Berufsfreiheit im Alter: Verfassungsrechtliche und arbeitsrechtliche Schranken tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen [1 ed.] 9783428467679, 9783428067671


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Berufsfreiheit im Alter: Verfassungsrechtliche und arbeitsrechtliche Schranken tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen [1 ed.]
 9783428467679, 9783428067671

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft

Band 40

Berufsfreiheit im Alter Verfassungsrechtliche und arbeitsrechtliche Schranken tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen

Von

Raimund Waltermann

Duncker & Humblot · Berlin

RAIMUND WALTERMANN

Berufsfreiheit im Alter

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp

Band 40

Berufsfreiheit im Alter Verfassungsrechtliche und arbeitsrechtliche Schranken tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen

Von Raimund Waltermann

Duncker & Humblot * Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Waltermann, Raimund: Berufsfreiheit im Alter: verfassungsrechtliche und arbeitsrechtliche Schranken tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen / von Raimund Waltermann. Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 40) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06767-3 NE: GT

D6 Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-06767-3

Vorwort Die rechtliche Problematik der Regelung von Altersgrenzen für die Berufsarbeit ist immer wieder Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen. So hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1959 über eine gesetzliche Regelung zu befinden, nach der Hebammen, wenn sie das siebzigste Lebensjahr vollendet hatten, in ihrem Beruf nicht mehr tätig sein durften. Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts lassen sich zahlreiche Entscheidungen nennen, die sich mit der Wirksamkeit von Altersgrenzen befassen. Die vorliegende Arbeit ist die nur unwesentlich ergänzte Fassung meiner Dissertation, die dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 1988/89 vorlag. Sie befaßt sich mit im Bereich der abhängigen Arbeit verbreiteten kollektivvertraglichen Altersgrenzenregelungen in Tarifverträgen und untersucht, inwieweit der Regelungsbefugnis der Koalitionen im Bereich der Tarifautonomie durch die Berufsfreiheit Älterer Grenzen gezogen sind. Die Arbeit wurde im September 1988 abgeschlossen. Bis März 1989 veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur sind in den Fußnoten berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Dr. h.c. (F.) Wilfried Schlüter. Er hat die Arbeit angeregt und hilfreich gefördert. Neben ihm hat Herr Professor Dr. Helmut Kollhosser die Dissertation als Zweitberichterstatter begutachtet und es ermöglicht, daß meine Arbeit in diese Schriftenreihe aufgenommen wurde. Wertvolle Anregungen verdanke ich Herrn Privatdozent Dr. Detlev W. Belling, M. C. L., der meine Arbeit von Anfang an interessiert begleitet hat. Das Manuskript hat Frau Kirsten Reinersmann präzise und mit viel Übersicht geschrieben. Iris Sauer und Jutta Bielefeld haben die Überarbeitung der Druckvorlage mit mir geteilt. Ihnen allen sage ich an dieser Stelle herzlichen Dank. Dank schulde ich auch dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Münster für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe „Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft" und dem Verlag Duncker & Humblot für die verlegerische Betreuung des Manuskripts. Münster, im September 1989 Raimund Waltermann

Inhaltsübersicht 1. Kapitel Berufsarbeit im Alter? Einführung in die Problematik I. Berufsarbeit im Alter und Gesellschaft

15

1. Zur Bedeutung von Berufsarbeit

15

2. Berufsarbeit Älterer heute a) Gesellschaftliche Voraussetzungen b) Altersgrenzen in der Privatwirtschaft c) Ist Berufsarbeit im Alter wünschenswert?

18 18 22 24

II. Berufsarbeit im Alter und Rechtsordnung

28

1. Einfach-gesetzliche Regelungen

29

2. Die Verfassung

30

III. Berufsarbeit im Alter in der Rechtsprechung und im rechtswissenschaftlichen Schrifttum

30

1. Die Rechtsprechung a) Bundesverfassungsgericht b) Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof c) Bundesarbeitsgericht

31 31 32 33

2. Das neuere rechtswissenschaftliche Schrifttum

37

IV. Rechtsprobleme tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen

39

1. Ziel und Gegenstand der Arbeit

39

2. Einführung in die rechtliche Problematik. Vorgehensweise a) Altersgrenzen als Gegenstand des Tarifvertrages b) Schranken tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen aa) Arbeitsrechtliche Schranken bb) Verfassungsrechtliche Schranken

39 39 43 43 44

Inhaltsübersicht

8

2. Kapitel Einfach-gesetzliche Schranken tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen I. Problemstellung II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und Kündigungsschutz A. Vorbemerkung

47 48 48

1. Bestandsschutz durch das KSchG

48

2. Ältere Arbeitnehmer und Kündigungsschutz

49

B. Die Maßgeblichkeit des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes für tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen

50

1. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

50

2. Stellungnahmen im Schrifttum

53

3. Eigene Stellungnahme und Lösungsvorschlag a) Auslegung des KSchG b) Das Wertungsproblem c) Lösung im Wegerichterlicher Rechtsfortbildung? aa) Der Umgehungsgedanke als methodische Grundlage - Kritik an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (1) Die Übertragung der Grundsätze des Großen Senats für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse auf Regelungen durch Tarifvertrag (2) Die Tragfähigkeit der Figur der Gesetzesumgehung . . . bb) Analogie zum KSchG

55 56 56 58

Zusammenfassung zu II

59

59 64 68 73

III. § 75 Abs. 1 S. 2 BetrVG als Grenze tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen? 74 1. Der Meinungsstand

74

2. Eigener Standpunkt

75

IV. Art. 6 § 5 RRG als Grenze tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen? . . .

75

1. Der Meinungsstand

75

2. Eigener Standpunkt

76

V. Ergebnis

77

Inhaltsübersicht

9

3. Kapitel Tarifvertragliche Regelung von Altersgrenzen und Art. 12 Abs. 1 GG I. Berufsfreiheit und Tarifvertrag

78

1. Berufsfreiheit im kollektiven Arbeitsrecht

78

2. Berufsfreiheit als Freiheitsrecht einer selbstbestimmten Lebensführung . .

81

3. Berufsfreiheit und Lebensalter

83

4. Das Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht gegenüber den Tarifvertragsparteien? a) Der Meinungsstand b) Stellungnahme

83 85 86

Zusammenfassung zu I

92

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelung als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG A. Der Regelungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG

92 92

1. Abhängige Arbeit

92

2. Ausländische ältere Arbeitnehmer

93

3. Wahlaspekt und Ausübungsaspekt

94

B. Der Prüfungsmaßstab für die Beurteilung tarifvertraglicher Altersgrenzen

96

1. Der Meinungsstand

96

2. Eigener Standpunkt

97

Zusammenfassung zu II

101

III. Konkretisierung der Schranken des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG durch tarifvertragliche Regelung von Altersgrenzen 101 A. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG und Schrankenkonkretisierung durch Tarifvertrag 102 1. Problemstellung

102

2. Die Grundsätze der Facharzt-Entscheidung

103

3. Lösungsvorschlag

104

4. Formulierung von „Gemeinschaftsinteressen" durch die Tarifvertragsparteien 107 B. Die Schranken des Rechts der freien Berufswahl

110

C. Die Schranken des Rechts der freien Arbeitsplatzwahl

112

1. Der Meinungsstand 112 a) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofes 112 b) Der Meinungsstand im Schrifttum 114

10

Inhaltsübersicht

2. EigenerStandpunkt a) Wortlaut und Systematik b) Teleologie Zusammenfassung zu III

115 115 115 121

4. Kapitel Zu den Begrenzungsmöglichkeiten durch tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen im einzelnen I. Vorgehen II. Bestimmung der Eingriffsstufe

122 123

III. Isolierte Zielbetrachtung

124

1. Legitimität des Zieles

126

2. Richtige Einschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten

127

IV. Geeignetheit des Mittels und Erforderlichkeit seiner Anwendung

133

1. Eignung 133 a) Regelungen zur Sicherung des Leistungsstandes 134 b) Beschäftigungspolitisch motivierte Regelungen und Regelungen zur Beeinflussung von Altersstruktur, Aufstiegschancen und Personalplanungen 134 2. Erforderlichkeit 135 a) Regelungen zur Sicherung des Leistungsstandes 135 b) Beschäftigungspolitisch motivierte Regelungen 137 c) Regelungen zur Beeinflussung von Altersstruktur, Aufstiegschancen und Personalplanungen 138 V. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Proportionalität) 1. Regelungen zur Sicherung des Leistungsstandes

139 140

2. Regelungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Beeinflussung von Altersstruktur, Aufstiegschancen und Personalplanungen 141 3. Insbesondere: Altersversorgung, Verlängerungsmöglichkeit und Üblichkeit als Rechtfertigungsgründe? 144 a) Altersversorgung 144 b) Verlängerungsmöglichkeit 147 c) Üblichkeit 149 Zusammenfassung der wichtigsten Gesichtspunkte

150

Literaturverzeichnis

155

Abkürzungsverzeichnis

a. Α. a. a. Ο. abl. Abs. AcP Anm. AöR AP AR-Blattei Art. Aufl. AuR AVG AVNotNds. AVNotNW Az. BAG B AGE BAT BauO BB BBG Bd. Begr. Bern. Beschl. BetrVG BGB BGBl. BGH

anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Absatz Archiv für die civilistische Praxis Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsrecht-Blattei Artikel Auflage Arbeit und Recht Angestelltenversicherungsgesetz Allgemeine Verfügung des Justizministers in Angelegenheiten der Notare (Niedersachsen) Allgemeine Verfügung des Justizministers in Angelegenheiten der Notare (Nordrhein-Westfalen) Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichtshofes Bundes-Angestellten-Tarifvertrag Bauordnung Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Band Begründung Bemerkung Beschluß Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof

12

BGHZ

Bl. BRRG BT BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzw. d. h. DB ders. DGB dies. Diss. DJT DNotZ Dok. DöV DRiG Drs. DVB1. DVO EG Einf. Einl. EzA f., ff. Festschr. Fn. Gedächtnisschr. gem. GG ggf. GS GVB1. h. L.

Abkürzungsverzeichnis

Entscheidungssammlung für Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichtshofes und der Bundesanwaltschaft Blatt Beamtenrechtsrahmengesetz Bundestag Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, herausgegeben von den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichts beziehungsweise das heißt Der Betrieb derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund dieselbe(n) Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Notar - Zeitschrift Dokument Die öffentliche Verwaltung Deutsches Richtergesetz Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Europäische Gemeinschaft Einführung Einleitung Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende (Seite), folgende (Seiten) Festschrift Fußnote Gedächtnisschrift gemäß Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Großer Senat Gesetz- und Verordnungsblatt herrschende Lehre

Abkürzungsverzeichnis

Halbbd. HebammenG Hrsg. i. S. i. V. m. ILO insbes. JA JMB1. JR Jura JurA JuS JZ KSchG LAG LBG lit. LS m. m. w. Nachw. MTV Münch. Komm. MuSchG n. F. NJW Nr. NRW NVwZ NZA ÖJZ ord. OVG Prot. R. RAG RdA RdNr. Reg.-Begr. RG RGBl.

Halbband Hebammengesetz Herausgeber im Sinne in Verbindung mit The International Labour Organization insbesondere Juristische Arbeitsblätter Justizministerialblatt Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Analysen Juristische Schulung Juristenzeitung Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Landesbeamtengesetz Buchstabe Leitsatz mit mit weiteren Nachweisen Manteltarifvertrag Münchener Kommentar zum BGB Mutterschutzgesetz neuer Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Österreichische Juristenzeitung ordentliche Oberverwaltungsgericht Protokoll Rückseite Reichsarbeitsgericht Recht der Arbeit Randnummer Regierungsbegründung Reichsgericht Reichsgesetzblatt

14

RGRK RGZ RRG Rspr. RVO S. s. SAE SchwbG sog. Sp. SPD st. Rspr. TV TVG u. a. U. S. A. u. U. UNO v. Verh. vgl. Vorbem. VRG VVDStRL w. ζ. B. ζ. T. zahlr. ZfA Ziff.

Abkürzungsverzeichnis

Kommentar zum BGB, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichtshofes Rentenreformgesetz Rechtsprechung Reichsversicherungsordnung Seite siehe Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwerbehindertengesetz sogenannt Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands ständige Rechtsprechung Tarifvertrag Tarifvertragsgesetz unter anderen(m) United States of America unter Umständen United Nations Organization vom Verhandlungen vergleiche Vorbemerkung Vorruhestandsgesetz Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer weitere zum Beispiel zum Teil zahlreich Zeitschrift für Arbeitsrecht Ziffer

1. Kapitel

Berufsarbeit im Alter? - Einführung in die Problematik I. Berufsarbeit im Alter und Gesellschaft Altersgrenzen für Berufsarbeit werfen nicht in erster Linie rechtliche Probleme auf. Sie berühren vielmehr in grundsätzlicher Weise die Frage des Verhältnisses einer Gesellschaft zu ihren älteren Menschen1. 1. Zur Bedeutung von Berufsarbeit Die berufliche Arbeit macht einen wichtigen Bereich unseres Lebens aus. Ihr gilt ein großer Teil unserer Aufmerksamkeit und Zeit. Schon die Schulzeit steht im Zeichen der Vorbereitung auf eine spätere Berufstätigkeit. Seit die Existenz des Menschens überwiegend durch die Verwertung der Arbeitskraft gewährleistet wird 2 , bestimmt der materielle Ertrag der beruflichen Arbeit über die wirtschaftlichen Daseinsbedingungen des einzelnen und der Familien. Von den wirtschaftlichen Daseinsbedingungen hängt maßgeblich ab, welche realen Chancen der Persönlichkeitsentfaltung dem einzelnen zukommen; sie bestimmen über die Möglichkeiten gesellschaftstypischen Teilhabens an der Gesellschaft. Persönlichkeitsentfaltung kann zudem in beruflicher Arbeit selbst geschehen. Für diejenigen, die Arbeit haben, bestimmen die Umstände ihrer Berufsarbeit über die Möglichkeiten zu Selbstbestimmung und persönlicher Entfaltung in die1 Siehe dazu die Betrachtungen von Gegebenheiten der Ethnologie und die Untersuchungen über das Alter in den historischen Gesellschaften bei de Beauvoir , Das Alter, 2. und 3. Kapitel. Eingehend zur Problematik: Wiener Internationaler Aktionsplan, 1982 von der Weltversammlung zu Fragen des Alterns verabschiedet. Siehe aus neuerer Zeit ferner Schachtner, Störfall Alter (1988). Zur gegenwärtigen Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer siehe die ILO-Studie (1986) von Standing, Older worker marginalisation, S. 329 ff. 2 In der Agrargesellschaft und der bürgerlichen Gesellschaft geschah dies durch die Nutzung privaten Eigentums. Dementsprechend galten die Bemühungen um Freiheitssicherung dem Schutz des privaten Eigentums. Der Entwicklung der Industriegesellschaft entspricht es, daß die Berufsfreiheit als ein Schwerpunkt grundrechtlichen Schutzes in den Vordergrund gerückt ist. Aspekte der Entwicklung bei Klages, Entwicklung, S. 13 ff., 25 f.

16

1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

sem wichtigen Lebensbereich3. Vor allem in der Diskussion um die Berufstätigkeit der Frau hat dieser Aspekt der Selbstverwirklichung durch Berufsarbeit Bedeutung erlangt. Berufsarbeit bietet ferner eine Möglichkeit, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Und schließlich bilden Beruf und Berufstätigkeit wichtige Faktoren für Stellung und Ansehen4 des einzelnen in unserer Gesellschaft. Der Lebensbereich der Berufsarbeit hat somit nicht nur für die Existenzsicherung, sondern für die Lebensführung überhaupt, insbesondere für die Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung des einzelnen, besondere Bedeutung. Dieser Aspekt wird demgemäß auch in den internationalen Menschenrechtspakten betont: Sowohl in der Europäischen Sozialcharta von 19615 wie auch im Pakt der Vereinten Nationen über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von 19666 nimmt das Recht auf Arbeit 1 einen besonders wichtigen Platz ein; es gehört zu den zentralen menschenrechtlichen Postulaten8. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Bedeutung der beruflichen Arbeit für die Selbstbestimmung des einzelnen von Anfang an hervorgehoben 9. Entsprechend dieser Bedeutung der Berufsarbeit führt Arbeitslosigkeit 10 anerkanntermaßen nicht nur zu 3

Zweifellos sind diese Möglichkeiten für sehr viele Menschen real nicht gegeben. Näher zu diesem Aspekt Fürstenberg, Berufs Wirklichkeit, S. 54 ff. 5 Siehe Europäische Sozialcharta v. 18. 10. 1961, BGBl. 1964 IIS. 1261 ff. Siehe Teil II Art. 1 - 3. 6 Siehe Internationaler Pakt v. 19. 12. 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, BGBL 1973 II S. 1569 ff. Es wird das Recht auf Arbeit als Ermöglichung der Freiheit zu arbeiten mit dem Recht auf Existenz verknüpft. 7 Zum Recht auf Arbeit in der Gesellschaft, auch vor dem Hintergrund der Geschichte, Ramm, Recht auf Arbeit, S. 65 ff. 8 Thiele, Recht auf Arbeit, S. 97. 9 Grundlegend BVerfGE 7, 377 (397 f.) - Apotheken: „Art. 12 Abs. 1 schützt die Freiheit des Bürgers in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich: er gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als „Beruf 4 zu ergreifen, d.h., zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen ... Wohl zielt das Grundrecht auf den Schutz der - wirtschaftlich sinnvollen - Arbeit, aber es sieht sie als „Beruf', d.h. in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im ganzen, die sich erst darin voll ausformt und vollendet, daß der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt." Siehe noch BVerfGE 30, 292 (334) - Mineralölbevorratung; 50, 290 (362) - Mitbestimmung; 76, 171 (184) - Anwaltliches Standesrecht. Aus dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum siehe ζ. B. Bull, Die Staatsaufgaben, S. 207 ff. Zusammenfassend Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35 ff.; Häberle, JZ 1984, 345 (349, mit Nachw. in Fn. 31). Es gibt aber auch eine lediglich funktionale Berufsauffassung; Beruf wird auf reine Erwerbstätigkeit reduziert, er erscheint weder als Mittel zur Selbstverwirklichung noch als Lebensaufgabe. Diese Zwecke werden in Sozialsphären jenseits des Berufs verwiesen. Dies erscheint auch als eine Antwort des Menschen auf die Berufswirklichkeit der arbeitsteiligen Industriegesellschaft. Siehe z. B. Fürstenberg, Berufswirklichkeit, S. 57 f. Aus philosophischer Sicht siehe die Gedanken von Baruzzi, Recht auf Arbeit, insbes. S. 26 ff., 52 ff., 72 ff.; Arbeit und Beruf, S. 191 ff., insbes. 199 f., 203 f., 205. 4

I. Berufsarbeit im Alter und

e c h t

17

materiellen, sondern darüberhinaus auch zu psychischen und seelischen Problemen sowie zu gesellschaftlicher Ausschließung. Eine besondere Art arbeits/ös, d. h. ohne Berufsarbeit zu sein, ist der Ruhestand. Diese Aussage wird auf den ersten Blick befremden. Als ein Zustand ohne Berufsarbeit hat der Ruhestand aber in der Tat viele Gemeinsamkeiten mit dem Zustand längerfristiger „eigentlicher" Arbeitslosigkeit: Weil der Berufsarbeit fast immer eine Ambivalenz innewohnt - sie ist einerseits Mühsal, andererseits aber zugleich Quelle des Interesses, Element des Gleichgewichts und Faktor der Einbeziehung in die Gesellschaft 11 - kann man den Ruhestand als große Ferien aber genauso gut auch als (endgültigen) Hinauswurf betrachten 12. Gewiß gibt es hinsichtlich der Legitimität dieser beiden Arten von Arbeitslosigkeit einen entscheidenden Unterschied; es ist für uns etwas anderes, ob jemand innerhalb der üblichen Erwerbsphase arbeitslos wird ober ob er auf ein volles Arbeitsleben zurückblicken kann. Aber der Ruhestand bedeutet im Leben des arbeitenden Menschen einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Er büßt seine Qualifikation, Kompetenzen und seine soziale Rolle ein; aus dem beruflichen Umfeld herausgenommen, muß er Zeiteinteilung und Gewohnheiten ändern. Die Berufsarbeit als den Lebenslauf gliedernder Faktor entfällt. Oft stellt sich ein Gefühl der Entwertung ein. Denn der Rentner erhält nicht nur weniger Geld als zuvor 13 ; manche betrachten zudem ihre Rente nicht als durch Arbeit erworbenes Recht, sondern nehmen sie wie ein nicht verdientes Almosen entgegen. Der arbeitende Mensch, der bei vermindertem Lebensstandard mit seinem Beruf auch einen gesellschaftlichen Status verliert, fühlt sich nicht selten auf ein Nichts reduziert. In der Gesellschaft gilt er nun als alt 14 . 10

Seit 1983 über 2,2 Millionen Menschen im Jahresdurchschnitt. de Beauvoir , Das Alter, S. 223 f. 12 Baruzzi stellt, was auch für den Ruhestand ohne Berufsarbeit interessant ist, der Arbeitslosigkeit die Berufslosigkeit gegenüber (Arbeit und Beruf, S. 191 (204 ff., 207), so wie er den Gedanken betont, daß es für ihn bei Arbeit und Beruf um zweierlei gehe: „Arbeit bringt das Lebensnotwendige, Beruf die Freiheit des Lebens. Arbeit bringt Erwerb und Besitz, Beruf die Vollbringung des Lebens selbst" (a.a.O., S. 206). Für ihn stellt sich deshalb nicht nur die Frage nach einem Recht auf Arbeit, sondern auch die nach einem Recht auf Beruf (a.a.O. S. 208 ff.); siehe auch dens., Recht auf Arbeit, S. 72 ff.; Schneider, in: VVDStRL 43, S. 15 f.; Lecheler, in: VVDStRL 43, S. 63; Häberle, JZ 1984, 345 (347 f.). 13 Siehe allgemein Standing, Older worker marginalisation, S. 329 (341 f.). Zu den durchschnittlichen Rentenbeträgen nach Altersgruppen in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung siehe Statistik Rentenzugang 1986, S. 40 - 48 und S. 49 - 56. 14 Das Ausscheiden aus dem Berufsleben wird immer wieder als der eigentliche Beginn des Alters gekennzeichnet. Siehe die Nachweise bei Lehr, Psychologie, S. 196. Siehe auch die Feststellung in Ziff. 28 des Internationalen Aktionsplanes zur Frage des Alterns (S. 23): „Das gesellschaftliche Verhaltensschema, demzufolge Menschen schon dann als alt gelten, wenn sie lediglich eine bestimmte Zahl von Jahren erreicht haben, und demzufolge sie unter Umständen durch das Ausscheiden aus dem Berufsleben in ihrer eigenen Gesellschaft in eine Randexistenz abgedrängt werden, ist eines der traurigen Paradoxe des sozio-ökonomischen Entwicklungsprozesses in einigen Ländern. Diese 11

2 Waltermann

18

1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

2. Berufsarbeit Älterer heute a) Gesellschaftliche

Voraussetzungen

In den alten Gesellschaften, die im wesentlichen aus Bauern und Handwerkern bestanden, stimmten Beruf und Leben überein. Der Mensch lebte am Ort seiner Beschäftigung. Ließen für die Arbeit geforderte Fähigkeiten mit dem Alter nach, bestand prinzipiell die Möglichkeit, die Aufgaben den gewandelten Fähigkeiten anzupassen. Allerdings war die Stellung des älter werdenden und erst recht die des schließlich nicht mehr arbeitsfähigen alten Menschen alles andere als beneidenswert 15. Mit dem 19. Jahrhundert und den mit ihm verbundenen Erscheinungen, der industriellen Revolution und der Landflucht, wandelte sich die Beschäftigungssituation 16: Heute ist die Berufsarbeit aus dem Gesamtzusammenhang des Lebens herausgenommen; Leben und Arbeit finden in der arbeitsteiligen Industriegesellschaft an verschiedenen Orten statt. Die Arbeit, auf die der Mensch spezialisiert ist, wird nicht mehr den Möglichkeiten des fortschreitenden Alters angepaßt. Dies beeinflußt wesentlich die heutige Beschäftigungssituation Älterer 17 . Sie ist durch eine abrupte Verurteilung Älterer zu beruflicher Untätigkeit gekennzeichnet. Etwa um das 60. Lebensjahr scheidet der arbeitende Mensch aus dem Arbeitsleben, regelmäßig ganz, aus. Dabei ist die Beschäftigung Älterer insgesamt zurückgegangen. Wie dem Statistischen Jahrbuch 1987 entnommen werden kann, arbeiteten im Juni 1985 laut Mikrozensus in der Altersgruppe der 60- bis 65jährigen 10,9 % der Frauen und 33 % der Männer, in der Altersgruppe der über 65jährigen arbeiteten 2,1 % der Frauen und 5,4 % der Männer. Von allen Erwerbstätigen entfallen auf die 50- bis 60jährigen 17 %, also weniger als ein Fünftel; die 60- bis 65jährigen haben einen Anteil von 2,4 %, die über 65jährigen von nur 1,1, % 1 8 . Im Jahr 1985 haben 16,2 % der Männer und 31,7 % der Frauen ihre Rente erst ab dem 65. Lebensjahr bezogen (1984: 11,9 % bzw. Entwicklung sollte ja doch ursprünglich die allgemeinen Lebensbedingungen, die Gesundheit und das Wohl der gesamten Bevölkerung einschließlich der älteren Menschen verbessern." 15 Näher de Beauvoir , Das Alter, 3. Kapitel, insbes. S. 111 ff., 165 ff.; Borscheid, Geschichte des Alters. 16 Ende des 19. Jahrhunderts blieb der alte und verbrauchte Arbeiter nach seiner Entlassung sich selbst überlassen. Die Gemeinschaften sahen sich schließlich gezwungen, das Problem zu lösen. In Deutschland begriff Bismarck, daß man dem Proletariat eine Mindestsicherheit garantieren müsse und schuf zwischen 1883 und 1889 ein Sozialversicherungssystem, das bis 1910 ergänzt und erweitert wurde. 17 Unsere Gesellschaft nennt sie lieber Senioren. Sind mit Begriffen wie „Seniorenclub", „Seniorenreisen", „Seniorenpaß" oder „Seniorenteller" Instrumente gefunden worden, die Alten auf Ihre Plätze zu weisen? Siehe Schachtner, Störfall Alter, S. 135. 18 Vgl. Statistisches Jahrbuch 1987, S. 98 u. 99. Zur Situation Anfang der 60er Jahre siehe Lehr, Psychologie, S. 198.

I. Berufsarbeit im Alter und Gesellschaft

19

18,9 %, 1986 allerdings wieder 18,1 % bzw. 42,9 %) 1 9 . Das „Alter", die Zeit nach der vollen Verantwortlichkeit, beginnt heute relativ früh, und dauert, bei allgemein hoher Lebenserwartung 20, verhältnismäßig lange. Dabei kommt der gegenwärtigen Beschäftigungskrise in den Industrienationen eine beachtliche Bedeutung zu: Sie begünstigt die Vorverlegung beruflicher Untätigkeit Älterer. Versuche, der Massenarbeitslosigkeit zu begegnen, sind mit Erwartungen an die Älteren verbunden. Bei der Suche nach Wegen, bei geringen wirtschaftlichen Wachstumsraten, Rationalisierung und steigendem Potential an Erwerbspersonen die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, gilt Arbeitszeitverkürzung als ein wichtiges beschäftigungspolitisches Instrument. Dabei haben bisher Wochenarbeitszeitverkürzung und Lebensarbeitszeitverkürzung breitere praktische Bedeutung erlangt. Dem Weg über eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit wurde dabei weniger Widerstand entgegengebracht als der Wochenarbeitszeitverkürzung, und auf den Vorruhestand 21 oder ein vorzeitiges Ausscheiden über Sozialpläne als Wege zur Vermeidung registrierter 22 Arbeitslosigkeit wird gern zurückgegriffen. Uns erscheint es sowohl wirtschaftspolitisch als auch gesellschaftspolitisch vernünftiger, einem Älteren die Rente als einem Jüngeren Arbeitslosenunterstützung zu zahlen23. Obwohl in neuerer Zeit die Erkenntnis zunehmend Beachtung findet, daß nicht nur (jugendliche) Arbeitslose ohne aktivierende Lebensperspektive große Identitätsprobleme haben, sondern 55- bis 60jährige „Vorruhestands- und Sozialplanrentner" oft ein ähnliches Psychogramm aufweisen werden 24, läßt sich diese „Daumenregel" nicht so einfach von der Hand weisen. Allerdings muß 19

Vgl. Statistik Rentenzugang 1986, S. 38, 39. Zum vorzeitigen Rentenbezug in der Bundesrepublik Deutschland siehe auch Conradi / Jacobs / Schmähl, Sozialer Fortschritt 1987, 182 ff. 20 76,6 Jahre für neugeborene Mädchen und 69,9 Jahre für neugeborene Jungen 1979/ 81. Siehe Bericht über die Bevölkerungsentwicklung, 2. Teil, BT-Drucksache 10/863, Anhang, S. 125. Zur Länge und Lage der Erwerbsphase im Lebenszyklus näher Schmähl, Erwerbsphase, S. 1 (12 ff.); zur Entwicklung seit 1970 Kohli, Altersgrenze, S. 36 (42 ff.). 21 Seine beschäftigungspolitische Eignung wird nach etwa vierjähriger Erfahrung unterschiedlich eingestuft. Das Vorruhestandsgesetz wurde nicht verlängert. Bei der Schaffung des VRG erwartete die Bundesregierung eine Wiederbesetzungsquote von ca. 50 % der freigewordenen Arbeitsplätze, s. Reg.-Begr., BT-Drucksache X/880, S. 14. Zu bestehenden Vorruhestandsregelungen siehe die Informationen in: RdA 1986,312 ff. und RdA 1988, 38 ff. (insbes. dort die Ubersicht zur Zahl der Zuschußfälle und zur Wiederbesetzungsquote). 22 Es wurde bereits angesprochen, daß auch der Ruhestand ein Zustand der Berufsarbeitslosigkeit ist. Deshalb ist in beschäftigungspolitischer Hinsicht bedeutsam, inwieweit die nicht als arbeitslos registrierten Vorruhestands- und Sozialplanrentner der sog. „stillen Reserve" angehören, d.h. dem Potential an Personen, die weder erwerbstätig noch bei den Arbeitsämtern als arbeitslos registiert sind, sich aber bei einer besseren Arbeitsmarktsituation um eine Arbeit bemühen würden. 23 Siehe z.B. Brandt, Beschäftigung, S. 151 (158). 24 Schon früh in diesem Sinne de Beauvoir , Das Alter, Kapitel 4 - 6. Siehe aus neuerer Zeit Lehr, Trends, S. 100 f.; dies., Ältere Mitarbeiter, S. 13 (33 ff.). 2*

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

beachtet werden, daß diese Politik in der Lösung eines gesellschaftlichen Problems durch Schaffung eines anderen besteht, dessen langfristige Auswirkungen nicht als beherrscht angesehen werden können. Die gegenwärtige Beschäftigungskrise hat damit im Grunde zu einer Kehrtwendung der Politik gegenüber älteren Arbeitnehmern geführt: Hatte man vor allem in den Sechziger Jahren Anstrengungen zur Verbesserung der Situation älterer Arbeitnehmer gemacht25, bemüht man sich derzeit, sie möglichst frühzeitig in den Ruhestand zu versetzen. Dies begünstigt insgesamt aber weniger eine freiwillige Hinwendung Älterer zum Ruhestand; es dokumentiert vielmehr, daß Ältere in unserer Gesellschaft Gefahr laufen, an den Rand gedrängt zu werden 26. Diese Gefahr ist in der Bundesrepublik Deutschland eher groß. In den U.S.A. z.B. schützt seit 1967 der Age Discrimination and Employment Act 27 die Älteren davor, daß sie im Hinblick auf ihr Lebensalter den Arbeitsplatz verlieren. Er ist 1978 dahin verschärft worden, daß vor Vollendung des 70. Lebensjahres Entlassungen lediglich aus Altersgründen ausscheiden. Allerdings dringt angesichts der demographischen Gegebenheiten und Entwicklungstendenzen in neuerer Zeit wieder zunehmend ins Bewußtsein, welche sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme das Phänomen des Alterns der Bevölkerung mit sich bringt. Der absolute und relative Anstieg der Zahl Älterer führt zu einer Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung 28; dies wird bedeutsame Auswirkungen auf die Gesellschaften haben. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis, daß ein ständig wachsender Anteil der Bevölkerung ein höheres Alter erreicht, hat die Weltversammlung zur Frage des Alterns 1982 den Wiener Internationalen Aktionsplan zur Frage des Alterns verabschiedet 29. Seine 25

Der Europarat empfahl 1967, es älteren Menschen, die das Rentenalter erreicht haben, zu erleichtem, Berufsarbeit auszuüben. (Empfehlung 502,1967,19. ord. Sitzung). Siehe auch die Resolution v. 24.1.1975 (Dok. 3518), Mitteilungen des Europarats, 1975, S. 18. Der Europarat hebt die Eignung von Berufsarbeit zu positiver Lebensbewältigung und zur Beeinflussung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten hervor. 26 Siehe näher Standing, Older worker marginalisation, S. 329 (330 ff.), auch zur Lage in anderen westeuropäischen Staaten. Dabei birgt schon die den Älteren im Zuge der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit durch Lebensarbeitszeitverkürzung eröffnete Option der Nichtbeteiligung am Arbeitsmarkt die Gefahr, daß sie sich gedrängt fühlen müssen, Platz zu machen. Deshalb wird seit längerem zu bedenken gegeben, ob sich nicht bereits diese Option nachteilig auf die ohnehin schlechte Beschäftigungssituation Älterer auswirken kann. Vgl. Offe / Hinrichs, Sozialökonomie des Arbeitsmarktes, S. 44 (72 ff.); Standing, Older worker marginalisation, S. 329 (342 f., 346). 27 U.S.C.A. §§621 -634. 28 Siehe Bericht über die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Teil, BT-Drucksache 10/863. Näher Schmähl Erwerbsphase, S. 1 (12 ff.). 29 In seiner Präambel bekräftigen die Länder ihre Überzeugung, daß die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten unveräußerlichen Grundrechte voll und uneingeschränkt auch für ältere Menschen gelten und erkennen an, daß Lebensqualität um nichts weniger wichtig ist als langes Leben und daß die älteren Menschen daher soweit wie möglich in die Lage versetzt werden sollen, sich in ihrer Familie und in

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Grundsätze 30 und Empfehlungen 31 rufen die Notwendigkeit einer Förderung der Aktivitäten, der Sicherheit und des Wohls der Älteren und einer Gesellschaft ohne Diskriminierung oder unfreiwillige Isolation aufgrund des Alters in Erinnerung. Dabei wird auch der Gesichtspunkt der Beteiligung Älterer am Arbeitsleben angesprochen32.

ihrem jeweiligen Lebenskreis eines erfüllten, gesunden, sicheren und zufriedenen Lebens zu erfreuen und als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt zu werden. 30 Siehe S. 20 ff. 31 Siehe S. 23 ff. (allgemeine Empfehlungen) und S. 32 ff. 32 Siehe die Empfehlungen Nr. 37 - 43 (S. 48 ff.). Zur rechtspolitischen Diskussion siehe die Übersicht bei Schröder, Altersgrenzen, S. 20 ff. Die Empfehlungen 37, 38 und 40 lauten in Auszügen: Empfehlung 37: „Staatlicherseits sollte die Beteiligung älterer Menschen am Wirtschaftsleben erleichtert werden. Zu diesem Zweck: a) sollten in Zusammenarbeit mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, die es älteren Arbeitnehmern soweit wie möglich gestatten, unter zufriedenstellenden Bedingungen weiterzuarbeiten und einen gesicherten Arbeitsplatz zu haben; b) sollten die Staaten die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt beseitigen und für eine Gleichbehandlung im Arbeitsleben sorgen. Einige Arbeitgeber haben noch immer eine klischeehafte negative Vorstellung von älteren Arbeitnehmern. Von staatlicher Seite sollte daher veranlaßt werden, daß Arbeitgeber und Personalberater über die Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer unterrichtet werden, die in den meisten Berufen recht beachtlich bleiben. Ältere Berufstätige sollten ferner gleichberechtigten Zugang zu Berufsberatungs-, Ausbildungs- und Arbeitsvermittlungsdiensten und -einrichtungen haben; d) sollte für Arbeitnehmer das Alter für den Eintritt in den Ruhestand trotz des in vielen Ländern vor allem bei Jugendlichen bestehenden großen Arbeitslosigkeitsproblems nicht herabgesetzt werden, wenn der einzelne dies nicht selber wünscht." Empfehlung 38: „Ältere Arbeitnehmer sollten ebenso wie alle anderen berufstätigen Menschen unter zufriedenstellenden Arbeitsbedingungen und in einer annehmbaren Arbeitsumwelt arbeiten. .. Bei den Arbeitsbedingungen und der Arbeitsumgebung sowie bei den Arbeitszeiten und der Arbeitsorganisation sollten die Besonderheiten älterer Arbeitnehmer berücksichtigt werden." Empfehlung 40: „Staatlicherseits sollten Maßnahmen ergriffen oder gefördert werden, die einen harmonischen und schrittweisen Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand ermöglichen und bei der Festsetzung des Alters für den Pensionsanspruch einen größeren Spielraum lassen. Solche Maßnahmen könnten Kurse zur Vorbereitung auf den Ruhestand und die Erleichterung der Arbeitsbelastung in den letzten Jahren der Berufstätigkeit einschließen, beispielsweise durch eine Änderung der Arbeitsbedingungen, der Arbeitsumwelt und der Arbeitsorganisation und durch die Förderung einer schrittweisen Verkürzung der Arbeitszeit." Siehe ferner die Empfehlung Nr. 162 der Internationalen Arbeitsorganisation {ILO).

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

b) Altersgrenzen in der Privatwirtschaft

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Die soeben skizzierten gesellschaftlichen Bedingungen spiegeln sich auch in den bei uns derzeit üblichen Altersgrenzen wider. Allerdings gibt es in der Privatwirtschaft keine gesetzliche Höchstaltersgrenze. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, gilt es doch allgemein als selbstverständlich, daß Berufsarbeit, von wenigen Berufen abgesehen, spätestens mit dem 65. Lebensjahr endet. Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist dies, z.B. für Beamte, gesetzlich vorgesehen (siehe § 25 BRRG; §§41 Abs. 1, 42 Abs. 3 BBG; §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 3 LBG Nordrhein-Westfalen) 34. In der Privatwirtschaft ist der Zeitpunkt des Endes der Berufsarbeit maßgeblich an den sozialversicherungsrechtlichen Gegebenheiten orientiert, die sich seit dem Rentenreformgesetz von 1972 (RRG) folgendermaßen darstellen: Der gesetzliche Normalfall für den Beginn des Rentenbezuges ist bei Männern die Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 1248 Abs. 5 RVO, § 25 Abs. 5 AVG). Frauen können Altersruhegeld mit Vollendung des 60. Lebensjahres erhalten (§ 1248 Abs. 3 RVO, § 25 Abs. 3 AVG). Die sog. flexible Altersgrenze gibt dem Versicherten die Möglichkeit, mit der Vollendung des 63., im Falle einer Beschränkung der Erwerbsfähigkeit mit Vollendung des 60. Lebensjahres Rente zu beziehen (§ 1248 Abs. 1, 4 S. 1 RVO, § 25 Abs. 1, 4 S. 1 AVG) 3 5 . Dies sind in der Praxis die häufigeren Fälle. Der Rentenbezug kann aber auch über das 65. Lebensjahr hinausgeschoben werden. Vor dem Hintergrund dieser sozialversicherungsrechtlichen Gegebenheiten bestimmen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder arbeitsvertragliche Regelungen das Ausscheiden Älterer aus dem Arbeitsverhältnis. Ältere Arbeitnehmer geben ihren Arbeitsplatz, wenn sie ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben, üblicherweise also nicht auf, weil ihnen gekündigt wird, sondern weil eine Altersgrenzenregelung in einer dieser Gestaltungsformen besteht. Dabei wird als maßgeblicher Zeitpunkt vielfach das 65. Lebensjahr, häufig aber auch ein früherer Zeitpunkt, festgelegt. Die Tarifverträge haben typischerweise folgenden Wortlaut: „Das Arbeitsverhältnis endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, (spätestens) mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet 37 ". Häufig wird auf das Vorhandensein einer Altersver33

36

Zur historischen Entwicklung Kohli, Altersgrenze, S. 36 (38 ff.). Auch Richter bei den Obersten Gerichtshöfen des Bundes treten seit kurzem mit dem Ende des Monats in den Ruhestand, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden (vgl. § 48 Abs. 1 DRiG). 35 Zur sog. vorgezogenen Altersgrenze mit Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 1248 Abs. 2 - 4 RVO, § 25 Abs. 2 - 4 AVG) im Falle einer Arbeitslosigkeit von 52 Wochen innerhalb der letzten eineinhalb Jahre Bley, Sozialrecht, S. 228 f. 36 Eingehend dazu Schröder, Altersgrenzen. 37 Vgl. z.B. den Manteltarifvertrag (MTV) für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende der Zigarettenindustrie (Bund), § 12 Abs. 4. Siehe ferner § 20 MTV Einzelhandel Baden-Württemberg; § 15 Abs. 1 MTV Druckindustrie Nordrhein-Westfalen. 34

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sorgung abgestellt: „Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer (vorzeitiges) Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, spätestens jedoch mit Ablauf des Monats, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat 38 ". Verbandstarifverträge der vorstehenden Art existieren in der Privatwirtschaft z.B. in den Zweigen Einzelhandel, Brauereien, Nährmittel, Mineralbrunnen, Kühlhäuser und Eisfabriken, private Städtereinigung, in der Druck- und Erfrischungsindustrie sowie in der feinkeramischen Industrie 39. Das inzwischen ausgelaufene Vorruhestandsgesetz 40 eröffnete die Möglichkeit, daß Arbeitnehmer auf ihren Wunsch unter bestimmten Voraussetzungen schon mit 58 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand gehen konnten41. Der Gesetzgeber beabsichtigte damit eine Beschleunigung des Generationenwechsels am Arbeitsplatz 42. Es gibt daneben eine Anzahl vom VRG unabhängiger einzelvertraglicher, tarifvertraglicher oder durch Betriebsvereinbarungen festgesetzter frühzeitiger Altersgrenzen. Für Flugzeugführer z.B. sehen Tarifverträge ein generelles Ausscheiden mit dem 55. Lebensjahr vor 43 . Interessant ist, daß im Hinblick auf die Beschäftigungschancen Älterer mit dem Erreichen des in der jeweiligen Altersgrenzenregelung bestimmten Lebensalters eine Kehrtwendung eintritt: Während eines längeren Zeitraumes vor Erreichen der Altersgrenze sind ältere Arbeitnehmer in besonderem Maße geschützt. Es existieren nämlich in weiten Bereichen der abhängigen Arbeit tarifvertragliche Regelungen, die, anknüpfend an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. (z.T. zusätzlich) ein bestimmtes Lebensalter, Kündigungen des Arbeitgebers nur noch aus wichtigem Grund zulassen; Ausnahmen von dieser Besserstellung sind regelmäßig vorgesehen, wenn eine Existenzsicherung des älteren Arbeitnehmers durch eine Altersversorgung gewährleistet ist oder wenn der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet hat 44 . Setzt nun der Tarifvertrag 38

Vgl. z.B. MTV Brauereien Hessen (§ 2 Abs. 5), Niedersachsen (§ 2 Abs. 12), Nordrhein-Westfalen (§ 17 Abs. 9), Pfalz (§ 2 Abs. 5), Rh.-Pfalz ohne Pfalz (§ 2 Abs. 5), Südbaden (§ 2 Abs. 7). 39 Vgl. Tarifarchiv der Deutschen Arbeitgeberverbände. 40 Gesetz zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand v. 13. 4. 1984 (BGBl. I S. 601 ff.). Es ist Ende 1988 ausgelaufen. Zu vergleichbaren Regelungen in Frankreich, Italien und Großbritannien Standing, Older worker marginalisation, S. 329 (330). Zu den Erfahrungen mit dem Vorruhestand aus beschäftigungspolitischer Sicht siehe z.B. Kühlewind, Vorruhestand, S. 54 ff., der eine im ganzen positive Bilanz zieht (siehe S. 60 ff.). 41 Siehe z.B. den Vorruhestands-Tarifvertrag für das private Bankengewerbe v. 10. 4. 1984, mitgeteilt in: NZA 1984, 28. Siehe ferner die Mitteilungen in: RdA 1986, 312(315); RdA 1988, 38 ff. 42 Siehe Reg.-Begr., BT - Drucks. X/880, S. 1. 43 Siehe z.B. § 47 MTV Bordpersonal LTU v. 1. 1. 1980; § 19 MTV Nr. 3 Bordpersonal Deutsche Lufthansa AG und Condor Flugdienst GmbH v. 8. 4. 1980 i.d.F. des § 18 Tarifvertrag Schutzabkommen Bord.

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

eine Altersgrenze fest, wird nicht nur diese Besserstellung durch Erweiterung des Kündigungsschutzes aufgehoben, sondern es tritt, da die Regelungen typischerweise Zwangspensionierungen vorsehen, eine Umkehrung ein: Der ältere Arbeitnehmer kann nicht nur, da seine materielle Existenz jetzt gesichert ist, wieder zu den allgemein geltenden Bedingungen entlassen werden, sondern er muß seinen Arbeitsplatz räumen, wodurch sein Berufsleben regelmäßig endet. Damit ist ihm die Möglichkeit genommen, sein Leben durch Berufsarbeit zu gestalten.

c) Ist Berufsarbeit

im Alter wünschenswert?

In einer Gesellschaft, die viele als Arbeitsgesellschaft bezeichnen45, wird der arbeitende Mensch mit dem Erreichen der Altersgrenze aus einem für die Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentfaltung besonders wichtigen Bereich verdrängt. Es fragt sich, ob dies wünschenswert ist. aa) Für den einzelnen älteren Arbeitnehmer hat dies sowohl Vorteile wie Nachteile. Für viele Menschen ist der Ruhestand ein Vorteil. Vor allem diejenigen, die körperlich schwer arbeiten mußten oder sinnlich-nervlich anstrengende Tätigkei44

Als Beispiel diene § 3 MTV Groß- und Außenhandel Baden-Württemberg für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende: „1. Arbeitnehmer, die über 50 Jahre alt und mindestens 15 Jahre im Unternehmen tätig sind, können nur mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. Die Bestimmungen des § 626 BGB bleiben unberührt. 2. Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und mindestens 15 Jahre dem Betrieb / Unternehmen / Konzern angehören, kann nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB gekündigt werden." Dies gilt nicht: a) „Für sozial gerechtfertigte Änderungskündigungen zur Versetzung auf einen zumutbaren Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes / Unternehmens / Konzerns ohne Abgruppierung. b) Für Kündigungen wegen Betriebsänderungen im Sinne des § 111 Ziff. 1 und 2 BetrVG, sofern im Betrieb / Unternehmen / Konzern kein zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist oder wenn ein solcher angeboten und von Arbeitnehmern abgelehnt wurde. c) Wenn von Arbeitnehmern ein Anspruch auf Altersruhegeld bzw. vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung geltend gemacht werden kann oder Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit anerkannt worden ist. d) Für Kündigungen zu einem Termin, der nach Vollendung des 65. Lebensjahres der Arbeitnehmer liegt." 45 Zum Aspekt der Arbeit als dem zentralen gesellschaftlichen Tatbestand und zur Sichtweise der Gesellschaft und ihrer Dynamik als „Arbeitsgesellschaft" siehe z.B. Baruzzi, Arbeit und Beruf, S. 191 (200); Guggenberger, Arbeitsgesellschaft, S. 63 ff., 68 ff.; Offe, Arbeit, S. 13 ff., 36 ff.; Ramm, Recht auf Arbeit, S. 65 (93); Weber, Ethik, S. 19 ff. Siehe auch die Titelauswahl von Rüthers: „Die offene ArbeitsGesellschaft" und dens., System, S. 14 ff. Die Verfassung Italiens spiegelt wider, wie sehr die Arbeit zentraler gesellschaftlicher Tatbestand ist; sie beginnt mit dem Satz: „Italien ist eine demokratische Republik, gegründet auf die Arbeit".

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ten auszuführen hatten, werden, zumal wenn sie in ihrer beruflichen Tätigkeit wenig oder kein Engagement entwickeln konnten, kaum wehmütig an ihr Arbeitsleben zurückdenken. Wurde die Arbeit als Zwang empfunden, ist der einzelne froh, mit dem Eintritt in den Ruhestand von ihr dispensiert zu werden. Für ihn werden die Vorteile die nachteiligen Gesichtspunkte, wie z.B. endende Kontakte zu Kollegen, überwiegen. Für denjenigen, dessen Arbeitskraft durch die Berufsarbeit aufgezehrt wurde 46 , stellt sich nicht die Frage, ob er sein Alter durch Berufsarbeit positiv beeinflussen könnte. Oft machen die Arbeitsbedingungen eine verlängerte Berufstätigkeit unmöglich. Eine Verlängerung wird auch regelmäßig ausscheiden, wenn die Berufsarbeit dem einzelnen nicht Aufgabe und Herausforderung sein und ihm nicht die Möglichkeit zu Eigenständigkeit und Selbstbestimmung bieten konnte. Eine theoretische Freiheit, das Alter durch berufliche Tätigkeit gestalten zu können, ist für viele in unserer Gesellschaft ohne realen Wert 47 . Das Berufsende wird im Gegenteil für manchen die lang herbeigesehnte Chance bedeuten, die weiteren Lebensjahre zu genießen. Dies setzt allerdings voraus, daß der Betreffende mit der plötzlich entstandenen Freiheit etwas anfangen kann. Für andere Menschen erfolgt der Eintritt in den Ruhestand jedoch, in der „Stunde der Wahrheit", letztlich unfreiwillig 48 . Sie stellen ihre Tätigkeit ein, weil ihr Arbeitgeber sie entläßt, weil eine Altersgrenzenregelung die Beendigung ihrer Beschäftigungsverhältnisse vorschreibt oder weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu arbeiten in der Lage sind. Allerdings dürfte auch dem Gefühl des Menschen an der Schwelle zum Ruhestand eine Ambivalenz innewohnen; nur bei einem eher kleinen Teil der Menschen besteht der konkrete, unbedingte Wunsch nach Weiterarbeit 49. Dies ist in besonderem Maße der Fall, wenn die Arbeit freiwillig gewählt wurde und zur Erfüllung des eigenen Ichs beitrug. Es gilt vornehmlich in Bereichen, in denen die Erwerbsarbeit nicht so organisiert ist, daß sie die Qualität verloren hat, Zentrum der Lebenstätigkeit sein zu können. Nicht wenigen werden aber, häufig erst an der Schwelle zum Ruhestand, immerhin die Nachteile bewußt, die das Ende des Arbeitslebens mit sich bringt. Sie bemerken, wie sehr die Berufsarbeit nicht nur dazu diente, Einkommen zu erzielen, sondern daß man von ihr neben dem Einkommen sozialen Kontakt, Ansehen und die Möglichkeit zu persönlicher Entfaltung bezog. Es ist häu46 Daten bei Zimmermann, Krankheit, S. 145 ff. Siehe aus gewerkschaftlicher Sicht Hüttenmeister, Verkürzung, S. 240 f. 47 Jeder zweite Arbeiter und jeder dritte Angestellte scheidet wegen Invalidität vor Erreichen der „Altersgrenze" aus dem Arbeitsleben aus. Im Jahr 1986 waren 53 % (1984: 59,3 %) aller Rentenzugänge der Männer auf Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit zurückzuführen. Bei den Frauen haben 1986 20,7 % (1984: 49 %) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeitsrente bekommen. Vgl. Statistik Rentenzugang 1986, S. 38, 39. 48 Näher z.B. Lehr, Psychologie, S. 198 ff. (m.w.Nachw.). 49 Dazu näher Schröder, Altersgrenzen, S. 26 ff. m.Nachw.

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

fig zu beobachten, daß der Zeitpunkt des Berufsendes um so lieber hinausgeschoben würde, je mehr das Berufsende Realität zu werden verspricht. Einige erkennen, daß der Arbeitsplatz sogar ihre eigentliche Existenzmitte war. Es ist zu beobachten, daß bei vielen die unfreiwillige Berufsarbeitslosigkeit selbst eines finanziell gesicherten Ruhestandes zu einer Identitätskrise führt und daß manch einer die Fortsetzung seiner Berufsarbeit, wenn auch vielleicht in reduziertem Ausmaß, dem Ruhestand vorziehen würde 50 . Für ihn ist der Ruhestand nicht Freiheit 51 . Dabei spielt eine wichtige Rolle, daß viele Menschen nach einem langen Arbeitsleben feststellen müssen, daß ihnen ohne die Berufsarbeit der für sie wichtigste Daseinsgrund fehlt und ihnen keine Ziele bleiben. bb) Berufsarbeit im Alter hat aber nicht nur für den einzelnen Bedeutung. Auch aus der Sicht der Gesellschaft gibt es ein Für und Wider. Zunächst berührt die Auseinandersetzung mit dem Alter und dem Älterwerden meist die Frage nach den Leistungspotentialen älterer Menschen. Vielfach wird davon ausgegangen, Ältere, und damit sind schon 60jährige gemeint, seien im Arbeitsleben nicht mehr vollwertig einsetzbar 52. Daß wissenschaftliche Untersuchungen immer wieder zu dem Ergebnis gekommen sind, dies sei - zumindest in dieser Allgemeinheit - nicht richtig, wird dabei nur selten bedacht53. Man betrachtet die Älteren als 99Andere" und entdeckt an ihnen, gemessen am „normalen" Menschen mittleren Alters, das Fehlen gewisser Eigenschaften. Das Problem des Altwerdens und die damit zusammenhängende Frage nach den Fähigkeiten Älterer hat auch schon die Menschen früher Zeiten beschäftigt. So hat ζ. B. schon Cicero in seiner Schrift Cato maior - de senectute die seinen Betrachtungen nach bestehenden Vorurteile gegen das Alter zu widerlegen versucht 54. Aufgrund der demographischen Situation und Entwicklungstendenz, die in den nächsten 40 Jahren zu einem stets größer werdenden Anteil Älterer in unserer Gesellschaft führen wird 5 5 , treten die Älteren nun wieder zunehmend in das

50

Siehe auch Ziff. 44 des Internationalen Aktionsplanes zur Frage des Alterns (S. 30 f.). 51 Nach Grimm, Deutsches Wörterbuch, war „der älteste und schönste ausdruck für diesen begrif ... der sinnliche freihals, Collum liberum, ein hals, der kein joch auf sich trägt," siehe Sp. 111. 52 Dazu näher de Beauvoir , Das Alter, S. 192 ff. Siehe auch Lehr, Ältere Mitarbeiter, S. 13 (28). 53 Näher zum Aspekt der Leistungsfähigkeit sogleich unter III 1 und im 4. Kapitel. Siehe auch de Beauvoir , Das Alter, S. 195 f.; Lehr, Psychologie, S. 163 ff. 54 Cicero läßt Cato d.Ä., der trotz hohen Alters im Vollbesitz seiner Persönlichkeit war, sagen, daß der Alte alle geistigen Fähigkeiten behält, sofern er nicht darauf verzichtet, sie zu üben und zu bereichern. Die vier Gründe, aus denen man Ciceros Betrachtungen nach das Alter für ein Unglück hält, sind: Daß das Alter dem Menschen die Tätigkeit verwehre; daß das Alter die Kraft der Jugend vermissen lasse; daß das Alter keine Sinnenlust mehr zulasse und, daß das Nahen des Todes alte Menschen bedrücke (a.a.O. S. 34).

I. Berufsarbeit im Alter und

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Blickfeld von Soziologen, Aiternsforschern und Politikern. Es wird gefordert, daß die Politik von der Absicht ausgehen solle, das Altern mit mehr Inhalt und Sinn zu erfüllen, um sicherzustellen, daß die aufgrund allgemein höherer Lebenserwartung gewonnenen Jahre sinnvolle und erfüllte Jahre sind. Man erkennt, daß die Menschen nicht von einem bestimmten Alter an in großer Zahl zu einer passiven Existenz am Rande der Gesellschaft verurteilt sein können 56 . Obwohl im Augenblick älteren Arbeitnehmern angesichts knapper Arbeitsplätze - noch - nahegelegt wird, frühzeitig in den Ruhestand zu treten, wird in diesem Zusammenhang immer häufiger auch die Frage aufgeworfen, ob nicht dem einzelnen die Möglichkeit geschaffen werden sollte, im „Alter 5 7 " das Leben durch berufliche Arbeit zu gestalten. Denn das Altern könnte gerade auch durch Berufsarbeit, wenn sie unter gerechten Bedingungen stattfindet 58, positiv beeinflußt werden 59. Will man die Kompetenz des älteren Menschen möglichst lange erhalten 60, bedarf es einer Korrektur des negativen Altersbildes, des Gebrauchmachens von körperlichen, geistigen und sozialen Fähigkeiten und der Heraus55

In seiner einfachsten Form wird sich dies dahin auswirken, daß das Verhältnis zwischen der Erwerbsbevölkerung und den zu versorgenden älteren Menschen immer ungünstiger werden wird. Siehe zu Einzelheiten: Bericht über die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Teil, Deutscher Bundestag, Drucksache 10/863. 56 Vgl. die Empfehlung Ziff. 31 lit. c des Internationalen Aktionsplanes zur Frage des Alterns (S. 25). Siehe auch Ziff. 31 lit. j: „Politische Maßnahmen und Vorkehrungen zugunsten der älteren Menschen müssen diesen die Möglichkeit geben, ihr Bedürfnis nach Selbstverwirklichung zu befriedigen, welches im weiteren Sinne als Befriedigung durch die Erreichung persönlicher Ziele und Wünsche und durch die Verwirklichung des eigenen Potentials definiert werden kann. Politiken und Programme zugunsten der alternden Menschen sollten deren Möglichkeiten zur Selbstdarstellung in den verschiedensten Rollen fördern, die einen echten Anspruch an sie stellen und zugleich einen Beitrag zu Familie und Gemeinschaft bedeuten. Altere Menschenfinden hauptsächlich auf folgende Weise persönliche Befriedigung: durch weitere Zugehörigkeit zur Familie im engeren und weiteren Sinn, durch freiwillige Dienste für die Gemeinschaft, durch Fortbildung innerhalb und außerhalb des Bildungssystems, durch Ausdruck der eigenen Persönlichkeit in Kunst und Handwerk, durch Beteiligung an Gemeinschaftsorganisationen und Organisationen für ältere Menschen, durch religiöse Aktivitäten, durch Reisen und Erholung, durch Teilzeitarbeit und durch Mitwirkung am politischen Prozeß als informierte Staatsbürger". Siehe noch Lehr, Trends, S. 100 f., 111 f. 57 Alter sei hier als die Zeit jenseits des 60. Lebensjahres verstanden, in der das Berufsleben derzeit regelmäßig dem Ende entgegengeht oder schon beendet ist. 58 Siehe Teil I Nr. 2 - 4 der Europäischen Sozialcharta: „2. Alle Arbeitnehmer haben das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen. 3. Alle Arbeitnehmer haben das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen. 4. Alle Arbeitnehmer haben das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt, das ihnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard sichert." 59 Siehe die ILO-Studie von Standing, Older worker marginalisation, S. 329 (342 ff.). 60 Die grundsätzliche Beeinflußbarkeit der Aiternsprozesse ist eine wesentliche Erkenntnis neuerer gerontologischer Forschung Siehe z.B. Lehr, Psychologie, S.86 ff.; 01brich, Zeitschrift für Gerontologie 1987, S. 319 (324 f.).

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

forderung zu Aktivität, Verantwortungsübernahme und Selbstbestimmung61. Als eine sinnvoll erlebte Aufgabe kommt dabei Berufsarbeit in Betracht, die günstige Rückwirkungen auch auf die allgemeine Situation Älterer in unserer Gesellschaft haben könnte. Von diesen für eine Berufsarbeit Älterer sprechenden Gesichtspunkten abgesehen, ergibt sich die Forderung nach einer Förderung derjenigen, die in fortgeschrittenem Alter beruflich tätig sein wollen, automatisch, wenn man es für wünschenswert hält, daß Ältere genauso wie Jüngere integrierender Bestandteil der Gesellschaft sind: Sie müssen dann zu den jeweiligen sozio-ökonomischen Bedingungen an der Gesellschaft gleichberechtigt teilhaben können. Dies bedeutet für eine vielfach als Arbeitsgesellschaft bezeichnete Gesellschaft, daß diese den Willen haben muß, Älteren eine Entscheidung auch für Berufsarbeit, unter Umständen unter veränderten Anforderungen, möglich zu machen, wozu es auch gehört, sich für gerechte Arbeitsbedingungen auf allen Ebenen und während des gesamten Arbeitslebens einzusetzen. Dabei könnte man sich auch des Potentials an Fähigkeiten und Wissen erinnern, über das Ältere verfügen. Wäre es nicht eine korrekte Lösung, den Älteren zu gestatten, daß sie unter gerechten Bedingungen beruflich aktiv bleiben können, wenn und so lange sie es wollen und ihnen danach ein gesichertes Leben zu ermöglichen?

I I . Berufsarbeit im Alter und Rechtsordnung Es sind einige Gesichtspunkte genannt worden, die die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Berufsarbeit Älterer verdeutlichen mögen. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht interessiert nun, inwieweit unsere Rechtsordnung Älteren die Freiheit gewährleistet, einer auf Erwerb gerichteten Berufsarbeit nachzugehen. Welche Freiräume lassen sich für Ältere in beruflicher Hinsicht aus Verfassung und Gesetzen herleiten? Welchen Beschränkungen dürfen diese Rechte, unabhängig von Fragen gesellschaftspolitischer Richtigkeit, schon von Rechts wegen nicht ausgesetzt werden? Diese Fragen sind gerade auch für den Bereich der abhängigen Arbeit von Interesse, weil dort eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen durch Einzelabmachungen und Betriebsvereinbarungen, vor allem aber durch Manteltarifverträge, einer Regelung zugeführt werden, nach der sie, ohne daß es einer Kündigung bedarf, spätestens mit der Vollendung des 65. Lebensjahres, zum Teil aber auch früher, sozusagen „automatisch" enden62. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Rechtsordnung eine Freiheit zur Berufstätigkeit im Alter überhaupt gewährleistet. Angesichts der gegenwärtigen Beschäftigungskrise ist aber auch von Interesse, ob Ältere die rechtliche Freiheit haben, sich bei knappen Arbeitsplätzen jüngeren Konkurrenten gegenüber zu 61 62

Siehe Lehr, Trends, S. 100 (111); Olbrich, a.a.O. Fn. 60, S. 324 ff. Siehe oben I 2 b.

II. Berufsarbeit im Alter und Rechtsordnung

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behaupten. Insoweit begegnet auch hier die in jüngerer Zeit häufiger aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis der Berechtigung, die ,Arbeitsplatzbesitzer" an ihren Arbeitsplätzen haben, und der Berechtigung von Arbeitsuchenden, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Muß ein Älterer, der bereits ein Arbeitsleben gehabt hat und eine seine Grundbedürfnisse deckende Rente beziehen könnte, seinen Arbeitsplatz auch gezwungenermaßen an einen Jüngeren abgeben und ihm dadurch ermöglichen, ebenfalls am Arbeitsleben teilzunehmen? Oder ist die Gesellschaft darauf beschränkt, entweder Ältere durch Schaffung günstiger finanzieller und sonstiger Rahmenbedingungen zu einem (frühzeitigen) freiwilligen Ruhestand zu motivieren, oder aber den Konflikt zu vermeiden, indem sie z.B. die Schaffung von Arbeit fördert oder auf andere, rechtmäßige Arten der Verteilung vorhandener Arbeit auf mehr Menschen ausweicht? 1. Einfach - gesetzliche Regelungen Geht man der Frage nach, welche Freiräume Verfassung und Gesetze Älteren in beruflicher Hinsicht zugestehen, fällt auf, daß für den Bereich der Privatwirtschaft nur wenige einfach-gesetzliche Regelungen existieren, die einen direkten Bezug zur Berufsarbeit Älterer aufweisen: Nach § 75 Abs. 1 S. 2 BetrVG etwa haben Arbeitgeber und Betriebsrat darauf zu achten, daß Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden. § 80 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gibt dem Betriebsrat auf, die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern. Das Rentenreformgesetz (RRG) stellt in Art. 6 § 5 Abs. 1 klar, daß die Berechtigung, vor Vollendung des 65. Lebensjahres Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung zu beantragen, weder als Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG angesehen, noch bei der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden darf. Im übrigen aber ist die Rechtsstellung der Älteren in bezug auf ihre Freiheit zur Berufsarbeit durch die allgemeinen Regeln bestimmt: Insbesondere der kündigungsschutzrechtliche Bestandsschutz gilt für alle Arbeitsverhältnisse, ohne daß es nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung darauf ankommt, wie alt der gekündigte Arbeitnehmer ist. Hier stellt sich allenfalls die Frage, ob das Lebensalter als sachbezogener, anerkennenswerter Grund angesehen werden darf, der die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen vermag 63. Stellt man in Rechnung, daß es in der Privatwirtschaft eine gesetzliche Höchstaltersgrenze nicht gibt, scheint die Freiheit Älterer zu beruflicher Arbeit auf den ersten Blick also eher weit zu gehen. 63

Dies hat das Bundesarbeitsgericht schon früh verneint und dafür in der rechtswissenschaftlichen Literatur allgemeine Zustimmung gefunden. Siehe BAG, Urt. v. 28. 9. 1961 , BAGE 11, 278 (285) = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung und die Literaturhinweise unten Fn. 94.

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

2. Die Verfassung Diese auf den ersten Blick einer Benachteiligung Älterer in beruflicher Hinsicht entgegenstehende Gesetzesl&ge scheint in der Verfassung angelegt: Das Grundgesetz schützt in Art. 12 Abs. 1 die Berufsfreiheit, d.h. die Freiheit der Berufs-, Arbeitsplatz- und Ausbildungsstättenwahl sowie die Freiheit der Berufsausübung, ohne Ansehen des Alters. Das Grundrecht der Berufsfreiheit, in dem die Grundrechtsordnung für den arbeitenden Menschen ihren konkretesten Ausdruck erfährt 64, gibt also offenbar auch Älteren das Recht, einer auf Erwerb gerichteten Berufsarbeit nachzugehen. Auch Ältere sollen offensichtlich insbesondere ihren Beruf und ihren Arbeitsplatz frei wählen können. Einschränkungen sind auch bei ihnen rechtlich nur anerkennenswert, wenn sie sich als zulässige Konkretisierung der Schranken dieser auch ihnen zustehenden Freiheiten erweisen. Der Blick auf die Gleichheitsgrundsätze des Art. 3 GG bestätigt diesen Eindruck: Zwar ist das Alter in den Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 GG nicht genannt65 und eine Gleichberechtigung von Alt und Jung nicht, wie die von Männern und Frauen in Art. 3 Abs. 2 GG, ausdrücklich gefordert. Doch verbietet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine unterschiedliche Behandlung, wenn „ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund sich nicht finden läßt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich bezeichnet werden muß 66 ". Auch der allgemeine Gleichheitssatz schließt somit eine Schlechterstellung Älterer ohne Vorliegen rechtlich anerkennenswerter Gründe aus.

I I I . Berufsarbeit im Alter in der Rechtsprechung und im rechtswissenschaftlichen Schrifttum Der soeben unternommene erste Blick auf die Rechtslage zur Berufsfreiheit im Alter könnte zu der Annahme verleiten, daß die gerichtliche Praxis Altersgrenzenregelungen, die Zwangspensionierungen vorsehen, eher zurückhaltend gegenüberstehen müßte. Tatsächlich ist durch ein Bundesgericht aber, soweit ersichtlich, bisher noch nie eine Altersgrenzenregelung für unwirksam erachtet worden. Die Rechtsprechung hatte in den letzten 30 Jahren häufig Anlaß, sich mit den Rechtsfragen auseinanderzusetzen, die Altersgrenzenfestsetzungen aufwerfen. 64

Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35. Vgl. auch Art. 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4. 11. 1950. 66 St. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, siehe BVerfGE 1, 14 (52); ferner z.B. BVerfGE 33, 367 (384); 54, 11 (25 f.). 65

III. Berufsarbeit im Alter in Rechtsprechung und Rechtslehre

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Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch Bundesarbeitsgericht, Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof haben, z.T. mehrfach, Altersgrenzen auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetzen und Verfassung überprüft. Dabei waren sowohl frühzeitige Altersgrenzen (Altersgrenze von 55 Jahren für Flugzeugführer) als auch auf ein vorgerücktes Alter abgestellte Regelungen (Altersgrenzen von 70 Jahren für Hebammen, Prüfingenieure und Notare) Gegenstand der Überprüfung. Was Altersgrenzenregelungen durch Tarifvertrag angeht, hat das Bundesarbeitsgericht in einer Reihe von Entscheidungen zu einer gefestigten Rechtsprechung gefunden. Auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist die Altersgrenzenproblematik schon seit längerem Gegenstand vertiefter Behandlung. 1. Die Rechtsprechung a) Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hat sich in zwei Entscheidungen mit der Altersgrenzenproblematik näher befaßt. In dem grundlegenden Hebammen-Beschluß vom 16. 6. 195967 geht es um eine Altersgrenze von 70 Jahren. Nach § 5 des zu dieser Zeit geltenden Hebammengesetzes68 und § 1 der 4. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes69 durften Hebammen, die das 70. Lebensjahr vollendet hatten, in ihrem Beruf nicht mehr tätig sein. Diese Altersgrenze hatte zum Ziel, Gefahren durch leistungsfähigkeitsbedingte Fehler bei der beruflichen Tätigkeit der Hebammen vorzubeugen. Das Bundesverfassungsgericht hat die darin liegende generalisierende Vermutung, den Hebammen fehle jenseits der festgesetzten Altersgrenze die erforderliche Leistungsfähigkeit für ihren Beruf, nicht beanstandet. Dafür wird angeführt, unsere allgemeinen Auffassungen gingen davon aus, daß der Durchschnitt der Berufstätigen im siebten Lebensjahrzehnt eine Abnahme der Leistungsfähigkeit erfahre, die einen Einschnitt rechtlicher Art erlaube und unter Umständen fordere 70. In seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit einer in Schleswig-Holstein bestehenden gesetzlichen Regelung, nach der die Anerkennung eines Prüfingenieurs für Baustatik mit Vollendung des 70. Lebensjahres erlischt 71 , hat es diesen Hinweis auf eine allgemeine Auffassung über die Abnahme der Leistungsfähigkeit im siebten Lebensjahrzehnt in Erinnerung gerufen. Auch die Altersgrenze für Prüfingenieure wurde nicht beanstandet, wobei, ähnlich der Begründung der Hebammen-Entscheidung 72, die staatliche 67

BVerfGE 9, 338. Siehe bereits BVerfGE 1, 264 (274 f.) - Bezirksschornsteinfeger; dort wurde Art. 12 Abs. 1 nicht geprüft. 68 Gesetz vom 21. 12. 1938, RGBl. I S. 1893. 69 Vom 16. 12. 1939, RGBl. I S. 2457. 70 BVerfGE 9, 338 (345 f.). 71 BVerfGE 64, 72. Siehe § 81 a BauO Schleswig-Holstein, eingefügt durch Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung vom 28. 3. 1979 (GVB1. S. 260). 72 Siehe BVerfGE 9, 338 (346 f.).

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

Gebundenheit dieser Berufstätigkeit einerseits und die erheblichen Gefahren im Falle eines Versagens andererseits die Begründung tragen 73. Beiden Entscheidungen kann eine Grundanschauung des Bundesverfassungsgerichts dahin entnommen werden, bei Menschen jenseits des 60. Lebensjahres müsse im Durchschnitt von einer nennenswerten Schmälerung des Leistungsvermögens ausgegangen werden, die eine Berufstätigkeit ab einem mehr oder weniger weit jenseits des 60. Lebensjahres liegenden Alter in bestimmten Berufen aus Gemeinwohlgründen nicht mehr zulasse74. b) Bundesverwaltungsgericht

und Bundesgerichtshof

Die von Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfälle betrafen ebenfalls Altersgrenzen zur Vorbeugung von Gefahren durch leistungsfähigkeitsbedingte Fehler bei bestimmten Berufstätigkeiten. Das Bundesverwaltungsgericht 75 ist im Jahre 1959 in Anknüpfung an die Hebammen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Auffassung gelangt, es sei nicht unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber die Zulassung zu einem Beruf wie dem des Prüfingenieurs, in dem jedes Versagen zu erheblichen Gefährdungen der Bevölkerung führen könne, über das Alter hinaus untersage, „in dem erfahrungsgemäß die körperlichen und geistigen Kräfte erheblich nachzulassen beginnen und die berufliche Tätigkeit des Menschen im allgemeinen ihre natürliche Grenze gefunden hat." 76 Der Bundesgerichtshof hatte erst kürzlich über die Wirksamkeit von Höchstaltersgrenzen für Notarbewerber in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu entscheiden77. Nach der zum 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Ermessensrichtlinie der nordrhein-westfälischen Landesjustizverwaltung kann ein Bewerber nicht zum Notar bestellt werden, wenn er zum Zeitpunkt der Antragstellung das 60. Lebensjahr vollendet hat. Diese Altersgrenze bezweckt, ältere Bewerber mit Rücksicht auf die Kontinuität des Notaramtes, die Altersstruktur und die besonderen Leistungsanforderungen des Notarberufs grundsätzlich nicht mehr zuzulassen78. Bei seiner Beurteilung dieser Altersgrenzenregelung stellt auch der Bundesgerichtshof in den Vordergrund, daß nach „allgemeiner Lebenserfahrung 73

BVerfGE 64, 72 (82 ff.). Siehe auch BVerfGE 62,256 (282) - Kündigungsfristen, wo das Gericht bei älteren Arbeitnehmern einen Verlust an Anpassungselastizität konstatiert. 75 Urt. v. 20. 11. 1959, DÖV 1960, 148. 76 A.a.O. S. 149. 77 Siehe § 15 a Abs. 1 AVNot NW i.d.F.v. 14. 6. 1984, JMB1. NW, S. 161. BGH, Beschl. v. 13. 10. 1986 -NotZ 13/86-DNotZ 1988,124 = NJW 1987,1329. Vgl. ferner zu § 1 Abs. 1 AVNot Nds. BGH, Beschl. v. 13. 10. 1986 - NotZ 11/86, nicht veröffentlicht. 78 BGH, DNotZ 1988, 124 (125 f.). 74

III. Berufsarbeit im Alter in Rechtsprechung und Rechtslehre

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die berufliche Einsatzfähigkeit des Menschen zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr in der Regel stark zurück(-gehe)" 79. Die Verwaltungsvorschrift berücksichtige „zutreffend die... im allgemeinen geringere Eignung älterer Bewerber für das Notaramt". Der Bundesgerichtshof bezeichnet diese Annahme als einen „Erfahrungssatz" 80, der seiner Auffassung nach der allgemeinen Lebenserfahrung entspringt. Auch Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof lassen sich bei ihrer Beurteilung von Altersgrenzenregelungen somit im wesentlichen von derselben Grundanschauung leiten, die auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnommen werden konnte.

c) Bundesarbeitsgericht Anders als Bundesverfassungsgericht, Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof hatte sich das Bundesarbeitsgericht (naturgemäß) mit Streitfällen aus dem Bereich der abhängigen Arbeit zu befassen 81. Die untersuchten Altersgrenzenregelungen aus diesem Bereich wiesen drei wichtige Unterschiede zu den Altersgrenzen für die selbständigen Berufe der Hebamme, des Prüfingenieurs und des Notars auf: Sie beruhten zunächst nicht auf Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften, sondern auf Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Einzelarbeitsverträgen. Sie verfolgten weiterhin nicht hauptsächlich das Ziel, Gefahren vorzubeugen, die durch leistungsfähigkeitsbedingte Fehler bei bestimmten beruflichen Tätigkeiten auftreten können, wie dies bei den Altersgrenzen für Hebammen, Prüfingenieure und Notare 82 der Fall ist. Ziele der vom Bundesarbeitsgericht überprüften Altersgrenzen aus dem Bereich der abhängi79

A.a.O. S. 126. A.a.O. S. 128. 81 Mit der Frage der Wirksamkeit von Altersgrenzen hatten zu tun: BAG, Urt. v. 24.5.1961, AP Nr. 18 zu §620 BGB befristeter Arbeitsvertrag; BAG, Urt. v. 12. 12. 1968, AP Nr. 6 zu § 24 BetrVG 1952 m. Anm. Herschel = SAE 1969,53 m. Anm. G. Hueck; BAG, Urt. v. 25. 3. 1971, BAGE 23, 257 = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 = SAE 1972, 132 m. Anm. Richardi; BAG, Urt. v. 3. 2. 1975, AP Nr. 1 zu § 63 MTL II Nr. 1 m. Anm. Fieber g; BAG, Urt. ν. 2. 9. 1976, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag m. Anm. G. Küchenhojf= SAE 1977, 293 m. Anm. M. Wolf; BAG, Urt. v. 21. 4. 1977, BAGE 29, 133 (135) = AP Nr. 1 zu § 60 BAT m. Anm. Spierz = SAE 1978, 19 m. Anm. Sieg; BAG, Beschl. v. 18. 7. 1978, BAGE 31, 20 = AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG 1972 m. Anm. Kraft = BB 1978, 1718 m. Anm. Gumpen = SAE 1979, 276 m. Anm. Schlüter I Belling; BAG, Urt. ν. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung m. Anm. Belling = SAE 1986, 235 m. Anm. Hromadka; BAG, Beschl. v. 19. 9. 1985, AP Nr. 11 zu § 77 BetrVG; BAG, Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze; BAG, Urt. v. 20. 11. 1987, EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze m. Anm. Belling = DB 1988, 1501 = NZA 1988, 617. 82 Als Ziel der die Notare betreffenden Verwaltungsvorschriften, z.B. des § 15 a Abs. 1 AV Not NW, sieht der BGH allerdings neben den besonderen Leisungsanforderungen des Notarberufs die Gewährleistung der Kontinuität des Notaramtes und die Beeinflussung der Altersstruktur des Notarstandes. Siehe BGH, DNotZ 1988, 124 (125). 80

3 Waltermann

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

gen Arbeit waren vielmehr vornehmlich die Beeinflussung der Altersstruktur von Betrieben oder Unternehmen, die Erleichterung von Personalplanungen und die Schaffung von Aufstiegsmöglichkeiten für Nachwuchskräfte. Schließlich knüpften die vom Bundesarbeitsgericht überprüften tarifvertraglichen, einzelarbeitsvertraglichen oder durch Betriebsvereinbarung festgesetzten Altersgrenzen nicht an bestimmte Berufe wie z.B. den der Hebamme, des Prüfingenieurs oder des Notars an. Sie regelten vielmehr die Beendigung von bestimmten Arbeitsverhältnissen. Das Bundesarbeitsgericht hält für die Frage der Rechtfertigung von Altersgrenzenregelungen andere Gründe für ausschlaggebend als das Bundesverfassungsgericht, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof. Es hat bisher insbesondere in keinem Fall entscheidend darauf abgestellt, ob den betreffenden Arbeitnehmern jenseits des festgesetzten Alters die für eine Berufstätigkeit an ihrem Arbeitsplatz erforderliche Leistungsfähigkeit fehlen könnte. Auch in Streitfällen, in denen dies nahegelegen hätte83, ist das Bundesarbeitsgericht auf diesen Gesichtspunkt nicht eingegangen, sondern hat andere Kriterien herangezogen, bei denen die Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsplatzes oder Berufs keine Rolle spielen: Für das Bundesarbeitsgericht ist wichtigster Gesichtspunkt das Bestehen einer die materielle Existenz ausreichend sichernden (Übergangs-) Altersversorgung. Nach seiner inzwischen gefestigten Rechtsprechung ist eine Altersgrenzenregelung jedenfalls dann grundsätzlich zulässig, wenn eine ausreichende Altersversorgung besteht84. Fragt man nach der Grundanschauung des Gerichts zur Frage des Für und Wider von beruflicher Arbeit im Alter und mustert die Gründe seiner Entscheidungen über Altersgrenzen daraufhin durch, stößt man auf folgende Kernaussagen: Der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, eine Altersgrenze könne jedenfalls dann unbedenklich festgesetzt werden, wenn eine ausreichende Altersversorgung besteht, liegt die Überzeugung zugrunde, ältere Arbeitnehmer könnten ein berechtigtes Interesse an einem Bestandsschutz ihrer Arbeitsverhältnisse nicht (mehr) geltend machen, wenn die wirtschaftliche Grundlage für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts gesichert ist 85 . Erinnert 83 So in zwei Streitverfahren zur Altersgrenze von 55 Jahren für die Arbeitsverhältnisse von Flugzeugführern. Siehe Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung m. Anm. Belling , und Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (im folgenden mit den Zusätzen „Flugzeugführer I" bzw. „Flugzeugführer II" gekennzeichnet). 84 So zuletzt ausdrücklich die Urteile des 2. Senats v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"), unter A I V 6 b der Gründe, und v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1502 f. - im folgenden mit dem Zusatz „BetriebsVereinbarung" gekennzeichnet). Siehe ferner BAG, Beschl. des 1. Senats v. 18. 7. 1978, BAGE 31, 20 (22) = AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG (da es in dem Rechtsstreit darum ging, ob dem Betriebsrat im Falle einzelvertraglich vereinbarter Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses über die tarifvertraglich festgesetzte Altersgrenze hinaus ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zusteht, wird die Entscheidung im folgenden mit dem Zusatz „personelle Einzelmaßnahme" gekennzeichnet); Urt. des 2. Senats v. 25. 3. 1971, BAGE 23,257 (im folgenden mit dem Zusatz „Gesamtbetriebsvereinbarung" gekennzeichnet).

III. Berufsarbeit im Alter in Rechtsprechung und Rechtslehre

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man sich an die eingangs genannten Aspekte zur Bedeutung der Berufsarbeit für den einzelnen86, muß dies nachdenklich stimmen. Denn Konsequenz dieser Sichtweise ist, daß es für das Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung haben kann, daß Berufsarbeit nicht nur der materiellen Existenzsicherung dient, sondern auch Möglichkeit zu persönlicher Entfaltung und Selbstverwirklichung ist, soziale Kontakte zu bieten hat und einen wichtigen Faktor für Stellung und Ansehen in unserer Gesellschaft ausmacht. Es stellt sich die Frage, ob diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Schutz, den Verfassung und Gesetze Älteren in beruflicher Hinsicht garantieren, in vollem Umfang und auf rechtlich richtige Weise zur Geltung bringt. Der genannten vermutlichen Grundanschauung des Bundesarbeitsgerichts entsprechen einige weitere, zum Teil bemerkenswerte Äußerungen in seinen Entscheidungsbegründungen. So hat der 2. Senat für die Rechtfertigung der Tarifnorm des § 60 Abs. 1 BAT angeführt 87, es sei „eher fürsorglich 88, generell eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit 65 Jahren durch entsprechende Befristung zu vereinbaren, als im Einzelfall etwa durch ärztliche Gutachten den Nachweis zu führen, daß ein Arbeitnehmer aus altersbedingten Gründen nicht mehr in der Lage ist, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen". Es kann kaum verwundern, wenn ältere Arbeitnehmer dies, anders als die Richter des Bundesarbeitsgerichts, nicht als „sachlichen, insbesondere sozialen (!) Grund 89 " gelten lassen werden und ihre „Fürsorge" lieber in die eigenen Hände nehmen möchten. Auch der Gedanke des 2. Senats, eine von vornherein feststehende Altersgrenze habe den Vorteil, daß die älteren Arbeitnehmer mit Erreichen des Rentenalters in den Ruhestand treten und sich nicht gegen eine Kündigung des Arbeitgebers wehren und sich damit „ungute Rechtsstreite aufladen" 90 müssen, wird dem einen oder anderen älteren Arbeitnehmer allzu zuvorkommend erscheinen. Man kann sich, insgesamt gesehen, des Eindrucks nicht erwehren, daß Ältere, soweit es um ihre Beschäftigung geht, vor dem Bundesarbeitsgericht auch deshalb wenig erfolgreich streiten, weil ihnen dort eine eigenwillige Art der „Fürsorge" zuteil wird. Diesen Eindruck bekräftigt auch eine neuere Entscheidung des 1. Senats, in der es um die Wirksamkeit des Spruchs einer tariflichen Schlichtungsstelle geht. Dieser sah im Zusammenhang mit den Tarifverträgen über differenzierte Arbeitszeiten in der Me85

Siehe BAG, Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II") unter A IV 6 b der Gründe; Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1502 f.) „Betriebsvereinbarung". 86 Siehe oben I 1. 87 BAG, Urt. v. 21. 4. 1977, BAGE 29, 133 (135) = AP Nr. 1 zu § 60 BAT (im folgenden mit dem Zusatz „öffentlicher Dienst" gekennzeichnet). 88 In der Entscheidungsbegründung nicht hervorgehoben. 89 So BAG, a.a.O., S. 135. 90 BAGE 23, 257 (276 - „Gesamtbetriebsvereinbarung"); erneut bekräftigt im Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1503) - „BetriebsVereinbarung". 3*

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

tallindustrie vor, daß eine Verkürzung der individuellen Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden zunächst für Arbeitnehmer, die dies freiwillig wollten, ansonsten aber für die ältesten Arbeitnehmer gelten sollte 91 . Der Senat sah darin keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, § 75 Abs. 1 BetrVG). Es sei nicht willkürlich, älteren Arbeitnehmern, soweit sie die Arbeitszeitverkürzung als Nachteil empfinden, diesen Nachteil eher zuzumuten als jüngeren Arbeitnehmern. Denn, so die Begründung 92, den Nachteilen stünden Vorteile gegenüber: Der Zeitraum könne als zusätzliche Freizeit genutzt werden - ohne jeden Zweifel kommt dies aber für Jüngere gleichermaßen in Betracht; die Vergütung werde auf der Grundlage einer 38,5 Stunden-Woche berechnet, eine finanzielle Verschlechterung also aufgefangen - dies könnte allerdings ganz gewiß auch für Jüngere vorgesehen werden; und schließlich könne eine kürzere Arbeitszeit zu einer Verminderung der Belastung führen - was bei Jüngeren aber zweifellos ebenfalls möglich erscheint. Als - potentiell - tragfähige Gründe für eine Rechtfertigung der Differenzierung verbleiben damit lediglich die Hinweise des 1. Senats darauf, ältere Arbeitnehmer seien - „bei typischer Betrachtung" - häufig gesundheitlich weniger leistungsfähig, Älteren könne auf diese Weise der Übergang in den Ruhestand erleichtert werden und ältere Arbeitnehmer könnten eine Einbuße an Arbeitseinkommen eher hinnehmen als jüngere Arbeitnehmer. Ob diese Gründe wirklich überzeugen können, mag hier 93 dahingestellt bleiben. Es wird aber immerhin deutlich, wie schwer es ist, fündig zu werden, wenn man sich auf die Suche nach Gesichtspunkten macht, die eine ungleiche Behandlung älterer Arbeitnehmer gegenüber Jüngeren mit Überzeugungskraft rechtfertigen könnten. Was die Einschätzung der Leistungsfähigkeit angeht, vertritt der 2. Senat übrigens einen den älteren Arbeitnehmern gegenüber günstigeren Standpunkt, als dies der 1. Senat in der soeben genannten Entscheidung getan hat: Seit seiner Entscheidung aus dem Jahre 1961, in der es darum ging, ob in der Privatwirtschaft allein die Erreichung des 65. Lebensjahres einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG abgeben kann, vertritt der 2. Senat die Auffassung, das Erreichen des 65. Lebensjahres könne nicht als Vermutung des Eintritts einer in so hohem Maße eingeschränkten Arbeitsfähigkeit, zumindest nicht bei Büroarbeit, angesehen werden, daß der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund nicht zu belegen hätte. Die Frage des Alterns sei nicht allein eine Frage des Lebensalters 94. Er verwies dazu auf die dama-

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BAG, Beschl. v. 18. 8. 1987, NZA 1987, 779 (784 f.). Siehe IV 1 b der Gründe. 93 Näher dazu im 4. Kapitel. 94 Urt. v. 28. 9. 1961, BAGE 11,278 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung m. Anm. Zöllner. Bestätigt durch BAGE 23, 257 (275 - „Gesamtbetriebsvereinbarung"); BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB („Flugzeugführer II") unter A I V 3 der Gründe; BAG, DB 1988, 1501 (1502) - „Betriebsvereinbarung". 92

III. Berufsarbeit im Alter in Rechtsprechung und Rechtslehre

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ligen Ergebnisse u.a. der Altersmedizin, die der auch heute vorherrschenden Lehrmeinung der Altemswissenschaft entsprechen95. 2. Das neuere rechtswissenschaftliche Schrifttum Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist in den letzten 15 Jahren mit zunehmender Häufigkeit zur Problematik der Altersgrenzen Stellung genommen worden. Soweit ersichtlich, betrafen sämtliche Abhandlungen Altersgrenzenregelungen aus dem Bereich der abhängigen Arbeit. Allen neueren 96 Stellungnahmen ist die Tendenz gemeinsam, daß sie Altersgrenzenfestsetzungen strengeren Voraussetzungen unterstellen, als es das Bundesarbeitsgericht tut. Dies hat seinen Grund - vielleicht neben einer „altenfreundlicheren" persönlichen Einstellung - in erster Linie in dem rechtlichen Ausgangspunkt der Autoren. Dieser weicht von dem der Rechtsprechung ab. Während das Bundesarbeitsgericht - was noch nicht zur Sprache gekommen ist Altersgrenzenregelungen in erster Linie daraufhin überprüft, ob sie eine Umgehung des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes darstellen, und als Maßstab hierfür die richterrechtlichen Grundsätze des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse 97 entsprechend anwendet98, mißt das neuere arbeitsrechtliche Schrifttum Altersgrenzenregelungen, jedenfalls soweit sie auf Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen beruhen, in erster Linie am Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) 99 . Dieser Unterschied im rechtlichen Ausgangspunkt führt zu einer Verschiedenheit der 95 Siehe nur die Übersicht bei Lehr, Ältere Mitarbeiter, S. 13 (28 ff.) und die Nachweise dort zum gegenwärtigen Stand aiternswissenschaftlicher Erkenntnisse. Siehe noch später, 4. Kapitel, III 2a. 96 Soweit ersichtlich wurde auf rechtliche Fragen, die mit Altersgrenzenregelungen zusammenhängen, zuvor eher am Rande eingegangen. Siehe z.B. Canaris , AuR 1966, 129 (134); Hoppe, BB 1968,757; Schimana, BB 1970,1138; Wiedemann , in: Festschr. f. Lange, S. 395 (407 ff.); Ammermüller, DB 1973, 822. Siehe auch Hueck / Nipperdey, Bd. II/l. Halbbd., S. 281, Fn. 129 b. 97 Siehe BAG (GS), Urt. v. 12. 10. 1960, BAGE 10, 65 (70 ff.) = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 98 Dies ist nunmehr gefestigte Rechtsprechung, siehe BAG, Urt. v. 21. 4. 1977, BAGE 29, 133 (135) = AP Nr. 1 zu § 60 BAT („Öffentlicher Dienst"); Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"); Beschl. v. 19. 9. 1985, AP Nr. 11 zu § 77 BetrVG = SAE 1986, 242; Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"); Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1502 f.) - „Betriebsvereinbarung". 99 Siehe Hanau, RdA 1976, 24 (29); Schlüter I Belling, Anm. zu BAG, Beschl. v. 18. 7. 1978, SAE 1979, 277 ff.; Linnenkohl, BB 1984, 603 (607 f.); Belling , Anm. zu BAG, Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 ff.); Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (300 ff.). Für die vorzeitige Beendigung von Arbeitsverträgen leitender Angestellter anders Säcker, RdA 1976, 91. Zur Zulässigkeit von einzelarbeitsvertraglichen Altersgrenzen ausführlich Schröder, Altersgrenzen, S. 178 ff.

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

Prüfungsmaßstäbe: Das Bundesarbeitsgericht überprüft Altersgrenzenfestsetzungen, in entsprechender Anwendung seiner richterrechtlichen Grundsätze zur Zulässigkeit befristeter Einzelarbeitsverhältnisse, daraufhin, ob für sie ein „sachlicher Grund" vorhanden ist. Das Schrifttum dagegen nimmt eine an den Maßstäben der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts 100 orientierte Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, bei der es die Berufsfreiheit der älteren Arbeitnehmer und Gemeinwohlbelange einander verhältnismäßig zuordnet 101. Diese Unterschiede im rechtlichen Ausgangspunkt und die aus ihnen folgende Verschiedenheit der Prüfungsmaßstäbe führen, wie gezeigt werden wird, in mehreren Hinsichten zu unterschiedlichen Folgerungen. Ein besonders markanter Unterschied besteht dabei in bezug auf die Frage, ob das Vorhandensein einer ausreichenden Altersversorgung, wie das Bundesarbeitsgericht meint, wichtigster Rechtfertigungsgrund für Altersgrenzenregelungen sein kann. Die Rechtsprechung sieht darin einen Aspekt, der einen „sachlichen Grund" im Sinne der von ihr aufgestellten und näher bestimmten richterrechtlichen Grundsätze abzugeben vermag 102 . Nimmt man hingegen das Grundrecht der Berufsfreiheit zum Ausgangspunkt, stößt man auf den Befund, daß Berufsfreiheit, entsprechend der Bedeutung beruflicher Arbeit, durch das Grundgesetz allgemeiner Überzeugung nach nicht nur gewährleistet wird, weil Arbeit der wirtschaftlichen Existenzsicherung des einzelnen und der Erwirtschaftung des Sozialproduktes dient, sondern weil sie gleichzeitig auch als Möglichkeit zu menschlicher Selbstverwirklichung zu begreifen ist 1 0 3 . Sieht man die Zulässigkeit von Altersgrenzenregelungen vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG, ergeben sich somit schon bei erstem Hinsehen erhebliche Zweifel, ob dem Umstand einer ausreichenden wirtschaftlichen Existenzsicherung durch eine Altersversorgung die entscheidende Bedeutung als Rechtfertigungsgrund zukommen darf 104 . 100

Grundlegend BVerfGE 7, 377 (399 ff.) - Apotheken. Siehe Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 ff.); Hanau, RdA 1976, 24 (29 ff.); Linnenkohl, BB 1984, 603 (607 f.); Schlüter /Belling, Anm. SAE 1979, 277 ff.; dies., NZA 1988, 297 (302 f.). 102 Siehe zuletzt BAG, Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II") unter A I V 6 b der Gründe. Danach ist eine Altersgrenzenregelung jedenfalls dann grundsätzlich zulässig, wenn eine ausreichende Altersversorgung besteht. Ebenso BAG, Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1502 f.) - „Betriebsvereinbarung". Dort wird zudem klargestellt, daß nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts ein Anspruch auf Altersruhegeld aus der gesetzlichen Altersversorgung ausreicht. 103 Siehe grundlegend BVerfGE 7, 377 (397): „Wohl zielt das Grundrecht auf den Schutz der - wirtschaftlich sinnvollen - Arbeit, aber es sieht sie als ,Beruf, d.h. in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im Ganzen, die sich erst darin voll ausformt und vollendet, daß der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt." Näher dazu im 3. Kapitel, 12. 104 Siehe Belling, Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 R.); dens., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (Bl. 28); Linnenkohl, BB 1984, 603 (608); Schlü101

IV. Rechtsprobleme tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen

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IV. Rechtsprobleme tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen 1. Ziel und Gegenstand der Arbeit Diese Arbeit will dazu beitragen, die Berufsfreiheit Älterer im Bereich der abhängigen Arbeit bewußt zu machen. Dazu bieten Altersgrenzenfestsetzungen einen willkommenen Ausgangspunkt105. Da Altersgrenzenfestsetzungen im Bereich der abhängigen Arbeit vielfach durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen erfolgen 106 , nimmt die Arbeit kollektivvertragliche Regelungen zum Ausgangspunkt und untersucht tarifvertraglich normierte Altersgrenzen auf ihre arbeitsrechtliche und verfassungsrechtliche Zulässigkeit. Sie beschränkt sich dabei auf Tarifverträge aus dem Bereich der Privatwirtschaft. 2. Einführung in die rechtliche Problematik. Vorgehensweise Kollektivvertraglich geregelte Altersgrenzen für abhängig Beschäftigte in der Privatwirtschaft werfen zahlreiche Rechtsfragen auf, von denen einige schon angeklungen sind. Besonders bedeutsam ist dabei der Umstand, daß sie das Spannungsfeld zwischen kollektiver Macht (hier: Tarifautonomie) und Individualwillen (hier: Berufsfreiheit Älterer) berühren 107. Denn mit der Festsetzung von Altersgrenzen wirken die Kollektivvertragsparteien auf den einzelnen älteren Arbeitnehmer ein. a) Altersgrenzen als Gegenstand des Tarifvertrages Zunächst stellt sich die Frage, ob Altersgrenzen überhaupt durch Tarifvertrag festgelegt werden dürfen. Sie wird allgemein bejaht. Allerdings wird hierfür in der Literatur, soweit ersichtlich, keine nähere Begründung gegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinen Flugzeugführer-Entscheidungen ausgeführt, soweit ein Tarifvertrag Regeln über die zeitliche Begrenzung von Arbeitsverträgen entier I Belling, Anm. SAE 1979, 277 (279); dies., NZA 1988, 297 (303 f.); Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 276. Anders aber Hanau, RdA 1976, 24 (30 f.) 105 Allgemein zum Grundrecht der Berufsfreiheit im Arbeitsrecht siehe die eingehende neuere Untersuchung von Riedel, Berufsfreiheit. Riedel dient die Altersgrenzenproblematik als Beispielsfall zur Veranschaulichung der Berufsfreiheit im Bereich der abhängigen Arbeit, siehe S. 117 ff. 106 Einzelvertragliche Altersgrenzenregelungen hat Schröder, Altersgrenzen, untersucht. 107 Grundsätzlich Karakatsanis, Gestaltung; Rie hardi, Kollektivgewalt; Säcker, Gruppenautonomie. Siehe auch Badura, in: Festschr. f. Berber, S. 11 (32 f.); Däubler, NZA 1988, 857.

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

halte, handele es sich um Normen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Sinne von § 1 Abs. 1 TVG; Regelungen dieser Art hielten sich somit im Rahmen der Tarifautonomie 108 . aa) Dem ist ohne weiteres zuzustimmen, wenn man, wie es das Bundesarbeitsgericht und ein Teil der Rechtslehre tun, die Tarifautonomie für durch § 1 TVG delegiert hält (sog. Delegationstheorie) 109. Altersgrenzenregelungen legen fest, zu welchem Zeitpunkt Arbeitsverhältnisse enden, und § 1 Abs. 1 TVG bestimmt, daß der Tarifvertrag Rechtsnormen enthält, die - u.a. - die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen können. Folgt man der Delegationstheorie, so besteht kein Grund, die klare Aussage des § 1 Abs. 1 TVG in Zweifel zu ziehen. bb) Aber auch wenn man, wie es zunehmend geschieht, die Rechtsgrundlage der Tarifautonomie schon in der institutionellen Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG sieht (Lehre von der verfassungsunmittelbaren Autonomie) 110 , wird man zu diesem Ergebnis gelangen. Allerdings ist die Begründung hierfür insofern schwieriger, als die Regelungsmacht bei dieser Sichtweise nicht in erster Linie vom TVG, sondern vom Verfassungsrecht abhängt. Es ist bei der gegenüber dem TVG höherrangigen Verfassung anzusetzen111 und von der Garantie der Koalitionsfreiheit zur „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" auszugehen, die anerkanntermaßen auch den Koalitionen als solchen Rechte einräumt 112 . Geht man von Art. 9 Abs. 3 GG aus, stellt sich die Frage, ob es allein auf den Regelungsgegenstand ankommen kann, den Umstand also, daß Arbeitsverhältnisse beendet werden. Altersgrenzenregelungen können sehr unterschiedliche Ziele verfolgen. In Betracht kommen Ziele wie der Schutz älterer Arbeitnehmer, die Beeinflussung von Altersstruktur, Aufstiegschancen und Personalplanungen, aber auch die Sicherung des Leistungsstandes bei der Verrichtung bestimmter Arbeiten oder die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Was die zuletzt genannten Regelungen zur Sicherung des Leistungsstandes und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit angeht, die auch der staatliche Gesetzgeber treffen könnte 113 , be108 BAG, Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I") unter Β I 1 der Gründe; Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II") unter A IV 1 der Gründe. 109 Siehe die Nachweise im 3. Kapitel, Fn. 42. 110 Siehe die Nachweise im 3. Kapitel, Fn. 43. Im hier interessierenden Zusammenhang führt die Lehre von der Originarität der Satzungsgewalt nicht zu Besonderheiten. Näher zu ihr im 5. Kapitel , I 4 b aa. 111 Vgl. Rüthers, Tarifmacht, S. 14 ff.; Schnorr, JR 1966, 327 (330). 112 Siehe BVerfGE 4, 96 (101 f.); 18, 18 (26); 28, 295 (304); 38, 281 (303); 44, 322 (340 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung; 50, 290 (367) - Mitbestimmung; 58, 233 (246). § 1 TVG erscheint bei dieser Sichtweise als gesetzliche Konkretisierung des Art. 9 Abs. 3 GG, die im Sinne dieses Grundrechts ausgelegt werden muß. Siehe auch BAG, Urt. v. 26. 4. 1988, NJW 1989, 186 f.

IV. Rechtsprobleme tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen

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darf es einer näheren Begründung der Regelbarkeit durch Tarifvertrag, wenn man für die Bestimmung der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien auch auf das Regelungsziel m abstellt. (1) Die Koalitionsfreiheitsgarantie des Art. 9 Abs. 3 GG läßt sich, unter Zuhilfenahme der historischen Entwicklung 115 , dahin konkretisieren, daß Aufgabe der Koalitionen die eigenverantwortliche, aktive Wahrnehmung der Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist 116 . Die Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck einer selbstbestimmten, autonomen Ordnung des Arbeitslebens 117. Die Festlegung der Höhe der Vergütung ist dabei nur ein besonders wichtiger Gesichtspunkt, die Regelungsgewalt der Tarifvertragsparteien erschöpft sich darin aber keineswegs118. Die Verleihung von Autonomie hat den Sinn, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren und gesellschaftlichen Gruppen die Regelung von Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie besonders sachkundig beurteilen können, zu eigener Verantwortung zu überlassen 119. Für die Tarifautonomie gilt dies in besonderem Maße. Die Tarifvertragsparteien können den unterschiedlichen Erfordernissen bestimmter Arbeits- und Wirtschaftsbereiche besonders gut Rechnung tragen und somit den Bedürfnissen und Anforderungen des Arbeitslebens am ehesten gerecht werden. Seine größere Anpassungsfähigkeit macht den Tarifvertrag einer gesetzlichen oder sonstigen staatlichen Regelung prinzipiell überlegen 120. Zudem läßt sich erreichen, daß die programmierte Möglichkeit, Druck und Gegendruck auszuüben, zur Verwirklichung von Regelungen führt, zu denen es sonst vielleicht nicht kommen würde. Deshalb liegt es im Sinne der Koalitionsfreiheitsgarantie des Art. 9 Abs. 3 GG, den möglichen Regelungsbereich tarifvertraglicher Vereinbarung tendenziell weit zu ziehen. Eine Frage gehört immer dann zu den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, wenn sie mit der Teilhabe der abhängigen Arbeit am Arbeits- und Wirtschaftsleben in Zusammenhang steht 121. Die tarifvertragliche Praxis läßt schon seit langem einen Funktions113 Siehe zum einen die Altersgrenze für Hebammen (dazu oben III 1 a), zum anderen das Vor ruhe stands ge setz. 114 So insbesondere Rüthers, Tarifmacht, S. 16, 18. 115 BVerfGE 50, 290 (367) - Mitbestimmung (m. zahlr. Nachw.). 116 Siehe BVerfGE 4, 96 (106); 44, 320 (340 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung. 117 Vgl. BVerfGE 44, 320 (340 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung (m. zahlr. Nachw.). 118 A.A. Forsthoff, BB 1965, 381 (385 f.). 119 Siehe BVerfGE 33, 125 (156 f.) - Fachärzte (m. zahlr. Nachw.). 120 Kissel, NZA 1986, 73 (74). 121 Vgl. aus dem Schrifttum Friauf, RdA 1986, 188 (189); Gamillscheg, Differenzierung, S. 78 f., 81; Herschel, Verh. d. 46. DJT, S. D 7, 12; Hölters, Harmonie, S. 142 ff., 152; Kempen, AuR 1980,193 (195 f.); Krüger, Verh. d. 46 DJT, S. 7,39 ff., 82 f.; Misera , Tarifmacht, S. 26 ff., 44 f.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 179 f., 183, 189 ff.; Rüthers, Tarifmacht, S. 16 f., 27; Säcker, Grundprobleme, S. 40 ff.; Schnorr, JR 1966, 327 (331); Scholz, ZfA 1981, 265 (297 ff.); Schwerdtfeger, Koalitionsfreiheit, S. 39; Simitis, AuR

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

wandel dahin erkennen, daß die Bedeutung des Tarifvertrages zur gesamtwirtschaftlichen Datensetzung und als Instrument der Sozialpolitik wächst 122 . Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sind stets neue Aufgaben zugewachsen, die sie zu verantwortlichen Mitträgern des Gemeinschaftslebens gemacht haben 123 . (2) Altersgrenzenregelungen mit dem Ziel der Gewährleistung eines guten Leistungsstandes oder dem Ziel, durch breite Verteilung der Arbeit beschäftigungspolitische Wirkungen zu erzielen, stehen in diesem Sinne in Zusammenhang mit der Teilhabe der abhängigen Arbeit am Arbeits- und Wirtschaftsleben. Auch wenn die Gewährleistung eines guten Leistungsstandes, besonders bei Berufstätigkeiten, die Gefahren bergen, gerade auch einer größeren Allgemeinheit dient, steht die so motivierte Altersgrenzenregelung in hinreichendem Zusammenhang auch mit der Teilhabe der abhängigen Arbeit am Arbeits- und Wirtschaftsleben. Der Aspekt des Schutzes der Allgemeinheit könnte zwar auch den staatlichen Gesetzgeber auf den Plan rufen. Es besteht aber neben 124 dem Interesse der Allgemeinheit auch ein spezifisches Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern an einem Schutz von Arbeitskollegen, an der Vermeidung von Schäden und Schadensersatzforderungen Dritter, und es besteht ein typisches Arbeitgeberinteresse an einer möglichst hohen Produktivität. Auch beschäftigungspolitisch motivierte Altersgrenzenfestsetzungen zur breiteren Verteilung der Arbeit sind Regelungen von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im Sinne von Art. 9 Abs. 3 GG 1 2 5 . Die breitere Verteilung der Berufsarbeit ist ein kollek1975, 321 (331 f.); Wiedemann / Stumpf, TVG, Einl. RdNr. 160; Wiedemann , RdA 1986, 231 (232). Das Bundesarbeitsgericht hat verlangt, daß die tarifvertragliche Regelung ihre Rechtfertigung „in dem Sinn und Zweck des Arbeitsverhältnisses, in den arbeitsrechtlichen Gesamtzusammenhängen und in der Natur der Sache" finden müsse, siehe Urt. v. 20. 12. 1957, AP Nr. 1 zu § 399 BGB. Anders die sog. Schutztheorie, siehe Biedenkopf Grenzen, S. 75; dens. Verh. d. 46. DJT, S. 97 (113, 115 ff.); dens., RdA 1965, 241 (248). 122 Siehe nur Schnorr, JR 1966, 327 (331); Badura, in: Festschr. f. Berber (1973), S. 11 (31). Zur Diskussion um das Zweite Vermögensbildungsgesetz der 60er Jahre Richardi, Kollektivgewalt, S. 189 ff. m. Nachw. In der Diskussion um die Einführung differenzierter Wochenarbeitszeiten in der Metallindustrie ging man von der tarifvertraglichen Regelbarkeit als selbstverständlich aus. Auch der Gesetzgeber hat mit dem Vorruhestandsgesetz flankierend zu nennende Regeln geschaffen, die einen tarifvertraglichen Interessenausgleich fördern sollen. Siehe noch Wiedemann, in: Festschr. 25 Jahre BAG, S. 635 (655 ff.). 123 So vor über 20 Jahren schon Schnorr, JR 1966, 327 (331). 124 Vgl. Rüthers, Tarifmacht, S. 29 ff. 125 In der Diskussion um die Wochenarbeitszeitverkürzung in der Metallindustrie wurde auf diese Frage kaum eingegangen. Siehe BAG, Beschl. v. 18. 8. 1987, NZA 1987,779; Löwisch, NZA 1985,170 (171); Richardi, NZA 1984, 387 (387 f.). Joost setzt sich mit der Frage der Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien zur Regelung der Wochenarbeitszeit auseinander. Er hält sie für unproblematisch gegeben. Die Zuständigkeit zur Regelung der Arbeitszeit sei seit Beginn der Gewerkschaftsbewegung von den Tarifvertragsparteien in Anspruch genommen worden und gehöre unbestritten zu den Arbeits-

IV. Rechtsprobleme tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen

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tives Anliegen, das in besonderem Maße auf die Bedingungen des Arbeitslebens im Bereich der abhängigen Arbeit Einfluß nehmen soll. Dabei soll der angestrebte Effekt nicht nur außenstehenden Arbeitsuchenden nützen. Er betrifft vielmehr auch die Arbeitsbedingungen der tarifgebundenen Beschäftigten, die zumindest insoweit ein Interesse an der Erreichung eines möglichst hohen Beschäftigungsgrades haben, als dadurch ihre Arbeitsplätze sicherer werden und ihre Position gegenüber den Arbeitgebern gestärkt wird 1 2 6 . b) Schranken tarifvertraglicher

Altersgrenzenregelungen

Problematisch ist hingegen, welchen Schranken tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen ausgesetzt sind. Die Suche nach möglichen Schranken einer tarifvertraglichen Festsetzung von Altersgrenzen ist Gegenstand der folgenden Kapitel. Die wichtigsten der im Zusammenhang damit auftretenden Fragen sollen zunächst kurz eingeführt werden: aa) Arbeitsrechtliche Schranken Bei der Suche nach möglichen arbeitsrechtlichen Schranken tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen interessiert vor allem, welche Rolle der kündigungsschutzrechtliche Bestandsschutz spielt. Das Bundesarbeitsgericht hat betont, auch die Tarifvertragsparteien müßten sich bei der Regelung von Beendigungstatbeständen „an das gesetzliche Kündigungsschutzrecht halten, das nicht zu ihrer Disposition" stehe127. Nun knüpft § 1 Abs. 1 KSchG aber seinem eindeutigen Wortlaut nach an die „Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer" an; andere Beendigungsgründe sind dem Wortlaut des Gesetzes nach tatbestandlich nicht erfaßt. Das Bundesarbeitsgericht und ein Teil der Rechtslehre meinen dennoch, daß die Tarifvertragsparteien bei der und Wirtschaftsbedingungen i.S. des Art. 9 Abs. 3 GG. Siehe ZfA 1984,173 (174). Demgegenüber kann eingewandt werden, daß die arbeitsverteilungspolitische Motivation der Arbeitszeitregelung früher nicht im Vordergrund stand. Die Forderung nach einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit ist eine der bedeutendsten und ältesten Forderungen der Gewerkschaften und ihrer Vorläufer. Von Beginn der Industrialisierung an bis noch in jüngste Vergangenheit war Antrieb dieser Forderung aber die Verbesserung der schlechten Lebensqualität der Arbeitnehmer. Siehe z.B. Marx, Kapital, S. 249 ff., 431 ff. 126 Siehe auch Wiedemann , RdA 1986, 231 (232): „Als Rechtskreis der Arbeitnehmer ist in diesem Zusammenhang die Gesamtheit aller rechtlichen und sozialen Belange der Arbeitnehmer zu verstehen, die sich gerade aus ihrer Eigenschaft als abhängig Beschäftigte ergeben, ihre spezifische Grundlage also im 'Arbeitsprozeß' finden". Friauf RdA 1986, 188 (189): „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sind ... umfassend bezogen, aber auch beschränkt auf die spezifische Situation der Beteiligung am Arbeitsleben als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber". 127 BAG, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"), unter Β I 4 der Gründe. Im Schrifttum ebenso insbesondere Hanau, RdA 1976, 24 (26, dort insbes. Fn. 17); Linnenkohl, BB 1984, 603 (605, 606).

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

Festsetzung von Altersgrenzen die Gestaltungsform des Tarifvertrages nicht anwenden dürfen, soweit sie dadurch die Bestimmungen des Kündigungsschutzrechts „objektiv funktionswidrig" umgehen. Dies soll, wie schon angesprochen wurde, der Fall sein, wenn die entsprechende Anwendung der richterrechtlichen Grundsätze zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse 128 ergibt, daß für die Festsetzung kein sachlicher Grund gegeben ist. Dieser Lösungsweg wird im 2. Kapitel einer kritischen Betrachtung unterzogen und es wird der prinzipiellen Frage nachgegangen, ob die Vorschriften des KSchG entweder über einen Umgehungsgedanken oder vielleicht im Wege des Analogieschlusses auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen angewandt werden dürfen. bb) Verfassungsrechtliche Schranken Es kann im Arbeitsrecht als geradezu selbstverständlich gelten, daß die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normensetzung unmittelbar an Grundrechte gebunden sind. Vor allem das Bundesarbeitsgericht hat seit jeher diese Ansicht vertreten. Um so mehr verwundert es, daß das Gericht erstmals in der Entscheidung vom 6. 3. 1986 - seiner Untersuchung der Altersgrenze auf ihre sachliche Rechtfertigung allerdings untergeordnet - näher dargelegt hat, weshalb die tarifvertragliche Regelung „auch nicht" Art. 12 Abs. 1 GG verletze 129 . Es fragt sich, ob nicht, vom Ausgangspunkt einer unmittelbaren Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien her betrachtet, in erster Linie Art. 12 Abs. 1 GG den Prüfungsmaßstab für die Beurteilung tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen liefert 130 . Sind die Tarifvertragsparteien, aus welchen Gründen auch immer, unmittelbar an die Grundrechte gebunden, muß letztlich Art. 12 Abs. 1 GG bestimmen, welchen Beschränkungen die Berufsfreiheit Älterer durch Tarifvertrag ausgesetzt werden darf. In den letzten Jahren ist die Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit für den Bereich der abhängigen Arbeit viel diskutiert worden. So lautete das Thema der Staatsrechtslehrertagung 1985: „Art. 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit". Altersgrenzenregelungen, die den Bereich der abhängigen Arbeit betreffen, bilden einen Beispielsfall, an dem die Bedeutung der Berufsfreiheit im Bereich der abhängigen Arbeit anschaulich gemacht werden kann. 128

BAG (GS) E 10,65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenzen („Flugzeugführer II") unter A V der Gründe. Für eine Betriebsvereinbarung in diesem Sinne erneut BAG, DB 1988, 1501 (1503). 130 Dieser Auffassung sind vor allem Hanau, RdA 1976, 24 (29); Schlüter / Belling, Anm. SAE 1979, 277 (278 f.); dies., NZA 1988,297 (300 ff.); Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 ff.); ders., Anm. EZA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (Bl. 23 ff.); Riedel, Berufsfreiheit, S. 119 ff.; Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 276. 129

IV. Rechtsprobleme tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen

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Im einzelnen stellen sich vor allem folgende Fragen, die im 3. und 4. Kapitel behandelt werden: (1) Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen regeln die Beendigung bestimmter Arbeitsverhältnisse. Dadurch sollen Arbeitsplätze freigemacht werden. Sie legen aber nicht das Ende bestimmter Berufstätigkeiten schlechthin fest. Als Prüfungsmaßstab kommt deshalb in erster Linie das in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG neben der freien Berufs- und Ausbildungsstättenwahl auch verbürgte Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes in Betracht. Ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl liegt daneben allerdings immer dann nahe, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes für den älteren Arbeitnehmer faktisch das Ende seiner Berufstätigkeit bedeuten muß, was gegenwärtig häufig der Fall sein wird 1 3 1 . Ist Prüfungsmaßstab in erster Linie das Recht der freien Arbeitsplatzwahl, bestimmen die Beschränkungsmöglichkeiten dieser Gewährleistung, inwieweit durch Regelung tarifvertraglicher Altersgrenzen in die Berufsfreiheit Älterer eingegriffen werden darf. Unter welchen Voraussetzungen der Gewährleistungsaspekt der freien Arbeitsplatzwahl beschränkt werden darf, ist bisher jedoch kaum untersucht worden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat diese Gewährleistung bisher nicht näher konkretisiert 132 . Da der Gewährleistungsaspekt freier Arbeitsplatzwahl den Bereich abhängiger Arbeit besonders betrifft, bietet die Altersgrenzenproblematik Gelegenheit, sich mit den Schranken dieses Rechts auseinanderzusetzen. (2) Der Vorbehalt in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG erlaubt Beschränkungen allerdings nur durch oder aufgrund Gesetzes. Gesetz in diesem Sinne ist nur ein Pariamentsgesetz 133. Deshalb muß untersucht werden, ob und gegebenenfalls bis zu welchem Punkt die Tarifvertragsparteien Eingriffe in die Berufsfreiheit ohne nähere Bestimmung des staatlichen Gesetzgebers überhaupt regeln dürfen. Wie das Bundesverfassungsgericht im Facharzt-Beschluß 134 grundlegend ausgeführt hat, darf der Gesetzgeber die Befugnis zur Grundrechtsbegrenzung nicht gänzlich aus der Hand geben. Für Regelungen der autonomiebegabten Ärztekammern über das Facharztwesen hat das Gericht gefolgert, mindestens die den Aspekt der Berufswahl betreffenden „statusbildenden" Bestimmungen müsse der staatliche Gesetzgeber selbst treffen 135 . Scholz hat für den Bereich der Tarifautonomie die Auffassung vertreten 136, diese Grundsätze müßten gegenüber tarifvertraglicher 131

Schlüter I Belling, NZA 1988, 297 (301). Siehe BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1198 f.) - Arbeitnehmerüberlassung. Dort geht das Gericht erstmals auf diesen Gewährleistungsaspekt ein. 133 St. Rspr. des BVerfG, siehe BVerfGE 33, 1 (11 f.) - Strafgefangene; 33, 125 (155, 158 f.) - Fachärzte; 73, 280 (294 f.) - Notare; 76, 171 (184 f.) - Anwaltliches Standesrecht. 134 BVerfGE 33, 125. 135 BVerfGE 33, 125 (155 ff.). 136 Scholz, ZfA 1981, S. 265 (293). 132

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1. Kap.: Berufsarbeit im Alter? — Einführung in die Problematik

Normensetzung „ganz entsprechend" gelten. Sollte dem beizutreten sein, wären die Tarifvertragsparteien von Regelungen, die über den Aspekt der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG) hinausgehen, möglicherweise von vornherein ausgeschlossen. Dies müßte auch die Zulässigkeit tarifvertraglicher Altersgrenzenfestsetzungen berühren, die ja offenbar über eine Regelung der Berufsöwsübung hinausgehen. (3) Die Vereinbarkeit tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen mit Art. 12 Abs. 1 GG im einzelnen wird von der verhältnismäßigen Zuordnung der Berufsfreiheit älterer Arbeitnehmer einerseits und ihr gegenüber berücksichtigungsfähiger Belange andererseits abhängen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß im Bereich der abhängigen Arbeit typischerweise eine Mehrzahl von Grundrechtspositionen aufeinandertreffen: Es sind nicht nur die Berufsfreiheit der Älteren und Belange einer größeren ,Allgemeinheit", wie z.B. der Belang der Sicherung des Leistungsstandes zur Vermeidung von Gefahren durch fehlerhafte Berufsausübung an bestimmten Arbeitsplätzen, die miteinander zum Ausgleich gebracht werden müssen. Vielmehr müssen, wie es für den Bereich der abhängigen Arbeit typisch ist, auch Grundrechtspositionen der Arbeitgeberseite und anderer Arbeitnehmer besonders berücksichtigt werden. Dem Arbeitgeber kann z.B. an einer langfristigen Personalplanung gelegen sein; andere Arbeitnehmer können ein Interesse haben, daß Arbeitsplätze freigemacht werden, damit sie einen Arbeitsplatz bekommen oder aufsteigen können. Die Berufsfreiheit des einzelnen steht also den Belangen einer weiteren „Allgemeinheit" und Belangen einzelner anderer gegenüber 137. Dies wird bei der verhältnismäßigen Zuordnung berücksichtigt werden müssen.

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Siehe auch die Darstellung möglicher Interessenkonflikte bei Kittner, markt, S. 25 ff.

Arbeits-

2. Kapitel

Einfach-gesetzliche Schranken tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen I. Problemstellung Die Tarifvertragsparteien müssen sich bei der tarifvertraglichen Normensetzung in den Grenzen zwingender gesetzlicher Regelungen halten. Dies ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemeine Auffassung 1. Der Grund hierfür liegt in der innerstaatlichen Rangordnung der Rechtsquellen. Danach gehen Bundesund Landesrecht als staatliches Recht dem autonomen Recht vor, weil sich Autonomie aus staatlicher Rechtsetzungsgewalt ableitet. Auch die Tarifautonomie als der aus der staatlichen Rechtsetzung ausgeklammerte Bereich originärer Regelungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien findet ihre Grundlage in einer staatlichen Gewährung, die entweder schon in Art. 9 Abs. 3 GG oder zumindest im parlamentsgesetzlichen Tarifvertragsgesetz (TVG) gesehen werden kann2. Wie dargelegt 3, finden sich nur wenige einfach-gesetzliche Regelungen, die einen direkten Bezug zur Berufsarbeit Älterer aufweisen. Dazu zählen im hier interessierenden Zusammenhang § 75 Abs. 1 S. 2 BetrVG 4 und Art. 6 § 5 RRG5. Im

1 Siehe nur BAG, Urt. v. 25. 4. 1979, BAGE 31, 381 (388) = AP Nr. 49 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; Urt. v. 26. 9. 1984, BAGE 47, 1 (7) = AP Nr. 59 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; Urt. v. 7. 11. 1984, BAGE 47, 165 (167 f.); Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, RdNr. 169; Hueck / Nipperdey, Bd. II/l. Halbbd., S. 392; Nikisch, Arbeitsrecht, S. 227; Wiedemann / Stumpf Einl. vor § 1 TVG RdNr. 90 ff. 2 Im einzelnen dazu im 3. Kapitel , 14. Anders aber die Lehrmeinung von der Originarität der Satzungsgewalt der Tarifvertragsparteien. Die rechtliche Möglichkeit einer Normensetzung durch die nichtstaatlichen Tarifvertragsparteien entspringt danach als originäres Recht dem natürlichen Wirkungskreis dieser gesellschaftlichen Institution. Siehe z. B. Herschel, in: Festschr. f. Bogs, S. 125 (130 f.); dens., Verh. d. 46. DJT, S. D 7, D 11, D 16. Diese Sichtweise ist aber unter der Geltung des Grundgesetzes nicht mehr haltbar. Dazu im 3. Kapitel , 14 b aa. 3 Siehe 1. Kapitel, II 1. 4 Die Vorschrift lautet: „Sie [Arbeitgeber und Betriebsrat, siehe Satz 1] haben darauf zu achten, daß Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden". 5 Die Vorschrift lautet: „Die Tatsache, daß ein Arbeitnehmer berechtigt ist, vor Vollendung des 65. Lebensjahres Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung zu beantragen, ist nicht als ein die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber bedingender Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG anzusehen; sie kann auch

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

übrigen gelten die allgemeinen Regeln des KSchG als einfach-gesetzlicher Bestandsschutz auch für die Arbeitsverhältnisse Älterer. Was nun tarifvertraglich festgesetzte Altersgrenzen angeht, ist bezüglich aller dieser Regelungen aber zweifelhaft, ob sie zum Schutz der älteren Arbeitnehmer überhaupt eingreifen: § 1 KSchG knüpft seinem eindeutigen Wortlaut nach an die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer an; Art. 6 § 5 Abs. 1 RRG stellt klar, daß die Tatsache der Rentenberechtigung nicht als Grund für eine Kündigung in Frage kommt; Adressaten des § 75 Abs. 1 S. 2 BetrVG sind nicht die Tarifvertragsparteien, sondern Betriebsrat und Arbeitgeber. Danach erscheint es möglich, daß es gegenüber tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen einen einfach-gesetzlichen Schutz für Ältere nicht gibt. Dies würde den Blick ganz auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG lenken.

I I . Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und Kündigungsschutz A. Vorbemerkung 1. Bestandsschutz durch das KSchG Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sie ist sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist oder wenn sie nicht erfolgt, weil dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem Betrieb entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG). Ein Arbeitsverhältnis kann vom Arbeitgeber also nur bei Vorliegen bestimmter Gründe ordentlich gekündigt werden. Das Gesetz bezweckt damit einen Bestandsschutz. Ein Arbeitnehmer soll sich seines einmal erworbenen Arbeitsplatzes insoweit sicher sein können, als dieser ihm vom Arbeitgeber nicht beliebig entzogen werden kann6. Dahinter steckt der Gedanke, daß der Arbeitsplatz für den einzelnen Arbeitnehmer einen besonderen Wert darstellt: Er ist zum einen Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz, da Arbeitnehmer in aller Regel ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien durch ihr Arbeitseinkommen bestreiten. Ein Verlust des Arbeitsplatzes ist, von den Auswirnicht bei der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden." 6 Allerdings ist anzumerken, daß das Kündigungsschutzrecht sein Ziel, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten, nach dem Ergebnis einer Repräsentativuntersuchung im Auftrag des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung so gut wie nie erreicht. Siehe näher Thiele, Recht auf Arbeit, S. 97 (108) m. Nachw.

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und Kündigungsschutz

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kungen auf die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers und seiner Familie abgesehen, aber auch mit Folgen für die persönlichen Verhältnisse verbunden 7, die zu vermeiden ebenfalls Ziel des Bestandsschutzes ist 8 . Dabei soll auch die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu seinem Betrieb geschützt werden, nicht nur, weil mit der Betriebszugehörigkeit materielle Rechtspositionen verbunden sein können, sondern auch, weil die Betriebsangehörigkeit zu persönlichen Verflechtungen mit Arbeitskollegen und dem Betrieb führen kann9. Der Zweck des Kündigungsschutzrechts besteht also darin, dem Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz zu erhalten. Damit begrenzt die Rechtsordnung zugleich das Kündigungsrecht des Arbeitgebers, trägt aber seinen Interessen mit den Kündigungsgründen des § 1 Abs. 2 KSchG Rechnung. 2. Ältere Arbeitnehmer und Kündigungsschutz Dieser kündigungsschutzrechtliche Bestandsschutz ist vom Alter des Arbeitnehmers unabhängig. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob der Arbeitnehmer ein Alter erreicht hat, das ihn berechtigt, Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung zu beziehen10. Alter kann für sich allein insbesondere nicht als ein „in der Person des Arbeitnehmers" liegender Grund angesehen werden, der eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen könnte. Dies entspricht allgemeiner Überzeugung im arbeitsrechtlichen Schrifttum 11 und ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schon früh hervorgehoben worden 12. 7

Näher oben 1. Kapitel , I 1. Siehe Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. I 2090, S. 12, unter B, 1. Abschnitt, abgedruckt in: RdA 1951,61 (63); BAG (GS), Beschl. v. 12. 10. 1960, BAGE 10,65 (71) = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. Siehe auch BAG (GS), Beschl. v. 27. 2. 1985, BAGE 48, 122 (131, 134, 138) = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; Benda, Industrielle Herrschaft, S. 530 f; Herschel, RdA 1975, 28 (30 ff.); Löwisch, in: Herschel / Löwisch, Vorbem. vor § 1 KSchG RdNr. 1 ff.; Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (304); Schröder, Altersgrenzen, S. 188. 9 Siehe Begründung des Regierungsentwurfs, a.a.O, RdA 1951, 61 (63); Benda, Industrielle Herrschaft, S. 530 ff., 532; Hueck / Nipperdey, Bd. I, S. 628. 10 Für die die Rentenberechtigung vor Vollendung des 65. Lebensjahres ist dies in Art. 6 § 5 Abs. 1 RRG klargestellt. 11 Siehe nur Becker, in: Gemeinschaftskommentar, § 1 KSchG RdNr. 195, 224; Hanau, RdA 1976, 24 (25) m.w.Nachw.; G. Hueck, in: Hueck, § 1 KSchG RdNr. 85; Hueck/Nipperdey, Bd. I, S. 636 (Fn. 32); Linnenkohl, BB 1984, 603 (605 f.); Löwisch, in: Herschel /Löwisch, § 1 KSchG RdNr. 149; Säcker, RdA 1976, 91 (92); Schlüter! Belling, NZA 1988, 297 (299); Schröder, Altersgrenzen, S. 107 ff. m. umfangreichen Nachw. Anders für den Fall einer ausreichenden Altersversorgung Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 760; Schimana, BB 1970, 1138 (1141); Zöllner, Anm. AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1951 Personenbedingte Kündigung. 12 Siehe BAG, Urt. v. 28. 9. 1961, BAGE 11, 278 (285) = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung. Bestätigt durch BAGE 23, 257 (275) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"); BAG, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"), unter Β II 2 a; BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze 8

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

Das KSchG gewährt einen „individuellen, auf die Person des einzelnen Arbeitnehmers zugeschnittenen Kündigungsschutz13". Damit ist eine generalisierende Betrachtungsweise dahin, daß von einem bestimmten Alter ab eine Vermutung für mangelnde Leistung spreche, nicht vereinbar. B. Die Maßgeblichkeit des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes für tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen Der im KSchG 14 geregelte Arbeitsplatzschutz knüpft nun aber an den Tatbestand einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Andere Beendigungsgründe sind dem Wortlaut des Gesetzes nach tatbestandlich nicht erfaßt. Deshalb ist fraglich, ob sich für tarifvertragliche Regelungen über Altersgrenzen Beschränkungen aus dem kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz ergeben können. 1. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dehnt den kündigungsschutzrechtlichen Arbeitsplatzschutz im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auf Altersgrenzenregelungen durch Tarifverträge aus. Methodischer Ausgangspunkt ist dabei der Gedanke der Gesetzesumgehung. Die Fragestellung lautet, ob die Tarifvertragsparteien bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Gestaltungsform des Tarifvertrages anwenden dürfen, wenn sie dadurch zwingende Bestimmungen des Kündigungsschutzrechts umgehen. Im einzelnen greift das Bundesarbeitsgericht dabei auf die Grundsätze zurück, die der Große Senat15 zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse aufgestellt hat und wendet diese auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen an 16 . Der 2. Senat hat dies zuletzt folgendermaßen begründet 17: Tarifvertragliche Regelungen („Flugzeugführer II"), unter A IV 3; BAG, DB 1988, 1501 (1502) - „BetriebsVereinbarung". Siehe schon 1. Kapitel, III 1 c. 13 BAG, a.a.O., Fn. 12. 14 Ebenso in zahlreichen anderen Schutzvorschriften, vgl. §§ 95, 102 BetrVG; §§ 15 ff. SchwbG; § 9 MuSchG. 15 BAGE (GS), Beschl. v. 12. 10. 1960, BAGE 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 16 So zuletzt Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"); Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"). Für die tarifvertragliche Zulassung von Ketten-Arbeitsverträgen ebenso schon BAG, Urt. v. 30. 9. 1971, BAGE 23,460 (463 ff.) = AP Nr. 34 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; für eine tarifvertraglich vorgesehene Befristung von Arbeitsverhältnissen siehe BAG, Urt. v. 4. 12. 1969, AP Nr. 32 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Urt. v. 21. 5. 1981, BAGE 35, 309 (313 ff.). Für Betriebsvereinbarungen ebenso BAG, Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1502). 17 BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II") unter A IV 2 der Gründe.

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und Kündigungsschutz

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über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze hätten eine auflösende Bedingung zum Inhalt. Auch für Arbeitsverhältnisse, deren Dauer unter einer derartigen auflösenden Bedingung stünde, hätten die zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätze entsprechende Geltung 18 . Die danach entsprechend anzuwendenden richterrechtlichen Grundsätze zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse (insbesondere Kettenarbeitsverhältnisse) besagen, daß der Arbeitgeber sich dem Arbeitnehmer gegenüber nicht auf eine Befristung des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 620 Abs. 1 BGB) berufen darf 19 , wenn für die Befristung bei Abschluß des Vertrages keine sachlichen Gründe vorgelegen haben und die Befristung dem Arbeitnehmer den Schutz von zwingenden Kündigungsschutzbedingungen entzieht. Die Anwendung der vom BGB in § 620 Abs. 1 anerkannten Rechtsform des befristeten Arbeitsvertrages bedeute in derart gelagerten Fällen eine Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, wobei es entscheidend auf die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts ankomme, nicht darauf, ob eine Umgehungsabsicht oder ein Bewußtsein der Umgehung gegeben ist 20 . In entsprechender Anwendung dieser Grundsätze hat der 2. Senat zuletzt die im 1. Kapitel schon vorgestellte, für deutsche Luftfahrtunternehmen geltende tarifvertragliche Altersgrenze von 55 Jahren für Angehörige des Bordpersonals auf ihre sachliche Rechtfertigung hin überprüft 21. Spätestens damit kann die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Bedeutung des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes für kollektivvertragliche Regelungen über Altersgrenzen als gefestigt gelten. Die Entwicklung dieser Rechtsprechung ist maßgeblich durch Entscheidungen des 2. Senats geprägt worden. Nachdem der Senat in seiner Entscheidung vom 25. 3. 1971 noch die Ansicht vertreten hatte, die Rechtsprechung über die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse könne 18 Der Senat rechtfertigt diese Gleichstellung damit, daß der Beendigungszeitpunkt für den Arbeitnehmer, wie im Fall der Befristung, voraussehbar sei und vom Willen des Arbeitgebers nicht abhänge, vgl. BAG, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung unter Β 14 b der Gründe. Damit ist der Senat von der Erwägung wieder abgerückt, auflösend bedingte Arbeitsverhältnisse grundsätzlich für unwirksam zu erachten, wenn die auflösende Bedingung nicht vornehmlich dem Interesse des Arbeitnehmers dient oder ihr Eintritt allein von seinem Willen abhängt, siehe dazu Urt. v. 9. 7. 1981, AP Nr. 4 zu § 620 BGB Bedingung, und Hromadka, RdA 1983, 88 (89 ff.). 19 Das Bundesarbeitsgericht hat in späteren Entscheidungen andere Rechtsfolgen bestimmt, ohne eine einheitliche Linie zu finden. Näher König, Bestandsschutz, S. 29 ff. m. zahlr. Nachw. und noch unten Fn. 70. 20 Zu Einzelheiten siehe BAGE (GS) 10, 65 (70 ff.). Die sachliche Rechtfertigung der Befristung des Arbeitsvertrages kann sich danach aus den wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnissen der Parteien oder einer Partei ergeben; auf die Frage der Üblichkeit im Arbeitsleben und darauf, was verständige und verantwortungsbewußte Parteien zu vereinbaren pflegen, sei Gewicht zu legen. 21 BAG, Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"); Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II").

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

bei kollektivvertraglichen Altersgrenzenregelungen u.a. deshalb nicht unmittelbar herangezogen werden, weil sie „nur auf einzelvertragliche, nicht aber auf kollektive Regelungen abgestellt" sei 22 , hat er sie in einem Urteil vom 21. 4. 1977, in dem es um die im Bereich des öffentlichen Dienstes geltende tarifvertragliche Vorschrift des § 60 Abs. 1 BAT ging, ohne weiteres Eingehen auf die Gründe der vorangegangenen Entscheidung erstmals ausdrücklich als Prüfungsmaßstab herangezogen23. Der 1. Senat hat in seinem Beschluß vom 18. 7. 1978 auf dieses Urteil Bezug genommen24. Für die Frage, ob eine Altersgrenze nach den richterrechtlichen Grundsätzen des Großen Senats sachlich gerechtfertigt ist, hat das Bundesarbeitsgericht unterschiedliche Gründe herangezogen: Bestand eine ausreichende Altersversorgung, hat es diesen Gesichtspunkt, wie dargelegt 25, regelmäßig in den Vordergrund gestellt 26 . Fehlt es an einer (Übergangs-)Altersversorgung, soll sich die sachliche Rechtfertigung aber auch aus anderen Umständen ergeben können. So hat der 2. Senat in dem Urteil vom 20. 12. 1984 trotz Fehlens einer betrieblichen Übergangsaltersversorgung die Altersgrenze von 55 Jahren für Flugzeugführer we22 BAGE, 23, 257 (273) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"). Der Senat hat aber dennoch ausgeführt, daß seiner Ansicht nach die in der Gesamtbetriebsvereinbarung getroffene Regelung auch im Falle der Anwendung jener Rechtsprechungsgrundsätze nicht als unzulässig anzusehen wäre, siehe S. 273 ff. 23 BAGE 29,133 (135) = AP Nr. 1 zu § 60 BAT („Öffentlicher Dienst"). Wie sich dem Vorlagebeschluß des 2. Senats vom 19. 9. 1985 (Az.: 2 AZR 188/83), AP Nr. 11 zu § 77 BetrVG = SAE 1986, 242 m. Anm. Hromadka, und dem Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1502) entnehmen läßt, wendet er sie nunmehr auch auf Betriebsvereinbarungen über Altersgrenzen an. Mit dem Beschluß wird dem Großen Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Frage vorgelegt, ob eine vom Arbeitgeber einheitlich angewandte, auf vertraglicher Grundlage beruhende Regelung, nach der das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen einer bestimmten Altersgrenze endet, durch Betriebsvereinbarung dahin abgeändert werden darf, daß eine niedrigere Altersgrenze festgelegt wird. In dem Urteil geht es um die Frage, ob durch Betriebsvereinbarung eine Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr festgelegt werden darf, wenn der Arbeitnehmer gesetzliches Altersruhegeld beanspruchen kann. 24 BAGE 31, 20 (22) = AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG („Personelle Einzelmaßnahme"). 25 Siehe 1. Kapitel, III 1 c. 26 BAGE 23, 257 (272) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"): „Als ganz entscheidender Umstand kommt im vorliegenden Fall hinzu, daß verschiedene Sozialleistungen der Klägerin, insbesondere die Leistung der Pensionskasse, auf das 65. Lebensjahr der Arbeitnehmer abgestellt sind"; BAGE 31, 20 (22) = AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG („Personelle Einzelmaßnahme"): „ ... das gilt jedenfalls dann, wenn eine ausreichende betriebliche Altersversorgung besteht"; BAG, Vorlagebeschluß des 2. Senats, AP Nr. 11 zu § 77 BetrVG: „Wie der Senat in BAGE 23, 257 ... entschieden hat, entspricht eine Betriebsvereinbarung mit solchem Inhalt jedenfalls dann diesen Grundsätzen, wenn eine Versorgungsregelung besteht, deren Leistungen auf das 65. Lebensjahr abgestellt sind. Hieran hält der Senat fest"; BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"): „An der Ansicht, daß jedenfalls bei Bestehen einer ausreichenden betriebliche Versorgung eine generelle Altersgrenze grundsätzlich zulässig ist, ist festzuhalten" (siehe A I V 6 b der Gründe); für eine Altersgrenze bei Anspruch auf gesetzliches Altersruhegeld ebenso jetzt BAG, DB 1988, 1501 (1502 f.) - „BetriebsVereinbarung".

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und Kündigungsschutz

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gen der im Tarifvertrag vorgesehenen Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zweimal um zwei weitere Jahre zu verlängern, unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Verkehrsluftfahrt als sachlich gerechtfertigt angesehen27. In diesem Fall soll der Arbeitgeber aber denjenigen Angehörigen des Bordpersonals, die für eine Tätigkeit nach Vollendung des 55. Lebensjahres körperlich und beruflich geeignet sind, grundsätzlich eine Verlängerung anbieten müssen, wenn seine betrieblichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihren weiteren Einsatz in der bisherigen Stellung zulassen28. Das Bundesarbeitsgericht hat schließlich dem durch eine feste Altersgrenze erreichbaren „vernünftigen Altersaufbau" und der durch Altersgrenzen erreichbaren Schaffung von Aufstiegsmöglichkeiten maßgebliche Bedeutung beigemessen29 und die Frage der Üblichkeit im Arbeitsleben wiederholt ergänzend herangezogen30.

2. Stellungnahmen im Schrifttum Im Schrifttum wird der gedankliche Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vielfach geteilt. Es herrscht weitgehend Einvernehmen, daß kollektivvertragliche Regelungen über Altersgrenzen im Ergebnis nicht zu 27

AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I") unter Β II 2 der Gründe. Auch in der Entscheidung vom 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"), findet dieser Gesichtspunkt Berücksichtigung (A IV 6 d der Gründe): „Die ... Regelung stellt weiter deshalb keine funktionswidrige Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes dar, weil sie aufgrund der in Abs. 2 vorgesehenen Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis fünfmal um je ein Jahr zu verlängern, keine starre Altersgrenze enthält und die Entscheidung, ob der Arbeitsvertrag verlängert werden soll, nach billigem Ermessen zu treffen ist." 28 BAG, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I") unter Β II 2 g der Gründe; AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II") unter A IV 6 d bb der Gründe. 29 BAGE 23,257 (271 f.) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"); BAG, DB 1988, 1501 (1502) - „BetriebsVereinbarung". Dabei hat das Gericht in der letzteren Entscheidung seinen Standpunkt insofern verändert und präzisiert, als das Vorhandensein einer Altersversorgung ein diese Umstände verstärkender Gesichtspunkt sein soll. Das Ziel der Beeinflussung von Altersaufbau, Aufstiegsmöglichkeiten und Personalplanungen soll aber die Altersgrenze nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Absicherung rechtfertigen, und bei ausreichender Absicherung soll die Altersgrenze grundsätzlich sachlich gerechtfertigt sein. 30 Vgl. BAGE 23, 257 (272) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"): „Der sachlich gerechtfertigte Grund wird verstärkt dadurch, daß hier eine kollektive Regelung zu beurteilen ist, deren Inhalt in weiten Bereichen unseres Arbeitslebens schon lange üblich ist"; BAGE 29, 133 (135) = AP Nr. 1 zu § 60 BAT: „Außerdem entspricht eine derartige auf Tarifvertrag beruhende Befristung der Üblichkeit des Arbeitslebens, jedenfalls im Bereich des öffentlichen Dienstes"; AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I") unter Β II 2 der Gründe: „Dabei läßt es der Senat allerdings offen,... ob die Üblichkeit allein ausreichend wäre, die auflösende Bedingung zu rechtfertigen". Zustimmend Hromadka, Anm. SAE 1986, 244 (247).

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

einer Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes führen sollen 31 . Dabei wird auch für kollektivvertragliche Regelungen zum Teil eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse ausdrücklich befürwortet und geprüft, ob die Altersgrenzenregelung sachlich gerechtfertigt ist 32 . Es gibt aber auch Autoren, die eine Heranziehung der für befristete Arbeitsverhältnisse entwickelten richterrechtlichen Grundsätze ausdrücklich ablehnen33. Wieder andere prüfen unmittelbar, ob die Altersgrenzenregelung mit dem gesetzlichen Kündigungsschutz vereinbar ist 34 . Im Ergebnis werden - jedenfalls auf das 65. Lebensjahr abgestellte - tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen von Ammermüller 35, HerscheP 6, Nikisch 37, Nipperdey 38 und Sieg 39 als kündigungsschutzrechtlich unbedenklich angesehen. Canaris ί 40, Hanau 41, Richard? 2 und wohl auch Schimana 43 halten das Vorhandensein einer ausreichenden Altersversorgung für den maßgeblichen Umstand, der eine kollektivvertragliche Altersgrenze auch mit Blick auf den arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz rechtfertigen könne 44 , während 31

Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 924; Canaris , AuR 1966, 129 (134); Hanau, RdA 1976, 24 (26, dort insbes. Fn. 17); Hillebrecht, in: Gemeinschaftskommentar KSchG, § 620 BGB RdNr. 188; Hromadka, Anm. SAE 1986, 244 (247); Konzen, ZfA 1978,451 (501); Linnenkohl, BB 1984,603 (605 f.); Richardi, Anm. SAE 1972, 139 (140); ders., Anm. AP Nr. 32 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, Bl. 630; Riedel, Berufsfreiheit, S. 118; Schimana, BB 1970,1138 (1140); Wiedemann , in: Festschr. f. Lange, S. 395 (408). Vgl. auch Ammermüller, DB 1973, 822 (824). 32 Siehe Hanau, RdA 1976, 24 (26, 30); Hromadka, Anm. SAE 1986, 244 (245, 247); Konzen, ZfA 1978, 451 (501). Oft ergibt erst der Zusammenhang, daß die Autoren nicht nur einzelvertragliche Abmachungen, sondern auch Regelungen durch Kollektivvertrag an den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts messen wollen. 33 Belling, Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 924, 924 R.; Säcker, RdA 1976, 91 (96); vgl. auch Her schei, Anm. AuR 1972, 94 (95). Eine Lösung ohne Berücksichtigung der Rechtsprechungsgrundsätze des Großen Senats suchen auch Canaris, AuR 1966, 129 (134); Hoppe, BB 1968, 757 (758); Linnenkohl, BB 1984, 603 (605 f.); Richardi, Anm. SAE 1972, 139 (140); Schimana, BB 1970, 1138 (1140); Schlüter I Belling, Anm. SAE 1979, 277 (278 f.); dies., NZA 1988, 297 (300 ff.). 34 So Canaris, AuR 1966, 129 (134); Linnenkohl, BB 1984, 603 (605 f.); Richardi, Anm. SAE 1972, 139 (140); wohl auch Schimana, BB 1970, 1138 (1140 f.). 35 DB 1973, 822 (824). 36 Anm. AuR 1972, 94 (95). 37 Arbeitsrecht Bd. I, S. 760. 38 Bd. II/l. Halbbd., S. 281, Fn. 129 b. 39 Anm. SAE 1978,21. 40 AuR 1966, 129 (134). 41 RdA 1976, 24 (25, 30 f.). 42 Anm. SAE 1972, 139 (140). 43 BB 1970, 1138(1141). 44 Hiergegen ausdrücklich Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, insbes. Bl. 924 R.; ders., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze, Bl. 28; Linnenkohl, BB 1984, 603 (606 f.); Schlüter / Belling, Anm. SAE 1979, 277 (279) und dies., NZA 1988, 297 (303 f.), die nicht den kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz, sondern Art. 12 Abs. 1 GG in den Vordergrund stellen.

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und K ü n d i g u n g s s c h u t z 5 5

nach Konzert 45 jedenfalls die Üblichkeit im Arbeitsleben sowie grundsätzlich soziale (gesundheitliche) Belange des Arbeitnehmers für die Anerkennung der 65-Jahre-Grenze sprechen. Linnenkohl 46 ist der Ansicht, das Kündigungsschutzgesetz stehe einer „Zwangspensionierung" durch kollektive Vereinbarungen grundsätzlich entgegen. Belling 47 sieht die kündigungsschutzrechtliche Problematik in engem Zusammenhang mit der seiner Ansicht nach vorrangigen Frage nach der Vereinbarkeit der Altersgrenzenregelung mit Art. 12 Abs. 1 GG. Erst kürzlich haben Schlüter und Belling erneut die Auffassung vertreten, Prüfungsmaßstab für die Beurteilung tarifvertraglicher Altersgrenzen sei in erster Linie das Grundrecht der Berufsfreiheit 48, das Zwangspensionierungen enge Grenzen ziehe. 3. Eigene Stellungnahme und Lösungsvorschlag Ausgangspunkt aller Überlegungen muß sein, daß die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen an die „Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer" anknüpfen (§ 1 Abs. 1 KSchG). Andere Beendigungsgründe sind dem Wortlaut des Gesetzes nach tatbestandlich offenbar nicht erfaßt. Wegen dieser Anknüpfung des Bestandsschutzes an den Tatbestand der Kündigung muß sich das Augenmerk in erster Linie darauf richten, ob dieser Schutz überhaupt eingreift, wenn die Wahl der Gestaltungsform des Tarifvertrages dazu führt, daß Arbeitsverhältnisse enden, es dazu aber nicht einer Kündigung des Arbeitgebers bedarf. Von der Maßgeblichkeit des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes für tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen darf also nicht ohne weiteres ausgegangen werden 49. Sollte die Auslegung des KSchG ergeben, daß tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen nicht erfaßt sind, muß geprüft werden, ob seine Aussagen im Wege der Rechtsfortbildung auf sie angewandt werden können.

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In: ZfA 1978,451 (501). In: BB 1984, 603 (606). 47 Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 922 ff. 48 Schlüter / Belling, NZA 1988, 297 (300 ff.); siehe schon Anm. SAE 1979, 277 (278 f.). 49 Anders aber Linnenkohl, BB 1984,603 (605 f., insbes. S. 606): „Könnten kollektive Vereinbarungen ohne weiteres die Altersgrenze „65" statuieren, wäre das Kündigungsschutzgesetz abdingbar, obwohl es unstreitig nicht dispositiv ist". Es ist gerade die Frage, die gestellt und beantwortet werden muß, ob das KSchG eingreift und deshalb (möglicherweise) „abbedungen" wird. Mißverständlich deshalb auch BAG, Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I") unter Β I 4 der Gründe und Canaris, AuR 1966, 129 (134). 46

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken a) Auslegung des KSchG

Fast allen Lösungsvorschlägen liegt unausgesprochen offenbar die zutreffende Annahme zugrunde, daß die Maßgeblichkeit des kündigungsschutzrechtlichen Arbeitsplatzschutzes für tarifvertragliche Beendigungstatbestände nicht im Wege der Auslegung des KSchG begründet werden kann. Grenze einer jeden Auslegung ist der sprachlich mögliche Wortsinn 50. Was jenseits des sprachlich möglichen Wortsinns liegt, kann nicht mehr im Wege der Auslegung als maßgebliche Bedeutung eines im Gesetz verwendeten Ausdrucks verstanden werden. Diese Grenze wäre überschritten, wollte man die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch tarifvertragliche Altersgrenzenregelung dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 KSchG zuordnen. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Willenserklärung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber abgeben muß. Demgegenüber ist die normativ wirkende Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Gesamtvereinbarung der Tarifvertragsparteien ein Sachverhalt, der nicht als „Kündigung des Arbeitsverhältnisses" aufgefaßt werden kann. Damit läßt das KSchG den Fall der Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Tarifvertrag ungeregelt. b) Das Wertungsproblem Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen können also nicht im Wege der Auslegung dem Tatbestand des § 1 KSchG zugeordnet werden. Daraus entsteht rechtlich ein Wertungsproblem, denn es wird ein Erfolg bewirkt, der im Falle einer Kündigung des Arbeitgebers, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des KSchG also, nur unter ganz bestimmten rechtlichen Bedingungen erreicht werden könnte. Die arbeitsgerichtliche Praxis hatte sich vielfach mit einem ähnlichen Wertungsproblem zu befassen. Es entsteht, wenn der Arbeitgeber von seiner Vertragsfreiheit Gebrauch macht und den Abschluß eines, vom Gesetz in § 620 Abs. 1 BGB vorgesehenen, befristeten Arbeitsverhältnisses wählt, anstatt das Arbeitsverhältnis unbefristet abzuschließen. Die gerichtliche Praxis begegnet diesem Wertungsproblem mit den erwähnten, vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts richterrechtlich auf der Grundlage des Umgehungsgedankens entwickelten Grundsätzen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse 51, nach denen für

50 Dies ist als Grenze zwischen Auslegung und das Gesetz ergänzender oder umbildender Rechtsfortbildung anerkannt: Siehe BVerfGE 34,269 (286 ff.) - Soraya; 65, 182 (190 ff.) - Sozialplanansprüche im Konkurs. Aus der Rechtslehre siehe z.B. Bydlinski, Methodenlehre, S. 467 ff.; Canaris , Feststellung, S. 23; Engisch, Einführung, S. 82 f. u. 236 f. (Nachweise); Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., S. 336 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 307 f.; F. Müller, Juristische Methodik, S. 153 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 66. Weitere Nachw. bei Wank, Begriffsbildung, S. 23, Fn. 40.

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und K ü n d i g u n g s s c h u t z 5 7

die Befristung bei Abschluß des Vertrages sachliche Gründe gegeben sein müssen. Es soll verhindert werden, daß die in § 620 BGB vorgesehene Gestaltungsform des befristeten Arbeitsvertrages auch dann Verwendung findet, wenn die Vertragschließenden einen unbefristeten Vertrag abschließen würden, gäbe es nicht den gesetzlichen Kündigungsschutz. Dem zwingenden gesetzlichen Arbeitnehmerschutz soll durch den Abschluß befristeter Arbeitsverträge nicht faktisch die Bedeutung genommen werden können. Ein ebensolches Wertungsproblem entsteht, wenn die Tarifvertragsparteien Altersgrenzenregelungen treffen. Es handelt sich nicht um einen Normenwiderspruch 52 zum KSchG, der vor dem Hintergrund der Rangordnung der Rechtsquellen gelöst werden könnte. Ein Normenwiderspruch wäre gegeben, wenn die Tarifverträge z.B. bestimmen würden, daß im Falle einer „Pensionierung" der gesetzliche Kündigungsschutz nicht eingreifen solle oder eine „Pensionierung" z.B. über 63jähriger stets gerechtfertigt sei. Bei den „Pensionierungen" würde es sich nämlich um Arbeitgeberkündigungen handeln, die nach dem KSchG auf ihre Rechtfertigung hin zu untersuchen wären. Die dem KSchG widersprechenden tarifvertraglichen Regelungen wären wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem zwingenden staatlichen KSchG unwirksam 53. Ist eine Altersgrenzenregelung dagegen so gestaltet, daß entweder die Vereinbarung von Arbeitsverhältnissen gestattet wird 54 , die bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters enden, oder, wie es in aller Regel geschieht, daß die Modalitäten der Beendigung in der Tarifnorm selbst geregelt sind 55, entsteht kein Normen51 BAGE (GS) 10, 65 (70 ff.). Zum Meinungsstand im Schrifttum vgl. König, Der Bestandsschutz, S. 36 ff., zur Kritik an dieser Rechtsprechung siehe dort S. 112 ff. 52 Ein Normen Widerspruch liegt vor, wenn verschiedene Normen für denselben Sachverhalt einander ausschließende Rechtsfolgen anordnen. Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 321. Er kann durch Zuordnung zum Tatbestand der höherrangigen Rechtsquelle gelöst werden. 53 Nur bezogen auf tarifvertragliche Regelungen solchen Inhalts wäre die Feststellung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend, „auch die Tarifvertragsparteien [hätten] sich bei der Regelung von Beendigungstatbeständen an das gesetzliche Kündigungschutzrecht [zu] halten, das nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien [stehe]", vgl. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung unter Β 14 der Gründe. Siehe als Beispiel den Manteltarifvertrag für den Kali- und Steinsalzbergbau Hessen , Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen Südbaden, in dem es heißt, Arbeitnehmern, die länger als 25 Jahre im Unternehmen tätig gewesen sind, könne u.a. (nur) zur Pensionierung gekündigt werden. Würde man diese Festsetzung so verstehen, daß eine Kündigung der betreffenden Arbeitnehmer zur Pensionierung ohne weiteres zulässig sein soll, würde sie einen Verstoß gegen das auch für die Tarifvertragsparteien zwingende KSchG darstellen (vgl. § 4 Abs. 2 und 3 MTV). 54 So lag es in dem Fall BAG, Urt. v. 4. 12. 1969, AP Nr. 32 zu § 620 BGB - Befristeter Arbeitsvertrag. Der Tarifvertrag sah vor, daß mit „ausschließlich für den Rentenzahldienst" eingestellten Arbeitnehmern befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden mußten. Im Zusammenhang mit Altersgrenzen könnte ein Tarifvertrag dementsprechend bestimmen, daß die Arbeitsverträge unter bestimmten Umständen so ausgestaltet werden sollen, daß die Arbeitsverhältnisse z.B. mit der Vollendung des 65. Lebensjahres enden. 55 Siehe 1. Kapitel, 12 b.

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

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Widerspruch. Denn hier bedarf es nicht der Kündigung durch den Arbeitgeber: Im zuerst genannten Fall werden entsprechend der Gestattung befristete 56 Arbeitsverhältnisse geschaffen, im zweiten Fall enden die Arbeitsverhältnisse automatisch, wenn die Voraussetzungen eintreten, an die ihre Beendigung geknüpft wurde. Dies führt zu einem Widerspruch mit den Wertungen des KSchG 57 und zu der Frage, ob dieser Widerspruch gelöst werden muß und ggf. wie dies geschehen kann. c) Lösung im Wege richterlicher

Rechtsfortbildung?

Als Möglichkeit, tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen über den Wortlaut des KSchG hinaus an den gesetzlichen Wertungen des KSchG zu messen, kommt eine richterliche Rechtsfortbildung 58 in Betracht. Die Aufgabe und Befugnis der Gerichte zu richterlicher Rechtsfortbildung ist im Grundsatz anerkannt 59. Für eine richterliche Rechtsfortbildung bedarf es im einzelnen aber zum einen einer Begründung der verfassungsmäßigen Kompetenz der Gerichte, Recht fortzubilden; sie dürfen bei ihrer Rechtsfortbildung insbesondere nicht in unzulässiger Weise in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers eingreifen 60. Richterliche Rechtsfortbildung muß zum anderen methodengerecht sein; sie bedarf „der methodisch geleiteten Begründung, soll sich ihr Ergebnis als „Recht" im Sinne der geltenden Rechtsordnung rechtfertigen 61". Eine anerkannte Methode richterlicher Rechtsfortbildung ist der Analogieschluß; das Bundesarbeitsgericht erkennt aber auch den Umgehungsgedanken 62 als rechtliche Grundlage an.

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Nach anderer Meinung sind sie bedingt, siehe unten Fn. 84. Zu diesen Wertungen oben II A 1. 58 Einer verbreiteten Terminologie folgend wird in dieser Arbeit der Begriff Rechtsfortbildung für die Rechtsanwendung jenseits der durch den möglichen Wortsinn begrenzten Auslegung verwendet. Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 351 ff.; Wank, RdA 1987, 129 (131). Richterliche Rechtsfortbildung und Auslegung sind aber nicht wesensverschieden; es handelt sich bei ihnen vielmehr nur um verschiedene Stufen desselben gedanklichen Verfahrens, vgl. Engisch, Einführung, S. 146; Esser, Grundsatz, S. 255; Larenz, Methodenlehre, S. 351. 59 Siehe BVerfGE 34, 269 (287 f.) - Soraya; 65, 182 (190) - Sozialplanansprüche im Konkurs; 71, 354 (362) - Steuerermäßigung; 74, 129 (152) - Versorgungsanspruch. Aus der Rechtslehre siehe z.B. Larenz, Methodenlehre, S. 351; Picker, JZ 1988, 1 ff., 62 ff.; Wank, Grenzen, sowie RdA 1987,129, jeweils mit Nachweisen. Siehe ferner die zahlreichen Nachweise zu Abhandlungen über die Problematik des Richterrechts bei Lerche, NJW 1987, 2465 (Fn. 2). 60 Richterlicher Rechtsfortbildung sind durch den Grundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung, durch das Gewaltenteilungsprinzip und durch den Gleichheitssatz Grenzen gezogen, vgl. BVerfGE 34, 269 (287 ff.) - Soraya; 65,182 (191) - Sozialplanansprüche; 71, 354 (362) - Steuerermäßigung; Badura, Grenzen, S. 40 (54 f.). Weitere Nachw. bei Wank, RdA 1987, 129(133). 61 Siehe BVerfGE 34,269 (280,291) - Soraya; Larenz, Methodenlehre, S. 351 u. 354; Heußner, in: Festschr. f. Hilger / Stumpf, S. 317 (319 ff.); Wank, Grenzen, S. 78 ff., 82 ff. 57

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und K ü n d i g u n g s s c h u t z 5 9

aa) Der Umgehungsgedanke als methodische Grundlage Kritik an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Als methodische Grundlage dafür, tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen im Wege „gesetzesimmanenter" Rechtsfortbildung 63 an den gesetzlichen Wertungen des KSchG zu messen, kommt der Gedanke der Gesetzesumgehung in Betracht. Auf dieser Figur basieren die vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse, die das Bundesarbeitsgericht, wie dargelegt 64, in einer inzwischen gefestigten Rechtsprechung auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen überträgt. (1) Die Übertragung der Grundsätze des Großen Senats für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse auf Regelungen durch Tarifvertrag Das Bundesarbeitsgericht schafft sich die Grundlage für eine rechtliche Überprüfung tarifvertraglicher Festsetzungen von Altersgrenzen dadurch, daß es die vom Großen Senat entwickelten richterrechtlichen Grundsätze für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen überträgt. Unabhängig von der sogleich näher zu erörternden Frage, ob eine besondere Figur der Gesetzesumgehung als methodische Grundlage richterlicher Rechtsfortbildung überhaupt anerkannt werden kann 65 , ergeben sich auch Bedenken in bezug auf die Gründe, die das Bundesarbeitsgericht veranlaßt haben, seine Grundsätze auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen zu übertragen: (a) Die vom Großen Senat aufgestellten Grundsätze dienen der Überprüfung, ob die Wahl der durch § 620 Abs. 1 BGB erlaubten Gestaltungsform eines befristeten Arbeitsverhältnisses erfolgte, um zwingende Vorschriften des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzrechts zu umgehen66. Anhand der Grundsätze werden also Einzelarbeitsverträge überprüft. Der Große Senat hat die Grundsätze nicht nur zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen als Folge der Wahl einzelarbeitsvertraglicher Gestaltungen durch Befristung des Arbeitsverhältnis62 Bei Umgehungstatbeständen geht es umrichterliche Rechtsfortbildung im Sinne des hier verwendeten Sprachgebrauchs, wenn die „Umgehung", wie hier, der „umgangenen" Norm nicht im Wege der Auslegung zugeordnet werden kann. Vgl. Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 64 f. 63 D. h. einerrichterlichen Rechtsfortbildung zur Ausfüllung von Gesetzeslücken im Unterschied zu einer „gesetzesübersteigenden" Rechtsfortbildung, d. h. einer Rechtsfortbildung nicht zur Lückenausfüllung, sondern etwa durch Schaffung neuer Rechtsinstitute, die in dem ursprünglichen Plan des Gesetzes nicht vorgesehen waren. Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 351 ff., insbes. 354 ff. u. 397 ff. 64 Siehe oben II Β 1. 65 Siehe sogleich unten (2). 66 BAGE (GS) 10, 65 (70 ff.).

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

ses entwickelt 67 ; auf die Kontrolle von Einzelarbeitsverhältnissen sind seine Grundsätze auch zugeschnitten68. So sollen nach der grundlegenden Entscheidung vom 12. 10. 1960 befristete Arbeitsverhältnisse bei Vorliegen einer Umgehung nicht unwirksam sein; an ihre Stelle soll vielmehr ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Dauer treten, auf welches die umgangenen Kündigungsschutzbestimmungen Anwendung finden können69. Der Arbeitgeber soll sich - wobei der Große Senat wohl vom Gedanken des Rechtsmißbrauchs ausgeht - auf die Befristung nicht berufen dürfen, wenn für sie sachliche Gründe nicht vorgelegen haben70. Die so für die Überprüfung von Einzelarbeitsverträgen näher ausgestalteten Grundsätze können auf Kollektivvereinbarungen nicht ohne wesentliche Modifikationen übertragen werden. Altersgrenzenregelungen begegnen ja durchweg nicht in der Form, daß der Abschluß von Einzelarbeitsverhältnissen gestattet wird, die bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze enden sollen. Die tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen sind vielmehr so ausgestaltet, daß der Tarifvertrag die Festlegung des Beendigungstatbestandes selbst trifft. Gegenstand der Überprüfung muß deshalb die tarifvertragliche Regelung sein. Regeln nun aber nicht die Parteien des Arbeitsverhältnisses, sondern Tarifvertragsparteien, daß Arbeitsverhältnisse mit dem Ablauf einer bestimmten Zeit enden, so ergeben sich bezüglich wichtiger Voraussetzungen der Rechtsprechungsgrundsätze Unterschiede: Nicht der Arbeitgeber macht sich eine bestimmte rechtliche Gestaltungsmöglichkeit zunutze, indem er auf einen rechtsgeschäftlichen „Schleichweg" ausweicht, sondern es werden durch die Kollektivvertragsparteien Normen geschaffen, die Sachverhalte unmittelbar regeln, ohne dabei Inhalt der rechtsgeschäftlichen Abmachungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu werden. Werden die Grundsätze übertragen, dienen sie also nicht einer Ein67

Siehe BAG (GS) 10, 65 (70 ff.). Ebenso noch der 2. Senat in seiner Altersgrenzen betreffenden Entscheidung BAGE 23, 257 (273) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"). 69 BAGE (GS) 10, 65 (73). 70 BAGE (GS) 10,65 (73). Ebenso BAG, AP Nr. 27 (vgl. I der Gründe) und AP Nr. 43 (vgl. III 2 e der Gründe) zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. Die Rechtsprechung ist diesbezüglich aber nicht frei von Widersprüchen: Einige Entscheidungen nehmen Nichtigkeit nach § 134 BGB (so BAG, AP Nr. 7 zu § 1 KSchG; AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) oder sonst Unwirksamkeit der Befristung an (BAG, AP Nr. 47 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag), wobei auf die Frage, ob das Rechtsgeschäft damit insgesamt nichtig oder im übrigen wirksam ist (vgl. § 139 BGB), entweder nicht eingegangen wird (BAG, AP Nr. 47 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) oder die Wirksamkeit im übrigen damit begründet wird, der Zweck des KSchG werde anderenfalls nicht erreicht (BAG, AP Nr. 7 zu § 1 KSchG) bzw. sie ergebe sich aus einer Umdeutung nach § 140 BGB (BAG, AP Nr. 7 und Nr. 14 zu § 1 KSchG) oder dies folge aus §§ 139, 140 BGB (BAG, AP Nr. 55 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). In neueren Entscheidungen wird nur noch ausgeführt, das befristete Arbeitsverhältnis werde durch ein unbefristetes ersetzt, vgl. BAG, AP Nr. 60, 64 und 65 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 68

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und Kündigungsschutz

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schränkung der Vertragsfreiheit des Arbeitgebers durch ein Zurückdrängen der in § 620 Abs. 1 BGB vorgesehenen Gestaltungsform des befristeten Arbeitsverhältnisses, sondern es ergibt sich eine Beschränkung der Tarifmacht der Koalitionen. Es geht nicht darum, den Arbeitgeber zu hindern, das zu seinen Gunsten gegenüber den Arbeitnehmern bestehende Machtungleichgewicht auszunutzen, mit dessen Hilfe er eine für ihn günstigere, aber „objektiv funktionswidrige" rechtsgeschäftliche Gestaltungsmöglichkeit anstreben könnte. Auch kommt als Folge einer „Umgehung" durch Tarifvertrag nicht in Betracht, daß es dem Arbeitgeber verwehrt sein muß, sich auf den Tarifvertrag zu berufen. Folge muß stattdessen die Unwirksamkeit der (abstrakt-generellen) tarifvertraglichen Rechtsnorm sein71. Das Bundesarbeitsgericht geht bei der Erstreckung seiner Grundsätze auf die Unterschiede zwischen einzelvertraglicher Befristung (bzw. Bedingung) und normativ wirkender Regelung durch Tarifvertrag nicht ein. (b) Wohl aber finden sich in den neueren Entscheidungen des 2. Senats Ausführungen, die einen Bezug zwischen der Befristung von Einzelarbeitsverhältnissen und tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen vermitteln sollen 72 . Das Gericht sucht den Bezug herzustellen, indem es annimmt, Regelungen über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze hätten eine auflösende Bedingung zum Inhalt 73 . Dem folgt die Aussage, für auflösend bedingte Arbeitsverhältnisse hätten die Grundsätze des Großen Senats für befristete Arbeitsverhältnisse entsprechende Geltung 74 . Diese Ausführungen des 2. Senats im Urteil vom 20. 12. 1984, auf die im Urteil vom 6. 3. 1986 Bezug genommen wird 75 , machen jedoch nicht nachvollzieh71 So auch, ohne weitere Ausführungen, BAGE 29, 133 (135) = AP Nr. 1 zu § 60 BAT („Öffentlicher Dienst"); BAG, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"), Leitsatz 2; BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"), Leitsatz 1. 72 Siehe Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugührer I") unter Β 14 der Gründe; Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II") unter A I V 2 a der Gründe. 73 So BAG, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"), Β 13 der Gründe, unter Aufgabe von BAGE 23, 257 (265) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"). Vgl. ferner BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"); BAG, DB 1988, 1501 (1502) - „Betriebsvereinbarung". Ebenso Sieg, Anm. SAE 1978, 21; siehe auch Konzen, ZfA 1978,451 (501); Schwerdtner, in: Münch. Komm., § 620 BGB RdNr. 33. Für einzelvertragliche Vereinbarungen Schröder, Altersgrenzen, S. 150. 74 BAG, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"), unter Β I 4 der Gründe. Der 2. Senat hatte dies in seiner Entscheidung vom 9. 7. 1981, AP Nr. 4 zu § 620 BGB Bedingung, noch in Zweifel gezogen und erwogen, das auflösend bedingte Arbeitsverhältnis grundsätzlich für unwirksam zu erklären, sofern die auflösende Bedingung nicht vornehmlich dem Interesse des Arbeitnehmers diene oder ihr Eintritt allein von seinem Willen abhänge. In seiner Entscheidung vom 9. 2. 1984, AP Nr. 7 zu § 620 BGB Bedingung, hat der Senat aber bereits auflösende Bedingungen für zulässig erachtet, die für den betroffenen Arbeitnehmer nicht uneingeschränkt vorteilhaft waren. Dies bestätigt der Senat in seinem Urteil vom 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"). Siehe schon Fn. 18.

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

bar, wie die Brücke zwischen Gestaltungen durch die Befristung von Arbeitsverhältnissen und Gestaltungen durch tarifvertragliche Beendigungsnorm konstruiert sein soll. Sie können in zwei Richtungen hin verstanden werden, vermögen aber bei keiner der möglich erscheinenden Interpretationsweisen Vertrauen in die Tragfähigkeit der Konstruktion zu begründen: Faßt man die Ausführungen dahin auf, tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen hätten nach Ansicht des 2. Senats zur Folge, daß die Einzelarbeitsverhältnisse der tarifgebundenen Arbeitnehmer auflösend bedingt werden - und deshalb die für Befristungen entwickelten Grundsätze entsprechend gelten können - , hätte der Senat bei der Konstruktion außer acht gelassen, daß Einzelarbeitsverhältnisse durch tarifvertragliche Regelungen nicht auflösend bedingt werden können76 . Eine Bedingung ist die einem Rechtsgeschäft hinzugefügte Nebenbestimmung, durch welche die Wirkungen dieses Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht werden. Die Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Wirkung beruht dabei auf einer Parteibestimmung 11. Ein Arbeitsverhältnis kann demzufolge auflösend bedingt werden, indem das Rechtsgeschäft Arbeitsvertrag von den vertragschließenden Parteien unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen wird (vgl. § 158 Abs. 2 BGB). Es geht aber um Altersgrenzenregelungen durch Tarifvertrag. Bei ihnen handelt es sich um Rechtsnormen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, die nach § 4 Abs. 1 S. 1 TVG zwischen den beiderseits Tarifgebundenen unmittelbar und zwingend gelten. Die Altersgrenze gilt also kraft tarif vertraglicher Rechtsnorm. Sie wurde aber weder rechtsgeschäftlich hergestellt, noch wird sie Inhalt des Arbeitsvertrages 78. Vielmehr endet ein Arbeitsverhältnis automatisch, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Tarifnorm erfüllt sind. Es kann also nicht von auflösend bedingten Arbeitsverhältnissen gesprochen werden. Entsprechendes hätte zu gelten, wenn man eine rechtsgeschäftliche Regelung über die Festsetzung einer Altersgrenze nicht als auflösende Bedingung, sondern als Befristung ansehen müßte79. Wie schon Belling angemerkt hat, lassen sich Altersgrenzenregelungen also nicht allein nach ihrem Inhalt einordnen, ohne daß dabei berücksichtigt würde, ob es sich um eine vertragliche Vereinbarung oder um eine Rechtsnorm handelt80. 75 Siehe AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I") unter Β 13 und 4 der Gründe; AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II") unter A IV 2 a der Gründe. 76 Ausführlich dazu Belling, Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 921 R.; siehe ferner dens., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze, Bl. 22 f. 77 Siehe z.B. Brox, BGB AT, RdNr. 430 f., 434; Enneccerus / Nipper dey, BGB AT, 2. Halbbd., S. 1185 ff., insbes. 1187; Flume, Allg. Teil, Bd. 2, S. 677 f., 680; Larenz, BGB AT, S. 480 ff., insbes. 484; Medicus, BGB AT, RdNr. 832. 78 Belling, Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 921 R. 79 Näher dazu Belling, Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 920 R., 921; Hromadka, Anm. SAE 1986, 244. Siehe auch die Nachweise in Fn. 85. 80 A.a.O. Fn. 79, Bl. 919 R., 921 R.

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und Kündigungsschutz

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Die Ausführungen in der Entscheidung vom 20. 12. 1984 können aber auch so aufgefaßt werden, daß das Gericht darauf abstellt, wie die Altersgrenzenregelung zu klassifizieren wäre, wenn sie einzelvertraglich vereinbart würde. Hierfür spricht neben dem Wortlaut der Gründe, in denen auf Arbeitsverhältnisse abgestellt wird, die Anknüpfung an die aufgegebene Rechtsprechung des Urteils vom 25. 3. 1971. Dort 81 hatte der Senat die Vereinbarung, daß ein „als solches" unbefristetes Arbeitsverhältnis mit der Erreichung der Altersgrenze enden solle, als eine Regelung angesehen, die, „wenn sie einzelvertraglich vorgenommen!" werde, als vorweggenommener Aufhebungsvertrag zu kennzeichnen sei 82 . Die Feststellung, als was eine Altersgrenzenregelung anzusehen wäre, wenn sie einzelvertraglich vereinbart würde - nach Ansicht des 2. Senats als auflösende Bedingung - könnte aber für die Statik der Brücke zu tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen nicht hilfreich sein. Es bliebe offen, welche Gründe dafür sprechen könnten, eine entsprechende Anwendung nicht nur für auflösend bedingte Arbeitsverhältnisse, sondern gerade auch für tarifvertragliche Rechtsnormen anzunehmen. M.E. gibt es - unabhängig von der noch zu erörternden Frage, ob die Figur der Gesetzesumgehung eine Rechtsfortbildung durch richterrechtliche Grundsätze überhaupt tragen kann - keine Gründe, die eine Übertragung der Grundsätze des Großen Senats auf die von einzelarbeitsvertraglichen Gestaltungen ganz verschiedenen tarifvertraglichen Regelungen durch Rechtsnorm nahelegen. Mit der Übertragung des Maßstabes des sachlichen Grundes auf Tarifverträge würde insbesondere auch für diese ein ausfüllungsbedürftiger Maßstab gelten, der ein Werturteil abverlangt und der in bezug auf seine Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit hinter anderen bestehenden Maßstäben zurückbleibt 83 . Deshalb kann für die weiteren Untersuchungen hier auch dahingestellt sein, ob sich eine Altersgrenzenregelung, wenn sie einzelvertraglich vorgenommen wird, in der Tat als eine auflösende Bedingung begreifen läßt 84 oder nicht eher als Befristung angesehen werden muß 85 . Aus der richtigen Einord81

BAGE 23, 257 (265, 273) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"). 82 Ebenso schon Schimana, BB 1970, 1138; zustimmend Hanau, RdA 1976, 24 (26); vgl. ferner Konzen, ZfA 1978, 451 (501); Schwerdtner, in: Münch.Komm., § 620 BGB RdNr. 33. Dagegen Herschel, Anm. AuR 1972, 94. 83 Kritisch hinsichtlich dessen begrifflicher Ausformung auch Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 924 R.; König, Bestandsschutz, S. 115 f. 84 Diese Frage wird im Schrifttum kontrovers beurteilt, wobei die Stellungnahmen vielfach nicht danach unterscheiden, ob die Altersgrenzenregelung einzelvertraglich vereinbart wurde oder als Rechtsnorm eines Tarifvertrages gilt. Für auflösende Bedingung: Schröder, Altersgrenzen, S. 149 ff. (für EinzelarbeitsVerträge); Sieg, Anm. SAE 1978, 21. Siehe auch Konzen, ZfA 1978,451 (501) und Schwerdtner, in: Münch.Komm., § 620 BGB RdNr. 33, die von einer „auflösenden Bedingung bzw. einem vorweggenommenen Aufhebungsvertrag" sprechen. 85 So Ammermüller, DB 1973, 822; Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 920 R., 921); der s., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze, Bl. 22 f. Bötticher,

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

nung einzelvertraglicher Altersgrenzenregelungen lassen sich nämlich für tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen keine Erkenntnisse gewinnen86. (2) Die Tragfähigkeit der Figur der Gesetzesumgehung Daß sich die Übertragung der für eine Überprüfung befristeter Arbeitsverhältnisse zugeschnittenen Maßstäbe und Folgerungen der Grundsätze des Großen Senats als nicht überzeugend erweist, besagt nicht, daß die Figur der Gesetzesumgehung als rechtliche Grundlage zur Auflösung des Wertungsproblems ausscheidet. Eine Figur der Gesetzesumgehung kommt nämlich losgelöst von den für befristete Arbeitsverhältnisse aufgestellten Grundsätzen als methodisches Instrument in Betracht. (a) Das Bundesarbeitsgericht legt seinen Entscheidungen häufig den „Rechtsbegriff der Gesetzesumgehung87" zugrunde. Seit dem Beschluß des Großen Senats vom 12. 10. 1960 gilt dies insbesondere für die Überprüfung befristeter Arbeitsverhältnisse 88. Dabei nimmt das Gericht zu den methodischen Grundlagen, auf die die Maßstäbe und Folgerungen seiner richterrechtlichen Grundsätze gegründet sind, nicht Stellung. Es ist weder in dem grundlegenden Beschluß des Großen Senats noch in neueren Entscheidungen auf die in der Rechtslehre vorherrschenden Zweifel eingegangen, ob es eine selbständige Figur der Gesetzesumgehung überhaupt geben kann. (b) In der Rechtslehre wird überwiegend angenommen, daß für eine besondere Figur der Gesetzesumgehung kein Raum sei 89 . Jedenfalls seit der Untersuchung Anm. SAE 1962, 172 (der ausdrücklich davon ausgeht, durch die Tarifnorm sei das Arbeitsverhältnis befristet); Hillebrecht, in: Gemeinschaftskommentar KSchG, § 620 BGB RdNr. 188; Hromadka, Anm. SAE 1986, 244 und RdA 1983, 88 (89); G. Hueck, Anm. SAE 1969, 54 (55); Hunold, AR-Blattei, Arbeitsvertrag-Arbeitsverhältnis VIII, Β III 2 f; Hueck / Nipperdey, Bd. II/l. Halbbd., S. 281; Wiedemann , in: Festschr. f. Lange, S. 395; für einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenzen wohl auch Her schei, Anm. AuR 1972,94 f. Für vorweggenommenen Aufhebungsvertrag: Hanau, RdA 1976, 24 (26); vgl. auch Konzen und Schwerdtner, a.a.O. Fn. 84. 86 Ebenso Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 921 R., 922. 87 BAG (GS) E 10, 65 (70). 88 BAG (GS) E 10, 65. 89 Siehe Blomeyer, RdA 1967, 406 (408); Brox, in: Erman, § 134 BGB RdNr. 18 u. § 138 BGB RdNr. 87; Bydlinski, Methodenlehre, Dritter Teil; Damm, in: Alternativkomm., § 134 BGB RdNr. 104 ff.; Dilcher, in: Staudinger, § 134 BGB RdNr. 11 und § 117 BGB RdNr. 36; Flume , Allg. Teil, Bd. 2, S. 350 f., 408 f.; Hefermehl, in: Soergel / Siebert, § 134 BGB RdNr. 52; Huber, JurA 1970, 784 (796 ff.); Hübner, BGB AT, S. 363; König, Bestandsschutz, S. 118; Kramer, in: Münch.Komm., § 117 BGB RdNr. 18; Medicus, BGB AT, S. 236 f.; Müller-Freinenfeis, AcP 156 (1957), 522 (536 f.); Schmidt, in: Staudinger, §242 BGB RdNr. 244 u. 698; Schröder, Altersgrenzen, S. 156 ff.; Schröter, Befristete Arbeitsverträge, S. 43; Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 64 f. u. 89 ff.; Westhoff, Inhaltskontrolle, S. 25 f. u. 28 f. Vgl. auch Grotheer, Befristetes Arbeitsverhältnis, S. 51 f.; A. Hueck, RdA 1953, 85 (86 f.). Nicht eindeutig Hromadka,

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von Teichmann 90 hat sich hier die Auffassung durchgesetzt, daß sich die Problematik der Gesetzesumgehung mit den anerkannten Methoden der Rechtsanwendung, also der Gesetzesauslegung und der richterlichen Rechtsfortbildung im Wege der Analogie, lösen läßt 91 . (c) Diese in der Rechtslehre vorherrschende Auffassung überzeugt. Eine eigenständige Rechtsfigur der Gesetzesumgehung ist angesichts der heute allgemein anerkannten Grundsätze der Rechtsanwendung entbehrlich. Sie ist aber nicht nur entbehrlich, es fehlt auch an Rechtsregeln, die hinreichend tragfähige Anhaltspunkte dafür hergeben, wie eine solche Rechtsfigur mit Konturen versehen werden könnte. Deshalb widerspricht eine richterliche Rechtsfortbildung auf diesem Wege den Regeln juristischer Methodik und überschreitet die ihr gesetzten Grenzen. Aus diesem Grund scheidet der Umgehungsgedanke auch als Grundlage der Überprüfung tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen aus. (aa) Für eine selbständige Figur der Gesetzesumgehung als methodisches Instrument besteht kein Bedürfnis, wenn man, wie es heute allgemein anerkannt ist 92 , bei der Rechtsanwendung nicht beim formalen Wortlaut des Gesetzes ( verba legis) stehenbleibt, sondern die Rechtsanwendung am Normzweck (sententia legis) orientiert 93. Der Begriff der Gesetzesumgehung hat dann lediglich die Funktion, ein Wertungsproblem zu kennzeichnen 94, welches entsteht, wenn durch die Wahl einer rechtlich erlaubten Gestaltungsform ein Erfolg bewirkt wird, der im Falle der Wahl einer anderen Gestaltungsform nur unter bestimmten rechtlichen Bedingungen erreicht werden könnte, wenn also eine Handlung zwar nicht RdA 1983,88 (90 f.). Siehe auch RGZ 100,210 (212). Nach teilweise vertretener Auffassung soll ausnahmsweise jenseits der im Wege der Auslegung zu ermittelnden unmittelbaren Anwendbarkeit oder der analogen Anwendung Nichtigkeit wegen Gesetzesumgehung eintreten können, siehe Larenz, BGB AT, S. 422 f. (insbes. Fn. 19); Köhler, BGB AT, S. 221. Für eine eigenständige Figur der Gesetzesumgehung treten ein: Kegel, OJZ 1958, 15; Krüger-Nieland / Zöller, in: RGRK, § 134 BGB RdNr. 139; Mayer-Maly, in: Münch. Komm., § 134 BGB RdNr. 11 ff. 90 Teichmann, Gesetzesumgehung. 91 Siehe vor allem Brox, Bydlinski, Flume , Huber und Teichmann, a.a.O. Fn. 89. Wenn im Schrifttum verschiedentlich gesagt wird, das Problem der Gesetzesumgehung sei eine Frage der Auslegung, ist dies zutreffend, soweit man die Rechtsfortbildung als vom Begriff der Auslegung umfaßt ansieht. 92 Siehe nur Flume , Allg. Teil, Bd. 2, S. 350 u.S. 408 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 298 ff. Zu den rechtsgeschichtlichen Wandlungen der Interpretationslehre Honseil, in: Festschr. f. Käser, S. 111 (112 ff.) und Schröder, Gesetzesauslegung, S. 48 ff., jeweils unter besonderer Berücksichtigung der Gesetzesumgehung. 93 Die Bindung des Richters an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) bedeutet also nicht eine Bindung an dessen Buchstaben, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Vgl. auch BVerfGE 35, 263 (278 f.). 94 Damm, in: Alternativkommentar, § 134 BGB RdNr. 105; Hefermehl, in: Soergel/ Siebert, § 134 BGB RdNr. 52; Huber, JurA 1970, 784 (797); instruktiv auch die Ausgangsfrage bei Häsemeyer, in: Festschr. 600 Jahre Universität Heidelberg, S. 163 (164), siehe aber auch ebd. S. 169 f. 5 Waltermann

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

den verba legis unterfällt, der Zweck der Norm aber deren Anwendung auf die Handlung zu rechtfertigen scheint. Die Rechtsfrage dagegen, ob der Umgehungstatbestand von dem umgangenen Gesetz erfaßt wird, ist im Wege der nicht auf den formalen Wortlaut beschränkten Gesetzesauslegung oder, jenseits des sprachlich möglichen Wortsinns, im Wege der Analogie zu lösen. Die Gesetzesumgehung geht also in der normzweckorientierten Auslegung und der analogen Anwendung auf 95 , sie stellt aber kein selbständiges Rechtsinstitut mit besonderen Kriterien dar. (2) Für eine Rechtsfindung auf der Grundlage einer eigenständigen Figur der Gesetzesumgehung fehlt es aber auch an tragfähigen Rechtsregeln. Es gibt keine Rechtssätze, denen hinreichend konkret entnommen werden könnte, unter welchen Voraussetzungen eine Gesetzesumgehung erlaubt oder verboten ist 96 . Solche Anhaltspunkte fehlen sowohl in bezug auf die Maßstäbe, die zu gelten hätten, als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen, die eintreten müßten. Auch was tarifvertragliche Altersgrenzen angeht, bietet die gesetzliche Ordnung keine Anhaltspunkte dafür, gerade zu den vom Bundesarbeitsgericht gefundenen Bewertungen zu gelangen. Dies ist bei dem anerkannten methodischen Instrument der Analogie anders. Dort bestehen heute gefestigte Grundsätze dafür, unter welchen rechtlichen Bedingungen ein Analogieschluß erfolgen darf, und soweit er erfolgen darf, stehen die rechtlichen Maßstäbe und Rechtsfolgen fest: Sie ergeben sich aus der analog angewandten Norm. Gewiß bleibt auch im Fall einer Analogie die Antwort das Ergebnis einer Wertung. Die wertende Zuordnung erfolgt aber auf der Grundlage von im Gesetz angelegten Kriterien und in nachvollziehbarer Weise 97 . Gerade 95

Hiervon gingen auch die Verfasser des BGB aus: „Die Entscheidung der Frage, ob ein Rechtsgeschäft als in fraudem legis vorgenommen nichtig sei, hänge ab von der Auslegung des rechtsgeschäftlichen Thatbestandes und der diesen Thatbestand erfassenden Norm". So die Begründung der zweiten Kommission für die Ablehnung, eine besondere Bestimmung über die Gesetzesumgehung aufzunehmen, vgl. Prot. I, S. 257 (Mugdan 1. Bd., S. 725). Aus der Rechtslehre vgl. vor allem: Flume , Allg. Teil, Bd. 2, S. 409: „Es gibt nur die Alternative, daß das Umgehungsgeschäft seinen Zweck der Umgehung nicht erreicht, weil es von dem Gesetz erfaßt wird, oder daß es den gesetzlichen Tatbestand, wie er sich bei einer Auslegung unter Berücksichtigung der sententia legis ergibt, nicht unterfällt"; Huber, JurA 1970, 784 (797): „Das juristische Problem besteht darin, ob die Norm auf die Handlung (gleichwohl) anzuwenden ist, weil der tatsächliche Sachverhalt dem in der Norm bezeichneten Sachverhalt, vom Zweck der Norm aus geurteilt, als gleichwertig erscheint"; Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 105: „Ein eigenständiges Rechtsinstitut mit besonderen Kriterien stellt das Jn fraudem legis agere' nicht dar. Zahlreiche Tatbestände, die als Umgehung bezeichnet wurden, sind durch direkte Subsumtion unter das »umgangene4 Gesetz unter Anwendung der Regeln über die Gesetzes- und S ach Verhaltsauslegung zu lösen, in anderen Fällen erscheint der Analogieschluß als die geeignete Methode". 96 Siehe Huber, JurA 1970, 784 (796). 97 Siehe Bydlinski, Methodenlehre, S. 475; Schlüter, Obiter dictum, S. 185 ff. Demgegenüber vermag es nicht einzuleuchten, wenn Mayer-Maly eine eigenständige Bedeutung

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und Kündigungsschutz

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das ist bei den Rechtsprechungsgrundsätzen des Bundesarbeitsgerichts nicht der Fall. Ihre Maßstäbe, insbesondere der Maßstab des „sachlichen Grundes" und ihre Rechtsfolgen finden im Gesetz keine Stütze98. Hinzu kommt, daß der Rechtsanwender um so ungebundener ist, subjektive Ansichten unterzuschieben, je allgemeiner der einer Rechtsfortbildung zugrunde gelegte Gedanke gewählt ist 99 . Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich die Rechtsprechung in Widersprüche verstrickt, etwa was die Rechtsfolgen angeht, die eintreten sollen, wenn eine nach § 620 Abs. 1 BGB vereinbarte Befristung eines Arbeitsverhältnisses „sachlich nicht gerechtfertigt" ist 100 . Auch besteht die Gefahr, daß durch den Richter allzu leicht auch dann korrigierend eingegriffen wird, wenn die Wahl einer Gestaltungsform den Wertungen des „umgangenen" Rechts in Wahrheit nicht zuwiderläuft, oder daß nicht eingegriffen wird, wenn die Rechtsordnung Wertungen enthält, die dies fordern. Daß darin eine Gefahr liegt, zeigt sich gerade auch am Beispiel tarifvertraglich geregelter Altersgrenzen: Hält man sich, wie das Bundesarbeitsgericht, nicht an das Gebot einer möglichst konkreten Wertungsableitung101, läuft man Gefahr, Kriterien heranzuziehen, die nach Verfassung und Gesetzen keinesfalls herangezogen werden dürfen. Wie dargelegt 102, bejaht das Bundesarbeitsgericht einen „sachlichen Grund" für die Festsetzung einer Altersgrenze vor allem, wenn eine ausreichende Altersversorgung besteht. Dem liegt offenbar die Überzeugung zugrunde, ältere Arbeitnehmer könnten ein der Gesetzesumgehung damit begründet, die ausschließliche Berücksichtigung von Umgehungstatbeständen durch Auslegung oder Analogie „hieße die rechtsstaatlichen Grenzen der Gesetzesanwendung überschreiten", weshalb die auf einem zusätzlichen Rechtsgedanken beruhende Absicherung eines Verbotsgesetzes gegen Umgehungsgeschäfte nötig sei. Es ist nämlich, umgekehrt, zu fragen, inwieweit neben dem ausgelegten oder analog angewandten Gesetz ein „zusätzlicher Rechtsgedanke" die schöpferische Rechtsfindung zu legitimieren vermag. Vgl. Mayer-Maly, in: Münch. Komm., § 134 BGB RdNr. 15. Gegen ihn zutreffend Damm, in: Alternativkommentar, § 134 BGB RdNr. 105. 98 Der Maßstab des sachlichen Grundes ergibt sich vielmehr, wie Wiedemann / Palenberg, RdA 1977, 85 (87), feststellen, aus dem Beschluß des Großen Senats vom 12. 10. 1960. Kritisch auch König, Bestandsschutz, S. 115. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Rang von Sozialplanansprüchen im Konkurs ebenfalls dahin aufzufassen sein wird, daß das Gericht den Arbeitsgerichten nicht zubilligt, Wertungen des Normgebers mangels „Sachgerechtigkeit" durch eigene Wertungen zu ersetzen, wenn sie in einem unaufgehobenen Widerspruch neben anderen im Gesetz enthaltenen Wertungen stehen, vgl. BVerfGE 65, 182 (190 ff.). 99 Zutreffend Wank, Grenzen, S. 74: „Es läßt sich also eine Warntafel aufstellen: Je größer die Abstraktionshöhe des gewählten Lückenschließungsgedankens ist, desto größere Vorsicht ist geboten". 100 Siehe dazu näher die Untersuchung von König, Bestandsschutz, S. 29 f., 113 ff., 116 f. 101 Siehe Wank, Grenzen, S. 74. 102 Siehe schon 1. Kapitel, III 1 c, und hier II Β 1. 5*

2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

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berechtigtes Interesse an einem Bestandsschutz ihrer Arbeitsverhältnisse nicht (mehr) geltend machen, wenn die wirtschaftliche Grundlage ihrer Existenz gesiebten ist. Andere bedeutsame Aspekte der Berufsarbeit 103, vor allem, daß Berufsarbeit Möglichkeit zu persönlicher Entfaltung und Selbstverwirklichung ist, bleiben dabei unberücksichtigt. Eine solche Bewertung wäre verfassungswidrig, wenn das Grundgesetz in Art. 12 Abs. 1 auch diese Aspekte der Berufsarbeit der gewährleisteten Berufsfreiheit zuordnet und auch sie schützt 104 . Das Bundesarbeitsgericht bringt also den Schutz, den Verfassung und Gesetze Älteren in beruflicher Hinsicht garantieren, möglicherweise falsch zur Geltung. bb) Analogie zum Kündigungsschutzgesetz Kann also eine eigenständige Rechtsfigur der Gesetzesumgehung nicht anerkannt werden, kommt in Betracht, tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen im Wege der Analogie an den Wertungen des KSchG zu messen. (1) Die Analogie ist eine methodisch anerkannte Art richterlicher Rechtsfortbildung. Man versteht darunter ein logisches Schlußverfahren, das besagt: Wenn ein bestimmter Sachverhalt (S1) die Rechtsfolge R hat, dann hat auch ein ihm wesentlich ähnlicher Sachverhalt (52) die Rechtsfolge R. Den Gerichten wird unbestritten die Befugnis zur Rechtsfortbildung zuerkannt, soweit das Gesetz105 Lücken aufweist 106 . Enthält das Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe keine Regel, obwohl es nach seiner Teleologie eine Regel enthalten sollte, spricht man von einer „offenen" Gesetzeslücke107, die im Wege der Analogie, des wichtigsten Mittels zur Ausfüllung von Gesetzeslücken, geschlossen wird. Die Rechtfertigung des Analogieschlusses liegt dabei in dem Gebot der Gerechtigkeit, dem maßgeblichen Wertungsgesichtspunkt nach gleichartige Fäl103

Siehe 1. Kapitel, 11. Dazu eingehend im 3. Kapitel. 105 D. h. die Gesamtheit der in den Gesetzen oder im Gewohnheitsrecht bestehenden Rechtsregeln. 106 Siehe BVerfGE 65, 185 (190 ff.) - Sozialplanansprüche; 71, 354 (362) Steuerermäßigung; Bydlinski, Methodenlehre, S. 472 ff.; Canaris , Feststellung, S. 17 ff.; Engisch, Einführung, S. 138 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 365 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 57 ff. Allerdings markiert der Begriff „Gesetzeslücke" verbreiteter Ansicht nach nicht die äußere Grenze einer erlaubtenrichterlichen Rechtsfortbildung; darüberhinaus wird eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung durch Schaffung von Rechtsinstituten für möglich gehalten, siehe nur Larenz, Methodenlehre, S. 397. Er markiert aber „die Grenze einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung, die sich an die Regelungsabsicht, den Plan und die immanente Teleologie des Gesetzes gebunden hält", siehe Larenz, a.a.O.; vgl. auch Bydlinski, Methodenlehre, S. 472 ff. 107 Im Unterschied zur „verdeckten" Lücke, von der gesprochen wird, wenn das Gesetz eine Regel enthält, die ihrem Sinn und Zweck nach auf eine bestimmte Fallgruppe nicht paßt, deren Besonderheiten sie außer acht läßt; die Lücke besteht dort also in dem Fehlen einer Einschränkung. Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 351 ff., insbes. 357, 362. 104

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und K ü n d i g u n g s s c h u t z 6 9

le auch gleich zu behandeln108. Entscheidend ist, ob ein Wertungsproblem durch einen Analogieschluß einer der Intention des Gesetzes entsprechenden Lösung zugeführt werden kann. Hinsichtlich seiner verfassungsrechtlichen Zulässigkeit stößt richterliche Rechtsfortbildung auf dem methodischen Weg der Analogie prinzipiell nicht auf Bedenken, weil das normative Umfeld auf einer niedrigen Abstraktionsstufe zum Vergleich herangezogen wird 1 0 9 . Voraussetzungen für eine Analogie sind eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes (Gesetzeslücke) und die wertungsmäßige Vergleichbarkeit zweier Sachverhalte, deren einer durch Regelung der betreffenden Rechtsfolge zugeführt ist, während für den anderen eine entsprechende Rechtsfolgeanordnung nicht existiert 110 . Der Ausfüllung einer Gesetzeslücke im Wege der Analogie hat also die Feststellung vorauszugehen, daß eine Gesetzeslücke vorliegt. Eine Gesetzeslücke stellt dabei allerdings nicht ein „Nichts" dar; die bloße Feststellung, daß etwas fehlt, genügt also nicht. Eine Unvollständigkeit, die Gesetzeslücke ist, liegt vielmehr erst vor, wenn eine ganz bestimmte, nach dem Regelungsplan und der Teleologie des Gesetzes zu erwartende Regel fehlt. Schon die Feststellung der Gesetzeslücke verlangt also eine Bewertung m. Dies hat zur Folge, daß beide Elemente des Analogieschlusses oft nicht voneinander getrennt werden können; die Feststellung einer Lücke und ihre Ausfüllung werden vielmehr vielfach auf denselben Erwägungen beruhen und können dann einen einheitlichen Wertungsvorgang bilden 112 . Dies ist insbesondere der Fall, wenn es darum geht, ob im Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe eine Regel fehlt, die der im Gesetz für eine wertungsmäßig möglicherweise gleich zu erachtende Fallgruppe vorhandenen Regel entspricht. Die fehlende Regel ist dann zugleich diejenige, die zur Ausfüllung der Lücke in Betracht kommt 113 . (2) Ob die Vorschriften des Kündigungsschutzrechts, insbesondere § 1 KSchG, auf tarifvertragliche Regelungen über Altersgrenzen analog angewandt 108

Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 365 ff. Das gilt vor allem für die „Gesetzesanalogie" (Einzelanalogie). Im Unterschied dazu wird bei der „Rechtsanalogie" (Gesamtanalogie) nicht eine einzelne Gesetzesnorm auf einen von ihr nicht geregelten Fall entsprechend angewandt, sondern es wird verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen, die an unterschiedliche Tatbestände dieselbe Rechtsfolge knüpfen, ein allgemeiner Grundsatz entnommen. Vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 475, 477 ff.; Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., S. 339 f. 110 Siehe Bydlinski, Methodenlehre, S. 474, 475 f.; Fikentscher, Methoden IV, S. 283 f.; Engisch, Einführung, S. 141 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 365 f. 111 Siehe Canaris , Feststellung, S. 16 f.; Engisch, in: Festschr. f. Sauer, S. 85 (90 f.); Esser, Grundsatz, S. 252 (Fn. 56); Larenz, Methodenlehre, S. 360; Schlüter, Obiter dictum, S. 185; Zippelius, Methodenlehre, S. 58 f. Kritisch gegenüber den Möglichkeiten des Rechtsanwenders, den „Plan" des positiven Rechts zu enthüllen, Wank, Grenzen, S. 70. 112 Siehe Bydlinski, Methodenlehre, S. 474, 475 f.; Canaris , Feststellung, S. 71 f., 148 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 385 f.; Schlüter, Obiter dictum, S. 185. 113 Larenz, Methodenlehre, S. 385. 109

2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

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werden können, hängt also davon ab, ob sich das Fehlen einer entsprechenden arbeitsplatzsichernden Regel als planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes darstellt und ob eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch tarifvertragliche Beendigungsnormen, infolge einer Ähnlichkeit in den für die gesetzliche Bewertung maßgeblichen Hinsichten, der Beendigung durch Kündigung des Arbeitgebers gleich zu bewerten ist. Beide Fragen können dabei in dem soeben dargelegten Sinn nicht voneinander getrennt werden; denn es geht darum, ob für tarifvertragliche Beendigungen von Arbeitsverhältnissen eine Regel fehlt, die der im KSchG für den möglicherweise vergleichbaren Fall der Arbeitgeberkündigung entspricht. (a) An einer planwidrigen Unvollständigkeit (Gesetzeslücke) würde es von vornherein fehlen, wenn im Gesetz eine Regel enthalten wäre. Eine solche Regel könnte in § 1 Abs. 1 TVG zu sehen sein. Die Vorschrift besagt, daß der Tarifvertrag (auch) Rechtsnormen enthält, welche die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln können. Damit erklärt das TVG aber tarifvertragliche Regelungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen nicht vorbehaltlos für zulässig. (b) Es kommt also darauf an, welche Kriterien für die gesetzliche Wertung des KSchG wesentlich sind, also auf den Sinn und Zweck, den Plan des KSchG. Dieser muß im Wege der Auslegung ermittelt werden. Ausgangspunkte bei der Ermittlung des Gesetzeszwecks sind die amtliche Begründung und die im Gesetzgebungsverfahren erfolgten Äußerungen, im übrigen ist auf den Sinnzusammenhang zwischen Tatbestand und Rechtsfolge abzustellen114: (aa) Es war Absicht des Gesetzgebers, die Arbeitnehmer vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen zu schützen. Er ging dabei davon aus, daß Arbeitsplatz und Betriebszugehörigkeit die Grundlage der wirtschaftlichen und sozialen Existenz der Arbeitnehmer bilden 115 . Der Schutz vor einem Verlust des Arbeitsplatzes, also die Begrenzung des Arbeitsplatzrisikos der Arbeitnehmer, 116 dürfte danach als Hauptzweck des Gesetzes anzusehen sein . Dieser Schutzzweck kann durch tarifvertragliche Beendigungstatbestände ebenso verletzt werden wie durch Kündigungen des Arbeitgebers. 1,4

Siehe z.B. Wank, Begriffsbildung, S. 80 ff. Siehe BT-Drucksache I 2090, S. 12, abgedruckt in: RdA 1951, 61 (63) - Erläuterung der Neuregelung. 116 Aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts siehe BAG (GS)E 10, 65 (70 f.): „Dem Bilde der gesetzlichen Entwicklung des Kündigungsrechts und seiner Gestaltung durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen im Arbeitsleben läßt sich der grundsätzliche Zweck der Rechtsordnung entnehmen, dem Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz zu erhalten, das freie Kündigungsrecht des Arbeitgebers zu begrenzen und zwingend in bestimmten Formen zu regeln". Aus der Rechtslehre siehe Benda, Industrielle Herrschaft, S. 526 ff., insbes. S. 531 f.; Galperin, RdA 1966, 361 (362); Herschel, RdA 1975, 28 (30 f.); Hueck I Nipper dey, Bd. I, S. 628; König, Bestandsschutz, S. 139; Löwisch, in: Herschel / Löwisch, Vorb. § 1 KSchG RdNr. 1 ff.; Söllner, Arbeitsrecht, S. 234 f.; v. Stebut, Sozialer Schutz, S. 39 f., 51; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 234 f.; dens., Verh. d. 52. DJT (1978), D 113 ff. 115

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und Kündigungsschutz

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Das KSchG verwirklicht diesen Schutzzweck nun aber auf eine ganz bestimmte Weise, worauf auch die Erläuterungen des Entwurfs durchgehend abstellen. Es verwirklicht ihn, indem es den geschützten Arbeitnehmerbelangen Arbeitsplatz und Betriebszugehörigkeit - einen Vorrang vor der Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers einräumt. Im Entwurf heißt es, daß ein Schutz der Arbeitnehmer gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen vorgesehen sei. Die Begründung macht deutlich, daß es dem Gesetzgeber gerade darum zu tun war, zu schützende Belange der Arbeitnehmer und Interessen der Arbeitgeber zu einem Ausgleich zu bringen. Es sollte einerseits ein Verlust des Arbeitsplatzes ohne die im Gesetz genannten Gründe ausgeschlossen werden, ohne daß damit andererseits „wirklich notwendige Kündigungen verhindert oder auch nur erschwert würden". Das Gesetz „wendet sich ... gegen solche Kündigungen, die hinreichender Begründung entbehren und deshalb als eine willkürliche Durchschneidung des Bandes der Betriebszugehörigkeit erscheinen 117". Dies läßt erkennen, daß nicht nur die Frage des Arbeitnehmerschutzes überhaupt Gegenstand der Erwägungen des Gesetzgebers war, sondern daß es um eine Begrenzung des Arbeitsplatzrisikos durch Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers ging. (bb) Die Anknüpfung des kündigungsschutzrechtlichen Arbeitsplatzschutzes an die privatautonome einseitige Gestaltung durch Kündigung des Arbeitgebers könnte sich auch nach dem Sinnzusammenhang als für die gesetzliche Bewertung durch das KSchG wesentlicher Gesichtspunkt erweisen. Folge wäre, daß die fehlende Erwähnung tarifvertraglicher Beendigungstatbestände im KSchG nicht als planwidrige Unvollständigkeit angesehen und beide Beendigungstatbestände nicht als vergleichbar bewertet werden könnten. Die Anknüpfung an die Arbeitgeberkündigung wäre sicher dann als wesentliches und damit einer gleichen Bewertung entgegenstehendes Kriterium anzusehen, wenn man den Sinn des KSchG primär in einem Schutz vor möglicher Willkür des Arbeitgebers zu sehen hätte 118 . Sieht man dagegen, wie es überwiegend geschieht119, den primären Sinn des KSchG in einer Begrenzung des Arbeitsplatzrisikos der Arbeitnehmer, ist genauer zu untersuchen, wie sehr es ins Gewicht fällt, daß der Arbeitsplatzschutz nach dem Wortlaut des KSchG eben durch Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers erfolgt. Arbeitnehmer sind in aller Regel auf Beschäftigung angewiesen. Deshalb stehen Arbeitsplätze in einer besonderen sozialen Funktion und die Kündigung, der 117

So die Erläuterung der Neuregelung, RdA 1951, 61 (63). So Grotheer, Befristetes Arbeitsverhältnis, S. 35 f.; wohl auch Otte , Zeitvertrag, S. 84 ff.; Schwerdtner, in: Münch. Komm., Vorbem. § 620 BGB RdNr. I l l ; Wiedemann , Arbeitsverhältnis, S. 22. Vgl. auch die Erläuterung der Neuregelung, RdA 1951,61 (63): „Das Gesetz wendet sich ... lediglich gegen solche Kündigungen, die hinreichender Begründung entbehren und deshalb als eine willkürliche Durchschneidung des Bandes der Betriebszugehörigkeit erscheinen." 119 Siehe oben Fn. 116 und insbes. König, Bestandsschutz, S. 139 f. 118

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

häufigste Grund für eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen, ist eine Maßnahme mit besonderem sozialen Bezug. Gleichwohl sind die Gründe für eine Kündigung nach den Regeln des BGB in das Belieben des Arbeitgebers gestellt (vgl. §620 Abs. 2 BGB). Der systematisch im Individualarbeitsrecht geregelte Kündigungsschutz des KSchG soll dies ändern. Als Ergebnis einer verhältnismäßigen Zuordnung der Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern räumt das Gesetz dem Arbeitsplatzschutz den Vorrang vor der Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers ein. Die Verteilung des Arbeitsplatz- bzw. Beschäftigungsrisikos geschieht dabei, indem die einseitige Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung des Arbeitgebers bestimmten Beschränkungen unterworfen wird; im einzelnen wird der Schutz der Arbeitnehmer dadurch verwirklicht, daß dem Gekündigten in den §§ 4 ff. KSchG die Möglichkeit eingeräumt wird, die Unwirksamkeit der Kündigung im Klagewege feststellen zu lassen. Der Schutz des Gesetzes ist damit auf die Arbeitgeberkündigung besonders zugeschnitten. Dies ist aber nicht nur eine notwendige Auswirkung, sondern läßt einen besonderen Beweggrund des Gesetzes erkennen. Dem Arbeitsplatzschutz liegt nicht nur die Einsicht zugrunde, daß der Verlust des Arbeitsplatzes schon für sich genommen für den Arbeitnehmer schwerwiegende Folgen hat; ihm liegt auch die Erkenntnis zugrunde, daß zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein in bestimmter Weise geartetes Machtungleichgewicht besteht, welches durch das BGB keine zufriedenstellende Lösung erfährt 120 . Der Bestandsschutz des KSchG führt deshalb auf Seiten des Arbeitgebers bewußt zu einer Einschränkung der Privatautonomie. Der Arbeitgeber wird darin beschränkt, die ihm durch die Privatautonomie prinzipiell gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Regelt dagegen ein Tarifvertrag die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, ergibt sich eine demgegenüber wesentlich verschiedene Ausgangslage. Zwar kann auch durch den Tarifvertrag diese kündigungsschutzrechtliche Risikoverteilung im Ergebnis dem Schutzzweck des KSchG zuwider verändert werden. Dies geschieht aber eben nicht aufgrund privatautonomer einseitiger Erklärung einer Partei des Arbeitsverhältnisses, sondern durch Gesamtvereinbarung im Bereich der Tarif autonomie. Von dem zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses entschlossenen Arbeitgeber kann wegen des zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehenden spezifischen Machtungleichgewichts nicht erwartet werden, daß er einen der grundgesetzlichen Wertordnung 121 entsprechenden Interessenausgleich herstellt. Deshalb bringt das KSchG eine an der grundgesetzlichen Wert120

Siehe auch Galperin, RdA 1966, 361 (362 f.); Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 749; Richardi, in: Gedächtnisschr. f. Dietz, S. 269 (271). 121 Die Grundrechte haben anerkanntermaßen Bedeutung als Elemente objektiver Ordnung; als solche konstituieren sie Gundlagen der Rechtsordnung und bestimmen die Inhalte der Erfüllung sozialstaatlicher Aufgaben. Vgl. BVerfGE 5, 85 (204 ff.); 6, 32 (40 f.); 6, 55 (72); 6, 309 (355); 7, 198 (208).

II. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen und K ü n d i g u n g s s c h u t z 7 3

Ordnung orientierte Interessenbewertung zum Ausdruck. Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht demgegenüber ein Kräfteverhältnis, das prinzipiell eher einen der grundgesetzlichen Wertordnung gemäßen Interessenausgleich erwarten läßt. Zwischen den Tarifvertragsparteien wird eine Regelung über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen nur Zustandekommen, wenn zwischen den Interessen beider Seiten ein Ausgleich gefunden werden kann. Wohl unterliegen die Tarifgebundenen dabei typischerweise einer Majorisierungsgefahr 122. Diese ist aber verglichen mit dem zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehenden Machtungleichgewicht anders strukturiert und besteht nicht in der Gefahr willkürlicher privatautonomer Gestaltungen, sondern in der Nichtbeachtung des Willens von Minderheiten bei kollektiven Regelungen. Das Schutzbedürfnis der tarifgebundenen Arbeitnehmer ist dort anders ausgerichtet. Ihm wird ganz überwiegend durch die Annahme einer unmittelbaren Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien Rechnung getragen 123. Die Anknüpfung des Arbeitsplatzschutzes an die Kündigung des Arbeitgebers erweist sich damit als ein für die Bewertung des KSchG wesentlicher Gesichtspunkt, gegenüber dem die Beendigung durch tarifautonome Gesamtvereinbarung wesentlich verschieden ist. Dies gilt, obwohl die Rechtsfolge tarifvertraglicher Beendigungstatbestände im Ergebnis dem Hauptzweck des KSchG - dem Schutz von Arbeitsplatz und Betriebszugehörigkeit - ebenso zuwiderlaufen kann wie eine Arbeitgeberkündigung. Es liegt deshalb weder eine planwidrige Unvollständigkeit des KSchG noch Vergleichbarkeit beider Beendigungstatbestände vor, so daß die für Kündigungen des Arbeitgebers aufgestellte Regel nicht analog auf tarifvertragliche Beendigungstatbestände angewandt werden kann. Das beide Sachverhalte unterscheidende Merkmal der Kündigung darf also nicht mit der Folge als unerheblich ausgeklammert werden, daß nur die sonstigen Merkmale, also die fehlende soziale Rechtfertigung der Beendigung, als Voraussetzungen verbleiben. Demnach liegen die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vor. Nach der dem KSchG zugrunde liegenden Regelungsabsicht und dem Sinnzusammenhang ist eine Erstreckung des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes auf tarifvertragliche Beendigungstatbestände und damit auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen nicht gefordert. Zusammenfassung zu I I Der durch das KSchG vermittelte Bestandsschutz, der auch für Ältere gilt, ist gegenüber tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen nicht maßgeblich. Das KSchG läßt den Fall tarifvertraglicher Beendigungstatbestände nicht nur seinem 122 123

Siehe dazu 3. Kapitel , 14 b bb (2). Näher 3. Kapitel , 14 b bb.

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

Wortlaut nach ungeregelt. Es fehlt nach der Intention des Gesetzes auch an einer „Gesetzeslücke", die durch eine legitime richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie geschlossen werden müßte. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Vorstellungsbild von einer Subsidiarität staatlicher Regelungen im Bereich der Tarifautonomie. Denn Subsidiarität bedeutet ja nicht nur, daß der Gesetzgeber bei Regelungen im kollektiven Bereich Zurückhaltung üben soll oder üben muß, sondern sie gilt genauso für die Rechtsprechung bei der Aufstellung richterrechtlicher Grundsätze im Wege der Rechtsfortbildung m. Daß die hier vertretene Auffassung nicht im Ergebnis auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft, wird im 3. und 4. Kapitel gezeigt werden.

I I I . § 75 Abs. 1 S. 2 BetrVG als Grenze tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen? Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Wie in Satz 2 der Vorschrift hervorgehoben ist, haben sie darauf zu achten, daß Arbeitnehmer nicht wegen der Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden. 1. Der Meinungsstand Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, § 75 Abs. 1 S. 2 BetrV begrenze 125 auch die Tarifvertragsparteien . Das Bundesarbeitsgericht ist im Zusammenhang mit der Beurteilung tarif vertraglicher Altersgrenzenregelungen nur in einer Entscheidung des 1. Senats vom 18. 7. 1978 126 auf diese Vorschrift eingegangen. Es hat in ihr keine Schranke für Altersgrenzenregelungen gesehen. Denn Zweck der Regelung sei „allein, den Arbeitnehmer davor zu schützen, daß er während seines Erwerbslebens wegen der Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt" werde 127 . Dazu, ob die Vorschrift Altersgrenzenregelungen durch Tarifvertrag überhaupt erfaßt, hat das Gericht nicht Stellung genommen.

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Siehe z.B. Richardi, in: Gedächtnisschr. f. Dietz, S. 269 (270). Linnenkohl, BB 1984, 603 (606). 126 BAGE 31, 20 = AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG („Personelle Einzelmaßnahme"). 127 BAGE 31, 20 (22). Für eine Betriebsvereinbarung über Altersgrenzen bestätigt durch BAG, Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1503). Ebenso Löwisch, in: Galperin / Löwisch, § 75 BetrVG Anm. 22 m. Nachw. Dagegen Linnenkohl, BB 1984, 603 (606); Richardi, in: Dietz / Richardi, § 75 BetrVG RdNr. 35. 125

IV. Art. 6 § 5 RRG als Grenze

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2. Eigener Standpunkt § 75 Abs. 1 BetrVG richtet sich seinem eindeutigen Wortlaut nach an Arbeitgeber und Betriebsrat und nicht an die Tarifvertragsparteien. Seine Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen können deshalb nicht für Altersgrenzenregelungen gelten, die durch Tarifvertrag festgesetzt werden 128 . Auch besteht kein Raum für eine Erstreckung der Regelung auf Tarifverträge im Wege des Analogieschlusses. Denn es kann nicht gesagt werden, daß nach dem „Plan" des Gesetzes eine gleichlautende Regel für Maßnahmen der Tarifvertragsparteien fehlt 129 . § 75 Abs. 1 BetrVG ist bewußt Appell an Arbeitgeber und Betriebsrat und für sie Verpflichtung bei der Behandlung der Betriebsangehörigen 13°. Für die Tarifvertragsparteien hat es bei deren Bindung an die Grundrechte sein Bewenden, die ihnen gegenüber, wie noch dargelegt werden wird, unmittelbare Geltung haben. Im übrigen gehört, wie auch das Bundesarbeitsgericht wiederholt ausgesprochen hat, der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ohnehin zu den Grundsätzen von Recht und Billigkeit, auf die § 75 Abs. 1 BetrVG hinweist 131 .

IV. Art. 6 § 5 RRG als Grenze tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen? 1. Der Meinungsstand Art. 6 § 5 Abs. 1 RRG spricht aus, daß die Berechtigung eines Arbeitnehmers, vor der Vollendung des 65. Lebensjahres Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung zu beantragen, weder als ein die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber bedingender Grund i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG anzusehen ist, noch bei der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden darf. Nach Absatz 2 wird eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, in dem der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung beantragen kann, dem Arbeitnehmer gegenüber als 128

So aber ohne Begründung Linnenkohl, BB 1984, 603 (606). Zu den Voraussetzungen des Analogieschlusses siehe oben II Β 3 c bb. 130 Siehe auch Fitting ί Auffarth ί Kaiser, § 75 BetrVG RdNr. 3, 5, 20; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, § 75 BetrVG RdNr. 1,22 35 ff., 39 ff.; Richardi, in: Dietz / Richardi, § 75 BetrVG RdNr. 1, 3, 5, 6. 131 BAGE 42,217 (220) = AP Nr. 124 zu Art. 3 GG; Beschl. v. 18. 8. 1987, NZA 1987, 779 (784). Der allgemeine Gleichheitssatz kann also zumindest dann Bedeutung erlangen, wenn nicht bereits ein Freiheitsrecht, insbesondere die Berufsfreiheit, einer Altersgrenzenregelung entgegensteht. 129

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2. Kap.: Einfach-gesetzliche Schranken

auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgeschlossen fingiert, es sei denn, daß er diese Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt, in dem er erstmals den Antrag stellen könnte, schriftlich bestätigt. Als Vereinbarungen im Sinne dieser Vorschrift sehen Ammermüller, Linnenkohl, Säcker und Schröder auch kollektivvertragliche Regelungen durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung an 132 . Das Bundesarbeitsgericht teilt diesen Standpunkt offenbar nicht. Es hat in der Entscheidung des 2. Senats vom 21.4. 1977 ausgesprochen, § 60 Abs. 1 BAT - wonach das Arbeitsverhältnis, ohne daß es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats endet, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet hat - sei nach Erlaß des RRG unverändert anwendbar geblieben 133 . 2. Eigener Standpunkt Art. 6 § 5 Abs. 1 RRG trifft seinem eindeutigen Wortlaut nach eine Regelung zur Bedeutung der vorzeitigen Rentengewährung für den Kündigungsschutz 134. Im Zusammenhang damit bestimmt Absatz 2, daß die Möglichkeit, vorzeitig Altersruhegeld zu beziehen, vor Vollendung des 65. Lebensjahres auch durch eine Vereinbarung nicht mit Erfolg zum Beendigungsgrund gemacht werden kann. Dies muß so verstanden werden, daß die Arbeitnehmer so weitgehend wie möglich davor geschützt werden sollen, daß der Arbeitgeber das zu seinen Gunsten bestehende Machtungleichgewicht dazu einsetzt, eine einzelvertragliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer zu erreichen, die das KSchG und das Anliegen des Art. 6 § 5 Abs. 1 RRG ins Leere laufen lassen könnte. Eine solche Vereinbarung gilt nach Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG dem Arbeitnehmer gegenüber als auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgeschlossen, wenn nicht der Arbeitnehmer die Vereinbarung innerhalb der dort bestimmten Frist schriftlich bestätigt. Tarifvertragliche Regelungen sind entgegen der Auffassung von Ammermüller, Linnenkohl, Säcker und Schröder nicht Vereinbarungen in diesem Sinne. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, daß sie, wie dargelegt, vom kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz nicht erfaßt sind 135 , auf den sich aber Art. 6 § 5 RRG, wie der Zusammenhang der Regelung zeigt, insgesamt bezieht. Zum anderen ist nicht ersichtlich, wie die Wirkung der Rechtsfolgeanordnung des Art. 6 § 5 Abs. 2 RRG bei Vereinbarungen durch Tarifvertrag aufgefaßt werden könnte, wollte man sie dem Tatbestand zuordnen. Der Inhalt einer tarifvertraglichen Rechtsnorm kann nicht von der Bestätigung einzelner Arbeitnehmer abhängen. Die Norm kann insbesondere nicht bestimmten Arbeitnehmern gegenüber eingreifen, weil entweder in ihrem 132

Ammermüller, DB 1973, 822 (824); Linnenkohl, BB 1984, 603 (605); Säcker, RdA 1976, 91 (100); Schröder, Altersgrenzen, S. 72. 133 BAGE 29, 133 (135 ff.) = AP Nr. 1 zu § 60 Abs. 1 BAT („Öffentlicher Dienst"). 134 Siehe BAGE 29, 133 (136). 135 Siehe oben II Β 3.

V. Ergebnis

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Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 6 § 5 RRG nicht gegeben sind oder eine ordnungsgemäße Bestätigung vorliegt, während sie anderen Arbeitnehmern gegenüber nicht greift, weil die Fiktion des Absatzes 2 gilt 1 3 6 . Altersgrenzenregelungen in Tarifverträgen erfahren somit auch durch Art. 6 § 5 RRG keine Begrenzungen.

V. Ergebnis Es fehlt an einfach-gesetzlichen Vorschriften, die Altersgrenzenregelungen durch Tarifvertrag Schranken ziehen. Tarifvertragliche Altersgrenzenfestsetzungen werden durch § 75 Abs. 1 S. 2 BetrVG und Art. 6 § 5 RGG nicht erfaßt. Insbesondere aber ergeben sich für sie keine Beschränkungen aus dem KSchG, dessen arbeitsplatzsichernde Regeln auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen nicht analog angewandt werden können. Dies lenkt den Blick ganz auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG.

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Dies sieht Ammermüller, DB 1973, 822 (824), gelangt aber dennoch zu der Auffassung, man werde der Zielsetzung des Art. 6 § 5 RRG nicht gerecht, wenn man ihren Anwendungsbereich auf den Einzelarbeitsvertrag beschränke. Die Vorschrift gebe keine Anhaltspunkte für einen Ausschluß von Tarifverträgen. M.E. kann ihr Anknüpfen an den Kündigungsschutz, im Gegenteil, nicht übersehen werden.

3. Kapitel

Tarifvertragliche Regelung von Altersgrenzen und Art. 12 Abs. 1 G G I. Berufsfreiheit und Tarifvertrag Es liegt auf der Hand, daß im Zusammenhang mit tarifvertraglichen Regelungen zur Ordnung von Inhalten, Abschluß und Beendigung von Arbeitsverhältnissen (vgl. § 1 Abs. 1 TVG), zu denen auch Altersgrenzenregelungen gehören, den Aussagen des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eine herausgehobene Bedeutung zukommen muß. 1. Berufsfreiheit im kollektiven Arbeitsrecht Um so mehr überrascht es, daß die Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit für den Bereich des kollektiven Arbeitsrechts weitgehend ungeklärt ist 1 . Hierfür gibt auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Wirksamkeit von Altersgrenzenregelungen ein Beispiel. Obwohl das Bundesarbeitsgericht von jeher eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien (auch) an Art. 12 Abs. 1 GG angenommen hat2, hat es das Grundrecht im Zusammenhang mit Altersgrenzenregelungen erstmals im Urteil vom 21.4. 19773 erwähnt, und dort auch nur in einem Nebensatz4. Was die beiden 1 Hierzu eingehend die neuere Untersuchung zur Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit im Arbeitsrecht von Riedel, Berufsfreiheit, S. 106 ff. Besondere Beachtung findet das kollektive Arbeitsrecht auch ζ. B. bei Β adura, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (29); Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35 ff.; Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 ff.; Scholz, ZfA 1981, 265 (274, 287). 2 Seit BAG, Urt. v. 15. 1. 1955, BAGE 1,258 (262 ff.) = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG. Siehe noch Urt. v. 21. 3. 1973, BAGE 25, 107 (112) = AP Nr. 4 zu § 44 BAT; Urt. v. 13. 9. 1983, BAGE 44, 141 (150 ff.) = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Druckindustrie. 3 BAGE 29, 133 = AP Nr. 1 zu § 60 BAT („Öffentlicher Dienst"). In der für Altersgrenzenregelungen grundlegenden Entscheidung vom 25. 3. 1971, BAGE 23, 257 = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG („Gesamtbetriebsvereinbarung") sieht das Gericht die Gestaltungsbefugnis der Betriebsparteien durch das „Prinzip des freiheitlichen und sozialen Rechtsstaats" und den „Grundsatz der individuellen Entfaltungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)" begrenzt, siehe BAGE 23, 257 (270 f.). 4 A.a.O., S. 135: „Die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen, die weder gegen Art. 2 oder 12 GG noch gegen zwingende Vorschriften des Kündigungsschutzrechts verstoßen,

I. Berufsfreiheit und Tarifvertrag

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neueren Entscheidungen zur Wirksamkeit tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen für Angehörige des Bordpersonals zweier Luftfahrtunternehmen angeht, wird in dem ersten Urteil vom 20. 12. 19845 Art. 12 Abs. 1 GG nicht herangezogen. Die zweite Entscheidung vom 6. 3. 1986 setzt sich eingehend wiederum nur mit der Frage der Vereinbarkeit der Festsetzung mit zwingenden kündigungsschutzrechtlichen Normen auseinander6; sie stellt aber nunmehr zusätzlich heraus, daß die tarifvertragliche Gesamtregelung „auch Art. 12 Abs. 1 GG" nicht verletze 7. Dabei wird auf den Aspekt der Berufsfreiheit in der Entscheidungsbegründung erstmals näher eingegangen8. Auch in der Rechtslehre ist die Bedeutung der Berufsfreiheit für den Bereich des kollektiven Arbeitsrechts nach wie vor nicht umfassend herausgearbeitet worden 9. Besonders fällt auf, daß von den in Art. 12 Abs. 1 GG aufgeführten Gewährleistungen die Gewährleistung der freien Arbeitsplatzwahl· 0 bei der rechtswissenschaftlichen Behandlung eine ganz untergeordnete Rolle spielt 11 , obwohl es naheliegt, daß ihr gerade im Arbeitsrecht Bedeutung zukommen muß 12 . Während die Garantien der freien Berufs- und Ausbildungsstättenwahl nicht nur in dei Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 13, sondern auch in der Rechtslehre sehr weitgehend entfaltet worden sind, fehlt es in bezug auf das Recht dei freien Arbeitsplatzwahl an gesicherten Erkenntnissen vor allem, was die Kritehat das BAG wiederholt anerkannt." Siehe ferner Beschl. v. 18. 7. 1978, BAGE 31, 20 (22) = AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG 1972 („Personelle Einzelmaßnahme"). 5 AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung m. Anm. Belling („Flugzeugführer I"). 6 AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altergrenze („Flugzeugführer II") unter A I V der Entscheidungsgründe. 7 Siehe A V der Entscheidungsgründe: „Die tarifliche Gesamtregelung mit dem vorstehend bestimmten Inhalt verletzt auch nicht Art. 12 Abs. 1 GG." Ebenso jetzt BAG, Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1503) - „Betriebsvereinbarung". 8 Siehe A V I und 2 der Entscheidungsgründe. Mehr Aufmerksamkeit widmete das Bundesarbeitsgericht Art. 12 Abs. 1 GG bei der Kontrolle von tarifvertraglichen Rückzahlungsklauseln, vgl. BAG, Urt. v. 21. 3. 1973, BAGE 25,107 (112) = AP Nr. 4 zu § 44 BAT. Siehe auch BAG, Beschl. v. 13. 9. 1983, BAGE 44, 141 (150 ff.) = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Druckindustrie. 9 Siehe aber z. B. Badura, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (29); Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 (390 ff.). Eine eingehendere Untersuchung hat neuerdings Riedel, Berufsfreiheit, unternommen. Siehe dort insbesondere S. 106 ff. 10 Eingehender zu dieser Gewährleistung: Bachof\ Grundrechte, Bd. III/l S. 250; Dorndorf, Freie Arbeitsplatzwahl, insbes. S. 92 ff.; Hannig, Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, S. 5 ff.; Langwieser, Arbeitsplatzwahl, S. 40 ff.; Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 12 GG RdNr. 117. 11 Vgl. nur die Kommentierungen zu Art. 12 GG. 12 So hat etwa schon Hannig, Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, S. 90, von der Garantie einer den Arbeitnehmer umfassenden freiheitlichen Berufsordnung gesprochen. Siehe auch Friaufi JA 1984, 537 (541 f.); Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 (397). 13 Siehe vor allem BVerfGE 7, 377 - Apotheken; 13, 97 - Befähigungsnachweis; 33, 303 - Numerus-clausus; 50, 290 - Mitbestimmung.

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

rien für die Möglichkeiten der Beschränkung dieser Gewährleistung angeht14. Allgemein kann nach wie vor 15 gesagt werden, daß das Grundrecht der Berufsfreiheit für den Bereich der abhängigen Arbeit noch immer nicht seiner rechtlichen Bedeutung entsprechend entfaltet worden ist, auch wenn gerade in jüngerer Zeit das Bemühen um ein Verständnis der Berufsfreiheit als „Grundrecht der Arbeit" unverkennbar ist 16 . Im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit kollektivvertraglicher Regelungen von Altersgrenzen ist die Bedeutung der Berufsfreiheit in der Rechtslehre allerdings erkannt. Seit Hanau, Schlüter und Belling 17 auf die Maßgeblichkeit von Art. 12 Abs. 1 GG hingewiesen und Altersgrenzenregelungen vorrangig am Grundrecht der Berufsfreiheit gemessen haben, ist die Bedeutung des Art. 12 Abs. 1 GG für kollektivvertragliche Altersgrenzenregelungen in neuerer Zeit mehrfach herausgestellt worden 18 . Dabei gehen alle Autoren, wie es im Arbeitsrecht ganz üblich ist, von einer unmittelbaren Bindung der Tarifvertragsparteien an das Grundrecht der Berufsfreiheit aus.

14 Dazu näher unten III C. Das Bundesverfassungsgericht hat erst kürzlich ausdrücklich offengelassen, wie Inhalt und Tragweite dieses Rechts sowie sein Verhältnis zur Berufswahl und Berufsausübung zu beschreiben seien. Siehe Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1198 f.). 15 Siehe nur Lecheler, in: VVDStRL 43, S. 52; Papier, DVB1.1984, 801 (802); Wendt, DÖV 1984, 601 (602); Schlüter I Belling, NZA 1988, 297 (300). 16 So auch das Thema „Art. 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit" der Staatsrechtslehrertagung 1984. Dazu die Referate von Lecheler, in: VVDStRL 43, S. 48 ff. und Schneider, dort S. 7 ff., sowie ferner: Bryde, NJW 1984, 2177; Papier, DVB1. 1984, 801; Pietzcker, NVwZ 1984, 550; Wendt, DÖV 1984, 601. Wegweisend Badura, in: Festschr. f. Berber, S. 11 ff. (zur Frage der Kodifizierung „arbeitsrechtlicher Grundrechte" als Grundfreiheiten der Arbeit). Siehe außerdem: Badura, in: Der Staat 1975, S. 17 ff. (22, 31, 38 f.); dens., in: Festschr. f. Herschel, S. 21 ff.; Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 34 ff.; Häberle, JZ 1984, 345; dens., AöR 109 (1984), 630 (634 ff.); Hege, Berufsfreiheit, S. 68 ff., 82, 194 f.; Hoffmann, Berufsfreiheit, S. 23, 231 ff.; Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 ff.; Kempen, AuR 1986, 133; Riedel, Berufsfreiheit, S. 17 ff. 17 Hanau, RdA 1976,24 (29): „Die ganze Problematik der Altersgrenze erschließt sich erst, wenn man sie als Begrenzung der verfassungsrechtlichen Arbeitsfreiheit sieht". Schlüter ! Belling, Anm. zu BAG, Beschl. v. 18. 7. 1978, SAE 1979, 277: „Eine Tarifnorm, die generell eine starre Altersgrenze festsetzt, dürfte, selbst wenn eine ausreichende betriebliche Altersversorgung gewährt wird, unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 GG keinen Bestand haben." Auch Herschel hielt Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber normativen Altersgrenzen für bedeutsam, sah die Berufsfreiheit aber nicht verletzt, siehe Anm. zu BAG, Urt. v. 12. 12. 1968, AP Nr. 6 zu § 24 BetrVG 1952 (Bl. 356 R.) und Anm. zu BAG, Urt. v. 25. 3. 1971 („Gesamtbetriebsvereinbarung"), AuR 1972, 94 (95). 18 Siehe Linnenkohl, BB 1984, 603 (607 f.); Belling , Anm. zu BAG, Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung; Riedel, Berufsfreiheit, S. 117 ff.; Schlüter I Belling, NZA 1988, 297 (300 ff.); Belling, Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze.

I. Berufsfreiheit und Tarifvertrag

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2. Berufsfreiheit als Freiheitsrecht einer selbstbestimmten Lebensführung Arbeit und Beruf haben prinzipiell für jeden und grundsätzlich unabhängig vom Fortschreiten des Lebensalters große Bedeutung19. Die Grundrechtsordnung findet für die arbeitenden Menschen in Art. 12 Abs. 1 GG ihren konkretesten Ausdruck 20 , Art. 12 Abs. 1 GG kann als die verfassungsrechtlich zentrale Grundnorm für das Arbeitsleben angesehen werden 21. Dabei ist die Berufsfreiheit „eine der wichtigsten Ausprägungen des Bekenntnisses zur Würde des Menschen; zugleich konkretisiert sie das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit für den Bereich des Berufs- und Arbeitslebens" 22. Damit tritt der Stellenwert der Gewährleistung von Berufsfreiheit in einer oft sogenannten ,Arbeitsgesellschaft" 23 offen zutage, um so mehr, wenn man bedenkt, daß heute die Existenz des einzelnen regelmäßig nur durch die Verwertung der Arbeitskraft gewährleistet werden kann. Arbeit dient zum einen der Gewährleistung der Existenz in materieller Hinsicht. Freiheitliche Existenz kann aber in materieller (Minimal-) Sicherung allein nicht begründet sein. Was den Lebensbereich der Berufsarbeit angeht, hängt sie zudem von den Umständen der

Siehe 1. Kapitel, I I . Siehe nur Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35. 21 Badura, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 ff. (23), spricht davon, daß das Grundrecht der Berufsfreiheit durch die Staatsaufgabe, Arbeit und soziale Sicherheit zu garantieren, zum zentralen Freiheitsrecht der persönlichen Lebensführung werden müsse. Nach Häberle, DÖV 1972, 730, stellt die Gewährleistung „das Recht der arbeitenden und lernenden Bevölkerung" dar. Siehe femer Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35: „Es entspricht der geschichtlichen Entwicklung, in der Berufsfreiheit einen an Gewicht noch zunehmenden Schwerpunkt grundrechtlichen Schutzes zu sehen: solange die wirtschaftliche Daseinssicherung überwiegend in der Nutzung privaten Sachvermögens bestand, wie in der Agrar- und bürgerlichen Gesellschaft, stand der Schutz des privaten Eigentums im Mittelpunkt aller Bemühungen um Freiheitssicherung. Heute wird die Existenz des Einzelnen überwiegend nicht mehr durch die Nutzung von Eigentum, sondern durch die Verwertung seiner Arbeitskraft gewährleistet; dabei steht die überwiegende Mehrzahl der Berufstätigen in abhängiger Arbeit." Siehe auch BVerfGE 53, 257 (290) - Versorgungsausgleich: „In der heutigen Gesellschaft erlangt die große Mehrheit der Staatsbürger ihre wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch privates Sachvermögen als durch den Arbeitsertrag und die daran anknüpfende solidarisch getragene Daseinsvorsorge, die historisch von jeher eng mit dem Eigentumsgedanken verknüpft war." Aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts siehe BAG, Urt. v. 15. 3. 1978, BAGE 30, 163 (175 f.); Beschl. v. 13. 9. 1983, BAGE 44, 141 (152). 22 BVerfGE 7,377 (397) - Apotheken; 13,97 (104 f.) - Befähigungsnachweis; 30,292 (334) - Mineralölbevorratung; 50, 290 (362 ff.) - Mitbestimmung. Siehe noch Badura, in: Festschr. f. Berber, S. 11 ff.; dens., Festschr. f. Herschel, S. 21 (23 ff.); Häberle, JZ 1984, 345 (348); Scholz, ZfA 1981, 265 (277 f.). 23 Siehe 1. Kapitel, 12 c. Allerdings finden sich heute viele Anhaltspunkte dafür, daß in der Gesellschaft über Formen einer Selbstverwirklichung außerhalb des Berufs- und Arbeitslebens nachgedacht wird. Die Bedeutung der Möglichkeit, zu Erwerbszwecken zu arbeiten, wird dadurch aber nicht geschmälert. Siehe Heinze / Hinrichs / Offe / Olk, Interessendifferenzierung, S. 118 ff. (121, 123). 20

6 Waltermann

3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

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Arbeit ab, die ein menschenwürdiges Dasein zulassen müssen24, und vom Vorhandensein der Möglichkeit der Selbstverwirklichung durch Arbeit überhaupt. Berufsfreiheit kann deshalb durch das Grundgesetz nicht nur gewährleistet sein, weil Arbeit der wirtschaftlichen Existenzsicherung des einzelnen und der Erwirtschaftung des Sozialprodukts dient. Da „Arbeit als Beruf' 2 5 vielmehr zugleich als Möglichkeit zu menschlicher Selbstverwirklichung zu begreifen ist, muß Berufsarbeit gerade auch unter diesem Gesichtspunkt durch Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlichen Schutz genießen. Dies ist in der Rechtswissenschaft auch anerkannt. Rechtsprechung 26 und Rechtslehre 27 haben es vielfach herausgearbeitet. Das Grundrecht der Berufsfreiheit schützt also umfassend die Selbstbestimmung des einzelnen in beruflicher Hinsicht 2*. Dies gilt, obwohl die realen Möglichkeiten in unserer vornehmlich in Kategorien der ökonomischen Rationalität denkenden Gesellschaft für sehr viele Menschen hinter diesem Recht weit zurückbleiben, ein Widerspruch zwischen diesem Berufsverständnis der Verfassung und der Wirklichkeit also nicht übersehen werden kann. 24

Siehe Teil I Nr. 2 - 4 der Europäischen Sozialcharta (oben 1. Kapitel, Fn. 57) und Badura, in: Festschr. f. Berber, S. 11 (25 ff.). 25 Siehe BVerfGE 7, 377 (397) - Apotheken; 50, 290 (362) - Mitbestimmung; Badura, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (25,28), der dies als Überschrift für seinen Beitrag ausgewählt hat. Siehe aber auch Baruzzi, Arbeit und Beruf, S. 191 (204 ff.) und oben 1. Kapitel, Fn. 9,12. 26 Siehe grundlegend BVerfGE 7, 377 (397) - Apotheken, seitdem st. Rspr. Siehe nur noch BVerfGE 13, 97 (104 f.) - Befähigungsnachweis; 50, 290 (364 f.) - Mitbestimmung; 71,183 (201) - Arztwerbung. BVerfGE 7, 377 (397): „Wohl zielt das Grundrecht auf den Schutz der - wirtschaftlich sinnvollen - Arbeit, aber es sieht sie als „Beruf 4, d.h. in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im ganzen, die sich erst darin voll ausformt und vollendet, daß der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt." Aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts siehe nur BAG, Beschl. v. 13. 9. 1983, BAGE 44, 141 (152). „Für den Arbeitnehmer bildet der Arbeitsplatz die Grundlage seiner wirtschaftlichen und sozialen Existenz und auch eine wesentliche Grundlage der Entfaltung seiner Persönlichkeit." 27 Als Beispiel siehe Badura, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (28 f.): „Der grundrechtliche Schutz der Arbeit als Beruf setzt die Tätigkeit, deren Freiheit zugesichert wird, in Beziehung zu der Persönlichkeit des Arbeitenden in jenem hervorgehobenen Sinn, den die Hauptfreiheitsrechte der Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG meinen, und macht die Schutzwürdigkeit dieser Tätigkeit davon abhängig, daß sie zur Daseinssicherung und Lebensführung dienen soll; dies hebt den stärkeren Schutz der Freiheit des Berufs von dem allgemeinen Recht der freien wirtschaftlichen Betätigung nach Art. 2 Abs. 1 GG ab." Vgl. ferner Badura, in: Festschr. f. Berber, S. 11 (12, 14); Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35 (36); Bull , Die Staatsaufgaben, S. 207 ff.; Häberle, JZ 1984,345 (348); Hege, Berufsfreiheit, S. 55 ff., 68 ff.; Hesse, Verfassungsrecht, RdNr. 419; Hoffmann Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 (396 f.); Hueck! Nipper dey, Bd. II, 1. Halbbd., S. 381; Kittner, Arbeitsmarkt, S. 13; Ramm, Recht auf Arbeit, S. 65 (81 ff., 93); Scholz, ZfA 1981, 265 f. 28 BVerfGE 7,377 (397) - Apotheken: „Art. 12 Abs. 1 schützt die Freiheit des Bürgers in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich: er gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als „Beruf zu ergreifen, d.h. zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen."

I. Berufsfreiheit und Tarifvertrag

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3. Berufsfreiheit und Lebensalter Die Selbstbestimmung des einzelnen in beruflicher Hinsicht wird dabei ohne Rücksicht auf das Lebensalter geschützt. Der soeben dargelegte Gehalt der Gewährleistung von Berufsfreiheit beschreibt deshalb das Gewicht des Grundrechts auch für die individuelle Lebensgestaltung älterer Menschen: Der materielle Ertrag ihrer Arbeit bestimmt über die Möglichkeiten ihres gesellschaftstypischen Teilhabens an der Gesellschaft. Zugleich ist Arbeit Älteren genauso wie Jüngeren prinzipiell Bedürfnis und Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Auch für Ältere geht es also um die Schaffung und Erhaltung ihrer Lebensgrundlagen und um Aspekte der Persönlichkeitsentfaltung. Wie Arbeitslosigkeit allgemein, kann eine - von unserer Gesellschaft nicht als Arbeitslosigkeit registrierte und empfundene - Ausgrenzung Älterer aus dem Arbeitsleben je nach Versorgung zu materiellen und zu, davon auch unabhängigen, psychischen und seelischen Problemen führen 29. Fragt man nach den rechtlichen Schranken, die tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen durch das Grundrecht der Berufsfreiheit gezogen sein können, muß deshalb sowohl der Aspekt der materiellen Existenzsicherung, als auch der Gesichtspunkt Bedeutung erlagen, daß Art. 12 GG eine Lebensgestaltung durch Arbeit ermöglichen will. Die Konkretisierung des Grundrechts der Berufsfreiheit muß sich also auch im Zusammenhang mit Altersgrenzenregelungen an seiner Beziehung zur Persönlichkeitsentfaltung orientieren. 4. Das Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht gegenüber den Tarifvertragsparteien ? Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Sie richten sich dagegen im Grundsatz nicht gegen die Ausübung privater Macht. Der Bereich abhängiger Arbeit ist aber im wesentlichen privatrechtlich strukturiert. Eine Gefährdung von Grundrechtspositionen droht deshalb hier nicht in erster Linie vom Staat, sondern von privaten Trägern wirtschaftlicher und sozialer Macht. Das gilt auch für das Grundrecht der Berufsfreiheit. Es würde im Bereich der abhängigen Arbeit weitgehend leerlaufen, wenn es lediglich als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe aufgefaßt werden könnte. Die Grundrechte sind jedoch einhelliger Meinung nach auch für die Gestaltung privater Rechtsverhältnisse maßgeblich. Überwiegender Ansicht nach wirken sie 29 Siehe auch Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35 (37): „So wird bei der einsetzenden Diskussion über eine Herabsetzung der Lebensarbeitszeit auch die Gefahr einer Sinnentleerung bei noch voll leistungsfähigen Menschen gesehen werden müssen, die sich vorzeitig in ein Rentnerdasein versetzt sehen. Dem steht freilich die seelische Not jugendlicher Arbeitsloser gegenüber, denen mit der Verwirklichung derartiger Vorschläge vor allem geholfen werden soll." Sieheferner Häberle, JZ 1984, 345 (351). 6*

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

auf Privatrechtsverhältnisse insofern ein, als sie im Einzelfall für die Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe oder Generalklauseln (mittelbar) bedeutsam werden: Den Grundrechten kommt nämlich anerkanntermaßen nicht nur die Funktion subjektiver Abwehrrechte zu. Sie haben vielmehr auch einen objektivrechtlichen Gehalt; als „wertentscheidende Grundsatznormen" sind sie Grundelemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens30. Diese Bedeutungsschicht öffnet allgemein den Weg zu einer „mittelbaren" Maßgeblichkeit der Grundrechte für die Gestaltung privater Rechtsverhältnisse (sog. Ausstrahlungsoder mittelbare Drittwirkung der Grundrechte) 31. Auch für Tarifverträge, die überwiegend dem Bereich des privaten Rechts zugeordnet werden 32, kommt, wendet man diese Grundsätze an, in jedem Fall eine mittelbare (Ausstrahlungs-)Wirkung der Grundrechte in Betracht. Grundrechten muß zumindest insofern Bedeutung zukommen, als ihr Rechtsgehalt über das Medium der diesen Bereich beherrschenden gesetzlichen Vorschriften, „insbe30

Schon früh hat das Bundesverfassungsgericht eine Auslegung der Grundrechte abgelehnt, die deren Schutzwirkung auf eine Abwehr staatlicher Eingriffe verengt. Siehe BVerfGE 5, 85 (204 ff.); 6, 32 (40 f.) - Elfes; 7, 198 (204 f.) - Lüth; 21, 362 (372): Siehe auch, weitergehend, BVerfGE 33, 303 (330 ff.) - Numerus-clausus. Aus der Rechtslehre siehe Hesse, Verfassungsrecht, RdNr. 290 ff.; Scheuner, DÖV 1971, 505 (507 ff.). 31 BVerfGE 73, 261 (269) - Sozialplan: „Eine Bindung des Richters an die Grundrechte kommt bei dieser streitentscheidenden Tätigkeit auf dem Gebiet des Privatrechts nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unmittelbar, wohl aber insoweit in Betracht, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen." Siehe ferner BVerfGE 7, 198 (205 ff.) - Lüth; 25, 256 (263); 42, 143 (148); 61, 1 (6); Hesse, Verfassungsrecht, RdNr. 349 ff. Grundsätzlich zur Problematik Dürig, in: Festschr. f. Nawiasky, S. 157 (176 ff.); Leisner, Grundrechte, insbes. S. 196 ff., 285 ff.; Schwabe, Drittwirkung; Canaris , AcP 184 (1984), S. 201 ff. Das Bundesarbeitsgericht, das ebenfalls in den Grundrechten nicht nur Freiheitsrechte gegenüber staatlicher Gewalt, sondern auch „Ordnungsgrundsätze für das soziale Leben" sieht, hat aus dieser Erkenntnis oft eine unmittelbare Bedeutung für den privaten Rechtsverkehr abgeleitet, siehe BAG, Urt. v. 3. 12. 1954, BAGE 1,185 (191 ff.). Siehe ferner BAGE 4, 240 (243); 4, 274 (276 ff.); 7,256 (260); 13,168 (174 ff.); 24,438 (441). Anders jetzt BAG (GS), Beschl. v. 27. 2. 1985, BAGE 48, 122 (134 ff.) = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; BAG, Beschl. v. 27. 5. 1986, BAGE 52, 88 (97 f.). In der arbeitsrechtlichen Lehre sind für eine unmittelbare Drittwirkung ζ. B. Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385 (419 ff.); Nipper dey, in: Festschr. f. Molitor, S. 17 ff., eingetreten. 32 BAGE 1, 258 (270) = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG (Lohngleichheit); Herschel, Verh.d. 46. DJT, S. D 19; Hueck / Nipperdey , Bd. II/l. Halbbd., S. 339 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), 201 (243 f.); Coester, Vorrangprinzip, S. 62 ff.; Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 1 GG RdNr. 116; Ramm, JZ 1962,78 (81 f.); Rehbinder, JR 1968, 167 (170 f.); Richardi, Kollektivgewalt, S. 164; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 55; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 303 f.; ders, Rechtsnatur, S. 24 (38). In diesem Sinne auch BVerfGE 34, 307 (316 f.) - Heimarbeitsausschüsse; 44, 322 (345 f., 347) - Allgemeinverbindlicherklärung. A.A. Hinz, Tarifhoheit, S. 106; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. II, S. 216 ff. Tarifverträge erhalten jedenfalls nicht dadurch den Charakter von Akten der öffentlichen Gewalt, daß der Gesetzgeber ihnen in § 4 Abs. 1 TVG normative Wirkungen zuerkannt hat, vgl. BVerfGE 73, 261 (268) - Sozialplan.

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sondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und ausfüllungsbedürftigen Begriffe", auf das Tarifvertragsrecht einwirkt 33. a) Der Meinungsstand Es kann im Arbeitsrecht aber inzwischen als selbstverständlich gelten, daß die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normensetzung unmittelbar an Grundrechte gebunden sind. Das Bundesarbeitsgericht hat dies von jeher angenommen34, und in der arbeitsrechtlichen Lehre wird, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, ganz überwiegend von einer „unmittelbaren Drittwirkung" ausgegangen35. Die Grundrechte wirken gegenüber tarifvertraglicher Normensetzung danach nicht lediglich mittelbar dadurch, daß die Rechtsprechung bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Privatrechts an ihre Wertaussage gebunden ist, sondern sie können in derselben Weise herangezogen werden, in der sie gegenüber dem Staat wirken. Eine konsequent durchgehaltene „Theorie der unmittelbaren Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien" wird zu dem Ergebnis gelangen, daß die einzelnen Tarifgebundenen den Tarifvertragsparteien die Grundrechte ebenso wie dem Staat in ihrer Funktion als Abwehrrechte entgegenhalten können36. Bezogen auf das Grundrecht der Berufsfreiheit bedeutet dies eine Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die ihn konkretisierenden Maßstäbe der Stufentheorie. Tarifnormen wären in gleicher Weise zu beurteilen, als hätte sie der staatliche Gesetzgeber erlassen. Anderer Ansicht sind vor allem Richardi 37 und Zöllner 38. Sie lehnen eine enge Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien grundsätzlich ab und verweisen 33

So für die Auslegung von Sozialplänen, die die Wirkung von (privatrechtlichen) Betriebsvereinbarungen haben (vgl. § 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG 1972), zuletzt BVerfGE 73,

261 (268).

34 Grundlegend BAG, Urt. v. 15. 1. 1955, BAGE 1, 258 (262 ff.) = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG (Lohngleichheit). Siehe noch BAG, Urt. v. 21. 3. 1973, BAGE 25, 107 (112) = AP Nr. 4 zu § 44 BAT; Urt. v. 13. 9. 1983, BAGE 44, 141 (150 ff.) = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Druckindustrie. Siehe aber auch BAG (GS), Beschl. v. 27. 2. 1985, BAGE 48, 122 (134 ff.) = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; BAG, Beschl. v. 27. 5. 1986, BAGE 52, 88 (97 f.). 35 Siehe ζ. B. Biedenkopf Grenzen, S. 70 ff., 73; Blomeyer, ZfA 1980, 1 (22 ff.); Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, S. 90, 106; Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385 (399 ff.); Hueck / Nipperdey, Bd. II/l. Halbbd., S. 351 f., 373 ff.; Reuter, ZfA 1978, 1 (35 ff.); Wiedemann / Stumpf, Einl. RdNr. 57 ff. m. Nachw. 36 Vgl. ζ. B. Biedenkopf, Grenzen, S. 110 ff.; Blomeyer, ZfA 1980, S. 1 (28 ff.); Däubler/Hege, Tarifvertragsrecht, S. 106; Hueck/Nipperdey, Bd. II/l. Halbbd., S. 381 f.; Reuter, ZfA 1978, S. 1 (36 ff.); Riedel, Berufsfreiheit, S. 110 ff., 113; Schlüter / Belling, NZA 1988,297 (301 ff.); Scholz, ZfA 1981,265 (297). 37 Kollektivgewalt, S. 164 f., 346 ff. 38 Rechtsnatur, S. 36 f.; Arbeitsrecht, S. 91. Zustimmend Canaris, AcP 184 (1984), S. 201 (243 ff.).

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

die Tarifgebundenen vorrangig auf eine innerverbandliche Verfolgung ihrer Interessen. b) Stellungnahme Die Frage der Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien wird durch zwei Gesichtspunkte besonders geprägt: Zum einen durch die Zugehörigkeit des Tarifvertrages zum Bereich des Privatrechts. Sie legt eine lediglich „mittelbare Drittwirkung" nahe, wie sie das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich für die Auslegung von Sozialplänen befürwortet hat 39 . Zum anderen ist die - seit jeher umstrittene - Frage von Bedeutung, wie die Herkunft der Tarifautonomie zu begründen ist. Mit der Beurteilung der Herkunft der Tarifautonomie hängt nämlich maßgeblich zusammen, inwiefern besondere Gründe bestehen können, die trotz der privatrechtlichen Natur des Tarifvertrages eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nahelegen, wie sie allgemein angenommen wird. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, wollte sie einen alle Gesichtspunkte berücksichtigenden Lösungsvorschlag zu der seit langem umstrittenen Frage nach der Herkunft der Tarif autonomie versuchen, die Grundlage für eine tragfähige Begründung einer unmittelbaren Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien ist. Dies kann aber auch unterbleiben, denn alle gebräuchlichen Ansätze kennen - vom jeweiligen Standpunkt aus überzeugend erscheinende Gründe für eine besonders enge, unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien. aa) Allerdings würden sich Gründe für eine ausnahmsweise unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien kaum finden lassen, wenn anzunehmen wäre, daß die Befugnis der Koalitionen zur Normensetzung im Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht als vom Staat abgeleitet zu gelten hat, sondern gleichsam einem „Naturrecht" entspringt (Lehre von der Originarität der Satzungsgewalt)40. Eine enge Bindung an die dem staatlichen Recht zugehörigen Grundrechte läge von diesem Ausgangspunkt aus gesehen, im Gegenteil, eher fern. Die Lehrmeinung von einer Originalität der (Tarif-)Autonomie erscheint aber unter der Geltung des Grundgesetzes nicht mehr haltbar. In einer Demokratie, in der die Staatsgewalt vom Volk ausgeht (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), ist Autonomie nicht als gegen den Staat gerichtete gesellschaftliche Institution denkbar. Sie muß vielmehr als (autonomer) Teil eines Ganzen gesehen werden, welcher über den Staat auf den Volkssouverän zurückgeführt werden kann, dem 39

BVerfGE 73, 161 (269). Für den Bereich der Tarif autonomie vertreten von Herschel, in: Festschr. f. Bogs, S. 125, 130 f.; dems., Verh. d. 46. DJT, S. D 7, D 11, D 16. Siehe ferner Söllner, AuR 1966, 257 (260 f.) und Arbeitsrecht, S. 127. Allgemein zu dieser Begründung von Autonomiebereichen instruktiv Friehe, JuS 1979, 465 (466 f.) m.w.Nachw. 40

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eine prinzipiell umfassende Regelungsbefugnis im gesellschaftlichen Bereich zukommt 41 . bb) Ganz überwiegend wird die Tarifautonomie dementsprechend als vom Staat abgeleitet verstanden. Man nimmt an, der Staat habe einen Teil seiner Zuständigkeit den Koalitionen zu eigener Verantwortung überlassen. Dabei herrscht allerdings Streit darüber, wie man sich diese Überlassung im näheren vorzustellen hat. Das Bundesarbeitsgericht und ein Teil der Lehre sehen die Tarifautonomie durch den Gesetzgeber im TVG delegiert (sog. Delegationstheoriëf 1, andere sind der Meinung, die Rechtsgrundlage der Tarifautonomie sei schon in der institutionellen Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG enthalten (Lehre von der verfassungsunmittelbaren Autonomief 3. (1) Hält man, wie es die Anhänger der Delegationstheorie tun, die Tarifautonomie für durch § 1 Abs. 1 TVG 4 4 delegiert, kann eine besonders enge, unmittelbare Bindung an die Grundrechte folgerichtig mit dem Gedanken begründet werden, die Tarifvertragsparteien müßten als vom Gesetzgeber mit Rechtsetzungsgewalt Betraute derselben (Grund-)Rechtsbindung unterliegen, der der Gesetzgeber unterworfen wäre, wenn er selbst tätig würde 45 . Die auf Art. 1 Abs. 3, 20

41

Siehe Bogs, in: Festschr. f. Lenz, S. 307 (317 ff.); Galperin, in: Festschr. f. Molitor, S. 143 (156); Klein, in: Festschr. f. Forsthoff, S. 165 (177 f.); Peters / Οssenbühl, Die Übertragung, S. 12 f.; Reuter, ZfA 1978, 1 (19). Vgl. auch BVerfGE 44, 322 (340 f.) Allgemeinverbindlicherklärung: „Art 9 Abs. 3 GG gewährleistet eine Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens, bei der der Staat seine Zuständigkeit zur Rechtsetzung weit zurückgenommen und die Bestimmung über die regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrags grundsätzlich den Koalitionen überlassen hat." Vgl. noch BVerfGE 4,96 (106 f.); 18,18 (26, 28); 20, 312 (317); 22, 180 (204); 28,295 (304); 34, 307 (316 f.); 38, 281 (306); 50, 290 (367); 64, 208 (215). 42 Für die Rechtsprechung in Arbeitssachen grundlegend BAG, Urt. v. 15. 1. 1955, BAGE 1, 258 (264) = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG (Lohngleichheit): „Die entgegengesetzte Ansicht verkennt weiter, daß die Tarifvertragsparteien ihre Autonomie zur Rechtsetzung aus ausdrücklicher staatlicher Übertragung im TVG herleiten." Siehe femer BAGE 40, 327 (334) = AP Nr. 8 zu § 1 TVG Form. Aus der Rechtslehre siehe ζ. B. Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 137 f.; Hinz, Tarifhoheit, S. 138 ff.; Hueck / Nipperdey, Bd. H/1. Halbb., S. 339 ff., 347; Lieb, Arbeitsrecht, S. 109; Misera , Tarifmacht, S. 18; Peters / Ossenbühl, Die Übertragung, S. 9 ff., 15; eingehend zum Meinungsstand Klas, Verfassungsbeschwerde, S. 88. Für Autonomiebereiche allgemein vertreten die Delegationstheorie z. B. Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 1 GG RdNr. 113; Starck, AöR 92 (1967), S. 449 (455 ff.). 43 Instruktiv Schnorr, JR 1966, 327 (329 ff.). Siehe femer ζ. B. Biedenkopf Grenzen S. 102 ff.; Galperin, in: Festschr. f. Molitor, S. 143 (155 ff.); Herwig, RdA 1985, 282 (287); Schwerdtfeger, Koalitionsfreiheit, S. 11; Weber, Koalitionsfreiheit, S. 24; siehe auch Säcker, Gruppenautonomie, S. 241. Eine dem verwandte Ableitung für Autonomiebereiche allgemein vertritt Salzwedel, in: VVDStRL 22 (1965), S. 207 (222 f., 225). 44 Er lautet: „Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können."

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

Abs. 3 GG beruhende Grundrechtsbindung des Gesetzgebers haftet danach dessen Rechtsetzungsmacht sozusagen an und geht mit der Delegation auf die Tarifvertragsparteien über. In engem Zusammenhang mit diesem Ansatz ist das (zusätzliche) Argument des Bundesarbeitsgerichts zu sehen, eine unmittelbare Grundrechtsbindung ergebe sich (auch) aus Art. 1 Abs. 3 GG: Nach §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG setzt der Tarifvertrag Rechtsnormen. Diese sind Gesetze im materiellen Sinne46, die Tarifvertragsparteien haben also gesetzgebende Funktion. Hieraus folgt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts und einer verbreiteten Lehrmeinung 47, daß sie als Gesetzgeber gem. Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht gebunden sind 48 . (2) Aber auch wenn man, wie es die Anhänger der Lehre von der verfassungsunmittelbaren Autonomie tun, die Rechtsgrundlage der Tarifautonomie schon in

45

„Nemo plus iuris in alium transferre potest quam ipse habet." Siehe ζ. B. Hinz, Tarifhoheit, S. 159; G. Küchenhoff, in: Festschr. f. Nipperdey II, S. 317 (341); Starck, AöR 92(1967), 449 (455). 46 BVerfGE 4, 96 (106); 18, 18 (26); 28, 295 (304 f.); 44, 322 (341) - Allgemeinverbindlicherklärung. 47 BAGE 1, 258 (262 f.) = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG (Lohngleichheit) und z. B. Hueck / Nipperdey, Bd. II/l. Halbbd., S. 373 ff.; Misera , Tarifmacht, S. 60 ff.; Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (300); Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 70. 48 Diese Begründung einer unmittelbaren Grundrechtsbindung ist m. E. nicht haltbar. Die tarifvertragliche Normensetzung ist nicht Gesetzgebung in dem von Art. 1 Abs. 3 GG gemeinten Sinn. Zwar haben die Tarifvertragsparteien, ebenso wie ζ. B. Gemeinden, gesetzgebende Funktion, und die nach Maßgabe der §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG geltenden Rechtsnormen des Tarifvertrages sind Gesetze im materiellen Sinne. Art. 1 Abs. 3 GG meint aber den staatlichen (Parlaments-)Gesetzgeber. Die Vorschrift darf nicht losgelöst vom systematischen Zusammenhang des Grundgesetzes gesehen werden. Das Grundgesetz verwendet aber die Begriffsdreiheit „Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung" durchweg zur Kennzeichnung der staatlichen Gewalt: Die Staatsgewalt geht nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG vom Volk aus, das gem. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG diese Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der „Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung " ausübt. Auch Art. 20 Abs. 3 GG widerlegt die These des Bundesarbeitsgerichts. Die Hervorhebung der Bindung des Gesetzgebers an die „verfassungsmäßige Ordnung" gegenüber derjenigen der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an „Gesetz und Recht" ergibt dann einen Sinn, wenn damit das Parlament gemeint ist, nicht aber jede Gesetzgebung im materiellen Sinne. In diese Richtung weisen auch Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, der die staatliche Gewalt zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen verpflichtet, und die Gesetzesvorbehalte, die an den staatlichen Gesetzgeber gerichtet sind (zu den Gesetzesvorbehalten siehe BVerfGE 33, 125 (158 f.) - Fachärzte; Starck., AöR 92 (1967), 449 (456 f.). Der Vergleich des Bundesarbeitsgerichts mit den Gemeinden (BAGE 1, 258 (263) geht fehl; sie sind als Teil der vollziehenden Gewalt (siehe nur Wolff / Bachof Verwaltungsrecht I, S. 16 ff.) gem. Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Siehe Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 1 GG RdNr. 107, 116; Richardi, Kollektivgewalt, S. 347; Schnapp, JR 1974,316(318).

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Art. 9 Abs. 3 GG sieht 49 , erscheint die Annahme einer unmittelbaren Grundrechtsbindung zutreffend. Allerdings ist hier das Argument, niemand könne mehr Rechte übertragen als er selbst besitzt, wenig aussagekräftig. Der Gesetzgeber kann sich seinen Bindungen (siehe Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) durch Delegation nicht beliebig entziehen50; dagegen erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß der Staat in der Verfassung einen Bereich zu eigener Verantwortung überträgt und die Grundrechte nur mittelbar, als objektive Wertordnung der Verfassung, in diesen Bereich ausstrahlen. Für die Annahme einer unmittelbaren Geltung der Grundrechte sprechen aber folgende Überlegungen: Die Tarifunterworfenen sind der Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien in einem vergleichbaren Maß unterworfen, wie dies gegenüber der staatlichen Gewalt der 49

Dies ist m. E. richtig. Eine Delegation durch den Gesetzgeber kommt nur in Betracht, wenn die Regelung des Bereichs der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zum Rechtsetzungsmonopol des Gesetzgebers gehört. Eine zutreffende Interpretation des Art. 9 Abs. 3 GG wird aber zu der Annahme führen, daß der Staat diesen Regelungsgegenstand schon in der Verfassung prinzipiell der Ordnung durch die Koalitionen überlassen hat. Art. 9 Abs. 3 GG beinhaltet anerkanntermaßen auch das Recht der Koalitionen für die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einzutreten (siehe nur BVerfGE 4, 96 (101 f.); 18, 18 (26); 38, 281 (303); 50, 290 (367) - Mitbestimmung). Er „gewährleistet eine Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens, bei der der Staat seine Zuständigkeit zur Rechtsetzung weit zurückgenommen und die Bestimmung über die regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrags grundsätzlich den Koalitionen überlassen hat" (BVerfGE 44, 322 (340) - Allgemeinverbindlicherklärung; 50, 290 (367)-Mitbestimmung). Durch Art. 9 Abs. 3 GG ist ihnen die Aufgabe zugewiesen, „insbesondere Löhne und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum in eigener Verwantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme durch unabdingbare Gesamtvereinbarungen sinnvoll zu ordnen" (BVerfG, a.a.O. m. Nachw.). Dies bedeutet jedenfalls, daß es ihnen überlassen ist, die Bedingungen im einzelnen mit dem Gegner auszuhandeln; soweit die Verhandlungen zu Ergebnissen führen, ist es ihnen schon von Verfassungs wegen möglich, diese in einer Gesamtvereinbarung (siehe BVerfGE 4,96 (106); 44,322 (341) - Allgemeinverbindlicherklärung) niederzulegen. Dieses ureigenste, historisch gewachsene Handlungssystem braucht den Tarifvertragsparteien nicht erst durch den Gesetzgeber zu eigener Verantwortung übertragen zu werden. Ebensowenig könnte er ihnen vom Gesetzgeber genommen werden. Denn anderenfalls hätte das Grundrecht für die Koalitionen keine Substanz. Aufgabe gesetzgeberischer Gestaltung ist es erst, darüber hinaus den Koalitionen die Mittel an die Hand zu geben, damit sie die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen können (siehe BVerfGE 4, 96 (106); 18, 18 (26); 28, 295 (305); 44, 322 (341). Dementsprechend gibt das TVG den Koalitionen den Tarifvertrag an die Hand und bestimmt, wie die Beachtung der im Autonomiebereich hervorgebrachten Gesamtvereinbarungen durchgesetzt werden soll. Der Gesetzgeber bestimmt also die Regelungswirkung der Gesamtvereinbarungen in der Art des Tarifvertrages, während der Regelungsgegenständ den Koalitionen durch Art. 9 Abs. 3 GG überlassen ist (siehe nochmals BVerfGE 50, 290 (367 ff.). Mit anderen Worten gesagt ergibt sich die Tarifautonomie aus der Verfassung, nur die Normensetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien beruht auf dem TVG. Vgl. vor allem Schnorr, JR 1966, 327 (328, 329 ff.) und ζ. B. Biedenkopf Grenzen, S. 102 ff.; Däubler, Mitbestimmung, S. 235; Galperin, in: Festschr. f. Molitor, S. 143, (153); Hölters, Harmonie, S. 115; Reuter, ZfA 1978, 1 (12, 14,17). 50

Siehe auch in diesem Zusammenhang BVerfGE 33, 125 (158 f.) - Fachärzte.

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

Fall wäre 51 , hätte der Staat seine Zuständigkeit in diesem Bereich nicht weit zurückgenommen und die Befugnis der Koalitionen anerkannt, selbst Rechtsregeln zu setzen und wieder aufzuheben 52. Die Koalitionen als gesellschaftliche Institutionen können mit ähnlichen Auswirkungen auf Rechtspositionen des einzelnen zugreifen wie der Staat. Ihre - aus der Sicht der Lehre von der verfassungsunmittelbaren Autonomie in Art. 9 Abs. 3 GG verankerte - Regelungsgewalt hat der Gesetzgeber im TVG dahingehend näher konkretisiert 53, daß der Tarifvertrag in seinem normativen Teil abstrakt-generelle Regelungen enthält, die für den Inhalt der von ihm erfaßten Arbeitsverhältnisse zwingende Wirkung entfalten (siehe §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 TVG). Der einzelne Tarifgebundene ist damit einer Majorisierungsgefahr durch gesellschaftliche Gestaltungsmacht ausgesetzt, deren Ausübung Freiheit und Gleichheit ebenso verletzen kann, wie dies durch staatliche Macht möglich ist 54 . Dagegen fehlt es an dem für den Bereich des Privatrechts sonst typischen Gegenüber konkurrierender Grundrechte privater Grundrechtsträger 55. Daß nicht jeder beliebige einzelne, sondern nur die tarifgebundenen Mitglieder der Koalitionen gebunden sind, sollte dabei nicht den Ausschlag gegen die Annahme einer unmittelbaren Grundrechtsbindung geben. So wie in einer Demokratie die Herrschaft der vom Volk demokratisch legitimierten Staatsgewalt der Begrenzung durch Grundrechte bedarf, besteht im Bereich der Tarifautonomie ein Bedürfnis nach einer Herrschaftsbegrenzung der mitgliedschaftlich legitimierten Koalitionen, zumal deren Regelungen regelmäßig einen Kompromiß kontrovers geführter Tarifverhandlungen darstellen. Wie im Verhältnis des Bürgers zum Staat herrschen auch hier Menschen über Menschen, die den Versuchungen des Machtmißbrauchs unterliegen 56. Im Bereich der Tarifautomomie ist 51 Ebenso z.B. Däubler/Hege, Tarifvertragsrecht, S. 90; Gamillscheg, AcP 164 (1964), S. 385 (400). 52 So die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, siehe BVerfGE 44, 322 (340 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung und die Nachw. dort; 50, 290 (367) - Mitbestimmung; 64, 208 (215) - Bergmannsversorgungsscheingesetz NRW. 53 Dies geschah in Ausübung seines in Art. 9 Abs. 3 GG vorgezeichneten verfassungsrechtlichen Auftrages, die Befugnisse der Koalitionen im einzelnen auszugestalten. Siehe BVerfGE 44, 322 (341) - Allgemeinverbindlicherklärung; 50, 290 (368 f.) - Mitbestimmung. 54 Vgl. Badura, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (29); Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35 (46); Blomeyer, ZfA 1980, 1 (22); Däubler, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 113; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, S. 89 f.; Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385 (400); Reuter, ZfA 1978, 1 (36 f.). 55 Daß Art. 9 Abs. 3 GG auch die Koalitionen selbst schützt (siehe BVerfGE 4, 96 (101 f.); 18,18 (26); 38, 281 (303); 50,290 (367) - Mitbestimmung), führt nicht zu einer Konkurrenzsituation gegenüber den jeweiligen Mitgliedern, in deren Rechte eingegriffen werden soll. Zutreffend Reuter, ZfA 1981, S. 1 ff. (37). Siehe aber den Ansatz von Misera , Tarifmacht, S. 81 ff. 56 Für das Verhältnis des einzelnen zur staatlichen Gewalt im demokratisch verfaßten Rechtsstaat Hesse, Verfassungsrecht, RdNr. 287.

I. Berufsfreiheit und Tarifvertrag

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es nur nicht staatliche, sondern gesellschaftliche Macht, deren Ausübung Freiheit und Gleichheit verletzen kann. Dies gilt, wie in der Demokratie, unabhängig davon, daß die Mitglieder ihre jeweiligen Interessen im verbandsinternen Willensbildungsprozeß zur Geltung bringen können. Wenn Richardi 57 und Zöllner 58 die Tarifgebundenen auf die Möglichkeit einer innerverbandlichen Verfolgung ihrer Interessen verweisen und eine „situationsbezogene Anwendung der Grundrechte" vorschlagen, kann ihnen darin nicht gefolgt werden. Zunächst geht es eben nicht nur darum, daß „dem einzelnen Arbeitnehmer von seinem Verband nicht Unzumutbares zugemutet wird 5 9 ", sondern um die Sicherung individueller Freiheit und Gleichheit vor den Tarif vertragsparteien, deren Regelungen typischerweise als Kompromiß zwischen zwei Mehrheiten Zustandekommen60. Im übrigen stimmt es zwar, daß die einzelnen Tarifunterworfenen durch den Tarifvertrag gerade geschützt werden; der Individualarbeitsvertrag ist ein prinzipiell unzureichendes Instrument zur Begründung sozial angemessener Arbeitsverhältnisse. Auch können die Mitglieder ihre jeweiligen Interessen im verbandsinternen Willensbildungsprozeß zur Geltung bringen. Trotzdem aber bleibt es bei der Notwendigkeit eines Minderheitenschutzes; der einzelne kann insbesondere nicht auf die Möglichkeit des Austritts verwiesen werden 61. Auch sanktioniert der Beitritt zur Koalition nicht potentielle Eingriffe durch den tarifvertraglichen Kompromiß 62 . (3) Es gibt somit nach allen Auffassungen gute Gründe für eine unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte. Sie wirken, ebenso wie gegenüber dem Staat, in ihrer Funktion als Abwehrrechte. Dies führt folgerichtig zu einer entsprechenden Heranziehung der für staatliche Regelungen entwickelten Bewertungsmaßstäbe. Tarifvertragliche Regelungen sind an denselben Grundsätzen zu messen wie Regelungen, die der staatliche Gesetzgeber getroffen hat 63 . Wird durch den Staat in die Berufsfreiheit eingegriffen, ist Maßstab für die 57

Kollektivgewalt, S. 164 f., 346 ff. Rechtsnatur, S. 36 f.; Arbeitsrecht, S. 91. Zustimmend Canaris , AcP 184 (1984), S. 201 (243 ff.). 59 Wichtiger Grund für die Sichtweisen von Richardi und Zöllner ist deren von der herrschenden abweichende Auffassung über das Wesen der Tarifautonomie. Richardi erklärt die Tarifmacht mit der Unterwerfung des Individuums unter die Verbandsmacht (siehe Kollektivgewalt, S. 346 ff.), Zöllner versteht die tarifvertragliche Regelung als eine „von unten auf die höhere Ebene der Koalitionen heraufgehobene Privatautonomie" (siehe Rechtsnatur, S. 37; Arbeitsrecht, S. 91). 60 Zutreffend Reuter, ZfA 1978, S. 1 (36 f.). 61 Däubler, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 113 f. 62 Blomeyer, ZfA 1980, 1 (22). 63 Ebenso Biedenkopf Grenzen, S. 110 ff.; Blomeyer, ZfA 1980, 1 (22 ff.); Däubler, Mitbestimmung, S. 235; Däubler I Hege, Tarifvertragsrecht, S. 89 ff.; Hueck / Nipperdey, Bd. II/l. Halbbd., S. 381; Reuter, ZfA 1978,1 (36 ff.); Riedel, Berufsfreiheit, S. 113, 115; Scholz, ZfA 1981,265 (297); siehe auch Leisner, Grundrechte, S. 382, 388. Canaris entgegnet dem: „Man denke nur daran, welche Folgen es hätte, wenn ζ. B. ein tarifver58

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Eingriffs der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wobei die Regelungsbefugnis nach den Kriterien der Stufentheorie abgestuft ist. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Stufentheorie können der Überprüfung tarif vertraglicher Altersgrenzenregelungen im folgenden zugrunde gelegt werden 64. Zusammenfassung zu I Auch für die Zulässigkeit tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen kommt dem Grundrecht der Berufsfreiheit Bedeutung zu. Berufsfreiheit ist nicht nur gewährleistet, weil Arbeit der wirtschaftlichen Existenzsicherung des einzelnen dient. Berufsarbeit ist vielmehr zugleich als Möglichkeit zu menschlicher Selbstverwirklichung zu begreifen und genießt gerade auch unter diesem Gesichtspunkt durch Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlichen Schutz. Dieser Schutz ist vom Fortschreiten des Lebensalters unabhängig. Er erstreckt sich unmittelbar auf das Verhältnis des einzelnen zu den Tarifvertragsparteien; deren Regelungen müssen insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

I I . Tarifvertragliche Altersgrenzenregelung als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG A. Der Regelungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, Beruf\ Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt die Regelung der Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes. 1. Abhängige Arbeit Altersgrenzenregelungen durch Tarifvertrag betreffen den Bereich abhängiger Arbeit. Selbstverständlich werden abhängige und selbständige berufliche Tätigkeit von Art. 12 Abs. 1 GG gleichermaßen erfaßt 65.

tragliches Wettbewerbsverbot uneingeschränkt der vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 12 GG entwickelten Stufentheorie unterworfen würde!" Siehe AcP 184 (1984), 201 (244). Gegen Canaris zutreffend u.a. Herschel RdA 1985, 65. 64 Im Ergebnis ebenso Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung; ders., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze; Hanau, RdA 1976, 24 (29 f.); Riedel, Berufsfreiheit, S. 117 ff.; Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (301 ff.). 65 Einhellige Auffassung, siehe BVerfGE 7, 377 (398 f.) - Apotheken; 50, 290 (365) Mitbestimmung; Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 7.

II. Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG

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2. Ausländische ältere Arbeitnehmer a) Die Gewährleistung der Berufsfreiheit enthält eine personale Begrenzung; sie bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG nur auf Deutsche. Tarifvertragliche Regelungen über Altersgrenzen können deshalb von vornherein nur insoweit am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG gemessen werden, als sie Deutsche betreffen 66. Ausländische Staatsangehörige fallen nicht unter den Schutz dieses Grundrechts. b) Dies kann aber nicht bedeuten, daß es für ausländische Staatsangehörige eine Berufsfreiheit nicht gibt. Zunächst können Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht Schutz, allerdings ohne Verfassungsrang, vermitteln 67 . Im übrigen kommt, soweit ein „benanntes" Grundrecht wegen dessen personaler Begrenzung nicht einschlägig ist, als „Auffanggrundrecht" Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht 68. Ferner ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ein Diskriminierungsverbot 69. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG steht als allgemeines Menschenrecht auch ausländischen Staatsangehörigen zu. Seine Anwendung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil Art. 12 Abs. 1 GG die Berufsfreiheit nur für Deutsche vorsieht70. Der aus Art. 2 Abs. 1 GG für ausländische Staatsangehörige folgende Schutz ist aber insbesondere durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt. Nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts ist damit die verfassungsmäßige Rechtsordnung gemeint, „d.h. die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind 71 ". Auch tarifvertragliche Regelungen, die im Bereich der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Normensetzungsbefugnis der Koalitionen 72 ergehen, in dem der Staat seine Zuständigkeit zur Rechtsetzung zurückgenommen hat 73 , können als zu dieser verfassungsmäßigen Ordnung gehörende Rechtsnormen angesehen 66

Wer zum Adressatenkreis gehört, ist in Art. 116 GG bestimmt. Für ausländische Staatsangehörige eines der EG-Länder siehe Art. 7, 48 ff., 52 ff. des Vertrages zur Gründung der EWG v. 25. 3. 1957, BGBl. 1957 II S. 766. Vgl. auch Zuleeg, NJW 1987, 2193. 68 Art. 2 Abs. 1 GG wird als umfassende Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit verstanden, die allerdings durch jedes im übrigen verfassungsgemäße Gesetz eingeschränkt werden kann. Siehe BVerfGE 6, 32 (36 ff.) - Elfes; 35, 382 (399 ff.) Ausweisungsverfügung; Hesse; Verfassungsrecht, RdNr. 425 ff.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, RdNr. 421 ff. 69 Die Staatsangehörigkeit ist in Art. 3 Abs. 3 GG nicht aufgeführt. 70 Vgl. BVerfGE 35, 382 (399 f.) - Ausweisungsverfügung, wo dies für Art. 11 GG ausgesprochen wird. Siehe ferner Friauf JA 1984, 537 (540); Meesen, JuS 1982, 397 (401); Scholz, AöR 98 (1975), S. 80 (118); Zuleeg, DVB1. 1974, 341 (344 f.); OVG Münster, Beschl. v. 21.4.1986, NJW 1987, 2322. A.A. Schwabe, NJW 1974, 1044 f. 71 BVerfGE 6, 32 (37 f.) - Elfes; 35, 382 (399 f.) - Ausweisungsverfügung. 72 BVerfGE 44, 322 (347) - Allgemeinverbindlicherklärung. 73 BVerfGE 44,322 (340 f., 347,349) - Allgemeinverbindlicherklärung; 64,208 (215) - Bergmannsversorgungsscheingesetz NRW. 67

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

werden, wenn sie höherrangigem (staatlichem) Recht nicht widersprechen. Hierzu gehört auch das Rechtsstaatsprinzip, an das die Tarifvertragsparteien aus denselben Gründen gebunden sind, die zu ihrer Grundrechtsbindung führen 74. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt u.a., daß Belastungen des einzelnen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen müssen75. Neben Art. 3 Abs. 1 GG, der eine willkürliche Ungleichbehandlung76 älterer Arbeitnehmer ausländischer Staatsangehörigkeit im Vergleich zu deutschen älteren Arbeitnehmern verbietet, kann somit über das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zur Geltung gebracht werden, daß Berufsarbeit für ausländische Staatsangehörige genauso wie für deutsche nicht nur Bedeutung für die materielle Existenzsicherung hat, sondern ebenso die Möglichkeit zur Persönlichkeitsentfaltung geben kann und Kontakt zu anderen sowie gesellschaftlichen Status bietet 77 . Die Frage, ob Altersgrenzenregelungen auch von ausländischen Arbeitnehmern mit Erfolg angegriffen werden können, beurteilt sich somit zwar nicht nach Art. 12 Abs. 1 GG, die Phasen der Rechtsfindung sind aber durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip vorgezeichnet 78. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß das Arbeitsleben der Ausländer berechtigtermaßen in der Bundesrepublik stattgefunden hat und ihnen durch eine Altersgrenzenregelung eine erworbene Stellung genommen wird, die zuvor, auch in unserem Interesse, den Mittelpunkt ihrer Inlandsbeziehung ausmachte79. 3. Wahlaspekt und Ausübungsaspekt Art. 12 Abs. 1 GG enthält verschiedene Aspekte des Grundrechtsschutzes: Der Verfassungstext stellt die Freiheit der Wahl von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte in den Vordergrund; die Berufsausübung ist erst Gegenstand des Vorbehalts in Satz 2 der Gewährleistung. Das Bundesverfassungsgericht, das seit dem für das systematische Verständnis des Art. 12 Abs. 1 GG grundlegenden Apotheken-Urteil 80 vielfach Gelegenheit hatte, die Verfassungsnorm zu konkretisieren, hat seit langem im wesentlichen 74

Siehe oben 14 b. Für hoheitliche belastende Eingriffe vgl. BVerfGE 35, 283 (400) - Ausweisungsverfügung. 76 BVerfGE 1, 14 (52); 33, 367 (384); 54, 11 (25 f.). 77 Siehe oben 1. Kapitel , 11. 78 Die Ausführungen zum Grundrecht der Berufsfreiheit unten, 4. Kapitel, lassen sich deshalb in vielen Hinsichten übertragen. 79 Die Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs in Art. 12 Abs. 1 GG wird dadurch nicht unterlaufen. Die Intensität des Eingriffs und die Vermittlung der Inlandsbeziehung gerade auch durch die Berufsarbeit gebieten aber, Regelungen über die Beendigung einer Berufstätigkeit strenger zu beurteilen als ζ. B. Regelungen des Zugangs ausländischer Arbeitnehmer zu Berufen oder Arbeitsplätzen. Bei Regelungen des Zugangs kommt sogar eine Bedürfnisprüfung in Betracht, die im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG als objektive Zulassungsvoraussetzung kaum möglich wäre. 80 BVerfGE 7, 377 ff. 75

II. Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG

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gesicherte und in der Rechtslehre weithin geteilte81 Grundsätze für die Interpretation der Berufsfreiheit geschaffen. Freiheit der Berufswahl bedeutet danach, daß ein gewünschter Beruf unbeeinflußt von fremdem Willen gewählt werden kann. Der einzelne hat „das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als ,Beruf zu ergreifen, d.h. zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen 82 ". Diese Freiheit beinhaltet nicht nur, sich durch den Eintritt in ein Ausbildungsverhältnis oder durch die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit für einen Beruf entscheiden zu können; Akte der Berufswahl sind ferner in dem sich in einer laufenden Berufsausübung ausdrückenden Willen, einen Beruf beizubehalten bzw. in der freiwilligen Beendigung einer Berufstätigkeit zu sehen83. Das Bundesverfassungsgericht sieht in Berufswahl und Berufsausübung somit nicht zwei zeitlich getrennte, selbständige Phasen berufsorientierten Verhaltens, sondern es hält beide für miteinander zusammenhängend; beide Begriffe erfassen den einheitlichen Komplex „berufliche Tätigkeit" von verschiedenen Blickpunkten her 84 . Was die Berufsfreiheit Älterer angeht, ist demgemäß in der fortgesetzten Ausübung des Berufs oder der freiwilligen Beendigung der Berufstätigkeit ein Akt der Berufswahl zu sehen. In entsprechender Weise umfaßt die Gewährleistung der freien Arbeitsplatzwahl die Freiheit zur Auswahl, Beibehaltung und Aufgabe des Arbeitsplatzes85. In einer fortgesetzten Berufsausübung am Arbeitsplatz drückt sich also der Wille zur Beibehaltung des Arbeitsplatzes aus. Mit der Fortsetzung der Berufsausübung an ihrem Arbeitsplatz oder der freiwilligen Aufgabe ihres Arbeitsplatzes machen somit auch ältere Arbeitnehmer von ihrem Recht der freien Arbeitsplatzwahl Gebrauch. Dabei kann mit der freiwilligen Beendigung der Berufsausübung an einem bestimmten Arbeitsplatz zugleich auch die Berufstätigkeit überhaupt beendet werden. Wie bei der Berufsaufnahme an einem bestimmten ersten Arbeitsplatz fallen dann die Entscheidungen der Berufswahl und der Arbeitsplatzv/ahl zusammen. Entsprechendes gilt, wenn der einzelne sich durch 81

Wenngleich es nicht an kritischen Stimmen fehlt. Siehe ζ. B. Erichsen, Jura 1985, 66 (73 f.); Rupp, AöR 92 (1967), S. 212 (233 ff.); Tettinger, AöR 108 (1983), S. 92 (118 ff.). 82 St. Rspr. seit BVerfGE 7, 377 (397) - Apotheken. Ebenso die h. L., siehe etwa Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 18 m.w.Nachw. 83 BVerfGE 7, 377 (401) - Apotheken; 9, 338 (344 f.) - Hebammen. 84 St. Rspr. seit BVerfGE 7, 377 (401 f.) - Apotheken. Siehe noch BVerfGE 9, 338 (344 f.) - Hebammen; 17, 269 (276) - Arzneimittelgesetz. Siehe ferner Gubelt, in: v. Münch, Art. 12 GG RdNr. 36; v. Mangoldt / Klein, Art. 12 GG Anm. IV 2 (S. 370 ff.); Schmidt-Bleibtreu ! Klein, Art. 12 GG RdNr. 10; Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 11, 14. 85 BAG, Urt. v. 29. 6. 1962, BAGE 13, 168 (177) = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG; Urt. v. 18. 8. 1976, BAGE 28, 159 (163); Bachof Grundrechte Bd. III/l, S. 251; Badura, in: Festschr. f. Berber, S. 11 (21); ders., Festschr. f. Herschel, S. 21 ff. (39); Hannig, Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, S. 81; v. Mangoldt / Klein, Art. 12 GG Anm. III 3; Riedel, Berufsfreiheit, S. 31; Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 12 GG RdNr. 116.

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

Fortsetzung seiner Berufstätigkeit beitsplatz zu behalten.

am Arbeitsplatz entscheidet, Beruf und Ar-

Wichtigste Konsequenz dieses Verständnisses von Art. 12 Abs. 1 GG als Einheit ist, daß das Bundesverfassungsgericht den Vorbehalt m des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG sowohl auf die Berufswahl 87 als auch auf die Wahl der Ausbildungsstätte** und, neuerdings, die Wahl des Arbeitsplatzes 89 ausgedehnt hat. Aus dieser Einheitlichkeit des Grundrechts folgt allerdings nicht, daß die Regelungsbefugnisse des Gesetzgebers hinsichtlich jedes der genannten Aspekte gleich weit gehen. In bezug auf das Verhältnis von Berufswahl und Berufsausübung hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, daß die Regelungsbefugnis um der Berufsausübung willen gegeben sei und nur unter diesem Gesichtspunkt auch in die Freiheit der Berufswahl eingegriffen werden dürfe 90. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers reicht danach um so weiter, je mehr eine Regelung als Berufsausübungsregelung angesehen werden kann, sie ist um so enger begrenzt, je mehr sie - auch - die Berufswahl berührt 91. Das damit verbundene Abstellen auf die Intensität des Eingriffs spiegelt sich in den unterschiedlich hohen Rechtfertigungsanforderungen der Stufentheorie wider 92 . B. Der Prüfungsmaßstab für die Beurteilung tarifvertraglicher Altersgrenzen Es fragt sich, welcher der in Art. 12 Abs. 1 GG enthaltenen Aspekte des Grundrechtsschutzes für die Beurteilung tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen maßgeblich ist. In Betracht kommen die soeben vorgestellten Gewährleistungen der freien Berufswahl, der freien Arbeitsplatzwahl und die Garantie der freien Berufsausübung. 1. Der Meinungsstand Altersgrenzenregelungen werden, soweit sie mit Art. 12 Abs. 1 GG in Zusammenhang gebracht werden, im Schrifttum überwiegend an den Kriterien gemessen, die für Eingriffe in die Gewährleistung der freien Berufswahl gelten93. Dabei 86 In neueren Entscheidungen spricht das Bundesverfassungsgericht nicht mehr von einem „Regelungsvorbehalt", sondern von einem „Gesetzesvorbehalt", siehe BVerfGE 54, 224 (234); 54, 237 (246). 87 BVerfGE 7, 377 (402) - Apotheken. 88 BVerfGE 33, 303 (336) - Numerus-clausus. 89 BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1198 f.) - Arbeitnehmerüberlassung. 90 BVerfGE, 7, 377, (403) - Apotheken. 91 BVerfGE 7, 377, (403) - Apotheken. 92 Dazu unten III B. 93 Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung; ders., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze; Hanau, RdA 1976, 24 (29); Linnenkohl, BB 1984, 603 (607); Riedel,

II. Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG

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knüpft Hanau an das „aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip" abzuleitende Recht am Arbeitsplatz an. Er mißt die von ihm untersuchten Altersgrenzenregelungen aber ebenfalls an der vom Bundesverfassungsgericht für die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers im Bereich der Berufsfreiheit entwickelten Stufentheorie 94. Schlüter und Belling betonen, daß es sich bei der arbeitsrechtlichen Höchstaltersgrenze zwar nicht um eine Beschränkung handle, die von ihrer Zielsetzung her eine weitere Zterw/ytätigkeit schlechthin ausschließe, wenn ein Arbeitnehmer das bestimmte Alter erreicht 95. Sie sehen die freie Berufwahl aber betroffen, soweit der Verlust des Arbeitsplatzes, wie es häufig der Fall ist, faktisch zugleich das Ende der Berufstätigkeit überhaupt bedeutet96. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 6. 3. 1986, in dem es erstmals näher auf die Frage der Vereinbarkeit von Altersgrenzenregelungen mit Art. 12 Abs. 1 GG eingegangen ist, herausgestellt, tarifvertragliche Altersgrenzen enthielten keine subjektiven Zulassungsvoraussetzungen für ganze Berufe, sondern machten nur die Erhaltung eines einzelnen Arbeitsplatzes von einem bestimmten Lebensalter abhängig. Soweit allerdings die Altersgrenze, ζ. B. wegen der herrschenden Einstellung gegenüber älteren Arbeitnehmern oder weil sie in einer Berufssparte generell gilt, zugleich auch das Ende der Tätigkeit in dem betreffenden Beruf bedeute, sei der Eingriff „nur aus sachlichen Gründen" zulässig 97 . 2. Eigener Standpunkt Die Festlegung tarifvertraglicher Altersgrenzen verfolgt den Zweck, die Arbeitsverhältnisse von Berufstätigen zu beenden98. Dadurch sollen bestimmte Arbeitsplätze freigemacht werden. Wie dargelegt, können hinter diesem Zweck unterschiedliche Überlegungen stehen. In Betracht kommen die Beeinflussung des Altersaufbaus einer Belegschaft, die Eröffnung von Aufstiegsmöglichkeiten in frei gewordene Stellen, die Gewährleistung einer vorausberechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung99, aber auch die besonderen Verhältnisse eines BeBerufsfreiheit, S. 120 f., 122; Schlüter / Belling, Anm. SAE 1979, 277 (278 f.); dies., NZA 1988, 297 (300 ff.). 94 Hanau, RdA 1976, 24 (29). 95 Schlüter / Belling, Anm. SAE 1979, 277 (278); dies., NZA 1988, 297 (300 f.); Belling , Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (Bl. 25). 96 Belling, Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 922; ders., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (Bl. 25 f.); Schlüter / Belling, NZA 1988, 297 (301). 97 BAG, Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II") unter A V 2 der Gründe. Ebenso BAG, Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1503) „Betriebsvereinbarung". 98 Ebenso BAG, Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"); BAG, Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988,1501 (1503) - „Betriebsvereinbarung"; Schlüter / Belling , NZA 1988,297 (300). Zur Fassung der Altersgrenzenregelungen siehe 1. Kapitel ,I2b. 7 Waltermann

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

rufs, vor allem dessen physische und psychische Anforderungen und die Notwendigkeit fachlicher und persönlicher Tauglichkeit im Interesse der Allgemeinheit 100 , schließlich Überlegungen beschäftigungsorientierter Arbeitszeitverkürzungspolitik, wie sie auch im Vorruhestandsgesetz zum Ausdruck kommen. Es ist dagegen regelmäßig nicht Sinn der Festlegung tarifvertraglicher Altersgrenzen, ein Höchstalter für eine bestimmte Berufstätigkeit schlechthin festzulegen 101 . a) Würde eine tarifvertragliche Altersgrenzenregelung allerdings ausnahmsweise ein Höchstalter für eine bestimmte Berufstätigkeit als solche festlegen, indem sie eine berufliche Tätigkeit von einem festgesetzten Alter an schlechthin untersagte, wäre sie als Regelung der Berufswahl anzusehen. Das Bundesverfassungsgericht sieht eine solche Höchstaltersgrenze seit dem Apotheken-Urteil in ständiger Rechtsprechung zutreffend nicht als bloße Beschränkung der Berufsausübung an. Denn Freiheit der Berufswahl bedeutet, daß ein Beruf unbeeinflußt von fremdem Willen frei gewählt werden kann, wozu es auch gehört, darüber zu entscheiden, ob und wie lange jemand weiter in seinem Beruf tätig sein will 1 0 2 . Auch wenn nur die weitere berufliche Betätigung untersagt und nicht die Zugehörigkeit zu dem betreffenden Beruf (ζ. B. dem Beruf der Hebamme) aufgehoben wird, liegt hier kein bloßer Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung vor 103 . Würde also ζ. B. ein Manteltarifvertrag für das Bordpersonal von Fluggesellschaften abgeschlossen, der bestimmte, daß nicht die Arbeitsverhältnisse der Angehörigen des Bordpersonals mit Ablauf des Monats enden, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird 1 0 4 , sondern daß mit dem Erreichen der Altersgrenze die Berufstätigkeit als Flugzeugführer untersagt ist, wäre darin ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl zu sehen. b) Die derzeit üblichen Altersgrenzenregelungen legen aber nicht ein Höchstalter für die Berufstätigkeit als solche fest, sondern bestimmen, daß Arbeitsver99

Diese Gesichtspunkte hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil v. 25. 3. 1971, BAGE 23, 257 (271 f.) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung") und im Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1502) - Betriebsvereinbarung, hervorgehoben. 100 Siehe hierzu BAG, Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"). 101 So lag es aber in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen zur Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenzen für Hebammen und Prüfingenieure. Siehe BVerfGE 9, 338 ff.; dort ging es um eine Altersgrenze für die Ausübung des Berufs selbst; mit der Vollendung des 70. Lebensjahres erloschen die Anerkennung als Hebamme und die Niederlassungserlaubnis, vgl. § 5 HebammenG v. 21. 12. 1938 (RGBl. IS. 1893) und § 1 der 4. DVO zum HebammenG v. 16. 12. 1939 (RGBl. I S. 2457). Siehe ferner BVerfGE 64, 72 ff. - Prüfingenieure. 102 BVerfGE 7, 377 (401) - Apotheken; 9, 338 (344 f.) - Hebammen. 103 BVerfGE 9, 338 (344) - Hebammen. 104 So § 47 MTV Bordpersonal LTU v. 1. 1. 1980 und § 19 MTV Nr. 3 Bordpersonal Deutsche Lufthansa AG und Condor Flugdienst GmbH vom 8. 4. 1980 i.d.F. des § 18 TV Schutzabkommen Bord.

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hältnisse bei Erreichen der Altersgrenze enden. Eine Tätigkeit in dem betreffenden Beruf wird dadurch rechtlich nicht verhindert. Es werden nach dem Inhalt der tarifvertraglichen Festsetzungen bestimmte Arbeitsplätze versperrt, die Zugehörigkeit zu einem Beruf oder die weitere Betätigung in einem bestimmten Beruf sind dagegen nicht Gegenstand der Regelung. Dabei ist es unerheblich, ob man als Arbeitsplatz i. S. des Art. 12 Abs. 1 GG nur den Ort der Arbeitsstätte oder, für den Bereich der abhängigen Arbeit zutreffender, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb ansieht105. Den von den schon erwähnten Manteltarifverträgen der Luftfahrtunternehmen LTU und Lufthansa betroffenen Flugzeugführern zum Beispiel ist durch den Tarifvertrag die rechtliche Möglichkeit nicht genommen, ihr Arbeitsverhältnis zu verlängern oder in einem anderen Luftfahrtunternehmen als Flugzeugführer zu arbeiten 106. Prüfungsmaßstab für die Beurteilung tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen ist deshalb in erster Linie das in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes Damit bestimmt in erster Linie die Reichweite dieser Gewährleistung über die Möglichkeiten der Festsetzung tarifvertraglicher Altersgrenzen. Das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ist auch primärer Anknüpfungspunkt der Prüfung, wenn Tarifverträge, wie es bei Tarifverträgen über den Vorruhestand der Fall ist, vorsehen, daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Vorruhestandsvereinbarung treffen können 107 . Dem Arbeitnehmer wird auch in diesem Fall nicht die weitere Betätigung in seinem Beruf oder die Zugehörigkeit zu seinem Beruf versagt. Es ist dem einzelnen Arbeitnehmer rechtlich vielmehr belassen, sich in seinem Beruf weiter zu betätigen, indem er mit einem anderen Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis eingeht. Durch das Vorruhestandsgesetz beabsichtigte der Gesetzgeber zwar eine Beschleunigung des Generationenwechsels am Arbeitsplatz 108 und das Gesetz geht, wie § 1 Abs. 1 VRG zeigt, davon aus, daß der in den Vorruhestand versetzte Arbeitnehmer endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Dem betreffenden Arbeitnehmer ist es aber nicht verwehrt, seinen Entschluß, die Erwerbstätigkeit zu beenden, rückgängig zu machen 109 . Wenn der Abschluß einer Vorruhestandsvereinbarung allerdings, wie es das VRG vorsieht, freiwillig ist, fehlt es an einem Eingriff in die Gewährleistung der freien Arbeitsplatzwahl. c) Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen können sich allerdings faktisch dahin auswirken, daß dem einzelnen die Möglichkeit zu weiterer Tätigkeit in seinem Beruf jenseits der festgesetzten Altersgrenze versperrt ist. Zum Beipiel 105

Dazu eingehend Hannig, Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, S. 6 ff.; Langwieser, Arbeitsplatzwahl, S. 43 ff.; Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 12 GG RdNr. 113. 106 Vgl. Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (301). 107 Als Beispiel siehe den Tarifvertrag über Vorruhestand und Alters-Teilzeitarbeit für die Chemische Industrie. 108 Siehe Reg.-Begr., BT-Drucksache X/880, S. 1. 109 Faude / Schüren, Vorruhestandsgesetz, Einf. RdNr. 167 ff.; Oetker, RdA 1986,295 (299); Pröbsting, Vorruhestandsgesetz, S. 8. τ

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wegen der derzeit herrschenden Einstellung gegenüber älteren Arbeitnehmern oder wegen in anderen Unternehmen mit Arbeitsplätzen des betreffenden Berufs geltender Altersgrenzenregelungen gleichen Inhalts kann ein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis unter den im Tarifvertrag vorgesehenen Voraussetzungen zugleich das Ende einer Tätigkeit in dem betreffenden Beruf bedeuten110. Wirkt sich eine tarifvertragliche Altersgrenzenregelung typischerweise faktisch dahin aus, daß eine Tätigkeit in dem betreffenden Beruf nicht mehr möglich ist, nötigt sie also zur Aufgabe des Berufs, ist die in dem Tarifvertrag zu sehende Beschränkung der freien Arbeitsplatzwahl zugleich eine Beschränkung für den Beruf selbst111. Anerkanntermaßen genügt nach dem Schutzzweck des Art. 12 Abs. 1 GG eine lediglich tatsächliche Auswirkung, es ist nicht erforderlich, daß sich die Freiheit der Berufswahl schon dem Zweck der Regelung nach als eingeschränkt erweist 112 . Ist es, um das Beispiel wieder aufzugreifen, Flugzeugführern, etwa wegen der vorherrschenden Einstellung gegenüber älteren Arbeitnehmern, insbesondere der verbreitet negativen Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit, oder weil auch in anderen Luftfahrtunternehmen entsprechende Altersgrenzen gelten 113 , typischerweise faktisch unmöglich, als Flugzeugführer weiterzuarbeiten, und hat man Flugzeugführer zu sein als Beruf mit eigenständigen Merkmalen anzusehen, so muß der Eingriff wie eine Beschränkung der Berufswahl beurteilt werden, denn durch die Regelung ist faktisch jeder Arbeitsplatz versperrt, der Flugzeugführer wird auf eine berufliche Alternative abgedrängt. Dies gilt übrigens auch, wenn die Altersgrenzenregelung dazu führt, daß Arbeitsplätze im Bereich der abhängigen Arbeit generell verschlossen sind, eine freiberufliche Tätigkeit dagegen noch möglich bleibt. Kann eine Tätigkeit in selbständiger und in unselbständiger Form ausgeübt werden und haben beide Formen der Ausübung eigenes soziales Gewicht, ist nämlich auch die Wahl der einen oder anderen Form der Berufstätigkeit und der Übergang von der einen zur anderen Berufswahl im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG 1 1 4 .

110 Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 f.); ders., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (Bl. 25 f.); Hromadka, Anm. SAE 1986,244 (247); Riedel, Berufsfreiheit, S. 120; Schlüter I Belling, NZA 1988, 297 (301). 111 Für die Garantie der freien Wahl der Ausbildungsstätte siehe BVerfGE 33, 303 (330) - Numerus-clausus. 112 Vgl. für ähnlich gelagerte Zusammenhänge BVerfGE 13,181 (185 f., 187); 16,147 (165); 29, 327 (333 f.); 30, 292 (313 f.); 41, 251 (262); 61, 291 (308); 68, 155 (170 f.). Das Bundesverfassungsgericht berücksichtigt bei der Prüfung stets die tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Auswirkungen. Im Zusammenhang mit Altersgrenzenregelungen siehe Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (301). 113 Siehe BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"). 114 St. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts seit BVerfGE 7,377 (398 f.) - Apotheken.

III. Konkretisierung der Schranken des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

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Zusammenfassung zu I I Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen greifen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ein. Prüfungsmaßstab ist in erster Linie das in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Recht der freien Arbeitsplatzwahl. Führt eine Altersgrenzenregelung in ihren Auswirkungen allerdings typischerweise dazu, daß die Tätigkeit in einem bestimmten eigenständigen Beruf faktisch unmöglich wird, muß die Regelung zugleich als Beschränkung der Berufswahl angesehen werden. Dies gilt auch, wenn feststeht, daß der Beruf nicht mehr in der Form abhängiger Arbeit ausgeübt werden kann. Die Berufsfreiheit ausländischer Staatsangehöriger ist durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.

I I I . Konkretisierung der Schranken des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG durch tarifvertragliche Regelung von Altersgrenzen In der Geschichte des Grundgesetzes hat gerade das Grundrecht der Berufsfreiheit dem Bundesverfassungsgericht und der Rechtslehre Anlaß zur Fortentwicklung der Grundrechtsdogmatik gegeben. Vor allem zwei im Zusammenhang mit der Konkretisierung dieses Grundrechts entwickelte grundlegende Erkenntnisse sind besonders markant: Zum einen das nach den Elfes- 115 undLüth n e Entscheidungen im Apotheken-Urteil 117 bis heute maßgebend beschriebene Verhältnis zwischen Grundrecht und Gesetz und die damit in Zusammenhang stehende Herausarbeitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zum anderen die in der Numerus-clausus-Entscheidung m erfolgte prinzipielle Anerkennung der Möglichkeit eines Verständnisses der Grundrechte als Teilhaber echte, nahegelegt durch die zunehmenden Verschränkungen realer Freiheit mit staatlicher Leistung und Gestaltung119. Im Zusammenhang mit Grundrechtskonkretisierungen durch die tarifvertragliche Regelung von Altersgrenzen interessiert von beiden die erstgenannte, die im Apotheken-Urteil für den Gesetzgeber entwickelte Bindung an die Grundsätze der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, mit deren Hilfe die Freiheit des einzelnen und Gemeinschaftsinteressen einander zugeordnet werden 120 . Diese Grundsätze haben auch für das Verhältnis zwischen 115

BVerfGE 6, 32 ff. BVerfGE 7, 198 ff. 117 BVerfGE 7, 377 ff. 118 BVerfGE 33, 303 ff. 119 Siehe nur Hesse, Verfassungsrecht, RdNr. 289 m. w. Nachw.; Häberle, in: VVDStRL 30 (1970), S. 43; Martens, in: VVDStRL 30 (1970), S. 7. 120 Der Aspekt der Teilhabe interessiert insofern, als genügend Arbeitsplätze vorhanden sein müssen, damit der Beruf für alle Menschen die vom Bundesverfassungsgericht betonte Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung haben kann. Es kommt deshalb in Betracht, dem Grundrecht einen über die Abwehr vom Zwang hinausgehenden Sinn zu 116

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

Grundrechten und Tarifvertrag und damit für die Frage Bedeutung, inwieweit tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen vor Art. 12 Abs. 1 GG Bestand haben können; denn Art. 12 Abs. 1 GG gibt den Tarifgebundenen ein Abwehrrecht gegenüber den Tarifvertragsparteien 121. A. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG und Schrankenkonkretisierung durch Tarifvertrag Art. 12 Abs. 1 GG ist, wie soeben dargelegt 122, als einheitliches Grundrecht anzusehen, das auch einheitlich unter Gesetzesvorbehalt steht. Auch die Rechte der freien Arbeitsplatzwahl und der freien Berufswahl dürfen also nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG eingeschränkt werden. Der Verfassungstext des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG sieht nun aber Einschränkungen der Berufsfreiheit nur vor, soweit sie durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Gesetz bedeutet dabei Parlamentsgesetz der staatlichen Gesetzgebungsorgane, also Gesetz im formellen Sinnê 23. Ein Eingriff muß also, um verfassungsrechtlich gerechtfertigt zu sein, durch den staatlichen Gesetzgeber erfolgen. Ihm überträgt das Grundgesetz prinzipiell die Entscheidung darüber, welche Belange so wichtig sind, daß die Freiheit des einzelnen zurücktreten muß 124 . 1. Problemstellung Hinsichtlich der Wirksamkeit von tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen stellt sich damit die Frage, ob - und wenn, inwieweit - die Tarifvertragsparteien, auch wenn sie sich mit der Regelung von Altersgrenzen im Rahmen des ihnen mit der Tarifautonomie prinzipiell zugewiesenen Regelungsbereichs halten 125 , überhaupt befugt sind, in die Berufsfreiheit tarifgebundener älterer Arbeitnehmer einzugreifen. Diese sich aus den Gesetzesvorbehalten der Grundrechte prinzipiell ergebende Kompetenzfrage, ob bzw. inwieweit die Tarifvertragsparteien befugt sind, in die betreffenden Freiheitsrechte Tarifgebundener, also auch in die Berufsfreiheit, einzugreifen, hat in der gerichtlichen Praxis des Bundesarbeitsgerichts, soweit ersichtlich, bisher keine Beachtung gefunden. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum gibt es kaum Stellungnahmen. Nur Scholz hat sich mit geben. Verpflichtet wären aber nicht die Tarifvertragsparteien, sondern der Staat. Siehe ζ. B. Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 (390 ff.). 121 Siehe oben 14. 122 Siehe oben II A 3. 123 BVerfGE 33, 1 (11 f.) - Strafgefangene; 33, 125 (155, 158 f.) - Fachärzte; 73, 280 (294 f.) - Notare; 76, 171 (184 f.) - Anwaltliches Standesrecht. 124 BVerfGE 33, 125 (158 f.) - Fachärzte; 76, 171 (184 f.) - Anwaltliches Standesrecht. 125 Siehe dazu 1. Kapitel, IV 2 a.

III. Konkretisierung der Schranken des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

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der Frage bisher eingehender auseinandergesetzt126.Ansonsten beschränken sich die Untersuchungen stets auf die materiell-rechtliche Frage, ob hinreichende Gründe des Gemeinwohls einen Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigen. Dies gilt auch im Zusammenhang mit Altersgrenzenregelungen, soweit diese in der Rechtslehre am Grundrecht der Berufsfreiheit gemessen werden 127 . Von einer Befugnis der Tarifvertragsparteien, in Freiheitsrechte der Tarifgebundenen eingreifen zu können, kann aber ohne weiteres nicht ausgegangen werden. Bestimmt ein Vorbehalt des Grundgesetzes, daß ein Freiheitsrecht nur durch (Parlaments-)Gesetz oder aufgrund eines (Par\aments-)Gesetzes eingeschränkt werden darf, kann sich der staatliche Gesetzgeber der ihm so übertragenen Verantwortung nicht beliebig entziehen128, und andere Institutionen, wie im Bereich der Tarifautonomie die Tarifvertragsparteien, können nicht ohne weitere Begründung an seine Stelle treten 129 . Der staatliche Gesetzgeber muß vielmehr grundsätzlich die Begrenzung entweder selbst vornehmen, oder er muß die Voraussetzungen normieren, unter denen Begrenzungen - regelmäßig durch vollziehende Gewalt und Rechtsprechung - vorgenommen werden dürfen 130 .

2. Die Grundsätze der Facharzt-Entscheidung Der Frage, wie weitgehend der Gesetzgeber grundsätzlich die Voraussetzungen normieren muß, wenn er die Begrenzung nicht selbst vornimmt, ist das Bundesverfassungsgericht in seiner sog. Facharzt-Entscheidung nachgegangen131. Danach genügt es regelmäßig 132, daß der Gesetzgeber eine verfassungsgemäße Ermächtigung schafft. Die Regelungen im einzelnen dürfen entweder nach näherer Maßgabe des Art. 80 GG durch Rechtsverordnung der Exekutive oder aber in Gestalt von Satzungen durch autonomiebegabte Körperschaften getroffen werden 133 . Dabei ist auch in diesem Fall die Bestimmung der Grenzen des Grundrechts Sache des Gesetzgebers. Er muß die Voraussetzungen so genau festlegen, daß die Befugnis zur Begrenzung nicht auf Verwaltung oder Rechtsprechung 126

In: ZfA 1981, 265 (293 ff.). Siehe auch Riedel, Berufsfreiheit, S. 115 f., 121. Siehe oben 11 und die Nachw. dort in Fn. 17 u. 18. Für Regelungen durch Betriebsvereinbarung siehe aber Belling, Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (Bl. 26 f.). 128 BVerfGE 33, 125 (159) - Fachärzte; 76, 171 (184 f.) - Anwaltliches Standesrecht. 129 Ebenso Scholz, ZfA 1981, 265 (293 ff.). 130 Unter besonderen Umständen kann sich der Gesetzesvorbehalt sogar zu einem Delegationsverbot verdichten. Die in Theorie und Praxis vorherrschende Wesentlichkeitstheorie spricht dann von einem Parlamentsvorbehalt. Siehe BVerfGE 58, 257 (274 ff.) Schulen. 131 BVerfGE 33, 125 (155 ff.). Siehe femer BVerfGE 76, 171 (184 ff.) - Anwaltliches Standesrecht. 132 Von Fällen, in denen ein Parlamentsvorbehalt besteht, abgesehen. 133 BVerfGE 33, 125 (155, 158 f.); siehe noch BVerfGE 76, 171 (185) - Anwaltliches Standesrecht. 127

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

verlagert wird 1 3 4 . Für den Bereich des Art. 12 GG hat das Bundesverfassungsgericht in der Facharzt-Entscheidung hieraus gefolgert, das Facharztwesen dürfe nicht ausschließlich der Regelung durch Satzungen des (mit Autonomie ausgestatteten) Berufsverbandes der Ärztekammern überlassen werden; von der jeweiligen Intensität des Eingriffs hänge ab, inwieweit ein Berufsverband zu berufsregelnder Rechtsetzung ermächtigt werden dürfe 135 . Dafür hat das Gericht in Anlehnung an die Aussagen der Stufentheorie 136 als Leitprinzip angegeben, daß Regelungen, die die Freiheit der Berufswahl™ berühren, vom staatlichen Gesetzgeber selbst getroffen werden müssen138. Hätte man dies auf die Normensetzung der Tarifvertragsparteien im Bereich der ihnen verliehenen Tarifautonomie 139 zu übertragen, so müßte unabhängig davon, ob die betreffende Tarifnorm ihrem materiellen Inhalt nach mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit in Einklang steht, immer bereits die Kompetenz der Tarifvertragsparteien für Regelungen in Zweifel gezogen werden, die in die Freiheit der Berufs wähl eingreifen; gleiches hätte möglicherweise für Regelungen zu gelten, die die Freiheit der Arbeitsplatzwahl betreffen. Scholz vertritt die Ansicht, die soeben genannten Grundsätze des Facharzt-Beschlusses müßten, soweit es um berufsordnende Regelungen geht, für die Tarifvertragsparteien „ganz entsprechend" gelten 140 . 3. Lösungsvorschlag Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen sind, wie dargelegt, nicht lediglich Regelungen der Berufsausübung, sondern greifen in den Wahlaspekt des Art. 12 Abs. 1 GG ein 141 . Folgte man der Ansicht von Scholz und ließe sich eine ausreichende parlamentsgesetzliche Ermächtigung zu Beschränkungen der Berufsfreiheit durch Regelungen, wie sie Altersgrenzenfestsetzungen darstellen, nicht finden, könnten tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen stets schon deshalb verfassungswidrig sein, weil sie die durch Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG begrenzte Kompetenz der Koalitionen zu Eingriffen in die Berufsfreiheit der Tarifgebundenen überschreiten würden. a) Eine ausreichende Ermächtigung könnte in § 1 Abs. 1 TVG zu sehen sein. Er bestimmt, daß der Tarifvertrag (u.a.) Rechtsnormen enthält, die die Beendi134

BVerfGE 33, 125 (158 f.) - Fachärzte; 76, 171 (185) - Anwaltliches Standesrecht. BVerfGE 33, 125 (160); siehe auch 76, 171 (185) - Anwaltliches Standesrecht. 136 Siehe grundlegend BVerfGE 7, 377 (401 ff.) - Apotheken. 137 Und damit bei Regelungen von Berufsverbänden sogar schutzwürdige Interessen von Nichtmitgliedern des Berufsverbandes berühren. 138 BVerfGE 33, 125 (160) - Fachärzte. 139 Siehe oben 1. Kapitel , IV 2 a, und die Ausführung des BVerfG zur Satzungsautonomie der Berufsverbände in BVerfGE 33, 125 (156 f., 159 f.) - Fachärzte. 140 In: ZfA 1981,265 (294 f.). 141 Siehe oben II Β 2. 135

III. Konkretisierung der Schranken des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

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gung von Arbeitsverhältnissen ordnen können. Das über die Möglichkeit von Eingriffen in die Berufsfreiheit durch Tarifvertrag insgesamt wenig aussagende TVG enthält somit hinsichtlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen eine bei erstem Hinsehen recht klare Aussage. Ob dies dem Vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG genügt, erscheint aber jedenfalls zweifelhaft, wenn eine die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anordnende 142 Altersgrenzenregelung nicht nur den Arbeitsplatz nimmt, sondern sich, ihrer tatsächlichen Auswirkungen wegen, (zugleich) als eine Beschränkung der freien Berufswahl erweist 143 . Eine Ermächtigung hierfür ließe sich § 1 Abs. 1 TVG schwerlich entnehmen. b) Aber auch soweit das TVG nicht als ausreichende Ermächtigung für berufsordnende Regelungen im Sinne der Facharzt-Entscheidung angesehen werden kann, ergibt sich für die tarifvertragliche Normensetzung aus Art. 12 Abs. 1 GG keine Beschränkung der Regelungskompetenz. Entgegen der Meinung von Scholz erscheint es richtig anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie die Befugnis haben, (auch) in Grundrechte, die unter einem Gesetzesvorbehalt stehen, einzugreifen. Hierzu bedarf es für sie keiner näheren Ermächtigung durch den staatlichen Gesetzgeber. Vielmehr sind die Tarifvertragsparteien, nicht anders als der staatliche Gesetzgeber, nur insoweit begrenzt, als das von ihnen gesetzte Recht seinem materiellen Inhalt nach mit den betroffenen Grundrechten in Einklang stehen muß. Die Tarifvertragsparteien dürfen somit auch ohne ein Näheres regelndes Gesetz durch Altersgrenzenfestsetzung in die Gewährleistungen der freien Arbeitsplatzwahl und Berufswahl eingreifen. Dies folgt aus Art. 9 Abs. 3 GG. Durch Art. 9 Abs. 3 GG ist den Koalitionen „die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zugewiesen und in einem Kernbereich garantiert, insbesondere Löhne und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme durch unabdingbare Gesamtvereinbarungen sinnvoll zu ordnen 144 ". Hierzu gehört, daß die Koalitionen auch ohne weitere gesetzliche Vorgaben die Kompetenz haben, bei der Wahrnehmung der ihnen mit Art. 9 Abs. 3 GG übertragenen Aufgabe in Grundrechte einzugreifen. Dabei ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, inwieweit den Tarifvertragsparteien im Bereich ihrer Tarifautonomie eine Normensetzungsprärogative in dem Sinne zukommt, daß der staatliche Gesetzgeber von einer Regelung sogar ausgeschlossen ist 145 . Jedenfalls braucht der (subsidiär zu142

Nicht eine die Art und Weise der Beendigung ordnende Altersgrenzenregelung. Siehe oben II Β 2 c. 144 BVerfGE 44, 322 (340 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung. Vgl. ferner BVerfGE 4, 96 (106 f.); 18, 18 (26, 28); 20, 312 (317); 28, 295 (304); 38, 281 (306); 50, 290 (367) - Mitbestimmung. 145 Siehe ζ. B. BVerfGE 44, 322 (341 f., 349) - Allgemeinverbindlicherklärung; 50, 290 (368 f.) - Mitbestimmung. 143

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ständige146) Gesetzgeber nicht tätig zu werden, um die Koalitionen im Bereich ihrer Tarifautonomie zu Grundrechtseingriffen gegenüber Tarifgebundenen zu legitimieren 1* 1. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet eine Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens, bei der der Staat seine Zuständigkeit zur Rechtsetzung „weit zurückgenommen und die Bestimmung über die regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrags grundsätzlich den Koalitionen überlassen hat 148 ". Diese autonome Ordnung ist nur sinnvoll möglich, wenn die Tarifvertragsparteien die ihnen im öffentlichen Interesse zugewiesene Aufgabe eigenverantwortlich wahrnehmen können, ohne bei ihrer Rechtsetzung auf ins einzelne gehende Vorgaben des Gesetzgebers angewiesen zu sein. Es besteht im Bereich der Tarifautonomie damit eine andere Rechtslage als im Fall der autonomen Satzungsgewalt der Beruf s verbände 149. Beide Bereiche sind insofern vergleichbar, als bestimmten gesellschaftlichen Kräften Autonomie verliehen worden ist, damit sie Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich regeln 150 . Im übrigen aber weisen sie wichtige Unterschiede auf, so daß die Gesichtspunkte, die das Bundesverfassungsgericht in der Facharzt-Entscheidung veranlaßt haben, die selbständige Regelung von Eingriffen in die Berufsfreiheit durch Berufsverbände als begrenzt anzusehen, auf die Normensetzung der Tarifvertragsparteien nicht zutreffen. Zunächst ist von Bedeutung, daß im Fall der Tarifautonomie nicht der Gesetzgeber von sich aus die Autonomie verliehen hat, sondern der Autonomiebereich mit Art. 9 Abs. 3 GG schon durch die Verfassung, wenn nicht verliehen 151 , so doch jedenfalls vorgezeichnet 152 ist. Der Gesetzgeber darf seine Normensetzungsbefugnis und seinen Einfluß auf den Inhalt der von einem mit Autonomie begabten Träger zu erlassenden Normen (von sich aus) nicht gänzlich preisgeben, andernfalls verstößt er gegen das Rechtsstaats- und Demokratie146

BVerfGE 44, 322 (341 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung. Soweit die Grundrechtssphäre Außenstehender betroffen sein kann, ist genau zu prüfen, ob sich die Regelung insoweit noch im Rahmen des Rechtsetzungsauftrages der Tarifvertragsparteien hält. 148 BVerfGE 44,322 (340) - Allgemeinverbindlicherklärung; 34,307 (316 f.) - Heimarbeitsgesetz. Auf die in der Rechtslehre umstrittene Frage, inwieweit im einzelnen die Regelungsbefugnis schon auf Art. 9 Abs. 3 GG zurückgeht (sog. Integrationstheorie) oder erst durch das parlamentsgesetzliche TVG übertragen wurde (sog. Delegationstheorie), braucht auch hier nicht näher eingegangen zu werden. Siehe schon oben 14 b. 149 Daß die Grenzen bei den verschiedenen Autonomieträgem unterschiedlich verlaufen können, ist auch Auffassung des Bundesverfassungsgerichts. Vgl. BVerfGE 33, 125 (157) - Fachärzte. 150 Vgl. zum einen BVerfGE 34, 307 (317) - Heimarbeit, und zum anderen BVerfGE 33, 125 (156 f., 159 f.) - Fachärzte. 151 So die Lehre von der verfassungsunmittelbaren Autonomie, siehe oben 14 b bb (2). Dies ist möglicherweise auch die Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts. Vgl. BVerfGE 34, 307 (317) - Heimarbeit; 44, 322 (340 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung; 64, 208 (215) - Bergmannsversorgungsscheingesetz NRW. 152 Siehe auch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. 147

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prinzip 153 . Diese Gefahr besteht aber nicht, wenn der Staat, wie mit Art. 9 Abs. 3 GG geschehen, schon in der Verfassung einen bestimmten Bereich einer autonomen Ordnung durch gesellschaftliche Gruppen vorbehält. Das Demokratieprinzip verlangt in diesem Fall nicht, daß die Ordnung des Lebensbereichs letztlich auf eine Willensentschließung der vom Volk bestellten Gesetzgebungsorgane zurückführbar bleibt 154 . Denn schon die Zuweisung durch die Verfassung in Art. 9 Abs. 3 GG erfolgt zu eigener Verantwortung und prinzipiell frei von staatlicher Rechtsetzung155. Der staatliche Gesetzgeber trägt hier nicht die „gesteigerte Verantwortung", die ihm erwächst, wenn er Autonomie verleiht und dabei „zugleich zu Eingriffen in den Grundrechtsbereich ermächtigt 156 ". Auch den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips ist genügt. Denn die Freiheit des einzelnen Tarifgebundenen gegenüber einem möglichen Machtmißbrauch 157 der Tarifvertragsparteien kann wirksam geschützt werden, weil die Tarifvertragsparteien in gleicher Weise wie die öffentliche Gewalt unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind 158 . Außerdem setzt Art. 9 Abs. 3 GG den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes nicht außer Kraft, der nach der sog. „Wesentlichkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts bestimmt werden kann 159 . Schließlich hat der Gesetzgeber durch § 3 Abs. 1 TVG dem Grundsatz Rechnung getragen, daß der Staat seine Normensetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen kann. Denn durch die Beschränkung der Tarifgebundenheit auf die Mitglieder der Koalitionen ist sichergestellt, daß die fehlende demokratische Legitimation durch eine mitgliedschaftliche Legitimation kompensiert wird 1 6 0 . Der Vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG ist also dahin zu verstehen, daß Beschränkungen durch oder aufgrund Gesetzes und, im Bereich der Tarifautonomie wegen Art. 9 Abs. 3 GG, ausnahmsweise auch durch Tarifvertrag erfolgen dürfen. 4. Formulierung von „Gemeinschaftsinteressen" durch die Tarifvertragsparteien Im Bereich der ihnen verliehenen Tarifautonomie sind der Willensbildungsprozeß und die Abwägung und Zuordnung der unterschiedlichen Interessen 153

BVerfGE 33, 125 (158 f.) - Fachärzte. Wie es das Bundesverfassungsgericht für die Rechtsetzung der Berufsverbände mit überzeugenden Gründen fordert. Siehe BVerfGE 33, 125 (158 f.) - Fachärzte; 76, 171 (184 f.) - Anwaltliches Standesrecht. 155 BVerfGE 44,322 (341 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung. Vgl. noch BVerfGE 4, 96 (106 f.); 18,18 (26, 28); 20, 312 (317); 28, 295 (304); 38, 281 (306); 50, 290, (367) Mitbestimmung. 156 BVerfGE 33, 125 (158) - Fachärzte. 157 Siehe BVerfGE 33, 125 (158) - Fachärzte. 158 Siehe oben 14 b. 159 Siehe BVerfGE 45,400 (417 f.) - Speyer-Kolleg; 58,257 (268 ff.) - Schulen. Siehe auch BVerfGE 44, 322 (341 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung. 160 Siehe BVerfGE 44, 322 (348) - Allgemeinverbindlicherklärung. 154

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somit Sache der Koalitionen, jedenfalls soweit nicht der Staat von einer ihm in diesem Bereich ebenfalls zustehenden Regelungsbefugnis Gebrauch macht. Ihnen obliegt damit zugleich auch die Entscheidung darüber, welche „Gemeinschaftsinteressen " so wichtig erscheinen, daß Freiheitsrechte einzelner zurücktreten sollen 161 . Hierzu gehört auch die Abwägung, gegenüber welchen „Gemeinschaftsinteressen" das Grundrecht der Berufsfreiheit Älterer zurücktreten soll. Dies gilt, wie soeben dargelegt, auch, wenn damit Eingriffe in den Wahlaspekt der Berufsfreiheit verbunden sind, die nach der Stufentheorie nur unter erhöhten Anforderungen an die Qualität des „Gemeinwohlbelangs " erlaubt sind. Die Tarifvertragsparteien können also bestimmen, welche Belange als „Gemeinwohlbelange" verfolgt werden sollen. Sog. „Gemeinwohlbelange" 162 , die der Freiheit - hier der Berufsfreiheit - des einzelnen entgegengesetzt werden können, sind zunächst „absolute", d.h. allgemein anerkannte Gemeinschaftswerte, die von der jeweiligen Politik nicht abhängen, wie ζ. B. die sog. „Volksgesundheit"; darüber hinaus können aber auch bestimmte Interessen, die nicht „typische" Gemeinschaftswerte darstellen, erst zu „Gemeinschaftsbelangen" erhoben werden 163 . Das Bundesverfassungsgericht hat dies für den staatlichen Gesetzgeber schon früh hervorgehoben 164. Es gibt somit keinen feststehenden Begriff des „Gemeinwohls", so wie es kein einheitliches Interesse aller Mitglieder einer Allgemeinheit, ζ. B. „des Volkes", gibt 165 . In der Demokratie ist es vielmehr prinzipiell demokratischer Willensbildung und gesetzgeberischer Gestaltung aufgegeben, Gemeinwohlziele zu formulieren. Die so formulierten Ziele liegen dann automatisch im öffentlichen Interesse 166. Soweit der Staat nun, wie im Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen mit der Tarifautonomie geschehen, unter Zurücknahme seiner eigenen Rege161 Also die Entscheidung, die im Fall der Berufsverbände grundsätzlich dem staatlichen Gesetzgeber obliegt, siehe BVerfGE 33, 125 (159) - Fachärzte; 76, 171 (184 f.) Anwaltliches Standesrecht. 162 Dieser Begriff bezeichnet in diesem Zusammenhang alle nicht offensichtlich fehlsam angenommenen Interessen. Siehe Martens, Öffentlich, S. 190. Häufig werden Begriffe wie „Öffentliches Interesse", „Interesse der Allgemeinheit", „Öffentliches Wohl", „Wohl der Allgemeinheit" bedeutungsgleich verwendet, siehe Martens, Öffentlich, S. 177 Fn. 40. Hierdurch können Ungenauigkeiten entstehen, da die Verfassung selbst diese Begriffe, z.T. mit unterschiedlichen Bedeutungen, verwendet. Siehe z. B. Art. 14 Abs. 3 S. 1 u. 3 GG („Wohl der Allgemeinheit" bzw. „Interessen der Allgemeinheit"). Näher Böhmer, Sondervotum zu BVerfGE 56, 249, E 56, 266 (273 f.). 163 Siehe grundsätzlich Martens, Öffentlich, S. 173 ff., insbes. S. 177 f., 182 f.; Häberle, AöR 95 (1970), S. 86 ff., 260 ff. (262). 164 BVerfGE 13, 97 (107) - Befähigungsnachweis. Ausführlich Martens, Öffentlich, S. 186 ff. 165 So zutreffend Schwerdtfeger, Mitbestimmung, S. 207. 166 Martens, Öffentlich, S. 186; Häberle, AöR 95 (1970), S. 86 ff. u. 260 ff. (262); Schwerdtfeger, Mitbestimmung, S. 207. Siehe auch BVerfGE 13, 97 (113 f.) - Befähigungsnachweis ; 33, 125 (158) - Fachärzte; 44, 322 (348) - Allgemeinverbindlicherklärung.

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lungskompetenz eine Aufgabe abgibt und gesellschaftlichen Kräften, hier den Koalitionen, Autonomie verleiht, kommt auch den mit Autonomie begabten gesellschaftlichen Kräften in dem ihnen übertragenen Verantwortungsbereich die Aufgabe zu, „Gemeinschaftsinteressen" zu benennen. Sollen die Koalitionen „insbesondere Löhne und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme 167 " ordnen können, müssen sie auch bestimmte Belange als diejenigen auswählen können, die als „Gemeinschaftsbelange" verfolgt werden sollen, und sie müssen regeln können, wie dies zu geschehen hat. Dabei wird im Schrifttum allerdings vertreten, Gesetzgeber und Tarifvertragsparteien stünden hinsichtlich der Befugnis zur Erfindung von „Gemeinschaftswerten" nicht gleich 168 . Scholz meint, die Tarifvertragsparteien seien nicht kompetent, „Gemeinschaftsinteressen" selbst zu benennen; er folgert daraus, sie könnten aus eigener Kompetenz keine „überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter" konstituieren. So könne der Gesetzgeber die freie Berufswahl beschränken, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die Tarifvertragsparteien jedoch könnten dies nicht 169 . Dem kann nicht zugestimmt werden. Gesetzgeber und Tarifvertragsparteien stehen insoweit nicht gleich, als die Tarifvertragsparteien, die an das (höherrangige) staatliche Recht gebunden sind 170 , außerhalb des Parlaments keine mit den Gestaltungszielen des Gesetzgebers konkurrierenden Vorstellungen verfolgen dürfen, wenn dieser solche zwingend festgelegt hat 171 . Aber darüber hinaus ist kein Grund dafür ersichtlich, ihnen die Befugnis abzusprechen, für ihren Autonomiebereich unter Beachtung der Verfassung selbst Belange zu „Gemeinschaftsbelangen" zu erheben und damit auch „wichtige Gemeinschaftsgüter" im Sinne der Stufentheorie zu benennen. Die Tarifvertragsparteien können sowohl allgemein anerkannte bzw. vom Gesetzgeber selbst schon herangezogene Gemeinwohlbelange, wie die sog. „Volksgesundheit" oder den Schutz der Bevölkerung vor fehlerhaften beruflichen Leistungen, zum Ausgangspunkt nehmen, um eine Altersgrenze festzusetzen - etwa um sicherzustellen, daß nur beruflich hinreichend leistungsfähige Flugzeugführer im Luftverkehr eingesetzt werden. Sie können aber auch in ihrer Bedeutung umstrittene Belange, wie ζ. B. das Interesse der Arbeitgeberseite an einem bestimmten Altersaufbau der Belegschaft oder an der Schaffung von Aufstiegsmöglichkeiten für Nachwuchskräfte, zu „Gemeinwohlbelangen" erheben 172. Diese stehen dann der Berufsfreiheit der 167 BVerfGE 44, 322 (340 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung; 4, 96 (106 f.); 18, 18 (26, 28); 20, 312 (317); 28, 295 (304); 38, 281 (306); 50, 290 (367 f.) - Mitbestimmung. 168 Reuter, ZfA 1978,1 (39 f.); Scholz, ZfA 1981,265 (295,298); ihm folgt Riedel, Berufsfreiheit, S. 116, 121. 169 In: ZfA 1981, 265 (295). Ebenso Riedel, Berufsfreiheit, S. 116, 121. 170 Siehe oben 2. Kapitel, I. 171 So zutreffend Reuter, ZfA 1978, 1 (40). 172 Derartige Interessen, die nicht einer weiteren Allgemeinheit zugerechnet werden können, erscheinen dann als „Gemeinwohlinteresse." Insoweit zutreffend Blomeyer, ZfA 1980, 1 (30).

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tarifgebundenen älteren Arbeitnehmer gegenüber, und es bedarf ihrer verhältnismäßigen Zuordnung. Entgegen der Meinung von Riedel 173 und Scholz 174 können die Tarifvertragsparteien auch (Altersgrenzen-)Regelungen mit dem Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erlassen. Hält man dies für einen möglichen Gegenstand des Tarifvertrages 175, ergibt sich zugleich die Kompetenz der Koalitionen, dieses Ziel zum „Gemeinwohlbelang" erheben und es verfolgen zu können, zumal es sich um ein Ziel handelt, das auch der Gesetzgeber, ζ. B. im VRG, verfolgt. Sie bedürfen dabei, wie schon gesagt, auch dann nicht der staatlichen Hilfe, wenn sie über Berufsausübungsregelungen hinausgehen und in die Freiheiten der Berufswahl oder Arbeitsplatzwahl Tarifgebundener eingreifen wollen 176 . Sie haben wohl, wie sonst der staatliche Gesetzgeber, die materiell-rechtlichen Grenzen höherrangigen Rechts zu beachten, wozu die Grundrechte, aber auch bindende Gestaltungen des Gesetzgebers gehören. B. Die Schranken des Rechts der freien Berufswahl Was die Schranken des Rechts der freien Berufswahl angeht, kann auf eine seit dem Apotheken-Urteil gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die gesicherte und im wesentlichen unbestrittene Grundsätze für Beschränkungen dieser Freiheit herausgearbeitet hat 177 . Im Zusammenhang mit tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen gewinnen diese Grundsätze Bedeutung, wenn, ζ. B. wegen der Einstellung gegenüber älteren Arbeitnehmern oder wegen der flächendeckenden Verbreitung einer Altersgrenzenregelung, ein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zugleich typischerweise das Ende einer Tätigkeit in dem betreffenden Beruf bedeutet178. Beschränkungen der freien Berufswahl sind zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des „Gemeinwohls 179 " gerechtfertigt werden und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachten180; es enthält die Grundsätze der Eignung und der 173 174 175 176

S. 30. 177

In: Berufsfreiheit, S. 115 f., 121. In: ZfA 1981, 265 (295, 298). Hierzu im 1. Kapitel , IV 2 a. A.A. Scholz, ZfA 1981,265 (295,298). Zu eng insoweit auch Blomeyer, ZfA 1980,

Grundlegend BVerfGE 7, 377 (400 ff.) - Apotheken. Siehe femer BVerfGE 50, 290 (362 ff.) - Mitbestimmung. Zur Kritik siehe oben Fn. 81. 178 Siehe oben II Β 2 c und vgl. Schlüter / Belling, NZA 1988, 297 (301); Belling , Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (Bl. 25). 179 Siehe oben III A 4. 180 Siehe BVerfGE 7, 377 (404 ff.) - Apotheken; 13, 97 (104 ff.) - Befähigungsnachweis; 30, 292 (315 ff.) - Mineralölbevorratung; 61, 291 (312 ff.) - Tierpräparatoren. In der Literatur wird vielfach von Übermaßverbot gesprochen, siehe ζ. B. Erichsen, Jura 1980, 551 (555) m. w. N. Nachweise zur Verhältnismäßigkeit bei Schneider, in: VVDStRL 43, S. 37.

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Erforderlichkeit des Mittels, ferner darf die mit dem Mittel bezweckte Förderung des Gemeinwohls nicht außer Verhältnis zu der Belastung stehen, die durch die Maßnahme für den einzelnen herbeigeführt wird; insoweit hat eine Güterabwägung zu erfolgen 181 . Für die in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorzunehmende Prüfung der Erforderlichkeit und für die Güterabwägung 182 zwischen Berufsfreiheit und Gemeinwohlbelangen hat das Bundesverfassungsgericht mit der sog. Stufentheorie Bewertungsmaßstäbe entwickelt 183 . Diese beruhen auf dem auf Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG zurückführbaren Gedanken, daß eine Regelung der Berufsfreiheit eher zulässig ist, wenn sie die Berufsausübung angeht, als wenn sie die Berufswahl betrifft 184 ; bei Eingriffen in die Berufs wähl ist zwischen der Regelung subjektiver und objektiver Voraussetzungen zu unterscheiden. Was den Umfang der Regelungsbefugnis angeht, ergeben sich daraus drei Stufen: Am freiesten ist der Normgeber bei einer Regelung, die lediglich die Berufsausübung, das „Wie" der Berufstätigkeit, betrifft. Hier können Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit die maßgebende Rolle spielen, der Grundrechtsschutz ist auf die Abwehr „in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer" Eingriffe beschränkt 185. Dagegen ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers stärker begrenzt, wenn die Freiheit der Berufswahl, das „Ob" der Berufstätigkeit, eingeschränkt wird. Das ist nur erlaubt, wenn der Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes den Eingriff in die Berufsfreiheit erfordert 186. Dabei wirkt sich der Unterschied zwischen subjektiven, in der Person des einzelnen begründeten Voraussetzungen, und objektiven Bedingungen für die Zulassung, d.h. Bedingungen, die mit der persönlichen Qualifikation des einzelnen nichts zu tun haben, folgendermaßen aus: Regelungen, die an subjektive Voraussetzungen anknüpfen, sind nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt; hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, daß sie zu dem verfolgten wichtigen Gemeinschaftsgut, das die Rechtsprechung oft in der Sicherung einer ordnungsgemäßen

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Siehe ζ. B. BVerfGE 7, 377 (413 ff.) - Apotheken; 13, 97 (107 ff.) - Befähigungsnachweis; 30, 292 (316 f.) - Mineralölbevorratung; Beschl. v, 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1196 f.) - Arbeitnehmerüberlassung. 182 Näher Meesen, JuS 1982, 397 ff.; allgemein Schlink, Abwägung, S. 200. 183 Grundlegend BVerfGE 7, 377 (401 ff.) - Apotheken. Siehe noch BVerfGE 13, 97 (104 f., 113 ff.) - Befähigungsnachweis; 30, 292 (315 ff.) - Mineralölbevorratung. 184 BVerfGE 7, 377 (402 ff.) - Apotheken. 185 BVerfGE 7,377 (405 f.) - Apotheken. Allerdings beurteilt das Bundesverfassungsgericht Berufsausübungsregelungen um so strenger, je mehr sie in ihren Auswirkungen einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl nahekommen, siehe BVerfGE 61, 291 (311) - Tierpräparatoren; Beschl. v. 6. 10. 1988, NJW 1988, 1195 (1196) - Arbeitnehmerüberlassung. 186 BVerfGE 7, 377 (405) - Apotheken.

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Erfüllung der Berufstätigkeit sieht, nicht außer Verhältnis stehen dürfen 187 . Objektive Zulassungsvoraussetzungen laufen dem Sinn der Gewährleistung freier Berufswahl zuwider; im allgemeinen wird deshalb „nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff in die freie Berufswahl legitimieren können 188 ". Die beiden wichtigsten Aussagen der Stufentheorie lauten also: Ein Eingriff auf einer höheren Stufe ist nur erlaubt, wenn sein Zweck nicht genausogut durch einen Eingriff auf einer niedrigeren Stufe erreicht werden kann. Der Zweck, dem der Eingriff dient, muß um so wertvoller sein, je intensiver der Eingriff ist; es ist insoweit eine Güterabwägung vorzunehmen.

C. Die Schranken des Rechts der freien Arbeitsplatzwahl Prüfungsmaßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen ist aber in erster Linie das Recht der freien Arbeitsplatzwahl. Darüber, unter welchen Voraussetzungen diese Gewährleistung beschränkt werden darf, haben sich, im Unterschied zu den übrigen Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG, bislang keine gefestigten Erkenntnisse entwickelt 189 . Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit Inhalt und Tragweite dieser Gewährleistung bislang nicht näher auseinandergesetzt190.

1. Der Meinungsstand a) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofes Das Bundesarbeitsgericht neigt dazu, dem Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes einen eher hohen Stellenwert beizumessen. Seit einer insoweit grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1962 191 hat das Gericht die Gewähr187

BVerfGE 7, 377 (407) - Apotheken; 9, 338 (445 f.) - Hebammen; 13, 97 (LS 3 u. S. 107) - Befähigungsnachweis. 188 BVerfGE 7, 377 (407 f.) - Apotheken. 189 So nimmt der Gewährleistungsaspekt der freien Arbeitsplatzwahl ζ. B. auch bei Riedel, der das Grundrecht der Berufsfreiheit im Arbeitsrecht behandelt, nur wenig Raum ein, obwohl Riedel betont, daß der praktische Schwerpunkt dieser Gewährleistung bei den abhängig Erwerbstätigen liege. Siehe Berufsfreiheit, S. 29 ff. (31). 190 Allerdings ist es kürzlich, soweit ersichtlich erstmals, auf diese Gewährleistung eingegangen. Siehe BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1198 f.) - Arbeitnehmerüberlassung. Es sah aber keinen Anlaß zu „vertieften Auseinandersetzungen mit Inhalt und Tragweite dieses Rechts sowie seinem Verhältnis zu Berufswahl und Berufsausübung".

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leistung freier Arbeitsplatzwahl in eine Reihe mit der Freiheit der Berufswahl gestellt 192 . Das Recht zu freier Arbeitsplatzwahl geht danach insbesondere nicht in der Berufsausübung auf; für beide ergeben sich in bezug auf Beschränkungen vielmehr unterschiedliche Maßstäbe. Eine für den Rechtsstreit entscheidungserhebliche Vertragsklausel hat das Gericht in seinem Urteil daraufhin überprüft, ob die in ihr vorgesehene Beschränkung der freien Wahl des Arbeitsplatzes „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben dem Arbeitnehmer zuzumuten ist und vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entspricht 193 ". In seiner eine tarifvertragliche Altersgrenze betreffenden Entscheidung vom 6. 3. 1986 194 führt das Bundesarbeitsgericht aus, da der Eingriff in das Recht der freien Arbeitsplatzwahl für einen Flugzeugführer eine erhebliche Beschränkung, unter Umständen auch das Ende seiner Tätigkeit in diesem Beruf bedeute, könne der Eingriff „nur aus sachlichen Gründen zulässig sein 195 ". Der Bundesgerichtshof ist in einer die freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt betreffenden Entscheidung aus dem Jahre 1962 196 , an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anknüpfend, davon ausgegangen, daß das Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes einen Bestandteil des in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten einheitlichen Rechts der Berufsfreiheit bilde. Auch der Bundesgerichtshof meint, der Verfassungsgeber habe dem Schutz der freien Arbeitsplatzwahl eine größere Bedeutung beigemessen als dem Schutz der reinen Berufsausübung; dies folgert er aus dem Umstand, daß Art. 12 Abs. 1 GG das Recht am Arbeitsplatz unmittelbar nach der freien Berufswahl im ersten Satz nennt, in dem von einer Regelungsbefugnis des Gesetzgebers nicht die Rede ist. Der Bundesgerichtshof nimmt aber zugleich an, daß Beschränkungen der Arbeitsplatzwahl „in der Regel weit weniger einschneidend" seien als Beschränkungen der Berufswahl schlechthin; der Bewerber sei nämlich nicht vom Beruf ausgeschlossen, sondern nur daran gehindert, den Beruf in einem bestimmten räumlichen Bereich, unter Umständen auch nur für eine bestimmte Zeitspanne, auszuüben. Das Gericht hat deshalb in dem zu entscheidenden Fall den Eingriff in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl nicht mit den strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts für Beschränkungen der Berufswahl gemessen und konnte deshalb eine von ihm als objektive Zugangs Voraussetzung eingestufte Regelung für mit Art. 12 Abs. 1 GG (noch) vereinbar erachten. 191 BAG, Urt. v. 29. 6. 1962, BAGE 13, 168 (174 ff.) = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG m. Anm. A. Hueck . 192 Siehe BAGE 13, 168 (178); BAG, Urt. v. 18. 8. 1976, BAGE 28, 159 (163). 193 BAGE 13, 168 (179), seither st. Rspr., siehe Urt. v. 20. 2. 1975, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAGE 28, 159 (163). Siehe auch BAG, Urt. v. 23. 2. 1983, BAGE 42, 48 (51 f.). 194 AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"). 195 BAG, a.a.O. unter A V 2 der Gründe. 196 BGH, Urt. v. 16. 7. 1962, BGHZ 38, 13 = AP Nr. 27 zu Art. 12 GG. 8 Waltermann

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b) Der Meinungsstand im Schrifttum Im Schrifttum wird auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Recht der freien Arbeitsplatzwahl beschränkt werden darf, zumeist nicht näher eingegangen197; soweit zu Umfang und Tragweite dieses Freiheitsrechts Stellung genommen wird, werden ganz unterschiedliche Antworten gegeben. Weitgehende Übereinstimmung besteht nur darin, daß der Vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG auch auf die Freiheit der Arbeitsplatzwahl bezogen werden müsse198. Über die Möglichkeiten der Beschränkung des Freiheitsrechts im einzelnen besteht dagegen keine Übereinstimmung. Bachof" nimmt an, eine Beschränkung der Arbeitsplatzwahl berühre nicht in gleich einschneidender Weise die freie Persönlichkeitsentfaltung wie Beschränkungen der Berufswahl. Hannig 200 faßt die freie Wahl des Arbeitsplatzes als „besonders privilegierte Form der Berufsausübungsfreiheit" auf. Pieroth / Schlink 201, wollen die Prüfungsweise der Stufentheorie auch bei Eingriffen in die Freiheit der Wahl des Arbeitplatzes gelten lassen; auch hier könne nach objektiven Zulassungsschranken, subjektiven Zulassungsvoraussetzungen und sonstigen Eingriffen unterschieden, eine entsprechende Stufung von Eingriffsintensitäten vorgenommen und der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugrunde gelegt werden. Dorndorf 02 knüpft, von einem „konkreten Verständnis der Berufsfreiheit" ausgehend, an die Intensität der Beschränkung an; nach ihr richte sich, ob sie eher einer Beschränkung der Berufswahl oder eher einem Eingriff in die Berufsausübung gleichzustellen sei. Dabei soll es darauf ankommen, inwieweit die Regelung den betroffenen Individuen typischerweise die Wahrung ihrer Identität erschwert. Rittstieg 203 stellt die freie Wahl des Arbeitsplatzes gleichberechtigt neben die freie Berufswahl; hoheitliche Maßnahmen im Bereich der Arbeitsplatzwahl sollen jedoch den Regelungsbereichen der Stufentheorie nicht zugeordnet werden können.

197 In manchen Kommentierungen wird diese Gewährleistung lediglich erwähnt. Siehe Leibholz / Rinck, Art. 12 GG; Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art. 12 GG. 198 Bachof Grundrechte, Bd. III/l, S. 250; Dorndorf \ Freie Arbeitsplatzwahl, S. 92 ff.; Hannig Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, S. 12; Pieroth / Schlink, Grundrechte, RdNr. 903; Riedel, Berufsfreiheit, S. 31. Anders Langwieser, Arbeitsplatzwahl, S. 74 f.; Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 12 GG RdNr. 117. 199 Bachof Grundrechte Bd. III/l, S. 250. Ihm folgt Riedel, Berufsfreiheit, S. 31. Siehe auch Frey, AuR 1967, 326 (330). 200 Hannig, Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, S. 12. Siehe auch Schnorr, Anm. zu BAG, Urt. v. 4. 10. 1958, AP Nr. 7 zu Art. 12 GG. 201 Pieroth / Schlink, Grundrechte, RdNr. 934 f. 202 Dorndorf, Freie Arbeitsplatzwahl, S. 92 ff. 203 Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 12 GG RdNr. 112 ff.

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2. Eigener Standpunkt Sieht man in Art. 12 Abs. 1 GG ein einheitliches Grundrecht, das einheitlich unter Gesetzesvorbehalt steht 204 , kann nicht zweifelhaft sein, daß auch die Freiheit der Arbeitsplatzwahl beschränkt werden darf. Es ist kein Gesichtspunkt erkennbar, der dafür sprechen könnte, den Vorbehalt zwar auf das Recht der freien Berufswahl und der freien Wahl der Ausbildungsstätte205, nicht aber auf das Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes zu erstrecken 206. a) Wortlaut und Systematik Dafür, inwieweit Beschränkungen vor dem Hintergrund der Bedeutung des Grundrechts zulässig sind, geben zunächst der Wortsinn und die Systematik des Art. 12 Abs. 1 GG einen Anhaltspunkt. Der Verfassungstext nennt in Satz 1 die Wahl von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte in einem Atemzug, während die Berufsausübung erst im Zusammenhang mit dem Vorbehalt in Satz 2 aufgeführt ist. Der darin zum Ausdruck kommende Wille der Verfassung, daß neben der Berufs- und Ausbildungsstättenwahl auch die Arbeitsplatzwahl „frei" sein soll, während die Berufsausübung geregelt werden darf, muß beachtet werden 207 . Daß die Verfassung nur dem Recht der Berufsausübung einen Vorbehalt beigefügt hat, läßt die Schlußfolgerung zu, daß die in Satz 1 genannten Freiheiten als besonders schutzwürdig eingestuft sind. Hiergegen würde eine Auslegung verstoßen, die Beschränkungen der freien Arbeitsplatzwahl prinzipiell als Regelungen der Berufsausübung auffaßt und die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dementsprechend nach den Kriterien für Eingriffe in den Ausübungsaspekt bestimmt. Gewiß könnte man es theoretisch als zur Berufsausübung gehörig ansehen, an welchem Platz und in welchem Umfeld ein gewählter Beruf praktiziert wird; daß die Verfassung diese Sichtweise jedoch nicht teilt, zeigt sich eben daran, daß die Arbeitsplatzwahl in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG zur selbständigen Gewährleistung erhoben ist. b) Teleologie Beschränkungen der freien Arbeitsplatzwahl dürfen also nicht nach denselben Kriterien beurteilt werden wie Beschränkungen der Berufsausübung. Vielmehr 204

Siehe oben Π A 3. Siehe nur BVerfGE 7, 377 (402) - Apotheken; BVerfGE 33,303 (336) - Numerusclausus. 206 Siehe jetzt auch BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1198 f.) - Arbeitnehmerüberlassung . 207 Für das Verhältnis freier Berufswahl und freier Berufsausübung in diesem Sinne BVerfGE 7, 377 (402) - Apotheken. 205

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steht die Gewährleistung freier Arbeitsplatzwahl neben der freier Berufswahl. Wie im einzelnen diese Freiheit im Verhältnis zur Berufswahl und zur Berufsausübung zu gewichten ist, muß eine teleologische Betrachtung der Grundrechtsbestimmung ergeben. Bei dieser kann an zwei, auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Grundrechtsinterpretation anerkannte, Argumentationsfiguren angeknüpft werden 208 : zum einen an die Einsicht, daß nach der Wertordnung des Grundgesetzes die freie menschliche Persönlichkeit der oberste Rechtswert ist 209 , zum anderen an den Topos der „Güterabwägungder eine verhältnismäßige Zuordnung gleichrangiger kollidierender Rechtsgüter und staatlicher Interessen vorsieht 210 . aa) Geht man davon aus, daß nach der Wertordnung des Grundgesetzes die freie menschliche Persönlichkeit der oberste Rechtswert ist, muß bei der Frage nach den Beschränkungsmöglichkeiten der Garantie freier Arbeitsplatzwahl beachtet werden, daß dem einzelnen nicht nur bei der Berufswahl, sondern auch bei der Arbeitsplatzwahl - und damit der Frage, ob er einen gewählten Arbeitsplatz in höherem Alter beibehalten oder aufgeben will - die größtmögliche Freiheit gewahrt bleiben muß 211 . Dabei kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, daß der praktische Schwerpunkt der Verbürgung freier Arbeitsplatzwahl im Bereich der abhängigen Arbeit liegt 212 . Für den Großteil der Menschen wird das Maß möglicher Selbstverwirklichung durch die Bedingungen abhängiger Arbeit bestimmt. Allerdings hat das Grundgesetz die freie Wahl des Arbeitsplatzes nicht nur den abhängig Beschäftigten gewährleisten wollen, es gilt vielmehr auch für die Angehörigen selbständiger Berufe 213 . Die Freiheit der Arbeitsplatzwahl hat im Bereich der abhängigen Arbeit aber besonderes Gewicht. Für den Arbeitneh208 Zu diesem Vorgehen siehe Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1536 ff.); Ossenbühl, NJW 1976,2100 (2106). 209 So im Zusammenhang mit der Berufsfreiheit bereits BVerfGE 7, 377 (405) - Apotheken; 13, 97 (104 f.) - Befähigungsnachweis. Vgl. noch BVerfGE 63, 266 (286 f.) Zulassung als Rechtsanwalt; 76, 171 (184) - Anwaltliches Standesrecht. Im Zusammenhang mit der Gewährleistung freier Arbeitsplatzwahl siehe auch BAG, Urt. v. 29. 6. 1962, BAGE 13, 168 (176): „Der oberste Wert des Grundgesetzes ist die freie menschliche Persönlichkeit. Ihr muß deshalb auch bei der Wahl des Arbeitsplatzes im weitesten Sinn die größtmögliche Freiheit gewahrt bleiben". 210 BVerfGE 7, 198 (210) - Lüth; 7, 377 (404 ff.) - Apotheken. Hesse, Verfassungsrecht, RdNr. 72, spricht von der Herstellung praktischer Konkordanz. Siehe noch Häberle, Wesensgehalt, S. 32; Müller, Normstruktur, S. 207 ff. 211 So für die Freiheit der Berufswahl schon BVerfGE 7, 377 (405) - Apotheken; 13, 97 (104 f.) - Befähigungsnachweis. Siehe auch BAGE 13, 168 (176). 212 Siehe Bachof Grundrechte, Bd. III/l, S. 251; Badura, in: Festschr. f. Berber, S. 11 (21); dens, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (28 f.); Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 (396 f.); Meesen, JuS 1982, 397 (400); Scholz, ZfA 1981, 265 (280). 2,3 BGHZ 38, 13 (16 f.) = AP Nr. 27 zu Art. 12 GG; Bachof, Grundrechte, Bd. III/l, S. 250; Gubelt, in: v. Münch, Art. 12 GG RdNr. 23; Hamann / Lenz, Art. 12 GG Anm. Β 3; Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 12 RdNr. 113; Scholz, in: Maunz/Dürig/ Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 429. A.A. Uber, Berufsfreiheit, S. 81.

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mer bildet der Arbeitsplatz die Grundlage seiner wirtschaftlichen und sozialen Existenz und auch eine wesentliche Grundlage der Entfaltung seiner Persönlichkeit 214 . Im Bereich der abhängigen Arbeit hängt das Maß realer Freiheit daher in besonderer Weise von der Entfaltung gerade der Gewährleistung freier Arbeitsplatzwahl ab 215 . Dieser Bereich ist zunächst dadurch besonders gekennzeichnet, daß die Beschäftigten prinzipiell keinen Einfluß auf die Zahl der Arbeitsplätze haben216. Diese ergibt sich aus einer entsprechenden Nachfrage am Arbeitsmarkt und kann, anders als im Bereich selbständiger Tätigkeit, nicht durch eine eigenverantwortliche Entscheidung des einzelnen beeinflußt werden. Übersteigt die Zahl der Arbeitsplatzsuchenden die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze, so bleiben einzelne von einer gewählten Berufstätigkeit, zumindest zeitweise, ausgeschlossen. Es geht also, im Unterschied zum Bereich selbständiger beruflicher Tätigkeit, nicht darum, wer neben anderen den Beruf an einem Arbeitsplatz ausüben kann, sondern wer anstelle eines anderen den bestimmten Arbeitsplatz besetzt und dort seinen Beruf ausübt. Das Recht hat damit eine jeweils durchaus verschiedene Bedeutung. Vor allem kann ein Eingriff in das von der Freiheit der Arbeitsplatzwahl umfaßte Recht, einen Arbeitsplatz beizubehalten, im Bereich der abhängigen Arbeit sehr schnell faktisch zu einem zumindest zeitweisen Verlust dieser Freiheit führen. Im Bereich der abhängigen Arbeit bedingen aber noch weitere tatsächliche Voraussetzungen der grundrechtlichen Freiheitsausübung, daß der so oft im Vordergrund der Diskussion stehenden rechtlichen Freiheit, Beruf und Ausbildungsstätte frei wählen zu können, dort keine größere Bedeutung zukommt als der rechtlichen Freiheit, Ort und Umfeld der beruflichen Tätigkeit, den Arbeitsplatz, bestimmen zu können, eher vielleicht sogar geringere: Für viele im Bereich abhängiger Arbeit Beschäftigte sind die rechtlichen Möglichkeiten freier Berufswahl, oft aus wirtschaftlichen Gründen, real nicht ausgeprägt wahrnehmbar, oder sie werden nicht den Möglichkeiten entsprechend wahrgenommen, zum Beispiel, weil vorhandener Entscheidungsspielraum aufgrund sozialer Gegebenheiten 217 nicht ausgenutzt wird. Für viele bestehen berufliche Alternativen faktisch sogar ausschließlich in bezug auf die Wahl eines Arbeitsplatzes 218. Oft wird die

214 So ausdrücklich ζ. B. BAG, Urt. v. 15. 3. 1978, BAGE 30, 163 (175 f.); Beschl. v. 13. 9. 1983, BAGE 44, 141 (152). Siehe femer Hannig, Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, S. 8; Langwieser, Arbeitsplatzwahl, S. 51 ff., 83 ff. 215 Insoweit ähnlich Dorndorf \ Freie Arbeitplatz wähl, S. 92 ff. Siehe auch HoffmannRiem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 (396 f.); Scholz, ZfA 1981, 265 (280). 216 Siehe in diesem Zusammenhang auch BAGE 44, 141 (151 f.). 217 Näher ζ. B. Fürstenberg, Berufswirklichkeit, S. 53 (58 ff.); Hannig, Berufsfeiheit der Arbeitnehmer, S. 8 m. Nachw. 218 Siehe auch Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 (390 f.): „Für den Grundrechtsträger in der Rolle des Arbeitnehmers reduzieren sich die grundrechtlichen Freihei-

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Entscheidung über die Berufswahl früh 219 und im wesentlichen unwiderrufbar getroffen. Gerade dann ist die mögliche Reichweite realer Freiheit durch die rechtliche Gewährleistung freier Arbeitsplatzwahl nicht dadurch gekennzeichnet, daß neben dem Beruf, sozusagen „auch noch", Ort und Umfeld der Berufstätigkeit bestimmt werden können. Während des gesamten Arbeitslebens, also eines bedeutsamen Lebensabschnitts, beeinflußt vielmehr gerade die Freiheit der Arbeitsplatzwahl für den einzelnen die Bedingungen freier Persönlichkeitsentfaltung in der Arbeit im gewählten Beruf. Nicht der Verlust des Berufs, sondern der Verlust des Arbeitsplatzes ist für die Dauer des Arbeitslebens praktisch die große Gefahr. Für den abhängig Beschäftigten kann freie Arbeitsplatzwahl ferner in Zeiten einer weitgehenden Vollbeschäftigung bedeuten, durch Wechsel des Arbeitsplatzes Ertrag und Bedingungen der Arbeit verbessern oder auf das räumliche Umfeld Einfluß nehmen zu können. Oder sie gestattet es, einen Arbeitsplatz danach auszuwählen, wie sicher er in schlechten Zeiten voraussichtlich sein wird. In einer Zeit massenhafter Arbeitslosigkeit ermöglicht sie es, die Berufsaufnahme an einem als sicher geltenden Arbeitplatz oder in einem von Arbeitslosigkeit weniger betroffenen räumlichen Bereich bzw. Wirtschaftszweig zu versuchen. Vor allem aber kann die Gewährleistung in einer Zeit knapper Arbeitsplätze vor dem Verlust des Arbeitsplatzes sichern; gerade auch Älteren kann die von der Gewährleistung mit umfaßte Freiheit, den Arbeitsplatz beizubehalten, Schutz vor Konkurrenzdruck verschaffen. Dieser Schutz hat gerade dann einen Wert, wenn wegen der Art einer bestimmten Arbeit dem physischen oder psychischen Vermögen des Beschäftigten besondere Bedeutung zukommt und eben dieses Vermögen bei langjähriger Beanspruchung in vorgerücktem Alter zwar nach wie vor ausreicht, ein Älterer im Vergleich mit einem noch nicht entsprechend belasteten jüngeren Konkurrenten aber schlechter abschneiden wird. Für den großen Teil der in abhängiger Arbeit Beschäftigten vermag die Möglichkeit freier Wahl und Beibehaltung des Arbeitsplatzes also einen Entscheidungsspielraum für die gesamte Dauer des beruflichen Lebens zu gewährleisten. Dem muß der rechtliche Schutz durch Art. 12 Abs. 1 GG Rechnung tragen, sollen Persönlichkeit und Selbstbestimmung derjenigen gewahrt werden, die auf eine Existenz in abhängiger Arbeit angewiesen sind 220 . Wird Freiheit als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung verstanden, so fordert ihre Sicherung für die Mehrzahl der Bevölkerung einen Schutz gerade am Arbeitsplatz 221 . Sieht man in der freien

ten faktisch weitgehend auf die Freiheit, seine Arbeitskraft einem Arbeitgeber anzubieten und ihren Einsatz arbeitsvertraglich abzusichern." 219 Zum Prozeßcharakter der Berufswahl Fürstenberg, a.a.O. Fn. 216, S. 59 f. Siehe grundsätzlich Klages, Berufswahl und Berufsschicksal. 220 Siehe auch Art. 1 Abs. 1 u. Abs. 2 lit. c Übereinkommen Nr. 122 der ILO vom 9. 7. 1964 zur Beschäftigungspolitik. Danach muß der Staat zu gewährleisten suchen, daß die Wahl der Beschäftigung frei ist.

III. Konkretisierung der Schranken des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

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menschlichen Persönlichkeit den obersten Rechtswert, muß die Hervorhebung des Rechts der freien Wahl des Arbeitsplatzes in Art. 12 Abs. 1 GG daher so verstanden werden, daß die Berufsfreiheit abhängig Beschäftigter in dieser Hinsicht so weitgehend wie möglich geschützt wird 2 2 2 . Deshalb kann nicht gesagt werden, eine Beschränkung der Arbeitsplatzwahl sei „in der Regel weit weniger einschneidend" als eine Beschränkung der Berufswahl, weshalb sie nicht mit einem ebenso strengen Maß gemessen werden müsse, wie es für Beschränkungen der eigentlichen Berufswahl gilt 2 2 3 . Zumindest im Bereich der abhängigen Arbeit genießt vielmehr das Recht der freien Arbeitsplatzwahl einen Schutz auf gleicher Stufe wie das Recht der freien Berufswahl, und Beschränkungen sind prinzipiell ebenso streng zu berurteilen wie Beschränkungen für den Beruf selbst 224. So wie bei Eingriffen in die Berufswahl müssen auch bei Eingriffen in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl die Anforderungen an die Rechtfertigung der Beschränkung um so höher sein, je mehr die personale Entfaltung beeinträchtigt wird. Dabei kommt es im einzelnen darauf an, inwieweit sie eher Regelung einer Modalität der Berufstätigkeit am Arbeitsplatz ist und deshalb lediglich den Anforderungen für Eingriffe in den Ausübungsaspekt zu genügen hat oder aber als Eingriff in den Wahlaspekt anzusehen und dementsprechend strengeren Anforderungen bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu unterwerfen ist. Derselbe Gedanke, der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Stufentheorie Ausdruck findet - Unterscheidung zwischen Wahl- und Ausübungsaspekt sowie zwischen objektiven und subjektiven Voraussetzungen - weist damit auch für Beschränkungen der freien Arbeitsplatzwahl den Lösungsweg. Ist der Wahlaspekt betroffen, kommt es darauf an, ob die Beschränkung an objektive Voraussetzungen anknüpft - dann ist sie in aller Regel unzulässig225 - oder ob subjektive Voraussetzungen aufgestellt werden - dann ist sie zulässig, wenn im konkreten Fall die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein wichtiges Gemeinschaftsgut die Maßnahme rechtfertigt 226. bb) Dies bedeutet nicht, daß zwischen den Gewährleistungen freier Berufswahl und freier Arbeitsplatzwahl, weil sie auf gleicher Stufe stehen, keine Unterschiede mehr bestehen würden. Denn im Rahmen der im Einzelfall vorzunehmenden 221

Hannig, Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, S. 8 f.; Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 (397); Langwieser, Arbeitsplatzwahl, S. 51 ff., 83 ff. 222 Badura, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (28 f.). Siehe ferner die Gewichtung bei Badura, in: Festschr. f. Berber, S. 11 (35). Siehe auch BAGE 13, 168 (178) = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG. 223 So aber BGHZ 38, 13 (17 f.); Bachof Grundrechte, Bd III/l, S. 250; wohl auch Riedel, Berufsfreiheit, S. 31. 224 Im Ergebnis insoweit ebenso ausdrücklich Pieroth / Schlink, Grundrechte, RdNr. 934; Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 12 GG RdNr. 112. In der Grundtendenz ebenso: Badura in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (28): Dorndorf\ Freie Arbeitsplatzwahl, S. 92 ff.; Langwieser, Arbeitsplatzwahl, S. 83 ff. 225 Siehe nur BVerfGE 7, 377 (407 f.) - Apotheken. 226 Siehe nur BVerfGE 7, 377 (406 f.) - Apotheken; 13, 97 (LS 2 u. S. 106 ff.).

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3. Kap.: Art. 12 Abs. 1 GG

verhältnismäßigen Zuordnung einschlägiger verfassungsrechtlicher Rechtspositionen, insbesondere bei der Güterabwägung, kann sich ergeben, daß eine bestimmte Rechtsposition wohl eine Beschränkung des Rechts der freien Arbeitsplatzwahl, nicht aber einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl erlaubt, weil zwar die erste, nicht aber letztere sich als verhältnismäßig erweist. Nach dem Gedanken der Güterabwägung hat eine verhältnismäßige Zuordnung von gleichrangigen kollidierenden Rechtsgütern oder staatlichen Interessen zu erfolgen 227 . Geht es um Beschränkungen der Berufsfreiheit, erfolgt diese verhältnismäßige Zuordnung mit Hilfe der Bewertungsmaßstäbe der Stufentheorie 228, die näher beschreibt, wie Berufsfreiheit und Gemeinschaftsinteressen im Einzelfall zum Ausgleich gebracht werden. Bei dieser Güterabwägung kann sich, gerade im Bereich der abhängigen Arbeit, ergeben, daß ein und demselben Belang jeweils unterschiedliche Bedeutung und damit letztlich anderes Gewicht zukommt, je nachdem, welcher der beiden Gewährleistungen er gegenübersteht: Schon bei erstem Hinsehen wird das Interesse von Arbeitgeber und Nachwuchskräften an einer Schaffung von Aufstiegsmöglichkeiten kaum jemals den Vorrang gegenüber dem Recht der freien Berufswahl derjenigen beanspruchen können, die die „Aufstiegsstelle" innehaben. Der zum „Gemeinschaftsinteresse" erhobene Belange „Schaffung von Aufstiegsmöglichkeiten" ist nicht wichtig genug, um die Berufswahlfreiheit zu überragen 229. Die Besitzer der „Aufstiegsstellen" brauchen, weil Chancen für Nachwuchskräfte geschaffen werden sollen, ein Berufsverbot nicht hinzunehmen, ganz gleich, welche Stelle, ob Gesetzgeber oder Tarifvertragsparteien, dies regeln würde. Dagegen erscheint es eher denkbar, daß zur Schaffung von Aufstiegsmöglichkeiten in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl bestimmter „Arbeitsplatzbesitzer" eingegriffen werden darf. Obwohl hier dieselben Maßstäbe der Stufentheorie gelten, könnte unter besonderen Umständen eines Einzelfalles, vielleicht wegen einer atypischen Altersstruktur in einem Unternehmensbereich, eine Beschränkung der freien Arbeitsplatzwahl bestimmter Älterer durch (Firmen-)Tarifvertrag verhältnismäßig sein, weil der verfolgte Belang „Schaffung von Aufstiegschancen" die Arbeitsplatzwahlfreiheit, zu der es ja auch gehört, einen Arbeitsplatz besetzt halten zu können, überwiegt 230 .

227

Siehe Hesse, Verfassungsrecht, RdNr. 72 m. Nachw. Siehe oben III Β und, zusammenfassend, Erichsen, Jura 1980, 551 (555 ff.). 229 Ganz gleich, ob sich die Beschränkung der Berufswahlfreiheit als subjektive oder als objektive Zulassungsvoraussetzung erweist. Siehe dazu unten, 4. Kapitel, II. 230 Allerdings wird hierfür Bedeutung haben, ob die Regelung an subjektive oder an objektive Voraussetzungen anknüpft und inwieweit der von ihr Betroffene sein Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes anschließend dadurch real verwirklichen kann, daß er bestehende Möglichkeiten vorfindet, einen neuen Arbeitsplatz in seinem Beruf besetzen zu können. Zu den Phasen der Verhältnismäßigkeitsprüfung näher im 4. Kapitel. 228

III. Konkretisierung der Schranken des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG

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Zusammenfassung zu I I I Die Tarifvertragsparteien sind befugt, die Berufsfreiheit der Tarifgebundenen zu beschränken. Die Gewährleistungen freier Berufswahl und freier Arbeitsplatzwahl stehen auf gleicher Stufe. Die Möglichkeit von Beschränkungen der freien Arbeitsplatzwahl durch tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen richtet sich deshalb nach denselben Kriterien, wie sie für Beschränkungen der freien Berufswahl gelten. Daher können die Maßstäbe der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts auch auf die Gewährleistung der freien Arbeitsplatzwahl übertragen werden. Die Güterabwägung zwischen der Freiheit des einzelnen und bestimmten „Gemeinschaftsinteressen" kann im Einzelfall aber, obwohl sie nach denselben Kriterien des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der Stufentheorie erfolgt, zu verschiedenen Ergebnissen führen, je nachdem, welcher der beiden Gewährleistungen ein bestimmter „Gemeinschaftsbelang" gegenübertritt.

4. Kapitel

Z u den Begrenzungsmöglichkeiten durch tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen im einzelnen I. Vorgehen Wie dargelegt 1, erfolgt die Problemlösung durch verhältnismäßige Zuordnung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit älterer Arbeitnehmer einerseits und ihr als „Gemeinschaftsbelang" gegenübertretender Rechtspositionen andererseits. Dabei kann in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgendermaßen vorgegangen werden 2: Zunächst wird bestimmt, in welche der Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG, ggf. auf welcher Stufe, durch die Altersgrenzenregelung eingegriffen wird 3 (II). Sodann wird, ganz gleich welche Gewährleistung und welche Stufe betroffen ist, eine Prüfung an den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgenommen; der unterschiedlichen Wertigkeit der Gewährleistungen wird dabei durch die Heranziehung der Grundsätze der Stufentheorie Rechnung getragen. Im einzelnen geschieht dies folgendermaßen: Zunächst erfolgt eine isolierte Betrachtung des Zieles (III). Die Altersgrenzenregelung muß durch vernünftige Gründe des „Gemeinwohls" gerechtfertigt sein, die nicht für sich gesehen schon der Wertordnung des Grundgesetzes widersprechen dürfen 4. Dann ist zu prüfen, ob das Mittel, welches eingesetzt wird, geeignet und erforderlich ist, um das verfolgte Ziel zu fördern 5 (IV). Schließlich darf das Rechtsgut, auf dessen Förderung die Regelung zielt, in seiner Wertigkeit nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs stehen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, Proportionalität). Es hat eine Güterabwägung stattzufinden, in der sich das Regelungsziel und die Wirkung des zu seiner Verwirklichung eingesetzten Mittels gegenüberstehen6 (V). 1

Siehe oben 3. Kapitel. Siehe BVerfGE 13,97 (105 ff.) - Befähigungsnachweis; 30,292 (312 ff.) - Mineralölbevorratung; 61, 291 (308 ff.) - Tierpräparatoren; 68, 193 (216 ff.) - Zahntechniker; Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1196 ff.) - Arbeitnehmerüberlassung. 3 BVerfGE 13, 97 (105 ff.); 30, 292 (313 f.); 61, 291 (309 f.); BVerfG, NJW 1988, 1195(1196). 4 Für Regelungen des Gesetzgebers siehe BVerfGE 13,97 (113 ff.); 30,292 (316); 61, 291 (312 f.); 68, 193 (218); BVerfG, NJW 1988, 1195 (1196). 5 BVerfGE 13, 97 (116); 30, 292 (316); 61, 291 (313, 314 f.); 68, 193 (218, 218 f.); BVerfG, NJW 1988, 1195 (1196 f.). 2

II. Bestimmung der Eingriffsstufe

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I L Bestimmung der Eingriffsstufe Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien und dementsprechend die Verhältnismäßigkeit hängen davon ab, auf welcher Stufe die jeweilige Regelung in die Berufsfreiheit eingreift 7. Auf diese Frage muß deshalb zunächst eingegangen werden. 1. Altersgrenzenregelungen, die die Sicherung der beruflichen Leistungsfähigkeit an bestimmten Arbeitsplätzen zum Ziel haben - dies ist auch der Fall, wenn sie Gefahren für andere vorbeugen sollen, die sich aus mangelnder Leistungsfähigkeit ergeben oder wenn sie einen Produktivitätsverlust durch herabgesetzte Leistungen verhindern sollen - , stellen allgemeiner Meinung nach subjektive Voraussetzungen für die Beibehaltung des Arbeitsplatzes, ggf. des Berufs, dar 8. Dies ergibt sich, wenn man die Maßstäbe der Hebammen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde legt. Entscheidend ist danach9 die „rechtliche Zurechnung" der Erfüllung der aufgestellten Voraussetzung, nicht der Umstand, ob die Regelung, wie es auch bei Altersgrenzen der Fall ist, als absolute Sperre für die von ihr Betroffenen wirkt. Ist Ziel der Altersgrenzenregelung die Sicherung der Leistungsfähigkeit, ist also Ansatzpunkt, daß Menschen mit einem bestimmten Alter durchschnittlich den Anforderungen des betreffenden Berufs (bzw. Arbeitsplatzes) nicht mehr genügen, so „wirkt sie rechtlich" wie eine Vermutung dahin, den älteren Arbeitnehmern fehlten jenseits der Altersgrenze generell die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, die die betreffende Berufstätigkeit (an dem betreffenden Arbeitsplatz) voraussetzt. Es wird von Umständen abgesehen, die außerhalb der Person des älteren Arbeitnehmers liegen; damit wird an subjektive Voraussetzungen angeknüpft, nicht eine objektive Schranke errichtet, auch wenn der einzelne auf das Kriterium, das Alter, keinen Einfluß nehmen kann. Eine subjektive Zulassungsvoraussetzung liegt danach also immer dann vor, wenn es um den Besitz persönlicher Eigenschaften oder Fähigkeiten geht 10 . 6 BVerfGE 30, 292 (316 f.); 61, 291 (316); 68, 193 (219 ff.); BVerfG, NJW 1988, 1195 (1197 f.). 7 Siehe oben 3. Kapitel, III B. 8 Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 f.); ders., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (Bl. 24 f.); Linnenkohl, BB 1984, 603 (607); Riedel, Berufsfreiheit, S. 120; Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 274,276, 343; Schlüter I Belling, Anm. zu BAG, Beschl. v. 18. 7. 1978, SAE 1979, 278 f.; dies, NZA 1988, 297 (302). 9 Siehe BVerfGE 9, 338 (345). 10 So ausdrücklich BVerfGE 9,338 (345). Kritisch demgegenüber ζ. B. Erichsen, Jura 1985,66 (73), der zutreffend betont, daß ein altersbedingter Leistungsabfall - ungeachtet seiner unterschiedlichen Ausprägung bei einzelnen Persönlichkeiten - ein vom Individuum unabhängiges, objektives Faktum dargestellt. Da auf das durchschnittliche Leistungsvermögen abgestellt wird, steht in der Tat dieses objektive Moment, „altersbedingter Leistungsabfall", im Vordergrund. Dies stellt, wie Erichsen, m. E. überzeugend, an-

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

2. Die Anwendung dieser Maßstäbe auf Altersgrenzenregelungen, die Ziele verfolgen wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Schaffung von Aufstiegsmöglichkeiten für Nachwuchskräfte, die Gewährleistung einer bestimmten Altersstruktur, die Vermeidung von Überalterung oder die Ermöglichung einer vorausberechenbaren langfristigen Personalplanung, zeigt, daß hier keine subjektiven Voraussetzungen aufgestellt werden. Bei Altersgrenzenregelungen mit diesen Zielsetzungen geht es nämlich nicht um den Besitz persönlicher Eigenschaften oder Fähigkeiten, wie es bei einer beruflichen Vorbildung oder bei der Leistungsfähigkeit der Fall ist. Eine beschäftigungspolitisch motivierte Altersgrenze ζ. B. beruht auf dem Gedanken, man könne besser einem Älteren die Rente als einem Jüngeren Arbeitslosengeld zahlen. Altersgrenzen zur Schaffung von Aufstiegsstellen haben das verständliche Interesse jüngerer Arbeitnehmer im Auge aufsteigen zu können und sollen im Interesse der Arbeitgeberseite Veranlassung zu besonderer Leistungsbereitschaft potentieller Anwärter geben. Sind dies die Gründe für die Altersgrenzenregelung, „wirkt" diese nicht „rechtlich" wie die Vermutung eines persönlichen Mangels. Die Erfüllung der aufgestellten Voraussetzungen hängt nicht - letztlich - von in der Person des älteren Arbeitnehmers liegenden Umständen, insbesondere nicht von irgendeiner Qualifikation ab. Diese Altersgrenzenregelungen können auch nicht etwa deshalb als subjektive Zulassungsvoraussetzung eingestuft werden, weil sie mit dem Alter auf ein persönliches Merkmal als Kriterium abstellen11. Denn für die nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmende „rechtliche Bewertung" ist das Differenzierungskriterium nicht ausschlaggebend. Anders wäre somit nur zu urteilen, wenn man sich auf den Standpunkt stellen würde, daß für eine Anknüpfung an das Kriterium des Alters letztlich stets ausschlaggebend ist, daß Ältere vermutlich auch den Anforderungen ihrer Arbeit nicht mehr genügen. Schon diese Vermutung ließe sich jedoch nicht halten12. Deshalb stellen Altersgrenzenregelungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder zur Gewährleistung von Aufstiegschancen, Altersstrukturen oder voraussehbaren Personalplanungen objektive Zulassungsvoraussetzungen auf.

I I I . Isolierte Zielbetrachtung Wie dargelegt, weist das Grundgesetz den Tarifvertragsparteien durch Art. 9 Abs. 3 die Aufgabe zu, „insbesondere Löhne und sonstige materielle Arbeitsbemerkt, die Rechtferigung einer strengen Trennung zwischen zwei Typen von Zulassungsbedingungen in Frage (a. a. O. S. 74). Siehe auch Rupp, AöR 92 (1967), S. 212 (234); Tettinger, AöR 108 (1983), S. 92 (118 ff.). 11 Zu allgemein deshalb Riedel, Berufsfreiheit, S. 120; Scholz, in: Maunz/Dürig/ Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 276. 12 Siehe sogleich unten III 2 a und BAGE 11, 278 (285 f.); Hanau, RdA 24 (26 f.); Riedel, Berufsfreiheit, S. 121; Schlüter / Belling, Anm. SAE 1979, 277 (278); dies., NZA 1988, 297 (302).

III. Isolierte Zielbetrachtung

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dingungen in einem von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme ... sinnvoll zu ordnen 13 ". Es räumt ihnen also im Rahmen ihrer Tarifautonomie prinzipielle Gestaltungsfreiheit in der Setzung und Verwirklichung ihrer tarifpolitischen Ziele ein. Die Tarifvertragsparteien sind deshalb im Rahmen ihrer Tarifautonomie befugt, in bezug auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, so wie sonst der staatliche Gesetzgeber, „Gemeinschaftsinteresssen " zu formulieren 14 . Ebenso wie der staatliche Gesetztgeber dürfen die Tarifvertragsparteien bei der Einschränkung von Grundrechten aber nicht jedes beliebige Ziel verfolgen. Es muß sich vielmehr um ein vor der Verfassung legitimes Ziel handeln. Die Vorstellungen und Ziele der Tarifvertragsparteien, die zur Erhebung bestimmter Interessen zu schutzwürdigen „Gemeinschaftsbelangen" geführt haben, dürfen nicht schon isoliert betrachtet fehlerhaft sein15. Sind sie schon für sich genommen fehlerhaft, ist die Tarifnorm unwirksam. Bei der Prüfung muß allerdings der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien beachtet werden; sie überschreiten diesen Gestaltungsspielraum nur, wenn ihre Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, daß sie als Grundlage einer Regelung ausscheiden16. Es hat somit zunächst eine Einzelanalyse des Zieles einer tarifvertraglichen Altersgrenzenregelung zu erfolgen. Eine Regelung kann dabei zum einen daran scheitern, daß sie eine Grundanschauung zum Ausgangspunkt hat, die verfassungsrechtlich nicht haltbar ist; die sie tragenden Erwägungen dürfen nicht mit Grundprinzipien oder Wertentscheidungen der Verfassung in Widerspruch stehen (Frage der Legitimität des Zieles) 11. Zum anderen dürfen die Tarifvertragsparteien nicht von unzutreffenden tatsächlichen Gegebenheiten ausgegangen sein; insbesondere müssen Gefahren, deren Abwehr eine Regelung dienen 13 BVerfGE 44, 322 (340 f.) - Allgemeinverbindlicherklärung. Siehe noch BVerfGE 4, 96 (106 f.); 18, 18 (26, 28); 20, 312 (317); 28, 295 (304); 38, 281 (306). 14 Siehe oben, 3. Kapitel, III A 4. Dabei können die Tarifvertragsparteien sich ζ. B. auch die Förderung von Teilen der Arbeitnehmer zum Ziel setzen, die als engere Allgemeinheit innerhalb der durch die Gesamtheit der Bürger gebildeten weiteren Allgemeinheit erscheinen. Siehe für den staatlichen Gesetzgeber Martens, Öffentlich, S. 188 f. und Schwerdtfeger, Mitbestimmung, S. 206 f. 15 Siehe für Regelungen des staatlichen Gesetzgebers BVerfGE 13, 97 (107 ff.) - Befähigungsnachweis; BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1988, NJW 1988, 1195 (1196) - Arbeitnehmerüberlassung. Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine isolierte Zielbetrachtung in st. Rspr. vor, siehe ζ. B. noch BVerfGE 30, 292 (316) - Mineralölbevorratung; 61,291 (312) - Tierpräparatoren. Siehe femer Martens, Öffentlich, S. 190; Meesen, JuS 1982, 397 (402 f.). 16 Für den staatlichen Gesetzgeber siehe zuletzt BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1988, NJW 1988, 1195 (1196). Für die Tarifvertragsparteien siehe Schwerdtfeger, Koalitionsfreiheit, 5. 39 ff. 17 Für gesetzliche Regelungen siehe BVerfGE 13, 97 (110 ff.) - Befähigungsnachweis; 30, 292 (316) - Mineralölbevorratung; BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1196) - Arbeitnehmerüberlassung.

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

soll, wirklich bestehen (Frage der richtigen Einschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten 1. Legitimität des Zieles Die Tarifvertragsparteien lassen sich bei der Normierung von Altersgrenzen von den unterschiedlichsten Zielen leiten 19 . Viele dieser Ziele erscheinen für sich genommen verfassungsrechtlich unbedenklich: So kann unbedenklich das Ziel verfolgt werden, die Leistungsfähigkeit von Betrieben, Unternehmen oder bestimmten Berufsbereichen zu gewährleisten oder deren Produktivität zu sichern. Ebenso unbedenklich ist es, wenn tarifvertragliche Altersgrenzen das Ziel verfolgen, Gefahren vorzubeugen, die anderen wegen der spezifischen Anforderungen bestimmter Berufe oder Arbeitsplätze (ζ. B. des Flugzeugführers oder Fahrers von Gefahrguttransporten) drohen, falls dort Menschen tätig sind, deren Leistungsfähigkeit herabgesetzt ist 20 . Ebensowenig kann es beanstandet werden, wenn die Tarifvertragsparteien - insbesondere am Vorruhestandsgesetz orientierte - Altersgrenzen mit dem Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit festsetzen. Auch gegen das Ziel, durch eine Altersgrenzenregelung zu gewährleisten, daß im Interesse der Arbeitgeberseite und jüngerer Arbeitnehmer Aufstiegsmöglichkeiten für Nachwuchskräfte innerhalb übersehbarer Zeiträume geschaffen werden oder das Ziel, einen bestimmten Altersaufbau der Unternehmen zu sichern, insbesondere eine Überalterung zu vermeiden 21, wird man, für sich genommen, nichts einwenden können. Gleiches gilt schließlich für den Aspekt der Ermöglichung einer vorausberechenbaren langfristigen Personalplanung 22. Ein gemeinsames Merkmal aller dieser Aspekte ist übrigens, daß sie einen Bezug zu Grundrechten anderer, nämlich Arbeitsuchender, jüngerer Arbeitnehmer, des Arbeitgebers oder einer durch leistungsfähigkeitsbedingte Fehler potentiell gefährdeten größeren Allgemeinheit, aufweisen. 18 Siehe BVerfGE 7, 377 (415 ff.) - Apotheken; 17, 269 (276 ff.) - Tierarzneimittelvertreter; BVerfG, Beschl. v. 6.10.1987, NJW 1988, 1195 (1196) - Arbeitnehmerüberlassung; Martens, Öffentlich, S. 191. Allerdings wird man den Tarifvertragsparteien, soweit es um die Einschätzung zukünftiger Entwicklungen geht, einen Beurteilungsspielraum zubilligen müssen, siehe BVerfGE, 30, 292 (317) - Mineralölbevorratung; BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1196) - Arbeitnehmerüberlassung (für den staatlichen Gesetzgeber). 19 Siehe 1. Kapitel, III 1 c. 20 Siehe nur BVerfGE 9, 338 (346) - Hebammen; 64,72 (82 f.) - Prüfingenieure. Dieser Gesichtspunkt klingt auch in den Flugzeugführer-Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts an, findet dort aber nicht entscheidende Berücksichtigung. Siehe Urt. v. 20. 12. 1984, AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I") und Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"). 21 Siehe zu diesen Zielen BAG, Urt. v. 25. 3. 1971, BAGE 23,257 (271 ff.) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"); BAG, DB 1988, 1501 (1502) „ Betriebs Vereinbarung". 22 Genannt in BAGE 23, 257 (272) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung").

III. Isolierte Zielbetrachtung

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Dagegen wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, allein aus Gründen der Vorhersehbarkeit oder Gleichmäßigkeit einer flächendeckenden Regelung oder zur Erleichterung der einheitlichen Durchführung von Versorgungsmaßnahmen Altersgrenzen für Berufe oder Arbeitsplätze zu errichten; schon für sich gesehen dürfte die Erhebung dieser Gründe zum Ausgangspunkt einer Altersgrenzenregelung den Grundprinzipien der Verfassung zuwiderlaufen. Es entspricht nicht der Auffassung des Grundgesetzes von der Stellung des einzelnen, ihn einer Beschränkung seiner Berufsfreiheit auszusetzen, weil dies einer Erleichterung der Handhabung dient. In aller Regel können derartige Gründe eine Beschränkung grundrechtlich garantierter Freiheit von vornherein nicht rechtfertigen 23. Dasselbe muß für den Gesichtspunkt gelten, daß eine bestimmte Altersgrenze üblich sei. Auch diesem Umstand kann für sich allein nicht das Prädikat „Gemeinwohlbelang" zukommen. Dies heißt nicht, daß die genannten Gründe ohne jede Bedeutung wären; erweist sich eine Altersgrenze vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips zur Erreichung eines legitimen Hauptziels als geeignet und erforderlich, können sie bei der Frage der Proportionalität der Ziel-Ergebnis-Relation das Abwägungsergebnis beeinflussen 24. 2. Richtige Einschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten Die Tarifvertragsparteien dürfen bei der Festsetzung einer Altersgrenze nicht von unzutreffenden tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen. Die bei der Schaffung einer Regelung angenommenen Gründe müssen wirklich bestehen. Ist dies nicht der Fall, ist die Einschränkung der Berufsfreiheit ohne weiteres grundgesetzwidrig 25. a) Anlaß zu näherer Prüfung besteht diesbezüglich vor allem bei Altersgrenzenregelungen zur Gewährleistung der Leistungsfähigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Hebammen-Entscheidung aus dem Jahre 1959 und in seiner Entscheidung über die in Schleswig-Holstein vorgesehene Altersgrenze für Prüfingenieure für Baustatik von 198326 zur Frage der altersbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit Stellung genommen. Es hat bei der Beurteilung der betreffenden Altersgrenzenregelungen, die beide auf die Vollendung 23 Gleichgültig, ob sie durch den Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien erfolgen. Vgl. BVerfGE 41, 378 (397) - Rechtsbeistände, zum Verbot, eine leichtere Kontrollierbarkeit als Grund einer Freiheitsbeschränkung anzusehen. Siehe aber auch BAGE 23, 257 (272) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („GesamtbetriebsVereinbarung"). 24 Näher unten V. 25 So hat das Bundesverfassungsgericht durch Einholung statistischer Daten ermittelt, welche Auswirkungen die Aufhebung des Verbotes haben würde, lebende Tiere per Nachnahme zu übersenden, siehe BVerfGE 36, 47 (61 f.). Siehe femer BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1196)-Arbeitnehmerüberlassung. 26 BVerfGE 9, 338 und BVerfGE 64, 72.

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

des 70. Lebensjahres abstellen, ausgeführt, daß sich in den Altersgrenzen des öffentlichen Dienstes und in sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen über den Beginn von Altersrenten eine allgemeine Auffassung niedergeschlagen habe, daß der Durchschnitt der Berufstätigen im siebten Lebensjahrzehnt eine Abnahme der Leistungsfähigkeit erfahre, die einen Einschnitt rechtlicher Art erlaube, ja unter Umständen fordere 27. Es hat seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung deshalb offenbar die Annahme zugrunde gelegt, jedenfalls am Ende des siebten Lebensjahrzehnts nehme die Leistungsfähigkeit nennenswert ab; allerdings wird diese Annahme in jenen Entscheidungen mit den besonderen Gefahren in Zusammenhang gebracht, die bei beiden Berufstätigkeiten im Falle eines Versagens wegen zu geringen Leistungsvermögens drohen 28. Das Bundesverwaltungsgericht 29 und erst kürzlich der Bundesgerichtshof 0 haben im Zusammenhang mit Altersgrenzen für Prüfingenieure bzw. Notare ausgeführt, mit 65 bzw. 60 Jahren begännen „erfahrungsgemäß" bzw. „nach allgemeiner Lebenserfahrung" die körperlichen und geistigen Kräfte erheblich nachzulassen31. Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts meinten, die berufliche Tätigkeit finde mit 65 Jahren im allgemeinen ihre „natürliche Grenze 32 ". In der Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist von einem „Erfahrungssatz" die Rede33. Beide Gerichtshöfe sehen die Frage der Leistungsfähigkeit allerdings, wie das Bundesverfassungsgericht, in engem Bezug zu den spezifischen Anforderungen des Berufs und zu potentiellen Gefahren für die Allgemeinheit im Falle eines beruflichen Versagens. Auch das Bundesarbeitsgericht hat erst kürzlich die Einschätzung geäußert, ältere Arbeitnehmer seien - „bei typischer Betrachtung" - häufig gesundheitlich weniger leistungsfähig 34 . aa) Dieser Sichtweise ist zuzustimmen, soweit die Frage des Abnehmens der Leistungsfähigkeit in fortgeschrittenem Alter in einen engen Zusammenhang mit den Anforderungen der betreffenden Berufstätigkeit gerückt wird. Es ist richtig, daß bestimmte Grenzen der Arbeitskraft Älterer auch jeweils nur in einer bestimmten Perspektive einen konkreten Nachteil oder eine konkrete Gefahr darstellen können. Wie vor allem schon Hanau 35, Schröder 36 und noch kürzlich erneut Schlüter und Belling 37 betont haben, kann die Frage der Leistungsfähig27

BVerfGE 9, 338 (346) - Hebammen; 64, 72 (82 f.) - Prüfingenieure. Siehe BVerfGE 9, 338 (347); 64, 72 (82 f.). Eine Gemeinsamkeit beider Fälle ist im übrigen die Nähe zur staatlichen Daseins Vorsorge bzw. die staatliche Gebundenheit der Berufstätigkeit. 29 BVerwG, Urt. v. 20. 11. 1959, DÖV 1960, 148 (149). 30 BGH, Beschl. v. 13. 10. 1986, DNotZ, 1988, 124 = NJW 1987, 1329. 31 BVerwG, DÖV 1960, 148 (149) bzw. BGH, DNotZ 1988, 124 (126, 127). 32 BVerwG, DÖV 1960, 148 (149 r. Sp.). 33 BGH, DNotZ 1988, 124 (128). 34 BAG, Beschl. v. 18. 8. 1987, NZA 1988, 779 (785). 35 Hanau, RdA 1976, 24 (29 f.). 36 Schröder, Altersgrenzen, S. 190 ff. 28

III. Isolierte Zielbetrachtung

129

keit nicht losgelöst von den Anforderungen des jeweiligen Berufs bzw. der Berufstätigkeit am jeweiligen Arbeitsplatz gesehen werden. Leistungsfähigkeit und Abnahme von Leistungsfähigkeit lassen sich nur zutreffend beschreiben, wenn man sie vor dem Hintergrund der in dem betreffenden Beruf oder an einem bestimmten Arbeitsplatz geforderten Arbeitsleistung betrachtet. Vielfach handelt es sich bei den dort geforderten Leistungen lediglich um Ausschnitte oder Aspekte des Leistungsvermögens, die von einem in fortgeschrittenem Alter sichtbar werdenden Nachlassen bestimmter Leistungsmöglichkeiten ganz unterschiedlich betroffen sein können. Es muß deshalb jeweils untersucht werden, welche Eigenschaften oder Fähigkeiten an den von einer tarifvertraglichen Altersgrenzenregelung betroffenen Arbeitsplätzen gefordert sind und inwieweit gerade diese von einem Nachlassen bestimmter körperlicher oder geistiger Leistungsmöglichkeiten beeinflußt sein können. Dies läßt von vornherein nur differenzierte Regelungen zur Sicherung der Leistungsfähigkeit und zur Vorbeugung gegen leistungsfähigkeitsbedingte Fehler bei der Berufstätigkeit zu. Wie verschieden dabei die wechselseitige Beziehung zwischen geforderter Leistung und „typischerweise altersbedingter" Verringerung des Leistungsvermögens ausfallen kann, zeigen so unterschiedliche Berufstätigkeiten wie die eines Orchestermusikers, Archivars, Bergmanns, Masseurs, Buchhändlers oder Pförtners, die jeweils Anforderungen an bestimmte und unterschiedliche Aspekte des Leistungsvermögens stellen. Allerdings gibt es Berufstätigkeiten, die ein möglichst gutes Allgemeinbefinden zur Voraussetzung haben38. Dies ist ζ. B. bei den besonders harten Arbeiten der Bergleute unter Tage oder der Hüttenarbeiter beim Hochofenabstich, aber auch bei vielen nicht körperlich-muskulären, sondern vorwiegend sinnlich-nervlich anstrengenden Tätigkeiten, ζ. B. der des Flugzeugführers, der Fall. So wird beispielsweise ein „allgemein" nachlassendes Leistungsvermögen bei Flugzeugführern wegen der Struktur und des Schwerpunktes ihrer Arbeitsbelastung immer zugleich auch Auswirkungen auf die an sie gerichteten spezifischen Anforderungen, haben, während dies bei einem Buchhändler oder einem Orchestermusiker nicht der Fall sein muß, bei denen sich nicht sagen läßt, daß die an deren Berufstätigkeit gestellten spezifischen Anforderungen bei einem insgesamt in normalem Maß nachlassenden Leistungsvermögen nicht mehr erfüllt werden können. bb) Dieser Sichtweise kann dagegen nicht gefolgt werden, soweit sie ohne weiteres von der Annahme einer signifikanten generellen Abnahme der Leistungsfähigkeit jenseits des 60. Lebensjahres ausgeht und sich hierfür auf eine „allgemeine Auffassung" beruft 39 . 37

Schlüter ! Belling, NZA 1988, 297 (302 f.). Siehe schon dies., Anm. zu BAG, Beschl. v. 18. 7. 1978, SAE 1979, 277 (278 f.). 38 Das sie aber auch oft in besonderem Maße verausgaben. 39 Ebenso Hanau, RdA 1976, 24 (26 f.); Riedel, Berufsfreiheit, S. 121; Schlüter / Belling, Anm. SAE 1979, 277 (278); dies., NZA 1988, 297 (302 f.). 9 Waltermann

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

Wie schon gesagt, berührt die Auseinandersetzung mit dem Alter und dem Älterwerden meist auch die Frage nach den Leistungspotentialen älterer Menschen40. Die „Defizit-These" liefert in unserer Gesellschaft eine wichtige Begründung für die Ausgliederung Älterer allgemein, insbesondere aber älterer Arbeitnehmer aus den Betrieben. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit darf aber weder auf eine „allgemeine Auffassung 41 ", noch auf eine nicht näher belegte „allgemeine Lebenserfahrung 42" abgestellt oder ohne weiteres eine „typische Betrachtung 43" vorgenommen werden. Es müssen vielmehr die Erkenntnisse der Aiternsforschung und der Arbeitswissenschaft berücksichtigt werden, die seit vielen Jahren die Auswirkungen des Alterns auf die Leistungsfähigkeit sowie auf Arbeitsprozesse untersuchen 44. Es soll nicht übersehen werden, daß abstrakt-generelle Altersgrenzenregelungen durch Tarifvertrag ohne eine Typisierung nicht auskommen. Die Allgemeinheit des Tarifvertrages macht ein gewisses Maß an Typisierung unumgänglich. Aber es darf bei der Regelung bzw. Überprüfung tarifvertraglicher Altersgrenzen nicht vorschnell und ungeprüft von einem signifikanten generellen Nachlassen der Leistungsmöglichkeiten Älterer, etwa über 60jähriger, ausgegangen werden. Bei der rechtlichen Beurteilung von Altersgrenzenregelungen zur Sicherung der Leistungsfähigkeit und zur Vorbeugung gegen Gefahren durch eine Berufsätigkeit bei verminderter Leistungsmöglichkeit müssen die in der Aiternsforschung gewonnenen Erkenntnisse Berücksichtigung finden 45. Sie gehen in neuerer Zeit 40

Siehe auch Schachtner, Störfall Alter, S. 17. So aber BVerfGE 9, 338 (346) - Hebammen; 64, 72 (82 f.) - Prüfingenieure. 42 BVerwG, DÖV 1960, 148 (149); BGH, DNotZ 1988, 124 (126, 127 f.). 43 BAG, NZA 1988, 779 (785). 44 Siehe Lehr, Psychologie, S. 163 ff.; dies., Situation, S. 124 ff. Einen Überblick über die in der Gerontologie diskutierten Modelle des Altems gibt Olbrich, Zeitschrift für Gerontologie 1987, 319 ff. Zusammengefaßt gehen die Ansätze in folgende Richtungen: Das sog. Defizit-Modell sieht den alternden Menschen als eine Art Mechanismus, der mit zunehmendem Alter mehr und mehr Defekte in körperlicher, psychischer und sozialer Hinsicht aufweist. Das sog. Disuse-Modell hebt hervor, daß der Gebrauch körperlicher und auch psychischer und sozialer Funktionen den Alternsprozeß maßgeblich bestimmt, der Prozeß des Altems somit nicht schicksalhaft abläuft, sondern durch Aktivität beeinflußt werden kann. Das sog. Kompetenz-Modell strebt, weitergehend, eine qualitative Beschreibung der Funktionen an, die den Vergleich körperlicher, psychischer und sozialer Funktionen im Alter mit den Werten Jüngerer zurückstellt. Das Verhalten im Alter wird vor dem Hintergrund der spezifischen Möglichkeiten des Lebensabschnitts ,Alter* gesehen, wie es ja auch in anderen Abschnitten der Biographie geschieht. 45 Zutreffend deshalb BAG, Urt. v. 28. 9. 1961, BAGE 11,278 (285) = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung: „Die Erreichung des 65. Lebensjahres ist für sich allein betrachtet kein „in der Person des Arbeitnehmers" liegender Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ... Auch kann nicht etwa die Erreichung des 65. Lebensjahres als Fiktion, ja nicht einmal als Vermutung des Eintritts einer in so hohem Maße beschränkten Arbeitsfähigkeit - zumindest nicht in der Büroarbeit - angesehen werden, daß der Arbeitgeber des Beweises eines Kündigungsgrundes enthoben wäre oder daß die Beweislast für eine den Erfordernissen des Betriebes noch entsprechende Leistungsfähigkeit den Arbeitnehmer treffen müßte. Denn zutreffend spricht das LAG es aus, daß die Frage des Altems 41

III. Isolierte Zielbetrachtung

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zunehmend dahin, daß jenseits des 60. Lebensjahres die im Arbeitsleben erforderlichen Leistungsmöglichkeiten eben nicht „typischerweise altersbedingt" nachlassen, ein höheres Lebensalter für sich genommen also nicht gleichsam automatisch mit einem nennenswerten generellen Absinken des beruflichen Leistungsvermögens einhergeht 46. Das Lebensalter des einzelnen ist nach inzwischen verbreiteter Aufassung nur ein Umstand unter mehreren, die für die berufliche Leistungsfähigkeit bestimmend sind 47 . Wohl führt zunehmendes Lebensalter als solches anerkanntermaßen generell zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit. Diese setzt aber schon früh im Erwachsenenalter ein, und das Leistungsvermögen bleibt verbreiteter Auffassung nach auch in vorgerücktem Alter insgesamt hoch. Altersbedingtes Nachlassen betrifft außerdem die jeweiligen Fähigkeiten anerkanntermaßen unterschiedlich 48. Andere Umstände wie vor allem die Bedingungen der Berufstätigkeit, ihre physischen und psychischen Anforderungen und Auswirkungen, aber ebenso Lebensumstände aus dem persönlichen Bereich und allgemeines gesundheitliches Befinden sind neueren Erkenntnissen zufolge vielfach stärker bestimmend als die Anzahl der Lebensjahre des einzelnen 49 . Danach wird in erster Linie die Biographie des einzelnen darüber Aufschluß geben, ob und in welchem Umfang Leistungsminderungen in fortschreitendem Alter auftreten, wobei nicht übersehen werden kann, daß sich in Krank-

nicht allein eine Frage des Lebensalters ist. Das deckt sich mit den Ergebnissen der Altersmedizin und aller anderen Zweige der Wissenschaft, die sich mit dem alternden Menschen befaßt haben.... Daß mit diesem Zeitpunkt in der Regel die Altersversorgung einsetzt, ist kein genügender Grund, um die Kündigung schematisch zu rechtfertigen." Siehe aus dem Schrifttum Hanau, RdA 1976, 24 (26 f.) und Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (302 f.). Eine Zusammenstellung von Ergebnissen der Aiternsforschung gibt Schröder, Altersgrenzen, S. 44 ff. 46 Viele biologische, physiologische und psychologische Studien stellen nur geringe Beeinträchtigungen der psycho-physischen Fähigkeiten Älterer fest. Siehe ζ. B. de Beauvoir , Das Alter, S. 194 ff. m. Nachw.; Lehr, Psychologie, S. 163 ff. m. zahlr. Nachw.; Olbrich, Altern, S. 123 ff. Neueren Untersuchungen nach ist insbesondere die Variationsbreite der Leistungsfähigkeit unter Gleichaltrigen oft größer als bei Männern und Frauen verschiedener Generationen. Das chronologische und das biologische Alter stimmen danach nicht ohne weiteres überein. Das „Defizit-Modell" des Alterns muß verbreiteter Überzeugung nach durch ein „Kompetenz-Modell " des Alterns ersetzt werden. Eine Zusammenstellung hierfür sprechender Forschungsergebnisse findet sich ζ. B. bei Thomae / Lehr, Leistungsfähigkeit, (durchgehend); Olbrich, Zeitschrift für Gerontologie 1987, S. 319 (324 f.). Hierbei ist auch zu bedenken, daß Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Körperkraft erfordern, beständig abnehmen und durch Tätigkeiten ersetzt werden, die geistige Funktionen beanspruchen. Diese sind aber mehr von Ausbildung und Training als vom Lebensalter abhängig. Vgl. Riley, The Gerontologist 1982, S. 103. 47 Siehe Lehr, Psychologie, S. 60 ff., 84 ff., 163 ff. 48 Siehe hierzu den Überblick von Fischer, Ältere Mitarbeiter, S. 75 (80 ff.). Eingehend//. Scholz, Arbeitsphysiologie, S. 85 ff.; ders., Wechselbeziehungen, S. 9 ff. 49 Siehe zum ganzen Lehr, Psychologie, S. 60 ff., 84 ff.; Rudinger, Intelligenz, insbes. S. 109 ff. Ein generelles Absinken der Produktivität älterer Menschen hat sich dementsprechend in zahlreichen neueren Studien nicht feststellen lassen. Vgl. die Zusammenstellung bei Lehr, a.a.O. S. 169 ff. 9*

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

heiten vielfach Gesundheitsrisiken realisieren, die Berufstätigkeiten mit sich bringen 50. Es bedarf also einer wesentlich differenzierteren Betrachtungsweise, als sie die Rechtsprechung nach wie vor vornimmt. Altersgrenzen zur Sicherung der Leistungsfähigkeit bzw. zur Vorbeugung gegen Gefahren durch eine Berufstätigkeit bei vermindertem Leistungsvermögen können von vornherein keinen Bestand haben, wenn nicht ein Nachlassen der Leistungsfähigkeit des Durchschnitts der betroffenen Arbeitnehmer jenseits der Altersgrenze belegt werden kann, wobei aiternswissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden müssen. Nur dann rechtfertigen, auch bei potentiell gefährlichen Berufstätigkeiten, Tatsachen ein Wahrscheinlichkeitsurteil dahin, bei Fortsetzung der Berufstätigkeit über die Altersgrenze hinaus könnten Schäden an Rechtsgütern eintreten, da eine Verminderung des Leistungsvermögens den Durchschnitt der betroffenen Arbeitnehmer wahrscheinlich daran hindern werde, die Anforderungen des jeweiligen Berufs oder des jeweiligen Arbeitsplatzes befriedigend erfüllen zu können. b) Auch tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen mit anderen Zielsetzungen, wie zum Beispiel der Beeinflussung von Altersstruktur, Aufstiegschancen und Personalplanungen, müssen von vornherein scheitern, wenn eine problematische Altersstruktur, längerfristig besetzte Beförderungsstellen oder nennenswerte Unwägbarkeiten bei der Personalplanung nicht belegt werden können51. Einschätzungen wie diese müssen auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen, wobei den Tarifvertragsparteien jedoch ein Prognosespielraum zukommt und sachbereichstypische Ungewißheiten akzeptiert werden müssen52. So genügt es ζ. B. nicht wie das Bundesarbeitsgericht in seinen Entscheidungen vom 21. 3. 1971 und 20. 11. 198753 ohne weiteres von einem durch die feste Altersgrenze „erreichbaren vernünftigen Altersaufbau" einer Belegschaft auszugehen. Sicherlich können, wie es dort heißt, „mindestens einige Arbeitnehmer... mit Recht erwarten, daß ihnen Aufstiegsmöglichkeiten durch das Freiwerden von Stellen innerhalb bestimmbarer Zeiträume eröffnet werden." Auch das Interesse der Arbeitgeberseite an einer Vorausberechenbarkeit der Personalplanung ist nicht von der Hand zu weisen. Die Einschätzung aber, daß es im Geltungsbereich eines Tarifvertrages zu Beförderungsengpässen kommen werde, muß belegt werden tonnen, und Schwierigkeiten bei der betrieblichen Personalplanung dürfen nicht einfach unterstellt werden 54. Auch muß Berücksichtigung finden, ob angesichts 50

Näher hierzu Ockenga, Ältere Arbeitnehmer, S. 71 f. m. Nachw. Vgl. Hanau, RdA 1976, 24 (27 f.). 52 Näher Meesen, JuS 1982, 397 (403 f.). 53 BAGE 23,257 (271 f.) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"); DB 1988, 1501 (1502) - „Betriebsvereinbarung". 54 Eingehend hierzu Hanau, RdA 1976, 24 (27 f.). Zumindest ebenso große Probleme dürften auf die Personalplaner zukommen, falls Formen der Arbeitsgestaltung wie Teilzeitarbeit oder jobsharing Verbreitung finden sollten. 51

IV. Geeignetheit des Mittels und Erforderlichkeit seiner Anwendung

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der zu erwartenden geringen Zahl derjenigen älteren Arbeitnehmer, die jenseits der Altersgrenze weiterarbeiten wollen, überhaupt die Errichtung einer entsprechenden Altersgrenze geboten ist 55 . Wie Hanau 56 näher ausgeführt hat, zeigten die Erfahrungen mit der flexiblen Altersgrenze, was Personalplanungen angeht, schon 1976, daß es auch ohne eine feste Altersgrenze kaum zu nennenswerten Schwierigkeiten bei der Personalplanung kommen sollte. Was Altersgrenzenregelungen zur Entlastung des Arbeitsmarktes angeht, ist wiederum von Bedeutung, wie groß die Zahl der Älteren ist, die in fortgeschrittenem Alter weiterarbeiten wollen.

IV. Geeignetheit des Mittels und Erforderlichkeit seiner Anwendung Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, im Bereich der Berufsfreiheit ergänzt durch die Bewertungsmaßstäbe der Stufentheorie, verlangt weiter, daß die jeweilige tarifvertragliche Altersgrenzenregelung zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist. Dieses Erfordernis gilt für Regelungen der Berufs- und Arbeitsplatzwahl ebenso wie für Regelungen der Berufsausübung 57.

1. Eignung Maßnahmen, die in Freiheitsrechte eingreifen, dürfen nur ergriffen werden, wenn sie zur Verwirklichung des angestrebten Zieles geeignet sind 58 . Eignung ist gegeben, wenn mit Hilfe des Mittels der gewünschte Erfolg gefördert werden kann 59 . Bei der Überprüfung muß beachtet werden, daß den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie, ähnlich wie sonst dem Gesetzgeber60, auch insoweit ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommt.

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Schlüter und Belling weisen darauf hin, daß ältere Arbeitnehmer über die gegenwärtigen Altersgrenzen hinaus den Arbeitsmarkt kaum wesentlich belasten, siehe NZA 1988, 297 (303). 56 Hanau, RdA 1976, 24 (27 f.). 57 Siehe ζ. B. BVerfGE 13, 97 (113 ff.) - Befähigungsnachweis; 30, 292 (315 ff.) Mineralölbevorratung; 61, 291 (312) - Tierpräparatoren. Zusammenfassend Erichsen, Jura 1980, 551 (555 ff.). 58 Siehe nur BVerfGE 30, 292 (315 f.) - Mineralölbevorratung; 61, 291 (312 ff.) Tierpräparatoren. 59 BVerfGE 30, 292 (316) - Mineralölbevorratung; 40, 196 (222) - Güterfernverkehr. 60 Siehe BVerfGE 30, 292 (317); 61, 291 (313 f.): „Das BVerfG hat bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung nur nachzuprüfen, ob das eingesetzte Mittel »objektiv tauglich oder ungeeignet' oder »schlechthin ungeeignet' ist."

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

a) Regelungen zur Sicherung des Leistungsstandes Die generelle Geeignetheit tarifvertraglicher Altersgrenzen zur Gewährleistung der Leistungsfähigkeit bzw. Produktivität von Betrieben und Unternehmen oder zur Vorbeugung gegen Gefahren für die Allgemeinheit durch leistungsfähigkeitsbedingt potentiell unsachgemäße Berufstätigkeit läßt sich nicht bezweifeln. Neueren Erkenntnissen zufolge ist das Nachlassen der „beruflichen" Leistungsfähigkeit zwar individuell verschieden und keinesfalls typisches Kennzeichen von Menschen ab dem sechsten Jahrzehnt ihres Lebens. Aber es läßt sich nicht sagen, die Festsetzung einer Altersgrenze, ζ. B. auf das 65. Lebensjahr, sei zur Erreichung des Zieles „schlechthin ungeeignet". b) Beschäftigungspolitisch motivierte Regelungen und Regelungen zur Beeinflussung von Altersstruktur, Aufstiegschancen und Personalplanungen aa) Gleiches gilt für Altersgrenzenregelungen mit dem Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Allerdings gehen die Meinungen über die beschäftigungspolitische Wirksamkeit einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit im Bereich der abhängigen Arbeit auseinander61. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, daß beschäftigungspolitisch motivierte Altersgrenzenregelungen zumindest mit zu einer Entlastung des Arbeitsmarktes 62 beitragen können. Allerdings hat insoweit wesentliche Bedeutung, wie frühzeitig die Altersgrenze angesetzt wird. Da nur wenige Arbeitnehmer nach dem Erreichen der Rentenberechtigung von der Möglichkeit weiterzuarbeiten Gebrauch machen, bestehen um so mehr Zweifel an der Eignung einer generellen Altersgrenze zur Entlastung des Arbeitsmarktes, je später die Altersgrenze eingreift 63 . bb) Die Eignung einer tarifvertraglichen Altersgrenzenregelung zur Gewährleistung von Aufstiegschancen für Jüngere, zur Beeinflussung der Altersstruktur oder im Interesse einer langfristigen Ausrichtung der Personalplanung ist offensichtlich. Mit dem Erreichen der Altersgrenze enden die betreffenden Arbeitsverhältnisse automatisch. Damit ist die Möglichkeit einer Zuweisung der frei gewordenen Arbeitsplätze an Jüngere eröffnet und eine „Überalterung" der Belegschaft nicht zu befürchten; die Voraussehbarkeit des jeweiligen Endzeitpunktes ermöglicht längerfristig angelegte Personalplanungen und erleichtert die Organisation von Versorgungsmaßnahmen.

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Außerhalb des Bereichs der abhängigen Arbeit dürfte der Beschäftigungseffekt, zumindest partiell, günstiger ausfallen. 62 Nicht dagegen zur Verringerung des Beschäftigungsproblems. 63 Siehe auch Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (303).

IV. Geeignetheit des Mittels und Erforderlichkeit seiner Anwendung

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2. Erforderlichkeit Der Grundsatz der Erforderlichkeit verlangt, daß von mehreren geeigneten Mitteln stets dasjenige auszuwählen ist, das den einzelnen am wenigsten beeinträchtigt 64 . Bei der Überprüfung von Altersgrenzenregelungen muß also gefragt werden, ob die Tarifvertragsparteien nicht „ein anderes gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätten wählen können 65 ". Für den Bereich der Berufsfreiheit präzisiert die Stufentheorie dies dahin, daß ein Eingriff auf einer höheren Stufe nur verhältnismäßig ist, wenn sein Zweck nicht ebensogut durch einen Eingriff auf einer niedrigeren Stufe erreicht werden kann 66 . a) Regelungen zur Sicherung des Leistungsstandes Ob die Aufstellung einer generalisierenden Vermutung erforderlich ist, um Nachteilen durch fehlende Leistungsfähigkeit Älterer (wie ζ. B. Gefahren für die Allgemeinheit oder Produktivitätsverlusten) entgegenzuwirken, hängt davon ab, ob sich im Einzelfall der jeweiligen tarifvertraglichen Regelung feststellen läßt, daß die Sicherung vor Gefahren oder Nachteilen eine so einschneidende Regelung der Berufsfreiheit wie die generelle Altersgrenze notwendig macht. Dabei erlangen die Umstände des jeweiligen Arbeitsplatzes oder Berufs besondere Bedeutung. Anhaltspunkte für die Prüfung gibt auch hier die Hebammen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 67. Dort hat das Gericht auf die Größe der bei der Berufstätigkeit der Hebammen bestehenden Gefahren abgestellt und aus ihr hohe Anforderungen an deren körperliche und geistige Leistungsfähigkeit abgeleitet; das gegenüber der generellen Altersgrenze mildere Mittel eines Nachweises mangelnder Leistungsfähigkeit im jeweiligen Einzelfall hat es für Hebammen nicht als vorrangig angesehen68. Für tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen zu dem Zweck, die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit zu sichern, ist dementsprechend - neben dem erforderlichen Nachweis einer typischerweise herabgesetzten Leistungsfähigkeit 69 - zu belegen, daß der auf zutref64

Siehe BVerfGE 30, 292 (316) - Mineralölbevorratung. Vgl. BVerfGE 30, 292 (316) - Mineralölbevorratung; 61, 291 (314 f.) - Tierpräparatoren; Beschl. v. 6. 10. 1987, NJW 1988, 1195 (1197)-Arbeitnehmerüberlassung. 66 Eingehend BVerfGE 7, 377 (408, 410) - Apotheken. Die Fortentwicklung der Rechtsprechung hat aber gezeigt, daß ein Eingriff auf niedrigerer Stufe u. U. intensiver sein kann als ein Eingriff auf höherer Stufe. Siehe z. B. BVerfGE 11, 30 (44) - Kassenarztzulassung und zuletzt BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1988, 1195 (1196) - Arbeitnehmerüberlassung. 67 Vgl. BVerfGE 9, 338 (346 f.). 68 A.a.O., S. 347 f. Allerdings ist zu bemerken, daß das Bundesverfassungsgericht den Beruf der Hebamme wegen deren besonderer Pflichtenstellung den staatlich gebundenen Berufen zuordnet (S. 350 f.). Näher Tettinger, NJW 1987, 294 f. Vgl. für Prüfstatiker BVerfGE 64, 72 (84 f.). 69 Siehe oben III 2 a. 65

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

fender Prognose beruhenden Gefährlichkeit bzw. den drohenden Nachteilen nicht durch andere gleich wirksame aber weniger einschneidende Maßnahmen als die in der Altersgrenze liegende generalisierende Vermutung begegnet werden kann. Die Prüfungsweise läßt sich am Beispiel der für Flugzeugführer typischen tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen 70 anschaulich machen: Unterstellt, es könnte davon ausgegangen werden, daß Flugzeugführer nach dem 55. Lebensjahr durchschnittlich eine Abnahme ihrer Leistungsfähigkeit in einer Weise und in einem Maße erfahren, die eine Beschränkung ihrer Berufstätigkeit nahelegt, müßte dafür, ob die Festsetzung einer generellen Altersgrenze erforderlich ist, geprüft werden, ob und gegebenenfalls welche „ernsthaften Alternativen 71 " gegenüber der generellen Beendigung der Arbeitsverhältnisse bestehen72. Ließe sich den Gefahren für die Allgemeinheit ebensogut auch durch Regelungen begegnen, die die Berufsausübung am Arbeitsplatz betreffen (z. B. Regelung der Länge der Arbeitszeit im Cockpit oder der Flughäufigkeit) oder die Freiheit der Arbeitsplatz- bzw. Berufswahl immerhin weniger einschneidend berühren (z. B. Beschränkung auf leistungsmäßig weniger anspruchsvolle Flugzeugmuster), müßten diese Maßnahmen der generellen Altersgrenze zwingend vorgezogen werden. Insoweit hätte außerdem, wenigstens zusätzliches, Gewicht, ob nicht durch regelmäßige ärztliche Untersuchungen in kürzeren Abständen und durch Überprüfung der Flugtauglichkeit - z. B. durch Prüfflüge - eine Kontrolle der individuellen Leistungsfähigkeit gewährleistet werden könnte. Könnte durch diese Maßnahmen, allein oder zusammen, Gefahren oder Nachteilen genauso wirksam vorgebeugt werden, wären sie als weniger einschneidende Beschränkungen vorrangig. Soweit eine naheliegende Alternative allerdings die Grundrechte der Arbeitgeberseite betrifft 73 , müssen diese bei der Beurteilung der Alternative berücksichtigt werden. Im Flugzeugführer-Beispiel hätte insoweit Bedeutung, welche Organisationsprobleme auf die Fluggesellschaften zukämen, falls eine geeignete Alternative praktisch würde. Die strikte Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und seines Grundsatzes der Erforderlichkeit macht auch deutlich, daß gegenüber den ganz üblichen, auf das 65. bzw. 63. Lebensjahr abgestellten generellen Altersgrenzenrege70 Siehe § 47 MTV Bordpersonal LTU vom 1. 1. 1980 und § 19 MTV Nr. 3 Bordpersonal Deutsche Lufthansa AG und Condor Flugdienst GmbH vom 8. 4. 1980 i. d. F. des § 18 TV Schutzabkommen Bord. Dazu Belling, Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 R.). 71 Siehe BVerfGE 61, 291 (315) - Tierpräparatoren. 72 Dem entspricht die gesellschaftspolitische Forderung nach einem leistungsgerechten Einsatz Älterer, anstatt sie aus dem Arbeitsleben zu entfernen. Vgl. die Übersicht von Lehr, Ältere Mitarbeiter, S. 28 ff., insbes. S. 32. 73 Wie gesagt, ist die potentielle Betroffenheit mehrerer Grundrechtssphären bezeichnend für den Bereich der abhängigen Arbeit. Siehe oben, 1. Kapitel , IV 2 b bb (3). Näher zu den Grundrechten des Arbeitgebers sogleich.

IV. Geeignetheit des Mittels und Erforderlichkeit seiner Anwendung

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lungen Bedenken erhoben werden müssen: Ist ihr Ziel ζ. B. die Erhaltung der Leistungsfähigkeit, und steht fest, daß die geforderte Leistungsfähigkeit jenseits des 65 bzw. 63 Lebensjahres nachläßt, ferner, daß dieses Nachlassen Auswirkungen auf die betreffende Berufstätigkeit an dem betreffenden Arbeitsplatz hat, wird die genauere Prüfung im Regelfall geeignete und die grundrechtliche Freiheit weniger beeinträchtigende Alternativen zu Tage fördern. Hier gewinnen insbesondere Umstände Bedeutung, die sich aus den jeweiligen Besonderheiten der betreffenden Arbeitsplätze oder Berufe ergeben. Die übliche Typisierung durch flächendeckende tarifvertragliche Regelungen ist deshalb bedenklich. Auch werden Grundrechte des Arbeitgebers, die bei der Beurteilung der Eignung von Alternativen zu berücksichtigen sind, bei der verhältnismäßigen Zuordnung zu den Grundrechten der freien Arbeitsplatzwahl bzw. der freien Berufswahl der älteren Arbeitnehmer regelmäßig nicht als höherwertig anzusehen sein: Was die Berufsfreiheit des Arbeitgebers angeht, ist nämlich nur der Ausübungsaspekt betroffen 74 , und Art. 14 GG kann, sollte er überhaupt eingreifen 75, um so eher beschränkt werden, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht76. Auch für den Arbeitgeber unbequeme Alternativen können also der Erforderlichkeit einer auf das 65. oder 63. Lebensjahr abgestellten (flächendeckenden) generellen Altersgrenze, die den Arbeitsplatz- bzw. Berufswahlaspekt der älteren Arbeitnehmer betrifft, entgegenstehen; die Frage, ob darüber hinaus auch die Relation zwischen Ziel und Eingriff angemessen ist (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne), hat dann nur zweitrangig Bedeutung. b) Beschäftigungspolitisch

motivierte Regelungen

Die Erforderlichkeit tarifvertraglicher genereller Altersgrenzen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Verkürzung der Lebensarbeitszeit) wird sich, soweit nicht ein e freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes vorgesehen ist, kaum jemals begründen lassen77. Es lassen sich in aller Regel Alternativen finden, die der Maßnahme, über 60- oder auch 65jährige von ihren Arbeitsplätzen zu verdrängen, als ebenfalls tauglich aber weniger einschneidend vorzuziehen sind. Dazu gehören auch beschäftigungs- und sozialpolitische Maßnahmen des staatlichen Gesetzgebers zur Herbeiführung einer Vollbeschäftigung oder zur Sicherung der Arbeits74 Vgl. BVerfGE 50, 290 (364 f.) - Mitbestimmung; BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Beschl. v. 18. 12. 1985, NJW 1986, 1601. Der Arbeitgeber kann seine Berufsausübungsfreiheit nur mit Hilfe der Arbeitnehmer wahrnehmen, die ebenfalls Träger des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG sind. 75 Siehe BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Beschl. v. 18. 12. 1985, NJW 1986, 1601. 76 Siehe nur BVerfGE 37, 132 (140) - Mieterhöhung; 50, 290 (340 f.) - Mitbestimmung; 68, 361 (367 f.) - Eigenbedarfskündigung. 77 Sie werden deshalb zu Recht allgemein für unverhältnismäßig gehalten, siehe Belling, Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 R.); Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (303); Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 276; Tettinger, NJW 1987, 294 (299); Wendt, DOV 1984, 601 (607).

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

platze78. Dies beachten die derzeit üblichen tarifvertraglichen Regelungen zur Lebensarbeitszeitverkürzung nach dem Vorruhestandsgesetz 79, die die Möglichkeit einer freiwilligen Aufgabe des Arbeitsplatzes eröffnen und hierfür Anreize geben. Aus rechtlicher Sicht gesehen ist dies der richtige Weg, weil er die Freiheit des einzelnen achtet. Eine andere Frage ist die, ob die darin liegende Option der Nichtbeteiligung am Arbeitsleben einen unfairen Druck auf die Älteren ausübt 80 und ob nicht die Lösung eines gesellschaftlichen Problems unternommen wird, indem man ein anderes schafft, dessen langfristige Auswirkungen nicht als beherrscht angesehen werden können.

c) Regelungen zur Beeinflussung von Altersstruktur, Aufstiegschancen und Personalplanungen Ob die Schaffung von Aufstiegschancen, die Beeinflussung der Altersstruktur, insoweit vor allem die Vermeidung einer Überalterung der Belegschaft, und Gesichtspunkte einer vorausberechenbaren langfristigen Personalplanung, die das Bundesarbeitsgericht für unbedenklich hält 81 , den in einer tarifvertraglichen generellen Altersgrenze liegenden Eingriff in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl oder der Berufswahl erforderlich machen können, muß bezweifelt werden. Eine flächendeckende, starre generelle Altersgrenze durch Tarifvertrag scheidet als mildestes Mittel zur Verwirklichung der genannten Ziele, jedenfalls regelmäßig, aus. Flächendeckende Zwangspensionierungen durch Tarifverträge machen die Personalplanung zwar besonders einfach; vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips müssen ihnen aber Vereinbarungen im Einzelfall über eine freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes vorgezogen werden. Tarifverträge können hierfür Rahmenregelungen schaffen. Auch Aufstiegschancen, wie überhaupt die Altersstruktur, lassen sich vorausschauend und zuverlässig beeinflussen, wenn tarifvertragliche /faÄmewregelungen eine selbstbestimmte Festlegung des Ausscheidens unterstützen, Arbeitgeber und gegebenenfalls der Betriebsrat im 78

Hier darf nicht etwa allein auf Alternativen abgestellt werden, die von den Tarif vertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie geregelt werden können. Die den Tarifvertragsparteien im öffentlichen Interesse (siehe BVerfGE 44,322 (340) - Allgemeinverbindlicherklärung) übertragenen Aufgaben müssen in das Ganze staatlicher Aufgaben eingebettet gesehen werden. 79 Das deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Die Zuschußfähigkeit von Vorruhestandsleistungen setzt zwar eine tarifvertragliche oder ähnliche Abrede voraus; das einzelne Arbeitsverhältnis muß aber durch Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geendet haben (siehe § 2 Abs. 1 Nr. 3 VRG). 80 Dazu näher 1. Kapitel, Fn. 26, und die Nachweise dort. 81 Siehe im einzelnen BAG, Urt. v. 25. 3. 1971, BAGE 23, 257 (271 f.) = AP Nr. 5 zu §57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"); BAG, Urt. v. 20. 11. 1987, DB 1988, 1501 (1502) -„BetriebsVereinbarung". Zu diesen Gesichtspunkten auch Benda, Industrielle Herrschaft, S. 547; Zöllner, Anm. zu BAG, Urt. v. 28. 9. 1961, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1951 Personenbedingte Kündigung.

V. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Proportionalität)

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übrigen aber im Einzelfall auf den Arbeitnehmer zugehen. Bedenkt man, daß viele Arbeitnehmer ohnehin von vornherein einen frühzeitigen Ruhestand anstreben, sobald sie zum Bezug von Altersruhegeld berechtigt sind 82 , die Zahl derjenigen, die weiterarbeiten wollen, dementsprechend gering ist, lassen sich verschiedene Alternativen denken, die das Grundrecht der Berufsfreiheit der Älteren weniger stark einschränken und dennoch zwecktauglich sind. Allerdings erscheint es nicht ausgeschlossen, daß unter besonderen Umständen eine durch (Firmen-)Tarifvertrag festgesetzte Altersgrenzenregelung des mildeste Mittel sein kann, um in einem bestimmten Unternehmen einen die Nachwuchskräfte auf Dauer benachteiligenden ungewöhnlichen Altersaufbau aufzubrechen. Im Regelfall wird der Arbeitgeber dazu aber auf die Möglichkeiten des Abschlusses einzelvertraglicher Vereinbarungen und ggf. der Kündigung, deren Betriebsbedingtheit im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG der ältere Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozeß überprüfen lassen kann 83 , beschränkt bleiben.

V. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Proportionalität) Schließlich müssen tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Das Ziel, welches gefördert wird, darf in seiner Wertigkeit nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs stehen84. Es hat eine Abwägung stattzufinden, in welcher sich das tarifvertragliche Ziel und die Wirkung des zu seiner Erreichung eingesetzten (mildesten) Mittels gegenüberstehen (ZielErgebnis-Relation). Dabei ist wiederum die Stufenlehre von Bedeutung: Objektive Schranken sind nur gerechtfertigt, wenn sie „zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" notwendig sind 85 . Subjektive Voraussetzungen dürfen nur aufgestellt werden, wenn sie dem Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes dienen86; soweit ihnen das Bestreben zugrunde liegt, die Sachgerechtigkeit und Gefahrlosigkeit der jeweiligen beruflichen Tätigkeit zu gewährleisten, werden subjektive Voraussetzungen vom Bundesverfassungsgericht daraufhin überprüft, ob sie „außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen87". 82

Siehe 1. Kapitel, I 2 c. In dieser Weise muß auch der Konflikt ausgetragen werden, der sich ergeben kann, wenn ein Unternehmen jüngere Arbeitskräfte zur Ausbildung eingestellt hat und diese, weil ein Personalüberhang besteht, entweder nach der Ausbildung wieder entlassen muß oder stattdessen älteren Arbeitnehmern kündigen muß. Siehe dazu auch LAG Düsseldorf, Urt. v. 7. 8. 1953, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG und die abl. Anm. von H. Krüger. 84 Siehe BVerfGE 30,292 (316 f.) - Mineralölbevorratung; 61,291 (312 ff.) - Tierpräparatoren. Zusammenfassend Erichsen, Jura 1980, 551 (555 ff.); Meesen, JuS 1982, 397. 85 BVerfGE 7, 377 (407 f.) - Apotheken; 40, 196 (218) - Güterfernverkehr. 86 Siehe BVerfGE 13, 97 (107) - Befähigungsnachweis; 25, 236 (247) - Zahnheilkunde. 83

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

Bezogen auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen bedeutet dies: Je intensiver die Altersgrenzenregelung in die Berufsfreiheit eingreift, um so wichtiger muß der „Gemeinschaftsbelang" sein, der durch sie gefördert werden soll. Die Frage, ob der Zweck hinreichend wertvoll ist, stellt sich dabei allerdings, wie schon gesagt, nur soweit der Eingriff in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl oder gegebenenfalls der Berufswahl zuvor als notwendig angesehen werden konnte 88 . 1. Regelungen zur Sicherung des Leistungsstandes Wie gesagt, können tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen das mildeste Mittel sein, um Nachteilen oder Gefahren durch eine belegbare Einschränkung der Leistungsfähigkeit Älterer entgegenzuwirken. Bei derart im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips erforderlichen Altersgrenzenregelungen werden gefördertes Ziel und Intensität des Eingriffs in die Freiheit der Arbeitsplatz- bzw. Berufswahl in aller Regel zugleich auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Die in ihnen aufgestellte subjektive Voraussetzung wird also regelmäßig „nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen89". Im einzelnen ist dafür von Bedeutung, wie aktuell die Gefahr ist und welche Schäden drohen, falls die Gefahr sich realisiert 90. Sind, wie im Flugzeugführer-Vd\\, die zu erwartenden Folgen einer Fehlleistung91 typischerweise groß, besteht kein Mißverhältnis zwischen Gemeinwohlinteresse und Berufsfreiheit. Es kann nicht beanstandet werden, wenn hier die Sicherheit des Luftverkehrs über das Recht des einzelnen auf freie Wahl des Arbeitsplatzes und, gegebenenfalls, des Berufs gestellt wird. Ganz gleich, ob die Altersgrenzenregelung dazu führt, daß allein der Arbeitsplatz oder zugleich auch die Möglichkeit der Berufstätigkeit als Flugzeugführer überhaupt genommen wird, erscheint hier bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine gesetzliche oder tarifvertragliche Vorbeugung sogar geboten. Dies zeigt, daß wichtigste Kriterien für die Frage, ob zur Sicherung der Leistungsfähigkeit aufgestellte Altersgrenzen Bestand haben können, die Frage der Belegbarkeit der Annahme einer altersbedingten 87

Siehe BVerfGE 7, 377 (407) - Apotheken; 9, 338 (345) - Hebammen; 13, 97 (115) - Befähigungsnachweis. 88 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht vereinzelt auf den Nachweis mangelnder Notwendigkeit zugunsten des. Hinweises auf die offensichtlich nicht hinreichende Wertigkeit verzichtet, siehe ζ. B. BVerfGE 11, 168 (187) - Personenbeförderung. 89 Siehe BVerfGE 9, 338 (345) - Hebammen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Altersgrenze für Hebammen allerdings schon deshalb für gerechtfertigt gehalten, weil die dort bestehende Gefahrenlage jeden zumutbaren Eingriff in die Freiheit der Berufswahl rechtfertige (a. a. O., S. 346). 90 BVerfGE 9, 338 (346). Dabei müssen konkrete Gefahren benannt werden können, vgl. BVerfGE 45,422 (429) - Notare. In bezug auf tarifvertragliche Altersgrenzen siehe Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 R.); Schlüter / Belling , NZA 1988, 297 (302 f.). 91 Die mangelnde Leistungsfähigkeit unterstellt.

V. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Proportionalität)

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Einschränkung der Leistungsfähigkeit und die Frage der Erforderlichkeit einer Regelung gerade durch Altersgrenzenfestsetzung sind. Auf diese beiden Punkte hätte deshalb das Bundesarbeitsgericht in seinen Urteilen vom 20. 12. 1984 und 6. 3. 198692 entscheidend abstellen müssen. 2. Regelungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Beeinflussung von Altersstruktur, Aufstiegschancen und Personalplanungen Altersgrenzenregelungen, die Ziele wie die Umverteilung von Arbeitsplätzen, die Schaffung von Aufstiegschancen, die Beeinflussung der Altersstruktur oder die Ermöglichung einer vorausberechenbaren langfristigen Personalplanung durch Zww/îgjpensionierung verfolgen, werden, wie dargelegt, kaum jemals im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips erforderlich sein. Davon abgesehen wird die Zuordnung aller denkbaren öffentlichen und privaten Belange bei der Abwägung in aller Regel zudem ergeben, daß sie in ihrer Wertigkeit außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs in die Berufsfreiheit der Älteren stehen. Ausgangspunkt ist dabei, daß mit diesen Altersgrenzenregelungen objektive Zulassungsvoraussetzungen aufgestellt werden 93, die nur zur „Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" erlaubt sind 94 . Für die Intensität des Eingriffs in die Berufsfreiheit ist ggf. von Bedeutung, ob diese objektive Schranke „lediglich" die freie Arbeitsplatzwahl insofern betrifft, als es um die Entscheidung geht, ob ein Arbeitsplatz aufgegeben wird, oder ob dieses Recht mit dem Arbeitsplatzverlust real wertlos wird, weil neue Arbeitsplätze nicht zugänglich sind. Letzteres hätte zur Folge, daß die tatsächlichen Auswirkungen des Arbeitsplatzverlustes zugleich faktisch das Ende der Berufstätigkeit überhaupt bedeuten; auch die Freiheit der Berufswahl wäre betroffen. a) Die Rechtspositionen der Arbeitsuchenden und der Nachwuchskräfte sind dadurch gekennzeichnet, daß beide Gruppen keinen Eingriff abwehren, wie es die älteren Arbeitnehmer gegenüber der Altersgrenzenregelung tun. Art. 12 Abs. 1 GG vermittelt den „Arbeitsplatzbesitzern" ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat und, wie dargelegt 95, gegenüber den Tarifvertragsparteien. Diese Bedeutungsschicht der Grundrechte ist nicht angesprochen, soweit Nachwuchskräfte oder Arbeitsuchende ihr Recht einfordern, aufzusteigen oder einen Arbeitsplatz zu bekommen. Sie wehren nicht unberechtigte Beeinträchtigungen ihres verfassungsrechtlichen Status durch den Staat oder die Tarifvertragsparteien ab; für sie geht es vielmehr um die Herstellung einer Verteilungsgerechtigkeit 96 in bezug 92 AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I") und AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II"). 93 Siehe oben II 2. 94 Siehe nur BVerfGE 7, 377 (407 f.) - Apotheken. 95 Siehe oben 3. Kapitel , I 4.

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

auf die vorhandenen Arbeitsplätze und die Erreichung einer Vollbeschäftigung 91. Dies führt zu der Frage, inwieweit der dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet staatliche Gesetzgeber arbeits- und sozialpolitisch zur Herbeiführung einer Vollbeschäftigung und zur Sicherung von Arbeitsplätzen tätig werden muß (vgl. Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG) 98 . Soweit der Gesetzgeber oder, im Rahmen ihrer Tarifautonomie, die Tarifvertragsparteien tätig werden und Regeln etwa zur Beeinflussung der Verteilungsgerechtigkeit schaffen, müssen sie das Recht der freien Arbeitsplatzwahl der Arbeitsuchenden und Nachwuchskräfte berücksichtigen; diese Rechte haben als Bestandteil der objektiven Wertordnung des Grundgesetzes Gewicht bei der Zuordnung der Grundrechtssphären der beteiligten Grundrechtsträger. Wie diese Zuordnung ausfällt, ist weitgehend der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers - bzw. ggf. der Tarifvertragsparteien - überlassen. Diese legitimiert aber jedenfalls nicht dazu, einer bestimmten Arbeitnehmergruppe, wie den Älteren, den Arbeitsplatz wegzunehmen, um dadurch die Situation der Arbeitsuchenden und des Nachwuchses zu verbessern. Eine Art„.Rotationsprinzip" als allgemeines Prinzip zur Verteilung von Arbeitsplätzen ist mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren 99. Auch wenn jedweder Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen, wie insbesondere auch der durch das KSchG, zu einer Sperrwirkung führt und die Chancen der Arbeitsuchenden und Nachwuchskräfte verschlechtert 100, darf das sozialpolitisch unabweisbare Ziel, Arbeitsuchenden und Nachwuchskräften Chancen zu geben, nicht dadurch verwirklicht werden, daß bestimmte andere Gruppen zwangsweise ausgegrenzt werden. An den Bewertungsmaßstäben der Stufentheorie gemessen handelt es sich insoweit, wie dargelegt, um objektive Zugangsvoraussetzungen für bestimmte Arbeitsplätze oder sogar Berufe, die nur zur Abwehr „nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" aufge-

96

Der Gedanke der Verteilungsgerechtigkeit klingt auch in dem die freien Mitarbeiter von Rundfunkanstalten betreffenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts an, siehe BVerfGE 59, 231 (266 f.). Siehe auch das Sondervotum des Richters Heußner, a.a.O., S. 273 f. 97 Siehe § 1 StabG. 98 Was wiederum zu der Frage führt, inwieweit Schutzpflichten des Staates bestehen und ob diesen gegebenenfalls individuelle Schutz- bzw. Teilhabeansprüche korrespondieren können. Siehe z. B. Badura, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (34 f.); Benda, in: Festschr. f. für Stingi, S. 35 (48). Gegenüber den Tarifvertragsparteien wird den Grundrechten eine solche Bedeutung nicht zukommen können. 99 Vgl. Badura, in: Festschr. f. Herschel, S. 21 (33 f.); Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35 (43 f., 46 ff.); Herschel, RdA 1975, 28 (31); Hoffmann-Riem, in: Festschr. f. Ipsen, S. 385 (388, 394); Pietzcker, NVwZ 1984, 550 (552 f.); Schlüter / Belling, NZA 1988, 297 (303); Scholz, ZfA 1981,265 (283 f.); Wank, RdA 1982, 363 (368 f.); Wendt, DÖV 1984, 601 (607). Eine Ausnahme bildet der wissenschaftliche Nachwuchs an den Hochschulen. Einige der dort üblichen Befristungen der Arbeitsverhältnisse folgen dem Rotationsprinzip. Eingehend König, Der Bestandsschutz. 100 Siehe BVerfGE 59, 231 (266 f.), Freie Rundfunkmitarbeiter, und das Sondervotum von Heußner, a.a.O., S. 273.

V. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Proportionalität)

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stellt werden dürfen. Die Schaffung von Chancen für den Nachwuchs und mehr noch die Beseitigung der Arbeitslosigkeit sind ohne Zweifel wichtige Gemeinwohlbelange in diesem Sinne 101 ; sie rechtfertigen aber nicht den in der generellen Altersgrenze liegenden Eingriff in die freie Arbeitsplatzwahl und noch weniger in die freie Berufswahl der älteren Arbeitnehmer. Man argumentiert im übrigen mit Arbeitnehmergrundrechten gegen den Arbeitnehmerschutz, wenn man zwischen dem Individualschutz des einzelnen Arbeitnehmers und der Frage der Verwirklichung konkurrierender Arbeitnehmerinteressen nicht unterscheidet 102. Dies trägt dazu bei, daß die Dringlichkeit einer Reaktion der Gesellschaft mit dem Ziel der Schaffung von Vollbeschäftigung und einer gerechten Verteilung der Arbeit verschleiert wird. b) Im Zusammenhang mit dem Ziel, Aufstiegschancen zu eröffnen, woran Arbeitgeber, jüngere Kollegen und auch Arbeitsuchende, die für die Besetzung frei werdender „Anfangsstellen" in Betracht kommen, ein Interesse haben, ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, welches Gewicht die Rechtsordnung, insbesondere die Verfassung, den einzelnen Interessen und Belangen gegenüber dem Recht der freien Arbeitsplatzwahl bzw. freien Berufswahl der älteren Arbeitnehmer beimißt 103 . Berührt sind zunächst Interessen des Arbeitgebers. Die Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers ist aber lediglich unter dem Aspekt der Berufst wsübungsfreiheit m geschützt, die zudem in einem „sozialen Bezug und einer sozialen Funktion" gesehen werden muß 105 . Soweit daneben das Recht des Arbeitgebers aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG betroffen sein sollte 106 , stünde es unter dem Vorbehalt des Art. 14 Abs. 2 GG; und für die Reichweite der dort angeordneten Sozialbindung ist wiederum das besondere Maß an „sozialem Bezug und sozialer Funktion" des Unternehmens von Bedeutung107, so daß auch das Eigentumsrecht oder das Recht am Gewerbebetrieb 108 als die Berufsfreiheit der Älteren überragende Gemeinschaftsgüter ausscheiden. Die Rechtsposition der jüngeren Arbeitnehmer, die nachrücken wollen, erweist sich gegenüber dem Recht der Älteren, die einen Eingriff in ihre Rechte auf freie Arbeitsplatzwahl, ggf. Berufswahl, ab-

101

Siehe auch BVerfGE 21, 245 (251) - Arbeitsvermittlung. So zutreffend Wank, RdA 1982, 363 (366). 103 Das Bundesverfassungsgericht hat gelegentlich auf die „Wertordnung des Grundgesetzes" abgestellt, vgl. BVerfGE 24, 367 (406) - Deichordnung; siehe auch schon BVerfGE 13, 97 (105, 107) - Befähigungsnachweis. 104 Siehe nur BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Beschl. v. 18. 12. 1985, NJW 1986, 1601; Scholz, ZfA 1981, 265 (277, 281). 105 Vgl. BVerfGE 50, 290 (365 f.) - Mitbestimmung. 106 Für das Interesse des Arbeitgebers an der Bestimmung der Arbeitszeit verneinend BVerfG, a.a.O. Fn. 104. Ablehnend dazu Scholz, NJW 1986, 1587 (1589). 107 Siehe BVerfGE 37, 132 (140) - Mieterhöhung; 50, 290 (340) - Mitbestimmung; 68, 361 (367 f.) - Eigenbedarfskündigung. 108 Soweit man den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs durch Art. 14 Abs. 1 GG für gegeben hält. Vgl. BVerfGE 51, 193 (221 f.). 102

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

wehren, aus den soeben für die Rechtsposition der Arbeitsuchenden genannten Gründen als schwächer. c) Was das Ziel der Ermöglichung langfristiger und vorausberechenbarer Personalplanungen angeht, wurde bereits dargelegt, daß es regelmäßig an der Erforderlichkeit der Festsetzung einer generellen Altersgrenze zu seiner Erreichung fehlen wird 1 0 9 . Davon abgesehen ist eine generelle Altersgrenze zur Verwirklichung dieses Zieles aber auch nicht im engeren Sinne verhältnismäßig. Gleiches gilt für den Gesichtspunkt einer Beeinflussung der Altersstruktur. Die Altersstruktur eines Betriebes oder Unternehmens hat einen bedeutsamen Einfluß auf die dort anzutreffenden Lebensbedingungen; die „Überalterung" einer Belegschaft kann, sollte sie einmal vorkommen, in vielerlei Hinsichten nachteilig sein 110 . Die durch sie möglicherweise bedingten Nachteile können die in einer generellen Altersgrenze liegende Freiheitsbeschränkung Älterer aber nicht aufwiegen. 3. Insbesondere: Altersversorgung, Verlängerungsmöglichkeit und Üblichkeit als Rechtfertigungsgründe? a) Altersversorgung aa) Vielfach wird das Vorhandensein einer ausreichenden (Übergangs^Altersversorgung als der entscheidende Rechtfertigungsgrund für eine generelle Altersgrenzenregelung angesehen. So hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 6. 3. 1986 entscheidend darauf abgestellt, daß für die von der Altersgrenzenregelung betroffenen Flugzeugführer eine - von ihm für ausreichend erachtete - betriebliche Alters Versorgungsregelung bestand111. Er hat in Anlehnung an die Entscheidung des 1. Senats vom 18.7. 1978 112 ausgeführt, jedenfalls bei Bestehen einer ausreichenden Altersversorgung sei eine generelle Altersgrenze grundsätzlich zulässig. Auch in seiner Entscheidung vom 25. 3. 1971, in der der 2. Senat eine auf das 65. Lebensjahr abgestellte Altersgrenze mit Erfordernissen des Altersaufbaus der Belegschaft und der Personalplanung gerechtfertigt hat, wird zusätzlich als „ganz entscheidend" angese109

Siehe oben IV 2 c. Sie wird aber derzeit kaum jemals vorkommen. Nur jeder dritte männliche Arbeitnehmer scheidet erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres aus dem Arbeitsleben aus. Siehe Statistik Rentenzugang 1986, S. 36. 111 Siehe BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgenze („Flugzeugführer II") unter A I V 6 der Gründe. 112 BAGE 31, 20 (22) = AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG („Personelle Einzelmaßnahme") unter II 2 a der Gründe: „Keine Bedenken bestehen gegen die Bestimmung in einem Tarifvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis, ohne daß es eine Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats endet, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet; das gilt jedenfalls dann, wenn eine ausreichende betriebliche Altersversorgung besteht." 110

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hen, daß eine auf die festgesetzte Altersgrenze abgestellte betriebliche Versorgungsregelung bestand113. In seiner Entscheidung vom 20. 11. 1987 hat der 2. Senat nunmehr ausdrücklich klargestellt, daß er auch einen Anspruch auf gesetzliches Altersruhegeld als Rechtfertigungsgrund für eine Altersgrenze ansieht114. Dem Vorhandensein einer ausreichenden Altersversorgung wird in der Rechtsprechung demnach entscheidende, wenn nicht die entscheidende Bedeutung zugemessen. Zur Begründung hat der 2. Senat in dem Urteil vom 6. 3. 1986 angeführt, das KSchG - dessen „objektiv funktionswidrige Umgehung" er bekanntlich prüft - wolle durch den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer die wirtschaftliche Grundlage für die Bestreitung seines Lebensunterhalts sichern. Gewährleiste eine Versorgungsregelung ausreichendes Einkommen, sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig115. In der Literatur sehen Hanau 116 und Richardi 117 bei Vorliegen einer ausreichenden betrieblichen Altersversorgung einen sachlich gerechtfertigten Ausnahmetatbestand, der eine generelle Altersgrenze rechtfertigen können. Wohl überwiegend wird dagegen das Bestehen einer ausreichenden Altersversorgung nicht für geeignet gehalten, den tragenden Rechtfertigungsgrund abzugeben118. bb) Dem Vorhandensein einer Altersversorgung, die die wirtschaftlichen Grundlagen der Existenz sichert, kann nicht annähernd die Bedeutung zukommen, die ihr das Bundesarbeitsgericht in zur Zeit ständiger Rechtsprechung zumißt: Da die Tarifvertragsparteien bei der Regelung von Altersgrenzen an das Grundrecht der Berufsfreiheit gebunden sind, entscheidet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz über die mögliche Reichweite ihrer Regelungen. Dessen strikte Anwendung bedingt, wie gezeigt, daß Altersgrenzenfestsetzungen nur zulässig sind, wenn sie ein legitimes Ziel verfolgen, zu dessen Erreichung sie geeignet und erforderlich sein müssen. Diese durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorgezeichneten Phasen der Rechtsfindung, insbesondere die Frage der Erforder-

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BAGE 23, 257 (272) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"): „Als ganz entscheidender Umstand kommt im vorliegenden Fall hinzu, daß verschiedene Sozialleistungen der Klägerin, insbesondere die Leistungen der Pensionskasse, auf das 65. Lebensjahr der Arbeitnehmer abgestellt sind." 114 DB 1988, 1501 (1502 f.) - „Betriebsvereinbarung". 115 BAG, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Fugzeugführer II") unter A IV 6 b der Gründe. Ebenso BAG, DB 1988, 1501 (1502) - „Betriebsvereinbarung". 116 Hanau, RdA 1976, 24 (30 f.). 117 Richardi, Anm. zu BAG, Urt. v. 25. 3. 1971, SAE 1972, 139 (149). 118 Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 922 R.); ders., Anm. EzA Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze (Bl. 28); Linnenkohl, BB 1984, 603 (608); Riedel, Berufsfreiheit, S. 122; Schlüter / Belling, Anm. zu BAG, Beschl. v. 18.7. 1978, SAE 1979, 277 (279 - „Personelle Einzelmaßnahme"); dies., NZA 1988, 297 (303 f.); Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 12 GG RdNr. 276. Siehe auch Benda, in: Festschr. f. Stingi, S. 35 (37). 10 Waltermann

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

lichkeit, läßt das Bundesarbeitsgericht unberücksichtigt, wenn es seinen Blick primär auf die Frage der Altersversorgung richtet. Das Vorhandensein einer ausreichenden Altersversorgung hat vielmehr erst Bedeutung dafür, ob die Altersgrenzenregelung im engeren Sinne verhältnismäßig ist, ob also Ziel und Ergebnis in angemessener Relation stehen. Daß aber auch hierfür der Altersversorgung nicht eine „ganz entscheidende" Bedeutung beigemessen werden darf, ergibt sich aus der eingangs dargelegten Bedeutung der beruflichen Arbeit 119 , der die Gewährleistung der Berufsfreiheit durch das Grundgesetz Rechnung trägt: Für die Interpretation des Grundrechts der Berufsfreiheit hat der Gesichtspunkt der freien Persönlichkeitsentfaltung tragende Bedeutung. Wie dargelegt 120, ist die Berufsfreiheit Freiheitsrecht einer selbstbestimmten Lebensführung. „Arbeit als Beruf 4 muß als Möglichkeit zu menschlicher Selbstverwirklichung begriffen werden und genießt unter diesem Gesichtspunkt anerkanntermaßen grundrechtlichen Schutz durch Art. 12 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat schon im Apotheken-Urteil zutreffend hervorgehoben, daß Art. 12 Abs. 1 GG Arbeit als Beruf sieht, „d. h. in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit im ganzen, die sich erst darin voll ausformt und vollendet, daß der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringen 121 ." Diese Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit als Freiheit zur Selbstbestimmung in beruflicher Hinsicht läßt außer acht, wer wie das Bundesarbeitsgericht die Festlegung einer generellen Altersgrenze in maßgeblicher Hinsicht oder gar in erster Linie wegen des Vorhandenseins einer mit der Altersgrenze harmonierenden Versorgung für zulässig hält. Auch diejenigen tarifvertraglichen Regelungen, die das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht an ein bestimmtes Lebensalter, sondern an die Möglichkeit des Bezugs einer Altersversorgung knüpfen, stehen mit Art. 12 Abs. 1 GG also nicht in Einklang. Dies bedeutet nicht, daß die Existenz einer ausreichenden Altersversorung zur Rechtfertigung einer Altersgrenze schlechthin nicht beitragen könnte und völlig unberücksichtigt bleiben müßte. Der Umstand einer durch Altersversorgung materiell gesicherten Existenz darf nur nicht zur tragenden Säule der Rechtfertigung erhoben werden. Daß hiervon auch der Gesetzgeber des Rentenreformgesetzes ausgegangen ist, der in Art. 6 § 5 Abs. 1 RRG klargestellt hat, daß die Ruhegeldberechtigung weder einen Kündigungsgrund abgibt noch bei der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden darf, haben erst kürzlich noch Schlüter und Belling hervor119

Siehe 1. Kapitel, I 1. Siehe im einzelnen oben 3. Kapitel , I 2, und die Nachweise dort. 121 BVerfGE 7, 377 (397). Diese Sichtweite durchzieht seine Rechtsprechung bis heute, siehe ζ. B. BVerfGE 50, 290 (362) - Mitbestimmung; 75, 284 (292) - Rechtsbeistände. 120

V. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Proportionalität)

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gehoben122. Verfolgt eine Altersgrenzenregelung einen legitimen Zweck und ist sie ferner zu Erreichung des verfolgten Zieles geeignet und erforderlich, kann das Vorhandensein einer mit der Altersgrenze harmonierenden Altersversorgung in die Abwägung zwischen der Wertigkeit des verfolgten Zieles und den Auswirkungen der Regelung auf die Berufsfreiheit mit eingestellt werden, in der Weise, daß durch sie Bedenken ausgeräumt werden können, die bestehen würden, falls die Altersgrenze bei den betroffenen Arbeitnehmern zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen müßte. Ähnlich ist in der Hebammen-Entscheidung auch das Bundesverfassungsgericht verfahren; es hat die Altersgrenze für Hebammen maßgeblich mit den aus einem Nachlassen der beruflichen Leistungsfähigkeit resultierenden Gefahren für Mütter und Kinder begründet 123, aber zusätzlich herangezogen, daß die generalisierende Altersgrenzenregelung für Hebammen neben weiteren Förderungsmaßnahmen dadurch abgemildert wurde, daß im HebammenG durch Begründung einer Versicherungspflicht für alle Hebammen Vorsorge für das Alter getroffen war 124 . Letztlich zeigt die Überbewertung des Vorhandenseins einer Altersversorgung durch das Bundesarbeitsgericht, wie sehr die Wahl eines verfehlten Ausgangspunktes auf das Ergebnis durchschlagen kann. Das Bundesarbeitsgericht prüft unter Erweiterung des Anwendungsbereichs seiner ohnehin nicht unangreifbaren richterrechtlichen Grundsätze für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse, ob ein „sachlicher Grund" für die Altersgrenze vorliegt. Da es die Auswahl derjenigen Kriterien, die über die sachliche Rechtfertigung entscheiden sollen, ohne Berücksichtigung der maßgeblichen Wertungen der Rechtsordnung vornimmt, setzt es sich zu ihr in Widerspruch. Dabei kann hier unerörtert bleiben, ob nicht auch das KSchG, dessen „Umgehung" das Bundesarbeitsgericht ja prüft, über die wirtschaftliche Existenzgrundlage hinaus auch Arbeitslosigkeit des einzelnen abwenden und seine Betriebszugehörigkeit schützen will, sich also nicht nur auf den Arbeitsplatz als Einkommensquelle, sondern auch als Ort der Persönlichkeitsentfaltung bezieht (beziehen muß) 125 .

b) Verlängerungsmöglichkeit Dem Gesichtspunkt des Bestehens einer Verlängerungsmöglichkeit kommt im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ähnliche Bedeutung zu wie dem Umstand einer Existenzsicherung durch Altersversorgung. Die Möglichkeit, ein 122

Schlüter / Belling, NZA 1988, 297 (304); ebenso Säcker, RdA 1976, 91 (92). BVerfGE 9, 338 (346 f.). 124 A.a.O., S. 348. 125 Siehe die Erläuterung der Neuregelung, RdA 1951, 61 (63): „Der Entwurf sieht als dieses Rechtsgut den Arbeitsplatz und die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers an, die die Grundlagen seiner wirtschaftlichen und sozialen Existenz bilden." Siehe ferner ζ. B. Benda, Industrielle Herrschaft, S. 530 ff. 123

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4. Kap.: Begrenzungsmöglichkeiten im einzelnen

Arbeitsverhältnis nach Erreichen der tarifvertraglich bestimmten Altersgrenze zu verlängern, ergibt sich zunächst ohne weiteres bereits aus der Vertragsfreiheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber 126 . Es finden sich aber auch Regelungen, die dies ausdrücklich vorsehen 127; derartige Bestimmungen haben dann deklaratorische Bedeutung128. In jedem Fall aber kann die bestehende Verlängerungsmöglichkeit lediglich mit dazu beitragen, daß sich eine geeignete und zur Erreichung eines legitimen Regelungszwecks erforderliche Altersgrenze gegenüber der Berufsfreiheit des einzelnen durchsetzt. Dies wird insbesondere für Altersgrenzenregelungen zur Vermeidung von Gefahren infolge einer zu erwartenden altersbedingten Verminderung der Leistungsfähigkeit Bedeutung haben können: Ist die auf den Erfahrungen mit dem Durchschnitt der Arbeitnehmer (an bestimmten Arbeitsplätzen) beruhende generalisierende Altersgrenzenregelung das mildeste Mittel zur Gewährleistung der belegbar in Frage gestellten Leistungsfähigkeit, wird hinsichtlich der Angemessenheit der Relation zwischen Ziel und Eingriff berücksichtigt werden müssen, daß persönlich nach wie vor Leistungsfähige mit dem Arbeitgeber einen „Verlängerungsvertrag" schließen können; bei der Bewertung dieses Umstandes hat aber wiederum Bedeutung, daß ein Rechtsanspruch hierauf nicht besteht129. Deshalb kann dem Bundesarbeitsgericht nicht gefolgt werden, wenn es im Urteil vom 20. 12. 1984 die Altersgrenzenregelung des § 47 Abs. 1 MTV Bordpersonal L T U 1 3 0 deshalb für gerechtfertigt hält, weil sie aufgrund der dort in Absatz 2 vorgesehenen Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zweimal um zwei weitere Jahre zu verlängern, keine starre Altersgrenze enthalte131. Das Gericht hätte nicht, wie geschehen, dahingestellt sein lassen dürfen, ob das Bordpersonal nach Vollendung des 55. Lebensjahres den physischen und psychischen Anforderungen des Flugbetriebes nicht mehr gewachsen ist 132 , sondern hätte dieser Frage ebenso nachgehen müssen wie dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit einer generalisierenden Altersgrenze, anstatt seine Entscheidung auf die aus126 BAG, Urt. v. 18. 7. 1978, BAGE 31, 20 (23) = AP Nr. 9 zu § 99 BetrVG („Personelle Einzelmaßnahme"); Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 924 R., 925). Soweit die Verlängerung als vom Tarifvertrag abweichende Abmachung anzusehen ist, ist sie nach § 4 Abs. 3 2. Fall TVG zulässig. 127 Siehe z. B. § 47 Abs. 2 MTV Bordpersonal LTU vom 1. Januar 1980. 128 Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 924 R.). 129 Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfGE 9, 338 (348) - Hebammen (zur Bedeutung der für Hebammen gesetzlich vorgesehenen Bewilligung einer Ausnahme von der Berufstätigkeitsgrenze). 130 Sie lautet: „Das Arbeitsverhältnis eines Angehörigen des Bordpersonals endet ohne daß es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird." 131 AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung („Flugzeugführer I"), siehe dort Leitsatz 2 und die Ausführungen unter Β II 2 e der Gründe. Siehe auch Urt. v. 6. 3. 1986, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze („Flugzeugführer II") unter A IV 6 d der Gründe. 132 Siehe Β II 2 c und Β II 2 e der Gründe.

V. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Proportionalität)

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drücklich vorgesehene Verlängerungsmöglichkeit zu stützten. Allerdings hat der 2. Senat seinen Ausgangspunkt zu relativieren gesucht. Er sieht die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers entsprechend § 315 Abs. 1 und 3 BGB beschränkt. Die Haltbarkeit dieser Analogie unterstellt 133 könnte hierdurch aber allenfalls der Stellenwert des Umstandes einer Verlängerungsmöglichkeit bei der Einstellung in die Abwägung erhöht werden. Auch eine Bindung der Vertragsfreiheit an §315 Abs. 1 und 3 BGB könnte jedoch nicht von der sorfältigen Überprüfung anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit entbinden134. c) Üblichkeit Das Bundesarbeitsgericht hat schließlich in mehreren Entscheidungen auf eine Üblichkeit der betreffenden Altersgrenzenregelung hingewiesen135 und im Urteil vom 20. 12. 1984 immerhin die Frage aufgeworfen - aber offengelassen - , ob „die Üblichkeit allein ausreichend wäre, die [in der Altersgrenze nach Ansicht des BAG liegende] auflösende Bedingung zu rechtfertigen". Die Frage ist zu verneinen. Es ist eine Rechtsfrage, ob eine Tarifnorm mit höherrangigem Recht in Einklang steht, ihre Beantwortung kann nicht von der Verbreitung der zu prüfenden Regelung abhängen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß der Gesichtspunkt der Üblichkeit für die Zulässigkeit einer Altersgrenze überhaupt keine Bedeutung beanspruchen könnte. Hat sich ein bestimmter Endtermin für die berufliche Arbeit eingebürgert und in Gesetzen, Tarifverträgen und in der Terminierung der Altersversorgung niedergeschlagen, kann dies dafür sprechen, daß eine als geeignet und erforderlich anzusehende Altersgrenzenregelung im Verhältnis zu der Beschränkung der Berufsfreiheit gesehen eher angemessen ist, wenn sie auf diesen Termin abstellt.

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Kritisch dazu aus gutem Grund Belling , Anm. AP Nr. 9 zu § 620 BGB Bedingung (Bl. 924 R., 925). 134 In demselben Sinne Belling , a. a. Ο., Fn. 133. 135 Urt. v. 25. 3. 1971, BAGE 23, 257 (272) = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 („Gesamtbetriebsvereinbarung"): „Schließlich sei erwähnt, daß die Festsetzung des 65. Lebensjahres als Altersgrenze weitgehend üblich oder sogar gesetzlich bzw. tariflich bestimmt ist ..."; Urt. v. 21. 4. 1977, BAGE 29, 133 (135) = AP Nr. 1 zu § 60 BAT („Öffentlicher Dienst"): „Außerdem entspricht eine derartige auf Tarifvertrag beruhende Befristung der Üblichkeit des Arbeitslebens, jedenfalls im Bereich des öffentlichen Dienstes ...".

Zusammenfassung der wichtigsten Gesichtspunkte Zu Kapitel 1 1. Berufliche Arbeit dient nicht nur der materiellen Existenzsicherung. Die Berufsarbeit kann und soll darüber hinaus Möglichkeiten zu persönlicher Entfaltung und Selbstverwirklichung bieten. Diese Bedeutungen hat berufliche Arbeit auch für ältere Menschen. Für diejenigen Älteren, die während ihres Berufslebens unter gerechten Bedingungen gearbeitet haben, die gesund sind und sich nicht verbraucht fühlen, kann auch bei einem finanziell gesicherten Ruhestand der Wunsch nach Fortsetzung ihrer beruflichen Arbeit bestehen. 2. Wer diesen Wunsch durch Weiterführung oder Aufnahme einer Beschäftigung im Bereich der Privatwirtschaft realisieren will, sieht sich keiner Beschränkung durch eine gesetzliche Altersgrenze ausgesetzt. Im Gegenteil kann der Verfassung eine positive Bewertung beruflicher Arbeit Älterer entnommen werden: Sie gewährleistet in Art. 12 Abs. 1 GG die Berufsfreiheit zum einen unabhängig vom Lebensalter, also für Jung und Alt gleichermaßen; Berufsfreiheit ist ferner auch deshalb garantiert, weil berufliche Arbeit als Möglichkeit zu menschlicher Selbstverwirklichung zu begreifen ist. Berufsarbeit genießt damit nicht nur grundrechtlichen Schutz, wenn sie zum wirtschaftlichen Lebensunterhalt notwendig ist. Das Grundrecht der Berufsfreiheit schützt vielmehr umfassend die Selbstbestimmung des einzelnen in beruflicher Hinsicht, unabhängig vom Lebensalter. 3. Es ist bekannt, daß Ältere in unserer Gesellschaft Gefahr laufen, an den Rand gedrängt zu werden. Dies gilt auch für den Bereich der beruflichen Arbeit. Verbreiteter Überzeugung nach kann von älteren Arbeitnehmern nicht mehr hinreichend profitiert werden. Sie werden gern mit Jüngeren verglichen, deren Arbeitskraft noch unverbraucht ist. Es lassen sich kaum Ältere finden, die im Rentenalter eine Berufstätigkeit als abhängig Beschäftigte ausüben. 4. In der Privatwirtschaft wird eine flächendeckende Pensionierung insbesondere durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen erreicht. Sie sehen vielfach eine Pensionierung bei Vorhandensein einer Altersversorgung vor oder stellen auf ein bestimmtes Lebensalter, meist das 65. Lebensjahr, ab. Das Vorruhestandsgesetz eröffnete die Möglichkeit, daß Arbeitnehmer auf ihren Wunsch schon mit 58 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand gehen konnten. Von Vorruhestandsregelungen nach dem VRG abgesehen beinhalten die in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen enthaltenen Altersgrenzenregelungen regelmäßig Zwangspensionierungen. Sie gelten nicht nur für Arbeitnehmer, die den

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Ruhestand als Vorteil empfinden müssen, ζ. B. weil ihre Arbeit schwer war, weil Gesundheitsschäden eingetreten sind oder weil sie in ihrer beruflichen Tätigkeit wenig oder kein Engagement entwickelt konnten, sondern sie betreffen auch diejenigen, die den Zeitpunkt ihres Berufsendes lieber hinausschieben möchten. 5. Die derzeit üblichen tarifvertraglichen oder in Betriebs Vereinbarungen niedergelegten Altersgrenzenregelungen geben keinen ausreichenden Spielraum für eine Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit, wenn man darunter auch die Freiheit versteht, das Ende der beruflichen Arbeit hinausschieben zu können.

Zu Kapitel 2 1. Bemühungen Älterer, gegen tarifvertragliche oder in Betriebsvereinbarungen festgesetzte Altersgrenzen durch Anrufung der Arbeitsgerichte anzugehen, sind vor dem Bundesarbeitsgericht bisher stets ohne Erfolg geblieben. Das Bundesarbeitsgericht hält Altersgrenzenregelungen vor allem dann für zulässig, wenn eine ausreichende Altersversorgung die wirtschaftlichen Nachteile des Ausscheidens aus dem Berufsleben ausgleicht. Bei der Beurteilung tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen setzt das Bundesarbeitsgericht auf der Ebene des einfachen Rechts an. Da gesetzliche Vorschriften, insbesondere das KSchG, unmittelbar nicht eingreifen, beurteilt es tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen in entsprechender Anwendung seiner im Wege richterlicher Rechtsfortbildung aufgestellten Grundsätze für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse. Danach kommt es darauf an, ob die Altersgrenzenregelung sachlich gerechtfertigt ist. 2. Dieser Rechtsprechung kann nicht zugestimmt werden. Sie beruht auf einem verfassungsrechtlich und methodisch fragwürdigen Ausgangspunkt, ist in sich nicht schlüssig und provoziert verfassungswidrige Ergebnisse: a) Die richterrechtlichen Grundsätze zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse, die das Bundesarbeitsgericht auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen überträgt, beruhen auf der Figur der Gesetzesumgehung. Die Fragestellung lautet, ob die Tarifvertragsparteien bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Gestaltungsform des Tarifvertrages anwenden dürfen, wenn sie dadurch zwingende Bestimmungen des Kündigungsschutzrechts umgehen. Die Figur der Gesetzesumgehung kann aber als Grundlage einer richterlichen Rechtsfortbildung nicht anerkannt werden. Es kommt lediglich in Betracht, tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen im Wege der Analogie an den Wertungen des KSchG zu messen. Jedoch liegen die Voraussetzungen für die Vornahme eines Analogieschlusses nicht vor. b) Abgesehen von der verfassungsrechtlichen und methodischen Fragwürdigkeit der Anerkennung einer Figur der Gesetzesumgehung fehlt es auch an Gründen, die die Übertragung der für einzelarbeitsvertragliche Befristungen bzw. Be-

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Zusammenfassung der wichtigsten Gesichtspunkte

dingungen aufgestellten richterrechtlichen Grundsätze auf tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen nahelegen. Das Bundesarbeitsgericht berücksichtigt zu wenig die gewichtigen Unterschiede zwischen einzelarbeitsvertraglichen Bestimmungen über die Wirkung eines Rechtsgeschäfts und tarifvertraglichen Rechtsnormen, die nach § 4 Abs. 1 S. 1 TVG unmittelbare und zwingende Wirkung haben. c) Der vom Bundesarbeitsgericht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auf fragwürdigem Fundament gefundene Prüfungsmaßstab des „sachlichen Grundes" birgt die Gefahr, daß bei seiner Ausfüllung, für die es an bindenden Rechtsregeln fehlt, Gesichtspunkte einen maßgeblichen Einfluß gewinnen, die nach Verfassung und Gesetzen nicht maßgeblich sein dürfen. Diese Gefahr hat sich in der Rechtsprechung zu tarifvertraglichen Altersgrenzenregelungen realisiert. Das Bundesarbeitsgericht erhebt bei der Prüfung, ob eine Altersgrenze sachlich gerechtfertigt ist, zum entscheidenden Gesichtspunkt, ob eine ausreichende Altersversorgung die wirtschaftlichen Nachteile einer Zwangspensionierung abmildert. Damit hebelt es das Grundrecht auf Berufsfreiheit der älteren Arbeitnehmer aus. Art. 12 Abs. 1 GG schützt nämlich die Selbstbestimmung des einzelnen in beruflicher Hinsicht unabhängig von der Notwendigkeit beruflicher Arbeit zur wirtschaftlichen Existenzsicherung.

Zu Kapitel 3 Da für tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen einfach-gesetzliche Schranken fehlen, ist Rechtsgrundlage ihrer Überprüfung vor allem das Grundrecht der Berufsfreiheit. Die für Beschränkungen des Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten Grundsätze und Maßstäbe des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der Stufentheorie erlauben eine relativ genaue und nachvollziehbare Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen eine Altersgrenze wirksam festgelegt werden kann. 1. Die Tarifvertragsparteien unterliegen bei ihrer Normensetzung einer unmittelbaren Grundrechtsbindung. Ältere Arbeitnehmer können den Koalitionen ihr Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) als Abwehrrecht entgegenhalten. 2. Tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen greifen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein. Prüfungsmaßstab ist in erster Linie das in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Recht der freien Arbeitsplatzwahl. Wirkt sich eine tarifvertragliche Altersgrenzenregelung typischerweise faktisch dahin aus, daß eine Tätigkeit in einem bestimmten Beruf, zumindest in abhängiger Beschäftigung, insgesamt nicht mehr möglich ist, ist die Beschränkung auch an der Gewährleistung der freien Berufswahl zu messen. 3. Der Vorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, der für alle Gewährleistungsaspekte des einheitlichen Grundrechts der Berufsfreiheit gilt, erlaubt seinem

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Wortlaut nach einschränkende Regelungen nur durch oder aufgrund Gesetzes. Gesetz bedeutet dabei Parlamentsgesetz der staatlichen Gesetzgebungsorgane. Dennoch sind auch die Tarifvertragsparteien wegen ihrer besonderen Stellung nach dem Grundgesetz im Rahmen ihrer Autonomie zu gezielten Grundrechtsbeschränkungen berufen, ohne daß sie auf ins einzelne gehende Vorgaben des staatlichen Gesetzgebers angewiesen wären. Dies ergibt sich aus Art. 9 Abs. 3 GG, der für den Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Verfassungs wegen eine autonome Ordnung durch gesellschaftliche Gruppen anstrebt. 4. Die vom Bundesverfassungsgericht für Beschränkungen der freien Berufswahl aufgestellten Grundsätze der Stufentheorie gelten gleichermaßen für Beschränkungen der freien Arbeitsplatzwahl. Dies gilt zumindest im Bereich der abhängigen Arbeit. Denn im Bereich der abhängigen Arbeit kommt der in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG hervorgehobenen Gewährleistung besonderes Gewicht zu, weil dort das Maß möglicher Selbstverwirklichung von dieser Gewährleistung wesentlich abhängt. Zu Kapitel 4 Die Überprüfung tarifvertraglicher Altersgrenzenregelungen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG erfolgt durch verhältnismäßige Zuordnung der Berufsfreiheit älterer Arbeitnehmer einerseits und ihr als „Gemeinschaftsbelang" gegenübertretender Rechtspositionen andererseits. Im einzelnen kann dabei in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Stufentheorie folgendermaßen vorgegangen werden: 1. Zunächst erfolgt die Bestimmung, in welche der Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG, ggf. auf welcher Stufe, eingegriffen wird. Altersgrenzenregelungen mit dem Ziel, die berufliche Leistungsfähigkeit zu sichern, stellen subjektive Zugangsvoraussetzungen dar; Altersgrenzen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Beeinflussung von Altersstruktur, Aufstiegschancen und Personalplanungen sind als objektive Zugangsvoraussetzungen einzustufen. 2. Sodann hat eine isolierte Betrachtung des Zieles der tarifvertraglichen Altersgrenzenregelung zu erfolgen. Die sie tragenden Erwägungen dürfen nicht mit Grundprinzipien oder Wertentscheidungen der Verfassung in Widerspruch stehen. Ferner dürfen die Tarifvertragsparteien nicht von unzutreffenden tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen. Hierzu gehört, daß einer Altersgrenzenregelung nicht unsubstantiiert die Annahme einer signifikanten generellen Abnahme der Leistungsfähigkeit Älterer, ζ. B. über 60jähriger, zugrunde gelegt werden darf. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Beziehungen zwischen Altern und Leistungsfähigkeit müssen berücksichtigt werden. 3. Die Festsetzung der Altersgrenze muß zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet und erforderlich sein. Was die Eignung angeht, muß beachtet werden,

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daß den Tarifvertragsparteien ein Beurteilungsspielraum zukommt. Erforderlichkeit bedeutet, daß von mehreren geeigneten Mitteln stets dasjenige auszuwählen ist, welches den einzelnen am wenigsten beeinträchtigt. So einschneidende Regelungen wie die Festsetzung starrer Altersgrenzen werden nur ausnahmsweise als in diesem Sinne erforderlich angesehen werden können, regelmäßig dagegen mangels Erforderlichkeit unwirksam sein. 4. Schließlich müssen tarifvertragliche Altersgrenzenregelungen im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Das zu fördernde Ziel darf in seiner Wertigkeit nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs stehen. Je intensiver eine Altersgrenzenregelung in die Berufsfreiheit eingreift, um so wichtiger muß der Belang sein, der durch sie gefördert werden soll. Diese Abwägung ist allerdings nur entscheidungserheblich, wenn der Eingriff in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl bzw. Berufswahl als erforderlich angesehen werden kann. Erst im Zusammenhang mit dieser Abwägung kann auch eine Bedeutung haben, ob eine Altersversorgung besteht, die die wirtschaftlichen Nachteile einer Zwangspensionierung abmildert. Der Umstand einer ausreichenden Altersversorgung kann in der Weise in die Abwägung mit eingestellt werden, als durch sie Bedenken ausgeräumt werden können, die bestehen würden, falls die Altersgrenze bei den Betroffenen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen müßte. Das Bundesarbeitsgericht darf das Vorhandensein einer Altersversorgung nicht zur tragenden Säule für die „sachliche" Rechtfertigung von Altersgrenzenregelungen machen.

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