Die Koppelung von Wirtschaftsverbänden und Arbeitgeberverbänden: Kartellrechtliche, arbeitsrechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte [Reprint 2020 ed.] 9783112311646, 9783112300374


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Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
§ 1. Einfuhrung und Problemstellung
§ 2. Konkrete Relevanz der Rechtsproblematik
§ 3. Keine Problemlösung durch gleichzeitige Mitgliedschaft in einer anderen Arbeitgebervereinigung oder durch Abschluß von Firmentarifverträgen
§ 4. Die Zulässigkeit der Koppelung
§ 5. Ergebnisse und Folgerungen
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Die Koppelung von Wirtschaftsverbänden und Arbeitgeberverbänden: Kartellrechtliche, arbeitsrechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte [Reprint 2020 ed.]
 9783112311646, 9783112300374

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Fritz Nicklisch Die Koppelung von Wirtschaftsverbänden und Arbeitgeberverbänden

Die Koppelung von Wirtschaftsverbänden und Arbeitgeberverbänden Kartellrechtliche, arbeitsrechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte

von Prof. Dr. Fritz Nicklisch Bonn

1972

^

J. Schweitzer Verlag • Berlin

ISBN 3 8 0 5 9 0 2 9 3 X Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz: Fotosatz Prill, Berlin - Druck: W. Hildebrand, Berlin © 1972 J. Schweitzer Verlag Berlin. - Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis § 1 I.

Einfuhrung und Problemstellung Rechtstatsächliche Gegebenheiten A Koppelung im Wege des Einheitsverbandes B Koppelung im Wege einer Junktimklausel II. Problemstellung III. Verbandspolitische und rechtspolitische Auswirkungen IV. Gang der Untersuchung

§2 I. II. III.

Konkrete Relevanz der Rechtsproblematik Bei Erzwingung der Aufnahme nur in den Wirtschaftsverband Bei Ausschluß Bei tarifrechtlichen Streitigkeiten

§3

Keine Problemlösung durch gleichzeitige Mitgliedschaft in einer anderen Arbeitgebervereinigung oder durch Abschluß von Firmentarifverträgen Mitgliedschaft in einem anderen Arbeitgeberverband mit umfassenderem Zuständigkeitsbereich Abschluß von Firmentarifverträgen Gründung eines konkurrierenden Arbeitgeberverbandes Zwischenergebnis

I. II. III. IV. §4 I.

Die Zulässigkeit der Koppelung Kartellrechtliche Gesichtspunkte A Koppelung mittels Junktimklausel 1. Aufnahmezwang gem. § 27 GWB als zulässige Schranke der Vereinigungsfreiheit 2. Sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung a) Bei Erfüllung der satzungsgemäßen Aufnahmevoraussetzungen b) Bei diskriminierenden Aufnahmevoraussetzungen 3. Unbillige Benachteiligung des Unternehmens im Wettbeweru 4. Teilergebnis B Koppelung im Wege des Einheitsverbandes

7 13 13 13 13 14 15 16 17 17 18 18

18 19 20 20 21 21 21 21 22 22 22 23 26 26 27 5

II.

Arbeitsrechtliche (tarifrechtliche) Gesichtspunkte A Freiwilligkeit der Mitgliedschaft als Voraussetzung der Tariffähigkeit B Keine Freiwilligkeit bei erheblichem wirtschaftlichem Druck zum Beitritt C § 27 GWB als Maßstab für die Unzulässigkeit des Drucks D Keine Ausweichmöglichkeit durch Mitgliedschaft in einer anderen Arbeitgebervereinigung E Teilergebnis

III. Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte A Koppelung mittels Junktimklausel 1. Fallgruppe a) Junktimklausel und positive Koalitionsfreiheit b) Verbot von die Koalitionsfreiheit einschränkenden Maßnahmen c) Kriterien für die Unzulässigkeit des ausgeübten Drucks . . d) Teilergebnis 2. Fallgruppe 3. Fallgruppe a) Grundsätzliche Anerkennung der negativen Koalitionsfreiheit b) Verbot von die Koalitionsfreiheit einschränkenden Maßnahmen c) Kriterien für die Unzulässigkeit des ausgeübten Drucks . . d) Teilergebnis B Koppelung im Wege des Einheitsverbandes §5 I. II.

6

Ergebnisse und Folgerungen Ergebnisse Folgerungen

27 27 28 30 32 35 35 35 36 36 37 38 43 43 44 44 45 45 63 63 64 64 65

Literaturverzeichnis Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Auflage, 1960; Bd. I, Wettbewerbsrecht, 10. Aufl., 1971 Bernert, Zur Lehre von der „Sozialen Adäquanz" und den „sozialadäquaten Handlungen", 1966 — Die Leerformel von der Adäquanz, AcP 169, 421 Bettermann, Rechtssetzungsakt, Rechtssatz und Verwaltungsakt, Festschrift für Nipperdey, Bd. II, 1965, S. 723 Biedenkopf, Die Verfassungsproblematik eines Kartellverbots, BB 1956, 473 — Zum Problem der negativen Koalitionsfreiheit, JZ 1961, 346 — Grenzen der Tarifautonomie, 1964 — Arbeitsrechtliches Gutachten, in: 46. DjT, 1966, Bd.I, S. 97 Bockenförde: Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, 1966 Bötticher, Waffengleichheit und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im kollektiven Arbeitsrecht, 1956 — Die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, 1966 Bohn, Der Zwang zur Aufnahme von Mitgliedern in Wirtschafts- und Berufsvereinigungen nach § 27 GWB, BB 1964, 788 Bonner Kommentar, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 9 bearbeitet von Wernicke (Erstbearbeitung) und v.Münch (Zweitbearbeitung) Brox-Rüthers, Arbeitskampfrecht, 1965 Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, Diss., 1964 Büttner, Die Entwicklungen und Aufgaben der Wirtschaftsverbände in der BRD, Diss., 1956 Cornelssen, Über die Tariffähigkeit der Zwangsinnungen in Schrifttum und Rechtsprechung, BArbBl 1951, 609 Däubler, Negative Koalitionsfreiheit? in: Recht und Staat, Heft 397/398, 1971, S. 26 ff Dietlein, Zum verfassungsrechtlichen Verhältnis der positiven zur negativen Koalitionsfreiheit, ArbuR 1970, 200 7

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8

Heinrici, Urteüsanmerkung JW 1929, 1239 Hensche, Zur Zulässigkeit von Firmentarifverträgen mit verbandsangehörigen Unternehmen, RdA 1971, 9 Herschel, Grenzen der Freiheit im kollektiven Arbeitsrecht, ArbuR 1970, 193 Hoffmann, Einstweilige Verfügungen gegen Streiks? ArbuR 1968, 33 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl. B d . l , Bd.2, 1953/54 Hueck, Tarifausschlußklausel und verwandte Klauseln im Tarifvertragsrecht, 1966 Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 3 . - 5 . Aufl. Bd.II, 1932 - Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7.Aufl., Bd.l, 1963, Bd.II/1, 1967; Bd.II/2 1970 Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, 1927 Karakatsanis, Die kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses und ihre Grenzen, 1963 Kreppner, Tariffähigkeit der Innungen verfassungswidrig? BB 1966, 864 Krüger, Verfassungsrechtliches Gutachten, in: 46. DjT, 1966 Bd.l, S. 7 Langen, Kommentar zum Kartellgesetz, 4. Aufl. 1967 Lehmann-Dietz, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 1970 Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes, 1968 Löwisch, Die Voraussetzungen der Tariffähigkeit, ZfA 1970, 295 v.Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Bd. I, 1957 Maunz, Deutsches Staatsrecht, 16. Aufl., 1968; 18. Aufl., 1971 Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, 1958 ff, Stand 1971 Mayer-Maly, Leistungsdifferenzierung und Tarifmachtbegrenzung, BB 1966, 1067 - Die negative Koalitionsfreiheit am Prüfstein, ZAS 1969, 81 - Negative Koalitionsfreiheit? in: Recht und Staat, Heft 397/8 1971, S.5 ff Monjau, Der Schutz der sogenannten negativen Koalitionsfreiheit, Festschrift für Küchenhoff, 1967, S. 121

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Müller-Henneberg-Schwarz, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und europäisches Kartellrecht (Gemeinschaftskommentar) 2. Aufl. 1963 Müller-Scholz, Das Preisbindungsprivileg für Markenartikel und Verlagserzeugnisse nach § 16 GWB, 1969 Münzberg, Verhalten und Erfolg als Grundlagen der Rechtswidrigkeit und Haftung, 1966 Neumann, Zu Schutz und Umfang der sog. negativen Koalitionsfreiheit, Betrieb 1967, 1545 Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl. Bd.II, 1959 Nipperdey-Säcker, Tatbestandsaufbau und Systematik der deliktischen Grundtatbestände, NJW 1967, 1985 — Die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit, ArbRBlattei D Tarifvertrag II Abschluß A — Geschichtliche Entwicklung, Begriff und Rechtsstellung der Berufsverbände, ArbRBlattei D I Plaßmann, Preisbindung durch die Gerichte? JZ 1962, 463 Puppe, Zur zeitlich begrenzten Weitergeltung verfassungswidriger Gesetze, DVB1 1970, 317 Ramm, Die Freiheit der Willensbildung, 1960 — Sozialadäquanztheorie und freiheitlicher sozialer Rechtsstaat, ArbuR 1966,161 — Die Anerkennung des Streikrechts, ArbuR 1967, 97 Rasch-Westrick, Wettbewerbsbeschränkungen, Kartell- und Monopolrecht, 3. Aufl. 1966 Reichel, Die Bedeutung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Tariffähigkeit der Innungen, Betrieb 1967, 426 — Urteilsanmerkung JW 1929, 1647 Reichel, Urteilsanmerkung JW 1929, lö47 Reichert-Dannecker-Kühr, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 1970 Reuß, Die Tariffähigkeit der Handwerksorganisationen, ArbuR 1963, 1 — Arbeitsrechtliches Gutachten zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Vermögensbildungsgesetzes, Schriftenreihe des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, Heft 14, 1968, S. 61 — Koalitionseigenschaft und Tariffähigkeit, Festschrift für Kunze, 1969, S. 269 10

— Der Streit um die Differenzierungsklauseln, ArbuR 1970, 33 — Besprechung von Gamillscheg: Die Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit, AcP 166, 518 Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968 — Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, ZfA 1970,85 — Rechtsprobleme einer betriebsnahen Tarifpolitik, JurA 1971, 141 — Koalitionsgewalt und individuelle Koalitionsfreiheit, AöR 93, 243 Rüthers, Die Spannung zwischen individualrechtlichen und kollektivrechtlichen Wertmaßstäben im Arbeitskampfrecht, ArbuR 1967,129 — Das Recht der Gewerkschaften auf Information und Mitgliederwerbung im Betrieb, 1968 Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969 Sandtner, Die abgestufte Nichtigkeit eines Rechtssatzes, Bay VB1 1969, 232 Scheuner, Die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Vermögensbildungsgesetzes, Schriftenreihe des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, Heft 14, 1968, S. 9 Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971 Sinzheimer, Die Absperrungsklausel in Tarifverträgen und ihre Wirkung auf abgesperrte Arbeitnehmer, JW 1921, 304 Sitzler, Besonderheiten des Firmentarifvertrages, ArbRBlattei D Tarifvertrag XIII Söllner, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 1969 Soergel-Siebert, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. I, lO.Aufl. 1967, §§ 1 - 8 9 bearbeitet von Schultze=Lasaulx ; §§ 2 4 3 - 4 3 2 bearbeitet von Reimer Schmidt; Bd. III, 10. Aufl. 1969, §§ 7 0 5 - 7 5 8 , bearbeitet von Schultze-v.Lasaulx Staudinger-Coing, Kommentar zum BGB, Bd. I, 11. Aufl., 1957 Steindorff, Wirtschaftsrechtliche Maßstäbe im Arbeitsrecht, RdA 1965, 253 Tetzner, Kartellrecht, 1965 Weber, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Verfassungsproblem, 1965 Weißauer/Hesselberger, Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit verfassungswidriger Normen, DÖV 1970, 325 11

Weller, Zur Frage der Differenzierungsklausel, ArbuR 1970; 161 Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969 Wertenbruch, Die rechtliche Einordnung wirtschaftlicher Verbände in den Staat, Gedächtnisschrift für Peters, 1967, S. 614 Wiedemann, Die deutschen Gewerkschaften — Mitgliederverband oder Berufsorgan? RdA 1969, 321 - Urteilsanmerkung, SAE 1969, 265 Wiethölter, Der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, 1960 Zippelius, Die Rechtswidrigkeit von Handlung und Erfolg, AcP 157, 390 Zöllner, Tarifvertragliche Differenzierungsklauseln, 1967 Zöllner-Seiter, Paritätische Mitbestimmung und Art. 9 Abs. 3 GG, ZfA 1970, 111

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§ 1 Einführung und Problemstellung

I. Rechtstatsächliche Gegebenheiten Während Gesetzgeber, Rechtsprechung und Literatur zwischen Wirtschaftsverbänden und Arbeitgeberverbänden exakt trennen, läßt sich diese Trennung in der Rechtswirklichkeit nicht immer feststellen. In einem nicht unerheblichen Umfang sind Wirtschaftsverbände und Arbeitgeberverbände mehr oder minder untrennbar miteinander verbunden. Diese Fälle einer Koppelung zwischen beiden Verbandsarten lassen sich auf zwei Grundmodelle zurückführen.

A Koppelung im Wege des Einheitsverbandes Eine Anzahl von Wirtschaftsverbänden nimmt neben ihren spezifischen Aufgaben zugleich sozialpolitische und tarifpolitische Aufgaben wahr. Sie vereinigen in sich neben den Funktionen eines Wirtschaftsverbandes die eines Arbeitgeberverbandes. In den Satzungsbestimmungen über den Verbandszweck heißt es dann etwa: „Der Verband ist sowohl ein a) Wirtschaftsverband als auch b) ein Arbeitgeberverband" oder „Der Verband übt die Funktionen eines Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbandes für das X-Gewerbe aus. Er vertritt die Interessen seiner Mitglieder in allen wirtschaftlichen, sozialpolitischen und fachtechnischen Angelegenheiten sowie auf dem Gebiet der Berufsbildung". Bei dieser Form der Koppelung sind Arbeitgeberverband und Wirtschaftsverb and zu einem Einheitsverband verschmolzen. Im Rahmen der internen Geschäftsverteilung tauchen meistens beide Ressorts auf; davon abgesehen aber gibt es nur eine einheitliche Mitgliedschaft, einen einheitlichen Beitrag, eine einheitliche verbandsinterne Willensbildung und einheitliche Verbandsorgane. In der Rechtswirklichkeit ist diese Form der Koppelung die am häufigsten vorkommende 1 ).

B Koppelung im Wege einer Junktimklausel Seltener ist in deritechtswirklichkeit die zweite Form der Koppelung: ein Wirtschaftsverband bestimmt in der Satzung, daß Mitglied des Verbandes nur ')

Allein im Vereinsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main ist eine größere Anzahl solcher Verbände mit Doppelfunktion eingetragen.

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sein kann, wer zugleich einer bestimmten Arbeitgeberorganisation angehört 2 ). Hier wird also mittels einer satzungsmäßigen Junktimklausel die Mitgliedschaft in dem Wirtschaftsverband, die für das einzelne Unternehmen häufig sehr wichtig ist, von der Mitgliedschaft in der Koalition abhängig gemacht. In der Verbandspraxis findet sich schließlich eine Form der Koppelung durch eine Junktimklausel, die von dem aufgezeigten Modell insofern abweicht, als sie zugleich Elemente der Koppelung im Wege des Einheitsverbandes enthält: Auf einem bestimmten Wirtschaftssektor besteht auf Bundesebene ein Wirtschaftsverband, der so bedeutend ist, daß die Mitgliedschaft für alle Unternehmen fast existenznotwendig ist. Daneben bestehen regional sogenannte Landesverbände, deren Bedeutung für das einzelne Unternehmen unterschiedlich ist. Im Hinblick darauf schreibt die Satzung des Bundesverbandes vor, daß ihre Mitglieder zugleich die Mitgliedschaft in dem zuständigen Landesverband erwerben müssen. Die Landesverbände oder jedenfalls ein Teil von ihnen nehmen zugleich die Funktionen eines Arbeitgeberverbandes wahr, so daß diese Landesverbände eine Koppelung beider Verbandszwecke in Form des Einheitsverbandes darstellen. Durch die Junktimklausel in der Satzung des Bundesverbandes wird zusätzlich eine Koppelung zwischen diesem reinen Wirtschaftsverband und dem Landesverband mit Arbeitgeberverbandsfunktion erreicht 3 ). II. Problemstellung Gemeinsam ist allen diesen Fällen, daß sich Wirtschaftsunternehmen vor die Alternative gestellt sehen, im Falle des Beitrittes Mitglied eines Wirtschaftsverbandes und eines Arbeitgeberverbandes zu werden oder aber von einer Mitgliedschaft in beiden abzusehen. Infolge der Koppelung ist es nicht möglich, beispielsweise lediglich die Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband zu erwerben und bezüglich des Arbeitgeberverbandes außerhalb zu bleiben, z.B. weil das Unternehmen nicht tarifgebunden sein möchte oder weil ihm die Sozialpolitik des Arbeitgeberverbandes nicht gefällt und es 2

)

Von einem derartigen Fall berichtet Dörinkel, WuW 1958, 565, 569 f.: Eine Gütezeichengemeinschaft, die jedenfalls im Bereich des GWB als Wirtschaftsvereinigung anzusehen ist, (§ 27 I 2 GWB) verlangt als Mitgliedschaftsvoraussetzung, der Bewerber müsse „Sozialpartner", d.h. Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, sein.

3

)

Dem Verfasser ist in der Rechtswirklichkeit zumindest ein derartiger Fall bekannt und zwar in einem recht bedeutsamen Wirtschaftszweig.

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daher Firmentarifverträge abschließen möchte. Ebenso ist es — jedenfalls bei der Koppelung im Wege des Einheitsverbandes — umgekehrt nicht möglich, daß ein Unternehmen lediglich Mitglied des Arbeitgeberverbandes wird, weil es etwa auf die Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband keinen Wert legt. Die besondere Problematik dieser Fälle ergibt sich in der Rechtswirklichkeit aus der erheblichen Bedeutung, die die Mitgliedschaft in dem zuständigen Wirtschaftsverband für viele Unternehmen hat. Die mit der Mitgliedschaft verbundenen unmittelbaren und mittelbaren Vorteile sind häufig so erheblich, daß die Zugehörigkeit zum Wirtschaftsverband bisweilen geradezu existenznotwendig ist. Im Hinblick darauf hat der Gesetzgeber in § 27 GWB für Wirtschaftsverbände den Aufnahmezwang normiert. Unternehmen, die die sozialund tarifpolitischen Vorstellungen des mit dem Wirtschaftsverband gekoppelten Arbeitgeberverbandes nicht teilen, und daher entweder einem konkurrierenden Arbeitgeberverband beitreten bzw. einen solchen gründen wollen, Firmentarifverträge schließen oder tarifungebunden bleiben wollen, können dies nur tun, wenn sie zugleich auf die Vorteile der Mitgliedschaft in dem Wirtschaftsverband verzichten. Soweit sie aber darauf angewiesen sind, weil die Nichtmitgliedschaft für sie zu einer unbilligen Benachteiligung im Wettbewerb fuhren würde (§ 27 GWB), müssen sie zugleich in Kauf nehmen, sich von dem Verband auch auf sozial- und tarifpolitischem Gebiet betreuen und vertreten zu lassen. Damit entsteht — unpräzise formuliert — die Rechtsfrage, ob es zulässig ist, Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände in Form des Einheitsverbandes oder mittels einer Junktimklausel miteinander zu koppeln und die Unternehmen damit vor die geschilderte Alternative zu stellen.

III. Verbandspolitische und rechtspolitische Auswirkungen In Wirtschaftsbereichen, in denen die Unternehmen in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber nicht oder nur in geringem Maße organisiert sind, in denen aber ein bedeutender Wirtschaftsverband mit hohem Organisationsgrad existiert, wirkt sich die Koppelung verbandspolitisch dahin aus, daß die Zugkraft des Wirtschaftsverbandes zur Mitglieder-„Werbung" für den Arbeitgeberverband eingesetzt werden kann, so daß dieser dann den gleichen Organisationsgrad erreichen wird. In der Verbandspraxis wird dieser Effekt zumindest unbewußt, in Einzelfallen sogar bewußt herbeigeführt. Daß man diesen Effekt gesehen hat, beweist auch die Satzung eines Verbandes, der die Funktionen eines Wirtschafts- und eines Arbeitgeberverbandes in sich vereinigt, jedoch seinen Mitglie15

dem die Möglichkeit einräumt (oder zumindest einzuräumen versucht), sich der Tarifmacht des Verbandes zu entziehen. Nach der Satzung kann jedes Mitglied erklären, „ob es nur in wirtschaftspolitischen oder nur in sozialpolitischen und sozialrechtlichen Angelegenheiten vertreten sein will" 4 ). Die Problematik der Koppelung zwischen Wirtschaftsverband und Arbeitgebervereinigung hat außer dem verbandspolitischen Aspekt der „Werbung" von Mitgliedern für Arbeitgebervereinigungen noch eine darüber hinausgehende rechtspolitische Dimension. Wer diesen den Organisationsgrad von Arbeitgebervereinigungen günstig beeinflussenden Effekt für zulässig hält, der muß — schon aus Paritätsgründen - auf der Arbeitnehmerseite ähnliche den Organisationsgrad möglicherweise erhöhende Konstellationen ebenfalls zulassen; denn die Frage, inwieweit ein „Organisationszwang", mag er auch noch so abgemildert sein, zulässig ist, kann für beide Tarifpartner nicht unterschiedlich beantwortet werden. Auf diese Zusammenhänge haben die Kritiker der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts über die Unzulässigkeit der Differenzierungsklauseln 5 ) verschiedentlich hingewiesen 6 ). Däubler 7 ) spricht sogar von einem Fall der „Klassenjustiz". Diese diene in ihren objektiven Auswirkungen den Interessen der Großindustrie, für die der Arbeitgeberaußenseiter wie der Kartellaußenseiter „eine lästige Störung, der Arbeitnehmeraußenseiter jedoch ein natürlicher Verbündeter ist, der die Schlagkraft der Gewerkschaften, des wichtigsten Gegenspielers, verringert". IV. Gang der Untersuchung Im folgenden soll zunächst untersucht werden, inwiefern die aufgeworfene Rechtsproblematik konkrete Relevanz erlangen kann (dazu unten § 2). Ehe sodann die näher spezifizierte Rechtsproblematik erläutert wird, soll untersucht werden, ob sich das Problem nicht aus folgendem Gesichtspunkt als 4

)

Diese Konstruktion läuft darauf hinaus, daß es innerhalb des einheitlichen Verbandes zwei Unterverbände mit unterschiedlichem Aufgabenbereich und Mitgliederbestand gibt. Zu der Frage, ob und inwieweit dies rechtlich möglich ist, siehe unten S. 67ff.

5

)

BAG GrS AP Nr. 13 zu Art. 9 GG

6

)

Vgl. die unten in FN 130, 131 Genannten.

7

)

Däubler, Negative Koalitionsfreiheit? , S. 41

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Scheinproblem herausstellt: Vielleicht besteht die Möglichkeit, daß Mitglieder, die zwar dem Wirtschaftsverband angehören, sich aber tarifpolitisch nicht vertreten lassen wollen, sich der Tarifmacht des Verbandes mit Doppelfunktion dadurch entziehen, daß sie zusätzlich die Mitgliedschaft in einem anderen tariffähigen Verband beibehalten, gegebenenfalls einen solchen gründen oder Firmentarifverträge abschließen (dazu unten § 3). Erst im Anschluß daran kann die Zulässigkeit der Junktimklausel unter kartellrechtlichen, tarifrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erörtert werden (unten § 4),

§ 2 Konkrete Relevanz der Rechtsproblematik Die Frage nach der Zulässigkeit der Koppelung von Wirtschaftsverband und Arbeitgeberverband durch eine Junktimklausel oder in Form eines Einheitsverbandes mit Doppelfunktion kann in drei Fällen praktische Bedeutung erlangen: I. Bei Erzwingung der Aufnahme nur in den Wirtschaftsverband Wenn ein Unternehmen zwar Mitglied des Wirtschaftsverbandes sein möchte, aber die gleichzeitige Vertretung in tarifpolitischer Hinsicht nicht wünscht, wird es versuchen, im Falle der Koppelung durch Junktimklausel die Aufnahme in den Wirtschaftsverband zu erzwingen, ohne die satzungsmäßige Aufnahmevoraussetzung der Mitgliedschaft in dem Arbeitgeberverband zu erfüllen. Im Falle des Einheitsverbandes mit Doppelfunktion wird es die Aufnahme in den Verband unter Ausschluß der sozialpolitischen und tarifpolitischen Vertretung begehren. Das Unternehmen wird die Aufnahme zu erzwingen versuchen: 1. durch Entscheidung des Bundeskartellamtes auf Antrag des zurückgewiesenen Bewerbers gem. § 27 GWB nach Ablehnung des Aufnahmegesuchs durch den Verband oder Nichtbescheidung innerhalb angemessener Frist 8 ) oder 2. durch Klage vor dem ordentlichen Gericht gem. § 823 II BGB in Verbindung mit § 27 GWB 9 ); 8

)

s. dazu unten S. 22ff.

9

)

SU.; vgl. BGHZ 29, 344; BGH GRUR 1962, 601; Hefermehl in Baumbach-Hefermehl, § 27 GWB Rdn. 14; Tetzner, S. 126; A.A.Rasch-Westrick, § 27 Rdn. 6 m.w. Nachw.; Langen, § 27 Rdn. 10.

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II. Bei Ausschluß Die gleiche Situation entsteht, wenn der Wirtschaftsverband ein Mitglied ausschließt, weil es nicht mehr die Voraussetzung der Mitgliedschaft in dem Arbeitgeberverband erfüllt oder wenn - bei einem Einheitsverband — ein Mitglied ausgeschlossen wird aus Gründen, die in dem Sektor Arbeitgeberverband liegen, z.B. wegen Verstoßes gegen Mitgliedspflichten im Arbeitskampf. In diesen Fällen wird das Unternehmen ebenfalls nach 1,1 oder 1,2 vorgehen 10 ). III. Bei tarifrechtlichen Streitigkeiten Die Zulässigkeit der Koppelung kann feiner bedeutsam werden, wenn die Wirksamkeit eines von dem Verband geschlossenen Tarifvertrages in Zweifel gezogen wird mit der Begründung, der Organisation fehle die Tariffähigkeit, da sie sich nichtauf freiwillige Mitgliedschaft gründe 11 ). Das Gleiche gilt für alle sonstigen Fälle, in denen es auf die Tariffähigkeit des Verbandes ankommt, z.B. bei der Prozeßvertretung von Mitgliedsfirmen vor den Arbeitsgerichten durch Verbandsvertreter gem. § 11 ArbGG.

§ 3 Keine Problemlösung durch gleichzeitige Mitgliedschaft in einer anderen Arbeitgebervereinigung oder durch Abschluß von Firmentarifverträgen Wenn es einem Unternehmen, das mit der sozial- und tarifpolitischen Tätigkeit der Arbeitgeberorganisation, der es infolge der Koppelung von Wirtschaftsverband und Arbeitgeberverband nolens volens angehört, nicht einverstanden ist, möglich wäre, sich der Tarifmacht dieser Organisation zu entziehen, indem es einem anderen tariffähigen Verband beiträte oder einen Firmentarifvertrag abschlösse, wäre die aufgeworfene Problematik zumindest im Ergebnis partiell gelöst. Bei der Erörterung dieser Möglichkeit sind drei Fallgruppen zu unterscheiden: 1

°)

11

)

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§ 27 GWB gilt auch bei einem Ausschluß aus einem Verband; vgl. WuW/E BKartA 523, 525 m.w.Nachw.; Hefermehl in Baumbach-Hefeimehl, § 27 GWB Rdn. 7; Rasch-Westrick, § 27 Rdn. 6 m.w.Nachw.; A.A.Frankfurter Kommentar, § 27Tz.24. Siehe dazu unten S. 27ff.

I. Mitgliedschaft in einem anderen Arbeitgeberverband mit umfassenderem Zuständigkeitsbereich Eine derartige Fallkonstellation liegt zum Beispiel vor, wenn im Bereich des Groß- und Außenhandels für einen speziellen Sektor ein eigener Wirtschaftsverband mit Arbeitgeberverbandsfunktion existierte, und wenn ein Mitglied dieses speziellen Verbandes mit dessen tarifpolitischer Tätigkeit unzufrieden wäre und daher dem Arbeitgeberverband des Groß- und Außenhandels beiträte. Eine derartige Situation wird zwar selten sein, kommt aber in der Praxis des Verbandslebens tatsächlich vor. Nun ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, daß ein Arbeitgeber Mitglied in mehreren tariffähigen Verbänden ist. Schließen diese Verbände Tarifverträge, die nach ihrem zeitlichen, räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich das gleiche Rechtsverhältnis erfassen, so daß der Arbeitgeber an sich an beide Tarifverträge gebunden wäre, so liegt ein Fall der Tarifkonkurrenz vor 1 2 ). Bei dieser gesetzlich nicht geregelten Frage besteht Einigkeit darüber, daß nur ein Tarif Anwendung finden kann, und zwar jeweils der speziellere, weil hierdurch den besonderen Verhältnissen des Betriebs und seiner Arbeitnehmer am besten Rechnung getragen werden kann 1 3 ). Hiernach geht der betrieblich und fachlich engere dem betrieblich und fachlich weiteren Tarifvertrag vor. Ist der einzelne Unternehmer an zwei Verbandstarife gebunden, in unserem Beispiel an den von dem speziellen Verband abgeschlossenen Tarif und an den Tarif des Groß- und Außenhandels, so geht derjenige des speziellen Verbandes vor. Das Unternehmen ist damit an die sozialpolitische Zielsetzung dieses speziellen Verbandes gebunden, auch wenn es dies nicht wünscht. Daher stellt der Beitritt eines Mitglieds zu einem anderen Arbeitgeberverband keinen Ausweg aus der geschilderten Zwangslage dar.

11

13

)

Zu diesem praktisch seltenen, theoretisch aber denkbaren Fall vgl. Gramm, Arb R Blattei D Tarifvertrag XII Tarifkonkurrenz; Hueck-Nippeidey, II/1 § 33; ferner Dutti BB 1968, 1336; Reichel, Betrieb 1967, 426, 428; mißverständlich Reuß, ArbuR 1963, 1 , 3 .

)

Vgl. i.e. Hueck-Nipperdey, II/l § 33; Gramm, a.a.O.; Nikisch, II § 86 alle m.w. Nachw.

19

II. Abschluß von Finnentarifverträgen Unternehmen könnten sodann versuchen, sich der ihnen unerwünschten, aber aus der Koppelung resultierenden Tarifmacht des Verbandes durch Abschluß von Firmentarifverträgen zu entziehen. Der einzelne Arbeitgeber ist trotz Zugehörigkeit zu einem Arbeitgeberverband tariffähig (§ 2 TVG), selbst wenn dieser Verband durch Satzung oder Beschluß seinen Mitgliedern den Abschluß von Firmentarifverträgen verbietet. In diesem Fall sind beide Tarifverträge wirksam, so daß ebenfalls das Problem der Tarifkonkurrenz vorliegt 14 ). In diesem Fall geht nun allerdings der Firmentarifvertrag als der speziellere vor 1 5 ), so daß sich das einzelne Unternehmen auf diese Weise tatsächlich der Tarifmacht seines Verbandes entziehen kann. Diese Möglichkeit stellt jedoch nur einen scheinbaren Ausweg dar. Zwar kann ein Arbeitgeberverband rechtlich nicht verhindern, daß ein Mitglied einen Firmentarifvertrag schließt, der dann als der speziellere dem Verbandstarif vorgeht, doch kann er den einzelnen Arbeitgeber wegen Verstoßes gegen die Mitgliedschaftspflichten aus dem Verband ausschließen 16 ). Das aber hätte infolge der Koppelung auch den Ausschluß aus dem Wirtschaftsverband zur Folge. III. Gründung eines konkurrierenden Arbeitgeberverbandes Schließlich wäre es denkbar, daß die mit der sozialen Aufgabenstellung ihres Verbandes nicht einverstandenen Mitglieder sich dessen Tarifmacht dadurch zu entziehen suchen, daß sie einen konkurrierenden Arbeitgeberverband gründen. Wenn in diesen Fällen für diejenigen Mitglieder, die beiden Verbänden angehören, nur die von der konkurrierenden Arbeitgebervereinigung abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung fänden, dann könnte dies vielleicht ein gewisser Ausweg für die hier zu untersuchende Problematik sein, wobei aller-

14

)

Hueck-Nipperdey, I I / l §§ 20 II 2, 33 III 1; Nikisch, II, § 70 II 3, 86 III 5; Richardi, JurA 1971, 141, 150 ff m.w.Nachw. Söllner, § 16 I.

15

)

Hueck-Nipperdey, I I / l , § 33 III 4; Gramm a.a.O. VII; Gumpert Anm. BB 1953, 115; Sitzler, Arb R Blattei D Tarifvertrag XIII Firmentarifvertrag C 3; A.A. LAG Hamm BB 1953, 115, dagegen aber die h.M.

16

)

Vgl. hierzu Nikisch, II, § 70 II 3; Hueck-Nipperdey, II/l § 20 II 2; zu aktuellen Problemen Richardi, JurA 1971, 141, 150; Hensche, RdA 1971, 9.

20

dings immer noch die Interessen derer nicht berücksichtigt wären, die überhaupt keinem Arbeitgeberverband angehören wollen 17 ). Zwar hat die äußerst umstrittene frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts und Reichsarbeitsgerichts zu einem partiell ähnlichen Fall 1 8 ) eine Ansicht vertreten, die auf unseren Fall übertragen bedeuten würde, daß für die Unternehmen mit Doppelmitgliedschaft die von dem konkurrierenden Arbeitgeberverbarid abgeschlossenen Tarifverträge zur Anwendung kämen. Diese Ansicht ist jedoch, wie unten 1 9 ) im einzelnen dargelegt wird, unzutreffend.

IV. Als Zwischenergebnis ist demnach festzustellen: Die gleichzeitige Mitgliedschaft in einem anderen tariffähigen Verband oder der Abschluß von Firmentarifverträgen lassen das Problem der Zulässigkeit der Koppelung von Arbeitgeberverbänden und Wirtschaftsverbänden nicht überflüssig werden. Darüber hinaus bleibt es ohnehin für diejenigen Arbeitgeber von Bedeutung, die keinem Arbeitgeberverband angehören, d.h. tarifungebunden bleiben wollen. Daher ist im folgenden die Problematik der Koppelung im Wege des Einheitsverbandes oder im Wege der Junktimklausel unter kartellrechtlichen, arbeitsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu erörtern. Da die Rechtsfragen in den Fällen der Junktimklausel deutlicher hervortreten, soll jeweils mit dieser Fallgestaltung begonnen werden.

§ 4 Die Zulässigkeit der Koppelung I. Kartellrechtliche Gesichtspunkte A Koppelung mittels

Junktimklausel

Die Junktimklausel könnte - zumindest im Endeffekt — ohne Wirkung sein, wenn das Bundeskartellamt (oder das ordentliche Gericht) die Aufnahme 17

)

Wegen der Frage, inwieweit auch dieses Interesse von der Rechtsordnung geschützt wird s.u. S. 44ff.

18

)

s.u. S. 32 zu FN 51, 52

19

)

s.u. S. 32ff.

21

auch solcher Mitglieder anordnete, die die in der Satzung geforderte gleichzeitige Mitgliedschaft in der Arbeitgebervereinigung nicht besitzen 2 0 ). 1. Aufnahmezwang gem. § 27 GWB als zulässige Schranke der Vereinigungsfreiheit Gemäß § 27 GWB kann die Kartellbehörde die Aufnahme eines Unternehmens in eine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung anordnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellt und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb fuhrt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des § 27 GWB bestehen nicht. Wirtschafts- und Berufsvereinigungen steht zwar das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit im Sinne des Art. 9 I G G 2 1 ) , und damit prinzipiell auch das Recht zu, selbständig zu bestimmen, wen sie als Mitglied aufnehmen. Ein gesetzlicher Aufnahmezwang, wie er durch § 27 GWB, aber nach der Rechtsprechung auch durch § 826 BGB 2 2 ) angeordnet ist, stellt jedoch eine zulässige Schranke der Vereinigungsfreiheit dar, da diese nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet ist 23 ). 2. Sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung a) Bei Erfüllung der satzungsgemäßen Aufnahmevoraussetzungen Weitere Voraussetzung für die Aufnahmeanordnung ist, daß die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte, ungleiche Behandlung darstellt. Diese Voraussetzung kann insbesondere dann erfüllt sein, wenn ein Bewerber nicht aufgenommen wird, obwohl er die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Mit-

20

)

Zu den verschiedenen Wegen, die Aufnahme zu erzwingen, s.o., S. 17

21

)

Vgl. Huber, I, S. 199; Klein in: v. Mangoldt-Klein, Art. 9 Anm. V 9; Wernicke in Bonner Kommentar (Erstbearbeitung) Art. 9 Anm. II 3 b; A.A. Benisch in Gemeinschaftskommentar, § 27 Anm. 4; vgl. auch unten FN 63 a.

22

)

Vgl. WuW/E BGH 154, 157; BGH 389; Dörinkel, WuW 1953, 1 6 , 1 8 ff; Frankfurter Kommentar, § 27 Tz 54 m.w.Nachw.

)

Maunz in Maunz-Diirig-Herzog, Art. 9 Rdn. 54; ausführlich Fuchs, WuW 1965, 733 m. zahlr. Nachw.; vgl. auch Galperin, Betrieb 1969, 704

23

22

gliedschaft erfüllt 2 4 ). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da die Bewerber die satzungsmäßige Voraussetzung der Mitgliedschaft in der Arbeitgebervereinigung gerade nicht erfüllen. b) Bei diskriminierenden Aufnahmevoraussetzungen aa) Nach allgemeiner Ansicht kann die Aufnahme eines Bewerbers, der eine bestimmte satzungsmäßige Aufnahmebedingung nicht erfüllt, dennoch angeordnet werden, wenn die entsprechende Satzungsbestimmung, hier also die Junktimklausel, selbst diskriminierend ist 2 5 ). Während der Verband grundsätzlich bei der Entscheidung über die Aufnahme neuer Mitglieder völlig frei ist und auch in der Satzung beliebige Aufnahmevoraussetzungen aufstellen kann, greift die Rechtsordnung hier unter dem Gesichtspunkt, daß der Verband eine Monopol- oder monopolartige Stellung besitzt und die Mitgliedschaft für bestimmte Bewerber im Rechts- oder Wirtschaftsleben von besonderer Bedeutung ist, in die Aufnahmefreiheit ein. Durch § 27 GWB als Bestandteil der Gesamtrechtsordnung wird der Verband in der Ausübung seiner Verbandstonomie beschränkt. bb) Die Entscheidung, ob die Aufnahme eines der Arbeitgebervereinigung nicht angehörenden Bewerbers in den Wirtschaftsverband anzuordnen ist, hängt also davon ab, ob das durch die Junktimklausel zum Ausdruck gebrachte Verlangen der Mitgliedschaft in einer Arbeitgebervereinigung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellt. Für diese Frage sind die den verbandsangehörigen Unternehmen gemeinsamen, den Verbandszweck bestimmenden wirtschaftlichen Interessen der Verbandsmitglieder maßgebend 2 6 ). Da nämlich die Satzungsgewalt des Vereins auf den durch den Zweck 24

)

Frankfurter Kommentar, § 27 Rdn . 32; Benisch in Gemeinschaftskommentar, § 27 Anm. 7; Hefermehl in Baumbach-Hefermehl, § 27 GWB Rdn. 8; BGH BB 1959, 356; vgl. auch WuW/E BKartA 523 („Spezialmedizinischer Großhandel"); WuW/E BKartA 565.

25

)

Dörinkel, WuW 1958, 565, 568 f; Hefermehl in Baumbach-Hefermehl, § 27 GWB Rdn. 8,11; Benisch in Gemeinschaftskommentar, § 27 Anm. 8; Frankfurter Kommentar, § 27 Rdn. 32; Rasch-Westrick, § 27 Rdn. 5; Fuchs, NJW 1965, 1509, 1511; WuW/E BKartA 523, 526 („spezialmedizinischer Großhandel"); WuW/E BKartA 269, 271; BKartA BB 1963, 1320 („Rexor").

26

)

Insbes. WuW/E BKartA 743, 744 m.w.Nachw.

23

des Verbandes bestimmten Bereich beschränkt ist, müssen sich auch die Bestimmungen über die Aufnahme neuer Mitglieder innerhalb dieses Aufgabenbereichs der Satzung halten 2 7 ). Dies bedeutet, daß ein Verband in seiner Satzung keine Aufnahme Voraussetzungen festlegen kann, die durch den satzungsmäßig festgelegten Verbandszweck nicht gedeckt sind. In einem solchen Falle ist der Hinweis des Verbandes, der Bewerber erfülle die satzungsmäßigen Voraussetzungen nicht, unbeachtlich und fuhrt zu einer Aufnahmeanordnung der Kartellbehörde 28 ). Unter diesem Gesichtspunkt hat das BKartA in der „Rexor"-Entscheidung 29 ) die Aufnahme eines in der Rechtsform der GmbH organisierten Unternehmens in einen Verband angeordnet, obwohl nach der Satzung die Mitgliedschaft nur von Einkaufsgenossenschaften, nicht von Einkaufsvereinigungen anderer Rechtsform erworben werden können sollte. Die Einspruchsabteilung des Bundeskartellamts entschied, daß dieses Aufnahmeerfordernis vom Zweck des Zentralverbandes nicht gedeckt und daher die Ablehnung der Aufnahme sachlich nicht gerechtfertigt sei 3 0 ). Für die hier zu entscheidende Frage kommt es demnach darauf an, ob die Junktimklausel durch den Verbandszweck des Wirtschaftsverbandes gedeckt ist. Bei der Koppelung durch die Junktimklausel umfaßt der Verbandszweck gerade nicht die sozialpolitischen und tarifpolitischen Aufgaben. Wird durch die Junktimklausel die Mitgliedschaft in Arbeitgeberorganisationen verlangt, so geht der Wirtschaftsverband über seinen satzungsgemäß festgelegten Aufgabenbereich hinaus. Durch die Junktimklausel zwingt der Wirtschaftsver-

27

)

Fuchs NJW 1965, 1509, 1512 f; unter Hinweis auf Staudinger-Coing, § 58 Anm.2.

28

)

WuW/E BKartA 565, 566; WuW/E BKartA 743, 745; WuW/E BKartA 935, 936 („Intimartikelversand II"); Fuchs, NJW 1965, 1509, 1513; Langen, § 27 Rdn. 5; Benisch in: Gemeinschaftskommentar, § 27 Anm 8; Bohn BB 1964, 788, 790. Etwas anderes könnte möglicherweise gelten, wenn sich der satzungsmäßige und der tatsächlich wahrgenommene Aufgabenbereich des Wiitschaftsverbandes insoweit nicht decken, als der Verband rein faktisch über die Satzung hinaus sozialpolitische und tarifpolitische Aufgaben wahrnimmt. Auf diese endgültig noch nicht entschiedene Frage (vgl. BKartA WuW/E 565, 566; 743, 745f.) braucht hier nicht näher eingegangen zu werden.

29

)

WuW/E BKartA 743.

30

)

Ähnlich bereits die Beschlußabteilg. WuW/E BKartA 653.

24

band seine Mitglieder mittelbar, einem tarifpolitischen Verband beizutreten, obwohl dies mit dem Aufgabenbereich des Wirtschaftsverbandes nichts zu tun hat. Aus diesem Grunde kann die Aufnahme eines Bewerbers, der der Arbeitgebervereinigung nicht angehört, nicht mit dem Hinweis auf die Junktimklausel abgelehnt werden; das Bundeskartellamt müßte die Aufnahme gem. § 27 GWB anordnen. Zur sachlichen Rechtfertigung der Junktimklausel ließe sich allenfalls anführen, daß es im Interesse des Wirtschaftsverbandes liege, daß seine sämtlichen Mitglieder auch an die von der Arbeitgebervereinigung abgeschlossenen Tarifverträge gebunden seien. Dieses möglicherweise berechtigte Ziel läßt sich jedoch nicht durch eine Koppelung des Wirtschaftsverbandes mit dem Arbeitgeberverband, wie sie durch die Junktimklausel erfolgt, erreichen, da das Gesetz diesem Interesse durch ein besonderes Rechtsinstitut, nämlich die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen, Rechnung getragen hat 3 1 ). Unter den Voraussetzungen des § 5 TVG können die betreffenden Arbeitgeberverbände die Allgemeinverbindlichkeitserklärung ihrer Tarife beantragen. Dieses Interesse kann somit bei der Prüfung, ob die Junktimklausel sachlich gerechtfertigt ist, nicht berücksichtigt werden. Zu dem Ergebnis, daß die Aufnahme in eine Berufs- und Wirtschaftsvereinigung nicht von der gleichzeitigen Zugehörigkeit in einem anderen Arbeitgeberverband abhängig gemacht werden kann, gelangt auch Dörinkel 3 2 ) für den gleichliegenden Fall, daß eine Gütezeichengemeinschaft, die gem. § 27 II 2 GWB als Wirtschaftsvereinigung anzusehen ist, als Mitgliedschaftsvoraussetzung verlangt, der Bewerber müsse „Sozialpartner", d.h. Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sein; eine solche Satzungsbestimmung sei unzulässig. Ähnlich hat auch das Bundeskartellamt 33 ) entschieden, der Beitritt zu einem Wirtschaftsverband und Berufsverband könne nicht von dem Beitritt zu einem Kartell abhängig gemacht werden 3 4 ). 31

)

Darauf weist auch Löwisch, S. 304 f hin.

32

)

s.o. FN 2

33

)

WuW/E BKartA 8, 10. Differenzierend Frankfurter Kommentar, § 27 Rdn 34, 35; der dort erwähnte Ausnahmefall kann hier außer Betracht bleiben.

25

Nach alledem steht fest, daß die Junktimklausel und die darauf gestützte Ablehnung der Aufnahme eine sachlich nicht gerechtfertigte, ungleiche Behandlung im Sinne des § 27 I GWB darstellt. 3. Unbillige Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb Weitere Voraussetzung für die Aufnahmeanordnung ist, daß die Ablehnung zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führt. Durch die Nichtaufnahme ist der Bewerber von der Förderung und Betreuung durch den Wirtschaftsverband ausgeschlossen. Zwar kann es dem gesamten Wirtschaftsbereich, also auch den Nichtmitgliedern, zugute kommen, soweit der Wirtschaftsverband gegenüber privaten und staatlichen Stellen, insbesondere gegenüber Gesetzgebungsorganen und Ministerien, generell die Interessen des Wirtschaftsbereichs vertritt. Nichtmitglieder haben jedoch keine Möglichkeit, auf die diesbezügliche Tätigkeit des Verbandes Einfluß zu nehmen. Darüber hinaus sind mit der Mitgliedschaft im Verband fast stets eine Anzahl anderer wesentlicher Vorteile verknüpft, auf die Nichtmitglieder verzichten müssen. Hier ist an die verschiedensten Verbandseinrichtungen sowie die vielfältigen Leistungen im Bereich des sog. Verbandsservice zu denken. Die Voraussetzung der unbilligen Benachteiligung im Wettbewerb ist in jedem Fall konkret zu untersuchen. Es lassen sich durchaus Fälle denken, vor allem bei weniger bedeutenden Wirtschaftsverbänden, in denen aus der Nichtzugehörigkeit zu diesem Verband keine unbillige Benachteiligung im Wettbewerb folgt, so daß ein Anspruch aus § 27 GWB entfallt. Regelmäßig wird die Bedeutung und Tätigkeit des Wirtschaftsverbandes jedoch so sein, daß die Nichtaufnahme zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führt. 4. Teilergebnis Die Voraussetzungen des § 27 GWB sind somit erfüllt. Das Bundeskartellamt muß trotz der Junktimklausel die Aufnahme auch solcher Bewerber anordnen, die aus den genannten Gründen nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes sind. Dementsprechend hätte auch eine Klage vor den ordentlichen Gerichten, die auf § 823 II BGB i.V.m. § 27 GWB gestützt wird 3 5 ), Erfolg. In diesen Fällen ist die Junktimklausel im Ergebnis wirkungslos. 3S

)

26

zu dieser Möglichkeit s.o. S. 17

B Koppelung im Wege des Einheitsverbandes Bei einem Verband mit Doppelfunktion (Einheitsverband) würde ein Aufnahmeanspruch nur dann zum gewünschten Ziele führen, wenn das Kartellamt bzw. das ordentliche Gericht zugleich anordnen könnte, daß der Verband nicht berechtigt ist, das Mitglied zugleich in tarifpolitischer und sozialpolitischer Hinsicht zu vertreten. Wenn diesem Begehren stattgegeben würde, wäre dies ein erheblicher Eingriff in die Satzungsautonomie und Organisation des Verbandes; im Endeffekt würde der Verband dadurch gezwungen, sich in eine Wirtschaftsverbandsabteilung und eine sozial- und tarifpolitische Abteilung mit der Möglichkeit unterschiedlicher Mitgliedschaft aufzuspalten 3 6 ). Ein derart weitgehender Eingriff in die innere Ordnung von Verbänden wird durch § 27 GWB nicht gedeckt 3 7 ). II. Arbeitsrechtliche (tarifrechtliche) Gesichtspunkte Die Koppelung von Wirtschaftsverband und Arbeitgeberverband, sei es im Wege des Einheitsverbandes, sei es mittels der Junktimklausel, könnte möglicherweise zur Folge haben, daß dem Einheitsverband oder dem „angekoppelten" Arbeitgeberverband die Tariffähigkeit nicht zuerkannt werden kann. Soweit Mitglieder dem Einheitsverband oder dem Arbeitgeberverband nur nolens volens wegen der Vorteile des Wirtschaftsverbandes beitreten, könnte es an der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in der Koalition fehlen. Da die Problematik fiir beide Spielarten der Koppelung insofern gleich liegt, braucht hier zwischen beiden Fällen nicht differenziert zu werden.

A Freiwilligkeit der Mitgliedschaft als Voraussetzung der Tariffähigkeit Tariffähig im Sinne des § 2 TVG sind nach einhelliger Meinung nur freigebildete Koalitionen 3 8 ). Dies gilt unabhängig davon, ob man die Koalitionen per se für tariffähig erachtet, weil die Tariffähigkeit eine durch Art. 9 III GG ga36

)

Zur grundsätzlichen Zweifelhaftigkeit einer derartigen Aufspaltung s.u. S. 67 ff.

37

)

vgl. die Nachw. o. F N 24 - 29; ferner: Frankfurter Kommentar, § 27 Rdn 23, 26; Rasch-Westrick, § 27 Rdn 26

38

)

Dietz, S. 436; Hueck-Nipperdey, I I / l , § 6 I 2 c, 20 III A 3; Hueck-NipperdeyStahlhacke, TVG, § 2 Rdn 19; Nikisch, II, §§ 60 II 2, 61 II 3; Richardi, Kollektivgewalt, S. 76 f; Nipperdey-Säcker, Arb R Blattei D Tarifvertrag II A. Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit.

27

rentierte Wirkung der Koalitionseigenschaft sei 39 ), oder ob für die Tariffähigkeit neben der Koalitionseigenschaft noch weitere, der Kompetenz des einfachen Gesetzgebers unterliegende, Voraussetzungen erforderlich sind 40 ). B Keine Freiwilligkeit bei erheblichem wirtschaftlichem Druck zum Beitritt Als Beispiel für Vereinigungen, denen mangels Freiwilligkeit die Tariffähigkeit fehlt, werden in aller Regel öffentlich-rechtliche Korporationen mit Zwangsmitgliedschaft angeführt. Wie vor allem Reuß 4 1 ) und neuerdings Löwisch 42 ) herausgearbeitet haben, fehlt es an der Freiwilligkeit und damit an der Tariffähigkeit jedoch nicht nur dann, wenn ein rechtlicher Zwang zur Mitgliedschaft besteht, sondern auch, wenn ein erheblicher wirtschaftlicher Druck zum Beitritt ausgeübt wird. Daß ein erheblicher wirtschaftlicher Druck insoweit dem rechtlichen Zwang gleichgestellt werden muß, wird einsichtig, wenn man sich klar macht, warum die Freiwilligkeit des Beitritts Voraussetzung der Tariffähigkeit ist. Diese Voraussetzung beruht, wie Löwisch 43 ) nachgewiesen hat, auf dem Legitimationsinteresse der Tarifgebundenen. Da die Tarifbindung zu einer Beschränkung der Vertragsfreiheit führt, ist dem Interesse der Tarifgebundenen, dem Tarifvertrag nur auf Grund einer von ihnen erteilten Ermächtigung unterworfen zu sein, Rechnung zu tragen, und zwar durch folgende Verlangen: Wer einem solchen Verband beitritt, muß erstens erkennen können, daß es Zweck des Verbandes ist, Tarifverträge abzuschließen, und er muß zweitens freiwillig beitreten. Andernfalls kann von einer - wie auch immer gearteten— Legitimation des Verbandes zum Abschluß von Tarifverträgen nicht die Rede sein. Eine solche, die Privatautonomie beschränkende Ermächtigung an den Verband kann aber - außer im Fall der rechtlichen Zwangsmitgliedschaft -

39

)

So insbes. Hueck-Nipperdey II/l, §8 C III 3, 20 I 3, III C 5 FN 61; NipperdeySäcker, a.a.O. I 2; Säcker, Grundprobleme, S. 61 FN 110, jew.m.w.Nachw.

40

)

So insbes. Nikisch, II, § 70 I 2; Reuß, Festschrift für Kunze, S. 278 f; BVerfGE 4, 96, 107 f.

41

)

Reuß, Festschrift für Kunze, S. 271 ff, 273, 287 ff.

42

)

Löwisch, S. 304 ff

43

)

Löwisch, S. 304-f

28

auch dann nicht angenommen werden, wenn, wie Reuß formuliert 4 4 ), rein tatsächlich auf das Mitglied ein „wirtschaftlicher (nahezu) unausweichlicher Zwang zum Beitritt (oder Verbleib) ausgeübt" wurde. Ganz dementsprechend sieht Löwisch 45 ) „eine starke Beeinträchtigung der Freiwilligkeit der Unterstellung unter die Tarifmacht" bei „privatrechtlichen Vereinigungen, die neben den Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberinteressen anderer ihre Mitglieder betreffende ins Gewicht fallende Aufgaben wahrnehmen und dabei eine Monopolstellung haben"; er zieht daraus die Konsequenz, daß einer solchen Vereinigung die Tariffähigkeit nicht zukommt 4 6 ). Während die Problematik der infolge wirtschaftlichen Drucks fehlenden Freiheit des Beitritts bei privatrechtlichen Verbänden bisher offenbar nur von den genannten Autoren gesehen und erörtert wurde, finden sich in der Literatur zahlreiche Äußerungen zu bestimmten öffentlichrechtlichen Verbänden, bei denen ebenfalls keine rechtliche Zwangsmitgliedschaft, aber ein vergleichbarer wirtschaftlicher Druck zum Beitritt besteht. Gemeint sind die Handwerksinnungen, deren Aufgabenschwerpunkt im Bereich der Wahrnehmung der allgemeinen Interessen des Handwerks und der wirtschaftlichen Förderung der Mitglieder liegt. Da die Handwerksinnungen jedoch nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 54 III Nr. 1 HandwO zugleich tariffähig sind, hat der einzelne Handwerker nur die Wahl, entweder der Innung fern zu bleiben und damit auf deren Förderung zu verzichten oder sich der Tarifgestaltung durch die Innung zu unterwerfen. Da der Verzicht auf die Innungszugehörigkeit für den einzelnen Handwerker erhebliche Nachteile bringen kann, wird er wirtschaft-

44

)

Reuß, a.a.O. S. 273

45

)

Löwisch, S. 305

46

)

Als Beispiel führt er an (S. 305): „Würde etwa ein von der Kartellbehörde im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erlaubtes und Monopolcharakter erreichendes Rationalisierungskartell (vielleicht um die Gleichheit der Wettbewerbschancen durch eine einheitliche Tarifpolitik zu sichern) den Abschluß von Tarifverträgen zu seiner Aufgabe erklären, so würde ich ihm die Tariffähigkeit absprechen".

29

lieh gezwungen, Mitglied der Innung zu werden.Wegen dieses Drucks fehlt es an der Freiwilligkeit des Innungsbeitritts und daher wird diesen zu Recht die Koalitionseigenschaft abgesprochen 47 ). Nun kann allerdings nicht jeder, sei es auch der geringste, wirtschaftliche Druck, der zum Beitritt zu einer Koalition veranlaßt, zu deren Tarifunfähigkeit führen. Andernfalls hätte jeder kleine, mit der Mitgliedschaft in einer Arbeitgeber- oder Arbeitnehmervereinigung verbundene Vorteil, der nicht direkt den sozialpolitischen Tätigkeitsbereich betrifft, die Tarifunfähigkeit zur Folge. Die Koalitionen dürften dann ihren Mitgliedern auch nicht die geringsten zusätzlichen Vorteile bieten. C § 27 GWB als Maßstab für die Unzulässigkeit des Drucks Es stellt sich daher die Frage, wann der von einem Wirtschaftsverband mit sozialpolitischer Zielsetzung ausgelöste wirtschaftliche Druck zur Mitgliedschaft als so erheblich anzusehen ist, daß man dem Verband die Tariffähigkeit absprechen muß. Da das Erfordernis der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft selbst im Gesetz nicht ausdrücklich genannt ist, läßt sich dem Gesetz unmittelbar dazu auch keine Antwort entnehmen. In einem anderen Zusammenhang aber trägt das Gesetz den Interessen dessen, der durch wirtsdiaftlichen Druck zum Beitritt in einen Verband gezwungen wird, ausdrücklich Rechnung, nämlich dann, wenn der betreffende Verband, obwohl er diesen Druck ausübt, zur Aufnahme des Bewerbers nicht bereit ist. Für diese Situation ordnet § 27 GWB einen Aufnahmezwang an, und zwar dann, wenn beim Vorliegen der weiteren Voraussetzungen die Ablehnung der Aufnahme „zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führt". Damit setzt das Gesetz einen Maßstab dafür, wann der von einer Wirtschaftsvereinigung ausgehende wirtschaftliche Druck zum Beitritt so erheblich ist, daß die Rechtsordnung darauf reagiert. Freilich sind die Ausgangssituationen und die Rechtsfolgen, die an das Vorgehen wirtschaftlicher Macht geknüpft werden, unterschiedlich. In dem einen Fall will der Verband einen Bewerber nicht aufneh47

)

30

Insbes. Dietz, S. 439; Reuß, a.a.O. S. 272 ff; Nipperdey-Säcker, Arb R Blattei D Berufsverbände I, Entwicklung, Begriff, Rechtsstellung, C I 1 b; Löwisch, S. 305; i.E. ebenso Richardi, Kollektivgewalt, S. 76; Hueck-Nipperdey, II/l, §§ 6 I 2 a, c, 20 III A 2 c mit FN 32 c; A.A. Nikisch, II, § 57 II 2; Kreppner BB 1966, 864; das BVerfG (BVerfGE 20, 312) hat, ohne die Innung zur Koalition zu erklären, entschieden, daß die gesetzliche Verleihung der Tariffähigkeit an die Handwerksinnungen nicht gegen das GG verstößt.

men, und die Rechtsordnung greift wegen des wirtschaftlichen Drucks in die Freiheit des Verbandes, selbst darüber zu bestimmen, wer Mitglied werden kann, ein. Im anderen Fall schränkt die Rechtsordnung die Aufnahmefreiheit des Verbandes nicht ein, sondern spricht dem Verband, der seine Mitglieder mit wirtschaftlichem oder sozialem Zwang an sich fesselt, die Tariffähigkeit ab. Die Ausgangssituation aber ist in beiden Fällen die gleiche: ein Unternehmensverband mit monopolartiger wirtschaftlicher Machtstellung darf diese Machtposition nicht mißbräuchlich ausnutzen, indem er Bewerber durch Nichtaufnahme diskriminiert 48 ) oder indem er die Zugkraft seiner Monopol- oder monopolartigen Stellung dazu benutzt, um Arbeitgeber der Tarifmacht zu unterwerfen 4 9 ), sei es im Wege des Einheitsverbandes oder mit Hilfe der Junktimklausel. Wegen dieser Gleichheit der Ausgangssituation kann man für die Frage, welches Ausmaß an wirtschaftlichem Zwang zum Verlust der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und damit zum Verlust der Tariffähigkeit führt, auf die Kriterien zurückgreifen, die das Gesetz in § 27 I GWB für maßgeblich erklärt hat. Für die Frage der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und damit der Tariffähigkeit kommt es also darauf an, ob die Nichtmitgliedschaft eines Unternehmens in der Wirtschafts- oder Berufsvereinigung zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führt. Wenn im Falle der Koppelung in Form des Einheitsverbandes der Verband bezüglich seiner Tätigkeit als Wirtschafts- und Berufsvereinigung eine monopolartige Stellung besitzt, wird das Fernbleiben eines Unternehmens, das sich der Tarifmacht nicht unterwerfen will, für dieses zu einer unbilligen Benachteiligung im Wettbewerb führen, so daß diesem Verband die Tariffähigkeit abzusprechen ist. Besitzt der Verband dagegen kerne monopolartige Stellung, wird sich das betreffende Unternehmen entweder einem anderen Verband anschließen, einen solchen neu gründen oder sich die Vorteile der Verbandstätigkeit anderweitig beschaffen können. Entsprechendes gilt für die Fälle der Koppelung im Wege der Junktimklausel. Sofern bei dem Wirtschaftsverband die Voraussetzungen des § 27 GWB erfüllt 48

)

so für den Fall des § 27 GWB ausdrücklich Fuchs, NJW 1965, 1509, 1513; WuW/E BKartA 455, 457.

49

)

Löwisch S. 305

31

sind, fehlt bei dem Arbeitgeberverband die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und dementsprechend die Tariffähigkeit. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, daß hier der Druck zur Mitgliedschaft in der Koalition nicht von dieser selbst, sondern von der in der Satzung des Wirtschaftsverbandes enthaltenen Junktimklausel ausgeht, da in der Praxis eine solche Junktimklausel in aller Regel auf dem Einverständnis beider Verbände beruht 5 0 ).

D Keine Ausweichmöglichkeit durch Mitgliedschaft in einer anderen Arbeitgebervereinigung Die Tariffähigkeit könnte allerdings trotz des durch die Vorteile der Wirtschaftsvereinigung ausgelösten „Zwanges" zur Mitgliedschaft anzuerkennen sein, wenn es rechtlich möglich wäre, daß Mitglieder des Wirtschaftsverbandes, die im Wege des Einheitsverbandes oder infolge der Junktimklausel zugleich Mitglieder des Arbeitgeberverbandes sind, sich dennoch der mit der Mitgliedschaft an sich verbundenen Unterwerfung unter die Tarifmacht entziehen können. Eine derartige Möglichkeit hatten das Reichsgericht und das Reichsarbeitsgericht für die damaligen Zwangsinnungen des Handwerks bejaht 5 1 ). Danach sollte jedes Zwangsmitglied der Innung sich durch Beitritt zu einem anderen Arbeitgeberverband, der für den entsprechenden Sektor Tarifverträge abschließt, der Tarifmacht der Innung entziehen können. Das Reichsgericht 52 ) hat dies damit begründet, daß der Zwang, den die Zwangsinnung ausüben durfte, sich nach dem klaren Wortlaut des Art. 159 WRV, der die Koalitionsfreiheit gewährte, nicht auf den sozialpolitischen Bereich beziehe. Daher könne die Zwangsinnung nicht gegen ein Mitglied vorgehen, das sich einem anderen, frei gebildeten Arbeitgeberverband anschließe. Es müsse dies vielmehr ebenso hinnehmen wie die „gesetzlichen Wirkungen des Tarifvertragsrechts des anderen Verbandes".

50

)

Auch falls es ausnahmsweise an diesem Einverständnis fehlen sollte, ändert dies nichts an der fehlenden Tariffähigkeit. Der Arbeitgeberverband könnte hier jedoch - notfalls im Klageweg - darauf hinwirken, daß der Wirtschaftsverband die Junktimklausel beseitigt.

51

)

RGZ 113, 169, 174; RAG ArbR Sammlung 1 0 , 4 2 7 , 4 2 9

52

)

RGZ 113, 169, 173 f.

32

Übertragen auf die hier zu untersuchenden Fälle würde das Lösungsmodell des Reichsgerichts und des Reichsarbeitsgerichts folgendes bedeuten: Mitglieder der Einheitsverbände oder der „angekoppelten" Arbeitgeberverbände könnten sich deren Tarifmacht entziehen, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sie einem anderen, Tarifverträge schließenden Arbeitgeberverband beitreten. Ob diese Argumentation zutreffend ist, erscheint jedoch höchst zweifelhaft. Bei der Erörterung dieser Frage ist von dem tarifrechtlichen Grundsatz auszugehen, daß Tarifverträge für die Mitglieder der vertragsschließenden Parteien verbindlich sind. Das bedeutet, daß für denjenigen, der zwei Arbeitgebervereinigungen oder zwei Gewerkschaften mit jeweils demselben Aufgabenbereich angehört, auch beide Tarifverträge zur Anwendung kommen, soweit diese denselben Anwendungsbereich haben. Für diesen Fall greifen normalerweise die Regeln über die Tarifkonkurrenz ein, wonach grundsätzlich der betrieblich und fachlich engere Tarifvertrag dem betrieblich und fachlich weiteren vorgeht 5 3 ). Diese von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Konkurrenzregeln, die im wesentlichen durch den Grundsatz der Spezialität gerechtfertigt sind, greifen für unseren Fall der Doppelmitgliedschaft in zwei Koalitionen nicht ein. Nach diesen Regeln lassen sich keine Kriterien dafür finden, warum in einem solchen Fall der Tarifvertrag der Organisation A nicht, der der Organisation B dagegen anwendbar sein soll, wie die These des Reichsgerichts und des Reichsarbeitsgerichts dies behauptet. Beide Gerichte haben keine konstruktive Begründung für ihren Lösungsvorschlag gegeben, ebensowenig die Lehre, die allerdings die Auffassung der Rechtsprechung weitgehend abgelehnt hat 5 4 ). Lediglich Hueck-Nipperdey 55 ) haben in einer Auflage zur Erklärung des Ergebnisses des RG und RAG einen speziellen Fall der Tarifkonkurrenz angenommen, jedoch ebenfalls keine materiellen Kriterien für die Nichtanwendbarkeit des Innungstarifvertrags und die Anwendbarkeit des anderen Tarifvertrags zu geben vermocht. Nach meiner Auffassung läßt sich dieses Ergebnis nur auf dem Weg einer partiellen, d.h. auf den übrigen Tätigkeitsbereich der Zwangsinnung beschränkten Mitgliedschaft begründen. Mit dem Beitritt zu einer anderen, ebenfalls Tarifverträge schließenden Arbeitgebervereinigung

53

)

Siehe dazu oben S. 19f.

54

)

Vor allem von Hueck-Nipperdey, Arbeitsrecht, II 3 . - 5 . Aufl., § 14 FN 15 m.w. Nachw.; Nikisch, II, § 57 FN 8; VG Hamburg, RArbBl. 1927, 193

55

)

Hueck-Nipperdey, Arbeitsrecht, II, 3. - 5. Aufl. § 25 FN 38

33

tritt das Mitglied gewissermaßen aus der „tarifpolitischen Abteilung" der Zwangsinnung aus, ähnlich wie dies in der eingangs 56 ) mitgeteilten Verbandssatzung ausdrücklich vorgesehen ist. Daher ist dieses Mitglied dann nicht mehr an die von der Innung abgeschlossenen Tarifverträge gebunden, sondern an die Tarifverträge des freigebildeten Arbeitgeberverbandes. Auf diese Weise ließe sich das gewünschte Ergebnis zwar erreichen, dies würde aber entsprechende innerorganisatorische Maßnahmen (z.B. dafür, daß die an die Innungsverträge nicht Gebundenen auch an der diesbezüglichen innerorganisatorischen Willensbildung nicht teilnehmen) voraussetzen. Diese — im übrigen noch nicht geklärten 5 7 ) — Voraussetzungen einer solchen partiellen Mitgliedschaft waren aber bei den Innungen nicht gegeben und liegen auch in den hier untersuchten Fällen der Koppelung von Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband nicht vor 5 8 ). Daher ist die von der früheren Rechtsprechung aufgestellte These, Mitglieder einer Zwangsinnung könnten sich einfach durch Beitritt zu einer anderen Arbeitgeberorganisation der Tarifmacht der Innung entziehen, nicht haltbar. Aber selbst wenn man einmal die Richtigkeit dieser These unterstellt, bleibt die Frage, ob die damit gegebene Ausweichmöglichkeit die notwendige Freiwilligkeit der Mitgliedschaft zu garantieren vermag. Der hierbei entscheidende Gesichtspunkt liegt darin, daß ein Unternehmen sich nach dieser Lösung nicht schlechthin der Tarifmacht seines Verbandes entziehen kann, sondern nur dann, wenn es sich der Tarifmacht eines anderen Arbeitgeberverbandes, der gegebenenfalls erst zu gründen wäre, unterwürfe. Das Unternehmen ist also nach wie vor einem erheblichen Druck ausgesetzt. Die Möglichkeit, unkoaliert zu bleiben, hat es nicht. Von einer wirklichen Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in dem Einheitsverband oder der „angekoppelten" Arbeitgebervereinigung kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein. Daher wurde auch der Lösungsvorschlag des RG und RAG bereits in der Weimarer Zeit wohl überwiegend verneint 59 ). Heute besteht Einigkeit darüber, daß Verbände mit Zwangsmitgliedschaft nicht tariffähig sind, mit anderen Worten, 56

)

oben S. 15f.

57

)

Vgl. dazu unten S. 67ff.

58

)

Dies gilt auch für den oben S. 15f. erwähnten Verband; vgl. i.e.u. S. 67ff.

59

)

s.o. FN 54

34

daß dem vom RG und RAG aufgezeigten Lösungsweg nicht gefolgt werden kann 6 0 ). Auch für die heutigen Innungen und Innungsverbände, bei denen — ähnlich wie bei den hier untersuchten Verbänden — kein rechtlicher, sondern nur noch ein wirtschaftlicher „Zwang" zur Mitgliedschaft besteht, wird die Koalitionseigenschaft mangels Freiwilligkeit der Mitgliedschaft verneint 61 ). Der Lösungsweg des RG und RAG erweist sich somit als nicht gangbar. E Teilergebnis Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß die Koppelung von Wirtschaftsverband und Arbeitgebervereinigung sowohl in den Fällen des Einheitsverbandes als auch in denen der Junktimklausel zur Tarifunfähigkeit führt. III. Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte A Koppelung mittels Junktimklausel Durch die Junktimklausel wird ein wirtschaftlicher Druck zum Beitritt in die „angekoppelten" Arbeitgeberverbände ausgeübt. Damit stellt sich die Problematik, inwieweit durch diesen Druck die Koalitionsfreiheit der Unternehmen als Arbeitgeber beeinträchtigt wird. Dabei sind drei Fallgruppen zu unterscheiden: 1. Die Unternehmen der ersten Fallgruppe sind koalitionswillig, möchten sich jedoch einem anderen tariffähigen Verband, der für den gleichen Bereich Tarifverträge abschließt, anschließen oder dort bleiben. Hier ist primär die positive Koalitionsfreiheit tangiert. 2. Zur zweiten Fallgruppe zählen diejenigen, die eine tarifpolitische Betreuung durch den Arbeitgeberverband nicht wünschen, weil sie einen Firmenta60

)

Hueck-Nipperdey, II/l, 7. Aufl., § 6 mit FN 13; Cornelssen, BArbBl 1951, 609; Nipperdey-Säcker, ArbR Bl. D Berufsverbände I Entwicklung, Begriff, Rechtsstellung C I 1 b, jew. m.w.Nachw.; im übrigen ist noch nicht einmal sichergestellt, daß die Gewerkschaften mit diesem anderen Arbeitgeberverband auch tatsachlich Tarifverträge abschließen würden; dies aber war nach der Lösung des RG und des RAG Voraussetzung dafür, sich der Tarifmacht der Innungen zu entziehen, vgl. insbes. RAG ArbRSammlung 17, 121.

61

)

s.o. S. 29f.

35

rifvertrag abschließen wollen. Hier ist die negative Koalitionsfreiheit, möglicherweise auch die positive, tangiert. 3. Die Unternehmen der dritten Fallgruppe wollen überhaupt keinem Arbeitgeberverband angehören und auch keine Firmentarifverträge abschließen. Hier könnte die negative Koalitonsfreiheit berührt sein. 1. Fallgruppe: Die Unternehmer wollen in einer anderen Arbeitgebervereinigung koaliert sein a) Junktimklausel und positive Koalitionsfreiheit Art. 9 III GG gewährleistet nach einhelliger Auffassung als individuelles Freiheitsrecht auf Koalitionsbildung die Befugnis, sich ungehindert zu Koalitionen zusammenzuschließen oder bestehenden Koalitionen beizutreten (positive Koalitionsfreiheit) 62 ); das Freiheitsrecht umfaßt zugleich für den Einzelnen die Freiheit der Wahl zwischen mehreren Koalitionen 63 ). Durch die Junktimklausel werden die koalitionswilligen Unternehmen veranlaßt, in den „angekoppelten" Arbeitgeberverband einzutreten und dieserhalb auf die Mitgliedschaft in einer anderen Arbeitgebervereinigung bzw. auf die Gründung einer solchen zu verzichten. Da somit die Freiheit der Unternehmen, sich der einen oder anderen Koalition anzuschließen oder gar eine neue

62

)

v. Münch, Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung, Art. perdey, I I / l , § 8 vor I; Scholz, Koalitionsfreiheit, § 10 Nikisch II, § 58 II; BVerfGE 4, 96, 101; 17, 319, 333; 20, 312, 3 2 0 f; BAG GrS AP Nr. 13 zu Art. 9 GG, Teil

63

)

So Ausdrücklich Hueck-Nipperdey, I I / l , § 8 vor I; Biedenkopf, Grenzen, S. 89; Nikisch, II § 58 II; BAG GrS a.a.O. Teil IV, VIII, 5a.

36

9 Rdn 136 f; Hueck-NipA 1 m.zahlr.w.Nachw.; 18, 18, 25; 19, 3 0 3 , 312; IV, VI 2, 4a.

z u b i l d e n , tangiert ist, k ö n n t e das G r u n d r e c h t der positiven K o a l i t i o n s f r e i h e i t verletzt s e i n 6 3 a ) . b ) V e r b o t v o n die K o a l i t i o n s f r e i h e i t e i n s c h r ä n k e n d e n M a ß n a h m e n Während die Grundrechte grundsätzlich g e g e n d e n Staat gerichtet sind u n d n o c h i m m e r nicht v o l l geklärt ist, i n w i e w e i t sie a u c h gegenüber privaten Pers o n e n g e l t e n (sog. Drittwirkung), ist durch die Fassung d e s A r t . 9 III G G eind e u t i g f e s t g e l e g t , daß die K o a l i t i o n s f r e i h e i t a u c h u n m i t t e l b a r e G e l t u n g im Privatrechtsverkehr b e s i t z t 6 4 ) . N a c h dieser V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g sind A b r e d e n ,

63a

M

)

)

Eine mögliche Verletzung der positiven Koalitionsfreiheit ist nicht etwa deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil Art. 9 III GG nicht den Ausdruck „Koalition" verwendet, sondern nur von Vereinigungen „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" spricht. Diese Formulierung ist nicht dahin zu verstehen, daß das Grundgesetz selbst die Koppelung von Wirtschaftsverband und Arbeitgeberverband (sei es im Wege der Junktimklausel, sei es in Form eines Einheitsverbandes) zuläßt. Es knüpft vielmehr mit dieser Formulierung an die historische Entwicklung der Koalitionsfreiheit an (Maunz, in Maunz-Dürig-Heizog, Art. 9 Rdn 96). Für die Auslegung folgt daraus, daß Abs. 3 des Art. 9 GG nur Koalitionen von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern betrifft. „Arbeitsbedingungen" beschäftigen sich mit dem Arbeitsverhältnis selbst, vor allem mit Fragen, die tarifvertraglich geregelt werden können, während unter „Wirtschaftsbedingungen" weitergehend auch allgemeine wirtschafts- und sozialpolitische Verhältnisse verstanden werden können (v. Münch, Bonner Kommentar, Rdn. 122). Die „Wahrung und Förderung" der genannten Bedingungen ist nach der historischen Entwicklung der Koalitionsfreiheit auf den sozialen Gegenspieler bezogen. Oder anders formuliert: Unter Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i.S. des Art. 9 III GG sind „nur die wechselseitigen Interessen im Verhältnis der Sozialpartner zueinander" zu verstehen. (Klein, in v.Mangoldt-Klein, Art. 9 Anm. V 9; Maunz, in Maunz-Dürig-Herzog, Art. 9 Rdn. 97). Dies bedeutet, daß das Grundgesetz mit dem Terminus „Wahrung und Förderung der Wirtschaftsbedingungen" etwas anderes meint als den Tätigkeitsbereich der sogenannten „Wirtschaftsverbände". Dementsprechend vertritt die h.M. auch die Ansicht, daß Wirtschaftsverbände keine Koalitionen i.S. des Abs. 3 sind, sondern nur den Schutz des Art. 9 I GG genießen (Maunz in Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O.; Klein in v.Mangoldt-Klein, a.a.O.; Hueck-Nipperdey, I I / l , § 6 III 1 b, c; Biedenkopf, BB 1956, 473, 475, jew.m.w. Nachw.; A.A. insbes. Hamann-Lenz, Art. 9, Anm. B 8 a, m.w.Nachw.; Maunz, Deutsches Staatsrecht, 18. Aufl. 1971, S. 164; vgl. vor allem 16. Aufl., 1968, S. 152. v. Münch, Art. 9 Rdn 115 m.w.Nachw. 37

die die Koalitionsfreiheit einschränken oder zu behindern suchen, nichtig; hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Die Junktimklausel in der Satzung stellt eine Maßnahme im Sinne des Art. 9 III 2 GG dar, da es sich nicht um eine vertragliche 65 ) Vereinbarung — dann läge eine „Abrede" vor —, sondern um eine einseitig gesetzte Regelung handelt 6 6 ). Diese Maßnahme ist auch darauf gerichtet — dieses subjektive Moment ist eine weitere Voraussetzung des Art. 9 III 2 GG 6 7 ) — den koalitionsfreiheitsfeindlichen Erfolg zu zeitigen, denn der Wirtschaftsverband drängt seine Mitglieder durch die Junktimklausel zur Mitgliedschaft in einer bestimmten Arbeitgeberorganisation. c) Kriterien für die Unzulässigkeit des ausgeübten Drucks Erforderlich ist weiterhin, daß durch die Maßnahme „Junktimklausel" die positive Koalitionsfreiheit eingeschränkt wird oder zumindest werden kann. Durch die Junktimklausel wird ein gewisser Druck ausgeübt, einer bestimmten Koalition beizutreten. Es kann aber natürlich nicht jeder — auch der geringste — Druck als Verletzung der positiven Koalitionsfreiheit angesehen werden 6 8 ). Abstrakte Regeln, wann ein zulässiger und wann ein unzulässiger Druck vor-

65

)

v. Münch, Art. 9 Rdn 158 m.w.Nachw.

66

)

Die „Maßnahme" unterscheidet sich von der „Abrede" dadurch, daß als Maßnahme ein einseitiger Akt zu verstehen ist, vgl. v. Münch, Art. 9 Rdn 167; Dietz, S. 451; Hueck-Nipperdey, a.a.O. Ob die Satzungsbestimmung eines Verbandes als Abrede oder als Maßnahme zu qualifizieren ist, hängt von dem Streit um die Rechtsnatur der Vereinssatzung ab: Folgt man, wie das hier geschieht, der Normentheorie in ihrer modifizierten Fassung, dann handelt es sich um eine Maßnahme, folgte man dagegen der Vertragstheorie, dann wäre die Satzungsbestimmung als Abrede einzuordnen, vgl. dazu Soergel-Siebert-Schultze=v.Lasaulx, § 25 Rdn 7 - 1 0 m.w.Nachw.

67

)

Dietz, S. 451

68

)

BAG GrS a.a.O. Teü IV, VIII 5 c; vgl. BVerfGE 20, 312, 321 ff, allerdings ohne Differenzierung zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit; Mayer-Maly, Negative Koalitionsfreiheit? , S. 22 f; Biedenkopf, Gutachten, S. 127 FN 32; Herschel ArbuR 1970, 193, 198, ohne Differenzierung zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit.

38

liegt, sind bisher in Rechtsprechung und Literatur nicht herausgearbeitet worden. Die Problematik ist jedoch in höchst umfangreichem Maße erörtert worden bezüglich tarifvertraglicher Differenzierungsklauseln sowie im Zusammenhang mit der Diskussion um die Tariffähigkeit der Handwerksinnungen. Aus beiden Bereichen lassen sich wegen der Parallelität Abgrenzungskriterien gewinnen.

aa) Parallelsituation der sog. beschränkten Differenzierungsklausel Bei der Problematik der Differenzierungsklauseln geht es um die Frage, ob in Tarifverträgen zwischen den in der vertragsschließenden Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmern, den bei anderen Gewerkschaften organisierten Arbeitnehmern und vor allem den nicht organisierten Arbeitnehmern in der Weise differenziert werden darf, daß die anderweitig Organisierten und insbesondere die Nicht-Organisierten von gewissen Vorteilen, die der neue Tarifvertrag mit sich bringt, ausgeschlossen werden. Zweck dieser Tarifausschlußklausel ist es mithin, den anders oder nicht organisierten Arbeitnehmern die Vorteile tarifvertraglicher Vereinbarungen ganz oder teilweise vorzuenthalten und damit einen „Druck" oder „Anreiz" zum Eintritt in die vertragsschließende Gewerkschaft zu schaffen. Werden nur die überhaupt nicht organisierten Arbeitnehmer von den Vorteilen ausgeschlossen, so handelt es sich um die sogenannte allgemeine Differenzierungsklausel. Die sogenannte beschränkte Differenzierungsklausel reicht noch weiter, indem sie die durch den betreffenden Tarifvertrag erlangten Vorteile ganz oder teilweise allen Arbeitnehmern vorzuenthalten sucht, die nicht zu der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft gehören. Für die an dieser Stelle untersuchte Fallkonstellation, daß durch die Junktimklausel Unternehmen davon abgehalten werden könnten, einem anderen Arbeitgeberverband beizutreten, lassen sich die zur beschränkten Differenzierungsklausel entwickelten Argumente heranziehen. Denn in beiden Fällen wird durch die Klausel nicht nur das Recht des Arbeitnehmers bzw. Arbeitgebers, einer Koalition überhaupt fernzubleiben, sondern sein Recht auf die freie Wahl der Koalition tangiert (positive Koalitionsfreiheit).

Die beschränkte Differenzierungsklausel wird — vor allem im Interesse des Koalitionspluralismus — von der ganz herrschenden Meinung als eine gegen die positive Koalitionsfreiheit gerichtete und daher nichtige Abrede angese39

hen 6 9 ). Wenn man den dabei zu Grunde gelegten Maßstab auf den hier zu erörternden FaU anwendet, muß man zu dem Ergebnis gelangen, daß der durch die Junktimklausel ausgeübte Druck eine rechtswidrige Beeinträchtigung der positiven Koalitionsfreiheit darstellt. Wenn es verfassungsrechtlich unzulässig ist, daß eine Gewerkschaft mit den von ihr bei Tarifvertragshandlungen oder bei Arbeitskämpfen erlangten Vorteilen einen Druck auf eine Mitgliedschaft gerade bei.ihr und nicht bei einer anderen Gewerkschaft ausübt, dann ist es erst recht unzulässig, daß ein Wirtschaftsverband mit Hilfe der Vorteile, die er seinen Mitgliedern bietet, auf diese Druck in Richtung auf die Mitgliedschaft in einer bestimmten Koalition ausübt und damit die Tätigkeit oder sogar das Entstehen konkurrierender Arbeitgeberverbände verhindert. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch, wenn man mit der Mindermeinung 70 ) die beschränkte Differenzierungsklausel nicht per se für nichtig ansieht und es daher prinzipiell zuläßt, daß eine Gewerkschaft mittels der beschränkten Differenzierungsklausel versucht, Mitglieder aus anderen Gewerkschaften zu gewinnen. Denn auch die Vertreter dieser Ansicht lassen nicht jeden Druck zur Mitgliedergewinnung zu; sie stellen — zumindest implicite — auf Qualität und Quantität des Drucks ab, indem sie die beschränkte Differenzierungsklausel in gewissem Rahmen mit der Begründung zulassen, es müsse einer Koalition erlaubt sein, die von ihr errungenen Vorteile dazu zu benutzen, Außenseiter zum Beitritt zu veranlassen 71 ). Im vorliegenden Fall der Koppelung von Wirtschafts- und Arbeitgeberverband aber geht der Druck zur Mitgliedschaft in der Koalition gerade nicht von den Vorteilen aus, die der Verband als Koalition, sondern als Wirtschaftsverband erreicht hat. Ein derartiger, mit koalitionsfremden Mitteln erzeugter Druck stellt, auch wenn man der Mindermeinung folgt, einen Verstoß gegen die positive Koalitionsfreiheit dar. Denn jedenfalls dann, wenn ein Wirtschaftsverband, der eine so bedeutende Stellung hat, daß ein

69

)

BAG GrS a.a.O. Teil IV, VIII 5 a; Hueck-Nipperdey, I I / l , § 10 III 1 c; Fechner, S. 59; Gitter, JurA 1970, 148, 152; Hanau, JuS 1969, 213, 216; Nikisch II, § 5 9 II 1 , 2 ; Söllner, § 9 V 1; Hueck, Tarifausschlußklausel, S. 38, nach dessen Auffassung bereits die bloße Absicht, einen Druck auszuüben, genügt. A.A. Brox-Rüthers, S. 137 f; differenzierend Gamillscheg, S. 6 5 - 6 9 ; zust. Reuß, AcP 166, 5 1 8 , 522; ähnlich wie diese Biedenkopf, a.a.O.

70

)

Vgl. FN 6 9 a.E.

71

)

Vgl. insbes. Gamillscheg S. 6 5 ff, 68; vgl. ferner unten S. 4 8 ff, 51 f.

40

Aufnahmezwang gemäß § 27 GWB zu bejahen ist, eine solche Junktimklausel in seine Satzung aufnimmt, wird dadurch die von seiner Tätigkeit und Bedeutung ausgehende Zugkraft zur Gewinnung von Mitgliedern für die betreffende Arbeitgebervereinigung ausgenutzt. Auf diese Weise wird ein Koalitionspluralismus, der durch die positive Koalitionsfreiheit im Sinne der Wahlfreiheit zwischen mehreren Arbeitgeberverbänden gewährleistet wird, von vornherein nahezu unmöglich gemacht. Daher stellt die Junktimklausel in der Satzung eines solchen Wirtschaftsverbandes eine gegen die positive Koalitionsfreiheit gerichtete und somit rechtswidrige und unwirksame 7 2 ) Maßnahme dar. bb) Parallelsituation der Handwerksinnungen Diesem Ergebnis scheint allerdings — zumindest bei erster Betrachtung — eine die Handwerksinnungen betreffende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 7 3 ) entgegenzustehen. Das Gericht hatte darüber zu befinden, ob die gesetzliche Verleihung der Tariffähigkeit an die Handwerksinnungen und Innungsverbände durch § 54 III Nr. 1 und § 82 HandwerksO mit Art. 9 III GG vereinbar ist. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bejaht, obwohl der einzelne Handwerker, der der Innung in ihrer Eigenschaft als tariffähiger Verband nicht angehören will, zugleich auf die allgemeinen, durch die Handwerksordnung gewährten Vorteile der Zugehörigkeit zur Innung als einer öffentlich-rechtlichen Berufsorganisation verzichten muß. Durch die gesetzlich angeordnete Koppelung der „freiwilligen" Mitgliedschaft bei der Innung als öffentlich-rechtlicher Organisation der Wirtschaftsverwaltung mit der Mitgliedschaft beim „Arbeitgeberverband" werde die Koalitionsfreiheit des einzelnen Handwerkers „weder rechtlich noch in einem ins Gewicht fallenden Umfange tatsächlich eingeengt" 7 4 ), weil „eine echte Möglichkeit, mit anderen Arbeitgebern einen konkurrierenden Arbeitgeberverband, etwa der Minderheit, zu bilden", kaum bestehe 7 5 ). Anders als auf der Arbeitnehmerseite kenne „die Rechtswirklichkeit von jeher in der Regel für den einzelnen Wirtschaftszweig nicht mehrere, auf

72

)

Wegen der Rechtsfolgen des Verstoßes gegen Art. 9 III 2 s. Söllner, § 9 III 3; v. Münch, Art. 9 Rdn. 169 m.w.Nachw.; Hueck-Nippeidey, I I / l , § 8 III 3.

73

)

BVerfGE 20, 3 1 2

74

)

a.a.O. S. 321

75

)

a.a.O. S. 3 2 2

41

abweichenden sozialpolitischen oder weltanschaulichen Auffassungen beruhende Arbeitgeberverbände, die miteinander in einem gewissen Wettbewerb stehen, sondern nur einen Arbeitgeberverband" 76 ). Ob dieser rechtstatsächliche Befund für den Bereich, in dem die Handwerksinnungen tätig sind, zutreffend war, mag hier dahinstehen 7 7 ). Richtig ist zwar, daß es derzeit in der Tat in den meisten Wirtschaftszweigen jeweils nur einen Arbeitgeberverband gibt. Dieses System von „Zuständigkeiten" der Arbeitgeberverbände liegt jedoch nicht fest; infolge innerer oder äußerer Einflüsse, wie struktureller Veränderungen, sozial- und verbandspolitischer Entwicklungen usw., ergeben sich von Zeit zu Zeit Veränderungen mit der Folge, daß sich dann zeitweilig konkurrierende Arbeitgeberverbände bilden. Eine solche Situation hat sich z.B. in jüngerer Zeit ergeben, als sich ein spezieller Wirtschaftszweig, der tarifpolitisch bisher von einem größeren, mehrere verwandte Zweige umfassenden Arbeitgeberverband betreut wurde, entschloß, eine eigene tariffähige Organisation zu schaffen 7 8 ). Oder man denke an den Fall, daß einzelne Arbeitgeber andere sozialpolitische Vorstellungen als ihr Arbeitgeberverband verwirklichen, z.B. während eines Streiks Firmentarifverträge abschliessen und dieserhalb, sei es durch Ausschluß, sei es durch Austritt, aus dem Arbeitgeberverband ausscheiden. Wenn mehrere Unternehmen dies tun, ist es durchaus denkbar, daß diese sich dann zu einem konkurrierenden Arbeitgeberverband zusammenschließen. Die Rechtswirklichkeit im Wirtschaftsbereich insgesamt bietet also ein anderes Bild als dies - jedenfalls nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts — im Bereich der Handwerksinnungen der Fall gewesen sein mag. Soweit die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, „der einzelne Arbeitgeber, der an dem sozialpolitischen Leben teilnehmen" wolle, habe „in der Regel nur die praktische Möglichkeit, sich dem Willen der Mehrheit seiner Berufsgenossen unterzuordnen", auch im Sinne einer generellen Feststellung für alle Sparten zu verstehen sein sollten, wird diese Feststellung durch die Rechtswirklichkeit widerlegt. So wollte aber das Bundesverfassungsgericht offenbar selbst nicht verstanden werden; denn es hat durchaus die Möglichkeit offen gelassen, daß es in der Rechtswirklichkeit diesbezüglich andere

76

)

a.a.O. S. 3 2 2

77

)

Zur diesbezüglichen Kritik vgl. bei FN 138

78

)

Ein derartiger Fall ist dem Verf. z.B. in den Jahren 1 9 7 0 - 7 2 begegnet.

42

Fälle geben könne und dies auch durch die mehrfach wiederholten Einschränkungen, wie „in der Regel", „ k a u m " , deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht daher wegen der Unterschiedlichkeit der zugrundegelegten rechtstatsächlichen Ausgangssituation der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. d ) Teilergebnis Nach alledem ist festzustellen, daß die Koppelung von Funktionen des Wirtschaftsverbandes und Funktionen eines Arbeitgeberverbandes im Wege der Junktimklausel für die hier untersuchte Fallgruppe einen Verstoß gegen die positive Koalitionsfreiheit darstellt und daher gemäß Art. 9 III 2 GG rechtswidrig und nichtig ist. 2. Fallgruppe Bei den Sachverhalten der zweiten Fallgruppe, in denen Unternehmen zwar keiner Arbeitgebervereinigung angehören, aber aufgrund der ihnen nach § 2 I T V G zustehenden Tariffähigkeit Firmentarifverträge abschließen wollen, scheint bei einer rein formalen Betrachtung lediglich die negative Koalitionsfreiheit tangiert zu sein 7 9 ). Bei materieller Betrachtung besteht jedoch zwischen dieser Fallgruppe und der dritten Fallgruppe, bei der allein die negative Koalitionsfreiheit tangiert ist, ein erheblicher Unterschied: während bei der dritten Fallgruppe die Unternehmen jeder Arbeitgebervereinigung fernbleiben wollen und auch selbst keine Tarifverträge schließen wollen, sind die Unternehmen in dieser Fallgruppe ebenso wie in der ersten Fallgruppe durchaus willig, eine Tarifbindung einzugehen. Der Zweck der positiven Koalitionsfreiheit, den Abschluß von Tarifverträgen zu ermöglichen,wird in diesem Fall ebenfalls erreicht, weil auch der einzelne Arbeitgeber tariffähig ist und von dieser Fähigkeit auch Gebrauch macht. Daher sind die Fälle dieser zweiten Gruppe bezüglich der Rechtmäßigkeit der Junktimklausel nicht anders zu behandeln als die der ersten Gruppe 8 0 ).

79 ) ^

Zur Problematik der negativen Koalitionsfreiheit siehe sogleich unter 3. Fallgruppe. Wer dem nicht zustimmen will, muß diese zweite Fallgruppe wie die dritte behandeln und kommt dann ebenfalls zum gleichen Ergebnis, s. unter 3. Fallgruppe.

43

3. Fallgruppe a) Grundsätzliche Anerkennung der negativen Koalitionsfreiheit In der dritten Fallgruppe stellt sich die Frage, inwieweit durch die Junktimklausel die Freiheit der Arbeitgeber, einer Koalition fernzubleiben (negative Koalitionsfreiheit), beeinträchtigt ist, da die in diese Gruppe fallenden Unternehmen sich dem „angekoppelten" Arbeitgeberverband wegen seiner tarifpolitischen Zielsetzung nicht anschließen, zugleich aber auch einem anderen Arbeitgeberverband nicht beitreten und auch keine Firmentarifverträge schliessen wollen. Mit der herrschenden Meinung im Schrifttum und in der Rechtsprechung ist dabei davon auszugehen, daß die negative Koalitionsfreiheit durch Art. 9 III GG garantiert wird 8 1 ). Als Hauptargument wird angesehen, Art. 9 III GG wolle freie, freigebildete Koalitionen; diese Freiheit setze den Schutz vor jedem Zwang zum Beitritt voraus. Die Freiheit zum Fernbleiben von einer Koalition sei die „notwendige Kehrseite" der positiven Koalitionsfreiheit und im Interesse des durch Art. 9 III GG gewährleisteten Koalitionspluralismus unumgänglich 82 ). 81

) 82

)

44

Ausdrücklich geschützt wird die negative Koalitionsfreiheit durch Art. 48 S. 2 Landesverfassung Bremen und durch Art. 36 II Landesverfassung Hessen. Rechtsprechung: Insbes. BVerfGE 10, 98, 102; 20, 312, 321; BAG GrS AP Nr. 13 zu Art. 9 GG Teil IV, VI 5; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Hamann-Lenz, GG, Art. 9 A 4 a; Schrifttum: vgl. Bettermann, Festschrift für Nipperdey, II, 1965, S. 723, 735; Bötticher, Waffengleichheit und Gleichbehandlung, S. 15; Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, S. 44 ff; Dietz, a.a.O. S. 453 ff; Hanau, JuS 1969, 213, 216; E. R. Huber, II, § 91 III 1;A. Hueck, S. 33 ff; Karakatsanis, Kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 63; Lerche, Verfassungsrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 63; Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen, S. 25; Klein, in: v.Mangoldt-Klein, Art. 9 Anm. V 11; Maunz in MaunzDürig-Herzog, Art. 9 Rdn. 92, 105; Mayer-Maly, ZAS 1969, 81, 85; ders., Negative Koalitionsfreiheit? , S. 22 ff; Monja"., Festschrift für Küchenhoff, S. 121 ff; v. Münch, a.a O., Art. 9 Rdn. 140; Neumann, Betrieb 1967, 1545; Nikisch, II, § 58 III; Richardi ZfA 1970, 85; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 41; Weber, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie, S. 11; Wertenbruch, Peters-Gedächtnis-Schrift, S. 614, 634; Zöllner, Taxifvertragliche Differenzierungsklauseln, S. 25 f; ZöllnerSeiter, ZfA 1970, 97, 108; Wiedemann, SAE 1969, 265, 266; ders., RdA 1969, 321, 330; Gitter, JurA 1970, 148, 150 f, der sich ausdrücklich gegen eine Gleichbewertung der positiven und negativen Koalitionsfreiheit wendet, weil im Interesse des Funktionierens der Arbeitsordnung grundsätzlich der Aktivität in der Koalition ein Vorrang vor der Passivität des Fernbleibens einzuräumen sei.

Die Gegenmeinung sieht die negative Koalitionsfreiheit als nur durch Art. 2 I GG geschützt an; positive und negative Koalitionsfreiheit seien zwar Korrelate, die Rechtsordnung könne und müsse sie aber insoweit verschieden ausgestalten, als sie sich andernfalls gegenseitig ausschließen würden. Sozialstaatsprinzip, historischer Sinn des Koalitionsrechts und Entstehungsgeschichte des Art. 9 III GG sprächen dafür, dem positiven Engagement den Vorzug zu geben gegenüber dem Fernbleiben von einer Koalition 8 3 ). b) Verbot von die negative Koalitionsfreiheit einschränkenden Maßnahmen Wie oben 8 4 ) dargelegt, ist die Junktimklausel eine Maßnahme im Sinne des Art. 9 III 2 GG, die einen gewissen Druck zum Eintritt in die Arbeitgebervereinigung ausübt. Dieser Druck kann ebensowenig wie in der ersten Fallgruppe und der dort tangierten positiven Koalitionsfreiheit schon per se eine unzulässige und damit rechtswidrige Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit darstellen. Wenn jeder, auch der geringste Druck eine Verletzung der Koalitonsfreiheit bedeuten würde, wären z.B. alle Maßnahmen von Koalitionen zur Werbung von Mitgliedern rechtswidrig. c) Kriterien für die Unzulässigkeit des ausgeübten Drucks Allgemein anerkannte abstrakte Regeln, wo die Grenze zwischen dem zulässigen und dem unzulässigen und daher gemäß Art. 9 III 2 GG rechtswidrigen Druck liegt, sind von Rechtsprechung und Literatur bisher nicht entwickelt worden. Als unstreitig wird lediglich der Satz angeführt, „daß der unmittelbare Zwang, dem Verband beizutreten, mit der Garantie der negativen Koa-

83

)

Vor allem Hueck-Nipperdey, I I / l § 10 II; vgl. ferner Biedenkopf, JZ 1961 346, 352; ders. Grenzen, S. 93 f f ; Fechner, Rechtsgutachten, S. 33; Galperin, Festschrift für Bogs, S. 87, 92 ff; ders. ArbuR 1965, 1, 6; ders. Betrieb 1970, 298, 302; Gamillscheg, Differenzierung, S. 53 f f ; Hamann-Lenz, GG Art. 9 Anm. A 4; Söllner, § 9 IV. Weller, ArbuR 1970, 161, 165; Dietlein, ArbuR 70, 200, 202, läßt offen, ob die negative Koalitionsfreiheit bei Art. 9 III oder Art. 2 I GG anzusiedeln ist, tritt jedoch für einen Vorrang der positiven Koalitionsfreiheit ein. Differenzierend: Säcker, Grundprobleme, 1969, S. 35 ff. In Art. 9 I GG siedelt Däubler, Negative Koalitionsfreiheit? , S. 26 ff, 38 die negative Koalitionsfreiheit an.

84

)

Oben S. 38

45

litionsfreiheit unvereinbar" sei 8 5 ). Abgesehen davon, daß durch diese Formulierung nicht geklärt wird, wann ein „unmittelbarer Zwang" vorliegt, hilft die Formel auch nicht weiter bei der Frage, inwieweit ein mittelbarer „Zwang", d.h. ein auf wirtschaftlicher oder sozialer Macht beruhender Druck zulässig oder unzulässig ist. Daraufkommt es für die hier zu erörternde Problematik gerade an. aa) Parallelsituation der allgemeinen Differenzierungsklauseln Die Frage der Zulässigkeit eines solchen mittelbaren „Zwangs" ist im Zusammenhang mit den allgemeinen Differenzierungsklauseln ausgiebig erörtert worden. Im Gegensatz zu der beschränkten Differenzierungsklausel, die nach allgemeiner Meinung gegen die positive Koalitionsfreiheit verstößt 8 6 ), gehen die Meinungen, ob die allgemeine Differenzierungsklausel wegen Verstoßes gegen die negative Koalitionsfreiheit unzulässig ist, im Ergebnis und in den Begründungen erheblich auseinander. Dies beruht einmal darauf, daß neben dem verfassungsrechtlichen Aspekt der negativen Koalitionsfreiheit auch andere, insbesondere tarifrechtliche Gesichtspunkte zur Begründung der jeweiligen Auffassung herangezogen werden. Aber auch innerhalb der verfassungsrechtlichen Beurteilung bestehen erhebliche Unterschiede. Es lassen sich im wesentlichen zwei Gruppen unterscheiden: Während die einen in der allgemeinen Differenzierungsklausel entweder generell keinen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit sehen 8 7 ) oder je nach dem konkreten Einzelfall differenzieren, wobei unterschiedliche Maßstäbe und Quantifizierungen zur Abgrenzung herangezogen werden 8 8 ), halten die anderen die allgemeine Differenzierungsklausel in jedem Fall für verfassungsrechtlich unzulässig 89 ). 85

)

Vgl. Biedenkopf, Grenzen, S. 95; Galperin, ArbuR 1965, 1 , 6 ; Hamann-Lenz, Art. 9 Anm. A 4a; vgl. auch Säcker, Grundprobleme, S. 35 f.

86

)

Siehe dazu oben S. 39f.

87

)

So i.E. Galperin, Betrieb 1970, 298, 303; Herschel, ArbuR 1970, 193, 198 f; Krüger, Gutachten, S. 9, 24 ff, 66 ff, 95 f; Brox-Rüthers, S. 137f m.w.Nachw.; Weller, ArbuR 1970, 161, 165 f.

88

)

u.a. Hanau, JuS 1969, 213, 216 ff; Gamillscheg, S. 60 ff; ihm folgend Reuß, AcP 166, 518, 522; Biedenkopf, Gutachten, S. 126 f;Dietlein, ArbuR 1970, 200, 204; Gitter, JurA 1970, 148, 151 f; Söllner, § 9 V 3 c z u FN 57.

89

)

Insbes. Hueck, S. 38 f; Zöllner, S. 26 f, m.w.Nachw. S. 12; Mayer-Maly, ZAS 1969, 81 ff, 84 ff; BAG GrS AP Nr. 13 zu Art. 9 GG mit Darstellung des Streitstands in Teil IV, II, III, IV

46

Die hier zu untersuchende Problematik unterscheidet sich nun allerdings von der Frage der Differenzierungsklausel in zwei Punkten: Einmal handelt es sich - wie oben 9 0 ) dargelegt - nicht darum, daß mit den Erfolgen der Koalition ein gewisser „Druck" zum Beitritt ausgeübt wird, sondern darum, daß Unternehmen mit koalitionsfremden Vorteilen, d.h. mit solchen, die die Mitgliedschaft in einer etablierten und erfolgreichen Wirtschafts• und Berufsvereinigung mit sich bringt, zugleich in die Arbeitgebervereinigung „gezogen werden" Dieser Unterschied in der Fallgestaltung wirkt sich allerdings nicht dahin aus, daß die für die Differenzierungsklausel entwickelten Kriterien hier unanwendbar wären; im Gegenteil, wenn ein bestimmter, von koalitionseigene« Vorteilen ausgehender Druck schon unzulässig ist, dann muß ein entsprechender, aber durch „koalitionsfremde" Vorteile bewirkter Druck erst recht unwirksam sein. Zum anderen steht die negative Koalitonsfreiheit nicht auf der relativ schwer organisierbaren Arbeitnehmerseite, sondern auf der in aller Regel leichter organisierbaren Arbeitgeberseite in Frage. Auch dieser Unterschied fuhrt nicht zu der Unanwendbarkeit der im Zusammenhang mit der allgemeinen Differenzierungsklausel gewonnenen Ergebnisse: Ein Druck, der auf der Arbeitnehmerseite als unzulässig anzusehen ist, kann — schon aus Paritätsgründen — auf der ohnehin leichter organisierbaren Arbeitgeberseite nicht als zulässig erachtet werden 91 ). Diejenigen, die die allgemeine Differenzierungsklausel wegen Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit generell als unzulässig ansehen, weil sie wegen ihrer Intention, Mitglieder für die Koalition zu gewinnen, die Entschließungsfreiheit der Außenseiter bezüglich des Koalitionsbeitritts zu beeinträchtigen suche 92 ), dürften hiernach auch im vorliegenden Fall eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit bejahen, da eine Intention, mittels der Junktimklausel Mitglieder für die Arbeitgebervereinigung zu gewinnen, in aller Regel anzunehmen sein wird. Wenn auch nach dieser Ansicht schon der bloße Versuch einer Beeinträchtigung unzulässig ist, so muß doch auch ein gewisser Druck ausgeübt werden; dies wird auch von den Vertretern dieser Meinung implicite

^

Oben S. 40f.

91

)

Vgl. dazu unten S. 54ff.; ferner FN 140.

92

)

So z.B. Hueck, S. 38 f; Zöllner, S. 26 f.

47

anerkannt 9 3 ). Diese Ansicht setzt einerseits also neben der subjektiven Komponente einen gewissen Druck voraus, gibt andererseits jedoch über den Bereich der Differenzierungsklausel hinausgehend kein Kriterium dafür, welcher Druck zulässig und welcher Druck unzulässig sein soll. Diese Meinung hilft daher für die vorliegende Problematik nicht weiter. Die auf den Druck oder ähnliche Kriterien abstellenden Ansichten könnten jedoch Gesichtspunkte für die Beurteilung des vorliegenden Falles ergeben, ebenso die Meinung, die die Differenzierungsklausel generell für unzulässig hält; denn auch die Vertreter dieser Meinung sehen nicht jeden, auf einen Koalitionsbeitritt abzielenden, Druck als unzulässig an. Zur Lösung des hier vorliegenden Konflikts zwischen der kollektiven Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft (bzw. in unserem Fall des Arbeitgeberverbandes) einerseits und dem individuellen Freiheitsrecht des Einzelnen, einer Koalition auch fernbleiben zu können, andererseits werden bei der Erörterung der Differenzierungsklausel verschiedene Abgrenzungskriterien verwandt. Während die einen auf die Legitimität und Sozialadäquanz des Drucks abheben 9 4 ), stellen andere auf Art und Ausmaß des Drucks und ähnliche Kriterien ab, wie z.B. das Verhältnis zwischen dem durch die Differenzierungsklausel erstrebten Vorteil und der Beitragslast der Gewerkschaftsmitglieder 95 ). Gemeinsam ist diesen Formulierungen, daß es sich um generalklauselartige Kriterien handelt, aus denen sich eine eindeutige Abgrenzung für den Einzelfall noch nicht ableiten l ä ß t 9 6 ) . Nach allen Kriterien bedarf es im Einzelfall einer Güterabwägung, wenn dies auch meistens nicht ausdrücklich erklärt wird 9 7 ). Letztlich sind die jeweiligen Kriterien bezüglich ihrer allgemeinen Verwertbarkeit, d.h. auch für andere Fäl-

93)

Zöllner, S. 27, weist darauf hin, daß eine dem abergläubischen Totbeten vergleichbare Handlung nicht ausreiche. Hueck führt aus, daß beim Fehlen jedes Drucks allein die Absicht nicht zu einem Verfassungsverstoß führe; vgl. auch Säcker, Grundprobleme, S. 126 ff, insbes. FN 317. So z.B. BAG GrS a.a.O. Teil IV, VIII. 5; Reuß, Arbeitsrechtliches Gutachten, S. 100.

95)

Vgl. dazu i.e. unten bei FN 111, 112.

96)

Darauf weist bezüglich des Kriteriums der Sozialadäquanz mit Recht Gitter, JurA 1970, 148, 151 f. hin.

97)

So aber ausdrücklich Dietlein, ArbuR 1970, 200, 203.

48

le als die Differenzierungsklausel, untereinander austauschbar. Ein besonders instruktives Beispiel hierfür bietet die Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichtes: Dieses stellt zunächst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Handwerksinnungen 98 ) dar und weist zutreffend darauf hin, daß das Bundesverfassungsgericht darauf abstelle, ob die negative Koalitionsfreiheit „in einem ins Gewicht fallenden Umfange tatsächlich eingeengt" s e i " ) . Nachdem der Große Senat des BAG sodann das Kriterium des „sozialadäquaten Drucks" eingeführt hat, behauptet er, dies sei „ersichtlich auch die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, das, wenn auch mit anderen Worten, einen „gewissen sozialadäquaten Druck" noch als zulässig hinnehme 1 0 0 ). Gegen das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Kriterium der Sozialadäquartz werden in der Literatur erhebliche Bedenken erhoben. Herschel 1 0 1 ) wendet sich gegen die Heranziehung dieses Kriteriums, weil sich „die Frage der Sozialadäquanz erst und nur dort (erhebe), wo ohne sie ein rechtswidriges Verhalten feststellbar wäre" 1 0 2 ). Er verweist insoweit zutreffend darauf, daß die Sozialadäquanz zunächst im Strafrecht entwickelt wurde zur Kennzeichnung an sich tatbestandsmäßiger, aber ausnahmsweise rechtlich zulässiger Verhaltensweisen, und in diesem Sinne auch unter dem Schlagwort des Rechtfertigungsgrundes des verkehrsrichtigen Verhaltens in das zivile Deliktsrecht übernommen wurde. Inzwischen aber ist — und das berücksichtigt Herschel nicht — weitgehend anerkannt, daß die Sozialadäquanz kein Rechtfertigungsgrund ist, um ein tatbestandsmäßig-rechtswidriges Verhalten ausnahmsweise zu rechtfertigen, sondern ein „allgemeines Auslegungsprinzip", um nach dem Wortlaut des Gesetzes vom Tatbestand erfaßte Handlungen aus dem Tatbe-

98

)

BVerfGE 20, 312, 321 f.

99

)

BAG a.a.O. Teil IV, VI 5 c.

10

°)

BAG a.a.O. Teü IV, VIII. 5 c.

101

)

Herschel, ArbuR 1970, 193, 197.

102

)

a.a.O. S. 197

49

stand auszuscheiden 1 0 3 ). Die auf die historische Entwicklung der Kategorie der Sozialadäquanz gestützte Kritik Herschels an der Anwendung dieses Gedankens im Zusammenhang mit den Differenzierungsklauseln ist daher angesichts der neueren Ausgestaltung der Sozialadäquanz nicht mehr überzeugend. Unabhängig davon wird mit Recht die Heranziehung des Gedankens der Sozialadäquanz in der Literatur zunehmend kritisiert 1 0 4 ). Die immer noch umstrittene RechtsfigUi 1er Sozialadäquanz mag in manchen Rechtsbereichen, man denke etwa an das Arbeitskampfrecht 1 0 5 ) oder den Grundsatz des verkehrsrichtigen Verhaltens 1 0 6 ), berechtigt sein und dort auch zu angemessenen Ergebnissen führen — auf diese generelle Problematik kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden —, aber für die Frage, wann ein unzulässiger Druck im Sinne des Art. 9 III 2 GG vorliegt, vermag die „geschichtlich gewordene sozialethische Ordnung" keine Wertmaßstäbe abzugeben.

103

)

Welzel, Das deutsche Strafiecht, 11. Aufl. § 10 IV: Soziale Adäquanz sei ein „allgemeines Auslegungspiinzip"; und „Sozialadäquate Handlungen scheiden aus den strafrechtlichen Tatbeständen aus"; ihm folgend Söllner, § 12 II 5 b - e ; im Ergebnis ähnlich Hueck-Nipperdey-Säcker, II/2 § 49 B I 2: Es gehe nicht um die Frage, ob ein tatbestandsmäßig-rechtswidriges Verhalten durch eine besondere Vorschrift ausnahmsweise gerechtfertigt sei, sondern um die Frage, ob überhaupt ein die Widerrechtlichkeit des tatbestandserfüllenden Verhaltens begründender Verstoß gegen eine allgemeine Verhaltensvorschrift vorliege. Münzberg (Verhalten und Erfolg, insbes. S. 330 f.) bezeichnet daher die Sozialadäquanz als „positives, unrechtskonstituierendes Rechtswidrigkeitselement".

104

)

Wiedemann, SAE 1969, 265, 267; Mayer-Maly, ZAS 1969, 81, 84 ff; ähnlich auch ders., Negative Koalitionsfreiheit? , S. 16 FN 35; Gitter JurA 1970, 148, 151 f; vgl. ferner Bernert, Zur Lehre von der Sozialen Adäquanz, insbes. S. 89 ff; Hoffmann, ArbuR 1968, 33,44; Nikisch, II, § 64 II 3; Ramm, AxbuR 1966, 161 ff; ders. 1967, 97, 108; Rüthers, ArbuR 1967, 129, 131 ff, alle m.w.Nachw.

10s

)

Vgl. dazu z.B. BAG AP Nr. 1, 2, 32, 34 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Brox-Rüthers, S. 122 ff; Dietz, JuS 1968, 1, 5 f; Galperin, Festschrift für Nipperdey, Bd II 1965, S. 197 ff; Söllner, § 12 II 5 d, e.

,06

)

Vgl. dazu BGHZ 24, 21; Soergel-Siebert-Schmidt, § 276 Rdn. 18 ff; Wiethölter, Der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, insbes. S. 56 ff; Zippelius, AcP 157, 390 ff; zahlr.w.Nachw. bei Hueck-Nipperdey-Säcker, II/2, § 49 B I 2 FN 34 c.

50

Die Sozialadäquanz stellt insoweit nichts anderes dar, als eine noch auszufüllende Blankettnorm 107 ). Selbst Verfechter der Lehre von der Sozialadäquanz, wie z.B. Hueck-Nipperdey-Säcker räumen ein, „daß die Formel von der Sozialadäquanz kein allgemeines Rechtsprinzip ist, aus dem sich deduktiv Entscheidungsmaximen zur Lösung neü auftauchender Interessenkonflikte ableiten lassen, sondern lediglich eine Breviloquenz für deliktsrechtlich zulässige Verhaltensweisen ist" 1 0 8 ). Daher lassen sich aus der Lehre von der Sozialadäquanz für die hier zu entscheidende Problematik keine sachlichen Gesichtspunkte ableiten. Es ist also notwendig, auf die hinter den angeführten Blankettbezeichnungen wie Sozialadäquanz, Güterabwägung usw., stehenden konkreten sachlichen Wertungen einzugehen. Zur konkreten Abgrenzung zwischen unzulässigen und zulässigen Abreden wird ganz überwiegend mit Kriterien wie „Nötigung", „Zwang", „Druck", „Anreiz" gearbeitet, wobei häufig qualifizierende oder quantifizierende Momente hinzutreten. Manche Autoren, wie z.B. Galperin, Herschel und Krüger, sehen die Grenze des zulässigen Drucks erst dann überschritten, wenn er „zu einem Wahlzwang zwischen Gewerkschaftsbeitritt oder Existenzgefährdung" führt 1 0 9 ); Reuß will einen Druck „der in Wahrheit ein — nahezu — unausweichlich wirkender wirtschaftlicher Zwang ist" nicht mehr zulassen, im übrigen aber in erster Linie auf die Art und in zweiter Linie auf den Intensitätsgrad des Drucks abstellen110). Gegenüber diesen noch immer verhältnismäßig abstrakten und im Einzelfall zweifelhaften Abgrenzungsmaßstäben wird von an-

107 )

So bezüglich der Differenzierungsklausel ausdrücklich Mayer-Maly, Negative Koalitionsfreiheit? , S. 16 FN 35; Gitter a.a.O.; Wiedemann, a.a.O.

108

)

Hueck-Nipperdey-Säcker, II/2, § 49 B I 2 FN 34 c unter c), Hervorhebungen im Original; vgl. auch Nipperdey-Säcker, NJW 1967, 1985, 1992.

109

)

Galperin, Betrieb 1970, 298, 303; Herschel, ArbuR 1970, 193, 198: massive Nötigung gegenüber psychologischer Einflußnahme; Krüger, Gutachten, S. 95: wenn dem Angesprochenen keine andere Wahl mehr bleibt, weil er auf den angebotenen Vorteil angewiesen ist, und zwar vom Standpunkt eines vernünftigen, freiheitsliebenden Menschen aus gesehen; ähnlich Fechner, S. 34 f, 71; Dietlein, ArbuR 1970, 200, 204.

)

Reuß, ArbuR 1970, 33, 35; ders. Arbeitsrechtliches Gutachten, S. 99 ff; ähnlich Scheuner, Verfassungsmäßigkeit, S. 31 ff.

u0

51

deren im Anschluß an Gamillscheg 111 ) ein praktikableres, weil rechnerisch feststellbares Abgrenzungskriterium vorgeschlagen: Entscheidend soll sein, ob der Vorteil, den der Außenseiter nicht erhält, geringer ist als die von ihm eingesparten Aufwendungen für den Gewerkschaftsbeitrag 112 ). Eine derartige Quantifizierung des Drucks lehnen beispielsweise das Bundesarbeitsgericht 113 ) und Mayer-Maly 114 ) ab. Während Mayer-Maly schon jeden, auch einen ganz milden Druck auf die Entschließungsfreiheit des Außenseiters als unzulässig ansieht, stellt das Bundesarbeitsgericht zwar auf die Sozialinadäquanz des Drucks ab, kommt dann jedoch zu dem Ergebnis, ein solcher liege auch schon dann vor, „wenn die damit verbundene Belästigung verhältnismäßig gering sein sollte" 1 1 5 ). Diese in irgendeiner Weise auf den ausgeübten Druck abstellenden Erwägungen werden bei verschiedenen Autoren durch einen weiteren Gesichtspunkt überlagert, nämlich den, daß positive und negative Koalitionsfreiheit, die hier kollidieren, nicht gleich behandelt werden können. Der negativen Koalitionsfreiheit könne nur ein geringer Schutz beigemessen werden, da sie nicht um ihrer selbst willen, sondern nur im Interesse der freien Koalitionsbildung geschützt sei 1 1 6 ). Bei der Überlegung, inwieweit diese Abgrenzungskriterien für die hier zu untersuchende Problematik herangezogen werden können, scheidet die quantifizierende Ansicht, die auf den Umfang der Vergünstigungen im Vergleich zu dem Nachteil der Beitragszahlung abstellt, von vornherein aus. Mag dieses Kri-

m

)

Gamillscheg, S. 63.

112

)

Ebenso Biedenkopf, Gutachten, S. 126 f; Dietlein, ArbuR 1970, 200, 204; Gitter, JurA 1970, 148, 151 f; Hanau JuS 1969, 213, 216 ff; Söllnei, § 9 V 3 c zu FN 57.

113

)

BAG a.a.O. Teil IV, VIII. 5.

114

)

Mayer-Maly, ZAS 1969, 81, 86.

)

BAG a.a.O. Teil IV, VIII. 5 e;ebenso Wiedemann, SAE 1969, 265, 267, der die in der Entscheidung des BAG nur anklingende „Zweck-Mittel-Bewertung" als entscheidend ansieht.

us

116

)

52

So Wiedemann, RdA 1969, 321, 330; Gitter, JurA 1970, 148, 150 f; Hanau, JuS 1969, 213, 218;Dietlein, a.a.O. S. 203; Weller, ArbuR 1970, 161, 165 f.

terium bei der Differenzierungsklausel auch zu klaren und daher im Interesse der Rechtssicherheit begrüßenswerten Ergebnissen führen, so läßt es sich doch im vorliegenden Falle nicht anwenden, da hier der Verband den Druck zur Mitgliedschaft nicht mit solchen Vorteilen ausübt, die er in seiner Eigenschaft als Koalition erlangt hat, sondern mit solchen Vorteilen, die er in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsvereinigung zu bieten vermag. Eine Gegenüberstellung der durch die Mitgliedschaft in der Koalition erlangten Vorteile und der Beitragspflicht andererseits ist wegen der Koppelung von Wirtschafts- und Arbeitgeberverband nicht möglich. Die verbleibenden Kriterien, die alle in mehr generalklauselartiger Form an Art und Ausmaß des Drucks anknüpfen, könnten demgegenüber geeignet sein, auch für den vorliegenden Fall als Abgrenzungskriterium zu dienen. Sie sind jedoch sämtlich auf die Problematik der Differenzierungsklausel zugeschnitten und berücksichtigen nicht die Besonderheit des vorliegenden Falles, daß nämlich mittels der Koppelung von Wirtschaftsverband und Arbeitgebervereinigung der Druck zum Beitritt nicht durch Vorteile der Arbeitgebervereinigung, sondern durch die Vorteile des Wirtschaftsverbandes ausgeübt wird. Während bei der Differenzierungsklausel der Druck dadurch entsteht, daß die Gewerkschaft versucht, die Früchte ihrer Tätigkeit nur ihren Mitgliedern zukommen zu lassen, werden im vorliegenden Fall die Vorteile der Tätigkeit eines Wirtschaftsverbandes dazu eingesetzt, um Unternehmen zum Eintritt in eine Koalition zu bewegen. Die beiden Fälle unterscheiden sich dadurch, daß zwar der angestrebte Erfolg in beiden Fällen der gleiche ist, nämlich der Eintritt in eine Koalition, daß aber die eingesetzten Mittel aus verschiedenen Bereichen, und zwar im vorliegenden Fall aus einem koalitionsfremden Bereich, stammen. Dieser Unterschied kann bei der Frage, ob der Druck zum Beitritt zulässig oder unzulässig ist, nicht unberücksichtigt bleiben. Ein seinem Ausmaß nach an sich zulässiger Druck, der durch Vorteile, die der Verband als Koalition zu bieten vermag, bewirkt wird, kann durchaus in die Unzulässigkeit umschlagen, wenn er durch nicht mit der Tätigkeit der Koalition als solcher zusammenhängender Vorteile bewirkt wird, etwa durch Vorteile aus dem Bereich des Wirtschaftsverbandes. Für die Frage, ob es sich um eine zulässige oder unzulässige Maßnahme im Sinne des Art. 9 III 2 GG handelt, kann es mithin nicht nur darauf ankommen, ob ein Druck, wie das Bundesarbeitsgericht meint, generell unzulässig ist, oder ob ein Druck einer bestimmten Intensität, wie andere meinen, unzulässig ist; es muß vielmehr gefragt werden, ob das Mittel, mit dem die Betroffenen zum Eintritt in die Koalition bewegt wer53

den sollen, gerade zu diesem Zweck als zulässig oder unzulässig anzusehen ist; dabei ist selbstverständlich auch die Stärke des Drucks von Bedeutung, so daß die im Zusammenhang mit den Differenzierungsklauseln entwickelten diesbezüglichen Kriterien insoweit herangezogen werden können. bb) Zweck-Mittel-Relation als Abgrenzungskriterium Zur Entscheidung der Frage, wann ein Druck, durch den jemand zum Beitritt in eine Koalition gedrängt wird, zulässig oder unzulässig ist, muß mithin dieser angestrebte Zweck in Beziehung gesetzt werden zu dem dafür eingesetzten Mittel. Ein Druck bestimmter Stärke kann durch ein Mittel erzeugt werden, das zu diesem Zweck erlaubt ist, mit der Folge, daß der Druck dann zulässig ist. Ein gleich starker Druck kann aber auch durch ein zu diesem Zweck unerlaubtes Mittel erzielt werden und deshalb unzulässig sein. Daher kann sich z.B. die Unzulässigkeit der Einflußnahme auf die Willensentscheidung über den Koalitionsbeitritt auch bei einem geringfügigen Druck allein aus der Unzulässigkeit des benutzten Mittels ergeben. Man stelle sich etwa den Fall vor, daß eine Gewerkschaft ihren Mitgliederbestand dadurch zu erhöhen sucht, daß Gewerkschaftsmitglieder nicht organisierte Kollegen, die sich im Betrieb relativ geringfugige Verfehlungen haben zuschulden kommen lassen, im Auftrage der Gewerkschaft vor die Wahl stellen, entweder werde Mitteilung an den Arbeitgeber über die Verfehlung erfolgen oder sie müßten sich zum Beitritt in die Gewerkschaft verpflichten. Selbst wenn der betroffene Außenseiter keinesfalls mit einer Kündigung oder ähnlich schwerwiegenden Maßnahmen zu rechnen hat, der Druck seiner Intensität nach also relativ gering ist, handelt es sich im Ergebnis um eine unzulässige Maßnahme, da dieses Mittel zu dem angestrebten Zweck - Eintritt in die Koalition - von der Rechtsordnung mißbilligt wird. Auf die Zweck-Mittel-Relation als Abgrenzungskriterium hat im übrigen der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits andeutungsweise hingewiesen, indem er im Zusammenhang mit der „Sozialadäquanz" die Straftatbestände der Nötigung und Erpressung erwähnt hat, bei denen der Strafgesetzgeber auf eine ,4m Interesse eines sinnvollen Lebens in der Gemeinschaft" notwendige Abgrenzung von straflosem und strafbarem Druck nicht habe verzichten können 1 1 7 ). In diesen Fällen hat sich der Gesetzgeber gerade der Zweck-Mit-

117

54

)

BAG a.a.O. Teil IV, VIII. 5 c.

tel-Relation als Abgrenzungskriterium bedient (§§ 240 II, 253 II StGB). Dieses Kriterium wird verschiedentlich auch in der Literatur ausdrücklich befürwortet 1 1 8 ). Mit Hilfe der Zweck-Mittel-Relation ist somit über die Rechtmäßigkeit der Junktimklausel des Wirtschaftsverbandes zu entscheiden. Der Zweck, Arbeitgeber zum Eintritt in eine Koalition zu bewegen, fuhrt allerdings nicht per se zur Unzulässigkeit der Maßnahme. Zwar richtet sich diese Zielsetzung gegen die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter, aber umgekehrt kann sich die Koalition ihrerseits auf die positive Koalitionsfreiheit berufen. Daraus folgt, daß eine Maßnahme, die darauf abzielt, Außenseiter zum Beitritt in eine Koalition zu bewegen, nicht schon allein wegen dieser Zielsetzung als unzulässig und rechtswidrig angesehen werden kann. Eine verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Junktimklausel könnte sich jedoch aus dem Einsatz des im konkreten Fall gewählten Mittels zu dem an sich zulässigen Zweck ergeben. Es ist demnach das Mittel „Junktimklausel" und die darin liegende „Drohung" des Entzugs bzw. der Nicht-Gewährung der Vorteile des Wirtschaftsverbandes in Bezug zu setzen zu dem angestrebten Zweck, möglichst viele Mitglieder für die Koalition zu gewinnen. Bei der danach erforderlichen Abwägung ist zu berücksichtigen, daß sich hier die positive (kollektive) Koalitionsfreiheit einerseits und die negative (individuelle) Koalitionsfreiheit andererseits gegenüberstehen. Für die Abgrenzung dieser miteinander kollidierenden Garantien ist davon auszugehen, daß die positive und negative Koalitionsfreiheit keineswegs gleich zu bewerten sind. Die negative Koalitionsfreiheit darf nicht absolut gesetzt betrachtet werden, sie muß_ vielmehr jeweils im Zusammenhang mit der positiven Koalitionsfreiheit und der darin liegenden Garantie eines freien Koalitionswesens gesehen werden 1 1 9 ). Das Verhältnis der negativen zur positiven Koalitionsfreiheit wird dadurch bestimmt, daß die Koalitionsfreiheit im Hinblick auf das Funktionieren der Arbeitsordnung und damit im Hinblick auf die Tätigkeit frei gebildeter Koalitionen gewährleistet wird 1 2 0 ). Wenn die negative Koalitionsfreiheit somit nicht „um ihrer selbst, sondern um der freien Koalitionsbil-

118

)

Wiedemann, SAE 1969, 265, 267; ähnlich Reuß, Aibeitsrechtliches Gutachten, S. 99.

119

)

Hanau, JuS 1969, 213, 218; Wiedemann, RdA 1969, 321, 330;Gitter, JurA 1970, 148, 150 f.

12

°)

Gitter, a.a.O.; Hanau a.a.O.; Wiedemann, a.a.O.

55

dung wegen" geschützt ist 1 2 1 ), dann bedeutet dies für den einzelnen Außenseiter, wie Wiedemann 122 ) mit Recht hervorhebt, daß seine Uninteressiertheit, mangelnde Solidarität oder bloße Negation nicht zum Rechtsgut befördert werden kann; lediglich eine völlige Verplanung seiner Rechtsbeziehung durch Einfuhrung von Zwangsorganisationen braucht er nicht zu befürchten. Wenn auch somit das negative Freiheitsrecht prinzipiell einen geringeren Schutz als die positive Freiheit genießt, weil der Aktivität in der Koalition „ein höherer Wert beigemessen werden m u ß " als „der Passivität des Fernbleibens" 1 2 3 ), so bedeutet dies doch noch nicht, daß das hier eingesetzte Mittel der Junktimklausel zu dem angestrebten Zweck verfassungsrechtlich zulässig ist. Einmal ist die Höherwertigkeit der positiven Koalitionsfreiheit in einem etwas anderen Licht zu sehen, wenn diese nicht auf der Arbeitnehmer-, sondern auf der Arbeitgeberseite in Frage steht. Da der einzelne Arbeitgeber selbst tariffähig ist, ist hier das Funktionieren der durch Kollektiwereinbarungen bestimmten Arbeitsordnung auch dann gewährleistet, wenn auf der Arbeitgeberseite Koalitionen nicht gebildet werden oder diese nur einen sehr geringen Organisationsgrad aufweisen. Daher kann hier der negativen Koalitionsfreiheit ein relativ größerer Schutz zugebilligt werden, so daß die Annahme, der eingesetzte Druck zum Beitritt in die Koalition sei unzulässig, näher liegt. Der entscheidende Gesichtspunkt für die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Junktimklausel aber ist der, daß für die erlaubte Zielsetzung sachfremde, nämlich koalitionsfremde, Mittel eingesetzt werden. Wenn die Koalition die Früchte ihrer Tätigkeit dazu benutzen würde, auf Außenseiter einen Druck zum Beitritt auszuüben, wäre, ähnlich wie bei den Differenzierungsklauseln,

121

)

Hanau, a.a.O. S. 218.

122

)

Wiedemann, a.a.O.

123

)

Gitter, a.a.O. S. 151; ebenso Hanau, a.a.O.; Dietlein, a.a.O. S. 203; A.A. insbes. Mayer-Maly, ZAS, 1969, 81, 84 ff, der neuerdings, Negative Koalitionsfreiheit? , S. 22 f, jedoch darauf hinweist, nicht jede die negative Koalitionsfreiheit tangierende Maßnahme oder Abrede sei den Sanktionen des Art. 9 III 2 GG ausgesetzt. Verfassungsbegriffe des Einschränkens und Behinderns bedürften verständiger Interpretation. Diese werde für die negative Koalitionsfreiheit ergeben müssen, daß traditionelle gewerkschaftliche Aktivitäten wie Information und Werbung völlig unbedenklich seien. Es könne unter diesem Aspekt nicht einmal die Bedenklichkeit des Bemühens um Sondervorteile für Organisierte als ausgemacht gelten.

56

zu erörtern, ob und inwieweit ein solcher Druck im Interesse der positiven Koalitionsfreiheit hingenommen werden muß. Hier aber werden die Früchte der Tätigkeit eines anderen Verbandes als Druckmittel eingesetzt. Die Früchte der Tätigkeit des Wirtschaftsverbandes sollen beitrittswilligen Unternehmen nicht zugutekommen, die sich nicht gleichzeitig auch der Koalition anschließen. Die Zugkraft des Wirtschaftsverbandes soll vor den Wagen der Koalition gespannt werden. Dies muß jedenfalls dann gelten, wenn die Zugkraft der Wirtschaftsvereinigung infolge der mit der Mitgliedschaft verbundenen Vorteile so groß ist, daß die Nichtmitgliedschaft zu einer unbilligen Benachteiligung im Wettbewerb führen würde, so daß die Vereinigung gemäß § 27 GWB zur Aufnahme von Bewerbern gezwungen ist. Wenn eine Koalition gewissermaßen nebenbei noch andere Aufgaben wahrnimmt und ihren Mitgliedern damit Vorteile bietet, die diese ohne Mitgliedschaft nicht hätten, wird man noch nicht ohne weiteres davon sprechen können, daß durch die Zugkraft dieser zusätzlichen Vorteile ein unzulässiger Druck zum Eintritt in die Koalition ausgeübt werde. Das wird man etwa annehmen können, wenn eine Gewerkschaft ihren Mitgliedern einzelne, verhältnismäßig geringfügige Vergünstigungen bietet — wie etwa verbilligte Reisen —, die sie sich, wenn auch vielleicht etwas schwieriger, auch auf andere Weise besorgen könnten. Um eine derartige, unbedeutende Nebenleistung handelt es sich nicht mehr, wenn die mit der Mitgliedschaft in einer Wirtschafts- und Berufsvereinigung verbundenen Vorteile in Rede stehen und wenn ein Außenseiter diese Vorteile infolge der Monopolstellung des Verbandes auch nicht auf andere Weise erlangen kann. Spätestens dann, wenn der von der Wirtschaftsvereinigung zum Beitritt ausgehende Druck so groß ist, daß die Rechtsordnung für den Fall der Nichtaufnahme Aufnahmezwang anordnet, ist auch die Ausnutzung dieses Drucks für die Zwecke einer Koalition verfassungsrechtlich unzulässig; denn in diesem Fall kann von einer freien Koalitionsbildung, in deren Interesse die negative Koalitionsfreiheit gewährt wird, nicht mehr die Rede sein. cc) Parallelsituation der Handwerksinnungen Diesem Ergebnis könnte allerdings die bereits erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur gesetzlichen Verleihung der Tariffähigkeit an Innungen und Innungsverbände entgegengehalten werden 1 2 4 ). Diese Entscheidung

124

)

BVerfGE 20, 312.

57

wird verschiedentlich dahin interpretiert, sie habe einen „gewissen Druck" 1 2 5 ), einen Druck „hoher Intensität" 1 2 6 ) oder sogar einen „äußerst massiven Druck, nämlich den mit etwaigem Existenzverlust" 127 ) für zulässig und rechtmäßig erklärt. Wer dies für richtig hält und damit die Koppelung von Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden rechtfertigen will, der muß sich allerdings auch der sich daraus ergebenden Konsequenzen bewußt sein. Ist es auf Seiten der Arbeitgeber zulässig, organisationsunwillige Unternehmer dadurch in eine Koalition zu drängen, daß man sie vor die Alternative stellt, entweder der Koalition beizutreten oder sich keinem Verband anzuschließen und damit auch auf sämtliche an die Zugehörigkeit zum Wirtschaftsverband (oder zur Innung) geknüpften Vorteile zu verzichten, muß man schon aus Paritätsgründen auch auf der Arbeitnehmerseite einen ähnlichen Druck zulassen, mit dem Arbeitnehmer-Aussenseiter zum Beitritt in eine Gewerkschaft gedrängt werden sollen, zumal die Arbeitnehmer anders als die Arbeitgeber nicht als einzelne tariffähig sind. Konkret bedeutet dies, daß man entgegen der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichtes 128 ) Differenzierungsklauseln zumindest in dem dort untersuchten Umfange zulassen müßte 1 2 9 ). Auf diese Parallele und die sich daraus ergebenden Konsequenzen wird auch — insoweit völlig zutreffend — in der Literatur 1 3 0 ) hingewiesen, vor allem von den Befürwortern der Differenzierungsklauseln 131 ). Däubler spricht in diesem Zusammenhang gar von „Klassenjustiz" 1 3 2 ).

12s

)

Herschel, AibuR 1970, 193, 198.

126

)

Däubler, a.a.O. S. 44.

127

)

Reuß, ArbuR 1970, 33, 35.

128

)

BAG GrS AP Nr. 13 zu Art. 9 GG.

129

)

Leider hat sich der Große Senat, obwohl er die Innungsentscheidung mehrfach zitiert hat, mit dem seinem eigenen Resultat offensichtlich zuwiderlaufenden Ergebnis des Bundesverfassungsgerichts nicht auseinandergesetzt.

130

)

Hamann-Lenz, GG, Art. 9 Anm. B 9.

131

)

Däubler, S. 26,41, 44; Herschel, ArbuR 1970,193, 198; Reuß, ArbuR 1970, 33, 35.

132

)

Däubler, S. 41; s.o. bei FN 7.

58

Entgegen der genannten Auffassung vermag die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jedoch weder für die Frage der Zulässigkeit von Differenzierungsklauseln, noch für die der Rechtmäßigkeit der Koppelung von Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden Maßstäbe zu setzen, weil sie im Ergebnis und in der Begründung nicht überzeugt: Analysiert man die zur Frage der negativen Koalitionsfreiheit 133 ) gegebene Begründung, so ergibt sich, daß diese bereits in sich nicht schlüssig ist. Das Bundesverfassungsgericht erkennt zunächst die negative Koalitionsfreiheit als Bestandteil des Art. 9 III GG a n 1 3 4 ) , indem es ausführt, die Koalitionsfreiheit des einzelnen Handwerkers werde durch die Tariffähigkeit der Innungen „weder rechtlich, noch in einem ins Gewicht fallenden Umfang tatsächlich eingeengt", obwohl der einzelne Handwerker, der sich der Tarifmacht der Innung entziehen, „etwa einem besonderen Arbeitgeberverband beitreten oder überhaupt nicht sozialpolitisch organisiert sein will" 1 3 5 ), zugleich auf die mit der Mitgliedschaft der Innung verbundenen Vorteile verzichten müsse. In diesem Zusammenhang bestätigt das Gericht zunächst ausdrücklich, daß die in der Handwerksordnung „angelegte Koppelung der Zugehörigkeit zu einem tariffähigen Verband mit den Vorteilen einer öffentlich-rechtlichen Berufsorganisation" für den einzelnen Handwerker „einen gewissen Druck" bedeuten könne, sich der Tarifmacht der Innung zu unterwerfen. Bei der nun folgenden Begründung, warum durch diesen Druck die Koalitionsfreiheit des Handwerkers nicht in einem ins Gewicht fallenden Umfange tatsächlich eingeengt werde, befaßt sich das Gericht allerdings nur noch mit dem Fall, daß der Handwerker infolge des Drucks „von dem Beitritt zu einer besonderen Arbeitgeberorganisation" absieht (Problematik der positiven Koalitionsfreiheit). Hierzu meint das Gericht lediglich, dies dürfe „nicht überbewertet werden"; auch sonst seien der Freiheit des einzelnen, einen Arbeitgeberverband zu bilden oder ihm beizutreten, enge Grenzen gesetzt. Es bestehe in der Rechtswirklichkeit ohnehin keine „echte Möglichkeit, mit anderen Arbeitgebern einen konkurrierenden Arbeitgeberverband, etwa der Minderheit, zu bilden". Diese allgemein ge133

)

134

135

unter III, S. 321 f.

)

So wird das Urteil zu Recht allgemein interpretiert, vgl. nur BAG Teil IV, VI. 1, 5 h; Wiedemann, SAE 1969, 265, 266; Säcker, Grundprobleme, S. 35 FN 59; zweifelnd Däubler, S. 29.

)

Hervorhebung vom Verfasser.

59

haltenen Ausführungen sind ohne Überzeugungskraft, da sie von dem Gericht mit keinerlei auf empirischen Erhebungen basierenden rechtstatsächlichen Argumenten untermauert werden. Abgesehen davon vermögen sie auch im Ergebnis nicht zu überzeugen. Ebenso wie es konkurrierende Gewerkschaften gibt — man denke etwa an die Deutsche Angestellten Gewerkschaft, die mit verschiedenen dem DGB angeschlossenen Gewerkschaften konkurriert, oder an die um die Polizeibeamten werbenden Gewerkschaften, die ihren Konkurrenzkampf bis zum Bundesgerichtshof ausgefochten haben 1 3 6 ) — kann es auch — wie o b e n 1 3 7 ) dargelegt — konkurrierende Arbeitgeberverbände geben. Bei einer solchen Sachlage aber kann man den die Entstehung konkurrierender Arbeitgeberverbände verhindernden Druck nicht — wie das Bundesverfassungsgericht dies tut - mit der Behauptung rechtfertigen, es bestehe ohnehin keine Möglichkeit zur Gründung konkurrierender Arbeitgeberverbände. Eine solche Argumentation stellt einen schlichten Zirkelschluß dar. Die genannte — nicht stichhaltige - Beweisführung betrifft allein die Problematik der positiven Koalitionsfreiheit. Der an dieser Stelle relevante und vom Bundesverfassungsgericht zunächst auch angeschnittene Fall, daß der einzelne Handwerker sich überhaupt nicht sozialpolitisch organisieren will, wird von ihr nicht erfaßt. Obwohl das Gericht die negative Koalitionsfreiheit zunächst (implicite) erwähnt und anerkannt hat, wartet man vergebens auf eine Begründung, warum sie durch die Verleihung der Tariffähigkeit an die Handwerksinnungen nicht verletzt sein soll. Faßt man die Analyse der tragenden Entscheidungsgründe zusammen, so ergibt sich folgendes: Dem Ausgangspunkt, daß durch die Tariffähigkeit der Innungen die positive und negative Koalitionsfreiheit „weder rechtlich, noch in einem ins Gewicht fallenden Umfange tatsächlich eingeengt" werden dürfe, ist voll zuzustimmen. Die Gründe dafür, daß eine Beeinträchtigung der positiven Koalitionsfreiheit nicht besteht, überzeugen dagegen nicht, weil sie auf einer empirisch nicht im geringsten abgesicherten Behauptung basieren. Eine Begründung dafür, warum die negative Koalitionsfreiheit nicht unzulässig beeinträchtigt sei, fehlt völlig. Ob das Ergebnis dennoch zutreffend ist, kann dahin-

136

)

Vgl. BGHZ 42, 210; hierzu Fenn, JuS 1965, 175 ff.

137

)

s.o. S. 42

60

stehen 1 3 8 ). Für die hier zu untersuchende Frage kommt es ausschließlich darauf an, ob durch die Junktimklausel die negative Koalitionsfreiheit der betrof-

138

)

Vor allem Reuß (Festschrift für Kunze, S. 269, 271 ff; ders. ArbuR 1963, 1 ff; 1967, 1 ff) hat das Urteil angegriffen; er geht in stärkerem Maße als das Bundesverfassungsgericht auf die rechtstatsächlichen Verhältnisse ein und weist darauf hin, daß der „Handwerker - von Ausnahmefällen abgesehen (z.B. Flickschuster mit ausreichendem Bekanntenkreis als Auftraggeber) - normalerweise aus wirtschaftlichen Gründen auf die Förderungs- und Betreuungsmaßnahmen - die z.T. aus öffentlichen Subsidien stammen - der Innung angewiesen ist, also unter wirtschaftlichem Zwang handelt". (Festschrift für Kunze a.a.O. S. 273). Der kleine Handwerker habe demnach nur die Wahl, im Konkurrenzkampf zu unterliegen und dem Arbeitgeberverband der Monopolinnung fernzubleiben, oder sich zu fugen und das Grundrecht der Koalitionsfreiheit als Illusion anzusehen. Da die Mitgliedschaft in einem tariffähigen Verband nicht nur frei von einem rechtlichen Zwang zur Mitgliedschaft sein müsse, sondern auch kein „wirtschaftlicher (nahezu) unausweichlicher Zwang zum Beitritt" ausgeübt werden dürfe, könne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht gefolgt werden (ähnlich im Ergebnis Hamann-Lenz a.a.O. Art. 9 Anm. B 9). Im übrigen wird die Richtigkeit der Entscheidung von manchen ausdrücklich offengelassen (so z.B. Löwisch, S. 305 f.) Andere verneinen - im Ergebnis ähnlich wie Reuß - die Koalitionseigenschaft der Innungen und Innungsverbände, halten aber die gesetzliche Verleihung der Tariffähigkeit an diese Verbände für verfassungsrechtlich zulässig. (Dietz, S. 439; Richardi, Kollektivgewalt, S. 76 FN 96; Nipperdey-Säcker, ArbRBlattei D Tarifvertrag II Abschluß A Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit, I 2 d). Soweit schließlich unter Berufung auf diese Entscheidung Schlüsse zur Problematik der Differenzierungsklausel gezogen werden, erkennen diese Autoren offenbar das Ergebnis des BVerfG als richtig an, ohne sich jedoch mit der Urteilsbegründung auseinanderzusetzen (z.B. Däubler, S. 44;Herschel, ArbuR 1970, 1 9 3 , 1 9 8 ; a n d e r s aber Reuß, ArbuR 1970, 33, 35).

61

fenen Unternehmen „in einem ins Gewicht fallenden Umfange tatsächlich eingeengt" wird. Das aber ist aus den oben 1 3 9 ) dargelegten Gründen zu bejahen 140 ).

139

)

s.o. S. 26 f; 56f.

140

)

Von denjenigen, die für die Zulässigkeit der Differenzierungsklauseln eintreten und sich für dieses Ergebnis auf die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zu den Handwerksinnungen berufen, wird gelegentlich unterstützend eine weitere Parallele gezogen: Man verweist darauf, daß im Wirtschaftsrecht, insbesondere im Kartellrecht, ein vergleichbarer Druck auf Außenseiter für zulässig angesehen werde. So führt neuestens Däubler, S. 39 ff, unter Berufung auf Sinzheimer (JW 1921, 304 ff) und Biedenkopf (JZ 1961, 346, 353) in diesem Sinne aus, „im Kartellrecht (wehe) ein um so viel schärferer Wind". Hier werde der „Wertungswiderspruch" zwischen dem Druck, den man einerseits den Gewerkschaften und andererseits den Organisationen der Unternehmer gegenüber Außenseitern erlaube, so deutlich, daß „man geneigt sein könnte", „von Schizophrenie zu reden" (a.a.O.). Zum Beweis für seine These führt Däubler den Einzelhändler an, dessen Waren zu einem beträchtlichen Teil aus Markenartikeln bestünden. Seien sie preisgebunden, so habe er faktisch keine andere Möglichkeit, als sich dem Preisbindungssystem der Herstellerfirma zu unterwerfen, wenn er nicht schwerste geschäftliche Nachteile bis hin zum Ruin in Kauf nehmen wolle. Diese Argumentation vermag das Ergebnis, daß die Koppelung von Arbeitgeberund Wirtschaftsverbänden einen die negative Koalitionsfreiheit verletzenden Druck auf die Außenseiter ausübt, nicht zu erschüttern, und zwar aus drei Gründen: Zunächst einmal läßt sich die Parallele zwischen dem Beitritt zu einer Gewerkschaft (oder einem Arbeitgeberverband) nicht so ohne weiteres mit dem „Beitritt" zu einem Preisbindungssystem vergleichen, weil die Rechtsfolgen nicht vergleichbar sind. Zum anderen ist der „Druck" für einen Einzelhändler, sich einem Preisbindungssystem anzuschließen, nicht vergleichbar. Es ist nicht richtig, daß der „preisbindungsfeindliche Gewerbetreibende praktisch zu einem Berufswechsel gezwungen" sei (Däubler a.a.O. S. 40). Die Wirklichkeit des Wirtschaftslebens zeigt im Gegenteil, daß bei den meisten Waren neben preisgebundenen Produkten ein breites Sortiment nicht gebundener Produkte angeboten wird (Eine Ausnahme bietet wohl nur der Buchhandel, bei dem allerdings die großen Buchgemeinschaften im Ergebnis eine Durchbrechung der Preisbindung bedeuten). In zahlreichen Fällen sind Gewerbetreibende zu Inhabern bedeutender Unternehmen oder Unternehmensketten geworden, gerade wegen ihrer „preisbindungsfeindlichen" Einstellung. Und schließlich: Selbst wenn man die Parallele zu dem durch Preisbindungssysteme angeblich ausgelösten Druck ziehen könnte, so wäre damit noch kein Beweis für unsere Frage erbracht. Einmal ist die Frage, inwieweit wirtschaftsrechtliche Wertungen auch im Arbeitsrecht gelten, sicher noch nicht ausdiskutiert (s. dazu Steindorff, RdA 1965, 253 ff). Zum anderen wird das Preisbindungsprivileg für (Fortsetzung s.S. 63)

62

d) Teilergebnis Daher muß man zu dem Ergebnis gelangen, daß die Junktimklausel, soweit sie Unternehmen, die überhaupt keiner Koalition beitreten wollen, zum Eintritt in die Arbeitgebervereinigungen drängt, wegen Verstoßes gegen die negative Koalitionsfreiheit als eine gemäß Art. 9 III 2 GG rechtswidrige Maßnahme anzusehen und daher unwirksam ist. B Koppelung im Wege des Einheitsverbandes Bei einem Verband mit Doppelfunktion (Einheitsverband) ist die Rechtslage in allen drei oben genannten Fallgruppen insofern nicht anders, als die Koppelung von Wirtschaftsverband und Arbeitgeberverband auch hier einen Verstoß gegen die positive bzw. negative Koalitionsfreiheit darstellt, sofern der von dem „Wirtschaftsverbandsbereich" ausgehende „Druck" das oben dargestellte Maß erreicht 141 ). Ein Unterschied könnte hier jedoch bezüglich der sich aus Art. 9 III GG ergebenden Rechtsfolge bestehen. In den oben genannten Fällen wurde die unzulässige Koppelung durch die Junktimklausel erreicht und dementsprechend ergab sich aus Art. 9 III 2 GG deren Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit. Beim Einheitsverband wird die Koppelung nicht durch eine einzelne Klausel herbeigeführt, so daß die unzulässige Koppelung auch nicht durch Nichtigkeitserklärung einer solchen Bestimmung aufgehoben werden kann. Da die Koppelung beim Einheitsverband dadurch erreicht wird, daß der Verband beide Zielsetzungen, die eines Wirtschaftsverbandes und die eines Arbeit140

)

Fortsetzung der Fußnote von Seite 62 Markenartikel und Verlagserzeugnisse, wie Däubler selbst hervorhebt, in der Literatur angegriffen (z.B. Müller-Scholz, Preisbindungsprivileg, 10. Aufl., S. 170 ff; Pialimann, JZ 1962, 463; dazu Hefermehl in Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsund Warenzeichenrecht I, § 1 ÜWG Rdn 577 m.w. Nachw.) und rechtspolitisch immer wieder in Frage gestellt.

141

)

Wenn in der Literatur (vgl. Jacobi: Grundlehren, S. 197; Huber, II, § 91 I 1 c, cc; Hueck-Nipperdey, U/1, § 6 III 1 c m.w.Nachw.) erwähnt wird, es beeinträchtige die Koalitionseigenschaft nicht, wenn der Verband neben den tarif- und sozialpolitischen Zielen auch noch andere Ziele verfolge, und es sei gleichgültig, ob die Wahrung und Förderung der „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" Haupt- oder Nebenzweck ist, so ist dem nur insoweit zuzustimmen, als durch die Koppelung der Verbandszwecke kein derartiger „Druck" zur Mitgliedschaft in der Arbeitgebervereinigung ausgeht. - Die hier aufgeworfene Problematik ist von diesen Autoren offenbar nicht gesehen worden.

63

geberverbandes, in seinen Aufgabenkatalog aufgenommen hat, könnte man zunächst daran denken, daß diese Bestimmungen über den Verbandszweck gem. Art. 9 III 2 GG unwirksam sind. Dieser Schluß scheint um so näher zu liegen, als bei vielen Einheitsverbänden, wie o b e n 1 4 2 ) dargelegt, beide Verbandszwekke nicht nur in ein und demselben Satzungsparagraphen, sondern sogar im gleichen Satz aufgeführt werden. Die Folge wäre dann ein Verband mit nichtigem Verbandszweck, also ein Verband ohne Zweck; dies aber müßte wegen der essentiellen Bedeutung des Verbandszwecks für einen Verein die Unwirksamkeit der gesamten Satzung zur Folge haben. Zu einer derart unangemessenen Rechtsfolge zwingt die Verfassung jedoch nicht. Denn der Zweck des Art. 9 III GG, die Betroffenen gegen eine Verletzung ihrer Koalitionsfreiheit zu schützen, kann auch auf andere Weise erreicht werden, nämlich dadurch, daß man dem Einheitsverband die Fähigkeit abspricht, die Mitglieder in sozial- und tarifpolitischer Hinsicht zu vertreten. Dogmatisch ist das damit zu begründen, daß die Satzungsbestimmung, soweit sie diesen Aufgabenbereich festlegt, gem. Art. 9 III 2 GG unwirksam ist. Auf diese Weise wird dem Schutzzweck des Art. 9 III GG, der freigebildete Koalitionen gewährleisten will, Rechnung getragen, und auf der anderen Seite wird der Verband, sofern er die Tariffähigkeit besitzen will, mittelbar angehalten, sich entsprechend umzuorganisieren. Denn bei der endgültigen Lösung des Problems i.S. einer Entflechtung von Wirtschaftsverband und Arbeitgeberverband m u ß der Verband ohnehin positiv durch entsprechende Satzungsänderungen, eventuell Gründung eines zweiten Verbandes, der einen der beiden Funktionsbereiche zu übernehmen hätte, m i t w i r k e n 1 4 3 ) .

§ 5 Ergebnisse und Folgerungen I. Ergebnisse Die Koppelung von Wirtschaftsverbänden und Arbeitgeberverbänden, sei es im Wege einer Junktimklausel, sei es im Wege eines Einheitsverbandes, übt auf die betroffenen Unternehmen einen unzulässigen „Druck" zum Eintritt in die

142

)

s.o. S. 13.

143

)

s.u. S. 67f.

64

Arbeitgebervereinigung aus, sofern der Wirtschaftsverband eine derartige Stellung hat, daß die Voraussetzungen des § 27 GWB erfüllt sind. Bei einer Koppelung im Wege der Junktimklausel hat dies kartellrechtlich die Folge eines Anspruches auf Aufnahme in den Wirtschaftsverband (§ 27 GWB), auch wenn das Unternehmen entgegen der Junktimklausel nicht bereit ist, dem Arbeitgeberverband beizutreten. Tarifrechtlich hat die Koppelung, gleichgültig, ob sie im Wege der Junktimklausel oder im Wege des Einheitsverbandes erreicht wird, die Tarifunfähigkeit der Arbeitgebervereinigung zur Folge. Verfassungsrechtlich stellt die Koppelung einen Verstoß gegen die positive bzw. negative Koalitionsfreiheit dar mit der Folge, daß die Junktimklausel, oder — bei dem Einheitsverband — die Satzungsbestimmungen über die sozialund tarifpolitische Zielsetzung, gemäß Art. 9 III 2 GG unwirksam sind. II. Folgerungen Für die betreffenden Verbände stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich aus der festgestellten Rechtslage ergeben. Eine Fülle verschiedenartiger Auswirkungen sind hier denkbar, als Beispiel sei nur die mögliche Unwirksamkeit der von den tarifunfähigen Verbänden abgeschlossenen Tarifverträge genannt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die betroffenen Organisationen bisher nach innen und außen wie tariffähige Verbände agiert haben, vor allem auch von ihren Tarifpartnern als tariffähig angesehen wurden und demgemäß mit diesen Tarifverträge abgeschlossen haben. Diese Tatsache des praktischen Vollzugs sowie die Gedanken der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes legen es nahe, hier die Grundsätze anzuwenden, wie sie von Rechtsprechung und Lehre für die fehlerhafte Gesellschaft, den fehlerhaften Verein, aber auch etwa das fehlerhafte Arbeitsverhältnis entwickelt wurden 1 4 4 ). Da144^

Bei der fehlerhaften Gesellschaft können nach heute h.M. Mängel des Gründungsaktes und damit auch des Gesellschaftervertrages bzw. der Satzung, die nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit fuhren würden, nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden; vgl. nur Soergel-SiebertSchultze=v.Lasaulx, § 705 Rdn. 80 ff, mit Überblick über Rechtsprechung und Literatur, Rdn. 83 ff, 87 ff, insbes. Rdn. 91 f; ferner Lehmann-Dietz, § 5 II m.w. Nachw. (Fortsetzung s. S. 66)

65

nach könnten die fehlende Tariffähigkeit und der Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit rückwirkend nicht geltend gemacht werden, sondern nur für die Zukunft berücksichtigt werden. Diese Frage bedarf jedoch für jede einzelne der zahlreichen in Betracht kommenden unterschiedlichen Fallgestaltungen und rechtlichen Konsequenzen gesonderter Prüfung. Daher kann dies hier nicht weiter verfolgt werden. Im Vordergrund steht für die betroffenen Organisationen die Frage, auf welche Weise die unzulässige Koppelung vermieden werden kann und inwieweit es möglich ist, die von den Organisationen erwünschte Verbundenheit aufrechtzuerhalten. In den in der Rechtswirklichkeit selteneren Fällen der Koppelung durch Junktimklausel besteht die einfachste Lösungsmöglichkeit darin, die (ohnehin unwirksame) Junktimklausel in der Satzung des Wirtschaftsverbandes zu streichen. Da dann die Koppelung auch faktisch beseitigt ist, steht der Anerkennung der Tariffähigkeit der Arbeitgebervereinigung nichts mehr im Wege. Unbenommen bleibt den Organisationen die Möglichkeit, im Interesse ihrer wei144

)

(Fortsetzung der Fußnote von S. 65) Dieser Gedanke wird zunehmend auch auf das Vereinsrecht übertragen, vgl. Soergel-Siebert-Schultze^v. Lasaulx,§ 25 Rdn. 12 f ; Staudinger-Coing, § 21 Rdn. 25 f f ; vgl. aber auch andererseits Soergel-Siebert-Schultzerv.Lasaulx, Rdn. 52 f. vor § 21 m.w.Nachw.; Reichert-Dannecker-Kühr, S. 20 f f . Weitgehend ähnliche Grundsätze gelten für das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, vgl. statt aller Hueck-Nipperdey I, §§ 21 I V 4, 32 I I I 1; Söllner, § 28 II, jew. m.w. Nachw. Ähnliche Gedanken der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes liegen der Rspr. des B V e r f G zur zeitlich begrenzten Weitergeltung verfassungswidriger Gesetze zugrunde, vgl. z.B. BVerfGE 12, 281; 21, 12; hierzu ausführl. Bockenförde, Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, 1966; ferner Sandtner, BayVBl. 1969, 232; Puppe, DVB1. 1970, 317; Weißauer-Hesselberger, D ö V 1970, 325. In Anwendung dieser Gedanken könnte man daran denken, daß auch für Rechtsakte der Arbeitgebervereinigung die hier in Frage stehenden Mängel erst für die Zukunft geltend gemacht werden können. Andererseits darf die Versagung der Rückwirkung der Unwirksamkeit nicht mit den Grundprinzipien unserer Rechtsordnung in Widerspruch stehen. Sieht man Art. 9 I I I G G als Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB, so könnte man doch zu dem Ergebnis gelangen, die aus der Tätigkeit der Arbeitgebervereinigung folgenden Rechtsakte rückwirkend als unwirksam anzusetzen. Dies kann hier jedoch nicht näher untersucht werden.

66

teren Verbundenheit eine Personalunion der Geschäftsführung und möglicherweise auch des Vorstandes herbeizuführen 1 4 5 ). Schwerwiegender sind die Konsequenzen bei der Koppelung im Wege des Einheitsverbandes. Eine rechtlich einwandfreie Trennung beider Funktionen läßt sich hier an sich nur erreichen, wenn man die Funktion des Wirtschaftsverbandes oder die des Arbeitgeberverbandes ausgliedert und hierfür einen neuen, zweiten Verband gründet. Dies kann allerdings wegen der dadurch möglicherweise bedingten Vermögensaufteilung mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sein. Wegen dieser Schwierigkeiten ist daran zu denken, innerhalb des Einheitsverbandes eine Wirtschaftsverbandsabteilung und eine sozial- und tarifpolitische Abteilung zu schaffen. Diesen Weg hat der bereits eingangs 146 ) zitierte Verband zu gehen versucht, indem er seinen Mitgliedern die Möglichkeit einräumt, zu erklären, daß sie nur in wirtschaftspolitischen oder nur in sozialpolitischen und sozialrechtlichen Angelegenheiten vertreten sein wollen. Falls dieser Weg wirklich gangbar wäre, hätte er gegenüber der Lösung von zwei Verbänden den zusätzlichen Vorteil, daß eine gewisse Verbundenheit zwischen beiden Verbänden und zugleich eine gewisse Kontinuität gegenüber dem bisherigen Zustand zum Ausdruck käme. Nicht zu unterschätzen wäre auch der psychologische Faktor, daß Mitglieder der Wirtschaftsverbandsabteilung zugleich Mitglieder der sozial- und tarifpolitischen Abteilung werden, sofern sie nicht ausdrücklich die notwendige Negativ-Erklärung abgeben. Gegen diese Lösung, die auf eine Art „partieller" Mitgliedschaft hinausläuft, bestehen jedoch erhebliche rechtliche Bedenken. Zwar existieren in der Rechtswirklichkeit verschiedentlich Verbände mit einer ähnlichen „partiellen" Mitgliedschaft, insbesondere im Bereich des Sports. Sportvereine haben häufig Abteilungen für verschiedene Sportarten, z.B. eine Fußballabteilung, eine Tennisabteilung, eine Fechtabteilung usw. Die Mitgliedschaft ist dann intern zunächst auf die Abteilung bezogen, auch die Höhe des Beitrags richtet sich

14s

)

Diesen Vorschlag macht Reuß, ArbuR 1967, 1, 7.

146

)

s.o. S. 15f.

67

nach der jeweiligen Abteilungszugehörigkeit; teilweise ist daneben ein Grundbeitrag für den Gesamtverein zu bezahlen. Die Abteilungen besitzen einen sogenannten Abteilungsvorstand oder Abteilungsvorsitzenden, daneben besitzt der Verein einen Gesamtvorstand. Neben den Mitgliederversammlungen der Abteilungen findet eine Gesamtmitgliederversammlung statt. Rechtsprechung und Literatur haben — soweit ersichtlich — zu diesem Phänomen der Rechtswirklichkeit bisher noch nicht Stellung genommen 1 4 7 ). Ob sich dieses Modell der Sportvereine, seine rechtliche Zulässigkeit einmal unterstellt, auch für die Abteilungen in unserem Sinne, durch die die unzulässige Koppelung von Wirtschafts- und Arbeitgeberverband aufgehoben werden soll, eignen würde, erscheint allerdings äußerst zweifelhaft. Bei dem Modell der Sportvereine stellen die Abteilungen keine rechtlich selbständigen Gebilde dar. Durch Willenserklärungen, die der Gesamtvorstand abgibt, wird im Außenverhältnis der gesamte Verein verpflichtet. Soweit Abteilungsvorstände bevollmächtigt sind, für den Verein bindende Willenserklärungen abzugeben, wird auch durch deren Rechtshandlungen der Gesamtverein berechtigt und verpflichtet. Die Trennung des Sportvereins in die verschiedenen Abteilungen wird bei diesem Modell also nur höchst unvollkommen vollzogen, d.h. im wesentlichen handelt es sich auch hier um einen Einheitsverband, jedoch mit einer internen Untergliederung in Abteilungen. Dies ist rechtlich unbedenklich, da die Koppelung mehrerer Sportarten zu einem Einheitsverband nicht untersagt ist.

147

68

)

RG JW 1929, 1239 hat die Ansicht vertreten, die Mehrheit eines Vereins, die gegen die Minderheit eine Änderung des Vereinszwecks beschließt, scheide aus dem Verein dann nicht aus, wenn die beiderseitigen Zwecke miteinander vereinbar sind; Mehrheit und Minderheit bildeten dann Gruppen innerhalb desselben Vereins. Soweit die Literatur hierzu Stellung nimmt, wird meist nur die Vereinbarkeit der Zwecke in dem vom RG entschiedenen konkreten Fall, nicht jedoch die grundsätzliche Zulässigkeit derartiger Gruppenbildungen innerhalb eines Vereins erörtert, vgl. die Anm. von Heinrici, JW 1929, 1239, Reichel, JW 1929, 1647; Friedrichs, JW 1929, 2428; vgl. ferner Soergel-Siebert-Schultzerv. Lasaulx, § 33 R d n . 6 . ; R e u ß , Festschrift für Kunze, S. 273, erwähnt die theoretische Möglichkeit einer partiellen Mitgliedschaft in Verbänden, äußert sich aber nicht weiter dazu, inwieweit dies in privatrechtlichen Vereinigungen zulässig ist.

Für das vorliegende Problem aber, bei dem die Koppelung von Wirtschaftsverband und Arbeitgebervereinigung unzulässig ist, müßte gerade ein Modell entwickelt werden, bei dem die Trennung zwischen den verschiedenen Abteilungen so vollkommen ist, daß verfassungsrechtliche und tarifrechtliche Bedenken nicht mehr bestehen. Dazu wäre erforderlich, daß durch Handlungen von Vereinsfunktionären auf dem tarif- und sozialpolitischen Sektor auch nur die Mitglieder der entsprechenden Abteilung berechtigt und verpflichtet würden. Denn nur dann würde der gewünschte Effekt erreicht, daß lediglich die Mitglieder der sozialpolitischen Abteilung der Tarifmacht unterworfen sind. Vor allem müßte wegen der notwendigen Legitimation derer, die für die tarifpolitische Abteilung rechtsverbindlich zu handeln befugt sind, sichergestellt werden, daß die Willensbildung bezüglich der tarifpolitischen Angelegenheiten nur innerhalb dieser Abteilung erfolgt. Dies bedeutet unter anderem, daß diejenigen Personen, die für die tarifpolitische Abteilung Willenserklärungen abgeben, nur durch die Mitglieder dieser Abteilung legitimiert werden und daher auch nur durch sie gewählt werden. Hiernach hätten sowohl die Mitglieder der tarifpolitischen Abteilung wie die der Wirtschaftsverbandsabteilung je einen eigenen Vorstand zu wählen, gemäß § 26 BGB aber auch einen Gesamtvorstand. Dieser hat dann an sich die Möglichkeit, auch für die tarifpolitische Abteilung rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben, so daß die Gefahr besteht, daß die Mitglieder der Wirtschaftsverbandsabteilung auf das Handeln der tarifpolitischen Abteilung im Endeffekt Einfluß nehmen können. Ob diese Gefahr durch eine entsprechende Ausgestaltung der Satzung ausreichend ausgeschlossen werden kann, erscheint angesichts der zwingenden Notwendigkeit eines Gesamtvorstandes i.S. des § 26 BGB höchst zweifelhaft. Sinnvollerweise müßte das Modell weiterhin so ausgestaltet sein, daß auch die Vermögensmassen der beiden Abteilungen getrennt sind, so daß für Handlungen der sozialpolitischen Abteilung auch nur deren Vermögen haftet und umgekehrt. Auch hier tauchen wieder erhebliche Schwierigkeiten auf. Ob ein solches Modell rechtlich möglich ist und wie es gegebenenfalls auszugestalten wäre, müßte noch eingehend untersucht werden, da, soweit ersichtlich, hier weder in der Rechtswirklichkeit Vorbilder existieren 1 4 8 ), noch eine recht-

148

)

In dem oben (S. 15) erwähnten Fall aus der Praxis sind alle diese Fragen in der Satzung nicht berücksichtigt.

69

liehe Diskussion über diese Fragen stattgefunden hat. Relativ geringe Schwierigkeiten dürfte es bezüglich der rechtlichen Konstruktion geben, wenn man die tarifpolitische Abteilung in der Form eines rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen Vereins organisiert. Dann handelt es sich allerdings im Ergebnis um einen selbständigen Verband, der lediglich den Namen „Tarifpolitische Abteilung" trägt. Immerhin könnte dies für die Mitgliederwerbung von Vorteil sein und auch im Zusammenhang mit der zweckmäßigen Personalunion verschiedener Ämter eine Rolle spielen.

70

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220-

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Kommentare und Monographien für die Praxis

J. Schweitzer Verlag Berlin MEISNER—STERN—HODES

Nachbarrecht im Bundesgebiet (ohne Bayern) und in WestBerlin 5., verbesserte und vermehrte Auflage. A b der 2. Auflage bearbeitet von Dr. Fritz Hodes, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt a.M. Oktav. X X X , 923 Seiten. 1970. Ganzleinen DM 1 1 2 , - ISBN 3 8059 0004 X MÜLLER

Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten von Dr. jur. Heinzjörg Müller, Saarbrücken. Oktav. X V I , 115 Seiten. 1970. Kartoniert DM 1 8 , - ISBN 3 8059 0007 4 PETTE RS—PREISE N D A N Z

Strafgesetzbuch Lehrkommentar mit Erläuterungen und Beispielen, ausgewählten Nebengesetzen sowie je einem Anhang über Jugendstrafrecht, Jugendschutz und Strafprozeßrecht. 27., überarbeitete und ergänzte Auflage von Holger Preisendanz, Erster Staatsanwalt in Heidelberg. Oktav. X V I , 743 Seiten. 1971. Ganzleinen DM 3 8 , ISBN 3 8059 0229 8 PIKALO-BENDEL

Grundstückverkehrsgesetz Kommentar von Notar Dr. Alfred Pikalo, Düren, Lehrbeauftragter für Landwirtschaftsrecht an der Universität Köln, und Dr. Bernold Bendel, Sachbearbeiter bei der Landwirtschaftskammer Rheinland in Bonn. Oktav. X X I V , 1262 Seiten. 1963. Ganzleinen DM 1 2 0 , - ISBN 3 8059 0075 9 SCH M I T Z - H E RSCHEI DT

Die Unternehmernachfolge in der OHG von Todes wegen von Dr. Friedhelm Schmitz-Herscheidt, Rechtsanwalt, Dipl.-Kaufmann in Münster. Oktav. X X V I I I , 209 Seiten. 1969. Kartoniert DM 2 8 , - ISBN 3 8059 0013 9

J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen. 11., neubearbeitete Auflage. LexikonOktav. Voraussichtlich 20 Teilbände. Das Werk wird nur komplett abgegeDen. (Angaben über die Einzelbände im Verlagsverzeichnis)