutiger Perspektive als Vorläufer der Thüringer Deutschen Christen verstanden werden. Jedoch war das Glaubensverständnis der Kirchenbewegung Deutsche Christen nicht ausschließlich eine bloße Weiterentwicklung derartiger völkisch-christlicher Konzeptionen. Vielmehr bildete erst die Verbindung von diesen bereits bestehenden antisemitischen, deutschen Christentumsvorstellungen120 mit der Ideologie des Nationalsozialismus das Alleinstellungsmerkmal der Kirchenbewegung Deutsche Christen innerhalb der heterogenen Ideenwelt eines »arteigenen«, deutschen Christentums. Deshalb ist die Entstehung der Thüringer Deutschen Christen unweigerlich mit dem Auftreten Hitlers und seiner Partei verbunden, auch wenn sie keine Parteiorganisation oder eine Gründung der Nationalsozialisten waren.121 Dass protestantische Vertreter bereits vor und während des Ersten Weltkrieges Vorstellungen von einem »deutschen Christentum« verbreitet haben und sich infolge dessen innerkirchliche Organisationen zur Umsetzungen derartiger Ideen gründeten, hat für die Beurteilung und Einordnung der Kirchenbewegung Deutsche Christen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung: Deren Aufstieg ist einerseits direkt verknüpft mit dem Erfolg des Nationalsozialismus als politische Bewegung. Andererseits profitierten sie ebenso von zunehmend rassistischen Gedanken innerhalb des deutschsprachigen Protestantismus, die seit 118 Parallel zu solchen »arteigenen« Konzeptionen eines deutschen Christentums entstanden gleichzeitig »arteigene« Glaubensvorstellungen mit Bezug zur vorchristlichen Germanenreligion. Letztere Richtung »arteigener« Religion blieb aber bezüglich ihrer Anhängerzahl gegenüber dem Deutschchristentum eher marginal. Alexandra Gerstner/ Gregor Hufenreuter/ Uwe Puschner : Völkischer Protestantismus. Die Deutschkirche und der Bund für deutsche Kirche, in: Michel Grunewald/ Uwe Puschner (Hg.): Das evangelische Intellektuellenmilieu in Deutschland, seine Presse und seine Netzwerke (1871–1963), Bern u. w. 2008, S. 409–435, hier S. 410. Vgl. zusammenfassend zu derartigen Konzepten »arteigener« Religion Jörn Meyers: Religiöse Reformvorstellungen als Krisensymptom? Ideologen, Gemeinschaften und Entwürfe »arteigener Religion« (1871–1945), Frankfurt/M. 2012, S. 185–403; Uwe Puschner : Germanenideologie und völkische Weltanschauung, in: Heinrich Beck u. w. (Hg.): Zur Geschichte der Gleichung »germanisch-deutsch«. Sprache und Namen, Geschichte und Institutionen, Berlin New York 2004, S. 103–129. 119 Vgl. hierzu Uwe Puschner : Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion, Darmstadt 2001, S. 203–234. 120 Manfred Gailus vernimmt im christlich motivierten Antisemitismus einen wesentlichen Bestandteil der sich seit dem 19. Jahrhundert ausgebildeten nationalprotestantischen Mentalität. Gailus: Protestantismus und Nationalsozialismus, S. 639. 121 Dieser Befund lässt sich nicht ausschließlich auf die Kirchenbewegung Deutsche Christen, sondern auf alle deutsch-christlichen Organisationen übertragen. Vgl. Gailus: Protestantismus und Nationalsozialismus.

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Das »Entjudungsinstitut«

Beginn des 20. Jahrhunderts Einzug in das Glaubensbild fanden.122 Um den späteren innerkirchlichen Erfolg der Kirchenbewegung Deutsche Christen zu verstehen, ist es notwendig, sich die Entwicklungen in Teilen der protestantischen Kirchen Deutschlands seit der Jahrhundertwende zu vergegenwärtigen.

3.1.1 »Arteigene« Christentumsvorstellungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges gründete sich in Wien eine Vereinigung unter dem Namen Freunde der evangelischen Volkskirche, der Pfarrer wie Laien angehörten. Mit dem Ziel der Erschaffung einer »wahrhaft deutschen evangelischen, protestantischen Volkskirche« verband diese Gruppe eine christliche Gemeindebildung, »in der die Form hinter dem Inhalt, die Einheit hinter der wahren christlichen Freiheit, der Buchstabe hinter dem Geist, jede Art von Priester- und Pastorentum hinter dem allgemeinen Priestertum zurückzutreten hat. Alle Erscheinungen, die im entgegengesetzten Sinne wirken, empfinden wir als katholisierend, auch wenn sie im evangelischen Gewande auftreten.«123

Neben der Einschränkung kirchlicher Bürokratie, mehr Selbstständigkeit der örtlichen Einzelgemeinden, gemischt-konfessioneller Gemeindebildungen im Sinne einer »Volkskirche«, Vertiefung des religiösen Lebens sowie Stärkung des »völkischen Bewusstseins« in Gemeinden und kirchlichen Körperschaften trat man ebenso für eine vollständige rassische Aufteilung der Evangelischen Kirche Österreichs in eine deutsche und eine slawische Organisationsstruktur ein. Darüber hinaus sprach man sich dafür aus, die Grundsätze der lutherischen Reformation weiterzuentwickeln und den Rassengedanken in die christliche Lehre mit einfließen zu lassen. Im wilhelminischen Kaiserreich gab es ähnlich lautende Ideen eines völkischen respektive »arteigenen« Christentums: Noch vor dem Ersten Weltkrieg veröffentlichte der evangelische Theologe Arthur Bonus (1864–1941) das Buch Zur Germanisierung des Christentums.124 Darin forderte Bonus, dass das Christentum, als eine für den deutschen Charakter eigentlich fremde Religion, ausschließlich national ausgelegt werden dürfe. Dies habe Luther mit seiner Reformation bereits begonnen, so Bonus. Zur Entstehung einer genuin deut122 Vgl. Peter Schalk: Twisted Cross. The Religious Nationalism of the German Christians, in: Studia Theologica 52 (1998), S. 69–79, hier S. 71. Dazu auch Gerstner/ Hufenreuter/ Puschner : Völkischer Protestantismus. 123 [o. A.] »Freunde der evang. Volkskirche«, in: Kirchliche Blätter aus der evangelische Landeskirche A. B. in den siebenbürgischen Landesteilen Ungarns. Evangelische Wochenschrift für die Glaubensgenossen aller Stände, 6. Jg., Nr. 31, 1. 08. 1914, S. 366. 124 Arhur Bonus: Zur Germanisierung des Christentums, Jena 1911.

Die Kirchenbewegung Deutsche Christen

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schen Volksreligion habe sich das Christentum jedoch einer abermaligen »Germanisierung« und »Nationalisierung« zu unterziehen.125 Ähnlich argumentierten die vier Autoren Friedrich Andersen (1860–1940), Adolf Bartels (1862–1945), Ernst Katzer (1839–1921) und Hans Paul Freiherr von Wolzogen (1848–1938) in ihrer Proklamation für ein »Deutschchristentum«, mit der sie 1917, anlässlich des 400jährigen Reformationsjubiläums, an die Öffentlichkeit traten.126 Die vier Autoren – zwei von ihnen als geistliche Amtsträger tätig127 – verstanden die Reformation als ebenso nicht beendet, ein Umstand, den es nun abzuschließen gelte, denn Luther habe »mit der Reformation den ersten gewaltigen Schritt getan zur Befreiung des deutschen Volkes aus fremden geistigen Bann; Bismarck den zweiten, indem er es politisch mündig machte; den dritten müssen wir alle selber tun durch Verdeutschung des Christentums in uns selbst.«128

Hinter der Begrifflichkeit »Verdeutschung des Christentums« verbarg sich zuallererst ein antisemitisches Weltbild, welches in das Christentum einzuarbeiten sei. So plädierten die vier Verfasser für die vollständige Nichtbeachtung des Alten Testaments in der Liturgie sowie Predigt und deuteten Jesus als einen rassischen Nichtjuden, der möglicherweise sogar einen »arischen« Ursprung gehabt habe.129 Dementsprechend sei »die Verbindung zwischen der christlichen und der alttestamentlich-jüdischen Religion sobald als möglich zu lösen und die christliche Religion allein auf sich selbst zu stellen.«130

Wie Kurt Nowak richtig feststellt, war dies ein Wunsch nach vollständiger innerer und äußerer Reorganisation des Protestantismus im Deutschen Reich auf Grundlage rassischer Exklusivität.131 Dies beinhaltete jedoch nicht nur eine inhaltliche Abgrenzung gegenüber dem Judentum bzw. gegenüber jüdischen Einflüssen im Christentum, sondern vielmehr eine direkte Bekämpfung des Judentums und die Auslöschung sämtlicher jüdischer Überlieferungen innerhalb der christlichen Religion. 125 Meyers: Religiöse Reformvorstellungen, S. 100f. 126 Friedrich Andersen/ Adolf Bartels/ Ernst Katzer/ Hans Paul Freiherr von Wolzogen: Deutschchristentum auf rein-evangelischer Grundlage. 95 Leitsätze zum Reformationsfest 1917, Leipzig 1917. Vgl. dazu auch Kurt Nowak: Protestantischer Antisemitismus. Ein deutsch-christliches Manifest aus dem Jahr 1917, in: Herbergen der Christenheit 31 (2007), S. 75–89; Gerstner/ Hufenreuter/ Puschner : Völkischer Protestantismus. 127 Nowak: Protestantischer Antisemitismus, S. 86. 128 Andersen/ Bartels/ Katzer/ von Wolzogen: Deutschchristentum auf rein-evangelischer Grundlage, S. 5. 129 Andersen/ Bartels/ Katzer/ von Wolzogen: Deutschchristentum, S. 16 und S. 18. 130 Andersen/ Bartels/ Katzer/ von Wolzogen: Deutschchristentum, S. 16. 131 Nowak: Protestantischer Antisemitismus, S. 75.

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Das »Entjudungsinstitut«

Derartige Gedankengänge, deren Auflistung sich weiter fortführen ließe, betrafen in erster Linie den Protestantismus und liefen im Selbstverständnis auf eine Fortführung bzw. Weiterentwicklung von Luthers Reformation hinaus. Dass die althergebrachte Universitätstheologie für die Umsetzung der hier zusammenfassend vorgestellten protestantischen Reformvorhaben im Sinne eines »arteigenen« Christentums nicht mehr zu gebrauchen war, stand für Bonus und die Autoren des Deutschchristentum[s] auf rein-evangelischer Grundlage außer Frage. Auf deren Forderung nach Zuhilfenahme einer »Religionswissenschaft« für die wissenschaftliche Untermauerung ihres Bildes vom Christentum wird in Kapitel 5.1.1 noch einmal ausführlicher eingegangen. An dieser Stelle ist zunächst die historische Entwicklung hin zur Gründung und Etablierung der Kirchenbewegung Deutsche Christen zu betrachten. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der politischen Neuordnung Deutschlands als eine demokratische Republik entstand 1921 als erster größerer Zusammenschluss innerhalb jenes deutsch-christlichen Spektrums der Bund für Deutsche Kirche.132 Neben bekannteren Personen wie dem Flensburger Pastor Friedrich Andersen,133 einer jener Autoren des Deutschchristentum[s] auf rein-evangelischer Grundlage, gehörten vor allem Pädagogen, Religionslehrer und Theologiestudenten dem Bund an. Neben der Forderung nach einer Aufnahme von rassisch-völkischem Gedankengut in die christliche Lehre, gehörte die Umsetzung einer »Entjudung« der Kirche sowie die Vollendung der Reformation Martin Luthers zu den formulierten Hauptzielen des Bundes. Unter der Vollendung einer »deutschen Reformation« verstanden die Bund-Mitglieder nicht weniger als eine herbeizuführende Verbindung von »Deutschtum« und Christentum. Ebenso sollten alle konfessionellen Gegensätzlichkeiten über132 Zum Bund vgl. Hansjörg Buss: »Für arteigene Frömmigkeit – über alle Konfessionen und Dogmen hinweg.« Gerhard Meyer und der Bund für Deutsche Kirche, in: Manfred Gailus/ Clemens Vollnhals (Hg.): Für ein artgemäßes Christentum der Tat. Völkische Theologen im »Dritten Reich«, Göttingen 2016, S. 119–133; Hansjörg Buss: Völkisches Christentum und Antisemitismus. Der Bund für Deutsche Kirche in Schleswig-Holstein, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 138 (2013), S. 193–241; Gerstner/ Hufenreuter/ Puschner : Völkischer Protestantismus; Kurt Meier : Der »Bund für deutsche Kirche« und seine völkisch-antijudaistische Theologie, in: Kurt Nowak/ G8rard Raulet (Hg.): Protestantismus und Antisemitismus in der Weimarer Republik, Frankfurt/M. 1994, S. 177–198; Hans-Joachim Sonne: Die politische Theologie der Deutschen Christen. Einheit und Vielfalt deutschchristlichen Denkens, dargestellt anhand des Bundes für deutsche Kirche, der Thüringer Kirchenbewegung »Deutsche Christen« und der Christlich-deutschen Bewegung, Göttingen 1982. 133 Zu Andersen und dem von ihm mit gegründeten Bund für Deutsche Kirche vgl. Hansjörg Buss: Friedrich Andersen und der »Bund für Deutsche Kirche« in der schleswig-holsteinischen Landeskirche, in: Daniel Schmidt/ Michael Sturm/ Massimiliano Levi (Hg.): Wegbereiter des Nationalsozialismus. Personen, Organisationen und Netzwerke der extremen Rechten zwischen 1918 und 1933, Essen 2015, S. 179–191; Hauke Wattenberg: Friedrich Andersen. Ein deutscher Prediger des Antisemitismus, Flensburg 2004.

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wunden und die Gegnerschaft zwischen Kirche und Kirchengegnern beendet werden, mit dem erhofften Ziel, eine religiöse und völkische Einheit herzustellen.134 In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gelang es dem Bund zunehmend über Kirchenwahlen eigene Mitglieder in Kirchenparlamente auf Landes- und Lokalebene zu entsenden. Trotz verschiedener Bemühungen und einer ideologischen Annäherung vermochte es der Bund aber nicht, als innerparteiliche Kirchenorganisation der NSDAP Anerkennung zu finden. Zwar schloss sich der Bund unter Beibehaltung der eigenen Organisationsstruktur 1932 der Glaubensbewegung Deutschen Christen135 an, verließ diese jedoch bereits Ende 1933 wieder. Ein bedeutender Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Protestantismus blieb dem Bund in den folgenden Jahren versagt.136 Im Gegensatz zum Bund für deutsche Kirche sollte den Thüringer Deutschen Christen, die sich Ende der 1920er Jahre gründeten, eine nachhaltige Machtentfaltung in diversen protestantischen Landeskirchen gelingen. Der Terminus »Deutsche Christen« geht auf jene Richtung innerhalb des heterogenen deutsch-christlichen Spektrums zurück, die durch ihre Radikalität und ideologische Treue gegenüber dem Nationalsozialismus hervortrat, die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen. Diese Gruppierung setzte sich nach Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen deutsch-christlichen Vereinigungen bis Ende der 1930er Jahre als die führende Deutsche-Christen-Organisation im »Dritten Reich« durch und erweiterte sukzessive ihren Einflussbereich auf diverse protestantische Landeskirchen.

134 Meyers: Religiöse Reformvorstellungen als Krisensymptom?, S. 109–123. 135 Hierbei handelte es sich um eine 1932 von Pfarrern gegründete und von der NSDAP unterstützte Dachorganisation, welche die in den Jahren zuvor reichsweit innerhalb der protestantischen Landeskirchen entstandenen deutsch-christlichen Gruppierungen organisatorisch bündeln sollte. Zur Gründung und Anfangsphase der Glaubensbewegung Deutsche Christen vgl. Gailus: Protestantismus und Nationalsozialismus, S. 89–101. Zur Unterscheidung zwischen der »Christlich-deutschen Bewegung« und der Glaubensbewegung Deutsche Christen vgl. Christoph Weiling: Die »Christlich-deutsche Bewegung«. Eine Studie zum konservativen Protestantismus in der Weimarer Republik, Göttingen 1998. 136 Die These von Gerstner, Hufenreuter und Puschner, der Bund für Deutsche Kirche habe die Organisationen der Deutschen Christen mit seinem radikalen Antisemitismus übertroffen, was wiederum ein Grund für das letztendliche Scheitern des Bundes gewesen sei, ist in der Form nicht haltbar. Gerstner/ Hufenreuter/ Puschner : Völkischer Protestantismus, S. 431. Einer derartigen Einschätzung liegt ein zu undifferenziertes Bild der Deutschen Christen zugrunde. Jene »Entjudung«, wie sie den Mitgliedern des Bundes vorschwebte, setzte die Kirchenbewegung Deutsche Christen mit ihrem »Entjudungsinstitut« ab 1939 in die Tat um.

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Das »Entjudungsinstitut«

3.1.2 Zur Entstehung der Kirchenbewegung Deutsche Christen Die beiden Freunde Siegfried Leffler (1900–1983) und Julius Leutheuser (1900– 1942) schlossen sich angeblich unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg verschiedenen Freikorpsverbänden an und kämpften in diesen unter anderem in München, Oberschlesien sowie im Ruhrgebiet gegen kommunistische Putschversuche.137 Leutheuser habe sich zudem bereits mit 20 Jahren angeblich als Redner bei der damals noch unbekannten NSDAP engagiert, ohne ihr jedoch als Mitglied anzugehören.138 Nachdem Leffler und Leutheuser Theologie studiert hatten, traten sie zunächst als Vikare in den Dienst der Bayerischen Evangelischen Landeskirche ein. Wegen ihrer nationalsozialistischen Haltung gerieten beide aber frühzeitig in Konflikt mit der Kirche, worauf sie sich 1927 entschlossen, in den Dienst der liberaleren Thüringer Landeskirche zu wechseln.139 Beide erhielten Pfarrstellen im ostthüringischen Wieratal nahe der Stadt Altenburg zugewiesen, eine Region, in der die Sozialdemokratie durch das nahegelegene Industriegebiet viele Anhänger hatte.140 137 Leutheuser vermerkte im Fragebogen des Reichsverbandes Deutscher Schriftsteller unter der Rubrik »Frühere politische Zugehörigkeit« »keine«. BArch, RK Julius Leutheuser (geb. 1900). Siegfried Leffler hingegen gab in einem Fragebogen vom 16. 01. 1934 für den Reichsverband Deutscher Schriftsteller unter gleicher Rubrik an, von 1919 bis 1928 Mitglied des Freikorps Oberland gewesen zu sein, BArch, RK Siegfried Leffler (geb. 1900). Die Angabe, beide wären Freikorpskämpfer gewesen, basiert auf Eigenaussagen der Thüringer Deutschen Christen aus den späten 1930er Jahren und wurde von der Forschung übernommen. Ob tatsächlich beide in den paramilitärischen Einheiten kämpften oder dies nur eine nachträgliche Selbststilisierung für den frühzeitigen »Dienst für das Vaterland« darstellte, muss an dieser Stelle offen bleiben. Eine solche nachträgliche Eigenaussage, als Freikorps-Kämpfer in den Anfangsjahren der Weimarer Republik gekämpft zu haben, findet sich ebenfalls bei Joachim Hossenfelder, Deutscher Christ und kurzzeitiger Bischof von Brandenburg. Siehe Gailus: Protestantismus und Nationalsozialismus, S. 417. 138 Hier handelt es sich wiederum um eine Eigenangabe aus den 1930er Jahren, die sich anhand der eingesehenen Aktenbestände nicht bestätigen lässt. In einem Artikel über die Entstehung der Kirchenbewegung Deutsche Christen, geschrieben 1934 von Siegfried Leffler, ist keine Angabe zu finden, dass sich Leffler und Leutheuser vor 1927 für die NSDAP engagiert haben. Siegfried Leffler : Der Weg der Kirchenbewegung der »Deutschen Christen«, in: Briefe an deutsche Christen 3 (1934), S. 193–198. 139 Julius Leutheuser gab 1925 als Gründungsjahr der Kirchenbewegung Deutschen Christen an, wo er und Leffler noch im Dienst der Bayerischen Landeskirche standen. Vgl. Julius Leutheuser : Unser Weg zur nationalkirchlichen Bewegung, in: Vom Werden deutscher Volkskirche. Grundsätzliche Äußerungen der nationalkirchlichen Bewegung »Deutsche Christen«. Zugleich eine Antwort auf die Zeitfrage des Protestantismus, Weimar 1937, S. 11–18, hier S. 12. 140 Helmut Baier : Die Deutschen Christen Bayerns im Rahmen des bayerischen Kirchenkampfes, Nürnberg 1968, S. 17–19. Zur Entstehungsgeschichte der Thüringer Deutschen Christen vgl. auch Kurt Nowak: Evangelische Kirche und Weimarer Republik. Zum politischen Weg des deutschen Protestantismus zwischen 1918 und 1932, Göttingen 1981, S. 253–256. Zu Nowaks Werk bleibt anzumerken, dass es zwar die Fokussierung der Thü-

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In seinem 1925 erschienenen Reisetagbuch Nordlandfahrt zeichnen sich frühzeitig jene Auffassungen Lefflers ab, wie sie später charakteristisch für die Thüringer Deutschen Christen werden sollten. Im republikanischen Deutschland herrsche dunkle Nacht, ohne jede Hoffnung auf Besserung, so Leffler. Es reife jedoch eine Generation heran, die sich gegen den Schmerz und die vermeintliche Knechtung des deutschen Volkes erhebe. Leffler wisse selbst, dass es momentan noch zu wenige Anhänger seien und man Geduld haben müsse, wenn er schreibt: »Vorerst gilt es die Pfeile zu schnitzen und die Köcher zu füllen, dann kommt von selbst der lustige Tag.«141 In einer nüchternen und enthaltsamen Jugend vernahm Leffler die zukünftige deutsche ›Führerschicht‹ als »Sturmtruppen des Geistes und der Tat« in direkter Abgrenzung gegen »Krawallbrüder und Feiglinge«.142 Lefflers Bericht über seine Reise nach Skandinavien sollte dem Leser in einer glorifizierenden Beschreibung die Idealvorstellung der »nordischen Artung« näher bringen. Dies beinhaltete die absolut kompromisslose Haltung gegenüber den eigenen Zielen, die es zu wahren gelte.143 Nordlandfahrt von Siegfried Leffler beschrieb damit bereits 1925 den Kurs, wie man als Pfarrer und Nationalsozialist die eigenen Vorstellungen zu verbreiten gedachte. Es ging Leffler und Leutheuser nicht um den schnellen und möglichst viele Menschen erreichenden Ausbau einer eigenen Organisation bzw. einer oberflächlichen »Volksmission«. Sie strebten vielmehr nach einer schrittweisen, nachhaltigen Gewinnung und direkten Einbeziehung von Mitgliedern. Die bestehenden kirchlichen Verhältnisse empfanden sie als starr und weltfremd, wodurch die Gemeindemitglieder nicht mehr erreicht würden. Anstatt theologischer Auseinandersetzungen setzten sie auf eine nachhaltige Bindung, allen voran bei Jugendlichen und Volksschullehrern, mithilfe von Gemeindeaktivitäten und politischen Diskussionsveranstaltungen. Hierzu gründeten Leffler und Leutheuser einen Pfarrer- und Lehrerkreis in ihrem neuen Thüringer Wirkungsfeld, mit dem sie ihre Vor-Ort-Mission voranzutreiben gedachten. Man veranstaltete Liederabende, Vorträge, Männersprechstunden, Freizeitangebote etc., um die lokale Bevölkerung einerseits wieder der Kirche zuzuführen und andererseits Werbung für den Nationalsozialismus machen zu können.144 1928 organisierten beide erstmals eine Fahrt

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ringer Deutschen Christen auf den Nationalsozialismus herausstellt, hingegen den Antisemitismus als weitere Grundlage bei Leffler und Leutheuser nicht nennt. Siegfried Leffler : Nordlandfahrt. Vom Wandern und Schauen, Augsburg 1925, S. 7. Leffler : Nordlandfahrt, S. 8. Leffler : Nordlandfahrt, S. 10. Oliver Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1: Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939, Berlin 2010, S. 58f. Siehe auch die nachträglich verfasste Eigendarstellung der Thüringer Deutschen Christen für diese Zeit bei Kurt Thieme: Aus dem Wieratal ins Reich! Ursprung und Aufbruch deutschen Christentums, Weimar 1939, S. 59.

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ihrer noch kleinen Gruppe in das sächsische Glauchau, um dort einer Rede Hitlers beizuwohnen, was in der Eigendarstellung der Thüringer Deutschen Christen als Schlüsselerlebnis für den weiteren Ausbau der Gruppe gesehen wurde.145 Bei der Charakterisierung des Kreises um Leffler und Leutheuser mit ihren vielfältigen Aktivitäten ist es durchaus angebracht, Klaus Scholder zu folgen, der diese als »idealtypische Form einer völkisch-christlichen Bewegung« bewertet. In dem Pfarrer und Lehrerkreis, so Scholder, »bestand kein Unterschied mehr zwischen der kirchlichen, kulturellen und politischen Arbeit, weil alles aus einem Geist geschah und dem gleichen Ziel diente, der christlich-völkischen Erneuerung der deutschen Nation.«146

Konsequenterweise entschloss man sich aus dem angewachsenen Pfarrer- und Lehrerkreis heraus eine eigene NSDAP-Ortsgruppe zu gründen, was Anfang 1929 geschah.147 Die nun fast täglich stattfindenden Veranstaltungen in Gemeinden außerhalb des ursprünglichen Wirkungskreises sicherten Einheiten der NSDAP-Sturmabteilung (SA), da es öfter zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit SPD-Anhängern kam. Neben Fackelaufmärschen, bei denen eigens komponierte Kampflieder mit christlichem Inhalt gesungen wurden, bildeten vor allem die Vortragsveranstaltungen von Leffler und Leutheuser die Grundlage für die weitere Ausbreitung der Gruppe über ganz Ost-Thüringen. Gleichzeitig übernahm die Gruppe einen Großteil der Parteipropaganda für die NSDAP in dem Gebiet um Altenburg, allen voran in den ländlichen Gemeinden.148 Neben dem persönlichen Enthusiasmus von Leffler und Leutheuser war es die propagierte Verbindung eines deutschen Christentums mit dem Nationalsozialismus sowie die enge Zusammenarbeit von Dorfpfarrern und Lehrern, die zum zunehmenden Erfolg der Thüringer Deutschen Christen führte. So errang die Gruppe bei den Wahlen zur Altenburger Kirchengemeindevertretung im November 1931 bereits fünf der insgesamt 16 Plätze. Weitere lokale Wahlerfolge bei Kirchengemeindewahlen sollten in den darauffolgenden Monaten eintreten.149 Der Begriff »Deutsche Christen«, der erstmals bei der genannten Altenburger Wahl Ende 1931 auftauchte und später als Sammelbezeichnung für die verschiedenen in Deutschland agierenden deutsch-christlichen Organisationen 145 Thieme: Aus dem Wieratal ins Reich!, S. 44. Es kam in den folgenden Jahren zu weiteren Treffen von Leutheuser und Leffler mit Hitler, bei denen die beiden die Möglichkeiten hatten, mit Hitler persönlich sprechen zu können. BArch, R 43 II/162, Bl. 119–121. 146 Klaus Scholder : Die Kirchen und das Dritte Reich. Bd. 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918–1934, Frankfurt/M. u. w. 1977, S. 280. 147 Leffler selbst gab als Eintrittsjahr 1928 an. BArch, RK Siegfried Leffler (geb. 1900). Leutheuser trat am 1. 06. 1929 der Partei bei. BArch, RK Julius Leutheuser (geb. 1900). 148 Thieme: Aus dem Wieratal ins Reich!, S. 81–102. 149 Kurt Meier : Die Deutschen Christen. Das Bild einer Bewegung im Kirchenkampf des Dritten Reiches, Halle/S. 1964, S. 6.

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Verwendung fand, hatte dementsprechend seinen Ursprung in der Thüringer Gruppe um Leffler und Leutheuser.150

3.1.3 Das religiöse Weltbild der Kirchenbewegung Deutsche Christen In ihrer öffentlichen Agitation nutzten die beiden Pfarrer gezielt die christliche Lehre, um hieraus die religiös-geschichtliche Notwendigkeit einer nationalsozialistischen Wende abzuleiten. Mithilfe biblischer Verweise stellte Leutheuser Marxismus und Liberalismus als die größten Feinde des deutschen Volkes heraus, weshalb es die wichtigste Aufgabe eines jeden Christen sei, derartige politische Richtungen zu bekämpfen.151 Den Liberalismus deutete Leutheuser nicht als eine politische und gesellschaftliche Denkrichtung, sondern als eine »jüdisch-mammonistisch eindringende Seuche«.152 Nach der Gründung des Kaiserreichs seien die christlichen Kirchen jedoch nicht ihrer eigentlichen Aufgabe nachgekommen, »die Wurzeln des Reiches deutscher Gläubigkeit zu hüten vor Wühlmäusen und sonstigem nagenden Ungeziefer.« Hierdurch sei unter anderem der deutsche Arbeiter »in die Hände des Juden« geraten.153 Alle 150 Arnold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 63. Der Terminus Deutsche Christen, soweit nicht auf einen anderen Kontext explizit hingewiesen wird, meint im Folgenden die Gruppierung der Thüringer Deutschen Christen bzw. Kirchenbewegung Deutsche Christen. Die offizielle Bezeichnung lautete Kirchenbewegung Deutsche Christen, geändert 1937 zunächst in Nationalkirchliche Bewegung Deutsche Christen. Kurze Zeit später folgte die abermalige Umbenennung in Kirchliche Einung Deutsche Christen, da es sämtlichen Organisationen außerhalb der NSDAP ab 1937 verboten war, den Begriff »Bewegung« im Namen zu führen. Seit diesem Zeitpunkt galt zudem das Verbot, das Hakenkreuz in Verbindung mit dem christlichen Kreuz zu verwenden. Da letzteres zunächst bei den Deutschen Christen keine Beachtung fand, sah sich das Geheime Staatspolizeiamt genötigt, Ende 1937 Strafverfolgungen anzudrohen, wenn beide Symbole weiterhin gemeinsam von den Thüringer Deutschen Christen gezeigt würden. BArch, R 43 II/150, Bl. 96. 151 Julius Leutheuser: Der Sadduzäer und der Pharisäer (Marxismus und Zentrum als die modernen Feinde des Christentums), in: Briefe an deutsche Christen, 1. Jg. (1932), Nr. 1, Juli 1932, S. 5–8. Unter protestantischen Theologen fanden derartige Ideen großen Anklang, erhofften sich doch viele von ihnen mithilfe der NSDAP eine Zurückdrängung von Liberalismus und Kommunismus. Kurt Nowak: Kirchen und Religion, in: Wolfgang Benz/ Hermann Graml/ Hermann Weiß (Hg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5. akt. und erweiterte Aufl., München 2007, S. 204–222, hier S. 207. 152 Julius Leutheuser: Der Glaube der Kämpfer, in: Briefe an deutsche Christen, 1. Jg. (1932), Nr. 2, August 1932, S. 11f., hier S. 11. Der gesamte völkische Nationalismus in Deutschland verstand sich selbst als eine Antithese zu Liberalismus sowie Aufklärung und war kein Alleinstellungsmerkmal der Deutschen Christen. Vgl. George M. Fredrickson: Rassismus. Ein historischer Abriss, Hamburg 2004, S. 96. 153 Leutheuser : Der Glaube der Kämpfer, S. 12. Zum antisemitischen Bild des liberalen jüdischen Modernisierers vgl. Andrea Hoffmann: Das Stereotyp des jüdischen Modernisierers. Abwehr mit vormodernen Begrifflichkeiten: Der »Schacherer«, in: Hubert Cancik/ Uwe

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als negativ wahrgenommenen Entwicklungen wie Arbeiterbewegung, Kapitalismus, Säkularisierung etc. basierten nach Leutheuser auf »jüdischer Zersetzungsarbeit« mit dem Ziel, das deutsche Volk auszubeuten und zu knechten.154 In diesem Zusammenhang konnten die Thüringer Deutschen Christen die noch immer vorhandene christliche Judenfeindschaft im ländlich-bäuerlichen Milieu für ihre Zwecke nutzen.155 Die bestehenden antijüdischen Ressentiments innerhalb der christlichen Lehre deutete man problemlos rassisch und damit einhergehend politisch um, was eine inhaltliche Verbindung von christlicher Theologie und nationalsozialistischer Ideologie umso einfacher machte. Darüber hinaus wurde die gesamte politische Situation seit 1918 mit der Weltkriegsniederlage, dem verhassten parlamentarischen System und dem sich verstärkenden Entkirchlichungsprozess als eine Missachtung des göttlichen Willens verstanden, weshalb es nunmehr notwendig sei, sich diesem wieder unterzuordnen. Derartige Gedankengänge von religiöser Seite stellten kein Novum dar, denn in christlichen Vorstellungen wurden vermeintliche Krisensituationen oftmals als eine Bestrafung Gottes gedeutet. Doch anstatt, wie bis dato meistens in kirchlichen Kreisen geschehen, sich für eine innere Rückbesinnung im rein theologischen Sinne einzusetzen, erging von den Thüringer Deutschen Christen die Forderung nach einem stärkeren politischen Engagement aller Christen – im Sinne des Nationalsozialismus – sowie eines Wandels der kirchlichen Aufgaben und der rassischen Neuausrichtung des Christentums.156 Dies meint, dass Leffler und Leutheuser das Christentum ausschließlich »völkisch« interpretierten. Gott offenbare sich in jedem Volk anders, wobei aber Puschner (Hg.): Antisemitismus, Paganismus, Völkische Religion, München 2004, S. 27– 32. 154 Hier zeigt sich einmal mehr die Kontinuität derartiger Vorstellungen, da Liberalismus, Kosmopolitismus usw. bereits in der völkischen Bewegung während der Zeit des wilhelminischen Kaiserreichs als Hauptursachen für den Verfall des »Deutschtums« verantwortlich gemacht wurden. Vgl. Puschner : Die völkische Bewegung, S. 146. Zur Ablehnung kapitalistischer Entwicklung durch die meisten Vertreter der völkischen Bewegung auch Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik, Darmstadt 22010, S. 155–157. 155 Zur Wirksamkeit der christlich-theologischen Judenfeindschaft in einem Großteil der christlich-geprägten Bevölkerung Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie der engen Verbindung von christlicher Judenfeindschaft und Antisemitismus vgl. Günter van Norden: Die Evangelische Kirche und die Juden im »Dritten Reich«, in: Günter Brakelmann/ Martin Rosowski (Hg.): Antisemitismus. Von religiöser Judenfeindschaft zur Rassenideologie, Göttingen 1989, S. 97–111. Zum Verhältnis von Antisemitismus und Protestantismus vgl. Wolfgang Heinrichs: Das Judenbild im Protestantismus des deutschen Kaiserreichs. Ein Beitrag zur Mentalitätsgeschichte des deutschen Bürgertums in der Krise der Moderne, Köln 2000. 156 Vgl. hierzu beispielhaft Wagner : Kirchlicher Frontgeist, in: Briefe an deutsche Christen, 1. Jg. (1932), Nr. 2, August 1932, S. 9–11.

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dem deutschen Volk eine besondere Stellung als dem göttlichen Gegenvolk gegenüber dem von Gott verstoßenen Judentum zukäme.157 Eine christliche Theologie außerhalb dieses völkischen Denkens, sprich allen »kirchlichen Internationalismus« sowie die Missionierung von Juden, lehnte man seitens der Thüringer Deutschen Christen als eine Missachtung der göttlichen Weltordnung strikt ab. Die Verbindung von Volk und christlicher Offenbarung sei eine göttliche und somit heilige Ordnung, die es zu beachten gelte. Der Dienst am deutschen Volk gehöre folglich zur Gehorsamspflicht gegenüber dem göttlichen Willen.158 Deshalb – so die Argumentation – habe sich die christliche Kirche auch wieder aktiv dem eigenen Volk zuzuwenden und nicht irgendwelchen weltfremden theologischen Debatten.159 Anders ausgedrückt: Es sollte ein Christentum der direkten Tat geschaffen und keine Gelehrtendiskussionen geführt werden.160 Und dies bedeutete, religiöse und politische Vorstellungen miteinander zu verbinden, wobei das politische Handeln aus den Evangelien herzuleiten und das gesamte Christentum auf das Diesseits auszurichten sei.161 Dabei könne und dürfe die Kirche nicht mehr unabhängig vom Staat agieren.162 Vielmehr obliege ihr die Aufgabe, »das heilige Bildungsinstitut der Seele des deutschen Volkes zu sein […].« Durch ihre über 400jährige »organische Verbundenheit mit dem deutschen Volksgeschehen« komme die Kirche auch

157 Susanne Böhm: Deutsche Christen in der Thüringer evangelischen Kirche (1927–1945), Leipzig 2008, S. 113. 158 Sonne: Die politische Theologie der Deutschen Christen, S. 24. Zur Kritik an Sonne wegen dessen Aussparung des Antisemitismus im Weltbild der Deutschen Christen sowie die zeitliche Einengung auf das Dritte Reich vgl. Robert P. Ericksen/ Susannah Heschel: The German Churches Face Hitler : Assessment of the Historiography, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 23 (1994), S. 433–459, hier S. 443. 159 Wagner : Kirchlicher Frontgeist, S. 10. 160 Zu den Merkmalen des Tatchristentums der Deutschen Christen vgl. auch Manfred Gailus/ Clemens Vollnhals: Völkische Theologen im »Dritten Reich«: Diskurse, Bewegungen und kirchliche Praxis. Zur Einführung, in: Manfred Gailus/ Clemens Vollnhals (Hg.): Für ein artgemäßes Christentum der Tat. Völkische Theologen im »Dritten Reich«, Göttingen 2016, S. 7–17, hier S. 11f. 161 Ernst Berthold: Schicksal und Schuld, in: Briefe an deutsche Christen, 1. Jg. (1932), Nr. 1, Juli 1932, S. 4–5. Ein solches, auf das Diesseits orientiertes Christentum, war bereits zentraler Bestandteil der völkischen Bewegung im Kaisereich und wurde von den Deutschen Christen programmatisch übernommen. Vgl. zur Diesseitsorientierung innerhalb der völkischen Bewegung Puschner : Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, S. 203–205. 162 Vgl. hierzu Doris L. Bergen: Twisted Cross. The German Christian Movement in the Third Reich, Chapel Hill 1996, S. 45. Sehr eindrücklich hierzu auch das deutsch-christliche Pamphlet Der Kampf um die Autorität der Kirche, worin die christliche Verpflichtung zum staatlichen Gehorsam betont wird. Vgl. [o. A.] Der Kampf um die Autorität der Kirche. Eine Auseinandersetzung des Landeskirchenrats der Thüringer evangelischen Kirche mit der Bekenntnisfront, Jena 1935.

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»nicht mehr um die große Auseinandersetzung mit dem Neuen [dem Nationalsozialismus; D. S.] herum, wenn sie weiterhin den Willen hat, aus dem Volk heraus den lichten Gottesgedanken zu entfalten und der Nation den ewigen Schöpfungswillen aufzuzeigen.«163

Das religiöse Weltbild setzte sich also aus folgenden Komponenten zusammen: dem Auserwähltsein des deutschen Volkes,164 dem völkisch-deutschen Christentum als größten Gegner des Judentums, der Kritik an der Verwissenschaftlichung der christlichen Lehre sowie der politischen, gesellschaftlichen und religiösen Krise als Zeichen des Missfallens Gottes. In dieser Deutung der gegenwärtigen Situation kamen Hitler und dem Nationalsozialismus die entscheidende Bedeutung im religiösen Denken der Thüringer Deutschen Christen zu.165 Aus der Geschichte des deutschen Volkes versuchten sie hierfür die besondere Stellung der Deutschen in Gottes Weltenplan herauszuarbeiten. Neben Friedrich dem Großen, Bismarck und anderen vermeintlichen Helden der deutschen Geschichte, nahm selbstredend Luther eine herausragende Stellung ein.166 Luther sei der wahre Glaubensheld der Deutschen, indem er für ein wahres

163 Siegfried Leffler : Nationalsozialismus und Christentum, in: Briefe an deutsche Christen, 1. Jg. (1932), Nr. 1, Juli 1932, S. 2–4, hier S. 2. 164 Wie Klaus Schreiner aufzeigt, waren Ideen eines Auserwähltseins bestimmter Völker bereits seit Jahrhunderten existent, wobei das darin geäußerte Volksverständnis nicht auf rassischen Grundlagen basierte. Vgl. Klaus Schreiner : Messianismus. Bedeutungs- und Funktionswandel eines heilsgeschichtlichen Denk- und Handlungsmusters, in: Klaus Hildebrand (Hg.): Zwischen Religion und Politik. Studien zur Entstehung, Existenz und Wirkung des Totalitarismus, München 2003, S. 1–44, hier S. 20–23. Zu der Vorstellung des göttlichen Auserwähltseins der Deutschen ebenso Lehmann: The Germans as a Chosen People. Manfred Gailus weist auf die zunehmende Popularität der »Theologie der ›Schöpfungsordnung‹« im deutschen Protestantismus der 1920er Jahre hin. Darin wurde vor allem »Volk« und »Vaterland« als heilige Glaubenstatsachen präsentiert, was zeigt, dass sich die Thüringer Deutschen Christen durchaus dem protestantischen Zeitgeist jener Jahre entsprachen. Gailus: Protestantismus und Nationalsozialismus, S. 424. 165 Hans Buchheim: Glaubenskrise im Dritten Reich. Drei Kapitel nationalsozialistischer Religionspolitik, Stuttgart 1953, S. 49f. 166 Leutheuser : Der Glaube der Kämpfer, S. 12. Bereits seit dem 19. Jahrhundert nutzten in den thüringischen Gebieten christliche Vertreter den Rückgriff auf ›deutsche Glaubenshelden‹, um eine protestantische Identität argumentativ legitimieren zu können. Vgl. Edward C. Mathieu: Public Protestantism and Mission in Germany’s Thuringian States, 1871–1914, in: Church History 79 (2010), S. 115–143, hier S. 119f. Zudem kam es in der protestantischen Theologie der Weimarer Republik unter anderem zu einer Lutherrenaissance, wodurch die Kirchenbewegung Deutsche Christen mit ihrer Fokussierung auf Luther dem theologischen Zeitgeist entsprach. Zur protestantischen Theologie der Weimarer Republik in Bezug auf Luther vgl. James M. Stayer: Martin Luther, German Saviour. German Evangelical Theological Factions and the Interpretation of Luther, 1917–1933, Montreal u. w. 2000; Christine Helmer/ Bo Kristian Holm (Hg.): Lutherrenaissance. Past and Present, Göttingen 2015; Hermann Fischer: Protestantische Theologie im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2012, S. 15–61. Zur Lutherverehrung durch die Deutschen Christen vgl. Hansjörg Buss: Der Deutsche

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deutsches Christentum gegen den päpstlichen Katholizismus gekämpft habe.167 Den Thüringer Deutschen Christen zufolge habe Gott in der dunkelsten Stunde nunmehr dem deutschen Volk Adolf Hitler gesandt, wodurch »Deutschland in der Bewegung Adolf Hitlers, in der Idee des Nationalsozialismus eine elementare Offenbarung [erlebe].«168 Die politischen Erfolge Hitlers 1932, zum Zeitpunkt dieses Zitates, und die noch immer vorherrschende politische Krisensituation der späten Weimarer Republik unterstrichen dabei aus Sicht der Thüringer Deutschen Christen die göttliche Sendung Hitlers und seiner Bewegung.169 Hitler, so Siegried Leffler 1932, stehe in einer Linie mit Jesus und Luther, weil er wie diese beiden alle bestehenden Gegebenheiten umzuwerfen gedenke. Dabei war es irrelevant, dass der Nationalsozialismus als eine politische und nicht als eine religiöse Bewegung in Erscheinung trat. Denn nach Leffler lägen in der modernen Welt ohnehin alle Akzente der geschichtlichen Entwicklung auf der Politik und nicht mehr auf der Religion, wie dies zu Zeiten Jesu und Luthers noch der Fall gewesen sei. Deshalb könne die »gekreuzigte Wahrheit des 20. Jahrhunderts […] nur durch einen Politiker zur Auferstehung gebracht werden.«170 Während sich der Teufel im Marxismus offenbare, bringe das »wahrhaftige Wesen Hitlers« in allen Fragen den »Schöpfungswillen [Gottes] zur Anerkennung.«171 Es lässt sich für die Thüringer Deutschen Christen festhalten, dass sie noch vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Nationalsozialismus eine

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Luthertag 1933 und die Deutschen Christen, in: Kirchliche Zeitgeschichte 26 (2014), S. 272– 288. Eine derartige Deutung Luthers als Vorkämpfer eines germanischen Christentums findet sich bereits bei protestantischen Kirchenvertretern des Kaiserreichs, beispielsweise bei dem renommierten Systematiker Reinhold Seeberg (1859–1935). Vgl. Rainer Lächele: Protestantismus und völkische Religion im deutschen Kaiserreich, in: Uwe Puschner/ Walter Schmitz/ Justus H. Ulbricht (Hg.): Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871– 1918, München u. w. 1996, S. 149–163, hier S. 160. Leffler : Nationalsozialismus und Christentum, S. 2. Vgl. hierzu auch Sonne: Die politische Theologie der Deutschen Christen, S. 86–93. Böhm: Deutsche Christen in der Thüringer evangelischen Kirche, S. 110. Auch wenn viele Protestanten Hitler eine solche göttliche Sendung nicht zuschrieben, so stand dieser nach der Machtübernahme für die Ablösung der im nationalprotestantischen Denken verhassten Weimarer Demokratie, was unter Protestanten, trotz mancher inhaltlicher Vorbehalte, zu einer breiten Akzeptanz seiner Herrschaft in den ersten Jahren nach 1933 führte. Günter Brakelmann: Hoffnungen und Illusionen evangelischer Prediger zu Beginn des »Dritten Reiches«: gottesdienstliche Feiern aus politischen Anlässen, in: Detlev Peukert/ Jürgen Reulecke (Hg.): Die Reihen fast geschlossen. Beiträge zur Geschichte des Alltags unterm Nationalsozialismus, Wuppertal 1981, S. 129–148, hier S. 129–132. So auch Victoria Overlack: Zwischen nationalem Aufbruch und Nischenexistenz. Evangelisches Leben in Hamburg 1933–1945, München Hamburg 2007, S. 413–416. Leffler : Nationalsozialismus und Christentum, S. 3. Leffler : Nationalsozialismus und Christentum, S. 4.

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Offenbarung Gottes erblickten.172 Der göttliche Plan verheiße die Auferstehung Deutschlands aus der Krisensituation der Weimarer Republik und Hitler fungiere als das Werkzeug Gottes. In dieser religiösen Deutung des politischen und gesellschaftlichen Zeitgeschehens kam der Kirche als Institution eine völlig neue Aufgabe zu. Zuallererst habe sie sich wieder an den Bedürfnissen der christlichen Gemeinde auszurichten, wobei es aber nicht um eine Orientierung gegenüber allen »Glaubensgenossen« ging, sondern alleinig um die deutschen »Volksgenossen« nach rassischen Kriterien. In diesem Punkt zeigt sich die bereits beschriebene völkische Ausrichtung des Christentums bei den Thüringer Deutschen Christen. Die Kirche habe sich nicht um die Christen in aller Welt zu kümmern, sondern solle ausschließlich dem deutschen Volk die christliche Verkündigung näherbringen. Hierfür seien die Kirchenvertreter intensiv zu schulen, jedoch nicht zu theologisch-dogmatischen Themen, sondern zum »Gemeinsinn«, der über Liedgut, Vorträge und gemeinsame Aktivitäten neu zu erschaffen sei.173 Ein solcher Gemeinsinn beträfe alle Deutschen, egal welcher Konfession zugehörig. Denn auch wenn die Thüringer Deutschen Christen im protestantischen Milieu agierten, war das eigentliche Ziel die Schaffung einer neuen, überkonfessionellen »Nationalkirche«. Die äußere Gestaltung des neuen Deutschlands, dementsprechend die politische und gesellschaftliche Seite im noch aufzubauenden »Dritten Reich«, obläge allein der NSDAP, wobei die Kirche im politischen Bereich keinen Einfluss ausüben dürfe. Für die innere Seite des deutschen Volkes bzw. des »Dritten Reichs«, das heißt für die »Volksseele«, trage hingegen die noch zu erschaffende »Nationalkirche« die Verantwortung.174 Sie habe die innere Gemeinschaft der Deutschen zu pflegen und auszubauen, weshalb für die vollständige Umsetzung des zukünftigen »Dritten Reichs« sämtlichen konfessionellen Streitigkeiten überwunden werden müssten.175 Julius Leutheuser argumentierte hierzu theatralisch:

172 Vgl. hierzu ausführlich Dirk Schuster: »Führer von Gottes Gnaden«. Das deutsch-christliche Verständnis vom Erlöser Adolf Hitler, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 68 (2016), S. 277–285. 173 Siegfried Leffler: Christus im Dritten Reich der Deutschen. Wesen, Weg und Ziel der Kirchenbewegung »Deutsche Christen«, Weimar 1935, S. 111f. 174 Die Idee, dass die Thüringer Deutschen Christen die Seele des neuen »Dritten Reichs« seien, übernahm die Glaubensbewegung Deutsche Christen, der die Thüringer Deutschen Christen kurzzeitig im Jahr 1933 angehörten. Vgl. Larry Thornton: The New Light. German Christians and Biblical Distortion During the Third Reich, in: Fides et historica 18 (1986), Heft 2, S. 32–43, hier S. 33. 175 Böhm: Deutsche Christen in der Thüringer evangelischen Kirche, S. 111. Zu der Vorstellung einer überkonfessionellen, christlichen Nationalkirche, die nicht nur die Thüringer Deutschen Christen vertraten, vgl. Bergen: Twisted Cross, S. 102–108.

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»Nachdem Katholiken und Protestanten als deutsche Menschen jahrelang Leid und Freud, Leben und Tod, Verzweiflung und Hoffnung, Niedergang und Aufstieg, Hölle und Himmel miteinander erleben mußten, nachdem ein unerbitterlicher Gotteswille uns entweder ob unsrer Uneinigkeit zerstieß und schließlich ob unsrer Umkehr zur Gemeinschaft der Deutschen im Nationalsozialismus mit neuer Zukunft segnete, können wir es nicht mehr ertragen, daß im Namen Jesu Deutsche vor Gott auseinandergerissen werden. […] Sollen wir in einer Zeit, da Dank der Begnadung unsres Führers Adolf Hitler endlich wieder ein Stück des Reiches Gottes in den Herzen der deutschen Menschen lebendig geworden ist, da in uns allen der Wille zur Gemeinschaft, die Vergebung untereinander, die Versöhnung der Klassen, das Streben nach einem gottgebundenen Manschentum [sic!], nach einer Erneuerung des deutschen Menschen von innen heraus aufgebrochen ist, im Namen Christi Deutschland weiter gespalten sein lassen oder noch weiterhin herzensmäßig lassen in 2 Völker, in protestantische und katholische Deutsche? Nein.«176

Dem Aufbau der überkonfessionellen »Nationalkirche« kam im Denken der Thüringer Deutschen Christen eine entscheidende Bedeutung bei der Errichtung des »Dritten Reichs« zu. Hitler einige das Land in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht, Leffler und Leutheuser wollten dies in religiöser Hinsicht bewerkstelligen. Bismarck habe zwar Deutschland als Staatsgebilde zuvor schon geeinigt, doch unterblieb eine Einigung der deutschen Gläubigkeit.177 Speziell die protestantischen Kirchen hätten sich – so Leutheuser – in dieser Angelegenheit schuldig gemacht. Sie hätten sich ab 1871 nur an der Reichseinheit ergötzt und weltweite Missionsarbeit betrieben. Deshalb sei die deutsche Bevölkerung zunehmend unter jüdischen Einfluss geraten, da die Kirchen ihrer eigentlichen Aufgabe nicht mehr nachgekommen seien.178 Aus diesem Grund verstanden sich die Thüringer Deutschen Christen als entscheidender Teil des neuen »Dritten Reichs«, ohne den Hitlers Mission niemals vollständig umgesetzt werden könne. Denn bliebe die deutsch-christliche »Nationalkirche« eine bloße Idee, einige sich das deutsche Volk nicht innerlich. Das Christentum der Thüringer Deutschen Christen wurde hierdurch in der eigenen Wahrnehmung zu einem integrativen Bestandteil des Nationalsozialismus. Es sollte die »Volksgemeinschaft« innerlich zum Nationalsozialismus hinführen, ohne konfessionelle Streitigkeiten und in einer Sprache, die das Volk berühre. Statt christlicher Ethik und Moral müssten Taten das Glaubensleben bestimmen, um hierdurch »dem 176 Julius Leutheuser: Die deutsche Christusgemeinde. Der Weg zur deutschen christlichen Nationalkirche, 3. Aufl., Weimar 1935, S. 21f. 177 Eine solche christliche Einigung des deutschen Volkes propagierte bereits der Bund für Deutsche Kirche. Gerstner/ Hufenreuter/ Puschner : Völkischer Protestantismus, S. 413f. 178 Leutheuser : Der Glaube der Kämpfer, S. 12. In ähnlicher Weise zum Bismarckschen Kaiserreich äußerte sich bereits zu Beginn der 1920er Jahre Kurt Niedlich (1884–1928), Begründer des Bundes für deutsche Kirche. Vgl. Kurt Niedlich: Deutsche Religion als Voraussetzung deutscher Wiedergeburt, Leipzig 1923, S. 3.

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Führer entgegen zu arbeiten«. »Dem Führer entgegen arbeiten« meint nach Ian Kershaw, dass »Hitlers personalisierte Herrschaftsform […] seine Anhänger zu radikalen Initiativen von unten [ermutigte] und […] solchen Initiativen Rückendeckung [bot], solange sie mit seinen groß definierten Zielen auf einer Linie lagen.«179

Die Selbstinitiative auf Grundlage der nationalsozialistischen Vorstellungen bildete hierdurch einen wesentlichen Bestandteil der radikalen Ausgrenzungspolitik.180 Die Idee, dass die Kirchenbewegung Deutsche Christen einen entscheidenden Anteil an der Umsetzung des »Dritten Reichs« habe, zeigt, dass die Ideologie des Nationalsozialismus einen wesentlichen Bestandteil der deutsch-christlichen Religionslehre ausmachte. Die Kirchenbewegung vertrat den Standpunkt, dass sich allein im Nationalsozialismus der Wille Gottes für das deutsche Volk offenbare.181 Aus diesem Grund standen politische Aussagen Hitlers bei den Thüringer Deutschen Christen nie zur Debatte. Die Partei formulierte die Vorgaben und die Kirche hatte sich diesen unterzuordnen, um dem göttlichen Plan für das deutsche Volk gerecht zu werden.182 Dementsprechend wollte die Kirchenbewegung Deutsche Christen in ihrem eigenen Wirkungsbereich dafür sorgen, dass der politische Wille Hitlers auch Umsetzung fand, ohne dass hierfür ein ausdrücklicher staatlicher Befehl vorliegen musste. Das Bekenntnis zum »Dritten Reich« bedeutete für sie gleichzeitig eine religiöse Entscheidung für Gott. »Denn das [Dritte; D. S.] Reich ist der Auftrag Gottes an das deutsche Volk, Sorger im Geiste des Neuen Bundes zu sein.«183 Dieses Denken beinhaltete eine totalitäre Vorstellung, die jede Kritik an Partei, Rassenpolitik und damit letztendlich ebenso an der Kirchenbewegung Deutsche Christen als eine direkte Ablehnung Gottes und des christlichen Glaubens verstand. Leutheuser entrückte Hitler und dessen Partei gar der »irdischen Unvollkommenheit«, indem er sie im religiösen Sinn mit »messianischer Vollmacht« ausstattete.184 Legt man die von Klaus Schreiner erarbeitete Konzeption für die 179 Ian Kershaw : Hitler. 1889–1936, München 2013, S. 666. 180 Kershaw : Hitler, S. 667. 181 Klaus Schreiner : »Wann kommt der Retter Deutschlands?« Formen und Funktionen von politischem Messianismus in der Weimarer Republik, in: Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte 49 (1998), S. 107–160, hier S. 150; Carsten Nicolaisen: Die Stellung der »Deutschen Christen« zum Alten Testament, in: Heinz Brunotte/ Ernst Wolf: Zur Geschichte des Kirchenkampfes. Gesammelte Aufsätze, Bd. 2, Göttingen 1971, S. 197–220, hier S. 212. 182 John S. Conway : Die nationalsozialistische Kirchenpolitik 1933–1945. Ihre Ziele, Widersprüche und Fehlschläge, München 1969, S. 70. 183 Georg Renstler : Die Deutsche Nationalkirche, in: Deutsche Frömmigkeit 6 (1938), Heft 9, S. 19f., hier S. 20. 184 Sonne: Die politische Theologie der Deutschen Christen, S. 87.

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unterschiedlichen Arten messianischer Vorstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts dem Messianismus der Thüringer Deutschen Christen zugrunde, so muss man diesen als eine Mischform beider Konzepte mit einer leichten Höherstufung des Ersteren verstehen:185 Einerseits die Sehnsucht nach einem starken Führer, welcher willens und fähig sei, einen idealisierten Urzustand von Religion und Staat wiederherzustellen. Im Fall der Kirchenbewegung Deutsche Christen meint dies die Abschaffung von Demokratie, Gleichheitsrechten etc. Auf religiöser Seite wäre wieder ein christlicher Idealzustand herzustellen, wie man ihn sich zu Lebzeiten Jesu vorstellte, also die direkte Umsetzung der christlichen Botschaft in die Tat und das Fehlen einer durch übermäßige Bürokratie und Theologie abgestorbenen Kirche. Andererseits nahm das Volk eine zentrale Rolle als »revolutionäres Subjekt« ein. Ihm allein oblag für die Ebene der Religion die Aufgabe, durch Beseitigung des Bestehenden einen radikalen Neuanfang herbeizuführen. Nicht Hitler konnte das Volk im Glauben einen, sondern lediglich auf politischer und gesellschaftlicher Ebene durch die Schaffung einer neuen »Volksgemeinschaft«. Die Einigung für die Errichtung jenes religiösen Urideals müsse das Volk als »erwähltes Kollektiv« selbst vollbringen, um dem göttlichen Willen gerecht zu werden. Die Thüringer Deutschen Christen verstanden sich dabei selbst als Avantgarde dieser Bewegung, ohne jedoch dem »starken Führer« dessen Mission streitig machen zu wollen. Erst seine Vorarbeit schuf überhaupt die Voraussetzungen, die religiöse Einigung der Deutschen zu beginnen. In der Eigenwahrnehmung der Thüringer Deutschen Christen bildeten hierdurch Religion und Politik zunächst getrennte Sphären, die sich aber beständig »zu gegenseitiger Ausrichtung und Befruchtung« im »gemeinsamen Kampf für Deutschland« begegneten.186 Die deutsch-christliche Kirche sollte zu einem Teil des »Dritten Reichs« erwachsen, indem sie sich selbst dem politischen Primat des Nationalsozialismus unterordnete, weil es in dem von Gott forcierten »Dritten Reich« kein Denken außerhalb des Nationalsozialismus mehr gäbe.187 Deshalb hatte sich die Kirche aus Sicht der Thüringer Deutschen Christen eine neue, den politischen Rahmenbedingungen gemäße Form aufzuerlegen, was es ihr ermögliche, sich in das »Dritte Reich« zu integrieren.188 So ist es nicht ver185 Schreiner : Messianismus, S. 11. 186 Thieme: Aus dem Wieratal ins Reich!, S. 101. Die Überzeugung, dass der Religion für die Wiederherstellung eines völkischen Gemeinwesens eine entscheidende Bedeutung zukäme, findet sich bereits in der Frühphase der völkischen Bewegung. Vgl. Uwe Puschner : Weltanschauung und Religion – Religion und Weltanschauung. Ideologie und Formen völkischer Religion, in: zeitenblicke 5 (2006), Nr. 1, Abs. 8. 187 Thieme: Aus dem Wieratal ins Reich!, S. 20. 188 Walter Grundmann: Die 28 Thesen der sächsischen Volkskirche erläutert, Dresden 1934, S. 3.

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wunderlich, dass sich die Thüringer Deutschen Christen in ihrer Selbstwahrnehmung als die »SA Jesu Christi« verstanden,189 was den radikalen Kampf für ein Christentum im Nationalsozialismus treffend zum Ausdruck brachte. Der »gemeinsame Kampf« von Nationalsozialisten und Thüringer Deutschen Christen konzentrierte sich jedoch im Denken der Letztgenannten von Anfang an nicht ausschließlich auf einen Kampf für das deutsche Volk, sondern gleichzeitig auf einen Kampf gegen das Judentum. Denn die Lehre des Christentums könne gegenüber den Juden allein durch den Nationalsozialismus verwirklicht werden, »wenn er mit Worten und Taten durchzusetzen sucht, daß das Judentum, das die Feindschaft gegen das Christentum und die Verhöhnung der christlichen Sittlichkeit fördert und das deutsche Volk mit seinem sexualliterarischen Schmutz und durch seine Presse und Künste […] verunsittlicht, in die Schranken verwiesen und von allen öffentlichen Ämtern und Stellen entfernt und für seine Untaten zur Verantwortung gezogen wird.«190

3.1.4 Zwischenfazit und Ausblick auf die Zeit nach 1933 Die Idee einer überkonfessionellen christlichen »Nationalkirche«, der Deutung Hitlers als »Führer von Gottes Gnaden«191 sowie der Antisemitismus bildeten die Grundpfeiler der religiösen Lehre der Thüringer Deutschen Christen. Auch wenn für heutige Christen ein solches religiöses Weltbild bizarr anmuten mag, zumal mit dem Wissen um den millionenfachen Judenmord durch die Nationalsozialisten, sei an dieser Stelle nochmals betont, dass die Anhänger der Kirchenbewegung Deutsche Christen zu jeder Zeit Teil der kirchlichen Gemeinschaft blieben und nie mit dem Protestantismus brachen.192 Darüber hinaus waren die Thüringer Deutschen Christen keine Erfindung der Nationalsozialisten. Das deutsch-christliche Weltbild bildete vielmehr eine Synthese aus den schon länger existierenden Ideen eines »arteigenen Christentums«, erweitert um die politische Ideologie des Nationalsozialismus.193 Sie stützten ihre religiöse Sicht auf die christliche Lehre, die messianische Erwartung der Auferstehung Deutschlands unter Adolf Hitler. Zudem formten die führenden Mitglieder der 189 Schreiner : »Wann kommt der Retter Deutschlands?«, S. 149. 190 Julius Kuptsch: Christentum und Nationalsozialismus, München 21932, S. 27f., zitiert nach Schreiner : »Wann kommt der Retter Deutschlands?«, S. 150. 191 Schreiner : »Wann kommt der Retter Deutschlands?«, S. 150. 192 Bergen: Twisted Cross, S. 12. 193 Schon 1996 wies Doris L. Bergen auf die von vielen Wissenschaftlern fälschlicherweise verbreitete Annahme hin, die Deutschen Christen seien eine Gründung der NSDAP gewesen. Bergen: Twisted Cross, S. 3.

Die Kirchenbewegung Deutsche Christen

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Kirchenbewegung Deutsche Christen aus der seit langem bestehenden Judenfeindschaft innerhalb der christlichen Theologie einen aggressiven Antisemitismus. Auf viele Menschen wirkte eine derartige Dreieinigkeit von »Gott, Führer und Volk«, kombiniert mit radikalem Judenhass und der geschilderten Missionsarbeit, durchaus anziehend.194 Die Theologie der Kirchenbewegung bot hierdurch nicht nur religiöse Antworten auf die Probleme der Gläubigen, sondern offerierte gleichzeitig eine politische Alternative, die von Gott eine vermeintliche Legitimation erfuhr. Zusammen mit den umfangreichen Freizeit- und Gemeindeaktivitäten weckte die Kirche wieder Interesse bei jenen protestantischen Bevölkerungsteilen, die zuvor die Bindung an das Gemeindewesen verloren hatten.195 Während der kirchlichen Arbeit betrieben die Thüringer Deutschen Christen unterdessen Werbung für den Nationalsozialismus. Ebenso nutzten sie ihre engen personellen Verbindungen mit der NSDAP, um hierüber Mitglieder für die eigene Kirchenbewegung zu gewinnen, was zusätzlich die organisatorische Ausbreitung der Gruppe in kurzer Zeit über ganz Thüringen begünstigte.196 Wolfram Pyta hat es prägnant auf den Punkt gebracht, wenn er diesbezüglich Leffler und Leutheuser als »die erfolgreichsten NS-Propagandisten in den Kreisen der bäuerlichen Bevölkerung« charakterisiert.197 Die beiden Thüringer Pfarrer hatten hierdurch innerhalb weniger Jahre eine solide und verlässliche Organisation aufgebaut, die bei den Wahlen zum Thüringer Landeskirchentag im Januar 1933 30,8 Prozent der Stimmen erhielt.198 Bei den wenige Monate später reichsweit abgehaltenen Kirchenwahlen im Juli 1933 konnten die Deutschen Christen um Leffler und Leutheuser gar knapp 87 Prozent der Stimmen im Bereich der Thüringer Landeskirche auf sich vereinen.199 194 Baier : Die Deutschen Christen Bayerns, S. 25. Vgl. dazu ebenfalls Siegfried Hermle: Zum Aufstieg der Deutschen Christen. Das »Zauberwort« Volksmission im Jahre 1933, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 108 (1997), S. 309–341. 195 Insgesamt lässt sich feststellen, dass die NSDAP vor allem in protestantischen Gebieten, oftmals unterstützt durch pronationalsozialistische Kirchenvertreter, ein großes Wählerpotenzial besaß. Vgl. die Aufschlüsselung der NSDAP-Wähler zwischen 1928 und 1933 entsprechend ihrer konfessionellen Zugehörigkeit bei Jürgen W. Falter : Hitlers Wähler, München 1991, S. 175–179. Für Württemberg vgl. hierzu Rainer Lächele: Ein Volk, ein Reich, ein Glaube: die »deutschen Christen« in Württemberg 1925–1960, Stuttgart 1994, S. 17–27. Zur Verbindung von protestantischem Milieu und den Wahlerfolgen der NSDAP auch Wolfram Pyta: Dorfgemeinschaft und Parteipolitik. Die Verschränkung von Milieu und Parteien in den protestantischen Landgebieten Deutschlands in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1995, S. 383–386. 196 Baier: Die Deutschen Christen Bayerns, S. 21. 197 Pyta: Dorfgemeinschaft und Parteipolitik, S. 417. 198 Meier : Die Deutschen Christen, S. 6. 199 Errechnet nach den angegebenen Stimmenzahlen bei Erich Stegmann: Der Kirchenkampf in der Thüringer evangelischen Kirche 1933–1945. Ein Kapitel Thüringer Kirchengeschichte, Berlin (Ost) 1984, S. 21. In ihrem anfänglichen Wirkungsgebiet, dem Wieratal,

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Das »Entjudungsinstitut«

An dieser Stelle soll jedoch nicht näher auf die weitere Entwicklung der Kirchenbewegung Deutsche Christen eingegangen, sondern lediglich grob die innerkirchliche Situation des Protestantismus bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges skizziert werden.200 Den Thüringer Deutschen Christen gelang es, sich mithilfe eines eigenen »Ermächtigungsgesetzes« innerhalb weniger Monate die Herrschaft über die Thüringer Landeskirche vollständig zu sichern.201 Gleichzeitig mit der »Machtübernahme« der Thüringer Landeskirche durch die Kirchenbewegung Deutsche Christen schloss sich diese der Glaubensbewegung Deutsche Christen an. Letztere ist als eine deutsch-christliche Sammelbewegung zu verstehen, welche sich 1932 in Preußen auf Initiative protestantischer Pfarrer gründete.202 Zu diesem Zeitpunkt hatten sich in den meisten protestantischen Landeskirchen Gruppen gebildet, die eine ähnliche Zielsetzung wie die Thüringer Deutschen Christen verfolgten, wobei jedoch die Thüringer innerhalb des deutsch-christlichen Spektrums die ideologisch radikalste und kompromissloseste Haltung einnahmen. Neben der organisatorischen Sammlung der heterogenen deutsch-christlichen Gruppierungen, hatte die Glaubensbewegung Deutsche Christen die Funktion, protestantischen NSDAP-Mitgliedern eine kirchenpolitische Partizipationsmöglichkeit innerhalb ihrer jeweiligen Landeskirche zu ermöglichen. Sie diente dementsprechend als eine Dachorganisation, in der sich gemäßigte, nationalkirchliche und völkisch ausgerichtete deutsch-christliche Gruppen zusammenschlossen.203 Gleichsam den Thüringer Deutschen Christen war die Glaubensbewegung Deutsche Christen eine von protestantischen Pfarrern und Laien geführte Organisation und keine bloße Schöpfung nationalsozialistischer Parteifunktionäre. In den Jahren zwischen 1932 und 1934 versteht Doris L. Bergen entsprechend das Verhältnis zwischen NSDAP und Glaubensbewegung Deutsche Christen als eine »Partnerschaft« mit den dazugehörigen Vor- und Nachteilen sowie gewissen Zwängen.204

200

201 202 203 204

erhielt die Leffler-Leutheuser-Gruppe sogar 96,6 Prozent aller Stimmen. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 91. Zu den reichsweiten Kirchenwahlen im Juli 1933 vgl. auch Shelley Baranowski: The 1933 German Protestant Church Elections. Machtpolitik or Accommodation?, in: Church History 49 (1980), S. 298–315. Ausführlich zu der Entwicklung der Thüringer Deutschen Christen als reichsweit führende deutsch-christliche Organisation vgl. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1. Zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. auch Dirk Schuster : Eine unheilvolle Verbindung. Die Hermannstädter Außenstelle des »Institutes zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben«, in: Zugänge. Jahrbuch des Evangelischen Freundeskreises Siebenbürgen 41 (2013), S. 57–83, hier S. 60–63. Vgl. Stegmann: Der Kirchenkampf in der Thüringer evangelischen Kirche, S. 13–25. Gailus: Protestantismus und Nationalsozialismus, S. 89–101. Böhm: Deutsche Christen in der Thüringer evangelischen Kirche, S. 55. Doris L. Bergen: Die »Deutschen Christen« 1933–1945: ganz normale Gläubige oder eifrige Komplizen?, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), S. 542–574, hier S. 572.

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Bei den im Juli 1933 stattgefundenen Kirchenwahlen erhielt die Glaubensbewegung reichsweit im Durchschnitt 75 Prozent aller Stimmen,205 was für eine deutliche Akzeptanz der Idee eines »arteigenen Christentums« innerhalb der protestantischen Bevölkerung spricht, zumindest bei jenem Teil von Kirchenmitgliedern, die sich durch Stimmenabgabe an den Kirchenwahlen beteiligten. Trotz einer direkten Wahlempfehlung Hitlers für die Glaubensbewegung unmittelbar vor dem Wahltag und der propagandistischen Unterstützung durch die Nationalsozialisten, blieben die Kirchenwahlen insgesamt dennoch freie Wahlen.206 Für Berlin – aber der Befund lässt sich auf die meisten der protestantischen Landeskirchen im »Dritten Reich« anwenden – spricht Manfred Gailus in diesem Zusammenhang von einer »Eroberung der Kirche von unten« durch die Glaubensbewegung Deutsche Christen, was einer »protestantischen Selbstnazifizierung« gleichkam.207 Die Kombination von Nationalsozialismus und Christentum erfuhr eine deutliche Akzeptanz innerhalb der protestantischen Gesellschaft zu Beginn der 1930er Jahre, wie diese wenigen Beispiele verdeutlichen. Deshalb sind die Deutschen Christen, als organisatorische Repräsentanz eines solchen Weltbildes, nicht als bloße Randgruppe bzw. Sektierer zu deuten.208 Die Glaubensbewegung Deutsche Christen zerbrach aber bereits wenige Monate nach den Kirchenwahlen von 1933. Interne Machtkämpfe zwischen radikalen und kompromissbereiten Gruppierungen sowie das unglückliche Agieren des neu ernannten Reichsbischofs Ludwig Müller (1883–1945) ließen das deutsch-christliche Spektrum wieder in verschiedene, teilweise in Konkurrenz zueinander tretende Gruppen zerfallen.209 Zusätzlich zu diesen internen Auseinandersetzungen versagte die NSDAP im Laufe des Jahres 1934 den Deutschen Christen ihre aktive Unterstützung. Dass die Hitler-Partei den Deutschen Christen nicht mehr protegierend zur Seite 205 Baranowski: The 1933 German Protestant Church Elections. S. 298. Das Ergebnis enthält den rund 87prozentigen Stimmenanteil, den die Leffler-Leutheuser-Gruppe innerhalb Thüringens auf sich vereinen konnte. 206 Doris Bergen: Die »Deutschen Christen« 1933–1945, S. 557. 207 Manfred Gailus: 1933 als protestantisches Erlebnis: emphatische Selbsttransformation und Spaltung, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), S. 477–511, hier S. 486. 208 Bergen: Die »Deutschen Christen« 1933–1945, S. 571. Welch bedeutende Rolle evangelischen Pfarrern bezüglich der großen Wahlerfolge der NSDAP im protestantisch-ländlichen Milieu zukam, verdeutlicht Thomas Fandel am Beispiel der Pfalz. Vgl. Thomas Fandel: Protestantische Pfarrer und Nationalsozialismus in der Region. Vom Ende der Weimarer Republik bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), S. 512–541. 209 Auf die Darstellungen der internen deutsch-christlichen Konflikte soll an dieser Stelle verzichtet werden. Siehe hierzu ausführlich Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1. Zu Reichsbischof Müller vgl. Thomas M. Schneider: Reichsbischof Ludwig Müller. Eine Untersuchung zu Leben, Werk und Persönlichkeit, Göttingen 1993.

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stand, ist keineswegs mit angeblich »kirchenfeindlichen Tendenzen« des Nationalsozialismus zu erklären. Die NSDAP hatte sich vielmehr auf direkte Anordnung Hitlers von allen kirchlichen Verbindungen zu lösen.210 Gleichzeitig war es allen »Parteigenossen« verboten, sich in innerkirchliche Auseinandersetzungen einzumischen. Diese Haltung spiegelt lediglich die vorherrschende Angst innerhalb der NSDAP zu jener Zeit wider, konfessionelle oder – wie im Fall des protestantischen »Kirchenkampfes« – innerkirchliche Konfrontationen könnten die Partei von innen her »zersetzen«.211 Der innerprotestantische »Kirchenkampf« stellte ein direktes Resultat der innerkirchlichen Machtübernahme diverser deutsch-christlicher Gruppen in den verschiedenen protestantischen Landeskirchen dar, infolge derer sich die Bekennende Kirche formierte. Es handelte sich bei der Bekennenden Kirche zu keiner Zeit um eine Widerstandsbewegung gegen das NS-Regime, wie seitens der deutschen Nachkriegskirchengeschichtsschreibung lange behauptet, sondern um eine innerkirchliche Gegenorganisation zu den Deutschen Christen.212 Die heute noch immer anzutreffende Behauptung, bei der Bekennenden Kirche handelte es sich um eine Oppositionsbewegung gegen die Hitler-Diktatur und die Kirchen hätten einen (passiven) Widerstand gegen das Regime geführt, ist das Resultat eines Mythos, welcher von der Kirchengeschichtsschreibung nach 1945 aufgebaut wurde und aus heutiger wissenschaftlicher Perspektive nicht mehr haltbar ist.213 Die verschiedenen deutsch-christlichen Gruppen erfuhren zwar ab Mitte der 1930er Jahre keine aktive Unterstützung mehr durch die Hitler-Partei, ebenso 210 Einen solchen innerparteilichen Kurs vollzog Hitler schon seit Mitte der 1920er Jahre, indem er innerhalb der Partei gegen Vertreter der völkischen Bewegung vorging, die außerhalb der christlichen Kirchen wirkten. Uwe Puschner/ Clemens Vollnhals: Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Forschungs- und problemgeschichtliche Perspektiven, in: Uwe Puschner/ Clemens Vollnhals (Hg.): Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungs- und KonfliktgeschichteGöttingen 2012, S. 13–28, hier S. 23–25. 211 Armin Nolzen: Nationalsozialismus und Christentum. Konfessionsgeschichtliche Befunde zur NSDAP, in: Manfred Gailus/ Armin Nolzen (Hg.): Zerstrittene »Volksgemeinschaft«. Glaube, Konfession und Religion im Nationalsozialismus, Göttingen 2011, S. 151–179, hier S. 163f. 212 Robert P. Ericksen: Complicity in the Holocaust. Churches and Universities in Nazi Germany, Cambridge 2012, S. 25. 213 Vgl. hierzu die verschiedenen Phasen der Kirchengeschichtsschreibung nach 1945 bei Manfred Gailus: Keine gute Performance. Die deutschen Protestanten im »Dritten Reich«, in: Manfred Gailus/ Armin Nolzen (Hg.): Zerstrittene »Volksgemeinschaft«. Glaube, Konfession und Religion im Nationalsozialismus, Göttingen 2011, S. 96–121. Dass teilweise noch in heutiger Zeit am »kirchlichen Widerstandsmythos« im »Dritten Reich« festgehalten wird, zeigt das 2011 erschienene Buch Die Kirchen im Dritten Reich von Christoph Strohm, welches überdies die Bundeszentrale für politische Bildung als kostengünstige Lizenzausgabe vertreibt. Christoph Strohm: Die Kirchen im Dritten Reich, München 2011.

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standen nicht wenige dieser Gruppen nach dem Zusammenbrechen der Glaubensbewegung Deutsche Christen in direkter Konkurrenz zueinander. Doch trotz der zusätzlichen innerkirchlichen Spannungen infolge des »Kirchenkampfes« verblieb ein Großteil der 28 protestantischen Landeskirchen in Deutschland unter kirchenpolitischer Herrschaft von verschiedenen deutsch-christlichen Organisationen.214 In den Jahren nach dem Auseinanderbrechen der Glaubensbewegung Deutsche Christen konnte sich die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen mit ihren radikalen und kompromisslosen Vorstellungen als kirchenpolitisch führende Kraft innerhalb jenes deutsch-christlichen Spektrums etablieren und festigte diese Stellung bis zum Zusammenbruch des »Dritten Reichs«.215 Völlig zutreffend fasst Clemens Vollnhals die gesamte Entwicklung zusammen: »Es waren evangelische Christen, die die »Entjudung« im kirchlichen Raum vorantrieben und – man wird es wohl in dieser Deutlichkeit sagen müssen – damit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in die Hände arbeiteten. […] Auch wird man entgegen allen Kirchenkampflegenden festhalten müssen, daß die radikalen Deutschen Christen [die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen; D. S.], soweit sie bis 1945 die Kirchenleitungen besetzten, das öffentliche Erscheinungsbild der evangelischen Kirche während des Zweiten Weltkrieges wesentlich nachhaltiger prägten als die Bekennende Kirche, die nach ihrer Spaltung 1936 kaum mehr handlungsfähig war.«216

Die von Vollnhals benannte »«Entjudung« im kirchlichen Raum« stellte den Hauptschwerpunkt der praktischen Kirchenpolitik sowie der theoretischen Lehrkonzeption der Kirchenbewegung Deutsche Christen dar. Als ein Instrument hierfür sollte das im Frühjahr 1939 eröffnete Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben fungieren, dessen Name das Hauptziel dieser Forschungseinrichtung bereits vorwegnahm: die »Entjudung« von Kirche und christlicher Lehre.

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Das Eisenacher »Entjudungsinstitut« 1939–1945 – eine Überblicksdarstellung

Die »Schaffung eines judenfreien Deutschlands« mit ihren mörderischen Konsequenzen fand nicht erst im Anschluss an die antisemitischen Pogrome im November 1938 ihre Umsetzung. Die Entwicklung begann bereits mehr als fünf 214 Puschner/ Vollnhals: Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus, S. 27. 215 Arnhold: »Entjudung« – Kirche am Abgrund. Bd. 1, S. 99. 216 Clemens Vollnhals: Völkisches Christentum oder deutscher Glaube: Deutsche Christen und Deutsche Glaubensgemeinschaft, in: Revue d’Allemagne et des Pays de langue allemande 32 (2000), S. 205–217, hier S. 216.

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Jahre zuvor, am 30. Januar 1933, dem Tag von Hitlers Ernennung zum deutschen Reichskanzler.217 Persönliche, soziale und gesellschaftliche Diskriminierungen von Juden218 waren seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten allgegenwärtig und verschärften sich zunehmend durch immer neue staatliche Verordnungen. Neben der Entrechtung mithilfe von Berufsverboten, der Ächtung von Beziehungen von Juden mit Nichtjuden, dem Herausdrängen von Juden aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben etc. gehörte die physische Gewalt gegenüber diesen bereits seit 1933 zum Alltag im »Dritten Reich«.219 Die reichsweiten Pogrome im November 1938220 bedeuteten dennoch einen gewissen Einschnitt in der Entwicklung. Einerseits verdeutlichten sie der deutschen Bevölkerung, dass Juden fortan als rechtlos galten, die keinen Anspruch mehr hatten, im NS-System ihre persönlichen Rechte einzufordern.221 Andererseits folgten in den Tagen nach den Pogromen die in aller Öffentlichkeit stattfindenden Deportationen von über 30.000 Juden in deutsche Konzentrationslager. Hans Mommsen sieht in den November-Ereignissen nicht nur die Vollendung der sozialen Isolation von Juden in Deutschland, welche die Mehrheitsbevölkerung durch deren Gleichgültigkeit mittrug. Vielmehr gerieten Juden endgültig zu einer »Außenseitergruppe, deren Probleme zunehmend in die Zuständigkeit der Gestapo fielen.«222 Erst mit dem Wissen um diese innerstaatliche und gesellschaftliche Entwicklung während der 1930er Jahre wird deutlich, wie die seit Beginn des 20. Jahrhunderts virulente Idee einer christlichen »Entjudung« innerhalb weniger Jahre ihre Umsetzung in Form des Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben finden konnte. 217 Vgl. Alon Confino: AWorld Without Jews: Interpreting the Holocaust, in: German History 27 (2009), S. 531–559, hier S. 552f. 218 Mit der Bezeichnung Juden sind im Folgenden nicht nur Anhängerinnen und Anhänger des jüdischen Glaubens gemeint, sondern auch jene Personen, die aus Sicht der nationalsozialistischen Gesetzgebungen als Juden galten, selbst wenn diese sich nicht als Juden im religiösen Sinn verstanden. 219 Vgl. Michael Wildt: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939, Hamburg 2007. 220 Zur Begriffsdifferenzierung von »Reichspogromnacht« bzw. »Reichskristallnacht« gegenüber »Novemberpogrome«, weil diese keine singulären Ereignisse des 9. Novembers waren, sondern in Teilen Deutschlands bereits zwei Tage zuvor einsetzten, vgl. Raphael Gross: November 1938. Die Katastrophe vor der Katastrophe, München 2013, S. 10. 221 Zur öffentlichen Wirksamkeit der Pogrome vgl. die Beiträge in dem Sammelband von Jörg Wollenberg (Hg.): »Niemand war dabei und keiner hat’s gewußt«. Die deutsche Öffentlichkeit und die Judenverfolgung 1933–1945, München Zürich 1989; ebenso die Edition Ben Barkow/ Raphael Gross/ Michael Lenarz (Hg.): Novemberpogrom 1938. Die Augenzeugenberichte der Wiener Library London, Frankfurt/M. 2008. 222 Hans Mommsen: Die Funktion des Antisemitismus im »Dritten Reich«. Das Beispiel des Novemberpogroms, in: Günter Brakelmann/ Martin Rosowski (Hg.): Antisemitismus. Von religiöser Judenfeindschaft zur Rassenideologie, Göttingen 1989, S. 179–192, hier S. 190.

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3.2.1 Die Gründung Bereits seit 1933 orientierte sich die Kirchenbewegung Deutsche Christen bei ihren innerkirchlichen Maßnahmen daran, wie die Nationalsozialisten auf staatspolitischer Ebene agierten. Die Separierung von »Judenchristen«223 in eigenen kirchlichen Gemeinden ging beispielsweise einher mit der Verkündigung der »Nürnberger Rassengesetze« sowie der öffentlichen Gewalt gegen Juden im Jahr 1935.224 Schon zwei Jahre zuvor wurde ohne jeglichen staatlichen Zwang, in Anlehnung an das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«, der »Arierparagraph«, der zur massenhaften Entlassung von Juden aus dem Staatsdienst führte, auf die eigene Landeskirche übertragen.225 »Judenchristliche« Angestellte wurden infolgedessen aus dem Kirchendienst entlassen, was wiederum die Reaktion auf staatliche Vorgaben verdeutlicht, denen Deutsche Christen bereitwillig und aus ideologischer Überzeugung heraus folgten. Im August 1934 versuchten Deutsche Christen einen reichsweit verpflichtenden Eid aller Pfarrer auf den »Führer« durchzusetzen, was jedoch zu diesem Zeitpunkt noch am Widerstand bekenntniskirchlicher Pfarrer scheiterte.226 Die zeitliche Nähe zum sogenannten Röhm-Putsch vom 30. Juni / 1. Juli 1934, bei dem Hitler die gesamte SA-Führung sowie parteiinterne Gegner liquidieren ließ, darf auch hier als politischer Ausgangspunkt gedeutet werden, welcher die Thüringer Deutschen Christen zum Handeln ermutigte. Die Ablehnung des Eides durch die Bekenntnispfarrer ist dabei nicht als Widerstand gegen das 223 Christen, die aber nach Definition der Nationalsozialisten als rassische Juden bzw. »Mischlinge« galten. 224 Vgl. dazu Dirk Schuster : ›Entjudung‹ als göttliche Aufgabe. Die Kirchenbewegung Deutsche Christen und das Eisenacher Entjudungsinstitut im Kontext der nationalsozialistischen Politik gegen Juden, in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte 106 (2012), S. 241–255, hier S. 246f. Zu den öffentlichen Ausschreitungen gegen Juden mitten in Berlin im Sommer 1935 vgl. Gross: November 1938, S. 34f. Bereits Ende 1937 protestierten deutsch-christliche Pfarrer beim Reichskirchenministerium, dass es seitens der Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche noch Ausnahmebestimmungen für Pfarrer gäbe, die unter die Nürnberger Rassengesetzgebungen fallen würden und dass noch keine Versuche einer vollständigen »Entjudung« der Kirche unternommen worden wären. LKAE, A 764-1, [unfoliert] (vertraulicher Rundbrief der DC-Kreisgemeinde Arnstadt an ihre Mitglieder vom 7. 02. 1937). 225 Wolfgang Schenk: Der Jenaer Jesus. Zu Werk und Wirken des völkischen Theologen Walter Grundmann und seiner Kollegen, in: Peter von der Osten-Sacken (Hg.): Das mißbrauchte Evangelium. Studien zur Theologie und Praxis der Thüringer Deutschen Christen, Berlin 2002, S. 167–279, hier S. 178. Zur zeitlichen Parallelität von staatlichen Gesetzen und anschließenden kirchlichen Verordnungen vgl. Birgit Gregor: Zum protestantischen Antisemitismus. Evangelische Kirchen und Theologen in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Fritz-Bauer-Institut (Hg.): »Beseitigung des jüdischen Einflusses …«. Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus, Frankfurt/M. New York 1999, S. 171–200, hier S. 179–182. 226 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 399.

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NS-Regime zu werten, sondern lediglich als eine Verweigerung, als Kirchenmann den Eid auf einen weltlichen Herrschaftsträger ablegen zu müssen. Im März 1938 hingegen, zu einem Zeitpunkt, wo die Bekennende Kirche wegen geheimpolizeilicher Repressalien sowie interner Spaltungen ihre Handlungsfähigkeit größtenteils eingebüßt hatte, konnte die Kirchenbewegung Deutsche Christen die Einführung eines solchen Eides durchsetzen, was von Seiten höherer Parteifunktionäre nicht unbedingt auf Verständnis stieß.227 Es ist ebenso mit der Politik des NS-Staates zu erklären, dass die endgültige Einführung des »Führereides« im April 1938 innerhalb der Pfarrerschaft auf keinen nennenswerten Widerstand mehr stieß.228 Unmittelbar zuvor marschierte die deutsche Wehrmacht ohne militärische Gegenwehr in Österreich ein und Hitler propagierte den »Anschluss« seiner Heimat an das Deutsche Reich. Abermals nutzten die Thüringer Deutschen Christen die staatliche Politik, um innerkirchliche Anpassungen an den Nationalsozialismus durchzusetzen. Misslang die Einführung des »Führereides« 1934 noch wegen des Widerstandes bei einem Teil der protestantischen Pfarrer, so nutzte man im März 1938 die allgemeine Euphorie nach der »Vereinigung« von Deutschem Reich und Österreich, wodurch sich kein nennenswerter Widerspruch mehr erhob.229 Die unmittelbar nach den Novemberpogromen einsetzenden Planungen seitens der Kirchenbewegung Deutsche Christen zur Gründung ihres »Entjudungsinstituts« standen somit wieder direkt im Zusammenhang mit der Politik der Nationalsozialisten.230 Gerhard Hahn (1901–1943)231 nahm eine Denkschrift von Hugo Pich (1882–unbekannt), dem späteren Leiter des Förderkreises des 227 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 401. 228 Zur Einführung des Eides 1938 vgl. Susannah Heschel: The Aryan Jesus. Christian Theologians and the Bible in Nazi Germany, Princeton 2008, S. 74. 229 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 399. 230 Die ersten Gedanken zu einer Forschungsstelle stammten von Walter Grundmann, der bereits in einem Brief vom 6. Juli 1937 an Siegfried Leffler anregte, unter seiner Leitung eine Abteilung innerhalb der Thüringer Deutschen Christen zur »Ausschaltung des Jüdischen aus Lehre und Kultus und Leben der Kirche« zu schaffen, doch schienen derartige Ideen zunächst nicht weiter verfolgt worden zu sein. LKAE, DC 209, [unfoliert]. Gründe dafür waren die für Herbst 1937 angekündigten Kirchenwahlen sowie die allgemein diffuse Situation der nationalsozialistischen Kirchenpolitik in diesem Jahr, welche die Konzentration der Kirchenbewegung Deutsche Christen auf ihren Machterhalt und -ausbau lenkte. Zur kirchenpolitischen Situation der Jahre 1936/37 vgl. Klaus Scholder : Politik und Kirchenpolitik im Dritten Reich. Die kirchenpolitische Wende in Deutschland 1936/37, in: Klaus Scholder : Die Kirchen zwischen Republik und Gewaltherrschaft. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Karl Otmar von Aretin und Gerhard Besier, Berlin (West) 1988, S. 213–227. 231 Hahn, seit 1930 NSDAP-Mitglied, gehörte zu den führenden Vertretern der Deutschen Christen innerhalb der Hannoverschen Landeskirche. Nach seiner Absetzung 1934 übernahm er zwei Jahre später eine Pfarrstelle in der Thüringer Landeskirche. Zu Hahn vgl. Günter Goldbach: Die Protagonisten des Kirchenkampfes in Hannover. Eine sozialpsychologische Untersuchung zu August Marahrens und Gerhard Hahn, Osnabrück 2002.

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»Entjudungsinstituts«, zum Anlass, um gegenüber den Landesbischöfen von Thüringen und Mecklenburg sowie dem Lübecker Bischof Erwin Baltzer (1901– 1975)232 auf die Notwendigkeit des nunmehrigen Handelns hinzuweisen: »Abgesehen von dieser grundsätzlichen Frage und Aufgabe bin ich weiter der Meinung, dass es jetzt, im Zusammenhange mit der allgemeinen Säuberung des deutschen Volkslebens von allem Jüdischen, an der Zeit ist, dass entweder von den Deutschen Christen (Leffler) durch eine programmatische Forderung oder von den deutsch-christlichen Kirchenführern durch entsprechende Maßnahmen ebenfalls in dieser Richtung gehandelt werden muß.«233

Walter Grundmann erarbeitete nur zwölf Tage nach der Reichspogromnacht einen Plan für eine »Zentralabteilung zur Entjudung des religiösen und kirchlichen Lebens«, da die »Judenfrage […] in ihr akutestes Stadium getreten [sei].«234 Die Gründung des Instituts war somit keineswegs eine Abwehrreaktion gegenüber vermeintlich kirchen- bzw. christentumsfeindlichen Strömungen innerhalb des nationalsozialistischen Machtgefüges, wie noch immer in Teilen der Forschung suggeriert wird.235 Denn zu diesem Zeitpunkt war die antikirchlich ausgerichtete Deutsche Glaubensbewegung des Religionswissenschaftlers Jakob Wilhelm Hauer, die ohnehin nie über die personelle Stärke einer völkisch-sektiererischen Vereinigung hinauskam und keinen Rückhalt im NS-Herrschaftssystem besaß, bereits wieder auseinandergebrochen.236 So muss 232 Zu Baltzer und der Lübecker Landeskirche im »Dritten Reich« vgl. Hansjörg Buss: »Entjudete« Kirche. Die Lübecker Landeskirche zwischen christlichem Antijudaismus und völkischem Antisemitismus (1918–1950), Paderborn 2011. 233 LKAE, A 921–1, Bl. 10. Abgedruckt auch in Peter von der Osten-Sacken: »Die große Lästerung«. Beobachtungen zur Gründung des Eisenacher Instituts und zeitgenössische Dokumente zur kritischen Wertung seiner Aufgabe sowie zur Beurteilung Walter Grundmanns, in: Peter von der Osten-Sacken (Hg.): Das mißbrauchte Evangelium. Studien zur Theologie und Praxis der Thüringer Deutschen Christen, Berlin 2002, S. 313–347, hier S. 318. 234 Zitiert nach von der Osten-Sacken: »Die große Lästerung«, S. 319. 235 Eine ausführliche Analyse zur Beurteilung des Eisenacher »Entjudungsinstituts« in der neueren Forschung bei Dirk Schuster : ›Entjudung‹ als göttliche Aufgabe, S. 243–245. 236 Vgl. zur Einordnung der Deutschen Glaubensbewegung in die religiösen Gegebenheiten des »Dritten Reichs« Horst Junginger: Die Deutsche Glaubensbewegung und der Mythos einer »dritten Konfession«, in: Manfred Gailus/ Armin Nolzen (Hg.): Zerstrittene »Volksgemeinschaft«. Glaube, Konfession und Religion im Nationalsozialismus, Göttingen 2011, S. 180–203; Horst Junginger: Die Deutsche Glaubensbewegung als ideologisches Zentrum der völkisch-religiösen Bewegung, in: Uwe Puschner/ Clemens Vollnhals (Hg.): Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungs- und Konfliktgeschichte, Göttingen 2012, S. 65–102; Manfred Gailus: »Nationalsozialistische Christen« und »christliche Nationalsozialisten«. Anmerkungen zur Vielfalt synkretistischer Gläubigkeiten im »Dritten Reich«, in: Manfred Gailus/ Hartmut Lehmann (Hg.): Nationalprotestantische Mentalitäten. Konturen, Entwicklungslinien und Umbrüche eines Weltbildes, Göttingen 2005, S. 223–261, hier S. 237.

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der These Oliver Arnholds widersprochen werden, der das »Entjudungsinstitut« als eine Profilierung der Thüringer Deutschen Christen »gegenüber den germanisch-völkischen Gruppierungen und den Machthabern als die besseren Nationalsozialisten« verstanden wissen möchte.237 Hans Prolingheuer deutet gar das »Entjudungsprogramm« des Eisenacher Instituts als eine Antwort »auf die entnervende Propaganda der kirchenfeindlichen neuheidnischen Sekten der ›Gottgläubigen‹«, wodurch er indirekt den Antisemitismus der Institutsmitarbeiter als vermeintliche Abwehrreaktion bagatellisiert.238 Gegen eine solche Einschätzung spricht, dass die Thüringer Deutschen Christen nach den Novemberpogromen nicht nur ihr Institut ins Leben riefen, sondern ebenso als direkte Reaktion auf die antisemitischen Gewaltmaßnahmen des NS-Staates allen Geistlichen in ihrem Einflussbereich kirchliche Amtshandlungen an »Nichtariern« untersagten.239 Aus dem theologischen Weltbild der Kirchenbewegung Deutsche Christen wird vielmehr ersichtlich, dass es der eigene Glaube gebot, dem Nationalsozialismus in all seinen Entwicklungen nachzufolgen. Die religiöse Vorstellung, Teil des »Dritten Reichs« zu sein, forderte zwangsläufig die Übernahme staatlicher Verordnungen betreffend der Ausgrenzung von Juden innerhalb der eigenen Kirche,240 wie das genannte Verbot von Amtshandlungen an »Nichtariern« belegt. Man reagierte dementsprechend nicht aus einer Verteidigungshaltung heraus auf vermeintlich kirchenfeindliche Kräfte, sondern beteiligte sich aktiv an der Gestaltung des »judenfreien« »Dritten Reichs«, als dessen notwendigen 237 Oliver Arnhold: »Die Entjudung des religiösen Lebens als Aufgabe deutscher Theologie und Kirche.« Christlicher Antisemitismus am Beispiel des kirchlichen »Entjudungsinstituts« in der Zeit von 1939–1945, in: Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 7 (2013), S. 51–74, hier S. 65. So auch in Oliver Arnhold: Walter Grundmann und das »Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben«, in: Manfred Gailus/ Clemens Vollnhals (Hg.): Für ein artgemäßes Christentum der Tat. Völkische Theologen im »Dritten Reich«, Göttingen 2016, S. 203–217, hier S. 211. In einem früheren Artikel versteht Arnhold die Gründung des Eisenacher Instituts als eine Reaktion auf eine sich angeblich zuspitzende antikirchliche Politik der Nationalsozialisten. Oliver Arnhold: Nationalsozialistisches Christentum im Unterricht. Religionspädagogische Konzeptionen von Wilhelm Bauer im Rahmen seiner Tätigkeit für die »Kirchenbewegung Deutsche Christen«, in: Thomas A. Seidel (Hg.): Thüringer Gratwanderungen. Beiträge zur fünfundsiebzigjährigen Geschichte der evangelischen Landeskirche Thüringen, Leipzig 1998, S. 143–161, hier S. 144. 238 Hans Prolingheuer : Der Lutherisch Deutsch-Christliche Weg. Am Beispiel des Eisenacher Entjudungsinstituts, in: Christian Staffa (Hg.): Vom Protestantischen Antijudaismus und seinen Lügen. Versuche einer Standort- und Gehwegbestimmung des christlich-jüdischen Gesprächs, Magdeburg 1993, S. 57–92, hier S. 60. Prolingheuer nutzt in diesem Zusammenhang überdies die völlig unrealistische Zahl von 2,7 Millionen »neuheidnischen Kirchenfeinden« im Jahr 1939. 239 Vgl. die Abschrift des Thüringer Landeskirchenrates vom 30. 11. 1938 in EZA, 50/894, Bl. 69. 240 Gregor : Zum protestantischen Antisemitismus, S. 179.

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Bestandteil man sich selbst verstand. Der radikale Antisemitismus im Glaubensbild der Thüringer Deutschen Christen tat in diesem Zusammenhang sein Übriges. Diese Form der Judenausgrenzung war indes nicht nur ein Phänomen bei den Thüringer Deutschen Christen, sondern betraf große Teile der protestantischen Kirchenoberen und -mitglieder. So weigerten sich in den 1930er Jahren Berliner Pfarrer, die selbst keine Deutsche Christen waren, Taufen an Juden vorzunehmen, ohne dass diesem Verhalten ein staatlicher Druck vorausging. Unterstützt durch Voten der Kirchen- und Gemeinderäte agierten sie in einer Art ›voreiligem Gehorsam‹ gegenüber dem NS-Staat bei der gesellschaftlichen Ausgrenzung von Juden, die sich dem christlichen Bekenntnis zuwenden wollten.241 Selbstredend gab es durchaus jene ›kirchenfeindlichen Kräfte‹ innerhalb des polykratischen NS-Herrschaftssystems, deren angeblicher Einfluss aber kritisch zu hinterfragen bleibt.242 So war der Einfluss des NSDAP-Chefideologen Alfred Rosenberg (1893–1946) auf das Agieren der Nationalsozialisten gegenüber den Kirchen für diese bis 1934 nur schwer abschätzbar und stellte in der Eigenwahrnehmung durchaus eine gewisse Bedrohung dar.243 Dies zeigt sich unter anderem darin, dass sich Kirchenvertreter ab 1933 mit dem Hauptwerk Rosenbergs, Der Mythus des 20. Jahrhunderts, intensiv auseinandersetzten.244 Der direkte Einfluss Rosenbergs auf die religiöse Betätigung der Deutschen ist indes als nicht existent zu charakterisieren. Die Bevölkerung, wie der Großteil der NS-Herrschaftselite, blieb den christlichen Riten treu – sofern sich zuvor an diesen beteiligt wurde – und vollzog nicht den Übertritt zu einer nationalsozialistischen Feiergestaltung, wie sie Rosenberg zu initiieren versuchte.245 Auch dürften öffentlich vollzogene Taufen wie an Edda Göring (geboren 1938), der Tochter von Reichsmarschall Hermann Göring (1893–1946), bei der Hitler auf

241 Silke Radosh-Hinder : Staat und Kirche im Nationalsozialismus am Beispiel der Taufe, in: Gerlind Lachenicht/ Silke Radosh-Hinder/ Claudia Wüstenhagen (Hg.): Der Stern im Taufbecken. Berliner Christen jüdischer Herkunft und Evangelische Kirche im Nationalsozialismus, Berlin 2013, S. 47–66, hier S. 58f. 242 Zum NS-Polykratismus als ein Herrschaftssystem der Kompetenzüberlagerungen, internen Konkurrenzen und pragmatischen Seilschaften vgl. Peter Hüttenberger : Nationalsozialistische Polykratie, in: Geschichte und Gesellschaft 2 (1976), S. 417–442. 243 Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2007, S. 324. 244 So beispielsweise auch Walter Grundmann: Gott und Nation. Ein evangelisches Wort zum Wollen des Nationalsozialismus und zu Rosenbergs Sinndeutung, Berlin 1933, S. 71–99. Zur zeitgenössischen kirchlichen Deutung von Rosenbergs Mythus auch Walter Künneth: Antwort auf den Mythus. Die Entscheidung zwischen dem nordischen Mythus und dem biblischen Christus, Berlin 1935, das innerhalb weniger Monate in drei Auflagen erschien. 245 Piper : Alfred Rosenberg, S. 351f.; ebenso Gailus: »Nationalsozialistische Christen« und »christliche Nationalsozialisten«, S. 243.

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eigenen Wunsch als Taufpate auftrat,246 keineswegs dazu geführt haben, das Bild eines kirchenfeindlichen Nationalsozialismus in die Bevölkerung oder NSDAP-Führungskreise zu transportieren.247 Ebenso vertraten viele Gauleiter sowie höhere Beamte die Überzeugung einer Vereinbarkeit von protestantischem Christentum und Nationalsozialismus,248 wodurch ein aktives Vorgehen gegen die Kirchen innerparteiliche und innerstaatliche Konflikte hervorgerufen hätte.249 Deshalb befahl Hitler kurz nach Beginn seiner Kanzlerschaft die staatliche und parteipolitische Neutralität gegenüber innerkirchlichen Konflikten, infolgedessen Reichsleiter Martin Bormann (1900–1945) sich bemühte, führende NS-Funktionäre von deren Kirchenämtern zu lösen.250 Es war kein kirchenfeindlicher, sondern ein Neutralitätskurs, um religiöse Themen aus internen Diskussionen des NS-Herrschaftsapparates und der Partei herauszuhalten.251 Ohne Zweifel gab es unter den NS-Herrschaftsträgern Stimmen, die einen kirchenfeindlichen Ton anschlugen. Die ältere Kirchengeschichtsschreibung bewertete deren Machteinfluss aber gänzlich falsch und ging überdies von einem einheitlichen Vorgehen dieser Kräfte aus.252 Einerseits bedrohten offene Religionsauseinandersetzungen das gesamte NS-Machtsystem in seiner inneren Stabilität, da kirchliche Organisationen hätten attackiert werden müssen, denen rund 95 Prozent aller Deutschen und somit auch ein Großteil der eigenen Parteimitglieder angehörten. Andererseits unterband Hitler ab 1939 ohnehin alle publizistischen Angriffe auf die Kirchen, da er in dem geplanten Krieg keine zusätzlichen innergesellschaftlichen Spannungen gebrauchen konnte.253 Als 246 Emmy Göring: An der Seite meines Mannes. Begebenheiten und Bekenntnisse, Coburg 5 2007, S. 136f. 247 Zur Vorstellung des Staat-Kirche-Verhältnisses von Hermann Göring vgl. Leonore Siegele-Wenschkewitz: Nationalsozialismus und Kirchen. Religionspolitik von Partei und Staat bis 1935, Düsseldorf 1974, S. 79f. 248 Martin Schulze-Wessel: Die Deutschen Christen im Nationalsozialismus und die Lebendige Kirche im Bolschewismus – zwei kirchliche Repräsentationen neuer politischer Ordnungen, in: Journal of Modern European History 3 (2005), S. 147–163, hier S. 160. 249 So führte die vom Reichskirchenminister 1936/37 initiierte Kirchenausschusspolitik zur Befriedung der evangelischen Landeskirchen und der damit einhergehenden Ausgrenzung der radikalen Thüringer Deutschen Christen zu Spannungen mit Parteivertretern, die eine Trennung von den Thüringern wegen deren Verbundenheit zum NS-Regime strikt ablehnten. Scholder : Politik und Kirchenpolitik, S. 221. 250 Dies soll aber nicht die entschiedene antikirchliche Haltung Bormanns in Abrede stellen. 251 Nolzen: Nationalsozialismus und Christentum, S. 151–179. Dennoch äußerte sich beispielsweise der fränkische Gauleiter und Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer, Julius Streicher (1885–1946), positiv im Protestantenblatt über die Eröffnung des Eisenacher Institutes. Vgl. EZA, 50/894, Bl. 69. 252 So noch in aktuellen Publikationen, wie beispielsweise das die neuere Forschungsliteratur gänzlich ausblendende Buch von Strohm: Die Kirchen im Dritten, S. 81–85. 253 Gailus: »Nationalsozialistische Christen« und »christliche Nationalsozialisten«, S. 258. Zur

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oberstes Ziel galt die Beibehaltung einer stabilen »Heimatfront« und öffentlich ausgetragene Streitigkeiten weniger Partei-Oberer über den vermeintlich richtigen religiösen Glauben hätten diese für den geplanten Krieg eminent wichtige Prämisse untergraben. Die Gründung des Eisenacher Instituts vollzog sich somit nicht in einer Phase von religiösen Konflikten mit »völkisch-germanischen« Gruppen oder staatlichen Repressionsversuchen gegen die Kirchenbewegung Deutsche Christen. Die Institutsgründung fiel in eine Zeit, in der man begann, Juden in aller Öffentlichkeit zu entrechten, zu bestehlen, zu deportieren und zu ermorden. Es brannten keine Kirchen, ebenso wenig trieben die Nazi-Schergen Christen auf die Straße und verprügelten diese, noch mussten Christen eine Sühnestrafe dafür zahlen, dass sie als Christen galten. Der Auslöser, der zur Institutsgründung führen sollte, war keine staatliche Gewalt gegen Christen und Kirchen, sondern gegen Juden. Die Nationalsozialisten gingen 1938 mit öffentlich vollzogenen Gewaltanwendungen dazu über, Deutschland »judenfrei« zu machen. Dass direkt im Anschluss daran die protestantischen Landeskirchen unter deutsch-christlicher Vorherrschaft begannen, gleichsam das Christentum zu »entjuden«, war aus ihrem eigenen religiösen Selbstverständnis nur die logische Konsequenz. In einer Werbeschrift des Eisenacher Instituts aus dem Jahr 1943 heißt es rückblickend: »In zielbewußter Arbeit und hartem Kampfe hat darum nationalsozialistischer Wille die radikale Entjudung aller Lebensgebiete des deutschen Volkes planmäßig durchgeführt.«

Im Christentum bestünden hingegen noch immer jüdische Einflüsse, weshalb »die Pflicht der Kirche zur planmäßigen Durchführung einer radikalen Entjudung von Kirche und Christentum unausweichlich [ist], und jeder lebendige, gläubige Christ muß es sich zur Aufgabe machen, sie zu fordern und zu fördern.«254

Der Autor dieser Zeilen, Hugo Pich, verfasste Ende Oktober 1938 eine Denkschrift für die mögliche Gründung einer Einrichtung zur »Entjudung« der Kirche. Darin zeigt sich nochmals deutlich, dass die konkrete Idee für eine derartige Einrichtung darauf beruhte, als Kirche dem NS-Staat in seiner antisemitischen Politik nachzufolgen. Aus Pichs Perspektive sei die christliche Kirche es »nicht nur dem Führer des deutschen Volkes, sondern […] auch sich selbst schuldig, diesen Prozess der Entjudung selbst durchzuführen – dem Führer aus Dankbarkeit, sich Komplexität von nationalsozialistischer Politik gegenüber Religionsorganisationen, in der sich die polykratische Herrschaftsstruktur des NS-Staates widerspiegelt, vgl. Dirk Schuster : Nazi Germany and Religion – Some Thoughts on the Legal Framework Set by Religion Policy in a Polycratic Government System, in: Maria Grazia Martino (Hg.): The State as an Actor in Religion Policy. Policy Cycle and Governance Perspectives on Institutionalized Religion, Wiesbaden 2015, S. 55–69. 254 Hugo Pich: Frei vom Juden – auch im Glauben!, Sibiu/Hermannstadt 1943, S. 3f.

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selbst um des eigenen Kredits in der deutschen Volksgemeinschafts willen – und es nicht erst darauf ankommen zu lassen, dass der Kampf gegen die Verjudung der Kirche um des Volkes willen schließlich von der politischen Front her aufgenommen werden muss. Aus diesen Gründen liegt in der Wahrnehmung des jetzigen Zeitpunktes zur Durchführung der Entjudung der Kirche eine Verpflichtung der Kirchen gegenüber dem Gott, der das deutsche Volk in die Führung dieses Kampfes ruft.«255

Der Thüringer DC-Pfarrer Gerhard Hahn griff wenige Tage nach den Pogromen die Idee auf und übersandte den Landesbischöfen von Lübeck, Thüringen und Mecklenburg die Überlegungen von Pich mit dem abermaligen Hinweis, »dass wir Deutsche Christen zuerst einmal diese negative Arbeit [die Entjudung des Christentums; D. S.] leisten müssen, um das Feld frei zu bekommen für die positive Arbeit der Gestaltung eines wahrhaft deutschen Christentums. […] Abgesehen von dieser grundsätzlichen Frage und Aufgabe bin ich weiter der Meinung, dass es j e t z t, im Zusammenhange mit der allgemeinen Säuberung des deutschen Volkslebens von allem Jüdischen, an der Zeit ist, dass entweder von den Deutschen Christen (Leffler) durch eine programmatische Forderung oder von den deutsch-christlichen Kirchenführern durch entsprechende Maßnahmen ebenfalls in diese Richtung gehandelt werden muss.«256

Das Eisenacher »Entjudungsinstitut« bildete, was die Intention seiner Initiatoren betraf, ein »›deutsch-christliches‹ Pendant zu den nationalsozialistischen Bestrebungen, die Juden aus dem Deutschen Reich hinauszudrängen«,257 was aber nicht allein physisch, sondern im konkreten Fall geistesgeschichtlich geschehen sollte. Von deutsch-christlichen Protagonisten Thüringer Richtung gab es entsprechend seit längerer Zeit Ideen, die kirchliche Lehre und Liturgie zu »entjuden«, um diese hierdurch in das »Dritte Reich« einzufügen. Denn nur so konnte diese aus deutsch-christlicher Perspektive ein integraler Bestandteil des »Dritten Reichs« werden. Das Eisenacher »Entjudungsinstitut« sollte den entscheidenden Baustein bilden, eine »deutsche Kirche« im NS-Staat zu errichten, nachdem bereits »nicht-arische« Pfarrer aus dem Kirchendienst entlassen und die sogenannten Judenchristen teilweise von der übrigen Glaubensgemeinde separiert worden waren. Die 1938 öffentlich zelebrierte Gewalt des Staates gegen Juden diente den Thüringer Deutschen Christen letztendlich als eine Art Startschuss, dieses letzte große Vorhaben bezüglich der kirchlichen »Entjudung« beginnen zu können. Die Ende März 1939 abgehaltene Konferenz von evangelischen Kirchenfüh255 LKAE, A 921-1, Bl. 24f. Hervorhebung im Original. 256 LKAE, A 921-1, Bl. 9f. Sperrung im Original. 257 Gerhard Lindemann: Antijudaismus und Antisemitismus in den evangelischen Landeskirchen während der NS-Zeit, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), S. 575–607, hier S. 607.

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rern der Deutschen Christen und der sogenannten kirchlichen Mitte in Bad Godesberg verabschiedete eine Erklärung, die der Öffentlichkeit die kirchenpolitische Haltung präsentierte: Indem der Nationalsozialismus kirchliche Machtansprüche bekämpfe, führe er das Werk Martin Luthers fort. Zudem stellten die Kirchenführer in der Erklärung klar, dass das Christentum in einem unüberbrückbaren religiösen Gegensatz zum Judentum stehe.258 Als weiteres Ergebnis der Godesberger Konferenz folgte am 4. April 1939 eine Landeskirchenleiterversammlung auf Einladung des Reichskirchenministers in Berlin. Die dort anwesenden Leiter von elf protestantischen Landeskirchen verfassten eine Bekanntmachung in Anlehnung an die Ergebnisse von Bad Godesberg, die zwei Tage später im Gesetzesblatt der Deutschen Evangelischen Kirche erschien.259 Neben der Erläuterung der kirchlichen Stellung zum NS-Staat und zum Judentum finden sich im Gesetzesblatt geplante Maßnahmen der Landeskirchen, um jene gefassten Grundsatzpositionen gemeinschaftlich umsetzen zu können. An erster Stelle der zu vollziehenden Schritte stand die »Gründung eines Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben des deutschen Volkes.«260 Zeitgenössische Beobachter, wie der katholische Geistliche Erhard Schlund (1888–1953), sahen folglich in der Erklärung von Bad Godesberg und den anschließend verabredeten Maßnahmen eine neue »Stufe der Entwicklung bei den Deutschen Christen.«261 Streng genommen bedeutete die deklarierte Haltung zu Staat und Judentum sowie die offizielle Bekanntmachung zur geplanten Institutsgründung nur eine fortschreitende Entwicklung der deutsch-christlichen Durchsetzung ihres religiösen Weltbildes innerhalb der evangelischen Kirche. Der in Bad Godesberg gemeinsam festgelegte Richtsatz zum Staat-Kirche-Verhältnis stellte nicht weniger als eines der seit Anbeginn formulierten Grundanliegen der Kirchenbewegung Deutsche Christen dar. Gleiches gilt für die Ablehnung des kirchlichen »Internationalismus« und die Haltung zum Judentum. Mit der Konferenz von Bad Godesberg im März 1939 gelang es Leffler, Leutheuser und ihren Anhängern, nur etwas mehr als zehn Jahre nach ihrem ersten öffentlichen Auftreten als Deutsche Christen, dass die eigenen rassisch-religiösen Vorstellungen von elf protestantischen Landeskirchen in Deutschland als gesetzliche Grundlage anerkannt wurden.262 Neben diesem für die innerkirchliche Machtstellung der Kirchenbewegung 258 Vgl. den Abdruck der Erklärung bei Erhard Schlund: Modernes Gottglauben. Das Suchen der Gegenwart nach Gott und Religion, Regensburg 1939, S. 104f. 259 Vgl. ausführlich zur Godesberger Erklärung und der anschließenden gesetzlichen Bekanntmachung Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 432–454. 260 Zitiert nach Schlund: Modernes Gottglauben, S. 106. 261 Schlund: Modernes Gottglauben, S. 103. 262 Bergen: Twisted Cross, S. 25.

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bedeutsamen Abkommen leitete die Konferenz von Bad Godesberg sowie die nachfolgende Abmachung von Berlin die Initialisierung des Eisenacher Instituts ein. Dass die Kirchenbewegung die Gründungsvorbereitungen schon vorher vorangetrieben hatte, zeigen potenzielle Mitarbeiterlisten, über die man sich intern bereits Anfang 1939 austauschte. So ist zu erklären, wieso schon am 6. Mai 1939, nur einen Monat nach der veröffentlichten Abmachung von Berlin, die offizielle Institutseröffnung stattfinden konnte. Spätestens im Rahmen der feierlichen Eröffnungsveranstaltung erfuhren alle Beteiligten und Interessierten, welches Ziel diese Forschungseinrichtung verfolgte. Der dort gehaltene Vortrag des wissenschaftlichen Institutsleiters Walter Grundmann trug den programmatischen Titel Die Entjudung des religiösen Lebens als Aufgabe deutscher Theologie und Kirche und erschien anschließend als Druckschrift, die man für Werbezwecke kostenlos verschickte.263 Mithilfe von Luthers Zwei-Reiche-Lehre postulierte Grundmann darin den zu erbringenden Dienst als Kirche und Christ »innerhalb der weltliche Ordnungen und Stände.«264 »Durch den Führer erweckt und geformt« habe das deutsche Volk seine wahrhafte Aufgabe erkannt und diese sei der unwiderrufliche »Kampf gegen das Judentum«.265 Deshalb bestehe die absolute Notwenigkeit, alles Jüdische aus dem Christentum zu entfernen, so Grundmann weiter. Der »völkische Aufbruch« unter Hitler habe unter anderem verdeutlicht, dass jüdisches Gedankengut im Neuen Testament »für unzählige deutsche Menschen den Zugang zur Bibel versperrt.«266 »Entjudung« bedeutete demzufolge für Grundmann eine Anpassung der christlichen Lehre an den zeitgeschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext des »Dritten Reichs«. Und dies geschah nicht aus einer vermeintlichen Verteidigungshaltung heraus, sondern jene Neuinterpretationen speisten sich aus den theologischen Vorstellungen der Thüringer Deutschen Christen. So stellte es für Grundmann auch keine Anmaßung dar, sondern vielmehr tiefste religiöse Überzeugung, Luthers Reformation fortführen zu wollen, wenn er gegenüber der Zuhörerschaft ausführte: »Seien wir uns darüber klar : So wenig die Menschen zu Luthers Zeit sich vorstellen konnten, wie man ohne die Autorität des Papstes Christ sein könne, was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, so wenig können es sich heute viele vorstellen, wie man ohne den heilsgeschichtlichen Bezug auf die Geschichte des Alten Testamentes und ohne den das Heil monopolisierenden Kirchenbegriff noch Christentum und Kirche erhalten

263 EZA, 50/254, Bl. 101. 264 Walter Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens als Aufgabe deutscher Theologie und Kirche, Weimar 1939, S. 7. 265 Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens, S. 9. 266 Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens, S. 11.

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könne. Wir sind der Ueberzeugung, daß die Geschichte der kommenden Jahrzehnte unsere Anschauung bestätigen wird.«267

Weil der Kampf gegen das Judentum »das religiöse und kirchliche Leben vor seine größte Entscheidung innerhalb der deutschen Geschichte überhaupt [stellt]«,268 sei für alle Bereiche der Kirche ein neues Schriftverständnis auszuarbeiten. Grundmann nutzte an dieser Stelle historische Ereignisse zur Konstruktion eines neuen religiösen Wirklichkeitsverständnisses. Aber vormalige Entwicklungen dienten dabei nur zur Unterstützung der eigenen Argumentation, denn entscheidend an Grundmanns Postulat ist nicht der Rückgriff auf die Vergangenheit, sondern die Vorhersage zukünftiger Entwicklungen. Dies meint, indem Grundmann die zukünftige Anerkennung eines »entjudeten« Christentums prophezeite, machte er die »Entjudung« zu einem zwangsläufigen Ereignis der Gegenwart. Paul Watzlawick bezeichnet einen solchen Vorgang als ›selbsterfüllende Prophezeiung‹, wobei die vermeintliche ›Richtigkeit‹ einer solchen Vorhersage nicht von Bedeutung ist, sondern die Determinierung der Gegenwart durch die Zukunft: »[D]ie Prophezeiung des Ereignisses führt zum Ereignis der Prophezeiung.«269 Für Grundmann war klar, dass diese »Entjudung« des Christentums ausschließlich über den Weg der wissenschaftlichen Beweisführung erfolgen könne: »Es geht um die mit allen Mitteln moderner Wissenschaft durchzuführende Hilfsarbeit innerhalb der großen Stunde, die unter uns angebrochen ist. Die Stunde ist geschichtliches Ereignis; für unser Volk und für das ganze Abendland herbeigeführt durch den Führer wirkt sie sich aus auf alle Gebiete des Lebens. Ihrer Auswirkung zum Durchbruch zu verhelfen auch auf dem Gebiet des kirchlich-religiösen Lebens und die Wege zu einer neuen Gestaltung mit frei machen zu helfen, dazu kann auch die wissenschaftliche Arbeit nicht entbehrt werden. Sie zu konzentrieren und an den entscheidenden Punkten zum Einsatz zu bringen, um sie damit für Volk und Kirche fruchtbar zu machen, ist die Aufgabe dieses Institutes.«270 267 Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens, S. 17. Zur deutsch-christlichen Deutung und versuchten Weiterführung der lutherischen Reformation am Beispiel der deutschsprachigen Evangelischen Landeskirche in Rumänien vgl. Dirk Schuster : Ein Versuch der Fortführung von Luthers Reformation in Siebenbürgen. Die Vereinnahmung der Reformationsgeschichte durch deutsch-christliche Vertreter der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien bis 1944, in: Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 22 (2014), S. 375–387. 268 Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens, S. 9. 269 Paul Watzlawick: Wirklichkeitsanpassung oder angepaßte »Wirklichkeit«? Konstruktivismus und Psychotherapie, in: Einführung in den Konstruktivismus, hg. v. der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, 15. Aufl., München 2015 [1985], S. 89–107, hier S. 100. 270 Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens, S. 17.

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Deshalb obläge es dem Institut und seinen Mitarbeitern, sich dieser historischen Aufgabe zu stellen und das Christentum vom »jüdischen Ballast« zu befreien. Der Aufgabenkatalog, den Grundmann entsprechend formulierte, zeugt von seinem Ehrgeiz, das Christentum den zeitgenössischen Umständen anzupassen. Aus Liturgie und kirchlichem Liedgut müssten alle »Zionismen« verschwinden, das Kirchenrecht sei auf mögliche Einflüsse des »geistlichen Israel« hin zu überprüfen und die bisherige Bejahung des Zusammenhangs von Jesus und Judentum in der Forschung gehöre revidiert.271 All dies sollte nicht nur für den akademischen Elfenbeinturm ausgearbeitet werden, sondern Einzug in das praktizierende Christentum finden. Schriften, Vorträge sowie Lehrgänge seien zu organisieren, damit ein möglichst großer Kreis an Pfarrern und Laien von den neuen Erkenntnissen höre und diese in ihre Gemeinden tragen können.

3.2.2 Struktur und Veröffentlichungen Bereits das erste veröffentlichte Mitarbeiterverzeichnis von Ende 1939 listet 86 Personen auf, welche sich für das Institut zur Verfügung stellten. Oliver Arnhold kommt insgesamt auf eine Mitarbeiterzahl von ca. 180 Personen bis Kriegsende, wobei Arnhold dies eher als eine Mindestangabe versteht, da nicht alle Mitarbeiter in den abgedruckten Listen verzeichnet wurden.272 Hinzuzurechnen sind noch über 40 Mitglieder der Institutsaußenstelle im rumänischen Hermannstadt/Sibiu, welche sich nicht auf den Listen der Institutszeitschrift Verbandsmitteilungen finden.273 Allein auf der ersten veröffentlichten Mitarbeiterliste tragen von den 86 aufgeführten Personen 23 einen Professorentitel, was den hohen Anteil an berufsmäßigen Akademikern innerhalb der Mitarbeiterschaft verdeutlicht.274 Durch deren öffentliches Auftreten in Form von Vorträgen und Publikationen beförderten diese Professoren nicht nur ein steigendes Renommee des Instituts und seiner Arbeiten, sondern sie sorgten durch ihren professoralen Habitus ebenso für einen weiteren Mitarbeiterzuwachs sowie breitere Unterstützungsmitgliedschaften im angeschlossenen Institutsförderkreis.275 Dass eine nicht geringe Anzahl von Theologen aus dem akademischen Bereich sich zur Mitarbeit im »Entjudungsinstitut« bereit erklärten, ist wenig überraschend. Am Ende der 1930er Jahre besetzten Vertreter unterschiedlicher deutsch-christlicher Gruppierungen rund ein Drittel aller Stellen an evangelischen Fakultäten deutscher Universitäten, auch wenn nicht alle als Sympathi271 272 273 274 275

Grundmann: Die Entjudung des religiösen Lebens, S. 18–20. Arnhold: Entjudung – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 548, Anm. 315. Zur Außenstelle vgl. Schuster : Eine unheilvolle Verbindung. Verbandsmitteilungen 1 (1939), S. 5. Arnhold: Entjudung – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 549; Heschel: The Aryan Jesus, S. 141.

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santen der Kirchenbewegung Deutsche Christen gelten können. Von den insgesamt 17 Fakultätsdekanen der evangelischen Theologie gehörten zwölf, das heißt 70 Prozent, dieser innerprotestantischen Richtung an.276 Die Zahlen belegen, dass die Thüringer Deutschen Christen und ihr »Entjudungsinstitut« keine kurzlebige Randerscheinung innerhalb der evangelisch-theologischen Gelehrtenschaft, sondern einen integralen Bestandteil dieser darstellten.277 Ihre Anhänger und Mitstreiter gehörten zwar nicht zur Mehrzahl an theologischen Fakultäten, sie bildeten aber genauso wenig eine Randgruppe. Am wichtigsten scheint indes – und darauf wird zu wenig hingewiesen –, dass die Erforschung und Aufdeckung »jüdischer Einflüsse« dem damaligen Wissenschaftsverständnis eines Teiles der Geisteswissenschaften entsprach. Die sogenannte »Judenforschung«, ausführlich erläutert im nachfolgenden Kapitel, ist nicht als bloße Pseudowissenschaft im Dienste von Staat und Propaganda zu deuten. »Judenforschung« gehörte in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen zu den nachgefragtesten Themen jener Zeit, die überdies finanzielle Förderung und Beachtung versprach. Zusammengenommen mit einem latenten Antisemitismus in breiten Teilen der deutschen Bevölkerung, erst recht in geisteswissenschaftlichen und theologischen Gelehrtenkreisen, und einer staatlicherseits forcierten Judenausgrenzung war es für viele Wissenschaftler ein lohnendes und zudem aktuelles Betätigungsfeld, die eigenen Forschungen unter antisemitische Vorzeichen zu stellen.278 Hierin ist ein wichtiger Grund zu sehen, warum so viele Universitätsangehörige und Pfarrer ihre unbezahlte Mitarbeit für jenes »Entjudungsinstitut« zur Verfügung stellten. Die formulierten Institutsziele erhielten auch positive Zeugnisse von Kirchenvertretern ausgestellt, die sich nicht mit den religiösen Ansichten der Thüringer Deutschen Christen einverstanden erklärten. In einem Gutachten für die Landeskirche Hannover attestierte der Autor dem Institut zwar eine gewisse Willkür und tendenziöse Ausrichtung. Gleichzeitig äußerte sich der Gutachter positiv über die Zielstellung, den Gegensatz von Jesus und Judentum herausarbeiten zu wollen. Deshalb sei eine projektbezogene Förderung für das Eisenacher Institut durchaus zu befürworten. Eine dauerhafte finanzielle Beteili276 Genaue Zahlen bei Bergen: Twisted Cross, S. 176f. 277 Ersteres behauptet beispielsweise Karl-Wilhelm Niebuhr : Walter Grundmann: Neutestamentler und Deutscher Christ, in: Hans-Joachim Döring/ Michael Haspel (Hg.): Lothar Kreyssig und Walter Grundmann. Zwei kirchenpolitische Protagonisten des 20. Jahrhunderts in Mitteldeutschland, Weimar 2014, S. 28–46, hier S. 37. Eine Begründung liefert Niebuhr für seine These indes nicht. Eine ähnlich lautende Aussage bei Roland Deines: Jesus der Galiläer. Traditionsgeschichte und Genese eines antisemitischen Konstrukts bei Walter Grundmann, in: Roland Deines /Volker Leppin/ Karl-Wilhelm Niebuhr (Hg.): Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich, Leipzig 2007, S. 43–131, hier S. 125. 278 Vgl. hierzu Kapitel 4.

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gung hingegen würde den Thüringer Deutschen Christen einen zusätzlichen Vorschub leisten, was es zu verhindern gelte.279 Vom innerkirchlichen Machtstandpunkt aus betrachtet kam eine dauerhafte Förderung des Eisenacher Instituts für den Gutachter nicht infrage, da dies die ohnehin schon starke Machtposition der Kirchenbewegung Deutsche Christen innerhalb des institutionalisierten Protestantismus zusätzlich gestärkt hätte. Inhaltlich begrüßten hingegen nicht nur deutsch-christliche Protagonisten der Thüringer Richtung die antisemitische Orientierung der Forschungen. Ein »judenfreies« Christentum galt als eine durchaus zu unterstützende Sache, nur hinsichtlich der Initiatoren und ihrer kirchenpolitischen Stellung gab es gewisse Vorbehalte, wie das Gutachten der Landeskirche Hannover verdeutlicht. Entgegen den Abmachungen von Bad Godesberg und Berlin von Frühjahr 1939 beteiligten sich nicht alle unterzeichnenden Landeskirchen an der dauerhaften finanziellen Unterstützung des Instituts. Letztendlich trugen vor allem deutsch-christlich beherrschte Landeskirchen Thüringer Richtung die Hauptlast der monetären Institutsausstattung, allen voran Thüringen, Mecklenburg, Lübeck und Anhalt. Hinzu kamen noch die Landeskirchen von Oldenburg und der Pfalz, wobei sich die Oldenburger Landeskirche lediglich an Druckkosten, Porto und Auslagen des Instituts zu beteiligen gedachte.280 Die Mitarbeiter des Instituts erhielten für ihre Tätigkeit keine Bezahlung, da sie ohnehin als Angestellte von Universitäten oder Kirchen extern ihr Gehalt bezogen.281 Über diese rechnete man außerdem die Auslagen für Kongressteilnahmen oder Arbeitstreffen ab, so dass auf die Mitarbeiter keine finanziellen Belastungen aufgrund ihres freiwilligen Engagements zukamen. Das Eisenacher Institut blieb letztendlich organisatorisch und finanziell hauptsächlich mit der Thüringer Landeskirche verbunden. Dadurch bewahrte es sich gegenüber staatlichen Einflüssen und Eingriffen seine Unabhängigkeit, was wiederum innerhalb der institutionalisierten »Judenforschung« des »Dritten Reichs« eine Besonderheit darstellte. Allein mittels Zensurmaßnahmen und Papierzuteilungen hätten staatliche Stellen in die Arbeiten eingreifen können, jedoch ist kein Fall belegt, wo es seitens staatlicher Stellen zu einer Druckverweigerung wegen inhaltlicher Beanstandungen kam.282 Lediglich infolge der kriegsbedingten Papierbeschränkungen konnten diverse Institutspublikationen nicht mehr bis 1945 erscheinen. Dies betraf aber ebenso Forschungseinrich-

279 Peter Schyga: Kirche in der NS-Volksgemeinschaft – Selbstbehauptung, Anpassung und Selbstaufgabe. Die ev.-luth. Gemeinden in Goslar, der Reichsbauernstadt des Nationalsozialismus, Hannover 2009, S. 258f. 280 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 493–496. 281 Heschel: The Aryan Jesus, S. 97. 282 Heschel: The Aryan Jesus, S. 148f.

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tungen von Staats- und Parteiorganisationen und ist nicht als eine staatlicherseits forcierte Behinderung der Institutsarbeit anzusehen. Die Arbeitsorganisationsstruktur des Instituts unterteilte sich in verschiedene, thematisch ausgerichtete Arbeitskreise, denen sich die Mitarbeiter anschlossen. Arnhold listet insgesamt 42 Arbeitskreise und Forschungsaufträge auf, die sich unter anderem mit dem Verhältnis von Altem zu Neuem Testament, der Geschichte der Religiosität der germanischen Seele, Religionstypologien, Kunstbeurteilungen, angeblichen jüdischen Verfälschungen der neutestamentlichen Schriften, dem Katholizismus usw. auseinandersetzten.283 Darüber hinaus gab es jene Arbeitskreise, die neues Material für den kirchlichen Gebrauch erstellten. Hierzu zählte das Gesangbuch Großer Gott wir loben dich, veröffentlicht im Sommer 1941.284 Seitens deutsch-christlicher Vertreter schon vor 1939 begonnen, ging das Gesangbuchprojekt mit der Institutsgründung in dessen Arbeitsbereich über.285 Den Liederkanon der unterschiedlichen, reichsweit genutzten Gesangbücher galt es in einem neuen Gesangbuch zu bündeln, wodurch man gleichzeitig im Sinne der eigenen »Entjudungsvorstellungen« unpassende Lieder weglassen oder zumindest umschreiben konnte. Aus den reichsweit 30 sich in Gebrauch befindlichen evangelischen Kirchengesangbüchern überprüften die beteiligten Institutsmitarbeiter 2.336 Lieder auf deren Inhalt. Lediglich 112 (4,4 Prozent) übernahm man unverändert, weitere 263 (11,2 Prozent) empfahl man zur Überarbeitung und 1.971 (84,4 Prozent) lehnte man gänzlich ab.286 Die Intention hinter der Liedgutreform beschrieb Kurt Thieme ohne Umschweife in einer Denkschrift: »Unser bester Verbündeter ist Christus selbst. Seine Haltung zeigt das Gegenteil jüdischen Wesens – sein Leben ist eine einzige Kampfansage gegen jüdische Art. Es ist für uns Glaubenstatsache, dass er nicht Jude ist. Die entscheidende Aufgabe bei der Neubearbeitung eines Gesangbuches, das der Situation des Menschen im Grossdeutschen Reich gerecht wird, ist demzufolge die Beseitigung dessen, was jüdischen Ursprungs ist oder der Förderung jüdischen Wesens dient. Das gesamte zur Verfügung stehende Choralgut musste unter dem Gedanken des Heimfindens zu unserer eigenen Art geprüft und bearbeitet werden.«287

283 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 843–851. 284 Vgl. hierzu ausführlich Birgit Gregor : … vom jüdischen Einfluss befreit. »Großer Gott wir loben dich«. Ein deutsch-christliches Gesangbuch aus dem Jahr 1941, in: Thomas A. Seidel (Hg.): Thüringer Gradwanderungen. Beiträge zur fünfundsiebzigjährigen Geschichte der evangelischen Landeskirche Thüringen, Leipzig 1998, S. 124–142; Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 682–703. 285 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund, Bd. 2, S. 682–684. 286 EZA, 1/2834, [unfoliert] (Bericht über die Tagung der landeskirchlichen Referenten zum Eisenacher Institut am 6./7. 07. 1939). 287 Kurt Thieme: Unser neues Gesangbuch »Grosser Gott wir loben sich«. Eine zusammen-

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Als Kriterien für die Nicht-Übernahme in das neue Gesangbuch galten dementsprechend »Lieder, bezw. Strophen, 1.) die jüdisch sind in Wort und Denken, 2.) die von ausgesprochen dogmatischer Haltung sind, 3.) die süsslich, geschmacklos, selbstentwürdigend oder dichterisch unmöglich sind.«288

Neben der antisemitischen Intention findet sich im letzten Punkt jenes männlich kämpferische Christentumsideal wieder, welches nach 1918 in breite Kreise des deutschen Protestantismus Einzug hielt.289 Damit bedienten die Thüringer Deutschen Christen und das Institut nicht nur die antisemitische Komponente, sondern gleichsam schufen sie ein mit Kampfbegriffen wie »Sturmgesang« oder »Feindeskrieg« durchsetztes Liedgut, das sich in die ab 1933 einsetzende Militarisierung des gesamten Lebens einfügte. Die erste Auflage des Gesangbuches mit 50.000 Exemplaren war schnell vergriffen, weitere Auflagen scheiterten aufgrund der Papierverknappung, obwohl es eine immense Nachfrage nach dem Werk gab. Im Frühjahr 1944 sollen sogar – nach Eigenangabe der Kirchenbewegung – bereits 500.000 Bestellungen vorgelegen haben.290 Einen noch größeren Verkaufserfolg als dem Gesangbuch sollte der »entjudeten« Bibel Die Botschaft Gottes beschieden sein, welche das Institut 1940 veröffentlichte.291 In dieses »Volkstestament« flossen die neuesten Forschungserkenntnisse ein, das heißt, die Mitarbeiter beabsichtigten hinter die ältesten Überlieferungen der Evangelien zurückzugehen, um einen »judenfreien« Jesus präsentieren zu können.292 Die neuesten Ergebnisse zum historischen Jesus, der herausgearbeitete Gegensatz von Christentum und Judentum sowie die veraltete Sprache der Lutherbibel machten aus Sicht der Herausgeber eine Neuüberset-

288 289 290 291

292

fassende Darlegung unseres Wollens [o. D.], zitiert nach Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 685. Richtlinien für die Reform des Gesangbuches, zitiert nach Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 685. Bergen: Twisted Cross, S. 61–81. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 701. Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben (Hg.): Die Botschaft Gottes, Leipzig 1940. Vgl. hierzu ausführlich Birgit Jerke: Wie wurde das Neue Testament zu einem sogenannten Volkstestament »entjudet«? Aus der Arbeit des Eisenacher »Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben«, in: Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen, Frankfurt/M. 1994, S. 201–234; Jochen Eber : Das »Volkstestament der Deutschen«. Die »Botschaft Gottes« – ein deutsch-christliches Neues Testament im Dritten Reich, in: European Journal of Theology 18 (2009), S. 29–46; Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 649–682. Zusammenfassend auch Oliver Arnhold: Botschaft Gottes (1940), in: Wolfgang Benz (Hg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6: Publikationen, Berlin Boston 2013, S. 77–79. Jerke: Wie wurde das Neue Testament, S. 204.

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zung zwingend notwendig. Der erste Hauptteil, »Jesus der Heiland«, stellt eine Harmonisierung der synoptischen Evangelien dar, der zweite, »Jesus der Gottessohn«, eine Umarbeitung des Johannes-Evangeliums. In »Jesus der Herr« finden sich verschiedene zusammengefügte Briefe des Neuen Testaments sowie Fragmente der Johannes-Offenbarung. Der letzte Hauptteil, »Das Werden der Christusgemeinde«, ist eine Kombination aus Paulusbriefen, Apostelgeschichte sowie synoptischen Überlieferungen. Bereits die diversen Zwischenüberschriften verdeutlichen die Anlehnung an die Sprache der nationalsozialistischen Propaganda: »Sein Aufbruch«, »Sein Kampf«, »Sein Sieg«, »Der Kampf in Judäa«, »In Ehre und Ausdauer«, »Schicksal und Taten der Hellenisten« usw. zeugen davon, dass die Herausgeber den Versuch unternahmen, ihre Übersetzung an die Semantik des Nationalsozialismus anzupassen. Die inhaltlichen Veränderungen gegenüber der Luther-Bibel fallen zunächst kaum auf, was der Intention der Herausgeber entsprach. Das Neue Testament sollte keine offensichtliche Revision erfahren, sondern es galt, inhaltliche Umgestaltungen sprachlich so darzustellen, dass sie der Laie nicht hinterfragte. Arnhold hat dies beispielhaft an der Weihnachtsgeschichte verdeutlicht. Die einzelnen Aussagen aus dem Lukas-Evangelium verkürzte man derart, dass diese Neufassung anderweitige Interpretationen gestattete. Die Stadt Bethlehem trug nicht mehr die Zusatzbezeichnung als die Stadt Davids, ebenso stammte Josef nicht mehr aus dem Hause Davids ab. Hierdurch schuf man die Interpretationsmöglichkeit, dass Jesus auch in einer galiläischen Stadt Bethlehem zur Welt kam.293 Dies wiederum eröffnete den argumentativen Weg, eine rassenmäßige Herkunft Jesu als Jude gänzlich zu verneinen, was Walter Grundmann ebenso in wissenschaftlicher Form versuchte nachzuweisen.294 Die Herausgabe der Botschaft Gottes und die parallel dazu veröffentlichten wissenschaftlichen Abhandlungen, allen voran jene über die rassische Herkunft Jesu, sind als eine Einheit für die Neugestaltung eines »arteigenen« Christentums zu verstehen. Den Pfarrern der Kirchenbewegung oblag einerseits die Pflicht zur Nutzung der neuen Bibel für Predigt und Konfirmandenunterricht,295 andererseits bildeten Grundmanns Ausführungen über die rassische Herkunft Jesu den Schwerpunkt mehrerer Pfarrerschulungen, wie die Rundbriefe an deutsch-christliche Pfarrer belegen.296 Auch gehörte es zu 293 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 673. 294 Vgl. hierzu Kap. 5.2.2. 295 UA Leipzig, NA Wartenberg, Kurt, Ordner 47, [unfoliert] (Rundbriefe der Deutsche Pfarrergemeinde vom 10. 04. 1940 und 30. 04. 1940). Über die Indoktrination der Konfirmanden sollten anschließend die Eltern im deutsch-christlichen Sinn missioniert werden. 296 UA Leipzig, NA Wartenberg, Kurt, Ordner 47, [unfoliert] (Rundbrief der Deutsche Pfarrergemeinde vom 20. 02. 1940).

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den pastoralen Pflichten, für die Verbreitung des »Volkstestaments« und Grundmanns Jesus-Forschungen unter den Gemeindemitgliedern zu sorgen.297 Da sie zuvor über Inhalt und Auslegung dieser Schriften Schulungen besuchten, trugen die Pfarrer jenes Bild eines nichtjüdischen Jesu und eines antijüdischen Christentums in ihre Gemeinden. Es galt alle sogenannten judaisierenden oder judenchristlichen Einflüsse im Neuen Testament zu beseitigen, um den Gegensatz von Judentum auf der einen, und christlicher Botschaft sowie dem Wirken Jesu auf der anderen Seite zum Vorschein zu bringen.298 So fehlt in Die Botschaft Gottes der Lukas-Vers über die am achten Tag vollzogene Beschneidung Jesu. Weil man die Weihnachtsgeschichte dennoch keiner auffallenden Inhaltsveränderung unterzog, entfielen alle Hinweise auf eine jüdische Herkunft Jesu, ohne dass diese dem Leser unmittelbar ins Auge stachen. Selbstredend unterblieb auch die Aufnahme des als »jüdisches Geschichtsbuch« diffamierten Alten Testaments.299 Hierfür steht beispielhaft die Aussage des Professors für Systematische Theologie und späteren wissenschaftlichen Institutsleiters Heinz Erich Eisenhuth (1903–1983) während einer landeskirchlichen Referententagung im Juli 1939: »Das A.T. [Alte Testament] ist Ausdruck einer fremden Rassenseele. Es ist darüber hinaus aber auch Ausdruck einer religiösen Haltung. Religion ist aber immer mehr als Produkt der Rasse; sie ist Offenbarung. In den Urkunden der Religionsgeschichte können wir Gott als den Vater erkennen, der seine Kinder leitet. Soweit wir diese Spuren des Vater-Gottes, wie ihn Christus uns verkündet, im A.T. finden, kann es gelten. Da wir aber Spuren der Erkenntnisse Gottes als den Vater auch in den Urkunden der germanischen Religionsgeschichte finden, muss für uns das A.T. religiös und pädagogisch abgelöst werden durch das germanisch-religiöse Erleben. Im A.T. begegnen wir einer nichtchristlichen Religion und einem fremdrassischen Volk. Deshalb kann das A.T. uns nicht mehr Grundlage für unsere Verkündigung sein.«300

297 UA Leipzig, NA Wartenberg, Kurt, Ordner 47, [unfoliert] (Rundbrief der Deutsche Pfarrergemeinde vom 1. 01. 1941). 298 Eber : »Das Volkstestament der Deutschen«, S. 39. 299 Eine solche Ablehnung des Alten Testaments findet sich bereits in der völkischen Bewegung zur Zeit des wilhelminischen Kaiserreichs. Vgl. Puschner : Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, S. 216f. 300 EZA, 1/2834, [unfoliert] (Bericht über Tagung der landeskirchlichen Referenten zum Eisenacher Institut am 6./7. 07. 1939). Mit dem Hinweis auf Erkenntnisspuren Gottes in germanischen Überlieferungen spielte Eisenhuth auf die Schwerpunkterweiterung des Instituts an, die altgermanische Religionsgeschichte mit dem Christentum in Verbindung bringen zu wollen. Zu Eisenhuth vgl. Schenk: Der Jenaer Jesus, S. 185–190. Zur nicht immer einheitlichen Heils-Beurteilung des Alten Testaments in deutsch-christlichen Kreisen vgl. Carsten Nicolaisen: Die Stellung der »Deutschen Christen« zum Alten Testament, in: Heinz Brunotte/ Ernst Wolf (Hg.): Zur Geschichte des Kirchenkampfes. Gesammelte Aufsätze, Bd. 2, Göttingen 1971, S. 197–220.

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Die wissenschaftlichen Ausarbeitungen zur rassischen Herkunft Jesu, zum Judentum in Geschichte und Gegenwart, zum Urchristentum als antisemitische Bewegung etc., die im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele noch vorgestellt werden, »bewiesen« den religionshistorischen Grundstock des deutsch-christlichen Antisemitismus. Daran anknüpfend schufen die Institutsmitarbeiter jene Bücher wie Die Botschaft Gottes und Großer Gott wir loben dich!, um ihre Lehre auf die Gemeinden zu übertragen. Die zum Teil monatlich abgehaltenen Pfarrerschulungen sorgten dafür, dass die Geistlichen das publizierte Material auch in einer solchen Weise auslegten, um den Gläubigen ein Bild des Gegensatzes von Christentum und Judentum zu vermitteln, welcher angeblich schon in der Antike bestand. Kombiniert mit einer neuen Gottesdienstordnung, die verstärkt auf Predigt, auf einfachen Chorgesang und jenes neugeschaffene Liedgut Wert legte, entstand ein »artgemäßes« Christentum, dessen Durchsetzung im Machtbereich der Kirchenbewegung freilich an den zunehmenden Kriegseinschränkungen sowie dem endgültigen Zusammenbruch des Hitler-Reichs 1945 scheiterte.301 Zusätzlich zur Erschaffung jenes »deutschen Christentums« bedurfte es neben der Liquidierung jüdischer Einflüsse aus der Geschichte des Christentums und der eigenen Liturgie ebenso der endgültigen Abgrenzung gegenüber den sogenannten Judenchristen. Dieser Terminus fand Anwendung für die nach NS-Rassengesetzen als »Voll-, Halb- oder Vierteljuden« klassifizierten Christen. Im Auftrag des Eisenacher Instituts legte hierzu der bereits genannte Jenaer Professor Heinz Erich Eisenhuth 1941 der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchenleiter innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche ein Gutachten vor, in welchem er konkrete Handlungsanweisungen für den Umgang mit »Judenchristen« formulierte. Seine Ausführungen beginnen mit einer unzweideutigen Stellungnahme zur Bedeutung der Taufe von Juden: »Judenchristen sind und bleiben nach der Taufe Juden, so daß ihre religiöse Erlebnisund Äußerungsart stets jüdischen Charakter an sich tragen wird. Die Kennzeichnung der Juden mit dem Judenstern soll das Bewußtsein für die unüberbrückbare Kluft und Trennung zwischen den Rassen wach erhalten. Das deutsche Volk darf nie mehr vergessen, daß es nicht nur in diesem Kriege bestes und edelstes Blut deutscher Menschen

301 Zur Einbettung der Institutsarbeiten in den deutsch-christlichen Gottesdienst vgl. Dirk Schuster : Ein nicht nur geistiger Kampf gegen das Judentum. Die Umsetzung der Arbeiten des »Institutes zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben« im Gottesdienst, in: Alexander Deeg/ Christian Lehnert (Hg.): Wir glauben das Neue. Liturgie und Liturgiewissenschaft unter dem Einfluss der völkischen Bewegung, Leipzig 2014, S. 155–172.

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hat opfern müssen, weil es gegen die Weltmacht der Juden zu kämpfen gezwungen war.«302

Im Fall von Juden, bzw. Christen mit jüdischen Vorfahren, führe die Taufe niemals dazu, dass diese Menschen Christen würden, sondern sie blieben immer Juden aufgrund ihrer rassischen Abstammung. Rasse und Religion bildeten in Eisenhuths offiziellem Gutachten damit eine nicht zu überwindende Einheit. Ebenso könnten diese Menschen ihre rassenbedingten »jüdischen Eigenschaften« nicht ablegen, weshalb sie keine Mitglieder der evangelischen Landeskirchen in Deutschland sein dürften. Denn ein »Mensch verbleibt auch nach der Taufe in dem geschichtlichen und völkischen Verband, dem er durch seine Geburt zugehört.«303 Weil sich das deutsche Volk in einem Verteidigungskampf gegen das Judentum zum Schutz von Kultur und Religion befinde, obliege der Kirche die Pflicht »diesen Kampf gegen die Juden innerlich [zu] führen durch die Bemühung um die Entjudung des religiösen und kirchlichen Lebens, aber auch äußerlich durch die radikale Trennung von den Juden als den größten Gegnern des Reiches. Auch die Judenchristen gehören zu dem Volk, das, durch den Judenstern sichtbar gekennzeichnet, als die größte Weltgefahr erkannt werden muß.«304

Eisenhuth formulierte anschließend konkrete Forderungen an die Evangelische Deutsche Kirche auf Grundlage ihrer »Lutherischen und völkischen Verantwortung«: »1. Judenchristen sind als Feinde des Reiches von jeder Form der gottesdienstlichen Gemeinschaft auszuschließen. 2. Deutsche Pfarrer dürfen an Judenchristen keine Amtshandlungen vollziehen. 3. Von Judenchristen dürfen keine Kirchensteuern erhoben werden.«305

Dieses Gutachten, erstellt im Auftrag des »Entjudungsinstituts«, veranschaulicht die Radikalität des Denkens der Mitarbeiter und zeigt gleichzeitig die entschiedene Konsequenz, die eigene Ideologie in die Tat umsetzen zu wollen. Das Gutachten blieb auch keine intern-zirkulierende Angelegenheit, sondern fand Abdruck in der institutseigenen Zeitschrift Verbandsmitteilungen, so dass alle Institutsmitarbeiter Kenntnis von dessen Inhalt hatten. Da das Institut die Zeitschrift für Werbezwecke massenhaft kostenlos versendete, ist davon auszugehen, dass sie viele Menschen aus dem kirchlichen Bereich lasen. Am Ende des Gutachtens übertraf sich Eisenhuth nochmals selbst, indem er die »Juden302 Heinz Erich Eisenhuth: Zur Frage der Beteiligung der Judenchristen am christlichen Gottesdienst, in: Verbandsmitteilungen 5/6 (1941), S. 125–127, hier S. 125. 303 Eisenhuth: Zur Frage der Beteiligung, S. 126. 304 Eisenhuth: Zur Frage der Beteiligung, S. 125. 305 Eisenhuth: Zur Frage der Beteiligung, S. 126.

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christen« in deren Rechtsstellung gar unter die von Kriegsgefangenen einordnete: »Die Deutsche Evangelische Kirche steht also gegen die Judenchristen und auch eine kirchliche Betreuung ihrer Glieder innerhalb des Deutschen Reiches während des Krieges, weil es sich hier um Feinde des Reiches handelt, gegen die zuerst die politische Macht in Anwendung gebracht werden muß. Die Judenchristen können nicht etwa mit Kriegsgefangenen verglichen werden, denen eine seelsorgerische Betreuung zugestanden werden muß; denn die Juden gehören derjenigen Rasse zu, die den Untergang vor allem der arischen Völker auch besonders durch diesen Krieg herbeizuführen bestrebt ist.«306

Am 17. Dezember 1941 folgten die Landeskirchen von Thüringen, Mecklenburg, Sachsen, Nassau-Hessen, Anhalt und Lübeck dem Gutachten Eisenhuths und erließen eine Bekanntmachung, in der es heißt: »Eine deutsche evangelische Kirche hat das religiöse Leben deutscher Volksgenossen zu fördern. Rassejüdische Christen haben in ihr keinen Raum und kein Recht.«307

Eine derartige Aussage Eisenhuths mit der dazugehörenden Forderung, dass gegen »Judenchristen« »die politische Macht in Anwendung gebracht werden muss«, meinte nichts anderes, als die ideologische Unterstützung der bereits einsetzenden Deportationen von Juden und »Mischlingen« in die von der deutschen Wehrmacht eroberten östlichen Gebiete. Zur Legitimation der völligen Entrechtung und Vertreibung von »Judenchristen« bedienten sich die Thüringer Deutschen Christen einer fachlichen Expertise, für die das »Entjudungsinstitut« und seine professoralen Mitarbeiter das notwendige historische und theologische Wissen bereitstellten. Den gesamten Forderungskatalog unterlegte Eisenhuth dafür argumentativ mit den Lehren Martin Luthers: Luthers doppelten Kirchenbegriff nutzte Eisenhuth zur Ableitung, die Kirche der Gegenwart sei ausschließlich denjenigen Menschen vorbehalten, »die aus der deutschen Familie stammen.«308 Über die Abstammung definierte Eisenhuth – wieder in Rückgriff auf Luther – auch die Mitgliedschaft zur christlichen Gemeinschaft. Indem Luther diese Mitgliedschaft durch Geburt, nicht durch Taufe, verstanden wissen wollte, habe jeder Deutsche das Recht der Kirche anzugehören, so Eisenhuth. Bezüglich der »Judenchristen« schränkte er aber ein: »Dieses Recht steht aber nicht jedem zu, der getauft worden ist. Ein Mensch verbleibt auch nach der Taufe in dem geschichtlichen und völkischen Verband, dem er durch seine Geburt zugehört.«309 306 307 308 309

Eisenhuth: Zur Frage der Beteiligung, S. 127. Eisenhuth: Zur Frage der Beteiligung, S. 127. Eisenhuth: Zur Frage der Beteiligung, S. 125. Eisenhuth: Zur Frage der Beteiligung, S. 125.

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Eisenhuth argumentierte – unterlegt mit seiner Interpretation der Lehre Luthers –, dass ausschließlich die rassische Herkunft über die Aufnahme in die christliche Kirche und damit über die Erlangung des Seelenheils im christlichen Verständnis entscheiden könne. Wer von Geburt an kein »Deutscher«, sondern Jude im rassischen Verständnis war, könne auch niemals Christ werden, da er auf Grund seiner rassischen Herkunft ewig Jude bleibe. Damit setzte Eisenhuth das Sakrament der Taufe, welches den Eintritt in die christliche Gemeinschaft symbolisiert, inhaltlich außer Kraft und ersetzte sie durch die rassische Herkunft, die nunmehr über die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft entschied. Durch eine solche Herleitung mithilfe direkter Verweise auf Luther konnte der externe Leser den Eindruck gewinnen, es handele sich um ein wissenschaftliches Fachgutachten, zumal man dem Gutachter Eisenhuth dessen Titelbezeichnung »Prof. Lic. Dr.« voranstellte.310

3.2.3 Internationale Vernetzungen Die hier in zusammenfassender Form skizzierten Tätigkeitsfelder des Eisenacher »Entjudungsinstituts« beschränkten sich nicht nur auf jene landeskirchlichen Gebiete, die unter deutsch-christlichem Einfluss Thüringer Richtung standen. Auf wissenschaftlicher Ebene versuchte man zusätzlich einen internationalen Forschungsaustausch zu ermöglichen. Dies hatte den entscheidenden Vorteil, die vermeintliche Richtigkeit der eigenen Ergebnisse herausstellen zu können, wenn sie sogar bei Wissenschaftlern aus dem Ausland Anerkennung fanden. Beispielhaft partizipierte der schwedische Theologe Hugo Odeberg (1898–1973)311 mehrfach an Institutsveranstaltungen und publizierte eine philologische Studie über das Aramäische in einem der Institutssammelbände. Darin stellte er die aramäische Sprache als Muttersprache Jesu in einen Gegensatz zum Hebräischen und gelangte zu der Erkenntnis: »Die Syntax der aramäischen Sprache, das heißt, der Muttersprache Jesu, liegt der Syntax der modernen Sprachen viel näher als der Syntax der griechischen Sprache. Man 310 Die hohe gesellschaftliche Bedeutung von Titeln zu jener Zeit in Deutschland hat der amerikanische Soziologe Talcott Parsons (1902–1979) in zeitgenössischer Beobachtung beschrieben und auf die den unterschiedlichen Titeln zugedachte, innergesellschaftliche Hierarchisierung hingewiesen. Talcott Parsons: Democracy and Social Structure in Pre-Nazi Germany, in: Journal of Legal and Political Soziology 1 (1942), S. 96–114. 311 Zu Odebergs Institutsverbindungen vgl. Anders Gerdmar : Ein germanischer Jesus auf schwedischem Boden. Schwedisch-deutsche Forschungszusammenarbeit mit rassistischen Vorzeichen 1941–1945, in: Roland Deines/ Volker Leppin/ Karl-Wilhelm Niebuhr (Hg.): Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich, Leipzig 2007, S. 319–348.

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kann somit zu der erstaunlichen Feststellung gelangen, daß eine Aussage Jesu in einer schlichten deutschen Fassung, in reiner deutscher Sprache, dem ursprünglichen Sinn und der ursprünglichen Fassung viel getreuer sein kann als die Fassung, der wir im griechischen Neuen Testament begegnen.«312

Derartige Forschungserkenntnisse, zumal vorgetragen von einem schwedischen Professor, bestärkten zweifelsohne die Absicht, ein »deutsches Christentum« zu erschaffen. Sie stellten abermals den Gegensatz von Jesus gegenüber dem Judentum heraus und ermöglichten überdies eine Anschlussfähigkeit an das postulierte germanisch-deutsche Auserwähltsein.313 Neben der Einbeziehung internationaler Wissenschaftler in die direkte Institutsarbeit organisierte das Institut über die eigens dafür geschaffene Arbeitsgemeinschaft Germanentum und Christentum 1941 und 1942 jeweils eine Fachtagung, zu denen man Forscher, Nachwuchswissenschaftler, Studenten und Kirchenvertreter aus Schweden, Finnland, Rumänien und den besetzten Gebieten Dänemarks und den Niederlanden einlud.314 Sogar der dem Reichssicherheitshauptamt unterstellte Sicherheitsdienst bewertete jene internationalen Tagungen als positiv im Sinne der nationalsozialistischen Einflussnahme auf Schweden, wie aus einem Schreiben an das Auswärtige Amt hervorgeht: »Gerade in Anbetracht der bekannten, von seiten der englischen Kirche mit größter Energie verfolgten Bemühungen, die nordischen Kirchen für die Ziele der britischen Politik einzuspannen, erscheint diesem von deutschen kirchlichen Kreisen unternommenen Versuch einer Zusammenarbeit eine gewisse Bedeutung beizumessen zu sein. Außerdem dürfte es im Interesse der deutschen Politik im skandinavischen Raum liegen, insbesondere in Schweden und Dänemark eine Gruppenbildung unter der Theologenschaft dieser Kirchen zu fördern.«315

Die Ende 1942 zunehmend staatlicherseits ausgesprochenen Reiseverbote für Wissenschaftler, die weitere internationale Vernetzungen unterbanden, sind mit den Kriegseinschränkungen zu erklären. Dies betraf unter anderem die gegenseitigen Besuche von Mitarbeitern des Eisenacher Instituts mit den Vertretern des Institutsablegers im rumänisch-siebenbürgischen Sibiu/Hermannstadt. Diese offiziell als Arbeitsgemeinschaft des Institutes zur Erforschung des jüdi312 Hugo Odeberg: Die Muttersprache Jesu als wissenschaftliche Aufgabe, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses, Bd. 3: Sitzungsberichte der dritten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 9. bis 11. Juni 1942 in Nürnberg, Weimar 1943, S. 69–82, hier S. 78. 313 Vgl. hierzu auch Gerdmar : Ein germanischer Jesus auf schwedischem Boden, S. 327f. 314 Zu den Arbeitstagungen vgl. Gerdmar : Ein germanischer Jesus auf schwedischem Boden; Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 617–637. 315 PA AA, R 98796, [unfoliert] (Brief im Auftrag des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD – Unterschrift unleserlich – an das Auswärtige Amt vom 1. 10. 1942).

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schen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben in der Evangelischen Landeskirche A.B. [Augsburgischen Bekenntnisses] in Rumänien bezeichnete Außenstelle entstand nach der 1941 erfolgten Wahl des deutsch-christlichen Pfarrers Wilhelm Staedel (1890–1971) zum neuen Bischof der dortigen Landeskirche. In dieser Außenstelle konzentrierten sich die dortigen Mitarbeiter weniger auf eigene Forschungen zum christlich-jüdischen Verhältnis, vielmehr galt es, die aus der Arbeit des Eisenacher Instituts hervorgegangenen Ergebnisse in das siebenbürgische Kirchenleben zu integrieren.316 Bei den Tagungen jener Außenstelle ging es dementsprechend um die praktische Realisierbarkeit eines »arteigenen« Christentums. Für die gottesdienstliche Verkündigung sollte in der gesamten siebenbürgischen Landeskirche ausschließlich die »entjudete« Bibel des Eisenacher Instituts Anwendung finden. Staedel selbst nutzte diese für die Festpredigt anlässlich seiner feierlichen Bischofseinführung 1942. Dass für die Siebenbürger Sachsen von nun an eine neue religiöse Zeit anbrach, gab der Bischof offen zu, indem er vor dem Landeskonsistorium die rhetorische Frage stellte: »Ist es also im Sinne Luthers so ganz verfehlt, wenn man anstatt des alttestamentlichen Gesetzes mit seinen nicht für uns bestimmten hundert kleinen und großen Geboten unseren heutigen ›Sachsenspiegel‹, d. h. das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse bzw. die deutsche nationalsozialistische Lebensordnung setzt?«317

In derselben Rede machte Staedel darauf aufmerksam, dass eine Reform des schulischen Religionsunterrichts unter Verzicht auf das gesamte Alte Testament bereits in Arbeit sei,318 eine Reform, der sich wiederum die Außenstelle des Eisenacher Instituts annahm. Dabei orientierte man sich an den deutsch-christlichen Vorarbeiten aus dem Reich und passte diese an die siebenbürgischen Gegebenheiten an.319 Während die Durchsetzung eines deutsch-christlichen Religionsunterrichts im »Dritten Reich« an den machtpolitischen Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Zuständigkeitsbehörden letztendlich scheitern sollte, gelang es der siebenbürgische Kirche unter ihrem deutsch-christlichen Bischof und mithilfe der Arbeiten der dortigen Außenstelle des Eisenacher Instituts, einen solchen Religionsunterricht umzusetzen. 316 Ausführlich zu den dort abgehaltenen Tagungen Schuster : Eine unheilvolle Verbindung. 317 Wilhelm Staedel: Rede zur Eröffnung der 39. Landeskirchenversammlung gehalten am 1. Juni 1942 in Hermannstadt, in: Kirche im Volk. Bericht über die 39. Landeskirchenversammlung der ev. Landeskirche A. B. in Rumänien vom 31. Mai bis 3. Juni 1942, Hermannstadt-Sibiu 1942, S. 29–70, hier S. 41. 318 Staedel: Rede zur Eröffnung, S. 63. 319 Vgl. Ulrich Andreas Wien: »Entjudung« und Nationalsozialismus als Ziel des Religionsunterrichts. Zum Lehrplan für den Religionsunterricht an deutschen Schulen 1942, in: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 20 (2007), S. 65–77.

Das Eisenacher »Entjudungsinstitut« 1939–1945 – eine Überblicksdarstellung

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Diese Außenstelle, an deren Tagungstreffen trotz fortgeschrittener Kriegseinschränkungen wie Reisesperren und Wehrdiensteinberufungen mehr als 40 Personen aus Siebenbürgen und dem Banat teilnahmen, fungierte ebenso als Anlaufstelle für deutsch-christliche Missionsanstrengungen außerhalb des eigentlichen landeskirchlichen Einflussbereichs. So rekrutierte die Außenstelle aus dem eigenen Mitarbeiterkreis einen Teil jener Pfarrer, die im eroberten Transnistrien320 den dort noch lebenden deutschsprachigen Einwohnern »die Kunde von der wunderbaren Wiedergeburt des deutschen Volkes« und von Adolf Hitler als Retter bringen sollte.321 1942 erging an die Landeskirche überdies ein Ersuchen der SS, zur religiösen Unterweisung von Neusiedlern, Pfarrer in das Generalgouvernement zu entsenden. Reichsführer-SS Heinrich Himmler (1900–1945) persönlich bestand darauf, nur »geeignete Pfarrer« für diese Aufgabe auszuwählen,322 weshalb die Landeskirche vornehmlich jene Pfarrer in das besetzte Polen schickte, die sich bis dahin in der Instituts-Außenstelle engagiert hatten. Die Aussendung der Pfarrer unterstreicht abermals, dass sich die Kirchenbewegung Deutsche Christen und ihr »Entjudungsinstitut« zu keinem Zeitpunkt in einem religiösen Abwehrkampf gegen »Neuheiden«, beispielsweise aus den Reihen der SS, befanden.323 Vielmehr nutzte die SS sogar die ideologische Zuverlässigkeit dieser Leute, um sie für die religiöse Unterweisung der deutschen Neusiedler im besetzten Polen einzusetzen. Die entsendeten Institutsmitarbeiter beteiligten sich dadurch aktiv an der »Germanisierungspolitik« der Nationalsozialisten in den eroberten Ostgebieten.

320 Gebiet östlich Bessarabiens, zwischen den Flüssen Bug und Nistru mit der Schwarzmeerstadt Odessa als Verwaltungszentrum. Nach der Eroberung im Rahmen des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion 1941 erhielt Rumänien dieses Gebiet zugesprochen. 321 Wilhelm Staedel: Predigt gehalten gelegentlich der Aussendung der für Transnistrien bestimmten Pfarrer der evangelischen Landeskirche A. B. in Rumänien am Himmelfahrtstag, den 14. Mai 1942, o. O. o. J., S. 7. 322 BArch, R 59/65, Bl. 65. Zu jenem landeskirchlichen Einsatz im Generalgouvernement vgl. auch Doris L. Bergen: The Nazi Concept of »Volksdeutsche« and the Exacerbation of Anti-Semitism in Eastern Europe, 1939–45, in: Journal of Contemporary History 29 (1994), S. 569–582. Ausführlich zu der Arbeit der Außenstelle des Eisenacher Instituts in Transnistrien und im Generalgouvernement Dirk Schuster : Die Evangelische Landeskirche A.B. in Rumänien als nationalkirchlicher Missionsträger in den besetzten Ostgebieten zwischen 1941 und 1944, in: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 36 (2013), S. 181–192. 323 Horst Junginger widerlegt den Mythos, die SS habe die Etablierung einer paganen Religion vorangetrieben, und macht auf die notwendige Unterscheidung zwischen nordischem Weltbild (wie in der SS vertreten) und paganer Religiosität aufmerksam. Horst Junginger : Nordic Ideology in the SS and the SS Ahnenerbe, in: Horst Junginger/ Andreas akerlund (Hg.): Nordic Ideology between Religion and Scholarship, Frankfurt/M. 2013, S. 39–69.

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Das »Entjudungsinstitut«

3.2.4 Arbeitsergebnisse des »Entjudungsinstituts« – eine Bewertung Unter Berücksichtigung der Zeitumstände, in denen das »Entjudungsinstitut« über die Reichsgrenzen hinweg institutionell expandierte, Tagungen mit mehreren hunderten Teilnehmern veranstaltete, reichsweite Vortragsreisen organisierte, diverse Sammelbände veröffentlichte, Bibel sowie Gesangbuch »entjudete« und an Pfarrerschulungen partizipierte, ist die gerade einmal sechsjährige Schaffensphase des Eisenacher Instituts als außerordentlich produktiv zu bewerten. Denn Kontingentbeschränkungen von Papier, Militäreinberufungen von Mitarbeitern, begrenzte Mobilität usw. behinderten spätestens ab Ende 1941 spürbar die Arbeitsfortschritte. Die Thüringer Deutschen Christen sahen sich trotz neuer Bibel, neuem Gesangbuch und Forschungsergebnissen, welche die »Entjudung« wissenschaftlich legitimierten, keineswegs am Ende des Auftrages. So schrieb der Pfarrer und Institutsmitarbeiter Karl Dungs (1901–1971) im Februar 1943 in einem Rundschreiben: »Aus gegebenem Anlaß weise ich darauf hin, daß die Judenfrage trotz der inzwischen fast vollständigen Ausscheidung der Volljuden aus dem deutschen Volkskörper für uns immer noch akut ist. Nicht nur im Sinne der Arbeit des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben, die zweifellos noch zu bedeutsamen Erkenntnissen der Religionswissenschaft und Theologie führen wird. Neben den Volljuden, von denen man 1935 im alten Reichsgebiet rund 450000 ermittelt hatte, gab es und – das ist das jetzt für uns wichtige – gibt es aber noch die aus dem deutschen Volkskörper nur teilweise auszumerzenden Bastarde, für die man 1935 aus dem Zeitraum seit 1870 mindestens 300000 im alten Reichsgebiet errechnete, welche Zahl aber nur als ein Bruchteil der damals in Deutschland lebenden Nichtarier anzusehen sei. In Wirklichkeit müsse man einschließlich der 450000 Volljuden mit 112 Millionen Nichtariern im alten Reichsgebiet rechnen. […] Wenn auch das Reichsbürgergesetz und das Reichsbeamtengesetz, die mit ihren Bestimmungen die Ausscheidung bzw. wo das nicht geht, die Aufsaugung des jüdischen Blutes durch den deutschen Volksorganismus ordnen wollen, dem Mischling 2. Grades, dem sog. Vierteljuden, durch ihre Kann-Bestimmungen das Einwachsen in den Volkskörper unter bestimmten Voraussetzungen möglich machen, sollte es für uns keinen Zweifel geben, daß für die uns aufgetragene Sache jede Berührung auch nur mit einem Vierteljuden, mit jüdischem Blut auch nur im geringsten Hundertsatz, Gift ist, das unweigerlich den Keim der Zersetzung in unsere Sache hineinträgt. […] Nicht vergangen aber ist die Tatsache, daß nach wie vor Vierteljuden evangelische Pfarrer sind, was m. E. trotz der Bestimmungen des Reichsbeamtengesetzes über die Vierteljuden gänzlich unmöglich sein sollte. Denn auch Vierteljuden bleiben Juden. Und die Verantwortung des evangelischen Pfarrers, der wirklich Volksseelsorger sein will, erträgt auch nicht den geringsten Prozentsatz des zersetzenden jüdischen Blutes. […] Eine Grundforderung dieses Umdenkens ist die Ausscheidung allen jüdischen Wesens aus Geist und Art des christlichen Glaubens, das auf mancherlei Weise in ihn eingedrungen ist, wie uns das Institut mehr und mehr aufweisen wird. Eine unumgängliche

Das Eisenacher »Entjudungsinstitut« 1939–1945 – eine Überblicksdarstellung

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Voraussetzung dazu ist die strengste Vermeidung jeglicher Berührung auch mit Vierteljuden. Sie sollte uns umso leichter fallen, als uns die ungeheuren Auseinandersetzungen des Weltkampfes, in dem wir stehen, der von Juden angezettelt ist und weiter geschürt wird, überreichen Anschauungsunterricht geben über die alles echte Leben zersetzende Gefährlichkeit jüdischen Wesens und seine Verfilzung mit einem denaturierten (entchristlichten) Christentum.«324

Die Ausführungen von Karl Dungs über die vollständige »Ausscheidung der Volljuden aus dem deutschen Volkskörper« offenbaren die praktische Intention, welche die Thüringer Deutschen Christen mit dem Institut verfolgten: Alles »Jüdische« im gesamten deutschen Leben gehörte »ausgemerzt« und das eigene »Entjudungsprogramm« galt keineswegs als abgeschlossen, solange es noch »Vierteljuden« gab. Sicherlich ist eine solche radikale Haltung nicht jedem Institutsmitarbeiter zu unterstellen, zumal ohne schriftliche Nachweise. Dennoch steht außer Frage, dass die Forschungsarbeiten dazu dienten, Deutschland endgültig »judenfrei« zu machen, nicht im physischen Sinn wie staatlicherseits vollzogen, sondern im geistigen, christlich-religiösen Kontext. Die Mitarbeiter, allen voran die Universitätsangehörigen, trugen durch die vielfältige Öffentlichkeitsarbeit in Form von Tagungen mit internationalen Gästen, Sammelbänden, kleinen Schriften, Vorträgen, Pfarrerschulungen etc. ihre Ergebnisse nach außen. Sie wirkten hierdurch als Multiplikatoren, denn Pfarrer, Studenten und Laien übernahmen die neuen Ergebnisse zu Jesus und dem Judentum, zumal ausgearbeitet von angesehenen Professoren und Doktoren.325 Ebenso beschritt man den Weg über Beiträge in renommierten Fachzeitschriften, um in der Fachwelt auf die eigenen Ergebnisse aufmerksam zu machen.326 Die Forschungen über »jüdische Einflüsse« und deren angeblich negative Auswirkungen bildeten den Schwerpunkt der »Judenforschung« im »Dritten Reich«. Da sie dem wissenschaftlichen Zeitgeist entsprachen, waren sie zudem hochaktuell. Während sich die Rassenforschung auf Vererbungs- und äußere Merkmalforschung konzentrierte, wurde im Eisenacher Institut die Frage nach 324 Karl Dungs: Zur Judenfrage (Maschinenschrift vom 27. 02. 1943), EZA, 1/1657, Bl. 51f. Hervorhebungen im Original. Zu Karl Dungs Werdegang als nationalkirchlicher Pfarrer im Ruhrgebiet vgl. Holger Weitenhagen: Pfarrer Karl Dungs – ein konsequenter Deutscher Christ in Essen-Kupferdreh, in: Evangelischer Stadtkirchenverband Essen (Hg.): Die Evangelische Kirche in Essen vor dem Hintergrund von »nationaler Erhebung« und nationaler Katastrophe 1930 bis 1950, Essen 2003, S. 51–65. Zur antisemitischen Prägung Dungs während seiner Zeit als Theologiestudent vgl. Holger Weitenhagen: Evangelisch und deutsch. Heinz Dungs und die Pressepolitik der Deutschen Christen, Köln 2001, S. 34–46. 325 Heschel: The Aryan Jesus, S. 13. 326 Beispielhaft Walter Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums innerhalb der Jerusalemer Urgemeinde, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 38 (1939), S. 45–73.

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Das »Entjudungsinstitut«

geistigen Einflüssen untersucht. Das Ziel blieb indes dasselbe: Auch wenn das Institut organisatorisch von staatlichen Stellen unabhängig blieb, leistete es seinen Beitrag zur »Entjudung« von Geschichte und Gegenwart im Bereich von Kirche und Christentum. Die Institutsprogrammatik deckte sich mit den vom Staat vollzogenen Maßnahmen zur »Lösung der Judenfrage«. Lediglich die »Arbeitsgebiete« unterschieden sich, so grausam eine derartige Formulierung vor dem Hintergrund der Shoa auch klingen mag.327

327 In diesem Zusammenhang ist Peter M. Head beizupflichten, der die Gesinnung des Institutsprogramms mit jener der Wannsee-Konferenz gleichsetzt, auf der die Nationalsozialisten Anfang 1942 den industriellen Massenmord an den europäischen Juden organisatorisch planten. Peter M. Head: The Nazi Quest of an Aryan Jesus, in: Journal for the Study of the Historical Jesus 2 (2004), S. 55–89, hier S. 78.

4.

Das Eisenacher »Entjudungsinstitut« und die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der jüdischen Religion, Geschichte und Kultur sowie deren Vertretern hatte in Deutschland ihre Hochphase unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges,328 unter anderem bedingt durch die Gründung der Akademie für die Wissenschaft des Judentums 1919. Die Akademie versuchte sich im verstärkten Maße den wissenschaftlichen Gegebenheiten an deutschen Universitäten anzugleichen, was bis dato innerhalb der Wissenschaft des Judentums – unfreiwillig bedingt durch fehlende Unterstützung des deutschen Staates – nicht in ausreichender Form geschehen war.329 Bis 1933 bedeutete ›Wissenschaft des Judentums‹ die Erforschung des Judentums auf Grundlage historischer und philologischer Methoden durch jüdische Wissenschaftler. Dieser Forschungsbereich, unter anderem in Berlin seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts präsent, wuchs bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein kontinuierlich.330 Charakteristisch für die Wissenschaft des

328 Zur Wissenschaft des Judentums vor 1918 siehe Christian Wiese: Wissenschaft des Judentums und protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland. Ein Schrei ins Leere?, Tübingen 1999. Aktuelle Forschungsüberblicke zur Wissenschaft des Judentums bei Thomas Meyer/ Andreas Kilcher (Hg.): Die »Wissenschaft des Judentums«. Eine Bestandsaufnahme, Paderborn 2015; Kerstin von der Krone/ Mirjam Thulin: Wissenschaft in Context. A Research Essay on the Wissenschaft des Judentums, in: Leo Baeck Institute Year Book 58 (2013), S. 249–280. 329 Michael Brenner: Akademie für die Wissenschaft des Judentums, in: Dan Daner (Hg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur, Bd. 1, Stuttgart Weimar 2011, S. 20–22. Zur Geschichte der Akademie vgl. David Myers: The Fall and Rise of Jewish Historicism. The Evolution of the Akademie für die Wissenschaft des Judentums (1919–1934), in: Hebrew Union College Annual 63 (1992), S. 107–144. Ergänzende Angaben zur Akademie darüber hinaus bei Torsten Lattki: Benzion Kellermann. Prophetisches Judentum und Vernunftreligion, Göttingen 2016, S. 384f. 330 Ismar Schorsch: Das erste Jahrhundert der Wissenschaft des Judentums (1818–1919), in: Michael Brenner/ Stefan Rohrbacher (Hg.): Wissenschaft vom Judentum. Annäherungen nach dem Holocaust, Göttingen 2000, S. 11–24, hier S. 11. Zur Rezeption der deutschsprachigen Wissenschaft des Judentums in den 1920er Jahren vgl. Arndt Engelhardt: Divergierende Perspektiven. Zur Rezeption der deutsch-jüdischen Enzyklopädien in der

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Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

Judentums in Deutschland blieb jedoch, dass sie größtenteils außerhalb der Universitäten stattfand.331 Eine solche Entwicklung vollzog sich hauptsächlich infolge der staatlichen und inneruniversitären Ablehnung gegenüber einer eigenständigen, von Juden betriebenen Wissenschaft, weshalb sich die Wissenschaft des Judentums auf eine privatwirtschaftliche Finanzierung stützen musste.332 Mit der Übernahme der Regierungsgewalt durch die Nationalsozialisten Ende Januar 1933 entstand innerhalb der deutschen Wissenschaftslandschaft mit der »Erforschung der Judenfrage« bzw. der »Judenforschung«333 ein völlig neues Forschungsfeld zur Untersuchung des Judentums, charakterisiert durch den Schnittpunkt von Wissenschaft und nationalsozialistischer Ideologie. Aus einer zuvor sachlich betriebenen Untersuchung der jüdischen Geschichte und Kultur mit den modernsten wissenschaftlichen Methoden der Philologie und Geschichtswissenschaft wurde nun eine »Judenforschung« etabliert, die eine ganz andere Zielsetzung verfolgte. »Judenforschung«334 bezeichnet dabei jene geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Arbeiten, »die während der nationalsozialistischen Herrschaft von nichtjüdischen Wissenschaftlern betrieben wurden und sich aus explizit antisemitischer Perspektive mit der Geschichte des Judentums und der sogenannten ›Judenfrage‹ beschäftigten.«335

Als »Judenfrage« galt im »Dritten Reich« die schon länger existierende, antisemitisch intendierte Behauptung, ein Zusammenleben von Juden und Nichtjuden

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Weimarer Republik, in: Trumah. Zeitschrift der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg 17 (2008), S. 39–53. Schorsch: Das erste Jahrhundert, S. 19. Vgl. zur Entwicklung der Wissenschaft des Judentums an deutschen Universitäten bis zum Ende des 20. Jahrhunderts auch die zusammenfassende Überblicksdarstellung von Michael Brenner: Jüdische Geschichte an deutschen Universitäten – Bilanz und Perspektive, in: Historische Zeitschrift 266 (1998), S. 1–21 sowie ausführlich ders.: Propheten des Vergangenen. Jüdische Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert, München 2006. Horst Junginger: Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage« im Nationalsozialismus, Darmstadt 2011, S. 87. Es handelt sich bei beiden Begriffen um zeitgenössische Termini zur Umschreibung dieses neuen Forschungsfeldes, weshalb die Begriffe als Quellensprache Verwendung finden. Vgl. Nicolas Berg/ Dirk Rupnow : Einleitung: »Judenforschung« – Zwischen Wissenschaft und Ideologie, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts 5 (2006), S. 303–312, hier S. 305. Im Folgenden wird nur eine Kurzzusammenfassung zur »Judenforschung« ab 1933 gegeben. Ausführlich dazu Dirk Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie, Baden Baden 2011. Dirk Rupnow : Judenforschung, in: Ingo Haar/ Michael Fahlbusch (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen, München 2008, S. 312–322, hier S. 312.

Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

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sei aufgrund rassischer Eigenschaften gänzlich unmöglich.336 Wenn im Folgenden – in grober Zusammenfassung – das Thema »Judenforschung« dargestellt wird, so hat dies den Hintergrund, dass eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Eisenacher Institut nicht unter Ausblendung der nationalsozialistischen »Erforschung der Judenfrage« geschehen kann. Bei einer isolierten Aufarbeitung der Geschichte des Eisenacher Instituts würden ein erklärender Gesamtzusammenhang zur restlichen »Judenforschung« und deren »spezifische[m] Denkstil«337 fehlen. Zudem bestünde die Versuchung, ein einzelnes Institut innerhalb der weitläufigen Wissenschaftslandschaft schnell zu marginalisieren. In der gesamten »Judenforschung« war der Antisemitismus das »erkenntnisleitende Prinzip […], die jeweils bereits antisemitisch konstruierte ›Judenfrage‹ bildete den Ausgangspunkt des wissenschaftlichen Interesses und den Fokus der Forschungstätigkeit.«338

Die »Judenforschung« trat jedoch nicht als eine homogene Disziplin in Erscheinung, sondern stellte vielmehr ein Konglomerat verschiedener Forschungszugänge und -methoden dar, deren Gemeinsamkeit die antisemitische Grundintention der jeweiligen Arbeiten war.339 Ferner war die »Judenforschung« keinesfalls identisch mit der sogenannten »Rassenkunde«. Die »Rassenkunde« erlebte nach 1933, speziell im Bereich der Naturwissenschaften und der Medizin, eine immense Aufwertung. Es gelang deren Vertretern indes nicht, eine einheitliche Kategorisierung von Rasse anhand physischer Merkmale zu erstellen, allen voran gegenüber der »jüdischen Rasse«.340 An dieser vermeintlichen Schwachstelle setzte die »Judenforschung« an, indem sie mit geisteswissenschaftlichen Methoden den Versuch unternahm, durch Erforschung der jüdischen Geschichte geistige Rassenmerkmale von Juden herzuleiten.341 Was die »Rassenforschung« nicht vermochte, den postu336 Vgl. Werner Bergmann: Judenfrage, in: Wolfgang Benz (Hg.): Handbuch des Antisemitismus. Bd. 3: Begriffe, Theorien, Ideologien, Berlin 2010, S. 147–150. 337 Dirk Rupnow : ›Arisierung‹ jüdischer Geschichte – Zur nationalsozialistischen Judenforschung, in: Leipziger Beiträge zur jüdischen Geschichte und Kultur, Bd. 2, hg. v. Dan Diner, München 2004, S. 349–367, hier S. 350f. Ein Negativbeispiel für die Einordnung des Eisenacher »Entjudungsinstituts« ohne jegliche Einbettung in den historischen Kontext liefert Robert Morgan: Susannah Heschel’s Aryan Grundmann, in: Journal for the Study of the New Testament 32 (2010), S. 431–494. Vgl. hierzu auch die Zusammenfassung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen Robert Morgan und Susannah Heschel bei Kyle Jantzen: On Christian Anti-Judaism and Antisemitism, in: Contemporary Church History Quarterly 20 (2014), Nr. 3. 338 Rupnow : ›Arisierung‹ jüdischer Geschichte, S. 351. 339 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 319. 340 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 17f. 341 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 18f.

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Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

lierten Gegensatz von Juden und »Ariern« zu beweisen, wurde hier mittels historischer Forschung zu erreichen versucht. Den Ausgangspunkt jeder Arbeit bildete dabei die Absicht, einen Beitrag zur »Lösung der Judenfrage« zu liefern: wenn auch nicht im Sinne einer physischen Vernichtung, so doch in einer vollständigen Separation aller jüdischen Einflüsse von angeblich deutscher Kultur, Religion, Geschichte, etc.342 Parallel zu den Vertreibungen und der Ermordung der Juden institutionalisierte sich die »Judenforschung« durch die Gründung diverser Forschungsinstitute und deren Etablierung an deutschen Universitäten.343 Die physische Verdrängung von Juden aus dem Alltagsbild und die gleichzeitig stattfindende wissenschaftliche Erforschung des Judentums stellten dabei keinen Widerspruch dar : »Mit der antijüdischen Politik entstand notwendigerweise ein Interesse und ein Bedarf für das Thema – wenn auch (ebenso notwendigerweise) mit eindeutigen ideologischen und politischen Absichten, die die Themen und Arbeiten der ›Judenforschung‹ durchgehend beeinflussen sollten. Bei einer konsequenten Vernichtungs- und Völkermordpolitik musste die ›Judenforschung‹ zudem langfristig eine konservierende Funktion erhalten: das Judentum wurde musealisiert, musste aber als Argument und daher als historisches Faktum erhalten bleiben.«344

Die »Erforschung der Judenfrage« war aber keine ideologische Strukturierung oder gar alleinige wissenschaftliche Legitimierung des Nationalsozialismus, sondern übertrug den Antisemitismus als gedankliche Hauptgrundlage in den Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften.345 Michael Brenner konstatiert, neben der antisemitischen Ausrichtung jener Forschungen sei das eigentlich Bedrückende – und man ist geneigt zu ergänzen, das eigentlich Zynische –, dass »ausgerechnet unter diesen negativen Vorzeichen erstmals in Deutschland eine systematische Forschung zur jüdischen Geschichte von nichtjüdischer Seite erfolgte.«346

342 Dirk Rupnow : Eine neue nationalsozialistische Musterdisziplin? »Judenforschung« an der Universität Leipzig, in: Stephan Wendehorst (Hg.): Bausteine einer jüdischen Geschichte der Universität Leipzig, Leipzig 2006, S. 345–376, hier S. 370. 343 Ausführlich zu den verschiedenen Forschungsinstituten, die nicht allein auf das »Dritte Reich« beschränkt blieben, sondern auch in den besetzten Gebieten Europas gegründet wurden, Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 63–153. 344 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 19. 345 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 393. 346 Brenner: Jüdische Geschichte an deutschen Universitäten, S. 12.

Die Faktoren Rasse und Religion

4.1

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Die Faktoren Rasse und Religion

Ohne den Begriff »Rasse« ist die nationalsozialistische Weltanschauung nicht denkbar, da die gesamte Ideologie Hitlers auf dem Rassengedanken fußte.347 Antisemitismus und die Höherwertigkeit einer »arischen« Rasse gegenüber anderen Rassen, wozu er die Juden zählte, gehörten in Hitlers Denken untrennbar zusammen. Der Rassengedanke des Nationalsozialismus bildete dementsprechend die Grundlage »zum Begreifen der Weltgeschichte mit dem Endziel säkularen Heils nach Vernichtung der Schädlingsrasse, des negativen, kulturzerstörenden Prinzips.«348 Dementsprechend galt Rasse mit der implementierten Wertzuschreibung als die Grundkategorie der »Judenforschung«. Dennoch stellten rassische Kategorisierungen eines Menschen die »Judenforscher« gleich den Nationalsozialisten vor dasselbe Problem – wie eine solche Einordnung exakt zu erfolgen habe. Da es die »Rassenkunde« nicht vermochte, einheitliche Rassenkategorisierungen zu präsentieren, mussten andere Kriterien gefunden werden, um eine exakte Rassensystematisierung zu gewährleisten. Es ging dabei um die schlichte, aber in ihrer letzten Konsequenz totbringende Frage, ab wann ein Mensch als Jude galt. Noch schwieriger gestaltete sich eine Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden bei bereits verstorbenen Personen, wo eine rassenkundlich-physische Quantifizierung ohnehin nicht mehr im Bereich des Möglichen lag. Für eine Beurteilung der rassischen Zugehörigkeit bot sich den Nationalsozialisten letztendlich nur eine Möglichkeit: das religiöse Bekenntnis der betreffenden Person sowie von dessen Eltern und Großeltern. Rasse definierte sich somit laut den »Nürnberger Rassengesetzen« von 1935 nicht über äußerliche Merkmale. Die Kategorisierung von Nichtjude und Jude oblag lediglich der Religionszugehörigkeit und daran anknüpfend dem angeblichen Einfluss »jüdischer Gene«, die in antisemitischen Vorstellungen immer eine dominante Stellung einnahmen, egal wie gering der Anteil des jüdischen Einflusses durch Vorfahren auch gewesen sein mochte.349 Welch groteske und für die betreffenden Personen teilweise lebensbedrohlichen Szenarien derartige Versuche einer rassischen Menscheneinteilung her347 Roman Töppel: »Volk und Rasse«. Hitlers Quellen auf der Spur, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 64 (2016), S. 1–35. 348 Werner Conze/ Antje Sommer : Rasse, in: Otto Brunner/ Werner Conze/ Reinhard Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 5, Stuttgart 1984, S. 135–178, hier S. 176. 349 Raul Hilberg: The Destruction of the European Jews, Bd. 1, New Haven London, 32003, S. 65f., Barbara Picht: 15. September 1935: Propaganda und Erinnerung. Der Tag des Erlasses der Nürnberger Gesetze, in: Etienne Francois/ Uwe Puschner (Hg.): Erinnerungstage. Wendepunkte der Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart, München 2010, S. 272–285.

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Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

vorbrachten, veranschaulicht ein Beispiel aus dem Jahr 1944: Eine Abiturientin bewarb sich für die Zulassung, Physik oder Chemie studieren zu dürfen. Da sie offiziell als »Mischling zweiten Grades«350 galt, musste die Ärztekammer ein Gutachten zur »Artung« der betreffenden Abiturientin erstellen. Über den »halbjüdischen« Vater urteilten die Gutachter, dessen körperlichen Merkmale seien rein jüdisch, »[i]n seiner Art, sich zu geben, hat er allerdings kaum etwas Jüdisches.« Aufgrund der »jüdischen Milieu-Einwirkung ihres halbjüdischen Vaters und aller Konsequenzen, die sich dabei für sie und ihre Umgebung ergeben«, könne sich die Abiturientin niemals klar zum Nationalsozialismus bekennen, so das Gutachten weiter. Deshalb erhielt die junge Frau lediglich die Erlaubnis, eine Ausbildung als Chemikerin oder medizinisch-technische Assistentin zu absolvieren. Die Staatsvertreter wollten auf diese Weise die intellektuellen Fähigkeiten der jungen Frau nutzen, gleichzeitig aber eine »jüdische Beeinflussung« von Mitmenschen auf ein geringes Maß reduzieren.351 Ein ähnliches Beispiel für die skurril anmutenden Versuche der Rassenzuschreibung beschreibt Horst Junginger : Auf der Tagung Rasse und Religion zu Ostern 1938 stritten die Teilnehmer über die musikalische Begabung der »nordischen Rasse«. Einerseits seien Beethoven und Bach rein äußerlich keinesfalls »nordischer Art« gewesen. Andererseits machte der als »Rassepapst« bekannte Professor für Rassenkunde Hans F. K. Günther (1891–1968) den Einwand geltend, dass seine friesische Hausangestellte immer bei der Arbeit singe, was als Beweis für die Musikalität der »nordischen Rasse« genügte.352 Auf dieser Tagung gingen die Beteiligten sogar soweit, einen Ausdruck vermeintlich »germanischer Volksfrömmigkeit« bei einer deutschen Bäuerin entdecken zu wollen, die ihre Hühner mit Liebe füttere.353 Rasseneinordnungen, basierend auf rein äußerlichen bzw. naturwissenschaftlichen Methoden, blieben schlicht unmöglich, wollte man sich wissenschaftlich nicht gänzlich diskreditieren. So galt oftmals die »jüdische Denk- und Sinnesart« als entscheidender Ansatzpunkt für die rassische Kategorisierung eines Menschen, welcher sich nach den »Nürnberger Rassengesetzen« nicht eindeutig als Jude einordnen ließ. In einer rechtswissenschaftlichen Abhandlung von 1939 heißt es hierzu: 350 Was nichts anderes bedeutete, dass ein Großelternteil als Jude galt, die Abiturientin also angeblich zu 1/4 jüdisch war. 351 Zitate nach Albrecht Götz von Olenhusen: Die »nichtarischen« Studenten an den deutschen Hochschulen. Zur nationalsozialistischen Rassenpolitik 1933–1945, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 14 (1966), S. 175–206, hier S. 203f. 352 Zu Günthers Biographie und Rassenvorstellung vgl. Elvira Weisenburger : Der »Rassepapst«. Hans Friedrich Karl Günther, Professor für Rassenkunde, in: Michael Kißener/ Joachim Scholtyseck (Hg.): Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg, Konstanz 1997, S. 161–199. 353 Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 177f.

Die Faktoren Rasse und Religion

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»Für das Rasseschicksal der blutmäßig genau in der Mitte zwischen Deutschtum und Judentum stehenden Halbjuden soll demnach ihre innere Ausrichtung entscheidend sein. Diese Lösung ist vom Standpunkt der nationalsozialistischen Rassenlehre aus gesehen allein folgerichtig; denn wenn Rasse die Gemeinschaft körperlicher Merkmale und seelischer Eigenschaften zugleich bedeutet und wenn sie die Gedanken und Empfindungen, Kräfte und Triebe eines Menschen nicht weniger als seine äußere Gestalt formt und ausprägt, dann muß für die Bestimmung der Rasse eines Menschen neben dem Blut die geistig-sittliche Haltung ausschlaggebend sein.«354

Dennoch erfolgte die Grundkategorisierung von »Jude«, »Mischling« bzw. »Halb-« oder »Vierteljude« zuallererst über die Religionszugehörigkeit der Vorfahren, die sich mittels Taufeintragungen in den Kirchenbüchern feststellen ließen.355 Die Kirchen leisteten für eine solche Rassenunterteilung ihren Beitrag, indem sie bei der Ausstellung von amtlichen Abstammungsnachweisen, den sogenannten Ariernachweisen, bereitwillig die hierfür notwendigen Kirchenbücher bereitstellten, in denen die Religion der betreffenden Vorfahren verzeichnet war.356 Sie hatten hierdurch einen beachtlichen Anteil an der ›Erschaffung von Juden‹ und der damit einhergehenden Entrechtung und Ermordung jener Personen, welche aufgrund der Religionszugehörigkeit ihrer Vorfahren plötzlich als Juden galten. Diese, auf rassentheoretischen Diskursen basierende Form des Antisemitismus hatte ihre Grundlage somit zu großen Teilen in dem Faktor Religion. Hingegen sind die Ressentiments gegenüber Angehörigen der jüdischen Religion historisch betrachtet älter und stellen eine Grundkonstante des Christentums dar, welches sich gegenüber dem Judentum immer abgrenzte und erst hierdurch selbst legitimierte.357 Die im ›modernen‹ Antisemitismus artikulierten Stereotype gegenüber Juden schlossen nahtlos an bereits Jahrhunderte alte christliche Vorurteile an und übernahmen diese in eindeutiger Abgrenzungsabsicht.358 Dabei entwickelte der zunächst theologisch argumentierende christliche Judenhass bereits im ausgehenden Mittelalter Formen, die eine si354 H. Jobst: Mischling oder Jude?, in: Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 6 (1939), S. 308f., hier S. 308. 355 Ließ beispielsweise ein jüdisches Ehepaar ihr Kind christlich taufen, so findet sich in den Kirchenbüchern ein entsprechender Hinweis, dass die Eltern Juden sind. 356 Vgl. hierzu die Beiträge in Manfred Gailus (Hg.): Kirchliche Amtshilfe. Die Kirche und die Judenverfolgung im »Dritten Reich«, Göttingen 2008. 357 Ernst Baltrusch vertritt jedoch in diesem Zusammenhang die These, dass die zunehmende Entrechtung der Juden im Römischen Reich ab dem 4. Jahrhundert nicht ausschließlich auf die Ausbreitung des Christentums zurückzuführen sei, sondern dies lediglich eine Fortführung innerstaatlicher Prozesse darstellte, die in den Jahrhunderten zuvor bereits begannen. Ernst Baltrusch: Die Christianisierung des Römischen Reiches. Eine Zäsur in der Geschichte des Judentums?, in: Historische Zeitschrift 266 (1998), S. 23–46. 358 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 413.

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Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

gnifikante Argumentationsähnlichkeit aufweisen, wie sie später als typisch für den ›modernen‹ Antisemitismus galten.359 Der Faktor Rasse, welcher der »Erforschung der Judenfrage« immer zugrunde lag, stellte folglich keine genuin neue Größe in der (hierarchischen) Kategorisierung der Menschheit dar, sondern beruhte lediglich auf althergebrachten religiös-christlichen Vorurteilen. Im Gegensatz zur theologischen Judenfeindschaft, die seit dem 19. Jahrhundert infolge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zunehmend unlogischer erschien, erhielten negative Stereotype gegenüber Juden mithilfe der Referenz »Rasse« eine vermeintlich wissenschaftliche Absicherung. In diesem Zusammenhang musste sich auch die Universitätstheologie auf die neuen wissenschaftlichen Resultate einlassen und diese für die eigenen Zwecke einsetzen, um die Aktualität der eigenen Ansichten zu untermauern. Die bis in das 19. Jahrhundert hinein gepflegten antijüdischen Ansichten ließen sich nicht mehr allein mithilfe religiöser Vorstellungen artikulieren, sondern sie hatten sich gleichzeitig einer gewissen Wissenschaftlichkeit zu bedienen. »Einfach zu sagen, die Juden würden an den falschen Gott glauben und das Mysterium der Taufe als Antwort auf die Probleme der Gegenwart auszugeben, konnte schwerlich eine Erfolg versprechende Strategie sein. Das heißt, die konventionelle Berufung auf die Wahrheit des christlichen Glaubens war für eine Lösung der ›Judenfrage‹ dysfunktional geworden.«360

Um die bestehende negative Einstellung gegenüber Juden aufrecht zu erhalten, musste der Antisemitismus einer wissenschaftlichen Argumentation standhalten und gleichzeitig die vorherrschenden und tief verwurzelten religiösen Stereotype weiterhin bedienen können. Die Rassentheorie bot hierfür die Möglichkeit, sich einerseits von der unwissenschaftlichen und in der Hauptsache religiös argumentierenden Judenfeindschaft der vorhergehenden Jahrhunderte abzusetzen, andererseits die eigenen Vorbehalte gegenüber Juden anhand ›objektiver wissenschaftlicher Kriterien‹ zu unterstreichen.361 Mit dem Erlass der Nürnberger Rassengesetze 1935 entschied auch rein rechtlich nicht mehr das eigene religiöse Bekenntnis darüber, ob jemand als »Jude« oder »Nichtjude« 359 Vgl. Wolfgang Benz: Was ist Antisemitismus?, München 2004, S. 66–82; mit weiterführenden Literaturangaben ebenso George M. Fredrickson: Rassismus. Ein historischer Abriß, Hamburg 2004, S. 33–40. Hierzu auch Winfried Frey : Vom Antijudaismus zum Antisemitismus. Ein Antijüdisches Pasquill von 1606 und seine Quellen, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 18 (1989), S. 251–279. Frey stellt darin fest, dass die Legitimation des Antisemitismus auf christlichem Judenhass basierte und belegt dies anhand eines Beispiels aus dem frühen 17. Jahrhundert. Ausführlich zur Differenzierungsproblematik von Antijudaismus, Antisemitismus, Protoantisemitismus etc. Johannes Heil: »Antijudaismus« und »Antisemitismus«. Begriffe als Bedeutungsträger, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 6 (1997), S. 92–114. 360 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 45. 361 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 45f.

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wahrgenommen wurde, sondern die Abstammung bildete das Kriterium. Das religiöse Bekenntnis der Vorfahren urteilte darüber, ob eine Person in der Außenwahrnehmung als »Jude« galt, gleich welcher Religion er oder sie sich selbst zurechnete. Rasse bzw. die Rassenkategorisierung, bezogen auf »Jude« oder »Nichtjude«, blieb angewiesen auf den Faktor Religion. Davon unabhängig konnten christliche Vertreter durch die Rassenlehre die religiöse Höherwertigkeit des eigenen Glaubens gegenüber der jüdischen Religion propagieren. Infolge des vermeintlichen Wahrheitsgehaltes von rassischen Unterscheidungen erhielten derartige Abwertungen der jüdischen Religion gegenüber dem Christentum eine gewisse Absicherung, gestützt auf die Wissenschaft.362 Das Christentum und allen voran der deutsche Protestantismus sorgten letztendlich mit der ›wissenschaftlichen Modernisierung‹ ihrer eigenen Judenfeindschaft für eine breite gesellschaftliche Akzeptanz des Antisemitismus. Diese Akzeptanz, verbunden mit den chaotischen sowie sich zuspitzenden partei- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre, unterstützte den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland.363

4.2

Die Wandlung der universitären Wissenschaft ab 1933 am Beispiel Leipzigs

Die ohnehin bestehenden antisemitischen Vorurteile in weiten Kreisen der deutschen Gesellschaft verstärkten sich noch im 19. Jahrhundert. Dies zeigte sich unter anderem in der stets virulenten Forderung nach einer Assimilation der Juden in Deutschland und den dafür notwendigen praktischen Maßnahmen. Durch Romane und die Schriften bekennender Antisemiten wie Richard Wagner (1813–1883) verfestigten sich derartige Zuschreibungen gegenüber »dem Juden« und verstärkten damit die ohnehin schon bestehenden Aversionen.364 362 Horst Junginger verdeutlicht dies ausführlich am Beispiel der »Judenforschung« in Tübingen. Horst Junginger : Antisemitismus in Theorie und Praxis. Tübingen als Zentrum der nationalsozialistischen »Judenforschung«, in: Urban Wiesing u. w. (Hg.): Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, Stuttgart 2010, S. 483–558. 363 Susannah Heschel: Rassismus und Christentum. Das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben, in: Uwe Puschner/ Clemens Vollnhals (Hg.): Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungs- und Konfliktgeschichte, Göttingen 2012, S. 249–264, hier S. 258f. Heschel kritisiert in diesem Zusammenhang die oftmals fehlende Beachtung der Rolle des Christentums bei Analysen zum Aufstieg des Nationalsozialismus. 364 Vgl. Jacob Katz: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933, München 1989, speziell S. 200–216. Zur Entstehung der »Judenfrage« im ausgehenden

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Auf die ausgrenzenden Ressentiments von deutschen Geisteswissenschaftlern gegenüber jüdischen Wissenschaftlern – bzw. als Juden wahrgenommenen Personen – hat Horst Junginger am Beispiel der Universität Tübingen ausführlich hingewiesen.365 Für die Leipziger Universität sind judenfeindliche Denkmuster in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ebenfalls nachweisbar : In einer Denkschrift der Theologischen Fakultät an das Kultusministerium in Dresden vom 16. November 1911 bemängelte Rudolf Kittel (1853–1929) fehlendes Expertenwissen von christlichen Gelehrten bezüglich hebräischer Sprache und Talmud, dem nunmehr entgegenzusteuern sei: »Schon der 1902 verstorbene grosse Göttinger Orientalist und Theologe Paul de Lagarde366 hat mehrfach die Forderung aufgestellt, es müssten an unseren Universitäten eigene Lehrkanzeln für die spätjüdischen und talmudischen Wissenschaften eingerichtet werden. Trotzdem ist bisher in Deutschland in dieser Richtung so gut wie nichts geschehen. […] Der Natur der Sache nach sind die wenigen Kenner der hier in Frage kommenden Dialekte Juden. […] Hierdurch entsteht die ernste Gefahr, dass, wo Christen über diese Dinge mitreden wollen, sie sich bei Juden Rats [sic!] einholen 18. Jahrhundert und der nachfolgenden Konzepte vgl. Paul Lawrence Rose: German Question/ Jewish Question. Revolutionary Antisemitism from Kant to Wagner, Princeton 1992. Rose legt Wert darauf festzuhalten, dass die vor 1850 entstandenen Ideen und Interpretationen nicht als rassistisch interpretiert werden dürften, sondern der biologistische Rassismus erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum dominierenden Erklärungsprimat innerhalb der »Judenfrage« aufstieg. Rose: German Question, S. 63. 365 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«. Auch Frank Bajohr verweist in diesem Zusammenhang auf den weitverbreiteten Antisemitismus unter Akademikern und Studenten, so dass viele deutsche Universitäten während der Zeit der Weimarer Republik »ein Hort des Antisemitismus waren.« Frank Bajohr : Vom antijüdischen Konsens zum schlechten Gewissen. Die deutsche Gesellschaft und die Judenverfolgung 1933–1945, in: Frank Bajohr/ Dieter Pohl (Hg.): Massenmord und schlechtes Gewissen. Die deutsche Bevölkerung, die NS-Führung und der Holocaust, Frankfurt/M. 2008, S. 15–79, hier S. 22– 24. Dazu auch Konrad H. Jarausch: Universität und Nationalsozialismus. Aspekte einer erschreckenden Beziehung, in: Regina Fritz/ Grzegorz Rossolin´ski-Liebe/ Jana Starek (Hg.): Alma Mater Antisemitica. Akademisches Milieu, Juden und Antisemitismus an den Universitäten zwischen 1918 und 1939, Wien 2016, S. 21–36, hier S. 22–24. 366 Zum Antisemitismus Paul de Lagardes (1827–1892) und seiner Vorreiterrolle für eine »artgemäße Religion« vgl. Ulrich Sieg: Deutschlands Prophet. Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus, München 2007; Jörn Meyers: Religiöse Reformvorstellungen als Krisensymptom? Ideologen, Gemeinschaften und Entwürfe »arteigener Religion« (1871–1945), Frankfurt/M. u. w. 2012, S. 27–41; Gesine Palmer : The Case of Paul de Lagarde, in: Hubert Cancik/ Uwe Puschner (Hg.): Antisemitismus, Paganismus, Völkische Religion, München 2004, S. 37–53; Ina Ulrike Paul: Paul Anton de Lagarde: in: Uwe Puschner/ Walter Schmitz/ Justus H. Ulbricht (Hg.): Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871–1918, München 1999, S. 45–93, hier S. 62–74. So forderte de Lagarde eine Reinigung des Christentums von jüdischen Einflüssen und die Hinführung des Christentums zu einer »deutschen Religion«. Rainer Lächele: Ein Volk, ein Reich, ein Glaube: die »deutschen Christen« in Württemberg 1925–1960, Stuttgart 1994, S. 8. Zu de Lagarde und dessen religiösem Weltbild auch Fritz Stern: Kulturpessimismus als politische Gefahr, Stuttgart 2005, S. 27–139.

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müssen, besonders aber, dass diese Wissenszweige mit der Zeit zu einer Art Geheimwissenschaft des Judentums werden, eine Gefahr, die umso ernster ist, als sich innerhalb des Judentums in neuerer Zeit viel stärker als früher eine jüdische ›apologetische‹, d. h. gegen das Christentum aggressiv vorgehende Richtung, geltend macht.«367

Ziel, so die Fakultät, müsse daher die Ausbildung von christlichen Gelehrten sein, welche etwa bei den geführten Debatten über die historische Existenz Jesu an derartigen »geistigen Kämpfen« mit Erfolg teilnehmen könnten.368 Zu diesem Zweck sei es notwendig, eine Lektorenstelle für späthebräische, jüdisch-aramäische und talmudische Wissenschaft einzurichten. Jene Stelle könne zunächst Israel Issar Kahan (1858–1924)369 besetzen, »wenngleich nach dem oben Gesagten das Augenmerk darauf zu richten wäre, dass mit der Zeit christliche Kräfte, an denen es im Augenblick fast vollständig fehlt, in Betracht gezogen werden können.«370

In Kittels Schreiben spiegelt sich eine Denkweise wider, die symptomatisch für einen Teil der deutschen Geisteswissenschaftler und Theologen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war : Jüdischen Forschern sprachen sie jegliche Objektivität in Bezug auf deren wissenschaftliche Beschäftigung mit der jüdischen Religion, Geschichte und Kultur ab und versagten ihnen damit Gleichberechtigung und Gleichbehandlung.371 Es bestand im eigentlichen Sinn auch kein Interesse an jüdischer Forschung und Tradition. Die Leipziger Theologische Fakultät ging dementsprechend so weit, jüdischen Wissenschaftlern eine Unterwanderung in Form einer ›Geheimwissenschaft‹ der von Christen geführten ›objektiven‹ Wissenschaft(en) zu unterstellen. So wird erklärbar, weshalb sich Rudolf Kittel für die Anstellung eines Juden aussprach, sollte es sich dabei doch lediglich um eine zeitlich begrenzte Notlösung handeln. Zudem fand sich bei Kahan eine gewisse »Unterwürfigkeit gegenüber der christlich-protestantischen Wissenschaftsgemeinschaft«, wie Henry Wassermann feststellt.372 Nach Abschluss der Ausbildung könnten zukünftig, so der Plan Kittels, christ367 SächsHStA, 10193/9 [Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften], Bl. 2. Hervorhebung im Original. Hierzu auch Henry Wassermann: Fehlstart: Die »Wissenschaft vom späten Judentum« an der Universität Leipzig (1912– 1941), in: Stephan Wendehorst (Hg.): Bausteine einer jüdischen Geschichte der Universität Leipzig, Leipzig 2006, S. 321–343, hier S. 326–328; Wiese: Wissenschaft des Judentums, S. 327–329 mit dem vollständigen Abdruck der Bittschrift. 368 SächsHStA, 10193/9 [Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften], Bl. 3. 369 Zu Kahan vgl. Wassermann: Fehlstart: Die »Wissenschaft vom späten Judentum«, S. 324– 329. 370 SächsHStA, 10193/9, Bl. 3. 371 Wiese: Wissenschaft des Judentums, S. 329. Im Allgemeinen dazu auch Rupnow : »Judenforschung« im Dritten Reich, S. 228f. 372 Wassermann: Fehlstart: Die »Wissenschaft vom späten Judentum«, S. 327.

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liche Judaisten derartige Aufgaben übernehmen, womit sich die Zuhilfenahme von Juden erübrige.373 Noch heute anerkannte Ordinarien wie der Leipziger Religionswissenschaftler Hans Haas (1868–1934)374 artikulierten derartige Vorurteile – ob mit bewusst antisemitischer Intention, sei an dieser Stelle von nachranginger Bedeutung. Haas bescheinigte in seinem Gutachten zur Habilitation von Lazar Gulkowitsch (1898–1941)375, dieser habe sich in seiner bis dato geleisteten Arbeit als Lektor an der Leipziger Universität »durchaus unjüdisch bescheiden gehabt«.376 Dieser Beurteilung ist deshalb eine Bedeutung beizumessen, weil es sich um die erste Habilitationsschrift an einer deutschen Universität handelte, die sich dem Bereich der Jüdischen Studien zuordnen lässt.377 Zudem arbeitete Gulkowitsch deutschlandweit als der einzige jüdische Privatdozent auf diesem Gebiet.378 Haas, dessen Gutachten trotz der genannten Äußerung insgesamt positiv ausfiel, setzte sich 1932 zusammen mit Johannes Leipoldt und Albrecht Alt dafür ein, Gulkowitsch die Ernennung zum außerordentlichen Professor der allgemeinen Religionswissenschaft zu ermöglichen. Staatlicherseits wurde diesem Ansinnen im August 1932 stattgegeben.379 Ohne Haas eine antisemitische Grundeinstellung unterstellen zu wollen, zeigen derartige Äußerungen – zumal in einem wissenschaftlichen Gutachten –, wie verbreitet antijüdische Vorbehalte im geisteswissenschaftlichen Milieu der 1920er und 1930er Jahre waren.380 Aus 373 Wiese: Wissenschaft des Judentums, S. 329. 374 Zu Haas und dessen Bedeutung für die Religionswissenschaft vgl. Kurt Rudolph: Geschichte und Probleme der Religionswissenschaft, Leiden u. w. 1992, S. 340–356. 375 Lazar Gulkowitsch: Der Hasidismus, religionswissenschaftlich untersucht, Leipzig 1927. Gulkowitsch hatte die Lektorenstelle des Anfang 1924 verstorbenen Kahan inne. Das Zweitgutachten für Gulkowitsch übernahm Johannes Leipoldt, welcher die Habilitation in die Schriftenreihe des Staatlichen Forschungsinstituts für vergleichende Religionsgeschichte, Neutestamentliche Abteilung aufnahm. Zu Gulkowitsch vgl. die online publizierte Dissertation von Anu Plldsam: Lazar Gulkowitsch – eine vergessene Stimme der Wissenschaft des Judentums. Seine Tätigkeit, sein Werk und seine Wirkung im zeitgeschichtlichen Kontext, Tartu 2011. http://dspace.ut.ee/bitstream/handle/10062/18748/p6 ldsam_anu.pdf ?sequence=1& isAllowed=y [16. 05. 2016]. 376 Dazu ausführlicher Wassermann: Fehlstart: Die »Wissenschaft vom späten Judentum«, S. 338–341. Das Gutachten von Hans Haas ist vollständig abgedruckt bei Henry Wassermann: »Der Habilitant hat sich durchaus unjüdisch bescheiden gehabt …«. Zur Geschichte der Judaistik an der Leipziger Universität, Leipzig 1998, S. 41–44. 377 Wassermann: Fehlstart: Die »Wissenschaft vom späten Judentum«, S. 338. 378 Junginger : Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 91. 379 Junginger : Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 92. 380 So spricht nach Horst Junginger auch vieles dafür, dass eine Person wie Jakob Wilhelm Hauer erst an der Universität den Antisemitismus kennen lernte und sich diesem aufgrund der allgemeinen judenfeindlichen Grundstimmung im akademischen Bereich auch nicht entziehen konnte. Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 183.

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derartigen Ressentiments konnte die »Judenforschung« im »Dritten Reich« ihr Potenzial und ihre Anerkennung beziehen. Das Leipziger Beispiel um Lazar Gulkowitsch veranschaulicht, wie in kürzester Zeit aus einer jüdischen eine antijüdische Wissenschaft des Judentums auf Grundlage bereits existierender antisemitischer Vorurteile entstehen konnte.381 Mit der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten und der unmittelbar danach erfolgten Entlassung von Juden aus dem Staats- und Universitätsdienst verlor Gulkowitsch seine Stelle als Lektor und Leiter der Spätjüdischen Abteilung innerhalb des Alttestamentlichen Seminars der Leipziger Universität. Nach den Vorstellungen des Seminardirektors Albrecht Alt habe die Neubesetzung der Stelle auf jeden Fall mit einem Nichtjuden zu erfolgen. Diese Notwenigkeit ergäbe sich, um den Fortbestand der Spätjüdischen Abteilung nicht zu gefährden, auch wenn hierdurch die bisherige Ausrichtung der Abteilung einer gewissen Änderung bedürfe: Es sei, so Alt, »jedem Einsichtigem von vornherein klar, daß dem Lektorat sein bisheriger Charakter nicht gewahrt werden kann, wenn, wie es den Anschein hat, seine Besetzung mit einem jüdischen, von früher Jugend an in der jüdischen Wissenschaft heimisch gewordenen Gelehrten bis auf weiteres außer Betracht bleiben muss.«382

Eine Weiterführung der Abteilung unter den bisherigen Zielstellungen könne nur ein Jude garantieren, was unter den neuen politischen Gegebenheiten jedoch als unmöglich galt. Um eine in dieser Form einmalige wissenschaftliche Arbeitsstätte dennoch zu erhalten und »in eine wissenschaftlich einwandfreie Form zu bringen« sei es nötig, so fuhr Albrecht Alt fort, »die Spätjüdische Abteilung zwar aufrecht [zu] erhalten, ihr[en] Aufgabenkreis aber bedeutend [einzuschränken], nämlich auf die der christlichen Theologie vordringlich wichtigen Teilgebiete der jüdischen Geistesgeschichte und Literatur, deren wissenschaftliche Beherrschung zur Not auch ein geborener Nichtjude sich aneignen kann […].«383

Aus diesem Grund rate er die Eingliederung der Spätjüdischen Abteilung in das Neutestamentliche Seminar an. Für die Besetzung der freigewordenen Lektorenstelle Gulkowitschs schlug Alt dem Sächsischen Volksbildungsministerium Rudolf Meyer (1909–1991) vor, welcher

381 Junginger : Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 94, der auf den hier genannten Fall eingeht. 382 So Alt in einem Schreiben an das Ministerium für Volksbildung in Dresden vom 5. 01. 1934, SächsHStA, 10193/9 [Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften], Bl. 45. 383 SächsHStA, 10193/9 [Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften], Bl. 46.

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»sich seit mehreren Jahren unter der Leitung von Prof. Dr. Gulkowitsch mit besonderem Eifer und Erfolg gerade in den Teil der jüdischen Literatur und Geistesgeschichte eingearbeitet [hat], auf dessen Beherrschung es bei der oben empfohlenen Umgestaltung der Arbeit der Spätjüdischen Abteilung vor allem ankäme […].«384

Zudem gehöre Meyer dem Stahlhelm an,385 so Alt in dem als Empfehlungsschreiben für Rudolf Meyer zu deutenden Brief an das Ministerium.386 Auch wenn sich Albrecht Alt in seinem Schreiben explizit für Rudolf Meyer als Nachfolger von Gulkowitsch aussprach, so ist gleichfalls Johannes Leipoldt ein entscheidender Anteil daran zuzuschreiben, dass sein Schüler Meyer die Assistentenstelle von Gulkowitsch übernehmen konnte. Er setzte sich zusätzlich in den folgenden Jahren mehrfach für eine Gehaltserhöhung Meyers ein, unter Hervorhebung von dessen besonderen wissenschaftlichen Fähigkeiten, die nicht zu ersetzen seien. Derartige Befähigungen hätten ansonsten nur Juden, weshalb Leipoldt gegenüber dem Ministerium betonte: »Vielleicht darf es in der deutschen Lage der Gegenwart als besonders notwendig angesehen werden, dafür zu sorgen, dass das rabbinische Schrifttum nicht nur von Juden bearbeitet wird.«387

Nachdem sich das Dresdner Volksbildungsministerium dazu entschlossen hatte, Paul Fiebig (1876–1949) die Leitung der Spätjüdischen Abteilung zu übertragen – weil Fiebig hierfür keine Entlohnung einforderte –, intervenierte Leipoldt Ende Februar 1934 beim Volksbildungsministerium zugunsten Rudolf Meyers. Diesem habe man zumindest die Assistentenstelle zu übertragen, so Leipoldt, da Meyer völlig mittellos sei und zudem Mitglied der SA.388 Neben Meyer bewarb sich Paul Fiebig auf die noch immer unbesetzte As384 SächsHStA 10193/9 [Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften], Bl. 47. 385 Der Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten war ein Ende Dezember 1918 gegründeter paramilitärischer Verband mit Nähe zur monarchistisch, antidemokratischen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Bereits vor 1933 kam es zur Annäherung gegenüber der in Konkurrenz stehenden Sturmabteilung (SA) der Nationalsozialisten, die später große Teile des Stahlhelms in ihre eigene Organisation integrierte. Bernd Ulrich: Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten, in: Wolfgang Benz/ Hermann Graml/ Hermann Weiß (Hg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5. aktual. und erweit. Auflage, München 2007, S. 812. Karl Heinz Roth deutet den Stahlhelm als eine »Terrororganisation […] weitgehend im Wartestand« und damit als einen Teil der faschistischen Bewegung in Deutschland während der Weimarer Republik. Karl Heinz Roth: Franz von Papen und der Faschismus, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 589–625, hier S. 605. 386 SächsHStA, 10193/9 [Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften], Bl. 47. 387 SächsHStA, 10193/9 Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften], Bl. 72. 388 SächsHStA, 10193/9 [Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften], Bl. 62f.

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sistentenstelle, Leipoldt konnte Fiebigs Ernennung jedoch verhindern, auch wenn dieser weiterhin Leiter der Spätjüdischen Abteilung blieb, freilich ohne Bezahlung.389 Ähnlich wie Alt und Leipoldt die Mitgliedschaften von Rudolf Meyer in Stahlhelm bzw. SA gegenüber dem Ministerium in Dresden betonten, agierte Fiebig in seiner inoffiziellen Bewerbung für die freigewordene Stelle von Gulkowitsch. In einem Brief an das Volksbildungsministerium vom 12. Oktober 1933 brachte sich Fiebig als zukünftiger Lektor selbst ins Gespräch und machte dementsprechende Vorschläge: »Nach Lage der Dinge scheint es mir unbedingt nötig zu sein, das von Gulkowitsch bisher geleitete Institut 1) nicht aufzuheben 2) unter christliche Leitung zu stellen 3) in die neutestamentliche Wissenschaft einzugliedern, vgl. meinen Studienplan.«390

Fiebig äußerte den identischen Wunsch wie Alt nach einer Überführung der Spätjüdischen Abteilung in das Neutestamentliche Seminar bei gleichzeitiger christlicher Ausrichtung. Weil Fiebig keine sonderlich gute Reputation bei Dozenten und Professoren der Theologischen Fakultät hatte, sah er sich genötigt, inoffiziell beim Volksbildungsministerium wegen der Assistentenstelle anzufragen. Er versuchte diesbezüglich persönlich in Dresden vorzusprechen, da er ohnehin in die sächsische Landeshauptstadt müsse, um sowohl »für das Polizeipräsidium Dresden als für das Polizeipräsidium Leipzig […] jüdische Auslandsbriefe zu prüfen.«391 Wenn auch nicht explizit genannt, so handelte es sich bei Fiebigs ›Nebenjob‹ zweifelsohne um eine Spitzeltätigkeit gegen deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens, die Kontakte ins Ausland pflegten. Die Besonderheit dieser Auseinandersetzung um die Leipziger Lektorenstelle – neben dem expliziten Wunsch zur Besetzung mit einem Nichtjuden, der Betonung von Fiebigs Tätigkeit für die Polizei sowie Meyers Mitgliedschaft in antirepublikanischen Organisationen – sollte sich wenige Jahre später zeigen: Leipoldt, Meyer und Fiebig gehörten ab 1939 gemeinsam dem Mitarbeiterstab des Eisenacher Instituts an. Zudem verdeutlichen die Briefe an das Volksbildungsministerium, dass in der nun umgestalteten Spätjüdischen Abteilung nur noch die Erforschung des Judentums durch Nichtjuden erfolgen sollte, genauso wie es sich die Theologische Fakultät bereits 1911 vorgestellt hatte. Die politischen Rahmenbedingungen im »Dritten Reich« ermöglichten nunmehr die Umsetzung eines solchen Vorhabens. 389 Fiebig hatte zwar auf Fürsprache Leipoldts 1924 den Status eines Privatdozenten, 1929 die Ernennung zum außerplanmäßigen, außerordentlichen Professor erhalten, seine Bezahlung erfolgte jedoch nur über die Landeskirche für seine Pastorentätigkeit, weshalb Fiebig immer wieder versuchte, in den Universitätsdienst zu wechseln. Vgl. die Eintragungen in seiner Personalakte SächsHStA, 10281/139. 390 SächsHStA, 10281/139 [Personalakte Paul Fiebig], Bl. 16. Hervorhebungen im Original. Der angesprochene Studienplan liegt der Archivakte nicht bei. 391 SächsHStA, 10281/139 [Personalakte Paul Fiebig], Bl. 16.

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Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

Bevor im weiteren Verlauf dieser Arbeit das Wirken von Rudolf Meyer, Johannes Leipoldt und weiterer Wissenschaftler im Eisenacher Institut untersucht wird, ist zunächst die Institutionalisierung der »Judenforschung« nach 1933 zusammenfassend darzustellen. Wenn die innerhalb des Eisenacher »Entjudungsinstituts« verfassten und angedachten Publikationen lediglich isoliert betrachtet werden, ohne eine Verknüpfung zu anderen Forschungseinrichtungen herzustellen, die sich mit der »Judenfrage« auseinandersetzten, dann bleibt der ideengeschichtliche Zusammenhang zwischen den verschiedenen Instituten der »Judenforschung« im »Dritten Reich« undeutlich. Das »Entjudungsinstitut« war keineswegs nur eine innerkirchliche Forschungseinrichtung, sondern ist vielmehr als Teil eines Wissenschaftszweiges zu verstehen, der ab 1933 in Deutschland entstand.

4.3

Die Institutionalisierung der »Judenforschung« im »Dritten Reich«

Die sich seit 1933 entwickelnde genuin nationalsozialistische »Judenforschung« nahm für sich selbst in Anspruch, »mit wissenschaftlicher Objektivität und deutscher Gründlichkeit allen mit dem Judentum zusammenhängenden Problemen auf den Grund zu gehen.«392

Bereits im Jahr der nationalsozialistischen Regierungsübernahme entstanden die ersten der »Judenforschung« zuzurechnenden Schriften, so Antisemitismus in der antiken Welt von Johannes Leipoldt393 und Die Judenfrage des Tübinger Theologen Gerhard Kittel (1888–1948).394 In letzterer bot der Autor vier Lösungsansätze zum Umgang mit dem angeblichen »Judenproblem« an, unter anderem die Ausrottung von Juden, auch wenn Kittel diese Möglichkeit 1933 nicht favorisierte.395 Bereits ein Jahr nach Erscheinen dieser beiden Schriften zur »Judenfrage« in Vergangenheit und Gegenwart entstand in Berlin das Institut zum Studium der Judenfrage, welches zum Goebbelschen Propagandaministerium gehörte. In den folgenden Jahren kam es zu einem regelrechten Gründungsboom von Instituten, welche sich der »Judenforschung« verschrieben. Die Hochphase der institutio392 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 176. 393 Johannes Leipoldt: Antisemitismus in der antiken Welt, Leipzig 1933. Kapitel 5.2.1 geht näher auf diese Schrift ein. 394 Gerhard Kittel: Die Judenfrage, Stuttgart 1933. Gerhard Kittel, der Sohn von Rudolf Kittel, wurde 1913 in Kiel bei Johannes Leipoldt promoviert. Junginger : Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 134. 395 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 160f.

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nalisierten »Judenforschung« verortet Dirk Rupnow folglich zwischen den Jahren 1936 und Ende 1943.396 In dieser Zeit schufen die verschiedenen Ämter und Ministerien innerhalb des nationalsozialistischen Machtsystems eigene Institutionen, die nicht selten in Konkurrenz zueinander standen.397 Zu den bekanntesten jener Einrichtungen gehörte das 1935 gegründete und unter Aufsicht des Reichswissenschaftsministeriums stehende Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands mit seiner ein Jahr später in München begründeten Forschungsabteilung Judenfrage unter der geschäftsführenden Leitung von Wilhelm Grau (1910–2000). Im April 1939 entstand auf Betreiben des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP Alfred Rosenberg das Reichsinstitut zur Erforschung der Judenfrage in Frankfurt am Main als erste Einrichtung der von Rosenberg geplanten Hohen Schule.398 Diese Gründung ist – neben Spezifika der Stadt Frankfurt399 – als eine Konkurrenzgründung gegenüber der Münchener Forschungsabteilung Judenfrage zu verstehen,400 was einmal mehr die Heterogenität und gegenseitige Missgunst innerhalb der NS-Führungselite sowie den polykratischen Charakter des Nationalsozialismus unterstreicht.401 Auch wenn sich die »Judenforschung« institutionell zunächst in außeruniversitären Forschungseinrichtungen etablierte, so existierten frühzeitig personelle sowie strukturelle Verflechtungen zwischen den Instituten und deutschen Universitäten.402 Zugleich gab es seitens der Universitäten Bestrebungen, sich selbst bei der »Erforschung der Judenfrage« zu profilieren.403 396 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 63. Folgende Angaben ebd., S. 67–99. 397 Rupnow weist in diesem Zusammenhang auf die beachtliche Dynamik der Institutionalisierung der »Judenforschung« »aufgrund des für das NS-System typischen Konkurrenzdrucks« zwischen den einzelnen Instituten hin. Rupnow : ›Arisierung‹ jüdischer Geschichte, S. 354. 398 Zu den ideologischen Zielen der Hohen Schule als zukünftige NS-Eliteuniversität vgl. Ernst Piper : Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005, S. 462–476. 399 So der einmalige Bestand einer Judaica- und Hebraica-Sammlung, bestehend aus geplünderten Kulturgütern der Frankfurter jüdischen Gemeinde sowie das persönliche Engagement des Frankfurter Oberbürgermeisters Friedrich Krebs (1894–1961) zur Schaffung einer solchen Einrichtung in seiner Stadt. Vgl. Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 85–88. 400 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 91. 401 Andererseits verstand sich die Frankfurter Gründung selbst nicht als Konkurrenz zum Eisenacher »Entjudungsinstitut«. EZA, 7/4167, [unfoliert] (Bericht aus der Frankfurter Zeitung vom 28. 03. 1941). In einem Schreiben des Reichskirchenministers an die Wirtschaftsstelle des Deutschen Buchhandels ist sogar von einer Zusammenarbeit der beiden Institute aus Frankfurt und Eisenach die Rede. LKAE, DC 225, [unfoliert] (Brief Reichskirchenminister an Wirtschaftsstelle des deutschen Buchhandels vom 19. 12. 1941). 402 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 124. 403 So beispielsweise 1936 an der Universität Tübingen mit der Schaffung des besoldeten

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Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

Die Geschichtswissenschaft hatte, wie bereits angedeutet, mit der Historisierung des Judentums eine leitende Funktion innerhalb der »NS-Judenforschung« inne. Doch blieb die »Erforschung der Judenfrage« keine ausschließlich von Historikern betriebene Wissenschaft. Neben Geschichtswissenschaftlern, Juristen und Soziologen bildeten Theologen eine große Gruppe von Personen, die ihre Arbeit an der »Judenforschung« ausrichteten oder direkt in einem der Institute mitarbeiteten, wie das Beispiel Gerhard Kittel verdeutlicht.404 Die »Judenforscher« übernahmen in ihrem jeweiligen Fachbereich hauptsächlich die Bearbeitung der nachbiblischen jüdischen Geschichte, die zuvor fast ausschließlich jüdische Wissenschaftler erforscht haben. Selbstverständlich sahen sich die »Judenforscher« nach 1933 nicht in einer Traditionslinie mit der Wissenschaft vom Judentum, übernahmen aber deren Ergebnisse durchaus wohlwollend, wenn sich diese für die eigenen Arbeiten instrumentalisieren ließen.405 Die angesprochenen außeruniversitären Forschungseinrichtungen innerhalb der »NS-Judenforschung« dienten als eine Art »Think Tanks«, in denen die Beschäftigung mit den angeblich rassisch bedingten, geistigen Eigenschaften jene naturwissenschaftlich-medizinischen Rassenforschungen ersetzten, wodurch hier die geschichtliche Untersuchung als Leitdisziplin fungierte.406 Die »Judenforschung« lässt sich somit aufgrund ihrer vielfältigen Forschungsansätze zusammenfassend als eine historisch-transdisziplinäre, fächerübergreifende Wissenschaft charakterisieren.407 Dabei ging es nicht nur um die bloße Wiedergabe antisemitischer Stereotype durch Wissenschaftler mit dem nötigen fachlichen Hintergrundwissen, sondern um eine theoretisierende »Erforschung der Judenfrage«. Die staatlicherseits geförderten Institute konnten eine solche Forschung weitaus effektiver betreiben, als dies an Universitäten der Fall gewesen wäre, vor allem bezüglich der Verknüpfung von Theorie und Praxis der eigenen Arbeiten.408 Zu der Verbindung von Theorie

404 405 406 407 408

Lehrauftrags für Karl Georg Kuhn (1906–1976) zum Thema »Sprache, Literatur und Geschichte des Judentums unter besonderer Berücksichtigung der Judenfrage«. Junginger : Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 187. Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 17. Rupnow : ›Arisierung‹ jüdischer Geschichte, S. 355. Claudia Koonz: Respectable Racism – State-Sponsored Anti-Jewish Research 1935–1940, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts 5 (2006), S. 399–423, hier S. 410. Dirk Rupnow : Eine neue nationalsozialistische Musterdisziplin? »Judenforschung« an der Universität Leipzig, in: Stephan Wendehorst (Hg.): Bausteine einer jüdischen Geschichte der Universität Leipzig, Leipzig 2006, S. 345–376, hier S. 347. Horst Junginger. Das Bild des Juden in der nationalsozialistischen Judenforschung, in: Andrea Hoffmann/ Utz Jeggle/ Reinhard Johler/ Martin Ulmer (Hg.): Die kulturelle Seite des Antisemitismus zwischen Aufklärung und Shoah, Tübingen 2006, S. 171–220, hier S. 183. Zu den Zuständigkeitskonflikten zwischen den verschiedenen Ministerien sowie Staatsund Parteistellen, die eine schnelle Umsetzung größerer Forschungsvorhaben im geisteswissenschaftlichen Bereich an deutschen Universitäten nahezu unmöglich machten, vgl.

Die Institutionalisierung der »Judenforschung« im »Dritten Reich«

117

und Praxis zählten neben der Gestaltung von antisemitischen Ausstellungen, der Organisation wissenschaftlicher Tagungen unter Beteiligung von NSFunktionären, der Beschaffung und Übernahme von geraubten Bibliotheksbeständen ebenso die »Vor-Ort-Forschungen« in den von Nationalsozialisten ab 1939 eingerichteten Judenghettos.409 Wie schon angesprochen, beherrschten antisemitische Vorurteile große Teile der deutschen Gesellschaft weit vor 1933, und auch innerhalb der akademischen Gelehrtenwelt gehörten derartige Grundressentiments zum Alltag. Die sich seit 1933 etablierende »Judenforschung« griff diese antisemitischen Stimmungen lediglich auf, bündelte sie und instrumentalisierte diese ganz im Sinne der neuen politischen Verhältnisse.410 Dabei war es nicht entscheidend, ob eine Person aus dem universitären Umfeld derartige Äußerungen im privaten bzw. internen akademischen Bereich von sich gab oder die eigenen Arbeiten mit judenfeindlichen Argumenten versah, weil die Übergänge von einer Übernahme antijüdischer Stereotype zu deren wissenschaftlicher Verarbeitung ohnehin fließend waren.411 Die professorale Vorbildwirkung hatte hier eine entscheidende Bedeutung in Bezug auf den akademischen Nachwuchs: Fanden die eigenen Ressentiments gegenüber Juden Bestätigung durch etablierte und angesehene Ordinarien, so konnten die eigenen Vorurteile noch weiter ausgebaut werden. Dies umso mehr vor dem Hintergrund der politisch aufgeladenen Stimmung der Weimarer Republik sowie der antisemitischen Agitation der Nationalsozialisten und anderer rechter Parteien. Auf diesem ›antisemitischen Fundament‹ konnte sich nach 1933 schnell jene »neue Form des universitären oder akademischen Antisemitismus [entwickeln], dessen offen zugegebenes Ziel jetzt nicht nur darin bestand, die antijüdischen Gesetze an den Hochschulen zur Anwendung zu bringen, sondern der darüber hinaus auch den Versuch unternahm, dem politischen Antisemitismus des NS-Staates eine wissenschaftliche Legitimität zu verschaffen.«412

Mit der Entstehung der »Judenforschung« ergab sich zudem vor allem für jüngere und noch nicht etablierte Wissenschaftler die Möglichkeit, die eigene Karriereentwicklung zu beschleunigen.413 Für die aufstrebenden Forscher ebenso wie für bereits etablierte Ordinarien bot die »Judenforschung« zudem eine Plattform, sich außerhalb des akademischen Elfenbeinturms Bekanntheit

409 410 411 412 413

Anne C. Nagel: Hitlers Bildungsreformer. Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1934–1945, Frankfurt/M. 2012, S. 255–295. Junginger : Verwissenschaftlichung der Judenfrage, S. 221–293. Junginger : Das Bild des Juden, S. 173. Junginger : Das Bild des Juden, S. 173. Junginger : Das Bild des Juden, S. 174. Berg/ Rupnow : Einleitung: »Judenforschung«, S. 306.

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Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

zu verschaffen. Sie arbeiteten nicht nur für den wissenschaftlichen Bereich, sondern stellten bewusst die eigenen Forschungsergebnisse öffentlichkeitswirksam in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie.414 Dirk Rupnow tritt in seiner Aufarbeitung der »NS-Judenforschung« der über Jahrzehnte geäußerten und teilweise noch heute artikulierten Ansicht entgegen, bei den zahlreichen Arbeiten der »Judenforschung« hätte es sich um eine bloße »Pseudowissenschaft« im Dienste der nationalsozialistischen Propaganda gehandelt.415 Vielmehr ist die »Erforschung der Judenfrage« im zeithistorischen Kontext betrachtet als ein eindrucksvolles Beispiel für die Überschneidung von Wissenschaft, Ideologie, Propaganda und Politik zu verstehen. Rupnow macht auf den großen Unterschied zwischen schlechter Wissenschaft gegenüber der Pseudo- bzw. Nichtwissenschaft aufmerksam und dass für ein allgemeines Absinken der Wissenschaftlichkeit an deutschen Universitäten nach 1933 keinerlei Anhaltspunkte vorliegen.416 Vielmehr verstanden die »Judenforscher« ihre eigenen Arbeiten in erster Linie als Wissenschaft und nicht als Propaganda, dementsprechend wurden ihre Ergebnisse auch als wissenschaftliche Arbeiten wahrgenommen und in Fachzeitschriften besprochen.417 Das zeitgenössische Wissenschaftsverständnis zeigt sich auch daran, dass nach 1945 keinem Protagonisten der »Judenforschung« ein akademischer Titel aufgrund seiner zuvor erstellten antisemitischen Arbeiten entzogen wurde.418 Hätten breite Kreise der geisteswissenschaftlichen Gelehrtenwelt im »Dritten Reich« die »Judenforschung« als schlichte Propaganda oder Pseudowissenschaft aufgefasst, wäre es ohne Probleme möglich gewesen, sich derartiger wissenschaftlicher Nestbeschmutzer nach 1945 zu entledigen, beispielsweise durch den Entzug akademischer Titel. Das Gegenteil trat jedoch ein: Viele vormalige Mitarbeiter an derartigen Projekten blieben in ihren akademischen Positionen, konnten ihre

414 Dirk Rupnow : Antijüdische Wissenschaft im ›Dritten Reich‹ – Wege, Probleme und Perspektiven der Forschung, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts 5 (2006), S. 539–598, hier S. 578. Einige Beispiele dieser ›Öffentlichkeitsarbeit‹ bei Junginger: Das Bild des Juden. 415 Vgl. Dirk Rupnow : »Pseudowissenschaft« als Argument und Ausrede. Antijüdische Wissenschaft im »Dritten Reich« und ihre Nachgeschichte, in: Dirk Rupnow u. w. (Hg.): Pseudowissenschaft. Konzeptionen von Nichtwissenschaftlichkeit in der Wissenschaftsgeschichte, Frankfurt/M. 2008, S. 279–307, hier S. 299–307. 416 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 392–394; Anne C. Nagel macht ebenso deutlich, dass es ein Absinken des wissenschaftlichen Niveaus oder gar eine Wissenschaftsfeindlichkeit im nationalsozialistischen Deutschland nicht gegeben hat. Nagel: Hitler Bildungsreformer, S. 282–287. 417 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 393. 418 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 394. Anders verhielt es sich bei einer NSDAP-Mitgliedschaft vor 1933, was für die jeweiligen Wissenschaftler nach Kriegsende meist eine Entlassung aus dem Universitätsdienst bedeutete.

Das »Entjudungsinstitut« als Teil der »Judenforschung«

119

Karriere ungehindert fortsetzen und profilierten sich in einigen Fällen sogar als Experten für das Judentum.419 Zurückführen lässt sich dies auf eine Anerkennung der »Judenforschung« als Wissenschaft, ebenso auf die ausgebliebene Aufarbeitung nach 1945 – wohlgemerkt in beiden deutschen Staaten – zu Verflechtungen großer Teile des universitären Milieus mit dem Nationalsozialismus. Die Wissenschaftlichkeit bezüglich der »Judenforschung« zu negieren, zumal aus heutiger Perspektive mit den Kenntnissen über die Verbrechen an den europäischen Juden zwischen 1933 und 1945, bedeutet nach Rupnow zu Recht ein Entziehen aus der Verantwortung der jeweiligen Fachdisziplin.420 Die »Erforschung der Judenfrage« fand mit dem Zusammenbruch von Hitlers »Tausendjährigem Reich« im Mai 1945 zudem keineswegs ihr Ende. So wurden noch nach 1945 Werke publiziert, deren Entstehung und inhaltliche Zielsetzung klar der nationalsozialistischen »Judenforschung« zuzuordnen sind.421 Ferner weisen personelle und ideengeschichtliche Kontinuitäten weit über das Jahr 1945 hinaus, deren Aufarbeitung in großen Teilen bis heute ausstehen. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Theologie und Religionsgeschichte, wo im fachgeschichtlichen Diskurs bis in die Gegenwart hinein kaum Zusammenhänge der eigenen Disziplinen mit vormaligen »Judenforschern« bzw. völkischen Wissenschaftsvertretern gezogen werden. Das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben gehört in die Reihe der genannten Forschungsinstitute, denn die Protagonisten verschrieben sich seit der Gründung 1939 den antisemitischen Forschungen im nationalsozialistischen Deutschland. Die wissenschaftlichen Ergebnisse und deren Rezeption sowie die personellen Kontinuitäten sollten auch bei diesem Institut nicht mit dem Jahr 1945 enden.

4.4

Das »Entjudungsinstitut« als Teil der »Judenforschung«

Wie aufgezeigt, institutionalisierte sich die antisemitisch ausgerichtete Erforschung jüdischer Geschichte zeitgleich mit der Entrechtung, Vertreibung und Ermordung des Judentums. Damit erforderte die

419 Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich, S. 357–374. Siehe hierzu auch Kapitel 6 dieser Arbeit. 420 Rupnow : Antijüdische Wissenschaft im ›Dritten Reich‹, S. 588. Rupnow bezieht sich mit seiner Einschätzung vor allem auf die Geschichtswissenschaft. 421 Ein Beispiel hierfür bei Rupnow : Antijüdische Wissenschaft im ›Dritten Reich‹, S. 562–564; weitere Beispiele in Kapitel 6 dieser Arbeit.

120

Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

»Ausgliederung der Juden aus der deutschen Gesellschaft […] ihre Einschreibung in die deutsche Geschichte, Vertreibung und Ermordung fanden eine Parallele in der Historisierung durch die deutsche ›Judenforschung‹.«422

Das Anfang Mai 1939 feierlich eröffnete Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben besaß in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung innerhalb der »Judenforschung«. Der größte Unterschied gegenüber den anderen Instituten lag in der Trägerschaft und Finanzierung: Während alle anderen Institute ihre finanzielle Ausstattung von Staats- oder Parteistellen erhielten und deren Aufsicht unterlagen, blieb das Eisenacher Institut gegenüber einer staatlichen Finanzierung und Kontrolle unabhängig. Die monetäre Unterhaltung oblag allein den teilnehmenden protestantischen Landeskirchen, was auch die Bezahlung der wenigen hauptamtlichen Mitarbeiter betraf.423 Ein solches, von den Landeskirchen initiiertes Institut, erfuhr dennoch die Zustimmung von Teilen nationalsozialistischer Regierungsvertreter : Der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten Hanns Kerrl (1887–1941) unterstützte die geplante Institutsarbeit ausdrücklich, da die nationalsozialistische Regierung ein großes Interesse daran besitze: »Eine solche religiöse Einigung [in Form einer protestantischen Reichskirche; D. S.] wird nur auf der Grundlage eines vom Judentum völlig gereinigten Christentums möglich sein. Es wird also eine christliche Kirche zu dem Zwecke der Ermöglichung der religiösen Einigung des Volkes dem nationalsozialistischen Staate den besten Dienst leisten können, wenn sie sich selbst vom Judentum auf das Schärfste reinigt und in Verkündung und Lehre den Nachweis bringt, daß das Christentum Religion ist und nichts als Religion sein will.«424

Der Reichskirchenminister stellte keinerlei Anforderungen an die Arbeiten des Instituts, genauso wenig wie er es letztlich finanziell unterstützten sollte. Die Zielstellung des Eisenacher Instituts entsprach jedoch genau jenen Vorstellungen, die das Reichskirchenministerium gegenüber dem Protestantismus im »Dritten Reich« hatte: »judenfrei« und Übernahme der Rassenideologie in die

422 Rupnow : ›Arisierung‹ jüdischer Geschichte, S. 362. Hervorhebungen im Original. 423 Susannah Heschel: The Aryan Jesus. Christian Theologians and the Bible in Nazi Germany, Princeton 2008, S. 97. 424 Reichskirchenminister Kerrl gegenüber dem Präses der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union Friedrich Werner (1897–1955) am 24. 03. 1939. BArch R 5101/ 23707, Bl. 41. Zur Religionspolitik des Reichskirchenministeriums Heike Kreutzer : Das Reichskirchenministerium im Gefüge der nationalsozialistischen Herrschaft, Düsseldorf 2000; Hansjörg Buss: Das Reichskirchenministerium unter Hanns Kerrl und Hermann Muhs, in: Manfred Gailus (Hg.): Täter und Komplizen in Theologie und Kirche 1933–1945, Göttingen 2015, S. 140–170.

Das »Entjudungsinstitut« als Teil der »Judenforschung«

121

religiöse Dogmatik bei gleichzeitiger Anerkennung des politischen Primats des Nationalsozialismus. Die wissenschaftliche Grundausrichtung des Instituts verschrieb sich aufgrund seiner Trägerschaft weniger einer »Erforschung der Judenfrage« in Bezug auf die deutsche Geschichte. Wie allein der Name verrät, ging es um die Erforschung jüdischer Einflüsse auf das gesamte »deutsche Christentum« und deren anschließende Beseitigung. Folglich wirkten sich die wissenschaftlichen Arbeiten und praktischen Ergebnisse zuallererst auf den innerprotestantischen Bereich, die evangelische Theologie und den Tätigkeitsschwerpunkt der Institutsmitarbeiter aus.425 Die eigentliche Problematik für das »Entjudungsinstitut« ergab sich in der Grenzziehung zwischen dem Judentum und dem frühen Christentum.426 Die im Laufe der Geschichte angeblich eingedrungenen jüdischen Einflüsse ließen sich ohne Weiteres herausfiltern und beseitigen. Jedoch bedurfte es zunächst einer scharfen und eindeutigen Trennlinie, da in den deutsch-christlichen Vorstellungen Jesus und damit einhergehend das gesamte Christentum keinen jüdischen Ursprung besaß. Um die Trennlinie zwischen Judentum und Christentum während seiner Entstehungsphase ziehen zu können, sollten geistig-rassische Zuschreibungen als Nachweis zum Einsatz kommen. Eine Unterscheidung von geistigen Eigenschaften, basierend auf Rassenzugehörigkeit, konnte nicht allein durch theologische Bibelexegese gelingen, weshalb eine vergleichende religionshistorische Methodik zum Einsatz kam.427 Wie in sämtlichen anderen Instituten zur »Erforschung der Judenfrage« ging es im »Entjudungsinstitut« um die Sicherung einer vermeintlichen deutschen Zukunft, da sich die Mitarbeiter in einem Kampf auf Leben und Tod mit dem Judentum wähnten. Nur mithilfe einer fundierten geschichtlichen Trennung sowie der anschließenden Aufarbeitung und Analyse von angeblich schädlichen jüdischen Einflüssen sei dieser Kampf zu gewinnen und die eigene Zukunft zu sichern. Die dringende Notwendigkeit des Christentums in Deutschland, sich der »Judenfrage« zu stellen, dokumentiert ein Werbeschreiben anlässlich der Institutsgründung: »Seine Gründung beruht auf der Überzeugung, daß der jüdische Einfluß auf allen Gebieten des deutschen Lebens, also auch auf dem religiös-kirchlichen, entlarvt und gebrochen werden muß. Das Christentum hat mit dem Judentum nichts gemein. Es ist, von der Christusbotschaft her, im Gegensatz zum Judentum gewachsen und ist von diesem dauernd bekämpft worden. […] Da im Lauf der geschichtlichen Entwicklung entartende jüdische Einflüsse auch im Christentum wirksam geworden sind, wird die 425 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 224. 426 Heschel: Rassismus und Christentum, S. 250. 427 Vgl. hierzu das nachfolgende Kapitel.

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Die »Judenforschung« im »Dritten Reich«

Entjudung von Kirche und Christentum zur unausweichlichen und entscheidenden Pflicht in der Gegenwart des kirchlichen Lebens: sie ist die Voraussetzung für die Zukunft des Christentums.«428

Die Institutsmitarbeiter bezogen sich in ihren Arbeiten nicht auf alle Gebiete des deutschen Lebens, sondern grenzten den eigenen Aufgabenbereich vornehmlich auf das religiös-kirchliche Leben in Deutschland ein, was die Untersuchung der Entstehung des Christentums beinhaltete. Denn ausschließlich ein bereits in seinen Ursprüngen »entjudetes« Christentum habe eine Zukunft in einem »judenfreien« Deutschen Reich. Dies bedeutete keineswegs eine Trennung zwischen politischem und kirchlich-religiösem Kampf, wie der Wiener Theologe HansGeorg Opitz (1905–1941) in einem persönlichen Schreiben vom 19. Mai 1939 an den Leiter des Leipziger J. C. Hinrich-Verlags, Leopold Klotz (1878–1956), betonte. Allen Teilnehmern der Gründungsveranstaltung des Eisenacher Instituts sei bewusst, so Opitz, »dass die weltanschaulichen [sic!] Auseinandersetzung nur dann aus dem Evangelium geführt werden kann und die Gewissheit auf Sieg haben kann, wenn man selbstverständlich von vorne herein darauf verzichtet, neben unserer deutschen Existenz heute eine theologische oder kirchliche als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzungen zu wählen.«429

Es ging den Initiatoren nicht um eine Loslösung des Christentums vom Judentum aus rein religiös-theologischen Gründen. Sie verstanden sich, wie dargelegt, als ein integraler Bestandteil der gesamtpolitischen Entwicklung, zu der man seinen Anteil aus ideologischer und religiöser Überzeugung heraus beizutragen hatte. Die anderen Institute beschäftigten sich mit der »Judenfrage« im historischen Kontext, um den antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes eine »Respektabilität« zu verschaffen.430 Gleichzeitig konstruierte man in direkter Abgrenzung zum Judentum eine eigene deutsche Identität im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie.431 Dem Eisenacher Institut kam nach eigener Vorstellung in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, dies alles für den religiösen Bereich umzusetzen, zunächst in wissenschaftlich-forschender Art, um darauf aufbauend das Christentum praktisch »entjuden« zu können. 428 Werbeschreiben zur Eröffnung des Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben 1939. Zitiert nach: Leonore Siegele-Wenschkewitz: Mitverantwortung und Schuld der Christen am Holocaust, in: Evangelische Theologie 42 (1982), S. 171–190, hier S. 183f. Der Artikel ist nochmals unter gleichem Titel abgedruckt in: Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen, Frankfurt/ M. 1994, S. 1–26. 429 StAL, 22208 [Korrespondenz des J. C. Hinrich Verlages], Nr. 261, Bl. 37. 430 Rupnow : Antijüdische Wissenschaft im ›Dritten Reich‹, S. 575. 431 Rupnow : Antijüdische Wissenschaft im ›Dritten Reich‹, S. 591.

Das »Entjudungsinstitut« als Teil der »Judenforschung«

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Der spezifische Denkstil der »Judenforschung« im Eisenacher Institut kommt deutlich in den Ausführungen von Walter Grundmann zum Vorschein, wie sich im Vorwort des Sammelbandes zur zweiten Institutsarbeitstagung nachlesen lässt: »Die Forschungs- und Gestaltungsarbeit des Instituts gehört keiner Konfession oder religiösen Gruppe, sondern allein dem frommen deutschen Leben. Im großdeutschen Schicksalskampf,432 der ein Kampf gegen das Weltjudentum und gegen alle zersetzenden und nihilistischen Kräfte ist, gibt die Arbeit des Instituts an ihrem Platze das Rüstzeug zur Überwindung aller religiösen Überfremdung im Innern des Reichs an die Hand und dient dem Glauben des Reiches. So stellt sie ein Stück des Kriegseinsatzes der deutschen Religionswissenschaft dar.«433

432 Das Vorwort entstand laut Angabe am 1. Oktober 1941. Wenige Monate zufuhr überfiel das Deutsche Reich den ideologischen Hauptgegner, die Sowjetunion, weshalb Grundmanns Aussage eine noch größere ideologische Bedeutung zuzumessen ist. 433 Walter Grundmann: Vorwort, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Zweiter Band. Sitzungsberichte der zweiten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 3. bis 5. März 1941 in Eisenach, Leipzig 1942, o. S.

5.

Methoden und Argumentationsstrukturen in den Arbeiten des »Entjudungsinstituts«

5.1

Theologisch-Völkische Religionswissenschaft – eine Begriffsbestimmung

Viele Mitglieder des Eisenacher Instituts, die im wissenschaftlichen Sektor arbeiteten, wirkten hauptberuflich im universitären theologischen Bereich. Der Grundgedanke, ein wissenschaftliches Institut für die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen zu schaffen, resultierte zunächst aus einer fehlenden, geschlossen-theologischen Ausrichtung der Kirchenbewegung. Ein einheitliches theologisches Weltbild sollte helfen, die Schaffung einer »Nationalkirche« für alle Deutschen – eines der Grundanliegen der Thüringer Deutschen Christen – zu realisieren und darüber hinaus die notwendige Anbindung an die nationalsozialistische Ideologie zu gewährleisten. Walter Grundmann, der die Idee eines wissenschaftlichen Instituts 1937 erstmals äußerte und nach den Novemberpogromen von 1938 weiter vorantrieb, war die zentrale Figur des Eisenacher Instituts, galt er doch als einer der einflussreichsten Ideologen der Thüringer Deutschen Christen.434 In seiner 1931 veröffentlichten Schrift Im Kampf um Gott lehnte er jegliches aufklärerische Gedankengut ab und forderte von den zukünftigen Machthabern in Deutschland eine Rückbesinnung auf Gott. Denn Grundmann zufolge sollte der kommende Endkampf zwischen dem Überleben des christlichen Abendlandes oder dem Sieg des »gottlosen« Bolschewismus auf deutschem Boden stattfinden.435 Da Grundmann zu dieser Zeit bereits der NSDAP als Mitglied angehörte, ist unschwer zu erkennen, an wen sich sein Appell richtete. Dementsprechend positiv reagierte Grundmann im Januar 1933 auf die Ernennung Adolf Hitlers zum

434 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1: Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939, Berlin 2010, S. 125. 435 Walter Grundmann: Im Kampf um Gott. Ein Wort zur Gottlosenbewegung, Chemnitz Leipzig 1931, S. 32.

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

Reichskanzler.436 Seit Anfang der 1930er Jahre vertrat er die Auffassung, ein »deutsches Christentum« und der Nationalsozialismus müssten sich notwendigerweise verbinden. Nur so sei eine wahre »Volksgemeinschaft« aller Deutschen zu erschaffen, wie sie Gott vorsehe und der sich niemand entziehen dürfe.437 Aus dieser Grundeinstellung heraus entwickelte sich bei Grundmann die Vorstellung, im Nationalsozialismus offenbare sich Gott dem deutschen Volk zur Wiederherstellung der verlorengegangenen göttlichen Ordnung. Daraus leitete er die Forderung nach einer »rassengemäßen Religion« ab, weil jedes Volk seine eigene »arteigene« Religion besäße, beruhend auf der jeweiligen Rassenzugehörigkeit.438 Diese Gedankenwelt eines »rassengemäßen«, »arteigenen« Glaubens unter christlichen Vorzeichen, welcher sich ausschließlich im »Dritten Reich« Hitlers umsetzen ließe, bildete das religiöse Leitbild der Thüringer Deutschen Christen, an dessen Ausgestaltung Siegfried Leffler und Walter Grundmann großen Anteil hatten. Aus dieser religiösen Annahme heraus, in welcher der Antisemitismus mit seinem Lehrsatz der jüdischen »Gegenrasse« die Basis aller weiteren Überlegungen bildete, lässt sich die wissenschaftliche Arbeitsweise des Eisenacher Instituts erklären. Grundmanns erste Ideen für eine Instituts- bzw. Abteilungsgründung im Juli 1937 belegen, dass es ihm von Beginn an um einen Kampf gegen das Judentum ging.439 Es reichte aber nicht aus, ein »deutsches Christentum« in direkter Abgrenzung zum Judentum lediglich theologisch herzuleiten, was schon der immer wiederkehrende Verweis auf eine notwendige Einbeziehung der Rassenforschung verdeutlicht. Es galt vielmehr, das »arteigene« Christentum mithilfe wissenschaftlicher Standards zu beweisen und somit zum ›objektiven‹ Faktum zu erklären. Neue Erkenntnisse der Wissenschaft – freilich nur jene, die den eigenen Intentionen entsprachen – sollten dazu dienen, religiöse Elemente des Christentums einer »Reinigung« von nicht »artgemäßen Einflüssen« zu unterziehen.440 Für die Forschungen im Eisenacher Institut lag die Hinwendung zu einer rassenkundlichen Religionsgeschichte hauptsächlich in deren vermeintlicher Beweiskraft gegenüber rein theologischen Argumentationen, eine Methode, die

436 Walter Grundmann: Gott und Nation. Ein evangelisches Wort zum Wollen des Nationalsozialismus und zu Rosenbergs Sinndeutung, Berlin 1933. Grundmann trat 1930 der NSDAP als Mitglied bei und wurde am 1. April 1934 förderndes Mitglied der SS. 437 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 136–139. 438 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 140f. 439 LKAE, DC 209, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Siegfried Leffler vom 6. 07. 1937). 440 Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es Forderungen, dass das Christentum zur Selbstförderung wissenschaftliche Erkenntnisse aufnehmen möge. Vgl. Volkhard Krech: Wissenschaft und Religion. Studien zur Geschichte der Religionsforschung in Deutschland 1871 bis 1933, Tübingen 2002, S. 169f.

Theologisch-Völkische Religionswissenschaft – eine Begriffsbestimmung

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bei nicht wenigen protestantischen Theologen jener Zeit Anwendung fand.441 Diese »rassische Religionswissenschaft«442 bot für die religionshistorischen Arbeiten im Institut die erfolgversprechendste wissenschaftliche Methodik zum Nachweis der eigenen antisemitischen Vorstellungen.

5.1.1 Theologische Religionswissenschaft In der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich innerhalb der Theologie erste religionshistorische Ansätze, die sich neben dem Studium des Christentums ebenso mit nicht-christlichen Glaubenssystemen wie Buddhismus, Hinduismus, nahöstlichen Religionsgruppierungen der Antike etc. auseinandersetzte. In dieser Zeit trugen solche religionshistorischen Forschungen noch gewisse Risiken in sich, »both for one’s career and perhaps with respect to Christianity’s stability, to embrace oriental syncretism and emphasize ›irrational‹ factors.«443 Am Ende des 19. Jahrhunderts entstand – unter anderem durch jene religionshistorischen Forschungen beeinflusst – die liberale Theologie, welche jedoch nicht als stringente theologische Position zu verstehen ist. Deren Repräsentanten führten die Öffnung der universitären Theologie weiter, wodurch infolge der Aufnahme historischer Forschungsansätze sich die ›Religionsgeschichtliche Schule‹ bzw. Religionsgeschichte entwickeln sollte.444 Die Vertreter dieser (immer noch) theologischen Richtung unterzogen die biblischen Schriftüberlieferungen einer historisch-kritischen Quellenanalyse und glichen ihre Ergebnisse mit sozialpolitischen Prozessen aus der Entstehungszeit von Altem und Neuem Testament ab. Darüber hinaus begannen sie mit religionsgeschichtlichen Vergleichen von Bibel und Christentum. Trotz dieser methodischen Öffnung blieb bei einem Teil der deutschen Universitätstheologen diese Richtung weiterhin ein Unterbereich der protestantischen Bibelexegese.445 Einer solchen, sich von althergebrachten kirchlichen

441 Horst Junginger: Religionswissenschaft, in: Jürgen Elvert/ Jürgen Nielsen-Sikora (Hg.): Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, Stuttgart 2008, S. 52–86, hier S. 80. 442 Horst Junginger : Verwissenschaftlichung der Judenfrage im Nationalsozialismus, Darmstadt 2011, S. 220. 443 Suzanne Marchand: German Orientalism in the Age of Empire. Religion, Race, and Scholarship, Washington D.C. 2009, S. 259. 444 Zur liberalen Theologie und deren Positionen vgl. Manfred Jacobs: Liberale Theologie, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 21, Berlin New York 1991, S. 47–68, zur religionsgeschichtlichen Schule im Speziellen S. 57f. 445 Kurt Rudolph: Eduard Nordens Bedeutung für die frühchristliche Religionsgeschichte, unter besonderer Berücksichtigung der »Religionsgeschichtlichen Schule«, in: Bernhard

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

Dogmen emanzipierenden und der religionshistorischen Schule verschriebenen Theologie kam im Anspruch ihrer Vertreter die Aufgabe zu, den weiteren Bestand der Theologie innerhalb der sich rasant wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu garantieren.446 Vor allem Protagonisten wie Rudolf Otto plädierten für eine Öffnung der Theologie hin zu allgemeinen religionsgeschichtlichen sowie vergleichenden religionswissenschaftlichen Fragestellungen, ohne aber den eigenen christlichen Standpunkt in ihren Arbeiten außer Acht zu lassen.447 In seinem theoretischen Modell benennt Horst Junginger, wegen der weiterhin bestehenden christlichen Grundausrichtung, jene Richtung als Theologische Religionswissenschaft. Kennzeichnend für diese Theologische Religionswissenschaft war nach Junginger, »daß sie das eigene religiöse Erleben und die eigene religiöse Tradition zur inhaltlichen Voraussetzung und zum wissenschaftlichen Ausgangspunkt einer Religionstheorie erklärt[e], die trotz ihrer subjektiven Begründung hieraus einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit abzuleiten sucht[e].«448

Weil diese Form der Religionswissenschaft an den religiösen Glauben des Forschers sowie die konfessionelle Gebundenheit der jeweiligen theologischen Fakultät gekoppelt blieb, kam es zwangsläufig zu einer konfessionellen Ausdifferenzierung innerhalb der Theologischen Religionswissenschaft. Neben einer evangelisch ausgerichteten Religionswissenschaft versuchte die Katholische Kirche ihrerseits eine eigene derartige Richtung an deutschen Universitäten zu etablieren. Innerhalb dieser sich die katholische Theologie jedoch nicht um neue Forschungsansätze erweitert werden, sondern solche verhindern, um hierdurch die eigene dogmatische Lehrmeinung nicht zu gefährden.449 Neben der evangelischen und katholischen Theologie konnte auch die jüdische Gemeinde

446 447 448 449

Kytzler/ Kurt Rudolph/ Jörg Rüpke (Hg.): Eduard Norden (1868–1941). Ein deutscher Gelehrter jüdischer Herkunft, Stuttgart 1994, S. 83–105, hier S. 87. Horst Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft. Das Fach Religionswissenschaft an der Universität Tübingen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Dritten Reiches, Stuttgart 1999, S. 71f. Vgl. zur Etablierung der Religionswissenschaft in den 1920er Jahren als eigenständige und an manchen deutschen Universitätsstandorten bereits als eine von der Theologie emanzipierte Wissenschaftsdisziplin Horst Junginger : Religionswissenschaft, S. 52–55. Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 86. Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 85. Einen Überblick über die ersten Lehrstühle an katholisch-theologischen Fakultäten deutscher Universitäten mit religionswissenschaftlicher Ausrichtung bietet Ulrich Vollmer : Religionswissenschaft als akademische Disziplin im Kontext katholisch-theologischer Fakultäten. Zu den Anfängen einer spannungsvollen Beziehung, in: Jürgen Court/ Michael Klöcker (Hg.): Wege und Welten der Religionen. Forschungen und Vermittlungen. Festschrift für Udo Tworuschka, Frankfurt/M. 2009, S. 647–653.

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Frankfurt 1921 einen Lehrauftrag für jüdische Religionswissenschaft und jüdische Ethik durchsetzen.450 Abgesehen vom Einfließen der eigenen religiösen Tradition als Grundlage jener Forschungen sind nach Horst Junginger weitere Merkmale charakteristisch für die Theologische Religionswissenschaft: Es gab die zunehmende Tendenz, sich in den Arbeiten nicht mehr mit dem Christentum zu befassen, um infolge der gewonnenen religionsgeschichtlichen Erkenntnisse nicht in Konflikt mit den religiösen Grundaussagen des eigenen christlichen Glaubens zu geraten. Zudem bestand bei tiefgründigen Forschungen zur christlichen Geschichte die Gefahr, die gesellschaftspolitische Bedeutung der Kirche und damit einhergehend die eigene wissenschaftliche Stellung zur Disposition zu stellen.451 Andererseits konnte mit der Erforschung von nicht-christlichen Religionen diesen eine religiöse Unvollkommenheit sowie eine mangelnde Gotteserkenntnis unterstellt werden, wodurch die Theologische Religionswissenschaft zum nützlichen Gehilfen christlicher Missionierung avancierte.452 Ein weiteres Merkmal der Theologischen Religionswissenschaft war die starke religiöse und kirchenpolitische Einflussnahme bei Lehrstuhlbesetzungen, was die Unabhängigkeit als eigenes akademisches Fach von vornherein untergrub.453

5.1.2 Völkische Religionswissenschaft Infolge des übersteigerten Nationalismus innerhalb bürgerlicher, speziell protestantischer Kreise, fanden am Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene »völkische« Konzepte Einzug in die bürgerliche Gedankenwelt. Sie beruhten auf einer antikapitalistischen sowie antiliberalen Gegenposition zu den politischen Staatsformen Frankreichs und Großbritanniens454 und propagierten damit einhergehend eine »mythisch-religiöse Aufladung« von Volk und Nation.455 450 Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 85f. 451 Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 89. 452 Kurt Rudolph: Die religionskritischen Traditionen in der Religionswissenschaft, in: Hans G. Kippenberg/ Brigitte Luchesi (Hg.): Religionswissenschaft und Kulturkritik. Beiträge zur Konferenz The History of Religions and Critique of Culture in the Days of Gerardus van der Leeuw (1890–1950), Marburg 1991, S. 149–156, hier S. 154. 453 Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 90. 454 Als bekanntestes Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Hammer-Bewegung von Theodor Fritsch zu nennen, die neben Judenausweisung und einer »arteigenen« Religion ebenso die Abkehr von einer auf Internationalität basierenden kapitalistischen Wirtschaftsordnung forderte. Vgl. Michael Bönisch: Die »Hammer«-Bewegung, in: Uwe Puschner/ Walter Schmitz/ Justus H. Ulbricht (Hg.): Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871–1918, München 1999, S. 341–365. Weitere Literaturangaben zu Fritsch auf S. 20 dieser Arbeit. 455 Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 161. Aus-

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Als Fundament dieses »völkischen« Weltbildes fungierte der Rassengedanke, der eine Überhöhung von körperlichen, geistigen und kulturellen Eigenschaften der vermeintlich »arischen« Rasse gegenüber anderen Rassen bzw. Völkern postulierte. In der heterogenen völkischen Bewegung456 gehörte wiederum Religion zum ideologischen Zentrum und wirkte als weiterer Grundbaustein für die gesamte »völkische« Weltanschauung. Das Postulat der eigenen rassischen Überlegenheit erhielt erst durch den – keineswegs einheitlichen – religiösen Überbau seine Legitimation zugesprochen und sorgte für den entsprechenden Aktionismus bei Vertretern der völkischen Bewegung.457 In den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren derartige Ideen weit verbreitet und fanden infolgedessen einen zunehmenden Einzug in die universitäre Lehre. Der Durchbruch hin zu einer Völkischen Religionswissenschaft, wie sie Horst Junginger benennt, sollte aber erst ab 1933 gelingen. Weil im »Dritten Reich« die Begriffe »völkisch« und nationalsozialistisch die gleiche ideologische Grundhaltung implizierten, ist dementsprechend unter Völkischer Religionswissenschaft in erster Linie eine nationalsozialistische Religionswissenschaft zu verstehen.458 Ein wesentliches Merkmal dieser religionswissenschaftlichen Richtung bildete die Abkehr vom Christentum und die Hinwendung zu einem »arisch-deutschen« bzw. »indogermanischen« Glauben unter Annahme eines religiösen »Artbildes«.459 Dies bedeutet, dass es sich lediglich um einen inhalt-

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führlich dazu Uwe Puschner : Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion, Dramstadt 2001. Derartige Tendenzen fanden sich zu dieser Zeit auch im deutschen Protestantismus wieder, der dem deutschen Volk eine von Gott legitimierte Sonderstellung in der Welt attestierte. Vgl. Martin Greschat: Krieg und Kriegsbereitschaft im deutschen Protestantismus, in: Martin Greschat: Protestanten in der Zeit. Kirche und Gesellschaft in Deutschland vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, hg. v. Jochen-Christoph Kaiser, Stuttgart Berlin Köln 1994, S. 51–66, hier S. 56 [Erstveröffentlichung 1986]; Hartmut Lehmann: The Germans as a Chosen People. Old Testament Themes in German Nationalism, in: Hartmut Lehmann: Religion und Religiosität in der Neuzeit. Historische Beiträge, hg. v. Manfred Jakubowski-Tiessen und Otto Ulbricht, Göttingen 1996, S. 248–259. Vgl. hierzu Puschner : Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich; Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik, Darmstadt 2 2010. Überblickshaft auch Jörn Meyers: Religiöse Reformvorstellungen als Krisensymptom? Ideologen, Gemeinschaften und Entwürfe »arteigener Religion« (1871–1945), Frankfurt/M. u. w. 2012. Uwe Puschner : Völkisch. Plädoyer für einen ›engen‹ Begriff, in: Paul Ciupke/ Klaus Heuer/ Franz-Josef Jelich/ Justus H. Ulbricht (Hg.): »Die Erziehung zum deutschen Menschen«. Völkische und nationalkonservative Erwachsenenbildung in der Weimarer Republik, Essen 2007, S. 53–66, hier S. 65f. Horst Junginger: Völkische Religionswissenschaft, in: Ingo Haar/ Michael Fahlbusch (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen, München 2008, S. 704–713, hier S. 706. Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 164. Zur Re-

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lichen Perspektivwechsel hin zur Erforschung »arteigener« Religionskonzeptionen handelte. Wie in der Theologischen Religionswissenschaft gehörte die eigene Religiosität zur Grundlage der Völkischen Religionswissenschaft, wodurch Wissenschaft und der persönliche Glaube des Forschers keine voneinander zu trennenden Bereiche blieben. Die Völkische Religionswissenschaft unterschied sich entsprechend in der individuellen religiösen Grundhaltung der beteiligten Akteure von jenen Vertretern der Theologischen Religionswissenschaft, weshalb sie »folglich eine Spielart oder, wenn man so will, eine Abart der Theologischen Religionswissenschaft« war.460 Unter ihrem Hauptvertreter Jakob Wilhelm Hauer, der zusätzlich zur wissenschaftlichen Erkundung eine »indogermanische« Religiosität inhaltlich neu auszufüllen versuchte, vollzog die Völkische Religionswissenschaft die Entwicklung hin zu einer Gegentheologie.461 In diesem Verständnis definierte auch der Hauer-Schüler Herbert Grabert (1901–1978)462 die Völkische Religionswissenschaft: Eine Völkische, von allen konfessionellen Einflüssen befreite Religionswissenschaft, habe »sich endlich in Wesen und Geschichte des eigenen Volkes [zu] versenken.«463 Eine in diesem Sinn verstandene Religionswissenschaft sollte sich in ihren Forschungen ausschließlich dem eigenen Volk zuwenden. Für Grabert stellte die Untersuchung der deutschen sowie indogermanischen Glaubensgeschichte und Weltanschauungskunde das Kernarbeitsgebiet einer Völkischen Religionswissenschaft dar, wohingegen andere Religionen oder die Religionen anderer Völker nicht mehr Gegenstand der Religionswissenschaft zu sein hatten.464 Das deutsche Volk, seine indogermanische Vorgeschichte sowie der jeweils angeblich damit ein-

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ligionswissenschaft im »Dritten Reich« mit einer dezidiert neuheidnischen Tendenz vgl. ebenso Frank-Rutger Hausmann: Die Geisteswissenschaften im »Dritten Reich«, Frankfurt/M. 2011, S. 119–122. Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 165. Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 302. Zu Hauers religiösem Weltbild, das er in der von ihm geleiteten Deutschen Glaubensbewegung versuchte umzusetzen, vgl. Wilhelm Hauer : Deutsche Gottschau. Grundzüge eines deutschen Glaubens, Stuttgart 31935; Schaul Baumann: Die Deutsche Glaubensbewegung und ihr Gründer Jakob Wilhelm Hauer (1821–1962), Marburg 2005; Ulrich Nanko: Die Deutsche Glaubensbewegung. Eine historische und soziologische Untersuchung, Marburg 1993. Zu Grabert vgl. die Beiträge in Martin Finkenberger/ Horst Junginger (Hg.): Im Dienste der Lügen. Herbert Grabert (1901–1978) und seine Verlage, Aschaffenburg 2004; darin speziell zu Grabert als Vertreter der Völkischen Religionswissenschaft Horst Junginger: Herbert Grabert als völkischer Religionswissenschaftler : Der Glaube des deutschen Bauerntums, in: Martin Finkenberger/ Horst Junginger (Hg.): Im Dienste der Lügen. Herbert Grabert (1901–1978) und seine Verlage, Aschaffenburg 2004, S. 36–68. Herbert Grabert: Die völkische Aufgabe der Religionswissenschaft. Eine Zielsetzung, Stuttgart Berlin 1938, S. 14. Zu seiner Programmatik siehe Grabert: Die völkische Aufgabe der Religionswissenschaft, S. 23–56.

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hergehende »arteigene« religiöse Glaube bildeten das konzeptionelle Zentrum der Völkischen Religionswissenschaft. Dabei sei betont, dass die Einordnung als Völkische Religionswissenschaft mit ihrer Fokussierung auf »arteigene«, meist neuheidnische Religionskonzeptionen, ausschließlich für die Zeit des »Dritten Reichs« ihre Gültigkeit hat und sich nicht einfach auf die Zeit vor 1933 übertragen lässt. Die Völkische Religionswissenschaft ist nach Junginger in erster Linie als eine nationalsozialistische Religionswissenschaft zu verstehen, die auf einem deutschen oder indogermanischen Glauben fokussierte und über das »Arische« hierzu einen Bezugspunkt zu erblicken glaubte.465 Neben dem 1940 auf Initiative von Hauer an der Universität Tübingen gegründeten Arischen Seminar,466 gab es innerhalb der universitären Landschaft während der NS-Zeit weitere Versuche, eine Völkische Religionswissenschaft zu etablieren. So forderte der Münchener Ordinarius Walther Wüst (1901–1993), seines Zeichens wissenschaftlicher Leiter von Himmlers SS-Ahnenerbe und seit 1939 Herausgeber der renommierten Zeitschrift Archiv für Religionswissenschaft,467 eine Neuausrichtung der Religionswissenschaft in Hinblick auf die Erforschung indogermanischer Religiosität.468 Das »Seelentum« eines Volkes könne, so Wüst, nur von Personen erforscht werden, die rassisch diesem Volk zugehören, weshalb man als Deutscher die Pflicht habe, sich dem »Indogermanentum« zuzuwenden.469 Alfred Rosenberg versuchte 1942 mithilfe einer für den ausgebildeten Theologen Wilhelm Brachmann (1900–1989) eingerichteten Professur an der Martin-Luther-Universität Halle ebenfalls eine Völkische Religionswissenschaft zu verankern.470 Die Konkurrenz zwischen Himmler und dessen Ahnenerbe 465 Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 162. 466 Vgl. Horst Junginger : Das »Arische Seminar« der Universität Tübingen 1940–1945, in: Heidrun Brückner u. w. (Hg.): Indienforschung im Zeitenwandel. Analysen und Dokumente zur Indologie und Religionswissenschaft in Tübingen, Tübingen 2003, S. 176–207. 467 Zum Archiv für Religionswissenschaft vgl. Martina Dürkop: Das Archiv für Religionswissenschaft in den Jahren 1919 bis 1939. Dargestellt auf der Grundlage des Briefwechsels zwischen Otto Weinreich und Martin P:n Nilsson, Münster 2013; Horst Junginger : Archiv für Religionswissenschaft, in: Ingo Haar/ Michael Fahlbusch (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen, München 2008, S. 54–58. 468 Walther Wüst: Von indogermanischer Religiosität. Sinn und Sendung, in: Archiv für Religionswissenschaft 36 (1939), S. 64–108, hier S. 84–91 und S. 103–107. 469 Wüst: Von indogermanischer Religiosität, S. 90f. 470 Junginger : Völkische Religionswissenschaft, S. 711. Brachmann fungierte laut Vorlesungsverzeichnis der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als »Abteilungsleiter in der Reichsleitung der NSDAP (Dienststelle Rosenberg)«. Nach dem Vorlesungsverzeichnis nahm Brachmann jedoch erst im Sommersemester 1943 »vertretungsweise« die Professur für Religionswissenschaft wahr. Im darauffolgenden Semester führte ihn die Universität als ordentlichen Professor der Philosophischen Fakultät. Vgl. zur Ernennung Brachmanns

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sowie Rosenberg und seiner Hohen Schule ist als Auslöser für Brachmanns Bemühen zu deuten, 1942 ein neues Fachjournal unter der Bezeichnung Die Religionswissenschaft. Die Religion in Geschichte und Gegenwart zu gründen. Dieses sollte sich als eine Konkurrenzzeitschrift zu dem von Wüst geführten Archiv für Religionswissenschaft etablieren.471 Horst Junginger ordnet gleichfalls das noch 1944 an der Universität Greifswald gegründete Religionswissenschaftliche Institut der Völkischen Religionswissenschaft zu.472 Diese Institutsgründung stand zumindest indirekt im Zusammenhang mit dem »Entjudungsinstitut«, worauf Junginger auch hinweist,473 denn die beiden Initiatoren des Greifswalder Instituts, Wilhelm Koepp und ake Ohlmarks, beteiligten sich gleichzeitig aktiv an diversen Forschungsprojekten des Eisenacher Instituts.474 Bei den Forschungsarbeiten des »Entjudungsinstituts« handelte es sich wiederum um eine gesonderte Form der »protestantisch-theologischen Religionswissenschaft«,475 wobei gleichzeitig Merkmale jener Völkischen Religionswissenschaft wahrnehmbar sind. Der Bezugspunkt zum »Völkischen« bestand aber nicht in einer »indogermanischen« Religion bzw. Religiosität, sondern in einem »arisch«-definierten Protestantismus mit »nordisch-germanischen« (Rassen-)Einflüssen. Die Vertreter der Völkischen Religionswissenschaft vernahmen in der Rassenforschung die eigentliche Grundlage ihrer Arbeit, weil sich nach deren Ansicht religiöse »Artbilder« rassisch bedingten.476 Dieselbe Annahme ist in den theoretischen Grundkonzeptionen zur Arbeitsweise des »Entjudungsinstituts« zu finden. Der Unterschied zwischen Völkischer Religionswissenschaft und der religionswissenschaftlichen Methodik des Eisenacher Instituts liegt in der konträren religiösen Haltung der Protagonisten. Bei der Völkischen Religions-

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auch Henrik Eberle: Die Martin-Luther-Universität in der Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945, Halle/S. 2002, S. 130–132. StA Leipzig, 22208, Nr. 624, Bl. 50 und 54. Junginger : Völkische Religionswissenschaft, S. 711. Auf das Fehlen dieses Zusammenhangs bei Fritz Heinrich wurde bereits in Kapitel 2 hingewiesen. Zu Ohlmarks vgl. Anders Gerdmar : Ein germanischer Jesus auf schwedischem Boden. Schwedisch-deutsche Forschungszusammenarbeit mit rassistischen Vorzeichen 1941– 1945, in: Roland Deines/ Volker Leppin/ Karl-Wilhelm Niebuhr (Hg.): Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich, Leipzig 2007, S. 319–348; Andreas akerlund: ake Ohlmarks in the Third Reich: A scientific career between Adaption, Cooperation and Ignorance, in: Horst Junginger (Hg.): The Study of Religion under the Impact of Fascism, Leiden Boston 2008, S. 553–574; ders.: Nordic Studies in National Socialist Germany. A possible Career Path of Swedish Academics, in: Horst Junginger/ Andreas akerlund (Hg.): Nordic Ideology between Religion and Scholarship, Frankfurt/M. 2013, S. 169–190. Vgl. Horst Junginger: Einführung: Das Überleben der Religionswissenschaft im Nationalsozialismus, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 9 (2001), S. 149–167, hier S. 157. Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 165.

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wissenschaft als eine dezidiert »nationalsozialistische Religionswissenschaft« (Horst Junginger) handelte es um eine Art Gegentheologie in Bezug auf das etablierte Christentum. Allen voran Jakob Wilhelm Hauer versuchte ab 1934 dem forcierten »Deutschen Glauben« eine wissenschaftliche Grundlage zu geben, um ihn konkretisieren zu können.477 Dem Nationalsozialismus als ideologische Basis kam wiederum im Religionsverständnis der Kirchenbewegung Deutsche Christen eine entscheidende Bedeutung zu, weshalb die genutzte Methode des Eisenacher Instituts ebenso als eine »nationalsozialistische Religionswissenschaft« zu verstehen ist. Wie in Kapitel 3 aufgezeigt, wäre es ohne die Etablierung des Nationalsozialismus und dessen Exklusionspolitik gegenüber den Juden auch nicht zur Gründung des »Entjudungsinstituts« gekommen. Wie das »Entjudungsinstitut« war auch die Völkische Religionswissenschaft von der Machtübernahme Hitlers abhängig, hätte sie sich doch ohne das »Dritte Reich« nicht in der Art und Weise ausbilden können, wie sie es letztendlich seit 1933 getan hatte. Im Gegensatz zur Völkischen Religionswissenschaft bildete aber kein »arteigener«, genuin nicht-christlicher Glaube das Fundament, auf das sich das eigene religionswissenschaftliche Verständnis stützte. Hier ist die Bruchlinie zwischen Völkischer Religionswissenschaft und jener religionswissenschaftlichen Methode des »Entjudungsinstituts«: Dessen religiöses Fundament stützte sich auf den christlichen Glauben protestantischer Prägung. Damit ist nicht gemeint, im Eisenacher Institut hätte es keine völkischen, »arteigenen« religiösen Vorstellungen gegeben – diese gab es zweifelsohne. Vielmehr soll damit ausgedrückt werden, dass die religionswissenschaftliche Methode innerhalb des Eisenacher Instituts – nimmt man Jungingers Unterteilung als Grundlage – nicht einfach der Völkischen Religionswissenschaft zugeordnet werden kann, da ein entscheidendes Merkmal der Völkischen Religionswissenschaft der nicht-christliche Glaubensgrundsatz der beteiligten Protagonisten war. Entsprechend ist an dieser Stelle eine Differenzierung zwischen Theologischer, Völkischer und jener Religionswissenschaft vorzunehmen, die im Eisenacher »Entjudungsinstitut« zum Einsatz kam.

477 Horst Junginger: Die Tübinger Schule der »völkischen Religionswissenschaft« in den dreißiger und vierziger Jahren, in: Martin Finkenberger/ Horst Junginger (Hg.): Im Dienste der Lügen. Herbert Grabert (1901–1978) und seine Verlage, Aschaffenburg 2004, S. 10–35, hier S. 24.

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5.1.3 Theologisch-Völkische Religionswissenschaft Die Vorstellung eines »arteigenen« Christentums, wie sie die Kirchenbewegung Deutsche Christen vertrat, war keineswegs eine Erfindung von Siegfried Leffler und Julius Leutheuser. Bereits Houston Stewart Chamberlain (1855–1927), der wiederum sein religiös-rassisches Weltbild auf den Ideen von Paul Anton de Lagarde aufbaute, verstand die Verwirklichung einer »germanischen« Religion allein mithilfe des Christentums, wie er in seinem 1899 erstmals erschienenen Hauptwerk Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts ausführte. Das Christentum, welches den alleinigen Ursprung in Jesus habe, entwickelte Chamberlain zu einem Gegenentwurf gegenüber dem Judentum. Jedoch sei die Jesusreligion nach dem Tod ihres Stifters zunehmend unter jüdische Einflüsse geraten, so Chamberlain, wodurch sich das gegenwärtige Christentum nicht mehr als »artgemäß« präsentiere.478 Infolge der großen Resonanz, die Chamberlains Buch erfuhr,479 ist es nicht verwunderlich, dass wenige Jahre später die ersten Konzeptionen von Theologen erschienen, die eine »Germanisierung« des Christentums einforderten. In dem bereits genannten Büchlein Deutschchristentum auf rein-evangelischer Grundlage forderten die Autoren eine »Verdeutschung« des protestantischen Christentums. Auch darin wurde der Gegensatz von Jesus zur jüdischen Religion hervorgehoben und die Fortführung von Luthers Reformation hin zu einem »germanisch-deutschen« Christentum angestrebt.480 Die Idee eines solchen Deutschchristentums auf evangelischer Grundlage bediente sich dabei nicht nur antisemitischer Denkweisen. Ebenso zogen die Autoren die vergleichende Religionswissenschaft als vermeintliche wissenschaftliche Beweisgrundlage für ihre Vorstellungen zurate. So habe angeblich erst die Religionswissenschaft die Differenz und Gegensätzlichkeit von Judentum und Christentum »klar herausgestellt.«481 Der Verweis auf die vergleichende Religionswissenschaft als wissenschaftliche Legitimationsbasis suggerierte dabei eine größere Objektivität als bloße theologische Glaubensauslegungen, die eine religiöse Subjektivität im Sinne des Christentums beinhaltet hätten. Gleich dieser Argumentation sprach sich Arthur Bonus schon 1911 für die 478 Barbara Liedtke: Völkisches Denken und Verkündigung des Evangeliums. Die Rezeption Houston Stewart Chamberlains in evangelischer Theologie und Kirche während der Zeit des »Dritten Reiches«, Leipzig 2012, S. 80–97. 479 So gehörte Chamberlains Hauptwerk zur Pflichtlektüre in preußischen Lehrerseminaren. Liedtke: Völkisches Denken und Verkündigung, S. 39. 480 Vgl. Kapitel 3.1. 481 Friedrich Andersen/ Adolf Bartels/ Ernst Katzer/ Hans Paul Freiherr von Wolzogen: Deutschchristentum auf rein-evangelischer Grundlage. 95 Leitsätze zum Reformationsfest 1917, Leipzig 1917, S. 15.

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Zuhilfenahme einer nicht näher definierten Religionswissenschaft aus, um ein »germanisches Christentum« (wieder-)entstehen zu lassen. Die bisherige Theologie betreibe »Talmudismus«, so Bonus, um »alles mögliche, was einmal unter andrer Anschauungsweise in nähere oder fernere Verbindung mit der Religion gekommen ist, in wenig gültiges Kernelement der Religion umzulügen.«482

Bonus, der für eine Fortführung von Luthers Reformation hin zu einem nationaldeutschen christlichen Glauben eintrat,483 sah die zeitgenössische Theologie nicht mehr in der Lage, das Christentum von dessen »jüdischen Verfremdungen« zu lösen. Vielmehr bedurfte es nach Bonus eines neuen Umgangs wissenschaftlicher Forschung mit dem Christentum. Die bisherige Theologie beschränke sich lediglich darauf, »Ausreden und Schutzgedanken zu finden, um Dinge, die religiös gar nicht mehr gelebt werden, in irgendeine wesentlich erscheinende Verbindung mit der Religion hineinzuschrauben.«484

Ein »deutsches Christentum« benötigte nach Bonus aber nicht mehr eine derartige Theologie, da sie ein Christentum verteidige, welches im Volk keinen Anklang mehr fände: »Wollen wir nun – und müssen wir haben, um zu leben – eine deutsche Religion, so muß diese Form der religiösen Arbeit aufhören. Die Fremdelemente müssen aufgelöst werden. Wir müssen schärfere zersetzendere Säfte aufbringen. […] Die Zersetzung der Fremdkörper im Leibe unserer Religion, das ist die Vorarbeit, die uns unsere Religionswissenschaft zu leisten hat. Sie sieht negativ aus, ist aber so positiv, so lebensfördernd, lebenbauend wie jene Zersetzung der Ackerkrume, die der Landmann mit allen möglichen Mitteln, zu befördern sucht, damit ihm Brot darauf wachse, Lebensbrot.«485

Der Begriff Religionswissenschaft stand bei Bonus in direkter Abgrenzung zu einer orthodoxen Theologie, die es zu überwinden galt. Denn für die Wiedererlangung eines ursprünglichen Christentums, welches sich am Empfinden des Volkes orientiere, sei eine solche Theologie unbrauchbar geworden. Für Bonus bedeutete Religionswissenschaft nicht die Erforschung vergangener Religionen, sondern eine Wissenschaft »der lebendigen Religion (also ›Theologie‹)«.486 Die bisherige akademische Theologie orientiere sich in ihren Forschungen allein am Vergangenen, was wiederum dazu führe,

482 483 484 485 486

Arthur Bonus: Zur Germanisierung des Christentums, Jena 1911, S. 131. Meyers: Religiöse Reformvorstellungen als Krisensymptom, S. 101. Bonus: Zur Germanisierung des Christentums, S. 132. Bonus: Zur Germanisierung des Christentums, S. 132. Bonus: Zur Germanisierung des Christentums, S. 120.

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»daß sie alles neu sich Bahnbrechende darauf ansehen, ob es sich in erkennbaren Ähnlichkeiten zu erfolgreichen Umwälzungen der Vergangenheit befindet.«487

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es innerhalb des deutschen Protestantismus entsprechend Ideen, die christliche Lehre grundlegend zu verändern, was sich aber nicht mit einer als »lebens- und volksfremd« wahrgenommenen Theologie durchführen ließe. Derartige Reformvorschläge, welche die Initiatoren nicht selten als eine Vollendung von Luthers Reformation verstanden, hatten die Schaffung eines rassisch und nationalistisch definierten deutschen Christentums zum Ziel. Antisemitismus sowie Rassentheorie inklusive der religiös-kulturellen Überhöhung des deutschen Volkes gehörten neben dem Protestantismus und einer Jesus-Zentrierung zum Grundstock eines solchen Lehrbildes. Um ein derartiges Christentum mit dessen angeblichem Gegensatz zur jüdischen Religion bzw. »jüdischen Rasse«488 für das deutsche Volk zu erschaffen, bedurfte es den Vertretern eines solchen religiösen Weltbildes zufolge einer anderen Wissenschaft als der althergebrachten Universitätstheologie. Bereits in dieser ideengeschichtlichen Entstehungsperiode des »arteigenen Christentums« tauchte die Forderung nach einer neuen wissenschaftlichen Methodik auf, die man als Religionswissenschaft titulierte. Charakteristisch für das Bild von Religionswissenschaft in diesen Kreisen blieb zuallererst, dass man sie darüber definierte, was sie nicht sein sollte. Religionswissenschaft hatte sich nicht an den Methoden der klassischen Theologie zu orientieren, da deren vermeintlich orthodox-dogmatische Haltung einer Neuausrichtung des Christentums grundsätzlich im Wege stand. Vielmehr sollte sich Religionswissenschaft am neuen »Empfinden« des Volkes orientieren und damit zur Wiedererlangung einer »lebendigen Religion« (A. Bonus) beitragen. Hierdurch bestimmte das Ziel den Weg, wie das Beispiel Arthur Bonus zeigt. In ähnlicher Weise verstanden knapp vierzig Jahre später die Mitglieder des Eisenacher Instituts Religionswissenschaft: Die Gegensätzlichkeit von Christentum und Judentum sowie die negativen Einflüsse alles Jüdischen wurden im Institut vorausgesetzt. Es bedurfte letztendlich nur noch der wissenschaftlichen Beweisführung derartiger »Tatsachen« zur (Wieder-)Erlangung eines »artgemäßen« Christentums. Jedoch beließen es die Mitarbeiter im »Entjudungsinstitut« nicht bei einer bloßen Umbenennung der eigenen Forschungsmethodik in Religionswissenschaft als Abgrenzung zu einer als negativ und vergangenheitsori487 Bonus: Zur Germanisierung des Christentums, S. 172. 488 Das Judentum wurde, wie bereits in Kapitel 1.1 angeklungen, von den Antisemiten nicht als Religions-, sondern als eine »Rassengemeinschaft« verstanden. Siehe dazu auch beispielhaft das Bild des Judentums bei Houston Stewart Chamberlain, dargelegt bei Liedtke: Völkisches Denken und Verkündigung, S. 66–77. Zur ideengeschichtlichen Herkunft der »jüdischen Rasse« bei Adolf Hitler vgl. Roman Töppel: »Volk und Rasse«. Hitlers Quellen auf der Spur, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 64 (2016), S. 1–35.

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entiert gedeuteten Universitätstheologie, wie dies noch bei Arthur Bonus und den Autoren des Buches Deutschchristentum auf rein-evangelischer Grundlage der Fall war. Vielmehr verschrieben sie sich der Aufgabe, ganz ihrem wissenschaftlichen Selbstverständnis entsprechend, eine solche religionswissenschaftliche Methode für sich selbst grundlegend zu definieren. Mit der Gründung des Instituts forderte der nominelle Leiter Siegfried Leffler, das Institut in die Hände einer konfessionell unabhängigen Wissenschaft zu legen, um möglichen kirchenkritischen Angriffen zuvorzukommen.489 Religionsforschungen unter der Selbstbezeichnung Religionswissenschaft oblagen nicht sofort dem Verdacht einer kirchlich-theologischen Subjektivität, sondern suggerierten zunächst eine gewisse Objektivität und Neutralität gegenüber ihrem Untersuchungsgegenstand. Dass das Institut dabei in keinerlei Hinsicht eine wissenschaftliche Objektivität und Unvoreingenommenheit gegenüber den zu untersuchenden Religionen einnahm, steht außer Frage. Neben einer vermeintlich vorurteilsfreien Positionierung mussten sich die Mitarbeiter zudem von einem rein theologischen Forschungsansatz lösen, um außerhalb der evangelischen Theologie Wahrnehmung und von anderen »Judenforschern« Akzeptanz zu erfahren. Heinz Hunger (1907–1995), zeitweiliger Geschäftsführer des Eisenacher Instituts, erarbeitete eine neue Form von Religionswissenschaft, welche er auf der ersten Arbeitstagung des Instituts Anfang März 1940 vorstellte.490 Durch das nicht zu unterschätzende Format der jährlichen Arbeitstagungen des Instituts mit mehreren Hundert Zuhörern und der anschließenden Veröffentlichung der Vorträge ist Hungers Konzept einer zukünftigen wissenschaftlichen Arbeitsweise als richtungsweisend für Teile der Forschungsmethodik im Eisenacher Institut anzusehen. Wäre eine solche Methodenausarbeitung von nachrangiger Bedeutung für das Eisenacher Institut gewesen, hätte Hunger dies mit Sicherheit nicht auf der ersten großen Institutsarbeitstagung mit anschließendem Abdruck präsentieren dürfen. Heinz Hunger begann seine Ausführungen mit einem kurzen Abriss der Entwicklung der bis dato entstandenen vergleichenden Religionswissenschaft: Seit dem 18. Jahrhundert würde diese auf dem Ideengut der Aufklärung mit dem Postulat der Gleichheit aller Menschen basieren, aber bei gleichzeitiger Annahme einer Überlegenheit der christlichen Religion. Trotz der Wertschätzung 489 EZA, 7/4166, [unfoliert] (Richtsätze des »Instituts zur Reinigung des kirchlichen Lebens von jüdischem Geist« von Siegfried Leffler an Dr. Werner, Präsident der Deutschen Evangelischen Kirche, vom 12. 04. 1939). 490 Heinz Hunger : Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, in: Walter Grundmann (Hg.): Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Erster Band. Sitzungsberichte der ersten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 1. bis 3. März 1940 in Wittenberg, Leipzig 1940, S. 193–233.

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für die erbrachten Leistungen böte ein solches Programm nicht mehr die Grundlage für aktuelle wissenschaftliche Aufgaben, denen sich die vergleichende Religionswissenschaft zu stellen habe. Deshalb müsse ein Programm entwickelt werden, »wie wir eine vergleichende Religionsgeschichte unter rassekundlichen Gesichtspunkten wissenschaftlich betreiben können, also dem Problem und der Aufgabe, die uns unsere eigene Zeit stellt, nachgehen.«491

Vergegenwärtigt man sich die Zielstellung des Eisenacher »Entjudungsinstituts« sowie den Zeitgeist der »Judenforschung« im »Dritten Reich«, wird klar, was Hunger unter »Problem« bzw. »Aufgabe« verstand: »Problem« meinte verklausuliert die »Judenfrage«, wohingegen mit der ›von der Zeit gestellten Aufgabe‹ Hunger die Lösung jener »Judenfrage« innerhalb des eigenen Tätigkeitsfeldes anmahnte. Heinz Hunger konzipierte eine vergleichende Religionsgeschichte unter der Eigenbezeichnung Religionswissenschaft, mithilfe derer die antisemitische Zielstellung des Eisenacher Instituts nicht ausschließlich theologische Legitimierung finden sollte. Durch verschiedene wissenschaftliche Ansätze, allen voran aus dem Bereich der Geschichtswissenschaft, sollte der eigene Antisemitismus als historisch begründet dargestellt sowie die daraus resultierenden notwendigen Konsequenzen für die Gegenwart gezogen werden. Die nationalsozialistische »Judenforschung« betrieb eine »Historisierung des Judentums« mit transdisziplinären Methoden,492 und Hunger wollte dies für das Institut im Rahmen der Religionsforschung mit der modernen Rassenlehre verbinden. Er argumentierte, dass die Annahme der Gleichheit alles Religiösen durch die moderne Rassenlehre aufgehoben sei, womit eine solche Erkenntnis in allen Religionsforschungen Beachtung zu finden habe. Die Neubesinnung der vergleichenden Religionswissenschaft musste zwei zentrale Punkte enthalten: »1. Die Aufhebung der Menschheitsnivellierung durch die moderne Rasselehre; und 2. die Einsicht in die seelische Struktur des Religiösen und damit verbunden die Rückgängigmachung der Gleichsetzung aller religiösen Phänomenologie untereinander mittels einer neuorientierten Religionspsychologie.«493

Somit sei das bisherige »systemlose« Studieren von Fremdreligionen nach Hunger ohne weiterführenden Nutzen. Ein ebenso »systemloses« Forschen wäre der Versuch, Religionen einfach getrennt nach Rassen neu zu beschreiben. Hunger sprach sich zwar für das weitere systematische Arbeiten aus, wollte die

491 Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 196. 492 Dirk Rupnow : Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie, Baden-Baden 2011, S. 17. 493 Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 197.

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

Erkenntnisse aber in Anlehnung an die seit dem 19. Jahrhundert begonnene Linie weiterführen, »damit nun an Stelle des systemlosen Forschens und Sammelns wieder eine sinnvolle Systematik des Religiösen [trete], ohne sich jedoch der Spekulation auszuliefern.«494

Die Systematik bedeutete für Hunger die Untersuchung nach dem Zusammenhang von Religion und Rasse. Darauf aufbauend formulierte er die eigentliche Zielstellung dieser Religionswissenschaft, hierdurch »als Wissenschaftler einen Beitrag mit zu leisten für das existenzielle Ringen unseres Volkes um einen arteigenen Glauben.«495 Der »arteigene« Glauben war an dieser Stelle für Hunger grundlegend, weil er die theologische Basis der Thüringer Deutschen Christen bildete. Neben der ideologischen Komponente des »arteigenen« Glaubens arbeitete Hunger zwei Gesetzmäßigkeiten heraus, welche für die Systematik der rassenkundlichen Religionsgeschichte zusätzlich von entscheidender Bedeutung seien: Erstens würden Religionen immer wieder Spaltungen, Schichtungen und Durchmischungen erleben. Jedoch, so die zweite Gesetzmäßigkeit, bleibe das »Dynamisch-Strukturelle der Rasse« von derartigen Vorgängen unverändert und erfahre dadurch erst seine immer schärfere Ausprägung.496 Daraus ergäbe sich für die rassenkundliche Religionsgeschichte die Aufgabe, »nach dem religiösen Ideal als solchem zu fragen und dieses sicherzustellen, denn auch der Fremdeinfluß, gerade er, wird das Arteigene immer nur zu größerer Klärung und Herausarbeitung des Wesentlichen, eben des Typischen, veranlassen.«497

Unter Fremdeinfluss ist bei Hunger selbstverständlich »jüdisch« zu verstehen, da es bei der Institutsarbeit schwerpunktmäßig um die Erforschung und Beseitigung jüdischer Einflüsse ging, wie der offizielle Institutsname deutlich macht. Das religiöse Ideal, von dem Hunger in seiner Methodenanalyse sprach und das als Voraussetzung der neuen Religionswissenschaft dienen sollte, war für ihn nicht die Untersuchung von »abstrakten Ideologien und Begriffen«, sondern die Untersuchung von »Idealen in ihrer konkreten Verwurzelung mit dem wirklich gelebten Leben.«498 Er stellte fest, durch die Untersuchung von Idealen der verschiedenen Rassen ließe sich am einfachsten die unterschiedlichen Religionen miteinander vergleichen. Im ersten Schritt der Methode seien zunächst jene, wie auch immer zugeschriebene geistige Rassenmerkmale, in ihrer Entstehung mithilfe der Betrachtung »im Sinne des lebensverbundenen 494 495 496 497 498

Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 198. Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 198f. Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 216. Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 216. Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 217f.

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und gelebten Ideals« zu analysieren.499 An dieser Stelle forderte Hunger deshalb eine Neuausrichtung der klassischen religionsgeschichtlichen Forschung, da diese bisher »meist nur eine Art erklärende Darstellung der Mythologie dieser Völker [gibt], ohne daß man sich jedoch nur ein einziges Mal methodisch Rechenschaft darüber gäbe, wie weit eine solche Religion wirklich habe gelebt werden können.«500

Der bloße beschreibende Charakter von religiösen Systemen innerhalb der Religionswissenschaft greife demnach zu kurz, um Religion wirklich verstehen zu können und würde lediglich als »theologische Spekulation in der Luft« bestehen. Vielmehr sei die Abkehr von solchen Spekulationen notwendig und die Verbindung der religiösen Vorstellungen mit den jeweiligen Rassenhintergründen herzustellen. Würden religiöse Vorstellungen in Kombination mit rassischen Eigenschaften betrachtet, so wäre dies keine theologische Spekulation mehr, sondern das »System Religion« würde »mit Blut erfüllt und an den Boden gebunden werden.« Hunger meinte damit, dass neben einer objektiven Beschreibung die Religionswissenschaft zusätzlich dem Betrachter einen »subjektiv lebensvoll[en]« Gesamteindruck des gelebten Lebens bezüglich Religion zu vermitteln habe, damit die wesenhaften Besonderheiten der Rassen und Völker hervortreten würde. Deshalb gelte das Faktum, dass die »religionswissenschaftliche Darstellung […] also auch nicht im von uns beschriebenen idealtypischen Sinne ohne genaueste volkskundliche Einzelforschung auskommen [kann].«501

Die »Blutkonstante« bleibe demgemäß von äußeren Einflüssen, wie sie alle Religionen erleben, unberührt, wodurch ein vermeintlicher religiöser Urzustand der jeweiligen Rasse wieder sichtbar gemacht werden könne. Innerhalb dieses Konzepts behielten Konvertiten immer die vorherigen rassisch-religiösen Eigenschaften und konnten nicht Teil ihrer neuen Religion werden, da die geistigen gleich den religiösen Eigenarten rassisch bedingt bestehen blieben. Hunger verstand, wie er selbst betonte, Religion und Rasse als eine Einheit – eine Vorstellung, die schon in der Frühphase der völkischen Bewegung von zentraler Bedeutung war – und erst mit der Erforschung dieser Gesetzmäßigkeit böte sich die Möglichkeit, so Hunger, die verschiedenen »Religions- und Rasse-Einheiten« untereinander zu vergleichen.502 Die Religionswissenschaft übernahm im Denken Hungers die Funktion, derartige Einheiten zu erforschen, weil dies mit bloßer theologischer Exegese 499 500 501 502

Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 218. Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 218. Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 220. Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 229.

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

nicht möglich sei. Es bedurfte der Religionswissenschaft einerseits zur Erforschung des stetigen Wandels von Religion infolge innerer und äußerer Einflüsse. Zum anderen wurde zur Erforschung der »jüdischen Einflüsse« auf das christlich-religiöse Leben die »geistige Rassenkunde« benötigt, um jenen von jüdischen Einflüssen bereinigten christlichen Urzustand wieder sichtbar und letztendlich erfahrbar zu machen. Neben der »Entjudung« des gegenwärtigen Christentums durch die hier beschriebene Forschungsmethode, die Hunger als Religionswissenschaft bezeichnete, hatte diese für ihn eine weitere, längerfristige Aufgabe zu erfüllen. Bis dato wäre es nur möglich gewesen, Äußerungen eines bestimmten Menschen als »jüdisch« zu klassifizieren, weil eben jene Person der »jüdischen Rasse« angehörte. Nach Erarbeitung einer soliden Rassenpsychologie und -typologie, welche ebenfalls nur unter Beachtung der Einheit von Rasse und Religion anzuwenden sei, »könnte es vielleicht möglich werden, auf Grund einer ausgezeichneten Kenntnis des Gesamthabitus einen historischen Menschen etwa, von dem keinerlei körperliche Spuren auf uns gekommen, einer bestimmten Rasse zuzuweisen […].«503

Wo dies möglich gewesen wäre, hätten zukünftig ebenso historische Persönlichkeiten wie der Apostel Paulus »entjudet« werden können, um den gewünschten Gegensatz von Judentum und Christentum zu manifestieren sowie den Nachweis eines »nichtjüdischen« Christentums zu liefern.504 Neben der auf rassischen Annahmen basierenden religionshistorischen Forschungsmethode versuchte Hunger somit mittelfristig zusätzlich eine »geistige Rassenbestimmung« als einen Schwerpunkt der Institutsarbeit zu etablieren. Zusammenfassend nannte er am Ende seiner Ausführungen nochmals die Zusammenhänge zwischen der von ihm aufgezeigten religionswissenschaftlichen Arbeitsmethode und dem »Entjudungsinstitut«. Jene Methode sollte zunächst für den von Hunger geführten Religionsgeschichtlichen Arbeitskreis des Eisenacher Instituts die Arbeitsgrundlage bilden, auf der aber zukünftig alle weiteren Forschungen zu basieren hätten, um »dem ›typischen Gegensatz zwischen arischer und semitischer Religiosität unter besonderer Berücksichtigung der germanisch-deutschen Lebens- und Glaubenshaltung einerseits und der jüdischen andererseits‹ [nachzugehen].«505

Darüber hinaus würde, so die Annahme, eine Untersuchung der »seelischen Artung von Juden« es ermöglichen, die teilweise gegensätzlichen Zuschrei503 Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 230. 504 Zur Problematik des jüdischen Paulus für das Institut vgl. Susannah Heschel: The Aryan Jesus. Christian Theologians and the Bible in Nazi Germany, Princetown 2008, S. 145f. 505 Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 232.

Theologisch-Völkische Religionswissenschaft – eine Begriffsbestimmung

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bungen als einmal faule und dann wieder fleißige Rasse wissenschaftlich-objektiv zu überwinden.506 Weiter könne Hunger zufolge mit dieser Methode der Frage nachgegangen werden, »ob das Christentum einschließlich seines Stifters ›Judentum für Europäer‹ ist, wie ein Jude einmal gemeint hat, oder ob Jesus der ›erste Judengegner von Format‹ gewesen [sei].«507

Diese Frage beantwortete Hunger mit Verweis auf Paul de Lagarde sogleich in seinen weiteren Ausführungen selbst, da – wieder Bezug nehmend auf den rassischen Idealbegriff – kein Volk sein Ideal ans Kreuz schlage. Dadurch war für ihn ohnehin klar, dass Jesus niemals ein Jude gewesen sei.508 Bei den Ausführungen von Heinz Hunger über Wesen und Methode einer rassenkundlichen Religionsgeschichte lässt sich deutlich die Instrumentalisierung von Religionswissenschaft im »Dritten Reich« erkennen, mit deren Hilfe ein vermeintlich objektiver wissenschaftlicher Nachweis für den Gegensatz zwischen Judentum und Christentum erbracht werden sollte. Es handelte sich dabei nicht um einen begrifflichen Austausch zur Vermeidung des Terminus Theologie, sondern es wurde, wie in den anderen Einrichtungen der »Judenforschung«, mit methodischen Ansätzen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen gearbeitet. Theologische Erklärungsansätze verdrängten die Forscher durch die religionsgeschichtliche Betrachtungsweise und nutzten »Volk« und »Rasse« als hermeneutische Werkzeuge.509 Erst diese Form der Religionswissenschaft ermöglichte es den Mitarbeitern des Eisenacher Instituts, den angeblichen Nachweis eines »nichtjüdischen« Jesu und darauf aufbauend eines »arteigenen« christlichen Glaubens zu liefern,510 was mit theologischen Ansätzen oder der alleinigen Verwendung der Rassentheorie nicht gelungen wäre. In ähnlicher Weise wie Hunger agierte auch der vom Wiener Neutestamentler Hans Wilhelm Schmidt (1903–1991) geleitete Institutsarbeitskreis Die religionswissenschaftliche Grundlegung der Arbeit des Institutes, welcher nach seiner Initiierung Anfang 1942 in der Zeitschrift des »Entjudungsinstituts« kurz Erwähnung fand. Darin heißt es unter Punkt 1: 506 Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 231. 507 Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 232. Die Bezeichnung »erster Judengegner von Format« ist ein direktes Zitat aus dem 1929 veröffentlichten Roman Michael des späteren Reichspropagandaministers Joseph Goebbels (1897–1945), auf den Hunger ausdrücklich verweist. Siehe Joseph Goebbels: Michael. Ein deutsches Schicksal in Tagebuchblättern, München 171942, S. 82. 508 Hunger: Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 232f. 509 Heschel: The Aryan Jesus, S. 202f. 510 Marshall D. Johnson: Power Politics and New Testament Scholarship in the National Socialist Period, in: Journal of Ecumenical Studies 23 (1986), S. 1–24, hier S. 8f.

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

»Die Aufgabe einer Besinnung über die Grundlage der Arbeit des Institutes besteht darin, die religiöse Grundlage der Arbeit des Institutes zur Bewußtheit ihrer selbst zu bringen. In dieser grundsätzlichen Besinnung muß die eigene religiöse Position aus einer doppelten Vollmacht aufleuchten und bewußt werden: es muß ihre Wahrheit erkennbar werden ohne konjunkturelle Anbiederung an die Wandlungen zeitlich bedingter Vorstellungen und Meinungen und ohne Rückfall in alte und überwundene Positionen.«511

Man wies in der Präsentation des neuen Arbeitskreises darauf hin, dass es notwendig sei, eine wissenschaftlich bewiesene Wahrheit über die im Institut vertretene deutsch-christliche Religionskonzeption aufzuzeigen. Auf der ersten Sitzung des Arbeitskreises formulierte Schmidt die Aufgabe, der die Institutsmitarbeiter nunmehr nachzugehen hätten: »Alle Arbeiten des Instituts sollen einem positiven Ziel dienen. Daher ist Grund und Ziel aller kritischen Auseinandersetzung mit dem Judentum die Herstellung eines deutschen Christentums, einer deutschen Religiosität.«512

Der neue Arbeitskreis manifestierte die Abkehr von althergebrachten theologischen Lehrmeinungen, da nicht diese, sondern erst die geschichtliche Forschung die wahre Sendung Jesu erkannt habe.513 Die eigenen Forschungen bildeten den Grundstock, um das Christentum der Gegenwart vom Ausgangspunkt der wiederentdeckten religiösen Erlebnissphäre des Urchristentums514 – hervorgebracht mithilfe der religionswissenschaftlichen Institutsforschungen – neu zu formulieren.515 Diese Neuformulierung bezog sich selbstredend nur auf ein Christentum innerhalb des nationalsozialistischen Reichs, auf Basis einer Religiosität, zu der ausschließlich »Germanen« bzw. »Arier« Zugang hatten. Im Verständnis der Institutsleitung war ein solches Christentum unabdingbar für den Sieg des Nationalsozialismus gegen dessen innere und äußere Feinde, wie 511 Verbandsmitteilungen, Heft 5/6 (1941), Rubrik Arbeitsbericht, bearb. von Dr. Wagenführer, S. 112. Dieser Arbeitskreis wurde ausdrücklich durch die Mitarbeiter des Instituts während einer Mitarbeiterversammlung eingefordert. LKAE, NL Grund, 85, [unfoliert] (Protokoll der ersten Sitzung des Arbeitskreises für theologische und religionswissenschaftliche Grundlegung der Institutsarbeit am 14./15. 01. 1942 in Jena). 512 LKAE, NL Grund, 85, [unfoliert] (Protokoll der ersten Sitzung des Arbeitskreises für theologische und religionswissenschaftliche Grundlegung der Institutsarbeit am 14./15. 01. 1942 in Jena). 513 Verbandsmitteilungen 5/6 (1941), S. 113. 514 Zur Tradition und inhaltlichen Bestimmung des Konzeptes »Urchristentum« vgl. Stefan Alkier : Urchristentum. Zur Geschichte und Theologie einer exegetischen Disziplin, Tübingen 1993. 515 Vgl. hierzu beispielhaft die Ausführung von Wilhelm Koepp in LKAE, NL Grund, 85 [unfoliert] (Protokoll der ersten Sitzung des Arbeitskreises für theologische und religionswissenschaftliche Grundlegung der Institutsarbeit am 14./15. 01. 1942 in Jena), wobei Koepp nicht von Religionswissenschaft, sondern von »völkischer Theologie« sprach.

Theologisch-Völkische Religionswissenschaft – eine Begriffsbestimmung

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Walter Grundmann noch im März 1943 hervorhob. Den Sammelband zur dritten Arbeitstagung des Instituts leitete er mit den martialischen Worten ein: »Der entscheidende deutsche Kampf um Freiheit und Leben unseres Volkes offenbart sich immer deutlicher als Kampf gegen die zersetzenden und zerstörenden Mächte auf allen Gebieten des Lebens. Überall wird hinter diesen zersetzenden Mächten der Jude sichtbar. Die Aufgabe deutscher Geistes- und Religionswissenschaft wird in diesem Zusammenhang immer größer. Denn den Kampf der Waffen begleitet der Kampf des Geistes. […] Wir übergeben dieses neue Zeugnis unserer Arbeit der Öffentlichkeit in dem Bewußtsein des lebenswichtigen Auftrages deutscher Religionswissenschaft für die Zukunft des deutschen Lebens.«516

Mit Heinz Hungers Konzept einer vergleichenden Religionswissenschaft erforschte ein Teil der Institutsmitarbeiter die religionsgeschichtlichen Verbindungen von Rasse und Religion, in erster Linie bei Juden, Germanen und der Bevölkerung Palästinas zu Lebzeiten Jesu. Es handelte sich bei dieser Art von Wissenschaft um einen allgemeinen Trend, aus der geschichtlichen Entwicklung des Judentums mutmaßlich negative »jüdische Rasseneigenschaften« abzuleiten, denen positive Eigenschaften von »Nichtjuden« gegenübergestellt wurden.517 Mit diesen ›wissenschaftlichen Wahrheiten‹ versuchte man anschließend, jene religiösen Sphären der Botschaft Jesu wiederzuentdecken, die angeblich durch eine fast zweitausendjährige »Verjudung« des Christentums verdeckt worden seien. Der Antisemitismus und die Festlegung auf ein in jedweder Hinsicht als negativ wahrgenommenes Judentum bildete die Ausgangslage dieses Wissenschaftsansatzes des Eisenacher Instituts. Da das Ergebnis eines unüberbrückbaren Gegensatzes von Judentum und Christentum bzw. der Urbotschaft Jesu von Anbeginn feststand und keiner Diskussion bedurfte, galt es eine Arbeitsweise zu entwickeln, welche diesen Fixpunkt möglichst objektiv beweisen konnte. Gleichzeitig wollten die Mitarbeiter nicht in den Verdacht geraten, bibelexegetische Auslegung zu betreiben – was sie auch nicht taten. Eine derart offene Abgrenzung diente zur Erschließung einer positiven Reputation der eigenen Arbeiten über den eigenen kirchlichen Wahrnehmungskreis hinaus, um so einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag zur Verwirklichung des »Dritten Reichs« und der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« leisten zu kön-

516 Walter Grundmann: Vorwort, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Dritter Band. Sitzungsberichte der dritten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 9. bis 11. Juni 1942 in Nürnberg, Weimar 1943, o. S. 517 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der Judenfrage, S. 19.

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nen.518 Der zur Umsetzung eines solchen Vorhabens von Heinz Hunger vorgestellte interdisziplinär ausgerichtete Methodenansatz mit der Selbstbezeichnung Religionswissenschaft definierte sich letztendlich über den Antisemitismus, die Annahme eines rassisch exklusiven Christentums für das deutsche Volk, die allgemeine Rassentheorie sowie den eigenen protestantischen Glauben. Wie dargelegt, ging es weder um die Suche nach offenen oder unbekannten Ergebnissen, da diese ohnehin feststanden, noch um das Herausfinden von Ursachen, welche zum vermeintlichen Gegensatz von Judentum und Christentum geführt haben könnten. Die Faktoren, die für das Resultat der christlich-jüdischen Gegnerschaft verantwortlich zeichneten, verorteten die Mitarbeiter in den angeblich durchweg negativen Eigenschaften der »jüdischen Rasse«, womit es letztendlich nur noch um die bloße wissenschaftliche Beweiskraft für diese als Faktum geltenden Annahmen ging. Der Grundsatz aller weiteren Überlegungen innerhalb des Eisenacher Instituts basierte auf einer naturalistischen Perspektive, in der von einer biologisch vorgegebenen negativen Bedingtheit der »jüdischen Rasse« ausgegangen wurde, die wiederum für das gegensätzliche Verhalten gegenüber dem Christentum sowie der »arischen Rasse« verantwortlich war. Eine solche Methode blieb aber keineswegs unumstritten. Der Leiter des Arbeitskreises für die theologische und religionswissenschaftliche Grundlegung der Institutsarbeit, Hans Wilhelm Schmidt, löste durch seinen Vortrag Die religiöse Wirklichkeit. Zur religionswissenschaftlichen Grundlegung der Institutsarbeit eine Grundsatzdebatte über die zukünftige Ausrichtung weiterer Forschungen aus.519 Nicht nur bezüglich der inhaltlichen Ausführungen von Schmidt »kam es zu gegensätzlichen Auffassungen«, ebenso offenbarte der Vortrag in der anschließenden Diskussionen den »Gegensatz zwischen einer mehr systematisch [theologisch; D. S.] orientierten und einer mehr religionsgeschichtlich betonten Betrachtungsweise […]«, wie es in dem Protokoll zur ersten Sitzung jenes Arbeitskreises heißt.520 Ein Teil der aktiven Institutsmit518 Vgl. zum gesamtgesellschaftlichen Selbstauftrag des Eisenacher Instituts die Ausführung bei Hugo Pich: Frei vom Juden – auch im Glauben!, Sibiu/Hermannstadt 1943. 519 Hans Wilhelm Schmidt: Die religiöse Wirklichkeit, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Dritter Band. Sitzungsberichte der dritten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 9. bis 11. Juni 1942 in Nürnberg, Weimar 1943, S. 49–67. Der Abdruck des Vortrags erfolgte ohne den Untertitel und beinhaltet keinerlei methodische Ausführungen, sondern lediglich eine theologische Deutung des christlichen Offenbarungsgedankens. Ob das Weglassen der Methodenkonzeption von Schmidt auf die Kritik an seinem Vortrag zurückzuführen ist, lässt sich nicht feststellen. Hierzu, ebenso wie zum Vortragsmanuskript, liegen keine Unterlagen vor. 520 LKAE, NL Grund 85 [unfoliert] (Protokoll der ersten Sitzung des Arbeitskreises für theo-

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arbeiter arbeitete demnach immer noch streng theologisch, ohne sich auf die religionsgeschichtliche Ausrichtung einlassen zu wollen, was zur dementsprechenden Kritik führte. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sich bei den religionsgeschichtlichen Arbeiten des Eisenacher »Entjudungsinstituts« einerseits um eine Theologische Religionswissenschaft handelte, die das religiöse Erleben zur Bedingung der eigenen Forschungen machte. Doch im Gegensatz zu der von Horst Junginger benannten Theologischen Religionswissenschaft gehörte im Eisenacher Institut das Christentum – neben dem als Antipol geltenden Judentum – zum Hauptuntersuchungsobjekt. Andererseits bildete die Vorstellung eines »arteigenen« Religionskonzeptes vor dem ideologischen Hintergrund des Nationalsozialismus das Fundament jener Instituts-Religionswissenschaft, deren Aufgabe es war, »nach der spezifisch germanisch deutschen Art des Glaubens« zu fragen.521 Jedoch anders als bei den Vertretern der Völkischen Religionswissenschaft im »Dritten Reich«, fußte die Vorstellung eines rassisch bedingten, religiösen Glaubens auf dem protestantischen Christentum. War für zahlreiche Vertreter der Völkischen Religionswissenschaft das aus dem Judentum hervorgegangene Christentum der größte Gegensatz zu einem »artgemäßen« deutschen Glauben, so nahm im Eisenacher Institut das Judentum diese Negativ-Rolle ein. Allein dieses habe in der Vergangenheit die Schaffung eines »artgemäßen« Christentums für das deutsche Volk verhindert. Diese Art des wissenschaftlichen Antisemitismus mit der Selbstbezeichnung Religionswissenschaft522 war dementsprechend – nimmt man die theoretische Unterteilung von Horst Junginger zur Religionswissenschaft im »Dritten Reich« als Grundlage – eine Theologisch-Völkische Religionswissenschaft. Dies meint eine inhaltliche Positionierung zwischen Theologischer und Völkischer Religionswissenschaft, logische und religionswissenschaftliche Grundlegung der Institutsarbeit am 11./12. 6. 1942 in Nürnberg). Das Arbeitskreistreffen fand unmittelbar im Anschluss an die dritte Gesamtarbeitstagung statt. In dem Protokoll finden sich Hinweise zu Debatten über den Methodenansatz, die aber nur zusammenfassend wiedergegeben sind. 521 Walter Grundmann in der Aussprache während der dritten Sitzung des Arbeitskreises für die theologische und religionswissenschaftliche Grundlegung der Institutsarbeit am 23. und 24. 11. 1942 in Jena. LKAE, NL Grund, 85 [unfoliert]. 522 Junginger : Religionswissenschaft, S. 79–81; Junginger : Einführung: Das Überleben der Religionswissenschaft, S. 157. In diesem Zusammenhang sei noch darauf verwiesen, dass bei Gründung des Instituts versucht wurde, eine eigene wissenschaftliche Zeitschrift unter dem Titel Völkische Theologie. Religionswissenschaftliche Studien zur Deutschen Frömmigkeit zu etablieren, was aber scheinbar die Reichspressekammer wegen des zu dieser Zeit bereits bestehenden Verbots der Neugründung derartiger Zeitschriften untersagte. LKAE, DC 220, [unfoliert] (Schreiben Heinz Dungs an den Präsidenten der Reichspressekammer vom 16. 11. 1939). Im März 1942 scheiterte ein weiterer Antrag zur Gründung der Religionswissenschaftlichen Blätter. Organ des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben. LKAE, DC 226, [unfoliert] (Brief von Walter Grundmann und Heinz Dungs an den Präsidenten der Reichspressekammer vom 27. 03. 1942).

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

die allein für die Zeit des Hitler-Staates Gültigkeit besaß, da sie sich über den Antisemitismus des Nationalsozialismus sowie über das »Dritte Reich« als gottgewollte Ordnung selbst legitimierte und von dessen Bestand abhängig war.

5.2

Persönliche Engagements für das »Entjudungsinstitut«

Religionswissenschaft war – und ist bis heute – ein mehr als dehnbarer Begriff, der nicht selten als eine bloße Abgrenzung zur Theologie Anwendung fand und findet.523 Dass es noch immer sehr unterschiedliche Be- bzw. Zuschreibungen von Religionswissenschaft/ Religionswissenschaftler gibt, zumal im historischen Wissenschaftskontext, lässt sich immer wieder feststellen. So ist beispielsweise Ernst Troeltsch (1865–1923) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon als evangelischer Theologe mit der Spezifizierung Systematiker, Religionsphilosoph und Religionssoziologe verzeichnet,524 in der Deutschen Biographischen Enzyklopädie als Theologe und Philosoph525 und in der vierten Auflage von Religion in Geschichte und Gegenwart gilt Troeltsch als Theologe, der sich im Laufe seines Lebens zunehmend der Sozialgeschichtsschreibung sowie der Kulturgeschichte des Christentums zugewendet hat.526 Troeltsch findet ebenso Beachtung in dem mehrbändigen Werk Deutsche Historiker, als »Historiograph und ›Chefideologe‹ des Historismus«.527 Bei Hans-Ulrich Wehler und dessen Deutscher Gesellschaftsgeschichte wiederum avanciert Troeltsch zum Religionswissenschaftler.528 Dieses frei gewählte Beispiel soll lediglich illustrieren, wie teilweise undifferenziert die Begriffsverwendung Religionswissenschaft / Religionswissenschaftler ausfallen kann. Grund hierfür ist zuallererst die unspezifische Ausdifferenzierung des Faches hin zu einer eigenen akademischen Disziplin, die erst in den 1960er Jahren begann529 und in Teilen als noch immer nicht abgeschlossen gilt. 523 Vgl. Peter Antes: Religionswissenschaft und Theologie. Abgrenzung – aber wie?, in: Berliner Theologische Zeitschrift 29 (2012), S. 20–31. 524 Klaus-Gunther Wesseling: Ernst Troeltsch, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 12, Herzberg 1997, Sp. 497–562. 525 Hartmut Ruddies: Ernst Troeltsch, in: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 10, München 1999, S. 91–93. 526 Friedrich Wilhelm Graf: Ernst Troeltsch, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 8, 4. völlig neu bearb. Aufl., Tübingen 2005, Sp. 628–632. 527 Gustav Schmidt: Ernst Troeltsch, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Deutsche Historiker, Bd. 3, Göttingen 1972, S. 91–108, hier S. 92. 528 Hans-Ulrich Wehler : Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949, München 2003, S. 18. 529 Vgl. zusammenfassend zur Bedeutung der kulturwissenschaftlichen Wende innerhalb der Religionswissenschaft in den 1960er Jahren Sebastian Schüler : Zwischen Naturalismus und

Persönliche Engagements für das »Entjudungsinstitut«

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Die nachfolgend beleuchteten sieben Wissenschaftler aus dem Mitarbeiterspektrum des Eisenacher Instituts verstanden sich selbst als Theologen – mit Ausnahme von Hans Heinrich Schaeder und mit Abstrichen Siegfried Morenz – und werden noch heute als solche wahrgenommen. Auch in dieser Arbeit werden sie und explizit nicht als Religionswissenschaftler begriffen. Vielmehr sind sie als Theologen anzusehen, die mit den theologischen Dogmatiken ihrer Zeit gebrochen haben. Sie verfolgten das primäre Ziel, die christliche Religion mithilfe rassischer Exklusion neu zu gestalten. Wie im vorangegangenen Kapitel aufgezeigt, war die selbstauferlegte Weiterführung der Lutherischen Reformation hin zu einem »judenfreien, arischen Christentum« nicht mit der etablierten Theologie möglich und für eine gesamtgesellschaftliche Anerkennung überdies nicht opportun. Deutlich wird eine solche Haltung an dem Leipziger Neutestamentler Johannes Leipoldt, der neben Walter Grundmann zu einem der bedeutendsten Mitarbeiter des Eisenacher »Entjudungsinstituts« aufsteigen sollte.

5.2.1 Johannes Leipoldt Wilhelm Johannes Leipoldt, aufgewachsen in Dresden, studierte ab 1899 evangelische Theologie und Orientalistik mit Schwerpunkt Ägyptologie in Berlin und Leipzig.530 1903 wurde er unter Betreuung des Ägyptologen Georg Steindorff (1861–1950) zum Dr. phil. promoviert und anschließend dessen erster Hilfsassistent.531 Die Nationalsozialisten sollten Steindorff 26 Jahre später wegen seiner jüdischen Herkunft in die Emigration zwingen. 1905 folgte Leipoldts Habilitation für Kirchengeschichte, welche die Universität Leipzig gleichzeitig als theologische Promotion anerkannte. Die darauffolgenden vier Jahre wirkte Leipoldt als Privatdozent an den Universitäten Halle und Leipzig, bis er 1909, mit Sozialkonstruktivismus. Kognitive, körperliche, emotionale und soziale Dimension von Religion, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 22 (2014), S. 5–36, hier S. 7–10. 530 Nachfolgende biographische Angaben nach Klaus-Gunther Wesseling: Johannes Leipoldt, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 4, Herzberg 1992, Sp. 1391–1395; Christoph Haufe: Johannes Leipoldt: Helikon. Rivista di Tradizione e Cultura Classica Dell’Universit/ di Messina 8 (1968), S. 505–521, hier S. 506; Markus Hein/ Helmar Junghans (Hg.): Die Professoren und Dozenten der Theologen Fakultät der Universität Leipzig von 1409 bis 2009, Leipzig 2009, S. 233. Christoph Haufe: Johannes Leipoldt, in: Karl-Marx-Universität Leipzig (Hg.): Namhafte Hochschullehrer der Karl-Marx-Universität Leipzig, Bd. 5, Leipzig 1984, S. 20–30, hier S. 20–22. Es sei an dieser Stelle auf die im Entstehungsprozess befindliche Dissertation von Josua Schubert Johannes Leipoldt. Ein Neutestamentler in den beiden deutschen Diktaturen am Institut für Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig verwiesen. 531 Hans-Werner Fischer-Elfert/ Friederike Seyfried: Ägyptologie, in: Ulrich von Hehl/ Uwe John/ Manfred Rudersdorf (Hg.): Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009, Bd. 4/1, Leipzig 2009, S. 325–344, hier S. 336.

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nur 29 Jahren, dem Ruf als ordentlicher Professor auf den neutestamentlichen Lehrstuhl in Kiel folgte. 1914 wechselte er an die Theologische Fakultät in Münster und bereits zwei Jahre später kehrte Leipoldt an die Leipziger Universität zurück, an der er den Lehrstuhl für Neues Testament übernahm, den er bis zu seiner Emeritierung 1954 innehaben sollte. 1919 trat Leipoldt politisch als Mitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) in Erscheinung.532 Bereits unmittelbar nach der Rückkehr in seine sächsische Heimat engagierte sich Leipoldt in dem Ende 1914 gegründeten Königlich Sächsischen Forschungsinstitut für vergleichende Religionsgeschichte. Neben der Abteilung für Allgemeine Religionsgeschichte unter Leitung von Hans Haas und der Alttestamentlichen Abteilung, geführt von Rudolf Kittel, zeichnete Leipoldt für die Neutestamentliche Abteilung dieses Instituts verantwortlich. Die bereits begonnenen Sammlungsarbeiten seines Vorgängers Georg Heinrici (1844–1915) über Parallelen zwischen Neuem Testament und hellenistischen Überlieferungen533 gedachte Leipoldt durch Hinzuziehung von antiken jüdischen Überlieferungen zu erweitern.534 Diese Arbeiten zur Geschichte des Urchristentums, wie Leipoldt sie selbst bezeichnete, sollten ihn zeit seines akademischen Lebens nicht mehr los lassen. Er beließ es aber nicht nur bei akademischen Forschungen für die wissenschaftliche Fachwelt, sondern reagierte ebenso mit Vorträgen und Veröffentlichungen auf populärwissenschaftliche Disputationen zu Jesus und dem Urchristentum. 1920 hielt Leipoldt einen Vortrag in Leipzig, in welchem er sich gegen die von dem Philosophen und bekennenden Monisten Arthur Drews (1865–1935) öffentlichkeitswirksam präsentierte These positionierte, Jesus habe womöglich überhaupt nicht existiert.535 Dem Judentum attestierte Leipoldt in seinen als Entgegnung auf Drews konzipierten Ausführungen zwar eine »trostlose […] Lehre vom Leid«, die im Fall der Sündenerlösung versagt habe,536 indes finden sich darin keine rassisch intendierten oder antisemitischen Argumente. Ebenfalls 1920 publizierte Leipoldt einen weiteren Vortrag, in welchem er die Bedeutung der Botschaft Christi für die Gegenwart versuchte herauszustellen. 532 Die Mitgliedschaft in der DDP gab Leipoldt in einem 1946 selbstverfassten Lebenslauf an. UA Leipzig, PA 3308 (Personalakte Leipoldt), Bl. 4. 533 Zu Heinricis wissenschaftlichem Werk vgl. Kurt Rudolph: Carl Friedrich Georg Heinrici und die Religionsgeschichte, in: Günther Haase/ Ernst Eichler (Hg.): Wege und Fortschritte der Wissenschaften. Beiträge von Mitgliedern der Akademie zum 150. Jahrestag ihrer Gründung, Berlin 1996, S. 505–522. 534 Hans Haas: Das Leipziger Forschungsinstitut für vergleichende Religionsgeschichte, in: Archiv für Religionswissenschaft 19 (1916–1919), S. 435–440. 535 Weiterführende Angaben zu Drews bei Friedrich Wilhelm Bautz: Arthur Drews, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Hamm 1990, Sp. 1381f. 536 Johannes Leipoldt: Hat Jesus gelebt?, Leipzig 1920, S. 20.

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Dieser Vortrag enthielt ebenfalls noch keine Überlegungen Leipoldts über die Rassenzugehörigkeit bzw. »Artung« von Jesus, vielmehr wird dieser noch als Jude beschrieben.537 Nur drei Jahre später jedoch sollte Leipoldt damit beginnen, in seinen Argumentationen zur Geschichte des Urchristentums die Rassenlehre mit einfließen zu lassen: 1923 veröffentlichte er ein kleineres Buch, in welchem er der Frage »War Jesus Jude?« nachging, da diese Frage häufiger an ihn gerichtet worden sei.538 Noch in der Einleitung betonte er, dass in der »Rassenreinheit« kein Heil liege und es überdies keine »alleinseligmachende Rasse« gäbe. Für Leipoldt bildete dennoch 1923 die Rassenlehre ein Instrumentarium, mit dessen Hilfe er zu argumentieren begann: »Auch die Israeliten und Juden müssen als Mischlinge angesehen werden. Die Judennase findet sich bei den reinsten Semiten, den Arabern, nicht. Auf Grund antiker Porträts vermutet man, daß sie von den Hethitern stammt. Eine eigentümliche Fügung will, daß es unter den Hethitern arische Elemente gibt!«539

Für Leipoldt – und ebenso für andere religionsgeschichtlich arbeitende Theologen – stellte zu Beginn der 1920er Jahre die Rassenlehre eine Wissenschaft dar, die er für die eigene Argumentation nutzbar zu machen versuchte. Die Frage nach der Herkunft Jesu aus dem Hause Davids deutete Leipoldt als sehr wahrscheinlich, stellte aber gleichzeitig infrage, ob David überhaupt »ein reiner Jude« gewesen sei.540 Leipoldts einleitende Frage zielte demzufolge nicht mehr auf die bloße Religionszugehörigkeit Jesu ab, sondern war rassisch ausgeladen. Die Einwohner Galiläas, der Heimat Jesu, seien ursprünglich rassisch keine Juden gewesen, sondern »zwangsjudaisiert« worden, weshalb sich in Galiläa »jüdisches Wesen wegen der Herkunft der Bevölkerung nicht ungebrochen […] auswirken« konnte.541 Diese von Leipoldt aus frühen Diskursen der völkischen Bewegung übernommene These, bei den ursprünglichen Bewohnern Galiläas habe es sich nicht um rassische Juden gehandelt,542 sollte später im Eisenacher »Entjudungsinstitut« für die Beweisführung eines »nichtjüdischen« Jesu die zentrale Hypothese bilden, allen voran in den Arbeiten von Walter Grundmann. 537 Johannes Leipoldt: Jesus und die moderne Menschheit. Vortrag im Volkskirchlichen Laienbunde zu Leipzig, Leipzig 1920, S. 9. 538 Johannes Leipoldt: War Jesus Jude?, Leipzig 1923, S. 4. 539 Leipoldt: War Jesus Jude?, S. 4. 540 Leipoldt: War Jesus Jude?, S. 10. 541 Leipoldt: War Jesus Jude?, S. 14. Schon 1913 deutete Leipoldt in einem kurzen Abschnitt das »nichtjüdische Wesen« der Galiläer an, das sich trotz »Judaisierung« bis in die Zeit Jesu hinein erhalten habe. Johannes Leipoldt: Vom Jesusbilde der Gegenwart, Leipzig 1913, S. 286. 542 Uwe Puschner : Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion, Darmstadt 2001, S. 101f.

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Leipoldt argumentierte in War Jesus Jude? nicht nur mit den im rassischen Verständnis »nichtjüdischen« Galiläern, sondern attestierte den Juden zusätzlich eine eigene Art zu denken und erweiterte seine Untersuchung um die Frage, »ob Form und Inhalt der Gedanken Jesu jüdische Eigenart an sich tragen, oder die Eigenart eines anderen Volkes.«543 Dem antiken Judentum schrieb Leipoldt hierdurch eine »arteigene« Besonderheit zu, welche die Juden von anderen Völkern unterschied. Diese Annahme ermöglichte es Leipoldt, allgemeine antisemitische Zuschreibungen problemlos in seine späteren Schriften zu integrieren. Er ging von einer Jahrtausende alten spezifischen jüdischen Art des Denkens aus, von welcher er wiederum das Handeln »des Juden« in Vergangenheit und Gegenwart ableitete. So sei »die Gesamtanschauung des Juden […] darauf eingestellt, das Verhältnis zu Gott und zu den Menschen nach äußeren Gesichtspunkten zu beurteilen. Zeremonielle und rechtliche Erwägungen, und damit das Abwägen von Leistungen, stehen im Vordergrunde.«544

Das antisemitische Vorurteil der berechnenden Rationalität findet sich hier wieder und diente zum Beweis des Gegensatzes zur christlichen Botschaft der Nächstenliebe, was gleichzeitig dem Leser das »unjüdische Wesen« Jesu vor Augen führen sollte. Die Ausgangsfrage seines Buches beantwortete Leipoldt nicht, sondern kam zu dem Ergebnis, Jesus sei in »jüdischer Frömmigkeit« aufgewachsen, deren »Einseitigkeit« er jedoch gemieden habe. Durch den neuen Gottesbegriff Jesu habe dieser aber »zugleich einen Ton angeschlagen, der die Seele der Griechen und anderer Völker arischer Zunge im Innersten berühren muß[te].«545 Mit dem Verweis auf das Aufwachsen inmitten »jüdischer Frömmigkeit« umging Leipoldt die Beantwortung der Frage nach der rassischen Herkunft Jesu. Seine zuvor gemachten Ausführungen über die Galiläer als rassische »Nichtjuden« sowie die Herkunft Jesu aus diesem Gebiet zeigen indes eine eindeutige Tendenz bei Leipoldt ab 1923, dass er Jesus nicht als Juden wahrnahm. Wichtig für das Verständnis Leipoldts späterer Schriften, zumal jener für das Eisenacher Institut, ist die zuletzt zitierte Passage, in welcher Leipoldt die Griechen den »arischen« Völkern zuordnete. Wie noch aufzuzeigen sein wird, gehörte bei Leipoldt ab den 1930er Jahren die Gegenüberstellung Griechentum – Judentum zu seiner Beweisführung, die Art Jesu als »nichtjüdisch«, vielmehr griechisch auszulegen. Auch wenn er in seinen Schriften für das »Entjudungsinstitut« Jesus niemals direkt als »Arier« im rassisch-biologischen Verständnis bezeichnen sollte, so ist bei Leipoldt die Zuschreibung griechisch vom Punkt der geistigen Rassenzugehörigkeit aus mit »arisch« gleichzusetzen. 543 Leipoldt: War Jesus Jude?, S. 16. 544 Leipoldt: War Jesus Jude?, S. 36. 545 Leipoldt: War Jesus Jude?, S. 74.

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Offen antisemitisch äußerte sich Leipoldt 1933 in seinem Buch Antisemitismus in der alten Welt, das aufgrund seiner Argumentationsweise bereits als Teil der »Judenforschung« im »Dritten Reich« anzusehen ist. Leipoldt betonte zwar, er könne über geistige Rassenunterschiede in der Antike noch keine Aussage treffen, führte aber gleichzeitig vermeintliche körperliche Alleinstellungsmerkmale »des Juden« an, »die wir [noch] heute an ihm beobachten.« Derartige Merkmale ließen sich aber nicht auf alle Semiten projizieren, so fehle beispielsweise den Arabern im Gegensatz zu den Juden die gebogene Nase.546 Nicht nur körperliche Besonderheiten, die sich bis in die Gegenwart hinein erhalten hätten, gehörten zum Charakteristikum des antiken Judentums, so Leipoldt, auch »fehlte [es] dem Judentume an innerer Verbundenheit mit seinem Wirtsvolke […].«547 Zeitgenössische antisemitische Verschwörungstheorien vom »jüdischen Parasitentum«, das seinen Wirt zum eigenen Vorteil ausnutze, übertrug Leipoldt in die Antike, um hierüber eine rassisch-jüdische Sonderstellung abzuleiten. Er unterstellte überdies den antiken Juden im Falle eines politischen Machtwechsels »kühl zu rechnen und dem anzuhängen, der die größere Macht zu haben schien.«548 Die gesamte jüdische Geschichte erklärte Leipoldt mithilfe antisemitischer Klischees der Moderne, die er rückwirkend auf die Antike übertrug, was im Umkehrschluss wiederum die Argumentationen von zeitgenössischen Antisemiten bestätigte. Das Funktionieren dieses Übertragungsmechanismus lässt sich mit den Zeitumständen der 1920er und 1930er Jahre erklären: Antisemitische Verschwörungstheorien waren omnipräsent in den politischen und gesellschaftlichen Diskursen jener Zeit. Glauben wiederum genügend Menschen an ein Gerücht, ein Vorurteil oder eine Verschwörungstheorie, so werden diese zur Wahrheit, da die Akzeptanz respektive Annahme durch die Masse darüber entscheidet, ob etwas als wahr oder falsch zu gelten hat.549 Für das »Parasitentum der Juden« oder deren »politisches Machtkalkül« musste Leipoldt keine Nachweise liefern, sondern konnte diese »Tatsachen« als »wahre Aussagen« klassifizieren und seinen Beweisführungen zugrunde legen.550 546 547 548 549

Johannes Leipoldt: Antisemitismus in der alten Welt, Leipzig 1933, S. 17. Leipoldt: Antisemitismus in der alten Welt, S. 31. Leipoldt: Antisemitismus in der alten Welt, S. 31. Vgl. Paul Watzlawick: Bausteine ideologischer »Wirklichkeiten«, in: Paul Watzlawick (Hg.): Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus, 5. Aufl., München 1988, S. 192–228, hier S. 194. 550 John R. Searle verweist auf den Unterschied von »Tatsache« und »wahrer Aussage«. »Tatsachen« unterliegen demnach wie »wahre Aussagen« einem Diskurs und eine »Tatsache« enthält immer eine auf »Wahrheit« beruhende Aussage, wobei »Wahrheit« nicht als starr und objektiv quantifizierbar verstanden werden soll, sondern als ein Aushandlungsprozess, beruhend auf Diskursen. Der Unterschied liegt darin, dass »Tatsachen« im Gegensatz zu »wahren Aussagen« kausal funktionieren, wie am Beispiel Leipoldt nachgezeichnet werden

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Diese Methodik konnte gleichzeitig die Verschiedenheit von Christentum und Judentum in der Entstehungszeit der christlichen Religion hervorheben. Am Beispiel des Märtyrertodes machte Leipoldt die jüdische »Andersartigkeit« deutlich, da es einen Unterschied gäbe, »aus welchem Grunde man Märtyrer wird: ob deshalb, weil man kein Schweinefleisch ißt, oder deshalb, weil man treu zum Glauben an Jesus steht.«551

Leipoldt malte das Judentum der Antike in den dunkelsten Farben und legitimierte antijüdische Maßnahmen in dieser Zeit nachträglich mit der angeblich körperlichen sowie verhaltensmäßigen »Andersartigkeit« der Juden. Hierfür griff er auf antisemitische Zuschreibungen zurück, denen sich nicht zuletzt die Nationalsozialisten bedienten und die damit die Judenausgrenzung in Deutschland seit dem ersten Tag ihrer Herrschaft begründeten. Leipoldt leistete mit seinem Buch aus dem Jahr 1933 einen Beitrag dazu, dass die antisemitischen Vorurteile der »politischen Gerissenheit«, des rassisch bedingten körperlichen und geistigen »Andersseins«, des »Wucherns« etc. dahingehend zusätzliche Rechtfertigung fanden, indem er diese bereits für die Antike vermeintlich nachwies. Dass Leipoldt im selben Jahr sein Buch veröffentlichte, in dem die Nationalsozialisten derartige Gedanken über »den Juden« zur offiziellen Politik in Deutschland erhoben, zeigt seine Anpassungsfähigkeit gegenüber politischen Veränderungen. Dies meint nicht, Leipoldt habe vor 1933 grundlegend anders gedacht. Nunmehr nahm er aber die Möglichkeit wahr, mithilfe genehmer antisemitischer Forschungen seine eigene Reputation zu steigern.552 Wie schnell Leipoldt sich in seinen Arbeiten an die neuen politischen Machtverhältnisse in Deutschland anzulehnen wusste, verdeutlicht ebenso sein 1935 erschienenes Buch Gegenwartsfragen der neutestamentlichen Wissenschaft. Bereits im Vorwort machte er in einer Art Selbstverteidigung darauf aufmerksam, er habe in seinen bisherigen Werken zur vergleichenden Religionsgeschichte schon immer »den Zusammenhang zwischen Frömmigkeit und Volkstum gern [beachtet].« Die Gedanken zu seinem Buch begann er laut Eigenangabe ab Herbst 1933 zusammenzufassen, zu einem Zeitpunkt, wo dem außenstehenden Betrachter klar wurde, dass sich die NSDAP die politische Macht in Deutschland endgültig gesichert hatte. Seine Anpassungsfähigkeit benannte Leipoldt sogar selbst, indem er den Leser aufforderte, sein neues Buch kann. John R. Searle: Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Zur Ontologie sozialer Tatsachen, Frankfurt/M. 2011, S. 212. 551 Leipoldt: Antisemitismus in der alten Welt, S. 50f. 552 Weitere Beispiele dafür, dass sich in der Gelehrtenwelt nicht erst 1933 die rassische Einordnung Jesu wandelte, sondern lediglich die politischen Rahmenbedingungen es leichter machten, derartig vorhandene Ideen in der Forschungslandschaft zu kommunizieren, bei Susannah Heschel: Jewish Studies in the Third Reich. A Brief Glance at Christian and Kurt Schubert, in: Review of Rabbinic Judaism 13 (2010), S. 236–249, hier S. 238.

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mit früheren zu vergleichen und »darüber [zu] urteilen, ob ich bestrebt bin, dazu zu lernen.«553 In der Schrift Gegenwartsfragen der neutestamentlichen Wissenschaft aus dem Jahr 1935 benutzte Leipoldt abermals die »Galiläa-Hypothese«, nach der die Galiläer zunächst rassisch keine Juden gewesen seien, sondern während der Makkabäerzeit einer »Zwangsjudaisierung« anheimfielen.554 Dieser Prozess sei sehr nachhaltig gewesen, denn die Galiläer fühlten sich von da an selbst als Juden. Die von Leipoldt anschließend aufgeworfene Frage, ob die Galiläer trotz der gefühlsmäßigen Verbindung zum Judentum tatsächlich Juden gewesen seien,555 verdeutlicht sein ausgeprägtes Rassendenken. »Jude« basierte für ihn nicht auf Religionszugehörigkeit, sondern allein auf Abstammung. Über die rassische Herkunft Jesu vermochte sich Leipoldt aufgrund fehlender Vorarbeiten zu den »verschiedenen seelischen Haltung[en] der Völker« wieder nicht zu äußern.556 Dass er solche Unterschiede schon in der Antike wahrnahm, veranschaulichte Leipoldt mithilfe diverser Bibelstellen kurz am Sprachverständnis, »bestimmten Eindrücken und Erlebnissen« sowie der Haltung zu Tod und Humor bei Griechen und Juden,557 wobei die abwertenden »Eigenschaften« der antiken Juden bereits eine klare antisemitische Argumentationskette bei Leipoldt erkennen lassen. Welch aus heutiger Perspektive grotesker Beweisführungen sich der Theologie bediente, belegt sein Hinweis auf den Apostel Paulus: Weil nach Leipoldt »der Jude über keinen Humor verfügt«, warf er die Frage auf, ob denn die Ahnen des Paulus wirklich als »reine Juden« gelten können, da der Apostel durchaus über Humor verfügt habe, wie er anhand einer Bibelstelle aus dem 1. Korintherbrief versuchte nachzuweisen.558 Leipoldt nutzte in Gegenwartsfragen der neutestamentlichen Wissenschaft zusätzlich gängige antisemitische Klischees, um auf die rassenbedingten »Artunterschiede« Jesu und der ersten Christen gegenüber »dem Juden« der Antike hinzuweisen. Die Diaspora führte den Juden »mehr und mehr auf den Weg des 553 Johannes Leipoldt: Gegenwartsfragen der neutestamentlichen Wissenschaft, Leipzig 1935, S. III f. 554 Ausführlich zu der Annahme Galiläas als vermeintlich »nichtjüdisches« Gebiet vgl. die Kapitel zu Walter Grundmann und Rudolf Meyer in dieser Arbeit und die darin angegebene weiterführende Literatur. 555 Leipoldt: Gegenwartsfragen in der neutestamentlichen Wissenschaft, S. 17. 556 15 Jahre zuvor galt für Leipoldt Jesus noch als Jude, was die zunehmende Aufnahme antisemitischen Gedankenguts bei Leipoldt unterstreicht. Vgl. Johannes Leipoldt: Jesus und die moderne Menschheit, Leipzig 1920, S. 9. 557 Leipoldt: Gegenwartsfragen in der neutestamentlichen Wissenschaft, S. 19. 558 Leipoldt: Gegenwartsfragen in der neutestamentlichen Wissenschaft, S. 99. In dem 1936 erschienenen Büchlein Jesus und Paulus – Jesus oder Paulus? stellte Leipoldt die »jüdische Reinrassigkeit« von Paulus gänzlich in Frage. Johannes Leipoldt: Jesus und Paulus – Jesus oder Paulus? Ein Wort an Paulus’ Gegner, Leipzig 1936, S. 55.

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Fabrikanten, Händlers und Bankiers«, weshalb sich die jüdische Religion in der Antike von einer »alttestamentlichen Frömmigkeit in eine Händlerfrömmigkeit« gewandelt habe.559 Selbstverständlich fehle »der kaufmännische Zug in der Predigt Jesu fast völlig«,560 wodurch Leipoldt eine rassische Unterscheidung mithilfe antijüdischer Vorurteile von Jesus gegenüber den Juden herbeiführte. Leipoldt begnügte sich aber nicht damit, die geistigen Rassenunterschiede allein für die Antike darzulegen und weitere Arbeiten hierzu einzufordern.561 Die gesamte Kirchengeschichte zeige nach seiner Ansicht die Suche nach jeweils »artgemäßen« Christentumskonzeptionen der verschiedenen Völker. So erkannte bereits der Verfasser des mittelalterlichen Heliands, »daß und wie er das Evangelium verdeutschen muß«, weshalb auch die gegenwärtige Frage des »artgemäßen deutschen Christentums« ernst genommen werden müsse.562 Der Hinweis Leipoldts auf die innerprotestantischen Kontroversen zur Schaffung eines »artgemäßen« Christentums während der Zeit, als er sein Buch verfasste, lassen erkennen, dass er spätestens 1935 mit den Ideen der Deutschen Christen sympathisierte. Denn er lieferte die historische Rechtfertigung für ein »artgemäßes« Christentum und betonte darüber hinaus den starken jüdischen Einfluss auf die Katholische Kirche während ihrer Entstehungszeit.563 Durch den Hinweis auf »jüdische Einflüsse« diskreditierte er jeden religiösen Internationalismus und propagierte gleichzeitig die »artgemäße« als die einzig richtige Form der christlichen Lehre. Gleichlautende Argumente über »Haltung« und »Art« finden sich in dem als Verteidigungsschrift konzipierten Büchlein Jesus und Paulus – Jesus oder Paulus?564 Das allermeiste an der Haltung von Jesus sei griechisch.565 Auch die Gedanken des Paulus seien griechisch, schließlich denke der Jude »nicht zusammenhängend nach. Noch weniger liegt es ihm, die erarbeiteten Gedanken in

559 Leipoldt: Gegenwartsfragen in der neutestamentlichen Wissenschaft, S. 46. In Jesus und die moderne Menschheit schrieb Leipoldt jene Eigenschaft noch lediglich den Pharisäern zu. Vgl. Leipoldt: Jesus und die moderne Menschheit, S. 3f. 1933 vernahm er derartige ›kapitalistische‹ Eigenschaften bereits beim gesamten Judentum, ein Wesenszug, der nach Leipoldts Auffassung aus der jüdischen Religion herrühre. Vgl. Leipoldt: Antisemitismus in der alten Welt, S. 34–36. 560 Leipoldt: Gegenwartsfragen in der neutestamentlichen Wissenschaft, S. 50. 561 Leipoldt: Gegenwartsfragen in der neutestamentlichen Wissenschaft, S. 19. 562 Leipoldt: Gegenwartsfragen in der neutestamentlichen Wissenschaft, S. 117. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich Leipoldt bei seinen Forderungen nicht auf Vertreter der völkischen Bewegung berief oder deren Arbeiten rezipierte. 563 Leipoldt: Gegenwartsfragen in der neutestamentlichen Wissenschaft, S. 112–116. 564 Das Buch richtete sich gegen Interpretationen von Albert Schweitzer (1875–1965) und Alfred Rosenberg, die den Apostel Paulus als Juden deuteten. Vgl. Leipoldt: Jesus und Paulus, S. 8f. 565 Leipoldt: Jesus und Paulus, S. 54.

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einer einheitlichen Folge darzustellen.«566 Weil Paulus dies aber konnte, sei er nicht wie jüdische Denker seiner Zeit, »er ist griechischer [gewesen].«567 Den größten Teil der paulinischen Lehre deutete Leipoldt als griechisch, was in diesem Zusammenhang einmal mehr als eine direkte Abgrenzung zu »jüdisch« galt. Selbst der Messias-Begriff des Apostels unterliege griechischem Denken, schließlich hänge die »jüdische Lehre vom Messias […] meist aufs engste mit jüdischen Weltherrschaftsträumen zusammen.«568 Leipoldts gesamte Beweisführung, die in der Hauptsache Jesus und dessen Lehre in einen Gegensatz zum Judentum stellte, bedeutete keinen unmittelbar neuen Ansatz in der Beschäftigung mit dem historischen Jesus unter rassischen Gesichtspunkten. Schon die deutschchristliche Richtung innerhalb der völkischen Bewegung, die sich seit dem Ersten Weltkrieg zu institutionalisieren begann, versuchte die Persönlichkeit Jesu als genuin »nordisch« darzustellen, ohne sich aber ausschließlich auf die biologische Rassenherkunft zu konzentrieren.569 Für die Deutschchristen galt es, vermeintlich »arische Bestandteile«, sprich Herkunft und geistige Eigenschaften, von Jesus zu betonen, worüber sich gleichzeitig der eigene Antisemitismus bedienen ließ. Wenn Jesus »arischer Art« gewesen sei, so gelang im Umkehrschluss die Ablehnung alles »jüdischen« und des gesamten Judentums. Leipoldt selbst bezeichnete Jesus zwar nie direkt als »Arier«, dennoch schlug er diese Verbindung über das Griechentum und die weiteren Völker »arischer Zunge«, bei denen die Verkündigung von Jesus wegen der gemeinsamen »Artung« Anerkennung fand, ganz im Gegensatz zum Judentum. Für Leipoldt war Jesus nicht Teil einer innerjüdischen Bewegung, sondern gänzlich anderer »Art«. Die »Art« Jesu fiel zwar nicht rein griechisch aus, wies aber viele Berührungspunkte mit einer »griechischen Art« auf. In den 1930er Jahren fanden Leipoldts Deutungen über die Verkündungen Jesu und deren diametralen Gegensatz zum »Wesen des Judentums« durchaus Anerkennung. Theologen, die über den historischen Jesus publizierten, nutzten Leipoldts Ausführungen als wissenschaftlichen Nachweis, das Urchristentum sei nicht aus dem Judentum hervorgegangen, sondern als Gegenbewegung zu diesem in Erscheinung getreten.570 Durch die Rezeption und damit durch die Anerkennung derartiger Thesen wurde der »nichtjüdische« Jesu in Teilen der Fachwelt zur »objektiven Wirk-

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Leipoldt: Jesus und Paulus, S. 58f. Leipoldt: Jesus und Paulus, S. 59. Leipoldt: Jesus und Paulus, S. 60. Uwe Puschner : Weltanschauung und Religion – Religion und Weltanschauung. Ideologie und Formen völkischer Religion, in: zeitenblicke 5 (2006), Nr. 1, Absatz 20f. 570 Oliver Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1: Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939, Berlin 2010, S. 269.

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lichkeit«,571 was wiederum für die Reputation und Außenwirkung des Eisenacher »Entjudungsinstituts« von entscheidender Bedeutung war. Die von Leipoldt seit den frühen 1920er Jahren vertretene These des »nichtjüdischen« Jesus spezifizierte er in den nachfolgenden Jahren immer weiter. Das Eisenacher »Entjudungsinstitut«, mit seinem Ziel der »Beseitigung des jüdischen Einflusses« auf das Christentum, stellte für Leipoldt die ideale Plattform dar, seine Ansichten nochmals im größeren Kreis zu verbreiten, zumal unter evangelischen Pastoren und Universitätstheologen.

Leipoldts Einsatz für das »Entjudungsinstitut« Auch wenn sich eine Mitgliedschaft Leipoldts bei den Thüringer Deutschen Christen nicht belegen lässt, bestand eine Verbindung zu diesen bereits vor seinem Institutsengagement. Für die im Rahmen der 4. Reichstagung der Kirchenbewegung am 9. Oktober 1937 stattfindende deutsch-christliche Dozententagung wurde neben Gerhard Kittel und anderen Theologen Johannes Leipoldt eingeladen, was für gegenseitige Sympathie und Achtung spricht.572 Johannes Leipoldt kam letztendlich über seinen Schüler Walter Grundmann noch vor der offiziellen Öffnung in Kontakt mit dem »Entjudungsinstitut«. Grundmann und Leipoldt tauschten sich im April 1939 über eine mögliche Anstellung von Rudolf Meyer, ebenso Schüler Leipoldts, als hauptamtlicher Institutsmitarbeiter aus. Zu diesem Zeitpunkt war die Mitarbeit Leipoldts im Institut bereits fest eingeplant, wie Grundmann seinem Lehrer schrieb.573 Dementsprechend findet sich Leipoldts Name auf der ersten Mitarbeiterliste des Instituts,574 ebenso in der Ende April 1939 verfassten Institutssatzung in der Rubrik ›Lehrkörper‹.575 Den ersten öffentlichen Vortrag im Rahmen seiner Mitarbeit hielt Leipoldt auf der ersten Arbeitstagung des Eisenacher Instituts Anfang März 1940 in Wittenberg. Heinz Hunger bat Leipoldt, auf dieser Tagung über Jesus und das Ju571 Nach Ernst von Glasersfeld entsteht eine »objektive Wirklichkeit« in der Regel infolge der Bestätigung der eigenen Aussage bzw. des eigenen Erlebens durch Andere. Ernst von Glasersfeld: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität, in: Einführung in den Konstruktivismus, 15. Aufl., München Berlin Zürich 2015, S. 9–39, hier S. 33. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn ein Forscher behauptet, das Geschlecht Jesu sei männlich gewesen und sich kein Widerspruch gegen eine solche Aussage erhebt, dann ist die Aussage, Jesus sei vom Geschlecht aus betrachtet ein Mann gewesen, eine »objektive Wahrheit«. 572 LKAE, DC 213, [unfoliert] (Professorenliste für die 4. Reichstagung der Thüringer Deutschen Christen). 573 LKAE, DC 218, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Johannes Leipoldt vom 19. 04. 1939). 574 Verbandsmitteilungen 1 (1939), S. 5. 575 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 492.

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dentum zu referieren, das Thema, mit dem er sich schon seit den 1920er Jahren auseinandersetzte. In seinen persönlichen Tagebuchaufzeichnungen gab Leipoldt an, er wolle den Vortrag inhaltlich anders gestalten als seine bisherigen Arbeiten zu diesem Thema und auch anders, als dies Grundmann in Jesus der Galiläer und das Judentum gemacht habe. Zudem notierte Leipoldt, er erhalte für diesen Vortrag kein Honorar, ein Umstand, mit dem er sich scheinbar nicht ganz einverstanden zeigte, wenn er dies explizit in seinen persönlichen Aufzeichnungen erwähnt.576 Gleich zu Beginn seines Vortrages Jesus und das Judentum machte Leipoldt deutlich, er beabsichtige nicht, sich mit der rassischen Herkunft Jesu von einer biologischen Sichtweise aus zu beschäftigen. Emanuel Hirsch (1888–1972) und Walter Grundmann hätten hierzu soeben ihre Arbeiten veröffentlicht, auf die er gern verweise. Leipoldt wollte vielmehr, getreu seinen bisherigen Arbeiten, der Frage nachgehen, ob Jesus, gemessen an seinen »geistigen Besonderheiten«, überhaupt nach Palästina gehöre. Aufgrund der wenigen Quellen sei die Methode der »vergleichenden Religionsgeschichte« von großer Wichtigkeit, denn ausschließlich sie »liefert [den] Stoff, der im Zweifelsfalle hilft, die Frage nach der Rasse zu beantworten.«577 Einmal mehr deutete Leipoldt das antike Judentum als eine rassische Einheit, die zwar »Nichtjuden« in ihre Gemeinschaft aufgenommen habe, die hierdurch aber »rassisch keine Juden sind, sondern sich nur zum jüdischen Glauben bekennen.«578 Diese einfache Unterscheidung zwischen Juden sowie »Nichtjuden mit jüdischem Bekenntnis« half Leipoldt, einzelne Personen der Antike, die in den Überlieferungen die Bezeichnung Jude bzw. jüdisch trugen, als rassische »Nichtjuden« zu deuten, die lediglich dem Glauben des Judentums angehörten. In seinen folgenden Ausführungen bemühte sich Leipoldt, Gegensätze der Lehre und des Auftretens Jesu gegenüber dem Judentum zu skizzieren. Jesus habe zwar in der Sprache der Pharisäer gesprochen, sei aber ihr Gegner gewesen,579 wobei anzumerken ist, dass bei Vertretern und Sympathisanten der Kirchenbewegung Deutsche Christen der Begriff »Pharisäer« als Äquivalent für »Jude« Verwendung fand.580 Antisemitische Zuschreibungen dienten abermals als zusätzliche ›Belege‹ für die »nichtjüdische« Art Jesu: Das von Jesus vorge576 UA Leipzig, NL Leipoldt, 12, S. 86 (Tagebuch Johannes Leipoldt 1939/40; Seitenzählung von Leipoldt S. 375). 577 Johannes Leipoldt: Jesus und das Judentum, in: Walter Grundmann (Hg.): Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Erster Band. Sitzungsberichte der ersten Arbeitstagung des Institutes zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 1. bis 3. März 1940 in Wittenberg, Leipzig 1940, S. 29–52, hier S. 33. 578 Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 31f. 579 Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 38. 580 Vgl. beispielhaft Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 50.

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brachte biblische Gleichnis des barmherzigen Samariters könne nicht jüdischen Ursprungs sein, da es ein Grundverständnis von Nächstenliebe erfordere. Nächstenliebe aber sei »den Juden unerhört«,581 nicht hingegen Jesus, was die unüberbrückbare Gegensätzlichkeit von Judentum und Jesus-Lehre verdeutlichen sollte. Gleichsam argumentierte Leipoldt bezüglich der jüdischen Reinheitsgebote, die Jesus gänzlich verworfen habe, was zu dieser Zeit keine jüdische Gruppierung gewagt hätte.582 Die Auflistung von Gegensatzpaaren, derer sich Leipoldt in seinem Vortrag mehrmals bediente, waren keine bloßen theologischen Bibelinterpretationen, sondern sind im Kontext zu lesen. Leipoldt konstruierte mithilfe generalisierender Aussagen einen Gegensatz von Urchristentum und Judentum zu einer Zeit, als »jüdisch« für alles Verwerfliche stand. »Jude«, »jüdisch« und »Judentum« fungierten als Negativzuschreibungen, über die der eigene Untersuchungsgegenstand positiv dargelegt werden konnte, indem er als Gegenpol zu »jüdisch« positioniert wurde. Aus dieser Logik heraus war Jesus nach Leipoldts Interpretation »mehr ein hellenistischer, als ein jüdischer Mensch.«583 Allein die Ausdrucksweise und Bildersprache seien bei Jesus jüdisch,584 was auf den Umstand zurück zuführen sei, dass das einfache Volk die Sprache der Pharisäer verstand, weshalb sich Jesus aus rein pragmatischen Gründen dieser »jüdischen« Eigenart bediente, sie aber nicht zu seinem »Wesen« gehörte.585 Aus Leipoldts Haltung zum Judentum, dem er negative Eigenarten aufgrund des rassisch-bedingten »Wesens« zuschrieb, lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, was er und Grundmann mit ihrer angedachten Talmud-Übersetzung bezweckten. Beide planten 1940 im Rahmen der Institutsarbeit die Herausgabe einer Neuübersetzung des Jerusalemer Talmuds.586 Dieses Projekt, welches – ohne spekulieren zu müssen – dem Institutsziel der Negativdarstellung des Judentums Vorschub leisten sollte, fand bis Kriegsende keine Umsetzung mehr,

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Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 40f. Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 45f. Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 50. Im Original gesperrt. Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 50. Vgl. Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 37f. Auch Wolfgang Schenk verweist darauf, dass Leipoldts Bild von Jesus darauf ausgelegt war, diesen als »Nichtjuden« zu präsentieren. Vgl. Wolfgang Schenk: Der Jenaer Jesus. Zu Werk und Wirken des völkischen Theologen Walter Grundmann und seiner Kollegen, in: Peter von der Osten-Sacken (Hg.): Das mißbrauchte Evangelium. Studien zur Theologie und Praxis der Thüringer Deutschen Christen, Berlin 2002, S. 167–279, hier S. 224. 586 Peter von der Osten-Sacken: Walter Grundmann. Nationalsozialist, Kirchenmann und Theologe, in: Peter von der Osten-Sacken (Hg.): Das mißbrauchte Evangelium. Studien zur Theologie und Praxis der Thüringer Deutschen Christen, Berlin 2002, S. 280–312, hier S. 311, Anm. 152; Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund, Bd. 2, S. 562, Anm. 368.

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auch wenn die beteiligten Mitarbeiter mit einzelnen Vorarbeiten hierfür begannen.587 Andere Arbeiten von Leipoldt, die einer unnachgiebigen Beweisführung des »nichtjüdischen« Jesus dienten, fanden indes bis Kriegsende noch ihren Abschluss. Das 1941 als »Veröffentlichung des Institutes zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben« erschiene Buch Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden entstand sehr wahrscheinlich nicht als genuine Auftragsarbeit für das Institut. Einerseits wies Leipoldt 1940 in Jesus und das Judentum darauf hin, sein neues Buch zu dieser Thematik sei bereits fertiggestellt.588 Andererseits vermerkte er in seinem Tagebuch bezüglich der an ihn gerichteten Bitte, 1940 auf der ersten Institutsarbeitstagung zu sprechen, er wolle diesen Vortrag nicht wie sein fast fertiggestelltes Manuskript gestalten.589 Sehr wahrscheinlich meinte Leipoldt damit sein Buch Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden. Es findet sich überdies kein Quellenhinweis, der das Buch als genuine Auftragsarbeit nennt. Es spricht viel für die Annahme, dass das Buch bereits 1939 im Entstehen war und aufgrund seiner thematischen und argumentativen Nützlichkeit erst nach Manuskriptfertigstellung Aufnahme in die Schriftenreihe des Eisenacher Instituts fand. Dieses 240 Seiten umfassende, 1941 veröffentlichte Buch, ist als Zusammenfassung seiner bis dato publizierten Schriften anzusehen, in denen Leipoldt sich mit der Herkunft Jesu und den Einflüssen auf das Urchristentum auseinandersetzte. Bereits in der Einleitung bediente sich Leipoldt der nationalsozialistischen Propagandasprache zur Erläuterung eines für ihn wichtigen Sachverhaltes: Um aufzuzeigen, dass es zur Zeit Jesu in der gesamten antiken Welt zu kulturellen und religiösen Adaptionen sowie Wechselwirkungen kam, schilderte er den Einfluss von »Negern« auf Kulthandlungen: »Ein Flachbild aus Ariccia […] schildert anschaulich, wie man in einem ägyptischen Heiligtum tanzt. Man verrenkt die Glieder, wirft die Arme in die Luft, läßt den Kopf auf den Rücken fallen; dabei tritt ein gewisser Körperteil hervor. Das ist ein Cake-walk oder Swing; so tanzt Josephine Baker; so tanzen Neger.«590

Den Verweis auf Josephine Baker (1906–1975) wählte Leipoldt keinesfalls rein zufällig. Baker galt den Nationalsozialisten als Personifizierung von »entarteter Musik« und »Negerkultur«. In der am 24. Mai 1938 in Düsseldorf eröffneten 587 Da sich Leipoldt nach dem Stand der Quellen kaum mit den Vorarbeiten für diese Übersetzung beschäftigte, sondern dies zunächst seine Schüler Rudolph Meyer und Siegfried Morenz bewerkstelligten, sei zu diesem Projekt auf die Kapitel 5.2.3 und 5.2.4 verwiesen. 588 Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 31. 589 UA Leipzig, NL Leipoldt, 12, S. 86 (Tagebuch Johannes Leipoldt 1939/40; Seitenzählung von Leipoldt S. 375). 590 Johannes Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, Leipzig 1941, S. 11.

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Propagandaausstellung Entartete Musik diffamierten die Nationalsozialisten Baker persönlich sowie die gesamte Stilrichtung des Jazz.591 Leipoldt nutzte dieses propagandistische Feindbild für den Hinweis, dass schon in der Antike Religionen rassisch bedingten Einflüssen unterlegen gewesen seien, die freilich keinen positiven Einfluss auf Kulthandlungen etc. gehabt hätten.592 Im zweiten Kapitel »Die Juden« vermengte Leipoldt wie in seinen früheren Schriften antisemitische Zuschreibungen mit Ausführungen zu Rasseneigenschaften der antiken Völker. Erstere dienten dazu, das Judentum in einem negativen Licht erscheinen zu lassen, unter anderem durch das typische Klischee des unlauteren Händlers.593 Die Erläuterungen zur rassischen Zugehörigkeit einzelner Personen bzw. ganzer Völker hatten wiederum den Zweck, im Bedarfsfall vermeintliche Juden als »nichtjüdisch« deklarieren zu können. Deshalb betonte Leipoldt, in antiken Quellen könnten »Menschen als Juden erscheinen, die in keiner Weise zum jüdischen Volkstume gehörten.«594 Dieser Hinweis war von entscheidender Bedeutung bei der Untersuchung der Rassenzugehörigkeit Jesu, auch wenn Leipoldt wie immer betonte, sich nicht zur rassischen Herkunft Jesu äußern zu wollen.595 Indirekt vermittelte Leipoldt dem Leser dennoch die »nichtjüdische« Herkunft und »Art« Jesu. Der zum Judentum übergetretenen Gattin des Rabbis Me"r attestierte Leipoldt, diese wäre intellektuell gewesen und somit eben keine rassische Jüdin, sondern vielmehr Griechin.596 Während sich »die Juden« über die Sinnhaftigkeit ihrer eigenen Reinheitsgebote keine Gedanken machen würden,597 forderte Jesus »das Recht des Denkens«598 und stünde bei einzelnen Themen auf einer Linie mit den griechisch-römischen Intellektuellen.599 Nach Leipoldts Logik entrücke das selbstständige Denken Jesu diesen vom Judentum.

591 Zu der Ausstellung vgl. Albrecht Dümling: Entartete Musik, in: Wolfgang Benz (Hg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 3: Begriffe, Theorien, Ideologien, Berlin New York 2010, S. 72f. Zur Haltung des Nationalsozialismus gegenüber Jazz und Swing vgl. Richard J. Evans: Das Dritte Reich. Bd. 2: Diktatur, München 2010, S. 250–253. 592 Klaus-Gunther Wesseling bezeichnet völlig zutreffend die Forschungen von Leipoldt zum historischen Jesus als »beredete Zeugnisse für die nationalsozialistische Infiltration theol. Topoi.« Wesseling: Johannes Leipoldt, Sp. 1392f. 593 Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 11. 594 Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 17. 595 Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 31. Leipoldt verstand den 1940 veröffentlichten Institutsvortrag als Vorwort zu Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, wie er auf S. VIII schreibt. 596 Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 20f. 597 Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 43. 598 Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 55. 599 Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 74.

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Jesu Gesamthaltung sei zwar nicht genuin griechisch gewesen,600 sondern entspringe seiner besonderen Art.601 Dennoch führte Leipoldt die Meinung Jesu zu den jüdischen Reinheitsgeboten,602 zur Frage der Nächstenliebe603 sowie dessen angebliche Ironie604 auf griechische Einflüsse zurück. Er präsentierte dem Leser hierdurch abermals eine Gegensatzkonstruktion, welche die vermeintlich jüdischen Eigenschaften sowie die jüdische Religion als Antipol zu Jesus erscheinen ließ. Er schloss seine Ausführungen mit dem Fazit: »Jesus ist von jüdischer Art weit entfernt; er gewinnt deshalb nur wenige Juden, und die wenigen vermögen meist nicht, seine Gedanken rein zu erhalten und ihm wirklich nachzufolgen; aber das Griechentum fühlt eine innere Verwandtschaft mit Jesus, nimmt seine Predigt auf und führt sie weiter.«605

Leipoldt äußerte sich zwar abermals nicht zur genetischen Abstammung Jesu im Sinne einer rassenbiologischen Herkunft,606 rückte ihn jedoch in die »geistige« Nähe der aus seiner Sicht »arischen« Griechen. Mit der Einordnung der antiken Griechen als »Arier« formulierte Leipoldt keine neue These, sondern übernahm vielmehr eine Ansicht, die unter Wissenschaftlern im »Dritten Reich« Anerkennung genoss.607 Hierdurch musste Leipoldt lediglich noch die »Art« Jesu in Zusammenhang mit den Griechen bringen, um diesen zu »arisieren«. So konnte Leipoldt an eine bereits bestehende Lehrmeinung anknüpfen und integrierte die Person des Jesus von Nazareth in das Konzept der antiken »arischen« Griechen. Wird zudem bedacht, wie die Nationalsozialisten die Gegensätzlichkeit von Juden und »Ariern«, bzw. Juden und »Nichtjuden«, zur Grundlage ihrer Weltanschauung machten und dies durch massenhafte Propaganda der deutschen Bevölkerung vermittelten, so leistete Leipoldts Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden einen Beitrag dazu, beim Leser eine derartig rassische Religions- und Geschichtsdeutung auf Jesus und das Christentum zu übertragen. Sein Schüler Carl Schneider (1900–1977) fasste die Grundthese von Leipoldts Buch in einer Rezension für die renommierte Theologische Literaturzeitung zutreffend zusammen: Es läge ein Werk vor, Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 50. Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 182. Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 45. Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 74. Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 50. Auf den Umstand, dass Leipoldt »dem Juden« in Gegenwartsfragen in der neutestamentlichen Wissenschaft (S. 99) jeglichen Hang zur Ironie absprach, wurde bereits verwiesen. 605 Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 221. 606 Leipoldt bezweifelte aber mittlerweile die Abstammung Jesu aus dem Hause Davids. Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 84. Wie zuvor beschrieben, bestritt Leipoldt dies 1923 keineswegs, stellte aber die »jüdische Herkunft« Davids infrage. Leipoldt: War Jesus Jude?, S. 10. 607 Johann Chapoutot: Le national-socialisme et l’Antiquit8, Paris 2008, S. 174f.

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»das die vielfache Diskussion über die griechische oder jüdische Art des synoptischen Jesus zu einem gewissen Abschluß bringen dürfte. Mit einer erstaunlichen Fülle von Belegen begründet Leipoldt die von ihm schon wiederholt angedeutete These, daß Jesus seinem gesamten Wesen nach unjüdisch sei und im schärfsten Gegensatz zum Jüdischen stehe. […] Der Ertrag des Buches zwingt zu einer neuen Auffassung von der frühesten Geschichte des Christentums. Der vielleicht größte aller Irrwege, den die neutestamentliche Forschung jemals gegangen ist, der krampfhafte Versuch, Jesus von den Rabbinen her zu verstehen, dürfte nach diesem Buch nun hoffentlich bald überall verlassen werden.«608

Leipoldts Engagement für das Eisenacher »Entjudungsinstitut« beschränkte sich nicht allein auf schriftliche Beiträge in Buch- oder Artikelform. Er beteiligte sich gleichermaßen an den öffentlichen Vortragsreihen, die das Institut reichsweit organisierte. In einem Brief an Grundmann Ende November 1942 zeigte sich Leipoldt dankbar, weil er derzeit »ein paar Vorträge für das Institut zu halten habe; am Montage sprach ich zweimal in Magdeburg.«609 Ebenso war er Mitarbeiter der Arbeitskreise Das Christentum in der Welt der Antike610 und Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte.611 Während des dritten Treffens des letztgenannten Arbeitskreises am 16. Februar 1943, das unter dem Arbeitsthema »Jesus und das Griechentum« stand, hielt Leipoldt im Anschluss an den Hauptvortrag von Carl Schneider ein Co-Referat.612 Dem zusammenfassenden Bericht nach zu urteilen, präsentierte Leipoldt abermals einen diametralen Vergleich zwischen den Worten Jesu und »dem« Judentum. Er kam wieder zu dem Ergebnis, die Überlieferungen Jesus beruhten auf griechischen Einflüssen. Der letzte von Leipoldt schriftlich erschienene Institutsbeitrag war Die Geschichte der frühen Kirche im Lichte von Volkstum und Rasse, abgedruckt in dem Sammelband Die völkische Gestalt des Glaubens. Er basierte auf dem 1941 während der ersten Religionswissenschaftlichen Nordischen Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Germanentum und Christentum gehaltenen Vortrag Die Geschichte der alten Kirche in rassischer Beleuchtung.613 Leipoldt als Neutesta608 Carl Schneider: Rezension zu Johannes Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, in: Theologische Literaturzeitung 66 (1941), Sp. 254–256. 609 LKAE, DC 213, [unfoliert] (Brief Leipoldt an Grundmann vom 26. 11. 1942). Im April 1941 fand eine Institutstagung in Heidelberg statt, an der Leipoldt ebenfalls als Redner teilnahm. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 615. 610 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 565. 611 Vgl. LKAE, Grund, 85, [unfoliert] (Protokoll der ersten Sitzung vom 18./19. 05. 1942). 612 LKAE, Grund, 85, [unfoliert] (Protokoll der dritten Sitzung vom 16. 02. 1943). Zu dem dort gehaltenen Vortrag Schneiders siehe Kap. 5.2.6. 613 Die Einladung zu dieser vom Eisenacher Institut und schwedischen Wissenschaftlern organisierten Tagung in EZA, 7/4167, [unfoliert]. Vgl. auch den zusammenfassenden Bericht von Max Adolf Wagenführer: Germanentum und Christentum. Bericht über die erste religionswissenschaftliche Nordische Arbeitszusammenkunft deutscher und schwedischer

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mentler bekannte, die Anfänge des Christentums und dessen letztendlicher »Sieg« ließen sich nicht mithilfe der Theologie erfassen. Allein mit »der vergleichenden Religions- und Sittengeschichte« sei es möglich, »bis zu den letzten Geheimnissen von Volkstum und Rasse vorzudringen.«614 In diesem religionshistorisch vergleichenden Text widmete sich Leipoldt wieder einmal der Gegensätzlichkeit von Judentum und einem mittlerweile fast ausschließlich von griechischen Einflüssen geprägten Christentum. Er führte an, die christliche Askese gehe allein auf griechische Einflüsse zurück, weil die Bewohner des Nahen Ostens eine lebenslang geführte Enthaltsamkeit nicht kannten. Seinen Standpunkt untermauerte er damit, dass selbst unter ägyptischen Kopten die asketische Haltung allein auf griechisches Denken zurückzuführen sei, wofür Leipoldt auf eine Abhandlung seines Schülers Siegfried Morenz verwies.615 Morenz ging in seinem Kurzartikel der Frage nach, wie sich in einem auf das Diesseits ausgerichteten Ägypten bei den christlichen Kopten jene neue, weltverachtende Askese durchsetzen konnte und führte eine solche Entwicklung auf griechische Einflüsse zurück.616 In Morenz’ Artikel finden sich weder rassische noch antisemitische Andeutungen, was jedoch Leipoldt nicht davon abhielt – und was für die Anschlussfähigkeit der »Judenforschung« an »normale« Wissenschaftsarbeiten spricht –, das Ergebnis seines Schülers als weiteren Beweis für seine These anzuführen. Es ging Leipoldt nicht darum, die Entstehungsgeschichte der christlichen Askese in Ägypten zu untersuchen oder neu zu interpretieren. Dieses Beispiel diente ihm lediglich als weiterer passender Baustein für die Darstellung des Christentums als eine hellenistisch beeinflusste Religion, die bis auf ihre antijüdische Ausrichtung keine Bezugspunkte zum Judentum aufweise. Wurden in den Anfangsjahrzehnten der christlichen Bewegung dennoch jüdische Elemente in die christliche Lehre integriert, so geschah dies nach Leipoldt aus »Gedankenlosigkeit« bzw. dem nicht vorhandenen Bewusstsein über die Tragweite einer solchen Entscheidung. Derartige Aufnahmen jüdischer Glaubenselemente stellten jedoch unbeabsichtigte Einzelerscheinungen dar, denn »die Christen sind Antisemiten.«617 Die weiteren Ausführungen in Die Geschichte der frühen Kirche im Lichte von Volkstum und Rasse beinhalteten einmal

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Forscher in Weißenfeld vom 4. bis 8. November 1941, in: Verbandsmitteilungen 5/6 (1941), S. 123–125. Johannes Leipoldt: Die Geschichte der frühen Kirche im Lichte von Volkstum und Rasse, in: Walter Grundmann/ Hugo Odeberg/ Wolf Meyer-Erlach (Hg.): Die völkische Gestalt des Glaubens, Weimar 1943, S. 119–156, hier S. 121. Leipoldt: Die Geschichte der frühen Kirche, S. 131. Siegfried Morenz: Ein koptischer Diogenes. Griechischer Novellenstoff in ägyptischer Mönchserzählung, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 77 (1941), S. 52–54. Leipoldt: Die Geschichte der frühen Kirche, S. 127.

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mehr jene antisemitischen Stereotype, auf die sich Leipoldt schon in seinen vorangegangenen Schriften stützte: Die Menschen im »Morgenland« besäßen nicht die Fähigkeit zu »folgerichtigem Denken und einheitlicher Zusammenfassung«618 und die innere Entwicklung des Judentums brach angeblich in der Antike plötzlich ab, weshalb es sich seit dieser Zeit in einer »geistige[n] Vereinsamung« befände.619 Die Mitarbeit von Johannes Leipoldt im Eisenacher »Entjudungsinstitut« ist in ihrer Gesamtbetrachtung nicht hoch genug einzuschätzen. Sein Ruf als ausgewiesener Experte für das frühe Christentum620 verstärkte die Anerkennung seiner Thesen in der Gelehrtenwelt, teilweise bis weit über das Ende des »Dritten Reichs« hinaus. Nach Walter Grundmann verfasste Leipoldt quantitativ die meisten Schriften für das Institut621 und seine Teilnahme an den reichsweiten öffentlichen Vorträgen förderte zusätzlich die Verbreitung der Institutsideologie.622 Leonore Siegele-Wenschkewitz hat Leipoldts hermeneutischen Ansatz, den er seit den 1920er Jahren verfolgte, zutreffend beschrieben: »[A]lles, was ›unjüdisch‹ ist, was sich vom Judentum abhebt und das Judentum kritisiert, ist genuin christlich.«623 Johannes Leipoldt hatte mit seiner 1923 erstmals erhobenen These der »unjüdischen Art« Jesu dazu beigetragen, derartige Ideen in Teilen der protestantischen Gelehrtenwelt und Pfarrerschaft zur Anerkennung zu bringen, denn Theologen wie er beeinflussten nicht nur die akademische Diskussion über die Stellung Jesu zum Judentum. Noch entscheidender ist, dass Theologen wie er als Multiplikatoren auf ihre akademischen Schüler und die kirchlichen Gemeinden

618 Leipoldt: Die Geschichte der frühen Kirche, S. 128. 619 Leipoldt: Die Geschichte der frühen Kirche, S. 154. 620 Leipoldt gab unter anderem seit 1925 die Zeitschrift Angelos. Archiv für neutestamentliche Zeitgeschichte und Kulturkunde heraus. Heschel: The Aryan Jesus, S. 178. 621 Leonore Siegele-Wenschkewitz: Ablösung des Christentums vom Judentum? Die JesusInterpretation des Leipziger Neutestamentlers Johannes Leipoldt im zeitgeschichtlichen Kontext, in: Georg Denzler/ Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hg.): Theologische Wissenschaft im »Dritten Reich«. Ein ökumenisches Projekt, Frankfurt/M. 2000, S. 114–135, hier S. 120. Die von Leipoldt 1943 fertiggestellte Institutspublikation Volkstum und Rasse in der Frühgeschichte der Kirche, die in einer Auflage von 2.000 Exemplaren erscheinen sollte, konnte aufgrund der fehlenden Papierzuteilung nicht mehr hergestellt werden. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 647. 622 Heschel: The Aryan Jesus, S. 141. 623 Siegele-Wenschkewitz: Ablösung des Christentums vom Judentum?, S. 124. Dagegen muss der Hauptthese Siegele-Wenschkewitz’ widersprochen werden, erst der »nationalsozialistische Rassenantisemitismus« nach 1933 habe zu einer Konstruktion des unüberbrückbaren Gegensatzes von Judentum und Christentum geführt (S. 116f.). Johannes Leipoldt gilt diesbezüglich als Gegenbeweis.

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wirkten.624 So waren allein fünf der insgesamt sechs noch vorzustellenden Institutsmitarbeiter Schüler Leipoldts. Die Einschätzung von Wolfgang Fenske bezüglich Leipoldt ist dementsprechend in keinster Weise haltbar. Fenske kommt in seiner Arbeit über die Konstruktion eines »arischen« Jesus zu dem Schluss, Leipoldt konnte »Jesus nicht im Licht der Rassefrage beurteilen […], auch wenn er es bedauert. Der Wissenschaftler triumphiert in diesem Punkt sozusagen über die Zeitströmung.«625 Lediglich über die biologische Rassenzugehörigkeit Jesu maß sich Leipoldt kein abschließendes Urteil an. Innerhalb der »Judenforschung« im »Dritten Reich« ging es aber nicht um genetische Bestandsfeststellungen jüdischer Abstammung. Aus historischen Überlieferungen wurde versucht, das »Wesen« der betreffenden Person herauszufiltern, um darüber Rückschlüsse auf »jüdische Einflüsse« und individuelle »Artung« ziehen zu können. Leipoldt gehörte zu den Vorreitern einer solchen »Entjudung« des historischen Jesu und in der zeitgenössischen Betrachtung wurde dies auch so verstanden: Er habe nachgewiesen, Jesus sei von seiner »Art« keinesfalls Jude gewesen.626 Mit dem Eintritt in den Mitarbeiterstab des »Entjudungsinstituts« führte Leipoldt seine Ausführungen zum »nichtjüdischen« Jesus lediglich fort. Wie der 1940 gehaltene Vortrag Jesus und das Judentum zeigt, ging es Leipoldt letztendlich durchaus um eine Rassenbestimmung von Jesus. Er wählte hierfür zwar keinen anthropologischen Ansatz, verfolgte aber dennoch dasselbe Ziel. Die Argumente, die er hervorbrachte, sollten helfen, »die Frage nach der Rasse zu entscheiden«.627 Zwei weitere Begebenheiten im Leben Leipoldts, die sich in der Zeit seines Institutsengagements zutrugen, sollen an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Leipoldt gehörte nach dem Stand der Quellen nie offiziell den Thüringer Deutschen Christen als Mitglied an, was ihm nach 1945 eine uneingeschränkte Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit an der Universität Leipzig ermöglichte. Er engagierte sich in den 1940er Jahren dennoch für diese, wie ein Rundschreiben 624 Wolfgang Fenske: Wie Jesus zum »Arier« wurde. Auswirkungen der Entjudaisierung im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 2005, S. 162. 625 Fenske: Wie Jesus zum »Arier« wurde, S. 160f. Vgl. ebenso die kritische Beurteilung von Fenskes Buch bei Martin Leutsch: Karrieren des arischen Jesus zwischen 1918 und 1945, in: Uwe Puschner/ Clemens Vollnhals, (Hg.): Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungs- und Konfliktgeschichte, Göttingen 2012, S. 195–217. 626 Vgl. beispielhaft Hunger : Wesen und Methode einer rassekundlichen Religionsgeschichte, S. 233. Auch Walter Grundmann beschrieb Leipoldts Vortrag als »eine hochbedeutsame religionstypologische Arbeit auf völkisch-rassischer Grundlage«. Walter Grundmann: Vorwort, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Zweiter Band. Sitzungsberichte der zweiten Arbeitstagung des Institutes zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 3. bis 5. März 1941 in Eisenach, Leipzig 1942, o. S. 627 Leipoldt: Jesus und das Judentum, S. 33.

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der Reichsleitung der Thüringer Deutschen Christen belegt. Für die Tagung der Abteilung Feiergestaltung am 4. und 5. Februar 1942 in Elgersburg planten die Organisatoren Leipoldt als Vortragsredner fest ein, auch wenn er sein Referat letztendlich nicht hielt.628 Er unterstützte somit nicht nur im wissenschaftlichen Bereich die Ziele der Kirchenbewegung Deutsche Christen, sondern beteiligte sich ebenso an der praktischen Durchsetzung eines neuen, deutsch-christlichen Kirchenlebens. Ebenfalls in die Zeit seiner Institutsmitarbeit fiel der Tod seiner Ehefrau Irmgard Käte Leipoldt (1887–1941). Käte Leipoldt litt seit den 1920er Jahren an einer Geisteskrankheit und verbrachte ihre letzten Lebensjahre zur eigenen Sicherheit in geschlossenen psychiatrischen Anstalten. Johannes Leipoldt hielt in dieser Zeit weiter zu seiner Frau, mit der er zusammen eine Tochter hatte, und besuchte sie regelmäßig.629 Sie starb 1941 jedoch nicht eines natürlichen Todes, sondern wurde Opfer des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms. Die zwischenzeitliche Unterbrechung der »Vernichtung lebensunwerten Lebens« im »Dritten Reich« ist maßgeblich auf den öffentlichen Protest kirchlicher Amtsträger zurückzuführen.630 Dadurch besteht zumindest die Vermutung, Leipoldt hatte als renommierter und gut vernetzter Theologe Kenntnis von den Verbrechen der Nationalsozialisten an Menschen wie seiner Ehefrau. Ob er tatsächlich davon wusste und falls ja, warum er sich weiterhin mit seinen Schriften und Vorträgen als indirekter Helfer eines auf religiöser Ebene zu erschaffenden »judenfreien« Deutschlands zur Verfügung stellte, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. In einem nach Kriegsende verfassten Lebenslauf verwies Leipoldt auf den gewaltsamen Tod seiner Gattin, ohne darauf jedoch näher einzugehen.631

628 LKAE, DC 153, [unfoliert] (Rundschreiben der Leitung der Reichsgemeinde vom 13. 01. 1942). In dem Rundschreiben wird Leipoldt fälschlicherweise als Prof. Lippold, Leipzig, bezeichnet, doch handelte es sich zweifelsohne um Leipoldt, da zu diesem Zeitpunkt kein Prof. Lippold an der Leipziger Universität tätig war. 629 Der Fall von Käte Leipoldt ist ausführlich dokumentiert bei Anne Losinski: »Ja, ich soll doch verbrannt werden«. Das Leben der Professorengattin Käte Leipold (1887–1941), in: Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein e.V. (Hg.): Sonnenstein. Beiträge zur Geschichte des Sonnenstein und der Sächsischen Schweiz, Heft 10, Pirna 2012, S. 49–56. 630 Vgl. Martin Höllen: Episkopat und T 4, in: Götz Aly (Hg.): Aktion T4. 1939–1945. Die »Euthanasie«-Zentrale in der Tiergartenstraße 4, Berlin (West) 1987, S. 84–91. Zur Kenntnis der nationalsozialistischen Mordaktionen innerhalb der beiden Großkirchen auch Kurt Nowak: »Euthanasie« und Sterilisierung im »Dritten Reich«. Die Konfrontation der evangelischen und katholischen Kirche mit dem »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« und der »Euthanasie«-Aktion, Weimar 31984, S. 129–177. 631 UA Leipzig, NL Leipoldt, 20, Bl. 11.

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5.2.2 Walter Grundmann Als wohl bekanntester und bis heute am besten erforschter Mitarbeiter des Eisenacher »Entjudungsinstituts« ist zweifelsohne Walter Grundmann anzusehen.632 1906 als Sohn eines Eisenbahninspektors im sächsischen Chemnitz geboren, begann Grundmann 1926 das Studium der evangelischen Theologie in Leipzig, welches er in Tübingen und Rostock fortsetzte und 1930 erfolgreich abschloss. Im Herbst desselben Jahres wechselte Grundmann als Assistent Gerhard Kittels nach Tübingen, wo er neben seiner Dissertation bis Ende 1933 zwölf Artikel für das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament (TWNT) verfasste.633 Noch während seiner Studienzeit trat der junge Theologe 1930 der NSDAP bei und veröffentlicht ein Jahr später seine erste kleine Schrift. Es handelte sich dabei um eine politische Kampfschrift gegen den Kommunismus, den Grundmann als Höhepunkt der angeblich seit Aufklärung und Französischer Revolution einsetzenden Entgöttlichung verstand. Deshalb läge allein in der Rückkehr zu Gott die Möglichkeit, eine »Bolschewisierung des Abendlandes« noch zu verhindern – ein Schicksalskampf, der in Deutschland zu entscheiden sei, so Grundmann 1931.634 Natürlich verstand der Leser, dass hinter dem Bolschewismus »der Jude« stehe. Seit Beginn der 1920er Jahre verband man in theologischen Kreisen, und durch politische Propaganda sowie Verschwörungstheorien zusätzlich gestützt, kommunistische Ideen mit »jüdischen Seilschaften« zur Erlangung der Weltherrschaft.635 Die erste wissenschaftliche Monographie, Grundmanns 1932 bei Kittel verfasste Dissertationsschrift Der Begriff der Kraft in der neutestamentlichen Gedankenwelt, stellt einen vollkommenen Kontrast in Bezug auf das jüdisch632 Eine sehr gute biographische Überblicksdarstellung liefert Christoph Schmitt: Walter Grundmann, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 26, Nordhausen 2006, Sp. 536–544. 633 Klaus-Peter Adam: Der theologische Werdegang Walter Grundmanns bis zum Erscheinen der 28 Thesen der sächsischen Volkskirche zum inneren Aufbau der Deutschen Evangelischen Kirche Ende 1933, in: Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus. Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen, Frankfurt/M. 1994, S. 171–199, hier S. 186. 634 Walter Grundmann: Im Kampf um Gott. Ein Wort zur Gottlosenbewegung, Chemnitz Leipzig 1931, S. 31f. 635 Susannah Heschel: Historiography of Antisemitism versus Anti-Judaism. A Response to Robert Morgen, in: Journal for the Study of the New Testament 33 (2011), S. 257–279, hier S. 264. Hier sei beispielhaft auf Julius Leutheuser verwiesen, der 1932 Kommunismus mit Judentum gleichsetzte. Julius Leutheuser: Der Glaube der Kämpfer, in: Briefe an deutsche Christen, 1. Jg. (1932), Nr. 2, August 1932, S. 11f., hier S. 12. Doch nicht nur bei den Thüringer Deutschen Christen fanden sich derartige Annahmen, sondern auch bei Theologen wie Heinrich Bornkamm (1901–1977), der weder den Deutschen Christen noch der Bekennenden Kirche zugerechnet werden kann. Vgl. Christopher J. Probst: Demonizing the Jews. Luther and the Protestant Church in Nazi Germany, Bloomington 2012, S. 150.

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christliche Verhältnis gegenüber jenen Schriften dar, die er ab 1933 veröffentlichten sollte. So steht für ihn in seiner Doktorarbeit fest, dass der »Vater Jesu Christi und damit der Gott des Neuen Testaments […] der Gott Moses und der Propheten [sei].«636 Auch stehe das Neue Testament in einer Linie mit dem Alten Testament.637 Dennoch bediente sich Grundmann in seiner Dissertation dem in weiten Teilen konsensfähigen »klassischen Vokabular des kirchlichen Antijudaismus«.638 Anfang Mai 1932 wechselte Grundmann auf die Hilfspfarrerstelle nach Oberlichtenau nahe Kamenz in der Oberlausitz. Gleichzeitig übernahm er die Leitung des nationalsozialistischen Pfarrerbundes Sachsen und gehörte Anfang 1933 zu den Mitbegründern der sächsischen Deutschen Christen, die er 1936 den Thüringer Deutschen Christen angliederte. Wegen seines kirchlichen Engagements und politischen Bekenntnisses zum Nationalsozialismus machte ihn der sächsische Landesbischof Friedrich Coch (1887–1945) zu seinem Assistenten, ernannte den erst 27 Jahre alten Grundmann zum Oberkirchenrat und übertrug ihm die Redaktion der monatlichen Zeitschrift Christenkreuz und Hakenkreuz.639 Die in diese Zeit fallende Ernennung Hitlers zum Reichskanzler begrüßte der bekennende Nationalsozialist Grundmann mit einem eigenen Buch, in dem er aus seiner Wahrnehmung heraus die zukünftige Aufgabe der Kirche im »Dritten Reich« aufzeigte. Nach Grundmann müsse der neue Staat eine antijüdische Politik zur Überwindung der Standesunterschiede betreiben, das heißt, die NS-Politik »muß sich richten auf eine Ausschaltung des Judentums aus dem deutschen Volke durch Schaffung eines Fremdenrechts für den Zugehörigen zum Judentum.«640 Die Kirche habe es gleichzeitig zu vollbringen, den Menschen Gott wieder erfahrbar zu machen, um die negativen Einflüsse der Aufklärung bezüglich Religion und Kirche zu überwinden. Dabei ging es für Grundmann vor dem Hintergrund der zukünftigen »Volkswerdung« im NS-Staat nicht um die Schaffung eines Nationalgottes. Gott sei universell, dennoch herrsche eine Verschiedenheit in der Form des göttlichen Erlebens vor, eine Verschiedenheit, die wiederum »völkisch und rassisch bedingt« sei. In der Wiedererlangung eines

636 Walter Grundmann: Der Begriff der Kraft in der neutestamentlichen Gedankenwelt, Stuttgart 1932, S. 12. 637 Grundmann: Der Begriff der Kraft, S. 24. 638 Roland Deines: Jesus der Galiläer. Traditionsgeschichte und Genese eines antisemitischen Konstrukts bei Walter Grundmann, in: Roland Deines/ Volker Leppin/ Karl-Wilhelm Niebuhr (Hg.): Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich, Leipzig 2007, S. 43–131, hier S. 92. 639 Schmitt: Walter Grundmann, Sp. 536f. 640 Walter Grundmann: Gott und Nation. Ein evangelisches Wort zum Wollen des Nationalsozialismus und zu Rosenbergs Sinndeutung, Berlin 1933, S. 29.

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derart rassisch bedingten Gottesglaubens vernahm Grundmann die Kernaufgabe für die Kirche im »Dritten Reich«.641 Noch deutlicher präsentierte Grundmann sein ausgeprägtes Denken in Rassenkategorien – was zu dieser Zeit keine Seltenheit darstellte – in der ebenfalls 1933 publizierten Schrift Religion und Rasse. Darin setzte er sich unter anderem mit Hitlers Mein Kampf auseinander und bekannte schon zu Beginn seine allgemeine Zustimmung zu diesem Werk und dem Nationalsozialismus.642 Grundmann pflichtete Hitlers Sicht auf Juden und Rassenfrage bei, da das »Judentum […] nicht zuerst eine Religion, sondern eine fremde Rasse [sei], die sich eindrängt, die Rassenchaos will, um selbst die Herrschaft ausüben zu können.«643 Wie in völkischen Diskursen zumeist üblich, bestimmte er das Judentum rassisch und bescheinigte ihm daher, erneut Hitler beipflichtend, einen rassenbedingten Gegensatz zum deutschen Volk: »Der Rassegegensatz gegen das Judentum, den jeder gesund empfindende Deutsche blutmäßig erlebt, beruht nun nach Hitlers Darstellung, der sich hier ganz an Gobineau, Chamberlain u. a. anschließt, auf der These, dass allein die arische Rasse kulturbildend und kulturschaffend sei. Alle Kultur der Welt gehe hervor aus arischen Rasseelementen. […] Durch Rassenschande, durch Rassenmischung, durch Rassenkreuzung wird das Blut verdorben und damit die kulturbildenden Fähigkeiten zerstört. Von hier aus findet Hitler treffliche Worte zur Frage der Ehe im Blick auf die Syphilisierung unseres Volkes, die mit der seelisch-sittlichen Erotisierung zusammenhängen, Worte, die jedem, der sein Volk lieb hat, aus der Seele gesprochen sind.«644

Bezogen auf das Christentum schränkte Grundmann aber ein, dieses sei zwar rassisch bestimmt, dennoch gäbe es nur eine Menschheit vor Gott. Eine solche Einheitlichkeit könne wiederrum nicht mit dem aufklärerischen Gedanken von einer Gleichheit aller Menschen gleichgesetzt werden.645 Denn erst infolge der Christianisierung der Germanen seien diese zu dem auserwählten Volk der Geschichte geworden, erst das Christentum habe im germanischen Volk etwas Neues hervorgebracht.646 Religion und Rasse bedingten sich schon im Denken des jungen Grundmanns gegenseitig: Erst das universelle Christentum habe in Beziehung mit dem Germanentum die »Arier« zur kulturschaffenden Rasse erhoben, weshalb eine »innere Notwenigkeit für die Christianisierung der Germanen [vorlag].«647 641 Grundmann: Gott und Nation, S. 61. 642 Walter Grundmann: Religion und Rasse. Ein Beitrag zur Frage »nationaler Aufbruch« und »lebendiger Christusglaube«, Werdau [1933], S. 4. 643 Grundmann: Religion und Rasse, S. 7. 644 Grundmann: Religion und Rasse, S. 7f. 645 Grundmann: Religion und Rasse, S. 15f. 646 Grundmann: Religion und Rasse, S. 22. 647 Grundmann: Religion und Rasse, S. 22.

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Bekanntheit über den eigenen sächsisch-kirchlichen Wirkungsbereich hinaus sollte Grundmann mit seinen 1933 erarbeiteten 28 Thesen der sächsischen Volkskirche erlangen. Diese Thesen, die Grundmann im Dezember 1933 auf der Synode der Sächsischen Landeskirche vorstellte, wurden anschließend zur Arbeitsrichtlinie der Landeskirche erklärt und wenig später von weiteren deutsch-christlich kontrollierten protestantischen Landeskirchen übernommen.648 Klaus-Peter Adam stellt fest, diese Thesen dienten nicht nur als zukünftige Handlungsanweisung für einen Teil der evangelischen Kirchen im »Dritten Reich«. Grundmann lieferte damit überdies eine theologische Rechtfertigung für die bereits Mitte 1933 umgesetzten kirchenamtlichen und staatlichen Repressionsmaßnahmen gegenüber »Menschen nicht-deutscher Herkunft«.649 In den ausführlichen Erläuterungen zu seinen 28 Thesen, die 1934 erschienen, machte Grundmann klar, welchen alleinigen Zweck seine deutsch-christliche Programmatik haben sollte: »Es geht vielmehr darum, für die Kirche die Form zu finden, in der sie wirklich ins Dritte Reich hineingebaut wird.«650 These 1 hatte dementsprechend die Hauptaussage: »Die Deutsche Evangelische Kirche steht im Staate. […] Nur als Kirche im Staate ist sie Volkskirche«651 Damit war unmissverständlich ausgesagt, welche Stellung das institutionalisierte Christentum im »Dritten Reich« einnehmen sollte. In der Erläuterung zu These 9 über die kirchliche Anerkennung des nationalsozialistischen Totalitätsanspruches bescheinigte Grundmann diesem den göttlichen Auftrag: »Indem die deutsche evangelische Kirche im nationalsozialistischen Totalitätsanspruch den Ruf Gottes zu Volk, Staat und Familie erkennt und diesen Ruf verkündigt, verkündigt sie den Willen Gottes.«652

Wie schon in Kapitel 3 beschrieben, bildete dieses Staat-Kirche-Verhältnis im Denken der Kirchenbewegung Deutsche Christen die Grundlage für die spätere »Entjudungsarbeit« am Christentum. Der Antisemitismus war bei den Thüringer Deutschen Christen schon länger vorhanden. Aber infolge der seit 1933 staatlicherseits einsetzenden antijüdischen Repressionen existierte nunmehr nicht nur die Möglichkeit, sondern für die »Kirche im Staat« sowie für Christen und Deutsche die Pflicht, die Kirche zu »entjuden«. These 3 von Grundmann machte dies deutlich: Mitglied der »Volkskirche« 648 Schmitt: Walter Grundmann, Sp. 536. 649 Adam: Der theologische Werdegang Walter Grundmanns, S. 188. 650 Walter Grundmann: Die 28 Thesen der sächsischen Volkskirche erläutert, Dresden 1934, S. 3. 651 Grundmann: Die 28 Thesen, S. 9. 652 Grundmann: Die 28 Thesen, S. 29.

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könne nur werden, wer »Volksgenosse« auf der Grundlage von Blut und Rasse sei.653 Getauften »Nicht-Volksgenossen« stünde lediglich noch ein Gastrecht zu, das die Teilnahme an Gottesdienst und Abendmahl ermögliche, eine aktive Gemeindemitarbeit oder gar ein Kirchenamt für diese Personengruppe aber nicht mehr zuließe.654 Die Separation der »Judenchristen« vom »deutschen Christentum« sollte schrittweise erfolgen, indem Grundmann » in einem ersten Schritt den »Judenchristen die aktive Gestaltungsmöglichkeit innerhalb der Kirche auf allen Ebenen entzog. Ebenso würden »Rassenmischung« bzw. rassische »Mischehen« gegen den göttlichen Willen verstoßen, weshalb das Gebot der Rassenreinhaltung gelte.655 Mit der Annahme der Grundmann-Thesen durch die Sächsische Landeskirche – und anschließend weiterer Landeskirchen – als zukünftiges Programm der eigenen Kirchenpolitik, erlangte Grundmann schlagartig Bekanntheit in deutsch-christlichen Kreisen, was ihn letztendlich 1936 zu einer Professur in Jena verhelfen sollte. Vor seinem Wechsel an die Thüringer Universität unternahm Grundmann vielfältige Anstrengungen, die Kirchenbasis von der Theologie der Kirchenbewegung Deutsche Christen zu überzeugen. Über eine deutsch-christliche Feierstunde zum Thema »Rasse und Christentum« in der Leipziger Thomaskirche, an der Grundmann als Festredner teilnahm, berichtete die Neue Leipziger Zeitung: »Oberkirchenrat Dr. Grundmann arbeitete zunächst die Bedeutung des Blutes als Träger des Lebens, der Art und der Geschichte eines Volkes heraus. Durch die Ariergesetzgebung und das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses habe der Staat zur Reinerhaltung des Blutstromes eingegriffen. Die Kirche habe mit ihm für die Gesunderhaltung des Lebens zu sorgen. Die Rasse sei es, die die Einstellung der Menschen in den Fragen der Kunst, des Rechts, des politischen Systems und der Sitten bestimme. Ebenso bestimme sie die Haltung im religiösen Erlebnis. Mit der Kraft eines Glaubensbekenntnisses stellte der Redner dar, wie aus der rassischen Verschiedenheit auch eine Verschiedenheit des Erlebens von Gott folge. […] Nur die aus dem Christentum geschöpfte Religion könne den vertrauensvollen Glauben an Gott als den Vater von Menschentum und Rasse bringen.«656

Grundmann übernahm 1935 die Leitung der sächsischen Deutschen Christen und versuchte diese auf die radikalen Positionen der Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen auszurichten. Dies führte nicht nur zu Verwerfungen zwischen Deutschen Christen auf der einen, und Landeskirchenangehörigen der sogenannten Mitte sowie Bekennenden Kirche auf der anderen Seite. Die An653 654 655 656

Grundmann: Die 28 Thesen, S. 14. Grundmann: Die 28 Thesen, S. 16. Grundmann: Die 28 Thesen, S. 19. [o. A.] Feierstunde der Deutschen Christen, in: Neue Leipziger Zeitung, 14. Jg., Nr. 136, 17. 05. 1934, S. 9.

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lehnung an die Thüringer Richtung war ebenso innerhalb der sächsischen Deutschen Christen nicht unumstritten. Der eigens für die allgemeine Befriedung der innerprotestantischen Auseinandersetzungen eingesetzte Reichskirchenminister Kerrl und der von ihm geschaffene Sächsische Landeskirchenausschuss probierten die Situation zu beruhigen, indem sie versuchten, Grundmann wieder ein gewöhnliches Pfarramt zu übertragen. Um dennoch eine für alle Seiten gesichtswahrende Lösung zu schaffen, erhielt Grundmann einen Lehrauftrag für »Völkische Theologie« an der deutsch-christlich dominierten Theologischen Fakultät Jena, erweitert auf den Bereich des Neuen Testaments.657 Hierdurch entledigte sich die Sächsische Landeskirche Grundmanns auf elegante Weise. Dieser erhielt im Gegenzug die Möglichkeit, sich auf einer Vertretungsprofessur und außerhalb der konfliktreichen Kirchenpolitik weiter zu profilieren.658 Grundmann verfasste nie eine Habilitationsschrift und mit Ausnahme seiner Artikel für das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament sowie der Dissertation sind seine bis 1936 verfassten Arbeiten nicht als wissenschaftlich, sondern als kirchenpolitisch zu bewerten. Dennoch erfolgte 1938 die Berufung zum ordentlichen Professor für »Völkische Theologie« und Neues Testament an der Universität Jena. Zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum ordentlichen Professor hatte Grundmann die Idee der Schaffung einer kirchlichen »Entjudungsabteilung« schon entwickelt. Vor dem Hintergrund der von Hitler für 1937 angesetzten reichsweiten Kirchenwahlen – welche aber nie stattfanden – wollte Grundmann für die Thüringer Deutschen Christen eine Abteilung »Theologie und Hochschule« unter seiner Leitung aufbauen. Er begründete die Notwendigkeit einer solchen wissenschaftlichen Abteilung mit dem bevorstehenden Wahlkampf, »da allerhand theologische Geschütze gegen uns aufgefahren werden. Und dann sollen unsere Batterien gut schiessen.«659 Eine der vordringlichsten Aufgaben, die Grundmann zusammen mit Heinz-Erich Eisenhuth ausarbeitete, bildete die »Ausschaltung des Jüdischen aus Lehre und Kultus und Leben der Kirche.«660 Die tatsächliche Umsetzung eines solchen Vorhabens sollte nicht mehr lange auf sich warten lassen. 657 Zur Theologischen Fakultät Jena zwischen 1933 und 1945 vgl. Susannah Heschel: For »Volk, Blood, and God«: The Theological Faculty at the University of Jena during the Third Reich, in: Wolfgang Bialas/ Anson Rabinbach (Hg.): Nazi Germany and the Humanities. How German Academics Embraced Nazism, London 2007, S. 365–398. 658 Ausführlich zu den Hintergründen von Grundmanns Berufung nach Jena Volker Leppin: Gott und Nation. Wandlungen der Verhältnisbestimmung bei Grundmanns Weg vom Oberkirchenrat in Sachsen zum Lehrbeauftragten für Völkische Theologie in Jena, in: Roland Deines/ Volker Leppin/ Karl-Wilhelm Niebuhr (Hg.): Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich, Leipzig 2007, S. 191–218, hier S. 207–216. 659 LKAE, DC 209, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Siegfried Leffler vom 6. 07. 1937). 660 LKAE, DC 209, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Siegfried Leffler vom 6. 07. 1937).

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Grundmann erachtete überdies schon im September 1938 die Überarbeitung der Bibel hin zu einer »Volksausgabe« auf Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse als notwendig – eine Ausgabe, die er selbst zu liefern gedachte. Am Beispiel des Bibelverses »Das Heil kommt von den Juden« (Joh. 4, 22) aus dem Johannes-Evangelium machte er auf angeblich nachträglich eingearbeitete »jüdische Verfälschungen« aufmerksam.661 Vor dem Hintergrund der Frage, ob das Heil tatsächlich von den Juden komme, stünde die Kirche vor der internen Auseinandersetzung, »ob das Christentum frei wird von der jüdischen Umklammerung und Konstruktion und den Weg zu eigener und deutscher Gestalt findet. Insofern geht es um die Fortsetzung der Reformation. Luthers Absage an das Papsttum war zugleich Absage an religiöse Grundgedanken des Judentums, denn in der religiösen Konstruktion des Papsttums, die das Reich Gottes als irdisch-überirdische, in der Hand der Menschen gelegte Macht versteht und die Idee der [jüdischen; D. S.] Priesterschaft verwirklicht, hat der Jude über Jesus Christus gesiegt.«662

Deshalb gehe es zukünftig darum, »daß das fromme Leben der deutschen Nation auch vom letzten jüdischen Einfluß freigekämpft wird, damit es wachse aus seiner Art heraus, die ihm der Schöpfer gab hin zur freimachenden Begegnung mit dem [sic!], in dem Gott als Vater zu uns kommt und uns – nicht zum Judentum, sondern – zur Anbetung im Geist und in der Wahrheit ruft.«663

Zuvor argumentierte Grundmann wissenschaftlichen Standards entsprechend, dass Teile des Neuen Testaments einer nachträglichen jüdischen Verfälschung unterlägen hätten, wie er glaubte an Joh. 4, 22 nachweisen zu können. Auf Grundlage derartiger Erkenntnisse ergab sich für ihn die zwangsläufige Konsequenz, alle »jüdischen Umschreibungen und Einflüsse« in Bibel und christlicher Lehre zu erforschen, um sie anschließend beseitigen zu können. Damit verkündete er schon im September 1938 die spätere Institutsprogrammatik, in welcher Jesus und das gesamte Christentum unter Grundmanns Führung einer »Entjudung« anheimfallen sollten.

661 Walter Grundmann: »Das Heil kommt von den Juden …!« Eine Schicksalsfrage an die Christen deutscher Nation, in: Deutsche Frömmigkeit 6 (1938), Heft 9, S. 1–8, hier S. 5. 662 Grundmann: »Das Heil kommt von den Juden …!«, S. 7. 663 Grundmann: »Das Heil kommt von den Juden …!«, S. 7f.

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Walter Grundmanns Wirken im Rahmen des »Entjudungsinstituts« Um Grundmanns Ideen zum jüdisch-christlichen Verhältnis während der Wirkungszeit Jesu verstehen zu können,664 müssen jene Arbeiten in die Analyse mit einbezogen werden, die der Neutestamentler kurz vor seiner Institutszeit veröffentlicht hatte. Im Februar 1939, drei Monate vor seinen Ausführungen zur zukünftigen »Entjudung« im Rahmen der Institutseröffnung,665 hielt Grundmann seine offizielle Antrittsvorlesung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum vermeintlich ursprünglichen Sinn der Bergpredigt Jesu. Dabei unterschied Grundmann zwischen den Intentionen der beiden neutestamentlichen Überlieferungen bei Matthäus und Lukas, wobei für ihn feststand, dass die »judenchristliche« Matthäus-Tradition versuchte, Jesus als einen zweiten Moses zu präsentieren.666 In direktem Gegensatz dazu sah Grundmann die Überlieferung im Lukas-Evangelium, die einen solchen »judenchristlichen« Einfluss nicht besäße. Er versuchte in seiner Vorlesung den Nachweis zu erbringen, dass Jesus keineswegs in einem heilsgeschichtlichen Zusammenhang mit dem Alten Testament und so mit dem gesamten Judentum stehe. Dieser Gegensatz habe Jesus letztendlich erst an das Kreuz gebracht, weil er sich gegen das Judentum stellte. Einer solchen Interpretation widersprechende Bibelstellen, allen voran bei Matthäus, deutete Grundmann als jüdisch beeinflusst, die demnach nicht der ursprünglichen Lehre Jesu entsprächen. Die zentrale Aussage der Bergpredigt stellte für ihn die Verkündigung der Sohnschaft Gottes dar, nicht die Beziehung zum Judentum.667 Ein solch vergleichender, in diesem Fall exegetischer Ansatz, zeigt die zugrundeliegende Argumentationsstruktur in den Arbeiten Grundmanns: »Judenchristliche« Beeinflussungen überdeckten in der neutestamentlichen Überlieferung die »wahre Botschaft Jesu«, und es galt fortan, diese Urbotschaft wieder zugänglich zu machen. Entsprachen neutestamentliche Überlieferungen, antike Quellen oder dergleichen nicht dem bei Grundmann zugrundeliegenden Denkmuster, dass Jesus das Judentum bekämpfte, waren für ihn solche Überlieferungen oder einzelne Textstellen »jüdisch beeinflusst« bzw. nachträglich – selbstredend von Juden oder Judenchristen – verfälscht. Historiographisch unternahm Grundmann im selben Jahr den Versuch, den Nachweis einer zweiten Urgemeinde als eigentliche Quelle des Christentums zu

664 Für Grundmann wie auch für Leipoldt existierte mit dem Auftreten Jesu das Christentum als Gegenpol zum Judentum und löste sich nicht erst allmählich von diesem ab. 665 Vgl. Kap. 3.2.1. 666 Hierzu ausführlich Anders Gerdmar: Roots of Theological Anti-Semitism. German Biblical Interpretation and the Jews, from Herder and Semler to Kittel and Bultmann, Leiden New York 2009, S. 559–561. 667 Gerdmar : Roots of Theological Anti-Semitism, S. 561.

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erbringen. In diesem Artikel, erschienen in der überaus renommierten Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft, führte Grundmann die angebliche Existenz einer »nichtjüdischen« Christengemeinde im ersten Jahrhundert ein.668 Er begann mit der Problematik der biblischen Überlieferungen bezüglich der Entstehungsgeschichte der Urgemeinde: »Das Bild, das die Apostelgeschichte von den Anfängen des Christentums gibt, wird durch das Material, das sie zur Zeichnung dieses Bildes verwendet, widerlegt und in Frage gestellt. Der Grundgedanke, von dem sie ausgeht, lautet: In Jerusalem entstand im engen Anschluß an Tempel und jüdische Gemeinde die erste urchristliche Gemeinde unter der Leitung der Zwölf durch die Gabe des Geistes. Von dort aus breitet sich allmählich das junge Christentum aus bis hin nach Rom – es breitete sich aus von einer idealen, in einhelliger Liebesgemeinschaft lebenden Gemeinde bis nach Rom, breitete sich aus, ohne daß diese Gemeinde trotz eintretender und vorhandener Spannungen zerstört oder ernstlich gefährdet worden wäre. Wir sehen davon ab, vor allem den Gedanken im einzelnen aus den Briefen des Paulus selbst zu erschüttern, wir wollen auf einige Probleme hinweisen, die den Anfang selbst, die Zeichnung der Jerusalemer Urgemeinde angehen.«669

Untermauert mit Aussagen der Apostelgeschichte stellte Grundmann die These auf, es habe ursprünglich zwei christliche Urgemeinden gegeben, jene bekannte in Jerusalem sowie eine galiläische. »Und es dürfte richtig sein, daß die Doppelheit der Lokalisierung der Erscheinungen, die Galiläererscheinungen und die Jerusalemererscheinungen, auf die zweifache Quelle zurückzuführen sind, zumal in ihnen nicht nur ein lokaler, sondern auch ein christologischer Unterschied zutage tritt: den Jerusalemerscheinungen liegt […] die Schriftauslegung durch den Erscheinenden das »Messias ist Jesus« zugrunde, während die Galiläaerscheinungen durch das »Herr ist Jesus« bestimmt sind, d. h. es spiegelt sich der Unterschied zwischen jüdischer Messias- und galiläischer Menschensohnanschauung wieder [sic!]. Damit wäre aber der Unterschied zugleich auf eine Verschiedenartigkeit der vorchristlichen Frömmigkeit und religiösen Anschauung in Judäa und Galiläa zurückgeführt.«670

Aufbauend auf dieser These, in der für Grundmann bereits ein Unterschied in Haltung und Religionsauffassung zwischen den beiden Gemeinden fassbar wird, ging er in seiner Analyse weiter und versuchte drei verschiedene Gruppen innerhalb der Jerusalemer Urgemeinde auszumachen: »Von Anfang an hat in Jerusalem ein Kreis von Hellenisten bestanden, und zwar neben und in Verbindung mit dem Petruskreis. Zu ihnen tritt als weitere und höchst wirksame 668 Hierzu auch Gerdmar : Roots of Theological Anti-Semitism, S. 562f. 669 Walter Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums innerhalb der Jerusalemer Urgemeinde, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 38 (1939), S. 45–73, hier S. 45. 670 Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums, S. 46.

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Gruppe die der Judaisten, deren Spuren wir erkannten. […] Als dritter Kreis tritt zu ihnen der der Hellenisten, […].«671

Und diese Hellenisten waren nach Grundmann natürlich keine Juden.672 Die Auseinandersetzungen zwischen Juden – freilich im rassischen Sinne verstanden – und Hellenisten fanden ihren ersten Höhepunkt im gewaltsamen Tod des Diakons Stephanus, weil dieser sich gegen das Judentum gestellt habe. Die nachfolgende Vertreibung jener Hellenisten aus Jerusalem und deren anschließendes Wirken außerhalb Palästinas interpretierte Grundmann als die erste große Missionstätigkeit des Christentums: »Die Austreibung der hellenistischen Gemeindegruppe wird zum Anfang jener Tätigkeit, die das Christentum aus Palästina in die Welt hinausträgt. Die erste, vorpaulinische, Missionstätigkeit ist von Hellenisten, nicht von Juden getragen; auf ihren Spuren wandelt der große Heidenapostel. Das ist eine für die Geschichte des jungen Christentums außerordentlich bedeutsame Tatsache.«673

Jene Überlieferungen der Apostelgeschichte, die nicht in Grundmanns Interpretationsschema hineinpassten, deutete er abermals als »judenchristlich« beeinflusst, die nicht die eigentlichen Intentionen von Stephanus und der anderen Hellenisten widerspiegeln würden.674 Damit machte Grundmann einen Teil der christlichen Urgemeinde zu rassischen »Nichtjuden«, die »im Widerspruch zum Judaismus« standen und als dessen Folge Stephanus den Märtyrertod fand.675 Jene »Nichtjuden« sollten anschließend die christliche Mission über Palästina hinaus einleiten, womit die Verbreitung des Christentums eine genuin »nichtjüdische« Angelegenheit gewesen wäre. Der Apostel Paulus lernte dieses andere Christentum mit seiner eigenen Christuserfassung, seinem eigenen Heilsverständnis und eigener Gotteserfahrung während seines Aufenthaltes in Antiochia kennen. Infolge dessen soll Paulus erst seine eigentliche Missionstätigkeit begonnen haben, die das Christentum zur Weltreligion werden ließ.676 Eine solche Annahme stellt im Zusammenhang betrachtet nicht bloß eine typische Expertenerkenntnis zu einem historischen Sachverhalt dar, die lediglich für Kenner der Materie von Bedeutung zu sein schien. Die von Grundmann aufgeworfene Existenz einer aus dem »nichtjüdischen« Kontext kommenden christlichen Urgemeinde, präsentiert in einer der angesehensten theologischen Fachzeitschriften, diente als weiterer Baustein für die Erschaffung einer christ-

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Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums, S. 54. Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums, S. 57. Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums, S. 59. Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums, S. 62f. Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums, S. 73. Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums, S. 72f.

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lichen Historiographie ohne Verbindung zum Judentum, wie Grundmann selbst am Ende seines Aufsatzes schrieb: »Der Strom, der hier fließt und weites Land befruchtet [gemeint ist die christliche Mission außerhalb Palästinas; D. S.], hat seine Hauptquelle in dem Hellenistenkreis der Urgemeinde. Seine kirchengeschichtliche und theologiegeschichtliche Bedeutung zu erweisen, erschien uns als die uns gestellte Aufgabe.«677

Im Frühjahr 1939, dem Zeitpunkt der Fertigstellung jenes Artikels, scheint Grundmann innerhalb der Theologenzunft durchaus Beachtung gefunden zu haben. Der Wiener Professor für Neues Testament und Mitarbeiter des »Entjudungsinstituts« Richard Hoffmann (1872–1948), der Anfang 1939 altersbedingt in den Ruhestand trat, versuchte Grundmann als seinen Nachfolger nach Wien zu holen. Der eigentlich vorgesehene Gerhard Kittel war für Hoffmann theologisch zu orthodox, weshalb für Hoffmann entweder Grundmann oder Carl Schneider in die nähere Auswahl kamen.678 Ein Wechsel nach Wien hätte für Grundmann aber keine nennenswerten Vorteile gebracht. Allen voran die räumliche Entfernung zum Sitz des Instituts in Eisenach hätte sich für Grundmanns dortiges Schaffen nur nachteilig ausgewirkt. Ob Grundmann grundsätzliches Interesse an einem solchen Lehrstuhlwechsel besaß, muss aufgrund fehlender Quellen offenbleiben. Dass er aber überhaupt als möglicher Nachfolger Hoffmanns in Betracht gezogen wurde, zeigt, wie sich Grundmann trotz fehlender Qualifikation in Form einer Habilitation, in wenigen Jahren den Ruf eines Experten aufbauen konnte. Grundmann indes blieb weiterhin Professor in Jena sowie wissenschaftlicher Leiter des Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben und sollte seine Forschungen zu einem »nichtjüdischen« Jesus in den folgenden Jahren weiter vorantreiben. Vom 1. bis 3. März 1940 hielt das Eisenacher Institut unter der Leitung Grundmanns seine erste Arbeitstagung in Wittenberg ab.679 Die dort gehaltenen Vorträge wurden der breiten Öffentlichkeit noch im selben Jahr in Form eines Sammelbandes präsentiert. Grundmann beschrieb zu Beginn die eigentliche Aufgabe, die den Arbeiten des Instituts zugrunde lag und deren erste »Lösungsansätze« die Mitwirkenden mit diesem Sammelband vorlegen würden: »Die Arbeit des Institutes dient dem deutschen Volk, dem Suchen und Kämpfen der deutschen Seele. Das deutsche Volk steht unter letztem Einsatz von Blut und Leben seiner Männer im entscheidenden Schicksalskampf um die deutsche Freiheit und eine Neuordnung Europas. Die Fragen des Gemütes und der Seele, die nach einem bekannten 677 Grundmann: Das Problem des hellenistischen Christentums, S. 73. In wissenschaftlichen Abhandlungen sprach Grundmann generell von sich selbst in der ersten Person Plural. 678 LKAE, DC 219, [unfoliert] (Brief Wilhelm Bauer an Walter Grundmann vom 23. 05. 1939). 679 Zu der Arbeitstagung vgl. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 601–606.

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Wort Johann Gottlieb Fichtes für den Sieg von großer Bedeutung sind, finden genau so ihre Lösung wie die Fragen der Politik und Wirtschaft. Zu den Fragen der Seele und des Gemütes gehört die religiöse Frage. Hier zu prüfen, was uns die Vergangenheit an Werten überliefert hat und was an Gefahren in ihr liegt, um den Weg in die Zukunft in echter Verbundenheit mit den Werten der Vergangenheit und in klarer Überwindung der in ihr liegenden Gefahren gehen zu können, ist der eigentliche Sinn unserer Arbeit.«680

Mit Gefahren, die es zu überwinden galt, sind »jüdische Einflüsse« in der Christentumsgeschichte gemeint, wie einige Titel des Sammelbandes unschwer erkennen lassen.681 Für Grundmann stand fest, dass sich mit diesen neuen, vom Institut gelieferten Erkenntnissen, das Wesen der Kirche in Kürze vor eine grundlegende Entscheidung gestellt sehe, wie er es in einem Brief an Hans-Georg Opitz umriss: »[D]as ganz klare Auseinandertreten des orthodoxen Kirchentums, das innerlich unwahrhaftig ist und einer Neugestaltung eines Christentums, das der Wahrheit des deutschen Geistes verbunden ist. Gerade das Echo um das Volkstestament [Die Botschaft Gottes; D. S.] hat mich in dieser Anschauung sehr bestärkt.«682

Bei der Neugestaltung des Christentums im Sinne eines »deutschen Geistes« sah sich Grundmann selbst an vorderster Front, denn er wollte nicht weniger als ein wahrhaftes Christentum schaffen, basierend auf vermeintlich historischen Tatsachen. Sein eigener Artikel im ersten Institutssammelband illustriert, wie Grundmann jene »Wahrheit« wieder aufleben lassen wollte. Bereits der Titel, Die Arbeit des ersten Evangelisten am Bilde Jesu, suggeriert dem Leser, der Evangelist Matthäus habe das Jesus-Bild ›umgearbeitet‹. Über Matthäus urteilte Grundmann gleich zu Beginn seiner Ausführungen: »[D]er erste Evangelist schreibt aus dem Gedankengut einer judenchristlichen Gemeinde und verfolgt kerygmatische und apologetische Absichten, die sich sehr deutlich an Juden in aller Welt wenden.«683

680 Walter Grundmann: Vorwort, in: Walter Grundmann (Hg.): Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Erster Band. Sitzungsberichte der ersten Arbeitstagung des Institutes zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 1. bis 3. März 1940 in Wittenberg, Leipzig 1940, o. S. 681 Der Einfluss der Juden auf das englische Christentum (Wolf Meyer-Erlach), Jesus und das Judentum (Johannes Leipoldt), Philo und die jüdische Propaganda in der antiken Welt (Georg Bertram). 682 LKAE, DC 221, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Hans-Georg Opitz vom 25. 05. 1940). Dieser Brief entstand nur einen Tag nach dem zitierten Vorwort des ersten Institutssammelbandes. 683 Walter Grundmann: Die Arbeit des ersten Evangelisten am Bilde Jesu, in: Walter Grundmann (Hg.): Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Erster Band. Sitzungsberichte der ersten Arbeitstagung des Institutes zur

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Der gesamte Aufbau des ersten Evangeliums, so Grundmann in seinem Gesamturteil, sei von einer »judenchristlichen Art bestimmt.«684 Dem im Matthäus-Evangelium überlieferten Stammbaum Jesu bescheinigte er »Dogmatik und nicht geschichtliche Wirklichkeit«, wie Grundmann beispielhaft an den vier vor Maria genannten Frauen verdeutlichte. Diese seien alle »Nichtjüdinnen« und Maria erhielt von Grundmann die Abstammungszuschreibung »Galiläerin«. Dennoch wollte Matthäus diese Personen als aus dem Stamm Davids hervorgegangen wissen, weil Matthäus eben von »judenchristlicher Art« bestimmt sei.685 Der Vorwurf der »judenchristlichen Art« reichte aus, um die Überlieferung des Matthäus-Evangeliums zu diskreditieren. Hierdurch entledigte sich Grundmann in Teilen eines zentralen Bibeltextes, der seiner Deutung eines »christlich-jüdischen Gegensatzes« zuwiderlief. Er argumentierte in diesem Fall sozusagen entgegengesetzt, indem er zunächst aufzeigte, was für die Neuschaffung des »wahrhaften Christentums« nicht geeignet erschien. Ein solches Vorgehen lässt Grundmann, in Anlehnung an Paul Watzlawick, als »wahren Ideologen« erscheinen: Die Verabsolutierung der reinen Lehre, im vorliegenden Fall der »nichtjüdischen« Herkunft Jesu, erforderte die »totale Ausmerzung, Liquidierung, Vernullung jeder ihr widersprechenden Tatsache oder Meinung […].«686 Seiner Überzeugung entgegenstehende neutestamentliche Aussagen wurden als »jüdisch beeinflusst« gebrandmarkt und damit für die religiöse Vorstellung der Kirchenbewegung Deutsche Christen als nicht mehr verbindlich charakterisiert, da derartige Aussagen ausschließlich dem Judentum dienen sollten. Beispielhaft hatte die bei Matthäus wiedergegebene Geburtsgeschichte Jesu mit der geschilderten elterlichen Flucht nach Ägypten und der anschließenden Neuansiedlung in Nazareth nach Grundmanns Deutung einen einfachen Zweck: Sie sollte das angeblich aus jüdischer Sichtweise bestehende Stigma einer galiläischen Herkunft Jesu relativieren. Dies alles gehörte ihm zufolge zu einer jüdischen Gesamtverfälschung, um Jesus als den Messias der Juden aus dem Hause Davids nachträglich »erschaffen« zu können.687 Die verschiedenen Bi-

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Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 1. bis 3. März 1940 in Wittenberg, Leipzig 1940, S. 53–78, hier S. 56. Grundmann: Die Arbeit des ersten Evangelisten, S. 57. Grundmann: Die Arbeit des ersten Evangelisten, S. 56. Watzlawick: Bausteine ideologischer »Wirklichkeiten«, S. 206. Grundmann: Die Arbeit des ersten Evangelisten, S. 60f. Wohlgemerkt handelte es sich bei der Bezeichnung »jüdisch« um eine rassische Kategorisierung, womit Grundmann Anhänger Jesu meinte, die für ihn aber rassisch gesehen Juden blieben. Aufgrund ihrer angeborenen und unabänderlichen »jüdischen Eigenschaften und Artung« mussten diese Judenchristen zwangsläufig im Sinne des »Judentums« und nicht im Sinne Jesu handeln, so Grundmanns Deutung.

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belstellen, die er ausschließlich in seiner Annahme eines »galiläischen Jesus« auslegte, ließen ihn zu dem Schluss kommen, »daß hier [im Matthäus-Evangelium] wider die Geschichte Jesu Glaubensüberzeugungen der Jerusalemer Urgemeinde in die Geschichte Jesu zurückgetragen worden sind.«688

Einen Großteil des ersten Evangeliums wertete Grundmann als »jüdisches Material«, das der Schreiber nachträglich auf Jesus übertrug. Deshalb habe sich gegenüber den anderen neutestamentlichen Jesus-Überlieferungen bei Matthäus auch ein »jüdischer Sprachgebrauch« durchgesetzt, da »es sich im Matthäusevangelium um eine ›Darstellung Jesu für die jüdische Christenheit‹ handelt.«689 In seiner Zusammenfassung machte der Jenaer Theologe nochmals deutlich, um was es sich bei dem ersten Evangelium und dessen Verfasser handelte: »Das Matthäusevangelium zeigt uns einen Schriftgelehrten palästinensischer Herkunft an der Arbeit. Er ist Christ geworden. […] Komposition und Einzelarbeit dieses Evangeliums zeigen uns, wie ein Schriftgelehrter von seinen Gedanken her das Bild Jesu gestaltet, fußend auf der heilsgeschichtlichen Überlieferung des Alten Testaments, ringend mit dem Problem der Stellung Israels zu Jesus von Nazareth, gestaltet aus dem Gemeindeglauben der judenchristlichen Gemeinden, offen für den Weg, den das Christentum in die hellenistische Welt gegangen ist. Das Bild, das er zeichnet, ist aber nicht das wirkliche Bild Jesu, wie es in den einzelnen Traditionen auch seines Evangeliums, soweit er sie nicht umgearbeitet übernimmt, lebendig ist, sondern es ist ein juden-christlich bestimmtes Bild. Diese Beobachtung ist um so bedeutsamer, da sein Evangelium im Kanon der Christenheit das erste Evangelium wurde.«690

Demnach sei das von Matthäus gezeichnete Bild Jesu unwahr und eine nachträgliche jüdische Verfälschung, um Jesus an die alttestamentliche Tradition anzupassen. Da dieses Evangelium – für Grundmann scheinbar nicht nachvollziehbar – dennoch Einzug in den neutestamentlichen Kanon fand, entstand erst jene Anschauung eines »jüdischen Jesu«, welches es nun zu tilgen galt. Denn im Gegensatz zu Matthäus hätte der Evangelist Johannes eine gänzlich andere Darstellung von Jesus gezeichnet. Johannes habe den »Jesus-Juden-Gegensatz« herausgearbeitet, auch wenn selbst beim vierten Evangelisten noch nachträgliche Änderungen stattgefunden hätten.691 Wie Anders Gerdmar aufzeigt, legte Grundmann in all seinen Arbeiten das Johannes-Evangelium auf der Basis des Rassengedankens aus. Dies ermöglichte es ihm, diesen Evangelisten als denje688 Grundmann: Die Arbeit des ersten Evangelisten, S. 62. 689 Grundmann: Die Arbeit des ersten Evangelisten, S. 71. Grundmann bezog sich hier auf Adolf Schlatter (1852–1938), dessen antisemtische Bibelexegese Grundmann maßgeblich beeinflusste, weshalb Grundmann noch 1957 dessen Arbeiten würdigte. Heschel: The Aryan Jesus, S. 183. 690 Grundmann: Die Arbeit des ersten Evangelisten, S. 77. 691 Grundmann: Die Arbeit des ersten Evangelisten, S. 78.

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nigen wahrzunehmen, der das wahre Bild Jesu am ehesten widerspiegeln würde. Denn erst Johannes präsentiere Jesus als einen Gegenpol zum Judentum.692 Dieser von Grundmann wahrgenommene Gegensatz von Judentum und Jesus respektive Christentum zeige, »daß in der Urchristenheit bereits jenes Ringen um das wirkliche Bild Jesu angehoben hat, das in der deutschen Christenheit der Gegenwart unter dem Eindruck des neu lebendig gewordenen Gegensatzes gegen das Judentum erneut aufgebrochen ist.«693

Grundmann bediente sich hier einer aus seiner Sicht bestehenden knapp zweitausendjährigen Kontinuitätslinie. Bereits im Urchristentum habe es Auseinandersetzungen um die wahre Botschaft Jesu gegeben, die für ihn zweifelsohne einen »christlich-jüdischen Gegensatz« zum Inhalt hatten. »Jüdische Einflüsse« – denn für Grundmann blieben Judenchristen rassische Juden mit all ihren negativen Eigenschaften – verfälschten die eigentliche Lehre Jesu, wie er am Matthäus-Evangelium aufzuzeigen suchte. Nichtsdestotrotz habe mit dem Johannes-Evangelium jene Jesus-Überlieferung Einzug in den neutestamentlichen Kanon gefunden, die weitaus weniger judenchristliche Einflüsse und somit einen Großteil der eigentlichen Botschaft Jesu in sich trage. Natürlich stellten Überlieferungen bei Johannes wie der Vers »Das Heil kommt von den Juden« für Grundmann nachträgliche »jüdische Ergänzungen« dar, was er bereits 1938 in seinem Artikel »Das Heil kommt von den Juden …!« zu beweisen versuchte. In der Gegensätzlichkeit der biblischen Jesus-Überlieferungen sah Grundmann bereits den Grundkonflikt zwischen Juden und Christen, der nicht allein auf religiösen Aussagen, sondern ebenso auf Rassenunterschieden beruhe. Und dieser Konflikt sei in der Gegenwart erneut aufgebrochen, indem – laut Grundmann – das »Weltjudentum« Deutschland in den Krieg gestürzt habe. Grundmann stellte für sich selbst die Aufgabe, diese in seinen Augen historische Tatsache wissenschaftlich zu belegen. Und hierfür musste er zunächst den Nachweis der »nichtjüdischen Herkunft« Jesu erbringen. 1940 erschien in diesem Zusammenhang Grundmanns Opus magnum, Jesus der Galiläer und das Judentum, mit dem Anspruch, Antwort auf die Frage des Verhältnisses von Jesus zum Judentum zu geben, in einer Form, »daß ihr auch der religionswissenschaftlich nicht arbeitende Mensch folgen kann.«694 Der bewusst gewählte Begriff »Galiläer« ist, um es vorwegzunehmen, eine Deutung 692 Gerdmar : Roots of Theological Anti-Semitism, S. 556–559. Die antisemitische Instrumentalisierung des vierten Evangelisten ist nicht nur bei Grundmann, sondern bei einer Vielzahl deutsch-christlicher Protagonisten zu finden. 693 Grundmann: Die Arbeit des ersten Evangelisten, S. 78. 694 Walter Grundmann: Jesus der Galiläer und das Judentum, 2. verb. Aufl., Leipzig 1941, S. VII (Erstveröffentlichung Leipzig 1940]. Im Folgenden wird durchgängig die zweite, verbesserte Auflage aus dem Jahr 1941 benutzt. Die Gesamtauflage des Buches betrug 5.000 Exemplare, wie in der zweiten Auflage verzeichnet.

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Grundmanns, Jesus wäre kein rassischer Jude gewesen. Vertreter der völkischen Bewegung sowie Forscher aus dem »Dritten Reich« deuteten Galiläa als eines der »arischen Urgebiete«,695 eine These, die sich ähnlich schon bei Houston Stewart Chamberlain findet, der Jesus als Galiläer ohne jüdisches Blut portraitierte.696 Grundmanns Argumentationsstrang beschreibt zunächst die Einzigartigkeit Jesu sowie dessen Botschaft und deutete diese als Gegenpol zum Judentum.697 Er nutzte hierfür unter anderem seine bereits zuvor veröffentlichten Arbeiten und führte diese als Beleg für die Richtigkeit seiner aktuellen Feststellungen an. Anhand seiner Ausführungen kam er zu der Erkenntnis: »Die Scheidung Jesu vom Judentum ging vom Judentum selbst aus, das an ihm Anstoß nahm und ihn verwarf. Es hat zuerst auf den unüberbrückbaren Gegensatz von Jesu Art zu seiner Art negativ reagiert.«698

Auch wenn die Botschaft Jesu und dessen Art ohnehin nicht in Einklang mit dem Judentum zu bringen gewesen wäre, so sei die Trennung dennoch von den Juden ausgegangen, was dem Leser nochmals die postulierte »Verderbtheit« der Juden vor Augen führen sollte. Auf dieser Grundlage aufbauend widmete sich Grundmann der Herkunft Jesu, da für ihn die Gegensätzlichkeit von Jesus und dem Judentum auf rassischen Grundlagen beruhte. Er stellte es als grundlegende Tatsache dar, dass Galiläa und dessen Einwohner von den Juden Verachtung erfuhren.699 Und dies resultierte für ihn aus der unterschiedlichen rassischen Herkunft von Galiläern und Juden, wie er in Kapitel 5, Das Problem der völkischen Zugehörigkeit Jesu, versuchte nachzuweisen. Dort begann er mit der Auflistung von ›Grundwahrheiten‹, so unter anderen, dass sich in Palästina um das Jahr 1370 v. Chr. »arische Volksstämme« finden lassen würden.700 Selbst Rudolf Otto vernahm in jenen Gebieten »arische Einflüsse«, von deren Entwicklungslinie Jesus weitaus mehr geprägt wurde als von der jüdischen.701 Grundmann, auch wenn er in diesem Fall nicht explizit auf Otto verwies, knüpfte

695 Halvor Moxnes: The Construction of Galilee as a Place for the Historical Jesus – Part II, in: Biblical Theology Bulletin: A Journal of Bible and Theology 31 (2001), S. 64–77, hier S. 64. 696 Halvor Moxnes: The Construction of Galilee as a Place for the Historical Jesus – Part I, in: Biblical Theology Bulletin: A Journal of Bible and Theology 31 (2001), S. 26–37, hier S. 31; vgl. auch Hildegard Ch.tellier : Rasse und Religion bei Houston Stewart Chamberlain, in: Stefanie v. Schnurbein/ Justus H. Ulbricht (Hg.): Völkische Religion und Krisen der Moderne. Entwürfe »arteigener« Glaubenssysteme seit der Jahrhundertwende, Würzburg 2001, S. 184–207, hier S. 194. 697 Vgl. hierzu Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 716–720. 698 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 147. Im Original gesperrt. 699 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 84. 700 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 166. 701 Deines: Jesus der Galiläer, S. 79–81.

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damit an einen in der etablierten Wissenschaft kommunizierten Gedanken zum rassischen Hintergrund Jesu bzw. der »Ureinwohner« Galiläas an.702 Angehörige der »semitischen Rasse« wanderten Grundmann zufolge erst um 1230 v. Chr. nach Judäa ein, die »arische« Bevölkerung Galiläas, »die auch schon semitisch durchsetzt war«, schaffte es aber, die Semiten in die Randregionen Galiläas abzudrängen.703 Die Bewohner Galiläas hätten sich gegen die Semiten behauptet, weshalb sich dort »die Israeliten und ihr Kultus nicht durchsetzen [konnten].«704 Um 150 v. Chr., so Grundmann weiter in seinem anthropologischen Ausführungen, gehörten zu den Einwohnern Galiläas »die Nachkommen der Urbevölkerung«, die er zuvor als teils »arisch« ausmachte, sowie verschiedene Volkselemente, darunter eine jüdische Minderheit. Dennoch sei Galiläa um 150 v. Chr. »von Juden im eigentlichen Sinne frei. Die dortige Bevölkerung ist Mischbevölkerung verschiedener Herkunft.«705 Erst die anschließende Eroberung Galiläas durch die Herrscher Judäas brachte die jüdische Religion flächendeckend in das Gebiet. Doch genauso wenig, wie im »Dritten Reich« ein Mensch jüdischen Glaubens durch Taufe zum »Nichtjuden« respektive »Arier« werden konnte, konnten nach Grundmann die Bewohner Galiläas durch »jüdische Zwangsmissionierung« zu Juden im rassischen Verständnis werden: » D i e Unt e r w e r f u n g d e r G a l i l ä e r u nt e r d i e Ju d e n e r f o l g t e du r c h Zw a n g s b e s c h n e i d u n g u n d Zw a n g s a u f n a h m e d e r j ü d i s c h e n R e l i g i o n . We r s i c h w e i g e r t e , w u r d e v o n s e i n e m B o d e n v e r t r i e b e n . […] Da in der alten Welt sehr oft Religionswechsel mit Herrschaftswechsel verbunden war, ist es nicht verwunderlich, daß sich die Galiläer der jüdischen Religionsgemeinschaft eingliederten. Sie wurden wohl ihrer konfessionellen, aber nicht ihrer völkischen Zugehörigkeit nach Juden.«706

Als Beleg seiner These führte Grundmann den Greifswalder Alttestamentler Gustaf Dalman (1855–1941) an, der in seiner Grammatik des jüdisch-palästinensischen Aramäisch bereits Jahrzehnte vorher zu der Erkenntnis kam, dass das Aramäisch in Galiläa sich vom Aramäischen in Judäa unterschied. Dalman führte dies auf den Umstand zurück, die Bewohner Galiläas seien »zumeist keine echten Semiten [gewesen].«707 Einmal mehr konnte sich Grundmann auf eta702 Grundmann lehnte sich ebenso an die Galiläa-Forschungen seines Leipziger Lehrers Albrecht Alt an. Dieser gestand der Bevölkerung Galiläas eine Sonderrolle zu. Die Deutungen von Grundmann und anderen Forschern bezüglich der nichtjüdischen Bevölkerung dieses Gebietes teilte Alt indes nicht. Deines: Jesu der Galiläer, S. 46–49. 703 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 166. 704 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 167. Im Original gesperrt. 705 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 169. Im Original gesperrt. 706 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 169f. Sperrung im Original. 707 Gustaf Dalman: Grammatik des jüdisch-palästinischen Aramäisch nach den Idiomen des palästinischen Talmud, des Onkelostargum und Prophetentargum und der jerusalemischen Targume, 2. vielfach umgearbeitete Aufl., Leipzig 1905, S. 58. Zitiert auch von Grundmann:

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blierte Forschungen berufen, um seinen Nachweis zu untermauern. Einerseits unterstrich dies den wissenschaftlichen Anspruch seiner Arbeit, anderseits befestigte es die Glaubwürdigkeit seiner Annahmen. Da Jesus für Grundmann aus Galiläa stammte und sich dessen Bewohner noch vor Christi Geburt einer »Zwangsjudaisierung« ausgesetzt sahen, »[…] so folgt auf Grund der eben angestellten Erörterung daraus, daß er [Jesus] mit größter Wahrscheinlichkeit kein Jude gewesen ist, vielmehr völkisch einer der in Galiläa vorhandenen Strömungen angehört hat. Daß er wie die meisten Galiläer von seiner Familie her jüdischer Konfession gewesen ist, die er selber aber restlos durchstoßen hat, hatten wir bereits festgestellt.«708

Demnach galt nicht jeder Angehörige der jüdischen Religion gleichsam als »rassischer Jude«. Dies ermöglichte Grundmann, die jüdische Religionszugehörigkeit der Vorfahren Jesu nicht abstreiten zu müssen, wenn er doch nachweisen konnte, die Ahnen seien keine »blutsmäßigen Juden« gewesen. Wie bereits in dem Artikel Die Arbeit des ersten Evangelisten am Bilde Jesu stellte er den im Matthäus-Evangelium wiedergegebenen Stammbaum Jesu als grundlegend falsch dar. Mit Verweis auf die Arbeiten des renommierten Theologen Reinhold Seeberg stand für Grundmann fest, Maria, die Mutter Jesu, habe ihrer rassischen Herkunft nach nicht als Jüdin, sondern als Galiläerin zu gelten.709 Für den väterlichen Nachweis einer »nichtjüdischen Herkunft« griff Grundmann auf die sogenannte Panthera-Legende zurück. Diese aus antichristlichen Polemiken des 2. Jahrhunderts stammende Geschichte bezichtigte Maria, als Prostituierte Unzucht mit einem römischen Soldaten getrieben zu haben, woraus letztendlich Jesus hervorging. Grundmann deutete dies wiederum völlig anders, indem er Joseph, dem Vater Jesu, bescheinigte, selbst aus dem Panther-Geschlecht zu entstammen. Panther wäre der ursprüngliche Name eines Galiläers, Joseph ein Zusatzname infolge der gewaltsamen »Judaisierung«. Weil Panther auf eine »nichtjüdische« Herkunft hindeutete, musste der Vater Jesu jenen jüdischen Namen Joseph zusätzlich annehmen.710 An dieser Stelle ließ sich Grundmann allem Anschein nach von der nationalsozialistischen Gesetzgebung inspirieren. Diese beschlossen Mitte 1938, dass Jesus der Galiläer, S. 172. Für Dalman waren die Bewohner Galiläas aber galiläische Juden. Dalman: Grammatik des jüdisch-palästinensischen Aramäisch, S. 56. Dalman nutzte den Begriff Semiten lediglich im philologischen und nicht im rassischen Verständnis, wie Grundmann dem Leser weismachen wollte. 708 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 175. Im Original gesperrt. 709 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 196. 710 Mit ähnlichen Argumenten wie der »nichtjüdischen« Urbevölkerung Galiläas, die später lediglich dem Religionsbekenntnis, nicht aber dem Blut nach jüdisch gewesen sein soll sowie der Herkunft des Joseph aus einem Geschlecht der Panther, »entjudete« 1939 Emanuel Hirsch Jesus. Vgl. Robert P. Ericksen: Theologians under Hitler. Gerhard Kittel, Paul Althaus and Emanuel Hirsch, New Haven London 1985, S. 164f.

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Menschen, die nach den Nürnberger Rassengesetzen als »Juden« galten, die zusätzlichen Vornamen Sara bzw. Israel zwangsweise annehmen mussten. Jenen Sachverhalt projizierte Grundmann in die Geburtszeit Jesu hinein und unterstellte, die jüdischen Herrscher hätten allen rassischen »Nichtjuden« die Annahme eines jüdischen Vornamens auferlegt. Deshalb musste der Jesus-Vater Joseph seinen Kindern auch alttestamentliche Namen geben. Grundmann kam in Bezug auf die Rassenzugehörigkeit der Vorfahren Jesu zu dem Schluss: » H at t e n w i r s c h o n m i t g r o ß e r Wa h r s c h e i n l i c h k e i t f ü r d i e Mu t t e r Je s u i h r e g a l i l ä i s c h e u n j ü d i s c h e He r k u n f t a n n e h m e n m ü s s e n , s o w e r d e n w i r a u f G r u n d v e r s c h i e d e n e r B e o b a c h t u n g e n f ü r d e n Vat e r i n d i e g l e i c h e R i c ht u n g g e d r ä n g t . D e r a p o l o g e t i s c h -d o g m a t i s c h e C h a r a k t e r der Stammbäume wird damit völlig erhellt ; in ihrer apologetischen Te n d e n z b i e t e n s i e g e w i s s e An h a l t s p u n k t e , d i e e i n e n v ö l l i g a n d e r s g e a r t e t e n , a b e r m i t d e r s o n s t i g e n Tr a d i t i o n ü b e r e i n s t i m m e n d e n Sachverhalt erkennen lassen : Jesus ist der Sohn galiläischer Elter n. […] Wir können, und damit schließen sich die Beobachtungen, die wir anstellen, mit größter Wahrscheinlichkeit behaupten, daß Je s u s k e i n Ju d e gewesen ist.«711

Unter Bezugnahme auf die Arbeiten des NS-affinen Professors für Kirchengeschichte und Systematische Theologie Emanuel Hirsch schloss Grundmann, zu Lebzeiten Jesu hätten in Galiläa »arische« und »nichtarische« Völker existiert, für die blutmäßige Herkunft Jesu bleibe aber festzuhalten, dass dieser als »nichtjüdisch« zu gelten habe.712 Um Grundmanns rassische Jesus-Deutung als »nichtjüdisch« richtig zu verstehen, bedarf es indes grundlegender Kenntnisse des nationalsozialistischen Vokabulars und Sprachgebrauchs. Karl-Wilhelm Niebuhr leitet aus Grundmanns Stammbaumforschungen zu Jesus – die er überdies als rein »theologisch und religionsgeschichtlich, nicht rassebiologisch« verstanden wissen möchte – ab, dass Grundmann nicht zu der Feststellung kam, Jesus sei »Arier« gewesen.713 Im allgemeinen NS-Sprachgebrauch wurde indes der Begriff »nichtjüdisch« als Synonym für »arisch« benutzt.714 Die Problematik in der Verwendung des Begriffs »Arier« im »Dritten Reich« lag darin, dass hierfür keine allgemeingültige Definition vorlag. Deshalb sprachen sich staatliche Vertreter bereits in den Anfangsjahren der nationalsozialistischen Diktatur gegen die Verwendung des 711 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 199. Sperrung im Original. 712 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 200. 713 Karl-Wilhelm Niebuhr : Walter Grundmann: Neutestamentler und Deutscher Christ, in: Hans-Joachim Döring/ Michael Haspel (Hg.): Lothar Kreyssig und Walter Grundmann. Zwei kirchenpolitische Protagonisten des 20. Jahrhunderts in Mitteldeutschland, Weimar 2014, S. 28–46, S. 41. Hervorhebung im Original. 714 Klaus von See: Der Arier-Mythos, in: Nikolaus Buschmann/ Dieter Langewiesche (Hg.): Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA, Frankfurt/M. New York 2003, S. 56–96, hier S. 56.

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Terminus »Arier« aus und wollten diesen durch Begriffe wie »nichtjüdisch« bzw. »deutschblütig« ersetzen.715 Selbst in den »Nürnberger Rassengesetzen« von 1935 findet sich nicht mehr das Wort »arisch«.716 1942 erfolgte gar die staatliche Anweisung: »Der Begriff ›arischer Abstammung‹ wird in der Gesetzgebung nicht mehr verwendet. Er ist ersetzt durch den Begriff ›deutschblütig‹.«717 Die Beschreibung einer Person als »Arier« bzw. »arischer Abstammung« blieb während der NS-Zeit weiterhin geläufig, jedoch nicht im offiziellen Vokabular des Nationalsozialismus, sondern im inoffiziellen Sprachgebrauch für den »Weltanschauungskampf« gegen das Judentum.718 Wenn Grundmann in der rassischen Deutung Jesu diesen als »nichtjüdisch« deklarierte, bedeutet dies nicht, dass er die »arische Abstammung« Jesu anzweifelte. Es zeigt vielmehr, wie sich Grundmann dem offiziellen Sprachgebrauch der Nationalsozialisten anpasste. Als NSDAP-Mitglied und als eine mit der Tagespolitik vertraute Person muss davon ausgegangen werden, dass er derartige semantische Begriffsunterscheidungen kannte. Gleichwohl verbot sich eine rassische Einordnung Jesu als »deutschblütig«, weshalb Grundmann die Bezeichnung »nichtjüdisch« wählte, um diesem eine »arische Abstammung« zu bescheinigen. Es ging demzufolge nicht nur um den genealogischen Nachweis, dass Jesus kein Jude gewesen sei, um hierüber das Christentum aus dessen jüdischen Entstehungskontext zu lösen. Die von Grundmann genutzte Wortwahl ermöglichte gleichzeitig ein Funktionswandel der Sprache, indem diese, und darüber die Geschichte des Urchristentums, in den ideologischen Kontext des Nationalsozialismus eingebettet wurde.719 Mit dem Terminus der »nichtjüdischen« Abstammung Jesu vollzog Grundmann unter Verwendung der Sprache der Nationalsozialisten eine Anlehnung an deren Rassenideologie. Infolge des offiziell im »Dritten Reich« verwendeten Begriffs der »nichtjüdischen« Herkunft als Äquivalent für »reinrassig« oder gar »arisch«, nutzte der Jenaer Theologe diesen in der politischen Sprache allgegenwärtigen Terminus, um darüber eine »arische« Abstammung Jesu zu konstruieren. Gleichzeitig verhinderte er mit dieser semantischen Feinunterscheidung mögliche Kritik, die der unscharfe Begriff des »Ariers« mit sich führte. Doch nicht nur von dessen blutmäßiger Abstammung her versuchte Grundmann Jesus wider das Judentum zu positionieren. Gleichfalls in dessen 715 Schmitz-Berning, Cornelia: Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin New York 1998, S. 56f. 716 Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, S. 149. 717 Zitiert nach Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, S. 62. 718 Von See: Der Arier-Mythos, S. 58. 719 Zur bedeutungskonstituierenden Funktion von historischer Semantik Dietrich Busse: Historische Semantik. Analyse eines Programms, Stuttgart 1987, S. 40f.

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Art zu denken gelte es, Jesus »mehr in die Nähe der Griechen als der Juden« zu rücken.720 Als Beleg führte er seinen Lehrer Johannes Leipoldt und dessen Institutsstudie Das Verhältnis Jesu zu Griechen und Juden an. Grundmann bewies damit nicht nur seine eigene These durch den Verweis auf einen renommierten und in der Fachwelt anerkannten Neutestamentler, sondern führte gleichzeitig andere Arbeiten des »Entjudungsinstituts« in den Wissenschaftsdiskurs ein.721 Vor dem Hintergrund der für deutsche Juden ausweglosen Situation im Jahr 1940 beendete er sein Werk Jesus der Galiläer mit der zynischen Bemerkung: »Wenn man nun fragt, warum Jesu von Nazareth, der der Welt die entscheidende Gottesoffenbarung schenkt und darin tod- und schuldüberwindende Erlöserkräfte freimacht, in sich verwirklicht und darstellt, in einem von Juden unterworfenen Land geboren werden, in jüdischer Umgebung aufwachsen und mit Juden seinen Kampf bis auf den Tod kämpfen mußte, wenn einer fragt, warum das so gewesen ist, so gibt es darauf zuletzt keine andere Antwort als die des vierten Evangelisten: ›Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht übermocht.‹ (Joh. 1,5)«722

Grundmann schrieb in einem persönlichen Brief an seinen Doktorvater Gerhard Kittel, die Abhandlung zur »völkischen Zugehörigkeit Jesu« bedeute für ihn keine bloße historische Detailfrage. Für ihn stellte es vielmehr eine Notwendigkeit dar, »die Frage [nach der rassischen Herkunft Jesu; D. S.] einmal in ganzer Breite aufzurollen und vor allen Dingen darzutun, daß die Davidische Abstammung Jesu keinen anderen als hypothetischen Wert hat.«723

Wie Arnhold anhand verschiedener Rezensionen aufzeigt, kam es nach der Veröffentlichung von Grundmanns Jesus der Galiläer zu einer regen und ernsthaften akademischen Diskussion über die rassische Herkunft Jesu.724 Dies ist nicht überraschend, gehörten doch Forschungen über Galiläa und dessen Einwohner schon vor Grundmann zum Bestandteil historischer Religionsforschungen.725 Das Beispiel Johannes Leipoldts macht deutlich, dass Grundmanns These von der »Zwangsjudaisierung« der Bewohner Galiläas keinen genuin neuen Gedankengang darstellte, sondern bereits zuvor innerhalb der historischen Jesus-Forschung diskutiert wurde. So veröffentlichte 1935 Georg Bertram 720 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 205. 721 Im Umkehrschluss rezensierte Johannes Leipoldt wiederum sehr wohlwollend Grundmanns Buch. Johannes Leipoldt: Rezension zu Walter Grundmann: Jesus der Galiläer und das Judentum, in: Theologisches Literaturblatt 61 (1940), Sp. 113–116. 722 Grundmann: Jesus der Galiläer, S. 207. 723 LKAE, DC 221, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Gerhard Kittel vom 11. 04. 1940). Bezüglich dieses Themas gingen die Meinungen Grundmanns und Kittels auseinander, wie Grundmann andeutete. 724 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 723–725. 725 Vgl. Moxnes: The Construction of Galilee as a Place for the Historical Jesus – Part I.

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(1896–1979), der letzte wissenschaftliche Leiter des Eisenacher »Entjudungsinstituts«, eine wissenschaftliche Abhandlung über den Einfluss des Hellenismus in Galiläa in dem zu dieser Zeit noch renommierten und international beachteten Archiv für Religionswissenschaft. Auch hier findet sich die These von einer »Zwangsjudaisierung« der galiläischen, »nichtjüdischen« Bevölkerung vor der Zeit Jesu.726 Grundmann konnte dadurch in seinen Jesus-Arbeiten auf schon bestehende Thesen aufbauen und diese als Beleg für die Richtigkeit seiner eigenen Ausführungen angeben.727 Er befand sich damit in einer Kontinuitätslinie von Forschungen, die mit den Arbeiten Reinhold Seebergs begannen und die Jesus als »Arier« deuteten.728 Ebenso konnte eine solche Rassendeutung Jesu an weithin bekannte Arbeiten wie jene von Chamberlain anknüpfen. Alfred Rosenberg, dessen Mythus des 20. Jahrhunderts selbst für den damaligen Maßstab nicht als wissenschaftlich anzusehen ist, dennoch in breiten Bevölkerungskreisen auf Beachtung stieß, verwies gleichfalls auf die »nordische Bevölkerung« Galiläas in der Frühgeschichte: »Die Amoriter gründeten Jerusalem, sie bildeten die nordische Schicht im späteren Galiläa, d. i. in der ›Heidengau‹, aus der einst Jesus hervorgehen sollte. Sie fanden dann Verstärkung durch die Philister, die ebenfalls in den von Syrien früher ganz unbekannten nordischen Schiffstypen mit Beil und Dreiblatt als Stevensymbole nach Syrien übersetzten.«729

Galiläas Bewohner hatten nach Rosenberg eine »nordische Artung« und auch Jesus gehörte diesem Bevölkerungsteil an, wodurch er kein »rassischer Jude« gewesen sein konnte. Grundmann untermauerte demnach mithilfe vermeintlich wissenschaftlicher Nachweise oder populärer Aussagen eine Annahme, die zuvor Teile der deutschen Bevölkerung zumindest schon zur Kenntnis genommen hatten. An dieser Stelle sei nochmals auf die Haltlosigkeit jener Behauptung verwiesen, Grundmann hätte all diese Deutungen und Umschreibungen aus Ver726 Georg Bertram: Der Hellenismus in der Urheimat des Evangeliums, in: Archiv für Religionswissenschaft 32 (1935), S. 265–281, hier S. 267–269. Wie Karl-Wilhelm Niebuhr zu dem Urteil kommt, Grundmann und seine Kollegen des »Entjudungsinstituts« seien eine von der Fachwelt nicht ernstgenommene Minderheit innerhalb der Religionsforschung gewesen, erschließt sich dem Autor nicht. Vgl. Niebuhr : Walter Grundmann, S. 37. Das Beispiel Bertram verdeutlicht allzu gut, dass derartige Ansichten selbst in anerkannten Fachzeitschriften wie dem Archiv für Religionswissenschaft Aufnahme fanden. 727 Walter Grundmann: Das Gesetz der Volksgemeinschaft und der Kampf ums Christentum. Grundsätzliche Erwägungen zum Problem der Toleranz, in: Deutsche Frömmigkeit 6 (1938), Heft 11, S. 1–8, hier S. 6. 728 Vgl. hierzu Leutsch: Karrieren des arischen Jesus, S. 195–217. 729 Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit, 5. Aufl., München 1933, S. 27.

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teidigungsgründen gegen »neuheidnische Angriffe« auf das Christentum getätigt.730 Reichsführer-SS Heinrich Himmler untersagte bereits im Juni 1937, noch bevor Grundmann überhaupt seine Rassenforschungen zu Jesus begann, allen Schulungsleitern und SS-Führern, Jesus als Juden zu bezeichnen, da dies historisch unwahr und überdies unwürdig sei.731 Es sei auch die (rhetorische) Frage erlaubt, wieso Grundmann noch 1944 einen Beitrag ausgerechnet in der Zeitschrift Weltkampf. Die Judenfrage in Geschichte und Gegenwart veröffentlichte.732 Diese Zeitschrift gab das Institut zur Erforschung der Judenfrage heraus, welches wiederum Alfred Rosenberg unterstand, der vermeintlich versucht haben soll, das Christentum zu vernichten. Nachdem Grundmann mithilfe religionsgeschichtlicher und rassenanthropologischer Nachweise Jesus zu einem »Nichtjuden« gemacht hatte und 1940 die »entjudete« Bibel in Umlauf kam, stand als nunmehrige Aufgabe noch an, das christliche Gottesverständnis sowie die gesamte christliche Geschichte zu »entjuden«. Hierfür galt es zunächst, »jüdische Einflüsse« in der Geschichte aufzuspüren und aufzuzeigen, wie diese Einzug in das Christentum fanden. Es sollte gleichzeitig »der Erkenntnis Rechnung getragen [werden], daß die Erforschung aller, besonders der jüdischen Überfremdung im deutschen religiösen Leben nur von einer Position aus erfolgen kann, die in der Besinnung auf das Wesen sowohl des Christlichen als auch der germanisch-deutschen Art besteht.«733

Für Grundmann bedeutete das Auftreten Jesu eine gänzlich neue und einmalige göttliche Schöpfung, »mit der ein neues religiöses Prinzip, eben das christliche, in die Welt getreten [sei] […].«734 Deshalb erschienen die Aufsatzsammlungen, denen Vorträge der Institutsarbeitstagungen zugrunde lagen, ab 1941 unter dem erweiterten Titel Germanentum, Christentum und Judentum. Für Grundmann 730 So Deines, der behauptet, Grundmanns »arischer Jesus« sei der letzte Rettungsversuch zur Bewahrung des Christentums im »Dritten Reich«. Deines: Jesus der Galiläer, S. 120. 731 Leutsch: Karrieren des arischen Jesus, S. 214. 732 Walter Grundmann: Moses Mendelssohn und der Einbruch des Judentums in das deutsche Geistesleben, in: Weltkampf. Die Judenfrage in Geschichte und Gegenwart [21] (1944), S. 9– 20. Dieser Artikel widmet sich kaum dem Christentum, sondern thematisiert in der Hauptsache die »Degeneration des Juden«. 733 Walter Grundmann: Vorwort, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Zweiter Band. Sitzungsberichte der zweiten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 3. bis 5. März 1941 in Eisenach, Leipzig 1942, o. S. 734 Walter Grundmann: Das Messiasproblem, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Zweiter Band. Sitzungsberichte der zweiten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 3. bis 5. März 1941 in Eisenach, Leipzig 1942, S. 379–412, hier S. 412.

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stand fest, dass die Selbstbezeichnung Jesu als Menschensohn in keiner Weise mit den jüdischen Messiasvorstellungen zusammenhänge. Den Ausdruck Menschensohn deutete Grundmann im Zusammenhang mit »der persischen Heilandsidee«, die wiederum »ihre Wurzeln in dem eigenartigen, auf arischem Boden gewachsenen Urmenschenmythus [habe].«735 So konnte der Neutestamentler erklären, warum die »arischen« Germanen überhaupt das Christentum angenommen hätten. Die Botschaft Jesu basiere auf »arischen« Elementen und wurde dadurch für die Germanen verständlich und akzeptabel. Ein auf jüdischen Elementen basierendes Christentum hätte aufgrund der »rassischen Gegensätzlichkeit« zwischen »Semiten« und »Ariern« die Annahme des Christentums durch die Germanen verhindert. Dass das Christentum nicht aus dem Judentum heraus entstanden sei, fand Grundmann ebenso in der Gegenwart bestätigt: »Denn wenn Jesus der [jüdische] Messias gewesen ist, dann hat die Kreuzinschrift recht: ›Jesus von Nazareth, der König der Juden.‹ Dann gibt aber unser Volk, das im Kampf gegen die satanischen Mächte des Weltjudentums um Ordnung und Leben dieser Welt überhaupt steht, ihm mit Recht den Abschied, denn es kann nicht gegen den Juden kämpfen und dem König der Juden sein Herz erschließen.«736

Die Rassengegensätze bestünden bis in die Gegenwart fort, sodass sich das »christlich-germanische« Deutschland im Krieg befinde, weil die übrigen Länder inklusive der dortigen Kirchen vom »Weltjudentum« beeinflusst und unterwandert seien. Zur Sicherung Deutschlands und seines Christentums habe das Eisenacher Institut deshalb seinen Beitrag zu leisten: »Im großdeutschen Schicksalskampf, der ein Kampf gegen das Weltjudentum und gegen alle zersetzenden und nihilistischen Kräfte ist, gibt die Arbeit des Instituts an ihrem Platze das Rüstzeug zur Überwindung aller religiösen Überfremdung im Innern des Reiches an die Hand und dient dem Glauben des Reiches. So stellt sie ein Stück Kriegseinsatzes der deutschen Religionswissenschaft dar.«737

Der von ihm gewählte Begriff der Religionswissenschaft illustriert das Selbstverständnis, das den Arbeiten zugrunde lag. Die Institutsmitarbeiter verbanden klassische Bibelauslegung mit historischer (Quellen-)Forschung sowie Rassenkunde vor dem Hintergrund der christlichen und jüdischen Religionsgeschichte und benannten diesen Ansatz als Religionswissenschaft. Grundmann nutzte eine derartige Methodenkombination in seinem Artikel Das apokalyptische Geschichtsbild und das deutsche Geschichtsdenken, ebenfalls abgedruckt in dem 1942 veröffentlichten Sammelband zur zweiten Arbeitsta735 Grundmann: Das Messiasproblem, S. 405. 736 Grundmann: Das Messiasproblem, S. 381. 737 Grundmann: Vorwort, Bd. 2, o. S.

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gung des Eisenacher Instituts. Am Beispiel des Verhältnisses »zwischen apokalyptischem Geschichtsdenken und deutscher Geschichtsschau« versuchte er diesmal den jüdisch-germanischen Gegensatz innerhalb der historischen Entwicklung darzustellen. Er bediente sich hierzu der Johannes-Offenbarung sowie der darin enthaltenen Szene vom Sieg des Erzengels Michaels über den Drachen, die »einen wesentlichen Einfluß auf das deutsche Geschichtsdenken gehabt [hat], wie die von den ersten Tagen der deutschen Geschichte bis auf die Gefallenendenkmäler des Weltkrieges reichende Michaelissymbolik erweist.«738

Doch, so gab Grundmann einschränkend zu bedenken, basiere die Michaelissymbolik nicht allein auf der Johannes-Offenbarung, sondern der Drachentöter komme bereits in der Edda vor,739 im allgemeinen Verständnis jener Zeit eine der Hauptquellen des Germanentums. Dass sich im deutschen Geschichtsdenken indes nicht die Vorstellung der Götterdämmerung durchsetzte, wie in der Edda beschrieben, vernahm er in der sich vollzogenen Verbindung von Germanentum und Christentum: »Der Glaube aber an den Sieg der Herrschaft Gottes als Weltziel hat seinen Grund in einem geläuterten Gottesgedanken, den die Germanen in der Gefolgschaft des Krist gewannen, in dem Glauben an die Treue Gottes, die sich in allem Wechsel des Geschehens durchhält und durch die Fragwürdigkeiten von Welt und Menschen nicht aufgehoben wird, die Treue Gottes, die den Menschen zu treuer Ritterschaft verpflichtet, […]. Das ist die deutsche Deutung des Christuswerkes. Auf ihrer Grundlage erhebt sich nun die deutsche Michaelssymbolik.«740 738 Walter Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild und das deutsche Geschichtsdenken, in: Walter Grundmann (Hg.): Germanentum, Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Zweiter Band. Sitzungsberichte der zweiten Arbeitstagung des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 3. bis 5. März 1941 in Eisenach, Leipzig 1942, S. 83–115, hier S. 85. 739 Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild, S. 86. Hier griff Grundmann auf den durch Richard Wagner popularisierten Siegfried-Mythos zurück. Der Drache als Antipol zum germanischen Helden gehörte seit Beginn des 20. Jahrhunderts zur antisemitischen Ikonographie. Vgl. Uwe Puschner : Antisemitische Drachen: Das Theodor-Fritsch-Denkmal in Berlin-Zehlendorf, in: Michael Kohlstruck/ Stefanie Schüler-Springorum/ Ulrich Wyrwa (Hg.): Bilder kollektiver Gewalt – Kollektive Gewalt im Bild. Annäherung an eine Ikonographie der Gewalt, Berlin 2015, S. 156–164. 740 Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild, S. 87. Der deutsch-christliche Theologe Erich Fromm deutete die Sankt-Michael-Mythologie in ähnlicher Weise, als einen Kampf für das Deutsche Reich unter dem Zeichen Jesu Christi. Diese Reichsvorstellung stelle wiederum das genaue Gegenteil zur Reichsidee des Judentums dar, die allein »ein Werkzeug zur Aufrichtung einer [jüdisch] völkischen Weltherrschaft« sei. Erich Fromm: Sankt Michael, der Schildhalter des Reiches, in: Briefe an deutsche Christen 4 (1935), S. 208f., hier S. 209.

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Die Verbindung von germanisch-deutschen Elementen mit christlicher Lehre schuf erst einen besonderen deutschen Glauben, so Grundmann. Deshalb hätten sich entscheidende Ereignisse und Schlachten in der deutschen Vergangenheit immer unter dem Banner des Drachentöters vollzogen. Aus dieser Entwicklung sei das spezifisch »deutsche Mannestum« entstanden, dessen göttlicher Auftrag der Kampf wäre. Auf dem göttlichen Kampfesauftrag basiere wiederum die deutsche Reichsidee als die »Lebensordnung des Abendlandes«.741 Alles in der konfliktreichen Vergangenheit und Gegenwart Deutschlands stünde demnach laut Grundmann in der religiösen Tradition des göttlichen Auftrages an die Germanen. Entgegen der jüdischen Apokalyptik, die eine »Weltherrschaft des Judentums« prophezeie,742 wisse sich der Deutsche aufgrund dieses göttlichen Auftrages »zum Kampf um diese Erde, ihr Leben und ihr Heil aufgerufen […].«743 Dies stellte nicht weniger als eine aus Religion und Geschichte konstruierte Legitimation des deutschen Vernichtungskrieges in Europa dar, denn erst dieser Krieg vollende den »Gottesauftrag der deutschen Nation«. Gottes Auftrag, so Grundmann, basiere nicht auf einer jüdisch-apokalyptischen Geschichtsschau, sondern habe seinen Ursprung in der religiösen Vorgeschichte der Deutschen. Diese liege aber »nicht im Orient, nicht im Alten Testament, sie liegt in der eigenen nordisch-germanischen Vergangenheit mit ihren sittlich-religiösen Werten. Und unsere deutsche Geschichte, die wir überschauen, ist u n s e r e Geschichte mit Gott und Gottes Geschichte mit uns. In ihr sind […] Wodan und Krist Brüder geworden.«744

Sogar Martin Luther habe schon in seiner Zwei-Reiche-Lehre die Einheit von germanischer Weltschau und christlichem Glauben vollzogen, wodurch dem Reich nachweislich die Aufgabe als Rechtshüter der göttlichen Ordnung zukäme. Dies alles entsprang nach Grundmann einer »uralte[n] arische[n] Idee«, die man in dieser Form bei den Indoariern, den Persern, den Griechen und eben bei den Deutschen finde.745 Aus den Zusammenstellungen von »altarischen Ideen«, dem göttlichen Auftrag für die Deutschen zur Beherrschung Europas, gepaart mit der Zwei-Reiche-Lehre Luthers, dessen »Denken einem gesunden Rasseinstinkt entspringt«,746 leitete Grundmann die zu bewältigende Aufgabe ab: »[E]ine Erfas741 742 743 744 745

Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild, S. 88. Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild, S. 91. Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild, S. 89. Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild, S. 114. Sperrung im Original. Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild, S. 110. Wie Johannes Leipoldt verstand Grundmann die antiken Griechen als »Arier«, weshalb er auch versuchte, Jesus und die ersten Missionare als Hellenisten bzw. nach »griechischer Art« handelnd und denkend zu deuten. 746 Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild, S. 115.

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sung unserer Geschichte als einer Geschichte der Deutschen mit Gott und Gottes mit den Deutschen!«747 In derselben Weise argumentierte er in dem Artikel Die antike Religion im Lichte der Rassenkunde, erschienen 1943 im institutseigenen Sammelband Die völkische Gestalt des Glaubens. Gleich zu Beginn von Grundmanns Ausführungen wird ersichtlich, weshalb sich derartige Institutsarbeiten von ihrer Grundausrichtung her als Teil der »Judenforschung« im »Dritten Reich« verstehen lassen: »Die deutsche Revolution, die sich heute in der Neugestaltung Europas entscheidend auswirkt, hat zuerst dem deutschen Volk und darüber hinaus dem neuen Europa ein neues Bewußtsein und Wissen geschenkt: das Wissen um die grundlegende Bedeutung der Rasse für Leben, Gemeinschaft und Kultur der Menschen. Damit ist eine neue Voraussetzung auch für das wissenschaftliche Arbeiten und Denken gegeben. […] [Deshalb sei] d i e n e u e A r b e i t s g r u n d l a g e d e r W i s s e n s c h a f t g e r a d e das Wissen um die rassisch beding te Unterschiedenheit der M e n s c h e n g e w o r d e n . «748

Rassische Unterschiede der Menschen galten als gegeben und damit ging die rassisch bedingte »Minderwertigkeit« der Juden einher. Derartige »Tatsachen« benötigten keine Beweisführung. Vielmehr konnten mithilfe dieser Grundkonstante neue Rückschlüsse auf religiöse und historische Entwicklungen gezogen werden, die wiederum im Umkehrschluss die politische und kirchenpolitische Gegenwart legitimierten, vor allem in Bezug auf »den Juden«. Für Grundmann ergab sich darauf aufbauend die unvermeidliche Aufgabe, »die Religionsgeschichte in das Licht der Rassenkunde zu rücken.«749 Er widmete sich zunächst den Germanen und bescheinigte diesen aufgrund ihrer rassischen Herkunft eine religiöse Urverwandtschaft mit altiranischen Religionsvorstellungen. Er stützte sich für diese These auf die Arbeiten des dänischen Religionswissenschaftlers Vilhelm Grønbechs (1873–1948), dessen Studien von Hans Heinrich Schaeder übersetzt und anschließend von diesem selbst innerhalb verschiedener Institutsveranstaltungen vorgestellt wurden.750 Wieder nutzte Grundmann Forschungsergebnisse renommierter, in diesem Fall gar internationaler Forscher, um seine Deutungen zu belegen. Trotz der sich im

747 Grundmann: Das apokalyptische Geschichtsbild, S. 115. In der anschließenden Fußnote verwies Grundmann darauf, dass sich ein Arbeitskreis des »Entjudungsinstituts« einer solch umfassenden Aufgabe bereits widme. 748 Walter Grundmann: Die antike Religion im Lichte der Rassenkunde, in: Walter Grundmann (Hg.): Die völkische Gestalt des Glaubens, Weimar 1943, S. 23–100, hier S. 25. Sperrung im Original. 749 Grundmann: Die antike Religion im Lichte der Rassenkunde, S. 26. 750 Vgl. hierzu Kap. 5.2.7.

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Laufe der Geschichte unterschiedlich entwickelten Frömmigkeitsvorstellungen, schlussfolgerte er : »Aus der gemeinsamen arischen Wurzel wächst hier [bei den Germanen] eine andere Frucht als bei Griechen und Iraniern; aber zwischen Griechen und Iraniern und Germanen besteht eine innere Verwandtschaft.«751

Ganz im Gegensatz dazu stand für ihn die Religion des Judentums: »Während für die arische Welt die Gottessohnschaft und die Gottesfreundschaft kennzeichnend sind als Symbole, die das Gott-Mensch-Verhältnis veranschaulichen, ist für das alttestamentliche Israel das Knechtssymbol der Mittelpunkt, während andere Symbole von außen her übernommen sind und nur am Rande erscheinen.«752

Es handelt sich bei diesem Artikel um eine klassische Gegenüberstellung von positiver, »arischer« Gläubigkeit und Gottesdeutung und durchweg negativ dargestellter jüdischer Religion. Der »ausgeprägte rechnerische Vergeltungsgedanke«753 gehöre ebenso zur jüdischen Religion wie deren »Anspruch auf alleinige Beherrschung der Welt« und der »bis zur Perversität gehende Haß der Juden« gegenüber allen anderen Völkern.754 Derartige Eigenschaften entstammten nicht allein der Theologie des Judentums, sondern diese »Züge haben ihren Grund […] in dem starken vorderasiatischen Rasseelement, das im Judentum steckt und dessen Züge sich auch anderwärts beobachten lassen, wo das vorderasiatische Element Eingang findet.«755

Diese Beweisführung entsprach exakt dem Argumentationsmuster völkischer Agitatoren sowie der Rassendoktrin der Nationalsozialisten. Ein »Jude« musste zwangsläufig schlechte Eigenschaften aufweisen, da diese rassisch bedingt und somit immer in seinem Inneren seien, selbst wenn er sich überhaupt nicht als Angehöriger der jüdischen Religion verstand. »Der Jude« in Antike und Gegenwart fungierte dementsprechend als Negativfolie für den in allen Belangen positiven »Nichtjuden«, der selbstredend »arische« Wurzeln besaß. Bei diesem Grundmann-Artikel ist weniger die Beweisführung seiner These von Bedeutung, denn diese unterschied sich in ihrer Methodik nicht grundlegend von seinen vorhergehenden Arbeiten. Vielmehr illustriert die von ihm gezogene Schlussfolgerung für die rassenkundliche Religionsgeschichte, wie er 751 Grundmann: Die antike Religion im Lichte der Rassenkunde, S. 60. 752 Grundmann: Die antike Religion im Lichte der Rassenkunde, S. 62. Hierin zeigt sich abermals der »arische Ursprung« Jesu im Denken Grundmanns. Für ihn stand die Gottessohnschaft im Mittelpunkt der gänzlich neuen Lehre Jesu, die ihn überdies als Gegenpol zum Judentum auftreten ließ. An dieser Stelle verwies Grundmann eindeutig darauf, dass ein solches Denkmuster allein aus der »arischen Welt« kommen konnte. 753 Grundmann: Die antike Religion im Lichte der Rassenkunde, S. 66. 754 Grundmann: Die antike Religion im Lichte der Rassenkunde, S. 67. 755 Grundmann: Die antike Religion im Lichte der Rassenkunde, S. 67.

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die »Entjudung« nunmehr um neue Aufgabenkomplexe zu erweitern gedachte. »Der religionswissenschaftlichen Arbeit« obliege es zukünftig, »der jeweils rassegebundenen und volkhaft bestimmten religiösen Grundidee und des damit zusammenhängenden religiösen Stilgesetzes« nachzugehen. Ebenso habe sie »zu enthüllen, wie aus der Begegnung mit der geschichtlichen Größe des Christentums die verschiedenen Christentümer in der europäischen Geschichte entstehen, bestimmt durch das arteigene religiöse Stilgesetz, das neue religiöse Prinzip und die im geschichtlichen Lauf mitgetragenen fremden Grundideen und Stileigentümlichkeiten, die zu schweren Geisteskämpfen geführt haben.«756

Unter »fremden Grundideen« hat man natürlich »jüdisches Gedankengut« zu verstehen, wie Grundmann generell »fremd« bzw. »artfremd« mit »jüdisch« gleichsetzte. Derart »fremde Einflüsse«, wie sie das Institutsmitglied Wolf Meyer-Erlach (1891–1982) propagandistisch aufgeladen bereits für England vermeintlich nachgewissen hatte,757 galt es nun für alle Christentümer aufzuspüren. Hierüber sei es möglich, trotz der rassischen Verwandtschaft mit Briten, Amerikanern usw., deren ›falsche Christentümer‹ aufzuzeigen, da diese jüdischen Einflüssen unterlägen. Damit einhergehend hätte sich gleichfalls der Beweis des richtigen deutsch-christlichen Religionsbildes erbringen lassen, denn dieses trage die »Artung« des germanischen Volkes in sich und sei überdies in der Zwischenzeit von Grundmann und seinen Mitstreitern »entjudet« worden und unterläge keinen »fremden Einflüssen« mehr. Walter Grundmann war ein völkischer Antisemit im selbstwahrgenommenen Auftrag Gottes. Von Anbeginn kämpfte er gegen das Judentum mit dem Endziel, ein »judenfreies« Christentum in einem »judenfreien« »Dritten Reich« zu erschaffen. Bereits seine erste Schrift widmete er dem Kampf gegen den Bolschewismus, hinter dem für Grundmann immer »der Jude« stand.758 Die Säch756 Grundmann: Die antike Religion im Lichte der Rassenkunde, S. 99. 757 Wolf Meyer-Erlach: Ist Gott Engländer?, Freiburg/B. 1940; Wolf Meyer-Erlach: Der Einfluß der Juden auf das englische Christentum, Weimar 1940. Letztere Broschüre zuerst abgedruckt unter gleichem Titel in Walter Grundmann (Hg.): Christentum und Judentum. Studien zur Erforschung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Erster Band. Sitzungsberichte der ersten Arbeitstagung des Institutes zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 1. bis 3. März 1940 in Wittenberg, Leipzig 1940, S. 1–27. Zu Wolf Meyer-Erlach vgl. Andr8 Postert: »Lieber fahre ich mit meinem Volk in die Hölle als ohne mein Volk in Deinen Himmel.« Wolf Meyer-Erlach und der Antiintellektualismus, in: Manfred Gailus/ Clemens Vollnhals (Hg.): Für ein artgemäßes Christentum der Tat. Völkische Theologen im »Dritten Reich«, Göttingen 2016, S. 219–237; Christopher J. Probst: »An incessant army of demons«: Wolf Meyer-Erlach, Luther, and »the Jews« in Nazi Germany, in: Holocaust and Genocide Studies 23 (2009), S. 441–460; Klaus Raschzok: Wolf Meyer-Erlach und Hans Asmussen. Ein Vergleich zwischen der Praktischen Theologie der Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche, in: Klaus Raschzok (Hg.): Zwischen Volk und Bekenntnis. Praktische Theologie im Dritten Reich, Leipzig 2000, S. 167–202. 758 So noch 1944 in: Grundmann: Moses Mendelsohn, S. 11.

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sische Landeskirche versuchte er als einflussreicher Deutscher Christ »judenfrei« zu machen, wie seine 28 Thesen aufzeigen. 1937 formulierte Grundmann gegenüber Siegfried Leffler erstmals die Idee einer »Entjudungsabteilung«, um mit einer solchen das Christentum und dessen Geschichte von »jüdischen Einflüssen« befreien zu können. Noch vor der eigentlichen Institutsarbeit begann er seine Forschungen zur rassischen Herkunft Jesu, die in Jesus der Galiläer mit dem Nachweis der »nichtjüdischen« Abstammung Jesu ihren Abschluss fanden. Dieses Buch wiederum bildete die Grundlage etlicher Pfarrerschulungen, bei denen die rassische Abstammung Jesu »im Lichte neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse« präsentiert wurde. Parallel hierzu erschien unter Grundmanns Mitwirken die »entjudete« Bibel Die Botschaft Gottes, mit der ein »nichtjüdischer« Jesus in den Religionsalltag deutscher Protestanten Einzug halten sollte. Auch dieses Buch gehörte zur Arbeitsgrundlage vieler Pfarrerschulungen der Kirchenbewegung Deutsche Christen, um die neuen Erkenntnisse – die oftmals auf Forschungen Grundmanns basierten – in die Gemeinden zu tragen. Grundmanns Arbeiten fanden überdies Einzug in den wissenschaftlichen Diskurs, denn sie entsprachen methodisch und sprachlich dem Zeitgeist des »Dritten Reichs«.759 Die Verweise auf und das Benutzen von Arbeiten renommierter Wissenschaftler erweckten den Anschein, seine These eines rassenbedingten jüdisch-christlichen Gegensatzes beruhe auf neuesten Forschungen. Durch die Nennung von Werken anerkannter Professoren wie Hirsch, Seeberg oder Leipoldt stimmte dies in Teilen sogar, da sie in ihren Forschungen ebenso versuchten, das Judentum in einen größtmöglichen Gegensatz zum frühen Christentum zu positionieren. Zumindest bei einem Teil der Leser von Grundmanns Schriften, die nicht unbedingt Experten für das frühe Christentum waren, musste in Kombination mit dem Habitus eines professoralen Machwerkes der Eindruck fundierter wissenschaftlicher Arbeit entstehen.760 Es sei aber auch erwähnt, dass Grundmann Aussagen von Forschern teilweise aus dem Zusammenhang riss und in rassistischer Sichtweise völlig neu interpretierte, wie das Beispiel Gustav Dalman belegt. 759 Torsten Lattki stellt dies auch für Grundmanns Nachkriegsschriften fest, in denen dieser die »Entjudung« weiter, wenn auch subtiler vorantrieb. Torsten Lattki: »Das Bundesvolk kommt um im Gericht«. Der wenig verhüllte theologische Antijudaismus Walter Grundmanns in der DDR, in: Hans-Joachim Döring/ Michael Haspel (Hg.): Lothar Kreyssig und Walter Grundmann. Zwei kirchenpolitische Protagonisten des 20. Jahrhunderts in Mitteldeutschland, Weimar 2014, S. 78–92. 760 Besonders deutlich stellt dies Charlotte Klein heraus, deren Studenten noch Anfang der 1970er Jahre den Antisemitismus aus den Werken von Grundmann und anderen damaligen Autoritäten der neutestamentlichen Forschung übernahmen. Die Studenten hinterfragten nicht den zweifelhaften Inhalt, da es sich schließlich um professorale Werke handelte. Charlotte Klein: Theologie und Anti-Judaismus. Eine Studie zur deutschen theologischen Literatur der Gegenwart, München 1975, speziell S. 125.

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5.2.3 Rudolf Meyer Rudolf Paul Fritz Meyer (1909–1991), 1909 in Leutzsch, dem heutigen Stadtteil Leipzigs, geboren, studierte zwischen 1929 und 1933 an der Leipziger Universität Evangelische Theologie und Orientalistik inklusive semitischer und klassischer Philologie. Neben Albrecht Alt und Lazar Gulkowitsch zählte vor allem Johannes Leipoldt zu seinen prägenden Lehrern an der Alma Mater Lipsiensis.761 Es war auch Leipoldt, der sich beim Dresdner Ministerium für Volksbildung Anfang 1934 dafür einsetzte, Meyer die freigewordene Assistentenstelle von Gulkowitsch zu übertragen, den die Nationalsozialisten aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dem Universitätsdienst entlassen hatten.762 Zwischen April 1934 und August 1939, wo Meyer die Einberufung zum Heeresdienst erhielt, bekleidete er diese Assistentenstelle, in deren Rahmen er Übungen zum Neuen Testament sowie zur Sprache und Literatur des Aramäischen und Hebräischen abhielt. Während dieser Zeit erfolgten 1937 die Promotion sowie ein Jahr später die unveröffentlicht gebliebene Habilitation.763 Es muss als sehr unwahrscheinlich gelten, dass Meyers politische Haltung eine Dozentur an der Theologischen Fakultät verhindert habe. Dies gilt ebenso für die Behauptung, Meyers Habilitationsschrift sei aus politischen Gründen nicht veröffentlicht worden.764 Es war Meyer selbst, der nach Kriegsende angab, politische Gründe hätten die Drucklegung seiner Habilitationsschrift und eine Anstellung als Dozent verhindert,765 was die bisherige Forschung ungeprüft übernahm. Michael Parak hat für die Zeit des »Dritten Reichs« herausgearbeitet, dass rund einem Drittel aller Nachwuchswissenschaftler an der Universität Leipzig 761 Angaben nach Waltraut Bernhardt: Rudolf Meyer 1909–1991, in: Rudolf Meyer: Beiträge zur Geschichte von Text und Sprache des Alten Testaments. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Waltraut Bernhardt, Berlin New York 1993, S. 1–6, hier S. 1. 762 SächsHStA Dresden, 10193/9 (Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften), Bl. 62–63. 763 LKAE, DC 213, [unfoliert] (selbstverfasster Lebenslauf Rudolf Meyers vom 10. 01. 1940). 764 So Bernhardt: Rudolf Meyer 1909–1991, S. 1; ebenso Henry Wassermann: Fehlstart: Die »Wissenschaft vom späten Judentum« an der Universität Leipzig (1912–1941), in: Stephan Wendehorst (Hg.): Bausteine einer jüdischen Geschichte der Universität Leipzig, Leipzig 2006, S. 321–343, hier S. 342. Auch die an gleicher Stelle bei Wassermann zu findende Angabe, Meyer sei sechs Jahre als einfacher Soldat an der Ostfront eingesetzt gewesen, ist zu berichtigen. Meyer war Offizier und stand bis 1941 an der Westfront, war bis 1943 im Ersatzheer und anschließend auf dem Balkan eingesetzt. Vgl. LKAE, NL Grund, 83, Bl. 9 (Selbstbezeichnung als Offizier) sowie Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 817 (Kriegseinsätze). Ebenso UA Leipzig, PA 222 (Personalakte Rudolf Meyer), Bl. 8. 765 UA Leipzig, PA 222 (Personalakte R. Meyer), Bl. 34 (selbstverfasster Lebenslauf für die Leipziger Universität vom 2. 12. 1946). Da die Akten der Leipziger Theologischen Fakultät 1943 durch eine Luftangriff zerstört wurden, fehlen die wissenschaftlichen Gutachten zu Meyers Habilitationsverfahren.

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nach erfolgreicher Habilitation die Lehrbefugnis als Dozent versagt blieb. An der Philosophischen Fakultät war der Wert mit mehr als 40 Prozent gar noch höher.766 Die Anlässe für die jeweils verweigerten Dozenturen verortet Parak aber weniger in politischen Gründen, vielmehr waren »mangelnder Bedarf sowie die wissenschaftliche Qualität der Kandidaten für die Ablehnung verantwortlich.«767 Auch wenn Parak nicht die Theologische Fakultät der Leipziger Universität mit in seine Analyse aufnimmt, so nennt er doch den Fall Rudolf Meyer, was Aufschluss über die eigentlichen Gründe zu Meyers verweigerter Lehrbefugnis gibt. Zusätzlich zur allgemeinen Grundhaltung in Sachsen während der NS-Zeit, keine Theologen in die akademische Nachwuchsförderung einzubeziehen, beurteilte das Reichserziehungsministerium den Lehrenden Rudolf Meyer alles andere als positiv : Neben der als »unausgereifte[n], flache[n] Erscheinung mit manchmal kindlich anmutenden Merkmalen« sei er überdies »politisch indifferent, ohne aktives Interesse« und seine Vorträge »unlebendig, farblos«. Eine Förderung Meyers wollte das Ministerium deshalb nicht befürworten, da er eine akademische Laufbahn »aller Voraussicht nach nicht mit Erfolg beenden kann.«768 Michael Parak kommt in seiner Studie zu dem allgemeinen Ergebnis, dass im Bereich von Habilitationen und Dozenturen im NS-Staat weiterhin wissenschaftliche Standards galten und lediglich die offene Gegnerschaft zum Regime eine Dozenturverweigerung nach sich zog.769 Von einer politischen Gegnerschaft Rudolf Meyers gegenüber dem NS-Re766 Michael Parak: Hochschule und Wissenschaft in zwei deutschen Diktaturen. Elitenaustausch an sächsischen Hochschulen 1933–1952, Köln Weimar Wien 2004, S. 270. Eine statistische Übersicht zu den Entlassungen an der Universität Leipzig bei Michael Grüttner/ Sven Kinas: Die Vertreibung von Wissenschaftlern aus den deutschen Universitäten 1933– 1945, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 55 (2007), S. 123–186, hier S. 179–181. 767 Parak: Hochschule und Wissenschaft in zwei deutschen Diktaturen, S. 270. 768 Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an das Ministerium für Volksbildung, zitiert nach Parak: Hochschule und Wissenschaft in zwei deutschen Diktaturen, S. 273f. In den Akten des Sächsischen Hauptstaatsarchives Dresden, welche die Korrespondenzen zur talmudischen Wissenschaft an der Theologischen Fakultät Leipzig beinhalten, findet sich kein Hinweis auf eine politische Unzuverlässigkeit von Rudolf Meyer. Vgl. SächsHStA, 10193/9 (Lektorat für Späthebräische, jüdische, aramäische und talmudische Wissenschaften). Nach Kriegsende gab Meyer an, dass seine verweigerte Dozentur in Leipzig aufgrund einer ablehnenden Haltung gegenüber dem NS-Regime zustande kam. UA Leipzig, PA 222 (Personalakte R. Meyer), Bl. 6. 769 Parak: Hochschule und Wissenschaft in zwei deutschen Diktaturen, S. 279f. Dazu auch Paraks weitere Studie, die für die Universität Leipzig aufzeigt, dass nicht automatisch alle als »politisch unzuverlässige« Dozenten entlassen wurden. Vgl. Michael Parak: Politische Entlassungen an der Universität Leipzig in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Ulrich von Hehl (Hg.): Sachsens Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur. Beiträge zur Geschichte der Universität Leipzig vom Kaiserreich bis zur Auflösung des Landes Sachsen 1952, Leipzig 2005, S. 241–262.

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gime kann indes keine Rede sein, vielmehr trat Meyer als Mitglied in mehreren NS- bzw. republikfeindlichen Verbänden in Erscheinung. Dies betraf nicht nur seine Mitgliedschaft im Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten und nach dessen Integration in die SA Meyers dortige Mitgliedschaft. Laut eigener Angabe war er zusätzlich seit Juni 1934 Mitglied des NS-Dozentenbundes sowie seit April 1937 im NS-Reichskriegerbund organisiert. Entscheidender in der Beurteilung von Meyers politischer Haltung dem Nationalsozialismus gegenüber ist jedoch seine Mitgliedschaft in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. In dieser nahm er eine aktive Rolle als »Blockwalter in der Ortsgruppe Leipzig-Westen F« ein.770 Zwar darf eine solche ehrenamtliche Tätigkeit keinesfalls überbewertet werden, zumal nicht selten die Übernahme eines solchen Amtes auf ›freiwilligem Zwang‹ beruhte, zu unterschätzen ist die Bedeutung jener Helfer der NSDAP-Blockleiter jedoch ebenso wenig. Diese ehrenamtlichen Funktionäre bildeten das Basiselement des NSDAP-Repressionsapparates zur Kontrolle der deutschen Bevölkerung, deren gesammelte Informationen über Nachbarn und Kollegen die Geheime Staatspolizei bzw. das Reichssicherheitshauptamt auswerteten.771 Inwieweit Meyer seine Funktion in der NS-Volkswohlfahrt inhaltlich ausfüllte, ließ sich nicht feststellen. Das Engagement verdeutlicht dennoch die zumindest opportunistischen Züge Meyers, der mit dem NS-Regime in einer Art positivem Arrangement stand.772 Während seiner Assistentenzeit an der Leipziger Theologischen Fakultät verfasste Meyer mehrere wissenschaftliche Aufsätze und sieben Artikel für das von Gerhard Kittel herausgegebene Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament.773 Meyers 1940 erschienene Schrift Der Prophet aus Galiläa,774 die aus 770 LKAE, DC 213, unfoliert (selbstverfasster Lebenslauf Rudolf Meyer vom 10. 01. 1940). Die Selbstangabe einer bloßen Mitgliedschaft im NS-Dozentenbund sowie der NS Volkswohlfahrt auch in UA Leipzig, PA 222 (Personalakte R. Meyer), Bl. 6. 771 Vgl. Detlef Schmiechen-Ackermann: Der »Blockwart«. Die unteren Parteifunktionäre im nationalsozialistischen Terror- und Überwachungsapparat, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 48 (2000), S. 575–602, hier S. 581. Zur Organisationsstruktur der NS-Volkswohlfahrt und der Rolle der ehrenamtlichen Helfer auf lokaler Ebene vgl. auch Herwart Vorländer : Die NSV. Darstellung und Dokumentation einer nationalsozialistischen Organisation, Boppard am Rhein 1988, S. 96–117. Konkrete Beispiele, wie die nationalsozialistische Gesellschaftsüberwachung mithilfe ihrer ehrenamtlichen Helfer funktionierte, bei Frank Bajohr : Vom antijüdischen Konsens zum schlechten Gewissen. Die deutsche Gesellschaft und die Judenverfolgung 1933–1945, in: Frank Bajohr/ Dieter Pohl (Hg.): Massenmord und schlechtes Gewissen. Die deutsche Bevölkerung, die NS-Führung und der Holocaust, Frankfurt/M. 2008, S. 15–79, hier S. 26–30. 772 Vgl. hierzu die Ausführungen von Armin Nolzen, der in derartigen Ehrenämtern die eigentliche Partizipationsmöglichkeit und damit einhergehend eine Inklusion in den Nationalsozialismus sieht. Armin Nolzen: Inklusion und Exklusion im »Dritten Reich«. Das Beispiel der NSDAP, in: Frank Bajohr/ Michael Wildt (Hg.): Volksgemeinschaft. Neue Forschungen zur Gesellschaft des Nationalsozialismus, Frankfurt/M. 2009, S. 60–77. 773 Eine Gesamtbibliographie in Rudolf Meyer : Beiträge zur Geschichte, S. 242–253.

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den Forschungen für den TWNT-Artikel Prophetes hervorging, thematisierte nicht vordergründig die genealogische Herkunft Jesu, präsentierte diesen aber mehrmals in einem Gegensatz zum Judentum. Den Begriff »Galiläa« bzw. »galiläisch« nutzte Meyer dabei häufiger, um Jesus als »galiläischen Propheten«775 gegen eine mögliche jüdische Herkunft auszuweisen, der »inmitten einer begeisterten, wohl galiläischen Pilgerschar«776 auftrat. Eine derartige Gegensätzlichkeit von galiläisch zu jüdisch findet sich, wie bereits aufgezeigt, schon bei Houston Stewart Chamberlain, der Jesus als Galiläer ohne jüdische Rasseeigenschaften deutete.777 Die Thüringer Deutschen Christen bezogen sich ebenfalls auf jene »Galiläerhypothese«, nach der es als sicher galt, »daß Jesus blutmäßig kein Jude war. Galiläa als ›Heidengau‹ war zwar durch die jüdische Mission etwa 100 vor Christus für die Synagoge gewonnen worden, aber durch religiöse Missionierung ändert sich der blutmäßige Charakter nicht! Eben weil Jesus Galiläer war und seine weitaus meisten Anhänger ebenfalls, darum wurde er ja abgelehnt.«778

Die Konstruktion eines solchen Gegensatzpaares hatte in religionshistorisch arbeitenden Wissenschaftskreisen sowie innerhalb der völkischen Bewegung eine mehrere Jahrzehnte andauernde Vorlaufzeit und fand letztendlich in den Arbeiten Walter Grundmanns ihren Abschluss. Galiläa, so fasst Halvor Moxnes für die Zeit des »Dritten Reichs« zusammen, »became a part of Palestine with which Germans could identify. It became, if not quite a ›little Germany,‹ at least a place where there were enough Aryans to make Jesus a plausible non-Jew.«779

Um nicht mit pseudowissenschaftlichen Kreisen oder der antisemitischen Propaganda gleichgestellt zu werden, entwickelte sich somit in der Gelehrtenwelt der Begriff »Galiläer« schon vor 1933 zu einer Art Codewort für »Arier« in direkter Abgrenzung zu »Jude«.780 In dieser Deutung ist Rudolf Meyers Abhandlung zu verstehen. Selbst wenn 774 Rudolf Meyer: Der Prophet aus Galiläa. Studien zum Jesusbild der drei ersten Evangelien, Leipzig 1940. Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft legte das Buch 1970 in unveränderter Form neu auf. 775 Meyer: Der Prophet aus Galiläa, S. 8. 776 Meyer: Der Prophet aus Galiläa, S. 19. 777 Moxnes: The Construction of Galilee as a Place for the Historical Jesus – Part I, S. 31. 778 [o. A]: Jesus und die Juden!, Weimar 1937, S. 3. Hervorhebung im Original. In der weiteren Begründung einer rassisch »nichtjüdischen« Herkunft Jesu wird zusätzlich mit den Standpunkten Chamberlains und Alfred Rosenbergs argumentiert. 779 Moxnes: The Construction of Galilee, S. 33. 780 Susannah Heschel: Rassismus und Christentum. Das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben, in: Uwe Puschner/ Clemens Vollnhals (Hg.): Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungs- und Konfliktgeschichte, Göttingen 2012, S. 249–264, hier S. 254.

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die Arbeit nicht – wie in den Arbeiten Grundmanns geschehen – offensiv eine galiläische Herkunft Jesu im rassischen Verständnis propagierte, so schob sie ein solches Bild gerade dem Nicht-Wissenschaftler unter, an den sich Meyers Buch ausdrücklich richtete.781 Meyer widersprach einer rassischen Gegensätzlichkeit des zeitgenössischen Jesu gegenüber seiner jüdischen Umwelt auch nicht, was sich daran zeigt, dass er Abschnitte seines Buches als Leseprobe für die Zeitschrift des Eisenacher Instituts zur Verfügung stellte.782 Hierbei handelte es sich nicht um eine klassische Rezension, sondern es sollten »möglichst die Autoren ausführlich in ihrem Anliegen zu Worte kommen […], soweit die Arbeit des Institutes betroffen wird.«783 Wollte Meyer mit seinem Buch nicht ein derartiges Rassenbild Jesu zeichnen, wie es beispielsweise Grundmann vertrat, hätte er den Teilabdruck seines Buches in der Institutszeitschrift untersagen oder zumindest einen gegenteilig lautenden Kommentar hierzu verfassen können. Dass er einen galiläischen Jesus als Gegensatz zum Judentum darzustellen versuchte und gleichzeitig die jüdische Abstammung Jesu indirekt negierte, benannte er zudem in seinem selbstverfassten Lebenslauf aus dem Jahr 1940: »Meine letztere größere Abhandlung – der Prophet aus Galiläa, Leipzig 1940 – versucht unter Heranziehung neuen Materials Person und Werk des Galiläers Jesus in ihren Gegensatz zum religiösen Nationalismus des Judentums darzustellen.«784

Institutsmitarbeiter verstanden Meyers Werk gleichfalls als weiteren Baustein für den wissenschaftlichen Beweis des rassischen Gegensatzes von Urchristentum und Judentum. Carl Schneider deutete Jesus als Bewohner eines »zwangsjudaisierten« Galiläas, in dem ausschließlich die kleine Oberschicht jüdisch gewesen sei, Jesus aber »den unteren bodenständigen Schichten« angehörte.785 Zur Herkunft des »galiläischen«, sprich »nichtjüdischen« Jesu wollte Schneider nicht die wissenschaftlichen Forschungen der letzten Jahre ausführlich rezipieren, sondern verwies stattdessen auf die Arbeiten Johannes Leipoldts und eben Rudolf Meyers.786 Johannes Leipoldt nutzte in seiner Institutspublikation

781 Die Arbeit wende sich »vor allem an die Studenten, die heute weithin gerade der Wissenschaft vom Neuen Testament mißtrauisch, wenn nicht ablehnend, gegenüberstehen; darüber hinaus an Pfarrer, Lehrer und jeden, dem am geschichtlichen Verständnis der Quellen des christlichen Glaubens liegt.« Meyer : Der Prophet aus Galiläa, S. 5. 782 Verbandsmitteilungen 2/3 (1940), S. 76f. 783 Verbandsmitteilungen 2/3 (1940), S. 76. 784 LKAE, DC 213, [unfoliert] (selbstverfasster Lebenslauf Rudolf Meyers vom 10. 01. 1940). Henry Wassermann möchte Meyers Buch dennoch als ein kompromissloses Festhalten an der jüdischen Herkunft Jesu sowie an dessen Nachfolge der alttestamentlichen Propheten verstanden wissen. Vgl. Wassermann: Fehlstart, S. 342. 785 Carl Schneider: Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung, Bremen 1940, S. 7. 786 Schneider: Das Frühchristentum, S. 7, Anm. 6.

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Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden gleichfalls Meyers Buch für den Nachweis, Jesus könne nicht der jüdische Messias gewesen sein.787 Dies trifft auch auf Walter Grundmann zu: Die Einschätzung von Roland Deines, »dass er [Grundmann] mit der Behandlung des Themas durch seinen Jenaer Kollegen [Meyer] nicht wirklich zufrieden war«788, widerspricht der Quellenlage. Es war genau jener Walter Grundmann, der in einem persönlichen Brief an Wolf Meyer-Erlach – ebenfalls Professor an der Theologischen Fakultät Jena und Mitarbeiter des »Entjudungsinstituts« – Meyers Arbeit in den höchsten Tönen lobte: »Seine wissenschaftliche Arbeit ist, wie sein eben erschienenes neues Buch ›Der Prophet aus Galiläa‹ erweist, vollkommen auf der Höhe. Gerade dieses Buch ist eine Bereciherung [sic!] unserer Erkenntnisse und ich gestehe von mir, dass ich aus diesem Buche mancherlei gelernt habe. Meyer verdient deshalb besondere Förderung weil er sich eine ausgezeichnete Kenntnis des alten Judentums angeeignet hat. Er darf heute schon als hervorragender Kenner des Talmud kennen [lies: gelten; D. S.]. Seine politische und wissenschaftliche Richtung wird dadurch deutlich, dass er seine Kenntnisse und Mitarbeit sofort dem ›Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben‹ zur Verfügung gestellt hat.«789

Dass Meyer sich tatsächlich aktiv und freiwillig an den Arbeiten und zukünftigen Konzeptionen des Eisenacher »Entjudungsinstituts« beteiligte, so wie es Grundmann schrieb, verdeutlichen wiederum die Quellen. Rudolf Meyers Beteiligung an den Arbeiten des Eisenacher Instituts Der Kontakt Rudolf Meyers zum Eisenacher »Entjudungsinstitut« kam über dessen Lehrer Johannes Leipoldt zustande. Leipoldt schien Meyer ausdrücklich empfohlen zu haben, sodass Walter Grundmann den jungen Nachwuchswissenschaftler als hauptamtlichen Institutsmitarbeiter einzustellen gedachte.790 787 Leipoldt: Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden, S. 78. 788 Deines: Jesus der Galiläer, S. 85. Die durchweg positive Bewertung Rudolf Meyers bei Deines, ebenso wie bei Wassermann, ist darauf zurückzuführen, dass beide entweder gar nicht (Deines) oder nicht mit den entscheidenden Archivquellen (Wassermann) arbeiteten. 789 LKAE, DC 220, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Wolf Meyer-Erlach vom 1. 12. 1939). 790 LKAE, DC 218, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Johannes Leipoldt vom 19. 04. 1939). Ein erster Satzungsentwurf für das Eisenacher Institut vom 25. 04. 1939, angefertigt wahrscheinlich von Walter Grundmann, listet Rudolf Meyer zusätzlich unter der Rubrik ›Lehrkörper‹ für das Institut auf. Die Personalvorschlagsliste bei Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 491f. Ende März 1939 erkundigte sich Meyer zudem bei dem schwedischen Theologen Hugo Odeberg bezüglich einer Anstellung in Schweden. Heschel: The Aryan Jesus, S. 268, Anm. 116. Odeberg selbst teilte das deutsch-christliche Religionsbild, wurde aktiver Mitarbeiter des Eisenacher Instituts und dessen wichtigster Verbindungsmann nach Schweden. Zu Odeberg und die schwedischen Institutsverbindungen Anders Gerdmar : Germanentum als Überideologie. Deutsch-schwedischer Theologen-

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Grundmann erkundigte sich bei Leipoldt noch über die Gründe der verweigerten venia legendi, was einmal mehr verdeutlicht, dass der Ablehnung einer Lehrbefugnis für Rudolf Meyer wohl keine politischen Kriterien zugrunde lagen. Wäre die staatliche Verweigerung wegen Meyers politischer Haltung zustande gekommen, das heißt wegen einer ablehnenden Haltung gegenüber dem NS-Regime, hätte der überzeugte Nationalsozialist Walter Grundmann sicherlich Abstand von Meyer genommen. Doch das Gegenteil trat ein: Grundmann lud Meyer nur zwei Monate nach den Erkundigungen bei Leipoldt auf eine Tagung der Institutsarbeitsgemeinschaft 1b ein,791 wo die Beteiligten die »Untersuchung der Entstehungsverhältnisse des Christentums unter neuen völkisch-rassischen Gesichtspunkten« vorantreiben wollten.792 Laut dem Tagungsprotokoll der Sitzung, welches Meyer als Teilnehmer listet, plante das Institut eine zehnbändige Reihe zur Geschichte Jesu und des Urchristentums. Meyer selbst sollte hierzu Band 1 mit dem Titel Palästina im 1. Vor- und Nachchristlichen Jahrhundert verfassen.793 Die Teilnahme an dieser Arbeitsgemeinschaftstagung zeigt das Einverständnis Meyers, sich aktiv durch eigene Publikationen an der Institutsarbeit zu beteiligen.794 Meyers politische und religiöse Einstellung sowie sein Engagement für das Eisenacher Institut in den ersten Monaten seines Bestehens dürften Grundmann beeindruckt haben. Anders ist es nicht zu erklären, wieso sich Grundmann Ende 1939 für eine Dozentur Meyers in Jena einsetzte, zu einem Zeitpunkt, wo sich der junge Theologe bereits als Soldat im Kriegseinsatz befand.795 Zu Beginn des Jahres 1940 konnte Grundmann dann Meyer berichten, er werde die Dozentur in

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austausch unter dem Hakenkreuz, in: Uwe Puschner/ Clemens Vollnhals (Hg.): Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungs- und Konfliktgeschichte, Göttingen 2012, S. 265–283. LKAE, DC 219, unfoliert (Antwortbrief Rudolf Meyer an Walter Grundmann vom 29. 6. 1939). Meyer spricht darin von einer Tagung in Berlin, gemeint ist jedoch eine Institutstagung des Arbeitskreises Neues Testament in Leipzig, an der er teilnahm. LKAE, DC 219, [unfoliert] (Niederschrift über die erste Tagung der Arbeitsgemeinschaft 1b am 15. 7. 1939 in Leipzig). Die Niederschrift findet sich gleichlautend in EZA, 1/2834, Bd. 1, [unfoliert]. LKAE, DC 219, [unfoliert] (Niederschrift über die erste Tagung der Arbeitsgemeinschaft 1b am 15. 7. 1939 in Leipzig). Dies belegt ebenso sein selbstverfasster Lebenslauf, wo er jenen ersten Band zur Geschichte Jesu und des Urchristentums bereits als Institutsbeitrag benennt. Vgl. LKAE, DC 213, [unfoliert] (selbstverfasster Lebenslauf Rudolf Meyers vom 10. 01. 1940). Meyer wurde zugleich auf der ersten, in der institutseigenen Zeitschrift veröffentlichten Mitgliederliste geführt. Verbandsmitteilungen 1 (1939), S. 5. LKAE, DC 220, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Wolf Meyer Erlach vom 1. 12. 1939). In einem Brief an Walter Grundmann bedankte sich Meyer, dass sich dieser gerade aufgrund des Buches Der Prophet aus Galiläa um eine Dozentur für ihn in Jena kümmern wolle. LKAE, DC 220, [unfoliert] (Brief Rudolf Meyer an Walter Grundmann vom 21. 11. 1939). Dies spricht abermals gegen die oben genannte These von Roland Deines über die Grundmannsche Haltung gegenüber Meyers Buch.

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Jena bekommen, doch scheiterte der Stellenantritt höchstwahrscheinlich am Kriegsdienst von Meyer.796 Trotz seiner Kriegsteilnahme im Fronteinsatz versuchte Meyer, seine persönliche Beteiligung an den Arbeiten des »Entjudungsinstituts« weiter voranzutreiben. Er zeigte sich in einem Brief an Grundmann sehr erfreut, dass »unser Institut eine Übersetzung des Jarusˇalmi [Jeruschalmi; Jerusalemer Talmud; D. S.] plane […].« Meyer selbst war von dieser Idee begeistert und versprach, er würde sich unmittelbar nach seiner Rückkehr aus dem Krieg »so schnell wie möglich an die Arbeit machen.«797 Dass die Talmud-Übersetzung eines antisemitischen Instituts, welches sich der »Entjudung« des religiösen Lebens im »Dritten Reich« verpflichtet fühlte, keinesfalls eine bloße Übertragung in die deutsche Sprache darstellen sollte, steht außer Frage. Auch wenn genauere Angaben zu diesem Projekt fehlen, so ist es nicht abwegig zu behaupten, eine derartige Übersetzung hätte antisemitische Stereotype und Wissenschaftsbeweise verfestigen und ausbauen sollen. Meyer und Grundmann befanden sich mit der Idee einer Talmud-Übersetzung zudem auf der Höhe der Zeit innerhalb der nationalsozialistischen »Judenforschung«. In dem von Alfred Rosenberg geförderten Frankfurter Institut zur Erforschung der Judenfrage plante man zu Beginn der 1940er Jahre als erste größere Veröffentlichung ein Talmud-Lexikon, das neben dem Originaltext und einer Übersetzung zusätzliche Erläuterungen enthalten sollte.798 Doch genauso wie das Projekt von Grundmann und Meyer fand auch das Talmud-Lexikon der Frankfurter »Judenforscher« wegen der Kriegsereignisse keine Umsetzung mehr. Für die zweite Jahreshälfte 1940 sowie für das gesamte Jahr 1941 sind keine weiteren Belege für eine Beteiligung Meyers an den Institutsarbeiten vorhanden. Dies ist sicherlich mit seinem Heeresdienst zu erklären, da er an Grundmann schrieb, in einer »aktiven Division« eingesetzt zu sein.799 Erst für das Jahr 1942 finden sich wieder Quellenbelege für ein Mitwirken an den Forschungsaktivi796 LKAE, DC 221, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Rudolf Meyer vom 3. 01. 1940). Die Bestätigung der Dozentur durch Grundmann ebenso in LKAE, NL Grund, 83, Bl. 10 (Brief Walter Grundmann an Rudolf Meyer vom 30. 07. 1940). 797 LKAE, NL Grund, 83, Bl. 9 (Feldpostbrief von Rudolf Meyer an Walter Grundmann vom 20. 07. 1940). Hervorhebung durch den Autor. Der Entschluss, erst nach Kriegsende mit der eigentlichen Übersetzungsarbeit zu beginnen, in LKAE, Grund, 83, Bl. 11 (Brief Rudolf Meyer an Walter Grundmann vom 31. 08. 1940). Zu weiteren Einzelheiten der geplanten Talmudübersetzung vgl. das Kapitel 5.2.4. 798 Ernst Piper : Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2007, S. 484. Dazu auch Dieter Schiefelbein: Das »Institut zur Erforschung der Judenfrage Frankfurt am Main«, in: Fritz Bauer Institut (Hg.): »Beseitigung des jüdischen Einflusses …«. Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus, Frankfurt/M. New York 1999, S. 43– 71, hier S. 58. 799 LKAE, Grund, 83, Bl. 11 (Brief Rudolf Meyer an Walter Grundmann vom 31. 08. 1940).

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täten. Bei der ersten Sitzung des neu gegründeten Institutsarbeitskreises für Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte vom 18. bis 19. Mai 1942 in Leipzig war Meyer einer der zehn verzeichneten Mitarbeiter. Er selbst hielt bei dieser Sitzung kein eigenes Referat, doch zeigen seine Anwesenheit sowie seine erklärte Bereitschaft zur Mitarbeit in dem Arbeitskreis Meyers Wunsch, auch weiterhin Teil des »Entjudungsinstituts« sein zu wollen.800 Bei der darauffolgenden Arbeitskreissitzung vom 15. bis 16. September 1942, wieder in Leipzig, konnte er nicht teilnehmen,801 wofür wahrscheinlich sein Militärdienst der Grund war. Auch bei der dritten Sitzung am 16. Februar 1943 fehlte Meyer und aufgrund der immer bedrohlicher werdenden Kriegssituation wurde bereits davon abgesehen, einen konkreten Termin für die vierte Arbeitskreissitzung festzulegen.802 Zu den Sitzungen dieses Arbeitskreises des »Entjudungsinstituts« sei noch erwähnt, dass alle Sitzungen im Neutestamentlichen Seminar der Universität Leipzig stattfanden, was seitens der Theologischen Fakultät zumindest auf eine gewisse Duldung gegenüber dem Institut schließen lässt.803 Rudolf Meyer gehörte zu jener Art Institutsmitarbeiter, die versuchten, aktiv das Ziel einer »Entjudung« des Christentums voranzutreiben. Er bildete zusammen mit Walter Grundmann die treibende Kraft für eine zu erarbeitende Talmud-Übersetzung innerhalb des Eisenacher Instituts. Angesichts der umgesetzten Institutsprojekte, wie jene »entjudete« Bibel oder das deutschchristliche Gesangbuch Großer Gott wir loben Dich, wird ersichtlich, welch wichtige Bedeutung einem solchen »Instituts-Talmud« für die Umsetzung der Ziele zugekommen wäre. Dass Meyer überdies noch 1942 Mitglied eines soeben erst gegründeten neuen Arbeitskreises wurde, lässt sein Institutsengagement nicht ausschließlich mit opportunistischen Beweggründen in Bezug auf eine mögliche Dozentur in Jena erklären. Wie aus den Briefen zwischen Grundmann und Meyer aus dem Jahr 1940 hervorgeht, stand der Jenaer Dozentenstelle lediglich sein Kriegsdienst im Wege. Doch Meyer engagierte sich weiterhin als aktives Mitglied und dürfte zusammen mit Siegfried Morenz bereits erste Vorarbeiten zur Talmud-Übersetzung getätigt haben. Für den Beginn seines Engagements im »Entjudungsinstitut« sind hingegen gewisse opportunistische Beweggründe anzunehmen, sah er hierin sicherlich eine Möglichkeit zur Erlangung einer Dozentur in Jena.804 Nach deren Bestätigung erkannte er aber gleichzeitig die neuen wissenschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten, die ihm einerseits ein weiteres Institutsengagement sowie andererseits die anfänglichen militärischen Erfolge der 800 801 802 803 804

Vgl. das ausführliche Protokoll der 1. Sitzung in LKAE, NL Grund, 85, [unfoliert]. Vgl. das Protokoll der 2. Sitzung in LKAE, NL Grund, 85, [unfoliert]. Vgl. das Protokoll der 3. Sitzung in LKAE, NL Grund, 85, [unfoliert]. Vgl. das Protokoll der 3. Sitzung in LKAE, NL Grund, 85, [unfoliert]. So auch Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 553f., Anm. 324.

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deutschen Wehrmacht boten. In einem Schreiben an Walter Grundmann vom 20. Juli 1940 – der Waffenstillstand zwischen dem besiegten Frankreich und Nazi-Deutschland lag erst einen Monat zurück – äußerte Meyer bereits die Hoffnung, »an die neue deutsche Universität Straßburg zu kommen und hier Pionierarbeit leisten zu können.«805 Welcher Art von Pionierarbeit sich Meyer zuzuwenden gedachte, blieb unerwähnt. Der Hinweis darauf in einem persönlichen Schreiben an Grundmann bietet aber zumindest die Interpretationsmöglichkeit, Meyer wollte sich in Straßburg ähnlichen Themen widmen, wie jenen im Eisenacher Institut.806 Eine Anstellung an der 1941 offiziell gegründeten »Reichsuniversität Straßburg« blieb Meyer indes versagt.

5.2.4 Siegfried Morenz Kurt Karl Siegfried Morenz (1914–1970) wurde als Sohn eines Postbeamten in Leipzig geboren und wandte sich nach seiner Schulzeit dem Studium der evangelischen Theologie an der dortigen Universität zu.807 Zu seinen prägenden Lehrern zählten dort Albrecht Alt, Johannes Leipoldt, Rudolf Meyer, der Ägyptologe Walther Wolf (1900–1973) sowie der Religionshistoriker Walter Baetke, mit welchem er zeitlebens in Kontakt bleiben sollte. Mit ihm zusammen konnte Morenz angeblich 1958 die im Zuge der DDR-Hochschulreform staatlicherseits gefassten Pläne vereiteln, das Leipziger Religionshistorische Institut in ein ›Institut für atheistische Forschung und Propaganda‹ umzuwandeln. Der 805 LKAE, NL Grund, 83, Bl. 9. Die »Reichsuniversität« Straßburg war von besonderem Interesse für Reichsführer-SS Heinrich Himmler, da dort besonders viele SS-Führer tätig waren und es enge Verbindungen zu Forschungen des SS-Ahnenerbes gab. Vgl. Michael H. Kater : Das »Ahnenerbe« der SS 1935–1944. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches, 3. Aufl., München 2001, S. 286. 806 Diesen Eindruck vermittelt unter anderem die von Meyer 1943 veröffentlichte Rezension, in der er den Ausführungen von Joseph Vogt zum antiken Antisemitismus aufgrund der jüdischen »geistig-religiöse[n] Unfruchtbarkeit« zustimmt und dem besprochenen Buch »einen wertvollen und förderlichen Beitrag zur Kultur- und Religionsgeschichte der Spätantike« bescheinigt. Rudolf Meyer : Rezension zu Joseph Vogt: Kaiser Julian und das Judentum. Studien zum Weltanschauungskampf der Spätantike, in: Orientalische Literaturzeitung 46 (1943), Sp. 219–221. 807 Nachfolgende biographische Angaben nach Elke Blumenthal: Siegfried Morenz (1914– 1970), in: Gerald Wiemers (Hg.): Leipziger Lebensbilder. Der Stadt Leipzig zu ihrer Ersterwähnung vor 1000 Jahren, Stuttgart 2015, S. 369–388. Biographische Angaben ebenso bei Elke Blumenthal: Siegfried Morenz. Ägyptologe, in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte 21 (2014), S. 290–292; Elke Blumenthal: Mit staunenswerter Produktivität. Siegfried Morenz (1914–1970), in: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Heft 13 (2014), S. 185–188; sowie die Selbstangabe in Morenz’ Dissertationsschrift Siegfried Morenz: Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann. Übersetzt, erläutert und untersucht, Diss. maschinenschriftlich Leipzig 1941 [1942], S. 161.

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Einstellung der Religionsgeschichte als eigenständiger Studiengang an der Philosophischen Fakultät und der Degradierung des Faches zur bloßen Teilausbildungsstelle von Theologen standen Morenz und Baetke indes machtlos gegenüber.808 Bereits während seines Studiums, das er 1939 mit dem ersten theologischen Examen abschloss, widmete sich Morenz der koptischen Sprache sowie der Kultur des alten Ägyptens. Aufgrund einer – nach Morenz’ Selbstdarstellung – stark übertriebenen Sehschwäche hatte er nur kurzzeitig Dienst in der Wehrmacht zu leisten, wobei er lediglich als Hilfskraft für die Armeeverwaltung innerhalb des Reichs Verwendung fand.809 Infolge der engen Personalsituation am Ägyptologischen Museum durch Kriegsdiensteinberufungen leitender Mitarbeiter fungierte Morenz dort seit 1941 als wissenschaftliche Hilfskraft und war verantwortlich für die Auslagerung der Museumsbestände zum Schutz vor möglichen Bombenangriffen.810 Betätigungen des Nachwuchswissenschaftlers für die NSDAP, eine ihrer Unterorganisationen oder die Kirchenbewegung Deutsche Christen ließen sich in den Akten nicht nachweisen, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass Morenz in der Zeit bis 1945 politisch nicht in Erscheinung trat.811 808 Christian Espig: Religionswissenschaft, in: Ulrich von Hehl/ Uwe John/ Manfred Rudersdorf (Hg.): Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009, Bd. 4/1, Leipzig 2009, S. 458–480, hier S. 473. Zur Bedeutung von Morenz für die Leipziger Religionswissenschaft siehe S. 476f. Eine genauere Untersuchung jener ›Vereitelung‹ steht noch aus, da Espig diese Behauptung von Kurt Rudolph übernommen hat, welcher wiederum als Zeitzeuge die angebliche ›Vereitelung‹ mitbekommen habe, aber ohne weitere Belege hierüber anzuführen. 809 Vgl. dazu die Selbstangabe in UA Leipzig, Phil. Fak. B 2/ 2234, Bl. 26 (selbstverfasster Lebenslauf vom 15. 05. 1951). Laut einem Tagebucheintrag von Johannes Leipoldt teilte Morenz diesem am 29. 09. 1944 mit, dass er, Morenz, am darauffolgenden Tag in einen Fliegerhorst bei Halle einzurücken habe. UA Leipzig, NL Leipoldt, 19, Tagebuch Johannes Leipoldt 1944/45, S. 17 (Eigenblattzählung Johannes Leipoldt S. 1081). Diese Angabe stützt der Briefwechsel von Ende 1944 zwischen dem Leiter des J. C. Hinrich-Verlages und Prof. Roeder, wo darauf verwiesen wird, Morenz habe außerhalb von Leipzig seinen Wehrdienst zu verrichten. StA Leipzig, 22208 (J. C. Hinrichs Verlag Leipzig), Nr. 309, Bl. 164. 810 Fischer-Elfert/ Seyfried: Ägyptologie, S. 338f. 811 Vgl. hierzu auch die quellenbasierten Angaben bei Thomas Schneider: Ägyptologen im Dritten Reich. Biographische Notizen anhand der sogenannten »Steindorff-Liste«, in: Journal of Egyptian History 5 (2012), S. 120–247, hier S. 221–223. Der gleichlautende Artikel ebenso als Reprint in: Thomas Schneider/ Paul Raulwing (Hg.): Egyptology from the First World War to the Third Reich. Ideology, Scholarship, and individual Biographies, Leiden 2013, S. 120–247. Die bei Schneider erwähnte KZ-Inhaftierung von Morenz’ Frau wegen »menschlicher Behandlung polnischer Kriegsgefangener« (S. 223) scheint den Tatsachen zu entsprechen, zumindest bemerkte dies das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, wodurch Morenz’ Frau 1945 den Status ›Opfer des Faschismus‹ zugesprochen bekam. BStU, MfS AP, 20.278/92, Bl. 1 (angefertigter Lebenslauf über Siegfried Morenz vom 10. 07. 1957).

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1942 wurde Morenz bei Walther Wolf zum Dr. phil. mit einer Übersetzung und Kommentierung der Geschichte von Joseph dem Zimmermann aus dem Koptischen promoviert.812 Die Veröffentlichung der nachträglich überarbeiteten Dissertation sollte erst 1951 erfolgen, weshalb im Folgenden auf die 1942 in maschinenschriftlicher Form eingereichte Dissertation Bezug genommen wird. Der Grund für die Nichtveröffentlichung von Morenz’ Dissertation 1941/42 war die verweigerte Papierzuteilung, zu diesem Zeitpunkt ein gewöhnlicher Vorgang aufgrund der zunehmenden Kriegseinschränkungen. Er entschloss sich deshalb, seine Dissertation zunächst nur in der geforderten Pflichtanzahl reproduzieren zu lassen, um seine Promotion erfolgreich zum Abschluss bringen zu können.813 Morenz betonte in der Qualifikationsschrift, sich ausschließlich an den zu übersetzenden Text zu halten und keine Interpretationen über die genealogische Herkunft von Joseph mit einfließen zu lassen.814 Die Feststellung von Morenz, es handele sich bei der von ihm untersuchten Joseph-Geschichte um eine bewusste Polemik gegen das Judentum,815 verknüpfte er in keinem Teil seiner Arbeit mit antisemitischen Zuschreibungen. Ebenso frei von judenfeindlichen Ausfällen blieb der 1941 publizierte Kurzartikel Ein koptischer Diogenes,816 wodurch die Mitarbeit im Eisenacher Institut als ein Bruch mit seinen bis dato geleisteten Arbeiten anmutet. Elke Blumenthal spricht in diesem Zusammenhang die ohne neue Quellenfunde wohl nicht zu beweisende Möglichkeit an, dass Morenz seine 1945 eingereichte Habilitationsschrift Ägyptens Beitrag zur werdenden Kirche »nicht nur deshalb so beharrlich der Drucklegung und jeder Einsichtnahme [entzog], weil sie – so seine Begründung – seinen Qualitätsansprüchen nicht mehr genügte, sondern weil sie aus dem Forschungsprogramm des ›Entjudungsinstituts‹ hervorgegangen war.«817

Es fanden sich in den eingesehenen Akten des Eisenacher Instituts keinerlei Hinweise, inwieweit Morenz überhaupt an einer eigenen Schrift für das Institut arbeitete. Doch lässt es sich ebenso wenig ausschließen, dass er auf Anregung seines Lehrers Leipoldt, der überdies das Erstgutachten zu seiner Habilitationsschrift anfertigte,818 ohne ›offiziellen‹ Auftrag im Sinne des Instituts forschte.819 Ob Morenz’ Habilitationsschrift tatsächlich im Zusammenhang mit 812 StA Leipzig, 22208 (J. C. Hinrichs Verlag Leipzig), Nr. 161, Bl. 237f. Als Zweitgutachter der bereits 1941 druckfertigen Arbeit fungierte Johannes Leipoldt. 813 StA Leipzig, 22208 (J. C. Hinrichs Verlag Leipzig), Nr. 161, Bl. 144f. und Bl. 235–242. 814 Morenz: Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann [1942], S. 51f. 815 Morenz: Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann [1942], S. 142. 816 Morenz: Ein koptischer Diogenes. 817 Blumenthal: Siegfried Morenz (1914–1970), S. 382. 818 UA Leipzig, PA 2937 (Personalakte Siegfried Morenz), Bl. 11–15. 819 Eine Einsicht in das Manuskript der Habilitationsschrift war dem Autor nicht möglich, so dass es sich verbietet, hierzu weitere Vermutungen anzustellen.

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der Mitarbeit im Eisenacher Institut entstand, ist dementsprechend unklar und kann an dieser Stelle nur als eine von vielen weiteren Möglichkeiten genannt werden. Für die Zeit bis 1945 bleibt festzuhalten, dass sich Morenz außerhalb seiner Institutsaktivitäten – im Gegensatz zu seinen Lehrern Leipoldt und Rudolf Meyer – weder antisemitisch in den wenigen publizierten Arbeiten äußerte noch politisch im Sinne der NS-Ideologie in Erscheinung trat oder sich für die Thüringer Deutschen Christen engagierte. Zur Bereitschaft von Morenz, als Mitarbeiter dem »Entjudungsinstitut« beizutreten, lassen sich folglich nur Spekulationen anstellen. Sehr wahrscheinlich versprach sich Morenz, wie andere Nachwuchswissenschaftler auch, von einer Institutsmitarbeit verbesserte Karrierechancen für die eigene universitäre Laufbahn.820 In seinem Fall gilt überdies, das enge Verhältnis zu seinem wissenschaftlichen Ziehvater Johannes Leipoldt zu beachten, weshalb neben opportunistischen Beweggründen ebenso ein gewisses Maß an Loyalitätsverpflichtung gegenüber dem Lehrer als Grund für den Institutsbeitritt anzunehmen ist.821

Die Mitarbeit von Siegfried Morenz im Eisenacher Institut Siegfried Morenz trat unmittelbar mit der Gründung dem »Entjudungsinstitut« als Mitarbeiter bei.822 Die dort leitenden Verantwortlichen gingen von einer aktiven Mitarbeit Morenz’ aus, wie die erste Sitzung der Arbeitsgemeinschaft 1b vom 15. Juni 1939 beweist, in der Walter Grundmann die Konzeption der erwähnten zehnbändigen Reihe zur Geschichte Jesu und des Urchristentums vorstellte. Zwar nahm Morenz selbst nicht an der Sitzung teil, sein Name findet sich aber in der Autorenliste zu Band 9 dieser als Opus magnum der Institutsforschung angedachten Reihe.823 Morenz, dessen Name der Sitzungsprotokollant Heinz Hunger falsch wiedergab, sollte für den Band Der Ausgang des Urchristentums den Abschnitt zu Ägypten verfassen. Da sein Lehrer Rudolf Meyer an der Sitzung teilnahm, ist davon auszugehen, dass Morenz in derartige Pläne eingeweiht war bzw. direkt im Anschluss an die Sitzung darüber unterrichtet wurde. Ob er ursprünglich seine Habilitationsschrift als jenen Abschnitt des neunten Bandes zur Geschichte Jesu und des Urchristentums konzipierte, bleibt 820 So Oliver Arnholds allgemeine Interpretation zur Bereitschaft von Nachwuchskräften, sich an der Mitarbeit im Institut zu beteiligen. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 553f. 821 Diese Einschätzung teile ich mit Elke Blumenthal: Siegfried Morenz (1914–1970), S. 381f. 822 Vgl. die erste Mitarbeiterliste in Verbandsmitteilungen 1 (1939), S. 5. 823 EZA, 1/2834, [unfoliert] (Protokoll der ersten Tagung der Arbeitsgemeinschaft 1b am 15. 07. 1939 in Leipzig); gleichlautend in LKAE, DC 219, [unfoliert].

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ungewiss, ebenso, ob die Arbeit überhaupt im Zusammenhang mit dem Eisenacher Institut entstand. Morenz beteiligte sich indes an weiteren Publikationsprojekten des Instituts und begann hierfür bereits mit Vorarbeiten. In diesem Zusammenhang ist auf die im vorangegangenen Kapitel genannten Pläne für die Übersetzung des Jeruschalmi zu verweisen.824 Als Rudolf Meyer in dem Schreiben an Walter Grundmann vom 20. Juli 1940 seine Begeisterung für jene angedachte Talmud-Übersetzung des Eisenacher Instituts zum Ausdruck brachte, zeigte er sich erfreut über die von Morenz schon begonnenen Projektvorarbeiten.825 Für die Zeit der Abwesenheit Meyers scheint Morenz zusammen mit Grundmann die Koordination des Übersetzungsprojektes übernommen zu haben. So sprachen sich Grundmann und Morenz unter anderem über mögliche Arbeitstreffen ab, was die nicht unwesentliche Bedeutung von Morenz bezüglich der Mitarbeit an der institutseigenen Talmud-Übertragung ins Deutsche unterstreicht.826 Während seines Heimaturlaubes im Spätsommer 1940 besprach sich Meyer mit Morenz über das weitere Vorgehen bezüglich der Übersetzung, an dessen Ende beide zu dem Entschluss kamen, die eigentliche Übersetzungsarbeit erst nach der Beendigung von Meyers Militärdienst zu beginnen.827 Dass Morenz eine Koordinationsfunktion bei dem Talmud-Projekt zukam, belegt ein kurzes Schreiben von Grundmann an den jungen Wissenschaftler von Anfang September 1940. Grundmann bedankte sich für Morenz’ Mitteilung vom 26. August, in welcher dieser sehr wahrscheinlich das Ergebnis seiner Besprechung mit Rudolf Meyer erläuterte. Anscheinend unterbreitete Siegfried Morenz Walter Grundmann die Entscheidung zur zeitlichen Aufschiebung der eigentlichen Übersetzung, noch bevor sich Meyer selbst hierzu gegenüber Grundmann äußerte.828 Grundmann wollte sich zudem Mitte September mit Morenz treffen, um weitere Details der konkreten Aufgaben zu besprechen.829 Hierfür übersandte er Morenz die Abschrift seines Briefes an Meyer, in welchem sich beide

824 Es handelte sich hierbei um einen Teil des größeren Forschungsauftrages »Jüdische Literatur«, welcher von Grundmann und Leipoldt bearbeitet werden sollte. Vgl. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 562, Anm. 368. 825 LKAE, NL Grund, 83, Bl. 9. 826 Dies geht aus dem Schreiben von Walter Grundmann an Rudolf Meyer vom 30. 07. 1940 hervor. LKAE, NL Grund, 83, Bl. 10. Der von Grundmann erwähnte Briefwechsel zwischen ihm und Morenz ist in den Akten nicht enthalten. 827 LKAE, NL Grund, 83, Bl. 11 (Brief Rudolf Meyer an Walter Grundmann vom 31. 08. 1940). 828 LKAE, DC 221, [unfoliert] (Brief Walter Grundmann an Siegfried Morenz vom 5. 09. 1940). 829 Leipoldt sollte auf Wunsch von Grundmann ebenfalls an dem Treffen teilnehmen. Leipoldt war es auch, der Rudolf Meyer erst von den Plänen jener Talmud-Übersetzung des »Entjudungsinstituts« in Kenntnis setzte. LKAE, NL Grund, 83, Bl. 9 (Brief Rudolf Meyer an Walter Grundmann vom 20. 07. 1940). Welche Rolle Leipoldt selbst in dem Vorhaben einnahm, ließ sich anhand des Quellenmaterials nicht feststellen.

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über die bereits vorhandenen und für die kommende Arbeit heranzuziehenden Talmud-Übersetzungen austauschten.830 Morenz erhielt über alle Einzelheiten zeitnah Mitteilung, was eine aktive und bisweilen sogar koordinierende Tätigkeit bei der Übersetzungsarbeit nahelegt und nicht nur auf eine bloße Hilfstätigkeit für Rudolf Meyer schließen lässt. Weil Letztgenannter aufgrund seines Militärdienstes scheinbar das Projekt nicht weiter aktiv vorantrieb und die Korrespondenzen zwischen Grundmann und Morenz in den Aktenbeständen des Eisenacher Instituts fehlen, bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar, ob Morenz zusätzliche Vorarbeiten anfertigte. Das Fehlen der Grundmann-Morenz-Korrespondenzen kann indes nicht als Beleg für eine Einstellung der Talmud-Übersetzung Ende 1941 dienen, da die Briefe der beiden aus dem Jahr 1940, auf die in anderen Mitteilungen verwiesen und Bezug genommen wurde, ebenfalls nicht überliefert sind. Des Weiteren ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass sich Morenz und Grundmann des Öfteren persönlich über das Projekt austauschten, wie jene angedachte Besprechung Mitte September 1940 in Leipzig nahelegt.831 Dies muss jedoch Spekulation bleiben, die ohne weitere Aktenfunde nicht belegfähig ist. Weitere Treffen von Morenz und Grundmann im Rahmen der Institutsarbeit sind hingegen nachweisbar und zeugen von Morenz’ Bereitschaft, über das Talmud-Projekt hinaus für das Institut zu arbeiten. So listet das Protokoll der ersten Sitzung des Institutsarbeitskreises Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte vom 18. und 19. Mai 1942 in Leipzig Morenz als Mitarbeiter auf. Weil die Wortmeldungen der Teilnehmer im Anschluss an die gehaltenen Referate keine namentliche Aufschlüsselung aufweisen, muss offen bleiben, in welcher Form sich Morenz inhaltlich äußerte bzw. ob er überhaupt zu den Referaten Stellung bezog, in denen die Redner den Gegensatz von Judentum und Urchristentum betonten.832 Die gleiche Feststellung lässt sich für die zweite Sitzung dieses Arbeitskreises vom 15. bis 16. September 1942 in Leipzig machen, wo Morenz wieder als Teilnehmer gelistet, eine direkte Äußerung von ihm aber nicht verzeichnet ist.833 Während der dritten und aufgrund der Kriegsereignisse wahrscheinlich letzten Sitzung dieses Arbeitskreises am 16. März 1943 protokollierte Morenz selbst die Vorträge und an-

830 Der Brief von Grundmann an Meyer vom 5. 09. 1940 in LKAE, DC 213, [unfoliert]. 831 Die von Grundmann 1945 gemachte Angabe, der Arbeitsbeginn des gesamten Forschungsauftrages sei auf das Kriegsende verschoben worden, ist dementsprechend falsch, da zumindest Morenz bereits mit Vorarbeiten für die Talmud-Übersetzung begonnen hatte. Zu Grundmanns Aussage vgl. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 562, Anm. 368. 832 LKAE, Grund, 85, [unfoliert]. 833 LKAE, Grund, 85, [unfoliert].

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schließenden Diskussionen, ohne dass aus der Niederschrift ersichtlich wird, ob er sich selbst an den Aussprachen beteiligte.834 Morenz trat zusätzlich für das Institut als Vortragsredner auf der Tagung des erweiterten wissenschaftlichen Beirates vom 22. bis 24. März 1944 in Eisenach in Erscheinung. Die Teilnehmer der Konferenz sahen in dem gegenwärtigen Weltkrieg einen Kampf gegen das Judentum, in welchem sich Deutschland befände. Morenz selbst deutete in einem Vortrag, den er zusammen mit Leipoldt hielt, das Griechentum als die eigentlich ursprüngliche Wiege des Christentums, welches jedoch in der Nach-Jesus-Zeit durch Hinzuziehung des Alten Testaments »verjudet« worden sei. Er und Leipoldt schlossen aus ihren Ausführungen, nur die Entfernung des Alten Testaments aus der christlichen Theologie und Liturgie böte die Möglichkeit einer Rückkehr zur ursprünglichen christlichen Botschaft und Ordnung.835 Der Vortragstitel, den Morenz und Leipoldt für ihre antisemitischen Ausführungen wählten, lautete Heilige Bücher, eine Betrachtung zur Religionsgeschichte. Nur neun Jahre später veröffentlichten beide zusammen das Buch Heilige Schriften. Betrachtungen zur Religionsgeschichte der antiken Mittelmeerwelt. Nicht nur der fast identisch lautenden Titel legt nahe, dass der Vortrag von 1944, gehalten auf einer Tagung des Eisenacher Instituts, die Grundlage für ihr gemeinsames Buch bildete. In dem 1953 veröffentlichten Werk schrieben sie zudem: »Die Grundlagen unseres Werkes wurden im Winter 1943/44 gelegt, in der hellenistischen Abteilung des neutestamentlichen Seminars: wir trafen uns damals regelmäßig in dem Keller, in dem das Ägyptologische Institut seine Bücherschätze verwahrte […].«836

Auch wenn antisemitische Auslassungen in dem Nachkriegsbuch fehlen, so zeigen einzelne Aussagen die gedankliche Kontinuität zu den Arbeiten vor 1945, speziell zu jenen von Leipoldt. Wieder rückten die Autoren Jesus in einen Gegensatz zu seiner jüdischen Umwelt: »Übrigens darf man sich auch die Bedeutung des Alten Testamentes in der frühen Christenheit nicht übertrieben vorstellen. Jesus benutzte es; aber er erlaubte sich Abstriche und eigene Wertungen. Er unterschied in dem Buche Stücke, die den Willen Gottes wiedergeben, und andere Stücke, die Moses wegen der Herzenshärtigkeit des Volkes zusetzte. […] Erst bei den Jüngern gewann das Alte Testament höhere Bedeutung.«837 834 LKAE, Grund, 85, [unfoliert]. 835 Ich beziehe mich hier auf die Angaben bei Heschel: The Aryan Jesus, S. 162f. Oliver Arnhold benennt nur Johannes Leipoldt als Redner dieses Vortrags. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 642, Anm. 614. 836 Johannes Leipoldt/ Siegfried Morenz: Heilige Schriften. Betrachtungen zur Religionsgeschichte der antiken Mittelmeerwelt, Leipzig 1953, Vorwort [o. S.]. 837 Leipoldt/ Morenz: Heilige Schriften, S. 8.

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Es geht in diesem Zusammenhang weniger um die tatsächliche Bedeutung des Alten Testaments für das Urchristentum. Vielmehr deuteten die beiden Autoren die Lehre Jesu außerhalb des Judentums, wodurch sie an die Sichtweise der Thüringer Deutschen Christen und des Eisenacher Instituts anknüpften. Zusätzlich spielten sie indirekt auf eine spätere »Verjudung« der Lehre Jesu an, indem sie den Jüngern Jesu unterstellten, erst sie hätten das Alte Testament und damit das Judentum in die christliche Lehre verstärkt eingefügt. Zur nochmaligen Unterfütterung ihrer Argumentation beschrieben Leipoldt und Morenz dementsprechend negativ das Judentum als eine ausschließliche Gesetzesreligion, von der sich im Auge des Lesers das Christentum durch das Liebes-Postulat Jesu zwangläufig positiv absetzen musste: »Das Gesetz [des Judentums] ist vor der Weltschöpfung vorhanden. Die Welt wird also nur um des Gesetzes willen ins Dasein gerufen. Das Gesetz wird von Gott selbst im himmlischen Lehrhause durchdacht und ausgelegt usw. So wächst das Gesetz zu einer Größe heran, die es geradezu über Gott hinausragen läßt […].«838

Morenz griff in seiner 1951 veröffentlichten Dissertation überdies unumwunden auf Leipoldts Institutsarbeiten zurück. In Bezug auf das Thema Tod urteilte Morenz, dass es in der Antike »hier beträchtliche Unterschiede im Volkstum gibt und der Jude besonders schwer stirbt […].«839 Diesen »Erweis«, wie Morenz hervorhob, lieferte Johannes Leipoldt in seiner Institutspublikation Der Tod bei Griechen und Juden von 1942, die Morenz per Fußnote benannte. Da Morenz seine Dissertation bereits 1941 fertigstellte, noch bevor Leipoldts Buch überhaupt erschien, muss er diesen Passus in der 1949 getätigten »gründliche[n] Durcharbeitung«840 nachträglich aufgenommen haben. Siegfried Morenz’ Mitarbeit im »Entjudungsinstitut« sollte, insgesamt betrachtet, weder über- noch unterbewertet werden. Antisemitische Äußerungen lassen sich bis 1939 nicht finden, ebenso wenig ist ein Engagement für den organisierten Nationalsozialismus oder die Kirchenbewegung Deutsche Christen bekannt. Er übernahm eine aufgrund der mangelnden Quellenlage nicht genau zu bestimmende Funktion bei der geplanten Talmud-Übersetzung, die als eine Institutsarbeit zweifelsohne den antisemitischen Zielen dienlich sein sollte. Dasselbe muss für den zusammen mit Johannes Leipoldt 1944 gehaltenen Vortrag gelten. Dieser unterstützte, auch wenn der genaue Wortlaut nicht überliefert ist, die »Entjudung« der Kirche und den »geistigen Kampf gegen das Judentum«. Inwieweit Morenz aber dies alles aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber seinen Lehrern Leipoldt und Meyer, aus opportunistischen Beweggründen zur 838 Leipoldt/ Morenz: Heilige Schriften, S. 9. 839 Siegfried Morenz: Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann. Übersetzt, erläutert und untersucht, Berlin 1951, S. 118. 840 Morenz: Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann [1951], S. X.

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Förderung seiner eigenen Wissenschaftskarriere oder gar aus einer antisemitischen Grundeinstellung heraus mittrug, lässt sich nach derzeitigem Stand der Überlieferungen nicht beurteilen. Hierfür wären das Auffinden weiterer Korrespondenzen von Morenz aus der Zeit vor 1945 sowie die Auswertung seiner Habilitationsschrift notwendig. Indem er jedoch zusammen mit Leipoldt 1953 ein Buch veröffentlichte, dessen Ursprung auf einen Vortrag für das »Entjudungsinstitut« zurückzuführen ist, wird zumindest deutlich, dass von der Mitarbeit in dem Institut nachträglich durchaus profitiert werden konnte. Vormalige Mitarbeiter entfernten aus den bis 1945 erarbeiteten Vorlagen offensichtlich antisemitische Stereotype sowie Zusammenhänge und präsentierten damit in der Nachkriegszeit eine vermeintlich ›neutrale‹ Schrift.

5.2.5 Gerhard Delling Friedrich Gerhard Delling (1905–1986), 1905 als Sohn eines Pfarrers geboren, widmete sich an den Universitäten in Erlangen, Berlin sowie Leipzig dem Studium der evangelischen Theologie und schloss dieses im Februar 1928 mit dem ersten theologischen Examen ab. Im direkten Anschluss verfasste er die Schrift Paulus’ Stellung zu Frau und Ehe841 zur Erlangung des Lizenziat-Grades, bevor er im Oktober 1929 als wissenschaftlicher Assistent an die Universität Tübingen wechselte.842 Dort war Delling vor allem für die redaktionellen Vorarbeiten des Theologischen Wörterbuchs zum Neuen Testament verantwortlich, für das Delling insgesamt 44 Artikel beisteuern sollte.843 Diese Mitarbeit am TWNT sowie sein Leipziger Lehrer Johannes Leipoldt prägten den weiteren Werdegang des noch jungen Wissenschaftlers in den folgenden Jahren.844 Nach seiner Tübinger Assistentenzeit nahm Delling 1932 die Stelle eines Hilfsgeistlichen in Leipzig wahr, ehe er im darauffolgenden Jahr als zweiter Pfarrer der Lutherkirche in das sächsischen Glauchau wechselte, eine Position, die er bis Sommer 1938 behielt. Anschließend kam Delling als zweiter Pfarrer der Leipziger Bethlehem-Gemeinde in die Messestadt zurück, wo er gleichzeitig 841 Gerhard Delling: Paulus Stellung zu Frau und Ehe, Stuttgart 1931. 842 Alle biographischen Angaben aus Dellings 1950 verfassten Lebensläufen, UA Halle, Rep. 11, PA 24780 (Gerhard Delling), Beiakte, [unfoliert]. 843 Karl-Wilhelm Niebuhr : Der Neutestamentler Gerhard Delling (1905–1986) als Erforscher des Frühjudentums, in: Gerhard Delling. Studien zum Frühjudentum. Gesammelte Aufsätze 1971–1987, hg. v. Cilliers Breytenbach und Karl-Wilhelm Niebuhr, Göttingen 2000, S. 11–21, hier S. 12. 844 Niebuhr : Der Neutestamtler Gerhard Delling, S. 11f. So widmete Delling beispielsweise sein 1940 erschienenes Buch Das Zeitverständnis des Neuen Testaments Gerhard Kittel und Johannes Leipoldt.

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einen Lehrauftrag für Neues Testament an der Universität annahm.845 Das Wirken in Leipzig endete im Mai 1940 mit der Einberufung als Kriegspfarrer zum Heer.846 In die Zeit der 1930er Jahre fiel Dellings Mitgliedschaft bei den Deutschen Christen.847 Die von ihm 1949 getätigte Stellungnahme gegenüber dem Mecklenburgischen Ministerium für Volksbildung gibt jedoch wieder, er habe sich »in aller Form […] von der Deutschen Christenbewegung abgesetzt […], als diese sich als nazistisch entpuppte.«848 Angeblich soll Delling auf eine solche Erkenntnis über das religiöse Bild der Deutschen Christen 1935 gekommen sein, woraufhin er seine Mitgliedschaft beendet habe.849 Aufgrund des dargelegten Religionsbildes der Deutschen Christen mit dem propagierten, von Gott offenbarten Nationalsozialismus, ist es nicht glaubhaft, Delling habe erst 1935 erkannt, dass sich die Deutschen Christen ideologisch an der Hitler-Bewegung orientierten. Ob Delling seine Mitgliedschaft bei den Deutschen Christen überhaupt beendet hat, lässt sich anhand der eingesehenen Quellen nicht feststellen. Bevor sein freiwilliges Institutsengagement analysiert wird, das er trotz seines Militärdienstes aufrecht erhielt, sollen noch einige Schriften Dellings aus der Zeit des »Drittes Reichs« Aufschluss über sein Denken bezüglich Christentum und Judentum geben.850 Bemerkenswert ist sein 1937 erschienenes Heft Ernst Moritz Arndt. Heimkehr zum Christenglauben innerhalb des Verlages des Evangelischen Bundes.851 Darin 845 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 472. 846 UA Halle, Rep. 11, PA 24780 (Gerhard Delling), Beiakte, [unfoliert] (selbstverfasster Lebenslauf vom 19. 07. 1950). 847 Aufgrund seiner Pfarrstelle im sächsischen Glauchau dürfte sich Delling den sächsischen Deutschen Christen angeschlossen haben, die sich 1936 auf Betreiben Grundmanns der Kirchenbewegung Deutsche Christen anschlossen. 848 UA Halle, Rep. 11, PA 24781 (Gerhard Delling), [unfoliert] (Brief der Landesregierung Mecklenburg, Ministerium für Volksbildung, an die Deutsche Verwaltung für Volksbildung vom 7. 09. 1949). 849 UA Halle, Rep. 11, PA 24781 (Gerhard Delling), [unfoliert] (Brief des Personalchefs der Deutschen Verwaltung für Volksbildung an das Zentralsekretariat der SED, Abt. Kultur und Erziehung vom 18. 06. 1949). 850 Der Artikel von Cilliers Breytenbach anlässlich des 100. Geburtstages von Delling verzichtet leider auf eine Analyse der von Delling verfassten Schriften vor 1945, wodurch die Würdigung Breytenbachs zu unkritisch ausfällt. Vgl. Cilliers Breytenbach: Perspektiven der Erforschung des Diasporajudentums und frühen Christentums. Zum Gedenken des 100. Geburtstags Gerhard Dellings, in: Berliner Theologische Zeitschrift 23 (2006), S. 99– 115. 851 Gerhard Delling: Ernst Moritz Arndt. Heimkehr zum Christusglauben, Berlin 1937. Zum Evangelischen Bund und dessen ambivalente Rolle im »Dritten Reich« vgl. die beiden vom Evangelischen Bund selbst herausgegebenen Sammelbände, im Speziellen die beiden darin enthaltenen Artikel von Joachim Lell: Verworrene Zeit – Pflicht zur Theologie. Heinrich Bornkamm, in: Gottfried Maron (Hg.): Evangelisch und Ökumenisch. Beiträge zum 100jährigen Bestehen des Evangelischen Bundes, Göttingen 1986, S. 73–92; Walter

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verteidigte Delling den zum Vordenker des deutschen Nationalismus stilisierten Ernst Moritz Arndt (1769–1860) »[a]ngesichts seltsamer Mißverständnisse«, welche im Zusammenhang mit Arndts Stellung zu Altem Testament und Judentum aufgetreten seien. Trotzt Arndts aufgeschlossener Haltung gegenüber dem Alten Testament habe ihn das nicht gehindert, so Delling, bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts »die Dringlichkeit der Judenfrage immer deutlicher zu erkennen und eine klare Judengegnerschaft zu entwickeln.«852 Arndt, in den Augen Dellings »ein Rufer des Glaubens«,853 wurde von diesem in Schutz genommen, indem er dessen Stellung zum Judentum hervorhob. Für Delling schien dies argumentativ ausreichend zu sein, um keinen Zweifel an der ›richtigen‹ Glaubensauffassung von Ernst Moritz Arndt aufkommen zu lassen. Das negative Judenbild einer historischen Figur wie Arndt fungierte bei Delling als ein Legitimationsinstrument für den Beleg einer richtigen religiösen Weltsicht jener Person. 1940 erschien Dellings Buch Jesu Wunder in der Predigt, welches die neutestamentlichen Wundererzählungen und deren, aus Sicht Dellings, teilweise problematische Wiedergabe in Predigten zum Thema hatte. Er versuchte darin die neutestamentlichen Wundererzählungen von jenen des Alten Testaments zu separieren. Die biblischen Berichte über Wundertaten jüdischer Gelehrter seien »krankhafte Phantastereien«, »Märchen«, »jedes Sinnes bar«, »Geschichten, die mit Religion gar nichts mehr zu tun haben«, »Ausgeburten von Wunschträumen« und würden einzig der »Selbstsucht« des Wunderbringers dienen.854 Delling warnte im Generellen vor der Gefahr einer gottesdienstlichen Wiedergabe biblischer Wundergeschichten. Die Predigt solle nicht die »ungesunde Meinung« der Gläubigen, an Wunder zu glauben, zusätzlich bestärken. Denn dies sei eine »bloße Wundersucht, die auch dann noch jüdisch ist, wenn sie in der christlichen Gemeinde auftaucht.«855 Es ging für Delling aber nicht darum, die laut dem Neuen Testament vollbrachten Wundertaten Jesu zu negieren. Diese könnten tatsächlich stattgefunden haben, nur sei in Predigten darauf zu achten, »daß das Wunder sich nicht in heidnischer oder jüdischer, jedenfalls unchristlicher Weise vordränge.«856 So sollten Predigten über Wunder lieber gänzlich unterbleiben, als das mögli-

852 853 854 855 856

Fleischmann-Bisten: Der Evangelische Bund in der Weimarer Republik und im sog. Dritten Reich (1918–1945), in: Walter Fleischmann-Bisten/ Heiner Grote (Hg.): Protestanten auf dem Wege. Geschichte des Evangelischen Bundes, Göttingen 1986, S. 85–163. Delling: Ernst Moritz Arndt, S. 20, Anm. 1. Delling: Ernst Moritz Arndt, S. 23. Gerhard Delling: Jesu Wunder in der Predigt. Zumal der Alten Evangelien, Dresden Leipzig 1940, S. 13. Delling: Jesu Wunder in der Predigt, S. 36. Delling: Jesu Wunder in der Predigt, S. 49.

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cherweise Verknüpfungen zu heidnischen und gar jüdischen Wundervorstellungen beim Prediger und den Gottesdienstbesuchern entstünden.857 Was Delling mit seiner für den praktischen Gebrauch angedachten Schrift beabsichtigte, schrieb er selbst: Die von ihm dargelegten Beispiele eines nötigen kritischen Umgangs mit neutestamentlichen Wundererzählungen sowie die analysierten Predigttexte aus den 1930er Jahren sollten dem Leser vorerst eine »Notlösung« bieten.858 Sein dargebrachtes Interim bezog sich auf die Unterscheidung von Wundertaten Jesu gegenüber anderen Wundererzählungen, allen voran jüdischen, weshalb letztere nicht mehr für gottesdienstliche Predigten zu benutzen seien. Vielmehr hätten die Pfarrer jene Jesus-Überlieferungen als eine Überleitung zu nutzen, um »über die Stellung Jesu zur völkischen Frage; oder zu [dessen] Meinung über den Auserwähltheitsanspruch des Judentums« zu predigen.859 Vor dem Hintergrund des deutsch-christlichen Kontextes, in welchem sich Delling zu dieser Zeit durch sein Engagement für das Eisenacher »Entjudungsinstitut« bewegte, ist sein Vorschlag, über die Ansicht Jesu zum Thema des jüdischen Auserwähltseins zu predigen, antisemitisch intendiert, da in der Glaubensvorstellung der Thüringer Deutschen Christen Jesus zu den größten Antisemiten zählte. Dellings Buch sollte die Zeitspanne überbrücken, bis eine »kommende Vereinheitlichung der Predigtordnung innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche« endgültig erfolgt sei.860 Die Schrift stellt sein Versuch dar, ein praktisches Hilfsmittel zu liefern, um »jüdische Vorstellungen« in Form des alttestamentlichen Wunderglaubens aus der christlichen Predigt zu tilgen. Damit sich derartige »jüdische Einflüsse« nicht mehr in den gottesdienstlichen Verkündigungen wiederfänden, habe sich zusätzlich ein jeder Pfarrer einer Predigtordnung zu fügen, »die nicht von ihm selbst gestaltet ist.«861 Delling forderte damit nicht weniger als die feste Ordnung einer von »jüdischen Einflüssen« befreiten Predigt innerhalb des gesamten deutschen Protestantismus, an die sich jeder Pfarrer zu halten habe. Im selben Jahr wie Jesu Wunder in der Predigt erschien ein weiteres Buch von Delling, welches in seiner Grundintention den Zielen des »Entjudungsinstituts« entsprach. In Das Zeitverständnis des Neuen Testaments bemühte sich Delling, anhand der differenten Vorstellungen von Zeit Denkunterschiede bei Griechen, Juden sowie innerhalb des Neuen Testaments aufzuzeigen. Die jeweils verschiedenen Interpretationen von Vergangenheit und Zukunft leitete er dabei unter anderem von rassischen Eigenschaften ab. Er verwies auf neuere For857 858 859 860 861

Delling: Jesu Wunder in der Predigt, S. 64. Delling: Jesu Wunder in der Predigt, S. 62. Delling: Jesu Wunder in der Predigt, S. 36. Delling: Jesu Wunder in der Predigt, S. 62. Delling: Jesu Wunder in der Predigt, S. 62.

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schungen, die eine »völkische« Unterscheidung zwischen Galiläa und Judäa aufgezeigt hätten, »so daß wir mit der Möglichkeit einer stärkeren Blutmischung mit nichtjüdischen Elementen nicht ohne gute Gründe bei den Jüngern Jesu (im weitesten Sinn) und damit auch bei den Formern der evangelischen Stoffe und bei den Schriftstellern des Neuen Testaments teilweise rechnen dürfen […].«862

Dennoch hätte es bei den vermeintlichen »Nichtjuden« »eine gewisse geistige Formung in jüdischem Denken« gegeben, so seine Einschränkung.863 Delling deutete in seinem gesamten Buch vermeintlich unterschiedliche Vorstellungen von Vergangenheit und zukünftigen Ereignissen mithilfe von Rasseneigenschaften. Bei Juden und Griechen würden sich in Bezug auf das zeitliche Verständnis hinter deren »formaldenkerische[r] Haltung eine geistigstrukturelle Vorgegebenheit« verbergen,864 was nichts anderes als eine »rassische Bedingtheit« meint. In der Beurteilung des Judentums ging Delling noch einen Schritt weiter, käme dieses doch »infolge seiner religiösen Entartung zur Klarheit weder über die Frage nach der Zeit noch über die nach der Ewigkeit, es bleibt in einem naiven Zeitmaterialismus stecken.«865

Neben dieser antisemitisch intendierten Einordnung des Judentums als minderwertige Rasse griff Delling mit »Entartung« und »Materialismus« zusätzlich auf gebräuchliche Propagandaschlagworte der Antisemiten zurück, um das gesamte Judentum als degeneriert zu präsentieren. So war für ihn auch die »Typologie des Paulus«, jene »uns ganz fremde Anschauungsweise, innerhalb deren Paulus ja völlig im jüdischen Denken steht, […] der deutlichste Ausdruck dafür, wie wenig der Jude die Zeit als Grenze und Schranke empfindet.«866

Im Gegensatz zu den Schriften des Eisenacher Instituts, in denen der jüdische Hintergrund von Paulus selten thematisiert wurde,867 benutzte Delling hier die neutestamentlichen Überlieferungen zur Konstruktion vermeintlich rassisch bedingter Denkunterschiede bei Paulus gegenüber den Evangelien-Texten. Laut Delling fehlte aber nicht nur der »semitischen Rasse« wegen ihrer »geistigen Vorgegebenheit« eine bewusste Zeitbeziehung, sondern dies sei ebenso bei den 862 863 864 865 866 867

Gerhard Delling: Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, Gütersloh 1940, S. 64. Delling: Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, S. 64. Delling: Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, S. 149. Delling: Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, S. 160. Delling: Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, S. 70f. Heschel: The Aryan Jesus, S. 145f.

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Slawen der Fall.868 Er vollzog hier einen Rundumschlag gegen alle »rassisch Minderwertigen«, wie dies in der nationalsozialistischen Propaganda üblich war. Mit Verweis auf Jesus ist es dann wenig überraschend, dass der Theologe das Neue Testament und dessen Zeitverständnis als einen Gegensatz zum griechischen und jüdischen Denken interpretierte,869 wobei Letzteres durchaus noch Einfluss auf Teile der neutestamentlichen Überlieferung gefunden habe. Derartig schriftlich fixierte Äußerungen Dellings, die ganz im Sinne der »Judenforschung« vermeintlich rassisch bedingte Denkstrukturen als argumentative Ausgangssituation nutzten, sind nicht nur für sich allein genommen bereits ein Indiz für dessen ideologische Haltung. Im zeithistorischen Kontext betrachtet zeigen die Äußerungen, welche Intention der Autor einer Schrift wie Das Zeitverständnis des Neuen Testaments verfolgte, zumal vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft im Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben.

Dellings Mitarbeit im Eisenacher Institut Delling und Grundmann kannten sich seit ihrer gemeinsamen Schulzeit im sächsischen Chemnitz.870 Eine intensivere Zusammenarbeit ergab sich zu Beginn der 1930er Jahre in Tübingen, als beide in Assistentenfunktion bei der Realisierung des Theologischen Wörterbuchs zum Neuen Testament mitwirkten. Sie verband zusätzlich ihre Mitgliedschaft bei den sächsischen Deutschen Christen, wobei nicht eindeutig zu klären ist, wie lange und mit welchem Engagement sich Delling an deren Aktivitäten beteiligte. Im Sommer 1937 fasste Grundmann erstmals schriftlich den Gedanken, für die Thüringer Deutschen Christen eine Forschungsabteilung zur »Ausschaltung des Jüdischen aus Lehre und Kultus und Leben der Kirche« zu initiieren. Diese Abteilung sollte bisherige Arbeiten der Kirchenbewegung zentral bündeln und durch Hinzuziehung zusätzlicher Mitarbeiter weiter vorantreiben. Der an Siegfried Leffler gerichtete Plan enthielt neben den Namen der bis dato bereits als Referenten für die Kirchenbewegung auf diesem Gebiet tätigen Personen gleichzeitig Vorschläge von Grundmann, wer zusätzlich noch infrage käme. Auf dieser Liste von 1937 für mögliche Neuberufungen zur wissenschaftlichen Mitarbeit findet sich unter anderem der Name von Delling. Grundmann sah ihn für den Bereich Neues Testament vor und dies lässt den Schluss zu, dass Delling zu diesem Zeitpunkt den Thüringer Deutschen Christen zumindest verbunden gewesen sein musste, da Grundmann in diesen Planungen für das Neue Testa868 Delling: Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, S. 153. 869 Delling: Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, S. 155. 870 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 128.

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ment die Verantwortung trug.871 Grundmann wäre keinesfalls auf die Idee gekommen, ihn als einen wissenschaftlichen Mitarbeiter für die Kirchenbewegung gewinnen zu wollen, wenn dieser sich zuvor von den Thüringer Deutschen Christen distanziert hätte. Vielmehr wird er bei Delling nach dessen Bereitschaft zur Mitarbeit angefragt haben, noch bevor er anschließend Siegfried Leffler einen solchen Personalvorschlag unterbreitete. Bekanntlich sollten die konkreten Planungen für das Eisenacher Institut erst unmittelbar nach den November-Pogromen einsetzen und die Eröffnung im Frühjahr 1939 stattfinden. Delling gehörte von Anbeginn zu den Mitarbeitern und wie bereits bei den ersten Planungen im Sommer 1937 gedachte Grundmann auch diesmal, seinen Freund wieder als Mitarbeiter für den neutestamentlichen Aufgabenkreis zu gewinnen.872 Über das konkrete Mitwirken im »Institutum Antijudaicum«, wie Delling das Eisenacher Institut süffisant nannte, scheinen Grundmann und Delling in ihren schriftlichen Korrespondenzen aneinander vorbeigeredet zu haben. Letzterer bot »eine schlichte Mitarbeit in gelegentlicher Weise« an, wobei es ihm vor allem um »die Frage der Rasse im neutestamentlichen Denken« ging, mit der er sich bereits in seinen Arbeiten für das TWNT befasst habe.873 Die von ihm angesprochenen Arbeiten für das TWNT, mit denen er sich auch im »Entjudungsinstitut« einzubringen gedachte, behandelten die verschiedenen rassisch bedingten Zeitvorstellungen. Wie beschrieben, ist das genannte Buch Das Zeitverständnis des Neuen Testaments aus diesen Arbeiten für das TWNT hervorgegangen, weshalb Delling sein Buch als eine inhaltliche Ergänzung zu den Arbeiten des Eisenacher Instituts verstanden wissen wollte. Aus diesem Grund war für ihn die Mitarbeit im Institut auch »durchaus sympathisch«, jedoch mit der Einschränkung, die zeitliche Beanspruchung seines Pfarramtes würden ihm nur kleinere Dienste für das Institut ermöglichen. Diese »aber tue ich mit tausend Freuden«, wie er gegenüber Grundmann versicherte.874 Vier Tage nach diesem Schreiben nahm Delling am ersten Treffen der Arbeitsgemeinschaft 1b875 in Leipzig teil. Dort wurde beschlossen, jene zehnbändige Geschichte Jesu und des Urchristentums unter »völkisch-rassischen Gesichtspunkten« zu erstellen. Der Neutestamentler sollte hierfür den siebenten 871 LKAE, DC 209, [unfoliert] (Brief Grundmann an Leffler vom 6. 07. 1937). 872 Vgl. das vorläufige Arbeitsprogramm vom 2. 02. 1939, wiedergegeben bei Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 471f. 873 LKAE, DC 219, [unfoliert] (Brief Delling an Grundmann vom 11. 07. 1939). Hervorhebungen im Original. 874 LKAE, DC 219, [unfoliert] (Brief Delling an Grundmann vom 11. 07. 1939). 875 Titel: Untersuchung der Entstehungsverhältnisse des Christentums unter dem rassischen Gesichtspunkt und unter Einbeziehung des bevölkerungspolitischen und religiösen Einflussverhältnisses Palästinas.

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Band liefern, der sich mit dem Apostel Paulus auseinanderzusetzen hatte.876 Delling galt unter den Beteiligten der Arbeitsgemeinschaft als Paulus-Experte, was auf seine 1931 veröffentlichte Dissertation über den Apostel und dessen Stellung zu Ehe und Frau zurückging.877 Außer an dem genannten Treffen nahm Delling nach bisherigem Quellenstand an keinen weiteren Treffen von Arbeitskreisen oder Tagungen des »Entjudungsinstituts« teil. Dies bedeutet nicht, er habe sich von den Arbeiten distanziert, sondern lässt sich mit seinem Fronteinsatz als Kriegspfarrer erklären. Infolge des Militärdienstes und den damit verbundenen zeitlichen Einschränkungen übernahm Delling bereitwillig die Aufgabe, die »Lehren« der Kirchenbewegung Deutsche Christen und die »Erkenntnisse« des Eisenacher Instituts unter den Soldaten zu verbreiten. Ebenso versuchte er, die Schriften von Grundmann und dem Institut weiteren Kriegspfarrern zugänglich zu machen, auch jenen, die der Bekennenden Kirche nahestanden.878 Delling erbat sich von Grundmann hierfür liturgisches Material der Thüringer Deutschen Christen für die Seelsorge,879 was dieser ihm zusammen mit Der Botschaft Gottes sowie weiteren Druckschriften der Kirchenbewegung und des Instituts zusandte.880 Über die vom Eisenacher Institut herausgegebene »entjudete« Bibel Die Botschaft Gottes äußerte sich Delling gegenüber Grundmann durchweg positiv, denn er habe diese während seiner Fronteinsätze »jetzt immer in der Hand und lese mit großer Freude darin.«881 Delling blieb bis zur militärischen Kapitulation des »Dritten Reichs« im Kriegseinsatz und geriet anschließend im Mai 1945 im dänischen Aarhus in alliierte Gefangenschaft.882 Seine Mitarbeit im »Entjudungsinstitut« beschränkte sich letztendlich auf die Teilnahme an einer Arbeitsgemeinschaftssitzung sowie der dort erklärten Bereitschaft, an dem voluminösen Werk der Geschichte Jesu und des Urchristentums mitwirken zu wollen. Die persönlichen Korrespondenzen mit seinem Freund Grundmann belegen Dellings Interesse an den Arbeiten des Instituts sowie die Identifikation mit den »Entjudungszielen«. Seine 876 EZA, 1/2834, [unfoliert] (Protokoll der ersten Tagung der Arbeitsgemeinschaft 1b am 15. 07. 1939 in Leipzig), gleichlautend in LKAE, DC 219, [unfoliert]. 877 Delling zeichnete darin ein sehr abwertendes Bild des antiken Judentums. Vgl. Delling: Paulus Stellung zu Frau und Ehe, S. 49–56. 878 LKAE, NL Grund, 84, Bl. 27f. (Brief Delling an Grundmann vom 3. 06. 1942). 879 LKAE, NL Grund, 83, Bl. 125 (Brief Delling an Grundmann vom 4. 08. 1941); LKAE, NL Grund, 83, Bl. 152 (Brief Delling an Grundmann vom 12. 10. 1941). 880 LKAE, NL Grund, 83, Bl. 151 (Brief Grundmann an Delling vom 30. 10. 1941). 881 LKAE, NL Grund, 83, Bl. 57 (Brief Delling an Grundmann vom 20. 4. 1941). Das Datum gab Delling indirekt wieder, indem er statt der Datumsangabe schlicht »Führergeburtstag 1941« schrieb. 882 UA Halle, Rep. 11, PA 24780 (Gerhard Delling), Beiakte zu PA 24780, [unfoliert] (selbstverfasster Lebenslauf vom 18. 07. 1950).

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geleisteten Vorarbeiten für das TWNT wollte er für die Mitarbeit nutzen, wie das Beispiel des Buches Das Zeitverständnis des Neuen Testaments veranschaulicht. Die bis 1945 veröffentlichten Schriften verdeutlichen darüber hinaus, dass er die Vorstellungen eines rassischen Gegensatzes von Christentum und Judentum teilte. Von den Institutsmitarbeitern, allen voran von Walter Grundmann, wurden seine Arbeiten im Umkehrschluss als nutzbringend für die weiteren (Instituts-)Forschungen angesehen. In seiner Rezension zu Dellings Das Zeitverständnis des Neuen Testaments würdigte Grundmann zunächst die herausgearbeiteten Unterschiede des Zeitverständnisses bei Griechen und Juden, »die der Verfasser mit Recht aus rassisch-volkhafter Verschiedenheit erklärt, […].« Trotz weniger Einschränkungen sah Grundmann seine eigenen Forschungen durch Delling »vollinhaltlich bestätigt« und attestierte der Arbeit »eine über den theologischen Rahmen hinausgehende Bedeutung« für das »europäische Geschichts- und Zeitverständnis«,883 wobei »europäisch« bei Grundmann in diesem Zusammenhang als eine Abgrenzung gegen das »asiatische« bzw. »orientalische« Judentum zu lesen ist. Auch wenn sich Delling nicht öffentlich, also durch publizierte Schriften oder gehaltene Vorträge, in den Dienst des Eisenacher Instituts stellte, so sollten die von ihm verfassten Publikationen seinem eigenen Verständnis nach ihren Teil zu dessen Zielen beitragen. Durch die Verteilung der Institutspamphlete unter den Frontsoldaten beteiligte er sich zudem direkt daran, die antisemitischen Forschungsergebnisse an den ›einfachen Mann‹ zu bringen und diesem die Lehre vom »jüdisch-christlichen Gegensatz« zu verkünden. Vor dem Hintergrund des von Hitler postulierten schicksalsentscheidenden Kampfes der Deutschen gegen den »jüdischen Bolschewismus« an der Ostfront, wo Delling seinen Dienst tat, wird deutlich, was unter »Kampfeinsatz der Religionswissenschaft« verstanden wurde: Die vor Ort stattfindende propagandistische Untermauerung des Antisemitismus zur Stärkung der Moral der kämpfenden Truppe bei deren Vernichtungskrieg gegen die vermeintlich »jüdische Weltgefahr« in Person des Sowjetkommunismus.

5.2.6 Carl Schneider884 Carl Schneider (1900–1977) wurde am 19. Dezember 1900 im sächsischen Zwickau als Sohn einer Fabrikantenfamilie geboren. Nach Beendigung des 883 Walter Grundmann: Rezension zu Gerhard Delling: Das Zeitverständnis des Neuen Testaments, in: Theologische Literaturzeitung 67 (1942), Sp. 30f. 884 In verschiedenen Quellen und der Literatur zu Schneider findet sich des Öfteren die Schreibweise Karl Schneider. Schneider selbst schrieb seinen Vornamen mit C, weshalb diese Form im Folgenden verwendet wird. Vgl. UA Leipzig, Phil. Fak. Prom. 1615, Bl. 4.

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Gymnasiums studierte er Evangelische Theologie, Griechisch sowie Psychologie an den Universitäten Leipzig und Marburg, an letzterer um Rudolf Otto zu hören.885 In Leipzig belegte Schneider theologische und religionshistorische Veranstaltungen, unter anderem bei Rudolf Kittel, Hans Haas, Paul Althaus (1861–1925) und Johannes Leipoldt.886 Nach seiner Anfang 1926 eingereichten Dissertation an der Leipziger Philosophischen Fakultät zu Untersuchungen über die Unterschiedsempfindlichkeit verschieden gegliederter optischer Gestalten und dem ein Jahr später erfolgreich bestandenen zweiten theologischen Examen ging Schneider noch im gleichen Jahr als Rockefeller-Stipendiat nach Edinburgh (Großbritannien). Im Anschluss daran wechselte er als Austauschstudent an das lutherische Wittenberg-College nach Springfield/Ohio (USA), wo er zum Assistant Professor befördert wurde. Seinen bis dato gewählten Schwerpunkt der Religionspsychologie verließ Schneider wieder und konzentrierte sich nunmehr verstärkt auf die Religionsgeschichte und das Neue Testament.887 In seiner 1930 veröffentlichten Habilitationsschrift Die Erlebniswelt der Apokalypse des Johannes, begutachtet von Johannes Leipoldt, lassen sich noch keine antisemitischen Tendenzen feststellen.888 Schneider, von 1929 bis 1934 Dozent für Neues Testament am Herder-Institut in Riga (Lettland) und zu dieser Zeit bereits Sympathisant der Deutschen Christen, kehrte im Mai 1934 als Mitarbeiter des Gustav-Adolf-Vereins nach Leipzig zurück889 und übernahm im darauffolgenden Jahr den Lehrstuhl für Neues Testament an der Universität Königsberg.890 Noch während seiner Lehrtätigkeit in Riga trat Schneider 1933 der NSDAP bei. 1934 veröf885 Alfred Heuß: Carl Schneider, in: Gnomon. Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft 50 (1978), S. 95–99, hier S. 95f. 886 UA Leipzig, Rep. I/XVI/VII/C 84, Bd. 2/ 86. 887 Heuß: Carl Schneider, S. 96. Bereits in den Monaten vor seinem USA-Aufenthalt wandte sich Schneider verstärkt der Theologie zu. Er arbeitete als Hilfsassistent von Prof. Karl Girgensohn (1875–1925) und übernahm kurzzeitig die Herausgeberschaft der von Girgensohn begründeten Zeitschrift Christentum und Wissenschaft. UA Leipzig, Phil. Fak. Prom. 1615, Bl. 7 (selbstverfasster Lebenslauf o. D.). 888 Annette Merz: Philhellenism and Antisemitism: Two Sides of One Coin in the Academic Writings of Carl Schneider, in: Kirchliche Zeitgeschichte 17 (2004), S. 314–330, hier S. 317. 889 Vgl. hierzu ausführlicher Heinrich Wittram: Deutschbaltische Theologen zwischen völkischer Sogkraft und reformatorischer Besinnung in Lettland und Estland in den 1930er Jahren, in: Michael Garleff (Hg.): Deutschbalten, Weimarer Republik und Drittes Reich, Bd. 1, Köln Weimar Wien 2001, S. 217–243, hier S. 224–232. Carl Schneider war laut Wittram (S. 224) vor seiner Zeit in Riga überdies Gastprofessor in Melbourne (Australien). 890 Dort gründete Schneider innerhalb des Theologischen Seminars eine Arbeitsstätte für hellenistische Religionsgeschichte. Heuß: Carl Schneider, S. 97. Schneider und Walter Grundmann wurden 1939 zudem als Kandidaten für den freigewordenen Lehrstuhl von Prof. Hoffmann an der Theologischen Fakultät Wien gehandelt, um Gerhard Kittels Berufung nach Wien zu verhindern, was jedoch nicht gelang. LKAE, DC 219, [unfoliert] (Brief Wilhelm Bauer an Walter Grundmann vom 23. 05. 1939).

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fentlichte er die seinem Lehrer Johannes Leipoldt gewidmete Einführung in die Neutestamentliche Zeitgeschichte, worin er bereits die Ansicht vertrat, dass in historischer Betrachtung das Neue Testament seinen Einflüssen nach als ein griechisches Buch angesehen werden müsse und somit in Abgrenzung zu möglichen jüdischen Prägungen stehe.891 Schon hier zeigen sich deutliche antisemitische Tendenzen: So deutete Schneider die Person sowie das Wirken Jesu außerhalb jüdischer Einflüsse und polemisierte gegen die Pharisäer.892 Gleichzeitig nutzte er gängige antisemitische Klischees bei der Beschreibung des antiken Judentums und dessen Vertretern. Beispielsweise seien die Juden Geschichtsfälscher, bedienten sich einem »betrügerischen Wirtschaftsgebahren« oder reagierten auf Anfeindungen mit »blutigem Haß und hochmütige[r] Verachtung«.893 Neben dem Eintritt in die NSDAP sprach sich Schneider 1933, zu diesem Zeitpunkt noch Dozent für Neues Testament in Riga, indirekt für die Übernahme des »Arierparagraphen« in die kirchliche Verwaltung aus. Mit der verweigerten Unterschrift unter dem von Rudolf Bultmann (1884–1976)894 initiierten Gutachten Neues Testament und Rassenfrage, veröffentlicht 1934 in den Theologischen Blättern, machte Schneider seine Akzeptanz der nationalsozialistischen Rassenideologie deutlich. Das Gutachten Bultmanns forderte unter anderem, den staatlicherseits durchgesetzten Ausschluss von »Nicht-Ariern« aus dem öffentlichen Dienst nicht auf die Kirche zu übertragen, so wie es die Landeskirchen unter deutsch-christlicher Führung beabsichtigten und letztendlich auch durchsetzten.895 Schneider stellte damit die Einführung des »Arierpara891 Merz: Philhellenism and Antisemitism, S. 318. In Schneiders 1932 veröffentlichtem Aufsatz Aus der neutestamentlichen Arbeit, der einen Überblick und die Bewertung aktueller Forschungen bot, finden sich derartige Gedanken nicht, ebenso keine antisemitischen Ausfälle. Vgl. Carl Schneider: Aus der neutestamentlichen Arbeit, in: Christentum und Wissenschaft 8 (1932), S. 121–129. Dies lässt den Schluss zu, dass Schneider ab 1933 seine Forschungen dem antisemitischen politischen Zeitgeist anpasste. 892 Heschel: The Aryan Jesus, S. 178f. Als ein Argument galt Schneider der Hinweis, beim antiken Galiläa habe es sich um ein »rassisches Mischgebiet« gehandelt, in dem nur ein Teil der Bevölkerung Juden gewesen seien. Carl Schneider : Einführung in die Neutestamentliche Zeitgeschichte mit Bildern, Leipzig 1934, S. 161. Zu weiteren antisemitischen Schriften von Schneider vgl. Merz: Philhellenism and Antisemitism. 893 Schneider: Einführung in die Neutestamentliche Zeitgeschichte, S. 174f. Dazu auch Roland Deines: Die Pharisäer. Ihr Verständnis im Spiegel der christlichen und jüdischen Forschung seit Wellhausen und Graetz, Tübingen 1997, S. 469. 894 Schneider nannte 1926 Bultmann als einen jenen Professoren, dessen Lehrveranstaltungen er in Marburg regelmäßig besucht habe. UA Leipzig, Phil. Fak. Prom. 1615, Bl. 7. 895 Erich Dinkler : ›Neues Testament und Rassenfrage‹. Zum Gutachten der Neutestamentler im Jahre 1933, in: Theologische Rundschau 44 (1979), S. 70–81, zu Schneider S. 74. Das Gutachten ist abgedruckt in Theologische Blätter 12 (1933), Sp. 294–296. Trotz des Einsatzes Bultmanns gegen die Einführung des »Arierparagraphen« in den protestantischen Landeskirchen war sein theologisches Weltbild geprägt von judenfeindlichen Stereotypen. Vgl.

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graphen« in den verschiedenen protestantischen Landeskirchen zumindest nicht infrage. Berufliche Zwänge oder Erwartungen können in Schneiders Fall keine Rolle gespielt haben, da er zu dieser Zeit eine Dozentur in Riga innehatte, er sich folglich außerhalb des nationalsozialistischen Machtbereichs befand. 1940 veröffentlichte Schneider, nunmehr Professor im ostpreußischen Königsberg, in der Schriftenreihe Kommende Kirche ein zwanzigseitiges Heft mit dem Titel Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung.896 Als Herausgeber der Schriftenreihe fungierte der Bremer Landesbischof Heinz Weidemann (1885–1976), der sich 1936 mit den deutsch-christlichen Mitgliedern seiner Landeskirche dem »Führerkreis« unter Leitung der Thüringer Deutschen Christen anschloss.897 Die Deutschen Christen der Bremer Landeskirche (seit Herbst 1936 offizieller Name Kommende Kirche) verfolgten ebenso wie die Thüringer eine vollständige Loslösung des Christentums vom Judentum sowie die Beseitigung aller als jüdisch wahrgenommenen Einflüsse innerhalb der christlichen Religion.898 Hierfür initiierte Weidemann bereits vor 1939 verschiedene Projekte, unter anderem die »Entjudung« von Teilen des Neuen Testaments. Schneider zeichnete sich in dieser Zeit als aktiver Mitarbeiter für die Kommende Kirche aus und veröffentlichte für diese kleinere Schriften.899 Jenseits der publizistischen Tätigkeit für die Bremer Deutschen Christen trat Schneider als Teilnehmer einer Veranstaltung der deutsch-christlichen Landespfarrergemeinde Ostpreußens im Sommer 1939 in Erscheinung.900 Das von Schneider bei den Bremer Deutschen Christen 1940 veröffentlichte Heft Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung erschien zwar nicht innerhalb der Schriftenreihe des Eisenacher Instituts, jedoch stellte Schneider hiervon einen Textauszug – gleich Rudolf Meyer – den Lesern der Institutszeitschrift Verbandsmitteilungen zur Verfügung.901 Zu Beginn seiner Ausführungen verwies er auf die »Tatsache«, dass die

896

897 898 899 900 901

Wolfgang Stegemann: Das Verhältnis Rudolf Bultmanns zum Judentum. Ein Beitrag zur Pathologie des strukturellen theologischen Antijudaismus, in: Kirche und Israel. Neukirchener Theologische Zeitschrift 5 (1990), S. 26–44. Carl Schneider: Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung, Bremen 1940. Es handelte sich hierbei um eine Zusammenfassung zweier 1939 erschienener Artikel von Schneider in der von den Bremer Deutschen Christen herausgegebenden Zeitung Kommende Kirche. Dazu ausführlich Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 307–313. Zu den Bremer Deutschen Christen vgl. Reijo Heinonen: Anpassung und Identität. Theologie und Kirchenpolitik der Bremer Deutschen Christen 1933–1945, Göttingen 1978. Heschel: The Aryan Jesus, S. 178; Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 1, S. 310. Deutsches Christentum. Wochenzeitung der Nationalkirchlichen Einung 4 (1939), Nr. 26, Sonntag den 25. 06. 1939, S. 6. Verbandsmitteilungen 2/3 (1940), S. 77f.

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»Spätantike […] für seltsame Völker und Menschen Verständnis oder höchstens gutmütigen Spott gehabt [habe], […] gehaßt aber hat sie mit einem geradezu sicheren Instinkt immer nur den Juden.«902

Im Folgenden führte Schneider verschiedene Beispiele von Judenfeindschaft in der Antike an, so die Niederbrennung einer Synagoge durch den christlichen Bischof Ambrosius im Jahr 388, dessen Ausführungen Schneider zur Unterstreichung seiner eigenen Sichtweise wiedergab: »Die Schlechtigkeit ihrer [der jüdischen] Werke suchen sie mit einem Schwall leerer Worte zu tarnen, sie sind weder der Reinigung, noch der Heiligung noch der Gerechtigkeit fähig. Deswegen hat Gott die Ausrottung der Synagoge angeordnet, denn sie nimmt einen unnützen Platz in der Welt ein. So haut auch Gott selbst sie um.«903

Die Verwendung dieser antiken Überlieferung in einem solchen Zusammenhang ist nichts anderes als die vorbehaltlose Zustimmung Schneiders zu den nur wenige Monate zuvor stattgefundenen Pogromen im November 1938.904 Mithilfe einzelner Passagen aus historischen Texten versuchte Schneider eine Kontinuität von Judenverfolgungen nachzuzeichnen, die von christlicher Seite Rechtfertigung fanden. Es ging Schneider nicht um neue Erkenntnisse zur christlichen Judenfeindschaft und um eine Analyse dieses Phänomens. Am Ende seiner Ausführungen erklärte Schneider vielmehr die eigentliche Intention des Büchleins: Er habe nur wenige Beispiele des altchristlichen Antisemitismus zusammenstellen können und die zukünftige Aufgabe sei es, weitere zusammenzutragen. »Erst wenn sie einmal alle gesammelt sind, läßt sich auch eine genaue systematische Übersicht machen, welche zahlreichen Beweggründe zum christlichen Antisemitismus geführt haben, welches seine Folgen und mannigfachen Auswirkungen gewesen sind. […] Hier geht es vor allem um eins. Es gibt viele in unserem Volk – innerhalb und außerhalb der Kirchen –, die es nicht glauben können, daß die lange christliche Geschichte unseres Volkes nur ein vom Judentum verführter Irrweg gewesen sein soll. Wenn diese nüchternen Belege zeigen, daß das Christentum von Anfang an in stärkster Feindschaft zum Judentum gestanden hat – in stärkerer als irgend eine andere antike geistige Bewegung – so ist vielleicht auch diese Kernfrage leichter zu beantworten.«905

Für Schneider war das Frühchristentum die antisemtische Bewegung der Antike und zu einer solchen sollte das Christentum im Staate Hitlers wieder werden. Vollkommen zutreffend fasst Volker Lubinetzki Schneiders Auffassungen über die Entwicklung des Frühchristentums zusammen: 902 903 904 905

Schneider: Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung, S. 5. Schneider: Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung, S. 16. Merz: Philhellenism and Antisemitism, S. 320. Schneider: Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung, S. 17f.

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»Jesus als Kämpfer gegen das Judentum, die Aufnahme der Botschaft durch die Griechen, die Ausschaltung des jüdischen Einflusses und scharfer Kampf gegen das Judentum, das Christentum mithin als Vollstrecker des antiken Antisemitismus, der nun endgültig ›metaphysisch unterbaut‹ wurde […].«906

In Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung vertrat Schneider zudem die These einer »arischen« Abstammung Jesu, eine Behauptung, die er mit nicht wenigen Universitätsangehörigen, Pfarrern und kirchlichen Würdenträgern seiner Zeit teilte.907 Die öffentliche Darstellung von Jesus als »Arier«, bzw. wie im Fall Walter Grundmanns als »Nichtjude«, implizierte neben dem zugeschriebenen Gegensatz von Jesus gegenüber dem Judentum darüber hinaus die »Reinrassigkeit« Jesu im nationalsozialistischen Verständnis. So unterstellte er Jesus und dem Urchristentum nicht nur eine antisemitische Grundintention, sondern ebenso eine allgemeine rassische Auseinandersetzung zwischen »Ariern« und Juden, die mit dem Auftreten Jesu ihren Anfang genommen habe. Wohlwollend besprach Schneider deshalb auch das Buch Kaiser Julian und das Judentum von Joseph Vogt (1895–1986), dessen Herausarbeitung eines »frühchristlichen Antijudaismus« er ausdrücklich lobte. Gleichzeitig nutzte er die Rezension, um auf seine eigenen Ausführungen zum Frühchristentum als antisemitische Bewegung hinweisen zu können.908 Das bipolare Bild Schneiders vom teuflischen Judentum gegenüber dem guten antisemitischen Christentum zeigt sich ebenfalls an dem Verweis auf die Ausführungen von Houston Stewart Chamberlain,909 wobei dies weniger der wissenschaftlichen Beweisführung diente. Chamberlain vertrat in seinen Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts die Vorstellung einer vollständigen Loslösung von Christentum und Judentum, gepaart mit einem radikalen Judenhass, wodurch er zum ideologischen Wegbereiter der Verbindung von Christentum und Nationalsozialismus avancierte.910 Die Nennung des bekannten englischen Antisemiten und Schwiegersohn Richard Wagners in späteren Rezeptionen hatte weniger wissenschaftliche Gründe, sondern fungierte als Kennwort dafür, dass der Autor die Ansicht einer Gegensätzlichkeit von Judentum und Christentum sowie die Zusammengehörigkeit von Rasse und Religion teilte.911 906 Volker Lubinetzki: Von der Knechtgestalt des Neuen Testaments. Beobachtungen zu seiner Verwendung und Auslegung in Deutschland vor dem sowie im Kontext des ›Dritten Reichs‹, Münster 2000, S. 348. 907 Leutsch: Karrieren des arischen Jesus, S. 210. 908 Theologische Literaturzeitung 65 (1940), Sp. 94. Zu Vogts Werk vgl. Christhard Hoffmann: Juden und Judentum im Werk deutscher Althistoriker des 19. und 20. Jahrhunderts, Leiden u. w. 1988, S. 267–269. 909 Schneider: Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung, S. 7. 910 Liedtke: Völkisches Denken und Verkündigung des Evangeliums, S. 19. 911 Liedtke: Völkisches Denken und Verkündigung des Evangeliums, S. 372.

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In einer Rezension zur Institutsveröffentlichung seines Lehrers Johannes Leipoldt über Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden begrüßte Schneider zudem die Auffassung Leipoldts, der in der Ethik Jesu gänzlich »unjüdische« Eigenschaften erkannt haben wollte. Dennoch widersprach er ihm teilweise, weil Schneider eine Rassenmischung im Hellenismus, wie von Leipoldt behauptet, für überbewertet hielt.912 Neben seinem genannten antisemitischen Büchlein schrieb Schneider bis 1945 insgesamt elf Artikel für das Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament. Seine Beiträge enthalten einen teils unverdeckten Antisemitismus mit den dazugehörigen typischen Verschwörungstheorien. Für den Versuch, ein antisemitisches Weltbild in der frühchristlichen Zeit zu konstruieren, kam er in Auslegung der Bibelstelle Offb. 13, 16 zu dem Schluss: »Wer die Tephillin nicht trägt, wird von den Juden wirtschaftlich boykottiert. Eine der treibenden Mächte der Christenverfolgungen war ja noch zur Zeit der Apokalypse im römischen Reich das seit Nero am römischen Hof besonders einflußreiche Weltjudentum.«913

In dem auf internationale Verbreitung ausgelegten theologischen Wörterbuch914 übernahm Schneider historisch vollkommen spekulative Behauptungen anderer Wissenschaftler und erhob das daraus geschlussfolgerte Gesamtbild zur unwiderlegbaren Tatsache. Wie Johannes Sijko Vos herausgearbeitet hat, basierten Schneiders Bibelexegesen statt auf geschichtlich nachweisbaren Gegebenheiten in der Hauptsache auf antisemitischen Stereotypen: »Der Autor lässt die Johannesapokalypse gegen das Judentum reden, und zwar gegen das Judentum nicht als religiöse, sondern als gesellschaftliche und politische Größe, gegen das ›Weltjudentum‹.«915

Gleich vielen anderen Arbeiten aus dem Kreis des Eisenacher Instituts versuchte Schneider im TWNT einen direkten Gegensatz zwischen Judentum und Christentum herzustellen, der wissenschaftlich jedoch nicht haltbar war. Aber durch den Abdruck derartiger Aussagen in einem Prestigeprojekt wie dem TWNT, 912 Theologische Literaturzeitung 66 (1941), Sp. 254–256. Schneider veröffentlichte bereits zwei Jahre zuvor eine längere Abhandlung im mittlerweile unter dem Einfluss des SS-Ahnenerbe stehenden Archiv für Religionswissenschaft. Darin vertrat er die Ansicht, dass im Hellenismus die »Vermischung mit orientalischem Rassengut« (was wiederum zu einer »Entartung« geführt haben soll) weitaus geringer gewesen sei, als von der Forschung angenommen. Carl Schneider: Die griechischen Grundlagen der hellenistischen Religionsgeschichte, in: Archiv für Religionswissenschaft 36 (1939), S. 300–347. 913 Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. IV, S. 639, zitiert nach Johannes Sijko Vos: Antijudaismus/ Antisemitismus im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament, in: Nederlands Theologisch Tijdschrift 38 (1984), S. 89–110, hier S. 100f. 914 Junginger : Die Verwissenschaftlichung der »Judenfrage«, S. 151. 915 Vos: Antijudaismus/ Antisemitismus im Theologischen Wörterbuch, S. 101.

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zumal geschrieben von einem Professor für Neues Testament der renommierten Königsberger Universität, übernahm zweifelsohne ein Teil der Leserschaft des Wörterbuchs unhinterfragt dieses Bild vom Judentum. Carl Schneiders Einsatz für das Eisenacher Institut In der Anlage zum Satzungsentwurf des Eisenacher Instituts vom 25. April 1939 findet sich in der Rubrik »Lehrkörper« der Name Schneiders.916 Dies zeigt seine kirchenpolitische und ideologische Konformität mit den Ansichten der Kirchenbewegung Deutsche Christen, sonst hätten die Verantwortlichen sein Mitwirken nicht in Erwägung gezogen. Auch wenn letztendlich nicht alle auf dieser Liste vorgeschlagenen Personen dem Institut beitraten917, so gehörte Schneider zu jenen Mitarbeitern, die sich dem Dienst für das »Entjudungsinstitut« aktiv verschrieben. Schneiders vorherige antisemitische Arbeiten stießen jedoch nicht bei allen Institutsmitgliedern auf Zustimmung. Der Herausgeber der Theologischen Literaturzeitung, Hans-Georg Opitz, kritisierte in einem persönlichen Brief an Walter Grundmann, er habe aufgrund Schneiders »wissenschaftlicher Phantastereien« sowie dessen Auslassungen auf dem Berliner Archäologen-Kongress918 wenig Lust, dass dieser unter Umständen die vakante Neutestamentliche Professur in Wien übernehmen solle, für die eigentlich Gerhard Kittel vorgesehen sei.919 Trotz derartiger Vorbehalte sah Grundmann anscheinend wenig Anlass, Carl Schneider nicht mit in die Institutsarbeit einzubinden. Bei der konstituierenden Sitzung des Institutsarbeitskreises 1b920 am 15. Juli

916 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 492. 917 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 491, Anm. 107. Die Angabe von Arnhold, der Religionspädagoge Helmuth Kittel (1902–1984) sei kein Mitarbeiter des Instituts gewesen, ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht richtig. Vgl. StA Leipzig, 22208, Nr. 261, Bl. 37. In einem auf den 19. 05. 1939 datierten Brief von Hans-Georg Opitz an den Leiter des J. C. Hinrich-Verlages, Leopoldt Klotz, wird Helmuth Kittel als (wenn auch eventuell nur kurzfristiges) Mitglied des wissenschaftlichen Institutsbeirates genannt. Zu Helmuth Kittel und dessen Wirken im »Dritten Reich« vgl. Folkert Rickers: Zwischen Kreuz und Hakenkreuz. Untersuchungen zur Religionspädagogik im »Dritten Reich«, Neukirchen-Vluyn 1995, S. 1–99, im Speziellen S. 10–15 zu Helmuth Kittels Zusammenarbeit mit den Thüringer Deutschen Christen und seiner Unterschrift unter die Godesberger Erklärung von 1939. 918 Schneider »zerfasert, psychologisiert in ganz unerlaubter Weise den gesamten Hellenismus«, so der Hauptvorwurf von Opitz. Hans-Georg Opitz: Zeitschriftenschau zu Carl Schneider: Archäologie und hellenistische Religionsgeschichte [abgedruckt in: Forschungen und Fortschritte 29/30 (1939)], in: Theologischen Literaturzeitung 64 (1939), Sp. 476. 919 LKAE, DC 220, [unfoliert] (Brief Opitz an Grundmann vom 9. 11. 1939). 920 Titel: Untersuchung der Entstehungsverhältnisse des Christentums unter dem rassischen

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1939 in Leipzig ist Schneider als Teilnehmer verzeichnet. Für die auf der Tagung beschlossene, zehnbändige Geschichte Jesu und des Urchristentums wurde Schneider als Autor für Band 2 (Die Welt des Hellenismus) sowie in Band 9 (Der Ausgang des Urchristentums) für den Abschnitt »Rom« eingeplant.921 Vor allem durch die Einberufung zum Wehrdienst einiger Mitarbeiter dieses Projektes – unter ihnen Schneider – kam es bis 1945 nicht mehr zur Umsetzung. Ebenfalls unveröffentlicht blieb der Sammelband Die Bedeutung der Bibel für den Glauben, der die Referate einer mehrtägigen Tagung des Arbeitskreises 1a922 enthielt und im Zusammenhang mit der vom Institut herausgegebenen Neuübersetzung des Neuen Testaments stand.923 Schneiders Artikel für diesen Band ist durchsetzt von antisemitischen Zuschreibungen und verfolgte das Ziel einer Darlegung der Ungleichwertigkeit des neutestamentlichen Kanons gegenüber der eigentlichen Botschaft des Urchristentums. Das Alte Testament sei ohnehin zu verwerfen und um den Geist der urchristlichen Botschaft wieder zu vernehmen, müsse sich die Christenheit ebenso von der »Fessel« der neutestamentlichen Überlieferung lösen.924 Das Festhalten am schriftlichen Kanon verhindere, so Schneider, die Wahrnehmung des göttlichen Geistes der nachapostolischen Zeit. Gerade dieser Geist aber »wirkt durch alle Geschichte hindurch bis zur Gegenwart und in alle Zukunft, vor allem für uns in unserer deutschen Gegenwart und deutschen Zukunft«,925 womit Schneider den Nationalsozialismus als Teil des göttlichen Weltenplanes bewertete. Auch wenn dieser Sammelband und somit Schneiders Artikel letztendlich nicht mehr den Weg in die Öffentlichkeit fanden, blieben Schneiders Thesen nicht nur den Mitgliedern des Arbeitskreises zugänglich, sondern waren für jeden Interessierten nachlesbar. In einer innerhalb der Institutszeitschrift veröffentlichten Zusammenfassung der Referatsinhalte ist zum Vortrag Schneiders zu lesen:

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Gesichtspunkt und unter Einbeziehung des bevölkerungspolitischen und religiösen Einflussverhältnisses Palästinas. EZA, 1/2834 (Kirchenkanzlei. Akten betreffend Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben von Mai 1939 bis Oktober 1942, Band I) [unfoliert]; ebenso LKAE, DC 219, [unfoliert]. Wiedergegeben auch bei Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 553f. Der Titel lautete Arbeitskreis Schriftprinzip und hatte als Schwerpunkt das »Verständnis der Bedeutung der Bibel für Glauben, kirchliches Leben und Kultur in ihrer geschichtlichen und grundsätzlichen Bedeutung unter besonderer Berücksichtigung des jüdischen Elementes der Bibel«. Nach Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 843. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 558. Karl Schneider : Die Unverbindlichkeit des biblischen Kanons, in: Heinz Erich Eisenhuth (Hg.): Die Bedeutung der Bibel für den Glauben, Leipzig 1941, S. 265–278, hier S. 277 [unveröffentlichtes Manuskript]. Die fehlerhafte Wiedergabe des Vornamens von Schneider ist damit zu erklären, dass es sich um eine Art Probedruck handelte. Mein Dank gilt Oliver Arnhold, der mir die Einsicht in das Manuskript ermöglichte. Schneider: Die Unverbindlichkeit des biblischen Kanons, S. 278.

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»Eine Untersuchung über ›Die Unverbindlichkeit des Kanons‹, die Prof. Dr. Schneider–Königsberg geschrieben hat, weist darauf hin, daß das Urchristentum, solange es sich selber noch als lebendige Missionsbewegung wußte, und aus der Kraft des Glaubens lebte, keiner Zusammenstellung von heiligen Schriften bedurfte. Ein Kanon für die Frömmigkeit entsprach jüdischem Denken und stand der christlichen Geistesauffassung ursprünglich entgegen. Der alttestamentliche Kanon verdankt seine Festlegung geradezu dem Kampf gegen das Christentum. Prof. Schneider lehnt nicht nur den alttestamentlichen, sondern auch den neutestamentlichen Kanonsbegriff ab, sobald in dieser Schriftensammlung allein die Norm unseres Glaubens enthalten sein soll. Die griechische vorchristliche Haltung kann uns sogar weithin religiös mehr bedeuten als jüdische Gedankengänge im Neuen Testament.«926

Der letzte Punkt deutet an, was Alfred Heuß verharmlosend als »leicht übergebührliches« hellenistisches Verständnis des Neuen Testamentes bei Schneider bezeichnet. Diese Interpretation führt Heuß direkt auf Schneiders Lehrer Johannes Leipoldt zurück, bei dem er lernte »über das Neue Testament hinauszugreifen und die gesamte Antike als ein Interpretationssubstrat zu betrachten.«927 Für die Zielstellung des »Entjudungsinstituts«, den vermeintlichen Gegensatz von Judentum und Christentum aufzuzeigen und anschließend alle »jüdischen Einflüsse« aus dem Christentum zu tilgen, war ein Forschungsansatz, wie jener von Schneider, durchaus erfolgversprechend. Trotz zunehmender Kriegseinschränkungen setzte die Institutsleitung den organisatorischen Ausbau weiter fort, an dem sich Schneider trotz seines Militärdienstes beteiligte.928 Dem 1942 gegründeten Arbeitskreis Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte, der die »Differenz zwischen Jesus und dem Judentum« herauszuarbeiten hatte, schloss sich Schneider ab der zweiten Arbeitssitzung im September des gleichen Jahres an.929 Das dritte Treffen dieses Arbeitskreises am 16. Februar 1943 in Leipzig stand unter dem Thema »Jesu Verhältnis zum Griechentum«, das Schneider wie Leipoldt in ihren vor den Mitgliedern des Arbeitskreises gehaltenen Referaten vertieften. Die eigentliche Intention dieses Arbeitskreistreffens wird anhand des Berichtes deutlich: Wieder ging es, wie schon bei Schneiders Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung, weniger um die Zuführung neuer Erkenntnisse in Bezug auf die jüdische Religionsgeschichte und deren Beziehung zum Christentum. Was zählte, war der Nachweis einer fast 2.000 Jahre bestehenden antisemitischen Grundhaltung der christlichen Religion. Das Forschungsergebnis stand von 926 Heinz-Erich Eisenhuth: Die Bedeutung der Bibel für den Glauben, in: Verbandsmitteilungen 2/3 (1940), S. 49–53, hier S. 51f. 927 Heuß: Carl Schneider, S. 97. 928 Bei Schneiders Rezensionen in der Theologischen Literaturzeitung aus den Jahren 1940 und 1941 findet sich der Hinweis »z. Z. im Heeresdienst«. 929 LKAE, NL Grund, 85, [unfoliert] (Protokoll der zweiten Sitzung des Arbeitskreises für Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte vom 15.–16. 09. 1942).

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Anbeginn fest, nur galt es noch, dieses wissenschaftlich abzusichern. Die Mitglieder des Arbeitskreises kamen zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass »Jesus nicht nur im ›Gegensatz zum Alten Testament‹ gestanden habe, indem er ›Künder eines neuen Glaubens‹ gewesen sei, sondern auch vom rassischen Standpunkt her kein Jude gewesen sein könne: ›Jesus war kein Jude, weder der Rasse noch der Religion nach.‹«930

Das zweistündige Referat Schneiders über Jesus und das Griechentum bildete den Hauptteil der Arbeitskreistagung im Jahr 1943, wobei Schneider vor allem mithilfe religionsgeschichtlichen Vergleichsmaterials das Urchristentum aus seinem jüdischen Entstehungskontext zu lösen versuchte.931 Der am Ende der Tagung in Aussicht gestellte Sammelband, für den Schneider einen Beitrag verfassen sollte, erfuhr infolge der allgemeinen Papierverknappung keine Umsetzung mehr. Auch wenn ein öffentlichkeitswirksames Institutsengagement Schneiders in Form von Publikationen und Vorträgen kaum stattfand, so verdankte das Eisenacher Institut seine enorme Produktivität jenem Typus Wissenschaftler, wie ihn Carl Schneider verkörperte. Dass seine für das Institut getätigten Forschungen nicht mehr in Buchform erschienen, ist den Kriegsumständen zuzurechnen, die es spätestens seit 1942 immer schwieriger machten, Papierzuteilungen und Druckgenehmigungen zu erhalten. Inwieweit sich Schneider bis Kriegsende über seine geschilderten Arbeiten hinaus zusätzlich im Institut einbrachte, muss offenbleiben. Schneider sollte beispielsweise für die internationale Ausweitung der Institutsaktivitäten Kontakte zu akademischen Vertretern in Bulgarien knüpfen.932 Ob es jedoch überhaupt zu derartigen Verbindungen kam, lässt sich anhand der eingesehenen Aktenbestände nicht klären. Schneider war ein aktiver Institutsmitarbeiter, der die antisemitischen Zielstellungen vorbehaltlos teilte und für deren wissenschaftliche ›Beweisführung‹ er sich mit seinen Ausarbeitungen einsetzte. Aufgrund Schneiders bereits zu Beginn des »Dritten Reichs« deutlichen Positionierung zur »Rassenfrage« sowie seiner Interpretation des Neuen Testaments als ein fast ausschließlich vom Hellenismus beeinflusstes Buch zeigt sich, wie Schneider die neue politische Situation in Deutschland nutzte, um seinen Antisemitismus offen kommunizieren zu können. Gerade weil er bis 1934 einen Lehrstuhl außerhalb Deutschlands besetzte, kann von einem vorauseilenden Gehorsam gegenüber den neuen politischen Gegebenheiten keine Rede sein. Schneiders Engagement für das 930 Zitiert nach Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 586. 931 LKAE, NL Grund, 85, [unfoliert] (Protokoll der zweiten Sitzung des Arbeitskreises für Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte am 16. 02. 1943). 932 LKAE, DC 225, [unfoliert] (Überlegungen zur Auslandsarbeit des Instituts, ohne Datum).

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Eisenacher Institut war eine logische Konsequenz, basierend auf seiner ohnehin bereits zuvor bestehenden antisemitischen Einstellung.933

5.2.7 Hans Heinrich Schaeder Hans Heinrich Georg Wilhelm Schaeder (1896–1957), Sohn des Professors für evangelische Systematische Theologie Erich Schaeder (1861–1936), zeigte früh eine hohe Sprachbegabung, was die Wahl des Studiums der Geschichte und alten Sprachen in Kiel befördert hat.934 Unmittelbar nach Studienbeginn meldete sich Schaeder als Freiwilliger für den soeben ausgebrochenen Ersten Weltkrieg, aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen kam ein Fronteinsatz aber nicht infrage. Die Verwendung als Sanitäter sollte ihn nach Frankreich, Litauen und Siebenbürgen führen.935 Nach Kriegsende 1918 ging Schaeder an die Universität Breslau, wo er am 22. Dezember 1919, nach insgesamt nur drei Semestern, mit einer islamwissenschaftlichen Dissertation zum Dr. phil. in orientalischer Philologie promoviert wurde. Anschließend siedelte er nach Berlin über und arbeitete in der Redaktion der nationalliberalen Zeitschrift Die Grenzboten. Der Verleger entband Schaeder jedoch schon im Februar 1921 von dessen Redaktionsverpflichtungen, damit dieser sich wieder vollständig seinen Forschungen widmen konnte, wofür der Verlag sogar eine monatliche Unterstützungszahlung von 1.000 Mark gewährte.936 Wieder nur ein Jahr später reichte Schaeder seine Habilitationsschrift an der Universität Breslau über den mittelalterlichen persischen Dichter Hafis ein, die aber unveröffentlicht bleiben sollte. In Breslau wirkte Schaeder anschließend für zwei Jahre als Privatdozent, ehe er dort 1924 zum nichtplanmäßigen außerordentlichen Professor für Iranische Philologie berufen wurde. 1926 erfolgte der Ruf als ordentlicher Professor für Semitische Philologie an die Universität Königsberg, 1930 der Wechsel auf den ordentlichen Lehrstuhl für Orientalische Philologie der Leipziger Universität und 1931 der abermalige Wechsel auf den 933 So auch Heschel: The Aryan Jesus, S. 179. 934 Die nachfolgenden biographischen Angaben, soweit nicht anders angegeben, nach Omeljan Pritsak: Hans Heinrich Schaeder, in: Zeitschrift der Morgenländischen Gesellschaft 108 (1958), S. 21–40; Manfred Bauschulte: Straßenbahnstellen der Aufklärung. Studien zur Religionsforschung 1945–1989, Marburg 2012, S. 250–268. 935 Der Einsatz in den Städten Kaunas und Vilnius, die bis zu ihrer Vernichtung durch deutsche Verbände 1941 große jüdische Gemeinden besaßen, sollte auf Schaeder nachhaltigen Einfluss haben. Es wirkt diesbezüglich befremdlich, wenn Omeljan Pritsak noch 1958 schreibt, dieses Kennenlernen jüdischer Kultur während des Ersten Weltkriegs sei Schaeders einzige Begegnung mit »lebendigem Orient« gewesen. Pritsak: Hans Heinrich Schaeder, S. 23. 936 UA Göttingen, Cod. MS Schaeder, 17, [unfoliert] (Brief K. F. Koehler an Schaeder vom 3. 03. 1921).

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Lehrstuhl für Semitische Philologie der Berliner Universität.937 In der Zeit bis 1933 widmete sich Schaeder vor allem dem Zoroastrismus sowie dem Manichäismus938 und gehörte bereits in den Jahren der Weimarer Republik zu den angesehensten Köpfen der Islamforschung und Iranistik.939 Die nationalsozialistische Machtübernahme hat Schaeder nicht in Bedrängnis gebracht, vielmehr sah er sich selbst als Teil der propagierten »NS-Volksgemeinschaft« und stellte seine Forschungen zunehmend in den Dienst der neuen Staatsideologie.940 Schaeder unterschied dabei zwischen NS-Ideologie, mit der er sympathisierte,941 und persönlichen Bekanntschaften. So promovierte er noch 1935 den jüdischen Arabisten Franz Rosenthal (1914–2003) und verschaffte ihm Ende 1938 ein Ausreisevisum nach Schweden.942 Andererseits stellte Schaeder in einem Gutachten aus dem Jahr 1933 dem Berliner Extraordinarius für Arabistik Franz Babinger (1891–1967) nicht nur ein vernichtendes Urteil über dessen wissenschaftliche Leistungen aus. Zusätzlich zweifelte Schaeder darin auch die »arische« Abstammung von Babinger an,943 was für diesen das Ende seiner wissenschaftlichen Karriere bedeutete und ihn letztendlich in die Emigration zwang. Nach 1933 gehörte Schaeder der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, dem Nationalsozialistischen Lehrerbund sowie dem Reichsluftschutzbund als Mitglied an.944 Das von Manfred Bauschulte herausgearbeitete Weltbild Schaeders über »den Orient«, in dem der anerkannte Orientalist mithilfe von Behauptungen, Unterstellungen und »penetranten Vorurteilen« die mögliche Gefährdung des Abendlandes am Beispiel der geistesgeschichtlichen Entwicklung des »Mor-

937 Angaben der Berufungen nach Carsten Colpe: Hans Heinrich Schaeder, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 7, Tübingen 42004, Sp. 858. Als Grund für seine nur einjährige Professorenzeit in Leipzig ist zu vermuten, dass Schaeder in Berlin bessere Möglichkeiten sah, dort mit seinen Freunden und Lehrern zusammenzuarbeiten. Vgl. Pritsak: Hans Heinrich Schaeder, S. 33. 938 Vgl. hierzu Pritsak: Hans Heinrich Schaeder, S. 29–32; Bauschulte: Straßenbahnhaltestellen, S. 252. 939 Ludmila Hanisch: Arabistik, Semitistik und Islamwissenschaft, in: Jürgen Elvert/ Jürgen Nielsen-Sikora (Hg.): Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, Stuttgart 2008, S. 503–525, hier S. 513. 940 Vgl. Bauschulte: Straßenbahnhaltestellen, S. 255–259. 941 Bauschulte: Straßenbahnhaltestellen, S. 257. In einem selbstverfassten Lebenslauf von 1949 erklärte Schaeder, kein Mitglied der NSDAP oder einer anderen NS-Organisation gewesen zu sein, was nicht zutreffen ist.. UA Göttingen, Kur. PA Schaeder, Hans Heinrich, Bl. 16. 942 Bauschulte: Straßenbahnhaltestellen, S. 258. 943 Helmut Heiber : Universität unterm Hakenkreuz. Teil 1: Der Professor im Dritten Reich. Bilder aus der Akademischen Provinz, München u. w. 1991, S. 330. Dazu auch Marchand: German Orientalism in the Age of Empire, S. 491. 944 Ekkehard Ellinger: Deutsche Orientalistik zur Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945, Edingen-Neckarhausen 2006, S. 39.

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genlandes« darzustellen versuchte,945 zeigt sich beispielhaft in Schaeders 1934 gehaltenem und im darauffolgenden Jahr publiziertem Vortrag Der Neuere Orient. Aufgrund der aufklärerischen Haltung besäße das antike hellenistische Denken eine zersetzende Tendenz, doch konnte im Römischen Reich eine solche Entwicklung noch ins Positive umgekehrt werden. Das Christentum entzog sich noch den vermeintlich negativen Einflüssen des Hellenismus, wohingegen der Orient dies nie erreichen sollte, so Schaeder. Im Orient, mit seinem »in stetig absteigender Linie« befindlichen, »vom orientalischen Hellenismus durchdrungenen Christentum«, etablierte sich der Islam, der seiner Entwicklungsstufe nach eine »Vereinfachung des Christentums [sei], der dem auf sich selber gestellten Orient gemäß war.«946 Im Anschluss an diese abwertende Einschätzung der geistesgeschichtlichen Entwicklung des Mittleren Ostens verlor sich Schaeder in einer Analyse der weltpolitischen Lage jener Jahrzehnte vor und nach dem Ersten Weltkrieg, um daraus die zukünftigen Aufgaben der deutschen Orientforschung ableiten zu wollen. Seine Handlungsempfehlung, in Forschung und Lehre eine »unbefangene, aufrichtige Bemühung um das Wesen der orientalischen Dinge und ihrer Verflechtung mit dem Geschichtsablauf« zu bieten, hatte Schaeder zu diesem Zeitpunkt bereits zugunsten eines vorurteilsbehafteten und generalisierenden Weltbildes aufgegeben. Er beschwor die Gefahr der Sowjetisierung herauf, die den »einfacheren« Orient noch mehr bedrohe als das Abendland.947 Darüber hinaus konstruierte Schaeder mit seinen Forschungen ein rassenanthropologisches Geschichtsbild mit dem Iran als »arisches Ur-Reich«. Von diesem Ausgangspunkt leitete Schaeder eine historische Kausalkette bis in die Gegenwart ab, welche die Idee einer deutschen Vorherrschaft über Europa und den Orient zu rechtfertigen helfen sollte.948 Was Schaeder konkret unter der selbstauferlegten, zukünftigen Aufgabe der Orientforschung verstanden wissen wollte, veranschaulicht der 1934 veröffentlichte kleine Sammelband Armeniertum – Ariertum. Die darin enthaltenen Beiträge versuchten vor dem Hintergrund der rassisch argumentierenden Judendiskriminierung in Deutschland den Nachweis der armenischen Ver-

945 Bauschulte: Straßenbahnhaltestellen, S. 267f. Eine gegenüber dem Abendland abwertende, angeblich rassisch bedingte Entwicklungszuschreibung der muslimischen Völker Arabiens und Nordafrikas findet sich beispielsweise in Band 3 der von Schaeder herausgegebenen Schriftenreihe Arabische Welt von Franz Taeschner : Geschichte der arabischen Welt, Heidelberg u. w. 1944, S. 15–20. 946 Hans Heinrich Schaeder : Der Neuere Orient, in: Hans Heinrich Schaeder (Hg.): Der Orient und wir. Sechs Vorträge des Deutschen Orient-Vereins Berlin, Berlin Leipzig 1935, S. 31–55, hier S. 36f. 947 Schaeder : Der Neuere Orient, S. 52f. 948 Ellinger : Deutsche Orientalistik, S. 318f.

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wandtschaft mit den »Ariern« bzw. der »nordischen Rasse« zu liefern.949 Eine derartige Annahme war nicht neu: So präsentierte der Vordenker der völkischen Bewegung Paul de Lagarde bereits in seiner 1851 gehaltenen Probevorlesung die These, das Armenische sei in philologischer Betrachtung einer »arischen« Herkunft zuzuordnen.950 Schaeder selbst bot einen solchen Nachweis ebenfalls mithilfe philologischer Vergleiche,951 wodurch er bereits unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtübernahme begann, seine Forschungen auf tagespolitische Fragestellungen und Problematiken auszurichten. Schaeder bewegte sich dabei einerseits auf einer Linie, in der er die strenge Beharrung auf wissenschaftliche Standards einforderte und gleichzeitig sein konservativ-nationalistisches Weltbild, welches sich an den »Deutschtumsvorstellungen« des 19. Jahrhunderts orientierte, in seine Arbeiten einfließen ließ. Er beurteilte beispielsweise 1942 die wissenschaftlichen Leistungen Paul de Lagardes als Orientalist durchweg negativ, da de Lagarde keinen nennenswerten Mehrwert zur deutschen Orientforschung geliefert habe. Die Deutschen Schriften de Lagardes, in denen dieser eine religiöse Ausrichtung auf das deutsche Volk eingefordert und gleichzeitig antisemitische Meinungen kundgetan hatte, fanden hingegen bei Schaeder positiven Anklang.952 Schaeders Eintreten für eine wissenschaftliche Korrektheit bezog sich allerdings lediglich auf die geforderte Arbeitsmethodik, nicht hingegen auf die Unvoreingenommenheit gegenüber dem Untersuchungsgegenstand. Dem islamischen Orient attestierte er eine gemeinsame Tradition mit dem »germanischen Europa« bei gleichzeitiger Herausstellung des christlichen Hegemonialanspru949 Vgl. hierzu vor allem den Beitrag des antisemitischen Agitators Johann von Leers: Armeniertum und Ariertum, in: Armeniertum – Ariertum, hg. von der Deutsch-Armenischen Gesellschaft Berlin, Potsdam 1934, S. 8–11. In diesem bescheinigte von Leers den Armeniern, »keine irgendwie jüdischen Bestandteile in sich aufgenommen [zu haben], kein Negerblut […] und eine erkennbare blutmäßige Linie zur nordischen Rasse [zu besitzen]«, weshalb sie als »arisch« anzuerkennen seien. Zu von Leers vgl. Marco Sennholz: Johann von Leers. Ein Propagandist des Nationalsozialismus, Berlin 2013. Die Deutsch-Armenische Gesellschaft war bereits 1933 darum bemüht, gegenüber staatlichen Stellen die Armenier als »Arier« und nicht als »Semiten« klassifizieren zu lassen. Vgl. Richard Albrecht: The Murder of Armenians – Armenocide – Genocide – Genocide Prevention. Aspects of Political and Historical Comparative Genocide Studies: in: Remembrance and Solidarity. Studies in 20th Century European History, Heft 2 (2014), S. 91–106, hier S. 93. 950 Ulrich Sieg: Deutschlands Prophet. Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus, München 2007, S. 35f. 951 Hans Heinrich Schaeder : Die Stellung des Armenischen unter den indogermanischen Sprachen, in: Armeniertum – Ariertum, hg. von der Deutsch-Armenischen Gesellschaft Berlin, Potsdam 1934, S. 5–8. 952 Hans Heinrich Schaeder : Paul de Lagarde als Orientforscher, in: Orientalische Literaturzeitung 45 (1942), Sp. 1–13. Den Zweiten Weltkrieg bezeichnete Schaeder darin als »Entscheidungskampf um seine [Deutschlands] europäische Geltung […].« Zu de Lagardes Deutschen Schriften vgl. Meyers: Religiöse Reformvorstellungen, S. 27–41.

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ches gegenüber dem ›zweitklassigen‹ Islam. Die kolportierte germanische Verbindung von Christentum und Islam nutzte Schaeder wiederum dazu, das Judentum in seiner religionsgeschichtlichen Evolution zu diskreditieren.953 Um die Araber vom ›Stigma‹ der »semitischen Rassenzugehörigkeit« zu lösen, wie beispielsweise bei Alfred Rosenberg zu finden,954 betonte Schaeder den arabischen Antisemitismus und präsentierte den Propheten Mohammed als Judenfeind, der den Frühislam zu einer »judenfreien« Gesellschaft gemacht habe.955 Gleichermaßen wie Grundmann und die anderen Mitarbeiter des Eisenacher Instituts eine vermeintliche Judenfeindschaft Jesu hervorhoben und das Urchristentum als eine antisemitische Bewegung zeichneten, verfuhr Schaeder mit dem Islam, Mohammed und den frühmuslimischen Beziehungen zum Judentum. Ebenso wie im Eisenacher Institut die weltpolitischen Entwicklungen der 1930er Jahre sowie der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als Werke des »Weltjudentums« gezeichnet wurden,956 sah auch Schaeder politische und militärische Entwicklungen, wie den britisch-sowjetischen Einmarsch in Persien Ende August 1941, als eine Tat, hinter der allein »der Jude« stehe.957 Die Schicksalsgemeinschaft des Irans mit Deutschlands leitete Schaeder aus dem »arischen« Erbe beider Völker ab, womit sich der Orientalist gänzlich einer völkisch-rassischen Geschichtsinterpretation hingab.958 Ekkehard Ellingers Bewertung, dass sich Schaeder »als bewusster und rationaler Verfechter des NS verstand«,959 zeigt sich nicht nur an dessen ganz auf die Ideen der deutschen Hegemonialvorstellungen ausgerichteten Forschungen. Neben seinen Mitgliedschaften in verschiedenen NS-Verbänden trat er unter anderem als Redner für die Propagandaleitung der NSDAP im Gau Brandenburg in Erscheinung und ließ Teile seiner Vorträge im Presseorgan der Hitlerjugend abdrucken.960 Trotz seines rassistischen Weltbildes und des von ihm kommunizierten Antisemitismus legte Schaeder großen Wert auf die wissenschaftliche Genauigkeit bei der Anfertigung von Qualifikationsarbeiten. Als Mitglied der Philosophischen Fakultät der Berliner Universität beteiligte er sich zusammen mit dem ebenfalls im Eisenacher Institut engagierten Johannes Hempel (1891–1964) am 953 954 955 956 957 958 959 960

Vgl. Ellinger : Deutsche Orientalistik, S. 320–322. Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts, S. 364–369. Ellinger : Deutsche Orientalistik, 365f. Vgl. hierzu beispielhaft den im Sinne einer antisemitischen Hetzrede gehaltenen Vortrag von Wolf Meyer-Erlach: Der Einfluß der Juden auf das englische Christentum. Vgl. Ellinger : Deutsche Orientalistik, S. 375. Ellinger : Deutsche Orientalistik, S. 404f. Ellinger : Deutsche Orientalistik, S. 423. Ellinger : Deutsche Orientalistik, S. 183f. Zusätzlich hielt Schaeder bis Kriegsende Vorträge vor Wehrmachtsangehörigen, wie er selbst in einem Schreiben aus dem Jahr 1946 anmerkte. UA Göttingen, Cod. MS W. Trillhaas B, 62, [unfoliert] (Brief Schaeder an Trillhaas vom 22. 09. 1946).

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Habilitationsverfahren von Johannes Pohl (1904–1960). Pohl, bekennender Nationalsozialist, Antisemit und späterer Mitarbeiter am Institut zur Erforschung der Judenfrage, für das er sich unter anderem am Bücherraub in den besetzten Ostgebieten beteiligte, beantragte Ende 1939 an der Berliner Universität seine Habilitation im Bereich Talmudistik.961 Zu dem schriftlichen Teil des Habilitationsverfahrens gab der von der Berliner Universität bestellte Gutachter Gerhard Kittel ein vernichtendes Urteil ab.962 Es war aber nicht der offen hervortretende Antisemitismus, der zur Kritik von Kittel führte und welcher sich Schaeder in seinem späteren Gutachten anschloss.963 Eine Kritik von Kittel an Pohls Antisemitismus hätte auch verwundert, gehörte er selbst doch zu den Hauptexponenten des wissenschaftlichen Antisemitismus im »Dritten Reich«. Schaeder ging in seinem Gutachten zu Pohls Arbeit auf dessen wissenschaftliche Methode sowie die verwendeten Schriften ein und stellte infrage, ob »der Verfasser überhaupt imstande ist, irgend einen talmudischen oder rabbinischen Text selbstständig zu bearbeiten.« Neben dem wahrscheinlichen Fehlen grundlegender Hebräisch-Kenntnisse attestierte Schaeder zusätzlich die »vollkommene Unkenntnis elementarer Tatsachen der altorientalischen Geschichte«.964 Es war nicht der antisemitische Inhalt, der Schaeder zu der Einschätzung »gänzlich wertlos« kommen ließ.965 Vielmehr zählte für ihn, wie ein solcher methodisch und argumentativ begründet wurde. An diesem Beispiel lässt sich sein Wissenschaftsverständnis nachzeichnen: Sich mit seinen Forschungen in den Dienst einer (Staats-)Ideologie zu stellen und hierdurch zum gedanklichen Teilhaber an der Klassifizierung »minderrassiger« Menschen zu werden, bereitete offensichtlich keine Probleme. Er verwehrte sich aber gegen Arbeiten zur »Judenfrage«, die allzu plump, oberflächlich und nicht unter Zuhilfenahme philologischer sowie historischer Quellen entstanden. Nicht die antisemitische Intention bemängelte Schaeder, er kritisierte vielmehr die Unwissenschaftlichkeit der Argumentation infolge fehlender bzw. falscher Quellenbenutzung.966 961 Anfang 1939 gab es Überlegungen im Stab des Stellvertreters des Führers, eine Dozentur für Talmudistik und Neuhebräisch an der Berliner Universität einzurichten. Die Idee wurde vom Sicherheitsdienst des Reichsführer-SS unterstützt, da eine solche Stelle »ein wichtiges wissenschaftliches Fundament für den Kampf gegen das Judentum [bilde].« Götz Aly u. w. (Hg.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. Bd. 2: Deutsches Reich 1938–August 1939, bearb. v. Susanne Heim, München 2009, Dok. 255, S. 688. Die Dozentur wurde nie eingerichtet. 962 Maria Kühn-Ludewig: Johannes Pohl (1904–1960). Judaist und Bibliothekar im Dienste Rosenbergs. Eine biographische Dokumentation, Hannover 2000, S. 108–110. 963 Kühn-Ludewig: Johannes Pohl, S. 113. 964 Zitiert nach Kühn-Ludewig: Johannes Pohl, S. 111. 965 Kühn-Ludewig: Johannes Pohl, S. 111. 966 Schaeders antisemitisches Weltbild offenbart sich auch in dessen Bemühungen, an der

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Neben dem Engagement für das Eisenacher »Entjudungsinstitut« beteiligte sich Schaeder an diversen anderen Forschungszusammenschlüssen, die sich allesamt dem Dienst an der NS-Ideologie verschrieben hatten. Der von Schaeder 1944 herausgegebene Sammelband Der Orient in deutscher Forschung, mit einem Beitrag desselbigen über Asien und die Ostgrenze der europäischen Kultur, basierte auf einer 1942 stattgefundenen Orientalistentagung. Diese war indes keine gewöhnliche Wissenschaftstagung, sondern Teil des als »Kriegseinsatz der Deutschen Geisteswissenschaften« deklarierten umfangreichen Gemeinschaftswerkes zur nationalsozialistischen Neuinterpretation der Weltgeschichte. Die Tagungsteilnehmer unterstützten zusätzlich die Initiative von Walther Wüst,967 acht Fachgruppen innerhalb der Sektion Orientalistik zu bilden, die nach dem ersten Zusammentreffen von 1942 im Sinne des »Kriegseinsatzes der Deutschen Geisteswissenschaften« weiterarbeiten sollten. Schaeder selbst übernahm die Leitung der Fachgruppe 7, Germanen und Indogermanen, und arbeitete in der von Jakob Wilhelm Hauer geleiteten Fachgruppe 4, Lebensmächte und Wesen des Indogermanentums, zusammen mit dem Orientalisten Heinrich Junker (1889–1970) über Arische Grundzüge im Leben und Glauben des alten Irans.968 Nicht nur für den vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung initiierten »Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften« engagierte sich Schaeder, ebenso arbeitete er für die vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg noch Ende 1944 gegründete Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der bolschewistischen Weltgefahr. Auf der vom 31. Oktober bis zum 2. November 1944 in Prag stattgefundenen Einsatzbesprechung, an der Schaeder selbst nicht teilnahm, wurden die Ziele jener Arbeitsgemeinschaft definiert. Weltanschauliche Grundlagenforschung sei zu leisten, um Propaganda und weltanschaulicher Schulung die notwendige »Wissenssubstanz« zur Verfügung zu stellen. Es ging in der Arbeitsgemeinschaft nicht um die alleinige Erforschung des Sowjet-Bolschewismus, sondern darum, »am Gegenbild des Bolschewismus die eigene Welt umso stärker zu entwickeln: die nationalsozialistische Idee und die Kulturhoheit Europas.«969 Schaeder erhielt zwar eine Einladung zu dem dreitägigen Gründungskongress,970 warum er letztendlich nicht zu den anwesenden Teilnehmern gehörte,

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Berliner Universität einen Lehrstuhl zur »Erforschung der Judenfrage« einzurichten. Vgl. Hanisch: Arabistik, Semitistik und Islamwissenschaften, S. 516. Zu diesem Zeitpunkt war Wüst Rektor der Münchener Universität, Herausgeber des Archivs für Religionswissenschaft sowie wissenschaftlicher Leiter des SS-Ahnenerbes. Junginger : Von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft, S. 325f. Vgl. hierzu ebenfalls Frank-Rutger Hausmann: »Deutsche Geisteswissenschaft« im Zweiten Weltkrieg. Die »Aktion Ritterbusch« (1940–1945), Dresden 1998, S. 214, Anm. 301. BArch, NS 8/241, Bl. 216. Die Teilnehmerliste in BArch, NS 8/241, Bl. 213–214. BArch, NS 30/11, Bl. 4.

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ließ sich nicht feststellen. Sehr wahrscheinlich kam er aus terminlichen Gründen der Einladung nicht nach. Auf einer Liste vom 28. November 1944, einen Monat nach dem Prager Treffen, findet sich Schaeders Name unter der Rubrik »für die Arbeitsgemeinschaft an einem Forschungsauftrag arbeitenden Professoren«.971 Dieser letzte Eintrag in der Akte über jene Arbeitsgemeinschaft legt den Schluss nahe, dass es aufgrund des militärischen Zusammenbruchs des »Dritten Reichs« zu keinen weiteren Zusammenkünften mehr kam. Das von der Arbeitsgemeinschaft bei Schaeder in Auftrag gegebene Forschungsthema Stalin, Kritik der Legende972 konnte entsprechend nicht mehr öffentlich präsentiert werden, weshalb Angaben über den Inhalt nicht möglich sind. Schaeders Einsatz für das Eisenacher »Entjudungsinstitut« Schaeder befand sich bis in die letzten Tage des »Dritten Reichs« hinein auf einem persönlichen Kreuzzug gegen eine aus seiner Sicht »jüdische und bolschewistische Weltgefahr«. Hierfür stellte er sich in den Dienst des vom Staat initiierten »Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften«, genauso wie er für den Einsatzstab Rosenberg an der »Erforschung der bolschewistischen Weltgefahr« mitwirkte. Darüber hinaus trat er für das Eisenacher Institut als Mitarbeiter und Vortragsredner in Erscheinung, auch wenn er gegenüber dem Leiter des J. C. Hinrich Verlags betonte, dass es nicht seine Absicht sei, »sich mit den Herren [den Thüringer Deutschen Christen; D. S.] zu verheiraten.«973 Seine Vorbehalte gegen die Thüringer Deutschen Christen hielten Schaeder jedoch nicht davon ab, das Eisenacher Institut als weitere Plattform zu nutzen, um sein rassistisches und antisemitisches Weltbild präsentieren zu können. Sein erster Einsatz für das »Entjudungsinstitut« lässt sich für November 1941 nachweisen, wo er als Redner auf der ersten Religionswissenschaftlich-Nordischen Arbeitstagung in Weißenfels über »Vilhelm Grönbechs Werk und die deutsche Religionswissenschaft« sprach.974 Auch wenn Schaeders Vortrag keine Veröffentlichung fand,975 so zeugen zwei Berichte vom Inhalt seiner Ausführungen. Schaeder widmete sich zu diesem Zeitpunkt den Werken des dänischen Religionswissenschaftlers Vilhelm Grønbech, die er zuvor ins Deutsche über971 972 973 974

BArch, NS 30/11, Bl. 9. BArch, NS 30/10, Bl. 15. StA Leipzig, 22208, Nr. 624, Bl. 60. Max-Adolf Wagenführer : Germanentum und Christentum. Bericht über die erste religionswissenschaftliche Nordische Arbeitszusammenkunft deutscher und schwedischer Forscher in Weißenfels vom 4. bis 8. November 1941, in: Verbandsmitteilungen 5/6 (1941), S. 123–125, hier S. 124. Zur ersten Arbeitstagung vgl. auch Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 621–624. 975 Die Liste der veröffentlichten Tagungsvorträge, teilweise unter neuem Titel, bei Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 623.

Persönliche Engagements für das »Entjudungsinstitut«

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setzt hatte, und präsentierte seine bisherigen Ergebnisse.976 Ein zweiter Bericht von Wolf Meyer-Erlach gibt genauer wieder, welche Intention Schaeder verfolgte: »Der Vortrag zeigte in geistvoller, in Styl und Gedankenführung hervorragender Weise die ausserordentliche Spannweite des nordisch-germanischen Geistes der uns in Grönbech entgegentritt. Er ist für die weitere Entwicklung der religionswissenschaftlichen Arbeit in Deutschland, für den Kampf gegen eine judenhörige, germanenfeindliche Theologie von entscheidender Bedeutung. Im Anschluss an Grönbech wird der deutschen Religionswissenschaft die Möglichkeit gegeben zu den arteigenen Quellen und Masstäben zurückzukehren.«977

Die Arbeiten von Grønbech bildeten ferner das Hauptthema der ersten Sitzung des 1942 gegründeten Arbeitskreises für Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte, bei der Schaeder als Teilnehmer zugegen war. Grundmann schlussfolgerte in seinen im Rahmen der Sitzung gehaltenen Ausführungen, dass Grønbechs Arbeiten, trotz eines völlig anderen methodischen Ansatzes, die von Leipoldt und Grundmann selbst publizierten Forschungsergebnisse zur Gegnerschaft Jesu gegenüber dem Judentum vollkommen bestätigen würden.978 Trotz gewisser Kritik an Grønbechs Darstellung über das antike Judentum als ein »philosophisches Idealbild«, fanden die Arbeitskreisteilnehmer nur lobende Worte über den dänischen Religionswissenschaftler. Dies verwundert, da Grønbech Jesus als Juden und das antike Judentum als das Volk Jesu verstand,979 was aber bei den Teilnehmern der Institutsarbeitskreissitzung keinen Widerspruch auszulösen schien. Beim zweiten Zusammentreffen dieses Arbeitskreises am 15. und 16. September 1942 war Schaeder selbst nicht anwesend, doch sollte er auf der dritten Sitzung Mitte Januar 1943 das Referat Zur Frage der arischen Einflüsse auf das Urchristentum vorbereiten.980 Diese Sitzung fand entgegen der ursprünglichen Planung erst am 16. Februar 1943 statt, wiederum ohne Schaeder, weshalb er als Referent für die angedachte vierte Zusammenkunft im Mai/Juni 1943 eingeplant wurde.981 Ein Protokoll jenes vierten Arbeitskreistreffens ließ sich nicht auffinden und es ist zu vermuten, dass infolge der Einberufung von Walter 976 So der offizielle Bericht von Wagenführer : Germanentum und Christentum, S. 124. 977 BArch, R 4901/ 2966, Bl. 183–184. 978 LKAE, NL Grund, 85, [unfoliert] (Protokoll der ersten Sitzung des Arbeitskreises für Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte vom 18.–19. 05. 1942 in Leipzig). 979 Vilhelm Grönbech: Zeitwende. Erster Teil: Jesus der Menschensohn (deutsch von Hans Heinrich Schaeder), Stuttgart 1941, S. 7. 980 LKAE NL Grund, 85, [unfoliert] (Protokoll der zweiten Sitzung des Arbeitskreises für Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte vom 15.–16. 09. 1942 in Leipzig). 981 LKAE NL Grund, 85, [unfoliert] (Protokoll der dritten Sitzung des Arbeitskreises für Neues Testament und altjüdische Religionsgeschichte am 16. 02. 1943 in Leipzig).

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

Grundmann zur Wehrmacht ein solches Treffen auch nicht mehr stattfand, weil Grundmann die Leitung jenes Arbeitskreises inne hatte. Sehr wahrscheinlich scheint Schaeder den angedachten Vortrag über die »arischen« Einflüsse nicht eigens für das Eisenacher Institut entworfen zu haben. Schon auf der 10. Tagung der Luther-Akademie in Sondershausen vom 3. bis 16. August 1941 sprach Schaeder über »Arische Einflüsse auf Spätjudentum und Urchristentum«.982 Diese international besetzte Konferenz widmete sich der Erforschung des Luthertums unter der Bedingung, nicht unter dem Deckmantel der Wissenschaft »artfremden Zwecken zu dienen.«983 Zu den Teilnehmern der Tagung zählten unter anderem schwedische Theologen, die sich 1941 gleichfalls in das Eisenacher Institut einbrachten. Wahrscheinlich kam Schaeder auf der Konferenz der Luther-Akademie in direkten Kontakt mit Vertretern des »Entjudungsinstituts«, woraus sich seine kurze Zeit später begonnene Mitarbeit ergab. Im Oktober 1942 präsentierte Schaeder auf der zweiten Religionswissenschaftlich-Nordischen Arbeitstagung seine neuesten Forschungsergebnisse, die sich nunmehr stark an der politischen Gegenwart orientierten. Schaeders Vortrag über Die Ostgrenze der europäischen Kultur ging aller Wahrscheinlichkeit nach auf seine Ausarbeitungen für das Orientalistentreffen von 1942 zurück, wo Schaeder den Vortrag Asien und die Ostgrenze der europäischen Kultur hielt.984 In Die Ostgrenze der europäischen Kultur verortete er Europa kulturell ausschließlich in den mittel- und nordeuropäischen Gebieten sowie im Mittelmeerraum, wohingegen bereits die mittelalterlichen Moskauer und Kiewer Großreiche asiatischen Einflüssen unterlagen und somit kulturell nicht zu Europa zu zählen seien.985 Doch weder die Germanen noch die Indogermanen konnten nach Schaeder in der Vergangenheit die Ostgrenze Europas schützen. Dies hätten erst deutsche Siedler vollbracht, weshalb die europäische Kulturgrenze im Osten dort verlaufe, wo der Deutsche diese setze. In dem als »besonderen Höhepunkt« der gesamten Tagung bezeichneten Vortrag von Schaeder betonte dieser – gleich seinen früheren Ausführungen – die »Schicksalsgemeinschaft Europas mit dem Nahen Osten« in deren »gemeinsamen Kampf

982 PA AA, R 67681, Bl. 224. 983 PA AA, R 67681, Bl. 224. 984 Vgl. Hans Heinrich Schaeder: Asien und die Ostgrenze der europäischen Kultur, in: Hans Heinrich Schaeder (Hg.): Der Orient in der deutschen Forschung. Vorträge der Berliner Orientalistentagung Herbst 1942, Leipzig 1944, S. 6–17. Der Vortrag spiegelt das bereits beschriebene Bild Schaeders vom Orient unter Hinzufügung seines Antikommunismus wider. Zu Schaeders Antikommunismus vgl. Ellinger : Deutsche Orientalistik, S. 378–380. 985 UA Leipzig, NA Wartenberg, Ordner 47, [unfoliert] (Bericht über die zweite Religionswissenschaftlich-Nordische Arbeitstagung vom 7.–13. 10. 1942). Der Bericht zur Tagung ebenfalls in BArch, R 4901/2966, Bl. 214ff.

Die Konstruktion eines »arischen« Christentums

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gegen britisch-amerikanischen Wirtschaftsimperialismus und Bolschewismus […].«986 Zweifelsohne hat das Eisenacher Institut von der Mitarbeit Schaeders profitiert, genoss dieser doch ein hohes Ansehen als Orientalist und Experte der antiken Religionsforschung. Auch wenn Schaeder nicht zu den aktivsten Mitarbeitern des »Entjudungsinstituts« zu zählen ist, so wird anhand seiner gehaltenen Vorträge deutlich, welche Absicht er mit seinem Engagement verfolgte. Die Referate basierten allesamt auf Arbeiten, die er nicht singulär für das »Entjudungsinstitut« anfertigte, sondern die er bereits an anderer Stelle zuvor präsentiert hatte oder mit denen er sich ohnehin seit Längerem beschäftigte. Bei Schaeder ist hinter seiner Institutsmitarbeit die Motivation anzunehmen, eine möglichst breitgefächerte Präsentationsmöglichkeit für seine rassistischen Thesen zu finden. Dies erklärt, weshalb er sich gleichzeitig bei den Thüringer Deutschen Christen und deren Institut sowie beim »Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften« einbrachte und noch Ende 1944 Forschungsaufträge für den Einsatzstab Rosenberg annahm. Darüber hinaus präsentierte er seine Geschichts- und Religionsdeutungen zusätzlich als Redner und Schreiber für diverse NS-Verbände und Propagandaabteilungen.

5.3

Die Konstruktion eines »arischen« Christentums im Eisenacher »Entjudungsinstitut« – ein Zwischenfazit

Die Konstruktion »des Juden« für die Zeit der Antike, ausgestattet mit all jenen Attributen, die ihn als Gegensatz zum konträr portraitierten Urchristentum und dessen Stifterfigur Jesus erscheinen lassen mussten, schufen einen teleologischen Kausalzusammenhang, der aus deutsch-christlicher Perspektive eine »Entjudung« des Christentums der Gegenwart unumgänglich erscheinen ließ. Mitarbeiter des Eisenacher Instituts wie Walter Grundmann, Johannes Leipoldt und Carl Schneider befanden sich auf einer selbstauferlegten wissenschaftlichen Mission, unter den sich bietenden gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen des »Dritten Reichs« »den Juden« als Gefahr, Gegner und immerwährenden Gegensatz zum Christentum herauszuarbeiten und hierüber die »Entjudung« des eigenen Glaubens zu legitimieren. Der in der Gegenwart des nationalsozialistischen Deutschlands ohnehin permanent durch die Staatsmacht propagierte »Rassenkampf« wurde hier auf die Antike übertragen, wodurch die Institutsmitarbeiter einen angeblich seit mehr als 1.900 Jahren andauernden »Rassenkampf« mit dem Judentum erschufen. 986 UA Leipzig, NA Wartenberg, Ordner 47, [unfoliert] (Bericht über die zweite Religionswissenschaftlich-Nordische Arbeitstagung vom 7.–13. 10. 1942).

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

Die Konstruktion eines »entjudeten« Christentums durch die Mitarbeiter des Eisenacher »Entjudungsinstituts« konnte umgesetzt werden, indem die vermeintlich ontologische Wirklichkeit des Gegensatzes von Judentum und Christentum an bestimmten Stellen eine Anpassung erfuhr. Beispielhaft lässt sich dies am Apostel Paulus darstellen, der sich in den von ihm verfassten neutestamentlichen Überlieferungen als Jude bezeichnet hat (Phil 3, 5). Diese aus deutsch-christlicher Perspektive bestehende Problematik, dass der »Apostel der Völker« Jude gewesen sei und ein nicht geringer Teil der neutestamentlichen Überlieferung von Juden verfasst wurde, umging man innerhalb des Eisenacher Instituts, indem eine Debatte um die jüdische Herkunft des Paulus von Tarsus weitestgehend ausblieb. Zwar gab es einen Bedarf zur Klärung der »Paulus-Frage«,987 doch wurde dieses Thema im Rahmen der wissenschaftlichen Institutsarbeit nicht weiter behandelt.988 Durch das Auslassen von Problemfeldern wie das der jüdischen Herkunft des Paulus gelang überhaupt erst die Konstruktion eines »arischen« Christentums. Das heißt, mögliche Konfliktfelder wurden bewusst durch Nicht-Thematisierung umgangen, sodass eine Kompatibilität zwischen Anspruch – das Urchristentum und dessen Protagonisten waren keine Juden und bekämpften das Judentum – und vermeintlicher Wirklichkeit – es wurde bewiesen, Jesus war kein rassischer Jude und seine Botschaft verbreitete sich vor allem unter Nichtjuden – erreicht wurde. Ein solches Vorgehen lässt sich in Anlehnung an Ernst von Glaserfeld als viabel beschreiben.989 Mögliche Hindernisse in Bezug auf das zu schaffende »wahre Christentum« blendeten die Beteiligten aus und nutzten nur jene selbst erbrachten (nützlichen) Nachweise, um die Richtigkeit des postulierten Weltbildes zu untermauern. Mithilfe einzelner, dem eigenen antisemitischen Weltbild entsprechender Quellenhinweise oder gar nur zugeschriebener Handlungsmuster, schufen sie ein Modell von »dem Juden« für die Antike, welches sich zu den antisemitischen Propagandazuschreibungen der Nationalsozialisten deckungsgleich verhielt. »Der Jude« der Antike wurde dabei nicht als ein individuell handelndes Subjekt wahrgenommen, sondern dessen Konstruktion war ein auf dem Rassengedanken beruhendes Modell, das jedem als Juden wahrgenommenen 987 UA Leipzig, NLWartenberg, Kurz, Ordner 47, [unfoliert] (Rundbrief des wissenschaftlichen Institutsleiters Walter Grundmann an die Mitglieder des Förderkreises des Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben vom 25. 03. 1943). 988 In dem »entjudeten« Volkstestament Die Botschaft Gottes wird durch die Übernahme der Apostelgeschichte Paulus weiterhin als Jude bezeichnet. Die Botschaft Gottes, hg. v. Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben, Weimar 1940, S. 244–249. 989 von Glasersfeld: Konstruktion der Wirklichkeit, S. 18f.

Die Konstruktion eines »arischen« Christentums

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Menschen bestimmte angeborene und nichtablegbare Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zuschrieb, über die sich wiederum eine »Wirklichkeit« über »den Juden« durch Kategorisierungen festschreiben ließ. Diese Kategorien zeigten sich kompatibel zum Bild »des Juden«, das die nationalsozialistische Agitation des »Dritten Reichs« zeichnete, wodurch sich das im Eisenacher Institut erstellte Bild über das Judentum zur Zeit der Entstehung des Christentums als vermeintlich richtig bzw. »objektiv« erwies. Die Konstruktion »des Juden« als ein kohärentes Modell von Denken und Handeln von Juden konnte dementsprechend nur gelingen, wenn sich dieses Modell auf die nationalsozialistische Gegenwart übertragen ließ: Durch den Rassengedanken, der angeborene und nichtablegbare Eigenschaften einer Rasse festschrieb, bestanden diese angeblichen Eigenschaften in der Gegenwart noch immer. Mithilfe der vermeintlichen Bestätigung von »jüdischen Eigenschaften« durch die nationalsozialistische Propaganda und Politik ließ sich das Bild über »den Juden« auch für die Antike festschreiben. Es kam demzufolge zu einer argumentativen Anpassung: Das angebliche, durch die Rassenforschung bestätigte Bild über »den Juden« der Gegenwart projizierten die Mitarbeiter im Eisenacher Institut auf die Antike und bestätigten die vermeintliche Richtigkeit dieses Bildes mithilfe von selektiv ausgewählten Quellenbelegen oder bloßen Behauptungen über die Handlungs- und Denkeigenschaften »des Juden«. Dieses konstruierte Bild ließ sich wiederum mit der eigenen Erlebniswelt der nationalsozialistischen Gegenwart bestätigen, wodurch »der Jude« in Antike und Gegenwart, mit all den zugeschriebenen negativen Eigenschaften, zur »objektiven Realität« avancierte. Die zugeschriebenen antisemitischen Eigenschaften »des Juden« der Antike erklärte man mit modernen, in der nationalsozialistischen Propaganda allgegenwärtigen antisemitischen Vorurteilen.990 Dadurch wurden jene auf die Antike übertragenen Klischees wiederum erfahrbar sowie nachvollziehbar und erlangten den Status von »Objektivität«. Dies meint, das Bild des »Anderen«, in diesem Fall »des Juden«, welches Grundmann, Leipoldt, Schneider und weitere mithilfe antisemitischer Zuschreibung konstruierten, erhielt seine Legitimität und damit in gewisser Weise »Objektivität« nicht allein durch die eigenen Arbeiten, sondern gleichfalls durch die Kompatibilität mit dem Bild »des Juden«, wie es der Nationalsozialismus als Staatsdoktrin des »Dritten Reichs« zeichnete.991 Die »Objektivität« über »den Juden« 990 Paul Watzlawick spricht den Umstand an, dass die kritiklose Übernahme von Vorurteilen und deren permanente Wiedergabe zur Entstehung von »ideologischen Wirklichkeiten« beitragen, wodurch jene Vorurteile den Status von »Wahrheiten« erlangen. Paul Watzlawick: Bausteine ideologischer »Wirklichkeiten«, in: Paul Watzlawick (Hg.): Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus, 5. Aufl., München 1988, S. 192–228, hier S. 194. 991 In Anlehnung an das Konzept von Glasersfeld, dass die Kompatibilität der eigenen Sub-

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

im Eisenacher Institut leitete sich nicht ausschließlich aus den wissenschaftlichen Arbeiten ab, sondern gleichfalls aus den Diskursen bzw. aus dem »Wissen« über »den Juden« im »Dritten Reich«, wodurch das antisemitische Judenbild eine wissenschaftliche wie auch eine gesellschaftliche Legitimation erfuhr.992 Der auf wissenschaftlicher Ebene konstruierten »Wirklichkeit« eines »nichtjüdischen« Jesu sowie des Christentums als positiver Gegenpol zum Judentum lag ein religionswissenschaftlicher Ansatz zugrunde, der für die Religionswissenschaft in der Zeit des »Dritten Reichs« als ein Wesen sui generis zu bewerten ist: Diese integrierte Elemente aus beiden Richtungen, der Theologischen und Völkischen Religionswissenschaft, und kann deshalb nicht ohne Weiteres einer dieser beiden Richtungen zugeordnet werden, sondern ist als eine dritte Ausformung innerhalb der deutschen Religionswissenschaft zu verstehen, welche die Rassenlehre in die Theologische Religionswissenschaft integrierte. Die Völkische Religionswissenschaft im NS-Staat widmete sich der Erforschung und angeblichen Wiederentdeckung des »arteigenen« Glaubens der Deutschen, den die Protagonisten in angeblichen Überlieferungen der Germanen und »arischer Urvölker« zu erkennen glaubten und entsprechend interpretierten. Wie das Beispiel Herbert Grabert zeigt,993 ging es für die Völkische Religionswissenschaft im »Dritten Reich« nicht um eine objektive Erforschung ehemals germanischer Glaubensvorstellungen, sondern um die Schaffung einer »arteigenen« Religion für das deutsche Volk der Gegenwart. Eine solche, unter rassischen Gesichtspunkten vollzogene Konstruktion einer »arteigenen« Religion für das deutsche Volk sollte mithilfe der Völkischen Religionswissenschaft ihre wissenschaftliche Legitimation erhalten. Die »Besinnung auf die völkische Aufgabe« war in der Völkischen Religionswissenschaft während des »Dritten Reichs« eine ausschließliche Konzentration auf das »Wesen und [die] Geschichte des eigenen Volkes.«994 In der Theologisch-Völkischen Religionswissenschaft bestimmte die Fokussierung auf den »arteigenen«, rassengebundenen Glauben ebenso das wissenschaftliche Programm. Der Fixpunkt des »arteigenen« Glaubens war aber nicht das alte Germanentum und ein daraus abgeleitetes neopaganes bzw. neuheidnisches Religionskonstrukt wie bei der Völkischen Religionswissenjektivität – hier Eisenacher Institut – mit einer anderen Subjektivität – der des Nationalsozialismus – eine objektive Realität erschafft, im vorliegenden Fall eine vermeintlich objektive Realität über »den Juden«. Vgl. Ernst von Glasersfeld: Steps in the construction of »others« and »reality«. A Study of Self-Regulation, in: Robert Trappl (Hg.): Power, Autonomy, Utopias. New Approaches toward Complex Systems, London 1986, S. 107–116. 992 Zur gesellschaftlichen Herleitung von Objektivität Peter L. Berger/ Thomas Luckmann: Sociology of Religion and Sociology of Knowledge, in: Sociology and Social Research 47 (1963), S. 417–427. 993 Grabert: Die völkische Aufgabe der Religionswissenschaft. 994 Grabert: Die völkische Aufgabe der Religionswissenschaft, S. 14.

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schaft. Das Christentum protestantischer Prägung, als eine seiner Herkunft und »Artung« nach auf »arischen« Wurzeln basierende Religion, wurde innerhalb der Theologisch-Völkischen Religionswissenschaft zur »arteigenen« Religion des deutschen Volkes erhoben. Das Judentum nahm in dieser Konzeption die Rolle des negativen Gegenbildes ein, über das sich das eigene christliche Religionsbild definieren ließ. Gegenüber den christlich-deutschen Konzeptionen eines »arteigenen« Christentums innerhalb der völkischen Bewegung unterschied sich die Theologisch-Völkische Religionswissenschaft wiederum in ihrer personellen Zusammensetzung. Nicht mehr christliche Laien und Pfarrer bestimmten den Diskurs über die Ausrichtung eines »arteigenen« Christentums.995 Es waren in erster Linie Dozenten und Professoren aus den Geisteswissenschaften und der evangelischen Theologie, welche die wissenschaftliche Beweisführung eines »nichtjüdischen« Christentums vorantrieben und durch eine Integration des Rassengedankens in die eigene Religionskonzeption ein »artgemäßes Christentum« im »Dritten Reich« erschaffen wollten. Hinzu kam die Einbeziehung nicht nur historischer, sondern ebenso vergleichender sprachwissenschaftlicher Forschungen, die eine »nichtjüdische« Herkunft Jesu belegen sollten. Die Diskurse um ein nicht aus dem Judentum entstammendes Christentum verlagerten sich demzufolge ab 1933 mehrheitlich in das akademisch-universitäre Milieu. Die den Argumentationen zugrunde liegenden Annahmen lehnten sich zwar vielfach an Sichtweisen an, wie sie bereits in der völkischen Bewegung des wilhelminischen Kaiserreichs präsent waren. Neu war hingegen, dass den Beweisführungen für die vermeintliche Richtigkeit eines »arteigenen« Christentums nunmehr eine wissenschaftliche Systematik zugrunde lag, die sich aus Elementen der Theologischen und Völkischen Religionswissenschaft speiste. Die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 ermöglichte aber nicht nur die Entstehung einer Theologisch-Völkischen Religionswissenschaft, sondern bot auch auf individueller Ebene neue Karriere- und Entfaltungsmöglichkeiten. Für eine Person wie Hans Heinrich Schaeder, Jahrgang 1896, der schon während der Weimarer Republik die Berufung auf einen Universitätslehrstuhl erhielt, ergaben sich im »Dritten Reich« erweiterte Handlungsoptionen zur Verbreitung seiner Ansichten. Spezifisch für jene Generation996 der 1918er Kohorte war die 995 So bildeten Pfarrer und Pädagogen die Mehrheit der Mitglieder Bundes für Deutsche Kirche, vgl. Alexandra Gerstner/ Gregor Hufenreuter/ Uwe Puschner : Völkischer Protestantismus. Die Deutschkirche und der Bund für deutsche Kirche, in: Michel Grunewald/ Uwe Puschner (Hg.): Das evangelische Intellektuellenmilieu in Deutschland, seine Presse und seine Netzwerke (1871–1963), Bern u. w. 2008, S. 409–435, hier S. 417. 996 Im Folgenden dient das Kohortenmodell von Björn Krondorfer als Grundlage. Krondorfer wiederum stützt sich für seine politische Generationsunterteilung bezüglich altersspezifischen Agierens im »Dritten Reich« am Beispiel protestantischer Theologen auf das theo-

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Methoden und Argumentationsstrukturen des »Entjudungsinstituts«

unmittelbare Erfahrung der Weltkriegsniederlage und die anschließenden Auflagen für das Deutsche Reich im Friedensvertrag von Versailles. Die demokratische Staatsform der Weimarer Republik fand bei den meisten Vertretern dieser Generation nie Anerkennung und die permanenten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen der Zwischenkriegszeit verstärkten innerhalb jener Kohorte zusätzlich den bereits vorhandenen Antiliberalismus und Antikommunismus.997 Schaeder machte sich die innerhalb des polykratischen NS-Machtsystems sich bietenden Möglichkeiten zu eigen und nutzte unterschiedliche, teils in Konkurrenz zueinander stehende Institutionen, um sein persönliches, antikommunistisches Weltbild zu verbreiten. Demgegenüber war mit der Machtübertragung auf die Nationalsozialisten die sogenannte 1933er-Kohorte bezüglich ihrer Wissenschaftskarriere in den meisten Fällen noch nicht derart abgesichert, wie dies bei Leipoldt und Schaeder der Fall war.998 Prägten umfangreiche Budgetkürzungen in den meisten staatlichen Bereichen und eine massiv ansteigende Arbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise die letzten Jahre der Weimarer Republik, eröffneten sich für diese Generation mit dem Jahr 1933 völlig neue berufliche Möglichkeiten. Allein die 1933 vollzogene Entlassung von Juden aus dem öffentlichen Dienst und den Universitäten bot die Chance, eine dieser freigewordenen Stellen zu übernehmen. Außerhalb der Universitäten sorgte der massive Ausbau staatlicher Verwaltungs- und Überwachungsstellen dafür, dass Vertreter dieser Kohorte den Großteil des akademisch ausgebildeten Führungsnachwuchses im »Dritten Reich« stellten.999 Für Grundmann – der ohnehin von der Machtübernahme der Nationalsozialisten profitiert hatte, indem er ohne die notwendige Qualifikation vorweisen zu können, eine reguläre Professur erhielt – bot sich mit der Gründung des Eisenacher »Entjudungsinstituts« ein nochmaliger Karriereaufstieg: Er leitete ein international vernetztes Forschungsinstitut, in dessen Rahmen er eine Vielzahl von antisemitischen Studien publizieren konnte. retische Modell von Harold Marcuse. Björn Krondorfer : Nationalsozialismus und Holocaust in Autobiographien protestantischer Theologen, in: Björn Krondorfer/ Katharina von Kellenbach/ Norbert Reck (Hg.): Mit Blick auf die Täter. Fragen an die deutsche Theologie nach 1945, Gütersloh 2006, S. 23–170. 997 Krondorfer : Nationalsozialismus und Holocaust, S. 48. 998 Krondorfer ordnet die Jahrgänge 1903 bis 1915 dieser Kohorte zu. Krondorfer : Nationalsozialismus und Holocaust, S. 49. Meines Dafürhaltens sollten dieser Kohorte bereits die Jahrgänge ab 1900 zugeordnet werden, da deren Vertreter meist nicht mehr aktiv am Ersten Weltkrieg teilnahmen und im »Dritten Reich« nicht selten einflussreiche Positionen inne hatten. Als Beispiele können hierfür Siegfried Leffler, Julius Leutheuser und Carl Schneider gelten, allesamt im Jahr 1900 geboren. 999 Krondorfer : Nationalsozialismus und Holocaust, S. 50. Vgl. hierzu auch Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, 3. akt. Aufl., Hamburg 2015.

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Rudolf Meyer wiederum, dessen Universitätskarriere bereits zu Beginn der 1930er Jahre ins Stocken geraten war, profitierte zunächst von der Entlassung des jüdischen Assistenten Lazar Gulkowitsch aus dem Universitätsdienst, dessen Stelle er übernahm. Nachdem seine wissenschaftliche Laufbahn Ende der 1930er Jahre abermals zu Ende schien, bot das Eisenacher Institut die entsprechende Möglichkeit, weiterhin aktiv mit der Forschung in Verbindung zu bleiben, sogar für die gesamte Zeit seines Militärdienstes. Ähnliches lässt sich für Gerhard Delling konstatieren: Dieser trat zwar kaum mit Publikationen oder öffentlichen Vorträgen für das »Entjudungsinstitut« in Erscheinung, stellte sich aber bereitwillig in seiner Funktion als Kriegspfarrer zur Verfügung, die Ergebnisse der Institutsarbeit unter den deutschen Frontsoldaten zu verbreiten. Für Siegfried Morenz ist hingegen festzuhalten, dass dieser – ob aus opportunistischen Beweggründen oder in einer Art vorauseilendem Gehorsam seinem Lehrer Johannes Leipoldt gegenüber – die sich bietenden Möglichkeiten des »Entjudungsinstituts« nutzte, um sich als noch relativ unbekannter Nachwuchswissenschaftler einer größeren Anzahl von Ordinarien präsentieren zu können. Das Eisenacher Institut mit seinen umfangreichen Aktivitäten wie Arbeitskreistreffen, Jahrestreffen, internationalen Konferenzen sowie einer Vielzahl von Publikationen bot gerade für Nachwuchswissenschaftler wie Morenz eine willkommene Möglichkeit zur eigenen Präsentation und Vernetzung. Carl Schneider ist für die Nutzung derartiger Möglichkeiten als gutes Beispiel zu nennen. Schneider, Jahrgang 1900 und ab 1935 Professor für Neues Testament in Königsberg, vertrat ab 1933 in seinen Schriften ein offen antisemitisches Weltbild. Die Mitarbeit im Eisenacher Institut erlaubte es ihm, seine Sichtweise eines genuin hellenistischen Christentums in der Antike einem größeren Gelehrtenkreis vorzustellen. Auch wenn eine solche Geschichtsdeutung nicht bei allen Forschern auf Zustimmung gestoßen sein mag, war die antisemitische Grundintention von Schneiders Arbeiten das verbindende Element mit der Argumentationsweise im Eisenacher Institut.

6.

Kontinuitäten und Brüche nach 1945

Im Frühjahr 1943 erhielt Walter Grundmann den Einberufungsbefehl zur Wehrmacht und wurde daraufhin von seinem Jenaer Kollegen Heinz-Erich Eisenhuth als wissenschaftlicher Institutsleiter abgelöst. Eisenhuth selbst meldete sich Ende Juni 1943 freiwillig zum Kriegsdienst, sodass Georg Bertram, Professor für Neues Testament an der Universität Gießen, die Leitung des Instituts bis Kriegsende übernahm.1000 Mit dem Zusammenbruch des »Dritten Reichs« im Mai 1945 endete auch das Wirken des Eisenacher »Entjudungsinstituts«. Die Thüringer Landeskirche entfernte zunächst alle noch verbliebenen Deutschen Christen aus ihren Positionen und schloss umgehend das Institut. Bertram versuchte aber noch Anfang Mai 1945 das Institut in die neuen kirchlichen Gegebenheiten zu überführen und stellte diesbezüglich einen Antrag beim Thüringer Landeskirchenrat, das vormalige »Entjudungsinstitut« in ein nunmehr theologisches Forschungsinstitut umzuwandeln. Hierzu argumentierte er, die Institutsgründung von 1939 sei eine Reaktion auf angeblich antichristliche Angriffe des NS-Regimes gewesen. Demzufolge handelte es sich um eine reine Verteidigungsinstitution des Christentums gegenüber dem antichristlichen Nationalsozialismus, so Bertram. Den postulierten Gegensatz von Christentum und Judentum, welcher den Arbeiten des Instituts zugrunde lag, bestritt Bertram in seinem Rechtfertigungsschreiben von 1945 nicht. Vielmehr verwies er auf die negativen »jüdischen Einflüsse« innerhalb der religionsgeschichtlichen Jesus-Forschungen der vergangenen Jahrzehnte. Er hielt weiterhin am christlichen Gegensatz zum Judentum fest und betonte, die Arbeiten des »Entjudungsinstituts« seien weder politisch bedingt noch politisch beeinflusst gewesen.1001 1000 Oliver Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2: Das »Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben« 1939–1945, Berlin 2010, S. 743. 1001 Vgl. den Abdruck der Stellungnahme Bertrams bei Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 746f. Wie Almut Rütten herausstellt, revidierte Bertram nach Kriegsende seine antisemitischen Ansichten nicht. Almut Rütten: »Hellenisierung des semiti-

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Kontinuitäten und Brüche nach 1945

Die neue Thüringer Landeskirchenführung sprach sich indes gegen eine Fortführung der Institutsarbeit aus und löste noch im Sommer 1945 offiziell das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben auf. Vormalige Mitarbeiter beseitigten daraufhin noch diverse Aktenbestände, während Teile der Forschungsbibliothek in den Bestand des Eisenacher Predigerseminars übergingen.1002 Walter Grundmann, im Herbst 1945 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassen und als ehemaliges NSDAP-Mitglied seiner Jenaer Professur enthoben, versuchte im Dezember 1945, die Thüringer Landeskirche von der Notwendigkeit der Institutsfortführung zu überzeugen.1003 Auch bei ihm findet sich die Rechtfertigung, das »Entjudungsinstitut« habe sich lediglich als eine Reaktion auf antichristliche Strömungen im Nationalsozialismus verstanden.1004 Interessanterweise führte Grundmann darin vor allem Alfred Rosenberg und die Deutsche Glaubensbewegung als Belege für jenen angeblichen antichristlichen Staatskurs an. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass für Grundmann eine Verschärfung des »Antichristentums« im NS-Staat speziell ab November 1938 begann, er also auf perfideste Art die antisemitischen Novemberpogrome als Beginn einer vermeintlichen nationalsozialistischen Verfolgung von Christen umdeutete.1005 Die Grundposition der Arbeiten des Instituts beschrieb Grundmann Ende 1945: »Wir stellten uns der wissenschaftlichen Tatsache der Verschiedenartigkeit der Rasse, beteiligten uns aber nicht an der propagandistischen Behauptung der Verschiedenwertigkeit. Wir erkannten aber vor allem, daß man von Religion und Rasse direkt nicht reden könne, denn Religion ist eine Angelegenheit des Volkscharakters. In ihm aber wirken Rasse, Landschaft und geschichtliches Schicksal. […] Die Frage des Verhältnisses von Religion und Rasse und die aus ihm gefolgerten Begriffe des Artgemäßen und

1002 1003 1004 1005

schen Alten Testaments« und »Christianisierung des jüdischen Heiligen Buches. Zur Verhältnisbestimmung von Christentum und Judentum bei Georg Bertram«, in: Wolfgang Kurz/ Rainer Lächele/ Gerhard Schmalenberg (Hg.): Krisen und Umbrüche in der Geschichte des Christentums, Herrn Prof. Dr. theol. Martin Greschat zum 60. Geburtstag am 29. September 1994, Gießen 1994, S. 107–122, hier S. 122. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 749f. Vgl. Grundmanns Denkschrift in LKAE, A 921–1, Bl. 218–241. Auszüge hiervon ebenso bei Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2. S. 750–755. LKAE, A 921–1, Bl. 221f. und Bl. 227. Es sei darauf hingewiesen, dass zu jenem Zeitpunkt die Deutsche Glaubensbewegung schon nicht mehr in der ursprünglichen Form existierte und ihr 1938 keinerlei Bedeutung mehr zukam. Ebenso war 1938 Alfred Rosenberg bereits politisch kalt gestellt. Seine politische Rückkehr 1941 als neu ernannter Minister für die besetzten Ostgebiete hatte indes keinen Einfluss mehr auf seine machtpolitische Isolierung im Inland. Zu Alfred Rosenberg vgl. auch Jürgen Matthäus/ Frank Bajohr (Hg.): Alfred Rosenberg. Die Tagebücher von 1934 bis 1944, Frankfurt/M. 2015.

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Artfremden erforderten eine grundsätzliche Erörterung ebenso wie Wahrheits- und Offenbarungsbegriff.«1006

Er hielt die eigentliche Zielsetzung des Instituts noch nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reichs« für vollkommen richtig. »Rasse« und »artgemäßes Christentum« blieben für ihn zentrale Aspekte des christlichen Glaubens. Wie etabliert noch nach Kriegsende das Denken in Rassenkategorien bleiben sollte, zeigt der Fall des Bonner Religionswissenschaftlers Gustav Mensching. In seiner 1947 erschienenen Schrift Religion, Rasse und Christentum versuchte Mensching zwar die direkte Verbundenheit von Rasse und Religion zu widerlegen, stellte aber die Kategorie »Rasse« nicht infrage, sondern nutzte diese sogar für seine Beweisführung: »Auch die andere oft vorgetragene These von dem mystischen Charakter der arischen Frömmigkeit gegenüber dem prophetischen Charakter der semitischen Religiosität ist historisch falsch; denn echte Mystik findet sich in der mongolischen Rassewelt Ostasiens (Laotse) und in der semitischen des Islams, während der erste uns bekannte große Religionsstifter Zarathustra ein Prophet war wie Mohammed und arischer Rassenherkunft.«1007

»Rasse« gehörte als Argumentationsgrundlage in breiten Teilen der Wissenschaft zur Normalität und hatte noch über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus Bestand. Dies gilt ebenso für den Antisemitismus, vor allem im Umgang mit den Thüringer Deutschen Christen. Der 1945 zum neuen Thüringer Landesbischof gewählte Moritz Mitzenheim (1891–1977) attestierte Georg Bertram und dessen Wirken während der NS-Zeit, eine Arbeit im Sinne des Evangeliums geleistet zu haben, für die Bertram Dank gebühre.1008 Mitte Dezember 1946 wandte sich überdies das Großhessische Staatsministerium bezüglich eines Spruchkammerverfahrens in Gießen an den Landeskirchenrat der Thüringer Evangelischen Kirche. In der Anfrage ging es um den Artikel eines nicht genannten Autors aus dem Jahr 1943. Der Schreiber sei aktives Mitglied des Eisenacher Instituts gewesen, weshalb das Staatsministerium eine Beurteilung zu jenem Beitrag durch die Thüringer Landeskirche erbat.1009 Die Antwort des Landeskirchenrates vom 1. Februar 1947 zeigt, dass er

1006 LKAE, A 921–1, Bl. 227f. 1007 Gustav Mensching: Religion, Rasse und Christentum. Eine religionswissenschaftliche Auseinandersetzung, Gütersloh 1947, S. 27. Zur Anpassungsbereitschaft von Gustav Mensching an den Zeitgeist des Nationalsozialismus vgl. Fritz Heinrich: Die deutsche Religionswissenschaft und der Nationalsozialismus. Eine ideologiekritische und wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung, Petersberg 2002, S. 329–337. 1008 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund, Bd. 2. S. 749. 1009 LKAE, A 921–1, Bl. 243. Der betreffende Artikel ist im Aktenbestand nicht zu finden. Bei dem Autor des Artikels könnte es sich um Bertram gehandelt haben, da dieser nach 1945 in

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mit einem nicht geringen Teil der Arbeiten des »Entjudungsinstituts« durchaus konform ging beziehungsweise dessen Ergebnisse als nicht sonderlich verwerflich ansah: »Der Verfasser des Artikels gehört, wie Sie uns mitteilen, zu den aktiven Mitarbeitern des Instituts zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben, das in Eisenach 1938 [sic!] begründet worden ist. Dieses Institut hat versucht, durch seine Vorträge und wissenschaftlichen Arbeiten eine Beurteilung des Judentums zu ermöglichen, die auf den Forschungen alttestamentlicher Gelehrter begründet war und sich tatsächlich weitgehend von der Hetzpropaganda anderer Kreise deutlich unterschied. Auch der uns vorliegende Artikel bezeugt, dass der Verfasser die ernst zu nehmende Wissenschaft gut kennt. Viele der vorgetragenen Gedanken stimmen mit dem überein, was die alttestamentliche Wissenschaft in objektiver Weise erarbeitet hat. Wir nennen nur die Unterscheidung zwischen dem Volk Israel, das um 700 v. Chr. Geburt zu Grunde gegangen ist, und der Judenschaft, die erst zur Zeit des babylonischen Exils im 6. Jahrhundert entstanden ist. Dass diese Judenschaft kein rassisch und blutmässig von anderen Nationen unterscheidbares Volk gewesen ist, sondern eine geistige Gemeinschaft, die durch Mission zahllose neue Mitglieder gewonnen hat, ist klar ausgesprochen. Es ist anzuerkennen, dass der Verfasser sich von dem Fehler frei hält, mit seiner Kritik des Judentums gleichzeitig das Christentum und die Kirchen anzugreifen. Die christliche Kirche, z. B. Luther, sieht ja auch im Judentum eine Gefahr, sofern die Ablehnung des christlichen Glaubens das Hauptmerkmal der Juden ist. Allerdings hat der Verfasser es unterlassen, seine Kritik durch eine positive Wertung der Kirche und des Christentums zu ergänzen. Er hat vor allem in dem zweiten Teil seiner Ausführungen den Eindruck entstehen lassen, dass er mit seinem Gedankengang nichts anderes im Auge habe, als den Nationalsozialisten ein gutes Gewissen zu geben. So werden richtige und wertvolle wissenschaftliche Feststellungen missbraucht. Man kann die vorliegende Arbeit [den zu bewertenden Artikel; D. S.] als gerade typisch ansehen für die ganze Arbeit des oben genannten Instituts. Man geht von Thesen aus, die wissenschaftlich begründet und völlig unpolitisch sind, zieht auch selbst nicht die politischen Konsequenzen, aber legt es dem Leser nahe, Folgerungen zu ziehen, die zu einer rechten Beurteilung des Judentums führen müssen. Der Landeskirchenrat der Thüringer evangelischen Kirche hat darum bei der Neuordnung unserer Kirche den an uns herangebrachten Gedanken, die Arbeit des Instituts auch nach dem Zusammenbruch weiter zu führen, entschieden abgelehnt, obgleich anerkannt werden musste, dass ein Teil der Veröffentlichungen des Instituts durchaus einwandfrei gewesen ist und den Charakter echter wissenschaftlicher Arbeit getragen hat. Zu den wissenschaftlichen Leistungen kann der vorliegende Artikel nicht gerechnet werden, da er durch seine Schlussausführungen den Rahmen einer wissenschaftlichen Abhandlung sprengt und, mindestens indirekt, den verderblichen Antisemitismus unterstützt, der von der Bekennenden Kirche klar abgelehnt worden ist. Hat doch die Arbeit des Instituts die Grundlage für kirchenregimentliche Anordnungen geben müssen, durch die Glieder der evangelischen Kirche, die Vorfahren jüdischen Bekenntnisses hatten, aus der kirchlichen Gemeinschaft seine vormalige Heimat Gießen zurückkehrte. Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 749.

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ausgeschlossen worden sind. Diese Massnahmen sind von den Mitarbeitern des Instituts begrüsst und gebilligt worden, während sie Luthers Haltung und dem Geiste des Neuen Testaments aufs schärfste widersprechen.«1010

Die Thüringer Landeskirche verstand nach Kriegsende die Arbeiten des vormaligen »Entjudungsinstituts« als größtenteils wissenschaftlich, nur der von der Kirchenbewegung Deutsche Christen vollzogene Ausschluss der sogenannten Judenchristen aus der christlichen Glaubensgemeinschaft wurde im Nachhinein strikt abgelehnt. Die eigentliche »Entjudung« und den offen hervortretenden Antisemitismus, den das Institut und die Thüringer Deutschen Christen in ihren Schriften verbreiteten, verurteilte die Landeskirche indes nicht, sondern rechtfertigte diesen sogar, indem sie die angebliche Gefährlichkeit des Judentums mit dem Verweis auf Luther unterstrich. Angesichts der Situation in Deutschland nach Kriegsende ist die Kontinuität derartiger Denkmuster wenig überraschend. Dies meint nicht, nationalsozialistisches Gedankengut sei weiterhin omnipräsent an deutschen Universitäten oder in den protestantischen Landeskirchen gewesen. Aber das über Jahrzehnte etablierte Denken in Rassenkategorien sowie antisemitische Vorbehalte bei nicht wenigen protestantischen Gelehrten und Kirchenführern verschwanden nicht automatisch mit dem Untergang des Hitlerregimes. Was sich jedoch änderte, war die personelle Zusammensetzung an deutschen Universitäten. Ehemalige NSDAP-Mitglieder, in der Hauptsache jene mit einem Parteieintritt vor 1933, verloren ihre Professuren, was unter anderem Walter Grundmann in Jena betraf. Allen voran in Leitungspositionen installierten die Besatzungsmächte politisch unbelastete oder zuvor verfolgte Wissenschaftler, um den angestrebten schnellen Wiederaufbau der deutschen Universitätslandschaft ermöglichen zu können. Bei der Wiederbesetzung von Professoren- und Dozentenstellen folgten die zuständigen Behörden in vielen Fällen einem pragmatischen Ansatz, galt es doch, die kriegsbedingten personellen Ausfälle zügig zu ersetzen. Doch trotz der Wiederanstellung mancher NS-affiner Professoren und Dozenten boten die Universitäten nach 1945 keinen »geistigen Nährboden [mehr] für den Nationalsozialismus«.1011 Dies lässt sich bei Johannes Leipoldt beispielhaft konstatieren: Er behielt seine Professur für Neues Testament an der Leipziger Universität und die nachträgliche Überprüfung seiner Person im Jahr 1947 kam zu dem Ergebnis, Leipoldt sei ohne Einschränkungen weiter zu beschäftigen.1012 Er gilt als typi1010 LKAE, A 921–1, Bl. 244. 1011 Joachim Scholtyseck: Stunde Null? Die deutschen Universitäten im Wiederaufbau, in: Thomas Becker (Hg.): Zwischen Diktatur und Neubeginn. Die Universität Bonn im ›Dritten Reich‹ und in der Nachkriegszeit, Göttingen 2008, S. 209–222, hier S. 217. 1012 UA Leipzig, PA 3308 (Personalakte Johannes Leipoldt), Bl. 3.

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sches Beispiel für jemanden, der sich nie offiziell der Kirchenbewegung Deutsche Christen oder der NSDAP angeschlossen hatte und deshalb, sowie seiner hohen wissenschaftlichen Reputation wegen, Mitglied des universitären Lehrkörpers nach 1945 bleiben konnte.1013 Er verschrieb sich nunmehr den neuen politischen Gegebenheiten und gründete noch im Sommer 1945 eine eigene CDU-Ortsgruppe in seiner Heimatgemeinde Großpösna bei Leipzig. Wenig später sollte Leipoldt für die CDU-Ost als Gemeindevertreter sowie Mitglied des Kreistages politisch aktiv werden, 1953 folgte die Wahl in die Volkskammer der DDR.1014 Bei den Entnazifizierungsverfahren zielten die den betreffenden Personen vorgelegten Fragebögen allein auf formale Mitgliedschaften in NS-Verbänden oder Organisationen wie den Deutschen Christen ab,1015 weshalb Personen wie Leipoldt zunächst keinerlei Konsequenzen zu fürchten hatten. Der Ausbruch des Kalten Krieges beschleunigte die Reintegration vormaliger NS-Unterstützer zusätzlich, hatten die Besatzungsmächte doch vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes nunmehr ein gesteigertes Interesse am schnellen Wiederaufbau ihrer jeweiligen Besatzungszone.1016 Dieser Umstand schlug sich unter anderem in der personellen Besetzung freigewordener Universitätsstellen mit vormaligen NS-Sympathisanten und Regimezuträgern nieder. Wenn Ulrich Herbert dies allgemein für die westdeutschen Gebiete im Bezug auf den Abbruch der Entnazifizierungsmaßnahmen ab 1947 feststellt, so lässt sich dies ebenso für vormalige Mitarbeiter des »Entjudungsinstituts« in der DDR konstatieren. Das Ministerium für Staatssicherheit begann 1956 Grundmann wegen dessen NS-Vergangenheit zu befragen und hatte hierzu seine antisemitischen und antikommunistischen Schriften in Teilen ausgewertet.1017 Zur genaueren Beurteilung ehemaliger Institutsmitarbeiter und deren ›Bearbeitung‹ versuchte das MfS sogar, die verbliebenen Institutsakten zu sichten, was aber nicht gelang.1018 Grundmann erklärte seine Bereitschaft, als »Geheimer Informant« mit dem MfS 1013 Georg Wilhelm: Die Diktaturen und die evangelische Kirche. Totaler Machtanspruch und kirchliche Antwort am Beispiel Leipzigs 1933–1958, Göttingen 2004, S. 250. 1014 Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP) – Konrad-Adenauer-Stiftung, ACDP 7-012-3101, [unfoliert] (undatierte Rede ohne Verfasserangabe im Rahmen einer Johannes-Leipoldt-Gedenkveranstaltung). 1015 Ulrich Herbert: Deutsche Eliten nach Hitler, in: Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung 8 (1999), S. 66–82, hier S. 71. Die positive Bedeutung der Entnazifizierungsverfahren unter Berücksichtigung der aktuellen Forschung bei Uta Gebhardt/ Gösta Gantner : Ritualprozess Entnazifizierung. Eine These zur gesellschaftlichen Transformation der Nachkriegszeit, Heidelberg 2004. URL: http://archiv.ub.uniheidelberg.de/volltextserver/4827 [12. 02. 2015]. 1016 Herbert: Deutsche Eliten nach Hitler, S. 72f. 1017 BStU, MfS AIM 2455/69 (GI Berg), Bestand P, Bl. 13. 1018 BStU, MfS AP 22388/92 (Grundmann), Bl. 16. Dort der handschriftliche Vermerk, dass eine Beschaffung der Institutsakten im Landeskirchenarchiv Thüringen kaum möglich sei.

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zusammenzuarbeiten. Dies ermöglichte der Staatssicherheit, die Thüringer Landeskirche, für die Grundmann inzwischen arbeitete, mit einem Netz ehemaliger Deutscher Christen und nunmehriger MfS-Zuträger zu durchsetzen.1019 Grundmann gehörte hier neben diversen ehemaligen Deutschen Christen zu jenen führenden Köpfen des sogenannten Weimarer Arbeitskreises, der die Thüringer Landeskirche auf einen loyalen Kurs zur Politik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zu bringen versuchte.1020 Das MfS sammelte ebenso Belastungsmaterial zu weiteren in der DDR verbliebenen ehemaligen Institutsmitarbeitern wie Wilhelm Koepp, Heinz-Erich Eisenhuth und Johannes Leipoldt, ohne jedoch gegen diese aufgrund deren früherer antisemitischer Schriften vorzugehen.1021 Zusammenfassend zur Integration vormaliger NS-Funktionäre und Regimeunterstützer kommt Ulrich Herbert für die Bundesrepublik Deutschland zum harschen aber berechtigten Urteil: »Gleichwohl war das Ausmaß, die Totalität der Reintegration eine politische und moralische Katastrophe, eine Verhöhnung der Opfer und die bis heute nicht überwundene Erbsünde der zweiten deutschen Demokratie.«1022

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6.1.1 Walter Grundmann Bezugnehmend auf ehemalige Institutsmitarbeiter lässt sich der Befund Herberts nicht nur auf die Bundesrepublik, sondern gleichfalls auf die DDR anwenden. Gerade die beiden Hauptagitatoren des »Entjudungsinstituts«, Walter Grundmann und Johannes Leipoldt, gehören aus heutiger Perspektive zu den einflussreichsten Theologen und Kirchenhistorikern der DDR. Dabei basierten 1019 Zu Grundmanns MfS-Tätigkeit vgl. Lukas Bormann: Walter Grundmann und das Ministerium für Staatssicherheit – Chronik einer Zusammenarbeit aus Überzeugung (1956– 1969), in: Kirchliche Zeitgeschichte. Internationale Halbjahreszeitschrift für Theologie und Geschichtswissenschaft 22 (2009), S. 595–632. 1020 Vgl. hierzu ausführlich Christian Dietrich: Der Weimarer Arbeitskreis, die Ost-CDU und der Thüringer Weg der evangelischen Landeskirche, in: epd-Dokumentation 20 (2012), S. 38–52; Christine Koch-Hallas: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen in der SBZ und Frühzeit der DDR (1945–1961). Eine Untersuchung über Kontinuitäten und Diskontinuitäten einer landeskirchlichen Identität, Leipzig 2009. Zum Weimarer Arbeitskreis speziell dort S. 333–337. 1021 Vgl. die Aktenbestände BStU, MfS – HA IX/11ZAVI 3322 A.20 sowie BStU, MfS AP 22243/ 92, in denen sich sogar Ausschnitte der Zeitschrift Verbandsmitteilungen des »Entjudungsinstituts« befinden. 1022 Herbert: Deutsche Eliten nach Hitler, S. 74.

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einige ihrer Nachkriegsschriften auf vorherigen Institutsarbeiten, die lediglich in ihrer Wortwahl eine Anpassung an die neuen politischen Gegebenheiten erfuhren. Die geplante, auf zehn Bände angelegte Institutsreihe Geschichte Jesu und des Urchristentums, an der unter anderem Rudolf Meyer, Walter Grundmann, Siegfried Morenz, Carl Schneider und Gerhard Delling mitarbeiten sollten, fand aufgrund der Kriegsentwicklung bis 1945 keine Umsetzung mehr. Im Vergleich des angedachten Aufbaus dieser mehrbändigen Institutspublikation mit dem späteren dreibändigen Standardwerk von Grundmann und Leipoldt Umwelt des Urchristentums, so fallen in der Kapitelstruktur deutliche Parallelen auf.1023 Die noch in den Institutsplanungen von 1939 angedachten Autoren der Bände standen aber nach 1945 nicht mehr für eine Mitarbeit zur Verfügung bzw. es kann davon ausgegangen werden, dass diese an einer derartigen Zusammenarbeit mit den beiden vormaligen Hauptprotagonisten des »Entjudungsinstituts« nicht mehr interessiert waren. In Grundmanns Beitrag zu Umwelt des Urchristentums ist noch immer ein versteckter Antisemitismus nachweisbar. Ebenso lässt sich beim Vergleich mit seinem Institutshauptwerk Jesus der Galiläer und das Judentum die beinhaltene, aber nunmehr sprachlich verklausulierte These der »nichtjüdischen« Abstammung Jesu belegen.1024 Darüber hinaus sah Grundmann weiterhin unter Zuhilfenahme gängiger antisemitischer Klischees wie der vermeintlich jüdischen 1023 Vergleich des angedachten Institutswerks nach LKAE, DC 219, [unfoliert] (Protokoll über die erste Tagung der Arbeitsgemeinschaft 1b am 15.07.39 in Leipzig) und dem Inhaltsverzeichnis von Johannes Leipoldt/ Walter Grundmann (Hg.): Umwelt des Urchristentums. Bd. 1: Darstellung des neutestamentlichen Zeitalters, Berlin (Ost) 1965, S. 7–9. Als Hauptinitiator und Verantwortlicher der Bände hat Grundmann zu gelten. Leipoldt stellte vielmehr seinen noch immer renommierten wissenschaftlichen Namen zur Verfügung und kümmerte sich in der Hauptsache um die Ausgestaltung des dritten Bandes Bilder zum neutestamentlichen Zeitalter, den er kurz vor seinem Tod abschließen konnte. Das dreibändige Leipoldt-Grundmann-Werk Umwelt des Urchristentums ist ab den 1960er Jahren zu einem Standardwerk der neutestamentlichen Ausbildung geworden, dessen erster Band 1990 in 8. Auflage erschien. Vgl. dazu auch Leonore Siegele-Wenschkewitz: Ablösung des Christentums vom Judentum? Die Jesus-Interpretation des Leipziger Neutestamentlers Johannes Leipoldt im zeitgeschichtlichen Kontext, in: Georg Denzler/ Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hg.): Theologische Wissenschaft im »Dritten Reich«. Ein ökumenisches Projekt, Frankfurt/M. 2000, S. 114–135, hier S. 133. 1024 In beiden Arbeiten kommt Grundmann zu dem Schluss, dass sich am Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. Juden in Galiläa hauptsächlich im Bergland ansiedelten. Walter Grundmann: Jesus der Galiläer und das Judentum, 2. Aufl., Weimar 1941, S. 166. Walter Grundmann: Das palästinensische Judentum im Zeitraum zwischen der Erhebung der Makkabäer und den Ende des Jüdischen Krieges, in: Johannes Leipoldt/ Walter Grundmann (Hg.): Umwelt des Urchristentums. Bd. 1: Darstellung des neutestamentlichen Zeitalters, Berlin (Ost) 1965, S. 143–291, hier S. 146. In Jesus der Galiläer leitete Grundmann daraus die rassisch »nichtjüdische« Abstammung Jesu ab, wie in Kap. 5.2.2 dargelegt.

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Rachsucht, einen elementaren Unterschied zwischen dem Judentum und der Botschaft Jesu,1025 was abermals auf eine Gegensatzkonstruktion hinauslief. Die Gesetzesvorschriften der jüdischen Religion brächten »den Juden zu Handlungen, die er nicht nur gegen sein Begehren, sondern auch ohne ihren Sinn zu verstehen tun muß. Das auf Gott zurückgeführte Gesetz schlägt alle Einwände nieder und dispensiert den Menschen an keiner Stelle von seiner Erfüllung.«1026

Die Negativzeichnung und Verunglimpfung des Judentums bei gleichzeitig kontrastierender Gegenüberstellung der Jesus-Botschaft suggeriert dem Leser die Überlegenheit des Christentums gegenüber dem Judentum.1027 Stellte Grundmann einen Punkt innerhalb der jüdischen Lehre einmal nicht von vornherein negativ dar, so erfolgte die Relativierung gegenüber dem Urchristentum wiederum nur wenig später : »Rabbi Aqiba erklärt das Gebot der Nächstenliebe für eine sehr wichtige Regel der Thora. […] Aber nirgends sind diese Aussagen wie bei Jesus zum Gebot schlechthin geworden, sondern sie erhalten zwar einen besonderen Akzent, stehen aber neben den anderen Bestimmungen, die die gleiche Wichtigkeit haben.«1028

Den Pharisäern attestierte er, ihren Gott als einen berechnenden Kaufmann zu verstehen1029 und die pharisäische Gesetzestreue habe »gegenüber den ›Sündern‹ unbarmherziges Aburteilen und hochmütige Überheblichkeit« geschaffen.1030 Dabei gilt zu beachten, dass in Grundmanns Nachkriegsschriften »der Pharisäer« weiterhin als Synonym für »den Juden« stand, wie Torsten Lattki herausgearbeitet hat.1031 Auch in seinem 1957 erstmals erschienenen und insgesamt dreimal neu aufgelegten Buch Die Geschichte Jesu Christi finden sich derartige Aussagen. Zunächst kritisierte Grundmann darin die Deutung von Rudolf Bultmann, der 1025 Grundmann: Das palästinensische Judentum, S. 261. 1026 Grundmann: Das palästinensische Judentum, S. 273. 1027 Ein solches Vorgehen kann als geradezu typisch für die in weiten Teilen Westeuropas schon seit dem 19. Jahrhundert etablierte historische Jesusforschung angesehen werden. Ernest Renan (1823–1892) deutete beispielsweise das Auftreten Jesu als eine Opposition gegen die alttestamentliche Intoleranz, eine Intoleranz, die selbstredend das Christentum nicht besäße. George L. Mosse: Toward the Final Solution. A History of European Racism, New York 1997 [erstmals 1978], S. 129f. 1028 Grundmann: Das palästinensische Judentum, S. 273. 1029 Grundmann: Das palästinensische Judentum, S. 274. 1030 Grundmann: Das palästinensische Judentum, S. 277. 1031 Torsten Lattki: »Das Bundesvolk kommt um im Gericht«. Der wenig verhüllte theologische Antijudaismus Walter Grundmanns in der DDR, in: Hans-Joachim Döring/ Michael Haspel (Hg.): Lothar Kreyssig und Walter Grundmann. Zwei kirchenpolitische Protagonisten des 20. Jahrhunderts in Mitteldeutschland, Weimar 2014, S. 78–92.

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den historischen Jesus als Teil der jüdischen Religionsgeschichte verstand.1032 Damit deutete er dem Leser schon zu Beginn der Lektüre an, die historische Gestalt Jesu sei getrennt von der jüdischen Religion zu betrachten. Die Darstellung der Juden zur Lebenszeit Jesu zeichnete Grundmann wie in seinen vorherigen Institutsschriften durchweg negativ. So sei der Hass der Juden gegenüber den Heiden nur durch ihren Hass zwischen den einzelnen jüdischen Gruppierungen überboten worden,1033 das gesamte Judentum also vom Hass beseelt. Zuschreibungen wie »Ehrsucht« und »Schaustellung« als Bestandteil der »orientalischen Lebenseigenarten«,1034 was nichts anderes als eine rassisch bedingte »Wesensart« der Juden meint,1035 dienten Grundmann dafür, Jesus in einen völligen Gegensatz zu derartigen negativen Eigenschaften »des Juden« zu stellen: »Dem orientalischen Menschen liegt es sehr nahe, sich zur Schau zu stellen. Wiederum wird eine Jesus eigenartige Ferne zu der Welt sichtbar, in der er lebt.«1036

In Bezug auf die Herkunft der Eltern Jesu brachte Grundmann die gleichen Argumente hervor wie in Jesus der Galiläer und das Judentum, auch wenn er nicht mehr direkt auf eine blutsmäßige, »nichtjüdische« Abstammung Jesu verwies. Dennoch führte er 1957 Argumente ins Feld, welche die Interpretation einer »nichtjüdischen« Herkunft Jesu ermöglichten. Galiläa sei »gewaltsam jüdisch« konfessionalisiert worden,1037 eine Aussage, die 17 Jahre zuvor in Jesus der Galiläer und das Judentum das Grundgerüst von Grundmanns rassischer Ahnenrekonstruktion bei Jesus bildete. Auch für eine vermeintlich »nichtjüdische« Herkunft der Jesus-Mutter Maria nutzte der Neutestamentler 1957 dieselben Gedankengänge, mithilfe derer er 1940 Jesus »entjudet« hatte. Den im Matthäus-Evangelium wiedergegebenen Familienstammbaum interpretierte er entsprechend einer »nichtjüdischen« Herkunft Marias: »Nun enthält der Stammbaum des Matthäus noch eine Besonderheit: in ihm werden außer Maria die Namen von vier Frauen genannt: Thamar, Rahab, Ruth, Bathseba. […] Den vier Frauen ist ihre nichtisraelitische Herkunft gemeinsam. Will Matthäus andeuten: auch die nicht naturhaft zum Volke Gottes gehören, sind ihm eingegliedert? Und läßt er hier bereits die ihm eigene Linie anklingen: Jesus, gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel, sendet seine Jünger, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen? Das eschatologische Gottesvolk ist aus Juden und Heiden gebildet, und darauf weisen wie eine stille Verheißung vor [sic!] die Frauen aus fremdem Stamme in Davids Ge1032 1033 1034 1035

Walter Grundmann: Die Geschichte Jesu Christi, Berlin (Ost) 1957, S. 12. Grundmann: Geschichte Jesu Christi, S. 94. Grundmann: Geschichte Jesu Christi, S. 130. Ebenso Grundmanns postulierte These, »dem Orientalen« sei es eigen, »sich zu verstellen.« Grundmann: Geschichte Jesu Christi, S. 122. 1036 Grundmann: Geschichte Jesu Christi, S. 128. 1037 Grundmann: Geschichte Jesu Christi, S. 95.

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schlecht. Ob damit zugleich begründet werden soll, daß Maria trotz ihrer galiläischen Herkunft in Davids Geschlecht eingegliedert werden kann, ist erwägenswert.«1038

Was Grundmann 1940 noch als rassische Zugehörigkeit beschrieb, formulierte er nun lediglich sprachlich um in »nicht naturhaft zum Volke Gottes gehörend« bzw. »aus fremdem Stamme«. Maria blieb weiterhin »galiläischer Herkunft«, was Grundmann 1940 als Beweis für den »nichtjüdischen« Jesus diente. Sogar die Verweise auf jene Arbeiten von Adolf Schlatter und Reinhold Seeberg, mit denen Grundmann 1940 seine These belegte, finden sich gleichlautend in seinem Jesus-Buch von 1957 wieder.1039 Was Torsten Lattki am Beispiel von Grundmanns Pharisäer-Bild als eine Negativfolie für den dazu kontrastierenden Jesus feststellt, die »Entjudung Jesu [fand] nun mit dem Nachweis seiner Eigenart auf subtilere Weise« statt,1040 lässt sich gleichlautend auf die Spekulationen über die Herkunft von Maria und Jesus übertragen: Jesus blieb in der Darstellung Grundmanns weiterhin ein »Nichtjude«. Auch wenn er nach 1945 nicht mehr explizit den Rassenbegriff verwendete, so war seine Deutung Marias nichts anderes als eine Beweisführung für deren »nichtjüdische« Herkunft, wodurch auch Jesus eine »nichtjüdische« Abstammung besäße. Die in Grundmanns Institutsschriften zentrale Annahme eines »nichtjüdischen« Jesu sollte in der Nachkriegszeit eine beachtliche Rezeption erfahren. Diese These fand beispielsweise Aufnahme in die Forschungen des 1985 gegründeten Jesus Seminar of North America.1041 Auch in der renommierten Theologischen Realenzyklopädie verzeichnet der Artikel zur Bergpredigt Jesu noch einen Literaturhinweis auf Walter Grundmann aus dem Jahr 1939.1042 Die darin angeführte Schrift war dessen Antrittsvorlesung an der Universität Jena und entstand im Zusammenhang mit Grundmanns Jesus-Forschungen. Sie erschien innerhalb der Publikationsreihe der Kirchenbewegung Deutsche Christen und hatte die vermeintlich unüberbrückbare Gegensätzlichkeit von Jesus und dem Judentum zum Inhalt, mit der Grundmann am Beispiel der Bergpredigt versuchte, Jesus aus dem jüdischen Kontext zu lösen.1043 In dem Einführungswerk Einleitung in das Neue Testament von Paul Feine (1859–1933), das nach Bearbeitung von Johannes Behm (1883–1948) 1950 in 1038 Grundmann: Geschichte Jesu Christi, S. 402. 1039 Vgl. Walter Grundmann: Jesus der Galiläer und das Judentum, 2. Aufl., Weimar 1941, S. 196 sowie Grundmann: Geschichte Jesu Christi, S. 402. 1040 Lattki: »Das Bundesvolk kommt vor Gericht«, S. 91. Hervorhebungen im Original. 1041 Bruce Chilton/ Craig A. Evans: Jesus Seminar, in: Craig A. Evans (Hg.): Encyclopedia of the historical Jesus, New York London 2008, S. 333–335, hier S. 333. 1042 Gerhard Barth: Bergpredigt, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 5, Berlin New York 1980, S. 603–618, hier S. 616. 1043 Walter Grundmann: Die Frage der ältesten Gestalt und des ursprünglichen Sinnes der Bergrede Jesu, Weimar 1939.

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9. Auflage nochmals neu aufgelegt wurde, lassen sich in den einzelnen Kapiteln gleichfalls Angaben auf Grundmanns Schriften aus der Zeit des »Dritten Reichs« nachweisen. Der Abschnitt ›Apostelgeschichte‹ verzeichnet dessen 1938 publizierten Artikel Das Problem des hellenistischen Christentums innerhalb der Jerusalemer Urgemeinde als weiterführende Literaturempfehlung. In jenem Artikel von 1938 löste Grundmann die aus seiner Sicht ›wahre‹ christliche Urgemeinde vollständig aus dem jüdischen Gesamtkontext heraus.1044 Obwohl er 1945 die Professur in Jena aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft verlor, gehörte Grundmann spätestens seit dem Ende der 1950er Jahre zu den angesehensten Theologen in der DDR.1045 Zunächst als Hilfspfarrer tätig, erhielt er ab 1950 wieder eine eigene Pfarrstelle in Thüringen. Vier Jahre später berief ihn die Thüringer Landeskirche zum Rektor des Katechetenseminars in Eisenach, 1974 erfolgte die Ernennung zum Kirchenrat.1046 Neben seiner Dozententätigkeit an der Kirchlichen Hochschule Naumburg wirkte er zusätzlich als Dozent am lutherischen Theologischen Seminar in Leipzig.1047 Zudem gehörte Grundmann 1956 zum engeren Kreis potentieller Nachfolger für die freigewordene Professur des altersbedingt pensionierten Johannes Leipoldt in Leipzig. Die Berufung Grundmanns zerschlug sich letztendlich aus Gründen, die bislang noch nicht gänzlich geklärt werden konnten.1048

1044 Paul Feine: Einleitung in das Neue Testament, 9. Aufl., neu bearb. von Johannes Behm, Leipzig 1950, S. 75. Die 8. Auflage ist bereits 1936 erschienen, sodass erstmals in der Nachkriegsneubearbeitung Grundmanns Artikel als Literaturempfehlung Aufnahme fand. Behm attestierte Grundmann lediglich zur Christen-Juden-Deutung des Johannes-Evangeliums eine »schiefe Betrachtung«, ohne dem Leser näher zu erläutern, was darunter zu verstehen sei. Vgl. Feine: Einleitung in das Neue Testament, S. 277. 1045 Chistoph Schmitt: Walter Grundmann, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 26, Nordhausen 2006, Sp. 536–544. Dort die Angaben zu Grundmanns umfangreichen Nachkriegsveröffentlichungen. Zu Grundmanns Wirken nach 1945 vgl. ebenso die verschiedenen Hinweise bei Wolfgang Schenk: Der Jenaer Jesus. Zu Werk und Wirken des völkischen Theologen Walter Grundmann und seiner Kollegen, in: Peter von der Osten-Sacken (Hg.): Das mißbrauchte Evangelium. Studien zur Theologie und Praxis der Thüringer Deutschen Christen, Berlin 2002, S. 167–279. 1046 Arnhold: »Entjudung« – Kirche im Abgrund. Bd. 2, S. 802. 1047 Schmitt: Walter Grundmann. 1048 UA Leipzig, NA Lau 128, Bl. 162. Grundmann gab selbst an, sich nicht auf jene Stelle beworben zu haben und auch kein Interesse daran zu besitzen, vermerkte aber ebenso, dass er an den Berufungsverhandlungen teilgenommen habe. UA Leipzig, NL Lau 128, Bl. 186.

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6.1.2 Johannes Leipoldt Im Gegensatz zu Walter Grundmann kehrte Johannes Leipoldt 1945 ungehindert auf seine universitäre Position zurück. Neben seiner politischen Karriere1049 repräsentierte Leipoldt 1955 zusammen mit Siegfried Morenz und Walter Baetke die DDR auf dem 8. Internationalen Kongress der Religionsgeschichte.1050 Darüber hinaus wurde er am 15. September 1958 als ordentliches Mitglied in die Sächsische Akademie der Wissenschaften aufgenommen und im Mai 1959 zum korrespondierenden Mitglied der Soci8t8 d’Archeologie Copte in Kairo ernannt.1051 In Leipoldts Nachkriegsschriften finden sich jene antisemitischen Stereotype, mit denen er schon seit Mitte der 1920er Jahre argumentiert hatte. Für den ersten Band des Reallexikons für Antike und Christentum verfasste er den Beitrag Antisemitismus und bediente darin jene Negativbilder über das »geldversessene Judentum«, mit denen die NS-Propaganda die Ausgrenzung von Juden rechtfertigte. »Das palästinensische Judentum widmete sich wohl zumeist dem Landbau, solange es hier geschlossene jüdische Gemeinden gab (Gleichnisse Jesu vom Acker- und Weinbau). […] Aber in der Zerstreuung wurden die Juden mehr und mehr Handwerker u[nd] Träger reiner Finanzberufe (zB. Steuerpächter). Vielleicht darf man sogar annehmen, daß die Wurzeln dieser Entwicklung in Palästina liegen; es fällt auf, daß die jüdische Frömmigkeit sich das Verhältnis zwischen Gott u[nd] Mensch gern wie eine Verhandlung unter Kaufleuten vorstellt; […]. Anscheinend nützten die Juden ihr finanzielles Übergewicht bald u[nd] unbedenklich aus; […].«1052

Ferner würden die Juden nach politischer Macht streben, was den Antisemitismus in der Antike befördert habe. Weil die frühen Christen kein politisches Machtstreben besaßen, erhoben sich gegen diese auch keine antisemitischen Ausfälle, so Leipoldt.1053 Er suggerierte damit dem Leser, das gesamte Judentum 1049 Leipoldt war zwischen 1953 und 1963 Volkskammerabgeordneter für die CDU-Ost, erhielt den Vaterländischen Verdienstorden der DDR in Silber und Gold und gehörte 1953 der DDR-Delegation des Weltfriedensrates in Wien an. Zu Letzterem der Artikel [o. A.]: Wiener Delegation empfangen, in: NEUE ZEIT, 9. Jg., Nr. 280, 02. 12. 1953, S. 1. 1050 Christian Espig: Religionswissenschaft, in: Ulrich von Hehl/ Uwe John/ Manfred Rudersdorf (Hg.): Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009, Bd. 4/1, Leipzig 2009, S. 458–480, hier S. 469. 1051 Die letzten beiden Angaben nach Archiv der Sächsischen Akademie der Wissenschaften [SAW], PA Johannes Leipoldt, [unfoliert]. In der für Leipoldts Akademieaufnahme zusammengestellten Bibliographie sind alle Monographien aufgenommen, die Leipoldt für das »Entjudungsinstitut« verfasste. Archiv SAW, PA Leipoldt, [unfoliert]. 1052 Johannes Leipoldt: Antisemitismus, in: Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt, Bd. 1, Stuttgart 1950, Sp. 469–476, hier Sp. 472. 1053 Leipoldt: Antisemitismus, Sp. 473f.

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strebe schon seit rund 2.000 Jahren nach Macht und Geld und trage dadurch selbst die Verantwortung für das Aufkommen des Antisemitismus. Als weiterführende Literatur zum antiken Antisemitismus verzeichnete Leipoldt obendrein sein eigenes antisemitisches Machwerk Antisemitismus in der alten Welt von 1933 sowie Carl Schneiders 1940 erschienene Hetzschrift Das Frühchristentum als antisemitische Bewegung.1054 In dem von Leipoldt allein gestalteten dritten Band von Umwelt des Urchristentums existieren ebenso derartige Zuschreibungen bezüglich des Judentums. Zunächst stellte Leipoldt lediglich fest, dass »auch fern von Jerusalem […] große, schöne Synagogen [entstanden], nicht nur in Alexandria, sondern z. B. in Dura am Euphrat, einem Städtchen, das zeitweise ein Mittelpunkt des Handelsverkehrs war.«1055

Auf der darauffolgenden Seite zog Leipoldt mit dem Verweis auf jene Synagoge von Dura die für ihn allgemeingültige Schlussfolgerung: »Bauten der Juden in der Zerstreuung sind öfters nachgewiesen und beweisen die finanzielle Kaufkraft dieses Judentums.«1056

Umwelt des Urchristentums war – zumindest was die Intention und die Beiträge von Grundmann und Leipoldt anbelangt – die Umsetzung jenes im Eisenacher Institut angedachten mehrbändigen Opus magnum, das den Gegensatz von Christentum und Judentum sowie die »nichtjüdischen« Wurzeln des Christentums beweisen sollte. Die Grundmann-Leipoldt-Sammelbände avancierten seit ihrem Erscheinen Mitte der 1960er Jahre zum Standardwerk der theologischen Ausbildung,1057 was allein die mehrfache Neuauflage verdeutlicht. Noch heute gehören sie, bezogen auf die Entstehungsgeschichte des Urchristentums, in der Fachwelt zum zitierbaren Forschungskanon.1058 Umwelt des Urchristentums ist ein Beispiel dafür, dass die »NS-Judenforschung« in ihrer eigentlichen Programmatik noch über das Jahr 1945 hinaus Bestand hatte.1059

1054 Leipoldt: Antisemitismus, Sp. 476. 1055 Johannes Leipoldt/ Walter Grundmann (Hg.): Umwelt des Urchristentums. Bd. 3: Bilder zum neutestamentlichen Zeitalter. Ausgewählt und erläutert von Johannes Leipoldt, 4. Aufl., Berlin (Ost) 1976, S. 46. 1056 Leipoldt/ Grundmann (Hg.): Umwelt des Urchristentums. Bd. 3, S. 47. 1057 Siegele-Wenschkewitz: Ablösung des Christentums vom Judentum?, S. 133. 1058 Vgl. beispielhaft die Angabe der drei Bände im Bereich Allgemeine Bibliographie bei Hans-Josef Klauck: Die religiöse Umwelt des Urchristentums II. Herrscher- und Kaiserkult, Philosophie, Gnosis, Stuttgart Berlin Köln 1996, S. 14f. Es sei bemerkt, dass im Rahmen dieser Arbeit lediglich die Beiträge von Grundmann und Leipoldt in Umwelt des Urchristentums analysiert wurden. 1059 Weitere Beispiele von Publikationen der NS-Judenforschung, die erst nach 1945 veröffentlicht wurden, bei Dirk Rupnow : Antijüdische Wissenschaft im ›Dritten Reich‹ – Wege,

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6.1.3 Carl Schneider Carl Schneider gelang es nach 1945, sein antisemitisches Verständnis vom Christentum erfolgreich publizistisch zu verbreiten. Weil das vormalige Ostpreußen 1945 an Polen und die Sowjetunion fiel, konnte Schneider nicht mehr auf seinen Lehrstuhl an der Königsberger Universität zurückkehren und siedelte sich im westlichen Teil des geteilten Deutschlands an. Zwar erhielt er aufgrund seiner noch bestehenden Kontakte einen Ruf an eine amerikanische Universität, zog es aber vor, in den Dienst der Landeskirche der Pfalz einzutreten. Dort zeichnete er sich unter anderem verantwortlich für die wissenschaftliche Weiterbildung von Pfarrern und Religionslehrern. Ferner leitete er die Evangelische Akademie in Neustadt an der Weinstraße sowie das Kulturamt der Stadt Speyer.1060 Auch wenn er nach Kriegsende keine Professur mehr bekleidete, führte er zeitlebens die Selbstbezeichnung als Professor und erhielt später an der Mainzer Universität den Status eines Emeriti.1061 Er beteiligte sich aber weiterhin an der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem antiken Christentum und veröffentlichte 1954 das zweibändige, fast 1.000 Seiten umfassende Werk Geistesgeschichte des antiken Christentums, das 1970 und 1978 nochmals als gekürzte Sonderausgabe unter dem Titel Geistesgeschichte der christlichen Antike erschien. Ähnlich wie Leipoldt und Grundmann nutzte Schneider nach 1945 die sich nun bietende Möglichkeit, seine bereits angefangenen Arbeiten für das »Entjudungsinstitut« abzuschließen. Annette Merz macht deutlich, dass Schneiders Nachkriegswerk bezüglich Methode, Struktur und Inhalt direkt auf den Arbeiten basierte, die er für den Neutestamentlichen Arbeitskreis des »Entjudungsinstituts« erstellte.1062 Neben Umwelt des Urchristentums von Grundmann und Leipoldt ist Schneiders Geistesgeschichte des antiken Christentums als zweite große Publikation des Eisenacher Instituts anzusehen, die zu einem Zeitpunkt erschien, als das Institut selbst nicht mehr existierte. Genau wie Grundmann nach 1945 definierte Schneider in Geistesgeschichte des antiken Christentums Jesus noch immer nicht als Juden, weshalb Annette Probleme und Perspektiven der Forschung, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts 5 (2006), S. 539–598, hier S. 562–564. 1060 Alfred Heuß: Carl Schneider, in: Gnomon. Kritische Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft 50 (1978), S. 95–99, hier S. 96–98. 1061 Annette Merz: Philhellenism and Antisemitism: Two Sides of One Coin in the Academic Writings of Carl Schneider, in: Kirchliche Zeitgeschichte 17 (2004), S. 314–330, hier S. 315. 1062 Merz: Philhellenism and Antisemitism, S. 327–330. Wie Alfred Heuß als Freund von Schneider in dessen Nachruf schreibt, stellte Schneider noch vor Kriegsende den ersten Entwurf seiner antiken Christentumsdeutung vor. Vgl. Heuß: Carl Schneider, S. 97. Es besteht kein Zweifel daran, dass Schneider dieses Werk zunächst als Institutsschrift plante und aufgrund der Kriegsereignisse letztendlich erst 1954 veröffentlichte.

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Merz zu Recht schlussfolgert, Schneider habe in dem Buch die »Entjudung« des Christentums einfach weitergeführt.1063 Die Feststellung von Merz, das Judentum fungiere bei Schneider als negatives Gegenstück zu Jesus und dem Urchristentum,1064 lässt sich auch anhand der 1970 erschienenen Version bestätigen. Darin bescheinigte Schneider dem Judentum zur Zeit des Römischen Reichs eine Weltmachtstellung, die erst das Christentum beendete.1065 »Von Wichtigkeit war, daß es in allen Kreisen Juden gab, daß sie einerseits in Literaten-, Finanz- und Schauspielerkreisen ungeheuren Einfluß gewannen, andererseits auch in den untersten Schichten zu finden waren, »sie handeln sogar mit Glasscherben«, sagt Martial [Martialis Valerius; D. S.]. Ihr politischer Einfluß geht oft über Frauen, denn seit dem Buch Esther finden wir den Typus der Jüdin an den Höfen.«1066

Weltmachtstreben, Beherrschung des Finanz- und Handelswesens sowie die verdeckte politische Einflussnahme über verschiedene Kanäle fungieren in diesem Zusammenhang als Zuschreibungen, mithilfe derer schon vor der Zeit des »Dritten Reichs« die Gefährlichkeit »des Juden« sichtbar gemacht werden sollte und die scheinbar noch in den 1970er Jahren funktionierten. Schneider bediente sich zugleich des Vorurteils der jüdischen »Blutsucht« zur Darstellung des »jüdischen Wesens«: »Im Kampf mit den Nichtjuden sind sie im großen wie im kleinen hemmungslos. […] Die Greuel der Juden im kyreneischen Aufstand sind in der Antike einmalig: sie baden sich im Blut der erschlagenen Griechen, machen Gürtel aus ihren Eingeweiden und kleiden sich in ihrer Haut. […] Es überrascht, daß der Jude den Götzendienst verbietet, aber, wie wir aus vielen Zeugnissen wissen, einen schwunghaften Handel mit heidnischen Devotionalien, Orakeln und Horoskopen treibt, daß er griechische Wissenschaft Schweinezucht nennt, aber sie ausschreibt.«1067

»Der Jude« als handelndes, blutdürstendes Monster wird zum Negativentwurf gegenüber dem Christentum. So kommt Schneider zu dem Ergebnis, den »Kampf zwischen Christentum und Judentum hat das Judentum angefangen.«1068 Genau wie in diversen Arbeiten des »Entjudungsinstituts« propagierte Schneider 1970 abermals die Gegensätzlichkeit des »guten«, griechisch beeinflussten Christentums gegen die vermeintliche Verwerflichkeit des Judentums. Dies ermöglichte es Schneider, zeitlebens die Ansicht zu vertreten, das einzig »wahre« und »wirkliche« Christentum sei aus dem antiken griechischen Einfluss ent1063 1064 1065 1066 1067

Merz: Philhellenism and Antisemitism, S. 326f. Merz: Philhellenism and Antisemitism, S. 326. Carl Schneider : Geistesgeschichte der christlichen Antike, München 1970, S. 328. Schneider: Geistesgeschichte der christlichen Antike, S. 328. Schneider: Geistesgeschichte der christlichen Antike, S. 328. Im Original in Teilen hervorgehoben. 1068 Schneider: Geistesgeschichte der christlichen Antike, S. 330. Hervorhebung im Original.

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standen.1069 Die mehrfache Neuauflage von Schneiders Buch zeigt einmal mehr, dass derartige Ansichten über den »judenfreien« Ursprung des Christentums sowie die angebliche Verderbtheit »des Juden« einen breiten Leserkreis fanden.1070 Die Feststellung von Dirk Rupnow, bei der nationalsozialistischen »Judenforschung« sei es zu einem Bruch im Bereich der personellen Kontinuitäten gekommen, das heißt, dass Akteure der »Judenforschung« nach Kriegsende nicht mehr über jüdische Geschichte arbeiteten,1071 lässt sich für einen Teil der vormaligen Mitarbeiter des Eisenacher »Entjudungsinstituts« nicht bestätigen. Wird die nationalsozialistische »Judenforschung« breiter verstanden, als Erforschung und Negativ-Zeichnung des Judentums gegenüber dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand, so ist ein differenzierteres Urteil zu fällen. Ein Teil der ehemaligen Institutsmitarbeiter forschte weiterhin zur Aufarbeitung des Urchristentums und den politischen wie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen während seiner Entstehungszeit. Die bewusste Negativzeichnung des Judentums diente hierbei als Gegenstück zum durchweg positiv gedeuteten Christentum.

6.2

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6.2.1 Gerhard Delling Nicht jeder ehemalige Institutsmitarbeiter, der nach 1945 im wissenschaftlichen Sektor tätig blieb, gebrauchte jedoch weiterhin derartig antisemitische Argumentationsweisen. Gerhard Delling kann als ein solches Beispiel gelten. Dieser ging nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in Dänemark an die 1069 So noch positiv hervorgehoben im Nachruf auf Schneider. Heuß: Carl Schneider, S. 99. Entsprechend muss der Feststellung von Frank Hennecke widersprochen werden, dass bei Schneiders Hellenisierung des Christentums nach 1945 der antisemitische Ursprung nicht mehr zur Sprache kam. Frank Hennecke: »Der Krieg ist der Vater aller Dinge«, in: Frank Hennecke/ Erwin Radek/ Paul Schröder (Hg.): Gymnasium und Welt. Eine Festschrift, Ludwigshafen am Rhein 2014, S. 272–283, hier S. 283. 1070 Ebenso die Deutung von Merz: Philhellenism and Antisemitism, S. 327. Es ist indes zu erwähnen, dass sich bereits nach Erscheinen von Schneiders Buch 1954 durchaus kritische Stimmen erhoben, wobei der offen artikulierte Antisemitismus Schneiders nicht Gegenstand der Kritik war. Vgl. Hermann Langerbeck: Rezension zu Carl Schneider: Geistesgeschichte des antiken Christentums, in: Gnomon. Kritische Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft 28 (1956), S. 481–501. 1071 Dirk Rupnow : »Pseudowissenschaft« als Argument und Ausrede. Antijüdische Wissenschaft im »Dritten Reich« und ihre Nachgeschichte, in: Dirk Rupnow u. w. (Hg.): Pseudowissenschaft. Konzeptionen von Nichtwissenschaftlichkeit in der Wissenschaftsgeschichte, Frankfurt/M. 2008, S. 279–307, hier S. 295.

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Universität Greifswald, wo er zunächst Lehraufträge für das Neue Testament wahrnahm. 1948 erfolgte ebenfalls in Greifswald die Habilitation über den Gottesdienst im Neuen Testament, zu der Johannes Leipoldt das Gutachten verfasste.1072 Aufgrund seiner Mitgliedschaft bei den Deutschen Christen verweigerte das zuständige Ministerium Delling zunächst die Ernennung zum Dozenten.1073 Erst als staatliche Stellen der DDR beabsichtigten, den Hallenser Professor für Neues Testament und CDU-Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt, Erich Fascher (1897–1978) politisch zu entmachten, ergab sich eine neuerliche Karrierechance für Delling. Fascher musste nach Greifswald wechseln, dafür erhielt Delling, der in Greifswald ohnehin kaum Fürsprecher besaß, Faschers Lehrstuhl in Halle/Saale. Fascher selbst war zwischen 1933 und 1936 Mitglied der Thüringer Deutschen Christen und Spitzel für den Sicherheitsdienst der NSDAP. Nach 1945 engagierte er sich für die CDU-Ost, für die er im Landesparlament von Sachsen-Anhalt in den ersten Nachkriegsjahren einflussreiche Ämter übernahm. Mitte der 1950er Jahre wechselte Fascher von Greifswald an die Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin und erklärte 1957, kurz bevor er das Amt des Fakultätsdekans übernahm, seine Bereitschaft, mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammenzuarbeiten, da ihn das MfS mit seiner NS-Vergangenheit konfrontierte. Auch wenn Fascher selbst Mitte der 1930er Jahre mit den Thüringer Deutschen Christen brach, so stand er in den Nachkriegsjahren weiterhin in gutem Kontakt mit ehemaligen DC-Größen wie Walter Grundmann.1074 Im September 1952 erhielt Delling, trotz Bedenken des Staatssekretariats für Hochschulwesen, die Stelle eines Professors mit vollem Lehrauftrag. Ab 1955 zeichnete er sich verantwortlich für die Aufarbeitung des Corpus Hellenisticum in Halle,1075 1958 übernahm er die kommissarische Leitung des Instituts für Spätantike Religionsgeschichte, 1963 erfolgte die Ernennung zu dessen Direktor. Auch international erlangte Delling durch seine umfangreichen Nachkriegsforschungen Ansehen, was sich unter anderem in der 1966 erfolgten Aufnahme in die Studorium Novi Testamenti Societas widerspiegelt.1076 In der DDR avan1072 UA Halle, Rep. 11, PA 24781, [unfoliert] (Theologische Fakultät Greifswald an das Ministerium für Volksbildung Mecklenburg vom 21. 06. 1948). 1073 Vgl. die verschiedenen Briefwechsel in UA Halle, Rep. 11, PA 24781, [unfoliert]. 1074 Gerhard Besier : Kommunistische Religionspolitik und kirchlicher Neuanfang 1945–46, in: Hartmut Mehringer/ Michael Schwartz/ Hermann Wentker (Hg.): Erobert oder befreit? Deutschland im internationalen Kräftefeld und die Sowjetische Besatzungszone (1945/46), München 1999, S. 121–145, hier S. 136–138. 1075 Vgl. Manfred Lang: Geschichte des Corpus Hellenisticum, Halle/S. 2015. URL: http:// www.theologie.uni-halle.de/nt/corpus-hellenisticum/226905_226910/ [14. 03. 2015]. 1076 Alle Angaben aus UA Halle, Rep. 11, PA 24780, [unfoliert]. Walter Grundmann gehörte seit 1938 der Studorium Novi Testamenti Societas an und blieb trotz seiner antisemitischen

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cierte Delling letztendlich zu einem der führenden Exegeten und bildete eine Reihe von Wissenschaftlern aus, welche die universitäre Theologie in der DDR bzw. in den neuen Bundesländern nachhaltig prägten.1077 Auch wenn Delling »in den Anfangsjahren seiner wissenschaftlichen Arbeit in der Beurteilung des Judentums nicht gänzlich frei war von einem Einfluß des Geistes seiner Zeit«, wie es sein Schüler Traugott Holtz noch 2008 diplomatisch umschrieb,1078 erregten seine vor 1945 getätigten, teils antisemitischen Äußerungen, in der späteren Beurteilung seiner fachlichen Kompetenz keinerlei Kritik.

6.2.2 Rudolf Meyer Rudolf Meyer kam für seine wissenschaftliche Nachkriegskarriere zugute, dass er sich aufgrund seines Kriegseinsatzes kaum publizistisch für das »Entjudungsinstitut« einbrachte. Auch wenn sein Buch Der Prophet aus Galiläa nicht im direkten Kontext des Eisenacher Instituts entstand, so deutete Meyer selbst sein Werk als einen Beitrag für die Darstellung des historischen Jesu im Verständnis des Instituts. Seine darin getätigten Interpretationen bezüglich der historischen Figur Jesu und dessen Stellung zum Judentum treten erst deutlich hervor, wenn das Buch im Zusammenhang mit anderen Institutsschriften gelesen wird. Da eine solche Kontextualisierung bis dato nicht stattfand, wird Der Prophet aus Galiläa noch heute in Literaturempfehlungen zur Geschichte des historischen Jesu verzeichnet.1079 Selbst wenn das Buch keine derart antisemitischen und rassisch-argumentierenden Tendenzen aufweist wie jene Werke von Grundmann, Leipoldt und Carl Schneider, so war es ein weiterer Baustein zur Konstruktion eines »nichtjüdischen« Jesu. Schriften sowie seines Bekenntnisses zum Nationalsozialismus bis zu seinem Tod Mitglied dieser internationalen Neutestamentler-Vereinigung. Zu Grundmann und die Studorium Novi Testamenti Societas vgl. Lukas Bormann: ›Auch unter politischen Gesichtspunkten sehr sorgfältig ausgewählt‹: Die ersten deutschen Mitglieder der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) 1937–1946, in: New Testament Studies 58 (2012), S. 416–452. 1077 Cilliers Breytenbach: Perspektiven der Erforschung des Diasporajudentums und frühen Christentums. Zum Gedenken des 100. Geburtstags Gerhard Dellings, in: Berliner Theologische Zeitschrift 23 (2006), S. 99–115, hier S. 111. 1078 Traugott Holtz: Gerhard Delling, in: Cilliers Breytenbach/ Rudolph Hoppe (Hg.): Neutestamentliche Wissenschaft nach 1945. Hauptvertreter der deutschsprachigen Exegese in der Darstellung ihrer Schüler, Neukirchen-Vluyn 2008, S. 177–186. Eine umfangreiche Würdigung von Dellings Arbeiten, allen voran jenen aus der Zeit nach 1945, bei Traugott Holtz: Zum wissenschaftlichen Lebenswerk von Gerhard Delling (1905–1986), in: Wolfgang Kraus/ Karl-Wilhelm Niebuhr (Hg.): Frühjudentum und Neues Testament im Horizont Biblischer Theologie, Tübingen 2003, S. 345–360. Der Artikel basiert auf einem Vortrag aus dem Jahr 1987. 1079 Vgl. Gerd Theisen/ Annette Merz: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, 2. durchges. Aufl., Göttingen 1997, S. 125.

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Wie in Kapitel 5.2.3 angedeutet, gibt es keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, Meyer sei im »Dritten Reich« aus politischen Gründen eine universitäre Karriere verweigert worden. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft1080 ergab sich für ihn eine vollkommen neue Situation, die es Meyer doch noch ermöglichen sollte, seine universitäre Laufbahn fortzusetzen. Am 1. Oktober 1946 erhielt er eine Anstellung als wissenschaftlicher Assistent am Neutestamentlichen Seminar der Leipziger Universität. Dass seitens der Theologischen Fakultät auf Meyer zurückgegriffen wurde, verdankte dieser Johannes Leipoldt, der sich einmal mehr für seinen Schüler einsetzte.1081 Mitte Januar 1947 stieg Meyer zum Privatdozenten auf, bevor er im gleichen Jahr dem Ruf auf den Lehrstuhl für Altes Testament und Rabbinische Literatur nach Jena folgte, eine Professur, die Meyer bis zu seiner Emeritierung 1975 ausfüllte.1082

6.2.3 Siegfried Morenz Da Siegfried Morenz selbst publizistisch nicht für das »Entjudungsinstitut« in Erscheinung trat und er sich nach Kriegsende schwerpunktmäßig der Ägyptologie zuwandte, ergaben sich für ihn in der Nachkriegszeit weniger Anknüpfungspunkte, auf seine Ausarbeitungen für das »Entjudungsinstitut« zurückzugreifen. Die in Kapitel 5.2.4 dargelegten wenigen Nachkriegskontinuitäten von Morenz’ Institutsverstrickungen, wie den Heiligen Schriften von 1953, sind wohl weniger aus Überzeugung entstanden. Vielmehr wird Morenz die Loyalität sowie das in den ersten Nachkriegsjahren noch bestehende Abhängigkeitsverhältnis gegenüber seinem Lehrer Johannes Leipoldt zu einer solche Zusammenarbeit bewogen haben. Morenz selbst stieg in der Nachkriegszeit zu einem der bedeutendsten Ägyptologen seiner Zeit auf. Bereits Ende 1946 erhielt er den Ruf auf den freigewordenen Lehrstuhl für Altes Testament in Jena, den er allerdings ablehnte. Erst durch diese Absage von Morenz erhielt Rudolf Meyer überhaupt die Gele1080 Die Entlassung Meyers aus der Kriegsgefangenschaft erfolgte auf Betreiben von Johannes Leipoldt. Auf Leipoldts Initiative bat die Leipziger Universitätsleitung den württembergischen Landesbischof Theophil Wurm (1868–1953), sich bei der amerikanischen Besatzungsmacht für Meyer einzusetzen. UA Leipzig, PA 222 (Personalakte Rudolf Meyer), Bl. 2f. 1081 UA Leipzig, PA 222 (Personalakte Rudolf Meyer), Bl. 1. (Schreiben Leipoldt an den Dekan der Theologischen Fakultät vom 29. 06. 1946). Leipoldt bezeichnete darin Meyer als Antifaschisten und nannte als Zeugen für eine solche Einschätzung Siegfried Morenz. 1082 Waltraut Bernhardt: Rudolf Meyer 1909–1991, in: Rudolf Meyer: Beiträge zur Geschichte von Text und Sprache des Alten Testaments. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Waltraut Bernhardt, Berlin New York 1993, S. 1–6, hier S. 2. In dem Artikel auch weiterführende Angaben zum wissenschaftlichen Wirken von Meyer nach 1945.

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genheit, als Professor in Jena tätig zu sein. 1952 übernahm Morenz die Professur für Ägyptologie in Leipzig und führte als Direktor die Ägyptologische Abteilung der Berliner Staatlichen Museen.1083 In Anerkennung für letztere Funktion verlieh ihm die DDR den Nationalpreis 3. Klasse.1084 Mit seinen Nachkriegsarbeiten zur hellenistischen Geistesgeschichte sowie zum frühen Christentum in koptischer Ausprägung gehörte Morenz in den 1950er und 1960er Jahren zu den Koryphäen auf diesen Gebieten, auch wenn sein Schüler Ulrich Luft zu dem Urteil kommt, die Beiträge Morenz’ zur hellenistischen Geistesgeschichte hätten nur ein geringes Echo gefunden.1085 Die über die Grenzen der DDR hinausreichende Anerkennung als Wissenschaftler dokumentiert nicht nur die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen 1959,1086 sondern ebenso der 1961 erfolgte Ruf auf den Lehrstuhl für Ägyptologie und Religionsgeschichte der Universität Basel.1087 Dass die DDR-Wissenschaftsverwaltung Morenz erlaubte, die Leipziger Professur gleichzeitig mit jener in der nichtsozialistischen Schweiz auszufüllen – ein einmaliger Vorgang in der DDR-Wissenschaftsgeschichte – ist entweder mit der Hoffnung politischer Funktionäre zu erklären, den Querulanten Morenz endgültig loszuwerden.1088 Eine andere Möglichkeit für das Einräumen derartiger Sonderkonditionen ist, dass versucht wurde, Morenz aufgrund seines internationalen Renommees unbedingt als Professor in der DDR zu halten. Morenz drohte seit den 1950er Jahren mehrfach gegenüber staatlichen Stellen, dem erfolgten Ruf nach München zu folgen, wenn man ihn in seiner Leipziger Arbeit einschränke.1089 Letztere Deutung ist eher plausibel, unter anderem auch, weil Morenz 1966 »mit einem auf Ministerratsbeschluß üppig vergüteten Einzel-

1083 Thomas Schneider: Ägyptologen im Dritten Reich. Biographische Notizen anhand der sogenannten Steindorff-Liste, in: Journal of Egyptian History 5 (2012), S. 120–247, hier S. 219. 1084 UA Leipzig, PA 2937 (Personalakte Siegfried Morenz), Bl. 121. 1085 Ulrich Luft: Siegfried Morenz’ Beitrag zur hellenistischen Geistesgeschichte, in: Rainer Flasche/ Fritz Heinrich/ Carsten Koch (Hg.): Religionswissenschaft in Konsequenz. Beiträge im Anschluß an Impulse von Kurt Rudolph, Münster 2000, S. 127–133, hier S. 131. 1086 UA Leipzig, PA 2937 (Personalakte Siegfried Morenz), Bl. 184. Da Morenz innerhalb der DDR-Administration als »Nicht-Marxist« äußerst umstritten war, wurde ihm eine 1958 zugedachte Ehrendoktorwürde der Universität Jena versagt. Ilko-Sascha Kowalczuk: Legitimation eines neuen Staates. Parteiarbeiter an der historischen Front. Geschichtswissenschaft in der SBZ/DDR 1945 bis 1961, Berlin 1997, S. 296. 1087 UA Leipzig, PA 2937 (Personalakte Siegfried Morenz), Bl. 192. Darüber hinaus ernannte ihn das Tschechoslowakische Ägyptologische Institut Prag 1965 zum Ehrenmitglied. Archiv SAW, PA Morenz, [unfoliert]. 1088 So die Deutung von Ilko-Sascha Kowalczuk: Legitimation eines neuen Staates, S. 297. 1089 BStU, MfS AP 20278/92, Bl. 3. In dieser von der Leipziger Bezirksverwaltung der Staatssicherheit angefertigten Einschätzung auch mehrfache Hinweise auf Morenz’ ›reaktionäre‹ Haltung.

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vertrag« ausgestattet und ihm die Möglichkeit eingeräumt wurde, jederzeit nach Ägypten und in westliche Länder reisen zu können.1090 Morenz ging soweit, sich beim Minister für Staatssicherheit Erich Mielke (1907–2000) persönlich über die zu langen Auslieferungszeiten der an ihn gerichteten Postsendungen aus der Bundesrepublik zu beschweren.1091 Aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 und seiner offen vorgetragenen Kritik am DDR-Wissenschaftssystem entschloss sich Morenz 1969, zusammen mit seiner Familie gänzlich in die Schweiz auszuwandern.1092 Sein plötzlicher Tod am 14. Januar 1970 verhinderte diese Absicht.

6.2.4 Hans Heinrich Schaeder Hans Heinrich Schaeder zog es mit Kriegsende vor, in jene Teile des besetzten Deutschlands überzusiedeln, die unter westalliierter Kontrolle standen. Sein im »Dritten Reich« offen kommunizierter Hass auf den »asiatischen Osten« und dessen Kommunismus dürften es ihm unmöglich gemacht haben, weiter an der Berliner Universität wirken zu wollen, die fortan im sowjetisch kontrollierten Sektor Berlins lag.1093 Schon mit Wiedereröffnung der Göttinger Universität im Herbst 1945 hielt er dort erste Lehrveranstaltungen und übernahm zum 1. Dezember 1945 die Professur für orientalische Philologie und Religionsgeschichte. In seinem Nachruf auf Hans Heinrich Schaeder bezeichnete Omeljan Pritsak jene Göttinger Zeit von Schaeder als eine Periode »des Niedergangs«.1094 Der abermalige militärische Zusammenbruch Deutschlands schien Schaeder mit seiner nationalkonservativen, rassistischen Prägung zutiefst bedrückt zu haben, sodass er sich mit den neuen Gegebenheiten nur schwer arrangieren konnte. Schaeder soll in einer Vorlesung

1090 Kowalczuk: Legitimation eines neuen Staates, S. 297. 1091 BStU, MfS AS 390/80 Bd. 93, Bl. 2–4. Trotz seiner konfrontativen Haltung überwachte die Staatssicherheit Morenz nicht systematisch. 1092 Archiv SAW, PA Morenz, [unfoliert]. Darin die Rede von Morenz vor der Philologisch-historischen Klasse der Sächsischen Akademie der Wissenschaften vom 19. 04. 1969, in der er die »geistige Desorientierung« der DDR-Kulturwissenschaften anprangerte. Darin ebenso der Brief Morenz’ an den Präsidenten der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, in welchem er sich zum Rücktritt als Vizepräsident der Akademie bereit erklärt, wenn er im Gegenzug dafür in die Schweiz aussiedeln dürfe. 1093 Aufgrund der Kriegsentwicklungen siedelte Schaeder schon im Februar 1945 von Berlin nach Braunschweig über. UA Göttingen, Rek. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Lebenslauf vom 6. 10. 1947). 1094 Omeljan Pritsak: Hans Heinrich Schaeder, in: Zeitschrift der Morgenländischen Gesellschaft 108 (1958), S. 21–40, hier S. 36.

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»die nationalen Instinkte der Studenten so stark aufgerufen [haben], daß es sechsmal zu leidenschaftlichen Beifallsäußerungen der Zuhörer gekommen ist, und andere Studenten den Aussprüchen nur mit größter Sorge gefolgt sind.«1095

Dass sich Dekanat und Rektorat mit derartigen Fällen auseinanderzusetzen hatten, offenbart, welche Wellen Schaeder mit seinen Äußerungen schlug. Genau wie in seinem persönlichen Kreuzzug während des »Dritten Reichs« versuchte Schaeder unmittelbar in den ersten Nachkriegsjahren wieder, fernab seines eigentlichen wissenschaftlichen Betätigungsfeldes öffentlich in Erscheinung zu treten, was aber nunmehr zunehmend auf Missfallen stieß. Eine Notiz in Schaeders Personalakte vom 8. November 1946 gibt deutlich dessen Agieren in jener Zeit wieder : »In einer persönlichen Besprechung teilt der Herr Dekan der Philosophischen Fakultät dem Rektor mit, dass er bereits vor etwa 6 Wochen dem Professor H.H.Schaeder eindringlich nahe gelegt habe, sich bei seinen öffentlichen Vorträgen die allergrößte Zurückhaltung aufzuerlegen, da sonst nicht zu vermeiden sei, dass ihn ein totales Redeverbot betreffen könne. Mitte September hat der Senat das Ansuchen des Prof. H.H.Schaeder auf Ueberlassung der Aula für eine Vortragsreihe, die nach Meinung des Senats nicht in das engere Fachgebiet Professors Schaeders fällt (es sollte sich um Vorträge über Nietschke [sic!], Rudolf Steiner und Oswald Spengler handeln), abgelehnt. […] Am 13.9.46 hat der Rektor in einer persönlichen Aussprache mit Staatsminister Adolf Grimme in Bad Driburg seine grossen [sic!] Besorgnis wegen des zum Teil unverständlichen Verhaltens des Prof. H.H.Schaeder Ausdruck verliehen und von der Möglichkeit eines Rede- und Vorlesungsverbotes gesprochen. Es kam in diesem Gespräch insbesondere zum Ausdruck, dass Professor Schaeder mehr und mehr sich von seinem eigentlichen Fachgebiet entfernt und in sehr subjektiver, unwissenschaftlicher Weise sich mit allen möglichen Problemen vor der Oeffentlichkeit beschäftigt. Der Minister Grimme äusserte darauf demRektor [sic!], dass er befürchte, er werde die grösste Mühe haben, im Fall eines Konfliktes Prof.Schaeder in seiner Position halten zu können.«1096

Jenes in der Aktennotiz angedeutete Redeverbot für Schaeder sollte aufgrund von dessen weiteren Ausfällen kurze Zeit später folgen. Im Herbst 1946 hielt er einen öffentlichen Vortrag in Bremen, an dem auch Vertreter der lokalen Politik sowie der amerikanischen Militärverwaltung teilnahmen. Schaeder protestierte auf der Bühne lautstark gegen die Entlassung des Philosophen Hinrich Knittermeyer (1891–1958)1097 und polemisierte gegen Sozialdemokraten sowie Bri-

1095 UA Göttingen, Rek. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Brief des Dekans der Philosophischen Fakultät an den Rektor der Göttinger Universität vom 8. 06. 1946). 1096 UA Göttingen, Rek. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Aktennotiz vom 8. 11. 1946). 1097 Zu Knittermeyer vgl. Thomas Miller : Hinrich Knittermeyer, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 20, Nordhausen 2002, S. 864–867.

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ten.1098 Anschließend berichteten mehrere Zeitungen über Schaeders Auftritt, woraufhin Beschwerden aus London, Stockholm und Berlin die Göttinger Universität erreichten.1099 Schaeder selbst machte für diese Reaktionen »ausschließlich nichtsachverständige Kreise der SPD« verantwortlich.1100 Da er bereits seit seiner Ankunft in Göttingen mehrfach negativ auffiel, zwang der Bremer Vortrag die Vertreter von Besatzungsmacht und Universitätsleitung endgültig, den Professor bei Weiterbezug seines vollen Gehalts zu suspendieren.1101 Die Suspendierung blieb bis zum Abschluss des Entnazifizierungsverfahrens bestehen. Die Überprüfungskommission zu Schaeders Rolle im NS-Staat kam Mitte 1947 zu dem Ergebnis, gegen eine weitere Beschäftigung des Orientalisten in Göttingen bestünden keine Bedenken.1102 Wie Walter Grundmann verstand Schaeder sein Wirken im »Dritten Reich« als Widerstand, da »seine Veröffentlichungen in der Zeit des 3.Reiches in der DAZ, im Reich sowie in der Jugendzeitschrift ›Führung und Geleit‹ niemals gegen ihn ausgewertet werden könnten, sondern seine stärksten Dokumente für seinen unausgesetzten Kampf gegen das Regime darstellten.«1103

Pritsak deutet den vollständigen Staatszusammenbruch 1945 sowie das anschließende Redeverbot als Beginn eines schleichenden Niedergangs des Wissenschaftlers Hans Heinrich Schaeder, wobei das Nicht-Akzeptieren-Können einer sowjetischen Herrschaft über Teile Deutschlands noch hinzugerechnet werden muss. »[Diese] Erlebnisse haben bei ihm einen depressiven Zustand hervorgerufen, zu dem sich organische Leiden hinzugesellten. Davon konnte er sich nicht mehr befreien.«1104

Schaeder scheiterte innerlich an den neuen gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten Deutschlands der Nachkriegszeit, denen er sich nicht anpassen konnte und wollte. Er vermochte es dementsprechend auch nicht mehr, inner1098 UA Göttingen, Rek. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Bericht Prof. Dr. Entholt vom 11. 11. 1946). 1099 UA Göttingen, Rek. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Aktennotiz vom 8. 11. 1946). 1100 UA Göttingen, Rek. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Aktennotiz vom 11. 11. 1946). 1101 UA Göttingen, Kur. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Brief des amerikanischen Control Officers an den Rektor der Universität Göttingen, undatiert). UA Göttingen, Rek. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Brief Dekan der Philosophischen Fakultät Göttingen an den niedersächsischen Kultusminister vom 21. 04. 1947). 1102 UA Göttingen, Kur. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Mitteilung des Military Government Control Center). 1103 UA Göttingen, Rek. PA Schaeder, Hans Heinrich, [unfoliert] (Bericht Prof. Dr. Entholt vom 11. 11. 1946). Die zitierte Passage basierte auf einem Gespräch zwischen Entholt und Schaeder. 1104 Pritsak: Hans Heinrich Schaeder, S. 37.

Brüche mit der Programmatik des »Entjudungsinstituts«

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halb seiner eigentlichen Forschungsschwerpunkte neue Erkenntnisse zu veröffentlichen.1105 Delling, Morenz und Meyer konnten hingegen aufgrund ihres noch jungen Alters, ihrer geringen publizistischen Aktivitäten für das »Entjudungsinstitut«1106 sowie des anfangs bestehenden Fachkräftemangels an deutschen Universitäten ihre begonnenen Wissenschaftskarrieren nahtlos fortsetzen. Hinzu kam die immer noch gute Vernetzung mit Johannes Leipoldt, der allen drei Nachwuchswissenschaftlern mit Gutachten oder Universitätspositionen half. Carl Schneider verließ hingegen die universitäre Welt, bereitete aber seine zuvor erarbeiteten Forschungsergebnisse für das »Entjudungsinstitut« auf, die als Geistesgeschichte des antiken Christentums einen beachtlichen publizistischen Erfolg hatten. Leipoldt und Grundmann wiederum besaßen einerseits genug Opportunismus, um sich in die neuen Gegebenheiten des »real existierenden Sozialismus« der DDR einzugliedern. Andererseits setzten sie ihre Arbeiten zum Urchristentum ungehindert fort, unterließen darin aber offen formulierte rassistische Argumentationen. Dies änderte aber nichts an der fortbestehenden Grundintention ihrer Forschungen, einen größtmöglichen Gegensatz zwischen Christentum und Judentum zu konstruieren und letztendlich darüber eine »Entjudung« des Christentums zu ermöglichen. Angesichts der in den Grundmann-Leipoldt-Nachkriegsschriften vollzogenen Herausstellung hellenistischer Einflüsse auf das Urchristentum, bei gleichzeitiger Marginalisierung des jüdischen Kontexts, und der Aussage Leipoldts vor 1945, die antiken Griechen seien »Arier« gewesen, so besteht kein Zweifel, dass beide die Idee eines »arischen« Christentums weit über das Ende des »Dritten Reichs« hinaus pflegten.

1105 Pritsak: Hans Heinrich Schaeder, S. 37. Dort sind mehrere Projekte von Schaeder aus der Nachkriegszeit genannt, die unbearbeitet blieben. 1106 Anfangs konnte nicht auf Akten, sondern fast ausschließlich nur auf gedruckte Schriften zurückgegriffen werden.

7.

Resümee

»Entjudung« – dieses Wort spiegelt die todbringenden Gedanken wider, mit denen die Nationalsozialisten gegen Menschen jüdischen Glaubens bzw. Angehörige einer vermeintlich »jüdischen Rasse« vorgingen. »Entjudung« beschrieb im »Dritten Reich« die Verdrängung von Juden aus dem öffentlichen Leben, sei es durch Berufsverbote, Enteignungen, Deportationen oder der »Endlösung der Judenfrage«. Im Reichsgesetzblatt tauchte der Begriff für alle Bürger nachlesbar im Zusammenhang mit der »Arisierung« jüdischer Geschäfte auf.1107 Auch im alltäglichen Sprachgebrauch wurde »Entjudung« zur Kenntlichmachung der Vertreibung von Juden und anschließenden »Zurverfügungstellung« des vormals jüdischen Besitzes zugunsten deutscher »Volksgenossen« benutzt.1108 Das Eisenacher Institut wollte eine derartige »Entjudung« für das Christentum vollziehen, wie Walter Grundmann in seinem Vortrag zur feierlichen Eröffnung festhielt. Es wäre diesbezüglich ein großer Fehler, den Aufstieg der Thüringer Deutschen Christen und deren Institutsgründung ausschließlich mit den politischen Erfolgen der Nationalsozialisten zu erklären. Zweifelsohne förderte der ab 1929 einsetzende Aufstieg von Hitlers Partei gleichzeitig die Akzeptanz der Kirchenbewegung Deutsche Christen innerhalb protestantischer Kreise. Und wie dargestellt, bedurfte es ab 1933 immer erst eines staatlichen Agierens zur Entrechtung von Juden, auf das die Thüringer Deutschen Christen reagierten. Das NS-Regime betrieb auf staatlicher Ebene die schrittweise »Lösung der Judenfrage« und die Kirchenbewegung übertrugen die staatlichen Maßnahmen anschließend auf ihren kirchlichen Machtbereich, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit oder staatliche Erwartungshaltungen vorlagen. Sie »arbeiteten dem Führer entgegen« (Ian Kershaw), um selbst an der Gestaltung

1107 Karl-Heinz Brackmann: NS-Deutsch. »Selbstverständliche« Begriffe und Schlagwörter aus der Zeit des Nationalsozialismus, Straelen 1988, S. 64. 1108 Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin New York 1998, S. 191.

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Resümee

des »Dritten Reichs« mitzuwirken. Zu einem »judenfreien« Deutschland gehörte ein »judenfreier« Glauben, so die Vorstellung. Es ist aber ebenso festzuhalten, dass nicht ausschließlich die Attraktivität des Nationalsozialismus den Aufstieg der Thüringer Deutschen Christen bedingte. Bei den Reichstagswahlen vom 6. November 1932 verlor die NSDAP gegenüber der Wahl von Juli 1932 reichsweit rund 2 Millionen Stimmen. Ähnliches lässt sich für den prozentualen Wählerzuspruch zeigen, vergleicht man die Reichstagswahlen von November 1932, die Thüringer Landtagswahlen vom 31. Juli 1932 sowie die Stadt- und Kreisratswahlen in Thüringen vom 4. Dezember 1932.1109 Die Nazi-Partei brach in der Wählergunst zunehmend ein,1110 was nicht zuletzt darin seine Ursache hatte, dass viele Wähler, die zuvor der NSDAP aus Protest und nicht aus ideologischer Überzeugung ihre Stimme gaben, sich ab der zweiten Jahreshälfte 1932 wieder von der Partei abwendeten.1111 Bei der Wahl von Hitlers Partei nahm das Protestpotenzial eine gewichtige Rolle ein, welches ebenso schnell wieder verloren gehen konnte. Die Stimmenabgabe zugunsten einer extremistischen Organisation als Protestmöglichkeit, »es denen da oben einmal zu zeigen«, kann indes bei Wahlen zu Kirchenvertretungen weniger als Hauptmotivation angenommen werden. Ein Kirchenparlament hatte nicht die Möglichkeit, Dinge des weltlichen Alltags grundlegend neu zu gestalten. Die Institution Kirche hatte sich weiterhin im Rahmen staatlicher Gesetze zu bewegen und konnte überdies keine grundlegenden Veränderungen in der eigenen Verfassung – sprich der religiösen Lehre – vornehmen. Für einen nicht geringen Anteil der Wähler der Kirchenbewegung Deutsche Christen ist anzunehmen, dass die Stimmenabgabe zugunsten der Leffler-Leutheuser-Gruppe nicht aus bloßem Protest, sondern aus Überzeugung erfolgte.1112 Auch wenn die Anlehnung an den Nationalsozialismus durch die Stilisierung Hitlers als den von Gott gesandten Retter groß war, offerierte die Kirchenbewegung ein eigenes Glaubensprogramm und dieses politisierte Reformpro1109 Der Vergleich von Reichstagswahlen und den Kommunalwahlen in Thüringen bei Walter B. Simon: Motivation of a Totalitarian Mass Vote, in: The British Journal of Sociology 10 (1959), S. 338–345, hier S. 339f. 1110 Vgl. hierzu die Statistiken bei Guido Dressel: Quellen zur Geschichte Thüringens. Wahlen und Abstimmungsergebnisse 1920–1995, Erfurt 1995, S. 108–133. 1111 Simon: Motivation of a Totalitarian Mass Vote. 1112 Ähnliche Wahlergebnisse wie in Thüringen lassen sich für die Glaubensbewegung Deutsche Christen bei den preußischen Kirchenwahlen im November 1932 nachweisen, was die breite Akzeptanz eines politisierten, genuin deutschen Christentums unterstreicht. Die Angaben zur preußischen Kirchenwahl nach Ernst Wolf: Volk, Nation, Vaterland im protestantischen Denken von 1933 bis zur Gegenwart, in: Horst Zilleßen (Hg.): Volk – Nation – Vaterland. Der deutsche Protestantismus und der Nationalismus, Gütersloh 2 1970, S. 172–212, hier S. 176.

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gramm wirkte durchaus attraktiv auf nicht wenige Protestanten. Die Schwerpunktverlagerung von einem jenseitsbezogenen Erlösungsglauben sowie einer verwissenschaftlichten Religionslehre hin zu einem praxisaffinen, diesseitsbezogenen Tatchristentum, kombiniert mit einem radikalen Antisemitismus, bot genügend Attraktivität, der Kirchenbewegung Deutsche Christen zu folgen. Vor allem der deutsch-christliche Antisemitismus knüpfte an den schon länger bestehenden, latenten Judenhass in der deutschen Bevölkerung an. Teile der protestantischen Theologen- und Pfarrerschaft bestärkten diesen nochmals seit Beginn des 20. Jahrhunderts, was der späteren Anziehungskraft der Thüringer Deutschen Christen einen zusätzlichen Vorschub leistete. Die Initiierung des Eisenacher »Entjudungsinstituts« stellte folglich lediglich den Endpunkt einer Entwicklung dar, die schon weit vor 1933 eingesetzt hatte. Ohne die Machtübernahme Hitlers sowie die Schaffung eines totalitären Staates wäre die deutsch-christliche Entwicklung mit Sicherheit anders verlaufen. Doch das »Dritte Reich« und die propagandistische Stilisierung der »Volksgemeinschaft« als Ausschlussinstrumentarium von »Anderen« bzw. »(Volks-)Fremden« bildeten den entsprechenden gesellschaftlichen Akzeptanzraum, innerhalb dessen das Christentum »entjudet« werden konnte. Dies geschah allein auf freiwilliger Basis, ohne staatlichen Zwang oder einer existentiellen Gefahr für das Fortbestehen des Protestantismus in Deutschland.1113 Personen wie Leipoldt und Grundmann nutzten zwar die neuen Möglichkeiten, die ihnen der NS-Staat und dessen antisemitische Staatsdoktrin boten. Sie agierten aber ebenso in der Tradition einer schon länger in Deutschland bestehenden protestantischen Glaubensvorstellung, die den Antisemitismus als Teil der eigenen Religionslehre beinhaltete.1114 Es ist zu kurz gegriffen, die Thüringer Deutschen Christen ausschließlich als Nationalsozialisten im Talar deuten zu wollen. Auf der einen Seite speiste sich ihre Lehre aus einem radikalen Antisemitismus, der im Protestantismus der 1920er Jahren aufgrund von Weltkriegsniederlage und Zusammenbruch der Staat-Kirche-Verbindung einen erneuten Aufschwung erfuhr.1115 Auf der anderen Seite ist die Kirchenbewegung als eine radikale christliche Reformbewegung 1113 Dass das Christentum keiner existentiellen Gefahr durch den Nationalsozialismus ausgesetzt war, verdeutlicht schon allein die große Anzahl an Kirchenneubauten im »Dritten Reich«. Vgl. hierzu mit weiterführender Literatur Friedrich Weber/ Charlotte Methuen: The Architecture of Faith under National Socialism. Lutheran Church Building(s) in Braunschweig 1933–1945, in: The Journal of Ecclesiastical History 66 (2015), S. 340–371. 1114 Robert P. Ericksen: Complicity in the Holocaust. Churches and Universities in Nazi Germany, Cambridge 2012, S. 124. 1115 Vgl. Martin Greschat: Die Nachwirkungen des Stoeckerschen Antisemitismus in der Weimarer Republik, in: Martin Greschat: Protestanten in der Zeit. Kirche und Gesellschaft in Deutschland vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, hg. v. Jochen-Christoph Kaiser, Stuttgart Berlin Köln 1994, S. 67–98.

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zu verstehen, welche die bisherigen kirchlich-protestantischen Normen und Dogmen zugunsten vermeintlicher urchristlicher Werte ersetzten wollte. Dies wiederum hatte im deutsch-christlichen Selbstverständnis zwangsläufig eine »völkische« Ausrichtung des Christentums zur Folge. Eine solche religiöse Neunormierung orientierte sich an den gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen in Deutschland der späten 1920er Jahre sowie am nationalprotestantischen Überlegenheitsgefühl des 19. Jahrhunderts. Es ging letztendlich um eine ›richtige‹ Interpretation des protestantisch christlichen Glaubens, den die Thüringer Deutschen Christen als eine Gegenbewegung zum Judentum sowie als eine deutsch-nationale Religion verstanden.1116 Eine solche (Um-)Interpretation bedurfte aber nicht nur einer bloßen theologischen Neuauslegung. Ein fast 2.000 Jahre alter christlicher Glauben bzw. die 400jährige protestantische Lehre konnte nicht einfach mithilfe neuer Glaubensaussagen abgelöst werden. Die »völkische« Neuausrichtung des Christentums benötigte vielmehr einen wissenschaftlichen Nachweis für das Erkennen der angeblich wahren Glaubenslehre Jesu. Peter L. Berger und Thomas Luckmann weisen in ihrer Theorie zur gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit darauf hin, dass der Legitimierung von allen, auch religiösen Werten, das Wissen über diese Werte vorausgeht.1117 Die Schaffung von Wissen zur vermeintlichen Richtigkeit einer ursprünglichen Jesus-Intention diente der Kirchenbewegung dementsprechend als Grundlage, die christlichen Werte und Normen neu auslegen zu können. Für eine solche Schaffung von neuem Wissen über die christliche Urlehre benutzten die Protagonisten des »Entjudungsinstituts« historische sowie philologische Nachweise und nannten jene Arbeitsmethode Religionswissenschaft, in direkter Abgrenzung zur klassischen Theologie. Die Neuinterpretation des christlichen Glaubensinhalts bedurfte also zuerst einer neuen Wissensgrundlage über die Entstehung des Christentums und die eigentliche Intention des Religionsstifters. Daran anknüpfend wurde zur Erzeugung eines solchen neuen Wissens eine Wissenschaftsmethode benötigt, die sich von der bisherigen wissenschaftlichen Glaubensauslegung, sprich der Theologie, grundlegend unterschied und mit einer gewissen »Objektivität« in Verbindung zu bringen war. Jene, in dieser Arbeit als Theologisch-Völkische Religionswissenschaft be1116 Zur (Re-)Konstruktion von religiösen Normen vgl. Michael A. Schmiedel: Die Konstruktion von religiöser Normativität. Überlegungen anhand religionsgeschichtlicher, kognitionswissenschaftlicher und biologischer Befunde, in: Oliver Krüger (Hg.): Nicht alle Wege führen nach Rom. Religionen, Rituale und Religionstheorie jenseits des Mainstreams. Festschrift für Karl Hoheisel zum 70. Geburtstag, Frankfurt/M. 2007, S. 228–246. 1117 Peter L. Berger/ Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, 25. Aufl., Frankfurt/M. 2013 [Erstveröffentlichung 1966], S. 100.

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zeichnete Disziplin, diente letztendlich dem Nachweis der Richtigkeit des deutsch-christlichen Glaubensbildes. Gleichzeitig übernahm sie in der Eigenwahrnehmung die Funktion einer ›objektiv-wissenschaftlichen‹ Abgrenzung gegenüber der als ›unwissenschaftlich‹ angesehenen, althergebrachten Universitätstheologie. Eine noch junge akademische Disziplin wie die Religionswissenschaft, die in den 1940er Jahren keine inhaltlich klare und allgemein anerkannte Selbstdefinition besaß, konnte problemlos als eine solche ›objektive‹ Wissenschaft instrumentalisiert werden. Im heutigen Fachverständnis würde die vorurteilsbehaftete Arbeitsweise jener Theologisch-Völkischen Religionswissenschaft zweifelsohne nicht einmal mehr die Bezeichnung Wissenschaft führen. Sie kannte ihre Ergebnisse bereits bei Untersuchungsbeginn und hatte die ›Richtigkeit‹ der Annahmen lediglich noch nachzuweisen. Für die erste Hälfte der 1940er Jahre gehörte sie aber zum breiten und äußerst heterogenen Spektrum religionswissenschaftlicher Forschungen. Deshalb ist es notwendig, jene Theologisch-Völkische Religionswissenschaft als Teil der Fachgeschichte im Kontext totalitärer Machtstrukturen zu verstehen. Es sollte vermieden werden, ein heutiges Fachverständnis auf die Vergangenheit zu projizieren und daraus abzuleiten, was als integraler Bestandteil der Fachgeschichte zu gelten habe. Das Beispiel Rudolf Meyer macht überdies deutlich, welch fehlerhafte Einschätzungen entstehen können,1118 wenn ausschließlich Schriften eines Mitarbeiters des »Entjudungsinstituts« analysiert werden, ohne diese in einen Zusammenhang zur Institutsprogrammatik zu stellen. Des Weiteren muss die gegenseitige Legitimation Beachtung finden, derer sich die Mitarbeiter des Eisenacher Instituts untereinander bedienten. Die Bücher der Kollegen besprach man in Rezensionen sehr wohlwollend und machte die Schriften damit einem breiteren Fachpublikum zugänglich. Zusätzlich integrierten die immer wieder getätigten Verweise auf andere Institutsausarbeitungen das gesamte Forschungsprogramm in die Wissenschaftslandschaft.1119 So nutzte Walter Grundmann im ersten Kapitel seines Buches Aufnahme und Deutung der Botschaft Jesu im Urchristentum fast ausschließlich – neben seinen eigenen – die

1118 Ich beziehe mich auf die Aussage von Roland Deines: Jesus der Galiläer. Traditionsgeschichte und Genese eines antisemitischen Konstrukts bei Walter Grundmann, in: Roland Deines/ Volker Leppin/ Karl-Wilhelm Niebuhr (Hg.): Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich, Leipzig 2007, S. 43–131, hier S. 85. Vgl. dazu auch Kap. 5.2.3 dieser Arbeit. 1119 Kurt Meier verweist zu Recht darauf, dass die Mitarbeit bekannter Forscher das Eisenacher »Entjudungsinstitut« innerhalb der Wissenschaft »salonfähig« gemacht habe. Kurt Meier : Die Deutschen Christen. Das Bild einer Bewegung im Kirchenkampf des Dritten Reiches, Halle/S. 1964, S. 293.

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Institutswerke von Johannes Leipoldt zur Untermauerung seiner Annahmen.1120 Indem Grundmann Leipoldts Institutsschrift als unumstößliche Basis für sein eigenes Buch gebrauchte, legitimierte er gleichzeitig Leipoldts Werk in dessen wissenschaftlicher Aussagekraft.1121 Nachwuchswissenschaftler und Pfarrer in Ausbildung, die kostengünstig die Institutspublikationen erhielten, stießen somit in Form von Anmerkungen und Fußnoten immer wieder auf Erzeugnisse aus dem Eisenacher Institut. Die antisemitische Intention, die allen Institutsarbeiten zugrunde lag, reproduzierte sich dadurch von selbst. Die gegenseitige Bestätigung ließ den unkritischen Leser in dem Glauben, derartige »Tatsachen« entsprächen dem aktuellen Stand der Forschung. Nachdem die wissenschaftliche Konstruktion des Gegensatzes von Christentum und Judentum einmal bewiesen war, bauten viele weitere Institutsschriften auf derartigen Denkmodellen auf und bestätigten im Umkehrschluss wiederum die zuvor geleisteten Arbeiten. Dass namhafte Professoren derartige »Fakten« für ihre eigene Argumentation benutzten, dürfte die Akzeptanz zusätzlich verstärkt haben. Die Theologisch-Völkische Religionswissenschaft ermöglichte nicht nur die »Entjudung« Jesu und des Christentums auf Grundlage wissenschaftlicher Beweisführungen. Mit ihr ließen sich zusätzlich vermeintliche Zusammenhänge von Christentum und »indo-germanischer Kultur« herstellen. Hans Heinrich Schaeder konstruierte eine solche rassisch-kulturelle Zusammengehörigkeit mit dem antiken Persien,1122 auch wenn Schaeders Arbeiten der 1940er Jahre nicht als direkte Ergebnisse seines Institutsengagements gelten können. Das Beispiel Schaeder verdeutlicht aber die Außenwirkung des »Entjudungsinstituts« über den eigentlichen deutsch-christlichen Einflussbereich hinaus: Er nutzte für seine eigene politische Agenda gezielt das Eisenacher Institut, um seine historischen, kulturellen und rassistischen Deutungen zum Mittleren Osten sowie zur »Ostgrenze Europas« zu verbreiten. Das »Entjudungsinstitut« fand dementsprechend auch außerhalb des deutsch-christlichen Agitationsraums Beachtung. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte sich ein derart gut vernetzter und international anerkannter Wissenschaftler wie Schaeder nicht dem Eisenacher Institut als Redner und Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, zumal er das Glaubensbild der Thüringer Deutschen Christen keineswegs teilte. Einen weiteren Beleg für die Akzeptanz des »Entjudungsinstituts« als For1120 Walter Grundmann: Aufnahme und Deutung der Botschaft Jesu im Urchristentum, Weimar 1941, S. 13–34. 1121 Institutsarbeiten wurden in den meisten Fällen durch die Nennung der Institutsschriftenreihe gekennzeichnet, was dem Leser den Zusammenhang verdeutlichte. 1122 Ludmila Hanisch: Akzentverschiebung – Zur Geschichte der Semitistik und Islamwissenschaft während des »Dritten Reiches«, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 18 (1995), S. 217–226, hier S. 221f.

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schungseinrichtung liefert der Ausschlussprozess »nicht-deutschblütiger« Kirchenmusiker aus dem Dienst der preußischen Landeskirche. Das 1940 erschienene Lexikon der Juden in der Musik listete 19 »Juden« und »Halbjuden« auf, die in der Vergangenheit als Kirchenmusiker für evangelische Landeskirchen arbeiteten. Ein internes Gutachten des Berliner Evangelischen Oberkirchenrats von Ende 1941 kam zu dem Ergebnis, eine derart geringe Zahl mache deutlich, »wie judenrein sich die Kirchenmusik gehalten hat.«1123 Dieses Gutachten sandte der Evangelische Oberkirchenrat an das Reichskirchenministerium, an Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in dessen Funktion als Präsident der Reichskulturkammer, an das Leitungsgremium der Deutschen Evangelischen Kirche und eben an das Eisenacher »Entjudungsinstitut«.1124 Die ersten drei Adressaten sind mit einer internen Kirchenhierarchie sowie der Staat-Kirchen-Kommunikation zu erklären, nicht aber die Weiterleitung an das Eisenacher Institut. Vielmehr – so ein naheliegender Erklärungsansatz für diesen Vorgang – kannte und schätzte der Oberkirchenrat die Institutsforschungen und wollte diese mithilfe des weitergeleiteten Gutachtens zusätzlich unterstützen. Die »Entjudung« des Christentums, aus welchen Beweggründen sie auch erfolgen mochte, stellt aber keine Singularität für die Zeit des Nationalsozialismus dar. In der jüngeren protestantischen Kirchengeschichte lassen sich immer wieder Gedanken und Versuche finden, die jüdischen Wurzeln des Christentums zu negieren und damit einhergehend das Alte Testament als etwas »Fremdes« darzustellen. Wie in Kapitel 6.1 skizziert, konnten Grundmann, Leipoldt und Schneider eine subtile Judenfeindlichkeit im Rahmen ihrer theologischen und religionsgeschichtlichen Forschungen nach 1945 ungehindert weiter verbreiten, ohne damit ansatzweise auf Kritik zu stoßen. Noch im 21. Jahrhundert existieren derartige Ansichten, auch wenn diese nunmehr massive Ablehnung erfahren. 2013 veröffentliche der Berliner Systematische Theologe Notger Slenczka einen Aufsatz, in welchem er die Bedeutung des Alten Testaments für den christlichen Glauben grundlegend infrage stellte. Slenczka vertritt darin die Meinung, »dass das AT [Alte Testament] in der Tat […] eine kanonische Geltung in der Kirche nicht haben sollte.«1125 Zwar erkennt 1123 Zitiert nach Hans Huchzermeyer : »Judenreine« Kirchenmusik. Elimination der »nichtarischen« evangelischen Kirchenmusiker aus Reichsmusikkammer und Kirchendienst im Dritten Reich, in: Preußenland. Jahrbuch der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landeskunde 5 (2014), S. 147–185, hier S. 181. 1124 Huchzermeyer : »Judenreine« Kirchenmusik, S. 181. 1125 Notger Slenczka: Die Kirche und das Alte Testament, in: Elisabeth Gräb-Schmidt (Hg.): Das Alte Testament in der Theologie, S. 83–119, hier S. 83. Die Evangelische Akademie Bad Boll veranstalte am 23. Februar 2015 eine Tagung unter Beteiligung Slenczkas mit dem Titel Braucht die Evangelische Kirche noch das Alte Testament? Zu einer neu eröffneten theologischen Debatte.

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er den jüdischen Ursprung der christlichen Religion an, versteht aber das Alte Testament nur als das »Dokument einer Religionsgemeinschaft, die mit der Kirche nicht identisch ist.« Daraus ergibt sich für Slenczka die Konsequenz, dass »das ATals Grundlage einer Predigt, die einen Text als Anrede an die Gemeinde auslegt, nicht mehr geeignet [sei]: Sie – die christliche Kirche – ist als solche in den Texten des AT nicht angesprochen.«1126

Es soll an dieser Stelle nicht Slenczkas Argumentation, sondern lediglich dessen Schlussfolgerung bewertet werden. Teils religionshistorisch argumentierend, sieht er keine heilsgeschichtliche Kontinuität zwischen Altem und Neuem Testament. Vielmehr handele es sich beim Alten Testament um »fremde Texte«, woraus sich ergebe: »Wenn jemand ernsthaft die Texte des Alten Testaments in ihrer Gänze liest und überschaut, wird er oder sie sich nur in engen Grenzen dazu imstande sehen, sie als Ausdruck des Gottverhältnisses zu lesen und zu verstehen, das sein christlich-religiöses Bewusstsein ausspricht und das er in den Texten des NT [Neues Testaments] wiedererkennen und begründet sehen kann.«1127

»Fremd« dient einmal mehr als eine Negativzuschreibung für etwas, dessen sich ein ›wahrer Christ‹ nicht annehmen könne, weil das »Fremde« jüdisch ist. Zumal die Bezeichnung »fremd« »niemals nur eine wertfreie Feststellung, sondern allemal auch Programm [ist]«, wie Micha Brumlik zutreffend bemerkt.1128 Auch wenn Slenczka nicht vorgeworfen werden kann – und auch nicht sollte –, dem Denken der Deutschen Christen anzuhängen, so wünschen sich scheinbar noch immer ein paar deutsche evangelische Theologen, »ihr« Christentum endgültig »judenfrei« zu machen. Grundmann, Leipoldt und die weiteren Institutsmitarbeiter waren keine bloße Randerscheinung der NS-Zeit, sondern sie nutzten nur konsequent die Möglichkeiten zur »Entjudung« des Christentums aus, die ihnen der NS-Staat bot. Die Idee eines »judenfreien« Protestantismus existierte weit vor dem »Dritten Reich« und ist scheinbar bis heute in Teilen präsent. Und wie seinerzeit im »Entjudungsinstitut«, dienen heutzutage wissenschaftliche Beweisführungen zur Legitimation einer solchen Ansicht über »das Fremde«. Der Religionswissenschaftler Christoph Kleine plädiert am Ende seines Vergleichs von Deutschen Christen und japanischem Shinto für eine Abkehr 1126 Slenczka: Die Kirche und das Alte Testament, S. 118. 1127 Selnczka: Die Kirche und das Alte Testament, S. 119. 1128 Micha Brumlik: Antijudaismus in neuem Gewand? Ein Berliner Theologieprofessor möchte die Hebräische Bibel aus dem christlichen Kanon entfernen, in: Jüdische Allgemeine – Wochenzeitung für Politik, Kultur und Jüdisches Leben, Ausgabe 17, 23. 04. 2015 [online unter http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22056; abgerufen am 24. 04. 2015].

Resümee

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davon, Religionen und deren Vertreter aufgrund der jeweiligen religiösen Eigenbzw. Fremdzuschreibung zu charakterisieren: »Man sollte damit aufhören, Religionen aufgrund ihres Typus oder ihrer spezifischen Dogmatik eine bestimmte Verhaltensdisposition zu unterstellen; etwa als neige der Islam aufgrund unwandelbarer Eigenheiten zu Gewalt, Intoleranz und Fanatismus, das Christentum zur Nächstenliebe, der Buddhismus zu Friedfertigkeit und Toleranz usw. Die jeweiligen Tendenzen in einer Religion hängen immer vom konkreten historischen Kontext ab; man muß nur den aktuellen politischen Mainstream des deutschen Luthertums mit dem vor 70 Jahren vergleichen, um zu sehen, wie unsinnig es ist, einer Religion eine unwandelbare politische oder moralische Disposition zuzuschreiben. Die potentielle Gefahr religiösen Einflusses auf die Politik liegt vielmehr grundsätzlich in der übermenschlichen Legitimation aller Handlungen, die unter Berufung auf eine Religion vorgenommen werden. Religiös begründetes Handeln ist weder rational verhandelbar, noch nach menschlichen Maßstäben relativierbar. Wer sich im Besitz eines göttlichen Auftrags, einer religiösen Wahrheit wähnt, sich als Vollstrecker eines übermenschlichen Plans oder Willens versteht, diskutiert darüber nicht mit Anders- oder Ungläubigen; und er fürchtet meist weder Tod noch weltliche Gerechtigkeit.«1129

Die Thüringer Deutschen Christen und ihr »Entjudungsinstitut« sind als ›normale‹ deutsche Protestanten zu charakterisieren, die den politischen Zeitgeist der deutschen Gesellschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bedingungslos teilten und darüber hinaus mit gestalteten. Die beispielhaft vorgestellten Wissenschaftler spiegeln diese (Anpassungs-)Bereitschaft wider, wie sie symptomatisch für das »Dritten Reich« war. Die eigenen Arbeiten stellten sie in den Kontext einer »größeren Sache«, wobei die individuelle Motivation zum ›mitmachen‹ durchaus variieren konnte. Dieser Befund lässt sich gleichfalls auf die Disziplin der Religionswissenschaft übertragen: Aus der heutigen Betrachtungsweise wäre die Theologisch-Völkische Religionswissenschaft nicht in Einklang mit dem gegenwärtigen Selbstverständnis von Religionswissenschaft zu bringen. Für Zeitgenossen im »Dritten Reich« stellte sie aber eine neue und legitime Art der Religionsforschung dar, die darauf abzielte, das Christentum in Deutschland wissenschaftlich und argumentativ nachvollziehbar zu »entjuden«. Die gesellschaftliche Akzeptanz bzw. Tolerierung des staatlichen Vorgehens gegen Juden schuf jenen Raum, innerhalb dessen sich auch der Protestantismus problemlos dem gesellschaftlichen Zeitgeist anpassen konnte. Das staatliche Agieren – mit breiter Unterstützung der Bevölkerung – zur Schaffung eines »judenfreien« Deutschlands führte zur freiwilligen (!) Reaktion in Teilen des deutschen Protestantismus, den länger gehegten Wunsch zur »Entjudung« des Christentums wahr 1129 Christoph Kleine: Religion im Dienste einer ethnisch-nationalen Identitätskonstruktion. Erörtert am Beispiel der »Deutschen Christen« und des japanischen Shinto, in: Marburg Journal of Religion 7 (2002), S. 1–17, hier S. 15f.

288

Resümee

werden zu lassen. Und für die Nachvollziehbarkeit eines solchen radikalen Schrittes bedurfte es letztendlich eines wissenschaftlichen Programms, welches das Eisenacher »Entjudungsinstitut« lieferte. Die »Lehre vom arischen Christentum« begann nicht 1933 bzw. 1939 und hörte ebenso wenig schlagartig im Mai 1945 auf. Die Ideen grassierten schon Jahrzehnte zuvor in den Köpfen von Theologen sowie Laien und genauso fanden derartige Vorstellungen noch lange Zeit nach Kriegsende in zahlreichen Schriften Verbreitung. Es waren lediglich die Rahmenbedingungen des »Dritten Reichs«, die es ermöglichten, das Vorhandensein eines »arischen Christentums« endgültig zu »beweisen«.

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Personenregister

Adam, Klaus-Peter 169, 172 Alles, Gregory D. 36, 38 Alt, Albrecht 35, 110–113, 185, 199, 208 Althaus, Paul 186, 225 Andersen, Friedrich 49f., 135 Arndt, Ernst Moritz 40, 99, 217f. Arnhold, Oliver 15, 18f., 22, 27f., 53, 66f., 69, 71f., 74, 79, 82, 84–87, 93, 125f., 157f., 160, 164, 166, 179, 184, 189, 199, 204, 207, 211–214, 217, 221f., 227, 231f., 234, 242, 253–256, 264 Babinger, Franz 236 Baetke, Walter 35, 41, 208f., 265 Baker, Josephine 161f. Baltzer, Erwin 73 Bartels, Adolf 49, 135 Bauschulte, Manfred 42f., 235–237 Behm, Johannes 263f. Bergen, Doris L. 57, 60, 64, 66f., 79, 83, 86, 95 Berger, Peter L. 25, 248, 282 Bertram, Georg 180, 189f., 253–255 Blumenthal, Elke 11, 208, 210f. Bonus, Arthur 48, 50, 135–138 Bormann, Martin 76, 259, 271 Brachmann, Wilhelm 132f. Brenner, Michael 99f., 102 Brumlik, Micha 286 Bultmann, Rudolf 176, 226f., 261 Chamberlain, Houston Stewart 171, 184, 190, 202, 229

135, 137,

Coch, Friedrich

170

Dalman, Gustaf 185f., 198 Darwin, Charles 31 de Gobineau, Joseph Arthur 31f. de Lagarde, Paul 108, 135, 143, 238 Deines, Roland 83, 92, 133, 170, 174, 184f., 191, 204f., 226, 283 Delling, Gerhard 216–224, 251, 260, 269– 271, 277, 290 der Große, Friedrich 58 Dungs, Karl 96f., 147 Eisenhuth, Heinz Erich 88–92, 174, 232f., 253, 259 Ellinger, Ekkehard 236f., 239, 244 Eschenburg, Theodor 21f. Fascher, Erich 270 Feine, Paul 263f. Fiebig, Paul 112f. Freiherr von Wolzogen, Hans Paul 135 Fritsch, Theodor 20, 129, 193

49,

Gailus, Manfred 38, 45–47, 50–52, 57f., 66–68, 73–76, 105, 120, 197 Gerdmar, Anders 92f., 133, 176f., 182f., 204 Goebbels, Joseph 143, 285 Göring, Edda 75f. Göring, Hermann 75f. Grabert, Herbert 131, 134, 248

326

Personenregister

Grau, Wilhelm 115 Grønbech/Grönbech, Vilhelm 195, 242f. Grundmann, Walter 15–17, 19, 63, 71–75, 80–83, 87f., 92f., 97, 101, 123, 125f., 133, 138, 145–147, 149, 151, 155, 158– 160, 164–167, 169–198, 202–208, 211– 213, 217, 221–225, 229, 231, 239, 243– 247, 250, 253f., 257–267, 270f., 276f., 279, 281, 283–286, 289f. Gulkowitsch, Lazar 110–113, 199, 251 Günther, Hans F. K. 104, 150

Kershaw, Ian 62, 279 Kippenberg, Hans Gerhard 35, 37, 129 Kittel, Gerhard 114, 116, 158, 169, 176, 179, 186, 189, 201, 216, 225, 231, 240 Kittel, Helmuth 231 Kittel, Rudolf 108f., 114, 150, 225 Kleine, Christoph 40, 286f. Klotz, Leopold 122, 231 Knittermeyer, Hinrich 275 Koepp, Wilhelm 42f., 133, 144, 259 Krech, Volkhard 36f., 40f., 126

Haas, Hans 110, 150, 225 Hahn, Gerhard 32f., 72, 78 Hauer, Jakob Wilhelm 37f., 41, 73, 110, 131f., 134, 241 Hegler, Alfred 39 Heiler, Friedrich 37 Heinrich, Fritz 37, 39–42, 47, 56, 133, 169, 217, 225, 235f., 255, 273–276 Hempel, Johannes 239 Herbert, Ulrich 258f. Heschel, Susannah 11, 17–19, 28, 57, 72, 82, 84, 97, 101, 107, 120f., 142f., 154, 166, 169, 174, 182, 202, 204, 214, 220, 226f., 235 Heuß, Alfred 225, 233, 267, 269 Himmler, Heinrich 95, 132, 191, 208 Hirsch, Emanuel 159, 186f., 198 Hitler, Adolf 17, 47, 54, 57–65, 67f., 70– 72, 75f., 80, 89, 95, 103, 115, 117–119, 125f., 134, 137, 148, 170f., 174, 186, 206, 217, 224, 228, 258f., 279–281 Hoffmann, Richard 55, 116, 179, 225, 229 Holtz, Traugott 271 Hunger, Heinz 138–143, 145f., 158, 167, 211

Lattki, Torsten 11, 99, 198, 261, 263 Leffler, Siegfried 52–56, 58–61, 65–67, 72f., 78f., 126, 135, 138, 174, 198, 221f., 250, 280 Leipoldt, Irmgard (Käte) 168 Leipoldt, Johannes 20, 28, 35, 110, 112– 114, 149–168, 176, 180, 189, 194, 198f., 203–205, 208–212, 214–216, 225f., 230, 233, 243, 245, 247, 250f., 257–260, 264– 267, 270–272, 277, 281, 284–286, 289f. Leutheuser, Julius 52–56, 58, 60–62, 65– 67, 79, 135, 169, 250, 280 Lubinetzki, Volker 228f. Luckmann, Thomas 25, 248, 282 Luft, Ulrich 273 Luther, Martin 48–50, 58f., 79–81, 87, 91f., 94, 132f., 135–137, 169, 175, 194, 197, 244, 256f.

Junginger, Horst 11, 18f., 29, 38–41, 43f., 73, 95, 100f., 104–108, 110f., 114, 116– 118, 121, 127–134, 145, 147, 230, 241 Junker, Heinrich 241 Kahan, Israel Issar 109f. Katzer, Ernst 49, 135 Kerrl, Hanns 120, 174

Mensching, Gustav 37, 41, 255 Merz, Annette 225f., 228, 267–269, 271 Meyer, Rudolf 47, 49–51, 99, 108, 111– 114, 130, 136, 155, 158, 161, 199–208, 211–213, 215, 227, 238, 251, 260, 271f., 277, 283, 290 Meyer-Erlach, Wolf 165, 180, 197, 204, 239, 243 Mielke, Erich 274 Mitzenheim, Moritz 255 Mommsen, Hans 70 Morenz, Siegfried 35, 149, 161, 165, 207– 216, 251, 260, 265, 272–274, 277, 289f. Müller, Ludwig 67

327

Personenregister

Niebuhr, Karl-Wilhelm 83, 92, 133, 170, 174, 187, 190, 216, 271, 283 Nowak, Kurt 49f., 52, 55, 168 Odeberg, Hugo 92f., 165, 204 Ohlmarks, ake 42, 133 Opitz, Hans-Georg 122, 180, 231 Otto, Rudolf 37–39, 41, 128, 184, 225 Parak, Michael 199f. Pich, Hugo 72, 77f., 146 Pohl, Johannes 240 Pritsak, Omeljan 235f., 274, 276f. Prolingheuer, Hans 74 Puschner, Uwe 11, 20, 22, 30–33, 45–51, 56f., 59, 61, 63, 68f., 73, 88, 103, 107f., 129f., 151, 157, 167, 193, 202, 205, 249 Pyta, Wolfram 65 Rosenberg, Alfred 75, 115, 126, 132f., 156, 170, 190f., 202, 206, 239–242, 245, 254, 289 Rosenthal, Franz 236 Rudolph, Kurt 35, 37, 40f., 110, 127–129, 150, 161, 209, 271, 273 Rupnow, Dirk 21, 29, 39, 100–102, 109, 115–120, 122, 139, 266, 269 Schaeder, Erich 235 Schaeder, Hans Heinrich 43, 149, 195, 235–245, 249f., 274–277, 284, 290 Schlatter, Adolf 182, 263 Schlund, Erhard 79

Schmidt, Hans Wilhelm 143f., 146 Schneider, Carl 163f., 179, 203, 224–234, 245, 247, 250f., 260, 266–269, 271, 277, 285 Scholder, Klaus 54, 72, 76 Schreiner, Klaus 58, 62–64 Seeberg, Reinhold 59, 186, 190, 198, 263 Siegele-Wenschkewitz, Leonore 17, 76, 86, 122, 166, 169, 260, 266 Slenczka, Notger 285f. Staedel, Wilhelm 94f. Stalin, Josef 242 Stausberg, Michael 35f., 39f., 42 Thieme, Kurt

53f., 63, 85

Vogt, Joseph 208, 229 Vollnhals, Clemens 45, 50, 57, 68f., 73f., 107, 167, 197, 202, 205 von Bismarck, Otto 49, 58, 61 von Glasersfeld, Ernst 23–26, 33, 158, 246–248 von Leers, Johannes 238 Vos, Johannes Sijko 230 Wagner, Richard 107f., 193, 229 Wassermann, Henry 109f., 199, 203f. Watzlawick, Paul 81, 153, 181, 247 Weidemann, Heinz 227 Wolf, Walther 208, 210 Wurm, Theophil 272 Wüst, Walther 132f., 241