Die Kritik der Romantik : der Verdacht der Philosophie gegen die literarische Moderne [1. Aufl.] 9783518115510, 3518115510


302 120 9MB

German Pages 310 [320] Year 1989

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Die Kritik der Romantik : der Verdacht der Philosophie gegen die literarische Moderne [1. Aufl.]
 9783518115510, 3518115510

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Karl Heinz Bohrer Die Kritik der Romantik edition suhrkamp SV

es 1 5 5 1

edition suhrkamp Neue Folge Band 551

Die Kritik der Romantik und ihrer spezifischen Motive hat die intellektu­ elle und akademische Diskussion bis weit ins letzte Drittel des 19. Jahr­ hunderts beherrscht. Die wichtigste übersehene Tatsache ist jedoch, daß die beiden zentralen Figuren des romantischen Bewußtseins, die Reflexivität des Kunstwerks und das Phantastische, nicht rezipiert wurden, son­ dern tabuisiert worden sind. Was bedeutet, daß eben jene Elemente der Romantik, die in der literarischen Moderne virulent wurden, für beinah ein Jahrhundert aus dem deutschen Diskurs ausgegrenzt blieben. Die Kritik der Romantik im Zeichen eines teleologischen Idealismus und hi­ storischen Positivismus bedeutet eine Verhinderung der Moderne als »Kontingenzbewußtsein«, also als Bewußtsein vom Zufall und Zerfall, wie es von der romantischen Poesie entdeckt worden ist.

Karl Heinz Bohrer^ ^Die Kritik der Romantik, Der Verdacht der Philosophie gegen die literarische Moderne

Suhrkamp

edition suhrkamp i j j i Neue Folge Band 551 Erste Auflage 1989 © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1989 Erstausgabe Alle Rechte Vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Satz: Wagner GmbH., Nördlingen Druck: Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden Umschlagentwurf: Willy Fleckhaus Printed in Germany 1 2 3 4 s 6 - 94 93 92 91 90 89

Inhalt

Vorwort........................................................................

7

Einleitung.....................................................................

9

E r s t e r T e il

Die moderne Wiederentdeckung der Romantik I. Walter Benjamins Objektivierung der romantischen Iron ie........................................................................... II. Das Phantastische der Surrealisten............................ 1. Apollinaire und Clemens Brentanos »Lore Lay«M otiv....................................................................... 2. Bretons und Aragons Suche nach dem Wunder­ baren ........................................................................ III. Die philosophisch-ästhetischen Grundlagen der wiederentdeckten Romantik: Kierkegaard, Baude­ laire, N ietzsche...................................................... 1. Kierkegaards Analyse des ästhetischen Bewußtseins 2. Baudelaires Metapher der »Unendlichkeit«............ 3. Nietzsches Auflösung des »Wirklichkeits«-Begriffs

25 39 40 48

62 62 72 84

Z w e ite r T e il

Die Kritik der Romantik I. Heinrich Heine: Die romantische Schule.................... 1. Die Ambivalenz des Urteils: Politische Kritik und ästhetische Faszination............................................. 2. Das politische Verdikt im Namen der »Gegenwart« 3. Die Feier des Phantastischen.................................... II. Hegel: Vorlesungen Uber die Ä sth etik...................... 1. Das Mißverständnis der romantischen Ironie als leere Subjektivität................................................... 2. Die Kritik der romantischen Phantasie: Das Böse, das Schauerliche, das Mystische....................

97 97 109 119 138 142 158

3* Die Analyse der romantischen Kunstform als Moderne.................................................................

174

III. Die Junghegelianer: Die Hallischen Jahrbücher .. . . 1. Arnold Ruges ästhetische Theorie........................... 2. Die geschichtsphilosophische Kritik der Hallischen Jahrbücher.............................................................. 3. R. E. Prutz’ Vermittlung zwischen politischem und ästhetischem Motiv.................................................. 4. Die Entlarvung des Dandy: Die Fälle Gentz und Heine.......................................................................

182 182

210

IV. Die nationalpädagogischen Kriterien der liberalen Literarhistorie zwischen 1830 und 18 7 0 ..................... 1. Georg Gottfried Gervinus....................................... 2. Hermann Hettner und Julian Schmidt..................... 3. Rudolf Haym...........................................................

221 221 229 235

188 202

D r it t e r T e il

Die ästhetische Umkehr der Kritik I. Diltheys romantische Aufhebung des Historismus . .

245

1. Theorie der dichterischen Phantasie........................ 2. Die lebensphilosophische Zähmung des romanti­ schen Phantasma...................................................... 3. Die organologisch-antimoderne Begründung des »Phantasie«-Begriffs................................................

246 260 265

II. Ricarda Huchs kulturrevolutionäre Identifizierung . . 1. Pathos der Moderne und des Unbewußten............ 2. Die Kritik des romantischen Schreckens...............

276 276 280

III. Carl Schmitts Polemik gegen die Romantik als das moderne Bewußtsein................................................ 1. Das antimetaphysische Subjekt.............................. 2. Der Moment, das Phantastische und der Zufall . . . 3. Das Ästhetische als Negativum.............................. 4. Das mißgedeutete Athenaeum-Frz%mcnt............... 5. Carl Schmitt und die surrealistische Moderne. . . .

284 286 288 291 296 306

Vorwort

In der Untersuchung über den romantischen Brief1 habe ich zu zeigen versucht, daß das moderne Bewußtsein, sofern es als ro­ mantisch-ästhetisches identifizierbar ist, nach 1 800 zunehmend in Opposition geriet zu dem generellen Diskurs einer unter teleolo­ gischen Vorzeichen stehenden rationalistischen Moderne. Dieser Konflikt zwischen einerseits poetischer und andererseits philoso­ phisch-wissenschaftlicher Moderne drängte sich als ein Thema auf, das eine eigenständige, historisch orientierte Untersuchung verlangte. Und dies um so mehr, als das Klischee von der Roman­ tik als reaktionärer, gegenmoderner Bewegung bisher verhindert hat, diese Opposition anders denn zuungunsten des romantischen Bewußtseins darzustellen. Auch wenn man der Frühromantik seit zwei Jahrzehnten und verstärkt in den letzten Jahren Gerechtig­ keit widerfahren läßt und sie an den Diskurs der Moderne anzu­ schließen versucht, belegt gerade dieses Verfahren, inwiefern der antiromantische Maßstab weiterhin vorherrscht. Verkannt bleibt nämlich, daß es gar nicht so eindeutig die frühromantische, noch stark vom Frühidealismus geprägte Intellektualität und ihre poe­ tischen Ausdrucksformen gewesen sind, die das moderne ästheti­ sche Bewußtsein nachdrücklich geprägt haben, sondern daß dies in viel stärkerem Maße durch die spätromantische Form d es\ Phantastischen geschah. Das Verdikt Hegels gerade gegen dieseny Modus der romantischen Phantasie hat im Diskurs der Moderne Schule gemacht. Diese Kritik der Romantik im historischen und systematischen Zusammenhang darzustellen und ihrerseits kri­ tisch zu befragen, bot sich deshalb als sicherstes Mittel an, den frühen Konflikt zwischen zwei Modernen kategorial zu benen­ nen. Gemeint ist also nicht einfach der Konflikt zwischen gesell­ schaftlicher Modernisierung und einer kulturellen Moderne, die sich erschöpft hat2, sondern die Differenz, die schon am Anfang des Modernitätsdiskurses steht. Es wurde deutlich, daß die Romantikkritik nicht eine histo1 Karl Heinz Bohrer, Der romantische Brief. Die Entstehung ästhetischer Sub­ jektivität, München 1987. 2 Hierzu Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne. Zw ölf Vorlesungen, Frankfurt 1985, S. 11 ff.

7

risch verjährte Periode eines Literaten- und Philosophenstreits war, ihre Behandlung nicht bloß einer umstrittenen Stil- und Denkschule gelten würde, sondern daß es um die beginnende Phantasie der Moderne selbst ging, der hier der Prozeß gemacht worden ist. Selbst Dilthey, der als Erster die Romantik unter poetologisch angemessenen Begriffen wiederentdeckte, konnte das spezifisch Modem-Phantastische nur in lebensphilosophi­ scher Verformung akzeptieren. Mit Folgen: Während im ameri­ kanischen New Criticism und russischen Formalismus der zwan­ ziger Jahre dieses Jahrhunderts die moderne Phantasie angemes­ sen verstanden wurde, verharrte die deutsche Romantikrezeption trotz neu erworbener formalistischer Methoden in weltanschaulich-geistesgeschichtlich orientiertem Mißverstehen bis in die sechziger Jahre, auch wenn sie dabei dem teleologischen Prinzip Hegels oder dem lebensphilosophischen Diltheys nicht mehr folgte. Die soziologische Wende nach 1968 brachte keine Lösung, sondern wiederholte eher den alten Verdacht. Eine Darstellung der Kritik der Romantik könnte ein noch andauerndes Mißverständnis die Moderne selbst betreffend auf­ klären helfen: Der schwache Punkt jeder Rede über sie wird im­ mer dann faßbar, wenn sich zentrale Topoi der historischen Ro­ mantikkritik unreflektiert fortsetzen. Diese Schwäche bloßzule­ gen und damit einen angemessen komplexen Begriff der Moderne historisch zu belegen, ist Ziel dieses Vorhabens. Paris, im Oktober 1988

K. H. B.

Einleitung

Das »deutsche Denken« sei »seit dem 19. Jahrhundert dermaßen romantisch und historistisch, daß sogar seine eigene, im Lande gewachsene Opposition noch tief in diesen Denkformen« stecke, stellte 1927 Karl Mannheim in seiner Analyse des konservativen Denkens fest.1 Er führt als Beispiel hierfür Heinrich Heine und Karl Marx, zwei Exponenten der Romantikkritik des 19. Jahr­ hunderts, an. Mannheim geht bei dieser These von der nach dem Zweiten Weltkrieg entschieden erneuerten und allgemein akzep­ tierten Annahme aus, die Romantik sei, wenn irgend etwas, die Dominante des deutschen Bewußtseins im 19. Jahrhundert gewe­ sen und habe sich weit ins 20. Jahrhundert fortgesetzt. Diese These verbindet sich mit der Tendenz, die spezifisch innovatorischen Elemente der Romantik zu übersehen und statt dessen ihre restaurativen Züge zu betonen. Diese Konsequenz ist von Tho­ mas Mann 1947 in seinem Epochenroman Doktor Faustus als kulturelles Paradigma zugespitzt worden: der deutsche National-. Sozialismus als letztes Zerfallsprodukt der Romantik. Dabei er­ hält der Begriff »Romantik« eine Unschärfe, die es erlaubt, sehr verschiedene Momente, etwa geschichtliches Denken und Natur­ frömmigkeit, in einem vagen Vörverständnis des angenommenen Gleichen unterzubringen. So war für Max Weber der Begriff Ro­ mantik vor allem definiert durch geschichtsphilosophisch-organologische Konzepte, gegen die sich seine heftige Ablehnung richtete.2 Hegel, der in der Romantikkritik des 19. Jahrhunderts eine zentrale Stellung einnimmt, gehört in solcher Perspektive selbst zur Romantik, d. h., das teleologische Denken, das nur die erste Phase der Frühromantik, namentlich Friedrich Schlegels universalhistorische Literaturtheorie, kennzeichnete, wird in die­ ser dominierenden Tradition als »romantisch« gedeutet. Was übersieht, daß die Schlegel nachfolgende literarische Generation, 1 Karl Mannheim, Das konservative Denken I. Soziologische Beiträge des poli­ tisch-historischen Denkens in Deutschland, in: Archiv fü r Sozialxvissenschaft und Sozialpolitik, Tübingen 1927, Bd. 57, S. u i , Anm.68. 2 Wolfgang Mommsen, Max Webers universalgeschichtliches und politisches Denken, in: Ders., Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt 1974, S. 102 f.

9

Brentano und Kleist, gerade ein Bewußtsein von Diskontinuität entwickelte, das mit geschichtsphilosophischen Vorstellungen nicht mehr vereinbar war - und diese hatte ja schon Friedrich Schlegel selbst durch ästhetische ersetzt. Die Identifizierung des Historismus als »führender Bewußtseinsform« des 19. Jahrhun­ derts und der »romantischen Schule«, von Hamann und Herder bis zu Savigny3, hat bis heute als allseits akzeptierte Annahme zu gelten, so daß es nicht verwundert, die Romantik selbst als Domi­ nante der deutschen Geistesgeschichte gewertet zu sehen. Daß andererseits Naturfrömmigkeit als Ausfluß romantischer Natur­ philosophie zu dieser Identifikation so quer steht wie Schellings Identitätstheorie zu Hegel und seinen Nachfolgern, hat das wi­ dersprüchliche Doppelleben dieser Ansicht nicht stören können. Dort, wo als romantische Kategorie die »Natur« gegenüber der »Geschichte« den Vorzug erhält, konnte sie ebenfalls als deutsche Dominante verstanden werden, wobei hier die IrrationalismusGleichung wichtig wird. Der amerikanische Historiker Gordon A. Craig hat in seinem viel gelesenen Buch The Germans (deutsch 1982: Die Deutschen) das Romantische als das charakteristische deutsche Merkmal definiert und die daraus stammende Gefahr eines intellektfeindlichen, der Natur gehorchenden Irrationalis­ mus erinnert. Wenn Carl Schmitts Romantikanalyse von 1919 in einem Punkt recht zu geben ist, dann in ihrer Behauptung, die damals vorherrschenden Romantikinterpretationen seien zu widersprüchlich, als daß von einer einleuchtenden Definition gesprochen werden könnte.4 Das hat sich bis heute nicht ge­ ändert. Schmitts Polemik hat im Unterschied zu den anderen Deutungen immerhin den »modernen« Charakter der Romantik erkannt. Es kann nicht bezweifelt werden, daß die Interpretationslinie des Irrationalismusvorwurfs Recht behält, sofern sie sich auf mentalitätsgeschichtliche Faktoren soziologisch bestimmter Schichten, vornehmlich eines breiten Besitz- und Bildungsbür­ gertums, bezieht. Insofern von einem romantischen Quietismus 3 Vgl. Herbert Schnädelbach, Philosophie in Deutschland 18 31-19 33, Frankfurt 1983, S. 53. 4 Carl Schmitt, Politische Romantik, Berlin 4. Aufl. 1982, S. 3-28. Vgl. auch: Joseph A. Kruse, Die romantische Schule, in: Internationaler Heine-Kongreß. Düsseldorf 1972. Referate und Diskussionen, hg. von Manfred Windfuhr, Hamburg 1973, S. 447^

IO

die Rede ist, der dem deutschen Geistesleben seine spezifisch apolitische Haltung auferlegte, ist der Begriff sinnvoll verwandt. Insofern dabei jedoch die Annahme mitschwingt, der deutsche Diskurs, das institutionalisierte Denken, besitze eine »romanti­ sche« Dominante, ist diese Annahme in Frage zu stellen. Die Kritik der Romantik und ihrer spezifischen Motive hat vielmehr die intellektuelle und akademische Diskussion bis weit ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts beherrscht. Die wichtigste, bei der generalisierenden Identifikation des deutschen Denkens mit dem Geist der Romantik übersehene Tatsache ist jedoch, daß die bei­ den zentralen Figuren des romantischen Bewußtseins, die Reflexivität des Kunstwerks und das Phantastische, nicht rezipiert wurden, sondern von den führenden Köpfen der Philosophie und Literaturgeschichte des Vor- und Nachmärz tabuisiert worden sind. Daß poetologisch-literarische Kategorien bei der Romantik­ deutung der wichtigen Soziologen des 20. Jahrhunderts keine Rolle spielen, ist nicht bloß mangelnder literarischer Sensibilität zuzuschreiben, sondern selbst ein Ergebnis dieser historischen Tabuisierung. Das bedeutet, daß eben jene Elemente der Roman­ tik, die in der literarischen Moderne virulent wurden, für mehrere Epochen aus dem Bewußtsein ausgegrenzt blieben. Nietzsche, dessen Kulturkritik die Romantik gegen den Geist des wissen­ schaftlichen Positivismus und Historismus wiederentdeckte, war ebenso wie der andere romantische Vorläufer moderner Existenz, Kierkegaard, atypisch für seine Epoche.5 Die systematische Kritik der Romantik im 19. Jahrhundert läßt eine Paradoxie erkennen: Während sie im Namen des politischen und wissenschaftlichen Fortschritts glaubte, das Romantische als das Obskurantisch-Fortschrittsfeindliche stigmatisieren zu müs­ sen, hat sie an der bewußtseinsmäßigen Verspätung des »deut­ schen Geistes« mitgearbeitet. Die Kritik der Romantik im Zei­ chen eines teleologischen Idealismus und historischen Positivis­ mus bedeutete eine Verhinderung der Moderne als Kontingenz­ bewußtsein, also als Bewußtsein vom Zufall und Zerfall, wie es von der romantischen Poesie entdeckt, von Baudelaire empha­ tisch gedacht und weiterentwickelt worden ist. Dieser Zusam­ menhang mußte so lange verdeckt bleiben, als man für »Mo­ derne« die Interessen der an Technik und Kapital geknüpften 5 Vgl. Schnädelbach, a.a.O., S. 14.

Rationalisierungstendenz nahm, gegen die sich der Subjektivis­ mus des romantischen Bewußtseins wandte.6Mannheim hat aller­ dings schon davor gewarnt, die »ideologische und politische Geg­ nerschaft gegen die tragenden Kräfte der modernen Welt«7 ein­ fach mit der Romantik zu verrechnen, und verwies auf das »Mo­ dem-Rationalistische« im romantischen Bewußtsein.8 Mannheim erkennt im Romantisch-Werden des aufklärerisch-rationalisti­ schen Geistes eine sozialpsychologische Ursache, die für die ro­ mantische Moderne charakteristisch werden wird: Der Verlust an bürgerlicher Rückendeckung, die die aufklärerische Intelligenz besaß, führte zu einer fortschreitenden »soziologischen und me­ taphysischen Entfremdung und Vereinsamung« des kleinbürger­ lichen Literaten.9 Im Unterschied zu Carl Schmitts fundamental­ ontologischer Polemik gegen das romantische Bewußtsein als »occasionalistischem«, erkennt Mannheim den objektiv aufbre­ chenden Widerspruch zwischen dem »Abenteurer« romantischen Geistes aus ungeheurer Sensibilität und moralischer Unsicherheit einerseits und den jeweilig sie bestimmenden politischen Institu­ tionen und Mächten andererseits.10 Dieser Entfremdungsprozeß als Moment der Moderne selbst ist auf der semantischen Ebene seit 1800 nachzuweisen.11 Es war bekanntlich Georg Lukäcs’ 1954 erschienenes Werk Die Zerstörung der Vemunfty das zwei schon bereitliegende The­ sen zu einer dritten folgenreich bündelte: die Gleichung Roman­ tik und Irrationalismus und die Annahme von einer romantischen Dominante des 19. Jahrhunderts ergab die dritte These: Die Ro­ mantik sei der Vorläufer des Faschismus. Lukäcs hat Thomas Manns Doktor Faustus enthusiastisch begrüßt. Auch wenn man in dieser Interpretation inzwischen eine negative Bestätigung der irrationalistischen Schule der deutschen Germanistik selbst er­ kennen kann, die die Romantik in den zwanziger Jahren als ratio­ feindliche Gegenbewegung zur Aufklärung feierte, ist von Lukäcs* und Manns These soviel haften geblieben, daß die Romantik bis heute nur über den Umweg ihres aufklärerisch-kritischen Ur6 7 8 9 10 11

12

So schon Mannheim, a.a.O., S. 112. Mannheim, a.a.O., S. 113. Ebd. A.a.O., S. 114. A.a.O., S. 115. Vgl. Bohrer, Der romantische Brief, a.a.O., S. 202.

sprungs salonfähig gemacht werden kann. Neuerdings ist von soziologischer Seite das kritische Potential der Frühromantik für ein Konzept der Moderne betont worden.12 Es ist für die noch immer nachwirkende Tabuisierung charakteristisch, daß die Ro­ mantik stets nur über Integrationsversuche in den vom philoso­ phischen Diskurs bestimmten Kontext gerettet wird und daß es immer allein die Frühromantik ist, der dies zugestanden wird.13 Lukäcs* Theorie war um so einflußreicher, als seine historisch­ sozialpsychologischen Einsichten zur Mentalität des deutschen Bürger- und Kleinbürgertums im Vormärz, dann in der »imperia­ listischen Periode«, inzwischen von einer kritischen Wissenschafts- und Philosophiegeschichtsschreibung bestätigt worden sind.14 Was Lukäcs* These, hierin ähnlich wie Carl Schmitt und Hans Sedlmayr, besonders intrikat machte, war, daß er mit der Romantik als präfaschistischem Bewußtsein gleichzeitig die »de­ kadente« Moderne treffen wollte und damit den Modernitätsim­ puls des romantischen Bewußtseins indirekt bestätigte. Seine er­ ste Kritik der Romantik enthielt die 1947 erschienene Schrift Fortschritt und Reaktion in der deutschen Literatur. Hier findet sich die Grundlage für seine spätere Wertung. Friedrich Schlegel, aufklärerischer Herkunft, habe in seiner Frühzeit klar die Proble­ matik der modernen Kunst erkannt: Schlegels Charakteristik des , »Individuellen und Interessanten«, seine Erkenntnis des »Häßli12 Vgl. Hauke Brunkhorst, Romantik und Kulturkritik, in: Merkur Nr. 436,

I9?5’.

13 Beispielhaft hierfür ist der von Emst Behler und Jochen Hörisch herausgege­ bene Sammelband Die Aktualität der Frühromantik, Paderborn 1987. Voran­ gegangen war der von Dieter Bänsch herausgegebene Band Zur Modernität der Romantik (= Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften 8), Stuttgart 1977, in dem vor allem am Beispiel von Novalis und Friedrich Schlegel die Modernität der frühromantischen Literatur dargetan wird. Ingrid Strohschnei­ der-Kohrs konnte so denn auch von der Verbindung »Romantik und Mo­ derne« als einem »Topos« sprechen, wobei sie charakteristischerweise die früh­ romantischen Tendenzen als Begründung erwähnt (Strohschneider-Kohrs, Zur Poetik der deutschen Romantik II: Die romantische Ironie, in: Hans Steffen [Hg.], Die Deutsche Romantik. Poetik, Formen, Motive, Göttingen 1978, S. 76). Ebenso stellte Hans Sedlmayr Romantik und Moderne im Begriff des »ästhetischen Anarchismus« gleich, wenn auch in kritischer Absicht, und er­ wähnt hierfür wiederum nur frühromantische Beispiele (Sedlmayr, Ästheti­ scher Anarchismus in Romantik und Moderne, in: Scheidewege 8 (1978), S. 174/ 196). 14 Vgl. Schnädelbach, Philosophie in Deutschland, a.a.O., S. 45 ff.

13

chen« als »Zentralfrage der modernen Literatur«15 erscheint Lukäcs als eine »Vorwegnahme der Haupttendenzen der Dekadenz in der bürgerlichen Literatur«16 und, wo er sie, wie im Falle F. H.Jacobis, kritisiert, als eine »Vorwegnahme« des »eigenen Schicksals«.17 Lukäcs spricht, ähnlich wie Schmitt, von einer »so­ zial wurzellosen neuen Intelligenz«18, die entsteht, indem das »al­ lein auf sich gestellte Individuum« die vorab geglaubte Identifika­ tion mit dem Citoyen ablöst.19 Die Bestimmung des frühromanti­ schen Subjektivismus versteht sich einerseits als Nachbildung der linkshegelianischen Kritik, andererseits wird ihre Modernität in der offenkundigen zeitgenössischen Parallele einer dekadenten Literatur gesehen. Lukäcs bekämpft - ähnlich wie dreißig Jahre früher Schmitt —noch immer den modernen Formalismus, die Poetik der aufgelösten Gattungsgrenzen und die Aufgabe des klassischen Werkbegriffs überhaupt. Vor allem aber gilt der An­ griff einer Ästhetik, die im Gegensatz zur Klassik nicht mehr »Spiegelungen des Lebens«20 darstelle, die gesamte »Prosa der bürgerlichen Gesellschaft«21 auflöse und eine »Poetisierung der Welt«22 betreibe. Lukäcs* Analyse trifft den poetologischen Sach­ verhalt. Gerade weil er der Romantik so große Aktualität für die klassische Moderne der ersten Jahrhunderthälfte einräumt, ver­ fällt sie seinem Dekadenzverdikt. Charakteristisch dabei ist auch, daß er jene jüngeren Dichter der Romantik, deren Kontingenzbe­ wußtsein für die klassische Moderne besonders bedeutsam wurde, Kleist und Brentano, ganz in der Folge der linkshegeliani­ schen und liberalen literarhistorischen Kritik des 19. Jahrhunderts ablehnt. Entgegen der traditionellen Romantikkritik allerdings sieht er in E. T. A. Hoffmann die größte Gestalt der Romantik wegen des polemischen, d. h. gesellschaftsironischen Gehalts sei­ ner Werke25, die positiv von der Phantastik Hecks und Arnims 15 Georg Lukacs, Fortschritt und Reaktion in der Deutschen Literatur, Berlin *947. S. 56. 16 A.a.O., S. 56. 17 A.a.O., S. 57. 18 A.a.O., S. j8. 19 Ebd. 20 A.a.O., S. 60. 21 A.a.O., S. 61. 22 A.a.O., S. 63. 23 A.a.O., S .72.

14

absteche.24 Auch wenn Lukäcs in der Wertschätzung Hoffmanns von Hegels Verdikt abweicht, so setzt er doch gerade in der Ablehnung der Kategorie des »Phantastischen« die Hegelsche Li­ nie im entscheidenden Argument fort. Die generelle These, die Romantik habe den deutschen Diskurs beherrscht, von der Mannheim und partiell auch Weber ausgin­ gen, erscheint bei Lukäcs widersprüchlich gebrochen und ver­ weist auf deren innere Inkonsistenz: einerseits hebt Lukäcs her­ vor, die romantische Ideologie habe über die deutsche Psyche gesiegt und der historische Ursprung dieses verhängnisvollen Prozesses liege in der Zeit, in der das romantische Biedermeier als Ideologie in die Massen drang25, andererseits stellt er fest, daß die von der preußischen Regierung offiziell betriebene reaktionäre politische Romantik keine eigentlich poetisch-intellektuellen Wirkungen gezeitigt26, sondern die realistischen Gegenkräfte ge­ stärkt habe. Damit aber liefert Lukäcs selbst das Argument für die im folgenden zu erhärtende These, daß zu unterscheiden wäre zwischen dem sozialpsychologischen Faktum einer »romanti­ schen« Mentalität breiter Kreise des deutschen Besitz- und Bil­ dungsbürgertums im Nachmärz auf der einen Seite und einem positivistisch-realistischen Diskurs innerhalb der führenden In­ telligenz auf der anderen. Die romantische Poetik eines Friedrich Schlegel und Novalis, eines Kleist und Brentano hatte mit beidem wenig zu tun. Lukäcs konnte gar nicht erwägen, daß die von ihm so kritisierte Poetisierung der Welt bei sehr unterschiedlichen Vertretern eines radikalen modernen Dichtungs- und Philoso­ phiebegriffs (Musil, die Surrealisten, der frühe Sartre) ein neues Prinzip des Möglichkeitssinns gegen das Realitätsprinzip aus­ spielte.27 Den romantischen Pessimismus auf eine kleinbürgerli­ che Reaktion gegenüber der terroristischen Phase der Revolution zu reduzieren, unterschlägt die moderne Dialektik von Wirklich­ keit und die sie überholende »Poetisierung«. In diesem Kontext ist auch Lukäcs’ eigentlich systematischer Angriff auf die Roman­ tik in Die Zerstörung der Vernunft zu lesen. Ohne daß hier, wie in dem früheren Aufsatz, die romantische Literatur, vornehmlich 24 25 26 27

A.a.O., S. 78. A.a.O., S. 69. A.a.O., S. 86. Vgl. auch Hans Dierkes, Friedrich Schlegels Lucinde, Schleiermacher und Kier­ kegaard, in: DVjs 1983, S. 432.

ihr Theoretiker Friedrich Schlegel, am Pranger steht, macht Lu­ käcs nunmehr dem »romantischen Irrationalismus« als Ursprung der präfaschistischen Mentalität den Prozeß. Als Denkfigur steht dabei das »unbestimmte« und das »unmittelbare Wissen«, als hauptverantwortlicher Repräsentant Schelling im Mittelpunkt des Interesses. Schellings Natur- und Kunstphilosophie hatte keine Bedeutung für die Motive und Kategorien einer romantischen Moderne. Insofern gehört dieser Komplex nicht in unsere spezifi­ sche Thematik, sondern in den weiteren Bereich der Geschichte der »Deutschen Ideologie«. Die Relevanz der Unmittelbarkeits­ kategorie aber, auf die Lukäcs abhebt, d. h. die esoterisch-elitäre Verabschiedung eines Begründungszusammenhangs und seine Ersetzung durch Metaphern »plötzlicher« Intuition, ist so sehr Anschauungsform der literarischen Moderne geworden, daß dar­ aus nur dann eine präfaschistische Identität abzuleiten wäre, wenn man, wie es Lukäcs konsequenterweise tut, die nichtreali­ stische moderne Literatur mit präfaschistischer Ideologie in Zu­ sammenhang bringt. Die Auseinandersetzung Adorno - Lukäcs hat dies scharf beleuchtet. Inzwischen hat sogar eine »linke« Rettung jedenfalls der Früh­ romantik stattgefunden, die analog zu Lukäcs* Kritik ebenfalls eine neue historisch-politische Erfahrung zur Voraussetzung hatte: die utopische Bewegung von 1968.28 Seitdem ist die nega­ tive Generalisierung des romantischen Phänomens, wie sie die linkshegelianische Tradition betrieb, nicht mehr selbstverständ­ lich: Zwischen Früh- und Spätromantik wird prinzipiell unter­ schieden, gerade am Beispiel einer »reaktionären Kritik der Früh­ romantik«29 und einer »progressiven Rezeption der Frühroman­ tik«.30 Diese Rehabilitierung wird auch nicht davon belastet, daß die utopische Bewegung von 1968 ihrerseits als »romantischer 28 Diese Rettung dokumentiert sich vor allem in dem von Gisela Dischner und Richard Faber herausgegebenen Band Romantische Utopie - Utopische Ro­ mantik, Hildesheim 1979. Auch die fachwissenschaftliche Diskussion ist dieser Linie gefolgt, seitdem Werner Krauss die aufklärerischen Elemente der Früh­ romantik freigelegt hat. Vgl. hierzu Silvio Vietta, Frühromantik und Aufklä­ rung, in: Ders. (Hg.), Die literarische Frühromantik, Göttingen 1983, S. 7-84. Außerdem: Romantikforschung seit 194s, hg. von Klaus Peter, Königstein/Ts. 1980. 29 Dischner/Faber (Hg.), a.a.O., S. 14 f. 30 A.a.O., S. 53 ff.

16

Rückfall« gedeutet worden ist.31 Hauke Brunkhorst hat den lin­ ken Deutungsansatz auf einer stringent materialistisch-soziologi­ schen Ebene fortgeführt, das kritische Potential der Frühroman­ tik an ihrem mit der Aufklärung und dem Frühidealismus ge­ meinsamen Erbe darstellend.32 Dieser epochalen Wiederentdeckung war - in Deutschland un­ bemerkt - der französische Kritiker Maurice Blanchot vorange­ gangen, der schon 1969 in Ventretien infin dem Athenaeum der Brüder Schlegel eine Hommage als einer Bastion an »intellektuel­ ler Phantasie« und »augenblicklichem Bewußtsein«33 widmete. Nicht die »Exaltation des Rausches«, sondern die »Leidenschaft­ lichkeit des Denkens«, die »Selbstreflexion« sei das Zentrum der Frühromantik gewesen.34 Obwohl es notwendig ist, an Blanchots Lektüre der Sprache des Athenaeum wieder zu erinnern, zumal die Romantik abermals Gefahr läuft, mit ihren populistisch-na­ tionalistischen und reaktionären späteren Ausläufern als antiintellektuelle Bewegung35 identifiziert zu werden, geht die folgende Darstellung der Kritik der Romantik keiner apologetischen Ab­ sicht nach in dem Sinne, daß die progressiven Elemente stark gemacht, die »reaktionären« Elemente vermittelt werden. Viel­ mehr sollte die Analyse der Kritik selbst zeigen, inwiefern die spezifischen, reflexionstheoretischen und poetologischen Innova­ tionen der Romantik nicht eigentlich rezipiert worden sind: Am Beispiel der Romantikkritik von Hegel, der Junghegelianer und der liberalen Literaturhistorie des 19. Jahrhunderts wird dies zu zeigen sein, während am Beispiel von Heines Kritik umgekehrt schon die genannten poetologischen Innovationen erkennbar ge­ macht werden können. Daraus folgt aber, daß eine Dominanz­ theorie nicht von der spezifischen Ästhetik der Romantik ge­ stützt werden kann und nur glaubhaft wurde, weil man diese Ästhetik ausblendete. Indem deutlich geworden ist, daß die ro­ mantische Subjektkategorie und ihre poetologischen Ausdrucks­ mittel der Selbstreflexion und des Phantastischen erst in der mo­ dernen Kunst und Literatur wieder auftauchen, kann die Kritik 31 So der Titel der 1970 erschienenen Schrift von Richard Löwenthal. 32 Hauke Brunkhorst, Romantik und Kulturkritik, a.a.O., S. 487 f. 33 Deutsch erschienen in: Romantik. Literatur und Philosophie, hg. von Volker Bohn, Frankfurt 1987, S. 108 f. 34 A.a.O., S. 110. 35 So Alain Finkielkraut, La defaite de la pensee, Paris 1987, S. 13 und 39 ff.

17

der Romantik - das ist die Kritik an eben diesen Ausdrucksmitteln - auch als der Versuch gewertet werden, eine solche Form der Moderne zu verlangsamen.36 Bei Lukäcs ist dieser Zusam­ menhang manifest geworden. Die imaginativ-irrationalen Ele­ mente der Romantik sollten nicht zugunsten eines rational-kriti­ schen Erbes ausgeklammert werden, wie es noch immer die Ver­ suchung der derzeitigen aufklärerischen Apologetik ist, sondern gerade die Elemente des Phantastischen und Bösen müssen genau gesehen und auf ihre moderne Kapazität hin befragt werden. Dann erklärt sich, warum die Romantikkritik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sie notwendigerweise übersah oder so folgen­ reich einseitig ideologisch deutete. Das dabei hervorgetretene De­ fizit an ästhetisch-literarischem Bewußtsein, der Domestizie­ rungsversuch des Ästhetischen durch philosophisch-historische Kategorien, ist einmalig. Man muß die einseitig sozialgeschicht­ lich und soziologisch orientierte westdeutsche Literaturwissen­ schaft nach 1968 als Erbe dieser Verkennung im 19. Jahrhundert ansehen und auch eine gemeinsame Ursache nennen: das Desin­ teresse eines neuartigen Wissenschaftler-Typus an ästhetischen Erscheinungen und Fragestellungen. Es zeigt sich allerdings auch, daß die Romantikkritik nicht ausschließlich von einer linken Position aus betrieben worden ist: Georg Lukäcs und Carl Schmitt sind sich in der Polemik gegen die romantische »Poetisierung« der Wirklichkeit einig und folgen hierin beide dem Diktum, das Hegel in der Phänomenologie und in den Vorlesungen über die Ästhetik gefällt hat. Die Kritik der Romantik, ja ihre völlige Desavouierung als geistige Bewegung und künstlerische Schule waren dem historisch-philosophischen Diskurs des 19. und 20. Jahrhunderts als Konstante gemeinsam und sind wegen der völkisch-nationalsozialistischen Verstrickung der Germanistik noch einmal nach 1945 erneuert worden. Da­ durch wurde aber das übergeordnete Problem verdeckt, daß die Romantikkritik einen Teil des fortschreitenden Auseinanderfalls von wissenschaftlicher und künstlerischer Intelligenz, von wirk­ lichkeitsorientierter Vernunft und ästhetischem Bewußtsein dar­ stellte, das in diesen Tagen in einer eigentümlichen Inversion tra­ ditioneller Positionen erneut zu einer heftigen Konfrontation zwischen französischem Poststrukturalismus und deutschem Ra36 Vgl. hierzu Karl Heinz Bohrer, Die permanente Theodizee, in: Ders., Nach der Natur. Über Politik und Ästhetik, München 1988, S. 133 ff.

tionalismus geführt hat. Diese Diskussion wird solange nicht sub­ stantiell werden können, solange die »irrationale« deutsche Tra­ dition mit falschen Formeln beschrieben wird, die von der Ro­ mantikkritik begrifflich festgelegt worden sind. Im folgenden wird die Romantikkritik nicht nur an den für ihre Argumentation beispielhaften Stationen Heine, Hegel, Jung­ hegelianer, liberale Literaturhistorie, Dilthey und Carl Schmitt dargestellt, sondern die Kriterien dieser Kritik werden ihrerseits kritisch diskutiert. Dazu bedarf es eines Maßstabes, der nur au­ ßerhalb der Kriterien des philosophisch-historischen Denkens liegen kann: in der künstlerisch-literarischen Kritik. Diese ist in der ästhetischen Wiederentdeckung der Romantik durch die ro­ mantische Moderne zu finden, die ihrerseits erst in den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts entdeckt wurde: bei Walter Benjamin und dem Surrealismus sowie deren Vorläufern in der romanti­ schen Affinität. Deshalb wird die Analyse der eigentlichen Ro­ mantikkritik (Zweiter und Dritter Teil) vorbereitet durch den Blick auf die romantische Moderne und ihre wichtigsten ästheti­ schen Kategorien (Erster Teil). Dann kommt zum Vorschein, daß die Kategorien der Moderne die nämlichen sind, die von der Ro­ mantikkritik als angeblich dem »Geiste« fremd aus dem Diskurs< ausgegrenzt wurden: die Kategorien der »Subjektivität« und des »Phantastischen« (»Bösen«).

E r ster T e il

Die moderne Wiederentdeckung der Romantik

Wir sehen auf die Rezeption und Kritik der Romantik mittels einer wertenden, d. h. nicht historischen Perspektive. Die Wie­ derentdeckung der Romantik im frühen 20. Jahrhundert liefert uns dabei den hermeneutischen Ansatz. Diese Wiederentdeckung steht im Zeichen einer modernen Ästhetik und Bewußtseinsana­ lyse. Ihre Grundthese lautet: Romantik ist Moderne. Was ist diese moderne Ästhetik und Bewußtseinsanalyse nicht? Sie ist nicht politische und philosophische Kritik, die die Romantikkri­ tik des 19. und 20. Jahrhunderts ausgezeichnet hatte. Die bedeu­ tenden Philosophen, Historiker und Soziologen haben die Ro­ mantik hundert Jahre lang negativ bestimmt unter dem Kriterium ihres eigenen Wirklichkeits- und Wahrheitsbegriffs: so Hegel, Kierkegaard, Carl Schmitt, Lukäcs, partiell auch Max Weber. Sie haben, wie wir sehen werden, gerade das Romantisch-Ästhetische und das Romantisch-Bewußtseinsanalytische negativ gegenüber dem Ethischen, dem Logischen, dem Politischen als den Bestim­ mungsmerkmalen ihres Realitätsbegriffs ausgegrenzt: nämlich als unethisch, unlogisch, unpolitisch, d. h. als unwirklich. Die Kul­ turwissenschaften des 20. Jahrhunderts haben diese Linie fortge­ setzt, sofern sie in marxistischen oder soziologisch-politologischen Begriffen dachten. Von Max Weber über Lukäcs bis Ha­ bermas gilt dies. In Opposition zu diesem systematischen Dis­ kurs setzte jedoch vor dem Ersten Weltkrieg ein von diesem Dis­ kurs nicht bemerktes gegenläufiges Bewußtsein ein, bei dem das bisher Ausgegrenzte wiederauftauchte. Für Hegel war dieses Ausgegrenzte das imaginative »Böse«, für Carl Schmitt das Äs­ thetisch- »Occasionalistische«. In beiden Fällen ist Friedrich Schlegel der Hauptrepräsentant des romantischen Übels, wie überhaupt die Romantikkritik sich charakteristischerweise auf den politischen Theoretiker Friedrich Schlegel konzentrierte, nicht aber eigentlich auf den Erfinder des Imaginativen. Das Ima­ ginative jedoch wurde vor allem durch die Wiederentdeckung der Romantik emphatisch-kategorisch zum Bestimmungsmerkmal der Moderne erhoben. Das bedeutete eine Umwälzung der bis dahin geltenden Kategorie der »Wirklichkeit« (Gegenwart), die bei Heine, Hegel und Kierkegaard im 19. Jahrhundert, bei Carl Schmitt, Max Weber und Georg Lukäcs im 20. Jahrhundert zen23

tral blieb: Es ist ein positivistisch-teleologischer Wirklichkeitsbe­ griff, der seine geschichtsphilosophische, politische und ökono­ mische Ausdifferenzierung besaß. Von daher wird Lyotards These vom »Zurückweichen des Realen« in der Moderne bestä­ tigt. Sie erklärt jedenfalls die folgenreiche Umwälzung der An­ schauungen, die den bis dahin gültigen Realitätsbegriff problema­ tisierte. Grund hierfür war eine neue Erfahrungskonzeption, die schon vor dem Ersten Weltkrieg eine neue Bewußtseinsanalyse herbeiführte, die ihre ersten Konsequenzen in der frühen Psycho­ analyse, Phänomenologie und Anthropologie zeitigte. Der neue »ästhetische« Diskurs ist durch zwei unterschiedli­ che, aber einander ergänzende geistige Terrains angesagt. Erstens: ene mene ming mang, ping, pangwerden als reaktionäre Attitüden, nicht mehr als esoterisch-ästhetische Prin­ zipien verstanden. Als besondere Beispiele dieser Theorie über das Aparte gelten etwa die als obskurantistisch angesehenen lite­ rarischen Entdeckungen von Görres, Heck, Jean Paul und auch unbekannterer Autoren (etwa Franz Horns Deutung des Kinderverses »Maikäfer flieg!«).127 Während an diesem »aparten« Inter­ 122 123 124 125 126 127

Höllische Jahrbücher 1840, Sp. 419. A.a.O., Sp. 420. Ebd. Ebd. A.a.O., Sp. 428. A.a.O., Sp. 434. 211

esse die romantische Faszination für das buchstäblich »Abseitige« deutlich werde (das der Surrealismus hundert Jahre später theore­ tisch fundamentalisieren wird), möchte das Manifest, hier ganz in der Folge von Hegels Kritik am Somnambulen, die Mode einer nachgeredeten »Mystik« und eines »Aberglaubens« dekouvrieren, dem eine politische Absicht zugrunde läge: »Wie aber, wenn man in dem Taumel jener Volksbelustigungen nur einen Ausfluß unfreier Zustände, den Saturnalien der Römer vergleichbar, fände, in welchen die von allen wesentlichen und allgemeinen Interessen abgeschnittenen Sclaven in wildem Taumel alljährlich auf ein Paar Stunden die Gedrücktheit ihrer Existenz verga­ ßen.«128 Auch die romantische Pädagogik erscheint als ein Analogon zu den Konsequenzen des reaktionären Prinzips des »Aparten«. In­ dem sie im Zeichen des »Märchens« steht, wonach das Kind »poetisch und für die Poesie« erzogen werden soll, werde das aufklärerisch-intellektuelle Erziehungsmittel völlig aufgegeben: »Je entschiedener die Romantik am G e i s t verzweifelt, desto fester setzt sie ihre Hoffnung auf die Ge i s t e r . «129 Das Mani­ fest erkennt in der spätromantischen bürgerlichen Alltagskultur des deutschen Biedermeier, die sich vor allem in der privatistischen Innerlichkeit der von Amme und Märchen geprägten Kin­ derstube ausdrückt, die latente Erziehung zum politischen Quie­ tismus und zur politischen Resignation. Der »Unglaube an den Geist«*30 habe die Konsequenz, »überall Hypochondrie und Me­ lancholie« hervorzubringen: »es giebt für das unglückliche Be­ wußtsein der Romantik keine Gegenwart, keine ästhetische, keine religiöse, keine politische .. .«I}1 Man hat dieses Argument dahingehend zu ergänzen, daß sich in der spätromantischen Ent­ fremdung gegenüber der sozialen Wirklichkeit schon die deka­ dente Entfremdung des Fin-de-siecle-Astheten, wie sie Hof­ mannsthal und Schnitzler in den neunziger Jahren analysiert ha­ ben, erstmalig typologisch vorbildet und hierin einen Paradigma­ wechsel des sozialen Bewußtseins ankündigt, wonach die Ent­ fremdung nur noch ästhetisch ausgeglichen werden kann: eben durch Aktualisierungen einer ästhetisch genossenen Vergangen­ es

Hallische Jahrbücher, a.a.O., Sp. 437. 129 A.a.O., Sp. 439. 130 Ebd. 131 A.a.O., Sp. 440.

212

heit. Als besonderes Indiz der spätromantischen Gegenwarts­ flucht sieht das Manifest neben der Vergangenheitsbezogenheit den Kult einer »wilden Waldeinsamkeit«.132 Gemeint ist hier nicht mehr das in Tiecks früher Erzählung Der blonde Eckbert genannte Lied, sondern die von diesem Lied provozierte Stim­ mung und die ihr konkret folgende Absage an aktuelle zivilisato­ rische Leistungen, eine Stimmung, die nicht erkennen will, daß die Natur immer nur über den Geist zugänglich gemacht werden sollte: »Die Harmonie der Waldwildniß mit der Ruine wäre das Ueberwuchem der wüsten und verwüstenden Natur, wäre nichts als das gleichmäßige Aufheben und Zerstören des schönen Men­ schenwerks; und alles Ruinenwesen hat sein Interesse nicht darin, daß nun die Natur gesiegt hätte, sondern daß sie noch nicht völlig zum Siege hat hindurchdringen können, vielmehr die Gedanken der Vernunft, den geschichtlichen Geist auch aus der Verwüstung noch hervorragen läßt.«133 Diese fundamentale Kritik des Manifests an einem zentralen Phantasma des 19. Jahrhunderts zeigt abermals, inwiefern die Prinzipien einer von Hegel abgeleiteten Geschichtsphilosophie des vernünftigen und realen Seins den Beginn einer Irrealisierung der Wirklichkeit durch den ästhetischen Diskurs einer beginnen­ den poetischen Moderne argwöhnisch wahmehmen, ihn aber mißdeuten. Das Manifest geht zum Abschluß seiner Analyse der spätro­ mantischen Kultur, deren scheinbar harmlose »Absurditäten« nicht die »Bösartigkeit« des »romantischen Prinzips« verbergen könnten134, auf den zeitgenössischen Politiker ein, der die »Fried rich-Schlegelsche Theorie in die Praxis des Charakters und ins öffentliche Leben übersetzt« habe135: Friedrich von Gentz. Er wird als der » i n c a r n i r t e E s p r i t der L u c i n d e , die h a n d g r e i f l i c h e P e r s o n i f i c a t i on der i r o n i s c h e n G e n i a l i t ä t « 136 gedeutet. In Gentz’ Dandyismus sieht das Ma­ nifest die zum Egoismus transformierte Ironie des romantischen Subjekts, wozu als Illustration aus mehreren Briefen Gentz’ zwi­ schen 1814 und 1831 zitiert und dieser selbst analysiert wird, wo 132 133 134 135 136

A.a.O., Sp. 441. Ebd. A.a.O., Sp. 497. Ebd. A.a.O., Sp. 498.

*13

er provozierend von seiner »Weltverachtung«, seinem »Egois­ mus« spricht, dem blasierten Desinteresse für irgend etwas außer für die »Einrichtung meiner Stuben«, für das » R a f f i n e m e n t des sogenannten Luxus« und für das » F r ü h s t ü c k « . 137 Das Manifest erkennt im dandyistischen Selbstverständnis die soziale Konkretisierung des »ironischen Subjekts« Schlegels: »Dies gibt den Zustand der B l a s i r t h e i t , das Selbstgefühl der Hohlheit, das Mißbehagen an sich selbst, welches Gentz mit derselben P a r r h e s i e und Fr e c hhe i t , wie Friedrich Schlegel in der Lucinde seine wüste Doktrin, ausspricht.«138 Wie es beim Jean Paulschen Humor »keine Vergangenheit und keine Zukunft«139 gebe, gebe es für Gentz aus » p r a k t i s c h e r Welt Ve r a c h ­ tung« auch nur das » J e t z t « 140: »Das Positive ist für ihn nur der e mp i r i s c h e Zus t and, die endliche Gegenwart, der Mo­ ment und seine zeitlichen Bedingungen.«141 Erinnerte schon die Charakteristik des »unglücklichen Bewußtseins« der Spätroman­ tik an Kierkegaards anläßlich seiner Diagnostik der romantischen Ironie gefundene Feststellung, so begegnet sich das Manifest nun­ mehr auch begrifflich mit Kierkegaards in Entweder-Oder ge­ troffener Kategorie des »Moments«, durch den sich das ästheti­ sche Bewußtsein von der Kontinuität des ethischen Bewußtseins unterscheide. Während Kierkegaard freilich diese momentanisti­ sche Disposition auch als tragisch-moderne Möglichkeit der eige­ nen Existenz reflektiert, das heißt als Strukturmerkmal des mo­ dernen Geistes selbst akzeptiert, erscheint sie in der Polemik des Manifests als willkürliche Perversion der romantischen Ironie. Hatte Kierkegaard in der momentanen Bewegung phänomenolo­ gisch das dämonische Prinzip, die Erscheinung des Satans, be­ schrieben, so hält das Manifest im Verfahren des »praktischen Romantikers« Gentz das Mephistophelische als moralischen De­ fekt fest.142 Die politische Rolle, die Gentz gespielt hat, wird nicht eigentlich dargestellt, sondern vorausgesetzt. Seine gegenre­ volutionäre Position und seine als unheilvoll aufgefaßte Wirkung für die politischen Zustände nach 1820 sind die Folie, vor der die 137 138 139 140 141 142

214

Höllische Jahrbücher, a.a.O., Sp. 499. Ebd. A.a.O., Sp. 501. Ebd. Ebd. Ebd.

Analyse seines »romantischen Bewußtseins« formuliert ist. Über den eigentlichen Gehalt seiner politischen Ansichten handelt ein anderer Artikel der Hallischen Jahrbücher, der dem dritten Band von Gentz* Schriften gewidmet ist.143 Die Analyse von Gentz* dandyistischer Blasiertheit als prak­ tisch gewordener romantischer Ironie läuft aus in eine Warnung vor dem aktuellen romantischen Geist, der sich in Preußen zeige, obwohl Preußen als protestantischer Staat eigentlich der Garant dessen sein müßte, für das der »f r ei e d eu t s c he , der p r o ­ t e s t a n t i s c h e Ge i s t « stehe.144 Das war die Vorahnung der reaktionären Innenpolitik der neuen preußischen Regierung ab 1840, der politischen Konsequenzen ihrer »romantischen Menta­ lität« : »Ist diese romantische Reaktion nun schon für Oestreich ein bedenkliches Element, wieviel gefährlicher wird sie für Preu­ ßen sein! Und in der Tat, die Doctrinen der genannten und ihnen gleichgesinnter Männer sind es, welche den Protestantismus und die Staatsfreiheit, die Wahrheit und die freie Wissenschaft ver­ dächtigen, das Mißtrauen gegen den Geist der Geschichte, gegen unsere Macht, gegen unsem Gott in unsere Herzen zu pflanzen suchen.«145 Das Manifest schließt mit der Hoffnung, daß kein Friede gemacht werde mit den Repräsentanten des »unfreien Prinzips«.146 Und damit die »gesunden Kräfte unserer wissen­ schaftlichen und künstlerischen Gegenwart«147 die Romantik nicht mißverstehen als eine historisch vergangene, sondern sich von Epoche zu Epoche fortpflanzende Gefahr, indem man also den verderblichen romantischen Geist als den die Moderne an­ greifenden Geist begreift, werden seine Vertreter vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart wie auf einem Steckbrief ge­ nannt. Zu den romantischen Epigonen der Jetztzeit gehören nach Ansicht des Manifests, abgesehen von dem beispielhaften Fall Gentz, unter anderem: Uhland, Kleist, Chamisso, Eichendorff, Immermann, Rückert, Vamhagen, Hoffmann, Menzel, aber auch die »französisierenden Romantiker«, nämlich das »Junge Deutschland«: diese letzte Literaturbewegung sei der »neueste 143 144 145 146 147

A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., Ebd.

Sp. 913 f. Sp. 509. Sp. 510. Sp. 511.

215

Ansatz der Romantik seit 1830«.148 Diese verbinde die »Genialitätspointe« und die »Pointen der Schlegelschen Lucinde« mit »französischem Geist« und dem »historischen Zug des Liberalis­ mus«. Das Manifest sieht zwischen dieser Richtung einer aktuel­ len Romantik und dem altromantischen Erbe, wozu vor allem die Philosophie Schellings gehört, allerdings eine feindliche Grenze. Daran läßt sich ablesen, daß unter der immer wieder aktuell wer­ denden romantischen Drohung auch Haltungen verstanden sind, die sich im Konflikt befinden mit den Überbleibseln einer reak­ tionären Vergangenheit. Es geht dem Manifest darum, die Struk­ tur des romantischen Bewußtseins auch dort aufzudecken, wo es harmlos erscheint oder bis zur Unerkennbarkeit unter anderem Namen versteckt ist, etwa dem des Liberalismus. Hierfür werden keine Namen genannt, aber durch die wenigen Andeutungen ist man auf Heine verwiesen. In der generellen junghegelianischen Perspektive, also abgesehen von Rüge bei Prutz, Friedrich En­ gels, C. Biedermann, zeigt die Literatur des »Jungen Deutsch­ land« sich trotz ihrer progressiven politischen Tendenz als histo­ risch schon überwundene, politisch noch unklare und unreife Bewegung.149 Der Ubergangscharakter des »Jungen Deutsch­ land«, deren wichtigster Repräsentant in den Augen der Junghe­ gelianer neben Heine Börne gewesen ist, wird in verschiedensten Interpretationen der junghegelianischen Wortführer deutlich, so wenn Friedrich Engels negativ von der »Unbestimmtheit«, der »Verwirrung der Begriffe« spricht, die erst »durch Vermittlung der Philosophie« geordnet worden seien150, oder wenn C. Bieder­ mann positiv hervorhebt, daß die Vorstellung von Literatur als einer solchen von »ewiger Dauer« bei den Schriftstellern des »Jungen Deutschlands« umgesetzt worden sei in die Vorstellung von »Zeitliteratur«.151 Besonderen Anstoß nahm die junghegelia­ nische Kritik an der »Reflektiertheit« der jungdeutschen Litera­ tur, ihrer Neigung zu Abstraktionen, was sich besonders zeigt in 148 Hattische Jahrbücher, a.a.O., Sp. 512. 149 Vgl. hierzu Pepperle, a.a.O., S. 208 f. Die Unfähigkeit, zwischen romantischer und jungdeutscher Literatur zu unterscheiden, erklärt Hohendahl aus der Stra­ tegie der frührealistischen Theorie, »wichtige Bestandteile des klassisch-romantischen Modells (Autonomie) für die eigenen Zwecke zu retten, indem man sie aus dem Zusammenhang der Subjektivismus-Kritik herausnimmt« (Hohendahl, a.a.O., S. 129). i j o Vgl. Pepperle, a.a.O., S. 211. 151 Ebd.

2 l6

1

der Kritik Ruges an Gutzkows Roman Wally, die Zweiflerin, dem er wirkliche Sinnlichkeit, die den Vergleich mit Heinse aus­ hielte, absprach.152 Man muß also sehen, wie das Manifest gegen­ über der jungdeutschen Gegenwartsliteratur in seinen wenigen Anmerkungen unter den ihm möglichen Positionen die am ent­ schieden kritischste einnahm. Und dies erklärt sich aus dem Ar­ gument, das »Junge Deutschland«, oder doch den einen oder anderen seiner Vertreter, vornehmlich im Zusammenhang des sich fortsetzenden romantischen Bewußtseins sehen zu müssen. Man erkannte noch nicht die verborgene Konsequenz, nämlich überhaupt in einen Konflikt mit dem modernen Ich einer neuen Literatur, ja mit der modernen Literatur selbst geraten zu müs­ sen. Damit gibt sich der Begriff »Romantik«, gelöst von spezifi­ scher Gattungs- und Epochenbestimmung, als die schlechthin ne­ gative historische Kategorie des Junghegelianismus zu erkennen. Die Begründung der Vorstellung von der »Romantik« als einer politisch reaktionären und intellektuell obskurantistischen Hal­ tung, was immer für formalästhetische Leistungen sie vollbracht haben mag, ist in dieser an Ästhetischem ohnehin nicht interes­ sierten junghegelianischen Analyse und der aus ihr abgeleiteten kulturpolitischen Warnung formuliert worden. Anders noch als bei Hegel und auch bei Heine sind nunmehr sozialpsychologische Konsequenzen und institutionalisierte Auswirkungen themati­ siert. Der Angriff des Manifests auf die jungdeutsche Literatur als eine »romantische Renaissance« verdankt sich vor allem Ruges spezifischer Ablehnung Heines, die Rüge allerdings auch zu dif­ ferenzieren verstanden hat (so greift er etwa in seiner Bespre­ chung des Wintermärchens Vischers negative Rezension an). Das Urteil über Heine differiert bei den Junghegelianern. Während Vischer radikal negativ bleibt, findet Rüge auch zu einem positi­ ven Verständnis, wenn er ein Jahr nach Erscheinen der Neuen Vorschule der Ästhetik in den gerade gegründeten Hallischen Jahrbüchern Heine als einen »Autor der Gegenwart« würdigt153 und die Reisebilder als unmittelbare Reflexe, also als Nachah­ 1 52 Arnold Rüge, Wilhelm Heinse’s sämmtliche Schriften, in: Höllische Jahrbücher 1840, Sp. 167J. 153 Arnold Rüge, Heinrich Heine, charakterisiert nach seinen Schriften, in: Hatti­ sche Jahrbücher 1838, Sp. 194.

217

mung des Lebens anerkennt154, während er den Vorwurf der »Lüge«, den er in der Neuen Vorschule der Ästhetik ausführlich theoretisch begründete, gegenüber einer alles ironisierenden Hal­ tung wiederholt.155 Entscheidend für Ruges Urteil bleibt letztlich die politische Wirkung von Heines Stil: Wo Heines Satire hilft, der antifeudalen Opposition beizustehen, da applaudiert ihm auch Rüge.*56 Wo sie sich jedoch als Ausdruck einer solchen Subjektivität darstellt, die sich nicht mehr gesellschaftlich vermit­ telt, da versteht sie Rüge nicht. Vor allem auch dann nicht, wenn sie sensualistisch die Emanzipation des Fleisches verkündet, die schon die Neue Vorschule der Ästhetik attackiert haue.157 Anders als Rüge hat Prutz in seinen Vorlesungen die Erscheinung Heines komplexer gewürdigt: allerdings auch als Ausdruck einer Krank­ heit, als das »schamlose Hervortreten des inneren Krankheitstof­ fes, als Witz, als Spaß, der Nihilismus als Frivolität, die Selbstver­ nichtung als Selbstverhöhnung«.158 Nur Heine habe »die Stirn« gehabt, »die Wunden aufzudecken und vor allem Volk, behag­ lich, in gieriger Lust darin zu wühlen«.159 Prutz charakterisiert die Dichtung Heines als »die Romantik ohne romantische Illu­ sion, ganz baar, ganz nackt, die reine Willkür, das bloße geniale Belieben, das nichts hat, nichts will, als bloß sich selbst«.160 Prutz ist anders als Rüge wohl imstande, die Heinesche Ironie nachzu­ bilden und zu verstehen ohne Zuhilfenahme idealistischer Termi­ nologie: »Es ist die alte Ironie der Romantiker, die zum Bewußt­ sein ihrer selbst gekommen und die sich nun entsetzt vor ihrer eigenen Nichtigkeit: aber mitten in ihrem Entsetzen befällt sie die Erinnerung, daß ja doch Alles eitel ist, und sogleich lacht sie wiederum sich selbst aus über ihr eigenes Entsetzen.«161 Während Prutz das Heinesche Bewußtsein und sein Reflexionspotential historisch begreift, steht er andererseits hinter Ruges politischer Kritik an Heines Existenz nicht zurück: Heines gebrochene Iden­ tifikation mit der Französischen Revolution, wie sie dieser in 154 Arnold Rüge, Heinrich Heine, a.a.O., Sp. 209 und 2 11. 155 A.a.O., Sp. 219. 156 A.a.O., Sp. 203, außerdem: Rüge, Die Frivolität. Erinnerung an H. Heine, in: Deutsche Jahrbücher 1843, S. 64. 157 Rüge, Neue Vorschule der Ästhetik, a.a.O., S. 103. 158 Prutz, Vorlesungen, a.a.O., S. 239. 159 Ebd. 160 A.a.O., S. 240. 161 A.a.O., S. 240 f.

218

seinen frühen, schon damals dialektisch präzisen Kunstrezensio­ nen aus Paris formulierte, wird als »Irrtum«162 und als »Frech­ heit«163 mißverstanden und zurückgewiesen: »In dem Paris, wie es durch die Julirevolution geworden, in diesem Frankreich Louis Philippes, unter dieser lügnerischen Larve, diesen frivolen Scheinbildem der Freiheit, da allerdings war Heine’s Platz, da konnte er sich wohlfühlen, von da konnte er uns das Evangelium einer Freiheit predigen, an die er selbst nicht glaubt.«164 Prutz steht an sittlicher Entrüstung Rüge also nicht nach, erkennt ande­ rerseits aber hellsichtig in Heine denjenigen, der vor allem eines nicht kann und will: die Affirmation an das Positive. Prutz analy­ siert dieses Phänomen des modernen Künstlers zwar nicht ange­ messen, sondern macht es moralisch dingfest, aber er hat den Instinkt, diese Dimension der notwendigen Negativität zu erken­ nen.165 So ist Prutz* Urteil ambivalent: Er bewundert die sensualistische Offenheit Heines: »So zieht Heine auch hier die Summe, er reißt das romantische Feigenblatt ab, es ist Lucinde, aber nicht mehr in der Stille ihres Boudouirs - Lucinde auf offenem Markt, auf freier Gasse!«166 Prutz ist beeindruckt von einem Vorzug vor allem: dem Vorzug, »ohne Phrase zu sein«.167 Aber das letzte Wort will auch bei Prutz vernichten: Heine ist im Vergleich zu Börne, dem Revolutionär, ein Konterrevolutionär, ein »Roya­ list«: »der Voltaire jenes neuen ancien regime, das sich über dem Abgrunde der Revolution erhoben hat, das aber auch, wir wissen es! seinem zehnten August entgegengeht.«168 Ruges und Prutz’ Deutung, in Heines Haltung formuliere sich historisch die letzte Position der ironischen Romantik, hat die Unergiebigkeit der dichterischen Existenz für politische Funktio­ nen richtig gesehen. Heine war der erste moderne Dichter, der die vordergründig politische Erwartung seiner engagierten Zeitge­ nossen provokativ enttäuscht hat.169 Daß Rüge und Prutz den 162 163 164 165 166 167 168 169

A.a.O., S. 242. Ebd. A.a.O., S. 243. Ebd. A.a.O., S. 250. A.a.O., S. 251. A.a.O., S. 250. Zu Heines komplexer politischer Ironie als kalkulierter Strategie vgl. Dolf Oehler, Pariser Bilder I (18)0-1848). Antibourgeoise Ästhetik bei Baudelaire, Heine und Daumier, Frankfurt 1979, S. 33-44 und S. 209ff. und Ders., Ein

219

Schriftsteller funktional sahen, ergab sich zwingend aus ihrer po­ litisch-historischen Theorie und aus der politisch-sozialen Situa­ tion Deutschlands in den vierziger Jahren. Das Lob, das Rüge der Lyrik Herweghs zollt, sie sei eine »wirklich neue Geburt«, eine »vollzogene Revolution«170, belegt diese Hoffnung auf politische Tendenzdichtung. Diese Position ist die Basis aller Urteile über die »Romantik« und ihre aktuellen Nachfolger. Hatte Hegel die wichtigsten Dichter der Romantik unter das Verdikt der »Idee« gestellt, an einem universal-historischen Anspruch gemessen, so stellten die Junghegelianer sie unter das Verdikt der »Revolu­ tion«: sie konkretisierten den historischen Anspruch Hegels als einen politischen Anspruch der Gegenwart. Damit stellte sich eine Konstellation ein, die sich absehbar wiederholen mußte: in­ dem die moderne Literatur sich als eine romantische herausbil­ dete, indem sie alle ästhetischen Elemente, die Hegel und die Junghegelianer skandalisierten, verschärfte, mußte sie notwendi­ gerweise in eine prästabilisierte Opposition zum politischen Dis­ kurs geraten. Die These Peter Bürgers, die literarische Avant­ garde knüpfe an eine antiästhetische Position der Lebenspraxis an, ist ein aus der Erbschaft dieser Romantikkritik erwachsenes Mißverständnis: Sofern der Surrealismus eine solche Strategie verfolgte, hatte sie im romantischen Prinzip des »poetischen Le­ bens« ihr Vorbild.

Höllensturz der Alten Welt. Zur literarischen Selbsterfahrung der Moderne nach dem Ju n i 1848, Frankfurt 1988, Kap. 5. 170 Arnold Rüge, Neue Lyrik, in: Deutsche Jahrbücher 1841, S. 251 und S. 256.

IV. Die nationalpädagogischen Kriterien der liberalen Literarhistorie zwischen 1830 und 1870 Eine der wichtigsten Konsequenzen der junghegelianischen Ro­ mantikkritik zeigte sich innerhalb der Literarhistorie: die bedeu­ tenden Literaturhistoriker der Epoche vor und nach 1848, Georg Gottfried Gervinus, Julian Schmidt, Hermann Hettner und nicht zuletzt Rudolf Haym, behielten ein kritisch-distanziertes Ver­ hältnis gegenüber der Romantik, auch dort, wo sie sich von der junghegelianischen Polemik absetzten. Wenn am Ende der Zeit­ spanne des Nachmärz die Romantik zwar als literarischer Be­ stand der Literaturgeschichte historisch integriert wurde1, na­ mentlich durch Haym, so bleibt doch das charakteristische Miß­ verständnis des ästhetischen Potentials weiterhin bestehen: Hein­ rich Heines Hinweise in der Romantischen Schule wurden nicht aufgenommen, da Heine ja selbst als negatives Beispiel in das Verdikt über die Romantik einbeschlossen war. Hettner ist der einzige, der das »phantastische« Prinzip (bei Heck) zu würdigen versteht. Eine prinzipielle Differenz des Urteils über die Roman­ tik zwischen Vormärz und Nachmärz gilt es vorweg festzuhalten: einmal wird Literaturgeschichte nach 1 848 nicht mehr als Funk­ tion einer unmittelbaren politischen Pädagogik verstanden. Darin unterscheiden sich Julian Schmidt und Rudolf Haym von Gervi­ nus.2 Zum ändern: Da das Mißverständnis des ästhetischen Po­ tentials abhängig war vom Stand der frühen Realismus-Debatte3, divergierte das Urteil über die Romantik je nachdem, wie diese Debatte geführt wurde.

1. Georg Gottfried Gervinus Gervinus hatte in seiner seit 1835 erschienenen fünfbändigen Neueren Geschichte der poetischen National-Literatur der Deut­ 1 Vgl. Hohendahl, a.a.O., S. 183 f. 2 A.a.O., S. 235. 3 Vgl. hierzu Max Bücher, Voraussetzungen der realistischen Literaturkritik, in: Realismus und Gründerzeit, Bd. I, Stuttgart 1976.

221

schert zwei Vorentscheidungen getroffen: Er hatte Schiller und Goethe zu dem Fixpunkt gemacht, dem die Literaturperiode vor­ her und nachher als nur Vorbereitung oder Abfall nachgeordnet wurde. Er hatte, und das war noch wichtiger, die Literatur, das Ästhetische, im Sinne seines Titels als integralen Bestandteil einer politischen und sozialen Geschichte der Deutschen definiert. Da­ mit war Dichtung einer rigiden Wertetafel unterworfen, die nach vitalen Interessen der politischen Gegenwarts- und Zukunftser­ wartung ausgerichtet war. Indem Literaturgeschichte nur als ein Teil der allgemeinen Geschichte aufgefaßt war, konnte es zu einer spezifisch an Literatur orientierten Kategorienbildung nicht kommen. Die Literaturgeschichte tritt in die Funktion des fehlen­ den Nationalstaates: Gervinus, geistig geprägt vom moralischen Rigorismus seines Lehrers F. Ch. Schlosser, hat, wie er in der Einleitung sagt, kein Interesse an der »ästhetischen Beurteilung der Sachen«, sondern er will versuchen, »das verkümmerte Ver­ trauen (der Nation) auf sich selbst zu erfrischen, ihr neben dem Stolze auf ihre ältesten Zeiten Freudigkeit an dem jetzigen Au­ genblick und gewissen Mut auf die Zukunft einflößen«. Aus sol­ chen Absichten leitet sich unmittelbar die Konsequenz ab, daß eine Literatur, die der nationalstaatlichen und gesellschaftlichen Utopie nicht integrierbar war, negativ eingeschätzt werden mußte.4 Besonders wenig integrierbar war die romantische Lite­ ratur. Während Gervinus die Darstellung Schillers und Goethes unter die universalhistorischen Kategorien Geschichte und Poli­ tik stellen konnte und von Schiller sagte, in seiner Natur habe gelegen, den »Fortschritt aus der ästhetischen in die historische und philosophische Welt« fortzuschreiben5, war ihm dies im Falle der Romantik verwehrt. Seine Narratio von Goethes und Schillers künstlerisch-menschlicher Existenz arbeitet an dem Pa­ radigma »Entwicklung«, das die Romantiker eben nicht bereit­ stellten. Schillers und Goethes Dichtung wurde für Gervinus als »Symbol« ihrer »Zeit«6 deutbar. Dichtung wurde also nur dann für wertvoll befunden, insofern sie den latenten Gehalt einer gan­ 4 Zur utopischen Konzeption der deutschen Literaturgeschichtsschreibung im 19. Jahrhundert vgl. Jürgen Fohrmann, Das Projekt der deutschen Literaturge­ schichte (Bielefelder Habilitationsschrift 1987). 5 G. G. Gervinus, Neuere Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen, I. Teil, Leipzig 1842, S. 368. 6 A.a.O., S. 110,

222

zen nationalen Gemeinschaft aussprach, ein Kriterium, das aller­ dings schon in nuce von Friedrich Schlegel in seinem StudiumAufsatz und in den Überlegungen Goethes und Schillers zur Pro­ blematik einer deutschen Nationalliteratur vorgebildet war. Gervinus knüpft an der nationalen Utopie an, die Goethe und die klassische Generation formuliert habe: »und wir müssen einge­ stehen, daß der Bildungsgang der Nation allerdings auf dieses große Ziel hinweist, ja daß für Mensch und Menschheit keines gedacht werden kann, was die harmonische Entfaltung aller ihrer Kräfte und in Folge dieser Glück und Gedeihen mit so viel inne­ rer Bürgschaft verspräche. Die Geschichte der Welt im größesten Ganzen scheint unserer Zeit keinen ändern Richtpunkt anzuwei­ sen, als eben diesen.«7 Die teleologische Funktion der Literarhi­ storie, wie sie bei Gervinus erscheint, leitet sich also ab vom paradigmatisch kanonisierten Bildungsgedanken der deutschen Klassik. In dieser Funktion unterscheidet sich die deutsche Lite­ raturgeschichtsschreibung seit Gervinus von der übrigen europäi­ schen Literaturwissenschaft bis zur Konsequenz, daß die teleolo­ gische Struktur am Ausgang des 19. Jahrhunderts mit radikalisierten Konzeptionen der »sittlichen« Idee ausgefüllt werden konnte8, nunmehr unter Verzicht auf politische Motivation. Die Behandlung der Romantik erscheint infolge der beschrie­ benen geschichtsphilosophischen Prämisse nur noch als ein An­ hang an das eigentlich Wesentliche, die Geschichte9, und ist von Bedeutung nur als ein zur Klassik in Beziehung Gesetztes. Ähn­ lich wie bei Prutz, der darin Gervinus unmittelbar folgte, wird der Romantik vorab ihr kulturpolitisches Engagement zugute ge­ halten: daß sie »immer ein Höchstes, sogar ein ultra in Aussicht hatte«.10 Damit war auch die romantische Generation unter die teleologische Maxime des Gervinusschen Geschichtsbegriffs ge­ stellt, und ihre Bestrebungen waren begrifflich anschließbar an die Tendenzen der Klassik selbst geworden.11 Wo ihre spezifische Ästhetik nicht mehr eine solche Anschlußdeutung zuließ, da setzte Gervinus* rein negative Deutung ein: »Ihr Zweck, das Reale zu idealisiren, verflüchtigte sich in nihilistische Luftgespin­ 7 8 9 10 11

A.a.O., S. 114. Vgl. Fohrman, a.a.O., S. 370 ff. Gervinus, a.a.O., S. 569 ff. A.a.O., S. 583. A.a.O., S. 588.

223

ste«'2, das »neue Leben«, das man schaffen wollte, war für die Gegenwart »tot«'3, selbst eine »große geschichtliche Zeit wie 1813« habe den »unrealen, vergeistigten, nebulösen Charakter« der romantischen Poesie nicht verändern können.14 Ähnlich wie das Manifest Ruges und Echtermeyers arbeitet Gervinus eine obskurantisch-sektiererisch-reaktionäre Bewegung als Entste­ hungsbedingung der Romantik heraus.15 Goethes Polemik gegen die mittelalterlich orientierte Kunstreligion des Stembald wird wiederholt und ein prinzipieller Übergang vom »poetischen zum religiösen Glauben«'6 beklagt, sozusagen als Antizipation der Wiener Periode Friedrich Schlegels. Was Gervinus über die zen­ tralen Dichter der Romantik zu sagen weiß, liest sich partiell wie eine Parodie auf die eigene ideengeschichtliche Methode: Über Novalis heißt es, daß dieser die »Oekonomie aufs schnödeste« behandelt habe »und alles, was nach Freude am Realismus aus­ sah«.'7 Das abschließende Urteil lautet: »Fragte man uns nach dem Roman und dem Manne, dem in der neuen Schule eine sol­ che Bedeutung geliehen wird, so würden wir ehrlich sagen, daß uns die Abstammung des Dichters, aus einer hermhutischen Fa­ milie, seine Erziehung zur Poesie, seine Beschäftigung mit Zinzendorf und Lavater, den Mystikern und Neuplatonikern und vor Allem die Brustkrankheit, die ihn früh wegraffte, eine Reiz­ barkeit und ein Gefühl der Vereinsamung und Trauer in ihm erzeugt zu haben scheint, deren Äußerungen wir in keiner Weise die tiefsinnigen Bedeutungen leihen würden, die die Freunde des Geschiedenen hineingelegt haben.«'8 Mit dieser Charakteristik legt Gervinus auch jene eigenen Kriterien der »Gesundheit« aus, die der Anlaß von Nietzsches Polemik gegen die junghegeliani­ sche Publizistik wurde. Nur insofern die Romantik dem Krite­ rium der »Gesundheit« des nationalen Lebens anschließbar er­ schien - und das war für Gervinus bei einigen der Schlegelschen Provokationen der Fall -, konnte sie als Fortsetzung des »Bestre­ ben der Göthischen Zeit« in dieser Literaturgeschichte einen po­ sitiven Platz besetzt halten. Hingegen wendet Gervinus sich ge12 Gervinus, a.a.O., S. 588. 13 Ebd. 14 Ebd. i j A.a.O., S. 595. 16 A.a.O., S. 597. 17 A.a.O., S. 589. 18 A.a.O., S. 589f.

224

gen die zentralen poetologischen Begriffe Friedrich Schlegels, die dieser im Gespräch über die Poesie formuliert hatte19, weil Gervi­ nus sie in ihrer programmatischen »Künstlichkeit« gegen das af­ firmative Prinzip »sinnlicher Lebendigkeit«20 gerichtet sieht. Dem Kriterium der »gesunden« nationalen Entwicklung mußten die esoterischen Begriffe des autonom gesetzten ästhetischen Konstrukts nicht nur unverständlich, sondern besonders zuwider sein, und so versucht Gervinus auch keine angemessene Interpre­ tation, sondern nennt sie »wunderlich«21, eine »Chimäre«.22 Friedrich Schlegels politische Position wird generalisierend mit der von Edmund Burke identifiziert: Friedrich Schlegels Spätzeit, charakterisiert als »blindes Werkzeug ... für die politische Reak­ tion«23, löscht wie in der junghegelianischen Deutung die Erinne­ rung an seine Anfänge aus. Es versteht sich von dieser distanzier­ ten Perspektive, daß Gervinus die Diskussion um den »Ironie«Begriff, den die Junghegelianer gerade noch aufgenommen hat­ ten, nicht weiterführt und er sich auch nicht mehr interessiert zeigt an der »Subjektivismus«-Debatte. Das hätte bedeutet, sich von dem Paradigma »Goethe-Schiller« zu weit zu entfernen. Von den bedeutenden Dichtem des romantischen Stils erörtert Gervi­ nus noch Heck, Kleist und Hoffmann. Hölderlin, Arnim und Brentano sind nicht behandelt. Heck steht zwar unter der Kategorie des »Phantastischen«24, ohne daß aber diese Kategorie ansatzweise poetologisch erklärt würde. Es bleibt bei oberflächlichen Paraphrasierungen des Stof­ fes, wobei es zur völligen Mißdeutung der Tieckschen Komö­ dienironie kommt: Sie sei mangelndes Vertrauen »an seinem Kunstwerk«.25 Gervinus sieht sich gezwungen, den »Geschmack am Schauerlichen« einem »nervenkranken Sinn«26 abzuleiten, und moniert an Hecks Komödien, wie auch an Brentanos Komö­ die Ponce de Leon, daß sie keine »ästhetische Gestalt« hätten, so »als ob auch das Formloseste berechtigt sei«.27 Indem jeder 19 20 21 22 23 24 25 26 27

A.a.O., Ebd. Ebd. A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O.,

S. 603.

S. 618. S. 609. S. 653. S. 656. S. 660. S. 660 f.

225

romantische Stoff daraufhin betrachtet wird, ob er seine Ver­ ankerung in der klassischen Epoche habe, erscheint er, insofern er von einer solchen Verursachung abweicht, als das »Allerson­ derbarste und Ausschweifendste«, als »formlos«.*8 Kein Ansatz also zu einer kritischen Würdigung des »Phantastischen« der frühen Märchen Tiecks und der reflexiven Ironie in den Ko­ mödien. Gervinus' klassizistische Voreingenommenheit nach Maßgabe des harmonischen Natur- und Wirklichkeitsmodells, in dem das Phantasma romantischer Phantasie keinen Platz hat, zeigt sich schließlich auch in der Beurteilung Kleists und Hoffmanns. Die Penthesilea erscheint ihm, darin Goethes Urteil folgend, wie eine »Tragikomödie«, deren Sinn irreführend sei.29 Am Prinzen von Homburg und am Käthchen von Heilbronn wird das »Somnam­ bule« kritisiert30, wie es Hegel schon prinzipiell getan haue. An­ dererseits erkennt Gervinus an Kleist zum ersten Mal im Falle eines romantischen Dichters »tragische Kraft« und »eine außerordendiche poetische Energie«.31 Die Sympathie Gervinus' für Kleist hat ihre Ursache aber nicht im poetischen Vermögen, son­ dern im »patriotischen« Leiden: »einen glühenderen Freund des deutschen Vaterlandes hatte es nie gegeben«.32 Deshalb ist für Gervinus Die Hermannsschlacht »ihrer historischen Bedeutung nach das wichtigste der Kleistschen Stücke«.33 Entscheidend für die Urteilskriterien bleibt, daß Gervinus »das Ungeheure, das Phantastische, das Exzentrische«34 sich solange gefallen lassen will, »wo es Jugendsymptom ist«, als bloßer »Begleiter eines wahren Talents«35 und nicht als Ersatz dieses Talents, wie es so häufig auftrete. Die Kategorie des »Phantastischen« hat bei Ger­ vinus also keinen autonomen ästhetischen Rang. Deshalb kann er ähnlich wie Prutz die späteren Novellen Hecks loben, weil sie »sich in ihren Gegenständen zu der modernen Gesellschaft und Menschheit zurückwenden«.36 Gervinus lobt, daß nunmehr »an 28 29 30 31 32 33 34 35 36

226

Gervinus, a.a.O., S. 662. A.a.O., S. 675. Ebd. Ebd. A.a.O., S. 676. Ebd. A.a.O., S. 675. Ebd. A.a.O., S. 697.

die Stelle des äußerlichen Wunderbaren die innem Wunder und Rätsel des Seelenlebens und ihre präzise Entwicklung« träten.37 Er fordert also psychologische Wahrscheinlichkeit, die dem ro­ mantisch »Wunderbaren« nicht unmittelbar anhaftet. Deshalb sagt er auch über E. T. A. Hoffmanns Phantasie: »sie erschüttern die leicht erregliche Phantasie der Frühjugend, und später begreift man diese Wirkungen nicht mehr«.38 An Hoffmann wird ähnlich wie an Novalis das »krankhafte Wesen«, die »von Geburt an zerrüttete Natur«39 vorab betont. Nach dieser klinischen Dia­ gnose verläuft die polemische Charakteristik des Werks in ab­ schreckend-moralischer Absicht. Dabei erwähnt Gervinus eine »englische von Göthe empfohlene Beurteilung«, wonach Hoff­ manns Schriften »fieberhafte Träume eines kranken Gehirnes sind«, gleich den Einbildungen, die ein unmäßiger Gebrauch des Opiums hervorbrächte.40 Gervinus bezieht sich an dieser zentra­ len Stelle, an welcher der Begründer der deutschen Literaturge­ schichte deren Diskurs moralisch und ästhetisch nachdrücklich trennt vom Diskurs einer längst begonnenen ästhetischen Mo­ derne, offensichtlich auf Goethes Kommentar zu einer in der Foreign Quarterly Review vom Juli 1827 erschienenen Kritik Walter Scotts von E. T. A. Hoffmanns Werk, die dieser unter die Überschrift On tbe Supematural in Fictious Compositions gesetzt hatte.41 Goethe zitiert übersetzend: »Wir müssen uns von diesen Rasereien lossagen, wenn wir nicht selbst toll werden wollen.«42 Außerdem übersetzt Goethe: »... es sind nicht die Gesichte eines poetischen Geistes, sie haben kaum so viel scheinbaren Gehalt, als den Verrücktheiten eines Mondsüchtigen allenfalls zugestanden würde; es sind fieberhafte Träume eines leichtbeweglichen kran­ ken Gehirns .. ,«43 Goethe schließt sich Scotts Plädoyer für einen »gesunden Geisteszustand« als Voraussetzung für einen Schrift­ steller »erster Bedeutung«, der Hoffmann hätte werden können, 37 38 39 40 41

Ebd. A.a.O., S. 684. Ebd. A .a.O ., S .685. Vgl. Walter Scott, On the Supematural in Fictious Compositions; and particular on the works o f Emest Theodore William Hoffmann, in: Ders., On Novelist and Fiction, ed. by Joan Williams, London 1968, S. 312 ff. 42 Goethe, Schriften zur Literatur. Gedenkausgabe der Werke, Briefe, Gespräche, hg. von Ernst Beutler, Zürich 1950, 14. Bd., S. 927. 43 A.a.O., S. 927 f. 227

an. Er setzt die Warnung hinzu, daß »die krankhaften Werke des leidenden Mannes lange Jahre in Deutschland wirksam gewesen und solche Verirrungen als bedeutend-fördernde Neuigkeiten ge­ sunden Gemütern eingeimpft worden«.44 Gervinus* Romantik­ kritik hätte also keine verpflichtendere Autorität zitieren können. Goethes Berufung auf Walter Scott ließ Gervinus’ nationalpäd­ agogische Teleologie nur noch massiver werden. Wenn Gervinus’ Urteil im Falle Hoffmann besonders aggressiv ausgefallen ist, so erklärt sich dies also aus einer literaturkritisch verpflichtenden Vorgeschichte. Er setzt sie in einer Ermahnung fort: »Alles, was den Geist natürlich hält, Gespräch über Politik, Staat, selbst Religion haßte er frühe und immer ... das Berufsle­ ben quälte ihn; wie alle jene Genialitäten, an denen wir in Deutschland so reich sind, die ohne Kraft sind das äußere Leben zu bewältigen .. ,«45 So enthüllt sich die erste große Literaturgeschichte des 19. Jahr­ hunderts als eine nationale Pädagogik, in der die Literatur der Ro­ mantik und ihr zentrales Moment, das Phantastische, als der ge­ sunden Nationwerdung schädlich abqualifiziert sind. Das literari­ sche Werk wird dabei den außerliterarischen Gesichtspunkten des bürgerlichen Fortschritts und der gesellschaftlichen Identifika­ tionsmöglichkeit unterworfen. Der affirmative Wirklichkeitsbe­ griff ist Gervinus wie der junghegelianischen Publizistik selbstver­ ständlich, so daß er weit entfernt davon ist, die von ihm gerügte »Krankhaftigkeit« der romantischen Dichtung anders als unter biologischen und klinischen Bedingungen zu fassen. Insofern ist seine Literaturgeschichte Ausdruck eben jener bildungsbürger­ lich-philiströsen Konformität, die E.T. A. Hoffmann in seinem Werk und in seiner Dichtungstheorie dargestellt hatte und die Nietzsche zum Anlaß seiner romantischen Kulturkritik machen wird, bei der er unter anderem gerade auch Gervinus ins Visier nimmt. Es ist auch zu fragen, inwiefern das ästhetische Defizit, mehr noch: die außerordentliche literarische Bomierung, die Gervinus mit den wichtigsten junghegelianischen Köpfen teilt, ja sie hierin noch übertrifft, sich aus den sozialpsychologischen und bildungsgeschichtlichen Bedingungen einer neuen Intellektuel­ lenschicht ergibt, die nach 1830 den akademischen Diskurs an­ 44 Goethe, Schriften zur Literatur, a.a.O., S. 928. 45 Gervinus, a.a.O., S. 68 j .

228

führt.46 Die Differenz der gesellschaftlichen Herkunft zwischen den wichtigsten Vertretern des romantischen Prinzips, nicht zu­ letzt des »Phantastischen«, Novalis, Kleist, Brentano und Arnim einerseits, und ihren schärfsten Kritikern, Gervinus und Rüge an­ dererseits, ist gar nicht zu übersehen. Die Soziologie dieser Gruppe würde ein bürgerlich-kleinbürgerliches Ressentiment ge­ gen das »Ästhetische« jedenfalls erklären helfen, während der eher aristokratisch-großbürgerlich geprägten romantischen Gruppe als intellektueller Klasse das »Ästhetische« selbstverständlich war, die außerdem noch von den kulturellen Standards der vorbürgerlich­ vorrevolutionären Epoche des ausgehenden 1 8. Jahrhunderts ge­ prägt war, deren Individualismus den akademisch-beamtlich orien­ tierten Junghegelianern allein schon befremdlich erschien.47

2. Hermann Hettner und Julian Schmidt T ie stellten sich die beiden Gervinus unmittelbar folgenden Lite­ rarhistoriker Hettner und Schmidt nach einer solchen Vorlage zu der romantischen Provokation des Wirklichkeitsprinzips? Was sie von Gervinus trennte, war die Erfahrung der Revolution von 1848.48 Die Polemik, wie sie die Hallischen Jahrbücher gegen die Romantik formuliert hatten, wurde nicht einfach fortgesetzt49, sondern hier sind Differenzierungen festzuhalten. Julian Schmidt wendet in seiner zweibändigen Geschichte der Deutschen Natio­ nalliteratur im neunzehnten Jahrhundert (1853), in der er sich Gervinus verpflichtet weiß, das Wirklichkeitskriterium wie Rüge gegen die Romantik: ihre religiöse Mystik trenne die Kunst von der politischen Wirklichkeit. Schmidt verurteilt die Romantik ähnlich wie Gervinus und das Manifest unter dem Gesichtspunkt einer politischen Moral. Dem gegenüber versucht Hettner, ob­ gleich linker Hegelianer und ebenso dem Wirklichkeitsbezug ver­ pflichtet, den Begriff »Romantik« aus seiner Tabuisierung als »reines Parteiwort«, zu dem es in den vierziger Jahren geworden war, in seinem Werk Die romantische Schule in ihrem inneren 46 Vgl. hierzu Wolfgang Eßbach, Die Junghegelianer. Soziologie einer Intellektuel­ lengruppe, München 1988, S. 66 ff. 47 A.a.O., S. 117 ff. 48 Vgl. Hohendahl, Literarische Kultur, a.a.O., S. 178 f. und S. 233 f. 49 A.a.O., S. 178.

229

Zusammenhange mit Göthe und Schiller (1850) zu befreien.50 E r möchte deshalb »im Interesse der Literaturgeschichte«51 die »Un­ gerechtigkeit unserer Zeit gegen die romantische Schule« korri­ gieren. Eine Voraussetzung hierfür ist, nicht ein »Handelnder«52 zu sein, das heißt nicht mehr engagiert zu sein wie Rüge und die linkshegelianische Publizistik in konkreten politischen Entwür­ fen. Hettner kritisiert auch an Gervinus, daß dieser die Romantik nur wie ein »zufälliges Anhängsel oder wohl gar eine taube Nachblüthe der kurz vorangegangenen Blüthezeit«5) behandelt habe. Es ist Hettner vorab an einer sich ergänzenden Beziehung von Klassik und Romantik gelegen. Wichtiger aber ist diese Differenz zu den Junghegelianern: Er lehnt die Ableitung der romantischen Dichtung aus religiösen und philosophischen Voraussetzungen ab, kritisiert also indirekt die Hegelsche und die junghegeliani­ schen Deduktionen54, und nicht bloß Eichendorffs spätere Ro­ mantikkritik aus katholischer Perspektive, den er namentlich er­ wähnt.55 Diese Einwände gegenüber der vorangegangenen Ro­ mantikkritik betreffen allerdings bloß deren literarhistorische und publizistische Methode, teilen hingegen das entscheidende Kriterium des Wirklichkeitsbezugs, an dem die Romantik zu messen sei. Auch für Hettner gilt der Satz: »Je größer ein Künst­ ler ist, desto tiefer wurzelt er im Leben seiner Zeit und seines Volkes.«56 Das war aber eine kulturhistorisch-universalgeschicht­ liche Annahme, die der frühen Literarhistorie des 19. Jahrhun­ derts von der klassisch-romantischen Sprach- und Kulturtheorie selbst vermittelt worden ist.57 Hettner sieht das Wirklichkeitsde­ fizit jedoch anders als Gervinus und auch Schmidt nicht in einem willkürlichen Versagen der Romantiker, sondern als ein objekti­ ves Problem der historischen Situation in Deutschland um 1800, der die Romantik und Klassik gleichermaßen durch eine »idea­ listische« Strategie zu entkommen suchten: eben durch eine »das 50 51 $2 J3 54 5$ 56 J7

23O

Hettner, Die romantische Schule ..., a.a.O., S. i . A.a.O., S. 3. Ebd. A.a.O., S. 11. A.a.O., S. 6 f. A.a.O., S. 6. A.a.O., S. 14. Vgl. hierzu Fohrmann, Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte, a.a.O., S. 183 f.

Naturwirkliche dünkelhaft überspringende Idealistik«.58Die Dif­ ferenz zwischen Goethe/Schiller einerseits und der Romantik an­ dererseits erkennt Hettner darin, daß erstere zwar »aus ihrer Wirklichkeit« flüchteten, »aber nicht aus der Wirklichkeit über­ haupt«59, wie die Romantik, die »aus Verzweiflung über die em­ pirische Natur, die sie umgiebt, Natur und Wirklichkeit ganz und gar«60 verlasse. Damit aber gibt Hettner die moralisch-politisch interessierte Argumentation auf und kommt zu einer objektiven Theorie der romantischen Entfremdung, die er als Ursache ihrer Imagination schon erkennt.61 Der Kampf der »Imagination« ge­ gen »Natur und Wirklichkeit« sei »ihre ganze Geschichte«.62 Die Distanz Hettners gegenüber der bis dahin formulierten Romantikkritik zeigt sich auch darin, daß er Hegels Polemik ge­ gen F. Schlegels »Ironie«-Begriff als Mißdeutung zurückweist und dabei schon auf die zentrale Problematik stößt, die Aus­ gangspunkt unseres Interesses war. Über die »Ironie« heißt es: »Hegel und seine Schule fassen und beurteilen diesen Begriff als einen sittlichen. Und doch ist er in seinem ursprünglichen Aus­ gangspunkte ein rein ästhetischer.«63 Hettner wendet sich gleich­ falls gegen die Hegels Thesen folgenden »Geschichten der Philo­ sophie«, die die Ironie als »falsche Konsequenz aus Fichte« deu­ ten.64 Sie sei vielmehr nichts anderes als das »notwendige Gegen­ stück der künstlerischen Begeisterung«.65 Daß diese nicht als Ausdruck reiner »Subjektivität« zu verstehen ist, macht Hettner deutlich mit dem Hinweis auf Solgers und Tiecks gemeinsame Auffassung vom »Schweben des Künstlers über seinem Stoffe«, als »letzte Vollendung eines Kunstwerks«.66 Im offenen Kontrast zu Gervinus und Haym kritisiert Hettner auch Goethes Urteil über Schlegels Kunstauffassung. Er hält dieses Urteil insofern für irrig, als Goethe darin eigene frühere Positionen gegenüber der mittelalterlichen Kunst stilisiere.67 58 59 60 61 61 63 64 6j 66 67

Hettner, a.a.O., S. 20. A.a.O., S. 28. A.a.O., S. 29. Ebd. Ebd. A.a.O., S. 64. A.a.O., S. 64 f. A.a.O., S. 65. Ebd. A.a.O., S. 81.

231

Und so zeigt sich auch, bei aller prinzipiellen Kritik, auf die noch zurückzukommen ist, im Detail des literarischen Wertur­ teils eine Bereitschaft, die romantischen ästhetischen Innovatio­ nen zu verstehen. Das drückt sich gerade anläßlich der beiden Kategorien aus, an denen sich Kritik und Identifikation scheiden: der Phantastik und der Ironie. Hettner hebt dafür ab auf den Begriff der »Stimmung«. Im Unterschied zur junghegelianischen Polemik nimmt er ihn ernst und erläutert seine zentrale Bedeu­ tung an einem Satz des Novalis: »Stimmungen, unbestimmte Empfindungen, nicht bestimmte Empfindungen und Gefühle ma­ chen glücklich.«68 Hettner erkennt im Unterschied zum Manifest das Prinzip der musikalischen Wirkung, das er objektiv be­ schreibt69, allerdings betonend, daß nur Novalis das musikalische Prinzip im Gedicht objektiviert habe.70 Das »phantastische« Prin­ zip verdeutlicht Hettner vor allem am romantischen Kunstmär­ chen, das bei Rüge und Echtermeyer, aber auch bei Gervinus nur Gegenstand der Polemik war. Auch hier stellt Hettner auf das ästhetische Prinzip ab: »Das Mährchen ist durch und durch Phantasie.«71 Er konstatiert gleichzeitig, daß es, »wie überhaupt die Phantastik, nicht mehr dem Wesen unserer Zeiten« entspre­ che.72 Diese mit der am Wirklichkeitskriterium orientierten gene­ rellen Romantikkritik übereinstimmende historische Einschät­ zung verhält sich jedoch gegenüber dem einzelnen individuellen Kunstwerk flexibel, unabhängig von der generellen Theorie. So werden Tiecks Blonder Eckbert und Novalis’ Hyacinth und Rosenblüthe als »vereinzelte Kleinodien« gerühmt.73 So lobt Hettner auch Tiecks Komödien und hält Rüge und Gervinus ihr Mißver­ ständnis von deren spezifischer Form vor.74 Schließlich verteidigt Hettner auch den notorischen Stein des Anstoßes, Schlegels Lu­ cinde, gegenüber der moralisierenden Kritik, indem er sie als »ro­ mantische Lebensphilosophie«, das heißt als den Versuch, das »wirkliche Leben zur Kunst, zum freien poetischen Spiel« zu machen, ernst nimmt und damit analog zu Kierkegaards Erkennt­ nis das romantische Existential wahmimmt. Selbst dort, wo es 68 69 70 71 72 73 74

232

Hettner, a.a.O., S. 54. A.a.O., S. 56 ff. A.a.O., S. 60. A.a.O., S. 6z. A.a.O., S. 63. A.a.O., S. 77. A.a.O., S. 67.

darum geht, das mangelnde authentische Gefühl als Grunddefekt der europäischen Romantik überhaupt anzuzeigen, kommt Hett­ ner zu Einsichten in den modernen Konstruktionscharakter der romantischen Gefühlsdichtung. Er verweist auf Chateaubriand als französische Parallele zur deutschen katholisierenden Roman­ tik und konfrontiert die »poetische und schöngeistige Construktion« mit den »schlichten einfachen Glaubensüberzeugungen«.75 Aber selbst diesen eigenen Einwand aus realistischem Prinzip überstimmt er dadurch, daß er auch hier den »modernen Geist« erkennt, der durch die »Tiefe und Innerlichkeit der christlich­ mittelalterlichen Entwicklung hindurchgegangen ist«/6 Hettner bringt damit Hegels Theorie der romantischen Kunst als Kunst der innersten Subjektivität ins Spiel, ohne diese allerdings zu er­ wähnen. Selbst das rein negativ abschließende Urteil über die romantische Literatur als »heimathlos, reflektiert und gemacht«77 beweist, wie Hettner gerade die spezifische Poetologie Friedrich Schlegels verstanden hat. Die Differenz seines Urteils gegenüber Gervinus und Rüge, aber auch gegenüber Schmidt, betrifft das romantische »Phan­ tasma«, insofern es immanent-poetologisch zu bewerten ist. In dieser Frage der ästhetischen Wertigkeit und seiner literarhistori­ schen Erklärung zeigt Hettner nicht nur ein anderes Interesse als die anderen Literarhistoriker, sondern eine tiefere Urteilsfähig­ keit. Was jedoch die historisch-weltanschauliche Einordnung des romantischen »Phantasmas« und des romantischen Typus anbe­ langt, so zeigt Hettner die gleiche Ablehnung wie die übrige Ro­ mantikkritik des Vormärz. Auch er spricht von »lauter einseiti­ ge^), krankhafte(n), Talente(n)«, wenn er Jean Paul, Hölderlin, Tieck und Novalis meint.78 Hölderlin »ist nur die allgemeine Krankheit dieses ganzen Geschlechts«.79 Und er nimmt das Ver­ dikt Hegels auf, wenn er »diese empfindsame Schönseligkeit und die Hohlheit dieser abstrakten Idealistik« empfiehlt im Auge zu behalten als »Wesen und Ursprung der romantischen Schule«.80 Die »phantastische Phantasie«, deren einzelne poetische und poe7 J A.a.O., S. 160.

76 77 78 79 80

Ebd. A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O.,

S. 159. S. 42. S. 45. S. 48.

233

tologische Äquivalente Hettner durchaus angemessen darstellt, verfällt am Ende auch bei ihm dem Wirklichkeitskriterium: D ie »Phantasie« wird entlarvt als subjektivistische »Doctrin«, von al­ ler »Wirklichkeit« absehend, und Jean Pauls Wort vom »poeti­ schen Nihilismus« in Anspruch genommen.81 Noch eindeutiger wird sein Verdikt, wenn er die »religiöse und politische Romantik« in summa beurteilt: Novalis* Die Christen­ heit oder Europa gilt ihm als das erste Dokument des »unverhoh­ lenen« konterrevolutionären Katholizismus.82 Friedrich Schlegel ist der opportunistische Genosse von Adam Müller und Gentz an den »Fleischtöpfen der österreichischen Diplomatie«.85 Und diese Wendung zur katholischen Reaktion wertet auch Hettner wie die Linkshegelianer als notwendige Konsequenz der frühromanti­ schen »Libertinage«.84 So unterscheidet sich sein Urteil in verach­ tender Heftigkeit nicht von dem Heinrich Heines und der Jung­ hegelianer: die aktuell bedrohliche Hallersche Restauration der Staatswissenschaften, die politische Reaktion Preußens seit Be­ ginn der vierziger Jahre ist auch in seinem Urteil von der politi­ schen Romantik der Novalis, Friedrich Schlegel und Adam Mül­ ler vorbereitet worden. Hettner zitiert beipflichtend Prutz: »Die Romantiker haßten die Revolution, weil sie ihnen den ruhigen Genuß, die Fürsten haßten sie, weil sie ihnen den ruhigen Besitz störte.«85 Im Kontext dieser Sicht auf die Entwicklung der Ro­ mantik zur Dekadenz geraten die späteren Vertreter des »phanta­ stischen« Prinzips, Brentano, Arnim, Kleist und Hoffmann, alle unter das gleiche Verdikt, das seit Hegel formuliert ist: »Formlo­ sigkeit bleibt der Fluch dieser Dichtung«.86 Bei Brentano »ver­ zerrt sich das Naturdämonische zur inhaltslosen Fratze, in Hein­ rich von Kleist zum magnetisch Somnambulen, in Justinus Ker­ ner zum Gespenstischen, in E. T. A. Hoffmann zu teuflischem Wahnsinn .. .«87 Dagegen werden Tiecks späte Novellen, da sie »ganz auf dem Boden der modernen Wirklichkeit«88 stehen, wie bei Gervinus, gepriesen. Indem Hettner mit einem Appell an 81 82 83 84 85 86 87 88

*34

Hettner, a.a.O., S. jof. A.a.O., S. 164 ff. A.a.O., S. 173. A.a.O., S. 172 f. A.a.O., S. 177 f. A.a.O., S. 183. A.a.O., S. 184. A.a.O., S. 192.

»Gegenwart und Wirklichkeit« optimistisch an eine realistische Dichtung der vierziger Jahre erinnert, erscheinen Klassik und Romantik als eine historisch überwundene, in sich aber notwen­ dige Epoche, die nunmehr endgültig Erinnerung ist.

3. Rudolf Haym Rudolf Hayms Romantische Schule (1870) stellt, was das literar­ historische Selbstverständnis anbetrifft, einen Neubeginn dar: Haym distanziert sich am Ende der Nachmärz-Epoche von der Kampfzeit seiner Vorgänger, indem er eine »rein historische Hal­ tung«*9 in Anspruch nimmt. Ob damit allerdings eine Aufwer­ tung der Romantik verbunden sein konnte90, ist schon deshalb fraglich, weil Haym aus seiner ideologischen Distanz zur Roman­ tik keinen Hehl macht, wenn er in der Einleitung sagt: »In Dich­ tung und Wissenschaft, in Staat und Gesellschaft getrosten wir uns, den Geist der Romantik genugsam überwunden zu haben.«91 In blanker Affirmation an das durch aktuelle politische Ereignisse inzwischen zur ideologischen Formel erstarrte Wirklichkeitsprin­ zip, das Nietzsche wenig später als Symptom benennen und ana­ lysieren wird, bekennt er: »Denn nicht in nebelhaften Illusionen, in eigensinnigen und seltsamen Gedankenspielen, in rückwärts nach der Vergangenheit zugekehrten Wünschen zu leben: nicht das, sondern nüchternen Verstandes und männlichen Entschlus­ ses die Mächte und Bedürfnisse der Wirklichkeit anzuerkennen, besonnen und geduldigen Muths vorwärts zu schreiten, das gilt uns Heutigen mit Recht als die unabweisliche Forderung der Zeit, in deren Dienst wir gestellt sind.«92 Es gehört gelinde ausgedrückt eine gewisse Betriebsblindheit dazu, ein rein technokratisch-gattungsgeschichtliches Interesse an der Entwicklung der Literatur­ geschichte als akademisches Fach, wenn man hier nicht zu zwei­ feln beginnt, ob einer, der so spricht, die Voraussetzungen mit­ bringt, die Romantik anders als im Sinne einer historischen Stoff­ 89 Rudolf Haym, Die romantische Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des deut­ schen Geistes, Berlin 1870, S. 4. 90 So deutet Hohendahl Hayms Absicht. Hohendahl, Literarische Kultur, a.a.O., S. 184. 91 Haym, a.a.O., S. 4. 92 A.a.O., S. 4.

23 S

und Themengeschichte darzustellen.93 Haym hatte offenbar das Wirklichkeitsprinzip seiner Vorgänger so verinnerlicht und ist von dessen historischer Prädominanz so überzeugt, daß er die Romantik als etwas Dahingeschiedenes, nicht mehr Bedrohliches versteht. Hier entblößt sich ein »historisches« Verständnis von Literatur und mit ihm auch die Zukunft eines Faches, dessen illiterarische Kriterien schon in der Phase Gervinus/Schmidt/ Hettner in einen unauflöslichen Widerspruch zu den sich ab­ zeichnenden Manifesten der ästhetischen Avantgarde (Baudelaire, Nietzsche) gerieten. War dieser Widerspruch im Vormärz und unmittelbaren Nachmärz motiviert von einem politischen Enga­ gement gegen die »reaktionär« gewordene Romantik, so tritt bei Haym erstmalig das bildungsbürgerliche Prinzip der »Gesund­ heit«, das sich - wie gezeigt - in der Romantikkritik längst vorbe­ reitet hatte, als hermeneutische Voraussetzung einer politikorien­ tierten Wissenschaft auf: Literarhistorie als Stützpfeiler des ge­ samtgesellschaftlichen Prozesses. Baudelaires und Nietzsches kulturkritische Polemik gegenüber dem zeitgenössischen Fort­ schrittsbegriff und seinen Vertretern markieren den Zeitpunkt der einsetzenden Erosion innerhalb der akademischen Romantik­ rezeption. Haym zollt Gervinus, Schmidt, Hettner und Kober­ stein als seinen Vorgängern Respekt, wobei er Hettners Versuch, die Romantik als Protest gegen eine prosaische Wirklichkeit hi­ storisch zu erklären, besonders hervorhebt.94 Im Zusammenhang unserer Fragestellung kann es nicht darum gehen, Hayms Dar­ stellungsmethode und seine literarhistorischen Prinzipien zu erörtern95, sondern darum, wie er sich zu den beiden zentralen Kategorien der Ironie und des Phantastischen stellt sowie zu den literarisch bedeutenden Erscheinungen der Romantik. Eine nega­ tive Vorentscheidung darüber ist schon dadurch gefallen, daß Hayms Interesse im Sinne des Untertitels seines Werks ideenge­ schichtlichen Zusammenhängen gilt. Generell läßt sich sagen, daß Hayms inhaltliche Paraphrasierungen der wichtigsten Texte Tiecks, F. Schlegels und Novalis’ vornehmlich moralische Urteile enthalten, ohne den Ansatz einer poetologisch relevanten Ana­ lyse. So erscheint ihm Hecks William Lovell als Buch »lichtloser 93 Zur Methode der Neutralisierung als geschichtlicher Erkenntnis vgl. Frithjof Rodi, Die Romantiker in der Sicht Hegels, Hayms und Diltheys, a.a.O., S. 188. 94 Haym, a.a.O., S. 6. 9j Vgl. hierzu Hohendahl, a.a.O., S. 184 f.

236

Stimmungen«, »ausgangsloser Sophistereien«, eine »kranke und traurige Philosophie«.96 Haym schreibt sich hier ein in den Be­ ginn einer langen Linie literarhistorischer Heck-Schelte in mora­ lisierender Absicht.97 Er fordert vom Dichter Lebenshilfe.98 Be­ sonders aufschlußreich für Hayms Perspektive ist seine ausführli­ che Darstellung des Blonden Eckbert. " Anders als Hettner, der zwar das historisch Überholte der Gattung Märchen betont, aber nicht umhinkann, diesem Beispiel hohen literarischen Rang ein­ zuräumen, moniert Haym »das Fremdartige, Seltsame, Abge­ legne jener Motive«.100 Wenn Haym die Märchen dennoch, zwar auch nur relativ als »Stimmungspoesie« gelten läßt, dann deshalb, weil sie nicht als »Gesinnungen und nicht als Reflexionen vorge­ tragen werden«101, es sei absehbar, daß sie nicht dazu taugen, »das Leben zu gestalten«.102 Obwohl Haym schließlich zögernd dem Urteil A. W. Schlegels zustimmt, das »Geheimnis« der Märchen liege in ihrer »Schreibart«103, begreift er dieses »Geheimnis« eher als psychologischen Befreiungsakt, im »gaukelnden Spiel« sich vom »Grauen« der frühen Romane zu erlösen104: nur indem die Stimmung des Märchens als Funktion einer Katharsis verstehbar ist, also als »Versöhnung« gedeutet wird, kann es ästhetisch ak­ zeptiert werden. Haym ist weit entfernt von einem Verständnis, wie es Kierkegaards Lesart des Phantastischen zeigte. Ohne den vermittelnden Eingriff des Versöhnungs-Arguments bliebe das Poetische, das Haym in Anführung setzt, ein »dünner Stoff«.105 Ebenso herablassend gibt sich Haym gegenüber Hecks Komö­ dien, namentlich dem Gestiefelten Kater.106 Tieck, so das Urteil, kann sich mit Aristophanes nicht messen, weil seinem »Muthwillen« das »inhaltvollste Pathos«, wie es Aristophanes besitzt, als »Gegengewicht« fehlt107: »Auch diesem fliegen die Pfeile des 96 Haym, a.a.O., S. 46. 97 Vgl. hierzu Manfred Frank, Das Problem >Zeit< in der deutschen Romantik, München 1972, S. 240 ff. 98 Haym, a.a.O., S. 48. 99 A.a.O., S. 83 f. 100 A.a.O., S. 85. 101 A.a.O., S. 87. 102 Ebd. 103 Ebd. 104 Ebd. 105 Ebd. 106 A.a.O., S. 100 f. 107 A.a.O., S. 101.

*37

Spotts leicht vom Bogen, aber die Federkraft dieses Bogens ist nicht der Emst einer großen Gesinnung.«108 Schon Heine hatte auf die Dialektik von Aristophanes’ Witz abgehoben, aber Hecks Vermögen deshalb nicht minimalisiert. Haym wiederholt gegen Tieck auch die Polemik der junghegelianischen Kritik am Primat der Musik vor der Sprache109 und zitiert polemisch die Verse »Liebe denkt in süßen Tönen, / Denn Gedanken stehn zu fern .. .«MO Ähnlich vernichtend ist das sich aus jovialer Eingänglichkeit gegenüber dem Stoff schließlich herauskristallisierende Urteil über Friedrich Schlegel. Hier knüpft Haym ebenfalls an längst gefällte Urteile an: dem Begriff des »auf die Spitze getriebenen Subjektivismus«. Er sieht Friedrich Schlegel, der konventionellen Deutungstradition folgend, als verworrenen Schüler Fichtes: »mit ganz moderner Reflexion hatte er sich ein Bild der alten und ein Zerrbild der neueren Poesie gemacht«.111 Haym kritisiert schon Fichtes System, das »die gewöhnliche Ansicht der Dinge gera­ dezu auf den Kopf stellt, eine Anschauung, die schon durch ihre Fremdartigkeit, durch die ungeheure Verwegenheit, mit der sie den Vorurtheilen des sogenannten gesunden Menschenverstandes in’s Gesicht schlägt, die Mehrzahl der Menschen zurückschrekken muß«.Mi Das Prinzip der »Mehrzahl« wird moralisierend gegen Schlegel gewendet, da es ihm fremd sei: der »Schein des Unerhörten«113 wird ihm zur Last gelegt. Es ist für Hayms Krite­ rium des »gesunden Menschenverstands« und der »gewöhnlichen Ansicht der Dinge« charakteristisch, daß er Schlegels scharfe Kri­ tik an Jacobis Philosophie lobt114, in der Schlegel gewissermaßen seine eigene subjektivistische Anlage ausgestellt hat. Dem gegen­ über werden die eigentlich originären Leistungen Schlegels abge­ tan. So sein bedeutender Aufsatz über den 'Wilhelm Meister, in dem Schlegel eine neue Theorie des Romans als das selbstreflexive Kunstwerk entwickelt, was Haym nicht wahrnimmt, so wie er auch die neue Konzeption einer poetischen Literaturkritik ver­ 108 109 110 in 112 113 114

238

Haym, a.a.O., S. 101. A.a.O., S. 127. A.a.O., S. 128. A.a.O., S .215. A.a.O., S. 217. Ebd. A.a.O., S. 227.

wirft.115 In Hayms Darstellung degenerieren Schlegels poetologische Überlegungen zu verworrenen, absurden Konstruktionen, abgeleitet aus dem Werk des jeweiligen theoretischen Lehrers, vornehmlich Schillers und Fichtes. Es versteht sich, daß der »Iro­ nie«-Begriff nur als Beispiel solcher Verworrenheit vorgestellt wird. Haym versucht, dessen logischer Struktur gerecht zu wer­ den. Entscheidend ist ihm dabei die schon überkommene An­ sicht, es handele sich um die »triumphirende Erhebung in die unbedingte Freiheit des Subjects«."6 Haym versucht, aus Schle­ gels verschiedenen Äußerungen zur Ironie eine systematische Lehre abzuleiten, und da dies nicht gelingt, konstatiert er Wider­ sprüchlichkeit als gedankliches Defizit. Den größten Wider­ spruch sieht er in der objektivistischen Position des StudiumAufsatzes und der subjektivistischen der Athenäum-Periode und ihres »Ironie«-Begriffs” 7, ohne die Genesis dieses Gegensatzes zu verstehen. Haym argumentiert von einer Position aus, die ihm vornehmlich Schillers Ablehnung von Friedrich Schlegel vorgege­ ben hat, so daß der Studium-Aufsatz, dessen objektive Tendenz noch eben akzeptiert wird, ohne daß Haym die entdeckerischen Leistungen zur modernen Literatur, etwa die Ästhetik des Häß­ lichen, dabei festhält, als verunglückte Schiller-Nachfolge er­ scheint, der »Subjektivismus« der »Ironie« und andere zentrale poetologische Grundsätze jedoch als reiner Irrgang charakteri­ siert sind. Die Athenaeum-Fragmentey die seit Benjamins Deu­ tung so etwas wie der Katechismus der modernen Poesie gewor­ den sind, sieht Haym noch als »mehr oder weniger geistreiche(n) Einfälle«118 und setzt seinen gelehrten Hohn dazu: »Manches zwar, was von Weitem wie Gold glänzte, war in Wahrheit nur Katzengold; einige dieser Sätze glichen den Johanniskäferchen, die, wenn man sie bei Licht besieht, unscheinbare graue Würmer sind.«"9 Bei diesem Urteil gibt abermals die Irritation angesichts des Unsystematischen, des in keiner Theorie aufgehenden Be­ funds den Ausschlag. In dieser Konsequenz erkennt Haym in Schlegels Fragmenten auch nicht die ästhetisch-literarisch eigene 11 $ 116 117 118 119

A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., Ebd.

S. 280. S. 259. S. 261. S. 282.

239

Form, sondern verkennt sie als »Splitter von Kritiken«120, das heißt, er hebt ab auf eine gedanklich und formal unvollendete Absicht. Wir hatten gesagt, daß Haym von einem ideengeschichtlichen Interesse aus in Fortsetzung der idealistischen Tradition an die romantische Literatur heranging. An seinem Beispiel zeigt sich, inwiefern das Kriterium der »Idee« an der spezifisch ästhetischen Konstruktion der aufkommenden Moderne scheitert. In der Fol­ gezeit wird sich dieses Defizit der Ideengeschichtsschreibung wiederholen. Bei solcher Voraussetzung verwundert es nicht, daß die großen Dichter des Phantastischen, Brentano, Kleist und Ar­ nim, nur beiläufig, unter charakterologischen Kriterien erwähnt sind, Hoffmann überhaupt nicht. Der einzige Satz über Brentano lautet: »Die Zudringlichkeit und der tolle Subjectivismus des jun­ gen Brentano wurde schon den Freunden in Jena lästig.«121 Das »gesunde Gefühl« und der »gesunde Verstand«122, die Haym ebenso wie seinen Vorgängern der Prüfstein sind, an dem die Romantik gemessen wird und am Ende scheitert, mußte beson­ ders die Vertreter des Phantastischen treffen. Auch wenn Haym im strikteren Sinne als Hettner sich an die Thematik »romanti­ sche Schule« halten wollte, die zweite Generation also nicht mehr einzubeziehen hatte, belegt sein Desinteresse die generelle Ten­ denz. Für das ideengeschichtliche Interesse mußten indes die bei­ den philosophischen Dichter, Novalis und Hölderlin, von Bedeu­ tung sein. Tatsächlich ist Hölderlin im Zusammenhang der ideali­ stischen Philosophie eine breite Erörterung gewidmet. Dabei spielt charakteristischerweise seine Lyrik gegenüber der langen Darstellung des Hyperion nur eine untergeordnete Rolle. Ihre späte Phase, die erst von der Generation nach 1900 entdeckten Hymnen, sind gar nicht erwähnt. Haym erkennt die Bedeutung von Hölderlins Versuch, die Elegie und die Pindarsche Ode zu erneuern, aber es bleibt bei einer sehr oberflächlichen, stofflich betonten Charakteristik, wobei Haym die Sprache Hölderlins in einem idealistischen Sinne stilisiert, obwohl er die Ablösung vom Vorbild Schiller deutlich macht.123 Das Prinzip der »Gesundheit« ist auch hier nicht vergessen, aber sympathetisch angewandt: 120 121 122 123

240

Haym, a.a.O., S. 283. A.a.O., S. 861. Ebd. A.a.O., S. 316.

»Alle Kraft und Süßigkeit der Sprache, aller Glanz und Fülle der Bilder dient nur, um die wunden Stellen eines schwer verletzten Geistes zu bedecken. So gewiß wir es mit einem echten Dichter zu thun haben, so gewiß war dieser Dichter kein glücklicher und kein gesunder Mann.«124 Auch Novalis hat Hayms tiefe Sympathie. Dieser ist für ihn, ähnlich wie für die Hattischen Jahrbücher, der »Prophet der Ro­ mantik«125 überhaupt. Die Hymnen an die Nacht gelten ihm als einzigartige »Gefühlsmusik«, hinabreichend in die »scheinbar un­ aussprechlichen Gründe subjectiven Empfindungslebens«.126 Entscheidend für diesen Lobpreis ist indes, daß Haym die Hym­ nen als authentisch-biographischen Ausdruck »tiefer Traurig­ keit« nimmt, nicht als »bloßes Spiel oder Experimentiren mit elementaren Stimmungen«127, was sie entgegen dieser sich selbst beruhigenden Ansicht gerade eben auch darstellen. Wesentlich ist auch die »innere Beruhigung«, die sich dabei einstelle, »wie sie der Verfasser des Hyperion nimmer kannte, trotz aller Vertrau­ lichkeit mit dem Dunkel der Nacht und des Grabes frei von den Schrecken, Unheimlichen und Grauenerregenden, was die Phan­ tasie des Dichters des blonden Eckbert heraufzubeschwören ver­ stand«.128 Haym versteht es, Novalis von dem romantischen Phantasma des Schreckens abgetrennt zu halten: selbst durch des­ sen Mystizismus blicke »zuweilen der natürliche Sinn, der gute einfache Verstand, der diesem Mann niemals abhanden kam«129, hindurch. Gleichwohl bleibt das Mystisch-Subjektivistische von Novalis' Poetik und die damit zusammenhängende »Überschät­ zung des Formellen« eben das, woran Hayms Kriterien Anstoß nehmen müssen.13® Auch hier hebt er gegenüber der »absichtsvol­ len Berechnung der stilistischen Mittel«131 das »Erlebte« hervor. Hayms Romantische Schule ist keine Polemik gegen die Ro­ mantik, sondern der Versuch einer umfassenden Darstellung der historischen Entwicklung, ihrer dominierenden Themen, Motive und Autoren. Dabei steht freilich das aus dem Idealismus Ableit124 125 126 127 128 129 130 131

A.a.O., A.a.O., A.a.O., Ebd. Ebd. A.a.O., A.a.O., A.a.O.,

S. 297. S. 324. S. 336.

S. 374. S. 376. S. 387.

241

bare, namentlich Schillers Werk, an erster Stelle. Das Wertungs­ kriterium des »Gesunden« und des Lebenswirklichen bedeutet indes, daß spezifisch romantische Sprach- und Formelemente, daß ihre genuine neuentwickelte Poetik und Ästhetik entweder nicht erkannt oder negativ beurteilt werden: Das gilt vor allem für diejenigen Innovationen, die in der Moderne Karriere machen werden: die Momente des Reflexiven und des Phantastischen. Haym hat zwar die bis dahin herrschende politische Tabuisierung der Romantik als reaktionärer Bewegung aufgehoben, wie es sich vor allem in seiner abwägenden Charakteristik von Novalis’ poli­ tischen Anschauungen zwischen Republikanismus und Royalis­ mus zeigt. Entscheidend für Hayms Deutung aber bleibt: das romantische Motiv ist dem »Wirklichkeits«-Kriterium ausge­ setzt, das, von Hegel und Heine ausgegangen, alle Kritiken der Romantik des Vor- und Nachmärz begrifflich fundierte. Dieses »Wirklichkeits«-Kriterium, das bei Hegel, Heine und in den Hal­ lischen Jahrbüchern eine philosophische oder literarisch-politi­ sche Emphatik besaß, ist nunmehr pragmatisch-affirmativer Aus­ druck eines notorischen Zeitgeists. Hayms programmatisch »hi­ storische« Sicht bedeutet einerseits, daß Literaturgeschichte nicht mehr die politische Funktion ausübt wie im Vormärz und noch kurz danach, sie bedeutet andererseits, daß die romantische Lite­ ratur selbst ihre negative oder positive Unmittelbarkeit verloren hat. Sie wird eingerückt in einen Bestand, über den man als Besit­ zer verfügt. Und dieser Bestand ist bei Haym wieder stärker als bei Hettner definiert durch das Paradigma der Klassik. Hayms Fortsetzung der Subjektivismus-Kritik ist an diesem Paradigma orientiert. Deshalb kann bei ihm auch nicht die Perspektive auf einen autonomen romantischen Diskurs sichtbar werden, son­ dern immer nur die Differenz zu dem Paradigma.

D r it t e r T eil

Die ästhetische Umkehr der Kritik

I. Diltheys romantische Aufhebung des Historismus Die Historisierung von Dichtung, die Entaktualisierung ihres poetischen Gehalts, ist ein Resultat der historischen Epoche, wie sie Haym repräsentiert. Das wird scharf beleuchtet durch die Feststellung Wilhelm Diltheys, daß der »lebendigste Anteil an den Werken der Dichter«, wie sie die Generation um und nach 1800 kennzeichnete, »heute« vorüber sei.1 So heißt es zwei Jahre vor dem Erscheinen von Hayms Romantischer Schule in der Vor­ bemerkung zu dem zweiten Aufsatz über Ludwig Heck. Voran­ gegangen war schon die Arbeit Phantastische Gesichtserscheinun­ gen von Goethe, Tieck und Otto Ludwig von 1866. Dilthey fährt fort: »unsere Lebensinteressen sind nicht bei ihrer Arbeit. Wir können uns nur durch geschichtliche Erinnerung in einen dem unsrigen so ganz heterogenen Zustand zurückversetzen.. .«2 Das bedeutet nicht, daß die literarische Vergangenheit endgültig hi­ storisch geworden sei, wohl aber, daß ihre politischen Implikatio­ nen verjährt sind.3 In dieser frühen Frage nach der hermeneuti­ schen Problematik einer Romantikrezeption im Jahre 1868 taucht schon der zentrale Begriff von Diltheys späterem metaphysischpoetologischem System auf: das »Leben«. Es ist jener syntheti­ sche Begriff, der Erlebnis und Erlebnisinhalt zur Einheit zusam­ menfaßt: nicht sekundäres Wissen entscheidet darüber, was wir an vergangener Dichtung aufnehmen. Damit wird gegenüber der politisch-historischen Systematik, die die liberale Romantikkritik von Gervinus bis Haym gekennzeichnet hat, ein völlig anderes Rezeptionskriterium ins Spiel gebracht: das der ästhetisch-psychischen Korrespondenz. Dilthey interessiert neben der Frage nach geschichtlicher Aufklärung über den Wert der romantischen Dichtung in ihrer Epoche vor allem das Problem, was »aus jener Epoche heute noch, unter so ganz veränderter Richtung des In1 Wilhelm Dilthey, Die romantischen Dichter, in: Zur Geistesgeschichte des 19.Jahrhunderts, in: Ders., Gesammelte Schriften, Göttingen 1970, Bd. XV, S. 117. 2 Ebd. 3 Vgl. Rodi, Die Romantiker in der Sicht Hegels, Hayms und Diltheys, a.a.O., S. 189. 245

teresses, genossen werden könne«.4 Jedenfalls stelle sich diese Frage für diejenigen, »welche noch Sinn für poetisches Genießen« haben.5

i. Theorie der dichterischen Phantasie Die erste Antwort, die Dilthey zur Erklärung eines solchen ästhe­ tischen Interesses gibt, ist der Hinweis, daß es sich um »wahrhaft geniale Menschen« handelte6: im Gegensatz zu der kritischen Ro­ mantikrezeption ist bei Diltheys Ansatz ein an politischen Kate­ gorien orientiertes Wissen über die Romantik nicht mehr vorhan­ den oder ins Spiel gebracht, sondern eine völlig neue Problemstel­ lung schiebt sich davor: Wie erklärt sich uns der »geniale Mensch«, das ist der ästhetisch-produktive Künstler? Diese spe­ zifische Veränderung eines bis dahin vornehmlich ideenge­ schichtlich und politisch-historisch gestellten Themas, nämlich die Frage nach dem ungelösten Problem vom »Geheimnis der dichterischen Produktion«7, enthält den für die Veränderung der Romantikdiskussion entscheidenden methodisch-hermeneutischen Schritt. Nunmehr nämlich erscheint die Romantik neben Goethe als das Territorium eines »poetisch« deutbaren Lebensbej griffs, in dem sich das verinnerlichte Bewußtsein jenseits politischer Aktualität wiederfindet. Es hieße diese veränderte Frage­ stellung verharmlosen, in der ästhetischen Neubegründung der Romantik nicht den vorabgegebenen Verlust an politischem Be­ wußtsein zu entdecken, der sich seit Beginn der sechziger Jahre bei der Generation Diltheys generell, ganz besonders aber in des­ sen Denken selbst ankündigt.8 Dieses Defizit als Bedingung einer nicht nur positivistischen, sondern auf künsderischen Kriterien begründeten Wiederentdeckung der Romantik ist um so schärfer zu sehen, als dadurch eine spezifisch unkritische Deutungslinie festgelegt wird, in der sich die akademische Romantikrezeption 4 Dilthey, Die romantischen Dichter, a.a.O., S. 117. 5 Ebd. 6 Ebd. 7 Dilthey, Phantastische Gesichtserscheinungen... In: Ders., Gesammelte Schriften, a.a.O., Bd. XV, S. 93. 8 Vgl. hierzu Bernd Peschken, Versuch einer germanistischen Ideologiekritik. Goethe, Lessing, Novalis, Tieck, Hölderlin, Heine in Wilhelm Diltheys und Julian Schmidts Vorstellungen, Stuttgart 1972.

24 6

vor und nach 1900 von derjenigen Walter Benjamins und des Surrealismus mit gravierenden Folgen unterscheidet: das ästheti­ sche Phantasma, das Heine bei der Reflexion von dessen politi­ schen Bedingungen ohne fundamentalistische Begründung ent­ deckt hatte, das in der philosophischen und politischen Kritik Hegels und der Junghegelianer völlig verlorengegangen war, wird nunmehr zwar mit neuer Emphase zurückgewonnen, aber auf Kosten seines politisch-ideologischen Kontextes. Diltheys Verinnerlichungsprozeß ist seit 1861, seiner begin­ nenden Deutung Goethes unter der Kategorie der »Erbauung«, zu erkennen.9Schon hier deutet sich sein Interesse an, die histori­ sche Bewegung zugunsten eines an Ruhe und Frieden orientierten harmonischen »Werte«-Denkens stillzulegen, das besonders sein Interesse an Spinoza in den siebziger Jahren prägt. Wir werden also die Frage nach Diltheys früher Entdeckung der Romantik als einem Paradigma des Poetischen, mit dem er sich mit Benjamins und der Surrealisten Interesse durchaus schon berührt, nie lösen können von der Bedingung, das politisch-historische Bewußtsein, wie es die junghegelianische Kritik kennzeichnete, völlig ausge­ blendet zu haben. Die ideologiekritische Analyse hat bestimmte politische Daten der sechziger Jahre, vor allem die Daten 1864 und 1866, in denen sich die Bismarcksche Konsolidierung der preußischen Machtansprüche in Deutschland vollzieht, als jewei­ lige Umschlagzeit der noch kritischen Haltung zur bereits affir­ mativen nicht nur bei Dilthey, sondern bei auch ursprünglich radikal-liberalen Autoren wie Julian Schmidt nachweisen kön­ nen.10 Die beiden frühen Aufsätze Phantastische Gesichtserscheinun­ gen von Goethe, Tieck und Otto Ludwig (1866) und Hölderlin und die Ursachen seines Wahnsinns (1867) enthalten Diltheys ganze Neubewertung der Romantik in nuce. Die beiden wichtig­ sten Innovationen waren: einmal wird das Romantische aus der Phantasie verstanden, wobei selbst schon ein romantischer Phan­ tasiebegriff zugrunde gelegt wird. Zum anderen gilt diese Neube­ wertung gerade den Dichtem, die in der Hegelschen/Junghegelia­ 9 Hierzu und folgendem vgl. Peschken, a.a.O., S. 12 f. 10 Hierzu Peschken, a.a.O., S. 88 f. Peschken berührt sich in diesem Urteil mit der These Hüppaufs vom Verfall des theoretischen und methodischen Niveaus der Literarhistorie bis zum Jahre 1870/71. Vgl. Bernd Hüppauf, Literaturge­ schichte zwischen Revolution und Reaktion, Frankfurt 1972, S. 32 t.

247

nischen Tradition entweder vergessen oder unter dem Stigma des »Somnambulischen« aus dem literarischen Diskurs ausgeschieden blieben: Neben Tieck sind dies Hölderlin und Kleist. Was die frühen Einlassungen Diltheys zu romantischen Dichtern gegen­ über den literarhistorischen und publizistischen Einordnungen des Vor- und Nachmärz prinzipiell unterscheidet, ist einmal der * Verzicht auf ideengeschichtliche Deduktion zugunsten einer äs­ thetischen Ontologie, zum anderen eine hermeneutische Sensibii lität, die gelehrte Jovialität oder moralische Herablassung unmög­ lich macht, wie sie besonders bei Gervinus und Haym auffielen, die beide Nietzsches Kulturkritik am Bildungsphilister ersten Anlaß boten. Der Dichter schafft bei Dilthey selbst die Bewer­ tungskriterien, ja er legt die Grundlage eines Existenzverständiiisses jenseits der literaturgeschichtlichen Lexik. In diesem Sinne steht Diltheys Annäherung an die Romantik »völlig außerhalb der Bewegungen der positiven Wissenschaften«11, wie er selbst über den von ihm wiederentdeckten Schopenhauer 1864 geschrie­ ben hat. Dilthey hat sich also auch von dem Geist der Histori­ schen Schule, aus dem ihn Rothacker verstand, entfernt: die »Kri­ tik der historischen Vernunft«, die er nach eigener Deutung ver­ suchte12, beginnt in der Art, wie er die Romantik neu ansah. Das zeigt sich schon in der ersten Annäherung zu diesem Thema, dem frühen Porträt Schleiermachers von 1859, in dem Dilthey in ei­ nem entdeckerisch-enthusiasdschen Ton über die Frühromantik spricht, in dem sich schon der kongeniale Geist der Ricarda Huch ankündigt: Nun wird in freier Manier von den »kühnen Frag­ menten« des Atbenaeum gesprochen und von der Lucinde, die mehr als kühn sei.13 Diese Perspektive wird dann in dem großen Werk über Schleiermacher ausgeführt. Obwohl Dilthey auch noch die Formel vom Wollen, aber Nicht-Können als Grundpro­ blem der Romantik wiederholt, nimmt er den romantischen Geist als ästhetisch-psychologische Veränderung der literarisch-philosophischen Kultur dramatisch ernst und zeigt dies am Stil von Schleiermachers Reden über die Religion, um deren geringes theoretisch-theologisches Prestige im Jahre 1859 er genau weiß. Dilthey weiß auch, daß die »Begeisterung für das Unendliche, Unschaubare, Unbestimmte« in den Augen der klassischen Kritik 11 Dilthey, Arthur Schopenhauer, in: Gesammelte Werke, a.a.O., Bd. XV, S. 53. 12 Dilthey, Gesammelte Schriften, a.a.O., Bd.V, S. 9. 13 A.a.O., Bd. XV, S. 25.

248

(Schiller/Körner) »nur eine künstliche Empfindung«14 war, ohne sich jedoch, wie das Haym tut, dieser Kritik anzuschließen. Es ist Diltheys intuitive Neugierde an Schleiermacher, dem selbst intui­ tiv so begabten Exegeten antiker Texte. Diese Neugierde ist auch die Grundlage seines großen Werks Leben Schleiermachers, dessen ersten Band er selbst herausgege­ ben hat (1870) und der ihm die Kritik aus linkshegelianischem und liberalem Lager, so von D. F. Strauß und R. Haym, eingetra­ gen hat. Dilthey legte entgegen der herrschenden Lehre den frü­ hen, den »romantischen« Schleiermacher frei. Im Anschluß an seinen frühen Aufsatz über Schleiermacher zeigte er die neue romantische Generation und vor allem Schleiermachers Freund­ schaft mit Friedrich Schlegel, was eine Umwertung des bis dahin herrschenden negativen Bildes des Wortführers der frühromanti­ schen Schule einschloß. Daß Dilthey diese Umwertung Friedrich Schlegels programmatisch vornahm, belegt schon die erste An­ merkung des Kapitels über Schleiermachers Freundschaft mit Schlegel, wo Dilthey eine falsche, von Hegels Polemik abstam­ mende Auffassung der Schlegelschen Philosophie korrigiert, in­ dem er auf dessen Briefkorrespondenz mit Schleiermacher hin­ weist, die für das Studium von Schlegels Entwicklung die wich­ tigste Dokumentation darstelle. Er spricht dabei von einem neuen Verständnis Schlegels.15 Dilthey wertet in diesem Kapitel Schlegel als einen der »vorahnenden, vorbereitenden Geister«16 und ver­ steht seine Biographie auch als eine »Rettung Friedrich Schle­ gels«, ohne dabei dessen »moralische Paradoxie« verschleiern zu wollen: der »Verkündiger freier Individualität« und derjenige, der »sein ererbtes Recht freien Denkens« in die Hand des Prie­ sters zurückgibt, wird als komplexes Beispiel eines »Lebens«Schicksals vorgestellt.17 Dilthey nennt Schlegel eine »geniale« Na­ tur und greift damit eine Charakterisierung auf, die seit Madame de Staels Darstellung nicht mehr vorgenommen worden ist. Dil­ they ist vor allem der erste Interpret Friedrich Schlegels, der des­ sen Leistung als Ästhetiker würdigt, obwohl er das Unsystemati­ sche seines Denkens nicht übersieht: Wie Schlegel der »Rationali­ 14 A.a.O., S. 27. 15 Dilthey, Leben Schleiermachers, hg. von Martin Redeker, Berlin 1970, Bd. I, S. 228, Anm. 1. 16 A.a.O., S. 2)0. 17 Ebd.

249

sierung und Moralisierung des Lebens« seinerseits eine »große Intuition«'8 gegenüber gesetzt habe und wie dieser im StudiumAufsatz wider die ursprüngliche Absicht die moderne Literatur als eine »interessante« entdeckt habe.'9Wie kein Autor der jung­ hegelianischen und liberalen Romantikkritik und ganz besonders im Gegensatz zu Hayms abschätzigen Ausführungen erkennt Dilthey die originelle Leistung Schlegels in der Aufdeckung eines Strebens nach »unendlicher Realität« in der modernen Litera­ tur.20 Dilthey versteht den Zusammenstoß Schlegels mit Schillers von Kant inspiriertem Idealismus als ein historisches Ereignis von paradigmatischer Bedeutung. Er richtet Schlegel nicht, wie Haym es versucht, mit Schillerschen Kriterien, sondern sieht in ihm den Ahner des »Neuen«.2' Dilthey erkennt an Schlegels Denken in dieser entscheidenden Epoche der neunziger Jahre schließlich ge­ schichtsphilosophische Ansätze, in denen Motive von Hegels und Schellings Philosophie vorweggenommen seien.22 Diese Priorität der philosophischen Thematik zeigt sich besonders dann, wenn von Fichtes Einfluß die Rede ist: kein Wort mehr über die ver­ gangene »Ironie«-Debatte und den Vorwurf des »Subjektivis­ mus«. Die äußere Ursache hierfür ist, daß seine Darstellung von Schlegels geistiger Entwicklung immer auf Schleiermacher hin gedacht ist, daß also die philosophischen Einflüsse, die Schlegel in sich verarbeitete, in diesem Zusammenhang wichtiger werden als die Subjektivismusproblematik. Diese hatte sich in den Augen Diltheys, der daran ging, Schleiermachers eigene Attacke gegen den Objektivismus der traditionellen Moralphilosophie heraus­ zuarbeiten, von selbst erledigt. Dilthey betont den Mangel an Analyse in Schlegels Fragmenten23, aber beließ sie in ihrer eigenen Gesetzlichkeit der »intellektuellen Anschauung«.24 Und diese eben fordere, Individuen als Systeme, Systeme als Individuen zu verstehen. Dilthey findet also hier sein eigenes Prinzip vorgebil­ det: das »Verstehen« aus dem Ganzen sei das Eigenste in Fried­ rich Schlegels Denken.25 Auch hier schließt Dilthey endgültig 18 19 20 21 22 23 24 25

250

Dilthey, Leben Schleiermachers, a.a.O., S. 242. A.a.O., S. 245 f. A.a.O., S. 246. Ebd. A.a.O., S. 252. A.a.O., S. 375. A.a.O., S. 376. Ebd.

eine alte Debatte ab, und er findet mit Schlegel ein neues An­ schauungsprinzip. Und auch die »Ironie«, der jahrzehntelange Stein des Anstoßes in der akademischen Romantikkritik, wird nunmehr souverän im Sinne Schlegels gedeutet: »Sie ist das Zei­ chen der über jede Idee, jedes Kunstwerk, jede Gedankenform übergreifende Macht des Unendlichen im Geiste.« Das Entscheidende an Diltheys Ansichten ist, daß er das tradi­ tionell gewordene polemische Bild von der Romantik als einer reaktionären, bloß dem Überkommenen zugewandten, katholisierenden Clique auslöscht, indem er die frühromantische Epoche in einem wahlverwandtschaftlichen Sinne als geistesrevolutionäre Bewegung charakterisiert und als deren Manifest eben die Athenaeum-Fragmente deutet. Indem Dilthey die Frühromantik als Glücksfall einer bis dahin erstarrten »geschichtlichen Lage«26her­ ausarbeitet - das hatten nur Kierkegaard und Prutz schon so gesehen fällt ihr auch die Dignität des geschichtlich Ereignis­ haften zu. Und Dilthey sieht als das Spezifische, das sich nun herauskristallisiert, »das gegenstandslose Spiel der Phantasie«. Es ist eben jene Phantasie, deren Struktur er schon in seinen frühen Aufsätzen nachgegangen ist und die er zum Thema seines späte­ ren Werks Das Erlebnis und die Dichtung (1905) machen wird: »So verdanken wir der Dichtung dieser Generation ureigene Töne elementaren Empfindungslebens, die nie verklingen wer­ den, Erneuerung der Formen, Laute und Stimmungen aller größ­ ten Epochen unseres Geschlechtes, eine geheimnisvolle Tiefe der Naturempfindung.. .«27 So ist niemals zuvor seit Heines Roman­ tischer Schule gesprochen worden. Damit ist die Romantik auf zwei Ebenen zurückgewonnen: auf der Ebene einer neuen Me­ thodologie - die Welt anders zu sehen, als man sie bisher sah, und auf der Ebene des Zeitbewußtseins - sie erhält eine besondere geschichtliche epochale Dignität. Dilthey huldigt vor allem zwei romantischen Dichtern: Tieck und Novalis. Beide waren schon in den früher entstandenen Auf­ sätzen, auf die noch zurückzukommen ist, sozusagen neu ent­ deckt worden. Der zentrale Satz über Heck lautet: »Die dämoni­ sche Gewalt der Phantasie ward der innerste Kern seiner Dich­ tung.«2* Nunmehr wird das »Phantastische« als ästhetische Kate26 A.a.O., S. 283. 27 A.a.O., S. 284. 28 A.a.O., S. 291.

* 5*

gorie ernst genommen im Zusammenhang der neu freigelegten Ästhetik: als ein »Sinn für das Wunderbare und Grausenvolle«.29 Nunmehr wird der von Heine herausgestellte, in der ihm folgen­ den Kritik aber nicht mehr erkannte Rang der frühen Märchen betont: »Die ganze dichterische Generation Tiecks hat nichts Vollendeteres hervorgebracht, als die erzählenden Märchen, die so entstanden und seit 1796 hervortraten, wie Eckbert, die Elfen, der Runenberg.«30 Die Naturpoesie, »der tiefste Zug dieser Epo­ che, die Stimmungen eines träumenden Pantheismus«, hätten hier ihre Form gefunden. Kein Einwand mehr aus dem Verdacht, hier flüchtete gefährliche Verinnerlichung aus der Kontrolle durch die reale Welt, sondern eine nachempfindende Akzeptanz solcher als »Einbildungskraft« neu begründeter psychisch-ästhetischer Ka­ pazität: »Die Natur, wie sie Tieck erschien, ist eine dämonische Phantasie.«31 Dilthey erkennt die Implikationen, erhebt aber kei­ nen Einwand dagegen: »Fernab stehen die sittlichen, die geschichtlichen Mächte, Wille und Weltverstand. Diese Menschen wollen nicht; die Natur in ihnen bewegt sich.«32 Dilthey kon­ statiert zwar »die ganze Schwäche der sittlichen Bildung Tiecks« im Vergleich mit Schleiermacher.33 Aber dieses Urteil kann sein Interesse an der »Einbildungskraft«, das die Schrift als roter Fa­ den durchzieht, nicht einschränken oder auch nur deren Kapazi­ tät als ästhetische Kategorie relativieren, wie es die realistische Imaginationskritik des 18. Jahrhunderts bis Karl Philipp Moritz getan hatte und noch der junghegelianischen Romantikkritik mit­ geteilt worden war. Auffällig ist auch, wie sehr Dilthey Wacken­ roders Stembald als neben dem Wilhelm Meister bedeutendsten Roman des Jahrzehnts herausstellt, weil sich in ihm die Phantasie der neuen Epoche konzentriere.34 Auch hier ist der alte Streit über die altdeutsch-christliche Kunstauffassung vergessen, die Heine im Anschluß an Goethes Urteil so verheerend inszeniert hatte. Diltheys eigentümliches und innovatorisches Verständnis des »Phantastischen«, für das ihm Heck das erste Beispiel abgibt, 29 30 31 32 33 34

252

Dilthey, Leben Schleiermachers, a.a.O., S. 291. A.a.O., S. 293. A.a.O., S. 294. Ebd. A.a.O., S. 295. A.a.O., S. 299.

zeigt sich nicht zuletzt in seiner Darstellung des Novalis, bei dem er mit Friedrich Schlegels Worten eine tiefe, verkehrte, das heißt negativ zu wertende Versenkung in die »Herrenhuterei«35 an den Anfang stellt. In diesem Zusammenhang heißt es über die Hym­ nen an die Nacht: »Sie haben etwas, das mehr Grauen erwecken könnte als die schrecklichste Geschichte. Wie ein lang hingezoge­ ner rätselhafter Klageton, der mitten in der Nacht vernommen wird, scheint dieser Ausdruck der Todessehnsucht aus dem ge­ preßten Herzen des Einsamen hervorzubrechen.«36 Unüberseh­ bar ist die scharfe Diskrepanz vor allem zu Hayms Mißverständ­ nis der Hymnen. Auch wenn Dilthey Novalis* Dichtung wie seine Vorgänger biographisch liest, so hebt er doch auf das objek­ tive »neue Element«, das des »Rätselhaften«, ab.37 Er begreift dieses »Rätselhafte« unter dem Phantasiebegriff: »Daher ist die menschliche Phantasie unermüdlich, eine andere künftige Gestalt unseres Daseins zu entwerfen.«38 Herausgehoben als »neuer Ton«, für »die Dichtung der jungen Generation« folgenreich, wird auch der Entwurf der Lehrlinge zu Sais und vor allem das Märchen von Hyacinth und Rosenblüthchen39 bewertet. So auch eine neue Naturauffassung, die Dilthey nicht mehr wie die voran­ gegangene politische Kritik als historisch verjährt ablehnt, son­ dern als anthropologisch-intuitive Qualität der dichterischen Phantasie wertet: Sie ist eine »furchtbare verschlingende Macht«, »ein der Ordnung entgegenschreitendes Ganzes«, »ein entsetzli­ ches Tier«, aber auch »aufblühende Vernunft«.40 Dilthey kommt nicht auf den wichtigen Aspekt zu sprechen, daß Novalis vor der einseitig dämonischen Natur gerade gewarnt hat, daß er einem geistfeindlichen Naturenthusiasmus eben keinen Vorschub lei­ sten wollte. Dilthey lag vielmehr an einer Fundierung des poeti­ schen Vermögens im Unbewußten. Und so enthält diese entdekkerische Darstellung der frühromantischen Dichtung auch schon den Ansatz einer Kunst- und Phantasietheorie, die Dilthey in den frühen Aufsätzen erst andeutete und in dem späten Werk Das Erlebnis und die Dichtung ausführt: Die Kunst entspringt nach 35 36 37 38 39 40

A.a.O., S .301. A.a.O., S. 302. Ebd. Ebd. A.a.O., S. 303. Ebd.

*53

Schleiermacher einem »Bildungstrieb«, der von der »Wirklich­ keit« unterdrückt, gefesselt wird.41 Deshalb aber sind der »Traum« und der »Schlaf« nicht selbst ein »gestaltendes Vermö­ gen«, obwohl diesem Vermögen verwandt: »Die Dichtung er­ scheint dem Traum verwandt, weil in beiden die bildende Kraft unserer Seele tätig ist, frei von der Nötigung, das Wirkliche auf­ zufassen.«41 Entscheidend ist vor allem die Absage an die »Wirk­ lichkeit« als das Kriterium, das die Romantikkritik bis dahin be­ herrscht hat. Dilthey läßt sich von Schleiermachers Kunstauffas­ sung in seiner eigenen Phantasietheorie bestimmen. In diesem Sinne zitiert er: »Die eigentliche Tendenz der Kunst ist nie das rein Objektive, sondern die eigentümliche Kombination der Phantasie.«43 Wir gehen nicht auf Diltheys Darstellung von Schleiermacher ein, da diese über unsere Fragestellung weit hin­ ausführt. Wichtiger ist festzuhalten, daß Dilthey, indem er Schlei­ ermachers mystische Religiosität ausbreitet, auch in die ästheti­ sche Dimension des Romantischen eintritt: Schleiermachers zen­ trale Kategorie des »Unendlichen« ist nämlich, wie dieser sie faßt, eine ästhetischen Begriffen strukturell analoge. Dilthey hat dies in den Mittelpunkt seines ersten Bandes gestellt, wo er über Schlei­ ermachers Reden über die Religion handelt. Außerdem aber und das ist für Dilthey noch wichtiger - ist die religiöse Anschau­ ung Schleiermachers »mit einer Gefühlserregung verbunden«.44 Novalis hatte die Poesie als »Gemütserregungskunst« bezeichnet. Diltheys Darstellung von Person und Werk Schleiermachers ist eine Archäologie verborgener, für die eigene Gegenwart frucht­ bar zu machender ästhetisch-psychischer Bestände. Wenn er Schleiermacher paraphrasierend - schreibt, das »gegenwärtige Zeitalter« hemme »gewaltsam die Ausbildung der religiösen An­ lage« und unterdrücke den »Sinn, d. h. das Erblicken des Ganzen, des Eigentümlichen, des Was und Wie in den Erscheinungen«45, dann ist das ein Satz, der auch aktuelle Gültigkeit besitzen soll. Damit stellte Dilthey der junghegelianischen-liberalen Romantik­ kritik, die immer auch Religionskritik war, eine neu begründete Religiosität als den wichtigsten Modus des »Erlebnisses« entge41 42 43 44 45 254

Dilthey, Leben Schleiermachers, a.a.O., S. 304. Ebd. A.a.O., S. 305. A.a.O., S. 402. A.a.O., S. 410.

gen. Er will das Bleibende daran, das der Gegenwart ganz verlo­ rengegangen sei, wiederherstellen.46 Und zu dem Bleibenden ge­ hört vor allem das »Erblicken des Ganzen«, eben jene Kapazität, die er an Schlegels unsystematischer Methodologie so beachtens­ wert findet. Es ist wichtig zu sehen, daß Dilthey die Romantik hier nicht isolieren will als Gegenbewegung zur Aufklärung und Klassik, sondern daß er sie noch, und Schleiermacher in ihr, als Entwicklungsgeschichte aus diesen Voraussetzungen versteht. Das innerste Prinzip dieser Entwicklung war für Dilthey die j Dichtung selbst. Stellt das Werk über Schleiermacher Diltheys / romantisches Manifest dar, in dem die Aktualität der romanti­ schen Weltanschauung dargetan werden soll und damit die Um­ kehrung einer Wertung, die bis zu Hayms gleichzeitig veröffent­ lichtem Werk Die romantische Schule reicht, so ist die Begrün­ dung des Phantasiebegriffs schon in den vorangegangenen Auf­ sätzen versucht worden. Wie stellt sich Diltheys frühes Konzept der dichterischen Phantasie dar, das sein neues Romantikverständnis begründet? Der Aufsatz Phantastische Gesichtserscheinungen geht dem »Ge­ heimnis dichterischer Produktion«47 zunächst zwar am Beispiel Goethes nach, schließt aber Heck an dieses Paradigma unmittel­ bar an. Dilthey zitiert ähnliche Beobachtungen Goethes, Tiecks und Otto Ludwigs, wonach ihre Vorstellungskraft wunderbar sinnliche Erscheinungen produzierte, zu denen die jeweilige wirkliche Situation kein Äquivalent bereithielt. War es im Falle Goethes eine produktive Phantasie, im Falle Hecks eine eher irreführende, Wirklichkeit vortäuschende Vision und im Falle Ludwigs eine musikalische »Stimmung«, so wertet Dilthey diese verschiedenen, gemeinsam aber oft als »krankhafte Erscheinung« mißdeuteten Phänomene als Elementarteilchen des künstleri­ schen Bewußtseins: als Erzeugnisse innerer Reize, als Erzeug­ nisse »unserer produktiven Einbildungskraft«.48 Dabei bedient er sich einer von der frühromantischen Perspektive selbst entwickel­ ten Metaphorik des »Vagen«: »So sehen Kinder in den heterogen­ sten Umrissen leicht Gesichter, Menschen, vertraute Gegen­ stände mannigfacher Art. Nur wenige Punkte oder Striche in der Dämmerung genügen Menschen von lebhafter Phantasie, um 46 Einleitung, Anm. i. 47 Dilthey, Gesammelte Schriften, a.a.O., Bd. XV, S. 93. 48 A.a.O., S. 96.

2 S5

diese Elemente zu vollkommen sichtbaren Gestalten zu ergänzen. Wenn aber im Dunklen die Eindrücke der sinnlichen Gegen­ stände die höchste Beweglichkeit erhalten, wenn dann das Mond­ licht in diese ohnehin zerfließenden und vieldeutigen Umrisse ihnen ganz fremde, bewegliche, mit Leben täuschende Züge wirft: dann erhält dies wunderbare bildende Eigenleben der Phantasie in dem Sehfeld die höchste Stärke.«49 Abgesehen von einer physiologischen Erklärungstendenz, die in Diltheys vornehmlichem Interesse, Poesie und Natur zusammen zu sehen, begründet ist, faßt dieser die äußere Sinneseindrücke ergänzende Phantasie als eine Produktionsstätte des romantisch »Wunderba­ ren«. Woran er interessiert ist, das ist das »Phantastische« der Vorstellungen, das »Phantasma« selbst.5® Seine ausgewählten Bei­ spiele von Künstler-Erinnerungen über solche unwillkürlichen sinnlichen Vorstellungen verweisen an die Bilderketten der ro­ mantischen Märchen selbst. Diese analoge Struktur deutet eine Ästhetik an, die, auf einer objektiven Physiologie der Sinne beru­ hend, zwar keine »religiöse Schwärmerei« oder »Aberglauben« fördert, wohl aber die »wunderbaren Phänomene« als Grundele­ ment der Poesie sieht, wie dies die Romantiker, die Dilthey be­ sonders schätzt, Novalis und Tieck, selbst gefordert hatten. Dil­ they legt dabei allerdings auch auf »geistige Gesundheit und af­ fektlose Ruhe« Wert*1, damit das »Zeichen von Stärke der Einbil­ dungskraft und tiefster Erregbarkeit des edelsten Sinnes«, des Auges, gewahrt bleibt und es nicht geschieht, daß die »dichteri­ sche Phantasie die Herrschaft über sich selber« verliert.52 Von der also aufgefaßten Organisation einer das »Phantastische« produ­ zierenden Physiologie der Sinne versteht Dilthey die »unbegreif­ liche Hinneigung« der Dichter »zu Visionen, somnambulen und Traumzuständen«.53 Damit aber macht er den spezifischen Kasus des romantisch »Phantastischen«, den Hegel und die junghegelia­ nische Romantikkritik gerade aus dem Kanon der Literatur aus­ geschlossen haben wollten, zum eigentlichen Strukturgesetz des Poetischen. Er erläutert diese Annahme wiederum an Kleist, den Hegel als Beispiel des »somnambulischen« Dichters so scharf kri­ 49 50 51 52 53

256

Dilthey, Gesammelte Schriften, a.a.O., S. 96. A.a.O., S. 97. A.a.O., S. 99. Ebd. A.a.O., S. 101.

tisiert hatte. Dilthey dagegen erkennt im »Somnambulen« eben jenen »verborgenen Zug ihres Phantasielebens«, dem die Dichter genug tun in ihren »Schöpfungen«: »So wenigstens scheint mir vor allem bei dem so frei und groß denkenden Kleist dieser Zug zu erklären.«54 Und es sei nicht anders bei Tieck und Arnim. Besonders die Erzählungen Hecks seien in dieser Hinsicht inter­ essant. Dilthey sieht im poetischen Produktionsprozeß ein Frei­ werden von »Stimmungen und Bildern«55 jenseits des Willens und strengen Denkens, »deren Entfaltung und Wandlung mit der Macht eines zweiten Lebens in dem Gemüt Raum gewinnt, so daß jenes wunderbare Phänomen eintritt, daß eine Seelenkraft des Menschen sich vor dem, was die andere hervorbringt, erstaunt, verwundert, ja entsetzt«.56 In dem Aufsatz Phantastische Gesichtserscheinungen hat Dil­ they die theoretische Grundlage zu seinem Phantasie- und Erleb­ nisbegriff gelegt. Dieses Theorem bedeutet eine völlige Revision der bis dahin in der Literaturgeschichte und Ästhetik herrschen­ den Auffassung vom Romantischen im allgemeinen und vom »Phantastischen« im besonderen. Indem Dilthey die Struktur der Phantasie als Ausgangspunkt wählt, denkt er deren Produkt als das »Phantastische«, in dem das Romantische und das Poetische in einem Begriff zusammenfallen. Damit aber geht Dilthey über Heines Darstellung des »Phantastischen« als romantisches Hauptmotiv hinaus und definiert das romantische Phantasma als das modern Poetische. Dilthey hatte allerdings, wie wir sahen, auch von »geistiger Gesundheit« gesprochen. Bedeutet dies, daß er extreme Fälle der Phantasie ausschloß? Sein Aufsatz über Hölderlin und die Ursachen seines Wahnsinns gibt darüber Aufschluß. Im Falle von Höl­ derlins Pathologie lag der extreme Fall einer romantischen »Krankheit« vor, den die Romantikkritik seit Beginn des 19. Jahr­ hunderts so nachdrücklich thematisiert hatte und der erst Nietz­ sches Deutung der Krankheit als poetische und existentielle Aus­ zeichnung, besonders bezogen auf Kleist und Hölderlin, wider­ sprechen wird. Dilthey emphatisiert Hölderlins »Wahnsinn« noch nicht im Sinne eines solchen Existentials. Aber er wird doch als Quasi-Endpunkt einer spezifischen poetischen Teleologie be54 Ebd. 55 Ebd. 56 Ebd. 257

griffen: »Er schritt in dichterischen Träumen seinen Weg weiter. Dieser Weg mußte ihn entweder einer Dichterexistenz entgegen­ führen oder den Kämpfen eines widerspruchsvollen Lebens.«57 Das kranke Motiv, die »Todesgedanken«, werden der Darstel­ lung einer Poesie integriert, der ein »pathologischer Gehalt« zu­ erkannt wird.58 Dieser pathologische Grundzug liegt nach An­ sicht Diltheys darin, daß die »gegenwärtige Welt« Hölderlins Empfindung völlig entzogen ist59 und daß seine Dichtung eine »pantheistische Vertiefung in die Natur« zeigt.60 Diese beiden Elemente, die unvermittelbare Empfindung und die Verinnerli­ chung der Natur, hatte die linkshegelianische Romantikkritik, aber auch Heine schon, an der Frühromantik erkannt und kate­ gorisch verurteilt. Für Dilthey jedoch bilden eben diese Elemente die eigentliche Voraussetzung von Hölderlins Kunst. Pathologie und »poetisches Genie« werden als einander bedingend zugeord­ net: »So ist hier geschehen, daß, was das poetische Genie dieses Dichters ausmacht, zugleich mächtig ein krankes Stimmungsle­ ben in ihm fördert.«61 Dilthey sieht den Höhepunkt der Dich­ tung, die späten Hymnen, und den »Ausbruch seines Tiefsinns« notwendigerweise nahe beieinanderliegen: »An der Schwelle des Wahnsinns erschien sein Genie am mächtigsten.«62 Es ist offen­ sichtlich, daß Dilthey den »Wahnsinn« als ein Symbolon für eine extraordinäre Qualität von Hölderlins poetischer Sprache und Existenz benutzt: er spricht von der »Heilighaltung des eigenen Herzens«.63 Er entdeckt durch die klinischen Symptome, deren Ausbruch im Jahre 1802 er schildert, einen »tiefen Blick« in be­ zug auf die zukünftige Literaturentwicklung, in der Hölderlin sich mit Kleist treffe. Er betont, daß die »dichterische Technik« in dieser Zeit des Tiefsinns sich sogar noch verbessert habe.64 Was Haym nicht erkannte, die Bedeutung der späten Gedichte - so Andenken, Die Wanderung, Der Rhein wird von Dilthey er­ kannt und in die Nachbarschaft des »Wahnsinns« gestellt. Noch entfernt von den Einsichten einer späteren Hölderlin-Philologie, 57 58 59 60 61 62 63 64

258

Dilthey, Gesammelte Schriften, a.a.O., S. 104. A.a.O., S. 110. A.a.O., S. i i i . Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Anmerkung. A.a.O., S. 113.

speziell das Spätwerk betreffend, hat Dilthey dennoch die Sym­ biose von befremdend-ungewöhnlicher Sprache und radikaler Verinnerlichung erfaßt. Obwohl selbst am Ende dem Harmonie­ konzept verpflichtet, verabschiedet er damit auch die von Haym noch drei Jahre später breit ausgemalte Vorstellung vom harmonisierend-antikisierenden Dichter des Hyperion und dessen Schiller-Nähe. Am Beispiel der Hölderlin-Deutung erkennt man be­ sonders deutlich die Überlegenheit von Diltheys exegetischem Blick gegenüber der ideengeschichtlichen Deduktion Hayms. Diese Exegese war begründet in dem sich schon in Ansätzen herausbildenden, oben erläuterten Theorem von dem Phantasma, das in den bis dahin herrschenden Lehrmeinungen von Dichtung völlig überdeckt war durch historisch-ideengeschichtliche Ablei­ tung. Auch der Begriff des »Wahnsinns« gehört also zu Diltheys Phantasietheorie, ohne daß er dabei schon eine strukturelle Wer­ tigkeit angenommen hat. Die hermeneutische Reflexion in der Vorbemerkung des Auf­ satzes Die romantischen Dichter über die Lesbarkeit der romanti­ schen Literatur in der Gegenwart von 1868, die schon auf die programmatische Absicht des Schleiermacher-Werks vorweg­ weist, wird ergänzt durch das, was die poetologische Theorie und Produktionsästhetik bereits ausgeführt hatte. Auch Tiecks an Hölderlins Pathologie angrenzende »Zustände von Bewußtlosig­ keit«65 werden in bezug auf die späteren Werke des romantisch »Phantastischen« gelesen. Dieses »Phantastische«, wird hier —wie später in dem Werk über Schleiermacher - am Beispiel der frühen Märchen, vornehmlich des Blonden Eckbert, genannt.66 Dilthey setzt auch Novalis, den er schon 1865 in den Preußischen Jahrbü­ chern behandelt hatte und den er in seinem Werk über Schleier­ macher wiederum hervorheben und in Das Erlebnis und die Dichtung für den Diskurs der deutschen Literaturgeschichte end­ gültig kanonisieren wird, ein Denkmal. Vor allem die Hymnen an die Nacht und das Märchen von Hyacinth und Rosenblüthchen stehen im Mittelpunkt dieser Huldigung: »Sein >OfterdingenBalancequalitatives DenkenDenken des Qualitativem nennen werden.«95 Mannheim sieht diese neue Kapazität zusammen mit dem »sozialen Unverwurzeltsein«96 als die neue moderne Bedingung des Intellektuellen: »daß ihnen ir­ gendwie die letzten Ziele und Gehalte nicht unmittelbar gegeben waren, daß sie stets nicht von etwas her, sondern auf etwas hin dachten, daß sie das zu Rechtfertigende von anderswoher, aus lebendigeren Quellen nahmen. Es ist ein typisches Schicksal der Intelligenz in der modernen Welt - seit dem 1 8. Jahrhundert klar verfolgbar -, daß sich um das Schicksal der geistigen Welt eine unverwurzelte oder wenig verwurzelte, klassenmäßig, standes­ mäßig nicht eindeutig zurechenbare Schicht bekümmert, welche die Grundlagen der Wollungen nicht aus sich heraus schöpft.«97

5. Carl Schmitt und die surrealistische Moderne Die Konfrontation der Mannheimschen Analyse der romanti­ schen Haltung mit den Identifikationen Schmitts zeigt deudich, inwiefern dieser gerade gegen die finale Heuristik der Romantik 93 94 95 96 97

30 6

Mannheim, Das konservative Denken, a.a.O., S. 1 17. Ebd. Ebd. Ebd. A.a.O., S. 118.

das Überkommene, Positive ausspielt: Im Unterschied zu Mann­ heims wissenssoziologischer Erklärung der Romantik als begin­ nender Moderne will Schmitt eben diese fundamentalistisch wie­ der aufheben. Die Kritik am Ästhetizismus der romantischen Moderne Schmitt vorzuhalten, zielt nicht allein auf seine ästheti­ sche Kompetenz. Er trifft sich hierin partiell mit Mannheim und der liberalen bzw. linken Soziologie bis heute. Das Mißtrauen der Soziologie der zwanziger Jahre als letzter Statthalterin innerwelt­ lich orientierter Rationalität gegenüber den radikalisierten An­ sprüchen einer ästhetisch-emphatischen Moderne hat Max Weber zur Zeit von Schmitts Polemik definitiv formuliert: »Gegen diese innerweltlich irrationale Erlösung muß sich jede rationale reli­ giöse Ethik wenden als gegen ein Reich des, von ihr aus gesehen, verantwortungslosen Genießens und: geheimer Lieblosigkeit. In der Tat neigt ja die Ablehnung der Verantwortung für ein ethi­ sches Urteil, wie sie intellektualistischen Zeitaltern, infolge teils subjektivistischen Bedürfnisses, teils der Angst vor dem Anschein traditionell-philiströser Befangenheit, zu eignen pflegt, dazu: ethisch gemeinte Werturteile in Geschmacksurteile umzuformen (>geschmacklos< statt: >verwerflichWerkstatt< des Berliner Schiller-Theaters. Aufgezeichnet von Alfred Hübner. Fotos von Horst Güldemeister. es 849 Walter Benjamin: Das Passagen-Werk. 2 Bände. Herausgegeben von Rolf Tiedemann. es 1200 - Versuche über Brecht. Herausgegeben und mit einem Nachwort ver­ sehen von Rolf Tiedemann. es 172 Pierre Bertaux: Hölderlin und die französische Revolution, es 344 Bildlichkeit. Herausgegeben von Volker Bohn. es 1475 Karl Heinz Bohrer: Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins, es 1058 Silvia Bovenschen: Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Unter­ suchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentations­ formen des Weiblichen, es 921 Helmut Brackert: Bauernkrieg und Literatur, es 782 Bertolt Brecht: Über Politik auf dem Theater. Herausgegeben von Werner Hecht, es 465 310/1/5.88

Literaturwissenschaft in der edition suhrkamp Bertolt Brecht: Über Realismus. Herausgegeben von Werner Hecht, es 485 Brecht-Journal. Herausgegeben von Jan Knopf, es 1191 Brecht-Joumal 2. Herausgegeben von Jan Knopf, es 13% Die heilige Johanna der Schlachthöfe. Bühnenfassung, Fragmente, Va­ rianten. Kritisch ediert von Gisela E. Bahr, es 427 Materialien zu Brechts >Leben des GalileiMutter Courage und ihre Kinden. Zusammen­ gestellt von Werner Hecht, es 50 Materialien zu Bertolt Brechts >Schweyk im zweiten Weltkriege Vorla­ gen (Bearbeitungen), Varianten, Fragmente, Skizzen, Brief- und Ta­ gebuchnotizen. Ediert und kommentiert von Herbert Knust, es 604 Peter Bürger: Aktualität und Geschichtlichkeit. Studien zum gesell­ schaftlichen Funktionswandel der Literatur, es 879 - Theorie der Avantgarde, es 727 Gilles Deleuze/Felix Guattari: Kafka. Für eine kleine Literatur. Aus dem Französischen von Burkhart Kroeber. es 807 Gilles Deleuze/Claire Pamet: Dialoge. Aus dem Französischen über­ setzt von Bernd Schwibs. es 666 Die Expressionismusdebatte. Materialien zu einer marxistischen Realis­ muskonzeption. Herausgegeben von Hans-Jürgen Schmitt, es 646 Fragment und Totalität. Herausgegeben von Lucien Dällenbach und Christiaan L. Hart Nibbrig. es 1107 Manfred Frank: Der kommende Gott. Vorlesungen über die neue My­ thologie. I. Teil, es 1142 - Motive der Moderne, es 1456 Christiaan L. Hart Nibbrig: Die Auferstehung des Körpers im Text, es 1221 Wolfgang Fritz Haug: Bestimmte Negation. >Das umwerfende Einver­ ständnis des braven Soldaten Schwejk< und andere Aufsätze, es 607 Werner Hecht: Sieben Studien über Brecht, es 570 Wolfgang Hildesheimer: The Jewishness o f Mr. Bloom. Das Jüdische an Mr. Bloom. Englisch/Deutsch, es 1292 Jochen Hörisch: Gott, Geld und Glück. Zur Logik der Liebe in den Bildungsromanen Goethes, Kellers und Thomas Manns, es 1180 - Die Wut des Verstehens, es 1485 Hans Robert Jauß: Literaturgeschichte als Provokation, es 418 Uwe Johnson: Begleitumstände. Frankfurter Vorlesungen, es 1019 310/2/5.88

Literaturwissenschaft in der edidon suhrkamp Materialien zu James Joyces »Ein Porträt des Künstlers als junger MannUlysses