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German Pages 317 Year 2001
SWANTJE JACKLOFSKY
Arbeitnehmerstellung und Aufsichtsratsamt
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 192
Arbeitnehmerstellung und Aufsichtsratsamt Arbeitsrechtliche Aspekte hinsichtlich der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer
Von
Swantje Jacklofsky
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Jacklofsky, Swantje:
Arbeitnehmerstellung und Aufsichtsratsamt : Arbeitsrechtliche Aspekte hinsichtlich der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer I Swantje Jacklofsky. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 192) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10241-X
D 188 Alle Rechte vorbehalten Duncker & Humb1ot GmbH, Berlin Druck: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Gennany
© 2001
ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-10241-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Vorwort Diese Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rechtswissenschaft des Fachbereiches Wirtschaft und Management der Technischen Universität Berlin und lag dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin im Wintersemester 1999/2000 als Dissertation vor. Sie befindet sich auf dem Stand von April 1999; Gesetzesänderungen, Rechtsprechung und Literatur wurden bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt. Für die Unterstützung bei meiner Dissertation möchte ich mich auf Herzlichste bei Herrn Prof. Dr. Axel Hunscha bedanken. Er hat meine Arbeit betreut und mir in großzügigster Weise den nötigen zeitlichen und wissenschaftlichen Freiraum für meine Studien gewährt. Trotz seiner vielfaltigen Lehrund Forschungsaufgaben stand er mir zu jeder Zeit als kritischer Gesprächspartner zur Seite, bereicherte mit seinen fachlichen Hinweisen meine Forschungen und unterstützte mich mit Rat und Tat im Promotionsverfahren an der Freien Universität Berlin. Herrn Prof. Dr. Jochern Schmitt danke ich für die Übernahme der Zweitkorrektur sowie die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderen Dank schulde ich auch meinen Freunden und Kollegen Thilo Kröning, Dr. Rocco Jula und Judith Heyn für ihre Ratschläge zur Verbesserung meiner Arbeit. Ohne die liebe und geduldige Unterstützung während des Schreibens an der Dissertation sowie die Hilfe bei der Erstellung der Druckvorlage für den Verlag Duncker & Humblot Berlin durch meinen Ehemann Micha könnte ich heute nicht in diesem Buch blättern. Ihnen und vor allem meinen Eltern, Dr. Wolfgang und Lieselatte Dörschel, widme ich meine Arbeit.
Berlin, November 2000
Swantje Jacklofsky
Inhaltsverzeichnis
Einleitung Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat I. Aufgabe und Ziel dieser Arbeit.......................................................................
19
II. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat.................................................................................................... 24 I. Rechtliche Grundlagen.............................................................................. 25 a) Paritätische Mitbestimmung im Montanbereich.....................................
25
b) Mitbestimmung nach dem MitbestG .....................................................
28
c) Drittelbeteiligung nach§§ 76ff. BetrVG 1952 ....................................... 30 2. Begründung und Beendigung der Aufsichtsratsstellung.............................. 31 3. Das Aufsichtsratsamt als Instrument der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer......................................................................................
35
a) Überwachung und Beratung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat...... 35 b) Personalhoheit ... ........... ... ... ..... ............ ...... ..... ................ ......... ... ...... ....
41
c) Teilnahme- und Rederechte gegenüber der Hauptversammlung ............. 43 d) Rechte und Pflichten gegenüber dem Gesamtorgan Aufsichtsrat............
45
e) Verantwortlichkeit und Haftung............................................................ 47 Erstes Kapitel
Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses I. Einfiihrung......... ..... ........... ... .. .. ........................... .... .............. ........ .. .... ..........
48
II. Wortlaut und Systematik des Gesetzes............................................................ 50 III. Abschluß und Beendigung eines Anstellungsvertrages zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied ... ... ..................... ........ .... .. .....................................
52
l. Antrag auf Abschluß eines Anstellungsvertrages........................................
52
8
Inhaltsverzeichnis 2. Beendigung des Anstellungsvertrages............ ............................................
55
IV. Rechtliche Bedeutung eines speziellen Anstellungsvertrages .........................
59
I. Anstellungsverträge von Vorstandsmitgliedern zur Gesellschaft....... ..........
59
2. Vergleichende Betrachtung zur Rolle und zum möglichen Inhalt eines Anstellungsvertrages zwischen Aufsichtsratsmitglieder und der Gesellschaft....... ...........................................................................
61
V. Ergebnis ... .. ................ .. ..... ......... ..... ................... .............................. ..... ... .. ..
65
Zweites Kapitel
Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche I. Bezahlte Freistellung von der Arbeit zur Vomahme von Aufsichtsratstätigkeit
66
I. Befreiung von der beruflichen Tätigkeit.....................................................
68
a) Das Verhältnis der Pflichten aus der Amtsstellung gegenüber denen aus dem Arbeitsverhältnis.....................................................................
68
aa) Vergleich der Funktionen von Aufsichtsrat und Betriebsrat.............
68
bb) Vorrang der Amtstätigkeit gegenüber der Erfiillung der arbeitsvertragliehen Pflichten schon aufgrund der Bedeutung und Funktion des Aufsichtsratsamtes?........................ ......................... ... ... .... .......
70
cc) Störungs- und Behinderungsverbot der§§ 26 S. I MitbestG, 78 S. I BetrVG ...............................................................................
72
b) Zustimmung des Arbeitgebers zur Arbeitsbefreiung?.............................
75
c) Durchsetzbarkeit der Arbeitsbefreiung gegenüber dem Arbeitgeber.......
78
d) Schadensersatzansprüche des gestörten bzw. behinderten Aufsichtsratsmitgliedes der Arbeitnehmer ... ... ..... ...... .......... .................
79
2. Lohnzahlung fiir die Zeit der Arbeitsbefreiung............................. ... .. .. .......
82
a) Arbeitsrechtliche Wertungen .................................................................
82
aa) § 324 I BGB, Betriebsrisikolehre ....................................................
82
bb) § 616 BGB .....................................................................................
86
b) Anspruch aufbezahlte Arbeitsbefreiung aufgrunddes Benachteiligungsverbotes gern. §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG .......................... 87 aa) Benachteiligung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis?......................................................................
87
bb) Benachteiligung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner? .......... ...
91
Inhaltsverzeichnis
9
cc) Benachteiligung der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gegenüber den anderen arbeitnehmerseitig gewählten Aufsichtsratsmitgliedem? ........................ ......... .. ...
92
c) Drohende Lohneinbuße als Störung oder Behinderung in der Ausübung der Aufsichtsratstätigkeit......... ... ... .. ....................... .. ............
95
d) Analoge Anwendung des § 37 II BetrVG ...............................................
98
aa) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes hinsichtlich der Regelung eines Lohnfortzahlungsanspruches? ................... .. ...... ... ... ..... ...
98
bb) Vergleichbarkeit...........................................................................
100
e) Zulässigkeil der ungekürzten Lohnzahlung unter dem Gesichtspunkt des Begünstigungsverbotes....................... .. . ............. ... ............ .. ..........
102
f) Entstehung einer betrieblichen Übung ....... .. ... ................. .. ..................
103
3. Zusammenfassung...................................................................................
106
II. Bezahlter Freizeitausgleich für Aufsichtsratstätigkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit.................................................................................... 107 III. Bezahlte Freistellung von der Arbeit zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen... .............. ... .. ........................... ... ... .... ............... .. ... .. ........ .. .. ........ 110 1. Erforderlichkeil anfänglich vorhandener Mindestkenntnisse und -fähigkeiten der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer........................ 110 2. Vergleichende Betrachtung zum Schulungsanspruch nach § 37 VI BetrVG........................................................................................ 116 3. Heranziehung der§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ......................................... 119 4. Zusammenfassung.................................................................................... 120 Drittes Kapitel
Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht I. Rechtmäßige Streiks...................................................................................... 122 1. Erlöschen, Ruhen oder Suspendierung des Aufsichtsratsamtes der Arbeitnehmer während eines Streikes....................................................... 122 a) Erlöschen des Amtes infolge der Streikteilnahme ................................. 122 b) Ruhen des Amtes während des Streikes .............. ... .............................. 123 c) Suspendierung des Amtes durch Teilnahme am Streik.......................... 128 2. Zulässigkeil der Teilnahme am Streikgeschehen..... .................................. 130 a) Zulässigkeitjeglicher aktiver Streikbeteiligung? .................................. 130
10
Inhaltsverzeichnis b) Beschränkung der zulässigen Streikbeteiligung auf die bloße Arbeitsniederlegung?........................................................................... 135 c) Erforderlichkeit der Einzelfallbetrachtung ............................................ 137 d) Abschließender Vergleich mit der Rechtslage bei Betriebsratsmitgliedern ............. ..... .. ... ............................. .. ........ ....... .. .. ...................... 142 e) Ergebnis.............................................................................................. 145 3. Ausschluß der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer von Beratungen und Abstimmungen über Arbeitskampf- und Tarifangelegenheiten ........... 146 a) Ausgangspunkt: Trennungsprinzip........................................................ 146 b) Ausschluß des Mitberatungs-undStimmrechts der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wegen Interessenkollisionen bzw. aufgrund der rechtsanalogen Anwendung der Stimmverbots-Nonnen. .. 149 c) These der "Gegnerfreiheit" des Aufsichtsrates...................................... 154 d) Mitbestimmungsurteil des BVerfG....................................................... 158 e) Überholtheit der Forderung nach einer Einschränkung des Stimmund Mitberatungsrechts der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat aus rechtsgeschichtlicher, rechtstatsächlicher sowie praktischer Sicht......... 160 aa) Rechtsprechungsentwicklung und Tendenzen in der rechtswissenschaftliehen Literatur..................................................................... 160 bb) Entwicklung der Gesetzgebung .. ........... ............................ ..... ... ... .. 163 cc) Tatsächliche Einflußmöglichkeiten der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat bei Fragen des Arbeitskampfes, der Tarifvertrags- und Koalitionspolitik ............................................................................ 168 ( l) Überwachung des Vorstandes . ......... ............................ ... ... ... .. .. 168 (2) Personalhoheit .......................................................................... 171 (3) Verschwiegenheitspflicht gemäߧ§ 116, 93 I AktG .................. 172 (4) Zusammenfassung ................... ...... .. ............................. ..... ... ... . 174 dd) Heutige Mitbestimmungspraxis ..................................................... 174 t) Rechtsvergleichung..... ...... ........................ .... .......... ............................ .. 178 g) Praktikabilität eines Stimmrechtsausschlusses... .. ............................... .. 179 h) Ergebnis.............................................................................................. 181
II. Rechtswidrige Streiks ........ ................ .. ............. ... ........... ... .. .. ...................... 181
Inhaltsverzeichnis
11
Viertes Kapitel
Kündigungsschutz I. Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat im Hinblick auf die Kopplung von Aufsichtsratsstellung und Arbeitnehmereigenschaft.. ... 187 1. Problemeinfiihrung: Kopplungsvorschriften der§§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgO .. .. .......... ... .................. .. ................... .. .. ............... ... .... ... 187 2. Geltung der Kopplungsregelung nach §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgO für alle Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat ............ 192 3. Arbeitsrechtliche Lösungen...................................................................... 195 II. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG .......... 197
I. Extensive Auslegung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG .............................. 197 2. Analoge Anwendung der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG .............................. 201 a) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes......................................... 201 aa) Fehlende Gesetzgebungsaktivität........... ......................................... 201 bb) "Beredtes Schweigen" des Gesetzgebers? ............. ............. .. .. ... ..... 203 cc) "Regelungstechnisches Versehen" des Gesetzgebers?........... .......... 204 b) Vergleich von Betriebsratsamt und Aufsichtsratsamt der Arbeitnehmer 207 aa) Grundgedanken des § 15 I KSchG. ................. ............ ... ......... ........ 207 bb) Bedeutung und Schutzbedürftigkeit der Ämter............................... 21 0 c) Formalisiertes Abberufungsverfahren ...... ....... .. ............. ............ ... ...... .. 215 d) Personalunion von Aufsichtsrats- und Betriebsratsamt........................ .. 216 e) Sonstige weitgehende Angleichung der Rechtsstellung von Betriebsratsmitgliedern und Arbeitnehmern im Aufsichtsrat?............... 217
t) Zusammenfassung ....... .. .. .. .. ... .. . ....... ............ ... ... .............. ............ ........ 218 III. Amtsspezifischer Kündigungsschutz nach § § 26 MitbestG, 78 BetrVG ........ 219 1. Grundlagen eines relativen, amtsbezogenen Kündigungsschutzes nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ............................................................. 219 a) Persönlicher Geltungsbereich der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ............. 219 b) Umrisse des amtsbezogenen Kündigungsschutzes nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG .... ... .... ............................ ............ .. ....................... ... .. .. .. ... ... 222 2. Kündigungen wegen reiner Amtspflichtverletzungen ...... ........... .. ........ .. ... 223 3. Kündigungenaufgrund von Pflichtwidrigkeiten mit Bezug sowohl zur Aufsichtsratstätigkeit als auch zum Arbeitsverhältnis ....... .. ............ .......... 226
12
Inhaltsverzeichnis a) Auswirkung der Amtspflichten auf den Umfang der arbeitsvertragliehen Pflichten.................................................................................... 226 b) Parallelität von Pflichtverstößen? ................... .. ............... ... ........... ..... .. 231 aa) Vorrang des Amtshandelns: Unvereinbarkeit der Pflichten aus Amt und Arbeitsverhältnis?............................................................ 231 bb) Parallelitätcontra Entweder-Oder-Prinzip...................... ................ 235 cc) Stellungnahme zu beiden Theorien ................................................. 240 c) Eigener Lösungsansatz: Feststeilbarkeit von Handlungsschwerpunkten. 244 aa) Kriterien fiir die Feststellung des Pflichtwidrigkeitsschwerpunktes. 245 bb) Analyse möglicher Pflichtwidrigkeiten der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer.................. 249 (1) Weitergabe geheimhaltungsbedürftiger, im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit erlangter Informationen, eventuell verbunden mit unzutreffender Darstellung derselben in der Öffentlichkeit . ... ........................ ... ... ............ .. ................. ........ .. 249 (2) Strafanzeigen gegen Vorstandsmitglieder/Arbeitgeber................ 254 (3) Unzulässige Formen der Streikteilnahme .................................... 258 (4) Entfernen vom Arbeitsplatz unter dem bloßen Vorwand erforderlicher AufsichtsratstätigkeiL...... ..... .. .... .. ..... .... .......... 261 (5) Vortäuschen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit mit der Folge der Vernachlässigung der Aufsichtsratsaufgaben sowie der Nichterbringung der Arbeitsleistung................................... 262 (6) Straftaten zu Lasten des Unternehmens/Arbeitgebers .................. 263 (7) Politische Betätigung mit Bezug zum bzw. im Unternehmen....... 265
IV. Auswirkungen des Amtsschutzes nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG auf den allgemeinen Kündigungsschutz nach KSchG ............. .. ............... .. ......... . 267 1. Anwendbarkeit des KSchG auf die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer............................................................... 267 2. Kündigungsschutz nach § 1 KSchG unter Berücksichtigung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG............................................................................... 268 3. Anhang: Berücksichtigung der Aufsichtsratstätigkeit eines Arbeitnehmers im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG zu seinen Gunsten. ..... 271 V. Schicksal der Aufsichtsratsmitgliedschaft nach Kündigung .......................... 275 VI. Zusammenfassung . ............... ....... .................. ... ... ............................ ... ..... ... . 279
Inhaltsverzeichnis
13
Fünftes Kapitel
Haftung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat in Anbetracht der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftungsbeschränkung I. Sorgfaltsmaßstab der§§ 116, 93 AktG als Ausgangspunkt............................. 280
II. Heranziehung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftungsbeschränkung fiir die Aufsichtsratstätigkeit von Arbeitnehmern ..... ........................ ........ .. ... 284 III. Gesellschaftsrechtliche Bewertung einer Haftungsbeschränkung zugunsten der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat.. ...... .. .... ... ...................... ............. 289
Anhang ................................................................................................................ 293
Literaturverzeichnis ........................................................................................... 303
Sachwortverzeichnis ............. ...... ............................ ..... ...... .................... .......... ... 3 14
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen allgemein AFG
ArbeitsfOrderungsgesetz
Ag
Aktiengesellschaft
AG
Arbeitsgericht
AktG
Aktiengesetz
ArbGG
Arbeitsgerichtsgesetz
BAG
Bundesarbeitsgericht
BayOLG
Bayrisches Oberstes Landesgericht
BeschFG
Beschäftigungsforderungsgesetz
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz 1972
BetrVG 1952
Betriebsverfassungsgesetz 1952
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
DGB
Deutscher Gewerkschaftsbund
f./ff.
folgende
GG
Grundgesetz
GK
Gemeinschaftskommentar
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GmS-OGB
Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes
Gen
Genossenschaft
GenG
Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
Abkürzungsverzeichnis
15
GO
Geschäftsordnung
GS
Großer Senat
HGB
Handelsgesetzbuch
KAGG
Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften
KG
Kommanditgesellschaft
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KonTraG
Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
KSchG
Kündigungsschutzgesetz
LAG
Landesarbeitsgericht
LG
Landgericht
MitbestG
Mitbestimmungsgesetz
MitbestErgG
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz)
Montan-MitbestG
Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-Mitbestimmungsgesetz)
OLG
Oberlandesgericht
SGB
Sozialgesetzbuch
SprAuG
Sprecherausschußgesetz
StGB
Strafgesetzbuch
Periodisch erscheinende Druckwerke, Zeitschriften und Zeitungen AuR
Arbeit und Recht
BAGAP
Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts
BB
Betriebsberater
BGHZ
Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Zivilsachen
BGBI.
Bundesgesetzblatt
16
Abkürzungsverzeichnis
BlStSozAR
Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht
BT-Drucks.
Bundestags-Drucksache
BVerGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
DB
Der Betrieb
Die AG
Die Aktiengesellschaft
DZWir
Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FS
Festschrift
GmbHR
GmbH-Rundschau
JZ
Juristen-Zeitung
MitbestGespr.
Das Mitbestimmungsgespräch
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
RdA
Recht der Arbeit
WM
Wertpapiermitteilungen
ZfA
Zeitschrift für Arbeitsrecht
ZGR
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht; bis 1982 Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis
Zusätzliche spezielle Abkürzungen in den Fußnoten AG
Arbeitgeber
AN
Arbeitnehmer
Anh.
Anhang
ANV
Arbeitnehmervertreter
AR
Aufsichtsrat
ARM
Aufsichtsratsmitglied/er
ARMderAE
Aufsichtsratsmitglied/er der Anteilseigner
Abkürzungsverzeichnis ARMder AN
Aufsichtsratsmitglied/er der Arbeitnehmer
Beschl.
Beschluß
BR
Betriebsrat
BRM
Betriebsratsmitglied/er
BRat
Bundesrat
BTag
Bundestag
BRegierung
Bundesregierung
ebda.
ebenda
Fn.
Fußnote
Großkomm.
Großkommentar
HB
Handbuch
Komm.
Kommentar
Rn.
Randnummer
Urt.
Urteil
VM
Vorstandsmitglied/er
Vorb.
Vorbemerkung
2 Jacklofsky
17
Einleitung Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat I. Aufgabe und Ziel dieser Arbeit Die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten größerer Kapitalgesellschaften hat sich zu einem bedeutenden und charakteristischen Element der deutschen Wirtschaft entwickelt, welches nicht nur den Vorstellungen des Gesetzgebers und der Arbeitnehmervereinigungen entspricht, sondern mittlerweile auch in den Unternehmenskreisen weitgehend anerkannt wird. 1 Seit dem Erlaß der ersten Mitbestimmungsgesetze in den 50er Jahren, dem Montao-Mitbestimmungsgesetz von 1951, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz von 1956 sowie den §§ 76ff. Betriebsverfassungsgesetz von 1952 kam es in der juristischen Fachliteratur und in der Wirtschaft nur im Zusammenhang mit dem Erlaß des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu einer grundlegenden Debatte über die Verfassungsmäßigkeit der Unternehmensmitbestimmung von Arbeitnehmern, der durch das "Mitbestimmungsur-
1 Dies bestätigte jüngst wieder das BVerfG in seinem Urteil vom 02. März 1999 zur Verfassungsmäßigkeit bzw. -widrigkeit der §§ 3 II S. 1, 16 MitbestErgG, d. h. Regelungen zur Einbeziehung von Konzernobergesellschaften in die Sonderform der Mitbestimmung nach MitbestErgG, in dem es ausdrücklich die generelle Akzeptanz der Mitbestimmung in Unternehmenskreisen - auch in Form der Montan-Mitbestimmung feststellte; vgl. z. B. in ZIP 1999, S. 410ff. (416ff.); desgleichen zahlreiche Stimmen in der Literatur, wie z. B. Jula, Die Bildung besonderer Konzernorgane, S. 135: 'Nach empirischen Untersuchungen wird die Effizienz des Unternehmens durch die Mitbestimmung nicht nur nicht beeinträchtigt, vielmehr wird die Handlungsfähigkeit des Unternehmens durch die höhere Akzeptanz der Unternehmerischen Entscheidungen in der Belegschaft sowie durch das Vorhandensein anerkannter Konfliktlösungsorgane im allgemeinen sogar erhöht (Ausnahmen im Einzelfall vorbehalten); ebenso Ulmer in Festschrift für Theodor Heinsius zum 65. Geburtstag,1991, S. 855ff. (855f.); Kühler, Gesellschaftsrecht, § 32, VI. 1. (S. 419): 'Mitbestimmung der AN in Deutschland wird als eine zuweilen zwar lästige, insgesamt aber bewährte Einrichtung akzeptiert, die das eher auf Konflikte angelegte Tarifsystem durch sozialintegrative Mechanismen ergänzt.'; vgl. i. ü. die Darstellung im Dritten Kapitel, I. 3. e) aa) und dd); kritisch allerdings v. Weizsäcker in FAZ v. 27. 06. 1998 "Alle Macht den Aktionären", der mitbestimmte Unternehmen für weniger effizient und flexibel als Unternehmen ohne Mitbestimmung hält.
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
teil" des BVerfG2 vom 01. 03. 1979 ein vorläufiger Schlußpunkt gesetzt wurde. Darin erklärte das BVerfG das Mitbestimmungsgesetz für mit dem Grundgesetz vereinbar und stellte zugleich die Prognose auf, daß die Funktionsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sowie des geltenden Tarifsystems durch die bestehende Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigt werde. Diese Prognose des BVerfG kann bislang als bestätigt gelten. 3 Gerichtliche Verfahren seit dem Mitbestimmungsurteil des BVerfG beschäftigten sich weitgehend mit Detailfragen zur Geltung der Mitbestimmungsgesetze sowie zum Umfang der Arbeitnehmermitbestimmung in konkreten Einzelfällen.4 Zudem ist die Anzahl der gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten mit mitbestimmungsrechtlichem Bezug bei einer stetig steigenden Zahl mitbestimmter Unternehmen von 1976 bis heute annähernd gleichgeblieben. 5 Auch in der Literatur ist nach der fast unüberschaubaren Flut von Aufsätzen und Meinungsäußerungen zu mitbestimmungsrechtliehen Themen vor und nach dem Erlaß des MitbestG Stille eingekehrt.6 Darin drückt sich einerseits die große Akzeptanz aus, die dem geltenden Mitbestimmungsrecht in rechtswissenschaftlichen Kreisen entgegengebracht wird. Andererseits vermißt der interessierte Leser jedoch aktuelle Beiträge und neue Ansätze zu bestimmten, seit langem diskutierten Problempunkten. Dies verwundert um so mehr, wenn man sich die stürmische Entwicklung der deutschen Wirtschaft seit den 70er Jahren vergegenwärtigt. Heute, an der Schwelle zur Jahrtausendwende, stellen sich Probleme eines Umfanges und einer Art, wie es sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Mitbestimmungsgesetze nicht gegeben hat und die zur damaligen 2 NJW
1979, S. 699ff. So das BVerfG selbst fiir die Montan-Mitbestimmung im Urteil vom 02. März 1999 zur Verfassungsmäßigkeit von§§ 3 li S. 1, 16 MitbestErgG, ZIP 1999, S. 410ff. (416ff.) sowie z. B. Ulmer, ebda., Festschrift fiir Theodor Heinsius zum 65. Geburtstag, 1991, s. 855. 4 Anhang II: Überblick zu Rechtsstreitigkeiten mit mitbestimmungsrechtlichem Bezug. s Nach den Angaben von Theisen, BB 1981, S. 1858ff. (1858); Die AG 1987, S. 137ff. (138); Die AG 1993; S. 49ff. (50f.); Die AG 1998, S. 153ff. (154) existierten Mitte der 80er Jahre 480 mitbestimmte Unternehmen, Ende 1986 waren es schon 488, Ende 1991 573 und Ende 1992 sogar 709 mitbestimmte Unternehmen (zu letzterem auch der Mitbestimmungsbericht 1992 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institutes des DGB, AG-Report, Die AG 1994, S. R 114). Die Zahl der veröffentlichten bzw. bekanntgewordenen gerichtlichen Entscheidungen mit mitbestimmungsrechtlichem Bezug lag zwischen 1976 und 1981 bei rund 50, zwischen 1981 und 1986 bei rund 40, zwischen 1986 und 1991 bei 47, zwischen 1991 und 1996 bei rund 50 Urteilen bzw. Beschlüssen. 6 So auch die Einschätzungen von Jula, Die Bildung besonderer Konzernorgane, S. 89; Theisen, Die AG 1993, S. 49fT. (50), Die AG 1998, S. 153fT. (154) sowie Ulmer, ebda., S. 855. 3
I. Aufgabe und Ziel dieser Arbeit
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Zeit nicht vorhersehbar waren. Die Anforderungen des zukünftigen europäischen Marktes, die fortschreitende Verflechtung von Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene (man denke allein an die jüngsten aufsehenerregenden Unternehmenszusammenführungen Thyssen- Krupp, Daimler-Benz - Chrysler, VW- Rolls Royce7) sowie damit verbundene neue Unternehmensbewertungs- und Managementkonzepte, etwa Shareholder Value, Lean Production oder Outsourcing, haben zu wesentlichen Änderungen und Anpassungen im Gesellschafts- und speziell Aktienrecht8 geführt. Daneben erfuhr auch das deutsche Arbeitsrecht durch Gesetzesänderungen bzw. richterliche Rechtsfortbildung zahlreiche Anpassungen oder Veränderungen. Diesbezüglich ist einerseits eine Erweiterung bzw. Verfeinerung der Rechte des Betriebsrates9 festzustellen. Andererseits wurde aber auch die Rechtsposition des Arbeitgebers in wesentlichen Fragen verstärkt, so zum Beispiel durch die (inzwischen wieder zurückgenomrnene 10) Verringerung der 7 Zusammenstellung der größten Fusionen im Jahre 1998 mit deutscher Beteiligung in FAZ v. 28. 12. 1998, "Große Fusionen lassen viele neue Unternehmen in Deutschland entstehen." 8 Jüngste aktienrechtliche Änderungsgesetze: 1993/94 Standortsicherungsgesetz, 2. Finanzmarktförderungsgesetz, Umwandlungsbereinigungsgesetz sowie Gesetz fiir kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts; 1998: 3. Finanzmarktförderungsgesetz und KonTraG; hinsichtlich mitbestimmungsrechtlicher Änderungen: 3. Montao-Mitbestimmungs-Sicherungsgesetz 1988 (hierzu auch das Urteil des BVerfG v. 02. März 1999, ZIP 1999, S. 410fT., siehe Anhang II) sowie Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz 1994; dazu Drittes Kapitel, I. 3. e) bb). 9 Z. B. BAG, Beschl. v. 03. 05. 1994, BAGE 76, S. 364ff. = NZA 1995, S. 40fT.: Bejahung eines allgemeinen Unterlassungsanspruches des BR aus § 87 I BetrVG gegen Maßnahmen, die die erzwingbaren Mitbestimmungsrechte des BR in den Angelegenheiten des§ 87 I BetrVG mißachten; BAG, Beschl. v. 12. II. 1997, NZA 1998, S. 559f. = BB 1998, S. 1006f. in Fortfiihrung von BAG, Beschl. vom 19. 07. 1995, BAGE 80, S. 296ft: = NZA 1996, S. 332fT.: Unterlassungsanspruch des BR gegen nicht ordnungsgemäße Veröffentlichung der Kosten für die BR-Tätigkeit; - zahlreiche Entscheidungen auch zugunsten eines Mitbestimmungsrechtes des BR nach§ 87 BetrVG, z. B. BAG, Beschl. v. 08. 11. 1994, NZA 1995, S. 857f. = BB 1995, S. 1188f. (§ 87 I Nr. 1: Führung von Krankengesprächen); BAG, Beschl. v. 02. 04. 1996, BB 1996, S. 959 (§ 87 I Nr. 7: Unterbrechung der Bildschirmarbeit); BAG, Beschl. v. 21. 01. 1997, NZA 1997, S. 785fT.= BB 1997, S. 1690f. (§ 87 I Nr. 1: Einführung eines Formulares für Krankenbesuche); mehrfach Präzisierungen der Kostentragungspflicht des AG nach § 40 I BetrVG, aus der jüngsten Zeit z. B. BAG, Beschl. v. 24. 01. 1996, NZA 1997, S. 60f. = DB 1996, S. 2355f. (Gesetzestexte fiir BR); BAG, Beschl. v. 14. 02. 1996, NZA 1996, S. 892ft: = BB 1996, S. 1612ff. (Kosten der anwaltliehen Vertretung im Einigungsstellenverfahren); BAG, Beschl. v. 15. 01. 1997, NZA 1997, S. 78lf. = DB 1997, S. 1475f. (Schulung über Mobbing im Betrieb); i. ü. vgl. die entsprechende Kommentierung bei Fitting/Kaiser/Heither!Engels mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen. 10 Mit Wirkung vom 01. 10. 1996 wurde durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz eine Höchstdauer fiir das Verfahren zur Erzielung eines Interessenausgleiches in § 113 III BetrVG (2 Monate) eingeführt; vorher gab es keine zeitliche Beschränkung fiir den Versuch des Interessenausgleiches; vgl. hierzu z. B. Neef,
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Pflichten des Arbeitgebers, im Rahmen einer Betriebsänderung zu versuchen, einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat herbeizuführen (§ 113 III BetrVG), durch die Anerkennung seines Rechts auf Stillegung des Betriebes aufgrund eines Streikes im Betrieb 11 oder bei den Möglichkeiten der befristeten Einstellung von Arbeitnehmern 12• Zahlreiche Arbeitnehmerschutzvorschriften wurden zudem gelockert bzw. stehen erneut zur Debatte; teilweise, um den Unternehmern Anreize für Einstellungen und die Beibehaltung hiesiger Produktionsstätten zu geben, zum Teil auch, um die vielerorts beklagten hohen Lohnnebenkosten zu senken. 13 Vor dem Hintergrund dieses Wandels im Arbeitsrecht sind auch die in früheren Zeiten gefundenen Ergebnisse zu bestimmten Fragestellungen hinsichtlich der Rechtsstellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer aus heutiger Sicht zu überprüfen. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich dabei hauptsächlich auf die Untersuchung der rechtlichen Stellung derjenigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, die zwingend dem Unternehmen angehören müssen. Die ihnen eigentümliche ,,Zwitterposition" des Arbeitnehmers und Aufsichtsratsmitgliedes in einer Person läßt die Frage entstehen, inwieweit sich die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers sowie dessen paralleles Aufsichtsratsamt gegenseitig beeinflussen.
NZA 1997, S. 65ff. Diese Gesetzesänderung wurde mit Wirkung zum Ol. Ol. 1999 wieder rückgängig gemacht. 11 In Abweichung zu BAG, Urt. v. 14. 12. 1993, NZA 1994, S. 331ff. (Lohnzahlungspflicht des AG bei fortbestehender Beschäftigungsmöglichkeit) anerkannte das BAG mit Urt. v. 22. 03. 1994, BAG AP Nr. 130 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = NZA 1994, S. l 097ff. das Recht des AG, den Betrieb stillzulegen; unabhängig von eventuellen Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen damit die Lohnansprüche der AN; erneut bestätigt im Urt. v. 31. Ol. 1995, BAG AP Nr. 135 zu Art. 9 GG = AuR 1995, S. 374ff. 12 Verlängerung der Geltung des BeschFG bis zum Jahr 2000 und Erweiterung der Möglichkeiten zur befristeten Einstellung, insbesondere in§ l BeschFG. 13 Z. B. die zuvor schon erwähnte Ausweitung der Möglichkeiten befristeter Beschäftigungen; die umfassende Reform des AFG (Eingliederung des AFG in das SGB III mit Wirkung zum Ol. Ol. 1998; vermehrte Anreize fiir den AG zur Einstellung insbesondere von Langzeitarbeitslosen; erweiterte Pflichten für die AN hinsichtlich der Bemühungen um Arbeit; Verschärfung der Voraussetzungen fiir den Bezug von Arbeitslosengeld und -hilfe, z. B. Kriterien der Zumutbarkeit einer Tätigkeit, der Anreisezeiten zur Arbeit usw.); die Änderung des KSchG zum Ol. Oktober 1996 (Anhebung des Schwellenwertes fiir die Anwendbarkeit des KSchG; Beschränkung der Kriterien der Sozialauswahl) sowie deren Zurücknahme Anfang 1999; ebenso die Einführung der 80%igen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. deren Zurücknahme zum Ol. Ol. 1999.
I. Aufgabe und Ziel dieser Arbeit
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Hierbei verdienen folgende Punkte besondere Beachtung: (1) der Rechtscharakter des Aufsichtsratsamtes der Arbeitnehmer, (2) der Anspruch der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber auf vergütete Freistellung für die Aufsichtsratstätigkeit, (3) das Recht der Arbeitnehmer auf Streikteilnahme und die möglichen Folgen einer Streikteilnahme für das Aufsichtsratsamt, (4) ein eventueller besonderer Kündigungsschutz für die Arbeitnehmer aufgrund ihres Aufsichtsratsamtes sowie
(5) angesichts der höchstrichterlichen Entscheidung zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei nunmehr allen betrieblich veranlaßten Tätigkeiten die Geltung dieser Grundsätze für die Arbeitnehmer bei ihrer Aufsichtsratstätigkeit
Alle fünf Fragestellungen stehen unmittelbar oder mittelbar in Bezug zueinander. Ein Lösungsvorschlag hinsichtlich nur eines Punktes oder einiger Punkte verkennt diesen komplexen Zusammenhang und läuft Gefahr, in seinen Wertungen und Entscheidungen inkonsequent zu werden. An zusammenfassenden aktuellen Darstellungen dieses Themenkreises mangelt es allerdings in der Literatur; auch in den Lehrbüchern und Kommentaren finden sich meist nur sehr knappe Ausführungen zu dieser speziellen Problematik. Neben dem 'Handbuch für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat' von Kittner/ Köstler/Zachert, herausgegeben von der Hans-Böckler-Stiftung im BundVerlag, entstanden einige wenige ausführlichere Aufsätze zur arbeitsrechtlichen Stellung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat von Reich/Lewerenz 14, von Mertens 15 , von Peter und Naendrup 16 sowie von Hanau bzw. Martens 17 in Erwartung bzw. Beantwortung des Mitbestimmungsurteiles des BVerfG Ende der 70er Jahre.
Inhalt und Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, eine einheitliche Lösung für die genannten Problempunkte hinsichtlich der rechtlichen Stellung
AuR 1976, S. 353ff.: zur 'Stellung der Arbeitnehmerverteter im Aufsichtsrat'. Die AG 1977, S. 306ff.; zum Verhältnis von ' Aufsichtsratsmandat und Arbeitskampf. 16 BlStSozAR 1977, S. 257ff. und AuR 1979, S. 161ff.; beide zum 'Kündigungsschutz von Arbeitnehmervertretern in mitbestimmten Aufsichtsräten'. 17 ZGR 1977, S. 397ff. bzw. 422ff.: beide zum Verhältnis des Mitbestimmungsgesetzes zum kollektiven Arbeitsrecht (Tarifsystem, Betriebsverfassung, Koalitionsbetätigung); für Hanau kann noch auf ZGR 1979, S. 524ff. verwiesen werden (arbeitsrechtliche Bedeutung des Mitbestimmungsurteiles des BVerfG, insbesondere mit Bezug auf das Verhältnis MitbestG - Koalitionsfreiheit bzw. Betriebsverfassung). 14
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
der zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer aus heutiger Sicht vorzustellen. 18 Die Darstellung beschränkt sich auf diese Arbeitnehmervertreter in Aktiengese/lschaften 19, ohne allerdings zu verkennen, daß auch für die anderen Aufsichtsratsmitglieder, zum Beispiel die Gewerkschaftsvertreter oder bestimmte Anteilseignervertreter, wie etwa Bankenvertreter oder Politiker, ähnliche bzw. andere grundlegende Fragen aufgeworfen werden können. Hierfür ist aufbereits vorhandene Arbeiten zu verweisen, andernfalls nachfolgenden Bearbeitungen ein reiches Betätigungsfeld eröffuet.20
II. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer ist zwingend vorgesehen für alle Kapitalgesellschaften einer bestimmten Größe (Höhe des Grundkapitals bzw. Beschäftigtenzahe 1) vor allem der Rechtsformen Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien und Gesellschaft mit beschränkter Haftung, außerdem auch für Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, (bergrechtliche Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeif2) sowie teilweise für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeif3 • Im Unterschied zur betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung auf Betriebsebene durch ein eigens zu bildendes Arbeitnehmerorgan, den Betriebsrat, bedeutet 'Unternehmensrnitbestimmung durch Arbeitnehmer', daß Vertreter der Arbeitnehmer
Schrifttum und Rechtsprechung wurden bis einschließlich April 1999 verwertet. Der Deutlichkeit der Darstellung dienend wird die Rechtsstellung der ARM der AN am Beispiel der Aktiengesellschaft aufgezeigt; auf Besonderheiten anderer Gesellschaftsformen wird nur dann eingegangen, wenn sich dadurch wesentliche Abweichungen ergeben. 20 Bereits vorliegende Dissertationen mit ähnlichem Themenkreis: z. B. zur ANEigenschaft von Organmitgliedern und mitarbeitenden Gesellschaftern Diller, 'Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer', Köln 1994, sowie Heyll, 'Die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder', Frankfurt am Main 1994; aus dem Bereich der Geschäftsfiihrung Krauss, 'Status und Kündigungsschutz von arbeitnehmerähnlichen Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft', Frankfurt am Main 1989 oder auch Frisch, 'Haftungserleichterung fiir GmbH-Geschäftsfiihrer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts', Berlin 1998. 21 Im einzelnen unten, unter l. a) bis c). 22 Gesellschaftsform der bergrechtliehen Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ist zum 31. 12. 1993 ausgelaufen,§ 163 I BBergG i.V.m. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren und des Bundesberggesetzes vom 20. 12. 1988 (BGBI. I S. 2450); vgl. Hüffer, Gesellschaftsrecht, § 2, 3. (S. 9) m. w. N. 23 Mitbestimmung nach§§ 76ff. BetrVG 1952 (§ 77 II BetrVG 1952). 18 19
II. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer
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direkt in einem Verwaltungsorgan der Gesellschaft, dem Aufsichtsrat, mitarbeiten. Hierbei haben sie grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen, von den Anteilseignern gewählten Aufsichtsratsmitglieder. Sie sind nicht an Weisungen oder Aufträge der Belegschaft gebunden, sondern einzig dem Unternehmensinteresse und ihren Amtsaufgaben verpflichtet?4 1. Rechtliche Grundlagen
Der Aufsichtsrat besteht grundsätzlich aus 3 Mitgliedern, § 95 S. 1 AktG25 . Per Satzung kann eine höhere, durch drei teilbare Mitgliederzahl festgelegt werden, die jedoch gemäß § 95 S. 4 AktG in Abhängigkeit vom Grundkapital der Gesellschaft nicht mehr als 9, 15 bzw. 21 Aufsichtsräte vorsehen darf. Modifizierungen hierzu ergeben sich durch die verschiedenen Mitbestimmungsgesetze26.
a) Paritätische Mitbestimmung im Montanbereich Die Entwicklung und Ausgestaltung der Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen des Bergbaues und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montanbereich) Anfang und Mitte der 50er Jahre ist untrennbar mit der damals gerade erst überwundenen Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland verbunden, in deren Folge im In- und Ausland ein besonderes Bedürfnis nach einer wirksamen Absicherung der jungen deutschen Demokratie bestand. 27 Gerade der Wirtschaftszweig der Montanindustrie ermöglichte 24 Vgl. Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, 1., li., Rn. 1-8; Lutter/Krieger, § 7, 1., Rn. 279ff.; Mertens in Kötner Komm. zum AktG, Vorb. § 95, Rn. 9; § 107, Rn. 5; § 113, Rn. 9; allem. w. N. 25 Geltung des § 95 S. I AktG für die GmbH gemäß § 52 I GmbHG; für die Genossenschaft gilt die gleiche Grundzahl gemäߧ 36 I GenG. 26 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaues und der Eisen- und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 05. 1951, zuletzt geändert durch VO vom 26. 02. 1993, MontanMitbestG; Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 07. 08. 1956, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. 10. 1994, MitbestErgG; Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 04. 05. 1976, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. 10. 1994, MitbestG; als AuffangregeJung die fortgeltenden §§ 76ff. des Betriebsverfassungsgesetz 1952 vom 11.1 0. 1952, zuletzt geändert durch Gesetz vom 02. 08. 1994, § 76ff. BetrVG 1952. 27 Hierzu Schmedes, Die Rechtsstellung der nach dem Betriebsverfassungsgesetz in die AR der Aktiengesellschaften entsandten AN-Vertreter, S. 3f.; Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb., Rn. 31.
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
und begünstigte in den Jahren vor 1945 die aggressive, mit Mitteln des Krieges fortgesetzte Politik des Hitlerregimes. Gerade hier wurden wesentliche Instrwnente für den Angriffund die Unterjochung anderer Völker produziert. Daher wurden nach dem Krieg die Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie in den westlichen Besatzungszonen zunächst beschlagnahmt und durch Gesetze der britischen und der amerikanischen Militärregierung in neue Gesellschaften überführt. Auf Betreiben der Gewerkschaften wurde 1947 in diesen entflochtenen Gesellschaften eine weitgehende Form der ArbeitnehmerMitbestimmung eingeführt, die sich insbesondere durch eine paritätische Beteiligung von Vertretern der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten sowie durch die Bestellung eines auf Vorschlag der Gewerkschaften und der Betriebsräte bestimmten Arbeitsdirektors in den Vorständen auszeichnete. Wenig später schuf der Gesetzgeber für diese Form der Arbeitnehmermitbestimmung auch die gesetzliche Grundlage in Gestalt des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaues und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. Mai 1951.28 Die gleichberechtigte Beteiligung von Vertretern der Arbeitnehmerschaft an der Kontrolle und Verwaltung von Montan-Unternehmen bot nunmehr neben der Möglichkeit der Einführung demokratischer Elemente in den Wirtschaftsprozeß die Gewähr einer Kontrollinstanz, deren Interessen nicht einseitig am Profit des Unternehmens ausgerichtet sind. Arbeitnehmermitbestimmung als Gegenpol zu wirtschaftlicher Machtbildung und Machtverstärkung - dieser Grundgedanke wurde damals konsequent im Montan-MitbestG und MitbestErgO verwirklicht: In den hierunter fallenden Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie 29 sind Arbeitnehmer seitdem paritätisch im Aufsichtsrat beteiligt. Das Montan-MitbestG findet gemäߧ 1 Montan-MitbestG Anwendung auf Montan-Unternehmen der Rechtsform Aktiengesellschaft und GmbH30 (bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, siehe oben), die in der Regel mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen oder "Einheitsgesellschaften" (§ 1 I b. Montan-MitbestG) sind. Bei einem Nennkapital von bis zu 20 Millionen Deutsche Mark besteht der Aufsichtsrat gemäß § 4 I MontanMitbestG aus elf Mitgliedern; nämlich vier Vertretern der Anteilseigner und 28 So das BVerfG zur Entstehungsgeschichte des Montan-MitbestG im Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der§§ 3 II S. I, 16 MitbestErgO vorn 02. März 1999, ZIP 1999, s. 410ff. (411). 29 Genaue Angaben zu den Unternehmen des Montanbereiches z. B. bei Held, Nichtigkeit der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum AR, S. II, Fn. 7-9. 30 Im Anwendungsbereich des Montan-MitbestG müssen nach §§ 1 II, 3 I MontanMitbestG auch in GmbH's Aufsichtsräte gebildet werden; für mitbestimmungsfreie GmbH's ist gern. § 52 GmbHG die Einrichtung eines freiwilligen AR per Satzungsregelung erlaubt; vgl. nur Lutter/Krieger,§ 9, 1., Rn. 328ff. sowie§ 10, I., II., Rn. 351ff.
II. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer
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einem 'weiteren Anteilseigner-Mitglied', vier Arbeitnehmervertretern und einem 'weiteren Arbeitnehmer-Mitglied', sowie aus einem neutralen, dem elften Mitglied. Unter den vier Arbeitnehmervertretern müssen sich zwei betriebsangehörige Arbeitnehmer, jeweils ein Arbeiter und ein Angestellter, befinden. Die anderen beiden Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmerseite werden von den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften ausgewählt, § 6 I, II MontanMitbestG. Die 'weiteren Mitglieder' werden zwar ebenfalls von der Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmerbank bestellt, sie sollen aber gemäß § 4 II MontanMitbestG dennoch möglichst eine neutrale Position innehaben. 31 Das Erfordernis einer neutralen Position gilt gleichermaßen für das elfte Mitglied, das das Vertrauen beider Bänke besitzen soll und deshalb gemäß § 8 MontanMitbestG aufgrund eines Vorschlages aller übrigen Aufsichtsratsmitglieder (Beschluß mit der Mehrheit aller Stimmen) durch das Wahlorgan gewählt wird. 32 Bei Montan-Unternehmen mit einem größerem Nennkapital als 20 Millionen Deutsche Mark kann durch eine Satzungsregelung oder durch den Gesellschaftsvertrag die Zahl der Aufsichtsratssitze auf 15 bzw. 21 (Nennkapital von mehr als 50 Millionen Deutsche Mark) erhöht werden, §§ 9, 4 ff. MontanMitbestG. Dann muß sich bei 15 Aufsichtsratssitzen der Aufsichtsrat aus sechs Anteilseignervertretern und einem 'weiteren Anteilseigner-Mitglied', aus sechs Arbeitnehmervertretern und einem 'weiteren Arbeitnehmer-Mitglied' sowie aus dem 15., dem "neutralen Mitglied" zusammensetzen. Die sechs Arbeitnehmer-Sitze sind dabei mit zwei unternehmensangehörigen Arbeitern, einem unternehmensangehörigen Angestellten sowie drei von den Spitzenorganisationen vorgeschlagenen Personen zu besetzen. Ein 21köpfiger Aufsichtsrat besteht schließlich aus jeweils acht Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmervertretern sowie je zwei 'weiteren Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmer-Mitgliedern' und dem "neutralen 21. Mitglied". Die Arbeitnehmersitze im Aufsichtsrat sind in Entsprechung zu oben mit drei Arbeitern, einem Angestellten und vier von den Spitzenorganisationen Vorgeschlagenen zu besetzen.
31 Sie dürfen weder Repräsentant einer Gewerkschaft, einer AG-Vereinigung oder einer Spitzen-organisation dieser Verbände sein oder zu solchen Vereinigungen in einem ständigen Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis stehen noch im Laufe des letzten Jahres vor ihrer Wahl zum ARM eine solche Stellung innegehabt haben. Auch dürfen sie nicht als AN oder AG in einem unter das Montan-MitbestG fallenden Unternehmen tätig sein, darüber hinaus kein wirtschaftliches Interesse an dem Unternehmen haben; vgl. nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 C MontanMitbestG, Rn. 14. 32 Nur Mertens, ebda., Rn. 15.
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Die Mitbestimmung in herrschenden Unternehmen nach MitbestErgG33 vollzieht sich in einem 15köpfigen Aufsichtsrat, der aus jeweils sieben Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer (fünf konzernangehörige Arbeitnehmer, zwei Gewerkschaftsvertreter) sowie aus einem neutralen Mitglied besteht, §§ 5, 6 MitbestErgG.34 Bei Unternehmen mit einem Gesellschaftskapital von mehr als 50 Millionen Deutsche Mark kann die Zahl der Aufsichtsratssitze ebenfalls per Satzung oder Gesellschaftsvertrag auf 21 erhöht werden. In diesem Fall besteht der Aufsichtsrat aus jeweils zehn Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer (sieben konzernangehörige Arbeitnehmer, drei Gewerkschaftsvertreter) sowie einem neutralen Mitglied. Die konzernangehörigen Arbeitnehmer sind gemäß § 10 c II MitbestErgO entsprechend dem zahlenmäßigen Verhältnis von Arbeitern und Angestellten im Konzern auszuwählen. b) Mitbestimmung nach dem MitbestG
Für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in nicht dem Montanbereich zuzurechnenden Unternehmen der Rechtsform Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, GmbH35, (bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit) sowie der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft36, in denen in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigt werden, gilt das MitbestG, § 1 I, II MitbestG.37 Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach MitbestG zeichnet sich zunächst durch eine zahlenmäßig gleichmäßige Besetzung des Aufsichtsrates mit 33 Soweit das herrschende Unternehmen nicht bereits unter das Montan-MitbestG fällt (§ 2 MitbestErgG), gilt das MitbestErgG nach Maßgabe der §§ I, 3, 4 MitbestErgG: nämlich in Unternehmen, die ein Unternehmen beherrschen, in dem die Arbeitnehmermitbestimmung nach Montan-MitbestG erfolgt bzw. wenn der Unternehmenszweck des Konzerns durch Konzernunternehmen und abhängige Unternehmen gekennzeichnet wird, die unter das Montan-MitbestG fallen. 34 Die nach Montan-MitbestG von der Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmerbank zu wählenden 'weiteren Mitglieder' sind im MitbestErgG nicht mehr vorgesehen. 35 Errichtung eines AR zwingend gern. §§ 6 I, II, 1 I, 7 - 24 MitbestG. 36 Pflicht-AR auch für mitbestimmte Genossenschaften, §§ 6 I, II, 1 I, 7 - 24 MitbestG. 37 Das MitbestG gilt ebenso für herrschende Konzernunternehmen (außerhalb des Anwendungsbereiches des MitbestErgG), die für sich betrachtet weniger als 2000 AN beschäftigen, unter Einrechnung der AN der Konzernunternehmen aber diese Mindestgrenze erfüllen; die AN der Konzernunternehmen gelten insoweit als AN des herrschenden Unternehmens, § 5 I MitbestG. Eine Anwendbarkeit des MitbestGauch auf ein Unternehmen, welches persönlich haftender Gesellschafter einer KG ist, kann sich gemäß §§ 4, 5 II MitbestG dergestalt ergeben, daß die AN der KG als AN des persönlich haftenden Gesellschafters gelten.
li. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer
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Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern aus. In Unternehmen mit in der Regel mehr als 2000 und nicht mehr als 10 000 Arbeitnehmern besteht der 12köpfige Aufsichtsrat aus jeweils sechs Vertretern der Anteilseigner bzw. Arbeitnehmer. Die Sitze der Arbeitnehmerseite verteilen sich dabei auf vier Arbeitnehmer des Unternehmens (darunter entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Unternehmen Arbeiter, Angestellte und mindestens ein leitender Angestellter) sowie zwei Gewerkschaftsvertreter. Auch bei einer per Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Statut erhöhten Zahl der Aufsichtsratssitze auf 16 bzw. 20 besteht der Aufsichtsrat aus jeweils acht bzw. zehn Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmervertretern. Der Aufsichtsrat eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 10 000, jedoch nicht mehr als 20 000 Arbeitnehmern ist mit 16 Mitgliedern, acht Vertretern der Anteilseigner sowie der Arbeitnehmer (sechs unternehmensangehörige Arbeitnehmer und zwei Gewerkschaftsvertreter), zu besetzen. Eine Erhöhung auf 20 Aufsichtsratssitze, d.h. je zehn Vertreter beider Seiten, ist ebenso möglich. Schließlich besteht der Aufsichtsrat eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 20 000 Arbeitnehmern aus 20 Mitgliedern, d.h. aus je zehn Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer (sieben unternehmensangehörige Arbeitnehmer sowie drei Gewerkschaftsmitglieder). Dennoch ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach MitbestG keine paritätische wie im Bereich des Montan-MitbestG und des MitbestErgG. Zum einen steht dem Aufsichtsratsvorsitzenden gemäߧ§ 29 II, 31 IV MitbestG ein doppeltes Stimmrecht bei der zweiten Abstimmung über denselben Gegenstand zu, wenn sich im vorherigen ersten und in diesem zweiten Abstimmungsvorgang Stimmengleichheit ergibt. Zwar kann der Aufsichtsratsvorsitzende auch aus den Reihen der Arbeitnehmervertreter gewählt werden. Meistens jedoch, und zwingend dann, wenn im ersten Wahlgang zur Bestimmung des Vorsitzenden nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrates fiir den Kandidaten erreicht wird, wählen in einem zweiten getrennten Wahlgang die Anteilseignervertreter den Aufsichtsratsvorsitzenden und die Arbeitnehmervertreter dessen Stellvertreter, § 27 II MitbestG. Dem Stellvertreter steht das Zweitstimmrecht bei Pattsituationen allerdings nicht zu. Insoweit kann die Anteilseignerseite bei Meinungsverschiedenheiten die Arbeitnehmerseite über das Zweitstimmrecht des regelmäßig aus ihren Reihen kommenden Aufsichtsratsvorsitzenden überstimmen. Zum anderen muß dem Aufsichtsrat nach§ 15 II S. 3 MitbestG zwingend mindestens ein leitender Angestellter iSv. § 5 III BetrVG angehören, und die den Angestellten zugedachten Aufsichtsratssitze der Arbeitnehmerseite müssen entsprechend dem zahlenmäßigen Verhältnis zwischen Angestellten und leitenden Angestellten auf diese beiden Personengruppen verteilt werden. Lei-
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
tende Angestellte gelten damit als Vertreter der Arbeitnehmer, obwohl sie ihrer Stellung nach eher der Arbeitgebersphäre zuzurechnen sind und - wie es das BAG38 formulierte - 'kraft der ihnen übertragenen und von ihnen ausgeübten Funktionen typische Unternehmer- (Arbeitgeber-)Interessen zu wahren haben'. Häufig werden sich die Ansichten der leitenden Angestellten nicht mit denen der übrigen Arbeitnehmer decken, sondern vielmehr mit den Interessen der Anteilseignerseite harmonieren. Insoweit sind die Einfluß- und Durchsetzungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerseite von vornherein geringer als im Bereich der Montanmitbestimmung. Dies war allerdings auch das entscheidende Kriterium, auf das das BVerfG seine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des MitbestG stützte. Eine "Parität" - im Schrifttum vorherrschend verstanden als ein Verhältniszweier Partner, in dem keine Seite imstande ist, eine von ihr gewünschte Entscheidung ohne die Zustimmung der anderen Seite oder doch eines Teiles von ihr zu erzwingen, in dem daher auch jede Seite die andere hindem kann, ihre Ziele (allein) durchzusetzen - liege zwischen Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmervertretern bei der Mitbestimmung nach MitbestG nicht vor. Vielmehr komme der Anteilseignerseite ein leichtes Übergewicht zu, mittels dessen sie sich gegen die Arbeitnehmerseite durchsetzen könne. Insoweit sei das MitbestG mit den Grundrechten der hierunter fallenden Gesellschaften und der Anteilseigner aus Art. 2 I, 12 I, 14 I GG sowie der Arbeitgeberkoalitionen aus Art. 9 I, III GG vereinbar. 39
c) Drittelbeteiligung nach§§ 76ff. BetrVG 1952 Für Unternehmen, die weder montanmitbestimmt (Montan-MitbestG bzw. Mitbest-ErG) sind noch in den Anwendungsbereich des MitbestG fallen, kommt gemäß § 1 III MitbestG eine Drittel-Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach den fortgeltenden §§ 76ff. BetrVG 195240 in Betracht. Diese Mitbestimmungsregelung erfaßt gemäߧ§ 76 I, VI, 77 BetrVG 1952 alle Gesellschaften der Rechtsform der Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien41 , GmbH (bergrechtliche Gewerkschaft mit eigener Rechtspersön38 So die Definition in Urt. v. 05. 03. 1974, BAG AP Nr. 1 zu§ 5 BetrVG 1972, insb. BI. 149 (gewisser Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmerschaft und leitenden Angestellten), bestätigend BAG, Urt. v. 19. 11. 1974, BAG AP Nr. 2 zu § 5 BetrVG 1972 (insb. BI. 158f.); i. ü. Zöllner/ Loritz, Arbeitsrecht, § 5, III (S. 6lf.), Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch,§ 14, I. (S. 80ff.). 39 BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979, NJW 1979, S. 699ff. (699f.). 40 Fortgeltung dieser Vorschriften des alten BetrVG in§ 129 BetrVG von 1972 angeordnet. 41 Für AG und KGaA mit weniger als 500 AN, die vor dem 10. August 1994 eingetragen wurden, gelten die Vorschriften über die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat nur dann nicht, wenn es sich dabei um sog. .,Familiengesellschaften" handelt, § 76 IV BetrVG 1952.
II. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer
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lichkeit), des Versicherungsvereines auf Gegenseitigkeit und der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft, die mindestens (Aktiengesellschaft) bzw. mehr als 500, aber höchstens 200042 Arbeitnehmer beschäftigen. In diesen Unternehmen besteht der Aufsichtsrat gemäߧ 95 S. 1 AktG bzw. §§ 278 III AktG, 77 I, II BetrVG 195243 , 36 I GenGin Verbindung mit§ 76 I BetrVG 1952 grundsätzlich aus drei Mitgliedern, zwei Anteilseigner- und einem Arbeitnehmervertreter. Letzterer muß gemäß § 76 II S. 2 BetrVG in einem Betrieb des Unternehmens als Arbeitnehmer beschäftigt sein. Bei Festlegung einer höheren, jeweils durch drei teilbaren Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern in der Satzung (unter Berücksichtigung der Höchstgrenzen des § 95 S. 4 AktG) sind bei einem neunköpfigen Aufsichtsrat drei Arbeitnehmervertreter, bei 15 Aufsichtsratsmitgliedern fünf und bei 21 Aufsichtsratsmitgliedern sieben Arbeitnehmervertreter zu bestellen. Hierunter müssen sich mindestens zwei Arbeitnehmer aus den Betrieben des Unternehmens, und zwar grundsätzlich ein Arbeiter und ein Angestellter, befinden, § 76 II S. 3 BetrVG 1952 in Verbindung mit§ 10 III BetrVG. Die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer nach§§ 76ff. BetrVG 1952 ist wegen der möglichen Zwei-Drittel-Mehrheit der Anteilseignerseite vergleichsweise schwach ausgestaltet. Die Arbeitnehmervertreter können Beschlüsse gegen die einstimmig votierende Anteilseignerseite nicht verhindem44 , geschweige denn sich gegenüber der Anteilseignerseite durchsetzen. Um so mehr kommt allerdings ihrer Präsenz im Aufsichtsrat und ihrer Funktion des Einbringens der Belegschaftsinteressen Bedeutung zu. 2. Begründung und Beendigung der Aufsichtsratsstellung45 In Abweichung von den Regelungen für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner, die ohne Bindung an Wahlvorschläge durch die Versammlung der Bei mehr als 2000 Beschäftigten Geltung des MitbestG, siehe oben, unter b). Für GmbH (und bergrechtliche Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit) mit mehr als 500 Arbeitnehmern ist in § 77 I BetrVG 1952 die Bildung eines AR zwingend angeordnet. 44 In der Regel einfache Stimmenmehrheit ausreichend; aber selbst bei qualifizierten Mehrheiten (absolute Mehrheit aller ARM; Mehrheit einschließlich des ARVorsitzenden) können sich die Vertreter der Anteilseigner durchsetzen. 45 Hinsichtlich der Besonderheiten nach den Mitbestimmungsgesetzen z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B §§ 7, 9ff., 15 MitbestG; Anh. § 117 C, Rn. 13fT.; Anh. § 117 D, Rn. !Off. und Anh. § 117 E, Rn. 17fT.; i. ü. Hoffmann, Der AR, S. 145ff., Rn. 700fT.; Lutter/Krieger, § I III. 1., Rn. 5; V., Rn. llff.; Mertens, ebda., § 102, Rn. 4ff., § 103, Rn. 5; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt!Kropff, AktG, § 102, Rn. 2ff., § 103, Rn. 3ff.; Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 30, II., Rn. 12ff., IV., Rn. 44fT. 42
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Mitglieder der jeweiligen Körperschaft (Hauptversammlung, Gesellschafterversammlung, Generalversammlung) gemäߧ§ 101 I AktG, 278 III AktG, 52 I GmbHG, 36 I, 43ff. GenG bestellt werden46 , enthalten die Mitbestimmungsgesetze Sondervorschriften für die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. Arbeitnehmervertreter nach Montan-MitbestG werden gemäß §§ 101 I AktG, 6 Montan-MitbestG zwar ebenfalls durch das (durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern berufene) Wahlorgan, also die Haupt-, Gesellschafter- bzw. Generalversammlung, im Wege der Wahl bestellt. Diese ist hierbei aber an die Wahlvorschläge der Betriebsräte des Unternehmens gebunden, §§ 101 I S. 2 AktG, 6 VI MontanMitbestG. Hinsichtlich der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (bei insgesamt fiinf Arbeitnehmervertretern jeweils ein Arbeiter und ein Angestellter; bei sieben Arbeitnehmervertretern zwei Arbeiter und ein Angestellter; bei zehn Arbeitnehmervertretern drei Arbeiter und ein Angestellter, §§ 9, 4 I MontanMitbestG) bilden die Arbeitermitglieder und die Angestelltenmitglieder der Betriebsräte je einen Wahlkörper. Diese bestimmen in geheimer Wahl das bzw. die aufihn entfallendein Mitglied/er,§ 6 I Montan-MitbestG. Nach Beratung mit den in den Betrieben des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften und deren Spitzenorganisationen leiten die Betriebsräte ihre Wahlvorschläge für die Aufsichtsratssitze an das Wahlorgan weiter, § 6 li Montan-MitbestG. Hinsichtlich der weiteren Aufsichtsratssitze fiir Arbeitnehmer schlagen die Spitzenorganisationen der in den Unternehmensbetrieben vertretenen Gewerkschaften nach vorheriger Beratung mit den (anderen) Gewerkschaften den Betriebsräten zwei (bei insgesamt fiinf Arbeitnehmervertretern) bzw. drei (sieben Arbeitnehmervertreter) bzw. vier (zehn Arbeitnehmervertreter) Kandidaten vor. Außerdem sind sie vorschlagsberechtigt bezüglich der 'weiteren Mitglieder' der Arbeitnehmerseite (bei fiinf Arbeitnehmervertretern ein, bei zehn Arbeitnehmervertretern zwei weitere Mitglieder, §§ 4 I b.). Auf der Grundlage dieser Vorschläge der Spitzenorganisationen bestimmen die Betriebsräte in geheimer Wahl diese (Gewerkschafts-) Kandidaten; die so ermittelten Wahlvorschläge werden gleichfalls an das Wahlorgan weitergeleitet.
Im Anwendungsbereich der anderen Mitbestimmungsgesetze, des MitbestErgG, des MitbestG sowie der§§ 76ff. BetrVG 1952 werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer ohne Beteiligung oder Einfluß der Aktionäre, Gesellschafter, bzw. Genossen allein durch die Belegschaft bestimmt. Die Bestellung erfolgt entweder in Form mittelbarer Wahl durch Delegierte der Belegschaft (§§ 7, 8ff. MitbestErgG; 9, 10ff. MitbestG; 76 IV BetrVG 1952) oder in unmittelbarer Wahl durch die wahlberechtigten Arbeitnehmer des Unternehmens(§§ 7, 10 g Mitbest-ErgG; 9, 18 MitbestG; 76 II BetrVG 1952). 46 Ebenfalls in mitbestimmten Gesellschaften; fiir die Wahl der Anteilseignervertreter wird in §§ 3 li, 5 Montan-MitbestG, 5 I, II MitbestErgG, 6 II, 8 MitbestG, 77 I BetrVG auf die einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestellungsvorschriften verwiesen.
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Den wahlberechtigten Arbeitnehmern des Unternehmens nach MitbestErgO und MitbestG steht es frei, abweichend von der gesetzlichen Vorgabe unmittelbare bzw. mittelbare Wahl zu beschließen, §§ 7 MitbestErgG; 9 MitbestG. Die Delegierten werden grundsätzlich in getrennten Wahlgängen der Arbeiter und Angestellten bestimmt, können nach§§ 8 I, II MitbestErgG; 10 I, II MitbestG aber auch in gemeinsamer Wahl gewählt werden. Das gleiche Prinzip gilt für die nachfolgende Bestimmung der Arbeitnehmer für das Aufsichtsratsamt Entweder werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeiter von den Arbeiter-Delegierten und die der Angestellten von den Angestellten-Delegierten gewählt, oder die Delegierten beschließen in getrennten, geheimen Abstimmungen die gemeinsame Wahl der Arbeitnehmer für den Aufsichtsrat, §§ 10 c III Mit-bestErgG; 15 III MitbestG. Bei unmittelbarer Wahl der Arbeitnehmervertreter durch die Arbeitnehmer des Unternehmens wählen grundsätzlich getrennt die Arbeiter die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeiter und die Angestellten die Aufsichtsratsmitglieder der Angestellten; gemeinsame Wahl ist aber auch hier zulässig, §§ 10 g MitbestErgG; 18 MitbestG. Die Gewerkschaftsvertreter (§§ 6 I, III MitbestErgG; 7 II, IV MitbestG) werden gemäß §§ 10 d, 10 g MitbestErgG; 16, 18 MitbestG auf der Basis von Wahlvorschlägen der im Unternehmen bzw. Konzern vertretenen Gewerkschaften in gemeinsamer Wahl der Delegierten bzw. der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Unternehmens gewählt.
Die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied endet grundsätzlich mit Ablauf der regulären Amtszeit. Diese beträgt mangels abweichender Regelungen im Gesellschaftsvertrag oder anderslautender Hauptversammlungsbeschlüsse für alle Aufsichtsratsmitglieder einheitlich maximal fünf Jahre, § 102 I AktG in Verbindung mit§§ 3 II, 4 III Montan-MitbestG; 5 IV, 10 c I, 10 d I MitbestErgG; 6 II MitbestG und 76 II BetrVG 1952.47 Daneben ist die Beendigung der Amtstätigkeit vor Ablauf der Amtszeit zum einen durch vorzeitige Abberufung der Arbeitnehmer aus dem Aufsichtsrat durch ihren jeweiligen Wahlkörper möglich. Hierfür gelten weitgehend die gleichen Anforderungen wie für die Bestellung der Arbeitnehmer zum Aufsichtsrat: Arbeitnehmervertreter nach Montan-MitbestG können gemäß §§ 11 II Montan-Mitbest; 103 IV AktG von der Haupt-, Gesellschafter- bzw. Generalversammlung nur auf entsprechenden Vorschlag der Betriebsräte der Unternehmensbetriebe abberufen werden. Um die von den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften vorgeschlagenen sowie die ,weiteren' Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach § 6 III, IV Montan-MitbestG abzuberufen, bedarf es zusätzlich eines entsprechenden Antrages dieser Spitzenorganisationen. 47 Kürzere, uneinheitliche Amtszeiten möglich; vgl. Meyer-Landrut, Großkomrn. AktG, § 102, Anm. I, 2, 4; inbesondere kann der entsendungsberechtigte Aktionär die Amtszeit der von ihm entsandten ARM im Rahmen der Höchstdauer frei bestimmen; hierzu Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 102, Rn. 9; Geßler in Geßler/Hefermehi!Eckardt/Kropff, AktG, § 102, Rn. 20; Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 30, III. 5., Rn. 42, m. N. 3 Jacklofsky
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Nach MitbestErgG, MitbestG und §§ 76ff. BetrVG 1952 werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer von der Belegschaft abberufen; und zwar bei ursprünglich getrennter Wahl durch Beschluß der Arbeiter- bzw. Angestelltendelegierten (mittelbare Wahl) oder der Arbeiter bzw. Angestellten des Unternehmens (unmittelbare Wahl), und bei ursprünglich gemeinsamer Wahl durch Beschluß aller Delegierten (mittelbare Wahl) oder aller wahlberechtigten Arbeitnehmer (unmittelbare Wahl), §§ IO m MitbestErgG, 23 MitbestG, 76 V S. I BetrVG I952. 48 Eine diesbezügliche Beschlußfassung erfolgt nach §§ 10m I MitbestErgG, 23 I MitbestG nur auf Antrag von drei Vierteln der wahlberechtigten Arbeiter bzw. Angestellten bzw. leitenden Angestellten oder der vorschlagenden Gewerkschaft. Nach § 76 V S. I BetrVG I952 ist ein entsprechender Antrag der Betriebsräte oder mindestens eines Fünftels der wahlberechtigten Arbeitnehmer der Unternehmensbetriebe erforderlich. Außerdem kann der Beschluß des Abberufungskörpers (identisch mit dem Wahlkörper) nur mit einer Drei-Viertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Abberufungsberechtigten gefaßt werden, § II II, I Montan-MitbestG in Verbindung mit§§ 103 I S. 2 AktG; IO m II S. 3, III S. 3 MitbestErgG; 23 II S. 3, III S. 3 MitbestG; 76 V S. 2 BetrVG I952. Zum anderen kommt eine vorzeitige gerichtliche Amtsenthebung gemäß § I03 III, IV AktG auf Antrag des Gesamt-Aufsichtsrates in Betracht, wenn in der Person des Betroffenen ein wichtiger Grund für eine vorzeitige Abberufung vorliegt. Als weitere (vorzeitige) Amtsbeendigungsgründe sind schließlich zu nennen die Amtsniederlegung49 durch den Arbeitnehmer selbst, eine wirksame Wahlanfechtung50, die Beendigung der Liquidation oder die Umwandlung des Unternehmens in eine nicht mitbestimmte Gesellschaftsform5 1, der Tod des
48 Streitigkeiten sind im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren zu klären, § 2 a I Nr. 3 ArbGG. 49 Jedenfalls zulässig, wenn so in der Satzung, im Wahlbeschluß oder in einem Beschluß der HV vorgesehen; i. ü. ist vorzeitige Amtsniederlegung jedenfalls aus wichtigem Grund zulässig, nach einigen Ansichten auch ohne wichtigen Grund, aber nicht zur Unzeit möglich, so z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 103, Rn. 56 sowie Geßler in Geßler!Hefermehl!Eckardt!Kropff, AktG, § 103, Rn. 30; noch weitergehend Lutter/Krieger, § I, V. 3. Rn. 13 (Amtsniederlegung jederzeit ohne Beachtung irgendwelcher Voraussetzungen); vgl. zum Streitstand i. ü. Hoffmann, Der AR, S. IS!f., Rn. 719,720 sowie Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 102, Anm. 6. so Anfechtung der Wahl von ARM der AN nach Montan-MitbestG: gern. §§ 251 li S. 2, III, 246, 247, 248 I S. 2 AktG; Anfechtung der Wahl der nach den anderen Mitbestimmungsgesetzen gewählten ARM der AN: gern.§§ 2 a I Nr. 3 ArbGG iVm. 10 k, I MitbestErgG, 21, 22 MitbestG, 19 BetrVG 1972 analog im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren. SI Hoffmann, Der AR, S. 152, Rn. 723.
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Arbeitnehmers, der Verlust der persönlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen52 sowie die speziellen Amtserlöschungsgründe für die zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach §§ 10 n I MitbestErgG; 24 I MitbestG53 . 3. Das Aufsichtsratsamt als Instrument der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer
Gewissermaßen als Kompromiß zwischen der Gewährleistung der unternehmefischen Freiheit einerseits sowie der Durchsetzung demokratischer Elemente und der Förderung des Arbeitnehmereinflusses in der Privatwirtschaft andererseits findet die Mitbestimmung der Arbeitnehmer prinzipiell nicht bei der Geschäftsfiihrung selbst, sondern durch Mitwirkung der Arbeitnehmer bei der Überwachung, Beratung und personellen Auswahl der Geschäftsführung statt. Mit gleichen Rechten und gleichem Einfluß wie die "hauptamtlichen" Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsführung mitzubestimmen, erforderte zudem umfassende betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen, die die Arbeitnehmer wohl in den wenigsten Fällen mitbringen werden. Die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Aufsichtsratstätigkeit mit der prinzipiell gleichen Rechtsstellung wie die sonstigen Aufsichtsratsmitglieder stellt sich unter diesem Blickwinkel als sachgerechter Ansatzpunkt einer Mitbestimmung der Arbeitnehmer aufUnternehmensebene dar. Bedeutung und Reichweite der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer werden folglich durch die Aufgabe, die Befugnisse und Pflichten des Verwaltungsorganes Aufsichtsrat bestimmt. a) Überwachung und Beratung des Vorstandes durch den AufSichtsrat
Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrates besteht darin, die Geschäftsfiihrung des Vorstandes zu überwachen. 54
52 Allgemein: unbeschränkte Geschäftsfähigkeit, § 100 I AktG, Unvereinbarkeitsregeln der§§ 100 II S. I Nr. 1-3, lOS AktG, bei deren Eingreifen das ARM zur Amtsniederlegung verpflichtet ist. 53 Hierauf eingehende Ausführungen im Vierten Kapitel, insbesondere unter I. 54 Die Überwachungstätigkeit des AR in der mitbestimmten GmbH mit Pflicht-AR sowie in Genossenschaften (§ 38 I GenG) unterscheidet sich inhaltlich nicht grundsätzlich von dem des AR einer Aktiengesellschaft; zu Besonderheiten, insbesondere den veringerten Einwirkungsmöglichkeiten des AR in der mitbestimmten GmbH siehe z. B. Lutter/Krieger,§ 9, III., Rn. 333ff. sowie§ II , II. 1., 2., Rn. 376ff.
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Voraussetzung und Grundlage flir eine wirksame Kontrolle ist zunächst die ordnungsgemäße Information des Aufsichtsrates und seiner Mitglieder. Hierfür muß der Vorstand den Aufsichtsrat regelmäßig gern. § 90 I AktG über die Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere über die gegenwärtige und künftige Geschäftspolitik, den Geschäftsgang, den Umsatz und die Rentabilität der Gesellschaft unterrichten. 55 Darüber hinaus trifft den Vorstand nach § 90 I S. 2 AktG bei "sonstigen wichtigen Anlässen", also vor allem bei für die Gesellschaft nachteiligen Ereignissen, eine Informationspflicht Nach § 170 I, II AktG hat der Aufsichtsrat Anspruch auf Vorlage des Jahresabschlusses und Lageberichtes des Vorstandes, des Vorschlages an die Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinnes sowie des Prüfungsberichtes des Abschlußprüfers zum Jahresabschluß, soweit ein Abschlußprüfer hierzu beauftragt werden muß. Zudem ist jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied berechtigt, von diesen Vorlagen des Vorstandes an den Aufsichtsrat Kenntnis zu nehmen. Der Aufsichtsrat ist aber nicht nur auf die Informationen angewiesen, die ihm vom Vorstand übermittelt werden, sondern er kann (bzw. es können einzelne seiner Mitglieder56) darüber hinaus gemäß § 90 II AktG jederzeit vom Vorstand Berichte über Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen. Zum Zwecke eigener Ermittlungen ist der Aufsichtsrat gemäß § 111 II AktG befugt, die Bücher und Schriften der Gesellschaft einzusehen sowie ihre Vermögensgegenstände zu prüfen. Werden hierfür einzelne Aufsichtsratsmitglieder oder auch Sachverständige per Aufsichtsratsbeschluß beauftragt, so hat dies zur Folge, daß die übrigen Aufsichtsratsmitglieder von der jeweiligen Einsicht und Prüfung ausgeschlossen sind. 57 Auf der Grundlage der so erlangten Informationen überprüft der Aufsichtsrat die Geschäftsführung des Vorstandes. Gegenstand seiner Prüfung ist so55 Ausfuhrliehe Darstellungen bei Lutter/Krieger, § 3, I. 2., Rn. 58ff.; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 90, Rn. 33ff.; Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 25, II., Rn. 2ff. Die Entscheidungspraxis des BGH zur Überwachungspflicht des AR, schwerpunktmäßig dessen Aussagen im Zusammenhang mit der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung stellte kürzlich Henze in NJW 1998, S 3309ff. vor; zum Pflichtenumfang des AR hinsichtlich der Haftbarmachung von VM auch Horn, ZIP 1997, S. 1129ff.; Götz, NJW 1997, S. 3275ff.; Thümmel, DB 1997, S. 1117ff. sowie Raiser, NJW 1996, S. 552ff. 56 Das Recht, Berichterstattung vom Vorstand zu verlangen, steht auch einzelnen ARM zu, § 90 III S. 2 AktG; allerdings können sie nur Berichte an den Aufsichtsrat, nicht an sich selbst beanspruchen. Der Informationsanspruch nach § 90 AktG ist kein Individualanspruch des ARM, sondern ein Recht des Gesamtorgans AR, welches lediglich auch durch einzelne seiner Mitglieder fiir das Gesamtorgan geltend gemacht werden kann; vgl. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 90, Rn. 42; Lutter/Krieger, § 3, I. 3. c.), Rn. 68; Renn, HB des Aktienrechts, § 18, Abschnitt 4. 57 Auch dieses Untersuchungsrecht des § !II I, II AktG ist Recht des Gesamtorganes, nicht des einzelnen ARM; vgl. Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 111, Anm. 6; Lutter/Krieger, § 3, I. 9., Rn. 88ff.
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wohl die Rechtmäßigkeit der Geschäftsführungsrnaßnahmen, also die Einhaltung der Satzungsvorgaben, der Gesellschafterbeschlüsse sowie der einschlägigen Rechtsnormen des Gesellschafts-, Wettbewerbs-, Steuer- und Umweltrechts, als auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leitungsentscheidungen des Vorstandes. 58 Insbesondere ist der Aufsichtsrat nach § 171 I, II AktG verpflichtet, den Jahresabschluß, den Lagebericht sowie den Vorschlag über die Gewinnverwendung des Vorstandes zu prüfen und hierüber einen schriftlichen Bericht an die Hauptversammlung abzuliefern. lngesamt ist die Kontrolle und Prüfung der Geschäftsfiihrung durch den Aufsichtsrat grundsätzlich nicht nur in Form einer nachträglichen Kontrolle wahrzunehmen, sondern sie soll nach Möglichkeit schon verhindern, daß es zu beanstandungswürdigem Geschäftsführungshandeln kommt. 59 Den hieran anknüpfenden Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrates sind allerdings in mehrerer Hinsicht Grenzen gesetzt: Zum einen wird die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstandes hauptsächlich im Rahmen der - durchschnittlich vierteljährlich stattfindenden - Aufsichtsratssitzungen überprüft. Eine auch in die Zukunft gerichtete, strategische bzw. planensehe Kontrolle ist auf diese Weise durch den Aufsichtsrat nicht zu leisten; vielmehr bräuchte es dafür eines speziellen Ausschusses, eines ständigen Planungs- und Kontrollausschusses60, besetzt mit gut informierten und betriebswirtschaftlich qualifizierten Ausschußmitgliedern. 61 Zum anderen ist der Aufsichtsrat weder verpflichtet noch berechtigt, die gesamte Geschäftsfiihrung des Vorstandes in allen Einzelheiten zu prüfen und zu überwachen. Seine Kontrollaufgabe beschränkt sich auf die Leitungsentscheidungen des Vorstandes einschließlich wichtiger Einzelmaßnahmen und konkretisiert sich im wesentlichen anband der nach § 90 AktG berichtspflichtigen Umstände. 62 Aber auch in diesem Bereich sind die Eingriffsbefugnisse des Aufsichtsrates bzw. seiner Ausschüsse (hier: Finanz- bzw. Investitionsaus58 Lutter/Krieger, § 2, II. 2., Rn. 22ff.; Mertens, ebda., § 111, Rn. 11; HoffmannBecking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 29, Il. I. b.), Rn. 25. 59 Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 111, Rn. 11; Hüffer, AktG, § III, Rn. 5; Deckert in ZIP 1996, S. 985ff. (988): 'Gesetzgeber wollte wirksame Überwachung; dies spricht ffir eine parallele Begleitung der Geschäftsffihrung durch strategische Kontrolle und Plankontrolle durch den AR.'. 60 So vorgeschlagen von Deckert in ZIP 1996, S. 985ff. (988). 61 Siehe Anhang I zur durchschnittlichen Anzahl und Dauer von AR-Sitzungen und Ausschußsitzungen sowie zur Häufigkeit des Vorhandenseins der einzelnen Ausschüsse. 62 Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § !II, Rn. 12; Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 29, II. I. a.), Rn. 23; GeBier in Geßler/Hefermehi!Eckardt/Kropff, AktG, § 111, Rn. 12; Hüffer, AktG, § II!, Rn. 3; Hoffmann, Der AR, S. 73, Rn. 300.
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
schüsse, Anlageausschüsse bei Banken, Prüfungsausschüsse) begrenzt durch die Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat und das sich hieraus ergebende unternehrnerische Ermessen des Vorstandes als dem dazu berufenen und vorgesehenen Geschäftsführungsorgan. 63 Tatsächliche oder vermeintliche Mängel oder Unregelmäßigkeiten der Unternehmensleitung durch den Vorstand aufzudecken, ist zwar Recht und Pflicht des Aufsichtsrates. Einfluß auf aktuelle, konkrete Geschäftsführungsmaßnahmen außerhalb des Bereiches der (sogleich näher erörterten) zustimmungspflichtigen Maßnahmen nach § 111 IV S. 2 AktG kann er jedoch lediglich in Form von Stellungnahmen, durch öffentliche Kritik, Information der Anteilseigner oder gegebenenfalls durch eine außerplanmäßige Einberufung der Hauptversammlung nach § 111 III AktG zu nehmen versuchen. 64 Weder ist der Aufsichtsrat dem Vorstand gegenüber weisungsbefugt, noch kann er seine Vorstellungen über notwendige bzw. sinnvolle unternehmenspolitische Maßnahmen an die Stelle der Vorstandspläne setzen. Auch die schriftliche Berichterstattung des Aufsichtsrates über die Prüfung des Jahresabschlusses, Lageberichtes sowie Vorschlages zur Bilanzverwendung des Vorstandes gegenüber der Hauptversammlung bietet dem Aufsichtsrat nur die Möglichkeit, sich gegenüber der Hauptversammlung zur bisherigen und zukünftigen Geschäftsführung des Vorstandes zu äußern und Einwendungen gegen diese Vorlagen des Vorstandes zu erheben. Selbst wenn der Aufsichtsrat im Zusammenhang mit den vorgebrachten Einwendungen den Jahresabschluß nicht billigt, so entscheidet letztlich dennoch die Hauptversammlung gemäß § 173 I AktG über dessen Feststellung. Desgleichen entscheidet sie ungebunden hinsichtlich des Vorstandsvorschlages sowie einer eventuellen diesbezüglichen Kritik des Aufsichtsrates über die Verwendung des Bilanzgewinnes, § 174 AktG. An Möglichkeiten einer weitergehenden und direkten Einwirkung des Aufsichtsrates auf die Geschäftsführung des Vorstandes insgesamt bzw. einzelner Vorstandsmitglieder kommen neben dem Erlaß einer Geschäftsordnung für den Vorstand durch den Aufsichtsrat einerseits die "Notbremse" der Abberufung von Vorstandsmitgliedern gern. § 84 III AktG in Betracht, wenn in deren Person ein wichtiger Grund für die Abberufung vorliegt. Dies birgt den Nachteil in sich, daß die Gesellschaft (teilweise) ihrer Führung beraubt wird, und daß es sich als sehr schwierig erweisen kann, unter Zeitdruck neue fahige Vor63 Lutter/Krieger, § 2, III. 2., Rn. 31; Mertens, ebda., § 111, Rn. 25ff.; Steinmann/Klaus, Die AG 1987, S. 29ff.: 'strukturelle Unvereinbarkeit von Berater- und Kontrollrolle des AR', 'Gefahr der "Blindheit des AR'". 64 Ausführlich hierzu Lutter/Krieger, § 3, IV., Rn. 32ff.; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 111, Rn. 31ff.; Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 29, II. 2., Rn. 27ff., alle m. w. N.; hinsichtlich der deutlich verringerten Einwirkungsmöglichkeiten des AR in mitbestimmten GmbH sei nur auf Lutter/Krieger, § 9 III. 3., Rn. 336ff., verwiesen.
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Standsmitglieder zu finden. Neben der Abberufung von Vorstandsmitgliedern kann der Aufsichtsrat als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft(§ 112 AktG) auch Klage gegen den Vorstand wegen dessen pflicht- und sorgfaltswidrigen Vorstandshandeins erheben.65 Dies dient allerdings primär der Schadenswiedergutmachung zugunsten der Gesellschaft und fiihrt nur sekundär zu einer (präventiven) Beeinflussung der Geschäftsfiihrung, nämlich der verbliebenen Vorstandsmitglieder. Andererseits können - ähnlich wie im Falle des § 204 I AktG 66 - die Hauptversammlung durch eine entsprechende Satzungsregelung (zum Beispiel in Form eines Zustimmungskataloges) oder der Aufsichtsrat67 durch Beschluß, der mit einfacher Mehrheit und nach pflichtgemäßem Ermessen zu fassen ist, Zustimmungserfordernisse gemäß § 111 IV S. 2 AktG aufstellen und dadurch die Realisierung bestimmter Maßnahmen von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig machen. 68 Solche Zustimmungsvorbehalte dürfen sich allerdings nur auf bestimmte Arten von Geschäften beziehen, um nicht durch Aufzählung fast aller Geschäftsarten dem Vorstand eine selbständige Geschäftsfiihrung unmöglich zu machen. Sie dürfen nicht so weit gefaßt bzw. so unbestimmt formuliert sein, daß damit der Aufsichtsrat die Geschäftsfiihrung praktisch an sich zieht. Unzulässig sind auch Zustimmungsvorbehalte hinsichtlich laufender Entscheidungs- und Planungsprozesse, weil dadurch der Freiraum
65 Siehe Lutter/Krieger, § 2, IV. 7., Rn. 42ff.; Hoffmann-Becking, ebda., § 26 (insb. Rn. 24); insgesamt hierzu Poseck, DB 1996, S. 2l65ff. 66 Zustimmung des AR nach§ 204 I AktG zum vorn Vorstand festgelegten Inhalt der Aktienrechte und zu den von ihm festgelegten Bedingungen der Aktienausgabe im Rahmen einer Erhöhung des Grundkapitals bis zur satzungsmäßig genehmigten Grenze durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen, §§ 202ff. AktG; desweiteren ist die Zustimmung des AR erforderlich, wenn der Vorstand das BezUgsrecht der Aktionäre ausschließen will, §§ 204 I S. 2, 203 li AktG. 67 Nach allgerneiner Meinung stehen die Befugnis der HV zum Erlaß einer entsprechenden Satzungsbestimmung sowie die des AR gleichberechtigt und konkurrierend nebeneinander. Die Satzung darf in das Recht des AR nicht eingreifen, etwa die ARBefugnis zur Aufstellung von Zustimmungsvorbehalten bzw. zur Erteilung der Zustimmung selbst durch das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit erschweren; der AR darf einen in der Satzung vorgesehenen Zustimmungsvorbehalt nicht aufheben oder seine Zustimmung zu solchen Geschäften im vorhinein pauschal erklären; Geßler in Geßler!Hefermehl/Eckardt!Kropff, AktG, § lll, Rn. 63; Hüffer, AktG, § ll1, Rn. 17; Hoffinann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 29 li. 2. d.), Rn. 36; zu den zahlreichen Einzelproblernen siehe insbesondere Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 111 , Rn. 62ff. 68 Nach Einschätzungen in der Literatur und Beobachtungen der Praxis haben solche Zustimmungsvorbehalte allerdings an Bedeutung verloren, und Zustimmungskataloge sind in den Satzungen nicht mehr so häufig und in nicht mehr so ausführlicher Fassung zu finden; vgl. z. B. Hoffinann, Der AR, S. 73, Rn. 300f. sowie Götz, Die AG 1995, S. 337ff. (350); abwägend Hoffmann-Becking, ebda., § 29, JI. 2. d.), Rn. 36 sowie Fn. 28 u. 29 aufS. 258.
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des Vorstandes schon im Vorfeld unternehmeciseher Initiative eingeengt würde.69 Unter "bestimmten Arten von Geschäften" im Sinne von § 111 IV S. 2 AktG sind außerdem nicht die Geschäfte und Maßnahmen des gewöhnlichen Betriebes zu verstehen, sondern nur solche, die nach Umfang, Gegenstand, Wichtigkeit oder Risiko für das betreffende Unternehmen aus den routinemäßigen, alltäglichen Vorgängen herausragen oder von besonderer unternehmensstrategischer Bedeutung sind (z. B. die Errichtung neuer Betriebsstätten und Aufnahme weiterer Produktionszweige, der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen, Grundstücksgeschäfte und Kreditaufnahmen oberhalb einer bestimmten Grenze, Kreditvergaben und Bürgschaften, das jährliche Budget sowie Personalentscheidungen oder kollektive Regelungen für die Belegschaft wie etwa Haustarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Sozialpläne70). Die praktische Relevanz solcher Zustimmungserfordernisse wird allerdings dadurch gemindert, daß der Vorstand trotz erteilter Zustimmung von der Durchführung des geplanten Geschäftes absehen kann, wenn ihm dies mittlerweile nicht mehr angezeigt erscheint. Auch hat eine Zustimmungsverweigerung durch den Aufsichtsrat lediglich zur Folge, daß die Vornahme des vom Vorstand beabsichtigten Geschäfts zunächst verhindert wird. Weder kann der Aufsichtsrat eine andere Maßnahme selbst durchführen (lassen) noch den Vorstand zu ihrer Vornahme anweisen. 71 Der Aufsichtsrat hat praktisch nur ein Vetorecht, nicht jedoch auch ein Initiativrecht. Zudem kommt eine Ersetzung der Zustimmung durch die Hauptversammlung nach § 111 IV S. 3 AktG in Betracht, die eines Beschlusses mit zwingender Dreiviertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedarf, § 111 IV S. 4, 5 AktG. Im übrigen hat die Zustimmungsverweigerung durch den Aufsichtsrat nur für das Innenverhältnis des Vorstandes zur Gesellschaft Bedeutung. Nach außen ist das abgeschlossene Geschäft, die vorgenommene Maßnahme des Vorstandes wirksam. Und es hängt von denjeweiligen Umständen des Einzelfalles ab, ob der Vorstand verpflichtet bzw. ob es überhaupt möglich ist, das pflichtwidrige Handeln rückgängig zu machen. 72 Eine Schadensersatzpflicht des Vorstandes infolge des pflichtwidrigen Hinwegsetzens über den Zustimmungsvorbehalt oder gar die Verweigerung der Zustimmung durch den Auf69 Zu allem z. B. Hoffinann-Becking, ebda., Rn. 35-37; Mertens, ebda., § 111, Rn. 62ff.; Geßler, ebda., § 111, Rn. 64ff.; Hüffer, ebda., § 111, Rn. 16-18. 70 Hüffer, AktG, § 111, Rn. 18; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 111, Rn. 68-70; Hoffinann, Der AR, S. 75, Rn. 304; weitere Beispiele bei Hommelhoffin Festschrift für Winfried Werner zum 65. Geburtstag, 1984, S. 315ff. (318ff.). 71 Hoffinann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 29, II. 2. d.), Rn. 35. 72 Geßler in Geßler/Hefermehl!Eckardt/Kropff, AktG, § 111, Rn. 78 und 74; Mertens, ebda., § 111, Rn. 86.
II. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer
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sichtsrat scheitert häufig daran, daß ein bezifferbarer Schaden nicht ensteht oder nicht nachweisbar ist. Schließlich zeichnet sich eine wirksame und effektive Kontrolle durch den Aufsichtsrat dadurch aus, daß der Aufsichtsrat dem Vorstand die Ergebnisse seiner Überwachung mitteilt, und daß hierüber eine konstruktive Auseinandersetzung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand mit dem Ziel stattfindet, Probleme und Mängel in der Geschäftsführung möglichst schon im Vorfeld zu erkennen und abzubauen. 73 Dem Aufsichtsrat als einem nicht direkt mit der Alltags-Geschäftsfiihrung betrautem und daher bezüglich übergeordneter Unternehmensinteressen möglicherweise neutralerem Verwaltungsorgan kommt insoweit als Teil seiner Überwachungskompetenz auch die Stellung eines Beraters der Geschäftsführung zu. Hierzu ist er durch seine personelle Zusammensetzung (Anteilseignervertreter: Bankenvertreter, Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder anderer Unternehmen, Entsandte ausländischer Unternehmen, mit denen z. B. eine enge Zusammenarbeit betrieben wird; Arbeitnehmervertreter: Arbeitnehmer des Unternehmens, Betriebsratsmitglieder, Gewerkschaftsrepräsentanten; Vertreter des öffentlichen Lebens wie Politiker, Wissenschaftler, Universitätsprofessoren usw.) und die damit einhergehende Vielfalt an Standpunkten zum Unternehmenswohl und zur künftigen Unternehmensentwicklung geradezu prädestiniert. ,Beratungstätigkeit' des Aufsichtsrates ist allerdings im strengen Wortsinn zu verstehen; weder dürfen Hinweise und Vorschläge des Aufsichtsrates versteckte Weisungen gegenüber dem Vorstand darstellen, noch darf der Grundsatz der alleinigen und vorrangigen Geschäftsführungskompetenz des Vorstandes durch ständige "Einmischung" der Aufsichtsratsmitglieder unterlaufen werden. b) Personalhoheit
Eine weitere wesentliche Aufgabe des Aufsichtsrates besteht in der personellen Auswahl der Vorstandsmitglieder, in der Vornahme des körperschaftlichen Rechtsaktes ihrer Bestellung bzw. Abberufung sowie im Abschluß, in der Gestaltung, Kündigung oder Aufbebung des Anstellungsvertrages, § 84 AktG.74
So Hoffmann, Der AR, S. 3, Rn. I 04. Anders dagegen wird in Genossenschaften der Vorstand von der Generalversammlung(§ 24 II GenG) bzw. der Vertreterversammlung (§ 43 a GenG) gewählt und abberufen. Der Aufsichtsrat hat lediglich nach § 40 GenG die Möglichkeit, das betreffende Vorstandsmitglied vorläufig seines Amtes zu entheben, muß danach aber sofort eine General- bzw. Vertreterversammlung einberufen, in der endgültig über die Abbe73
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Für die Anzahl der zu bestellenden Vorstandsmitglieder gelten zunächst die gesetzlichen Vorschriften über die Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern. Danach genügt grundsätzlich die Bestellung eines Vorstandsmitgliedes; in Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Deutsche Mark sowie in Gesellschaften, für die das Montan-MitbestG, das MitbestErgO oder das MitbestG (bei MitbestG KGaA ausgenommen) gilt, in denen ein Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied zu bestellen ist, müssen mindestens zwei Vorstandsmitglieder berufen werden, § 76 II AktG. Außerdem sind in der Satzung nach § 23 III Nr. 6 AktG Aussagen über die Zahl der Vorstandsmitglieder oder die Regeln zu treffen, nach denen diese Zahl festgelegt wird. Durch eine Satzungsbestimmung kann insbesondere die Zahl der Vorstandsmitglieder erhöht bzw. eine Höchstzahl für Vorstandsmitglieder festgesetzt werden. Auch kann die Satzung vorgeben, daß die Hauptversammlung oder der Aufsichtsrat über diese Punkteper Beschluß entscheiden soll.75 Beschlüsse zur Bestellung bzw. Abberufung von Vorstandsmitgliedern sind gemäß §§ 84 I S. 1, 107 III S. 2 AktG zwingend vom Gesamtaufsichtsrat zu fassen und bedürfen in nicht-mitbestimmten sowie in Unternehmen, für die das Montan-MitbestG, MitbestErgO oder die§§ 76ff. BetrVG 1952 gelten, der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder76, §§ 84, 108 I AktG, 12 Montan-MitbestG, 13 MitbestErgG. In den unter das MitbestG fallenden Unternehmen ist nach § 31 II MitbestG im ersten Wahlgang eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen der (vorhandenen77) Aufsichtsratsmitglieder erforderlich. In weiteren Wahlgängen genügt gemäß § 31 III,
rufung bzw. Aufhebung der vorläufigen Amtsenthebung entschieden wird. Einzige Ausnahme hierfür: Genossenschaften im Geltungsbereich des MitbestG. Gemäß §§ 1 I, 31 I, II, V MitbestG fällt hier die Bestellung und Abberufung der VM in die Kompetenz des AR; hierfür gilt das für die Bestellung und Abberufung in der Aktiengesellschaft Gesagte entsprechend ohne Besonderheiten; vgl. nur Lutter/Krieger,§ 11, II. 5. In GmbH im Geltungsbereich der Montanmitbestimmung sowie des MitbestG ist wie in Aktiengesellschaften der AR für die Bestellung und Abberufung von VM zuständig; §§ 1 Il, 3, 12 Montan-MitbestG; 1- 3 MitbestErgG; I I, 31 I, II, V MitbestG. Anders erfolgt in den nach§§ 76ff. BetrVG 1952 mitbestimmten GmbH mangels Verweises auf § 84 AktG in § 77 BetrVG 1952 die Bestellung und Abberufung der VM grundsätzlich nach GmbH-Recht, d. h. durch die Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG, es sei denn, diese hat in der Satzung ein anderes Organ, insbesondere den AR, mit dieser Aufgabe getraut; vgl. zu allem Lutter/Krieger, § 9, I. 1., Rn. 328 sowie IV, Rn. 340ff. 75 Siehe z. B. Lutter/Krieger, § 4, II. 2.a), Rn. 124. 76 Für die Beschlußfassung über die Bestellung und Abberufung von VM kann das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit nicht statuiert werden; vgl. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 84, Rn. 8; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 84, Anm. 2. 71 Relevant: Ist-Zustand aller ARM, also einschließlich der in der Sitzung nicht anwesenden ARM; nicht mitzuzählen sind dagegen vakante AR-Sitze, dazu Raiser, MitbestG, § 31, Rn. 14.
ll. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer
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IV MitbestG die Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratsrnitglieder; zusätzlich hat der Aufsichtsratsvorsitzende im dritten Wahlgang das Zweitstimmrecht gemäß § 31 IV S. 1 MitbestG. Die Bestellung und Abberufung des Arbeitsdirektors richten sich grundsätzlich nach den Vorschriften der Bestellung und Abberufung der übrigen Vorstandsmitglieder, §§ 13 Montan-MitbestG, 13 MitbestErgG, 33 I, II MitbestG; im Anwendungsbereich des Montan-MitbestG kann er gemäß §§ 13 I S. 2, 3 Montan-MitbestG allerdings nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bestellt oder abberufen werden. 78 Die Kompetenz zur Vorbereitung der Personalentscheidung durch den Aufsichtsrat und zum Abschluß bzw. zur Kündigung des Anstellungsvertrages mit Vorstandsmitgliedern kann per Beschluß des Gesamtaufsichtsrates79 einem speziellen Ausschuß, dem Personalausschuß, übertragen werden.80 Personalausschüsse bestehen aus mindestens drei Aufsichtsratsmitgliedern vor allem der Anteilseigner; regelmäßig befindet sich höchstens ein Arbeitnehmervertreter unter den Mitgliedern des Personalausschusses. 81 c) Teilnahme- und Rederechte gegenüber der Hauptversammlung
Jedes Aufsichtsratsmitglied ist gemäß § 118 II AktG berechtigt und grundsätzlich auch verpflichtet82, an den Zusammenkünften der Hauptversammlung Vgl. zur Figur des ,Arbeitsdirektors' Fitting!Wlotzke/Wißmann, § 33, Rn. 1, 3ff Hierfiir ist grundsätzlich einfache Stimmenmehrheit erforderlich und ausreichend. Eine Besonderheit gilt im Anwendungsbereich des MitbestG: nach § 29 II MitbestG hat der AR-Vorsitzende bei erneuter Stimmengleichheit in der zweiten Abstimmung über denselben Beschlußgegenstand (auch Einsetzung von Ausschüssen) ein Zweitstimmrecht; hierzu z. B. Lutter/Krieger, § 6, III. 2. d.), Rn. 250. 80 Nicht dagegen die Kompetenz zur Entscheidung über die Personen der zukünftigen VM, zur Bestellung und Abberufung selbst,§ 107 III S. 2 AktG; dazu nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 84, Rn. 8- 10; § 107, Rn. 95 u. 160. 81 Zur Frage der angemessenen Berücksichtigung der ARM der AN bei der Besetzung der Ausschüsse z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 107, Rn. 11 sowie Jula, Die Bildung besonderer Konzernorgane, S. 104ff; i. ü. einige gerichtliche Entscheidungen zur Unwirksamkeit von Satzungsregeln bzw. Bestimmungen der GO des AR über die ausschließliche Besetzung von (insb. Personal-) Ausschüssen mit ARM der AE, z. B. OLG Hamburg, Urt. v. 06. 03. 1992, Die AG 1992, S. 197ff. = ZIP 1992, S. 1310ff.; OLG München, Urt. v. 27. Ol. 1995, Die AG 1995, S. 466f.; LG Frankfurt/M., Urt. v. 19. 12. 1995, ZIP 1996, S. 1661ff. und BGH, Urt. v. 17. 05. 1993, Die AG 1993, S. 464ff. = WM 1993, S. l330ff.; ausfiihrlich hinten, Anhang II. 82 Daß grundsätzlich eine Pflicht zur Teilnahme besteht, ist aus der gesetzlichen Formulierung des § 118 II AktG als 'Sollvorschrift' zu schlußfolgern; so auch die überwiegende Meinung in der Literatur; vgl. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 118, Rn. 23; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 118, Anm. 8; Hoffmann, Der AR, 78 79
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
teilzunehmen. Unter dem Gesichtspunkt, daß sich die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand nicht nur auf die buchstabengetreue Einhaltung der Beschlüsse der Hauptversammlung durch den Vorstand, sondern auch auf die Wahrung der grundlegenden Ziele und Motive der Anteilseigner erstreckt, erweist sich die Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder an den Sitzungen der Hauptversammlung sogar als notwendig. 83 Das Recht des Aufsichtsratsmitgliedes, an den Hauptversammlungen teilzunehmen, umfaßt nach einhelliger Meinung84 die Berechtigung, mit Redebeiträgen in der Debatte über die Tagesordnungspunkte aufzutreten. Dies ist weder an eine gleichzeitige Aktionärs-Eigenschaft des Aufsichtsratsmitgliedes geknüpft, noch hängen die Sitzungsteilnahme sowie die Beteiligung an der Debatte davon ab, ob die anderen Aufsichtsratsmitglieder bzw. der Gesamtaufsichtsrat an der Hauptversammlung teilnehmen. Zum Zwecke der Vorbereitung auf die Sitzungen der Hauptversammlung haben die Aufsichtsratsmitglieder nach § 125 III AktG Anspruch auf Übersendung der Mitteilung des Vorstandes über die Einberufung der Versammlung einschließlich ihrer Tagesordnung sowie über Anträge und Wahlvorschläge. Kommen Gesellschafterbeschlüsse im Umlaufverfahren zustande, oder sind Aufsichtsratsmitglieder an der Teilnahme an der Hauptversammlung verhindert, können sie gemäß § 125 IV AktG verlangen, daß der Vorstand ihnen die gefaßten Beschlüsse schriftlich mitteilt. 85 Diese Ansprüche stehen dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied als solchem zu. Dagegen sind die Aufsichtsratsmitglieder weder nach§§ 133ff. AktGin der Hauptversammlung stimmberechtigt bzw. nach § 131 AktG gegenüber dem Vorstand auskunftsberechtigt, noch sind sie in der Hauptversammlung antragsbefugt. Durch die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung ihres Stimm- und Antragsrechts können die Aktionäre entsprechend ihrer Aktiennennbeträge Einfluß auf die Geschäftspolitik nehmen. Der Aufsichtsrat ist nur ein Verwaltungsorgan der Gesellschaft, das von den Anteilseignern und Arbeitnehmern (in mitbestimmten Unternehmen) für die Kontrolle der Geschäftsführung eingesetzt wird. Stimm- und Antragsrechte wie die S. 101 , Rn. 378; Lutter/Krieger, § 7, II. 2., Rn. 284; Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 36, II., Rn. 5. 83 So auch Säcker, NJW 1979, S. 1521ff. (1524) m. w. N. 84 Vgl. nur Mertens, ebda., Kölner Komm. zum AktG, § 118, Rn. 18 (allgemein: Teilnahmerechterfaßt Rederecht); Lutter/Krieger, § 7, II. 2., Rn. 284. 85 Diesbezüglich ist umstritten, ob§ 125 IV AktGauch für die GmbH gilt; dagegen z. B. Hoffmann, Der AR, S. 101 , Rn. 380, mit dem Argument, daß eine Anwendung des § 125 IV AktG für die GmbH weder durch BetrVG 1952 (§ 77 I), noch im MitbestG 1976 (§ 25 I Nr. 2) geregelt sei; anders z. B. Säcker, NJW 1979, S. 1521ff. (1524f.), der den fehlenden Verweis auf§ 125 IV AktG für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers hält.
II. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer
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der Anteilseigner als den "Eigentümern" der Gesellschaft stehen ihm nicht zu. Er hat lediglich im Rahmen und zur Erfüllung der ihm zugewiesenen Überwachungsaufgabe bestimmte Informations- und Auskunftsrechte gegenüber dem Vorstand, wie zum Beispiel nach §§ 90, 111, 170 AktG. 86 d) Rechte und Pflichten gegenüber dem Gesamtorgan Aufsichtsrat Der Aufsichtsrat ist ein homogen besetztes Kollegialorgan87, dessen Mitglieder prinzipiell die gleiche Mitverantwortung für die Erfüllung der Aufsichtsratsaufgaben tragen. Eine Ressortbildung oder interne Aufteilung der Verantwortlichkeiten wie bei mehrköpfigen Geschäftsführungsorganen ist bei Aufsichtsräten nicht anzutreffen. Allenfalls kann der Aufsichtsrat für die Erfüllung einzelner Aufgaben Ausschüsse bilden. Dadurch reduziert sich die Verantwortlichkeit der übrigen Aufsichtsratsmitglieder, die dem Ausschuß nicht angehören, grundsätzlich auf die Überwachungsfunktion gegenüber dem Ausschuß und dessen Arbeitsweise. Essentielle Aufgaben und Funktionen des Aufsichtsrates können allerdings nicht an Ausschüsse übertragen werden (zum Beispiel die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern). Diesbezüglich bleibt es bei einer Gesamtverantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgaben. 88 Dementsprechend hat das einzelne Aufsichtsratsmitglied gegenüber dem Gesamtorgan Aufsichtsrat grundsätzlich das Recht und die Pflicht, in gleichem Umfang an der Aufsichtsratstätigkeit beteiligt zu werden, insbesondere an Aufsichtsratssitzungen und an der Ausschußarbeit teilzunehmen. Dies schließt alle damit zusammenhängenden Teilhaberechte wie zum Beispiel das Recht auf ausreichende und rechtzeitige Information über den Inhalt der Sitzungen, auf Zusendung der erforderlichen Unterlagen, auf Äußerung, Antragstellung, Einbringung weiterer Tagesordnungspunkte und Teilnahme an Abstimmungen ein. Jedes Aufsichtsratsmitglied kann bei wichtigen Anlässen gemäß 110 I AktG vom Aufsichtsratsvorsitzendeo verlangen, unverzüglich den Aufsichtsrat einzuberufen. Äußern mindestens zwei Aufsichtsratsmitglieder dieses Verlangen, so können sie bei Untätigkeit des Vorsitzenden auch selbst unter Darlegung des Sachverhal86 Das Stimm- und Antragsrecht fiir ARM ablehnend Lutter/Krieger,§ 7, Il. 2., Rn. 284; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 118, Rn. 17 sowie Rn. 23-25; Säcker, NJW 1979, S. 1521ff. (1524}, der nur das Recht zur Teilnahme an der Debatte bejaht, ein Antragsrecht aber ablehnt. Anders Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 118, Anm. 8, der Rede- und Antragsrechte, allerdings nicht Stimm- und Auskunftsrechte bejaht. 87 Zur ,Homogenität' des AR insbesondere Mertens, Die AG 1977, S. 306ff. (308f.) sowie Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 116. 88 Zum Grundsatz der Gesamtverantwortung Jula, Die Bildung besonderer Konzernorgane, S. 39f.; Hüffer, AktG, § 111, Rn. 9; Lutter/Krieger, § 1, VI., Rn. 14f.; Potthoffffrescher, Das AR-Mitglied, 5. Kapitel, III. 3. a}, (S. 77).
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Einleitung: Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
tes den Aufsichtsrat einberufen, § 110 II AktG. Darüber hinaus haben die Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich das Recht, alle für die Aufsichtsratstätigkeit relevanten Unterlagen ausgehändigt zu bekommen oder wenigstens einsehen zu dürfen. Hierzu zählen die Protokolle der Aufsichtsrats- und Ausschußsitzungen, die schriftlichen Berichte des Vorstandes an den Aufsichtsrat,(§ 90 I, V AktG), die Vorstandsvorlagen an den Aufsichtsrat über den Jahresabschluß, den Lagebericht und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinnes (§ 170 I, II, III AktG) und gegebenenfalls der Prüfbericht des Abschlußprüfers.89 Einschränkungen dieser Teilhaberechte für einzelne Aufsichtsratsmitglieder kommen nur in Ausnahmefallen in Betracht. So können einzelne Aufsichtsratsmitglieder von der Teilnahme an einer Abstimmung im Aufsichtsrat ausgeschlossen werden. 90 Auch besteht nach überwiegender Ansicht kein Anspruch auf eine paritätische Besetzung der Ausschüsse mit jeweils der gleichen Zahl von Anteilseigner- wie Arbeitnehmervertretem, wobei es andererseits auch unzulässig wäre, die Arbeitnehmervertreter prinzipiell von der Mitarbeit in Ausschüssen, vor allem der wichtigen Personal- und Prüfungsausschüsse, auszunehmen. So kann im Einzelfall eine ausschließliche Besetzung eines Ausschusses nur mit Anteilseignervertretern durchaus zulässig sein (insbesondere in Gesellschaften, die nach §§ 76ff. BetrVG 1952 lediglich drittelmitbestimmt sind).91 Zusätzlich kann der Aufsichtsratsvorsitzende gemäß § 109 II AktG bestimmen, daß Aufsichtsratsmitglieder, die nicht dem Ausschuß angehören, an dessen Sitzungen nicht teilnehmen dürfen.
89 Umfassend dazu Säcker, NJW 1979, S. 1521ff., (1522f.); Lutter/Krieger, § 7, li. 1., Rn. 282. 90 Zwar nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, allerdings aus einer entsprechenden Anwendung der Stimmverbots-Noemen fiir Gesellschafter gern. §§ 136 I AktG, 47 IV GmbHG, 43 VI GenG, 34 BGB, 113 li HGB; ausruhrlieh dazu unten bzgl. des Ausschlusses der ARM der AN von AR-Sitzungen und Abstimmungen im Zusammenhang mit einem Streik, Drittes Kapitel, I. 3., b). 91 Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit solcher Besetzungspraxis sind umstritten, was sich in zahlreichen Entscheidungen über die Unwirksamkeit von Satzungsregeln bzw. Regeln der AR-GO widerspiegelt; hierzu siehe schon oben, Fn. 78 sowie Anhang li; vgl. i. ü. Lutter/Krieger, § 6, IV. 2. d.), Rn. 264; Jula, Die Bildung besonderer Konzemorgane, S. 104ff.; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 107, Rn. 108ff., Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 8; insgesamt zu AR-Ausschüssen sowie deren personelle Besetzung mit AN Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 108ff. (120ff.); Säcker, Aufsichtsratsausschüsse nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976", S. 14ff.
II. Überblick über die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer
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e) Verantwortlichkeit und Haftung
Die Effektivität der Aufsichtsratstätigkeit hängt von der Arbeit aller Aufsichtsratsmitglieder und ihrem Zusammenwirken ab. Jedes Aufsichtsratsmitglied trägt als Teil des Gesamtorganes eine Mitverantwortung fiir das Wohl des Unternehmens. 92 Dieser Einzelverantwortung entspricht es, daß alle Aufsichtsratsmitglieder bei ihrer Amtstätigkeit fiir die Gesellschaft grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten haben. Sie sind unterschiedslos ohne Rücksicht auf andere berufliche oder private Bindungen primär dem Unternehmenswohl verpflichtet und haben dem Unternehmen unter Zurückstellung eigener oder Interessen Dritter loyal zu dienen. Die in §§ 116, 93 AktG angesprochene Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit gilt fiir alle Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich in gleichem Umfang. 93
Zum Prinzip der Gesamtverantwortung die Nachweise oben in Fn. 85. Zum Gleichbehandlungsgrundsatz hins. der ARM z. B. Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, I., li., Rn. 1-8; Lutter/Krieger,§ 7, 1., Rn. 279ff.; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Vorb. § 95, Rn. 9; § 107, Rn. 5; § 113, Rn. 9; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 11, 119. Die Gleichbehandlung aller ARM wurde zudem immer wieder in der Rechtsprechung bestätigt; so BGH, Urt. v. 25. 02. 1982, BGHZ 83, 106ff. (112f.), (Siemens); BGH, Urt. v. 25. 02. 1982, BGHZ 83, 144ff. (147), (Dynamit Nobel); BGH, Urt. v. 25. 02. 1982, BGHZ 83, 151ff. (154f.), (Bilfinger & Berger); BGH, Urt. v. 17. 05. 1993, Die AG 1993, S. 464ff. = WM 1993, S. 1330ff. (1336); OLG Hamburg, Urt. v. 25. 05. 1984, Die AG 1984, S. 248ff. (Beiersdorf); OLG Hamburg, Urt. v. 06. 03. 1992, Die AG 1992, S. 197ff. = WM 1992, S. 1278ff. (1285); OLG München, Urt. v. 27. 01. 1995, Die AG 1995, S. 466f.; LG Passau, Urt. v. 31. 05. 1994, Die AG 1994, S. 428; LG Düsseldorf, Urt. v. 19. 07. 1994, Die AG 1995, S. 333ff. Die Geltung des Verantwortlichkeits- und Haftungsmaßstabes der§§ 116, 93 AktG auch fiir ARM der AN ergibt sich im übrigen weitgehend aus dem Gesetz, nämlich aus §§ 3 II Montan-MitbestG, 3 I S. 2 MitbestErgG, 25 I Nr. I, 2 MitbestG, 77 I BetrVG 1952; er gilt gleichfalls fiir mitbestimmte GmbH, § 25 I Nr. 2 MitbestG (zudem verweist§ 52 I GmbHG fiir den Fall des Pflicht-AR auf§§ 116, 93 I, II AktG) sowie fiir Genossenschaften, § 25 I Nr. 3 MitbestGin Verbindung mit§§ 41, 34 GenG, die wortgleich den §§ 116, 93 AktG entsprechen; zu letzterem insbesondere Lutter/Krieger, § 11, li. 7., Rn. 389. Zum Umfang der Haftung der ARM der AN sei auf das Fünfte Kapitel verwiesen. 92 93
Erstes Kapitel
Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses I. Einführung Der körperschaftliche Rechtsakt der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied besteht bei den Arbeitnehmervertretern solcher Unternehmen, die unter das Montan-MitbestG fallen, in der Wahl durch die Hauptversammlung. Die Hauptversammlung ist hierbei an die Wahlvorschläge der Betriebsräte der Betriebe des Unternehmens gebunden, §§ 101 I S. 2 AktG, 6 VI MontanMitbestG. Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in Unternehmen, in denen sich die Arbeitnehmermitbestimmung nach dem MitbestErgG, dem MitbestG oder den fortgeltenden §§ 76ff. BetrVG 1952 richtet, werden dadurch "bestellt", daß sie unmittelbar durch die Belegschaft des Unternehmens oder durch Delegierte der Belegschaft gewählt werden. 1 Mit der Annahme der Bestellung treten die Arbeitnehmer in die organschaftliehe Rechtsstellung eines Aufsichtsratsmitgliedes ein. Sie haben nunmehr alle Rechte und Pflichten eines Mitgliedes des Organes Aufsichtsrat gegenüber der Gesellschaft, den anderen Organen der Gesellschaft sowie gegenüber Dritten (Außenverhältnis). Die Annahme der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft läßt die Verpflichtung entstehen, die übernommenen organschaftliehen Aufgaben gewissenhaft und ordnungsgemäß zu erfüllen. Ebenso erwirbt das Aufsichtsratsmitglied für seine Amtstätigkeit im Dienste der Gesellschaft Ansprüche gegen die Gesellschaft, wie zum Beispiel Ansprüche auf Ersatz seiner Aufwendungen im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit, auf Gleichbehandlung sowie Achtung und Respektierung als Organmitglied. Diese wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen begründen und charakterisieren das "innere Schuldverhältnis" zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied: das Anstel/ungsverhältnis. Das Anstellungsverhältnis bildet die "individualrechtliche"2 Grundlage für die Tätigkeit als Organmitglied, es regelt die persönliche
1 AusfUhrlieh
oben, Einleitung, II. 2. So Natzel, DB 1959, S. 171 ff. (171); DB 1965, S. 1388 ff. (1389), der die Bestellung als "gesellschaftsrechtliche Seite", den Anstellungsvertrag als "individualrechtliche Seite" des Eintritts in das Aufsichtsratsamt beschreibt. 2
I. Einführung
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Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitgliedes im Innenverhältnis zur Gesellschaft. Schuldverhältnisse als rechtliche Beziehungen zwischen Personen mit mindestens einer Forderung bzw. Verpflichtung, häufig aber gegenseitigen Rechten und Pflichten, können durch vertragliche Vereinbarung oder kraft gesetzlicher Anordnung unabhängig von einem Parteiwillen entstehen. 3 Für das Anstellungsverhältnis zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied ist - vorbehaltlich einer im Einzelfall ausdrücklich geschlossenen Vereinbarung- umstritten, ob es sich hierbei um ein vertragliches oder ein gesetzliches, korporationsrechtliches Schuldverhältnis handelt. Für einen generell vertraglichen Charakter des Anstellungsverhältnisses spricht auf den ersten Blick die Tatsache, daß es für dessen Begründung eines diesbezüglichen Willens der "Vertragspartner" Gesellschaft bzw. Aufsichtsratsmitglied bedarf und daß das Anstellungsverhältnis nur aufgrund beiderseitiger darauf gerichteter Aktivitäten (Bestellungsakt sowie Annahme) zustande kommt.4 Insoweit könnte man von einem Anstellungsvertrag sprechen, der als Dienst- bzw. Geschäftsbesorgungsdienstvertrag oder bei fehlender Vergütungsregelung als Auftragsvertrag zu charakterisieren wäre. Ähnlich dem Vorstandsmitglied wäre das Aufsichtsratsmitglied Dienstverpflichteter bzw. Beauftragter der Gesellschaft. 5 Eine Parallelbetrachtung mit dem unstreitig vertraglichen Anstellungsverhältnis von Vorstandsmitgliedern zur Gesellschaft etwa hinsichtlich vorhandener gesetzlicher Regelungen, hinsichtlich des Zustandekommens oder auch des möglichen Inhaltes eines gesonderten Anstellungsvertrages läßt allerdings Zweifel an der These eines 'Anstellungsvertrages' zwischen Aufsichtsratsmitglied und der Gesellschaft aufkommen. Deshalb wird in der Literatur auch vertreten, daß das Anstellungsverhältnis als gesetzliches Rechtsverhältnis eigener Art bzw. als rein korporatives Rechtsverhältnis anzusehen sei, welches
3 Zur Begriffsbestimmung des Rechts- bzw. Schuldverhältnisses z. B. LarenzJWolf, AT BGB, 2. Kapitel, § 13, I. l. Rn. 1ff. sowie Schellhammer, Zivilrecht nach Anspruchsgrundlagen, 22. Teil, 2. Kapitel, Rn. 1162ff. 4 Daraufweist zutreffend Schilling in FS fur Robert Fischer, S. 683ff. (690f.) hin. 5 So die sog. Vertragstheorie: hierfur Schilling, ebda. ("körperschaftsrechtlicher Vertrag"); Kraft!Kreutz, Gesellschaftsrecht, K. IV. 2. b.), (S. 299); Godin!Wilhelmi, AktG, § 101, Anm. 2; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 101, Anm. 6 ("Vertrag eigener Art"); Staudinger/Nipper-dey, BGB (ll. Auflage 1958), § 611, Rn. 30 ("unabhängiger Dienstvertrag"); Baumbach!Hueck, AktG (13. Auflage 1968), § 101, Anm. 7 (mit Annahme des Amtes Eintritt in Vertragsverhältnis zur AG); Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 109; Fitting!Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 175. 4 Jacldofsky
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1. Kap.: Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses
allein aufgrund wirksamer Bestellung entstehe und keine vertragliche Grundlage aufweise.6
II. Wortlaut und Systematik des Gesetzes Das Gesetz enthält an keiner Stelle den Begriff des "Anstellungsvertrages" in bezugauf Aufsichtsratsmitglieder. Vielmehr wird in den§§ 101, 102, 119 I Nr. 1 AktG lediglich von der 'Bestellung' gesprochen. Im Gesellschaftsrecht wird nach einhelliger Meinung unter 'Bestellung' lediglich der körperschaftliche Rechtsakt zur Begründung der Organwalterstellung nach außen verstanden. Durch eine einseitige Handlung des Bestellungsberechtigten wird eine Person mit ihrem Einverständnis in eine bestimmte Funktion eingesetzt und erlangt im Außenverhältnis alle Rechte und Pflichten aus der übertragenen Funktion, zum Beispiel aus dem Aufsichtsratsamt Die Berechtigung des Organwalters, nach außen wirksam für die Gesellschaft zu handeln, und die inhaltliche Bestimmung dieser OrganwalteTtätigkeit beruhen auf der inneren Beziehung zwischen Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft. Aus diesem Innenverhältnis (= Anstellungsverhältnis) ergeben sich die konkreten Ansprüche, Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes gegen die Gesellschaft infolge seines Handeins für die Gesellschaft; es ist von der gesellschaftsrechtlichen Begründung der Amtsstellung im Außenverhältnis strikt zu trennen. Spricht das Gesetz von 'Bestellung', ist damit nicht zugleich 'Abschluß eines Anstellungsvertrages' gemeint. Dies wird auch daran deutlich, daß der Gesetzgeber bezogen auf Vorstandsmitglieder in § 84 I AktG ausdrücklich zwischen der "Bestellung" und dem "Anstellungsvertrag" unterschieden hat. Im Gegensatz zu § 84 III S. 5 AktG, der hinsichtlich der Ansprüche der Vorstandsmitglieder aus dem "Anstellungsvertrag" auf die allgemeinen Vor6 Für die sogen. Amtstheorie: ausfuhrlieh Natzel, DB 1959, S. 17lff., S. 20lff., DB 1965, S. 1388ff.; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 101, Rn. 5ff., § 103, Rn. 5; GeBier in Geßler/Hefermehl/Eckardt!Kropff, AktG, § 101 , Rn. 41, 45-55; HoffinannBecking in Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, Rn. 9; Lutter!K.rieger, § 7, Rn. 293; wohl auch Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28, III. 3. (S. 840) ('Schuldverhältnis ohne besonderen Vertragsschluß') sowie Kühler, Gesellschaftsrecht, § 15, IV. 3. (S. 191) ('Schuldverhältnis beruhend auf zwingenden gesetzlichen Vorschriften; lediglich Ergänzung durch Satzung und/oder Vertrag') sowie Hachenburg/Raiser, GmbHG, § 52, Rn. 237, 121 fiir die mitbestimmte GmbH ('gesonderter schuldrechtlicher Anstellungsvertrag braucht nicht abgeschlossen zu werden.'). Unentschieden Nirk, HB der AG, I. Teil, Rz. 860; ebenso, wohl aber mit Neigung zur Vertragstheorie Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 158 ("schuldrechtliches Anstellungsverhältnis als Dienstverhältnis"); Hueck, Gesellschaftsrecht, § 24, I. 3. (S. 221) ('geringe praktische Bedeutung der Streitfrage, ob Schuldvertrag oder nur korporationsrechtliches Verhältnis').
II. Wortlaut und Systematik des Gesetzes
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schriften7 verweist, wird der Möglichkeit einer vertraglichen Beziehung zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und der Gesellschaft im Gesetz nur an einer Stelle gedacht: § 114 AktG regelt die Voraussetzungen, unter denen Aufsichtsratsmitglieder außerhalb ihrer organschaftliehen Tätigkeit aufgrund spezieller zusätzlicher Dienst- oder Werkverträge für die Gesellschaft tätig werden dürfen. Da nämlich, soweit die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates reicht, die Aufsichtsratsmitglieder auch zu begleitender Beratung des Vorstandes verpflichtet sind, dürfen zusätzliche Beraterverträge zwischen der Gesellschaft und Aufsichtsratsmitgliedern gerade nicht Beratungsgegenstände und -tätigkeiten zum Inhalt haben, die zur organschaftliehen Beratungspflicht gehören. 8 Angesichts vorhandener Regelungen zu Anstellungsverträgen von Vorstandsmitgliedern einerseits, außeramtlichen vertraglichen Tätigkeiten von Aufsichtsratsmitgliedern andererseits beruht das Fehlen einer gesetzlichen Regelung zu Anstellungsverträgen zwischen Aufsichtrsratsmitgliedern und der Gesellschaft offensichtlich nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers. Vielmehr scheint der Gesetzgeber die gedankliche Konstruktion eines Anstellungsvertrages zwischen der Gesellschaft und ihren Aufsichtsratsmitgliedern entweder abgelehnt oder eine solche vertragliche Grundlage fiir das Anstellungsverhältnis von Aufsichtsratsmitgliedern bzw. deren gesetzliche Fixierung als unnötig angesehen zu haben. Davon abgesehen stellt sich außerdem die Frage, wie ein 'Anstellungsvertrag' zwischen der Gesellschaft und dem Aufsichtsratsmitglied in vertragsgerechter Weise geschlossen bzw. beendet werden könnte.
7 Vgl. Hüffer, AktG, § 84, Rn. 16ff. sowie Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 84, Rn. 55ff. 8 Grundsatzentscheidungen des BGH, zum einen BGH, Urt. v. 25. 03. 1991, Die AG 1991, S. 312ff. = ZIP 1991, S. 653ff., zum anderen BGH, Urt. v. 04. 07. 1994, Die AG 1994, S. 508ff. = ZIP 1994, S. 1216ff.; jüngst wieder LG Stuttgart, Urt. v. 27. 05. 1998, BB 1998, S. 1549ff. (nicht rkr.), wonach ein Rahmen-Beratungsvertrag zwischen einer AG und einem Rechtsanwalt, der neben seiner Eigenschaft als ARM dieser AG seit 1990 die gesamte rechtliche Beratung und Vertretung der AG wahrnahm und gesondert vergütet erhielt, als in die organschaftliehe Beratungspflicht sowie den Anwendungsbereich des § 113 AktG fallend angesehen wurde mit der Folge, daß die dafür gezahlte Vergütung als Sondervergütung ohne sachlichen Grund gemäß §§ 113 AktG, 134 BGB nichtig und an die AG zurückzugewähren war. Allgemein zum Verhältnis organschaftlicher sowie vertraglicher Beratung durch ARM z. B. Deckert, Die AG 1997, S. 109ff.; zu Dienst- und Werkverträgen mit ARM nach§ 114 AktG Krummel/K.üttner, DB 1996, S. 193ff.
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l. Kap.: Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses
111. Abschluß und Beendigung eines Anstellungsvertrages zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied 1. Antrag auf Abschluß eines Anstellungsvertrages
Richtig ist an der Vertragstheorie zunächst, daß das Anstellungsverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Aufsichtsratsmitgliedern als Grundlage für deren organschaftliehe Tätigkeit deshalb zustande kommt, weil ein solches Rechtsverhältnis von beiden Seiten gewollt ist. 9 Ein Vertrag kommt aber nicht schon aufgrund gemeinsamen W ollens, sondern erst durch zwei wirksame miteinander korrespondierende Willenserklärungen der Vertragsschließenden zustande. Ein Antrag der Gesellschaft gegenüber dem Aufsichtsratsmitglied auf Abschluß eines Anstellungsvertrages könnte konkludent in der Wahl durch die Hauptversammlung als dem körperschaftlichen Bestellungsakt, und zwar konkret in der Verkündung des positiven Wahlergebnisses bzw. im Angebot der Amtsstellung gegenüber dem Gewählten liegen. So hätte folglich die Hauptversammlung als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft eine Willenserklärung mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die Gesellschaft abgegeben. 10 Die Tatsache, daß grundsätzlich der Vorstand gemäß der Generalklausel in § 78 I AktG das alleinige gesetzliche Vertretungsorgan der Gesellschaft in gerichtlichen und außergerichtlichen Fragen ist und sie bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen mit Arbeitnehmern sowie in innergesellschaftlichen Vertretungsangelegenheiten gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern vertritt, steht dem nicht entgegen: Entsprechend der Aufgaben- und Machtverteilung in deutschen Kapitalgesellschaften mit Aufsichtsräten (allen voran die Aktiengesellschaften) ist für die effektive Erfüllung des Kontroll-, Überwachungs- und Personalbestellungsauftrages des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand eine unabhängige Stellung der Aufsichtsratsmitglieder frei von jeglichen Einflüssen des Vorstandes auf ihre amtliche Tätigkeit erforderlich. Eine eigene, originäre Kompetenz des Vorstandes zum Abschluß, zur Inhaltsbestimmung oder zur Beendigung von Anstellungsverträgen zwischen der Gesellschaft und ihren Aufsichtsratsmitgliedern scheidet deshalb zwingend aus; allenfalls könnten die Vorstandsmitglieder als Erklärungs- bzw. Empfangsboten für die
So auch Schilling in FS für Robert Fischer, S. 683ff. (690f.). So vertreten von Godin!Wi1he1mi, AktG § 101, Anm. 2; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 101, Anm. 5; Staudinger/Nipperdey, BGB (11. Auflage 1958), Vorbem. § 611, Anm. 204; § 611, Anm. 30; Schmedes, Die Rechtsstellung der nach dem BetrVG in die AR der AG entsandten AN-Vertreter, S. 22f. 9
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III. Abschluß und Beendigung eines Anstellungsvertrages
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Hauptversammlung tätig werden. 11 Schließlich weist § 119 I Nr. 1 AktG (in Verbindung mit §§ 101, 103 AktG) der Hauptversammlung ausdrücklich die Rechtsmacht zur Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern zu. Wenn überhaupt, käme damit unter den Organen der Gesellschaft jedenfalls nur die Hauptversammlung als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft hinsichtlich des Abschlusses (sowie der Beendigung) von Anstellungsverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern in Betracht. Ebensowenig kann der Hauptversammlung die Position des Antragenden in bezug auf den Abschluß eines Anstellungsverhältnisses allein deshalb versagt werden, weil ihr nirgends ausdrücklich die Kompetenz zur gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft in diesem Punkt zugewiesen ist. Anordnungen der gesetzlichen Vertretung - also gerade auch die Berechtigung, Willenserklärungen mit unmittelbarer Wirkung fiir und gegen die Gesellschaft abzugeben existieren nur für den Vorstand in § 78 AktG und für den Aufsichtsrat in §§ 112, 246 II, 249 I AktG. Demgegenüber regelt § 119 I Nr. 1 AktG lediglich, daß die Hauptversammlung über die Bestellung und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder zu beschließen hat. Dies ist keine generelle Anordnung einer gesetzlichen Vertretungsmacht in allen den jeweiligen Bereich betreffenden Fragen, sondern eine spezifische Kompetenzzuweisung hinsichtlich des organschaftliehen Bestellungsaktes, die in §§ 101, 103 AktG weiter konkretisiert wird. Zur körperschaftlichen 'Bestellung' gehört nicht zwangsläufig zugleich der Abschluß von Anstellungsverträgen. Allerdings spricht diesbezüglich auch nichts gegen eine analoge Anwendung des§ 119 I Nr. 1 AktG. Folglich kann man für die in freier Wahl von der Hauptversammlung bestellten Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner einen konkludenten Antrag der Gesellschaft, vertreten durch die Hauptversammlung, bejahen, der ebenfalls konkludent durch die Zustimmung des Aufsichtsratsmitgliedes zur Bestellung angenommen wird. Gleiches gilt fiir die Arbeitnehmervertreter gemäß Montan-MitbestG, die ebenfalls von der Hauptversammlung, einem Organ der Gesellschaft, zu Aufsichtsratsmitgliedern bestellt werden. Auch wenn die Hauptversammlung an die Vorschläge der Betriebsräte der Betriebe des Unternehmens gebunden und die darauffolgende Wahl nur noch eine Formalie 12
11 Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 101, Anm. 5, weist dem Vorstand bei Abwesenheit des gewählten ARM während seiner Wahl durch die HV die Antragung des Amtes zu, allerdings ist der Vorstand an den HV-Beschluß gebunden; Vorstand als "Bote" des Antrags der HV; ebenso fiir reine Botenschaft Godin!Wilhelmi, AktG, § 101, Anm. 2; a. A. Baumbach!Hueck, AktG (13. Auflage 1968), § 101, Rn. 7. 12 So auch Lutter/Krieger,§ 1, Rn. 5.
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I. Kap.: Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses
ist, so hat doch die Hauptversammlung wenigstens theoretisch die Möglichkeit, die Vorgeschlagenen nicht zu wählen. 13 Hinsichtlich der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gemäß dem MitbestErgG, MitbestG oder den§§ 76ff. BetrVG 1952, genauso aber auch bei der Bestellung der entsandten Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 101 II AktG fehlt es allerdings schlichtweg an jeglicher Mitwirkung eines der Organe der Gesellschaft. Dem sonstigen "Bestellungsakt" in Form der Wahl durch die Hauptversammlung entspricht im Anwendungsbereich der genannten Mitbestimmungstatbestände die Wahl durch die Belegschaft (unmittelbare Wahl) bzw. durch Belegschaftsdelegierte (mittelbare Wahl). Kraft Gesetzes ist diesen Wahlkörpern die Befugnis zur Bestellung "ihrer" Aufsichtsratsmitglieder zugewiesen. Allein infolge eines wirksamen Wahlbeschlusses der Belegschaft bzw. der Delegierten und der Annahme durch den gewählten Arbeitnehmervertreter erlangt dieser die organschaftliehe Stellung eines Aufsichtsratsmitgliedes einschließlich aller Amtsrechte und -pflichten. Die Arbeitnehmerwahlkörper sind weder ein Organ der Gesellschaft, durch welches sich die Gesellschaft vertreten werden lassen will, noch weisen sie eine ausreichend homogene Zusammensetzung auf, um überhaupt als handlungsfähige, rechtsfähige "Person" mit der Fähigkeit zur Abgabe von Willenserklärungen angesehen werden zu können. Aber selbst wenn man die Belegschaft bzw. die Belegschaftsdelegierten hinsichtlich der Bestellung der Arbeitnehmervertreter als "Organe der Gesellschaft" ansehen wollte, wäre die Befugnis aus dieser "Organstellung" strikt auf die Funktion der körperschaftlichen Bestellung beschränkt; eine Berechtigung, mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die Gesellschaft eigenständige vertragliche Vereinbarungen mit "ihren" Aufsichtsratsmitgliedern zu treffen, besteht zweifellos nicht. Die gedankliche Konstruktion eines konkludent geschlossenen Anstellungsvertrages zwischen dem "Organ Arbeitnehmerwahlkörper" und Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, dessen Inhalt sich automatisch aus den gesetzlichen, Satzungsbestimmungen oder Hauptversammlungsbeschlüssen ergibt, läßt schließlich überhaupt keinen greifbaren Nutzen erkennen. Desgleichen ist für die körperschaftliche Bestellung der entsandten Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner gemäß § 101 II AktG lediglich die Benennung des Entsandten durch den Entsendungsberechtigten gegenüber dem Vorstand bzw. dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates erforderlich, ohne daß es der Mitwirkung der Hauptversammlung oder eines anderen Organes bedarf. 14 Über die Benennung und damit körperschaftliche Bestellung hinaus hat der Entsendungsberechtigte weder die gesetzliche Vertretungsmacht in bezug auf den Abschluß von Anstellungsver13 Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 101, Rn. 2, Anh. § 117 C MontanMitbestG, Rn. 21. 14 Hierzu nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 101, Rn. 52f.
m. Abschluß und Beendigung eines Anstellungsvertrages
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trägen für die Gesellschaft noch auch nur Einfluß auf den Inhalt des Anstellungsverhältnisses.15 Für die letztgenannten Aufsichtsratsmitglieder kann folglich schon wegen des Fehlens einer rechtsgeschäftliehen Einigung nicht von einem Anstellungsvertrag gesprochen werden. 16 Käme einer vertraglichen Grundlage für die organschaftliche Tätigkeit des Aufsichtsratsmitgliedes eine eigenständige Bedeutung zu, wäre die Differenzierung in Aufsichtsratsmitglieder mit bzw. ohne Anstellungsvertrag zur Gesellschaft wegen des Grundsatzes der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit allerdings nicht tragbar. Gerade deshalb wird als Argument im Zusammenhang mit der These einer generellen vertraglichen Bindung aller Aufsichtsratsmitglieder auch angeführt, daß der Inhalt der Anstellungsverträge nahezu vollständig durch gesetzliche oder satzungsmäßige Regelungen sowie durch Hauptversammlungsbeschlüsse bestimmt werde und insoweit kaum Raum für eigenständige Vertragsbedingungen bleibe. 17 Dann fragt sich allerdings, wozu an der Figur eines Anstellungsvertrages zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitgliedern überhaupt festgehalten wird, der zumal nur unter dogmatischen Verrenkungen und mittels konkludenter Willenserklärungen konstruiert werden kann. 18
2. Beendigung des Anstellungsvertrages Dauerschuldverhältnisse zeichnen sich dadurch aus, daß sie nicht infolge einer einmaligen vertragsgerechten Leistungshandlung erlöschen, sondern daß die aus ihnen folgenden Verpflichtungen fortlaufend bestehen und immer wieder bedient werden müssen. Als Konsequenz einer solchen permanenten rechtlichen Bindung stehen im Bereich der vertraglichen Dauerschuldverhältnisse den Parteien typische vertragsrechtliche Lösungsmöglichkeiten zur Verfü1s Für die Höhe der Vergütung ausdrücklich Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 101, Rn. 40; insgesamt zur Entsendung ebda., § 101, Rn. 38ff. 16 Ebenso Mertens in Kölner Komm. zum AktG, I. Auflage, § 101, Rn. 10; a. A. Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 101, Anm. 6; Staudinger-Nipperdey, BGB (11. Auflage 1958), Vorbem. § 611, Anm. 204, § 611, Anm. 30m. w. N.; Schilling in FS für Robert Fischer, S. 683ff. (691), die das Vorliegen eines Vertrages für alle ARM bejahen, ohne sich genau dazu zu äußern, worin die WEen bei diesen ARM denn liegen sollen. 17 So Schilling in FS für Robert Fischer, S. 683fT. (691); Godin/Wilhelmi, AktG, § 101, Anm. 2 a. E.; Baumbach!Hueck, AktG (13 . Auflage 1968), § 101, Rn. 7; ähnlich Kraft!Kreutz, Gesellschaftsrecht, K. IV. 2. b.), (S. 299). 18 Wie hier Geßler in Geßler/Hefermeh\/Eckardt!Kropff, AktG, § 101, Rn. 53f.; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 101, Rn. 8f.; Hachenburg/Raiser, GmbHG, §52, Rn. 237, 121 für die mitbestimmte GmbH.
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1. Kap.: Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses
gung, so die einvernehmliche Aufhebung des Vertrages, die ordentliche (soweit zulässig bzw. vereinbart) bzw. außerordentliche Kündigung, unter Umständen auch die Anfechtung. Die Möglichkeit und die tatsächliche Inanspruchnahme dieser vertragsrechtliehen Beendigungsmöglichkeiten sind damit zugleich auch Kennzeichen für ein vertragliches Dauerschuldverhältnis. Ein anerkanntermaßen vertragliches Dauerschuldverhältnis stellt auch das Anstellungsverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied dar (Dienstvertrag). Der körperschaftliche Akt des Widerrufes der Bestellung zum Vorstandsmitglied sowie auch die Beendigung des Anstellungsvertrages (durch einvernehmliche Aufhebung oder durch Kündigung) fallen gemäß § 84 III AktG in die Kompetenz des Aufsichtsrates. Beide rechtlichen Vorgänge - Bestellungswiderruf und Vertragsbeendigung - erfolgen regelmäßig parallel. Häufig ist per Vereinbarung im Anstellungsvertrag dessen Beendigung an den Widerruf der Organbestellung gekoppelt; wenn es an einer diesbezüglichen Regelung fehlt, kann unter Umständen im Bestellungswiderruf zugleich die konkludente Erklärung der außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages liegen. Jedenfalls führt unbesehen der Tatsache, daß dem Vorstandsmitglied infolge des Entzuges der Vorstandsrechte und -befugnisse die Erfiillung des Anstellungsvertrages mit der Gesellschaft unmöglich bzw. unzumutbar geworden sein dürfte, allein der Widerruf der Bestellung nicht automatisch zur Beendigung auch des Anstellungsvertrages 19 : Aufgrund des Umfanges der Vorstandstätigkeit als Vollzeitbeschäftigung und wegen ihrer existenziellen Bedeutung für die persönliche Lebensstellung des Vorstandsmitgliedes ist eine ausdrückliche oder zumindest konkludente Beendigung des Anstellungsvertrages erforderlich. Dies sowie gegebenenfalls bestehende Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag richten sich gemäß § 84 III S. 5 AktG nach den allgemeinen Vorschriften. 20 Im Falle der Amtsbeendigung infolge Ablaufes der Amtszeit (§ 84 I AktG) wird neben der offiziellen Entlassung und Verabschiedung des Vorstandsmitgliedes gleichfalls ausdrücklich oder konkludent die Beendigung des Dienstverhältnisses zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied miterklärt werden,- häufig in Form von Abfindungs- und Beendigungsgesprächen mit dem ausscheidenden Vorstandsmitglied. 21
19 So ausdrücklich Kraft!Kreutz, Gesellschaftsrecht, K. IV. 1. b.) (S. 295f.); Lutter/Krieger, § 4, Rn. 154; Mertens in Kötner Komm. zum AktG, § 84, Rn. 91 und 94f. 20 Vgl. nur Lutter/Krieger, § 4, Rn. 138-144 sowie Rn. 154ff.; teilweise werden hier sogar arbeitsrechtliche Kriterien und Wertungen herangezogen. 21 Nur Mertens in Kötner Komm. zum AktG, § 84, Rn. 50, 94ff.; im Falle der Befristung des Anstellungsvertrages auf die Amtszeit läuft die vertragliche Beziehung ohne ausdrückliche Beendigungserklärung der Gesellschaft bzw. des VM automatisch aus.
m. Abschluß und Beendigung eines Anstellungsvertrages
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Zwar stellt auch das Anstellungsverhältnis zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied ein Dauerschuldverhältnis dar, weil die gegenseitigen Rechte und Pflichten der beiden daran Beteiligten während der gesamten Amtszeit bestehen und zu erfüllen sind. Im Unterschied zu den Vorstandsmitgliedern beschränkt sich die rechtliche Beziehung zwischen Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft allerdings auf einen kleinen Bereich organschaftlieber Tätigkeit, der für das Aufsichtsratsmitglied lediglich Nebenamtscharakter trägt und ihm nicht zur wirtschaftlichen Existenzsicherung dient. Organschaftliehe Rechtsmacht und Anstellungsverhältnis sind bei Aufsichtsratsmitgliedern viel enger aneinander gekoppelt, und die Existenz rechtlicher Beziehungen zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied beruht einzig auf der Aufsichtsratstätigkeit des Organwalters. Ist die organschaftliehe Tätigkeit beendet, so besteht weder ein Grund dafür noch ein Bedürfnis danach, das Anstellungsverhältnis als eigenständiges Rechtsverhältnis zunächst fortbestehen zu lassen. Zudem werden ausdrückliche Erklärungen hinsichtlich einer vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses von Aufsichtsratsmitgliedern praktisch nie abgegeben. Und die These der "konkludenten Beendigungserklärung" muß sich die Frage gefallen lassen, worin genau eine konkludente Beendigungserklärung der Gesellschaft bzw. des Aufsichtsratsmitgliedes liegen sollte. So könnte für den Fall der vorzeitigen Abberufung des Aufsichtsratsmitgliedes durch den zuständigen Wahlkörper dessen Abberufungsbeschluß zugleich als eine konkludente (außerordentliche22) Kündigungserklärung bezüglich des Anstellungsvertrages gedeutet werden. Allerdings handelt hierbei nur im Falle der Abberufung von Arbeitnehmervertretern nach Montan-MitbestG ein Organ der Gesellschaft, die Hauptversammlung. In allen übrigen Fällen entscheidet ohne Mitwirkung eines Gesellschaftsorganes allein der jeweilige Arbeitnehmerwahlkörper (Belegschaft bzw. Delegierte) über das vorzeitige Ausscheiden des Aufsichtsratsmitgliedes aus dem Amt. Abgesehen von ihrer ohnehin fehlenden Organqualität wäre den Arbeitnehmerwahlkörpern allenfalls eine Kompetenz zur Abgabe einer "Willenserklärung" mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft in Form der einfachen Beendigung des Anstellungsverhältnisses ohne jegliche individuelle Vereinbarungen oder Abweichungen zuzubilligen. Auch im Falle der vorzeitigen Amtsenthebung per Gerichtsentscheid (§ 103 III AktG) fehlt es an einer Handlung, die der Gesellschaft als Kündigungserklärung zugerechnet werden könnte. Der Gesamtaufsichtsrat ist zwar gemäß § 103 III S. 1 AktG befugt, auf der Basis eines mit einfacher Stimmenmehrheit zustande gekommenen Beschlusses (wohl unter Stimmrechtsausschluß für das 22 Die ordentliche Kündigung eines auf Zeit oder sogar auflösend bedingt geschlossenen Dauerschuldverhältnisses ist grundsätzlich nur bei gesonderter vertraglicher Vereinbarungen zulässig (so insbesondere bei Arbeitsverhältnissen).
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1. Kap.: Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses
betroffene Mitglied) die Abberufung eines Aufsichtsratsmitgliedes beim örtlich zuständigen Amtsgericht zu beantragen.23 Diese Handlung ist auch eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Beendigung der Amtsstellung. Die letztendliche Entscheidung hierüber trifft jedenfalls das Gericht. Infolge der gerichtlichen Amtsenthebungsentscheidung findet zugleich auch das Anstellungsverhältnis zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied sein Ende. Abgesehen davon ist der Aufsichtsrat gemäß den §§ 112, 246 II, 249 I AktG gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft nur gegenüber den Vorstandsmitgliedem24; die Funktion des gesetzlichen Vertreters der Gesellschaft gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern, wie zum Beispiel bei einer von diesen angestrengten Klage gegen die Gesellschaft auf Entlastung, kommt dagegen dem Vorstand zu.Z5 Auch insoweit kann man den Beschluß des Aufsichtsrates zur Antragstellung nach § 103 III S. 1 AktG nicht der Gesellschaft als Kündigungserklärung zurechnen. Eine vorzeitige Amtsniederlegung durch das Aufsichtsratsmitglied selbst ist zwar an gewisse materielle Voraussetzungen gebunden26, bedarf aber nicht der Zustimmung der Gesellschaft. Die Aufsichtsratsstellung endet allein aufgrund der Niederlegungserklärung, also eines einseitigen Aktes des Aufsichtsratsmitgliedes. Von einer einvernehmlichen Aufhebung des Anstellungsverhältnisses kann daher nicht die Rede sein, allenfalls ließe sich eine konkludente Kündigungserklärung des Amtsträgers konstruieren. In den vorstehend angesprochenen Fällen besteht kein Zweifel daran, daß das Anstellungsverhältnis der Aufsichtsratsmitglieder infolge vorzeitigen Ausscheidens aus dem Amt ebenfalls vorfristig erlischt; - unabhängig davon, ob es durch ausdrückliche Erklärung oder wenigstens in konkludenter Form durch die Beteiligten gesondert beendet wird. Ebenso endet im Falle des einfachen Ablaufes der Amtsperiode ohne erneute Bestellung regelmäßig auch das Anstellungsverhältnis ohne weitere Erklärungen automatisch mit dem Aus23 Vgl. Lutter/Krieger,§ 3, Rn. 119 sowie§ 7, Rn. 314ff. 24 § 112 AktG sagt zwar nicht aus, daß der AR die Gesellschaft nur gegenüber den
VM und sonst niemandem vertreten darf. Angesichts der Regelung des § 78 AktG ist jedoch die Vertretung der Gesellschaft durch den AR die Ausnahme. Es spricht allerdings nichts gegen eine Vertretungsbefugnis des AR in Angelegenheiten, durch die die Geschäftsführungsbefugnis des AR nicht tangiert wird, so etwa für Hilfsgeschäfte, die mit der organschaftliehen Tätigkeit des AR zusammenhängen, z. B. die Beauftragung von Sachverständigen, die Einholung von (Rechts-)Gutachten, Zusagen von Auslagenersatz an Vorstandsstellenbewerber usw; so Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 112, Rn. 6. sowie Lutter/Krieger, § 5, Rn. 201. 25 Vgl. nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 78, Rn. 10 oder Hefermehl in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rn. 3. 26 Insoweit auch umstritten, dazu siehe oben, Einleitung, II. 2.
N. Rechtliche Bedeutung eines speziellen Anstellungsvertrages
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scheiden des Aufsichtsratsmitgliedes aus dem Amt. Amtsstellung und Anstellungsverhältnis laufen einfach aus, ohne daß hierfür eine rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich wäre. Ein vertragliches Dauerschuldverhältnis ähnlich dem Anstellungsverhältnis des Aufsichtsratsmitgliedes - auf eine ungefähr feststehende Höchstdauer geschlossen, allerdings zusätzlich auch in verschiedenartiger Form vorfristig einseitig zu beenden - existiert nicht. Wenn Verträge mit befristeter Laufzeit geschlossen werden, dann besteht hinsichtlich einer vorzeitigen Beendigung grundsätzlich nur die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. Befristete und erst recht auflösend bedingt geschlossene Verträge unterliegen darüber hinaus generell strengen Zulässigkeitsanforderungen. Angesichts all dessen kann man sich der Einsicht nicht verschließen, daß zwar das Anstellungsverhältnis auf der Basis eines übereinstimmenden Willens zwischen Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied zustande kommt und besteht, daß aber eine dogmatisch saubere Erklärung des Abschlusses sowie der Beendigung eines Anstellungsvertrages - so wie bei typischen vertraglichen Dauerschuldverhältnissen - nicht möglich ist.
IV. Rechtliche Bedeutung eines speziellen Anstellungsvertrages Vertragliche Schuldverhältnisse zeichnen sich schließlich typischerweise dadurch aus, daß die beteiligten Parteien Inhalt und Umfang ihrer Verpflichtungen im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit selbst bestimmen. Grenzen für den Parteiwillen ergeben sich lediglich allgemein durch das Gebot des § 242 BGB und durch§§ 134, 138 BGB, darüber hinaus auch durch spezielle Vorschriften des W ettbewerbsrechts, des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und weiterer Verbraucherschutzgesetze sowie bei staatlich angeordnetem Kontrahierungszwang im Falle marktbeherrschender Monopolunternehmen.
1. Anstellungsverträge von Vorstandsmitgliedern zur Gesellschaft So wird zum Beispiel auch die dienstvertragliche Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern in Anstellungsverträgen detailliert geregelt. Dies betrifft zunächst die Vergütung für das Vorstandsmitglied, die für die regelmäßig hauptberuflich ausgeübte Vorstandstätigkeit zu erwarten ist(§ 612 I BGB) und in ihrer Höhe unter Berücksichtigung des § 87 AktG von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängt, insbesondere von der Größe und Finanzkräftigkeit des Unternehmens, vom Umfang der Vorstandstätigkeit, von der Qualifikation und Erfahrenheit des Vorstandsmitgliedes in der Unter-
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l. Kap.: Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses
nehmensführung. Des weiteren ist auch zu klären, in welcher Form die Vergütung gezahlt wird, ob vielleicht zusätzlich zum Gehalt weitere Versorgungsleistungen, etwa für den Altersruhestand, für Invalidität, Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder für den Todesfall, gewährt werden oder ob und in welcher Höhe das Vorstandsmitglied am Gewinn des Unternehmens beteiligt wird. Regelungen zum Urlaubsanspruch, zur Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall sowie zu weiteren Beihilfen sind häufig ebenso Bestandteil des Anstellungsvertrages. Bezogen auf die Vorstandstätigkeit können bei mehrköpfigen Vorständen in den Anstellungsverträgen jeweils der genaue Aufgabenbereich der einzelnen Vorstandsmitglieder bestimmt, Fragen der Zusammenarbeit der Vorstandsmitglieder geklärt sowie eventuelle Begrenzungen der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis (§§ 77 I, 78 II, III, 82 II AktG) festgelegt werden. Häufig enthält der Anstellungsvertrag Aussagen zu Konkurrenztätigkeiten, ausdrückliche Wettbewerbsverbote und das Verbot von Insidergeschäften, Regelungen zur Verwertung von Erfindungen oder zu genehmigungsbedürftigen bzw. unzulässigen Nebentätigkeiten. Weiterhin können der Dienstsitz und gewisse Anwesenheitspflichten, gegebenenfalls auch der Wohnsitz des Vorstandsmitgliedes (zur Gewährleistung einer ständigen Verfügbarkeit) vereinbart werden. Befristungen des Anstellungsvertrages sind ebenso üblich wie Regelungen zu dessen vorzeitiger Beendigung insbesondere durch Kündigung. 27 Schließlich können auch die organisationsrechtlichen Befugnisse und Pflichten, die das Vorstandsmitglied kraft seiner Organstellung hat, ganz oder teilweise durch Aufnahme in den Anstellungsvertrag zu vertraglichen Rechten und Pflichten erhoben werden. 28 Fürall dies gilt kein 'Gebot der Gleichbehandlung aller Vorstandsmitglieder'; vielmehr kann die organschaftliehe und persönliche Rechtsstellung einzelner Vorstandsmitglieder sehr stark voneinander abweichen. Das Gesetz enthält lediglich Bestimmungen zum allgemeinen Aufgabenbereich des Vorstandes (§§ 76ff., 90f. AktG), zum Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG), zu den Pflichten des Vorstandes in der Krise (§ 92 AktG) sowie zur Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit(§ 93 AktG). Angesichts der Fülle der hier angedeuteten und im Einzelfall zu klärenden Fragen liegt die Notwendigkeit individueller vertraglicher Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat(§ 84 I AktG), und dem Vorstandsmitglied auf der Hand. 29
27 Ausführlich z. B. bei Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 84, Rn. 55ff.; Potthoffffrescher, Das AR-Mitglied, 4. Kapitel, III. a.) (2), (S. 224). 28 Dafür jedenfalls Potthoffffrescher, Das AR-Mitglied, 4. Kapitel, III. a.) (2), (S. 224). 29 Hierzu z. B. Geßler in Geßler/HefermehUEckardt/Kropff, AktG, § 101, Rn. 54.
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2. Vergleichende Betrachtung zur Rolle und zum möglichen Inhalt eines Anstellungsvertrages zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und der Gesellschaft
Gegenüber den Aufgaben der Vorstandsmitglieder stellt sich die Aufsichtsratstätigkeit schon von ihrem äußeren Erscheinungsbild weniger als vertraglich vereinbarte "Dienstleistung", sondern mehr als "amtliche" Tätigkeit im Interesse nicht nur ihres "Vertragspartners" Gesellschaft, sondern auch der Aktionäre, der Belegschaft, der Vertragspartner und Gläubiger der Gesellschaft sowie der Öffentlichkeit dar. Die Aufsichtsratsmitglieder erfüllen den gesetzlichen Auftrag der Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes auf Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht nur mit dem Ziel der kontinuierlichen Aufwärtsentwicklung des Unternehmens und einer stetigen Profitsteigerung für die Aktionäre. Genauso sollen die Öffentlichkeit und alle am Unternehmen in verschiedener Weise Beteiligten vor den Folgen einer Mißwirtschaft, einer verspäteten Konkursantragstellung, den Auswirkungen verheimlichter wirtschaftlicher Krisen sowie vor einem plötzlichen Zusammenbruch der Gesellschaft geschützt werden. Zudem gibt es keine- wie bei Vorstandsmitgliedern übliche- interne Geschäfts- und Ressortverteilung. Alle Aufsichtsratsmitglieder haben unabhängig von persönlichen Unterschieden hinsichtlich beruflicher Tätigkeit, sozialer Stellung und Qualifikationen grundsätzlich die gleiche organschaftliehe Rechts- und Pflichtenstellung, die gleiche Berechtigung zur Wahrnehmung der Amtsaufgaben und den gleichen Zugang zu Aufsichtsratsausschüssen; sie unterliegen prinzipiell einem einheitlichen Sorgfalts- und Verantwortlichkeitsmaßstab. Die amtlichen Befugnisse und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes gegenüber der Gesellschaft, der Hauptversammlung, dem Vorstand sowie dem Gesamtaufsichtsrat ergeben sich primär aus gesetzlichen Vorschriften. Modifikationen hierzu verbieten sich schon wegen des weitgehend zwingenden Charakters des Aktienrechts. So dürfen sich auch die Satzung und die Beschlüsse der Hauptversammlung nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen. Schon die nachträgliche Einschränkung der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder durch die Gesellschaft ist nur in engen Grenzen möglich. 30 Ge-
30 Die Entlastung von ARM durch die HV läßt eventuelle Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen diese unberührt, § 120 II S. 2 AktG. Ein ausdrücklicher Verzicht der Gesellschaft oder ein Vergleich ist gemäß §§ 116, 93 IV S. 3 AktG erst nach Ablauf von drei Jahren nach Entstehung des Schadensersatzanspruches und nur mit Zustimmung der HV möglich, selbst dann aber ausgeschlossen, wenn eine Minderheit von Aktionären mit Anteilen, die zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift im Protokoll Widerspruch eingelegt hat.; vgl. dazu Lutter/Krieger,§ 7, III. 3. d), Rn. 313; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und AR, 4. Kapitel, II. 1. b), Rn. 235fT.
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1. Kap.: Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses
schweige denn kann die Haftung von (einzelnen oder allen) Aufsichtsratsmitgliedern von vornherein per Satzungsbestimmung, Hauptversammlungsbeschluß oder gar durch eine Einzelvereinbarung wirksam ausgeschlossen bzw. begrenzt werden. 31 Diesbezügliche Regelungen im Anstellungsvertrag dürften die gesetzlichen Vorschriften bzw. die Konkretisierungen in der Satzung und den Hauptversammlungsbeschlüssen nur wiederholen. Da sie sich außerdem am Prinzip der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung aller Aufsichtsratsmitglieder zu orientieren hätten, bliebe überdies kein Raum für individuelle Vertragsgestaltung. Gleiches gilt für eine eventuelle vertragliche Gestaltung der persönlichen Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder. Jedes Aufsichtsratsmitglied muß über eine bestimmte Mindestqualifikation sowie ein Mindestmaß an gesellschaftsrechtlichen und betriebswirtschaftliehen Kenntnissen verfügen. Auf der Grundlage dieser Mindestqualifikation gilt ein objektiver, für alle Aufsichtsratsmitglieder gleich zu bestimmender Sorgfaltsmaßstab gemäß §§ 116, 93 AktG, der sich am Kenntnisstand und an den Fähigkeiten eines durchschnittlichen Mitgliedes des Aufsichtsrates orientiert. 32 Individuelle Haftungserleichterungen in Abweichung vom allgemeinen Sorgfaltsmaßstab gemäß §§ 116, 93 AktG oder auch eine Freistellung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft durch Satzungsregelungen, Hauptversammlungsbeschlüsse oder einzelvertragliche Abreden sind nicht zulässig (siehe schon oben).33 Der Anstellungsvertrag könnte lediglich auf §§ 116, 93 AktG Bezug nehmen bzw. eine inhaltlich identische Haftungsregelung enthalFür die GmbH gelten die§§ 93 IV, 120 li AktG allerdings aufgrundfehlender Verweisung in § 52 I GmbHG nicht; hier geht die Wirkung der Entlastung deutlich über die aktienrechtliche Entlastungswirkung hinaus. Eine dem § 120 li AktG entsprechende Norm existiert im GmbH-Recht nicht. Mit Ausnahme bestimmter Ansprüche (§§ 9 a I, 57 IV, 43 111, 64 li GmbHG), auf die nicht wirksam verzichtet werden kann, sind ein Verzicht, ein Vergleich sowie auch haftungsbeschränkende Vereinbarungen grundsätzlich bzw. viel weitergehender möglich. V gl. dazu Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und AR, 4. Kapitel, III. 2., Rn. 240ff., IV. 3., Rn. 245. Die Rechtslage für ARM in Genossenschaften ähnelt dagegen der der ARM in AG, vgl. §§ 41, 34 IV, V GenG. 31 Ausdrücklich Lutter/Krieger, § 7, III. 3. d), Rn. 313; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und AR, 4. Kapitel, II. 1. b), Rn. 231 sowie IV. 2., Rn. 244; Bastuck, Enthaftung des Managements, D. li. 3. c) (S. 97); i. ü. siehe unten, Fünftes Kapitel. 32 Dazu unten i. Z. mit den Schulungsansprüchen von ARM der AN, Zweites Kapitel, III.; i. ü. Deckert, ZIP 1996, S. 985ff., (992f.); Fitting!Wlotzke!Wißmann; MitbestG, § 25, Rn. 122; Lutter/Krieger, § 7, Rn. 311; Kittner/Köstler/Zachert, S. 301 ff., Rn. 683ff. 33 So Lutter/Krieger, § 7, Rn. 313; Geßler in Geßler/Hefermehl!Eckardt-!Kropff, § 101, Rn. 54; Mertens in Kötner Komm. AktG, § 101 , Rn. 6; Bastuck, Enthaftung des Managements, D, II., insb. 3. c) (S. 97).
IV. Rechtliche Bedeutung eines speziellen Anstellungsvertrages
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ten. Damit wären nun zwar auch vertragliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen amtspflichtwidrig handelnde Aufsichtsratsmitglieder aus einer Positiven Forderungsverletzung des Anstellungsvertrages denkbar; - diese unterschieden sich allerdings nicht vom gesetzlichen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft aus §§ 116, 93 AktG. Die Feststellung der Verletzung von "Pflichten aus dem Anstellungsvertrag" wäre nach den Bestimmungen des Gesetzes, der Satzung bzw. der Hauptversammlungsbeschlüsse zu treffen (="ordentliche und gewissenhafte" Aufsichtsratstätigkeit im Sinne des §§ 116, 93 I AktG), und hinsichtlich des Verschuldens modifizierte der spezielle Sorgfaltsmaßstab des§§ 116, 93 AktG den allgemeinen des§ 276 BGB. Eine Vergütung für Aufsichtsratstätigkeit ist nicht von vornherein zu erwarten (§ 612 I BGB), da es sich hierbei um eine Nebentätigkeit handelt, die einen nur geringen zeitlichen Aufwand erfordert und wohl kaum der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Aufsichtsratsmitgliedes dienen wird. Dementsprechend legt § 113 I S. I AktG ausdrücklich fest, daß kein Rechtsanspruch, sondern lediglich die Möglichkeit hinsichtlich einer Vergütungszahlung besteht. Nach § 113 I S. I AktG dürfen Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder auch nur aufgrund einer entsprechenden Satzungsbestimmung oder eines Beschlusses der Hauptversammlung gewährt werden. Häufig ist in der Satzung geregelt, daß Aufsichtsratsvergütungen generell gezahlt werden, während die konkrete Höhe der Aufsichtsratsvergütung zumeist für jedes Jahr neu in der ordentlichen Hauptversammlung beschlossen wird und sich dabei am Jahres- und Dividendenergebnis orientiert.34 Eigenständige und vor allem individuelle Vereinbarungen sind damit schon ausgeschlossen. Außerdem ist hinsichtlich der Höhe der Vergütung gleichfalls der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder zu beachten. Die Vergütung muß prinzipiell an alle Aufsichtsratsmitglieder in gleicher Höhe gezahlt werden; unterschiedliche Vergütungen ohne rechtfertigenden Grund (zum Beispiel erhöhter Arbeitsaufwand des Aufsichtsratsvorsitzenden, des stellvertretenden Vorsitzenden, der Ausschußvorsitzenden35) sind unzulässig. Insoweit hat die Hauptversammlung zunächst über die einheitliche Grundvergütung und dann über 34 Nach der Analyse der Kienbaum Vergütungsberatung, Gummersbach, beliefen sich die Dotierungen der deutschen Aufsichtsräte im Geschäftsjahr 1990 auf durchschnittlich 16.800 DM pro Kopf. Trotz des Anstieges der Verantwortung und der Arbeitsbelastung der Aufsichtsräte im Zuge des Unternehmenswachstumes, der zunehmenden Verflechtung und Globalisierung der Wirtschaft und des verstärkten Wettbewerbsdruckes haben sich die Aufsichtsratsvergütungen in den letzten 30 Jahren nicht wesentlich erhöht; im Jahre 1960 beliefen sie sich auf durchschnittlich 15.300 DM. Auszüge der Studie abgedruckt in AG-Report 1992, R 306. 35 So die herrschende Meinung, vgl. Geßler in Geßler/Hefermehi!Eckardt!Kropff, AktG, § I 13, Rn. 58; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 113, Rn. 9; MeyerLandrut, Großkomm. zum AktG, § 113, Anm. 1; Lutter/Krieger,§ 7, Rn. 293; Säcker, NJW 1979, S. 1521ff. (1525).
l. Kap.: Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses
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eine eventuell erhöhte Vergütung fiir bestimmte einzelne Aufsichtsratsmitglieder zu entscheiden, § 113 I S. 2, 4 AktG (häufig: doppelte Vergütung fiir den Aufsichtsratsvorsitzenden, anderthalbfache Vergütung fiir den stellvertretenden Vorsitzenden). 36 Außer einem generellen Verzicht des Aufsichtsratsmitgliedes auf die Vergütung verbleibt kein Raum fiir individuelle vertragliche Abreden (etwa zur Honorierung besonderer Erfahrungen oder als fmanzieller Anreiz, um "Wunschkandidaten" fiir das Aufsichtsratsamt zu gewinnen). 37 Ein Bedürfuis fiir einen vertraglichen Aufwendungsersatzanspruch besteht ebenfalls nicht. Aufsichtsratsmitglieder erbringen ihre Amtstätigkeit auf der Grundlage ihrer individuellen Verpflichtung aus dem Anstellungsverhältnis, aber selbstverständlich auch im Interesse der Gesellschaft. Damit haben sie Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit gemäß §§ 675, 670 BGB (analog). 38 Ersatzfähig nach §§ 675, 670 BGB (analog) sind alle Aufwendungen, die zum Zweck der Ausübung des Amtes getätigt wurden und zum Zeitpunkt der Amtsausübung fiir erforderlich gehalten werden durften, zum Beispiel Fahrt-, Reise- und Übernachtungskosten, Telefon- und Portokosten sowie Aufwendungen fiir erforderliche Arbeitsmittel.39 Häufig werden sogar in Satzungen oder durch Hauptversammlungsbeschluß zur Erleichterung und Vermeidung von Einzelabrechnungen Aufwandspauschalen festgelegt. Hierunter fallen auch die "Sitzungsgelder", durch die der zeitliche Aufwand zur Teilnahme an den Aufsichts- und Ausschußsitzungen abgegolten wird.40 Eine zusätzliche vertragliche Vereinbarung hätte entweder keinerlei eigenständige rechtliche Bedeutung, oder sie wäre, soweit sie Abweichendes regelte und nicht nur Aufwendungsersatz-, sondern auch Vergütungscharakter trüge, wegen Verstoßes gegen § 113 I S. 1 AktG unwirksam. Hinsichtlich der übrigen typischen Regelungsgegenstände des Vorstandsanstellungsvertrages erübrigen sich Vereinbarungen mit Aufsichtsratsmitgliedern schon aufgrund des Nebenamts-Charakters der Aufsichtsratstätigkeit Wettbewerbsverbote, Fragen der Urlaubsgewährung, der Vergütungsfortzahlung bei Krankheit, erlaubter Nebentätigkeiten, der Verwertung von Erfindungen usw. haben fiir Aufsichtsratsmitglieder entweder keine Relevanz, oder sie
Lutter/Krieger,§ 7, Rn. 293; auch Säcker, NJW 1979, 1521ff. (1525f.). So Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 113, Anm. 2; Baumbach-Hueck, AktG (13. Auflage 1968), § 113, Rn. 4. 38 Dies ist in der Literatur völlig unbestritten, vgl. nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 113, Rn. 10; Lutter/Krieger, § 7, Rn. 294; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 113, Anm. 16; Kittner/Köstler/Zachert, S. 282ff., Rn. 637ff.; allem. w. N. 39 Vgl. Kittner/Köstler/Zachert, S. 282ff., Rn. 637-642 m. w. N. 40 Beispiel: ordentliche Hauptversammlung der Lufthansa AG Köln beschloß Zahlung eines Sitzungsgeldes in Höhe von 250 DM je Mitglied und Sitzung. 36
37
V. Ergebnis
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sind einheitlich für alle Aufsichtsratsmitglieder gesetzlich, in der Satzung oder in Form von Hauptversammlungsbeschlüssen geregelt. Zusammenfassend ist damit festzustellen, daß Anstellungsverträgen zwischen der Gesellschaft und ihren Aufsichtsratsmitgliedern nicht einmal eine eigenständige rechtliche Bedeutung zukommen könnte.
V. Ergebnis Das Anstellungsverhältnis des Aufsichtsratsmitgliedes weist zwar e1mge Bezüge zu vertraglichen Schuldverhältnissen auf. Da aber die korporationsrechtlichen Elemente überwiegen und den Charakter des Anstellungsverhältnisses prägen, stellt sich dieses als ein spezielles gesetzliches (korporatives) Rechtsverhältnis eigener Art mit lediglich einigen vertragsähnlichen Anteilen dar, für das im Bereich des Vertragsrechts keine Entsprechung existiert. 41
41 So auch die Vertreter der sog. Amtstheorie, nämlich Natzel, DB 1959, S. 17lff., S. 201ff., DB 1965, S. 1388ff.: "gesetzlich geregeltes Rechtsverhältnis eigener Art, jedenfalls nicht vertraglicher Natur"; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 101, Rn. 5ff., § 103, Rn. 5; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 101, Rn. 41, 45-55; Hoffmann-Becking in Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, Rn. 9: "kein vertragliches Anstellungsverhältnis, sondern gesetzliches Schuldverhältnis, zustandekommen durch Bestellung und Annahme"; Lutter/Krieger, § 7, II. 4., Rn. 293: "rein korporatives Rechtsverhältnis"; wohl auch Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28, III. 3. (S. 840): "Schuldverhältnis ohne besonderen Vertragsschluß" sowie Kühler, Gesellschaftsrecht, § 15, IV. 3. (S. 191): "Schuldverhältnis beruhend auf zwingenden gesetzlichen Vorschriften; lediglich Ergänzung durch Satzung und/oder Vertrag"; Hachenburg!Raiser, GmbHG, § 52, Rn. 121 u. 237. S Jacldofsky
Zweites Kapitel
Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche I. Bezahlte FreisteDung von der Arbeit zur Vornahme von Aufsichtsratstätigkeit Angesichts des allgerneinen Pflichtenumfanges fiir Aufsicbtsratsrnitglieder1 sowie des dafiir erforderlichen durchschnittlichen Zeitaufwandes2 stellt sich das Aufsichtsratsamt als Nebenamt dar. Ausdruck dieses Nebenamtscharakters ist es, daß die Aufsichtsratsmitglieder keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung fiir die geleistete Aufsichtsratstätigkeit kraft Gesetzes haben. Ihnen kann gern. § 113 I S. 1 AktG lediglieb aufgrund einer entsprechenden Satzungsbestimmung oder durch Beschluß der Hauptversammlung eine Vergütung gewährt werden. Aber auch bei Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung läßt sich der Lebensunterhalt nicht allein über das Aufsichtsratsamt bestreiten. Daher sind die meisten Aufsichtsratsmitglieder hauptberuflich in einem anderen Unternehmen oder einer anderen Organisation tätig (z. B. Inhaber anderer Unternehmen oder deren Vorstandsmitglieder unter Beachtung der Unvereinbarkeitsregel des § 100 II AktG, Vertreter von Banken, Klein- und Großaktionären, ehemalige, nun pensionierte Vorstandsmitglieder). Bei den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer handelt es sich um Funktionäre der Gewerk-
1 Siehe schon oben, Einleitung, II. 3., vor allem Teilnahme an den AR-Sitzungen (durch die Neuregelung des KonTraG gern. § 110 III AktG zwei Pflichtsitzungen pro Kalenderhalbjahr bei börsennotierten Gesellschaften, bei den übrigen Gesellschaften eine Pflichtsitzung pro Kalenderhalbjahr), den Ausschußsitzungen (ggfs. beschränkt auf die Ausschußmitglieder, § § 109 II AktG) sowie an den Sitzungen der Hauptversammlung, § 118 II AktG; ausreichende Vorbereitung auf die zu erörternden Themen bzw. die Beschlußgegenstände der AR- und Ausschußsitzungen (kein Stimmrecht in der HV); Informationseinholung sowie ggfs. Vorbesprechungen mit den ARM der eigenen Gruppe, mit dem Wahlkörper (umstritten, hierzu z. B. Reich!Lewerenz, AuR 1976, S. 353fT. (365) sowie Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 12), dem Vorstand bzw. einzelnen Vorstandsmitgliedern; u. U. Leitung der HV, § 118 II AktG (so Hoffinann, Der AR, S. 104, Rn. 406). 2 Nach Bleicher, Der Aufsichtsrat im Wandel, S. 4lff., liegt der durchschnittliche jährliche Gesamtaufwand für die Teilnahme an AR-Sitzungen bei 14 Stunden 13 Minuten, für die Ausschußarbeit je nach Art des Ausschusses zwischen 4 Stunden 46 Minuten und 10 Stunden 13 Minuten; ausführliche Darstellung hinten im Anhang.
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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schaften oder um unternehmensangehörige Arbeitnehmer aus dem Kreis der Arbeiter, Angestellten und leitenden Angestellten. 3 Den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner, insbesondere soweit es sich dabei um Inhaber oder Vorstandsmitglieder anderer Unternehmen handelt, wird es regelmäßig gut gelingen, hauptberufliche Tätigkeit und Ausübung eines Aufsichtsratsamtes zu vereinbaren, da sie über die Lage ihrer Arbeitszeit weitgehend selbst bestimmen können. Ähnlich werden diejenigen unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, die zugleich Betriebsratsmitglieder und nach § 38 BetrVG freigestellt sind, die parallelen Pflichten in zeitlicher Hinsicht miteinander recht gut vereinbaren können. Für die unternehmensangehörigen4 Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, die nicht nach BetrVG freigestellt sind, werden sich allerdings häufig zeitliche Kollisionen ergeben. Als vollberechtigte und vollverpflichtete Aufsichtsratsmitglieder gilt auch für sie, daß sie ihre Aufsichtsratstätigkeit unabhängig und unbeeinflußt von ihrer hauptberuflichen Arbeit auszuüben haben.5 Bezüglich ihrer hauptberuflichen Tätigkeit haben sie aber kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Sie sind aufgrund des zur Gesellschaft bestehenden Arbeitsverhältnisses weisungsgebunden und fremdbestimmt tätig; über die Lage ihrer Arbeitszeit können sie im wesentlichen nicht selbst entscheiden. Die Sitzungen der Aufsichtsräte sowie der Ausschüsse finden regelmäßig tagsüber und an Werktagen statt. Auch Hauptversammlungen werden häufig so angesetzt, daß die höchste Teilnehmerquote zu erreichen ist, also kaum an Wochenenden oder abends. Für Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mit normaler werktäglicher Arbeitszeit bedeutet dies, daß sie zur gleichen Zeit zur Wahrnehmung ihrer Aufsichtsratstätigkeit sowie zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet sein können. Angesichts dieses Tatbestandes ergibt sich die grundsätzliche Frage, ob bei zeitlicher Unvereinbarkeit beider der Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufsichtsratstätigkeit oder der Pflicht zur Arbeitsleistung Vorrang zukommt.
3
Potthoff!frescher, Das AR-Mitglied, 5. Kapitel, III. 1., (S. 76); Ulmer, NJW 1980,
s. 1603ff. (1604).
4 Hierbei immer gemeint: zwingend unternehmensangehörige ARM der AN, §§ 4 I S. 2 b), 6 I S. I Montan-MitbestG; 5 I S. 2 b), 6 MitbestErgG; 7 I, II, III MitbestG; 76 I, II S. 2, 3 BetrVG 1952. 5 Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25, Rn. 10 und § 26, Rn. 6.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsanspruche
1. Befreiung von der beruflichen Tätigkeit
a) Das Verhältnis der Pflichten aus der Amtsstellung gegenüber denen aus dem Arbeitsverhältnis Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zum Vorrang der einen oder anderen Pflichtenbindung existiert nicht. Insbesondere enthalten das Aktiengesetz und die Gesetze zur Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer keine ausdrückliche Freistellungsregel zugunsten der Amtsausübung, wie sie für Betriebsratsmitglieder mit § 37 II BetrVG vorhanden ist. Denkbar wäre deshalb eine analoge Anwendung des § 37 II BetrVG auf die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat Die analoge Anwendung einer Vorschrift bedeutet immer eine Überschreitung des gesetzlichen Wortlautes. Für einen bestimmten Sachverhalt existiert keine gesetzliche Regelung. Die rechtliche Gleichbewertung dieses Sachverhaltes und eines anderen, gesetzlich geregelten Sachverhaltes wird allerdings als geboten und richtig angesehen. Durch die analoge Anwendung der Regel auf den bisher nicht geregelten Sachverhalt wird das Gesetz praktisch ergänzt. Einer solchen Ergänzung bedarf es aber nur dann, wenn etwas als unvollständig angesehen wird und diese Unvollständigkeit nicht hingenommen werden soll bzw. kann. Voraussetzung einer Analogie ist also die "planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes". Die Ausfüllung einer solchen nicht gewollten Lücke mittels der Analogie muß außerdem unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes sowie der Gerechtigkeit ("Gleiches muß gleich behandelt werden.") Bestand haben.6
aa) Vergleich der Funktionen von Aufsichtsrat und Betriebsrat Der Betriebsrat ist die gesetzliche Interessenvertretung der Belegschaft (mit Ausnahme der leitenden Angestellten7) und Träger der Rechte und Pflichten nach dem BetrVG. Entsprechend dem gesetzlichen Leitbild gemäߧ§ 2 I, 74 I, II BetrVG sollen Arbeitgeber und Betriebsrat zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes vertrauensvoll, mit dem ernsten Willen zur Einigung und mit Verständnis für einander zusammenarbeiten. Ungeachtet dessen stellen die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach der Betriebsverfassung objektiv eine Einschränkung der Vertrags- und wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Ar6 Für alle Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 16, 25; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 371ff., 375, 38lff. (hier: "Gesetzes- oder Einzelanalogie"). 7 Dann gilt das Sprecherausschußgesetz (SprAuG).
I. Bezahlte Freistellung fur Aufsichtsratstätigkeit
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beitgebers dar und werden von nicht wenigen Arbeitgebern subjektiv als Behinderung und Störung ihrer unternehmerischen Freiheit empfunden. Eine genaue gesetzliche Fixierung der Rechte und Befugnisse der Betriebsratsmitglieder ist deshalb zur Gewährleistung einer effektiven Betriebsratsarbeit unerläßlich. So enthält das BetrVG einen detaillierten Katalog verschiedener, enumerativ aufgeführter Beteiligungsrechte. Außerdem sind die Organe der Betriebsverfassung, insbesondere die Betriebsratsmitglieder, umfangreich gesetzlich geschützt. Neben dem speziellen Kündigungsschutz nach §§ 15 KSchG, 103 BetrVG garantiert der gesetzlich normierte Anspruch aufbezahlte Freistellung von der beruflichen Tätigkeit nach §§ 37 II, 38 BetrVG, daß Betriebsratstätigkeit entsprechend dem erforderlichen Umfang und Zeitpunkt ohne die Möglichkeit der Beeinflussung durch den Arbeitgeber ausgeübt werden kann. 8 Demgegenüber ist der Aufsichtsrat kein "eigenes" spezielles Organ der Arbeitnehmermitbestimmung auf Unternehmensebene, sondern ein für bestimmte Kapitalgesellschaften9 gesetzlich vorgeschriebenes Verwaltungsorgan des Unternehmens mit dem Auftrag der Überwachung, Beratung sowie Bestellung und Abberufung des geschäftsführenden Vorstandes. Die Arbeitnehmermitbestimmung erfolgt in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens 10 innerhalb dieses Verwaltungsorganes in Form der Mitarbeit von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmerseite. Sie sind gleichberechtigte und gleichverpflichtete Aufsichtsratsmitglieder. Ohne Unterschied zu den anteilseignergewählten Aufsichtsratsmitgliedern ist allein das Unternehmenswohl der Maßstab für ihr Amtshandeln. 11 Bei ihrer Aufsichtsratstätigkeit ist ein Einfließenlassen der Interessen der Belegschaft als ein Kriterium des Unternehmenswohles sowohl gewünscht als auch notwendig. Auch bestehen bei der Bestimmung des Wohles des Unternehmens Beurteilungspielräume und die Möglichkeit, einzelne Unternehmenskomponenten mehr oder weniger stark zu gewichten. Dennoch müssen die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer Belegschaftsinteressen zurückstellen, wenn dieses im Einzelfall erforderlich ist. 12 Auf-
8 Einer Zustimmung des AG im Rahmen der Arbeitsbefreiung nach§ 37 II BetrVG bedarf es nicht; i. R. des § 38 BetrVG ist der AG zur Freistellung verpflichtet, vgl. nur Fitting/Kaiser/ Heither!Engels, BetrVG, § 37, Rn. 44 m. w. N. 9 In allen AG, §§ 95ff. AktG, und KGaA, §§ 278 III, 287 AktG; GmbH nach § 52 GmbHG bzw. im Anwendungsbereich der Mitbestimmungsgesetze; alle Genossenschaften, § 9 GenG. 10 Abhängig von Beschäftigtenanzahl des Unternehmens bzw. Höhe des Gesellschaftskapitals. 11 Z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 23, 27ff.m. w. N. ; siehe i. ü. zum Gleichbehandlungsgrundsatz oben, Einleitung, Il. 3. e). 12 Zur Treuepflicht siehe unten, Drittes Kapitel, I. 2. c); vgl. nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. II , 32; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 118, beide m. z. N.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
grunddieser absolut vorrangigen Bindung an das Wohl des Unternehmens reduziert sich die Rolle der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht auf die Repräsentierung der Interessen der Belegschaft. Ihre Aufsichtsratstätigkeit wird auf eine von vornherein höhere Akzeptanz beim Arbeitgeber treffen. Im Vergleich zur Stellung des Betriebsrates, speziell wegen der hier aufgezeigten Unterschiede zwischen den Funktionen von Betriebsrat bzw. Aufsichtsrat, erscheint die Notwendigkeit einer klaren gesetzlichen Freistellungsregelung fiir die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wesentlich geringer als bei den Betriebsratsmitgliedern.13 Angesichts dessen kann von einer nicht hinnehmbaren planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes wohl nicht gesprochen werden. bb) Vorrang der Amtstätigkeit gegenüber der Erfüllung der arbeitsvertragliehen Pflichten schon aufgrundder Bedeutung und Funktion des Aufsichtsratsamtes? Möglicherweise ergibt sich der Vorrang erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit gegenüber der Erfüllung der arbeitsvertragliehen Pflichten aber bereits aus der Bedeutung und Funktion des Aufsichtsratsamtes des Arbeitnehmers, ohne daß es eines Rückgriffes auf die Freistellungsregel des§ 37 II BetrVG bedarf. Das deutsche Trennungsmodell fiir die Verwaltung großer Kapitalgesellschaften sieht als wesentlichen Bestandteil eine vom Vorstand unabhängige und wirksame Kontrolle der Geschäftsführungstätigkeit desselben durch den Aufsichtsrat vor. Jedes Aufsichtsratsmitglied erfüllt als Teil des Gesamtorgans diesen Kontrollauftrag und ist diesbezüglich zur sorgsamen und ordnungsgemäßen Aufsichtsratstätigkeit in eigener Person und (Mit-)Verantwortung verpflichtet. Stellvertretung bei der Amtsausübung ist unzulässig, § 101 III S. 1 AktG; die Entsendung von Ersatzmitgliedern ist nur eingeschränkt möglich. 14 Flankierend dienen Vorschriften zur vorzeitigen Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern durch den jeweiligen Wahlkörper bzw. aufgrundgerichtlicher 13 Ähnlich wie hier zur unterschiedlichen Stellung von ARM und BRM Konzen, ZfA 1985, S. 469ff. (482f.). 14 Höchstpersönliche Amtsführung, Delegations- und Vertretungsverbot (§ lll V AktG), dazu z. B Potthoff/Trescher, Das AR-Mitglied, 5. Kapitel, II. 3. c., (S. 83f.); Hoffinann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 30, Il. 3., Rn. 23: gern. §§ 101 III S. 3 AktG, 17 MitbestG können Ersatzmitglieder nur zugleich mit "ihrem" jeweiligen ARM gewählt werden und rücken grds. nur bei endgültiger Verhinderung, vorzeitigem Ausscheiden nach; es ist lediglich möglich, daß ein Ersatzmitglied aufgrund Satzungsbestimmung nach § I 09 Ill AktG sowie Ermächtigung durch das verhinderte ARM an den Sitzungen anstelle des verhinderten ARM teilnimmt, allerdings nicht als Vertreter, sondern lediglich als Stimmbote zur Übermittlung der Stimme des verhinderten ARM; vgl. Fitting/Wlotzke!Wißrnann, MitbestG, § 17, Rn. 13.
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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Entscheidung auf Antrag des Gesamtaufsichtsrates, zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen amtspflichtwidrig handelnde Aufsichtsratsmitgliedern gern. §§ 116, 93, 117 II, 147 AktG sowie zu strafbarem bzw. ordnungswidrigem Handeln gern. §§ 399ff. AktG dem Ziel, eine effektive Aufsichtsratstätigkeit zum Wohle und zur Förderung des Unternehmens im Interesse aller Beteiligten- Anteilseigner, Belegschaft, Vertragspartner, Gläubiger, Öffentlichkeit - hervorzubringen. Dem entspricht es auch, daß alle Aufsichtsratsmitglieder den gleichen Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Amtsausübung unterliegen. 15 Auf der Grundlage dieser Überlegungen ist es ausgeschlossen, die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nur insoweit zu Aufsichtsratstätigkeit für verpflichtet zu halten, als ihnen dies außerhalb und ohne Beeinträchtigung ihres Arbeitsverhältnisses möglich ist, und sie auch bei dann nicht mehr ordnungsgemäßer Aufsichtsratstätigkeit keinen Sanktionen wie vorzeitiger Abberufung oder Schadensersatzforderungen zu unterwerfen. Die Stärke der Arbeitnehmermitbestimmung im Unternehmen liegt wesentlich darin begründet, daß die von der Arbeitnehmerseite Gewählten mit gleicher Stimme, gleichen Rechten und Pflichten das Unternehmen mitverwalten. Gerade die Wechselbeziehung zwischen den weitreichenden Informations-, Mitentscheidungs- und Gestaltungsrechten sowie den Pflichten und angedrohten Sanktionen für pflichtwidriges Verhalten kann am besten eine effektive Aufsichtsratstätigkeit gewährleisten, bei der es wegen der vorrangigen Bindung an das Unternehmenswohl nicht mehr wesentlich darauf ankommen soll und kann, ob sie von einem Aufsichtsratsmitglied der Anteilseigner oder der Arbeitnehmerseite geleistet wird. Die Befürwortung eines Vorranges der Arbeitsvertragspflichten hat zwangsläufig eine weniger intensive Aufsichtsratstätigkeit durch die Arbeitnehmer zur Folge. Dies führt zu einer Reduzierung des gesetzlich vorgesehenen und auch bundesverfassungsgerichtlich bestätigten 16 Arbeitnehmereinflusses auf die Unternehmensverwaltung. Die darin zum Ausdruck kommende Geringerschätzung der Aufsichtsratstätigkeit gegenüber "normaler" individualarbeitsrechtlicher Verpflichtung könnte auch zu einer laxeren Einstellung der Arbeitnehmer zu ihrem Aufsichtsratsmandat führen, - eine mögliche Ursache für die Verringerung der Arbeitnehmermitbestimmung im Unternehmen. Zur Wahrung des Arbeitnehmereinflusses und der allgemein anerkannten, systemtragenden unterschiedslosen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder müs-
15 Allgemein anerkannter Grundsatz der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung aller ARM, unbesehen ihrer Zugehörigkeit zu den Bänken; dazu z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 10; auch Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 157ff.; beide m. w. N.; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 11, 119 sowie Rn. 104 (hins. Vergütung). 16 Urteil des BVerfG über die Verfassungsgemäßheit des MitbestG vom 01. 03 . 1979, z. B. in NJW 1979, S. 699ff.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
sen daher an die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat die gleichen Anforderungen gestellt und Bedingungen geschaffen werden, unter denen es ihnen möglich ist, ihr Aufsichtsratsamt genauso zu erfüllen wie die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner. 17 Hieraus folgt ein prinzipieller Vorrang der Aufsichtsratstätigkeit gegenüber der Erfüllung der Arbeitsvertragspflichten. cc) Störungs- und Behinderungsverbot der§§ 26 S. l MitbestG, 78 S. l BetrVG Unterstützung findet die voranstehende These durch das Störungs- und Behinderungsverbot der §§ 26 S. l MitbestG, 78 S. 1 BetrVG (im Zusammenhang mit den§§ 76ff. BetrVG 1952 18). Wortgleich nach beiden Vorschriften dürfen die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in der Ausübung rechtmäßiger Aufsichtsratstätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Störungen oder Behinderungen sind in vielerlei Formen denkbar, durch Mitglieder der Geschäftsführung, durch Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner, durch Aktionäre, aber auch durch die Belegschaft, Betriebsratsmitglieder oder die im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften. Deshalb richtet sich das Störungs- und Behinderungsverbot gegen jedermann. Jedes mit dieser Intention die Aufsichtsratstätigkeit der Arbeitnehmervertreter störende Tun oder Unterlassen ist gern. § 134 BGB in Verbindung mit §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. l BetrVG unzulässig (Störungs- und Behinderungsverbot als gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB). Darüber hinaus können auch rein objektiv störende, behindernde Handlungen unter den Verbotstatbestand der§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG fallen. 19 Ein Vorrang der Erfüllung der Arbeitsvertragspflichten hieße, den Arbeitnehmer unter Umständen von den ohnehin nur selten stattfmdenden Aufsichtsrats-, Ausschuß- oder Hauptversammlungssitzungen abzuhalten. Da Stellvertretung ausgeschlossen und die Entsendung eines Ersatzmitgliedes 17 Kittner/Köstler/Zachert, S. 286, Rn. 644; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 7; GeBier in Geßler/Hefermehl!Eckardt!Kropff, AktG, § 96, Rn. 58f.; auch Faude, DB 1983, S. 2249ff. (2249): kein "Feierabendberuf'. 18 § 78 BetrVG 1972 gilt fiir die nach den fortgeltenden §§ 76ff. BetrVG 1952 gewählten ARM der AN; Verweis in§ 76 II S. 5 BetrVG 1952 auf den ursprünglichen § 53 BetrVG 1952, nunmehr § 78 BetrVG 1972. 19 Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 2, 5; Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 4, 9, 23; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 4, 6, 23; Kittler/Köstler/Zachert, S. 293, Rn. 660; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. l, 2, alle lassen eine objektive Störung, Behinderung ausreichen; ebenso fiir BRM Fitting/Kaiser/Heither/Enge1s, BetrVG, § 78, Rn. 10; anders Hess in Hess/Schlochauer/ Glaubitz; BetrVG, § 78, Rn. 8 fiir BRM: 'Störungsvorsatz erforderlich'.
I. Bezahlte Freistellung fiir Aufsichtsratstätigkeit
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nur sehr eingeschränkt zulässig ist (siehe oben), würde der Arbeitnehmer objektiv an der Ausübung seines Aufsichtsratsamtes gehindert. Ihm stünden nicht die gleichen Möglichkeiten wie den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner offen, seinem Aufsichtsratsmandat nachzukommen. Dies steht im Widerspruch zur Aussage des Störung- und Behinderungsverbotes der §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 BetrVG. Dem Arbeitnehmer zuzugeben, während der Arbeitszeit erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit nachgehen zu können, ihn dafür aber für verpflichtet zu halten, die versäumte Arbeitszeit nachzuholen, widerspricht dem deutschen Arbeitsrecht: eine Verpflichtung zur Nachholung versäumter Arbeitszeit besteht grundsätzlich nicht. 20 Auch käme dies praktisch einer Sanktion allein wegen der Amtstätigkeit gleich und ist unter dem Gesichtspunkt des Verbotes der Benachteiligung wegen der Aufsichtsratstätigkeit gemäß §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG abzulehnen. Allerdings gelten die §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG unmittelbar nur für die nach MitbestG bzw. §§ 76ff. BetrVG 1952 gewählten Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer; im Montanbereich (Montan-MitbestG; MitbestErgG)21 fehlt es an einer solchen Regelung. Die gesetzliche Normierung der§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG resultiert daraus, daß Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer weitaus schutzbedürftiger gegenüber Störungen oder Behinderungen in der Ausübung von Aufsichtsratstätigkeit sind als die anteilseignergewählten Aufsichtsratsmitglieder. Neben dieser persönlichen Komponente soll das Störungs- und Behinderungsverbot vor allem auch eine effektive und unabhängige Arbeitnehmermitbestimmung im Unternehmen sicherstellen. §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG heben die Bedeutung der Mitverwaltung des Unternehmens durch die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat besonders hervor und schaffen zusätzliche Sicherheiten für die Durchsetzung derselben. Generell gilt das Verbot der Behinderung bei der Aufsichtsratstätigkeit allerdings auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung im Gesellschaftsrecht für alle Aufsichtsratsmitglieder unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu Bänken oder Gruppen. Insbesondere unterliegen die Arbeitnehmervertreter des Montanbereiches trotz der unterschiedlich starken Ausgestaltung der Arbeitnehmermitbestimmung (vollparitätisch im Montan-
20 Nach herrschender Meinung hat die Pflicht zur Arbeitsleistung den Charakter einer absoluten Fixschuld; Nichtarbeit zur vereinbarten Zeit begründet Unmöglichkeit, nicht Verzug (Ausnahme: Gleitzeit; Arbeitszeitkonten usw.); so z. B. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 49 (S. 336f.); differenzierter und eher eine relative Fixschuld annehmend Blomeyer in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band I, § 55, Rn. 4ff. (Rn. 912). 21 Zum Geltungsbereich der einzelnen Mitbestimmungsgesetze siehe oben, Einleitung, II. I.
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bereich; leicht unterparitätisch nach MitbestG sowie Drittelbeteiligung nach §§ 76ff. BetrVG 1952) in prinzipiell gleicher Weise der Gefahr einer Einschüchterung, Störung oder Behinderung in der Ausübung ihrer Amtstätigkeit wie die nach MitbestG bzw. §§ 76ff. BetrVG 1952 bestellten Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Dies gilt vor allem für die Freiheit und Möglichkeit, die Aufsichtsratspflichten ordnungsgemäß erfüllen zu können. Da es diesbezüglich keine ausdrücklichen Schutzvorschriften für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Montanbereich gibt, erscheint es sachgerecht, die §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG entsprechend auf alle Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer anzuwenden. Dies erscheint insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil die Normen des MitbestG sowie der §§ 76ff. BetrVG 1952 einschließlich des § 78 BetrVG gegenüber dem MontanMitbestG sowie MitbestErgG gewissermaßen eine Art "Auffang"-Tatbestand für die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat darstellen. Das MitbestG ist gemäß § 1 II MitbestG nicht anzuwenden auf Unternehmen, in denen die Arbeitnehmer (bereits) ein Mitbestimmungsrecht nach Montan-MitbestG bzw. MitbestErgO haben. Die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer richtet sich gemäß § 85 II BetrVG 1952 nach den §§ 76ff. BetrVG 1952, soweit es sich nicht um Unternehmen handelt, die in den Geltungsbereich des Montan-MitbestG sowie MitbestErgG (außerdem des MitbestG, § 1 III MitbestG) fallen. MitbestG und§§ 76ff. BetrVG 1952 treten gegenüber den spezielleren und weitreichenderen Arbeitnehmermitbestimmungsgesetzen des Montanbereiches zurück; - dem würde es geradezu widersprechen, wenn der Amts- und persönliche Schutz für die Arbeitnehmervertreter des Montanbereiches im Vergleich zu MitbestG und§§ 76ff. BetrVG 1952 verkürzt wäre. Zurückkehrend zum Ausgangspunkt ergibt sich bereits aus der Funktion des Aufsichtsrates im allgemeinen sowie der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im besonderen und aus den Normen der§§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG, daß die Erfüllung der Pflichten aus dem Aufsichtsratsamt Vorrang gegenüber der Erbringung der Arbeitsleistung haben muß, wenn sich beides nicht miteinander vereinbaren läßt. Im Falle des Vorranges der Erfüllung der Amtspflichten treten die Arbeitsvertragspflichten zurück; mit anderen Worten: die Verpflichtung zur Arbeitsleistung entfällt insoweit, als während der regulären Arbeitszeit erforderliche Aufsichtsratstätigkeit zu leisten ist. 22 Mithin 22 So die ganz h. M., vgl. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 6; Baumbach!Hueck, AktG, Anh. nach § 96 Anm. 36; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6; Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 6, 7; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 4, 5; Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 8; Benze u.a., MitbestG '76, § 26, Rn. 6-8; i. E. auch Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 177; Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 175; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 127; Reich/ Lewerenz,
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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bleibt mangels einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes eine analoge Anwendung des§ 37 II BetrVG außer Betracht. b) Zustimmung des Arbeitgebers zur Arbeitsbefreiung?
Hieran schließt sich die Frage an, ob diese Arbeitsbefreiung von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängt oder allein kraft der Erfordernisse des Amtes eintritt. Eine solche Zustimmungskompetenz könnte dem Arbeitgeber zukommen, damit er die Möglichkeit einer Freistellung der Arbeitnehmer für anstehende Aufsichtsratstätigkeit anband der konkreten betrieblichen Notwendigkeiten prüfen und gegebenenfalls ablehnen kann. Durch eine wirksame Kontrolle der Geschäftsführung des Vorstandes können wirtschaftliche Fehlentwicklungen korrigiert und Unregelmäßigkeiten in der Leitung des Unternehmens verhindert werden. Eine darauf ausgerichtete sorgfältige Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder hat eine überbetriebliche Bedeutung und stellt damit ihrerseits eine vorrangige unternehmensehe Notwendigkeit dar, insbesondere, da sie zwingend gesetzlich vorgeschrieben ist. Das Aufsichtsratsmitglied soll und muß sein Amt höchstpersönlich, eigenverantwortlich, unbeeinflußt von sonstigen beruflichen Tätigkeiten sowie frei von Weisungen oder Aufträgen Dritter ausüben. Für die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer ist zudem zu gewährleisten, daß sie die gleichen Möglichkeiten zur Erfüllung der Amtspflichten wie die anteilseignergewählten Aufsichtsratsmitglieder haben (siehe oben). Beeinflussungen der Aufsichtsratsmitglieder durch ihrenjeweiligen Wahlkörper können nicht völlig ausgeschlossen werden und betreffen prinzipiell jedes Aufsichtsratsmitglied unabhängig von seiner Zugehörigkeit zu den Bänken. Einflußnahmen des Vorstandes bzw. einzelner Vorstandsmitglieder auf Tätigkeiten und Entscheidungen des Aufsichtsrates sind dagegen unzulässig und haben strikt zu unterbleiben. Da die Arbeitgeberfunktionen im Unternehmen in personeller Hinsicht von Vorstandsmitgliedern bzw. ihnen weisungsgebunden Untergebenen ausgeübt werden, könnte eine Entscheidungskompetenz des Arbeitgebers bei der Freistellung von Arbeitnehmern für Aufsichtsratstätigkeit mißbräuchlich zu dem Zweck ausgeübt werden, die Arbeitnehmer von der Unternehmensverwaltung auszuschließen. Die internen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer könnten nicht frei, eigenverantwortlich und allein entspreAuR 1976, S. 352ff. (365); Bieback, RdA 1978, S. 82ff., (84, 90); Kittner/ Köstler/Zachert, S. 286, Rn. 644; Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (237); Hensche, Das MitbestGespr. 1971, S. 111 ff. ( 114); Wester/Schlüpers-Oehmen, Arbeitsrecht, C. IV. 3., (S. 127); i. E. wohl auch Säcker, NJW 1979, S. 1521ff. (1521f.); Potthoffffrescher, Das AR-Mitglied, 5. Kapitel, lll. 3. b) (1) (S. 81).
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
chend den Erfordernissen des Amtes über die Vomahme von Aufsichtsratstätigkeit entscheiden, sondern wären hierin grundsätzlich abhängig von der Zustimmung des Arbeitgebers. Damit hätten sie nicht die gleichen Möglichkeiten wie die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner, ihr Mandat ordnungsgemäß wahrzunehmen. Neben der Verletzung des Grundsatzes der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder zu Lasten der Arbeitnehmer läge darin auch eine unzulässige Einflußmöglichkeit des Vorstandes auf einen Teil der Aufsichtsratsmitglieder. Ein Zustimmungserfordernis für die Freistellung zur Vomahme von Aufsichtsratstätigkeit scheidet auch mit Blick auf die entsprechende Rechtslage bei Betriebsratsmitgliedern aus. Betriebsratsmitglieder sind gemäß § 37 II BetrVG von der beruflichen Tätigkeit zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben nach dem BetrVG erforderlich ist. Diese Arbeitsbefreiung tritt nach fast einhelliger Meinung bei Vorliegen der Voraussetzungen (zur Durchführung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben; Erforderlichkeit der Befreiung) ein, ohne daß es auf eine Zustimmung oder Prüfung durch den Arbeitgeber ankommt. 23 Die Betriebsratstätigkeit ist im Vergleich zur Aufsichtsratstätigkeit wesentlich zeitaufwendiger. Betriebsratsarbeit fällt häufig unvorhersehbar und kurzfristig an (z. B. Beschlußfassung über geplante personelle Einzelmaßnahmen des Arbeitgebers, insbesondere Kündigungen). Die Reaktionszeit für den Arbeitgeber zum Ausgleich des zu erwartenden Arbeitsausfalles ist dementsprechend kurz. Im Gegensatz dazu ist jedenfalls die regelmäßige Aufsichtsratstätigkeit, also Teilnahme und Vorbereitung der Aufsichtsrats- und Ausschußsitzungen, längerfristig bekannt, und Vorkehrungen des Arbeitgebers wegen des Arbeitsausfalles sind frühzeitig möglich. Die Verpflichtung zur höchstpersönlichen Amtsführung für Betriebsratsmitglieder besteht auch nicht in solch strenger Form, wie sie ftir Aufsichtsratsmitglieder gilt. Ein zeitweilig an der Amtsführung verhindertes Betriebsratsmitglied kann sich durch ein gemäß § 25 II oder III BetrVG nachrückendes Ersatzmitglied vertreten lassen. In diesem Fall tritt das Ersatzmitglied für die Dauer der Verhinderung als vollwertiges Mitglied mit allen sich aus dieser Stellung ergebenden Rechten und Pflichten in den Betriebsrat ein und hat stellvertretend die Position des verhinderten Betriebsrates inne. Dies schließt auch die Stimmabgabe bei Beschlußfassungen in Stellvertretung ein. 24 Sollte eine Arbeitsbefreiung im Ausnahmefall nicht möglich bzw. die Ermöglichung Siehe schon oben, Fitting!Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 37, Rn. 44. Fitting!Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 25, Rn. l4ff. mit der Einschränkung, daß das Ersatzmitglied nur in den BR eintritt, nicht in die Funktionen innerhalb des BR, die das verhinderte BRM innehat, ebda., Rn. 13. 23
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der Amtsausübung unter Berücksichtigung auch der Belange des Arbeitgebers unzumutbar sein, ist die ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit dadurch gewährleistet, daß anstelle des verhinderten Betriebsratsmitgliedes das jeweilige Ersatzmitglied tätig wird. Im Gegensatz dazu können sich Aufsichtsratsmitglieder nicht vertreten lassen. An Aufsichtsratssitzungen darf anstelle eines zeitweilig verhinderten Mitgliedes eine von diesem ermächtigte andere Person nur teilnehmen, wenn die Satzung dies gestattet, § 109 III AktG, § 17 MitbestG. Das abwesende Aufsichtsratsmitglied kann seine Stimme auch schriftlich (Überbringung durch ein anderes Mitglied) oder durch einen Stimmboten gemäß § I 08 III AktG abgeben. Die Stimmabgabe durch eine Ersatzperson in Stellvertretung des verhinderten Aufsichtsratsmitgliedes ist jedoch unzulässig. Außerdem können Aufsichtsratsmitglieder die ihnen nach Gesetz, Satzung und Hauptversammlungsbeschluß zukommenden Aufgaben nicht an andere Personen delegieren. Die Übertragung bestimmter Aufgaben auf die Ausschüsse bzw. bestimmte Sachverständige steht nicht in der Macht des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes, sondern unterfallt der Kompetenz des Gesamtaufsichtsrates. Es besteht ein Vertretungs- und Delegationsverbot25
Für Betriebsratsmitglieder ist auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung anerkannt, daß es auf eine Zustimmung des Arbeitgebers zur Freistellung für die Vomahme erforderlicher Betriebsratstätigkeit nicht ankommen kann. Verglichen damit muß angesichts obenstehender Erwägungen erst recht eine Zustimmungskompetenz des Arbeitgebers bei der Freistellung der Aufsichtsrats-Arbeitnehmer ausscheiden. Festzustellen ist damit, daß die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat dann, wenn sie erforderliche Aufsichtsratstätigkeit nicht anders als in ihrer regulären Arbeitszeit vornehmen können, genaugenommen nicht erst von ihrer Arbeitsverpflichtung freizustellen sind, nicht nur einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung haben. 26 Vielmehr entfällt ihre Verpflichtung zur Arbeitsleistung,
25 Insbesondere Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, II., 1., Rn. 4, 5; Potthoff/Trescher, Das AR-Mitglied, 5, Kapitel, III. 3. c. (S. 83f.). 26 So die allgemeine Meinung; MitbestG, 78 BetrVG: Kittner/Köstler/Zachert, S. 286, Rn. 644 sowie Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (237): "Anspruch aufFreistellung"; Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 7ff.: "freizustellen", "Anspruch auf Arbeitsbefreiung", "von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit"; Hanau in Hanau/Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 6: "Arbeitspflicht ... ausgesetzt"; MeyerLandrut, Großkomm. AktGAktG, § 96, Anm. I; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 6; Baumbach!Hueck, AktG, Anh. nach § 96, Rn. 36; Hoffmann!Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 8; Wester/Schlüpers-Oehmen, Arbeitsrecht, C. IV. 3. (S. 127), alle: "freizustellen".
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soweit und solange sie während ihrer Arbeitszeit erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit nachgehen. Korrespondierend zu ihrer Verpflichtung zur höchstpersönlichen, eigenverantwortlichen und weisungsfreien Amtsführung ist den Aufsichtsratsmitgliedern hinsichtlich der "Erforderlichkeit" der Arbeitsbefreiung ein Beurteilungsspielraum einzuräumen. Alle Aufsichtsratsmitglieder, auch die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, sind aus dem Anstellungsverhältnis der Gesellschaft zur ordnungsgemäßen Amtsführung zum Wohle des Unternehmens verpflichtet. Dazu gehört auch eine sorgfältige Prüfung der Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung. Aus ihrer Mitverantwortung für das Wohl des Unternehmens und aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht folgt zudem, daß sie sich bei Verlassen des Arbeitsplatzes unter Angabe der voraussichtlichen Dauer und des Ortes der Aufsichtsratstätigkeit beim Arbeitgeber abmelden sowie sich zurückmelden müssen, sobald sie nach Erledigung der Aufsichtsratstätigkeit die Arbeit wieder aufnehmen?7 c) Durchsetzbarkeil der Arbeitsbefreiung gegenüber dem Arbeitgeber
Besteht zugunsten der Vornahme erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit keine Pflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung, so macht er sich auch keiner Arbeitsvertragsverletzung schuldig, wenn er nach ordnungsgemäßer Information des Arbeitgebers und Abmeldung seinen Arbeitsplatz verläßt. Hierauf folgende arbeitsrechtliche Sanktionen des Arbeitgebers sind daher unbegründet und rechtsunwirksam. Versuche des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer am Verlassen des Arbeitsplatzes zu hindern (zum Beispiel durch die Weisung, am Arbeitsplatz zu bleiben, die Androhung von arbeitsrechtlichen Sanktionen) sind gemäß § 134 BGB in Verbindung mit§§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG unzulässig. Streitigkeiten über die Wirksamkeit solcher Maßnahmen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Arbeitsbefreiung betreffen primär den Inhalt und Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und sind deshalb gemäߧ § 2 I Nr. 3 a), b), e) ArbGG von den Arbeitsgerichten im Urteilsverfahren zu entscheiden.28
27 Bzgl. BRM st. Rspr. des BAG, zuletzt BAG, Beschl. v. 13. 05. 1997, BAG AP Nr. 119 zu§ 37 BetrVG 1972 = NZA 1997, S. 1062ff.; BAG, Urt. v. 15. 03. 1995, NZA 1995, 961ff.; BAG, Urt. v. 15. 07. 1992, NZA 1993, 220ff. (Abmahnung wegen Nichtabmeldung); hins. ARM der AN: Reich/ Lewerenz, ebda.: "weitgehender Beurteilungsspielraum des ARM"; Kittner/Köstler/Zachert, S. 286, Rn. 644, S. 288, Rn. 646; Hanau in Hanau!Uimer, MitbestG, § 26, Rn. 5; Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 9 und Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (237). 28 Ebenso Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 27; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 15; Fitting!Wiotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 25; Kraft in GK-
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Neben der Rechtsfolge der Unwirksamkeit störender Maßnahmen kommt eine Streitklärung in Form der gerichtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Unterlassung zukünftiger Störungen oder Behinderungen bzw. zur künftigen Duldung der Aufsichtsratstätigkeit in Betracht (§§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG in Verbindung mit§ 1004 BGB analog). 29 Auch hier geht es im Kern um eine arbeitsrechtliche Problematik: nämlich um die verbindliche Festlegung von Handlungspflichten für den Arbeitgeber gegenüber den dem Aufsichtsrat angehörenden Arbeitnehmern im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Weiterer Anknüpfungspunkt ist die Reichweite der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer nach den einschlägigen Mitbestimmungsgesetzen. Diesbezügliche Rechtsstreite gehören daher wie die sachlich vergleichbaren Streitigkeiten zwischen Betriebsratsmitgliedern und Arbeitgeber über Freisteilungsund generelle Beteiligungsfragen30 vor die Arbeitsgerichte. 31 d) Schadensersatzansprüche des gestörten bzw. behinderten Aufsichtsratsmitgliedes der Arbeitnehmer
Hat der Arbeitgeber gegen das Störungs- und Behinderungsverbot verstoßen, indem er zum Beispiel den Arbeitnehmer von der Ausübung erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit (wie der Teilnahme an einer Aufsichtsratssitzung) abhielt, so ist möglicherweise neben dem tatsächlich nur zukünftig wirkenden Unterlassungsanspruch auch ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers entstanden. Ein solcher Anspruch könnte sich aus § 823 II BGB ergeben, wenn das Störungs- und Behinderungsverbot der §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 BetrVG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB darstellt. Schutzgesetze des § 823 II BGB sind all jene Rechtsnormen, die (neben dem Schutz der Allgemeinheit wenigstens auch) dem individuellen Schutz des Betroffenen vor der erlittenen Beeinträchtigung zu dienen bestimmt sind. DarBetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 172; vgl. auch Theisen, Die AG 1987, S. 137ff. (142) in seiner Analyse der Rechtsprechungsentwicklung von 1976 bis 1991. 29 So Fitting!Wiotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 24; offen hins. des Klageantrages auch Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 13f.; Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 24, beschränkt dagegen die Klagemöglichkeiten des ARM der AN gegen den AG auf die Verpflichtung zur Duldung der Ausübung der AR-Tätigkeit. Zwischen Unterlassungs- bzw. der Duldungsverpflichtung für die Zukunft besteht inhaltlich allerdings kein wesentlicher Unterschied: im ersten Fall geht es um die Verpflichtung zur Unterlassung konkreter, schon vorgekommener Störungshandlungen, im zweiten Fall um die abstraktere Verpflichtung zur Duldung der Aufsichtsratstätigkeit gegenüber allen denkbaren Störungsversuchen. 30 Vgl. Fitting!Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 37, Rn. 14ff., 204ff., § 78, Rn. 10. 31 So angedeutet auch bei Raiser, ebda., Rn. 15; Hoffmann/Lehmann!Weinmann, ebda., Rn. 27; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm. 1.
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über hinaus müssen sie gerade vor Schädigungen der eingetretenen Art schützen wollen; der geltend gemachte Schaden muß in den Schutzbereich dieser Rechtsnorm fallen. 32 Vorrangig gilt der Schutz durch das Störungs- und Behinderungsverbot dem Aufsichtsratsamt als solchem, als "organschaftliche Institution", unabhängig vom jeweiligen Amtsträger. Damit soll die Unabhängigkeit der Amtsführung gegenüber jeglicher Beeinflussung im Interesse des Unternehmens, der Anteilseigner, der Belegschaft, aller Gläubiger der Gesellschaft und auch der Öffentlichkeit sichergestellt werden. Schutz des Aufsichtsrates heißt aber immer auch und vor allem Schutz des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes. Wenn dieses unabhängig und beeinflussungsfrei seinen Amtspflichten nachkommen kann, sind zugleich die Voraussetzungen fii.r eine ordnungsgemäße Aufsichtsratstätigkeit geschaffen. Damit dient das Störungs- und Behinderungsverbot auch dem individuellen Schutz des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes vor konkreter Störung oder Behinderung bei seiner Amtstätigkeit Schäden infolge solcher Beeinträchtigungen wirken sich im Unternehmen selbst aus, in Form des fehlenden oder geringeren Einfließenlassens der Arbeitnehmerbelange in die Bestimmung des Unternehmenswohles, in Form fehlender Akzeptanz von unternehmerischen Entscheidungen bei der Arbeitnehmerschaft und den Gewerkschaften oder in Form des Verlustes von öffentlichem Ansehen. Die Schädigung des einzelnen Arbeitnehmervertreters besteht in der Störung oder Behinderung selbst: er konnte/kann Rechte und Befugnisse nicht ausüben, die ihm aufgrund der Amtsstellung zukommen. Schadensersatz gemäß § 823 II BGB in Verbindung mit §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG, gerichtet auf Wiederherstellung des Zustandes ohne das schädigende Ereignis gemäß § 249 S. 1 BGB, hieße hier, dem Arbeitnehmer ab sofort und fii.r die Zukunft eine ungestörte Amtstätigkeit zu ermöglichen. Dieser Anspruch stellte sich damit als Unterlassungs- bzw. Duldungsanspruch dar. Vermögensschäden des Arbeitnehmers infolge der Störung oder Behinderung der Amtstätigkeit sind dagegen kaum vorstellbar (eher schon ein Vermögensschaden der Gesellschaft bzw. der Anteilseigner33) . Weder macht sich der Arbeitnehmer seinerseits schadensersatzpflichtig, wenn er unverschuldet an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung des Aufsichtsratsamtes gehindert wird. 32 Z. B. Soergel-Zeuner, BGB, (11. Auflage),§ 823, Rn. 248-253; Mertens in Münchener Komm. zum BGB, § 823, Rn. l62ff. 33 Möglicherweise hat sich die Behinderung in der Weise ausgewirkt, daß ein bestimmter Beschluß bei Teilnahme des ARM der AN an der Abstimmung nicht bzw. anders gefaßt worden wäre. Insoweit liegt allerdings eher ein Schaden der Gesellschaft vor; ob als bezifferbarer Vermögensschaden, hängt vom Einzelfall ab. Bei vorsätzlicher Schädigung der Gesellschaft käme ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft bzw. der Aktionäre nach § 117 I, II AktG in Betracht, daneben u. U. auch eine Haftung der ARM und VM nach § 117 II.
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Noch ist eine Amtsenthebung durch die Belegschaft allein wegen der Versäumnisse aufgrund einer Störung oder Behinderung wahrscheinlich. Spielen andere Gründe in eine solche Entscheidung mit hinein, wie zum Beispiel Vertrauensverlust bei der Belegschaft wegen mangelnden Durchsetzungsvermögens oder fehlender Eignung als Aufsichtsratsmitglied, so liegt im Verlust des Amtes und der eventuellen Vergütung jedenfalls kein Schaden, den zu verhindem Aufgabe des Störungs- und Behinderungsverbotes ist. Das Störungs- und Behinderungsverbot nach §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG gewährleistet für Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer "lediglich" Chancengleichheit und die erforderliche Freiheit zur eigenverantwortlichen und selbstbewußten Amtsausübung. Es kann nicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB mit dem Ziel der Verhinderung von Vermögensschäden angesehen werden. 34 Dagegen können vermögenswerte Nachteile für Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat als Folge einer Benachteiligung gegenüber anderen Arbeitnehmern oder Aufsichtsratsmitgliedern zu verzeichnen sein (zum Beispiel der Ausschluß der Aufsichtsrats-Arbeitnehmer von betrieblichen Fortbildungsmaßnahmen und darauf beruhenden Lohnerhöhungen). Das Benachteiligungsverbot nach §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG schützt vor allem die Arbeitnehmer in ihrer persönlichen Rechtsstellung, damit auch vor Vermögensschäden allein infolge der Aufsichtsratstätigkeit Es stellt diesbezüglich eine Art "lex specialis" gegenüber dem Störungs- und Behinderungsverbot dar. Unumstritten ist das Benachteiligungsverbot daher als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB anerkannt. 35 Folglich können aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmervertreters gemäߧ 823 II BOB in Verbindung mit§§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 BetrVG resultieren.
34 So Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 2; unentschieden Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 26; Fitting!Kaiser!Heither/ Engels, BetrVG, § 78, Rn. I, 4 (als Grundlage für Unterlassungsansprüche) sowie Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 24; a. A. Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 14, der einen Individualschutz der ARM der AN durch das Störungs- u. Behinderungsverbot und damit die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches aus § 823 II BGB bejaht. 35 Ganz allgemeine Meinung; z. B. Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 2; Hoffmannt Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 26; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 13; Fitting!Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 25; Kittner/Köstler/Zachert, S. 294, Rn. 663: Schutzgesetzcharakter ausdrücklich nur für das Benachteiligungsverbot bejahend; Fitting!Kaiser!Heither/Engels, BetrVG, § 78, Rn. 4; Hess in Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 78, Rn. 13; auch BAG, Urt. v. 12. 2. 1975 = DB 1975, S. 1226f: § 78 S. 2 ist Schutzgesetz i. S. v. § 823 II BGB. 6 Jacklofsky
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2. Lohnzahlung für die Zeit der Arbeitsbefreiung
Mit der Bejahung einer Arbeitsbefreiung zum Zwecke der Vomahme erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit stellt sich die praktisch weit wichtigere und kontrovers diskutierte Frage nach der Lohnfortzahlung für diese Zeit. Trotz Fehlens einer gesetzlichen Regelung entspricht die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes allgemeiner Übung. 36 Zu klären ist, ob dies allein aus Kulanz erfolgt oder ob eine diesbezügliche Verpflichtung des Unternehmens hergeleitet werden kann. a) Arbeitsrechtliche Wertungen
Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung steht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Nach dem Rechtsgedanken der §§ 320 I, 323 I BGB entfällt mit der Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung grundsätzlich auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnzahlung. Allerdings kennt die Rechtsordnung zahlreiche Vorschriften, die korrigierend eingreifen und den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers trotz Nichtarbeit aufrechterhalten bzw. eigenständig begründen. aa) § 324 I BGB, Betriebsrisikolehre Nach § 324 I BGB - angewandt auf das Arbeitsverhältnis - behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, wenn ihm die Erbringung der Arbeitsleistung infolge eines Umstandes unmöglich wird, den der Arbeitgeber zu vertreten hat. Mit ähnlichem Ansatz bleibt dem Arbeitnehmer nach der Betriebsrisikolehre der Vergütungsanspruch grundsätzlich erhalten, wenn er aufgrund von betrieblichen oder wirtschaftlichen Störungen nicht beschäftigt werden kann (z. B. Maschinenausfälle, Auftragsmangel). 37 § 324 I BGB bzw. die Betriebsrisikolehre kennzeichnen Situationen, in denen die Leistungspflicht des Arbeitnehmers zunächst besteht. Der Arbeitnehmer ist arbeitswillig und arbeitsbereit Aus Gründen, die der Arbeitgeber zu verantworten hat, kann der Arbeitnehmer jedoch seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Arbeitszeit 36 Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 6; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 6; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6 a. E. 37 Ausnahmen: existenzbedrohende Betriebsstörung sowie Betriebsstörung aufgrund von Arbeitskämpfen; nach dem Grundsatz der Arbeitskampfrisikolehre kann sich das Lohnrisiko auf den Arbeitnehmer verlagern; hierzu Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 101 (S. 859ff.); Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht,§ 18 (S. 239ff.).
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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verstreicht ungenutzt; die Erbringung der für diese Zeit vorgesehenen Arbeitsleistung wird dem Arbeitnehmer unmöglich. 38 Der Arbeitgeber muß zahlen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Demgegenüber stellt sich die Situation der im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer während ihrer Arbeitsbefreiung anders dar. Der Arbeitgeber könnte und würde sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses sehr wohl beschäftigen. Auch sind die Arbeitnehmer zur Erbringung der Arbeitsleistung fähig und bereit. Allerdings stehen sie durch ihr Aufsichtsratsmandat in einer zusätzlichen Pflichtenbindung. Entsprechend dem oben Gesagten ist die Erfüllung der Amtspflichten vorrangig. Damit entfällt die Pflicht zur Arbeitsleistung im Rahmen und Umfang erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit von vornherein. In gewisser Weise wird das Arbeitsverhältnis kurzzeitig und vorübergehend außer Kraft gesetzt. Ein Fall von Unmöglichkeit im Sinne der §§ 275ff., 323ff. BGB liegt strenggenommen nicht vor, da für die Aufsichtsrats-Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung nicht infolge Zeitablaufes unmöglich wird, sondern von vornherein keine Pflicht zur Arbeit besteht, deren Erfüllung ihnen unmöglich werden kann. 39 Auch die den vorgenannten Regelungen zugrundeliegenden Rechtsgedanken passen nicht auf die Arbeitsbefreiung von unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer: (1) Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bleibt nach § 324 I BGB bestehen, wenn und weil die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung vom Arbeitgeber zu vertreten ist. Zu vertreten hat der Arbeitgeber die selbst bzw. zurechenbar fremd verschuldete Verletzung vertraglicher Pflichten sowie Verstöße gegen Mitwirkungspflichten und Obliegenheiten. 40
Einen Verursachungsbeitrag der Gesellschaft als Arbeitgeberio könnte man darin sehen, daß sie überhaupt in mitbestimmungspflichtiger Form besteht und unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bestellt, deren Pflicht zur Arbeitsleistung zugunsten ordnungsgemäßer Aufsichtsratstä38 Schaub, ebda., § 49 (S. 336f.), § 96 (S. 807); Blomeyer, Münchener Handbuch Arbeitsrecht Bd. I,§ 55, Rn. 4ff. (Rn. 10, (2)). 39 So auch Neumann-Duesberg in RdA 1968, S. 443ff. (443) i. Z. mit der Teilnahme von BRM an außerordentlichen Betriebsversammlungen; Nach dessen Meinung läßt sich allerdings deshalb nicht aus § 323 BGB der Wegfall der Vergütungspflicht herleiten, weil § 323 BGB das Bestehen der Arbeitspflicht der AN voraussetzt; diese brauchen aber gemäß § 43 I S. I BetrVG ( 1952) nicht zu arbeiten. M. E. wird damit das Synallagma der gegenseitigen Arbeitsvertragspflichten mißachtet. Vielmehr ist zu fragen, wie bei Entfallen der Arbeitspflicht das Bestehenbleiben der Vergütungspflicht begründet werden kann. 40 Vgl. nur Palandt!Heinrichs, BGB, § 324, Rn. 3ff.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
tigkeit entfallt. Allerdings werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nur im Anwendungsbereich des Montan-MitbestG durch die Hauptversammlung bestellt, die hierbei zudem an die Wahlvorschläge der Betriebsräte des Unternehmens gebunden ist, § 6 Montan-MitbestG. 41 Im Gegensatz zum Montanbereich, in dem immerhin die Gesellschaft, repräsentiert durch die Hauptversammlung, handelt, erfolgt die Bestellung der internen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach MitbestErgG, MitbestG und §§ 76ff. BetrVG 1952 allein durch die Belegschaft bzw. durch Belegschaftsdelegierte. Damit übt die Arbeitnehmerschaft ihr Mitverwaltungsrecht im Unternehmen in Form einer repräsentativen Mitbestimmung aus. Dies bindet die Gesellschaft ebenso. Ein Organ der Gesellschaft ist daran allerdings nicht beteiligt, und nur symbolisch kann von einem Handeln der Gesellschaft gesprochen werden. 42 Die Bestellung von Arbeitnehmern des Unternehmens zum Aufsichtsratsmitglied liegt zudem nicht im Ermessen der Gesellschaft, sondern erfolgt aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften der Mitbestimmungsgesetze und des AktG. Die Gesellschaft verhält sich normentreuund erfüllt den gesetzgebensehen Willen zur Durchsetzung demokratischer Instrumentarien in der Wirtschaft. Dies steht geradezu im Gegensatz zur ratio des § 324 I BGB, nach der eine Partei in Form der bestehenbleibenden Pflicht zur Erbringung der eigenen Leistung ohne Gegenleistung "sanktioniert" wird, weil sie in vorwertbarer Weise gehandelt hat. Der entscheidende Punkt liegt vor allem darin, daß die gesellschaftsrechtliche Ebene eines Unternehmens von der Ebene des Arbeitsrechts, nämlich den Arbeitsverhältnissen der Beschäftigten, zu trennen ist. Auf der einen Seite benötigt die wirtschaftlich ausgerichtete Gesellschaft zur Durchsetzung ihrer unternehmerischen Zwecke und Ziele Arbeitskräfte. Zwischen der Gesellschaft als juristischer Person (Kapitalgesellschaft) und den Beschäftigten bestehen Arbeitsverhältnisse, in deren Rahmen die Gesellschaft als ArbeitgebeTin fungiert. Auf der anderen Seite bedarf die Gesellschaft als nur gedanklich existierendes Gebilde einiger Organe, mittels derer sie überhaupt erst handlungsfahig ist. Insbesondere bei Kapitalgesellschaften müssen die Mitglieder der Verwaltungsorgane Vorstand (bzw. Geschäftsführer) und Aufsichtsrat speziell ausgewählt und legitimiert werden. Versehen mit konkreten Befugnissen und Aufgaben werden sie auf der Basis eines gesellschaftsrechtlichen Anstellungsverhältnisses leitend und verwaltend für die Gesellschaft tätig. Die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied ist kein Handeln der Gesellschaft als Arbeitgeberin, keine Ausübung von Arbeitgeberfunktionen, sondern der gesellschaftsrechtliche Akt zur Errichtung und Besetzung des Organes Aufsichtsrat. Die Ursache für den späteren Arbeitsausfall bei den Arbeitnehmern infolge Aufsichtsratstä41
Siehe oben, Einleitung, II. I. a). II. 1. sowie Erstes Kapitel, II. 1.
42 Einleitung,
I. Bezahlte PreistelJung fur Aufsichtsratstätigkeit
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tigkeit liegt in einem vom Arbeitsverhältnis zu abstrahierenden, anderen Rechtsverhältnis (dem Anstellungsverhältnis43 ) und ist von keiner Arbeitsvertragspartei nach dem Rechtsgedanken der§§ 324 I, 325 BGB zu vertreten. Ein Verursachungsbeitrag des Vorstandes als "Arbeitgeber" scheidet von vornherein aus. Eigentliche Arbeitgebetin ist die Gesellschaft selbst, die als solche aber nicht handlungsfähig ist. Die ihr obliegenden Arbeitgeberaufgaben nimmt der Vorstand als geschäftsführendes Organ der Gesellschaft wahr. Soweit Vorstandsmitglieder in Ausübung von Arbeitgeberfunktionen tätig werden, handelt damit eigentlich die Gesellschaft als Arbeitgeberin (vertreten durch ihre Vorstandsmitglieder). Davon abgesehen, gehört die Bestellung von Arbeitnehmern zu Aufsichtsratsmitgliedern nicht zu den Arbeitgeberfunktionen, sondern erfolgt auf der strikt davon zu trennenden gesellschaftsrechtlichen Ebene. Eine Mitwirkung des Vorstandes bei der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder ist gesetzlich nicht nur nicht vorgesehen, sondern entsprechend dem deutschen Trennungsmodell der Machtverteilung zwingend ausgeschlossen. Der Vorstand hat weder irgendeinen Anteil daran, daß Arbeitnehmer in die Pflichtenstellung des Aufsichtsratsmitgliedes eintreten, noch hat er im Einzelfall Einfluß auf die konkrete Arbeitsbefreiung zum Zwecke der Vornahme von Aufsichtsratstätigkeit (siehe oben), da diese unabhängig vom Willen oder der Zustimmung des Arbeitgebers eintritt. (2) Desgleichen paßt die Betriebsrisikolehre nicht, um einen Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer fiir die Zeit der Arbeitsbefreiung zum Zwecke erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit zu begründen.
Der Arbeitgeber, also die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, bestimmt die betriebliche Organisation und trifft die wirtschaftlichen Entscheidungen. Als Träger der Unternehmerischen Chancen und Risiken muß sie auch dafiir einstehen, daß das Unternehmen funktionsfähig bleibt und die Voraussetzungen fiir die Erbringung der Arbeitsleistung gegeben sind. Können die Arbeitnehmer aus betriebstechnischen Gründen (z. B. Maschinenausfälle, Auftragsmangel) nicht beschäftigt werden, behalten sie dennoch grundsätzlich den Anspruch auf Vergütung. Dies gehört zum vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisiko. Demgegenüber kann der Anfall von Aufsichtsratstätigkeit nicht einmal sinngemäß als betriebliche Störung aufgefaßt werden. Die Ursache fiir die Arbeitsbefreiung ist nicht im betriebstechnischen Ablauf begründet, sondern im gesetzlichen Modell der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer.
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Zur Rechtsnatur des AnsteiJungsverhältnisses siehe oben, Erstes Kapitel.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
bb) § 616 BGB Nach § 616 I BGB verliert der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch nicht dadurch, daß er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert wird. Eine Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung in diesem Sinne setzt logisch voraus, daß überhaupt eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, an deren Erfüllung der Arbeitnehmer gehindert wird. Arbeitnehmer treten aufgrund ihrer Bereitschaft und einer wirksamen Bestellung in die Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitgliedes ein. Da die Erfüllung der ihnen nun obliegenden Amtspflichten als vorrangig gegenüber der Arbeitsvertragspflichten angesehen wird, entfällt bei zeitlicher Unvereinbarkeit beider die Pflicht zur Arbeitsleistung. Demzufolge sind die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat aufgrund von vornherein nicht bestehender Arbeitspflicht nicht an der Arbeitsleistung verhindert.44 Des weiteren liegen keine persönlichen Gründe im Sinne von § 616 I BGB für die Nichterbringung der Arbeit vor. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Amtsführung ergibt sich aus dem Eintritt in das Aufsichtsratsamt Sie hängt nicht zwingend an der konkreten Person des Arbeitnehmervertreters und betrifft kein individuelles Einzelschicksal, sondern folgt aus dem objektiven Fakt der Amtsübernahme. Die Arbeitsleistung unterbleibt unbesehen der Person allein aufgrund vorrangiger Amtspflichten.45 Zusammenfassend ist damit festzustellen, daß der Arbeitsausfall infolge Aufsichtsratstätigkeit nicht als Störung aus der Verantwortungssphäre einer der beiden Arbeitsvertragsparteien verstanden werden kann, sondern auf dem vom Arbeitsverhältnis zu trennenden gesellschaftsrechtlichen Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied beruht. Über arbeitsrechtliche Wertungen gemäß § 324 I, der Betriebsrisikolehre oder§ 616 I BGB ist ein Fortbestehen des Lohnanspruches für diese Zeit nicht zu begründen.
44 So auch Henke im Zusammenhang mit der Frage des Anspruches auf Arbeitsbefreiung und Lohnfortzahlung für die Teilnahme an Schulungen in BB 1971, S. 571. 45 Ähnlich Neumann-Duesberg, RdA 1968, S. 443fT. (444), fiir die BRM während der Teilnahme an außerordentlichen Betriebsversammlungen: dies fiihre zu einem ,kollektiven Arbeitsausfall' und begründe auch 'keinen in der Person des zur Betriebsversammlung gehenden AN liegenden, also keinen persönlich bedingten Arbeitshinderungsgrund'.
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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b) Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung aufgrunddes Benachteiligungsverbotes gern.§§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG Die Fortzahlung der Bezüge an die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat für die Zeit der Aufsichtsratstätigkeit kann allerdings unter dem Gesichtspunkt des Verbotes der Benachteiligung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wegen ihrer Aufsichtsratstätigkeit gemäß §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG46 geboten sein. Eine Benachteiligung im Sinne der§§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG liegt in jeder Schlechterstellung des Arbeitnehmer-Aufsichtsratsmitgliedes gegenüber anderen vergleichbaren Personen, die nicht aus sachlichen oder in der Person des Betroffenen liegenden Gründen gerechtfertigt ist, sondern allein oder hauptsächlich wegen der Aufsichtsratstätigkeit erfolgt. Benachteiligungen, verstanden als jegliche Art von Diskriminierung, sind in vielerlei Form vorstellbar, z. B. auch in Form herabsetzender Äußerungen von Arbeitskollegen oder Betriebsratsmitgliedern. Entsprechend weit ist das Benachteiligungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG zu bestimmen: es richtet sich grundsätzlich gegen jedermann. 47 aa) Benachteiligung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis? Konkrete berufliche oder persönliche Nachteile wegen der Aufsichtsratstätigkeit können sich vor allem im Arbeitsverhältnis, durch Ausübung der Disziplinargewalt und Weisungsbefugnis des Arbeitgebers, einstellen. Hauptadressat der §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG ist daher der Arbeitgeber. Er darf die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat im Arbeitsverhältnis und in ihrer beruflichen Entwicklung nicht allein bzw. hauptsächlich wegen ihrer Amtstätigkeit gegenüber den übrigen, vergleichbaren Arbeitnehmern im Unternehmen schlechterstellen.48 Eine Schädigungsabsicht des Arbeitgebers ist 46 Geltung gemäß dem oben Gesagten für alle ARM der AN, unabhängig davon, nach welchem Mitbestimmungsgesetz sie gewählt wurden, siehe I. 1. a) cc). 47 So die überwiegende Ansicht: Raiser, MitbestG, § 26, Rn. II; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26. Rn. 2; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 12; anders aber Hoffinann/Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 12, der als Adressaten nur den AG ansieht. 48 Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 8; Fitting!Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 13f.; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 12 ("kein Ursachenzusammenhang zwischen AR-Amt und Arbeitsverhältnis"); Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26 MitbestG, Rn. 13. Unzulässige Schlechterstellungen sind z. B. die Herabsetzung des Lohnes, die Beschäftigung mit geringwertigerer oder unangenehmerer Arbeit, die Nichtbeteiligung an Weiterbildungsmaßnahmen
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
nicht erforderlich; ausreichend, aber auch notwendig ist das Bewußtsein des Arbeitgebers, auf die Nebentätigkeit des Arbeitnehmers im Aufsichtsrat in benachteiligender Weise zu reagieren.49 Während der Vornahme erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit erbringt der Arbeitnehmer im Gegensatz zu seinen Arbeitskollegen keine Arbeitsleistung, trägt nicht das Risiko einer Schlechtleistung und daraus drohender Schadensersatzansprüche. Er setzt in dieser Zeit nicht seine Arbeitskraft im Interesse und zum Vorteil des Arbeitgebers ein und ist nicht für die ihm sonst anvertrauten Arbeitsmaterialien verantwortlich. Aufgrund der Arbeitsbefreiung erfüllt sich auch nicht der übliche Sinn des Arbeitslohnes, nämlich Bezahlung der eingesetzten, verbrauchten Arbeitskraft und Zurverfügungstellung fmanzieller Mittel zu ihrer Reproduktion. Auf arbeitsvertraglicher Basis existiert damit keine Leistung des Aufsichtsrats-Arbeitnehmers, die als Äquivalent zur Leistung des Arbeitgebers in Form der Lohnzahlung angesehen werden könnten. Die These der sachlich nicht gerechtfertigten Schlechterstellung der Amts-Arbeitnehmer gegenüber ihren amtlosen Arbeitskollegen infolge Lohnausfalles läßt sich angesichts dessen kaum noch vertreten. Auch stellt sich die Frage der Lohnzahlung für Zeiten erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit nur für den Fall, daß die Aufsichtsratsaufgaben in der regulären Arbeitszeit zu erfüllen sind. Demgegenüber hat eine außerhalb der regulären Arbeitszeit vorgenommene Aufsichtsratstätigkeit ungeachtet einer eventuell gezahlten Aufsichtsratsvergütung unzweifelhaft keinen Einfluß auf den Lohnanspruch des Arbeitnehmers. Der Ausfall des Arbeitslohnes läßt sich zwar auf die Aufsichtsratstätigkeit zurückführen, ausschlaggebend für den Lohnausfall ist letztendlich jedoch die Nichterbringung der Arbeitsleistung aufgrund der Freistellung von der Arbeitspflicht Die Aufsichtsratstätigkeit ist damit zwar eine nicht hinwegzudenkende, auslösende, aber nicht die alleinige oder hauptsächliche Ursache für den LohnausfalL Bedeutung für das Vorliegen einer Benachteiligung im Sinne der §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG könnte möglicherweise auch die Tatsache erlangen, ob die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat im Rahmen ihrer Amtstätigkeit eine Vergütung (Aufsichtsratsvergütung) erhalten.
oder beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten. Keine unzulässige Benachteiligung stellt es allerdings dar, wenn nicht nur das ARM der AN, sondern auch andere Arbeitnehmer des Betriebes schlechtergestellt werden, z. B. bei Kürzungen bisher gezahlter übertariflicher Zulagen oder der Anordnung von Kurzarbeit. 49 Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 13; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. ll; beide halten Schuldhaftigkeit nicht fiir erforderlich, ausreichend sei die objektive Benachteiligung ausschließlich bzw. überwiegend wegen der AR-Tätigkeit; Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 12, fordert eine 'subjektive Zielrichtung', Wortlautargument wegen der AR-Tätigkeit.
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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Mit der Zahlung der Vergütung wird die Übernahme des Aufsichtsratsmandates einschließlich der Amtspflichten, der Verantwortung als Teil der Unternehmensverwaltung und der Haftung für Amtspflichtverletzungen honoriert. Dabei wird sich das "Ob" und "Wieviel" einer Aufsichtsratsvergütung am durchschnittlichen Zeitaufwand für die Aufsichtsratstätigkeit ausrichten. Bei sehr reger Aufsichtsratstätigkeit in großen Unternehmen, in denen das Augenmerk besonders auf der Aufsichtsratstätigkeit liegt, ist die Zahlung einer Vergütung vielfach üblich. Es kommt aber genauso vor, daß von der gesetzlichen Möglichkeit der Gewährung einer Vergütung gern. § 113 AktG kein Gebrauch gemacht wird. 50 Über die Frage einer Aufsichtsratsvergütung entscheidet die Hauptversammlung durch entsprechende Regelung in der Satzung oder durch Beschluß, § 113 AktG. Hierbei ist sie streng an den Grundsatz der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder gebunden. Höhere Vergütungen sind im Einzelfall nur zulässig, wenn dadurch ein vermehrter Arbeitsaufwand (z. B. als Vorsitzender des Aufsichtsrates, stellvertretender Vorsitzender, Präsidiumsmitglied), besonderer Einsatz oder Kenntnisse abgegolten werden sollen.51 Damit hat auch die von den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer bezogene Vergütung nichts mit ihrem Arbeitsverhältnis zu tun, ist kein Ausgleich für sonstige finanzielle Einbußen52 im Arbeitsverhältnis. Der an die Arbeitnehmervertreter gezahlte Arbeitslohn ist demgegenüber das Entgelt für geleistete Arbeit in Erfüllung des Arbeitsvertrages. Er bemißt sich allein nach arbeitsrechtlichen Maßstäben. Aus arbeitsvertraglicher Sicht läßt sich gerade keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterzahlung des Lohnes während der Freistellungszeiten für Aufsichtsratstätigkeit begründen. Vielmehr könnte mit der Fortzahlung der Bezüge - als Ersatz fiir eine nicht vorgesehene Aufsichtsratsvergütung - die alleinige Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung über die Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung unterlaufen werden.53 Ob die Arbeitnehmer aus anderen Rechtsverhältnissen rein Daraufweist Kittner/Köstler/Zachert, S. 277, Rn. 630, hin. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 10, § 113, Rn. 9 sowie in der Vorauflage (1. Aufl.), Anh. § 96, Rn. 88 sowie § 113, Anm. 6ff.; Kittner/Köstler/ Zachert, S. 277, Rn. 630; Natzel in DB 1965, S. 1429ff. (1434); Säcker in NJW 1979, S. 1521ff. (1525). 52 Hierfür kommt allerdings ein Ersatzanspruch des ARM gegen die Gesellschaft gern. §§ 670, 675 BGB analog auf Ersatz der für die AR-Arbeit erforderlichen Aufwendungen in Betracht; üblich ist die Zahlung pauschaler Sitzungsgelder, außerdem werden häufig Fahrkosten sowie sonstige Aufwendungen infolge der AR-Tätigkeit erstattet; vgl. hierzu z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 113, Rn. 10; Lutter/Krieger, § 7, II. 4., Rn. 295; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. lOOff.; Kittner/Köst1er/Zachert, S. 277, Rn. 630 sowie S. 282ff., Rn. 637ff.; Säcker, NJW 1979, S. 1521ff. (1525f.); ausführlich zur Vergütung in Abgrenzung zum Aufwendungsersatz auch schon Natzel, DB 1965, S. 1388ff. sowie 1429ff. (1429; 1432ff.). 53 Ähnlich Natzel in DB 1965, S. 1388ff.; 1429ff. (1433f.); diesbezüglich auch Hoffmann!Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 15: 'Aufsichtsratsvergütung ist 50 51
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rechnerisch einen finanziellen Ausgleich für den Lohnausfall erhalten oder nicht, kann daher für die Frage einer Benachteiligung im Arbeitsverhältnis keine Rolle spielen.54 Hinzu kommt, daß die in einer DGB-Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmervertreter zur teilweisen Abführung ihrer Vergütung an die HansBöckler-Stiftung verpflichtet sind. 55 Diese Abfiihrungspflicht beruht auf dem Beschluß des DGB-Bundesausschusses vom 07. 03. 1979, der gemäß der Satzung des DGB unmittelbar bindend für die Gewerkschaftsmitglieder ist. Außerdem werden von den DGB-Gewerkschaften nur solche Kandidaten für die Wahlen zum Aufsichtsrat aufgestellt und unterstützt, die sich rechtsverbindlich zur Abführung der entsprechenden Teile der Aufsichtsratsvergütung verpflichtet haben. 56 Dies betrifft zunächst die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, die nicht zwingend dem Unternehmen angehören müssen, §§ 4 I b), 6 III Montan-MitbestG; 5 I b), 6 I, 10 d II MitbestErgG; 7 II, 16 II MitbestG; darüber hinaus haben nach § 6 I, II Montan-MitbestG die im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften in Form eines Mitberatungs- sowie Einspruchsrechts auch Einflußmöglichkeiten bei der Aufstellung der zwingend unternehmensangehörigen Arbeitnehmer zur Wahl. Angesichts dieser Abfiihrungspflicht darf aus Gründen der Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer die Tatsache, ob eine Aufsichtsratsvergütung gezahlt wird, für die hier untersuchte Frage der Lohnfortzahlung keine Rolle spielen. Insgesamt ist damit festzustellen, daß ein Lohnausfall für die Zeit der Arbeitsbefreiung zum Zwecke erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit unabhängig davon, ob eine Aufsichtsratsvergütung gezahlt wird, keine unzulässige Benachteiligung der Arbeitnehmer-Aufsichtsratsmitglieder gegenüber den übrigen Arbeitnehmern im Sinne von §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG darstellt. 57 kein Arbeitslohn'; anders Kirschner in DB 1971, S. 2063ff. (2065), der die ARVergütung als Entschädigung fiir Zeitversäumnis und anderweitigen Verdienstausfall sieht und daraus schlußfolgert, daß Arbeitnehmervertreter neben der AR-Vergütung keinen Anspruch auf Lohn ('auf Lohnausfall ') gegen den AG haben; ebenso Hachenburg/Raiser, GmbHG, § 52,Rn. 239 fiir die mitbestimmte GmbH; letztere äußern sich allerdings nicht zur Frage des Lohnanspruches bei Nichtzahlung einer AR-Vergütung. 54 A. A.: Hanau in Hanau!Uimer, MitbestG, § 26, Rn. 6: Entfall des Arbeitsentgeltes stellt, soweit die AR-Vergütung keinen Ausgleich schafft, eine Benachteiligung wegen der AR-Tätigkeit dar; ähnlich Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6, der den Wegfall des Lohnes ohne Ausgleich durch AR-Vergütung allerdings als Verstoß gegen das Störungsund Behinderungsverbot ansieht. 55 So Faude, DB 1983, S. 2249ff. (2249). 56 Dazu Kittner/Köstler/Zachert, S. 278, Rn. 633. 57 Anders Hanau in Hanau!Uimer, MitbestG, § 26, Rn. 6 sowie Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6, (siehe oben, Fn. 55); generell eine Benachteiligung annehmend und daher fiir Bestehenbleiben des Lohnanspruches unabhängig von der Zahlung einer AR-
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bb) Benachteiligung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner? Übedegenswert erscheint allerdings, ob die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner benachteiligt sind, wenn sie für die Zeit der Arbeitsbefreiung zum Zweck vorrangiger Aufsichtsratstätigkeit keinen Lohn erhalten. 58 Bei den anteilseignergewählten Aufsichtsratsmitgliedern handelt es sich um Führungskräfte der Wirtschaft, Aufsichtsräte anderer Unternehmen (unter Beachtung des § 100 li AktG), Bankenvertreter, ehemalige Vorstandsmitglieder, in geringerer Anzahl auch um Wissenschaftler, Techniker, Ingenieure, Geschäftspartner der Gesellschaft sowie Politiker. 59 Angehörige dieser Personengruppen sind häufig selbständig tätig oder leitende Angestellte und haben eine mehr oder weniger weitreichende Entscheidungsfreiheit über die Lage ihrer Arbeitszeit. So können sie die anfallende Aufsichtsratsarbeit von vornherein in ihrer Freizeit ausüben. Häufig erbringen sie die Amtstätigkeit sogar als Teil ihrer dienstvertragliehen Verpflichtung gegenüber dem Unternehmen60, also in ihrer eigentlichen Arbeitszeit. Aufgrund ihrer höheren zeitlichen Flexibilität werden sich zeitliche Kollisionen zwischen Aufsichtsratsaufgaben und hauptberuflicher Tätigkeit nur selten ergeben. Davon abgesehen würde es sich wohl kaum ein Unternehmen gefallen lassen, daß seine Führungskräfte - so wie die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat - zeitweilig wegen der Tätigkeit für ein anderes Unternehmen nicht zur Verfügung stehen. Die anteilseignergewählten Aufsichtsratsmitglieder erleiden also hauptsächlich deshalb keine Einkommenseinbuße aufgrund ihrer parallelen Aufsichtsratstätigkeit, weil sie ihren hauptberuflichen Pflichten vollständig ohne teilweise Befreiung nachkommen und nachkommen müssen. Insoweit besteht hinsichtlich der Vergütung Hoffinann!Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 15; Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 175; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 127; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 10 mit dem Argument der Gleichbehandlung der AN-Vertreter aus der Gruppe der Arbeiter bzw. Angestellten; desgleichen Fitting!Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 177. 58 Ähnlich Kittner/K.östler/Zachert, ebda., S. 288, Rn. 647; Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (237); Benze u.a., MitbestG '76, § 26, Rn. 9; noch Mertens in Kölner Komm. zum AktG, 1. Auflage, Anh. § 96, Rn. 89, keine Äußerung mehr dazu in 2. Auflage; Reich/Lewerenz in AuR 1976, S. 366; alle eine unzulässige Begünstigung der ARM der AN in Form des Erhaltes des Lohnanspruches mit dem Argument ablehnend, daß ja auch die ARM der AE keine Einkommenseinbuße erleiden würden. 59 Zusammenstellung der Interessengruppen im AR von Bleicher, Der AR im Wandel, S. 37ff. 60 Z. B. in Konzernen, wenn das herrschende Unternehmen einen seiner AN (in leitender Position) in den AR des Tochterunternehmens schickt, oder im Falle, daß Banken Anteile der Gesellschaft halten und einen ihrer Beschäftigten in den AR wählen lassen.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
Freistellung zwecks Aufsichtsratstätigkeit sowie eventueller Lohneinbußen keine Vergleichsbasis zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner sowie der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat Eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat gegenüber den Anteilseignervertretern liegt damit nicht vor. cc) Benachteiligung der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gegenüber den anderen arbeitnehmerseitig gewählten Aufsichtsratsmitgliedern? Vereinzelt wird in der Literatur der Anspruch auf Lohnfortzahlung während der Freistellungszeiten zum Zwecke erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit damit begründet, daß sonst die aus der Gruppe der Arbeiter kommenden Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gegenüber den aus der Gruppe der Angestellten gewählten Arbeitnehmervertretern benachteiligt seien. 61 Letztere würden in der Regel ihr Gehalt während der Aufsichtsratstätigkeit weiterbeziehen, erstere dagegen nicht. So träfe die prinzipielle Versagung des Lohnanspruches allein die Arbeiter unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer. Dieses Argument dürfte aus Beobachtungen der Praxis entwickelt worden sein. Gleichwohl fehlt es an einer genauen Ausführung desselben. Gemäß den Normen der Mitbestimmungsgesetze sind die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zwingend aus den Gruppen der Arbeiter und Angestellten zu bestellen, §§ 76 II S. 3 BetrVG 1952 (mit der Einschränkung hinsichtlich kleiner Minderheiten, § 10 III BetrVG); 6 I Montan-MitbestG; 10 c II, 10 g in Verbindung mit 10 c MitbestErgG; 15 II, III, 18 in Verbindung mit 15 MitbestG. Unabhängig von der Zugehörigkeit zu Bänken oder Gruppen gelten für alle Aufsichtsratsmitglieder die gleichen Rechte und Pflichten. 62 Beschließt die Hauptversammlung die Zahlung einer Vergütung für die Aufsichtsratstätigkeit, muß diese grundsätzlich in gleicher Höhe an alle Aufsichtsratsmitglieder gezahlt werden. Unterschiedliche Zahlungen müssen sachlich gerechtfertigt sein, ansonsten liegt darin eine unzuläs-
61 Mertens in Kölner Komm. zum AktG, noch I. Auflage, Anh. § 96, Rn. 89, in der 2. Auflage allerdings keine Äußerung mehr dazu; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 10; Reich!Lewerenz in AuR 1976, S. 353ff. (366) mit der Bemerkung des Vorranges der Gleichbehandlung aller ARM gegenüber noch bestehenden Unterschieden in der Rechtsstellung von Arbeitern und Angestellten; Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 76 BetrVG 1952, Rn. 131; Kittner/ Köstler/Zachert, S. 288, Rn. 647; Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff, (237); Benze u.a., MitbestG '76, § 26, Rn. 9; i. E. ebenso Hoffinann, Der AR, S. 123, Rn. 447. 62 Siehe schon oben; ausdrücklich außerdem in § 4 III Montan-MitbestG sowie § 5 IV MitbestErgG i. V. m. § 4 III Montan-MitbestG geregelt.
I. Bezahlte Freistellung fiir Aufsichtsratstätigkeit
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sige Benachteiligung bzw. Begünstigung63 im Sinne der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG. In arbeitsrechtlicher Hinsicht ist eine Lohnfortzahlung fiir Freistellungszeiten zwecks Aufsichtsratstätigkeit nur zugunsten der Angestellten, nicht aber der Arbeiter, nicht begründbar: (1) Hält man den Arbeitgeber unabhängig von der Gewährung einer Aufsichtsratsvergütung zur Weiterzahlung des Lohnes während rechtmäßiger Aufsichtsratstätigkeit für verpflichtet64, so läßt sich aus den Vorschriften, die zur Begründung der Lohnfortzahlung überhaupt in Betracht kommen65 , keine solche Differenzierung rechtfertigen. Insbesondere kann § 616 BGB alte Fassung66 nicht dienen: § 616 I BGB a. F. galt ebenso für Arbeiter, soweit sich die Lohnfortzahlung für sie gemäß § 616 III BGB a. F. nicht abschließend nach den Vorschriften des Lohnfortzahlungsgesetzes richtete. (2) Anderes ergibt sich auch nicht fiir den Fall, daß sich die tatsächliche Fortzahlung des Arbeitsentgeltes als freiwillige Leistung des Arbeitgebers ohne diesbezügliche Verpflichtung darstellt. Für den Bereich der Vergütung gilt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt: individuell vereinbarte Löhne bzw. Zahlungsmodalitäten unterliegen grundsätzlich der Vertragsfreiheit Insoweit besteht kein Anspruch der geringer entlohnten Arbeitnehmer auf gleiche Bezahlung wie für den individuell besserbezahlten Arbeitnehmer. 67 Soweit der Arbeitgeber freiwillige Leistungen allerdings nach einem bestimmten, erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, in-
63 § 26 MitbestG enthält zwar kein ausdrückliches Begünstigungsverbot wie § 78 BetrVG, zulässig sind wegen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlunsgebotes nach § 26 MitbestG aber auch nur sachlich gerechtfertigte Besserstellungen der ARM der AN im Vergleich zu den übrigen AN, z. B. wegen infolge Amtstätigkeit erlangter Qualifikation, besonderer Kenntnisse; so ganz h. M., vgl. nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 13; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 3; Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 14; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 3; der Schutz der ARM der AE wird über allgemeine Grundsätze des Gesellschaftsrechts gewährleistet (z. B. § 117 AktG). 64 Mertens, ebda., Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 6; Fitting/Kaiser/ Heither!Engels, § 76 BetrVG 1952, Rn. 131; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, 26, Rn. 10; Hoffmann!Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 15; Reich!Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff. (366); Kittner/Köstler/Zachert, S. 288, Rn. 647. 65 § 324 I BGB; Betriebsrisikolehre; Benachteiligungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG, siehe oben, nach Ansicht der Verf. unanwendbar zur Begründung der Lohnfortzahlung. 66 Gültig bis 31. 05. 1994; vgl. nur Palandt!Putzo, BGB, 53. Auflage 1994, § 616, Rn. 1. 67 Ständige Rspr. des BAG, zuletzt bestätigt in BAG, Urt. v. 23. 08. 1995 = NJW 1996, S. 1914ff. =NZA 1996, S. 829f. m. w. N.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
dem er vorher abstrakt Voraussetzungen und Zwecke der Leistung festlegt, ist er zur Gleichbehandlung seiner Arbeitnehmer verpflichtet. Die Fortzahlung des Lohnes während der Ausfallzeiten zwecks Vornahme von Aufsichtsratstätigkeit wird häufig nicht auf einer individuellen Aushandlung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruhen, sondern erfolgt aufgrund einer generellen Entscheidung des Arbeitgebers zu dieser Frage. In diesem Fall knüpft die Zahlung an den objektiven Fakt 'Arbeitsausfall infolge Amtstätigkeit' an. Bezogen auf die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer statuiert der Arbeitgeber damit ein nach außen erkennbares und generalisiertes Prinzip für die Gewährung einer freiwilligen Leistung. Arbeiter und Angestellte als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sind prinzipiell auch miteinander vergleichbar. Für beide hat die Erfüllung der Amtspflichten bei zeitlicher Kollision mit der regulären Arbeit Vorrang; beide sind in gleichem Umfang zur Vornahme der erforderlichen Aufsichtsratstätigkeit verpflichtet. Es läßt sich vermuten, daß die Angestellten infolge ihrer weitgehend tagsüber liegenden Arbeitszeit öfter wegen vorrangiger Aufsichtsratstätigkeit an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert sind als die Arbeiter, die beispielsweise in Form wechselnder Schichten flexibler einsetzbar bzw. frei sind. Daß letztere möglicherweise verstärkt ihre Freizeit zur Vornahme der Aufsichtsratstätigkeit nutzen, kann aber gerade nicht eine Lohnfortzahlung lediglich an die Angestellten unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer rechtfertigen. Der Arbeitgeber ist, wenn er aus Kulanz den Lohn während der Freistellungszeiten an die Aufsichtsrats-Arbeitnehmer weiterzahlt, zur Gleichbehandlung aller unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer verpflichtet. Die Fortzahlung des Lohnes lediglich an die Angestellten unter den Arbeitnehmervertretern stellt demgegenüber eine sachlich nicht begründbare Zusatzbezahlung an bestimmte Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer dar. Damit werden diese gegenüber den Arbeitern unter den Aufsichtsratsmitgliedern im Sinne der §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG unzulässig begünstigt. 68 Aus dem Umstand tatsächlich vorkommender Zuwiderhandlungen gegen dieses Begünstigungs- bzw. Benachteiligungsverbot kann im übrigen kein Argument fiir einen generellen Anspruch der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auf Fortzahlung der Bezüge gewonnen werden.
68 Für die Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten ausdrücklich Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 6; vgl. auch die Rspr. des BAG in den letzten Jahren zur Durchsetzung der Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten, jüngst BAG, Urt. v. 28. 05. 1996, NZA 1997, S. 101, wonach die Zahlung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld aufgrund Manteltarifvertrages nur für Angestellte, nicht aber für Arbeiter als Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG gewertet und für unzulässig befunden wurde.
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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Zusammenfassend ist festzustellen, daß die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliederder Arbeitnehmer in Form des Lohnausfalles während der Freistellungszeiten für Aufsichtsratstätigkeit weder gegenüber den ihnen vergleichbaren Arbeitskollegen noch gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern anderer Gruppenzugehörigkeit im Sinne der§§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG benachteiligt sind. Ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitslohnes läßt sich über das Benachteiligungsverbot nicht begründen. c) Drohende Lohneinbuße als Störung oder Behinderung in der Ausübung der Aufsichtsratstätigkeit Übedegenswert erscheint noch, ob die Weiterzahlung des Lohnes während der Freistellungszeiten unter dem Gesichtspunkt des in §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG geregelten Störungs- und Behinderungsverbotes69 geboten ist. Schon aus der Stellung und den Befugnissen des Aufsichtsrates und seiner Mitglieder sowie aus den Vorschriften des Gesellschaftsrechts70, außerdem speziell aus §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG ergibt sich, daß die Arbeitnehmervertreter das Aufsichtsratsmandat unabhängig, eigenverantwortlich und unbeeinflußt von betrieblichen Gegebenheiten wahrnehmen können müssen und in der Ausübung rechtmäßiger Aufsichtsratstätigkeit nicht gestört oder behindert werden dürfen. Dies hat zur Konsequenz, daß die Pflicht der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat zur Erbringung der Arbeitsleistung entfallt, wenn zur gleichen Zeit nicht verschiebbare Aufsichtsratstätigkeit ansteht (wie zuvor dargestellt). Man könnte eine Störung der Arbeitnehmer in ihrer Aufsichtsratstätigkeit nun noch mit fmanziellen Erwägungen zu begründen versuchen. Wie jeder Arbeitnehmer, der sich zur Erbringung von Arbeitsleistungen hauptsächlich zum Zwecke des Erhaltes einer Vergütung verpflichtet, benötigen auch die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer ihren Arbeitslohn zur Schaffung und Erhaltung ihrer Existenzgrundlagen. Bedürfnisse, alltägliche sowie außergewöhnliche Geldausgaben entwickeln sich anband des über Jahre hinweg gleichbleibenden bzw. steigenden Lohnes. Daher erfordern Lohneinbußenmeist in irgendeiner Form unangenehme Einschränkungen des privaten Haushaltes. Entsprechend könnten die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer dazu verleitet sein, statt einer ordnungsgemäßen und verantwortungsvol69 Zum Inhalt oben, I. l. a), cc) sowie Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 2ff.; Hoffmann!Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 4ff.; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 6. 70 Vor allem §§ 117, 116 i.V.m. 93 AktG; §§ 52 GmbHG i.V.m. 116, 93 AktG; §§ 41, 34 GenG.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
len Aufsichtsratstätigkeit ohne Rücksicht auf eventuelle Lohnausfälle der Erfüllung der Arbeitspflicht Vorrang zu geben. Darüber hinaus könnte der generelle Grundsatz des Entfalles des Lohnanspruches während der Freistellungszeiten für Aufsichtsratstätigkeit dazu führen, daß sich Arbeitnehmer gar nicht erst bereit finden, das Aufsichtsratsamt anzutreten (als Behinderung von vornherein in Form fehlender Lukrativität). Der Gesichtspunkt des Lohnerhaltes als finanzieller Anreiz für eine ordnungsgemäße Aufsichtsratstätigkeit stellt allerdings schon aus sich heraus kein anerkennenswertes Argument für die Weiterzahlung des Lohnes dar. Die wirksame Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied setzt das Einverständnis des Gewählten voraus. Abweichend von der regulären Beendigung der Amtszeit ist auch eine vorzeitige Amtsniederlegung aus wichtigem Grunde möglich. 71 Solange der Arbeitnehmer die Amtsstellung innehat, ist er wie jedes andere Aufsichtsratsmitglied in seinem Unternehmen zur Vornahme der Aufsichtsratstätigkeit in erforderlichem Umfang verpflichtet. Der Umfang des Erforderlichen bemißt sich am Wohl des Unternehmens und hängt von den individuellen Gegebenheiten im Unternehmen wie Größe und Betriebsamkeit des Aufsichtsrates, Bedeutsamkeit des Unternehmens, öffentliches Interesse an ordnungsgemäßer Geschäftsführung usw. ab. Hierbei haben subjektive Einschätzungen über die Erforderlichkeit der Aufsichtsratstätigkeit unter dem Blickwinkel des drohenden Lohnverzichts keinen Platz. Die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Aufsichtsratstätigkeit darf nicht erst dann ernst genommen werden, wenn die Gefahr von Einkommenseinbußen gebannt ist. Genauso, wie man den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer über das Störungs- und Behinderungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG die automatische Arbeitsbefreiung zuerkennt, damit sie die gleichen Chancen zur Wahrnehmung des Aufsichtsratsamts in erforderlichem Umfang haben, muß man sie für verpflichtet halten, diese Chancen zu nutzen und ihren Amtspflichten ordnungsgemäß nachzukommen. Bei zeitlichen Kollisionen sind die Amtspflichten vorrangig gegenüber den Arbeitsvertragspflichten. Diese Vorrangigkeit kann unter Umständen einen Arbeitsausfall mit Lohneinbuße bewirken. Letzteres stellt folglich die Konsequenz der Aufsichtsratstätigkeit dar, aber nicht gleichzeitig - wieder zurückwirkend - eine Störung oder Behinderung in der Aufsichtsratstätigkeit Auch ist gegen den Gedanken der fehlenden Lukrativität des Aufsichtsratsamtes bei Wegfall des Lohnes während der Aufsichtsratstätigkeit einzuwenden, daß das Aufsichtsratsamt kein unentgeltliches Ehrenamt wie das Betriebsratsamt ist, für das infolge des ungleich höheren Zeitaufwandes (man denke nur an die Möglichkeit völliger Freistellung von der Arbeit gemäß § 38 BetrVG) eine Lohnerhaltungsregelung zwingend erforderlich ist. Die Auf71
V gl. oben, Einleitung, II. 2.
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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sichtsratstätigkeit ist Verwaltungstätigkeit im Interesse der Gesellschaft, der Anteilseigner sowie der Belegschaft. Häufig wird von der Möglichkeit der Zahlung einer Vergütung Gebrauch gemacht. Im übrigen haben die Aufsichts· ratsmitglieder für die im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit gemachten Auf· wendungen anerkanntermaßen einen Ersatzanspruch gegen die Gesellschaft gemäß §§ 670, 675 BGB analog. 72 Persönliche Aufwendungen des Aufsichts· ratsmitgliedes in Form von Freizeitverlust, entstandenen Kosten oder eben entgangenem Gewinn zu ersetzen ist damit Aufgabe der Gesellschaft, muß folglich auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene stattfinden.73 Auch insoweit er· scheint eine Abwicklung bzw. ein Ausgleich der Aufsichtsratsaufwendungen über das Arbeitsverhältnis als verfehlt. Schließlich erwachsen den Arbeitnehmern infolge ihrer Aufsichtsratstätig· keit eine Vielzahl von persönlichen Vorteilen wie zum Beispiel ein besseres Kennenlernen des Unternehmens und der Unternehmensstruktur, Mitent· scheidungsbefugnisse, das Wissen um die gegenwärtige und zukünftige Ge· schäftspolitik sowie insgesamt also einen Zuwachs an Qualifikation. Dem Nachteil möglicher Einkommenseinbußen stehen somit zahlreiche positive Ef· fekte gegenüber, die den übrigen Arbeitnehmern im Betrieb nicht zugute kommen. Da es sich bei dem Aufsichtsratsamt um ein Nebenamt handelt, nimmt der aus der Arbeitsbefreiung resultierende Lohnausfall auch keine exi· stenzbedrohenden Ausmaße an. Von einer anfangliehen Behinderung des Zu· ganges zum Aufsichtsratsamt durch drohende Lohneinbußen kann daher keine Rede sein. Festzustellen bleibt, daß Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht in· folge des Entfallens ihres Lohnanspruches objektiv an der Ausübung der Auf· sichtsratstätigkeit gehindert sind. Aufgrund der automatisch eintretenden Ar· beitsbefreiung können sie wie auch die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseig· ner ihren Amtspflichten in erforderlichem Maße nachgehen. Gegen innere Vorbehalte wegen eventueller Lohneinbußen oder Amtsvernachlässigung mit Blick auf vollen Lohn soll das Störungs· und Behinderungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG nicht schützen.
72 Siehe schon oben, Fn. 52 und 53; Lutter/Krieger, § 7, II. 4., Rn. 294; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. lOOff.; Kittner/Köstler/Zachert, S. 277, Rn. 630 sowie S. 282ff., Rn. 637ff.; Säcker, NJW 1979, S. l52lff. (1525f.); Natzel, DB 1965, S. l388ff. sowie S. l429ff. (1429; 1432ff.) insbesondere zur Abgrenzung Vergütung/Aufwendungsersatz. 73 Ausdrücklich Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 113, Rn. 10: Lohnausfall infolge AR-Tätigkeit gehört zu den von der Gesellschaft zu erstattenden Aufwendungen. 7 Jacklofsky
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
d) Analoge Anwendung des§ 37// BetrVG Nach Ansichten in der Literatur wird der Anspruch der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auf Lohnfortzahlung während der Freistellungszeiten fiir Aufsichtsratstätigkeit auch auf die Norm des§ 37 II BetrVG gestützt. Häufig erfolgt dies innerhalb der Diskussion über eine Benachteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat: weil die Versagung des Anspruches auf Lohnfortzahlung zu einer Benachteiligung gegenüber anderen Aufsichtsratsmitgliedern (der Anteilseigner, der Arbeitnehmer aus der Gruppe der Angestellten, der nicht unternehmensangehörigen Arbeitnehmervertreter) fuhren würde, sei eine entsprechende Anwendung des § 37 II BetrVG gerechtfertigt. 74 Als entscheidendes Argument für die Erhaltung des Lohnes wird hierbei bereits das Benachteiligungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG selbst angesehen, und§ 37 II BetrVG dient lediglich als Auslegungshilfe75 für§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG bzw. als Umfangsbestimmung für den Freistellungs- und Lohnfortzahlungsanspruch ("wenn und soweit nach Umfang und Art" des Unternehmens die Arbeitsbefreiung zur Durchfiihrung der Amtsaufgaben "erforderlich ist"). Teilweise wird allerdings ohne Bezugnahme auf die Verbote der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG eine analoge Anwendung des§ 37 II BetrVG befiirwortet.76 Voraussetzung einer Analogie ist zunächst die planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. 77 aa) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes hinsichtlich der Regelung eines Lohnfortzahlungsanspruches? Das Vorliegen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes bezüglich des Freistellungsanspruches wurde bereits oben abgelehnt, da sich ein solcher 74 Fitting/Kaiser/Heither/Enge1s, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 177 sowie Benze u.a., MitbestG '76, § 26, Rn. 9: 'entsprechend anzuwenden'; Mertens in Kö1ner Komm. zum AktG, I. Auflage, Anh. § 96, Rn. 89: 'vgl. auch § 37 II BetrVG'; Reich!Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff., 366: 'entsprechend den betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen'; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 127 sogar: 'in analoger Anwendung des§ 37 II BetrVG'; ähnlich Wester/Schlüpers-Oehmen, Arbeitsrecht, C. IV. 3., (S. 128). 75 So auch Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 24f. 76 Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 8: 'gebotene analoge Anwendung des§ 37 II BetrVG'; Kraft, ebda.; unentschieden Mertens in Kölner Komm. zum AktG, 2. Auflage, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 6: § 37 li BetrVG wird wohl als 'allgemeiner Rechtsgedanke' verstanden und daher auch für die ARM der AN für anwendbar gehalten; Dietz!Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 175: '§ 37 li BetrVG gilt entsprechend'. 77 Siehe oben, I. 1. a) aa); Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 16, 25; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 37lff., 375, 38lff.
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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bereits aus der Rechtsstellung der Arbeitnehmer als Aufsichtsratsmitglied und aus den Normen zur Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer, insbesondere §§ 26 S. l MitbestG, 78 S. 1 BetrVG, ergibt. Ein Anspruch auf Weiterzahlung des Lohnes während dieser Freistellung konnte allerdings weder mit dem Benachteiligungs- oder Behinderungsverbot noch auf der Basis arbeitsrechtlicher Kriterien begründet werden. Damit ist aber die Frage des Vorliegens einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes noch nicht entschieden. Der Begriff des Unvollständigen impliziert bereits die Wertung, daß etwas fehlt, nicht so vollständig ist, wie es sein sollte. Unmißverständlich wird dies durch den Begriff der planwidrigen Unvollständigkeit zum Ausdruck gebracht. Das Fehlen einer Lohnregelung für Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat nach dem Vorbild des § 37 II BetrVG kann auch bedeuten, daß kein Anspruch auf Lohnzahlung für die Freistellungszeiten bestehen soll. Für einen solchen Willen des Gesetzgebers spricht vor allem die Entstehungsgeschichte des BetrVG sowie der Mitbestimmungsgesetze. Das MontanMitbestG von 1951 sowie das 1956 folgende MitbestErgO enthalten zur Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer lediglich die Garantie der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder sowie der Unabhängigkeit der Amtsführung gemäߧ§ 4 III Montan-MitbestG; 5 IV MitbestErgG. Zur Frage der Freistellung der Arbeitnehmer zum Zwecke der Ausübung des Aufsichtsratsamtes oder der Lohnweiterzahlung ist nichts geregelt. Das BetrVG 1952 enthielt für Betriebsratsmitglieder mit § 37 III BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit (der auch in das BetrVG 1972 übernommen wurde, § 37 li BetrVG), dagegen keine vergleichbare Vorschrift für die Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten. In§ 129 I BetrVG 1972 ist die Fortgeltung der Vorschriften der§§ 76ff. BetrVG 1952 über die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat festgeschrieben. Außerdem erklärt § 129 II BetrVG 1972 zum Schutze der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat anstatt der bisher gemäß § 76 II BetrVG 1952 entsprechend geltenden Schutzvorschrift für Betriebsratsmitglieder § 53 BetrVG 1952 den neuen § 78 BetrVG 1972 für entsprechend anwendbar. Der Gesetzgeber beschäftigte sich also bei der Neugestaltung des BetrVG 1972 mit der Frage, welche Normen des alten BetrVG 1952 zugunsten der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat weitergelten und welche Regelungen des neuen BetrVG zur Rechtsstellung von Betriebsratsmitgliedern entsprechend auf Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat anwendbar sein sollten. Trotz der bekannten Regelungen des§ 37 III BetrVG 1952 sowie des § 37 II BetrVG wurde allerdings keine Bestimmung zu Freistellung und Lohnanspruch geschaffen, und § 37 II BetrVG wurde nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Bei der Gestaltung des MitbestG im Jahre 1976 erfolgte ebenfalls keine Regelung dazu. Zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer fand lediglich eine dem § 78 BetrVG nachgebildete, fast wortgleiche Schutzvorschrift, § 26 MitbestG, Eingang in den Gesetzestext. Im Unterschied dazu regelt das SprAuG vom Dezember 1988 in § 14 I SprAuG exakt wort-
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
gleich zu § 37 II BetrVG den Anspruch der Sprecherausschußmitglieder auf bezahlte Freistellung von ihrer beruflichen Tätigkeit. Daraus läßt sich nur der Schluß ziehen, daß der Gesetzgeber im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer über die Betriebs- und Sprecherausschußverfassung eine ausdrückliche Regelung des Anspruches auf bezahlte Freistellung fiir notwendig erachtet hat, demgegenüber im Bereich der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer einen solchen Anspruch nicht festschreiben wollte. Diese Wertung wird um so mehr bestätigt, wenn man sich vergegenwärtigt, daß seit dem lokrafttreten des Montan-MitbestG, des MitbestErgG, der §§ 76ff. BetrVG 1952 sowie des MitbestG zwar zahlreiche Gesetzesänderungen vorgenommen wurden, keine davon aber die Frage der bezahlten Freistellung zum Ziel hatte. 78 Außerdem hat der Gesetzgeber einen Fall bezahlter Freistellung im Zusammenhang mit der Unternehmensmitbestimmung durch Arbeitnehmer ausdrücklich geregelt. Gemäߧ§ 10 i III MitbestErgG, 20 III S. 2 MitbestG ist der Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgeltes berechtigt, wenn Arbeitnehmer zum Zwecke der Ausübung ihres Wahlrechts zur Besetzung des Aufsichtsrates mit Arbeitnehmervertretern oder zur Betätigung im Wahlvorstand Arbeitszeit versäumen. Obwohl naheliegend, wurde diese Regelung nicht zugleich auch auf die Aufsichtsratstätigkeit selbst erstreckt. 79 Angesichts dessen kann man nicht mehr von einem versehentlichen Nichtregeln eines Freistellungsanspruches der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gemäß dem§ 37 II BetrVG sprechen. Dies ist vielmehr Ausdruck einer bewußten gesetzgeberischen Zurückhaltung. Eine dem Plan des Gesetzgebers widersprechende Unvollständigkeit des Gesetzes liegt daher nicht vor. bb) Vergleichbarkeit Ungeachtet des Vorstehenden scheitert eine analoge Anwendung des § 37 II BetrVG zur Begründung eines Anspruches der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat auf bezahlte Freistellung auch an ihrer fehlenden Vergleichbarkeit mit Betriebsratsmitgliedern:
78 Ausführliche Darstellungen der zwischenzeitliehen Gesetzesentwicklung im Dritten Kapitel, I. 3. e), bb) sowie im Vierten Kapitel, II. 2. a), aa). 79 Ähnliche Argumentation bei Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 5: fehlende Freistellungsregelung in § 26 im Gegensatz zu § 20 III S. 2 MitbestG und zu § 37 II, III BetrVG 'nicht bedeutungslos'.
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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Die Wahl eines Betriebsrates ist gemäߧ 1 BetrVG zwar obligatorisch vorgesehen. Letzlieh kann sie jedoch nicht gegen den Willen der Belegschaft erzwungen werden. Gewählte Betriebsratsmitglieder nehmen ihr Amt als unentgeltliches Ehrenamt frei von Weisungen oder Aufträgen der Belegschaft wahr. Das "Amtsverhältnis" zum Betrieb ist weder ein Vertragsverhältnis: Wohl die wenigsten Arbeitgeber wären bereit, einen solchen Vertrag zu schließen; außerdem ist die rechtliche Stellung der Betriebsratsmitglieder gesetzlich zwingend festgelegt, und vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen gar nicht. Noch kann man darin ein Auftragsverhältnis sehen. Die Betriebsratstätigkeit fmdet nicht im Auftrag des Betriebes statt, sondern aufgrund der Entscheidung der Belegschaft zur Einrichtung eines Betriebsrates und auf der Basis der gesetzlich normierten Betriebsverfassung. Gemäß dem Charakter eines unentgeltlichen Ehrenamtes ohne Anspruch auf Vergütung und Aufwendungsersatz werden eigene Vermögensopfer der Betriebsratsmitglieder weder erwartet, noch sind sie erforderlich; nach § 40 BetrVG trägt der Arbeitgeber sämtliche erforderlichen Kosten zur Organisierung und Durchführung der Betriebsratstätigkeit. Ein Vermögensopfer der Betriebsratsmitglieder läge aber auch vor, wenn sie infolge der Betriebsratstätigkeit Lohneinbuße hinnehmen müßten. Diese würde angesichts der häufigen Freistellung aufgrund der umfangreichen Betriebsratsaufgaben, insbesondere bei völliger Freistellung gemäß § 38 BetrVG beträchtlich ausfallen. Daher stellt sich die Regelung der §§ 37 II, 38 BetrVG als geradezu zwingend dar. Dagegen ist die Wahl von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat in Abhängigkeit von Gesellschaftsform und Größe des Unternehmens zwingend vorgeschrieben. Das Aufsichtsratsmandat stellt aufgrund des als verhältnismäßig gering einzuschätzenden Zeitaufwandes ein Nebenamt dar, welches parallel zur sonstigen beruflichen Tätigkeit ausgeübt wird. Nach der Satzung oder auf Beschluß der Hauptversammlung kann eine Vergütung fiir die Aufsichtsratsmitglieder als Honorierung ihres Einsatzes vorgesehen werden. Unstreitig anerkannt ist auch, daß sie gegen die Gesellschaft einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen fiir die Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandates haben (§§ 670, 675 BGB direkt oder analog). Die eingesetzte, mit Lohnausfall verbundene Arbeitszeit kann ebenfalls als freiwilliges Vermögensopfer der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer aufgefaßt werden, das im Wege des Aufwendungsersatzes durch die Gesellschaft ausgeglichen wird. Dem entspricht zum Beispiel die Zahlung von sogenannten Sitzungsgeldem (als "Aufwandsentschädigung"). 80 Eine Existenzgefahrdung für die Aufsichtsrats80 Einordnung der Sitzungsgelder teilweise als Aufwendungsersatz bzw. als Teil der AR-Vergütung, dazu Natzel, DB 1965, 1429ff. (1434f.); Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band, § 124, II. 3. (S. 616); Fitting/Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 175; Kittner/Köstler/Zachert, S. 277, Rn. 630; Säcker, NJW 1979, S. 1521ff. (1526); i. ü. oben, Fn. 52, 53, 72, 73.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
mitglieder der Arbeitnehmer oder eine Gefährdung der Arbeitnehmermitbestimmung im Unternehmen infolge des Entfalles ·des Lohnes während der Aufsichtsratstätigkeit ist daher nicht zu befürchten. e) Zulässigkeil der ungekürzten Lohnzahlung unter dem Gesichtspunkt des Begünstigungsverbotes Aus den vorherigen Erörterungen ergibt sich, daß keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterzahlung des Lohnes während der Freistellungszeiten besteht: eine solche kann weder mit arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsregelungen oder dem Benachteilungs- bzw. Störungsverbot der§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG noch über eine analoge Anwendung des § 37 II BetrVG begründet werden. Die häufig anzutreffende Praxis der ungekürzten Lohnzahlung an die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer stellt sich damit als freiwillige Leistung des Arbeitgebers dar. Angesichts des Begünstigungsverbotes der §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG81 ist die Zulässigkeit solcher Zahlungen an die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu klären. Unzulässig sind nach § 78 S. 2 BetrVG (in Verbindung mit §§ 76 II S. 5 BetrVG 1952, 129 I BetrVG) Begünstigungen der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer allein oder hauptsächlich wegen ihrer Amtstätigkeit Das Fehlen eines ausdrücklichen Begünstigungsverbotes in § 26 S. 2, 3 MitbestG beruht darauf, daß eine Besserstellung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer als mittelbare Folge ihrer Amtstätigkeit nicht generell ausgeschlossen werden sollte. Der erlangte Wissenszuwachs durch die Arbeit im Aufsichtsrat, die mit gewissenhafter Amtsführung demonstrierte Fähigkeit zu verantwortungsvoller Tätigkeit und der gezeigte besondere persönliche Einsatz des Arbeitnehmers für das Unternehmen wirken sich häufig positiv im Arbeitsverhältnis aus. Der Arbeitgeber kann auf diese zusätzlichen Qualifikationen zurückgreifen, sie nutzbringend einsetzen. Dann soll er dies aber auch zum Beispiel mit einer Beförderung des Arbeitnehmers auf einen höherqualifizierteren Arbeitsplatz oder eine Höferstufung hinsichtlich des Gehaltes honorieren dürfen. In der Gesamtschau beider Normen sind folglich Besserstellungen der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat, insbesondere Gehaltserhöhungen oder Beförderungen, zulässig, soweit dies sachlich begründet ist, damit etwa der aufgrund der Amtstätigkeit erlangten Zusatzqualifikation entsprochen wird. 82
81 Zum übereinstimmenden Inhalt beider Normen hinsichtlich Begünstigungen trotz abweichenden Wortlautes siehe schon oben, b), cc), Fn. 63. 82 Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 3; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 3; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6, 13; Hoffmann/Lehmann!Weinrnann,
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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Als eine Art Lohnerhöhung kann auch die ungekürzte Lohnzahlung an Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat für die Freistellungszeiten angesehen werden. Diese Zusatzleistung erfolgt nicht allein wegen der Aufsichtsratsmitgliedschaft des Arbeitnehmers, wenn sie auf der Tatsache des Wissenszuwachses und der erlangten Zusatzqualifikation des Arbeitnehmers infolge seiner Amtstätigkeit beruht. Für die hierin liegende Besserstellung gegenüber den amtlosen Arbeitnehmern (die Amts-Arbeitnehmer erhalten Lohn für Zeiten, in denen sie nicht gearbeitet haben) besteht damit ein sachlicher Grund mit Bezug zum Arbeitsverhältnis. Die amtlosen Arbeitnehmer verfügen demgegenüber nicht über die speziell honorierte Zusatzqualifikation und sind insoweit nicht mit den Aufsichtsrats-Arbeitnehmern zu vergleichen. Als eine Form der Lohnerhöhung zur Honorierung des besonderen Fachwissens und der erlangten Qualifikation infolge der Aufsichtsratstätigkeit erscheint daher die freiwillige ungekürzte Lohnzahlung an Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat trotz Ausfallzeiten infolge Aufsichtsratstätigkeit unter dem Gesichtspunkt des Begünstigungsverbotes der§§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG als zulässig. 83 j) Entstehung einer betrieblichen Übung
Durch eine über Jahre hinweg geübte Praxis der Lohnzahlung für Zeiten ohne Arbeitsleistung wegen vorrangiger Aufsichtsratstätigkeit könnte aus der anfänglich freiwilligen Zuwendung allerdings eine betriebliche Übung entstanden sein, aus der der Arbeitgeber nunmehr zu ungekürzter Lohnzahlung an die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat verpflichtet ist. Eine betriebliche Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber durch tatsächliche Handhabung eine Regel für die Gewährung von Leistungen an alle Arbeitnehmer oder bestimmte Arbeitnehmergruppen im Betrieb aufstellt. Voraussetzung dafür ist, daß der Arbeitgeber freiwillig wiederholt Zuwendungen mit kollektivem Bezug gewährt, ohne dabei klarzustellen, daß er sich damit nicht
MitbestG, § 26, Rn. 14; für BRM Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 78, Rn. 19; Kittner/Köstler/Zachert, S. 294, Rn. 662; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 1I 7 B § 26 MitbestG, Rn. 1 I. 83 Ausdrücklich Hanau in Hanau/Uimer, MitbestG, § 26, Rn. 6 a. E.; zur Frage der Unzulässigkeit der freiwilligen ungekürzten Lohnzahlung wegen des Begünstigungsverbotes finden sich in solcher Konsequenz nirgendwo Ansichten; Kirschner, DB 1971, S. 2063ff. (2065) billigt den Anspruch aufLohn (Lohnausfall) nur dann zu, wenn keine AR-Vergütung gezahlt wird, da er letztere als Entschädigung für Verdienstausfall ansieht; zur Frage der Zulässigkeit freiwilliger Zahlung des AG mit Blick auf das Begünstigungsverbot äußert er sich nicht.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
rechtlich binden will. Dann entsteht ein Verpflichtungstatbestand auf individualarbeitsrechtlicher Ebene. 84 Wie oben dargestellt besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterzahlung des Lohnes während der Freistellungszeiten. Zahlt er den Lohn dennoch ungekürzt, so erfolgt dies auf freiwilliger Basis. Vorbehaltlosigkeit im obigen Sinne ist ebenfalls zu bejahen, wenn der Arbeitgeber nicht ausdrücklich bei der Zahlung darauf verwiesen hat, daß dies eine freiwillige Zuwendung ist (Freiwilligkeitsvorbehalt).85 Der Arbeitgeber erbringt an bestimmte, nach dem sachlichen Kriterium der Amtsinhaberschaft ausgewählte Arbeitnehmer eine freiwillige Leistung in Form der Lohnzahlung für Zeiten ohne Arbeitsleistung. Er schafft damit praktisch eine Art Lohnzulage für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe. Voraussetzung und zugleich Bedingung für diese Zuwendung sind die Amtsinhaberschaft und eine Amtstätigkeit während der regulären Arbeitszeit. Anerkanntermaßen kann der Arbeitgeber die Zahlung freiwilliger Zuwendungen von bestimmten, sachlich nachvollziehbaren Kriterien und Umständen abhängig machen (Zahlung der Weihnachtsgratifikation nur an Arbeitnehmer, die zu/bis zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Unternehmen angehören; Zahlung nur an diejenigen Arbeitnehmer, die eine Mindestanzahl von Arbeitstagen tatsächlich gearbeitet haben usw.). Damit setzt der Arbeitgeber einen Verteilungsmaßstab für das von ihm freiwillig eingesetzte Zuwendungsvolumen. Sind die festgelegten Kriterien für den Erhalt der Zuwendung erfüllt, muß der Arbeitgeber diese auch leisten. Amtsinhaberschaft und Amtstätigkeit während der regulären Arbeitszeit sind damit kein Vorbehalt des Arbeitgebers für die Fortzahlung des Lohnes, sondern eine Bestimmung der Art seiner freiwilligen Zuwendung an jene Arbeitnehmer. Beruht diese Leistungsgewährung an die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht auf individuellen Vereinbarun84 Richardi in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band I, § 13, Rn. 1ff., 23ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 111, I. (S. 960fT.); Zöllner!Loritz, Arbeitsrecht, § 6, I. 7. (S. 71ff.). Begründet wird dieser Verpflichtungstatbestand zum einen mit Vertrauensgesichtspunkten: aufgrund der Mehrmaligkeit und Vorbehaltlosigkeit der freiwilligen Zuwendung baue sich bei den AN ein Vertrauen dahingehend auf, daß der AG damit einen neuen Vergütungsteil geschaffen habe, der auch in Zukunft gewährt werde. Zum anderen liege in der freiwilligen und vorbehaltlosen Leistung des AG ein konkludentes Angebot zur Ergänzung des Arbeitsvertrages, welches durch die AN ebenfalls konkludent angenommen würde. 85 Dazu insb. Schaub, ebda., I. 3. b); Richardi, ebda., Rn. 23ff. Hat der AG einen Widerrufsvorbehalt erklärt, bleibt er solange zur Leistung verpflichtet, wie er den Widerruf nicht ausübt. Damit entsteht zwar eine rechtliche Bindung fiir den AG, strenggenommen aber keine betriebliche Übung: ein Vertrauen der AN auf fortlaufende Gewährung dieser Zuwendung ist nicht im selben Maße schützenswert wie bei einer vorbehaltlos gewährten Zuwendung, da mit der Möglichkeit des Widerrufes gerechnet werden muß.
I. Bezahlte Freistellung für Aufsichtsratstätigkeit
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gen86, sondern auf der grundsätzlichen Entscheidung des Arbeitgebers hierzu, allein anknüpfend an den objektiven Fakt der Amtsinhaberschaft ohne Bezugnahme auf die jeweilige Person des Amtsträgers, dann liegt dieser Zuwendung ein generelles Prinzip zugrunde. Die Durchhaltung dieses Prinzipes über Jahre hinweg ohne individuelle Absprachen oder Einschränkungen läßt bei den amtierenden Arbeitnehmern im Aufsichtsrat sowie potentiellen Amtsnachfolgern ein Vertrauen dahingehend entstehen, daß sie keinerlei Lohneinbußen während erforderlicher Freistellungen zum Zwecke der Aufsichtsratstätigkeit erleiden werden. In den Genuß dieser freiwilligen Leistung kommen zwar nur sehr wenige Arbeitnehmer des Unternehmens (gemäß dem Besetzungsschlüssel der Arbeitnehmermitbestimmungsgesetze). Diese wenigen Arbeitnehmer bilden allerdings durch die allen anhaftende Eigenschaft des Aufsichtsratsmitgliedes ein 'Kollektiv'. Solange das Unternehmen einen mitbestimmungspflichtigen Status hat, gibt es unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (§§ 6 I Montan-MitbestG; 6 I MitbestErgG; 7 II MitbestG; 76 II S. 2, 3 BetrVG 1952). Selbst, wenn lediglich ein unternehmensangehöriges Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer zu bestellen ist(§§ 76 II S. 2, 77 I BetrVG 1952 iVm. § 95 S. 1 AktG), kann die generelle Lohnzahlung für die Freistellungszeiten unbesehen der Person des jeweiligen Amtsträgers als Zuwendung mit kollektivem Bezug angesehen werden: Kollektivbezug als nicht von Einzelvereinbarungen und Einzelpersonen abhängig, sondern bezogen auf eine abstrakt zu bestimmende Personengruppe, das Kollektiv aller bisherigen, gegenwärtigen und zukünftigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. 87 Unter den genannten Voraussetzungen kann daher infolge der wiederholten und vorbehaltlosen ungekürzten Lohnzahlung an die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer ohne Berücksichtigung der Ausfallzeiten eine betriebliche Übung entstanden sein. Dann haben die jeweils amtierenden Arbeitnehmer Anspruch aus der betrieblichen Übung auf Fortzahlung ihrer Vergütung auch für die Freistellungszeiten zum Zwecke der Vornahme erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit Für Streitigkeiten, ob eine solche betriebliche Übung entstanden ist und sich daraus Lohnzahlungsansprüche ableiten, ist der Rechtsweg zum Arbeitsgericht nach § 2 I Nr. 3 a) ArbGG er-
86 Wenn die Zahlung stattdessen aufgrund einer individuellen Vereinbarung mit dem einzelnen Arbeitnehmervertreter erfolgt, dann gilt für alle ARM der AN der Gleichbehandlungsgrundsatz, da sie diesbezüglich vergleichbar sind; vgl. oben, b), cc); zur Abgrenzung der Betriebsübung von der Individualübung, die sich auf das Verhältnis des AG zu einem bestimmten AN beschränkt, siehe Richardi in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band I,§ 13, Rn. 3. 87 Dafiir, daß betriebliche Übungen auch nur für bestimmte Arbeitnehmergruppen bestehen können, ausdrücklich Richardi in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 1, § 13, Rn. 4, 6.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
öffnet. Es handelt sich hierbei um Streitigkeiten über einen typischen arbeitsvertraglichen Inhalt. 88
3. Zusammenfassung 1. Unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sind verpflichtet, ihre Amtsaufgaben außerhalb ihrer hauptberuflichen Arbeitstätigkeit auszuüben. Kann aufgrund zeitlicher Kollisionen erforderliche Aufsichtsratsarbeit nicht anders als in der regulären Arbeitszeit geleistet werden, so entfällt die Verpflichtung der Amts-Arbeitnehmer zur Erbringung der Arbeitsleistung, soweit und solange dies zur ordnungsgemäßen Amtsausübung erforderlich ist. Diese Arbeitsbefreiung tritt automatisch ein, ohne daß es auf eine Zustimmung des Arbeitgebers ankommt. Allerdings sind die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Arbeitsbefreiung gewissenhaft zu prüfen, den Arbeitgeber so rechtzeitig wie möglich über den Arbeitsaufall zu informieren, sich von ihrer Arbeit abzumelden sowie sich beim Arbeitgeber zurückzumelden, wenn sie nach Beendigung der Aufsichtsratstätigkeit die Arbeit wieder aufnehmen. Rechtlichen Schutz in der Ausübung rechtmäßiger Amtstätigkeit genießen die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in mehrfacher Form: zum einen durch die Unwirksamkeit störender oder behindernder Maßnahmen des Arbeitgebers nach § 134 BGB in Verbindung mit §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG, zum anderen durch die Zuerkennung von Duldungs-und Unterlassungsansprüchen gegen den Arbeitgeber gemäß § 1004 BGB analog bzw. gemäß § 823 II BGB in Verbindung mit §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG. Außerdem können aus einer unberechtigten Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen seiner Amtstätigkeit Schadensersatzansprüche gemäß § 823 II BGB in Verbindung mit dem Benachteiligungsverbot nach§§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 S. 2 BetrVG resultieren. 2. Dagegen kann weder unter Berücksichtigung arbeitsrechtlicher W ertungen noch unter Heranziehung der Schutzvorschriften der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Weiterzahlung des Lohnes während der Freistellung zur Vornahme erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit begründet werden. Auch eine analoge Anwendung des § 37 II BetrVG scheidet 88 Ebenso Baumbach/Hueck, AktG, Anh. nach § 96, Rn. 38; Meyer!Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm. I a. E.; für BRM auch Fitting!Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 37, Rn. 204; in der Tendenz ebenso Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 15; Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 27; wohl auch Fitting/Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, § 26 Rn.25; Grunsky, ArbGG, § 2, Rn. 93 für arbeitsgerichtliches Urteilsverfahren.
II. Bezahlter Freizeitausgleich
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aus. Eine freiwillige Lohnzahlung durch den Arbeitgeber für diese Ausfallzeiten ist jedoch zulässig. Bei vorbehaltloser, mehrmaliger und auf einer generellen Entscheidung des Arbeitgebers beruhenden ungekürzten Lohnzahlung ohne Berücksichtigung der Ausfallzeiten kann eine betriebliche Übung entstehen. In diesem Fall haben die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat Anspruch aus der betrieblichen Übung auf Zahlung des üblichen Lohnes für die Freistellungszeiten. Streitigkeiten über das Bestehen eines Anspruches aus einer solchen betrieblichen Übung sind von den Arbeitsgerichten zu entscheiden.
II. Bezahlter Freizeitausgleich f"tir Aufsichtsratstätigkeit
außerhalb der regulären Arbeitszeit
Bezahlter Freizeitausgleich wird gewährt, wenn Arbeitnehmer bestimmte Tätigkeiten, die sie grundsätzlich hätten in der regulären Arbeitszeit vornehmen sollen, aus betrieblichen oder arbeitgeberseitigen Gründen in ihrer Freizeit ausgeübt haben. Um sie durch den Verlust persönlicher Freizeit nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern zu benachteiligen, haben sie als Ausgleich für die eingesetzte Freizeit Anspruch auf entsprechende bezahlte Arbeitsbefreiung, hilfsweise auf Bezahlung dieser Zeit. Dieser Fall tritt häufig bei Betriebsratsmitgliedern ein. Nach der gesetzgeberischen Entscheidung gemäß § 37 I, II, III BetrVG sollen die Betriebsratsmitglieder ihre ehrenamtliche Betriebsratstätigkeit ohne private Vermögensoder Freizeitopfer grundsätzlich während der Arbeitszeit ausüben. Dementsprechend hat der Arbeitgeber neben den erforderlichen Räumen, Arbeitsmaterialien und Unterlagen auch (bezahlte) Zeit für erforderliche Betriebsratsarbeit bereitzustellen, §§ 37 I, II, 40 BetrVG. Die Betriebsratsarbeit steht dabei der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, die ansonsten in dieser Zeit zu erbringen gewesen wäre, gleich. 89 Führen betriebsbedingte Gründe (z. B. Eigenart der betrieblichen Arbeitsorganisation, spezielle Lage der Arbeitszeit oder berufliche Unabkömmlichkeit des Betriebsratsmitgliedes, dringlicher Wunsch des Arbeitgebers90) dazu, daß Betriebsratsarbeit ausnahmsweise außerhalb der regulären Arbeitszeit ausgeübt werden muß, so bleibt die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers dennoch bestehen. Andernfalls könnte sich der Arbeitgeber durch Schaffung betrieblicher Hindernisse selbst dieser Pflicht entziehen und die Betriebsratsarbeit behindern. Daher hat der Arbeitgeber gemäß § 37 III BetrVG bezahlten Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit zu gewähren, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit 89
90
Nur Fitting/Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 37, Rn. I, 12f., 46f. Vgl. Fitting/K.aiser/Heither!Engels, ebda., Rn. 64ff.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
durchzuführen ist (ersatzweise Vergütung der aufgewendeten Zeit wie Mehrarbeit).
Im Vergleich dazu ist die Aufsichtsratsarbeit von Arbeitnehmern eine zu ihrem Arbeitsverhältnis hinzukommende und von diesem unabhängige Nebentätigkeit, deren Erfüllung der Leistung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht gleichsteht. Der doppelten Pflichtenbindung aus Arbeitsverhältnis und Aufsichtsratsamt müssen die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat prinzipiell uneingeschränkt gerecht werden. Sie unterliegen jeweils den gleichen Sorgfaltsanforderungen und dem Verantwortlichkeitsmaßstab wie die übrigen Arbeitnehmer bzw. Aufsichtsratsmitglieder. Folglich ist Aufsichtsratstätigkeit, soweit dies nur möglich ist, außerhalb der regulären Arbeitszeit und ohne Beeinflussung des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen. 91 Die Frage des bezahlten Freizeitausgleiches als Äquivalent fiir "geopferte" Freizeit steht damit fiir Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht. Des weiteren stellte ein bezahlter Freizeitausgleich fiir Aufsichtsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit praktisch eine Vergütung dieser Tätigkeit durch den ArbeitgeberNorstand dar. Dies ist schon deshalb unzulässig, weil die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Zahlung einer Vergütung fiir Aufsichtsratsarbeit bei der Hauptversammlung liegt. 92 Unter dem Gesichtspunkt der Schutznormen der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ergibt sich schließlich nichts anderes. Bei einem Vergleich der arbeitsrechtlichen Stellung zwischen Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat und den amtlosen Arbeitskollegen ist die Aufsichtsratstätigkeit der ersteren in der Freizeit wie jede zulässige Nebentätigkeit von Arbeitnehmern vÖllig unbeachtlich. 93 Sie hat ihre Rechtsgrundlage im gesellschaftsrechtlichen Anstellungsverhältnis zwischen Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft, und die Arbeitnehmer erbringen bei der Wahmahme der Amtsaufgaben keine ihrer Arbeitsleistung gleichstehende Leistung. Es handelt sich bei der Aufsichtsratsarbeit nicht um Tätigkeit, die grundsätzlich in der regulären Arbeitszeit auszuüben gewesen wäre. Somit werden die Aufsichtsrats-Arbeitnehmer weder unzulässig gegenüber ihren Arbeitskollegen benachteiligt, wenn sie keinen bezahlten Freizeitausgleich für ihre Amtstätigkeit vom Arbeitgeber erhalten; erst recht liegt hierin keine Benachteiligung gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner, für die ein bezahlter Freizeitausgleich schon gar nicht in Betracht kommt (man denke nur an Vorstandsmitglieder anderer Un91 Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 8 a. E. und 11 a. E.; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6; Hanau in Hanau!Uimer, MitbestG, § 26, Rn. 4; Mertens in Kötner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 6; siehe auch oben, I. , einfuhrende Darstellung vor 1. 92 Dazu ausfuhrlieh oben, I. 1. b) sowie I. 2. a), aa). 93 Dazu auch Natzel, DB 1965, S. 1429ff. (1434).
ll. Bezahlter Freizeitausgleich
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ternehmen, Politiker, pensionierte Aufsichtsratsmitglieder, die in keinem Dienstverhältnis mehr stehen). Noch kann die Verweigerung eines bezahlten Freizeitausgleiches als Störung oder Behinderung in der Ausübung des Aufsichtsratsamtes durch den Arbeitgeber verstanden werden: der Arbeitgeber ist weder verpflichtet noch auch nur berechtigt, diese Freizeit-Nebentätigkeit seiner Arbeitnehmer in irgendeiner Weise zu entlohnen. Ansprüche auf Zahlung eines fmanziellen Ausgleiches können sich nur gegen die juristische Person "Gesellschaft" nach Maßgabe der einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Regeln richten. Letztlich fehlt es schon an den Voraussetzungen des § 37 III BetrVG. Hierfür kommt es darauf an, daß die Amtstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt wurde. Aufsichtsratstätigkeit hat allerdings prinzipiell außerhalb der regulären Arbeitszeit stattzufmden (es sei denn, dies ist ausnahmsweise nicht möglich). Weder spielen die betrieblichen Gegebenheiten hierbei eine Rolle, noch darf überhaupt der Arbeitgeber Einfluß auf die Vornahme der Aufsichtsratstätigkeit nehmen können. Betriebliche Gegebenheiten finden grundsätzlich nicht einmal bei der Freistellung von Arbeitnehmern während der regulären Arbeitszeit zum Zwecke der Vornahme vorrangiger Aufsichtsratstätigkeit Beachtung: die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung entfällt wegen vorrangiger Aufsichtsratstätigkeit unabhängig vom Einverständnis des Arbeitgebers. Zusammenfassend ist ein Anspruch der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auf bezahlten Freizeitausgleich für Aufsichtsratstätigkeit, die sie in ihrer Freizeit vornehmen, abzulehnen.94
94 Dies ist so unbestritten, daß in der Literatur dazu kaum Auführungen gemacht werden, ausdrücklich nur Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 6: es bestehe kein Anspruch auf Freizeitausgleich entspr. § 37 III BetrVG, da kein Anspruch auf Vornahme der AR-Tätigkeit während der Arbeitszeit besteht. Andere äußern sich deshalb nicht zu dieser Frage, weil sie schon einen Anspruch auf Vergütung der ausgefallenen Arbeitszeit bzw. Ersatz des Lohnausfalles ablehnen; dann besteht erst recht kein Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich, so Henke, BB 1971, S. 571; Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band,§ 124, 3. (S. 616). Einige lehnen einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für den Fall ab, daß eine Vermögenseinbuße durch eine AR-Vergütung ausgeglichen wird. Da bei AR-Tätigkeit in der Freizeit von vornherein keine Vermögenseinbuße droht, ist diesen Ansichten in konsequenter Fortführung zu entnehmen, daß kein Anspruch aufbezahlten Freizeitausgleich bestehen soll, so Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6; Kirschner, DB 1971 , S. 2063ff. (2065); nicht ganz eindeutig Fitting/Kaiser/ Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 177 sowie Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 10.
2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
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111. Bezahlte Freistellung von der Arbeit zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen Unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, insbesondere wenn sie zum ersten Mal in den Aufsichtsrat gewählt wurden, verfügen häufig nicht im seihen Maße über Kenntnisse der Untemehmensführung, des Bilanz- und Rechnungswesens oder des Marktes wie die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner, die vielfach durch berufliche Tätigkeiten vorgebildet sind. Zum Ausgleich dieses Wissensdefizites bietet sich neben privatem Studium vor allem die Teilnahme an Schulungen und Weiterbildungskursen an. Dies wird vielfach von den Unternehmen gefördert, zum Beispiel durch die Vermittlung geeigneter Kurse, die Bezahlung der Teilnahmegebühren oder die Gewährung der Möglichkeit zur Arbeitszeitverschiebung, unter Umständen sogar der Arbeitsbefreiung. Begreift man diese Weiterbildung selbst als Aufsichtsratstätigkeit, könnte zum Zwecke des Besuches von Schulungsveranstaltungen ebenso ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung bestehen wie zum Zwecke der Erfüllung der regulären Amtsaufgaben. 1. Erforderlichkeif anfänglich vorhandener Mindestkenntnisse und -fähigkeiten der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer
Dies ausführend wird in der Literatur vertreten, daß die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Aufsichtsratstätigkeit nicht bereits bei Eintritt in das Amt mitbringen müßten, da die persönlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen für Arbeitnehmervertreter im Gesetz abschließend geregelt seien und dabei eine bestimmte fachliche Qualifikation gerade nicht enthalten sei. Weil aber ein Mindestmaß an Kenntnissen und Fähigkeiten für die Aufsichtsratstätigkeit unerläßlich sei, läge in der Weiterbildung während der Amtsperiode selbst erforderliche Aufsichtsratstätigkeit, für die ein Anspruch auf (bezahlte) Freistellung bestünde.95 § 100 AktG regelt als persönliche Wählbarkeltsvoraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder unter anderem das Erfordernis der natürlichen Person und unbeschränkten Geschäftsfähigkeit sowie die Unvereinbarkeit bestimmter Ämter oder beruflicher Positionen mit dem in Frage stehenden Aufsichtsratsamt Hinsichtlich weiterer persönlicher Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wird auf die einschlägigen Mitbestimmungsgesetze verwiesen, § 100 III AktG. Zu beachten sind zum Beispiel Alter und Dauer der Unternehmenszugehörigkeit (§§ 7 II MitbestG, 6 li MitbestErgG), Zugehörigkelten zur Gruppe der Arbeiter bzw. Angestellten(§§ 15 II MitbestG, 6 I Mon95
Kittner/Köstler/Zachert, S. 287, Rn. 645.
III. Bezahlte Freistellung fiir Schulungsveranstaltungen
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tan-MitbestG, 10 c II MitbestErgG, 76 II S. 3 BetrVG 1952), bestimmte berufliche Positionen (§ 6 II S. l MitbestG) oder Gewerkschaftszusammenhang (von den Gewerkschaften gestellte Aufsichtsratsmitglieder, §§ 7 II, IV MitbestG, 6 III Montan-MitbestG, 6 I, III MitbestErgG). Dies sind alles formelle persönliche Wählbarkeitsvoraussetzungen, eine generelle Regelung zur "Befähigung", zum Umfang notwendiger Kenntnisse oder beruflicher Bildung der Aufsichtsratsmitglieder existiert dagegen nicht. Lediglich für Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner in Kapitalanlagegesellschaften wird gemäß § 4 I KAGG gefordert, daß sie ihrer Persönlichkeit und ihrer Sachkunde nach die Wahrung der Interessen der Anteilsinhaber gewährleisten sollen. Dies wird mit dem hier höheren Kapitalverlustrisiko für die Anteilseigner begründet. Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (soweit sie nach BetrVG 1952 gewählt wurden) können und müssen nach § 4 II KAGG nicht über ein solches zusätzliches Spezialwissen verfügen. Daraus kann aber weder für den Anwendungsbereich des KAGG noch für die Arbeitnehmervertreter außerhalb des KAGG der Umkehrschluß gezogen werden, daß die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat keinerlei Mindestkenntnisse und -fähigkeiten für ihre Amtstätigkeit mitbringen bzw. haben müssen. Auch für die Vorstandsmitglieder sind lediglich formelle persönliche Wählbarkeitsvoraussetzungen geregelt, § 76 III AktG. Die intellektuelle Befähigung zum Vorstandsmitglied wird nur am Rande im Zusammenhang mit der Widerrufsmöglichkeit der Bestellung, § 84 III S. 2 AktG, erwähnt. Desgleichen finden sich im AktG keine Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner hinsichtlich einer Qualifikation. 96 Dennoch käme niemand auf die Idee, das Erfordernis einer schon anfänglich vorliegenden intellektuellen Befähigung der Vorstandsmitglieder bzw. der anteilseignergewählten Aufsichtsratsmitglieder in Zweifel zu ziehen. Vom ersten Tag der Amtsinhaberschaft sind die Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft zu sorgfältiger Amtswahrnehmung verpflichtet, unabhängig davon, ob sie neu in den Aufsichtsrat bestellt oder wiederbestellt wurden. Mindestens erforderlich sind daher Grundkenntnisse über die Stellung, Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsrates und seiner Mitglieder, über den Haftungsmaßstab und -umfang sowie über die speziellen aktienrechtlichen Straf- und Bußgeldtatbestände der§§ 399ff. AktG. Auch können die verantwortungsvollen Aufgaben des Aufsichtsrates bei der Mitverwaltung des Unternehmens nur erfüllt werden, wenn alle Aufsichtsratsmitglieder sachgerecht daran mitwirken97. Der Aufsichtsrat setzt sich unter anderem deshalb aus Vertretern ver-
96 Gern. § 100 IV AktG Möglichkeit der satzungsmäßigen Bestimmung persönlicher Wählbarkeitsvoraussetzungen, z. B. Staatsangehörigkeit, Aktionärseigenschaft 97 Hommelhoff, ZGR 1983, S. 55lff., (575).
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
schierlener Personengruppen zusammen, um die unterschiedlichen Interessen im Unternehmen in einem Gremium zusammenzuführen und einen alle befriedigenden Ausgleich fmden zu können. So, wie der berufliche Sachverstand oder bestimmtes Spezialwissen von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner der Unternehmensentwicklung zugute kommt, ist die selbstbewußte Repräsentierung der Belegschaftsinteressen für das Erkennen des Unternehmenswohles unverzichtbar. Deshalb müssen auch die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in der Lage sein, die Geschäftsvorgänge und die Berichte des Vorstandes zu beurteilen, anband dessen die Lage und Entwicklung des Unternehmens einzuschätzen und gegebenenfalls Maßnahmen einzuleiten. Auch hinsichtlich der Beurteilung der Arbeit der Vorstandsmitglieder, einer eventuellen Wiederbestellung oder vorzeitiger Amtsenthebung, außerdem auch hinsichtlich des Einschreitens bei der Verletzung von Geschäftsführungspflichten kommt es auf die Einschätzung jedes einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes an. 98 Für manche Aufgaben, zum Beispiel die Prüfung des Jahresabschlusses oder die Kontrolle des Vorstandes bei schwierigen Geschäftsvorgängen, ist es unter Umständen notwendig, sachverständigen Rat einzuholen. Einerseits dürfen aber wegen des Gebotes der höchstpersönlichen und eigenverantwortlichen Amtsausübung99 Sachverständige nicht generell zur Erfüllung der Amtsaufgaben, zum besseren Verständnis etwa, hinzugezogen werden; § 109 I S. 2 AktG beschränkt dies auf die Beratung über einzelne Gegenstände. Andererseits muß das Aufsichtsratsmitglied in der Lage sein, die Hinweise und Einschätzungen seiner Berater zu verstehen und selbständig zu bewerten. Die Entscheidungsfmdung darf nicht auf den Sachverständigen verlagert werden. Für eine verantwortungsbewußte und pflichtgemäße Aufsichtsratstätigkeit ist daher ein Mindestmaß an Kenntnissen und Fähigkeiten bei jedem Aufsichtsratsmitglied unabdingbar. 100 Dieses Mindestmaß von Kenntnissen und Fähigkeiten über die Aufsichtsratstätigkeit muß richtigerweise bereits beim Amtsantritt vorhanden sein, weil sich nur so das zukünftige Aufsichtsratsmitglied der Tragweite der Entscheidung zur Amtsübernahme bewußt sein kann. 101 Eine Berufung auf anfanglieh fehlende Kenntnisse kann nicht generell zu einer Entlastung wegen Amtspflichtwidrigkeiten führen. 102 Andernfalls beSo auch Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116 AktG, Rn. 7, 13-16. Siehe oben, strenges Delegations- und Vertretungsverbot, I. I. a). 100 BGH v. 15. 11. 1982, "Hertie"; BGHZ 85, S. 293ff. (95f.). 101 Dafür ausdrücklich Potthoff!frescher, Das AR-Mitglied, 5. Kapitel, III. 3. a. (4), (S. 79f.). 102 I. E. so Hoffinann, Der AR, S. 124, Rn. 449; Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 10; Potthoff/Trescher, ebda., (1), (S. 78); Hommelhoff, ZGR 1983, S. 551fT. (575f); mit Einschränkungen zu Spezialwissen Hanau in Hanau/Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 7; uneindeutig GeBier in GeBier/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 100, Anm. 30, § 116, Anm. 12, der die Berufung darauf zuläßt, nicht schuldhaft ge98 99
III. Bezahlte Freistellung für Schulungsveranstaltungen
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stünde kein Anreiz, sich fortzubilden: je weniger Kenntnisse, um so geringere Haftung. Darin läge auch eine ungerechtfertigte Bevorzugung der neugewählten, weniger erfahfenen Aufsichtsratsmitglieder gegenüber den wiedergewählten Aufsichtsratsmitgliedern. 103 Schon im eigenen Interesse müssen Arbeitnehmer, die sich in das Aufsichtsratsamt wählen lassen, die erforderliche fachliche (Mindest-) Qualifikation mitbringen oder schnellstens erlangen, um von Anfang an ihr Amt pflichtgemäß auszuüben. 104 Andernfalls hätte es erst gar nicht zum Eintritt in den Aufsichtsrat kommen dürfen (Übernahmeverschulden105) bzw. entsteht die Pflicht, das Amt aus wichtigem Grund (z. B. nunmehr erkanntes Unvermögen) vorzeitig niederzulegen 106. Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Wählbarkeitsvoraussetzung für Arbeitnehmer, wie etwa "Befähigung zum Aufsichtsratsamt", kann folglich nicht darauf geschlossen werden, daß eine gewisse Anfangsqualifikation nicht erforderlich sei und daß es ausreiche, die benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten während der Amtszeit irgendwann zu erwerben. Es ist diesbezüglich nichts gesetzlich geregelt, weil die Aufführung solcher unbestimmter Rechtsbegriffe im Gesetzestext überflüssig wäre und rein deklaratorisch: das Erfordernis der fachlichen Qualifikation zur Amtstätigkeit ergibt sich entsprechend dem oben Gesagten bereits aus der Bedeutung des Aufsichtsratsamtes. 107 Selbst, wenn man dafür eintritt, daß sich Arbeitnehmer generell erst während der begonnenen Amtsperiode weiterbilden müssen, ist damit noch nicht die weitergehende Frage beantwortet, ob diese Weiterbildung selbst als Aufsichtsratstätigkeit des Arbeitnehmers anzusehen ist, für die eventuell ein Freistellungsanspruchbestehen kann. 108 Hierfür ist zunächst zu bedenken, daß bei der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner deren Befähigung zum Aufsichtsratsamt, nachgewiesen durch die berufliche Entwicklung und Position, häufig ein entscheidendes Auswahlkriterium ist. Diese Anfangsqualifikation stellt sich als eine handelt zu haben, weil trotz gewisser wirtschaftlicher Grundkenntnisse die im Einzelfall erforderlichen Spezialkenntnisse fehlten. 103 Ausdrücklich Henke, BB 1971, S. 571. 104 Hoffmann, Der AR, S. 124, R. 449; dafiir auch Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 7; i. E. auch Hoffinann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn.IO: 'keine Sonderbehandlung wegen mangelnder beruflicher Erfahrung gerechtfertigt'. 105 So Potthoffffrescher, Das AR-Mitglied, 5. Kapitel, II. 3. a. (4) sowie b. (1), (S. 79ff.). 106 Vorzeitige Niederlegung aus wichtigem Grund jedenfalls zulässig, vgl. z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 103, Rn. 56; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 102, Anm. 6; Hoffinann, Der AR, S. 151f., Rn. 719, 720. 107 So Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 100, Rn. 9, § 116, Rn. 6ff.; Geßler in Geßler/Hefermehi/Eckardt/K.ropff, AktG, § 100, Anm. 30. 108 Ähnlich auch Faude, DB 1983, S. 2249ff. (2249). 8 Jacklofsky
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
Art Vorleistung des Amtsbewerbers dar, ohne die er das Aufsichtsratsamt in der Regel gar nicht angetragen erhält. In Anbetracht des Gleichbehandlungsgrundsatzes hinsichtlich aller Aufsichtsratsmitglieder erscheint es als eine sachlich schlecht begründbare Bevorzugung der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat, wenn die Erlangung der erforderlichen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten für das Aufsichtsratsamt in ihrem Fall als Aufsichtsratstätigkeit mit eventuellen Freistellungsanprüchen gegen ihren Arbeitnehmer eingestuft wird. 109 Die Rechtsprechung des BGH zur Hinzuziehung von Sachverständigen110 trägt entgegen der oben erwähnten Ansicht zur Klärung der hier aufgeworfenen Frage auch nichts bei. Diese Entscheidung bestätigt nur das Gebot der selbständigen und eigenverantwortlichen Amtsausübung. Selbst, wenn zur Beratung (nicht: Verlagerung der Entscheidung) über einzelne Gegenstände Sachverständige oder andere Auskunftspersonen hinzugezogen werden, muß dennoch das Aufsichtsratsmitglied eine entscheidende und beherrschende Position innehaben. Dies setzt mit den Worten des BGH voraus, "daß ein Aufsichtsratsmitglied diejenigen Mindestkenntnisse und -fahigkeiten besitzen oder sich aneignen muß, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können". Dagegen äußert sich der BGH weder in der Weise, daß diese Mindestqualifikation erst während der Aufsichtsratstätigkeit erlangt zu werden braucht, noch daß die Fortbildung zum Zwecke der Erlangung solcher Qualifikation selbst Aufsichtsratstätigkeit mit der Folge eventueller Freistellungsansprüche darstellt. Des weiteren spreche für die Bejahung bezahlter Freistellung zur Schulungsteilnahme, daß die in den Unternehmen übliche Praxis, freiwillig eigene Schulungskurse durchzuführen, tendenziell das Absichern der bestehenden Herrschaftsverhältnisse und die Ausbootung gewerkschaftlicher Schulungen zum Ziel habe. 111 Abgesehen davon, daß dies kein sachliches Argument zum - hinsichtlich des Freistellungsanspruches wegen erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit - entscheidenden Punkt darstellt, ob denn die Erlangung der erforderlichen Quali-
109 So Henke, BB 1971, S. 571 mit Hinweis auf das Benachteiligungsverbot; dazu vertreten z. B. Hoffmann, Der AR, S. 124, Rn. 449: AN werden gewählt, weil sie sich schon als qualifiziert erwiesen haben; dafür tritt auch Hanau in Hanau!Uimer, MitbestG, § 26, Rn. 7 ein; ausdrücklich Hornmethoff in ZGR 1983, S. 55lff. (574) mit Verweis auf das "Hertie"-Urteil des BGH (BGHZ 85, S. 293ff., s. o.): über unternehmensunabhängige Mindestkenntnisse und -fahigkeiten muß das ARM bereits bei Amtsübernahme verfügen; dies gilt insbs. für Arbeitnehmervertreter. 11 Kittner/Köstler/Zachert, S. 287, Rn. 645 mit Bezug aufBGH "Hertie", ebda. 111 Kittner/Köstler/Zachert, S. 284, Rn. 642.
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III. Bezahlte Freistellung für Schulungsveranstaltungen
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fikation überhaupt Aufsichtsratstätigkeit ist, wird hierbei die unternehmenspolitische Realität zu einseitig dargestellt. Sowohl unternehmenseigene als auch gewerkschaftliche Schulungen haben ihre speziellen Schwerpunkte und Gewichtungen bei der Wissensvermittlung. Es wäre uneinsichtig, sich der Erkenntnis zu verschließen, daß es heute mehr als je zuvor auch den Gewerkschaften um die Absicherung ihres Einflusses geht und sie dazu genauso ihre Schulungsveranstaltungen benutzen wie die Arbeitgeberverbände und Unternehmen die ihren. Die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sind aber weder Anteilseignervertreter noch Entsandte der Gewerkschaften. 112 Sie repräsentieren die Belegschaft, die speziellen Interessen des produzierenden Teils des Unternehmens. Im übrigen sind sie bei gleicher Rechts- und Pflichtenstellung eines jeden Aufsichtsratsmitgliedes primär an das Unternehmenswohl gebunden. Dies muß Grundlage jeder Wissensaneignung und -Verarbeitung sein. Den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer muß diesbezüglich Selbstbewußtsein und eigenständiges Entscheiden zugetraut sowie abverlangt werden. In diesem Zusammenhang ist schließlich erneut darauf hinzuweisen, daß viele Arbeitnehmer ihre Aufsichtsratsvergütung teilweise an die HansBöckler-Stiftung abführen, die selbst Träger zahlreicher Schulungsveranstaltungen ist. Die Unternehmen finanzieren über diesen Teil der Aufsichtsratsvergütung die gewerkschaftlich getragenen Schulungen gleichsam mit. Ein zusätzlicher Anspruch der Arbeitnehmer-Aufsichtsräte auf bezahlte Freistellung zur Teilnahme an Schulungen würde faktisch zu einer doppelten Belastung des Unternehmens hinsichtlich der Qualifizierung eines Teiles seiner Aufsichtsräte führen und ist daher abzulehnen. 113
Anders liegt der Fall nur, wenn für bestimmte Aufsichtsratstätigkeiten Spezialwissen erforderlich ist. Solches ist häufig nicht allein durch Selbststudium, sondern nur durch kundige Vermittlung von Fachkräften zu erlangen, bei der Nachfragen und Diskussionen praktischer Probleme möglich sind. Entscheidet insbesondere der Aufsichtsrat selbst über die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern zu solchen Veranstaltungen, findet der Schulungsbesuch quasi im Auftrag des Gesamtorgans, damit in Ausübung des Aufsichtsratsamtes statt. Hier kann von Aufsichtsratstätigkeit gesprochen werden, für die nach obengenannten Grundsätzen Arbeitsbefreiung in erforderlichem Umfang eintritt. 114 112 Schließlich gibt es ja im Aufsichtsrat die speziellen Gewerkschaftsvertreter gemäß den Mitbestimmungsgesetzen; der Unterschied zwischen den von der Belegschaft des Unternehmens gestellten ARM sowie denjenigen, die von den Gewerkschaften bestellt werden, darf nicht verwischt werden. 113 Faude, DB 1983, S. 2249ff. (2249). 114 Dafür Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 7, der sogar einen Anspruch auf bezahlte Freistellung bejaht; ebenso Dietz/Richardi, BetrVG, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 175, wenn keine AR-Vergütung gezahlt wird; für einen Schulungs-
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
Ein Anspruch auf Weiterzahlung des Lohnes besteht allerdings entsprechend dem oben Dargestellten 115 nicht. 2. Vergleichende Betrachtung zum Schulungsanspruch nach § 37 VI BetrVG
Die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen zum Zwecke der Erwerbs der nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten fiir das Aufsichtsratsamt bietet sich aus mehreren Gründen an: komprimierte Wissensvermittlung mit der Möglichkeit der Nachfrage, qualifiziertes Lehrpersonal, durchorganisiertes Schulungsprogranun usw. Aus den gleichen Gründen hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des BetrVG mit § 37 VI BetrVG 116 festgeschrieben, daß die Betriebsratsmitglieder Schulungen und Weiterbildungskurse besuchen sollen, um das nötige Wissen fiir die Betriebsratsarbeit zu erlangen und nicht verpflichtet sind, sich die erforderlichen Kenntnisse durch Selbststudium anzueignen. Aufgrund der Ehrenamtlichkeit der Betriebsratstätigkeit (§ 37 I BetrVG) und der umfassenden Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 I BetrVG findet diese Weiterbildung grundsätzlich während der Arbeitszeit des Betriebsratsmitgliedes und ohne Lohneinbuße statt; - gemäß § 37 VI, 40 I BetrVG ist der Arbeitgeber zu bezahlter Freistellung der Betriebsratsmitglieder117 sowie zur vollständigen Übernahme der Kosten fiir die Schulungsteilnahme und -materialien verpflichtet. Die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer haben ihre Amtstätigkeit dagegen grundsätzlich außerhalb und neben ihrer beruflichen Tätigkeit auszuüben. Eine Arbeitsbefreiung zum Zwecke der Erfüllung von Aufsichtsratsaufgaben tritt nur ein, wenn und soweit diese Amtstätigkeit nicht anders als in der regulären Arbeitszeit vorgenonunen werden kann. Dies zielt insbesondere auf die Teilnahme an den Hauptversanunlungen, den Aufsichtsrats- und Ausschußsitzungen, die häufig während der allgemein anspruch - allerdings als Anspruch gegen das Unternehmen- auch Säcker, NJW 1979,
s. l52lff. (1526).
115 Siehe oben: in Betracht kommt lediglich die Kostenübernahme durch die Gesellschaft im Wege des Aufwendungsersatzes für AR-Tätigkeit (Fn. 73). 116 In BetrVG 1952 dazu noch keine Regelung; allerdings wurde die Schulungsteilnahme teilweise als erforderliche SR-Arbeit iSv. § 37 III BetrVG 1952 anerkannt; vgl. dazu z. B. Fitting!Kraegelohl Auffarth, BetrVG 1952, (8. Aufl.); § 37, Rn. 17. 117 Träger des Schulungsanspruches nach § 37 VI BetrVG ist zunächst das Kollektivorgan BR, durch Beschluß des BR über das zur Schulung zu entsendende Mitglied wandelt er sich in einen individuellen Anspruch des auserwählten BRM auf Schulungsteilnahme und entsprechende bezahlte Arbeitsbefreiung, vgl. nur Fitting/Kaiser/ Heither/Engels, BetrVG, § 37, Rn. 130, 187;
III. Bezahlte Freistellung für Schulungsveranstaltungen
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üblichen Arbeitszeit stattfinden und wohl kaum wegen eventuell kollidierender beruflicher Verpflichtungen einzelner Aufsichtsratsmitglieder verschoben werden. Die Pflicht zur Arbeitsleistung hindert dagegen nicht prinzipiell an eigener Weiterbildung. Wenn die Arbeitnehmervertreter über die erforderlichen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten fiir das Aufsichtsratsamt nicht sowieso schon bei Amtsantritt verfügen, können sie trotz bzw. neben ihrer beruflichen Tätigkeit an Wochenendschulungen und Abendkursen teilnehmen oder sich in der Freizeit durch Selbststudium weiterbilden. Die Schulungsteilnahme ist im Gegensatz zu den Betriebsratsmitgliedern jedenfalls nicht der gesetzlich vorgegebene Weg, sondern lediglich eine Art der Kenntniserlangung. 118 Auch stehen Gesetzeszweck und systematischer Zusammenhang des § 37 VI BetrVG einer Anwendung des § 37 VI BetrVG auf die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat entgegen. § 37 VI BetrVG steht im Kontext zu§ 37 I BetrVG (unentgeltliches Ehrenamt, grundsätzlich auszuüben in der Arbeitszeit) sowie § 40 I BetrVG (weitreichende Kostentragungspflicht des Arbeitgebers) und kann nicht isoliert davon auf die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer übertragen werden, die dieses Nebenamt häufig entgeltlich, grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit und unabhängig von Einflüssen oder Mitwirkungen des Arbeitgebers ausüben. 119 Darüber hinaus ist § 37 VI BetrVG auch deshalb nicht auf den Aufsichtsrat zu übertragen, weil es sich im Rahmen der Betriebsverfassung primär um einen kollektiven Schulungsanspruch des Betriebsrates handelt. Der Betriebsrat entscheidet als Gremium per Beschluß, welche Betriebsratsmitglieder in welchem Umfang worüber zu schulen sind. Das Zusatzwissen der geschulten Betriebsratsmitglieder kommt dem gesamten Betriebsrat zugute. Die Interessen der Mitglieder des Betriebsrates sind prinzipiell gleichgerichtet. So stellt sich der individuelle Anspruch des ausgewählten Betriebsratsmitgliedes auf Schulungsteilnahme und bezahlte Freistellung als praktische Umsetzung des kollektiven Rechts des Betriebsrates auf umfassende Ausstattung mit Wissen dar. Demgegenüber fließen im Aufsichtsrat die unterschiedlichsten Interessen der Gruppierungen zusammen, die im und am Unternehmen beteiligt und daher berechtigt sind, Vertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden. Angesichts dieser Interessen- und Meinungsvielfalt dürfte die praktische Handhabung eines kollektiven Schulungsanspruches des Aufsichtsrates schwierig werden. Schon die Auswahl einzelner Aufsichtsratsmitglieder fiir die Schulung könnte beständig den Vorwurf der Benachteiligung der nichtausgewählten Gruppe entstehen lassen. Selbst unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer könnten Meinungsverschiedenheiten über die Erforderlichkeit einer unterSo auch Henke, BB 1971, S. 571; Faude, DB 1983, S. 2249ff. (2250). Ähnlich Hoffmann, Der AR, S. 123, Rn. 447; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 7; Faude, DB 1983, S. 2249, (2250f.). 118
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
nehmensseitig organisierten Schulung der Arbeitnehmer entstehen, ganz zu schweigen von einer positiven Einstellung der Anteilseignervertreter zur Teilnahme der Arbeitnehmervertreter an gewerkschaftlich organisierten Kursen. Schließlich käme ein Freistellungsanspruch für die Schulungsteilnahme überhaupt nur für die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in Betracht; für alle anderen Aufsichtsratsmitglieder stellte sich diese Frage gar nicht. 120 Den Aufsichtsratsmitgliedern von vornherein einen individuellen Schulungsanspruch121 ohne das Erfordernis einer Beschlußfassung in Aufsichtsrat zuzusprechen, käme gleichfalls lediglich den unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern, den Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat, zugute. Sie müßten nicht, obwohl möglich und zumutbar, ihre Freizeit zur eigenen Weiterbildung einsetzen, sondern könnten dies auf Kosten ihrer hauptberuflichen Tätigkeit tun; - eine Besserstellung, die unter dem Gesichtspunkt der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung aller Aufsichtsratsmitglieder nicht gerechtfertigt ist. Die zahlreichen ungenutzt gebliebenen Gelegenheiten zur gesetzlichen Regelung eines Freistellungsanspruches lassen im übrigen darauf schließen, daß der Gesetzgeber für die Arbeitnehmervertreter einen dem§ 37 VI BetrVG vergleichbaren Freistellungs- und Schulungsanspruch schlichtweg nicht erschaffen wollte. Weder wurde aus Anlaß der Neufassung des BetrVG und der erstmaligen Formulierung des § 37 VI BetrVG oder bei der Gestaltung des MitbestG ein gleichgelagerter Anspruch für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat geregelt, noch erfolgte dergleichen bei Gelegenheit der Gesetzesänderungen zum MitbestG oder der Einführung eines weiteren Beteiligungsgesetzes, des SprAuG. Diese Untätigkeit des Gesetzgebers kann auch nicht damit begründet werden, daß er nicht unbedingt einen Kostenübernahme- und Freistellungsanspruch der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat habe regeln müssen, da ja mit §§ 670, 675 BGB eine ausreichende Rechtsgrundlage hierfür zur Verfügung stünde. 122 Der Anspruch aus §§ 670, 675 BGB ist ein Anspruch des Aufsichtsratsmitgliedes aus dem Anstellungsverhältnis gegen die Gesellschaft und ersetzt solche Aufwendungen, die das Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner Amtstätigkeit erbracht hat und für erforderlich halten durfte. Eine Lohneinbuße (unter Umständen auch ersatzfahig über §§ 670, 675 BGB) ensteht dem Arbeitnehmer wegen der eigenen Weiterbildung aber nicht, da er dies in der Freizeit zu betreiben hat. Vor allem kann der Anspruch aus §§ 670, 675 BGB aus dem Anstellungsverhältnis gegen die Gesellschaft, also ein rein gesellDiesen Unterschied zeigt ausführlich Faude auf, DB 1983, S. 2249ff. (2251 ). So Reich/Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff. (366), Kittner/Köstler/Zachert, S. 288, Rn. 645 a. E. 122 Kittner/Köstler/Zachert, S. 284f., Rn. 642. 120 121
III. Bezahlte Freistellung fiir Schulungsveranstaltungen
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schaftsrechtlicher Anspruch, nicht eine Arbeitsbefreiung im Arbeitsverhältnis gegen den Arbeitgeber begründen, das heißt ein mit dem Anstellungsverhältnis grundsätzlich in keinem Zusammenhang stehendes Rechtsverhältnis stören.t23 Insgesamt ist damit festzustellen, daß die Regelung des § 37 VI BetrVG weder ihrem systematischen Zusammenhang noch ihrer gesetzgebensehen Intention nach auf Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat angewendet werden kann.
3. Heranziehung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG Die Versagung eines Freistellungsanspruches zugunsten der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat fiir die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen hat auch angesichts des Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbotes der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG Bestand: Die Pflicht zur Arbeitsleistung hindert nicht prinzipiell und nicht gezielt die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat daran, sich die nötigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten zu verschaffen. Sie unterliegen lediglich der Doppelbelastung von beruflicher Tätigkeit und Amtstätigkeit, die auch fiir die anteilseignerbestellten Aufsichtsratsmitglieder gilt. Daß sie fiir ihre Nebentätigkeit 'Aufsichtsratsamt' Freizeit einsetzen müssen, kann nicht als Störung oder Behinderung in der Ausübung ihrer Amtstätigkeit angesehen werden. 124 Das Erfordernis einer gewissen fachlichen Mindestqualifikation fiir die Aufsichtsratstätigkeit besteht im übrigen für die Anteilseignervertreter wie fiir die Arbeitnehmervertreter gleichermaßen. Erstere profitieren zugegebenermaßen häufig von ihrer beruflichen Tätigkeit in den Leitungsebenen des Unternehmens, durch die sie die nötigen Kenntnisse für das Aufsichtsratsamt von 123 Gegen die entsprechende Anwendung des§ 37 VI BetrVG, teilweise unter Verweis auf das bewußte SChweigen des Gesetzgebers Fitting!Wiotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. I I; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 7, 6; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 6 (anders noch in der I. Auflage, Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 96, Rn. 89: § 37 VI BetrVG als allgemeiner Rechtsgedanke); Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 175; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 127; Faude, DB 1983, S. 2249ff. (2250f.); Henke, BB 1971 , S. 571 entsprechend fiir den § 37 III BetrVG 1952; i. E. auch Hoffinann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 10 sowie Fitting!Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG I952, Rn. 177; a. A.: Reich/Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff. (365f.); gegen bewußtes Schweigen des Gesetzgebers wegen der §§ 670, 675 BGB Kittner/Köstler/Zachert, S. 285, Rn. 642. 124 Siehe schon oben, I., 2. c); hierzu ebenso Faude, DB 1983, S. 2249ff., (2249f.); Hoffinann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 10.
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2. Kap.: Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche
vomherein mitbringen. Diesen Vorteil haben sie sich allerdings selbst erarbeitet; durch Studium, berufliche Tätigkeit und Karriere, und damit also auch außerhalb ihrer Aufsichtsratstätigkeit Auch wenn es für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat schwieriger als für die Anteilseignervertreter ist, so ist doch die Erlangung der erforderlichen Mindestkenntnisse und -fahigkeiten zuallererst Sache jedes einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes. Indem man den Arbeitnehmern einen Freistellungsanspruch für die Teilnahme an Schulungen verwehrt, behandelt man sie gerade genauso wie die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner, für die ein solcher Freistellungsanspruch von vomherein nicht in Betracht kommt. Von einer Benachteiligung der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat kann daher auch keine Rede sein. 125 Außerdem würde es der Schutzaussage der§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG geradezu widersprechen, wenn das Unternehmen, respektive der Arbeitgeber, selbst die Verantwortung und Kosten für die Aufsichtsratsausbildung der Arbeitnehmer trüge und damit Einfluß auf die Arbeitnehmennitbestimmung ausüben könnte. 126
4. Zusammenfassung
Die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Teilnahme an Schulungen für die Aufsichtsratstätigkeit. 127 Die eigene Weiterbildung muß nicht notwendig in der regulären Arbeitszeit stattfmden. Auch handelt es sich dabei nicht um Aufsichtsratstätigkeit im eigentlichen Sinne, die unter bestimmten Voraussetzungen als vorrangig gegenüber der Erfüllung der Arbeitsvertragspflichten angesehen wird. Eine - auch nur sinngemäße - Anwendung des § 37 VI BetrVG auf die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer scheidet daher aus. Faude, ebda., S. 2250,2252 sowie Henke, BB 1971, S. 571. Faude, DB 1983, S. 2249ff., (2251) sowie Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6. 127 Dafiir Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 7; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. ll; Hoffinann!Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 10; Fitting/Kaiser/ Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 177; Mertens in Kötner Komm. zum AktG, Anl. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 6 (anders noch l. Aufl., Anl. § 96, Rn. 89); Faude, DB 1983, S. 2249ff.; Hachenburg/Raiser, GmbHG, § 52, Rn. 239 fiir die mitbestimmte GmbH; Henke, BB 1971, S. 571; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 127; generell gegen jeglichen Freistellungsanspruch fiir AR-Tätigkeit Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band, § 124 11. 3. (S. 616); grds. gegen Freistellungsanspruch, allerdings einschränkend fiir Schulungen, die nötiges Spezialwissen vermitteln (dann bezahlte Freistellung) Hanau in Hanau/Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 7. A. A. Reich/Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff. (366); Kittner/Köstler/Zachert, S. 284, Rn. 642, S. 286ff., Rn. 645; Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 175 fiir Freistellungsanspruch, soweit Schulung notwendig ist, um Funktion als ARM sachgemäß ausüben zu können; Lohnanspruch abhängig von der Zahlung einer AR-Vergütung. 125
126 Ebenso
III. Bezahlte Freistellung für Schulungsveranstaltungen
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In der Versagung eines Freistellungsanspruches liegt auch keine Behinderung der Arbeitnehmer in der Ausübung der Aufsichtsratstätigkeit oder gar Benachteiligung wegen ihrer Amtstätigkeit im Sinne der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG. Vielmehr wird dadurch dem Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich aller Aufsichtsratsmitglieder gerade Rechnung getragen. Desungeachtet sind Freistellungen im gegenseitigen Einvernehmen zur Teilnahme an Aufsichtsratsschulungen möglich und sehr empfehlenswert. Die Unternehmen sind gut beraten, wenn sie den Weiterbildungswillen und das Engagement der Arbeitnehmer für ihr Aufsichtsratsamt unterstützen und ihnen die Teilnahme an - eigenen oder auch gewerkschaftlich getragenen Schulungsveranstaltungen ermöglichen. 128
128 Anschließend an die Einschätzung von Faude, ebda., S. 2252 oder auch Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 3 sieht darin eine zulässige Begünstigung, sachlich gerechtfertigte Sonderregelung.
Drittes Kapitel
Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht Die doppelte Rechts- und Pflichtenstellung der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat tritt besonders deutlich während eines Streikes in ihrem Unternehmen hervor. Einerseits sind sie als Organmitglieder der Gesellschaft zu Treue und Loyalität verpflichtet und als solche gehalten, in Arbeitskämpfen die Position der Gesellschaft/des Arbeitgebers zu stärken. Andererseits gehören sie ihrer arbeitsrechtlichen Stellung nach zur Belegschaft, dem "Kampfgegner" der Gesellschaft. Bedenken des Vorstandes im Hinblick auf die Weitergabe von Informationen über Gegenmaßnahmen oder Verhandlungsstrategien an den Aufsichtsrat und damit an die Arbeitnehmervertreter erscheinen nahezu unvermeidlich. Auch könnte der Streik und insbesondere die Teilnahme der Arbeitnehmervertreter am Streik zu einer Frontenbildung auch im Aufsichtsrat führen und die Zusammenarbeit der Aufsichtsratsmitglieder beeinträchtigen. Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen Streikgeschehen im Unternehmen und Mitgliedschaft der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gestaltet: ob also das Aufsichtsratsamt der Arbeitnehmer ungeachtet des Streikes oder sogar ihrer eigenen Streikteilnahme (unverändert?) fortbesteht und/oder ob angesichts gleichbleibender amtlicher Rechts- und Pflichtenstellung das Recht des Arbeitnehmervertreters zur Streikteilnahme ausgeschlossen oder eingeschränkt ist.
I. Rechtmäßige Streiks 1. Erlöschen, Ruhen oder Suspendierung des Aufsichtsratsamtes der Arbeitnehmer während eines Streikes
a) Erlöschen des Amtes infolge der Streikteilnahme
Durch die Arbeitsniederlegung im Rahmen eines rechtmäßigen Streikes erklärt der Arbeitnehmer konkludent seine Teilnahme am Streik. 1 Dadurch wer1 So stellt sich ein solches Verhalten jedenfalls aus Sicht des AG dar; unterbleibt die Erbringung der Arbeitsleistung aus einem anderen Grund, z. B. wegen Inanspruch-
I. Rechtmäßige Streiks
123
den bis zur Beendigung der Streikteilnahme in Form der Wiederaufnahme der Arbeit die gegenseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitgebers (Lohnzahlungspflicht) sowie des Arbeitnehmers (Erbringung der Arbeitsleistung) außer Kraft gesetzt, suspendiert. Das Arbeitsverhältnis als solches bleibt bestehen, ebenso bestimmte arbeitsvertragliche Nebenpflichten, die nicht unmittelbar mit den Hauptleistungspflichten zusammenhängen. Damit sind die Streikenden weiterhin Arbeitnehmer des Unternehmens. Nichts anderes gilt für die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat Sie bleiben trotz einer Streikteilnahme unternehmenszugehörig (als Arbeitnehmer). Damit liegt für ihre Person weiterhin die persönliche Voraussetzung der Wählbarkeit zum Aufsichtsratsmitglied (§§ 6 I Montan-MitbestG; 6 I, II MitbestErgG; 7 II, III MitbestG; 76 II S. 2, 3 BetrVG 1952) sowie der fortwährenden Amtsinhaberschaft (direkt/analog gemäß §§ 10 n I MitbestErgG, 24 I MitbestG2) vor. Ihre Streikteilnahme führt folglich nicht zum Erlöschen des Aufsichtsratsamtes. Nach einhelliger Meinung ist auch eine lösende Aussperrung von Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat nicht zulässig3 : abgesehen davon, daß lösende Aussperrungen in der Regel nicht im Interesse des Arbeitgebers liegen und daß sie nur in den seltensten Fällen als verhältnismäßig anzusehen wären, stellte die Möglichkeit des Arbeitgebers (personifiziert in den Vorstandsmitgliedern), sich gerade in Krisenzeiten unbequemer Überwacher zu entledigen, die noch dazu Einfluß auf seine Wiederbestellung haben, eine Gefahr für die Unabhängigkeit dieser Aufsichtsratsmitglieder sowie insgesamt für die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates dar. b) Ruhen des Amtes während des Streikes
Für ein Ruhen der Aufsichtsratsmitgliedschaft des Arbeitnehmers unabhängig von seiner eigenen Streikteilnahme für die gesamte Zeit des Streikes im Unternehmen4 könnte allerdings sprechen, daß auf diese Weise ein Mißbrauch der Aufsichtsratsstellung durch die Arbeitnehmervertreter im Arbeitskampf
nahme eines gesetzlichen Feiertages, wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfahigkeit, muß der AN dies deutlich machen. Zu den Voraussetzungen eines rechtmäßigen Streiks siehe z. B. die ausführliche Darstellung bei Löwisch/Rieb1e, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, II. A.- D., (S. 64ff.), außerdem unten, Il. 2 Siehe dazu Viertes Kapitel, I., insbesondere 2. 3 Grundlegend BAG GS., Beschl. v. 21. 4. 1971, AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf= NJW 1971, S. 1668ff. (1671); z. B. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 24, Rn. 7; Hoffinann/Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 29, Rn. 24; Hanau in Hanau!Uimer, MitbestG, § 26, Rn. 25; Dietz!Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 182; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 136. 4 So vertreten von Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 116, Anm. 9.
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
von vornherein ausgeschlossen wäre und daß die Anteilseignervertreter und Vorstandsmitglieder nicht auch noch im Aufsichtsrat den "Kampfgegner" vorfinden würden. Ferner könnten Interessenkollisionen zwischen Amt und Arbeitnehmerstellung bei den Arbeitnehmervertretern erst gar nicht entstehen. Schließlich ließe sich auch argumentieren, daß die Grundlage der Mitbestimmung, der Ausgleich (bzw. wenigstens die Möglichkeit eines Ausgleiches) der Interessen von Kapital und Arbeit zum Wohl des gesamten Unternehmens, während eines Streikes nicht mehr vorhanden sei. 5 (1) Dem Gedanken, Amtsmißbrauch auszuschließen, ist entgegenzuhalten, daß die Gefahr rechtsmißbräuchlicher Ausnutzung der Amtsbefugnisse prinzipiell immer und nicht nur während eines Streikes gegeben ist; - konsequenterweise müßte unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Mißbrauches der Amtsbefugnisse durch die Arbeitnehmervertreter deren gesamte gleichberechtigte Mitgliedschaft im Aufsichtsrat in Frage gestellt werden. An der grundsätzlich gleichen Rechts- und Pflichtenstellung aller Aufsichtsratsmitglieder unabhängig ihrer Bänkezugehörigkeit ist allerdings angesichts der diesbezüglichen eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers6 sowie der unzweideutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu rütteln. 7 Die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern aus verschiedenen Personengruppen - Anteilseignern, Arbeitnehmerschaft, Gewerkschaften, Öffentlichkeit, Politik - hat zum Ziel, die zahlreichen Interessen im und am Unternehmen im Aufsichtsrat miteinander zu konfrontieren und in den dortigen Willensbildungsprozeß miteinzubeziehen. Das Bindeglied der differierenden Interessen und Belange ist der gemeinsame Auftrag und Wille der genannten Personengruppen, dem Unternehmenswohl förderlich zu sein. Diesbezüglich sind alle Aufsichtsratsmitglieder unabhängig von ihrer Repräsentierungsfunktion der Gesellschaft bei der Wahmehmung der organschaftliehen Funktionen zu unbedingter Loyalität und Treue ohne Rücksicht auf eigene oder Interessen Dritter verpflichtet. 8 Als Reaktionsmöglichkeiten auf Amtspflichtverletzungen, wie zum Beispiel unzulässige Ausnutzung von Amtsbefugnissen oder Verwertung von Amtskenntnissen, kommen eine vorzeitige Amtsenthebung durch den jeweiligen Wahlkörper bzw. durch das Gericht auf Antrag des Gesamtaufsichtsrates oder die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Auf-
5 Meyer-Landrut,
ebda. Ausdriicklich in §§ 4 III Montan-MitbestG, 5 IV MitbestErgG; Verweis in § 77 I S. 2 BetrVG 1952, § 6 II MitbestG auf die einschlägigen Normen des AktG; i. ü. schon Ausführungen hierzu in der Einleitung, II. 3. d) und e). 7 Vgl. die Angaben in der Fn. 90 der Einleitung. 8 Vgl. hier nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 23, 27f., i. e. dazu unten, 2. c). 6
I. Rechtmäßige Streiks
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sichtsratsmitglieder gern. §§ 116, 93 und 117 AktG9 in Betracht. Nirgendwo im Gesetz ist dagegen ein automatisches Ruhen der Amtsstellung oder gar der Amtsverlust vorgesehen. Selbst die persönliche Unfahigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes zur Amtsführung (wegen Interessenkollisionen, mangelnder Eignung) beendet oder suspendiert sein Aufsichtsratsamt nicht. Es bedarf hierfür einer ausdrücklichen Amtsniederlegung. 10 Erst recht kann das Aufsichtsratsamt der Arbeitnehmer nicht allein deshalb als zeitweilig ausgesetzt angesehen werden, weil die Gefahr einer Amtspflichtverletzung oder eines Amtsmißbrauches droht.
(2) Die These der Freihaltung des Aufsichtsrates von Einflüssen des Kampfgegners verkennt wiederum die Notwendigkeit der Kontrolle des Vorstandes in Arbeitskampfzeiten durch den Aufsichtsrat gerade in seiner mitbestimmten Form. Arbeitskämpfe fiihren nicht zu einer grundsätzlichen Neugruppierung in der Gesellschaft dergestalt, daß nunmehr Gesellschaft, Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung geschlossen der kämpfenden Belegschaft bzw. Gewerkschaft gegenüberstehen. Es kommt lediglich zu einer deutlicheren Frontenbildung. 11 In die Geschäftsfiihrungskompetenz des Vorstandes fällt es grundsätzlich 12 auch, über mögliche Gegenmaßnahmen der Arbeitgeberseite zu entscheiden und mit den Gewerkschaften und Arbeitnehmern zu verhandeln. Im Rahmen seiner Bindung an das Unternehmenswohl muß der Vorstand jetzt die Interessen der Kapitalseite sowie bestehende verbandsrechtliche Verpflichtungen besonders berücksichtigen. 13 Desungeachtet bestehen neben weiteren Interessen der Allgemeinheit und der Gläubiger des Unternehmens geradezu existentielle Interessen der Unternehmensbeschäftigten am Fortbestand und Erfolg des Unternehmens. 14 Im Rahmen wenigstens der zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften (etwa des BundesurlaubsG, 9 Die Geltendmachung von Schadensersatz der Gesellschaft gegenüber den ARM (und VM) steht bisher zugegebenermaßen mehr auf dem Papier, als daß sie wirklich praktisch geworden ist. Dies wird in der Literatur seit langem und fast einhellig beklagt; z. B. Claussen, Die AG 1996, S. 483ff. m. z. N .. In Reaktion darauf wurde bei der Aktienrechtsreform durch das KonTraG die Klageerzwingung erleichtert, nämlich das Antragsquorum auf den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Deutsche Mark abgesenkt. 10 Mertens, Die AG 1977, S. 306ff. (307); zur Amtsniederlegung durch das ARMitglied siehe z. B. Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 30, IV. 2., Rn. 46. 11 Mertens, Die AG 1977, S. 306ff., (309). 12 Vorbehaltlich eines diesbezüglichen Zustimmungserfordernisses nach § 111 IV S. 2 AktG; vgl. dazu auch unten, 3. e), cc), (1). 13 Dazu Reich/Lewerenz, AuR 1976, S, 353ff., (361). 14 Jula, Die Bildung besonderer Konzemorgane, S. 128f. m. z. N.; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Vorb. § 95, Rn. 10 und Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 12; Lutter/Krieger, § 7, III. 2. a.), Rn. 303; Hoffmann, Der AR, S. 5f., Rn. 108; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 95ff.; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. !!Off.
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
ArbZG, KSchG, SchwbG, MuSchG, BetrVG, der Unfallschutzregeln sowie auch der Grenzen einer Aussperrung) gehören diese Existenzsicherungs- und Bestandsschutzinteressen der Arbeitnehmer zu den Belangen des Unternehmens, die Vorstand und Aufsichtsrat zu beachten haben, - als Unternehmensziele, die zwar nicht rechtsgeschäftlich durch die Anteilseigner gesetzt wurden, vom Gesetzgeber aber jedem Unternehmen praktisch vorgegeben sind. 15 Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ist ebenfalls gesetzlich zwingend angeordnet und läßt sich zudem auf Verfassungsrecht, speziell das Prinzip der Gemeinnützigkeit des Eigentums, das Sozialstaats- und das Demokratieprinzip, zurückführen. Außerdem gehört es aufgrund von empirischen Untersuchungen mittlerweile zum betriebswirtschaftliehen Erfahrungsschatz, daß die Arbeitnehmermitbestimmung grundsätzlich nicht nur nicht effizienzbeeinträchtigend ist, sondern die Handlungsfähigkeit und das Konfliktlösungspotential der Unternehmen vielmehr erhöht. 16 Folglich stellt sie als gesetzlich vorgegebenes sowie betriebswirtschaftliches Unternehmensziel ebenfalls ein Kriterium des Unternehmenswohles dar. Einerseits könnte bei einem Ruhen der Aufsichtsratsämter der Arbeitnehmer des Unternehmens (bzw. aller Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer) in Streikzeiten nicht mehr gewährleistet werden, daß die vorgenannten Belange der Belegschaft bei der Abwägung des Wohles des Unternehmens Berücksichtigung fänden. Andererseits wäre die mögliche und wichtige Rolle des Aufsichtsrates als Vermittler zwischen Unternehmen und Arbeitnehmerschaft - sonst aufgrund seiner personellen Zusammensetzung hierfür geradezu prädestiniert - von vornherein in ihrer Bedeutung reduziert: Die Akzeptanzbereitschaft der Arbeitnehmerseite im Hinblick auf Konfliktlösungsvorschläge des Aufsichtsrates dürfte eher gering sein angesichts der Tatsache, daß die ordentlich bestellten und legitimierten Arbeitnehmervertreter pauschal von der Mitarbeit im Aufsichtsrat ausgeschlossen sind. 17 Darüber hinaus könnte die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates in Gefahr geraten 18 , wenn nämlich au-
15 Hierzu Kessler, Die AG 1995, S. 61ff. (63) hinsichtlich der vom Vorstand zu beriicksichtigenden Interessen; Jula, Die Bildung besonderer Konzemorgane, S. 131133, außerdem zum notwendigen Abg1eich der verschiedenen Interessen im bzw. am Unternehmen anband der Unternehmenszie1e, S. 137f. 16 So die Einschätzung des BVerfG im Urteil vom 02. März 1999 zur Verfassungsmäßgikeit der§§ 3 II S. I, 16 MitbestErgG, ZIP 1999, S. 410ff. (416 u. 418), vgl. außerdem die diesbezüglichen Ausführungen in der Einleitung, 1., sowie unten, 3. e), dd). 17 Das BVerfG hob in seinem Urteil vom 02. März 1999 (vorige Fn.) ausdrucklieh die "breitere Konsensbasis und die damit regelmäßig verbundene größere Tragfahigkeit der Entscheidungen unter der Montan-Mitbestimmung" hervor, ZIP 1999, s. 410ff. (416). 18 So Mertens, Die AG 1977, S. 306ff. (307-309); Fitting/Wiotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 116; Benze, MitbestG '76, § 25, Rn. 94; Kittner/ Köstler/Zachert, S.
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ßer den Arbeitnehmervertretern, deren Amt infolge des Streikes ruhen soll, noch Anteilseignervertreter ausfielen. Gemäߧ§ 108 II AktG, 28 MitbestG, 10 Montan-MitbestG, 11 MitbestErgG ist Beschlußfähigkeit nur gegeben, wenn mindestens die Hälfte der gesetzlichen Mitglieder des Aufsichtsrates (es sei denn, satzungsmäßig ist anderes bestimmt) an der Beschlußfassung teilnimmt. Durch gerichtliche Ersatzbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern wegen Unterschreiten& der zur Beschlußfähigkeit erforderlichen Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 104 AktG könnten nach§ 104 IV S. 1, 3 AktG fehlende Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer grundsätzlich nur durch ebensolche Aufsichtsratsmitglieder ersetzt werden. 19 Schließlich spricht die Tatsache, daß es in Streikzeiten besonders schwer ist, einen möglichst alle befriedigenden Kompromiß zu finden, gerade dagegen, die Mitarbeit der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer von vornherein auszuschalten. 20 Ohne solche Einfluß- und Äußerungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, wie sie in streiklosen Zeiten bestehen, können während eines Streikes erst recht nicht Lösungen im (wenigstens teilweisen) Interesse aller Beteiligten gefunden werden. 21 (3) Im übrigen ist gegen Bedenken hinsichtlich einer Befangenheit der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in ihrer Amtsführung aus Anlaß des Arbeitskampfes einzuwenden, daß die Möglichkeit einer Interessenkollision prinzipiell von vornherein sowie während der gesamten Amtszeit besteht und in Streikzeiten nicht unerwartet auftritt. Darüber und über mögliche Reaktionen (Stimmenenthaltung, Amtsniederlegung) müssen sich die Aufsichtsratsmitglieder vor der Amtsübernahme im klaren sein. Dieses Problem betrifft aber ebenso die Anteilseignervertreter. Eine "prophylaktische" Befreiung von Amtspflichten, um Befangenheitssituationen zu verhindern, stellte die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat insgesamt in Frage.
Ein Streik im Unternehmen kann und darf folglich nicht dazu ftihren, daß die Aufsichtsratsämter der Arbeitnehmervertreter für die Zeit des Arbeitskampfes ruhen. Dies gilt erst recht für den Fall einer Angriffsaussperrung oder einer zum Streik hinzutretenden Abwehraussperrung durch den Arbeitgeber22 . Es wäre
298, Rn. 670f.; Dietz!Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 182; Kraft in GKBetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 130. 19 Mertens in Die AG 1977, S. 306ff. (309) sowie in Kölner Komm. zum AktG, § 104, Rn. 16. 20 Hierzu insb. Mertens, Die AG 1977, S. 306ff. (308f. ). 21 Ähnlich auch Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 109, 112, 14lff. 22 Angriffsaussperrung praktisch kaum relevant; jedenfalls hinsichtlich der ARMitglieder nur in suspendierender Form, siehe oben.
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
mit der Machtverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsamtes unvereinbar, wenn eine Handlung des Arbeitgebers, also aus der Sphäre des Vorstandes, dazu führen könnte, daß das Aufsichtsratsamt außer Kraft gesetzt wird. c) Suspendierung des Amtes durch Teilnahme am Streik
Arbeitskämpfe werden durch Gewerkschaften und ihre Mitglieder geführt, um den Inhalt der Arbeitsverhältnisse zu ändern. Das Druckmittel hierfür gegen die Unternehmen bzw. den Arbeitgeber ist die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses. Soweit der Streik gewerkschaftlich geführt, zum Zwecke des Abschlusses von (neuen) Tarifverträgen, unter Einhaltung der geltenden Friedenspflicht und der Grundsätze der fairen Kampfführung erfolgt, stehen solche "Störungen" der Arbeitsverhältnisse unter verfassungsrechtlichem Schutz und sind vom Arbeitgeber hinzunehmen. Durch die Suspendierung der gegenseitigen arbeitsvertragliehen Hauptpflichten infolge Streikteilnahme begeht der Arbeitnehmer keine Arbeitsvertragsverletzung, wenn er die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt, erhält dafür aber auch keinen Lohn. Die Suspendierung des Arbeitsverhältnisses schließt allerdings nicht zugleich auch die Suspendierung eines eventuellen Aufsichtsratsamtes des Arbeitnehmers ein. Dies folgt zum einen schon daraus, daß zwischen Aufsichtsratstätigkeit und Arbeitsverhältnis grundsätzlich nur insoweit eine Beziehung besteht, als daß die Unternehmenszugehörigkeit (Arbeitnehmereigenschaft) Wählbarkeits- bzw. Amtsinhabervoraussetzung ist. Dabei folgt die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Amtstätigkeit weder aus dem Arbeitsverhältnis, noch erfüllt der Arbeitnehmervertreter durch die Ausübung von Aufsichtsratstätigkeit seine arbeitsvertragliehen Pflichten. Des weiteren beruht die Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen, insbesondere Streiks, auch darauf, daß das Kampfziel (Veränderung der Arbeitsbedingungen der streikenden Arbeitnehmer) und die eingesetzten Kampfmittel (Aussetzung der Arbeitsverhältnisse der Streikenden) in Beziehung zueinander stehen. Sympathiestreiks oder politische Streiks weisen diese Beziehung nicht auf und sind unzulässig. Ebenso darf es nicht Ziel eines Streikes sein, auf die Aufsichtsratsverpflichtungen der Arbeitnehmer einzuwirken; dies diente nicht der Erkämpfung neuer, allgemeiner und gleicher Mindest-Arbeitsbedingungen und unterläge nicht der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien. Auf der anderen Seite darf das Aufsichtsratsamt der Arbeitnehmervertreter nicht als Kampfmittel der Arbeitnehmerseite eingesetzt werden. Zwar gibt es keinen abschließenden gesetzlichen Katalog anerkannter Kampfmittel der Arbeitnehmerseite. Für jegliche Form eines Arbeitskampfes gilt jedoch das Gebot der Kampfparität. Das Kräftegleichgewicht würde schwer zugunsten der Arbeit-
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nehmer verschoben, wenn "ihre" Vertreter im Aufsichtsrat diese Position mißbrauchen könnten, um zum Zwecke der Durchsetzung der Arbeitnehmerforderungen zusätzlichen Druck auf das Unternehmen auszuüben. Abgesehen davon läge in der Bestreikung des Aufsichtsratsamtes eine gravierende Verletzung der Pflicht zu ordnungsgemäßer Amtsführung und der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft. Sehen sich Aufsichtsratsmitglieder aufgrund von Interessenkollisionen nicht mehr in der Lage, dem Unternehmen loyal zu dienen und ihre Amtspflichten zu erfüllen, so müssen sie ihr Aufsichtsratsmandat niederlegen. Die Entscheidung darüber liegt im Verantwortungs- und Ermessensbereich jedes einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes selbst. Für einen solchen Schritt ist zwingend eine persönliche Niederlegungserklärung des betreffenden Aufsichtsratsmitgliedes gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder dem Vorstand erforderlich. Hierbei handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner besonderen Form bedarf, aber eindeutig als Erklärung der Niederlegung des Aufsichtsratsamtes zu verstehen sein muß. 23 Die bloße Teilnahme von Arbeitnehmervertretern am Streik kann daher keinesfalls generell als konkludente Erklärung der Niederlegung des Aufsichtsratsamtes verstanden werden. Folglich hat die Streikteilnahme interner Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer weder zur Folge, daß ihr Aufsichtsratsamt automatisch mitsuspendiert wird, geschweige denn erlischt, noch führt ein Streik im Unternehmen dazu, daß das Aufsichtsratsamt des Arbeitnehmers während dieser Zeit ruht. 24 Dann fragt sich im Gegenzug, ob und inwieweit sich die fortbestehende Pflichtenbindung des Arbeitnehmers aus seinem Aufsichtsratsamt, insbesondere sei23 Vgl. Lutter/Krieger,§ I, V. 3., Rn. 13 a. E.; Hoffinann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 30, IV. 2., Rn. 46; Hoffinann, Der AR, S. 151f., Rn.719. 24 So einstimmig Literatur und Rspr, z. B. Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 25; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 116; Hoffinann/Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 29, Rn. 24; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 144f.; Mertens, Die AG 1977, S. 306ff. (307); Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (240); i. E. auch Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm. I; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 96, Rn. 6lf.; Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band, § 124, li., 6. (S. 619); Fitting/Kaiser/ Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 184; Dietz!Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 182; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 136, u. v. a. m.; fiir ein gänzliches Ruhen des AR-Amtes infolge aktiver Streikbeteiligung allein LG München, Urt. v. 20. 01. 1956, BB 1956, S. 240 sowie bestätigt in der Folgeinstanz durch OLG München, Urt. v. 13. 09. 1956, BB 1956, S. 995 (Suspendierung des Arbeitsverhältnisses hätte auch Ruhen des AR-Amtes zur Folge, da sonst unerträgliche Interessen- und Pflichtenkollisionen); dies wird heute von niemandem mehr vertreten, diskutiert werden allerdings Stimmrechtsbeschränkungen oder die Verpflichtung zur Amtsniederlegung bei leitender Streikteilnahme, dazu unten.
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
ne Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, auf die Zulässigkeit einer Streikteilnahme auswirkt. 2. Zulässigkeit der Teilnahme am Streikgeschehen
Einigkeit besteht darüber, daß den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht jegliche Streikbeteiligung verwehrt werden kann, insbesondere nicht die schlichte Arbeitsniederlegung. Über die Zulässigkeit darüberhinausgehender aktiver Beteiligung am Streikgeschehen gehen die Ansichten allerdings auseinander. Unter aktiver Beteiligung wird dabei zum Beispiel das Streikposten-Stehen, die Verteilung von Flugblättern, die Verlesung von Streikaufrufen und die Beteiligung an der Streikleitung verstanden. a) Zulässigkeif jeglicher aktiver Streikbeteiligung?
Von einigen Autoren wird vertreten, daß eine Beschränkung der Streikbeteiligung der Arbeitnehmervertreter auf die Arbeitsniederlegung wegen der verfassungsrechtlichen Garantie des Streikrechts in Art. 9 III GG unhaltbar sei. Das Unternehmenswohl, welches zudem pluralistisch zu verstehen und nicht mit dem Interesse der Kapitalgeber gleichzusetzen sei, trete gegenüber dem verfassungsrechtlichen Rang des Streikrechts zurück. 25 Diesen Ansichten ist gemeinsam, daß sie das Streikrecht als unverrückbare Größe, als wegen der verfassungsrechtlichen Garantie uneinschränkbares Recht jedes Arbeitnehmers und damit auch der Arbeitnehmervertreter ansehen. Die konkrete verfassungsrechtliche Verankerung des Streikrechts oder die bundesverfassungsgerichtlich immer wieder bestätigte, völlig unbestrittene Rechtfertigung von Grundrechtsbeschränkungen durch kollidierendes Verfassungsrecht oder gesetzgebensehe Ausgestaltung wird dabei nicht angesprochen. Das Recht zur Streikteilnahme ist nicht unmittelbar verfassungsrechtlich gewährleistet, sondern leitet sich mittelbar aus der individuellen Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 III GG ab. Danach hat jeder Arbeitnehmer das Recht zur Gründung, zum Beitritt, zum Verbleib in und Austritt aus einer Arbeitnehmerkoalition sowie zur Teilnahme an allen geschützten Tätigkeiten der Arbeitnehmerkoalitionen in Ausübung ihrer kollektiven Koalitionsfreiheit, insbesondere zur Teilnahme an rechtmäßigen Arbeitskämpfen. Arbeitskämpfe sind 25 So Reich!Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff. (361), Benze u.a., MitbestG '76, § 25, Rn. 93; Kittner/Köstler/Zachert, S. 296f., Rn. 669; Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (239f.); ähnlich Hensche, Das MitbestGespr. 1971, S. lllff. (116).
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ein legales Mittel zur Ausgestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, die staatlicherseits nicht oder nur als Rahmen vorgegeben sind und der autonomen Festlegung durch die Tarifparteien unterliegen. Dieses Prinzip der Selbstregulierung funktioniert nur, wenn zwischen den Tarifparteien Verhandlungs- und Kampfparität besteht. Der Staat muß sich daher jeglicher Betätigung enthalten, die das Kräftegleichgewicht zugunsten der einen oder anderen Seite verschieben könnte. Dementsprechend existieren keine präventiven gesetzlichen Regelungen über die Führung eines Arbeitskampfes oder zulässige ArbeitskampfmitteL In Betracht kommt lediglich die Überwachung der Aufrechterhaltung der Verhandlungs- und Kampfparität durch die Arbeitsgerichte in konkreten Einzelfällen. Allerdings muß vom Staat dafür gesorgt werden, daß unbeteiligte öffentliche oder private Interessen durch Arbeitskämpfe nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Insoweit ist das individuelle Teilnahmerecht des einzelnen an der Koalitionsbetätigungsfreiheit in gewisser Weise als institutionelle Garantie anzusehen, die der gesetzgeberischen Ausgestaltung bedarf und unterliegt. 26 Dem steht nicht entgegen, daß die individuelle Koalitionsfreiheit ein schrankenlos verbürgtes Grundrecht mit unmittelbarer Drittwirkung ist: auch schrankenlos verbürgte Grundrechte können durch kollidierendes Verfassungsrecht27 oder gesetzgebensehe Ausgestaltung28 eingeschränkt werden. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist das Recht des einzelnen, an der verfassungsrechtlich über Art. 9 III GG garantierten Koalitionstätigkeit teilzunehmen, nur in einem Kernbereich (absolut) geschützt, unterliegt darüber hinaus jedoch der Einschränkung durch den Gesetzgeber, soweit dies zum Schutz anderer Rechtsgüter geboten ist. 29 Die Amtspflichten, insbesondere Treuepflichten der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft haben zum Ziel, die Organe eng an ihre Gesellschaft zu binden und sicherzustellen, daß sie im Sinne und objektiven Interesse der Gesellschaft handeln. Die Gesellschaft als abstrakte Figur kann nicht anders als durch ihre Organe handeln. Die Legitimation des Organhandeins für die Ebenso Mertens in Die AG 1977, S. 306ff., (314). Vor allem die Eigentumsgarantie des Unternehmensinhabers aus Art. 14 GG, seine Berufs- und Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 I GG, allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 I GG (z. B. dürfen Streiks nicht bis zum wirtschafliehen Ruin des Unternehmens geführt werden); evtl. die individuelle Koalitionsfreiheit des Unternehmers nach Art. 9 III GG; Grundrechte unbeteiligter Dritter, die durch Streikfolgen beeinträchtigt werden können; vgl. z. B. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 9, Rn. 25-38 sowie Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 188, III. 1., IV. (S. 1589ff.). 28 Durch Gesetzgeber bzw. Richterrecht, z.B. durch Definierung, wann eine ANKoalition als Gewerkschaft angesehen werden kann; dazu Schmidt-Bleibtreu!Klein, Komm. zum GG, Art. 9, Rn. 12; zur Frage kollidierenden Verfassungsrechts auch Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1, Rn. 3 7ff. 29 So BVerfGE 28, S. 295ff., (303f.); Bestätigung auch im Mitbestimmungsurteil des BVerfG, BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979, NJW 1979, S. 699ff. (709). 26 27
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Gesellschaft nach innen und außen beruht damit auch auf der vorerwähnten Amtspflichtbindung. Zudem dient das Prinzip des mitbestimmten Aufsichtsrates der Kontrolle der Unternehmensführung und -entwicklung auch aus Arbeitnehmersicht sowie der Durchsetzung demokratischer Elemente in der Wirtschaft. Hierfür ist der Aufsichtsrat als homogenes Organ ausgestaltet, bestehend aus Mitgliedern gleicher Rechts- und Pflichtenstellung, die eigen- und einzelverantwortlich, frei von Weisungen oder Aufträgen des Wahlkörpers und allein gebunden an das Unternehmenswohl ihren Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben des Gesamtorganes leisten. Aus beiden Punkten folgt, daß eine gewisse Zurücknahme persönlicher, arbeitnehmertypischer Positionen im Rahmen und Interesse einer ordnungsgemäßen Aufsichtsratstätigkeit durch Arbeitnehmer von vornherein im Prinzip des mitbestimmten Aufsichtsrates angelegt ist. Die gesellschaftsrechtliche Amtspflichtbindung des Aufsichtsratsmitgliedes sowie die Rechtsnormen zur Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer können in dieser Beziehung als gesetzliche Ausgestaltung des Teilnahmerechts der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer an koalitionsmäßiger Betätigung angesehen werden. 30 Eine uneingeschränkte 'verfassungsrechtliche Streikgarantie' für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer existiert folglich nicht. 31 Gegen eine Beschränkung des Rechts auf Streikteilnahme wird weiter angeführt, daß Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer schließlich Arbeitnehmer seien und diese Stellung vom Gesetzgeber gewollt sei (Wählbarkeitsvoraussetzung), der dabei nicht übersehen haben könne, daß insbesondere für die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat eine aktive Streikbeteiligung unabweisbar sei. 32 Hierzu läßt sich auch der genaue Gegenschluß bilden: der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Arbeitnehmerstellung sowie in der Gewißheit, daß in nicht wenigen Fällen die Gewerkschaften ihre führenden Repräsentanten in den Aufsichtsrat schicken werden, dennoch den Aufsichtsratsmitgliedern der Ar30 Auch Mertens, Die AG 1977, S. 306ff. (314) zur gegenteiligen Meinung Säckers (Nachweise dort), wonach öffentliche Güter (Normen des Gesellschaftsrechts) die schrankenlos verbürgte Koalitionsfreiheit nicht einschränken können, dies sei nur zum Schutze bestimmter verfassungsmäßig qualifizierter Güter möglich. 31 Ebenso Mertens in Kötner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 13 sowie ausfiihrlich in Die AG 1977, S. 306ff. (313ff.); ebenso fiir BRM Rolf/Bütefisch, NZA 1996, S. 17ff. (21), wonach die in § 74 III BetrVG bestätigte Freiheit der gewerkschaftlichen Betätigung verfassungskonform durch das Arbeitskampfverhot und Neutralitätsgebot des§ 74 II S. I BetrVG eingeschränkt wird. 32 Benze u.a., MitbestG '76, § 25, Rn. 93; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 119; vor allem fiir die Gewerkschaftsvertreter Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 140, 141; ähnlich auch Kittner/K.östler/ Zachert, S. 297, Rn. 669 sowie Hensche, Das MitbestGespr. 1971, S. II! ff. ( 116); dagegen Mertens, ebda., der eine gewisse Punktionentrennung innerhalb der Gewerkschaften verlangt, um den gewerkschaftlichen AR-Mitgliedern den aktiven Arbeitskampf gegen ihr Unternehmen zu ersparen.
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beitnehmer die gleiche Rechts- und Pflichtenstellung wie den Anteilseignervertretern zugewiesen. Diese Amtspflichten - und insbesondere die Pflicht zu allgemeiner Rücksichtnahme auf Unternehmensbelange außerhalb der Amtssphäre 33 - bestehen nach oben gefundenem Ergebnis in Streikzeiten grundsätzlich fort. Ist man im übrigen der Ansicht (wie auch die hier zitierten Autoren), daß der Inhalt dieser Treuepflicht falsch bestimmt wird, wenn sie auf der Gleichsetzung von Unternehmensinteresse und Kapitalinteresse fußt, so ist es inkonsequent, hinsichtlich der Zulässigkeit aktiver Streikteilnahme darauf zu verweisen, daß ja die Anteilseignervertreter sich auch uneingeschränkt an führender Stelle auf Arbeitgeber- bzw. Kapitalseite am Arbeitskampf beteiligen dürften. 34 Sie sind ebenso verpflichtet, ihr Handeln nicht nur einseitig ohne Berücksichtigung der anderweitigen Interessen im Unternehmen am Kapitalinteresse auszurichten. Die Treuepflichtbindung ist für alle Aufsichtsratsmitglieder einheitlich zu bestimmen und wirkt sich für Anteilseigner- wie Arbeitnehmervertreter gleichermaßen auf das Recht zur Beteiligung am Arbeitskampf aus. Die gesetzliche Regelung des Bestellungsrechtes der Gewerkschaften läßt keinesfalls den Schluß zu, daß der Gesetzgeber hiermit zugleich eine Aussage zum Streikrecht, und zwar für eine uneingeschränkte passive wie aktive Streikteilnahme, treffen wollte. 35 Ebenso drückt sich in der Statuierung der Unternehmenszugehörigkeit bestimmter Arbeitnehmervertreter als Voraussetzung für die Wählbarkeit und Amtsinhaberschaft lediglich der gesetzgebensehe Wille aus, Arbeitnehmerbelange unter dem Gesichtspunkt der Mitverantwortung für das Unternehmenswohl in den Aufsichtsrat einzubringen. Dafür ist selbstverständlich erforderlich, daß die Arbeitnehmervertreter die Interessen der Belegschaft kennen, sich nicht etwa durch eine arbeitsrechtliche Sonderstellung immer mehr den normalen Beschäftigten entfremden. 36 Eine solche Entfremdung wird aber bereits dadurch verhindert, daß sich die Arbeitnehmervertreter am normalen Streikgeschehen beteiligen, die Forderungen von Gewerkschaft und Belegschaft kennen und mittragen. Ein Bedürfnis nach besonderer herausgehobener Stellung im Arbeitskampf, insbesondere als Initiator und Organisator des Streikes besteht unter diesem Gesichtspunkt nicht. 37
33 Zur Treuepflicht ausfuhrlieh unten, c); wie hier i. E. auch Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 119; ebenso Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 142. 34 Dies verkennend z. B. Benze u.a., MitbestG '76, § 25, Rn. 93; hierzu auch Kittner/Köstler/ Zachert, S. 296f., Rn. 669. 35 Ausdrücklich Mertens in Die AG 1977, S. 306ff. (317). 36 Dafur auch Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 11/2, § 73, S. 1521, Fn. 58 b. 37 Ähnlich Hueck!Nipperdey, ebda., § 73, B V. 2. (S. 1521f.).
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Auch der Gedanke eines möglichen Vertrauensverlustes bei den Wählern kann nicht pauschal jede Form der aktiven, leitenden Streikbeteiligung der Arbeitnehmervertreter rechtfertigen. Unbestritten können sich die Arbeitnehmervertreter in Form einfacher Arbeitsniederlegung am Streik beteiligen. Die Befürchtung, die Arbeitnehmervertreter in unzumutbarer Weise zum Streikbrecherturn zu verpflichten, ist daher verfehlt. Eine gewisse Solidarisierung der Arbeitnehmervertreter mit der streikenden Belegschaft wie zum Beispiel in Form des Mitstreikens durch Arbeitsniederlegung sollte mit Blick auf ihre Repräsentierungsfunktion auch im wohlverstandenen Interesse der Anteilseignervertreter liegen. 38 Daß es zur Aufrechterhaltung des Vertrauensverhältnisses zwischen Belegschaft und gewähltem Arbeitnehmer auf eine aktive, leitende Streikbeteiligung ankäme, erscheint weder einsichtig noch als Argument zulässig. Das Aufsichtsratsamt ist eigenverantwortlich und unabhängig von Beeinflußungen durch den jeweiligen Wahlkörper zu führen; die Aufsichtsratsmitglieder sind weder an Aufträge oder Weisungen des Wahlkörpers noch an seinen Willen gebunden. Amtspflichtverletzungen können nicht damit gerechtfertigt werden, daß dies zur Aufrechterhaltung des Vertrauensverhältnisses zum Wahlkörper erforderlich gewesen wäre. Insoweit ist auch von den Arbeitnehmervertretern eine eigenständige Amtsfiihrung im Interesse des gesamten Unternehmens zu verlangen, die sich nicht lediglich am Wobiwollen und den Vorstellungen der Belegschaft orientiert. Anderes ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich zwischen "einfachen" Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer und "doppelten" Amtsträgern, nämlich den Arbeitnehmervertretern, die zugleich Betriebsratsmitglieder sind. 39 Unabhängig davon, wie die Frage der Streikbeteiligung von Betriebsratsmitgliedern wegen § 74 II S. 1 BetrVG sowie § 74 III BetrVG generell entschieden wird, haben Arbeitnehmervertreter nicht wegen ihres zusätzlichen Betriebsratsamtes ein erweitertes Streikrecht Maßgeblich ist allein, inwieweit die Aufsichtsratsstellung, insbesondere die daraus resultierende Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, eine Beteiligung am Streik zuläßt. 40 Im Zusammenhang mit den oben dargestellten Argumenten schränken die Autoren ihre These der unbeschränkten Streikteilnahme schließlich selbst in der Form ein, daß die Arbeitnehmervertreter nicht ihre Stellung und ihren 38 Hierzu z. B. Raiser in MitbestG, § 25, Rn. 143 und Mertens in Kölner Komm. zum AktG, I. Aufl., Anh. § 96, Rn. 98 sowie in Die AG 1977, S. 306fT. ( 312); i.ü. Kittner/Köstler/Zachert, S. 295ff., Rn. 668; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 134. 39 Dies verkennend Kittner/Köstler/Zachert, S. 297, Rn. 669, der eine unbillige Konsequenz darin sieht, daß AR-Mitglieder, die zugleich SR-Mitglieder sind, sich als ER-Mitglieder auch in fiihrender Position am Arbeitskampfbeteiligen können. 40 Siehe dazu auch unten, d), den abschließenden Vergleich mit der Rechtslage bei
BRM.
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Einfluß als Aufsichtsratsmitglieder zugunsten einer effektiveren Streikführung ausnutzen dürften. 41 Bestimmte Formen aktiver Streikbeteiligung, zum Beispiel die gezielte Weitergabe von internen Managemententscheidungen oder Unternehmensgeheimnissen gegenüber der Streikleitung oder sogar in Belegschaftsversammlungen, können sich als solche mißbräuchliche Ausnutzung des Amtes darstellen (vorsätzliche Verletzung der amtlichen Verschwiegenheitspflicht; eventuell daraus resultierende Schadensersatzsansprüche der Gesellschaft bzw. Strafbarkeit des Aufsichtsratsmitgliedes). Der gleiche Effekt, daß nämlich allein durch dessen Aufsichtsratsstellung bestimmte Handlungen des Arbeitnehmervertreters eine viel größere Wirkung auf die Belegschaft haben und diese Handlungen aus Belegschaftssicht als vom Aufsichtsrat abgesegnet erscheinen, kann sich allerdings auch unbeabsichtigt einstellen. Insgesamt ist damit festzustellen, daß das Recht der internen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auf Streikteilnahme in Anbetracht ihrer Amtsstellung gewissen Einschränkungen unterliegt. b) Beschränkung der zulässigen Streikbeteiligung auf die bloße Arbeitsniederlegung? Anderer Auffassung nach ergebe sich aus der gesellschaftsrechtlichen Verantwortlichkeit der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat, aus ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und der Bindung an das Unternehmensinteresse, daß sie nicht in leitender Stellung am Streik teilnehmen bzw. keine Schlüsselpositionen im Streik übernehmen dürfen.42 Im Kommentar zum Mitbestimmungsgesetzvon Hoffmann!Lehmann!Weinmann wird dazu weiter ausgeführt, daß ein Streik dem Wohl des Unternehmens niemals dienen könne, 41 Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 120; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 141; Benze u.a., MitbestG '76, § 25, Rn. 93, Kittner/ Köstler/Zachert, S. 297, Rn. 669 a. E.; Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (240); Hensche, Das MitbestGespr. 1971, s. lllff. (116). 42 Dietz!Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 180 ('keine Schlüsselposition'); Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 134; Mertens in Kötner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 13 sowie Die AG 1977, S. 306ff., (312), ('Pflicht zur Neutralität' läßt lediglich passive Streikbeteiligung zu); Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm. 1; sehr knapp, i. E. aber ebenso GeBier in Geßler/Hefermehi!Eckardt!Kropff, AktG, § 96, Rn. 63; Baumbach!Hueck/ Hueck, AktG, Anh nach§ 96, Rn. 35; Hueck!Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band Il/2, § 73, B V. 2. ( S. 1521f.); Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band, § 124, II. 6. (S. 619) sowie II. Band,§ 65, V. 4. (S. 146f.) hins. der nach§§ 76ff. BetrVG 1952 gewählten ARM der AN; Kirschner, DB 1971, S. 2063ff., (2066) und Edenfeld/Neufang, Die AG 1999, S. 49ff. (51f): 'Mitbestimmung im Arbeitskampf fiihre zu einem unauflösbaren Rollenkonflikt fiir die Arbeitnehmervertreter'; 'Streikteilnahme daher nur in Form der Arbeitsniederlegung'.
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
daß es vielmehr gerade Ziel des Streikes sei, durch Arbeitsverweigerung dem Unternehmen Schaden zuzufügen und es dadurch zum Nachgeben zu zwingen. Jede aktive Streikmaßnahme schade dem Unternehmenswohl, das zu wahren die Aufsichtsratsmitglieder aber verpflichtet seien. Eigene Interessen der Arbeitnehmervertreter bei der Streikteilnahme oder ihre Loyalitätsrücksichten gegenüber der Belegschaft könnten eine solche Verletzung des Unternehmenswohls nicht rechtfertigen. 43 Die sehr differenzierte Darstellung von Mertens 44 zum Verhältnis Treuepflicht/Streikteilnahme hebt die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit im Aufsichtsrat hervor. Eine aktive Streikbeteiligung gegen das Unternehmen störe zum einen diese Zusammenarbeit, da die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner nunmehr gegen die Arbeitnehmervertreter eingestellt und befangen seien. Zum anderen könne sich auch das Streikklima im Unternehmen verschärfen und die Arbeitnehmer könnten in ihrem Streikverhalten dadurch bestärkt werden, daß sich sogar Aufsichtsratsmitglieder- Mitverantwortliche für die Leitung und Entwicklung des Unternehmens - aktiv am Streik beteiligen. Beides stelle eine Verletzung des obersten Gebotes der Aufsichtsratstätigkeit dar: dafür zu sorgen, daß das Unternehmen langfristig intakt bleibt. Weiteren Ansichten zufolge könne das Aufsichtsratsamt eines Arbeitnehmers im Arbeitskampf nur auf der Basis einer strikten Trennung seiner Arbeitnehmer- bzw. Aufsichtsratsstellung weiterbestehen. Wolle der Arbeitnehmer sich aktiv am Streik beteiligen, müsse er seinerseits eine Trennung herbeiführen: sein Amt niederlegen. 45 Durch die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit sei jedenfalls kein unbedingtes Recht des Arbeitnehmervertreters auf Streikteilnahme ohne Rücksicht auf seine gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen garantiert.46 43 Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 25, Rn. 134. Hier werden i. ü. zur Beurteilung von Pflichtenkollisionen die strafrechtlichen Grundsätze des rechtfertigenden oder entschuldigenden Notstandes herangezogen; gleichzeitig wird allerdings eingeräumt, daß es kaum vorstellbar sei, daß sich eine solche Notstandslage bei Streikbeteiligungen je ergeben könnte. Abgesehen davon, daß man sich dann eigentlich fragen müßte, wozu die Rechtsfigur des Notstandes überhaupt in's Spiel gebracht wird, ist hierdurch kein Gewinn an Rechtsklarheit zu verzeichnen. Auch ohne über den Umweg des Notstandsgedankens muß hinsichtlich eines Schadensersatzanspruches der Gesellschaft über die Rechtswidrigkeit sowie Schuldhaftigkeit des amtspflichtwidrigen Handeins der ARM nachgedacht werden. 44 Die AG 1977, S. 306fT. (316). 45 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band IV2, § 73, B V. 2. (S. 1521 f.). 46 Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 13 und in Die AG 1977, S. 306ff. (insb. S. 314).
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c) Erforderlichkeif der Einzelfallbetrachtung
Gerade aus letzterem wird ersichtlich, daß es für die Zulässigkeit einer aktiven Streikbeteiligung entscheidend darauf ankommt, wie man Inhalt und Reichweite der Treuepflicht sowie ihr Verhältnis zum grundrechtlich geschützten individuellen Teilnahmerecht an koalitionsmäßiger Beteiligung bestimmt. Die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft besteht zunächst bei der Wahrnehmung der Aufsichtsratsfunktionen selbst: als unbedingtes Gebot, der Gesellschaft loyal zu dienen und die Amtstätigkeit ungeachtet entgegenstehender eigener oder Interessen Dritter allein am Unternehmensinteresse auszurichten.47 Dies haben die Aufsichtsratsmitglieder mit der Übernahme des Aufsichtsratsamtes akzeptiert. Daher können weder die Anteilseignervertreter geltend machen, daß sie in ihrer hauptberuflichen Tätigkeit in einem anderen Unternehmen tätig werden und dadurch zwangsläufig die Pflichten ihres Aufsichtsrats-Nebenamtes verletzen mußten48 • Noch dürfen die Arbeitnehmervertreter ihre Amtstätigkeit deshalb vernachlässigen, weil sie lieber am Streikgeschehen teilnehmen oder der Belegschaft zuliebe dem Aufsichtsrat fernbleiben wollen. Auch stellte es eine Amtspflichtwidrigkeit dar, wenn sie ihre Befugnisse und Stimmrechte gezielt dazu einsetzen würden, ohne Rücksicht auf das übergeordnete Unternehmenswohl allein die konkreten Belegschaftsinteressen durchzusetzen. Die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufsichtsratsfunktionen hat absolute Priorität; sieht sich ein Aufsichtsratsmitglied wegen privater Interessenkollisionen dazu nicht in der Lage, muß es sich bei Entscheidungen der Stimme enthalten oder insgesamt sein Amt niederlegen.49 Da die Aufsichtsratsmitglieder nicht einerseits bei ihrer unmittelbaren Amtstätigkeit zu unbedingter Treue und Loyalität verpflichtet, andererseits fä47 Zur Treuepflicht z. B. Mertens, ebda., § 116, Rn. 11, 22ff., 32; Ulmer, NJW 1980, S. 1603ff.; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 118; Dreher, JZ 1990, S. 896ff. (898ff.) sowie daran anschließend Deckert, DZWir 1996, S. 406ff. (408ff.): Grundsatz der "Rollentrennung", bei der AR-Tätigkeit sind strikt die Unternehmensinteressen zu wahren; alle auch m. w. N. 48 So schon BGH, Urt. v. 29. 01. 1962, BGHZ 36, S. 296ff. (307); ebenso Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, VI. 2. c.), Rn. 44; Deckert, DZWir 1996, S. 406ff. (408); auch BGH, Urt. v. 21. 12. 1979, NJW 1980, S. 1629f. (Pflicht zur Überwachung des Vorstandes und zur Verhinderung von fehlerhaftem, gesellschaftsschädigendem Verhalten der Verwaltung schließt die Pflicht ein, solche schädigenden Handlungen, z. B. Abschluß eines für die AG schädlichen Rechtsgeschäftes, nicht von sich aus dem Vorstand vorzuschlagen.). 49 Hierzu Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 32, 11, der das ARMitglied aus der Treuepflicht u.U. zur Amtsniederlegung für verpflichtet hält; ebenso Ulmer, NJW 1980, S. 1603ff. (1605).
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
hig sein können, außerhalb ihrer Amtstätigkeit der Gesellschaft eventuell unter Ausnutzung ihrer Kenntnisse uneingeschränkt Schaden zuzufügen, besteht eine abgeschwächte Treuepflichtbindung auch außerhalb der organschaftliehen Tätigkeit. Hier sind sie zu allgemeiner Rücksichtnahme auf die Belange des Unternehmens verpflichtet. Insoweit befinden sich Aufsichtsratsmitglieder immer im Amt. 50 Dabei darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Aufsichtsratsamt ein Nebenamt ist, welches nicht die gesamte hauptberufliche sowie private Sphäre des Amtsträgers in seinen Bann ziehen kann. Eventuelle Aufsichtsratsvergütungen richten sich hauptsächlich am Umfang der erforderlichen Amtstätigkeit aus. Eine berufliche Abstinenz zur Vermeidung von Interessenkonflikten wird nicht vergütet (vergleichbar der Karenzentschädigung aufgrund nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer oder Handelsvertreter). Außerhalb der Inkompatibilitätsregel des § 100 II AktG, die vorhersehbare gravierende Pflichtenkollisionen verhindert, gibt es keine gesetzliche Regel und keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß nur solche Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden dürfen, bei denen die Gefahr von Interessenkollisionen von vornherein nicht besteht. Neben der pflichtgemäßen Wahrnehmung der Aufsichtsratsfunktionen können die Aufsichtsratsmitglieder daher sehr wohl eigene oder dritte Interessen verfolgen, selbst dann, wenn der Gesellschaft daraus Nachteile erwachsen. 'Allgemeine Rücksichtnahme' bedeutet nur, aber auch mindestens, die Belange des Unternehmens im Blick zu haben und nicht ohne Not und nicht stärker zu beeinträchtigen, als dies zur berechtigten Interessenwahrnehmung unvermeidlich ist. 51 Aus dem Voranstehenden ergibt sich für die Streikbeteiligung von Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat folgendes: (1) Die Mindestform einer Streikbeteiligung besteht darin, die Stimme bei der Urabstimmung für den Streik abzugeben sowie in Befolgung des Streikbeschlusses die Arbeit niederzulegen. Hierzu gehört auch die Bekundung der Streikteilnahme nach außen. Streik ist Arbeitskampfmit dem Ziel der Durchsetzung der Arbeitnehmerforderungen gegen den widerstrebenden Willen der Arbeitgeberseite. Eine Gewerkschaft zeichnet sich aus durch eine gewisse soziale Mächtigkeit, das heißt die Fähigkeit, Druck gegen den Arbeitgeber zu erzeugen und Gegendruck auszuhalten. Legales Mittel zur Verstärkung des Druckes auf den Arbeitgeber ist es, die Arbeitsniederlegung öffentlich zu machen: um sich gegenseitig moralisch zu stärken, um die nichtstreikenden Kollegen zur Streikteilnahme zu bewegen, schließlich auch, um außerhalb des Betriebes Aufmerksamkeit und Unterstützung hinsichtlich der erhobenen Fordeso Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 22ff. sowie in Die AG 1977,
s. 306ff. (312).
SI Insb. Ulmer, NJW 1980, S. 1603ff., (1606); Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 29; Kühler, Gesellschaftsrecht, § 15, IV. 3. b.) (S. 191f.).
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rungen hervorzurufen. Öffentlichkeit ist dem Streik geradezu wesenseigen. Daher muß die Arbeitsniederlegung nicht heimlich erfolgen, und jeder Streikende kann seine Beteiligung am Streik nach außen dokumentieren (zum Beispiel durch Teilnahme an Arbeitnehmerversammlungen und Streikdemonstrationen, Tragen von Umhängen mit Aufschriften wie "Ich streike", "Streik" usw.). Diese Form des Mitstreikens gehört zum Kernbereich des Streikrechts eines jeden Arbeitnehmers. Gemäß der Kembereichs-Theorie des BVerfG gebietet die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Grundrechte, daß ihr W esensgehalt, ihre Kernaussage an subjektiver Rechtsmacht nicht eingeschränkt werden darf. Da Grundrechte den Charakter einer objektiven Wertordnung haben und Ausstrahlungswirkung auf alles niederrangigere Recht, wird die organschaftliehe Treuepflicht insoweit inhaltlich modifiziert: die koalitionsmäßige Betätigung innerhalb der Kernbereichsgrenzen ohne Hervorhebung der Amtsstellung stellt keine Verletzung der Treuepflicht der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gegenüber der Gesellschaft dar, sondern berechtigte Wahrnehmung eigener Interessen im zulässigen Rahmen. 52 Darüberhinausgehende Streikbeteiligungen werden nicht mehr vom unantastbaren Kernbereichsschutz der Koalitionsfreiheit erfaßt. Damit sind sie allerdings nicht von vomherein ausgeschlossen. Vielmehr läßt ja die Treuepflicht die berechtigte Interessenwahrnehmung zu, wenn dadurch die Belange des Unternehmens nicht ohne Not und nicht stärker als unvermeidlich beeinträchtigt werden. Hinsichtlich der aktiven Streikbeteiligung kommt es folglich auf eine Interessenahwägung im Einzelfall an. (2) Die Rechtmäßigkeit des Streikes hängt unter anderen davon ab, daß er gewerkschaftlich geführt wird und daß die Grundsätze der fairen Kampfführung eingehalten werden. Der Streik muß friedlich, ohne strafbare Handlungen vor sich gehen, er darf nicht bis zum wirtschaftlichen Ruin des Unternehmens geführt werden und nicht die Erhaltungs- und Bestandsschutzarbei-
52 Recht der ARM der AN auf passive Streikteilnahme ist in Lit. und Rspr. völlig unbestritten, vgl. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 118; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 141; Hanau in Hanau/Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 18, 23; i. E. auch Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 25, Rn. 134; Benze u.a., MitbestG, '76, § 25, Rn. 93; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 183; Dietz!Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 180; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 133f.; Mertens in Kö1ner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 13; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm. 1; GeBier in Geßler/Hefermehl/Eckardt!Kropff, AktG, § 96, Rn. 6lf.; Baumbach/Hueck/Hueck, AktG, § 96, Rn. 35; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 1112, § 73, S. 1521f.; Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band, § 124, li. 6. (S. 619); Kittner/Köstler/Zachert, S. 295f., Rn. 668; Reich/Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff. (361) u. v. a. m.
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ten verhindern, die zur Fortsetzung der Produktion nach Beendigung des Arbeitskarnpfes unerläßlich sind. Wenn auch die hauptamtlichen Gewerkschaftsmitglieder diesbezüglich streikleitend und streikorganisierend tätig werden, bedarf es aber dennoch, insbesondere bei flächendeckenden Streiks in mehreren Unternehmen, der tatkräftigen Beteiligung der streikenden Arbeitnehmerschaft. Hierunter fallen zum Beispiel die Verteilung von gewerkschaftlichen Flugblättern, die Tätigkeit als Streikposten und die Informierung anderer Arbeitnehmer über geplante Aktionen, Kundgebungen oder Verhandlungsergebnisse der Gewerkschaft. Ohne die Bereitschaft der Arbeitnehmerschaft zu solchen notwendigen Organisationsarbeiten während eines laufenden Streikes ist eine geordnete Arbeitsniederlegung nicht möglich. Werden Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bei Bedarf in dieser Weise tätig, so leisten sie einen Beitrag dazu, daß die Arbeitsniederlegung beherrschbar bleibt und jederzeit von der Gewerkschaft beendet werden kann. Wenn sie ihre Aufsichtsratsstellung dabei in keiner Weise einsetzen oder einfließen lassen, nach außen wie die anderen mit Organisationstätigkeiten beschäftigten Arbeitnehmer auftreten und auf eventuelle Nachfragen bezüglich des Aufsichtsratsamtes auf ihre Streikbeteiligung in der Eigenschaft als Arbeitnehmer hinweisen, so wird es auch für die Belegschaftsangehörigen möglich sein, zwischen der Person des Arbeitnehmers, die aktuell mitstreikt, sowie der Person des Aufsichtsratsmitgliedes, die zu anderer Zeit als solche in Erscheinung trat, zu differenzieren. 53 Gewährt man den Arbeitnehmervertretern wie allen anderen Arbeitnehmern das Recht zur Arbeitsniederlegung, kann man sie nicht von der allen streikenden Arbeitnehmern obliegenden solidarischen Mithilfe bei der Organisierung des laufenden Streikes ausschließen, kann man sie auch nicht für verpflichtet halten, bei Bedarf an Hilfskräften eventuelle diesbezügliche Bitten der Streikleitung abzulehnen. Die Belange des Unternehmens werden infolge solcher Tätigkeiten, die, wenn nicht zufallig von den Arbeitnehmervertretern übernommen, jedenfalls von anderen Arbeitnehmern ausgeführt worden wären, nicht über Gebühr dadurch beeinträchtigt, daß gerade die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat aktiv werden. Insoweit kommt dem Interesse der Arbeitnehmervertreter an der Mitorganisation des Streikes und ihrem Bedürfnis nach solidarischem Verhalten mit der streikenden Belegschaft Vorrang zu. Diese Formen der aktiven Streikbeteiligung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer stellen keine
53 Für eine strikte Trennung der verschiedenen Rechtspersonen auch Fitting/Kaiser/ Heither/ Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 137; Fitting/Wiotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 120; dagegen: Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 134: Grenzziehung sei nicht praktikabel, da AR-Mitglieder als solche den übrigen AN bekannt sind; ähnlich auch Mertens, Die AG 1977, S. 306ff., (316).
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Verletzung ihrer Pflicht zu allgemeiner Rücksichtnahme auf die Belange des Unternehmens dar. 54 (3) Aktive Streikbeteiligung kann sich allerdings auch so darstellen, daß die Aufsichtsratsmitglieder Einfluß auf die Entscheidung bei der Urabstimmung, auf den Beginn und die Länge des Streikes nehmen.
Streiks sind nach dem ultima-ratio-Prinzip nur als letztes Mittel zulässig, wenn trotz ernsthaft gefiihrter Verhandlungen keine Übereinkunft zwischen den Kampfgegnern zu erreichen ist. Auch Warnstreiks als scheinbare Ausnahme dieses Prinzipes sind erst dann legitim, wenn die Gewerkschaften die Verhandlungen als gescheitert ansehen und die Arbeitgeberseite unter Verdeutlichung ihres Kampfeswillens zu einem Überdenken der eigenen Position bringen will. Der Streikbeschluß hat eine Verschärfung der Fronten zwischen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite zur Folge, auch nachfolgende Verhandlungen stehen nunmehr unter erhöhtem Druck. Diese Situation ist fiir die Unternehmensentwicklung keinesfalls forderlich, auch wenn der Streik ein legales Mittel des Lohnkampfes ist und der letztendlich gefundene Kompromiß in gewisser Weise die verschiedenen Unternehmensbelange widerspiegelt. Je länger der Streik anhält, desto mehr wird das Unternehmen wirtschaftlich belastet. Infolge hartnäckigen und zähen Lohnkampfes kommen zwar vielleicht die von der Gewerkschaft gewünschten Verhandlungsergebnisse zustande, dafiir sind aber möglicherweise Rücklagen und wirtschaftliche Ressourcen aufgebraucht, die die Fortexistenz des Unternehmens sichern sollten oder die den Arbeitnehmern in Form anderer Zusatzleistungen hätten zufließen können. Ein langanhaltender Streik ohne tragfahiges Verhandlungsergebnis kann ernsthaft in niemandes Interesse liegen, der im oder am Unternehmen beteiligt ist. Schon hieraus ergibt sich, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Rahmen der Rücksichtnahme auf die Unternehmensbelange nicht durch aktive Handlungen die Bedingungen fiir eine friedliche Streitbeilegung verschlechtern und keinen maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidung zum Streikbeginn sowie zur Verlängerung des Streikes bzw. Ablehnung eines Einigungsvorschlages nehmen dürfen. Darüber hinaus sind öffentliche Reden und Meinungskundgaben fiir den Streik vor der versammelten Belegschaft, ständige Überzeugungsarbeit innerhalb der Belegschaft, das Verlesen des Streikaufrufes, Vorschläge zur gezielten Schwerpunktbestreikung bestimmter Betriebsabteilungen oder die Beratung der Gewerkschaftsleitung hinsichtlich betrieblicher Fragen nicht zu den typischen Verhaltensweisen eines "normalen" streikenden Arbeitnehmers zu zählen. Über die hierfiir nämlich erforderlichen speziellen Fähigkeiten und
54
Ähnlich Brinkmann, "Unternehmensinteresse und Unternehmensrechtsstruktur",
s. 293.
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Kenntnisse (Erfahrung mit dem Auftreten vor großen Menschenrnassen, Rhetorik, genaue Kenntnisse der betrieblichen Struktur, gesteigerter Kontakt zu Betriebsrats- und Gewerkschaftsmitgliedern usw.) verfügen die wenigsten Belegschaftsangehörigen, - demgegenüber profitieren die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer diesbezüglich von ihrer Aufsichtsratsstellung. Anders als bei den oben erwähnten Hilfstätigkeiten, bei denen kein Anlaß besteht, darüber nachzudenken, warum und mit welcher Legitimation diese "Organisationshelfer" tätig werden, stehen Personen, die im Streikgeschehen in exponierter Weise aktiv werden, im Mittelpunkt des Interesses und der Aufmerksamkeit der Arbeitnehmerschaft. Eine Trennung zwischen der Person des Arbeitnehmers und der des Aufsichtsratsmitgliedes wird der Belegschaft kaum noch verständlich zu machen sein. Äußerungen eines Aufsichtsratsmitgliedes der Arbeitnehmer zu den Erfolgsaussichten des Streikes, zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens hinsichtlich höherer Löhne und besserer Sozialleistungen werden jedenfalls als Äußerungen eines Insiders aufgefaßt und damit eine ganz andere Überzeugungskraft und Signalwirkung haben als jede noch so wortgewaltige Losung der Gewerkschaften. Nach einer solchen Streikbeteiligung der Arbeitnehmervertreter wird es schließlich nur noch schwer möglich sein, sachliche, vertrauensvolle und unvoreingenommene Verhandlungsformen zwischen Anteilseignervertretern und Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat zu wahren. 55 Verschärft wird dies dadurch, daß immerhin die Gefahr besteht und den Anteilseignervertretern wohl bewußt sein dürfte, daß die Arbeitnehmervertreter bei solchen Auftritten im Streikgeschehen bewußt oder unbewußt Aufsichtsratswissen weitergeben, welches der amtlichen Verschwiegenheitspflicht unterfällt 56 Die vorstehenden Erwägungen führen insgesamt zu dem Schluß, daß ein berechtigtes persönliches Interesse der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat an einer Streikteilnahme, durch die die Belange des Unternehmens wie zuvor beschrieben gravierend beeinträchtigt werden, nicht anzuerkennen ist. Der Wahrnehmung des Arbeitnehmerrechts auf Streikteilnahme sowie einer Solidarisierung mit der Belegschaft können die Arbeitnehmervertreter nachkommen, ohne zwingend gegen das Unternehmenswohl zu handeln (nämlich in oben beschriebener Weise, (1), (2)). d) Abschließender Vergleich mit der Rechtslage bei Betriebsratsmitgliedern
Auch fiir die Betriebsratsmitglieder wird in der Literatur diskutiert, inwieweit diese sich aktiv am Streikgeschehen in ihrem Betrieb beteiligen können. 55 56
Wie hier auch Brinkrnann, ebda. (Fn. 54). Dafiir Mertens sowie Kraft, ebda., (Fn. 53).
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Gemäß § 74 III BetrVG werden Arbeitnehmer, die Aufgaben nach dem BetrVG wahrnehmen (also insbesondere Betriebsratsmitglieder), durch ihre Betriebsratstätigkeit in der Betätigung für ihre Gewerkschaft auch im Betrieb nicht beschränkt. Unter Zugrundelegung des genauen Wortlautes des § 74 III BetrVG ließe sich zweifellos argumentieren, daß für die Betriebsratsmitglieder lediglich gewährleistet wird, sich in ihrer Stellung als Arbeitnehmer uneingeschränkt gewerkschaftlich betätigen zu können. Im Zusammenhang damit wird in der Literatur57 mit Verweis auf praktische Schwierigkeiten für das Betriebsratsmitglied58 sowie die Belegschaft59, zwischen der "Amtsperson" und dem Gewerkschaftsmitglied zu trennen, auch befürwortet, daß gewerkschaftlich organisierte Betriebsratsmitglieder sich nicht in leitender Position an koalitionsmäßiger Betätigung beteiligen dürfen (keine Streikleitung und -organisation, Streikaufrufe, keine Streikposten). Anderer Meinung zufolge unterliegen Betriebsratsmitglieder in ihrer Stellung als Arbeitnehmer keinerlei Einschränkungen, sowohl was eine eventuelle gewerkschaftliche Betätigung als auch die Beteiligung an Arbeitskämpfen als nichtorganisierte Arbeitnehmer anbelangt. Hauptargument dafür ist, daß sonst die Betriebsratsmitglieder gegenüber den anderen Arbeitnehmern, die ohnehin in ihrer gewerkschaftlichen Betätigung im Rahmen ihrer arbeitsvertragliehen Pflicht frei seien, diskriminiert würden. 60 Man könnte auch einwenden, daß die ausdrückliche gesetzliche Garantie der gewerkschaftlichen Betätigung in § 74 III BetrVG sinnentleert wäre, wenn das Betriebsratsmitglied nicht einmal außerhalb der Betriebsratstätigkeit seinen gewerkschaftlichen Bindungen (unbegrenzt) nachkommen könnte. Ohne diesen Streit entscheiden zu müssen, ist jedenfalls festzuhalten, daß fiir die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eine dem
57 Dafür Hanau in Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, D. I. 5. b.) (S. 112); Rolfs/Bütefisch, NZA 1996, S. 17ff. (21 ff.), halten die BRM für verpflichtet, erforderlichenfalls auf ihre Mitgliedschaft bzw. Funktion in der Gewerkschaft hinzuweisen; Löwisch, BetrVG, § 74, Rn. 12; Löwisch!Rumler, Schlichtungs- und Arbeitskampfrecht (Wiesbaden 1989), Rn. 741, allerdings nicht mehr in der Nachauflage Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht (Heidelberg 1997), IV. A. II., Rn. 8 (S. 285): BRM würden entgegen § 74 III unzulässig beschränkt, wenn ihnen generell untersagt wäre, an einem Arbeitskampf teilzunehmen oder an verantwortlicher Stelle mitzuwirken; Rolfs/Bütefisch, NZA 1996, S. 17ff. (2lff.) weitergehend, indem die BRM für verpflichtet gehalten werden, erforderlichenfalls auf ihre Mitgliedschaft bzw. Funktion in der Gewerkschaft hinzuweisen. 58 Z. B. Konfliktsituationen infolge von gewerkschaftlichen Lohnforderungen, die einzig auf Vorteile für die Gewerkschaftsmitglieder abzielen, dabei aber betriebliche Gegebenheiten völlig übersehen. 59 Gerade häufig oder gänzlich freigestellte BRM mit großer Präsenz bei innerbetrieblichen Mitbestimmungsangelegenheiten werden den Belegschaftsangehörigen weniger in ihrer Stellung als Arbeitskollege denn in ihrer Amtsstellung bekannt sein. 60 Fitting!Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 74, Rn. 15, 57.
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
§ 74 III BetrVG vergleichbare gesetzliche Garantie der gewerkschaftlichen Betätigung als Arbeitnehmer nicht besteht. Auch hinsichtlich der gewerkschaftlichen Betätigung der Betriebsratsmitglieder im Rahmen ihres Amtes existieren mit § 74 II S. 1 und 2 BetrVG, der Friedens- sowie Neutralitätspflicht der Betriebsratsmitglieder, ausdrückliche Regelungen. Das System der betrieblichen Mitbestimmung wird durch friedliche Verhandlungslösungen und Kooperation zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bestimmt(§§ 2 I, 74 I BetrVG). Im übrigen stehen die Einigungsstelle für Regelungsstreitigkeiten sowie das Arbeitsgericht für Rechtsstreitigkeiten als Schlichtungsstellen zur Verfügung. Arbeitskämpfe zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber würden demgegenüber nicht nur die Basis für eine zukünftige kooperative Zusammenarbeit zwischen beiden schwer beschädigen. Auch das Ziel eines rechtmäßigen Arbeitskampfes, der Abschluß eines Tarifvertrages, könnte zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht erreicht werden, da der Betriebsrat zum Abschluß von Tarifverträgen nicht befugt ist (keine Tarifvertragspartei im Sinne des § 2 TVG). Die Neutralitätspflicht nach § 74 II S. 2 BetrVG dient zudem der Aufrechterhaltung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Betriebsrat und den von ihm repräsentierten Arbeitnehmern. Unterstützte nämlich der Betriebsrat einen Arbeitskampf im Betrieb (durch Zurverfügungstellung von Materialien, Gerätschaften und Räumlichkeiten sowie durch Aufrufe zur Streikteilnahme), läge hierin immer zugleich eine Unterstützung der konkret kämpfenden Gewerkschaft und eine moralische Stärkung der jeweiligen gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer. Der Betriebsrat ist aber eben- im Gegensatz zu den Gewerkschaften, die nur bzw. hauptsächlich für ihre Mitglieder kämpfen - Interessenvertreter aller Arbeitnehmer des Betriebes, unabhängig davon, ob und in welcher Gewerkschaft sie organisiert sind. Gemäߧ 75 I BetrVG hat er darüber zu wachen und dafür zu sorgen, daß eine unterschiedliche Behandlung von Betriebsangehörigen wegen ihrer gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung unterbleibt. Auch deshalb also darf sich der Betriebsrat gemäß § 74 II S. 2 BetrVG weder unterstützend noch behindernd in einem Arbeitskampfbetätigen.61 Die vorgenannten Beschränkungen für Betriebsratsmitglieder hinsichtlich ihrer Teilnahme am Arbeitskampf (insbesondere das Arbeitskampfverbot und die Neutralitätspflicht nach § 74 II S. 1, 2 BetrVG) dienen damit einzig der Funktionsfähigkeit der betrieblichen Mitbestimmung; - sie beruhen weder auf einer Treuepflicht der Betriebsratsmitglieder gegenüber ihrem Betrieb, noch resultieren sie aus einem Anstellungs- und Treueverhältnis zum Unternehmen oder einer primären Bindung der Betriebsratsmitglieder an das Wohl des Un-
61 Statt aller Fitting/Kaiser/Heither/Enge1s, BetrVG, § 74, Rn. 13f. sowie ausführlich mit z. N. Rolfs/Bütefisch, NZA 1996, S. 17ff. ( 18f.).
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ternehmens. 62 Aufgrund dieser Unterschiede zwischen Betriebsratsmitgliedern und Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat muß für beide Personengruppen gesondert über die Frage des Umfanges zulässiger Streikbeteiligung entschieden werden. Abgesehen davon, daß dieses Problem auch für die Betriebsratsmitglieder nicht als geklärt angesehen werden kann, läßt sich jedenfalls die Lösung für Betriebsratsmitglieder nicht ohne weiteres auf die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat übertragen. 63
e) Ergebnis Zusammenfassend ist festzustellen, daß die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder im Streikfall ihre Arbeit (öffentlich) niederlegen und solche Organisationstätigkeiten während eines laufenden Streikes ausüben dürfen, die auch von anderen Arbeitnehmern übernommen werden bzw. hätten übernommen werden können. Dabei dürfen sie allerdings ihre Stellung als Aufsichtsratsmitglied zum Zwecke der Streikbeeinflußung weder gezielt einsetzen noch auch nur verdeutlichen oder hervorheben. In dieser Weise zulässig sind die Verteilung von gewerkschaftlichen Flugblättern und die Tätigkeit als Streikposten inmitten anderer Arbeitnehmer oder die Weitergabe von Informationen über Aktionen, Kundgebungen und Verhandlungsergebnisse. Die Pflicht zu allgemeiner Rücksichtnahme auf die Belange des Unternehmens verwehrt es ihnen aber, in exponierter Stellung auf Beginn, Dauer und Umfang des Streikgeschehens Einfluß zu nehmen. Unzulässig und als Treuepflichtverletzung einzustufen sind daher öffentliche Meinungskundgaben für die Eröffnung, Verlängerung, Nichtbeendigung eines Streikes, eine permanente Agitation gegenüber den Arbeitnehmern im kleinen Kreis, das Verlesen des Streikaufrufes sowie auch die Beratung der Gewerkschaft über betriebliche Fragen und Schwachstellen des Unternehmens (soweit darin nicht sowieso schon eine Verletzung der amtlichen Verschwiegenheitspflicht liegt).
So auch Mertens in Kölner Komm. zum AktG, I. Aufl., Anh. § 96, Rn. 97. Ebenso Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 136, fur das BetrVG 1952; anders dagegen Kittner/K.östler/Zachert, S. 297, Rn. 669, der fiir die entsprechende Anwendung der Grundsätze für das Verhalten der BRM im Arbeitskampf auf die ARM der Arbeitnehmer eintritt. 62 63
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
3. Ausschluß der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer von Beratungen und Abstimmungen über Arbeitskampf- und Tarifangelegenheiten Nunmehr bleibt zu klären, inwieweit sich die Zulässigkeit passiver sowie bestimmter Formen aktiver Streikbeteiligung der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat mit ihrer Teilnahme an Beratungen und Abstimmungen über Angelegenheiten des Arbeitskampfes bzw. der Tarif- und Koalitionspolitik des Unternehmens verträgt. a) Ausgangspunkt: Trennungsprinzip Ausgangspunkt für eine Lösung des hier aufgeworfenen Problems könnte das Trennungsprinzip sein64 : Die verschiedenen Formen der Mitbestimmung der Arbeitnehmer sind institutionell strikt getrennt in ( 1) interne Mitbestimmung im Unternehmen durch Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (bzw. auf Betriebsebene durch die Organe der Betriebsverfassung) sowie (2) externe Einflußnahme durch außerhalb von Unternehmen oder Betrieb bestehende Arbeitnehmerkoalitionen als Tarifverhandlungspartner und Kampfgegner der Unternehmen. Diese Mitbestimmungssysteme dürfen hinsichtlich ihres Einflusses im Unternehmen nicht kumulieren. Ihre wechselseitige Überlagerung könnte nämlich zum einen den Arbeitnehmereinfluß im Aufsichtsrat über seine gesetzlich geregelten Grenzen so verstärken, daß die Parität zwischen anteilseignergewählten und arbeitnehmerbestellten Aufsichtsratsmitgliedern (Montan-MitbestG; MitbestErgG) bzw. das vom BVerfG für eine Verfassungsmäßigkeit des MitbestG für notwendig erachtete "leichte Übergewicht der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat"65 bzw. die "bloße" Drittelbeteiligung der Arbeitnehmervertreter (§§ 76ff. BetrVG 1952) nicht mehr eingehalten wäre. Zum anderen bestünde die Gefahr der Störung der Verhandlungs- und Kampfparität der Tarifvertragsparteien, wenn die Gewerkschaften auch im Aufsichtsrat Druck zur Durchsetzung ihrer Forderungen ausüben könnten. Eine Kumulierung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer kann man auch in den häufigen (in der Wirtschaft mehrheitlich positiv bewerteten) Personalunionen von Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitgliedschaften bei Arbeitnehmern sehen. An Kritik insbesondere an der 'mangelhaften Abstimmung' von BetrVG und MitbestG im Bereich der wirtschaftlichen Angelegen-
64 65
So Hanau, ZGR 1977, S. 397ff., (400). BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979, NJW 1979, S. 699ff.
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heiten (vor allem §§ lllff. BetrVG) fehlt es nicht. 66 Vorgeschlagen wird zum Beispiel eine klare gesetzliche Trennung der beiden Mitbestimmungssysteme67 bzw. ein System alternativer Mitbestimmung68 mit meist eingeschränkter Mitbestimmungskompetenzdes Betriebsrates69 • Eine konsequente Einschränkung des Teilnahme- und Stimmrechts der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in Angelegenheiten, die auch der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung unterfallen, wird allerdings nicht gefordert. 70 Das BVerfG71 urteilte hierzu, daß die Mitbestimmung der Arbeitnehmer durch die parallele Amtsstellung im Aufsichts- bzw. Betriebsrat nicht unzulässig über dasjenige Maß hinaus verstärkt werde, das die jeweilige Mitbestimmungsform schon fiir sich begründe.72 Hinsichtlich der konkreten Folgerungen aus dem Trennungsprinzip fiir die parallele Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Arbeitskampf- und Tarifangelegenheiten als Tarifverhandlungspartner der Arbeitgeber bzw. per Aufsichtsratsmandat besteht zunächst Einigkeit in den Extrempositionen. Auf der einen Seite wird das Trennungsprinzip nicht als so weitgehend verstanden, daß sich daraus eine Unvereinbarkeit von Aufsichtsratsamt und Mitgliedschaft in der
66 Z. B. Raiser in Festschrift fiir Konrad Duden zum 70. Geburtstag, S. 423ff. (435ff.) m . w. N .; Spaich, "Das Mitbestimmungsgesetz und das Betriebsverfassungsrecht"; zum Erfordernis der Abgrenzung zwischen Betriebs- und Unternehmensverfassung Zöllner!Loritz, Arbeitsrecht, § 44, II. (S. 490ff.), Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb. 67 So Raiser, ebda., S. 438 fiir den Fall, daß sich herausstellt, daß die Kombination der Mitbestimmungsrechte nach beiden Gesetzen die Entscheidungsfreiheit und Beweglichkeit der Unternehmensleitung in wichtigen Punkten nachhaltig beschränkt. 68 Spaich, ebda., S. 120ff. (insb. 158ff.); hins. der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 11, IV 2. (S. 635ff.); a. A.: Kühler, Gesellschaftsrecht, § 32, VI. 2. (S. 420) äußert sich zu Vorschlägen fiir eine neue, in sich geschlossene Untemehmensverfassung, ein einheitliches Modell der ANBeteiligung ohne Unterscheidung in BetrVG/parallele Mitbestimmung/verschiedene Mitbestimmungsmodelle. 69 Z. B. Martens im Koreferat zu Hanau, ZGR 1977, S. 422ff., (425ff.). 70 Sogar ausdrücklich gegen Einschränkungen der Aufsichtsratskompetenz Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 11, IV 2. b) (S. 636). 71 BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979, NJW 1979, S. 699ff., (700). 72 Nach BVerfG, ebda., könnten sich Überschneidungen der Mitbestimmungspotentiale nach MitbestG sowie BetrVG von vomherein nur bei Zustimmungsgeschäften im Sinne des § III IV S. 2 AktG ergeben, die zugleich der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen (hauptsächlich bei Betriebsänderungen, §§ 111ff. BetrVG);- solche Zustimmungsvorbehalte sind nach allgemeiner Auffassung aber nur bei Geschäften von besonderer Bedeutung zulässig. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bezögen sich auch nicht auf die Unternehmerische Grundsatzentscheidung, sondern in erster Linie auf konkrete Ausgestaltungen unter angemessener Berücksichtigung der Belegschaftsbelange. Schließlich vollziehe sich die Mitbestimmung nach MitbestG bzw. BetrVG in Organen verschiedener Funktion und in verschiedenen Verfahren.
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Gewerkschaft ergäbe.73 Eine gewisse Überschneidung der Einflußsphären74 ist zudem im Gesetz vorprogrammiert: in Gestalt der gewerkschaftlich bestellten Aufsichtsratsmitglieder sowie der Aufsichtsratsmitglieder, die dem Unternehmen zwingend als Arbeitnehmer angehören müssen. Auf der anderen Seite ist anerkannt, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer ihr Aufsichtsratsamt im Arbeitskampf nicht mißbräuchlich zum Zwecke der Unterstützung der kämpfenden Belegschaft ausnutzen dürfen, etwa indem sie die Arbeit des Aufsichtsrates bestreiken, sich als Aufsichtsratsmitglied an die Spitze der Streikbewegung stellen, nichtöffentliches Aufsichtsratswissen bzw. Unternehmensgeheimnisse verbreiten, um es zum Beispiel der Belegschaft, den Betriebsräten oder der Gewerkschaft zukommen zu lassen. 75 Darüber hinaus werden dem Trennungsprinzip auf der Basis einer inhaltsgleich definierten Grundaussage allerdings konträrste Folgerungen entnommen: Zum einen wird vertreten, daß eine Beschränkung der Arbeitnehmervertreter in ihrer gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit einschließlich der aktiven Teilnahme an rechtmäßigen Arbeitskämpfen nicht zulässig sei, daß sie allerdings auch von Beratungen und Abstimmungen im Aufsichtsrat ausgeschlossen seien, die das Verhalten des Unternehmens im Arbeitskampf, in der Tarifpolitik sowie hinsichtlich des Beitrittes zu Arbeitgeberkoalitionen betreffen.76 Nach der entgegengesetzten Ansicht dürften sich Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer lediglich in Form einfacher Arbeitsniederlegung am Streik beteiligen; jegliche darüberhinausgehende aktive Beteiligung sei ausgeschlossen. Demgegenüber bestünden ihre Beteiligungs- und Stimmrechte im Aufsichtsrat uneingeschränkt fort. 77
73 Siehe oben, 2., Ausfiihrungen zum Recht auf Streikteilnahme, i. ü. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 119; Hanau, ZGR 1979, S. 524ff. (537). 74 Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 140, 141: Rollenkonflikt speziell der Gewerkschaftsfiihrer im AR 'vom Gesetz gewollt'. 75 Dazu äußern sich vor allem die Befiirworter einer über die bloße Arbeitsniederlegung hinausgehenden Streikbeteiligung: Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 23 a. E.; Kittner/Köstler/Zachert, S. 297, Rn. 669; Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 120; Fitting!Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 137; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 141. 76 Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 18ff.; ebenso in ZGR 1977, S. 397ff. (403, 406); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 11, IV 1. b.), (S. 632ff.); ähnlich Brinkrnann, "Untemehmensinteresse und Untemehmensrechtsstruktur", S. 289ff. (293), der bestimmte Formen einer organisatorisch-aktiven Streikteilnahme fiir zulässig erachtet und die Stimmrechtsbeschränkung als "Entlastung" der Arbeitnehmervertreter ansieht. 77 So Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 180, 182; Kraft in GKBetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 130, 134, 135; Mertens in Kö1ner Komm. zum AktG, § 108, Rn. 53 und Anh. § 117 B § 25 MitbestG, 13 sowie auch in Die AG 1977,
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Zum anderen wird vertreten, daß sich die Arbeitnehmervertreter auch in führender Position am Arbeitskampf beteiligen und lediglich nicht ihre Amtsstellung und ihren Einfluß als Aufsichtsratsmitglied zugunsten einer effektiveren Streikführung einsetzen dürften. Ein Stimmrechtsausschluß für die Dauer des Arbeitskampfes komme nicht in Betracht.78 Schließlich fehlt es nicht an dieser Ansicht, die die zulässige Streikbeteiligung auf die bloße passive Teilnahme und die Stimm- und Beratungsrechte der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat während eines Arbeitskampfes auf Beratungen und Entscheidungen beschränken will, die keinen unmittelbaren Bezug zum Arbeitskampfhaben.79 Auf der Grundlage des Trennungsprinzipes wird also sowohl eine Einschränkung der Beratungs- und Stimmrechte der Arbeitnehmervertreter während eines Arbeitskampfes bejaht als auch verneint. Das Trennungsprinzip allein hilft folglich für die hier untersuchte Frage nicht weiter. b) Ausschluß des Mitberatungs- und Stimmrechts der AufSichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wegen Interessenkollisionen bzw. aufgrundder rechtsanalogen Anwendung der Stimmverbots-Normen Für einen Ausschluß des Mitberatungs- und Stimmrechts könnte allerdings sprechen, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bei Beschlußfassungen über Arbeitskampfmaßnahrnen, Tarifvertragsabschlüsse und die Koalitionspolitik des Unternehmens als Interessenvertreter der Belegschaft sowie als Arbeitnehmer zusätzlich direkt persönlich vom Beschlußgegenstand betroffen und daher bei der Abstimmung befangen sind. 80 Diese These wird in der Literatur auf die analoge Anwendung des § 34 BGB81 bzw. das allgemeine Rechtsprinzip des Stimmverbotes bei Interessenkollisionen82 gestützt.
S. 306ff. (310f.; 31lff.); i. E. wohl auch Geßler in Geßler/HefermehVEckardt/Kropff, AktG, § 96, Rn. 61- 63; Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band,§ 124, II. 6. (S. 619); Kirschner, DB 1971, S. 2063ff. (2066). 78 Fitting!Wiotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 117-120; Fitting/K.aiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 182, 185; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 141, 145; Kittner/Köstler/Zachert, S. 297f., Rn. 669, 671 ; i. E. auch Benze u.a., MitbestG '76, § 25, Rn. 93f.; Reich/Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff. (361); Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (240). 79 Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 25, Rn. 134 und § 29, Rn. 24, 25. 80 Säcker, DB 1977, S. 179lff. (1794). 81 Säcker, ebda. 82 Seiter in Festschrift für Gerhard Müller, S. 589ff., (600ff.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § ll , IV l. b.) (S. 632ff.); ebenso Hanau in ZGR 1977, S. 397ff. (403), der auf "allgemeine gesellschaftsrechtliche Grundsätze" abstellt.
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Die Figur des allgemeinen Rechtsprinzipes des Stimmausschlusses bei Interessenkollisionen findet eine gesetzliche Stütze lediglich in den Stimmverboten gemäß §§ 136 I AktG, 47 IV GmbHG, 43 VI GenG, 34 BGB, 113 II HGB, wonach ein Gesellschaftsmitglied nicht stimmberechtigt ist bei Beschlüssen über (1) die Vornahme eines Rechtsgeschäftes zwischen der Gesellschaft/dem Verein und sich selbst, (2) die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites gegen sich selbst(§§ 47 IV GmbHG, 34 BGB), (3) die eigene Entlastung bzw. Befreiung von Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft (§§ 136 I AktG, 47 IV GmbHG, 43 VI GenG) oder (4) die Geltendmachung eines Anspruches der Gesellschaft gegenüber sich selbst (§§ 136 I AktG, 43 VI GenG, 113 II HGB). Die Kasuistik des Gesetzes folgt hinsichtlich der Anordnung von Stimmverboten zwei Prinzipien: dem Verbot des Geschäftes mit sich selbst und dem Verbot des Richters in eigener Sache. 83 Im Hinblick auf Amtsbeschränkungen für Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat ist zunächst festzustellen, daß die genannten gesetzlichen Stimmverbote lediglich den Ausschluß des Stimmrechts stützen84, nicht aber auch- wie teilweise in der Literatur85 angenommen - die Verweigerung des Mitberatungsrechts und des Rechts zur Teilnahme an der beschließenden Sitzung. 86 Die aufgezeigten Situationen zeichnen sich außerdem dadurch aus, daß der Gesellschafter auf der einen Seite ein persönliches Interesse daran hat, vorteilhafte Rechtsgeschäfte abzuschließen oder rechtlich nicht in Anspruch genommen zu werden. Auf der anderen Seite liegt es aufgrund seiner Position als Mitglied und Mitprofitierender am Unternehmensgewinn auch in seinem Interesse, daß die Gesellschaft günstige Rechtsgeschäfte tätigt, Leistungs- und Zahlungsansprüche gegen ihre Schuldner durchsetzt sowie Rechtsstreitigkeiten in dieser Sache führt. Es ist für den Gesellschafter nicht generell vorhersehbar, daß es zu Rechtsgeschäften oder zu Rechtsstreitigkeiten zwischen der eigenen Gesellschaft und ihm selbst kommt; eine Vorbereitung auf solche Situationen ist praktisch nicht möglich. Diese innere Kollisionslage kann nicht
83 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 III. 4. a.), (S. 700); ebenso Beck'sches HB der GmbH, § 4, Rn. 93; Hüffer, AktG, § 136, Rn. 3. 84 Mertens in Kötner Komm. zum AktG, § 108, Rn. 49, 55 sowie Zöllner in Kölner Komm. zum AktG, 1. Aufl., § 136, Rn. 57; Baumbach!Hueck, GmbH-Gesetz,§ 47, Rn. 23; Müller, Komm. zum GenG, Zweiter Band, § 5, Rn. 5; Baumbach!Hopt, HGB, § 119, Rn. 9; Palandt/Heinrichs, BGB, § 34, Rn. 3; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 33, 19. 85 So Hoffinann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 29, Rn. 25: Ausschluß des Stimm- und Beratungsrechts; Martens, ZGR 1977, S. 422ff., (429): Entfallen jeglicher Beteiligung der Arbeitnehmerseite an Entscheidungen im Arbeitskampf. 86 Auch LG Mühlhausen, Urt. v. 15. 08. 1996, ZIP 1996, S. 1660f. =Die AG 1996, S. 527f.: unentziehbares Recht jedes Aufsichtsratsmitgliedes auf Teilnahme an allen Aufsichtsratssitzungen.
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in einer Weise aufgelöst werden, die beiden Interessen gerecht wird. Der Gesellschafter muß sich zwischen den eigenen Interessen als Privatmann und den eigenen Interessen als Gesellschaftsmitglied entscheiden. Man kann weder von ihm verlangen, daß er generell immer den gesamtgesell-schaftlichen Interessen den Vorrang gibt und dafür wirtschaftliche oder persönliche Verluste als Privatmann in Kauf nimmt; - eine Sorgfaltspflicht des einfachen Gesellschafters zu "ordnungsgemäßem Gesellschafterverhalten, insbesondere Abstimmungsverhalten" existiert nicht. Noch ist es ihm im Interesse der übrigen Gesellschafter und der Beschäftigten der Gesellschaft zu gestatten, sein Privatinteresse rücksichtslos zu Lasten gesamtgesellschaftlicher Belange durchzusetzen. Einzige Möglichkeit, diese Kollision zweier konträrer Interessen aufzulösen, ist ein zwingender gesetzlicher Stimmrechtsausschluß für den befangenen Gesellschafter. Der Konflikt, in den Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Spannungsfeld zwischen ihrer Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse und den Interessen als Arbeitnehmer geraten können, ist damit nicht zu vergleichen. Mit Annahme des Aufsichtsratsamtes übernehmen die Arbeitnehmer wie alle anderen Aufsichtsratsmitglieder eine Mitverantwortung für das Wohl und Gedeihen des gesamten Unternehmens; sie müssen ihr Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitgliedes fiihren. Die Verpflichtung auf das Unternehmenswohl und die Interessen als Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter stehen nicht generell und von vornherein konträr gegeneinander, sondern können sich häufig sogar überlagern: Einerseits gehören die Belange der Arbeitnehmer (vor allem die existenziellen im Rahmen der zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften) genauso zum Inhalt des Unternehmenswohles wie die Interessen der Kapitalseite, des Managements oder der beteiligten Unternehmen. 87 Andererseits können sich bestimmte Maßnahmen, die auf den ersten Blick als nachteilig für die Belegschaft erscheinen, in der Zukunftsperspektive als für die meisten der Beschäftigten interessegerecht erweisen. Auch die Stillegung einer unrentablen Abteilung kann zum Beispiel erforderlich sein, um einen weiteren wirtschaftlichen Niedergang des Unternehmens und damit einen weit größeren Abbau von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen verhindern. Den Aufsichtsratsmitgliedern stehen bei jeder Abstimmung die Alternativen zur Wahl, den geplanten unternehmenspolitischen Maßnahmen zuzustimmen, sich der Stimme zu enthalten oder nach sorgfältiger Abwägung des Unternehmenswohles und der speziellen Gruppeninteressen dagegen zu stimmen. Ihnen ist es nicht verwehrt, die Interessen der von ihnen repräsentierten
87
Dazu schon oben, 1. b. sowie unten, c): Prinzip der Gegnerfreiheit
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Personengruppe mit besonderem Nachdruck darzustellen. 88 Lediglich die rücksichtslose Durchsetzung der Interessen des eigenen Wahlkörpers ohne jegliche Beachtung des gesamtunternehmefischen Wohlergehens ist mit der Loyalitäts- und Treuepflicht des Aufsichtsratsmitgliedes gegenüber der Gesellschaft nicht vereinbar. Unterstellt man den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, daß sie von vornherein gegen Pläne des Kapitals stimmen, muß man unparteiischerweise auch den Anteilseignervertretern unterstellen, daß ihre Stimmabgabe faktisch vorhersehbar ist und nur vom Kapitalinteresse diktiert wird. Desgleichen könnte man die Frage nach Stimmverboten für andere Aufsichtsratsmitglieder mit speziellem Hintergrund, wie zum Beispiel für Bankenvertreter oder politisch legitimierte (entsandte) Mitglieder aufwerfen. 89 Hier wird unterstellt, daß die Anteilseignervertreter entsprechend dem (gesamtgesellschaftlich zu bestimmenden) Unternehmenswohl handeln. Die gleiche Vermutung amtspflichtgemäßen Handeins hat allerdings auch für die Arbeitnehmervertretern zu gelten. Ihnen muß von Anbeginn der Amtstätigkeit an klar sein, daß im Einzelfall die Zurückstellung der Interessen der Belegschaft einschließlich eigener Arbeitnehmerinteressen erforderlich werden kann90 und daß sie auch während eines Arbeitskampfes Teil des Unternehmensorganes Aufsichtsrat sind. Insoweit können sich die Arbeitnehmervertreter von vornherein auf Konfliktsituationen einstellen und sich längerfristig Gedanken über eventuelle Reaktionen machen. Letztendlich bleibt ihnen neben der Stimmenenthaltung immer die Möglichkeit, ihr Amt vorzeitig aus wichtigem Grund niederzulegen. Persönliche oder wirtschaftliche Verluste sind damit nicht verbunden; der Ausfall der eventuellen Aufsichtsratsvergütung kann nicht als Einbuße aufgefaßt werden, da damit eine zusätzliche Leistung sowie erweiterte Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers abgegolten wurden, die nun entfallen sind. Dreher fiihrt in überzeugender Weise hierzu aus, daß Interessenkonflikte unvermeidbare Folgen komplexen unternehmerischen Willens und der Eingebundenheit fast jedes Aufsichtsratsmitgliedes in zahlreiche Interessen seien, die nicht von vornherein einen Unwert in sich trügen. Inkompatibilitätsregeln (neben den gesetzlich geregelten Fällen,) seien daher de lege ferenda weder erforderlich noch empfehlenswert. Differenzierungen nach bestimmten Arten 88 Z. B. GeBier in Geßler/Hefennehi/Eckardt!Kropff, AktG, § 96, Rn. 61 m. z. N.; Mertens in Kötner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 12. 89 Anklänge davon z. B. bei Werner, ZHR 145 (1981), S. 252fT. zu Interessenkonflikten und Stimmverboten bei Bankenvertretern (letzteres strikt ablehnend) sowie Schwintowski, NJW 1-990, S. I 009ff. für politisch legitimierte ARM hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht. 90 Zum Erfordernis eines Mindestmaßes an Kenntnissen über die Amtstätigkeit sowie Fähigkeiten für die Aufsichtsratstätigkeit bereits bei Amtsantritt siehe oben, Zweites Kapitel, III., l .
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von Interessenkonflikten und eine daraus folgende Fraktionierung der Aufsichtsratsmitglieder, zum Beispiel in Banken- bzw. Arbeitnehmervertreter, böten keinen Lösungsansatz. Die Lösung von Interessenkonflikten müsse vielmehr der Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit des auf das Untemehmensinteresse verpflichteten Aufsichtsratsmitgliedes überlassen bleiben. Statt zusätzlicher Stimmverbote und -einschränkungen sei daher entweder Konfliktvermeidung von vornherein (Nichtannahme des Amtes) oder Konfliktbewältigung (grundsätzlich Rollentrennung; eventuell Stimmenthaltung bzw. Amtsniederlegung) sowie Konfliktduldung (Akzeptanz möglicher Interessenkonflikte, deren Lösung dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied grundsätzlich zuzutrauen sei) zu praktizieren. 91 Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Interessenlage der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in tarifpolitischen und Arbeitskampfangelegenheiten nicht derjenigen ähnelt, die zu einem Stimmverbot der Gesellschafter nach §§ 136 I AktG, 47 IV GmbHG, 43 VI GenG, 34 BGB, 113 II HGB fiihrt. 92 Aufgrund ihrer speziellen Kasuistik kann diesen Nonnen auch kein allgemeiner Rechtssatz des Inhaltes entnommen werden, daß in allen Fällen einer Interessenkollision generell ein Stimmverbot greift. 93 Die These eines "vorsorglichen" Stimmrechtsausschlusses und erst recht des Ausschlusses der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer von Beratungen und Abstimmungen über tarifpolitische und Arbeitskampfangelegenheiten kann hierüber folglich nicht begründet werden. 94 91 Dreher in JZ 1990, S. 896ff. (898ff.); ebenso sieht Werner, ZHR 145 (1981), S. 252ff. (266ff.) hinsichtlich eventueller Interessenkonflikte bei Bankenvertretern kein Bedürfnis für die Schaffung weiterer Stimmverbote. 92 Behr, Die AG 1984, S. 281fT. (285f.): 'Gesellschafter und ARM sind hinsichtlich ihrer Verpflichtungen und Haftung gegenüber der Gesellschaft nicht vergleichbar.' 93 Mertens in Kötner Komm. zum AktG, § 108, Rn. 49, 53; Eckardt in Geßler!Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, § 136, Rn. 10, 11 ; i. E. auch Barz, Großkomm. AktG, § 136, Anm. 9; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 III. 4. a), S. 700; Baumbach!Hueck, GmbH-Gesetz,§ 47, Rn. 44; Beck'sches HB der GmbH,§ 4, Rn. 94; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 114, 33 sowie Fitting/Kaiser/ Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 182: Stimmrechtsausschluß nur in Fällen 'persönlicher Betroffenheit'; Reich/Lewerenz, AuR 1976, S. 353fT. (361 ); 94 so Mertens in Kötner Komm. zum AktG, § l 08, Rn. 51 für § 34 BGB und Rn. 53; Dreher, JZ 1990, S. 896fT. (902ff.); Werner, ZHR 145 (1981), S. 252ff. (266ff.) sieht am Beispiel der Bankenvertreter kein Bedürfnis für zusätzliche Inkompatibilitätsregeln und Stimmverbote; - insgesamt Rechtsanalogie ablehnend Zöllner in Kölner Komm. zum AktG, l. Aufl., § 136, Rn. 26f.; wohl auch Schmidt, ebda.; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 34; Fitting/Kaiser!Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 134; Reich!Lewerenz, ebda.; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 130; Kirschner, DB 1971, S. 2063ff. (2066); Behr, Die AG 1984, S. 28lff. (285f.). - Eine entsprechende Anwendung der gesetzlichen Stimmverbote lehnen teilweise auch die Vertreter der Stimmrechtsbeschränkung ab: Martens, ZGR 1977, S. 422ff. (424); Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn, 25 und ZGR
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c) These der ., Gegnerfreiheit" des Aufsichtsrates In der Literatur wird der Ausschluß der Arbeitnehmervertreter von Beratungen und Abstimmungen in Angelegenheiten des Arbeitskampfes, der Tarifund Koalitionspolitik zudem deshalb für erforderlich gehalten, da sich andernfalls durch den Einfluß der Arbeitnehmer auf den internen Willensbildungsprozeß im Aufsichtsrat das tarifpolitische Kräftegleichgewicht zugunsten der Arbeitnehmerseite verschieben könnte. 95 Auch sei die Koalitionsfreiheit der Unternehmen aus Art. 9 III GG beeinträchtigt, wenn die gewählten Arbeitnehmervertreter Einfluß auf die Entscheidung der Unternehmensleitung über die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband nehmen könnten. 96 Schließlich rechtfertigten sich die Normenwirkung eines Tarifvertrages und die Zulässigkeit von Arbeitskämpfen zur Erzielung eines Tarifvertragsabschlusses aus der Unabhängigkeit und dem Kräftegleichgewicht der Tarifvertragsparteien. Ein Stimmrechtsausschluß für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in Fragen der Tarifpolitik, des Arbeitskampfes und der Arbeitgeberkoalition sei folglich- auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung- 'sach- bzw. systemimmanent.97 Nach entsprechenden Forderungen in der Literatur sollten im übrigen tarif- und verbandspolitische Entscheidungsgegenstände von vornherein allein aufVorstandsebene betreut werden. 98 Den angeführten Ansichten ist gemein, daß sie nach Erlaß des MitbestG 1976 und vor dem Hintergrund des Verfassungsbeschwerdeverfahrens gegen das MitbestG entstanden bzw. entwickelt wurden. 9 Unternehmen, 29 Arbeitgeberverbände und die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hatten Verfassungsbeschwerden erhoben, mit denen sie die Verletzung ihrer Grundrechte durch ausgewählte Vorschriften des MitbestG, insbesondere der §§ 7 I, 27, 29, 31, 33 MitbestG, rügten.99 Dem lag die Befürchtung zugrunde, daß die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer kumulieren und daß dadurch die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Unternehmen sowie die Funktionsfähigkeit des Tarifvertrags- und Arbeitskampfsystems verloren gehen; - immerhin war mit dem Inkrafttreten des MitbestG nunmehr in allen (außer den unter die §§ 76ff. BetrVG 1952 fallenden) mitbestimmten Unternehmen eine paritätische (Montanbereich) bzw. fast-paritätische (MitbestG) Unterneh1977, S. 397ff. (403): Analogie zu Beteiligungsrechten der BRM bzw. allgemeine gesellschaftsrechtlichen Grundsätze; Hoffinann/Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 29, Rn. 19, 25: sachimmanente Grenzen des MitbestG, Gegnerfreiheit 95 Hanau, ZGR 1977, S. 397ff. (402). 96 Hanau, ZGR 1979, S. 524ff. (533). 97 Hoffinann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 29, Rn. 25; Hanau, ZGR 1977, S. 397ff. (402); Martens im Koreferat zu Hanau (s.o.) in ZGR 1977, S. 422ff. (429ff.). 98 Martens, ZGR 1977, S. 422ff. (429ff.). 99 Näher dazu Raiser, MitbestG, Ein!., Rn. 40 - 42.
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mensmitverwaltung durch Arbeitnehmer im Aufsichtsrat eingeführt. Die erweiterte Mitbestimmung stellte sich aus der Sicht der Unternehmen als eine gravierende Einschränkung ihrer Eigentumsgarantie und wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit dar. Darüber hinaus ließen die Verfassungsklagen und deren Begründungen erkennen, daß die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat als gegnerischer Einfluß auf die Koalitionsbetätigung der Arbeitgeberseite verstanden wurde, und daß die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wegen erwartungsgemäß prinzipiell gegensätzlicher Positionen als Gegner der Arbeitgeber- und Anteilseignerseite angesehen wurden, denen eine verantwortungsbewußte Entscheidung im Spannungsfeld zwischen wohlverstandenem Unternehmensinteresse und Arbeitnehmerbelangen nicht zugetraut werden konnte. Aus diesem Blickwinkel erscheint es zunächst nachvollziehbar, daß hinsichtlich der Gewährleistung eines funktionsfa.higen (insbesondere gegnerfreien) Tarifvertrags- und Arbeitskampfsystemes nicht nur auf den Gedanken der kooperativen, integrativen Zusammenarbeit der Aufsichtsratsmitglieder, auf die Verpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder auf das Unternehmensinteresse und die vorhandenen Sanktionsmaßnahmen wegen pflichtwidrigen Amtshandeins (so die Argumentation des BVerfG 100) vertraue 0 1, sondern daß der Ausschluß der Arbeitnehmervertreter von entsprechend konfliktträchtigen Themen gefordert wird (Stimmrechtsbeschränkung zugleich als "Entlastung" für die Arbeitnehmervertreter von. möglichen Konfliktsituationen 102). Allerdings verkennt diese Position zum einen, daß das Unternehmensinteresse keine feste Richtgröße ist, sondern sich aus zahlreichen, teilweise einander widersprechenden Einzelinteressen (der Anteilseigner, der Arbeitnehmer, der Gläubiger und Konkurrenten, der Allgemeinheit) zusammensetzt und innerhalb des "Formalzieles" Gewinnerzielung einer ständigen Aktualisierung bedarf. 103 Aufgabe des Aufsichtsrates ist es gerade, die teilweise konträren Belange im Unternehmen in diesen Aktualisierungsprozeß zu integrieren und unter der obersten Handlungsmaxime 'Bestand und Erfolg des Unternehmens' zu einer gemeinsamen Zielvorstellung zu konkretisieren und stabilieren. 104 Schon oben, b) sowie ausfuhrlieh im Anschluß hieran, unter d). So insbesondere die Kritik am BVerfG-Urteil von Seiter in Festschrift für Gerhard Müller, S. 589ff. (600ft:). 102 Brinkmann, "Unternehmensinteresse und Unternehmensrechtsstruktur", S. 293. 103 Zu den Begriffen Formalziel und Sachziel (Unternehmensgegenstand als Identifizierungs- und Abgrenzungsmerkmal) Jula, Die Bildung besonderer Konzemorgane, S. 130f.; zum 'Unternehmensinteresse' i. ü. schon oben, I. b). 104 Insb. Mertens in Kötner Komm. zum AktG, Vorb. § 95, Rn. 10 und Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 12; Hoffmann, Der AR, S. 5f., Rn. 108; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 95ff. 100 101
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Einerseits weist der Aufsichtsrat zwn Zwecke der Erfüllung dieser Aufgabe eine spezifische personelle Zusammensetzung auf, andererseits spiegelt die personelle Zusammensetzung des Aufsichtsrates gerade seine integrative Funktion wider: Trotz teilweise entgegengesetzter Interessenbindungen entsprechend der Zugehörigkeit zur Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmerbank sind alle Aufsichtsratsmitglieder unterschiedslos vorrangig auf das Unternehmenswohl, also die Funktionsfähigkeit und den Erfolg des Unternehmens, verpflichtet. Zwn anderen werden die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat als Mitträger der Unternehmensverwaltung so auch unterschätzt. Sie können nicht durch Weisungen oder Aufträge ihres W ahlkörpers, der Betriebsräte und Gewerkschaften oder durch Stimmbindungsverträge (weil unzulässig) auf ein bestimmtes Amtshandeln festgelegt werden. Auch eine Amtsenthebung durch die Belegschaft aufgrund einiger unzufriedener Stimmen in der Arbeitnehmerschaft ist wegen des Erfordernisses der Drei-Viertel-Mehrheit mit spezieller Vorschlags- bzw. Antragsberechtigung 105 erschwert. Die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat haben vielmehr die Rechtsmacht und die Pflicht, ihr Amt selbständig und eigenverantwortlich auszuüben. 106 Dies schließt sowohl ein Abstimmungsverhalten entsprechend dem Willen der Belegschaft als auch eine dazu konträre Stimmabgabe ein. So, wie sie die Befugnis haben, innerhalb der Grenzen des Unternehmenswohles die Belegschaftsinteressen mit besonderem Nachdruck im Aufsichtsrat zu vertreten, muß man ihnen auch prinzipiell zutrauen, daß sie Unternehmensentscheidungen mittragen, die sich zwar auf den ersten Blick für die Belegschaft nachteilig auswirken, für die Unternehmensentwicklung aber erforderlich sind. Aufgrund ihrer Amtstätigkeit haben die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Einblick in die betriebswirtschaftliehen und finanziellen Verhältnisse des Unternehmens. Sie müssen trotz oder gerade wegen ihrer Funktion als Arbeitnehmervertreter im Interesse eines langfristigen Arbeitsplatzerhaltes erkennen und akzeptieren, daß Forderungen nach Lohnerhöhungen im konkreten Fall unter Umständen nicht erfüllbar sind und ein Streik daher nur schädlich wäre. Die Stellungnahme der Arbeitnehmervertreter gegen eine Bestreikung des Unternehmens unter Berücksichtigung der möglichen Folgen eines länger andauernden Streikes für das Unternehmen
Siehe oben, Einleitung, II. 2. Ausdrücklich geregelt in § 4 II Montan-MitbestG; dieses Prinzip gilt darüberhinaus völlig unbestritten für alle ARM, gleichgültig, welchen Mitbestimmungsstatus ihr Unternehmens aufweist; zurückzuführen auf § 111 V AktG; i. ü. völlig unbestritten, vgl. nur BGH, Urt. v. 29. 01. 1962, BGHZ 36, S. 296ff. (303f.); Lutter/Krieger,§ 7, I, Rn. 280; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 78f.; Potthoffffrescher, Das AR-Mitglied, 5, Kapitel, III. 3. d.) (S. 84f.). Richtlinien und Empfehlungen sind allerdings zulässig: ARM dürfen sie im Rahmen des Unternehmenswohles beachten, sind aber nicht daran gebunden. 105 106
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und die Arbeitnehmer, zum Beispiel Produktionsausfall, hinzutretende Auftragsverluste, eventuelle Schadensersatzforderungen der Abnehmer wegen Leistungsstörungen (Verzug, Unmöglichkeit), ist insoweit nicht unwahrscheinlich. Im übrigen bietet eine solche Position der Arbeitnehmervertreter nach innen und nach außen gegenüber der Belegschaft, möglicherweise erst errungen durch harte Auseinandersetzung im Aufsichtsrat und mit dem Vorstand, eine weit höhere Chance dafür, daß belastende Maßnahmen von den Arbeitnehmern akzeptiert werden, als wenn diese von vornherein ohne jegliche Beteiligung von Arbeitnehmern von oben nach unten "durchgedrückt" werden. 107 Schließlich erscheint es bereits vom Ansatz her verfehlt, anzunehmen, daß die Ansichten der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, und seien sie von gewerkschaftlichen Forderungen beeinflußt, keine im Rahmen der Konkretisierung des Unternehmensinteresses zu bedenkenden Positionen wären und deshalb vernachlässigt werden könnten. Neben der Profitmaximierung ist für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung mindestens genauso wichtig, daß eine gut ausgebildete, aufeinander eingespielte Stammbelegschaft aufgebaut wird und ein angenehmes Betriebsklimas besteht, in dem auch den Arbeitnehmern Wertschätzung zuteil wird und sich eine Art "Zugehörigkeitsgefiihl" der Beschäftigten zum Unternehmen entwickeln kann. Gewiß sind in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und der Verlockung einer Produktionsansiedlung in ausländischen Billiglohnländern Sensibilität und Sinn für das wirtschaftlich Machbare hinsichtlich gewerkschaftlicher Forderungen nach Lohnerhöhungen, ungekürzter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, verstärkten Sozialleistungen usw. geboten. Desungeachtet ist die Geltendmachung der Interessen der Belegschaft, aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten verstärkt am Unternehmensgewinn teilzuhaben, ein berechtigtes Vorbringen einer wesentlich am Unternehmenserfolg beteiligten Gruppe und gehört daher ebenso in den Aufsichtsrat wie Erörterungen über Gewinnausschüttungen, Dividendenzahlungen oder Rücklagenbildung. 108 Darüber hinaus zeichnen sich die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat im Vergleich zu den Anteilseignervertretern neben ihrer häufig geringeren unternehmeciseben Erfahrung und Fachkompetenz durch wertvolle Eigenschaften wie zum Beispiel die langjährige Kenntnis des Unternehmens, der unternehmensinternen Vorgänge und Abläufe aus der In107 So auch Gerum in FS für Prof. Dr. Erich Potthoff zur Vollendung des 75. Lebensjahres, S. 46ff. (56ff.); Jula, Die Bildung besonderer Konzernorgane, S. 135: 'Ein Gegensatz zwischen den Unternehmenszielen Verwirklichung des Gesellschaftszweckes und Mitbestimmung besteht per se nicht.'; Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (240): 'Einfluß der AN-Vertreter im AR ist gerade in Krisenzeiten sehr wichtig' . 108 Für Vorrang der materiellen Konfliktlösung gegenüber einem formellen Beratungs- und Stimmrechtsausschluß auch Behr, Die AG 1984, S. 281 ff. (283, 285f.) sowie Götz, ebda., S. 347;
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
neosieht sowie durch ihr besonderes soziales Engagement für ihr Unternehmen aus. Die Anteilseignervertreter verfügen in der Mehrzahl zwar über vertiefte Kenntnisse und langjährige Erfahrungen in bezugauf Unternehmensführung und -Verwaltung. Allerdings ist nicht selten zu beobachten, daß sie vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Förderung geschäftlicher Kontakte und der kontinuierlichen Verdichtung des wirtschaftlichen Beziehungsgeflechtes bestellt werden und infolgedessen keine so enge Beziehung zum Unternehmen haben, wie dies bei den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat der Fall ist. 109 Teilen die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner strikt die Ansichten des Vorstandes über die Ergreifung von Arbeitskampfmaßnahmen oder über die einzuschlagende Tarif- und Koalitionspolitik, käme niemand auf die Idee, ihnen eine Mißachtung des Unternehmenswohles vorzuwerfen oder sie wegen einer Interessenkollision (zum Beispiel bei Vertretern eines Kreditinstitutes, das große Anteile am Unternehmen besitzt oder aber umfangreiche Kredite gewährt hat und am Unternehmensgewinn oder -Verlust partizipiert) vom Stimmrecht auszuschließen. Die darin zum Ausdruck kommende grundsätzliche Vermutung amtspflichtgemäßen Handeins muß aufgrund der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung und wegen der prinzipiell gleichen Möglichkeit von Interessenkonflikten aller Aufsichtsratsmitglieder auch für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gelten. Die Möglichkeit der Aufsichtsratsmitglieder, die Interessen ihrer Gruppe im Rahmen und für die Konkretisierung einer gemeinsamen Zielvorgabe zum Unternehmenswohl mit besonderem Nachdruck zu vertreten, lebt vom Widerspruch, erfordert ein Zuhören und Miteinanderreden und das Bemühen um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.110 Die Arbeitnehmervertreter als Gegner der Anteilseignerseite zu verstehen und sie daraufhin von Beratungen und Entscheidungen über Gegenstände, die die Belegschaft des Unternehmens unmittelbar und gravierend betreffen, auszuschließen, verkennt die Funktion und Chancen der Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat völlig und ist angesichts der heutigen Bedeutung der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer nicht mehr haltbar. 111 d) Mitbestimmungsurteil des BVerfG
Das BVerfG erörterte in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des MitbestG 112 gleichfalls die Frage der Gegnerfreiheit der ArbeitgeberkoalitioSo bei Götz, Die AG 1995, S. 337ff. (347 u. 344m. w. N.). So ausdrücklich auch Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Vorb. § 95, Rn. 10. 111 Mertens in Die AG 1977, S. 306ff. (31 0). 112 BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979, NJW 1979, S. 699ff.; eine ausführliche Bewertung des Urteils findet sich z. B. bei Raiser, MitbestG, Ein!., Rn. 40ff. 109 110
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nen und räumte ein, daß es ungewiß sei, wie sich die Rechte der Arbeitnehmer bei der Unternehmensmitverwaltung nach MitbestG auf das tarifpolitische Kräftegleichgewicht auswirken würden, da die hierbei zu bedenkenden Faktoren und Zusammenhänge sehr weitreichend und komplex seien und es zudem auf die jeweiligen Bedingungen in den einzelnen Unternehmen sowie auf die zukünftige gesamtwirtschaftliche Entwicklung ankäme. Allerdings werde die Befugnis des Gesetzgebers zum Erlaß eines (umstrittenen) Gesetzes durch Unsicherheiten über die Auswirkungen des Gesetzes nicht aufgehoben. Soweit nur seine positive Zukunftsprognose über die Wirkung des Gesetzes im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang als vertretbar gewertet werden könne, falle die Entscheidung zur Normsetzung in sein gesetzgeberisches Ermessen. Dies treffe im Falle des MitbestG jedenfalls zu. 113 Das MitbestG lasse- so das Urteil des BVerfG- die Gründungs- und Reitrittsfreiheit der Arbeitgeber sowie ihr Recht auf staatsfreie Koalitionsbetätigung unberührt. 114 Eine Einschränkung der Gegnerfreiheit der Arbeitgeberkoalitionen könne sich zwar ergeben, allerdings sei (zum gegenwärtigen Zeitpunkt) nicht mit Sicherheit zu bestimmen, ob und in welchem Ausmaß die Gewerkschaften bzw. die Arbeitnehmerseite insgesamt Einfluß auf die Tarifpolitik der Arbeitgeber nehmen können. Ein solcher Einfluß lasse sich weder gänzlich ausschließen, noch könne er bei Betrachtung der rechtlichen Normierungen als selbstverständlich angesehen werden. Eine Grundlage für die Bewahrung der prinzipiellen Gegnerfreiheit sei jedenfalls durch die Verpflichtung der Angehörigen der Vertretungsorgane der Mitgliedsunternehmen auf das Unternehmensinteresse (§§ 93 AktG, 43 GmbHG, 34 GenG) und begleitende Sanktionsmöglichkeiten geschaffen; daß sie sich dieser Pflicht gemäß verhalten und nicht wegen privater Konflikte die Interessen der Gegenseite wahrnehmen, davon sei im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Prüfung grundsätzlich auszugehen. Auch bleibe der Einfluß der Arbeitnehmer auf die Arbeitgeberkoalitionen hinter ihrem unterparitätischen Einfluß im Unternehmen zurück, da er sich von der Ebene des Einzelunternehmens über die Ebene der Arbeitgeberkoalitionen (verhältnismäßig geringe Zahl der der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter zuzurechnenden Unternehmensvertreter; auch nicht-mitbestimmte Unternehmen als Mitglieder der Arbeitgebervereinigungen) bis zu den Verbänden der Arbeitgeberkoalitionen immer mehr abschwäche sowie zusätzlich durch Satzungsrecht der Arbeitgeberkoalitionen eingeschränkt werden könne. Insgesamt sei daher die Gegnerfreiheit der Arbeitgeberkoalitionen nicht prinzipiell in Frage gestellt und nicht in den Kernbereich der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 III GG eingegriffen. 115 BVerfG, ebda., S. 701 f. ebda., S. 709f. 115 BVerfG, ebda., S. 710.
113
114 BVerfG,
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Bei seinen Erörterungen zur Gegnerfreiheit der Arbeitgeberkoalitionen ging das BVerfG zwar nicht unmittelbar auf das Thema Arbeitskampf ein. 116 Aus der Gesamtauslegung des Urteils und seinem Zusammenhang mit der sonstigen ständigen Rechtsprechung des BVerfG (insbesondere der verfassungsrechtlichen Kernbereichsgarantie des Arbeitskampfes 117) ist allerdings zu schlußfolgern, daß die Äußerungen des Gerichts zur Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems das Arbeitskampfwesen - als wesentliches Element des Tarifvertragssystems - miteinschließen 118 und daß also auch im Hinblick auf Beeinträchtigungen der Verhandlungs- und Kampfparität sowie der Gegnerfreiheit im Arbeitskampf die positive Zukunftsprognose des Gesetzgebers hinsichtlich eines funktionsfähigen Arbeitskampfsystems akzeptiert wird. e) Überholtheil der Forderung nach einer Einschränkung des Stimm- und Mitberatungsrechts der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat aus rechtsgeschichtlicher, rechtstatsächlicher sowie praktischer Sicht
Darüber hinaus erweist sich die Forderung nach einem Ausschluß der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer von Beratungen und Abstimmungen in arbeitskampfspezifischen Angelegenheiten aus rechtsgeschichtlicher, rechtstatsächlicher sowie praktischer Sicht als unberechtigt und überholt. aa) Rechtsprechungsentwicklung 119 und Tendenzen in der rechtswissenschaftliehen Literatur Im Zeitraum von 1976 bis 1981 ergingen rund 50 veröffentlichte- und eine unbekannte Zahl unveröffentlichter - (Vor-)Entscheidungen deutscher Gerich116 Das BVerfG diskutiert (ebda., S. 710) die Gegnerfreiheit der AG-Koalitionen nur (I) unter dem Gesichtspunkt, daß die Angehörigen der Vertretungsorgane der Mitgliedsunternehmen aufgrund etwaiger persönlicher Konflikte (Wiederwahl durch den AR, dem AN und Angehörige des Tarifvertragsgegners angehören) möglicherweise die Interessen der Gegenseite wahrnehmen, bzw. (2) im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von Unternehmensvertretern in den Arbeitgeberkoalitionen und deren Verbänden, die der AN- bzw. Gewerkschaftsseite zuzurechnen sind. 117 Siehe oben, 2., Ausführungen zum Streik. 118 So auch Seiter in Festschrift fiir Gerhard Müller, S. 589ff. (594f.). 119 Für den Zeitraum 1976 bis 1996 hauptsächlich orientiert an der grundlegenden Zusammenfassung der Rechtsprechung zum MitbestG von Theisen in BB 1981, S. 1858ff. (1976- 1981), Die AG 1987, S. l37ff. (1981 -1986), Die AG 1993, S. 49ff. (1986- 1991) sowie Die AG 1998, S. 153fT. (1991 - 1996); außerdem eigene Zeitschriften-Auswertung von 1992 bis Mitte 1998; eine Darstellung der wesentlichen Verfahrensgegenständemit mitbestimmungsrechtlichem Bezug zwischen 1976 und 1997 ist im Anhang beigefiigt.
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te im Zusammenhang mit Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes. Zwischen 1981 und 1986 lag die Anzahl der veröffentlichten Entscheidungen bei rund 40, zwischen 1986 und 1991 bei 47 und zwischen 1991 und 1996 bei rund 50. 120 Die Zahl der mitbestimmten Unternehmen hat sich demgegenüber stetig vergrößert: vom lokrafttreten des MitbestG bis Mitte der 80er Jahre waren dies 480, Ende 1986 genau 488 Kapitalgesellschaften, zum 31. 12. 1991 wurden 573 Unternehmen als unter das MitbestG fallend gezählt und Ende 1992 schon 709 Kapitalgesellschaften, darunter l 02 in den neuen Bundesländern. Unter das Montan-MitbestG fielen zu dieser Zeit 47 Unternehmen, davon 18 in den neuen Bundesländern. 1994 lag die Zahl der vom MitbestG erfaßten Unternehmen erneut höher, nämlich bei 714. Allerdings konnte eine rückläufige Entwicklung in den neuen Bundesländern beobachtet werden; von ursprünglich 102 Unternehmen im Jahr 1992 fielen im Jahr darauf lediglich 83 Unternehmen unter das MitbestG und 1994 nur noch 75 Unternehmen. 121 Bei nahezu gleichbleibendem Rechtsschutzbedürfnis bzw. ungefähr gleicher Anzahl von gerichtlichen Rechtsstreitigkeiten seit dem lokrafttreten des MitbestG haben sich die Streitigkeiten zwischen Anteilseignervertretern und Arbeitnehmervertretern mit mitbestimmungsrechtlichem Bezug folglich relativ verringert. Darüber hinaus ist unter Berücksichtigung der bekanntgewordenen bzw. veröffentlichten Entscheidungen der Fachgerichte nach 1979 nicht ein einziges Mal von Anteilseignervertretern, Vorständen oder Anteilseignern ein Verfahren mit dem Ziel angestrebt worden, die Mitberatungs- und Stimmrechte der Arbeitnehmervertreter allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten zu beschränken. Einziger bekanntgewordener und gerichtlich entschiedener Fall einer Interessenkollision war der eines hauptamtlich tätigen Gewerkschaftsbeauftragten, der einerseits in einem Industrieunternehmen Gewerkschaftsrechte nach dem BetrVG wahrnahm, andererseits als externer Arbeitnehmervertreter dem Aufsichtsrat eines Konkurrenzunternehmens angehörte. Hierbei ging es aber nicht um den Ausschluß des Rechts auf Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen und auf Abstimmung, vielmehr sollte ihm untersagt werden, die Gewerkschaftsrechte nach dem BetrVG auszuüben, solange er Aufsichtsratsmitglied des Konkurrenzunternehmens war. 122 Die Verfahren, die die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat betrafen, wurden fast ausnahmslos 120 So Theisen,ebda., BB 1981, S. 1858ff. (1858); Die AG 1987, S. 138; Die AG 1993, S. 51 sowie Die AG 1998, S 153ff. (154); verwiesen sei hier auf die bei Theisen, Die AG 1998, S. 154, Fn. 5 u. 6 genannten zahlreichen Nachweise. 121 Angaben entnommen aus Theisen, ebda. (vorherige Fußnote) sowie aus dem Mitbestimmungsbericht 1992 des Wirtschafts- u. Sozialwissenschaftlichen Institutes des DGB, AG-Report 1994, R 114. 122 LAG Hamburg, Beschl. v. 28. 11. 1986, Mitbestimmung 1987, S. 782f.; darauf verweisend Theisen in Die AG 1993, S. 55. II Jack1ofsky
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von den Arbeitnehmervertretern selbst angestrengt, um vermeintlich oder tatsächlich verletzte Mitwirkungsrechte (unzureichende Information 123 , ungenügende Berücksichtigung in Ausschüssen 124 , Bindung der Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrates an ein Mindest-Quorurn von Anteilseignervertretern 125 oder Ausdehnung des Geltungsbereiches des Zweitstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden auf Ausschüsse sowie auf die Ausschußvorsitzenden 126) einzuklagen. In letzter Zeit wurde der Beschluß des Aufsichtsrates, eines seiner Mitglieder - einen Arbeitnehmervertreter - von den Sitzungen auszuschließen, mit rechtskräftigem landgerichtlichem Urteil für nichtig erklärt 127, in einem anderen Verfahren rechtskräftig oberlandesgerichtlich entschieden, daß der Aufsichtsratsvorsitzende nicht berechtigt ist, in Erfüllung eines Hauptversammlungsbeschlusses über die Verringerung der Aufsichtsratssitze - von neun auf sechs - einen der Arbeitnehmervertreter für die Dauer der verbleibenden Amtszeit von der Mitwirkung im Aufsichtsrat auszuschließen 128 • Zudem hat sich weder, wie in Kreisen der Wirtschaft befürchtet, die Entscheidungskompetenz über unternehmensehe Organisationsakte auf die Gerichte verlagert, noch ist aufgrund der im Vergleich zu den §§ 76ff. BetrVG 1952 erweiterten Mitbestimmung nach MitbestG eine Flucht der Unternehmen aus der Mitbestimmung zu verzeichnen. Die Tatsache, daß das gleichberechtigte Mitberaten und Mitstimmen der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat in Fragen des Arbeitskampfes sowie der Tarifvertrags- und Koalitionspolitik praktisch nie Anlaß für einen grundsätzlichen gerichtlichen Streit gab, spiegelt sich 123 Z. B. BGH, Urt. v. 15. ll. 1982, BGHZ 85, S. 293ff. = Die AG 1983, S. l33f. (Hinzuziehung eines Sachverständigen); OLG Stuttgart, Urt. v. 15. 04. 1985, ZIP 1985, S. 539ff.; LG Hannover, Urt. v. 27. 06. 1989, Die AG 1989, S. 448f. = ZIP 1989, S. l330ff.; OLG Celle, Urt. v. 09. 10. 1989, Die AG 1990, S. 264ft: = ZIP 1989, S. l552f.; BGH, Urt. v. 28. ll. 1988, Die AG 1989, S. 89ft:; BGH, Urt. v. 15. ll. 1993, Die AG 1994, S. 124ft: = ZIP 1993, S. l862ff.; LG Düsseldorf, Urt. v. 19. 07. 1994, Die AG 1995, S. 333ft: 124 Z. B. OLG Harnburg, Urt. v. 23. 7. 1982, Die AG 1983, S. 2lff. = WM 82, S. l090ff.,Urt. v. 25. 05. 1984, Die AG 1984, S. 248ff. sowie Urt. v. 06. 03. 1992, Die AG 1992, S. 197ff. = ZIP 1992, S. l310ff.; BGH, Urt. v. 17. 05. 1993, BGHZ 122, 342ff. = Die AG 1993, S. 464ff; LG Passau, Urt. v. 31. 05. 1994, Die AG 1994, S. 428 = ZIP 1995, S. !753ft:; OLG München, Urt. v. 27. 01. 1995, Die AG 1995, S. 466f. = ZIP 1995, S. !753ft:; OLG Hamburg, Urt. v. 29. 09. 1995, Die AG 1996, S. 84ff. = ZIP 1995, S. 1673ff.; LG Frankfurt/M., Urt. v. 19. 12. 1995, ZIP 1996, S. 166lff. 125 Z. B. LG München, Urt. v. 16. 01. 1980, Die AG 1980, S. 165ft:= WM 1980, S. 689ft:; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20. 06. 1980, Die AG 1981, S. l02ff. sowie BGH, Urt. v. 25. 02. 1982, BGHZ 83, S. 151 ff. (beides zu 'Bilfinger & Berger'). 126 Z. B. OLG Köln, Urt. v. 25. 03. 1981, Die AG 1981, S. l35ff.; BGH, Urteile v. 25. 02. 1982, BGHZ 83, S. l06ff. (Siemens) sowie BGHZ 83, S. l44ff. (Dynamit Nobel). 127 LG Mühlhausen, Urt. v. 15. 08. 1996, ZIP 1996, S. l660ff. 128 OLG Dresden, Urt. v. 18. 02. 1997, ZIP 1997, S. 589ff.
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auch in der rechtswissenschaftliehen Literatur wider. Diesbezüglich ist nicht nur festzustellen, daß im Vergleich zur unübersehbaren Flut monographischer Abhandlungen zu mitbestimmungsrechtliehen Themen vor und nach dem Mitbestimmungsurteil 1979 die einschlägigen Veröffentlichungen insgesamt deutlich zurückgegangen sind 129;- man ist fast geneigt festzustellen, daß Mitte der 80er Jahre alles gesagt war, was zum Thema MitbestG zu sagen ist. Vor allem sind die im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des MitbestG entstandenen Forderungen nach einer Einschränkung der Beratungs- und Stimmrechte der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer weitgehend revidiert oder aufgegeben worden.130 Neue Argumente für eine solche Einschränkung der Aufsichtsratsbefugnisse der Arbeitnehmervertreter wurden nicht entwickelt und hätten im übrigen der grundsätzlichen Akzeptanz der Unternehmensmitbestimmung im allgemeinen und des MitbestG im besonderen 131 in der Praxis widersprochen.
bb) Entwicklung der Gesetzgebung Angesichts dieser Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur bestand kein Anlaß für den Gesetzgeber, die geltende Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einzuschränken. Vielmehr dienten die gesetzgeberischen Aktivitäten im Bereich der Mitbestimmungsgesetze sogar ausdrücklich dem Ziel, die Fortexistenz der Montan-Mitbestimmung (3. Montan-Mitbestimmungs-Sicherungsgesetz132) sowie den Weiterbestand der Mitbestimmung in der gegenwärtigen Form auch dafür zu sichern, daß durch Umwandlungsvorgänge die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften entfallen sind (Mitbestim-
129 So die Einschätzung der Verf.; ebenso Jula, Die Bildung besonderer Konzernorgane, S. 89; Theisen, Die AG 1987, S. 137ff. (150), Die AG 1993, S. 49fT. (50) sowie Die AG 1998, S. 153fT. (154); Ulmer in Festschrift für Theodor Heinsius zum 65. Geburtstag, 1991, S. 855ff. (855). 130 In der neueren Kommentarliteratur vorwiegend Ablehnung eines Stimmverbotes: z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 108, Rn. 49ff., insb. Rn. 53; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 182; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 145; Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 182; Kraft in GKBetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 130; Wißmann in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 370, li. 1., Rn. 6; auch in der Expertendiskussion um die Aktienrechtsreform 1997 (KonTraG) keinerlei Äußerungen zu einer Einschränkung des Stimm- und Mitberatungsrechts der Arbeitnehmervertreter, s. Sonderheft Die AG August 1997. 131 Dazu schon oben, Einleitung, I. sowie unten, dd). 132 3. Gesetz zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung vom 20. 12. 1988, BGBI. I 1988, S. 2312ff.; in Kraft getreten am 01. 01. 1989.
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mungs-Beibehaltungsgesetz 133) . Dem Entwurf des 3. Montan-Mitbestimmungs-Sicherungsgesetzes lag speziell die Erkenntnis zugrunde, daß in fast allen bisher montan-mitbestimmten Konzernobergesellschaften die gesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen der Montan-Mitbestimmung in den folgenden Jahren entfallen würden. Damit drohten eine Verringerung der tatsächlichen Bedeutung der Montan-Mitbestimmung und sogar eine generelle Gefährdung dieses Mitbestimmungsmodelles in ihrem Fortbestand. 134 In Reaktion hierauf wurde die bisher geltende Montan-Wertschöpfungsquote im Konzern von mehr als 50 % ab 1989 auf mindestens 20 % ("mindestens ein Fünftel der Umsätze sämtlicher Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen") abgesenkt, sofern die Gesellschaft ursprünglich der MontanMitbestimmung unterlag. Alternativ genügte auch eine Arbeitnehmerzahl von in der Regel mehr als 2.000 Beschäftigten für den Anwendungsbereich der §§ 5 bis 13 MitbestErgG, §§ 3 II, 16 MitbestErgG. Zugleich wurde die Zusammensetzung der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat und das dazugehörige Wahlverfahren nach MitbestErgG den entsprechenden Vorschriften des MitbestG angepaßt. Dies führte in den dem MitbestErgG unterliegenden Unternehmen zu einer Verminderung des Einflusses der Gewerkschaften im Aufsichtsrat zugunsten des Anteiles der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (bei 15köpfigem Aufsichtsrat ursprüngliches Verhältnis: 4 Belegschaftsangehörige zu 3 Gewerkschaftsvertretern, nunmehr 5 : 2; bei 21köpfigem Aufsichtsrat statt wie bisher 6 Belegschaftsangehörige zu 4 Gewerkschaftsvertreteren nun 7 : 3). 135 Das BVerfG anerkannte in seinem Urteil vom 02. März 1999 zur Verfassungsmäßigkeit der zuvor genannten Normen, der §§ 3 II S. 1, 16 MitbestErgG, das gesetzgebensehe Bestreben nach dauerhafter Sicherung der Montan-Mitbestimmung als "ausreichend indiziert" und schätzte die MontanMitbestimmung angesichts ihrer "langjährigen praktischen Bewährung" als "weiterhin sicherungswürdig" ein. Es erachtete auch die Einbeziehung von Konzernobergesellschaften in die Sonderform der Montan-Mitbestimmung nach MitbestErgG bei ausreichendem Montan-Bezug sowie die unterschiedlichen Montan-Wertschöpfungsquoten für den Verbleib in der sowie den Eintritt in die Montan-Mitbestimmung nach §§ 3 II S. 1, 16 MitbestErgG als verfassungsgemäß. Keinen ausreichenden Montan-Bezug und damit keinen rechtfer133 Gesetz zur Beibehaltung der Mitbestimmung beim Austausch von Anteilen und der Einbringung von Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedsstaaten der Europäischen Union betreffend, vom 23. 08. 1994, BGBI. I 1994, S. 2228; vgl. hierzu Theisen, Die AG 1998, S. 153ff. (154). 134 Geschichtliche Darstellung in BVerfG, Urt. v. 02. März 1999, ZIP 1999, s. 410ff. (413). 135 Zu weiteren Einzelheiten siehe z. B. Wißmann, DB 1989, S. 426ff. sowie Löwisch, BB 1988, S. 1952ff. (1956).
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tigenden Grund fiir den Verbleib im Anwendungsbereich des MitbestErgG sah das BVerfG lediglich in der alternativ geltenden Belegschaftsstärke von 2.000 Arbeitnehmern: Eine solche absolute Zahl könne im Unterschied zu einer Pro~ zentzahl wie beim Wertschöpfungskriterium den Grad des Montan~Bezuges nicht hinreichend zum Ausdruck bringen. Dies zeige gerade auch der der Vor~ lagedes OLG Düsseldorfzugrundeliegende Sachverhalt der Mannesmann AG, von deren Inlandsbelegschaft von rund 80.000 Arbeitnehmern im Jahr 1997 gerade 2.000, also 2,5 % der Gesamtbelegschaft, in montan~mitbestimmten Unternehmen beschäftigt seien. 136 Als weitere wesentliche aktienrechtliche Gesetzesvorhaben der 90er Jahre ist zum Beispiel das 'Gesetz fiir kleine Aktiengesellschaften und zur Deregu~ lierung des Aktienrechts' von 1994 zu nennen, dessen Hauptziele zum einen in der Verbesserung der Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unterneh~ men durch erleichterten Zugang zur Rechtsform der AG ("Kleine AG") sowie der Schaffung gesetzlicher Grundlagen fiir die anstehenden umfänglichen Ge~ nerationswechsel in deutschen Unternehmen, zum anderen in einer gewissen Eindämmung weiterer Konzentrationen im Wirtschaftsleben bestehen. 137 Ge~ danken an eine Änderung im Zusammenhang mit der Unternehmensmitbe~ stimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat waren dagegen nicht einmal an~ satzweise Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens. 138 Auch im Zusammenhang mit dem Reformbedarf hinsichtlich einer Ver~ schärfung der Aufsicht in und über Aktiengesellschaften, der Anfang/Mitte der 90er Jahre nach den spektakulären Unternehmenskrisen (Schneider, Bal~ sam 139, Klöckner~Humboldt~Deutz, Metallgesellschaft, ARAG~Garmenbeck) besonders deutlich wurde und Gesetzesform im KonTraG von 1998 (Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) fand, waren Einschränkungen der Mitbestimmungsrechte der Aufsichtsrats~ mitglieder der Arbeitnehmer weder vom Gesetzgeber geplant noch aus Kreisen der Wirtschaft angesprochen. Forderungen nach einer - "dringend notwendi~ gen"- Verringerung der Aufsichtsratssitze wurden ausdrücklich nur mit Blick 136 Z.
B. in ZIP 1999, S. 410fT. (416ff.). Hierzu z. B. Priester in BB 1996, S. 333ff. 138 Desgleichen nicht in den weiteren wichtigen aktienrechtlichen Änderungsgeset~ zen: 1993, 1994: Standortsicherungsgesetz; 2. Finanzmarktförderungsgesetz; Umwand~ lungsbereinigungsgesetz (zum Inhalt dieser Änderungsgesetze z. B. Claussen, Die AG 1995, S. l63ff.); 1998: 3. Finanzmarktförderungsgesetz (z. B. Meixner, NJW 1998, S. l896ff.). 139 Der Konkursverwalter der ehemaligen Balsam AG hat auch Schadensersatzklage gegen den stellvertretenden AR-Vorsitzenden der Balsam AG mit dem Vorwurf erhoben, dieser habe mehrfach konkrete Hinweise über Unkorrektheiten bei Balsam erhalten, sei ihnen aber nicht nachgegangen; Quelle: FAZ v. 07. 11. 1998, "Im BalsamVerfahren nun auch Klage gegen Aufsichtsrat". 137
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auf eine Verbesserung der Effektivität der Aufsichtsratsarbeit erhoben. Zugleich wurde dabei immer versichert, die Paritätsverhältnisse zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern beibehalten zu wollen. Eine vom Bundestag eingesetzte Arbeitsgruppe sah die Hauptpunkte einer Reform des Aktienrechts durch das KonTraG darin, die Zusammenarbeit der Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer zu erweitern, die Kontrollmöglichkeiten des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand zu verstärken sowie die Zahl der nebeneinander zulässigen Aufsichtsratsmandate in einer Person zu beschränken. Desweiteren existierten Vorstellungen zu einer Verschärfung der Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern. 140 Auf der Basis des Referentenentwurfes 141 zur Änderung des Aktiengesetzes (KonTraG), vorgestellt vom Bundesjustizministerium im November 1996 nach einer längeren Phase der Anhörung von Verbänden und Gewerkschaften zu diesem Entwurf sowie nach Auseinandersetzung mit einem von der SPD bereits im Januar 1996 vorgelegten Entwurf eines Transparenz- und Wettbewerbsgesetzes, wurde am 06. November 1997 der Regierungsentwurf des KonTraG vom Bundeskabinett beschlossen. Nahezu unverändert dazu verabschiedete der Bundestag dieses Gesetz, und ohne Nachhesserungen oder Änderungen im Vermittlungsausschuß trat das KonTraG am 01. 05. 1998 in Kraft. 142 Regelungen des KonTraG mit mitbestimmungsrechtlichem Bezug bestehen zum Beispiel darin, daß die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder durch Aktionäre nach § 147 III AktG n. F. erleichtert wurde (Herabsetzung des erforderlichen AntragsQuorums von Aktionären nach § 147 AktG auf Anteile, die den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Deutsche Mark erreichen; -der Regierungsentwurf sah noch einen Nennbetrag von zwei Millionen Mark vor). Des weiteren wurde statt einer (wie im Referentenent140 NJW-Wochenspiegel, NJW 1996, S. XXXVII; Ähnliche Beschlüsse waren auch auf dem 61. Deutschen Juristentag im September 1996 gefaßt worden (ZIP 1996, ZIPAktuell, S. IX). 141 ZIP-Dokumentation, ZIP 1996, S. 2129ff.: wichtige Punkte: z. B. in § 93 I S. 2 bis 3 AktG n. F. verdeutlichte Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeit der VM und ARM (über§ 116 AktG); erleichterte Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber VM und ARM durch Herabsetzung des Antrags-Quorums; konkretisierte Berichtspflicht des Vorstandes gegenüber dem AR in § 90 I Nr. l AktG n. F.; statt der Herabsetzung der zulässigen Höchstzahl von AR-Mandaten einer Person doppelte Anrechnung der Vorsitzmandate und stellvertretenden Vorsitzmandate innerhalb der zulässigen zehn AR-Mandate, § 100 li Satz 3 n. F.; mindestens einmal im Kalendervierteljahr Einberufung des AR von börsennotierten Gesellschaften; Anzahl der Aufsichtsratssitze nach MitbestG generell sechs ARM der AE und der AN, bei Unternehmen mit i.d.R. mehr als 10.000 AN lediglich Möglichkeit, durch Satzungsbestimmung fiir den AR je acht oder je zehn ARM der AE und AN vorzusehen. 142 ZIP-Dokumentation, ZIP 1998, S. 487ff., BGBI. I Nr. 24, S. 786ff.
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wurf vorgeschlagenen) Verschärfung der Haftung und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder in§ 93 AktG im neugefaßten § 91 II AktG die Verpflichtung des Vorstandes verdeutlicht, eine effektive Überwachung sicherzustellen, mittels derer frühzeitig existenzgefährdende Entwicklungen erkannt werden. Die im Referentenentwurf vorgeschlagene Neufassung der Berichtspflicht des Vorstandes nach § 90 I Nr. l AktG wurde eingeschränkt übernommen. Eine Beschränkung der möglichen Aufsichtsratsmandate einer Person (wie vorgeschlagen auf höchstens fünf Mandate nebeneinander) setzte sich nicht durch. In Abweichung zum Referentenentwurf wurde die Doppelanrechnung von Aufsichtsratsmandaten lediglich hinsichtlich der Vorsitzmandate, nicht aber der stellvertretenden Vorsitzmandate vorgesehen. Weitere einschränkende Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder, wie zum Beispiel das Verbot von parallelen Aufsichtsratsmandaten in Konkurrenzunternehmen, fanden keinen Eingang in den Gesetzestext. Allerdings wurde die Pflicht zur Offenlegung sonstiger Tätigkeiten und Mandate der Aufsichtsratsmitglieder und Kandidaten für das Aufsichtsratsamt durch die Neufassungen des KonTraG hinsichtlich der §§ 124 III S. 3, 125 I S. 3, 127 S. 3 AktG, 285 Nr. 10 S. l HGB konkretisiert und erweitert. Die Zahl der Pflichtsitzungen wurde für börsennotierte Gesellschaften auf zweimal im Kalenderhalbjahr festgelegt (sonst unverändert einmal im Kalenderhalbjahr; Soll weiterhin eine Sitzung pro Kalendervierteljahr). Weitere wichtige Änderungen betrafen die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlußprüfer (zum Beispiel erteilt nunmehr nach § 111 II S. 3 AktG n. F. der Aufsichtsrat den Prüfungsauftrag für den Jahres- und Konzernabschluß) sowie die Verbesserung der Information des Aufsichtsrates.l43 Eine generelle gesetzliche Verkleinerung der Aufsichtsräte im Bereich des MitbestG - erwünscht von seiten der Arbeitgeberverbände zur Verbesserung der Wirksamkeit der Aufsichtsratstätigkeit 144 und bedacht mit heftigem Widerstand von seiten der Gewerkschaften 145 - setzte sich nicht durch, desglei143 ZIP-Dokumentation, ZIP 1997, S. 2059ff. zum Regierungsentwurf als wesentlichem Baustein des neuen KonTraG (zu weiteren Konkretisierungen und Veränderungen, teilweise in Entsprechung, teilweise als Neuerung zum Referentenentwurf siehe dort); zur vom Bundestag verabschiedeten Fassung des KonTraG siehe ZIPDokumentation in ZIP 1998, S. 487ff.; Zusammenfassung des Entstehungsprozesses des KonTraG z. B. bei Lingemann/Wasmann, BB 1998, S. 853ff. 144 Stellvertretend die Ansicht des Präsidenten der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Hundt in FAZ v. 13. 08. 1997, "Hundt: Die Aktienrechtsreform ist überfällig". 145 IG Metall: 'Angriff auf die Mitbestimmung', 'keine Garantie einer effektiveren Arbeit des AR bei verringerter Sitzzahl' (FAZ v. 19. 06. 1997, "IG Metall nimmt Aktienrechtsreform aufs Korn"); IG Chemie-Papier-Keramik: 'Verlust an Sachverstand der Arbeitnehmervertreter aus den einzelnen Unternehmensteilen', 'keine Überforderung gerade der ARM der AN' (FAZ v. 19. 08. 1997, "Die IG Chemie wehrt sich gegen eine Verkleinerung der Aufsichtsräte").
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eben nicht die vereinzelt geforderte Reform des Wahlverfahrens der Arbeitnehmer nach MitbestG über Delegierte. 146 Umgekehrt erlangten auch Forderungen der Gewerkschaftsvertreter nach Einftihrung von Mindestkatalogen ftir zustimmungspflichtige Geschäfte des Unternehmens, nach einer paritätischen Besetzung aller Aufsichtsratsausschüsse oder nach der Abschaffung des Doppelstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden in Pattsituationen nach MitbestG147 in der Reform keine Bedeutung. cc) Tatsächliche Einflußmöglichkeiten der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat bei Fragen des Arbeitskampfes, der Tarifvertrags- und Koalitionspolitik Bei der Entscheidung, ob eine Beschränkung der Amtsbefugnisse der Arbeitnehmervertreter in arbeitskampfspezifischen Angelegenheiten berechtigt bzw. sogar erforderlich ist, kann schließlich der Umfang ihrer tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tarif-, Koalitions- und Arbeitskampfpolitik des Unternehmens nicht unberücksichtigt bleiben.
(1) Überwachung des Vorstandes Die Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrates bezieht sich nur auf die Leitungsentscheidungen und bestimmte wichtige Einzelmaßnahmen des Vorstandes. Insoweit könnte bereits angezweifelt werden, ob Entscheidungen des Vorstandes zum Verhalten im Arbeitskampf überhaupt zu den der Überwachungskompetenz des Aufsichtsrates unterliegenden Gegenständen zählen. Die Entscheidung über den Beitritt zu einer Arbeitgeberkoalition oder einen eventuellen Austritt, genauso wie das Verhalten bei Tarifvertragsabschlüssen unterfallen aber der Berichtspflicht des Vorstandes nach§ 90 I Nr. 1, 4 AktG. Darüber hinaus findet die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates in der Regellediglich in Form einer nachträglichen, nicht dagegen - wie immer wieder mit Nachdruck gefordert wird- als strategische bzw. planensehe Kontrolle statt. Auch die Kontrolle der koalitions- und tarifvertragsbezogenen Maßnahmen des Vorstandes kann regelmäßig nur ex post in den Aufsichtsrats- bzw. Ausschußsitzungen erfolgen, wenn nicht ausnahmsweise eine außerordentliche Sitzung aus akutem Anlaß einberaumt wurde. Selbst eine präventiv ausgeübte Kontrolle durch den Aufsichtsrat oder einen Ausschuß kann wegen des unter146 Vorschlag von Hundt, ebda., hinsichtlich einer generell unmittelbaren Wahl durch die Belegschaft zum Zwecke der Kostensenkung. 147 So IG Metall, ebda., FAZ v. 19. 06. 1997; dazu auch Hundt, ebda., FAZ v. 13. 08. 1997.
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nehmensehen Ermessensspielraumes des Vorstandes als ausschließlichem Geschäftsfilluungsorgan dessen Entscheidungen nicht ersetzen. Die Aufsichtsratsmitglieder sind gegenüber dem Vorstand nicht weisungsbefugt. 148 An weiteren aktuellen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung des Vorstandes stehen dem Aufsichtsrat im übrigen nur das Mittel der argumentativen Beeinflußung, der öffentlichen Kritik des Vorstandshandelns, der Information der Anteilseigner (gegebenenfalls durch die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung, § 111 III AktG) und letztlich der Abberufung der Vorstandsmitglieder, § 84 III AktG, zur Verfügung. Außerdem kann der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen oder auch ad hoc 149 Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Arten von Geschäften nach § 111 IV S. 2 AktG statuieren (deren Bedeutung allerdings in der Praxis gesunken ist150). Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrates sind für Maßnahmen in der Tarif- und Koalitionspolitik, zum Beispiel für den Abschluß von Tarifverträgen oder die Mitgliedschaft in Arbeitgeberkoalitionen vorstellbar. Für Arbeitskampfmaßnahmen haben sie, wenn nach § 111 IV S. 2 AktG überhaupt zulässig, allerdings kaum praktische Relevanz, da es hier auf schnelle, flexible Reaktionen ankommt und Entscheidungen kurzfristig zu treffen sind, aber selten zufällig Aufsichtsrats- bzw. Ausschußsitzungen anstehen werden. Müßte erst eine außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrates bzw. des zur Entscheidung über die Zustimmungserteilung eingesetzten Ausschusses151 einberufen werden, könnte sich bis zum Zusammenkommen des Entscheidungsgremiums die Arbeitskampflage im Unternehmen allerdings schon entscheidend geändert und vom Vorstand geplante Gegenmaßnahmen sich als unnötig oder auch unwirksam erwiesen haben. Davon abgesehen verbleibt im Falle von Zustimmungsvorbehalten das Initiativrecht beim Vorstand; der Aufsichtsrat kann eine bestimmte Maßnahme nicht gegen den Willen des Vorstandes herbeiführen. Auch an eine vom Aufsichtsrat erteilte Zustimmung ist der Vorstand nicht gebunden: Erscheint es ihm angezeigt, von der bereits vom Aufsichtsrat abgesegneten Maßnahme ab-
148 AusfUhrlieh m. N. schon oben, Einleitung, II. 3. a). 149 Nur Lutter/Krieger, § 2, IV. 3. a.), Rn. 36.
150 So ausdrücklich Hoffmann, Der AR, S. 73, Rn. 300f.; Götz, Die AG 1995, S. 337ff. (350); abwägend Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 29, Il. 2. d.), Rn. 36 sowie die Fn. 28 und 29 aufS. 258. 151 Dazu Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 111 , Rn. 84; im Unterschied dazu kann die Beschlußfassung über die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes nicht einem Ausschuß zugewiesen werden, sondern muß zwingend durch den Aufsichtsrat erfolgen,§ 107 III S. 2 AktG; vgl. Mertens, ebda., Rn. 62.
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zusehen, so kann er dies ohne weiteres tun. 152 Schließlich stellt eine durch den Aufsichtsrat verweigerte Zustimmung wegen der Möglichkeit der Ersetzung der Zustimmung durch die Hauptversammlung gemäß § 111 IV S. 3 AktG kein überwindbares Hindernis dar. Letztlich darf nicht übersehen werden, daß sich die Arbeitnehmervertreter bei Entscheidungen im (vollständig versarnmelten) 153 Aufsichtsrat nicht durchsetzen können, wenn die Anteilseigner sowie die neutralen Mitglieder (nach Montan-MitbestG und MitbestErgG) geschlossen dagegen stimmen. 154 Spezielle Kontrollausschüsse sind zumeist nicht einmal paritätisch entsprechend der Besetzung des Aufsichtsrats zusammengesetzt. Wenn auch aufgrund des Diskriminierungsverbotes und des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Ausschüsse nicht generell (zum Beispiel aufgrund einer entsprechenden Regelung in der Satzung oder Geschäftsordnung) nur mit Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner besetzt und Arbeitnehmervertreter nicht ohne sachlichen Grund in den Ausschüssen unterrepräsentiert sein dürfen, so zwingt doch das allgemein anerkannte Prinzip der sach- und relationsgerechten Besetzung der Ausschüsse nicht dazu, jeden Ausschuß entsprechend dem Verhältnis Anteilseigner-/Arbeitnehmervertreter im Gesamtorgan Aufsichtsrat zusammenzusetzen. Dies resultiert schon allein daraus, daß Ausschüsse mit ungerader Mitgliederzahl, namentlich drei Mitgliedern, vorteilhaft sind und eine paritätische Besetzung so gar nicht möglich ist. 155
152 Siehe nur Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, § 29, II. 2. d.), Rn. 35; GeBier in Geßler/Hefermehl!Eckardt!Kropff, AktG, § 111, Rn. 75 sowie Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 111, Rn. 88. 153 Es gilt der Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit, d. h. Beschlüsse werden mit der Mehrheit aller abgegebenen Stimmen gefaßt, Ausnahmen: § 124 111 S. 4 AktG, §§ 27, 31, 32, 37 MitbestG, 13 Montan-MitbestG, 15 MitbestErgG; vgl. hierzu nur Lutter/Krieger, § 6, III. 2. d). 154 Neutrale Mitglieder sind nach§§ 4 I Montan-MitbestG, 5 I MitbestErgO vorgesehen. Im übrigen greift im Anwendungsbereich des MitbestG bei der zweiten Abstimmung mit Stimmengleichheit das Zweitstimmrecht des regelmäßig von der Anteilseignerseite gewählten AR-Vorsitzenden,§§ 29 li S. 1, 27 II S. 1 MitbestG; bei der Drittelbeteiligung nach §§ 76 I BetrVG 1952, 95 AktG sind Abstimmungen gegen den Willen der Anteilseignervertreter schlichtweg ausgeschlossen; siehe oben, Einleitung, Il. 1. 155 Uumfassend zum Meinungsstand hinsichtlich der Beteiligung von AN-Vertretern in AR-Ausschüssen BGH, Urt. v. 17. 05. 1993, BGHZ 122, S. 342ff. (355ff.) sowie ausführlich Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 107, Rn. 107ff.; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 5lff.
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(2) Personalhoheit Beschlüsse des Gesamtaufsichtsrates über die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern bedürfen in Unternehmen nach Montan-MitbestG, MitbestErgO sowie §§ 76ff. BetrVG 1952 der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen156 (§§ 84, 108 I AktG, 12 Montan-MitbestG, 13 MitbestErgG). Folglich kann eine geschlossen abstimmende Arbeitnehmerbank im Geltungsbereich des Montan-MitbestG sowie MitbestErgO bei vollzählig versammeltem Aufsichtsrat eine anstehende Personalentscheidung nur dann entsprechend ihrem Willen ausfallen lassen, wenn sie mindestens ein Aufsichtsratsmitglied der Anteilseigner oder das neutrale weitere Mitglied(§ §§ 4 I c.) Montan-MitbestG, 5 I c.) MitbestErgG) für sich gewinnt bzw. wenn sich zwei dieser Aufsichtsratsmitglieder der Stimme enthalten. Bei den unter die §§ 76ff. BetrVG 1952 fallenden Unternehmen kann die Zahl der zu überzeugenden Anteilseignervertreter wegen der Drittelbeteiligung der Arbeitnehmervertreter in Abhängigkeit vom Grundkapital und der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder, § 95 I AktG, noch höher sein. Im Geltungsbereich des MitbestG können die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im ersten Abstimmungsgang und auch noch im zweiten Wahlgang die Bestellung bzw. Abberufung eines Vorstandsmitgliedes zwar blockieren. 157 Die Bestellung eines eigenen Kandidaten durchzusetzen ist für sie allerdings genauso schwer wie für die Anteilseignervertreter hinsichtlich deren Kandidaten. Im dritten Wahlgang kann sich eine einstimmig votierende Anteilseignerseite 158 mittels des Zweitstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden letztlich gegen die Arbeitnehmervertreter durchsetzen,§§ 31 IV S. I, 27 II S. 2 MitbestG. Existiert ein Personalausschuß zur Vorbereitung der Personalentscheidung durch den Aufsichtsrat und zum Abschluß bzw. zur Kündigung des Anstellungsvertrages mit Vorstandsmitgliedern159, so befindet sich unter den drei oder mehr Mitgliedern dieses Ausschusses regelmäßig höchstens ein Arbeit156 Für die Beschlußfassung über die Bestellung/Abberufung von Vorstandsmitgliedern kann das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit nicht statuiert werden; dazu nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 84, Rn. 8 sowie Meyer-Landrut, Großkomrn. AktG, § 84, Anm. 2. 157 Nach § 31 II MitbestG ist im ersten Wahlgang eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen der vorhandenen ARM (relevant: Ist-Zustand aller ARM einschließlich der in der Sitzung nicht anwesenden ARM, nicht mitzuzählen sind allerdings vakante ARSitze; dazu Raiser, MitbestG, § 31, Rn. 14), danach die Mehrheit der Stimmen der ARM, §§ 31 III, IV MitbestG, erforderlich. Im dritten Wahlgang kann das Zweitstimmrecht des AR-Vorsitzenden gern. § 31 IV S. I MitbestG zum Tragen kommen. 158 Zweitstimmrecht nur relevant bei Pattsituationen, kann folglich nicht eingesetzt werden, um Stimmengleichheit zu verhindern, siehe Raiser, ebda. 159 Dazu nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 84, Rn. 8- 10; § 107, Rn. 95 u. 160.
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nehmervertreter. 160 Angesichts dessen sowie entsprechend dem oben ((1)) zur personellen Besetzung von Ausschüssen Gesagten bleibt der Einfluß der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Personalausschuß jedenfalls hinter ihrem Einfluß im Gesamtaufsichtsrat zurück.
(3) Verschwiegenheilspflicht gemäߧ§ 116, 931 AktG Schließlich unterliegen die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer prinzipiell der gleichen Verschwiegenheitspflicht wie die Anteilseignervertreter. 161 Sie dürfen Unternehmensgeheimnisse und vertrauliche Informationen, die ihnen durch ihre Aufsichtsratstätigkeit und durch die Vorstandsberichte bekannt geworden sind, nicht an unberechtigte Dritte weitergeben. Die Verletzung der amtlichen Geheimhaltungspflicht kann neben Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft 162, der Einleitung eines gerichtlichen Amtsenthebungsverfahrens nach § I 03 III AktG sowie eventuell der Abberufung durch den eigenen Wahlkörper auch eine Strafbarkeit163 begründen.
160 Zur Frage der angemessenen Berücksichtigung der ARM der AN bei der Besetzung der Ausschüsse z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 107, Rn. 11 sowie OLG Hamburg, Urt. v. 23. 7. 1982, Die AG 1983, S. 2lff., Urt. v. 25. 05. 1984, Die AG 1984, S. 248ff. und Urt. v. 06. 03. 1992, Die AG 1992, S. l97ff. = ZIP 1992, S. l310ff.; BGH, Urt. v. 17. 05. 1993, Die AG 1993, S. 464ff. = WM 1993, S. l330ff.; LG Passau, Urt. v. 31. 05. 1994, Die AG 1994, S. 428 sowie OLG München, Urt. v. 27. 01. 1995, Die AG 1995, S. 466f.; LG Frankfurt/M., Urt. v. 19. 12. 1995, ZIP 1996, S. l66lff.; dagegen Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 107, Anm. 13: kein Recht der ARM der AN auf Teilnahme an einzelnen, entscheidenden Ausschüssen. 161 Teilweise ausdrücklicher Verweis auf die §§ 116, 93 AktG in §§ 3 II MontanMitbestG; 2 MitbestErgG; 25 I MitbestG; 77 I BetrVG 1952 (- vor allem relevant für die GmbH); im übrigen ist dies allgemein anerkannt, vgl. BGH, Urt. v. 05. 06. 1975, BGHZ 64, S. 325ff. = Die AG 1975, S. 219ff. sowie Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 36 u. Vorb. § 95, Rn. 15; Geßler in Geßler/HefermehVEckardt/Kropff, AktG, § 116, Rn. 29; Hüffer, AktG, § 116, Rn. 7; Lutter/Krieger, § 3, II., Rn. 93ff.; Gaul, GmbHR 1986, S. 296ff. (296f.); Säcker, NJW 1986, S. 803ff. (803); zuletzt Meincke, WM 1998, S. 749ff. (752), Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 123ff. (124) und Edenfeld/Neufang, Die AG 1999, S. 49ff. (52). 162 Für AG und KGaA gern. §§ 93, 116 AktG, für GmbH gern. §§52 I GmbHG, 116, 93 I, II AktG, für Genossenschaften gern.§§ 41, 34 GenG. 163 Für AG und KGaA gilt die Strafvorschrift des§ 404 I Nr. 1, II, III AktG. Für die vom MitbestG und von den §§ 76ff. BetrVG 1952 erfaßten GmbH sowie bergrechtliehen Gewerkschaften gilt wegen der fehlenden Verweisung in§§ 25 I Nr. 2 MitbestG, 77 I S. 2 BetrVG 1952 die Strafvorschrift des § 404 AktG nicht; dafür existiert für GbmH eine eigene Strafvorschrift für die Verletzung der amtlichen Geheimhaltungspflicht in§ 85 GmbHG. Für Genossenschaften gilt die Spezialstrafvorschrift des§ 151 GenG; vgl. hierzu Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 98; Gaul, ebda; Hoffmann, Der AR, S. 64, Rn. 265; Säcker, NJW 1986, S. 803ff. (809ff.) mit der Erörterung zum Erfordernis einer vorherigen Abmahnung.
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Zu den der Verschwiegenheitspflicht unterfallenden Gegenständen gehören zum Beispiel die internen betriebswirtschaftliehen Kenndaten, die Produktions-, Investitions- und Absatzplanung, interne Forschungs- und Entwicklungsergebnisse, Kundenbeziehungen und die Personalpolitik einschließlich anstehender Personalentscheidungen. 164 Ein Interesse an der Geheimhaltung der dem Vorstandshandeln zugrundeliegenden Verhandlungsstrategie in Tarifauseinandersetzungen, eventueller intern gesetzter Obergrenzen für Tarifabschlüsse oder der Ansichten über Abwehrmaßnahmen im Arbeitskampf ist genauso anerkennenswert. Voreilig bekanntgewordene Ambitionen über den Beitritt zu einer Arbeitgeberkoalition oder einen Austritt können solche Schritte erschweren oder sogar verhindern. Auch, um dem Vorstand die Befürchtung zu nehmen, mit umfangreichen Informationen an den Aufsichtsrat diese zugleich der Arbeitnehmerseite zuzuspielen, ist allgemein anerkannt, daß den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer jedenfalls kein grundsätzliches Recht zukommt, wichtige Informationen an die Belegschaft weiterzugeben. Dies rechtfertigt sich weder mit dem Gedanken an die "Verantwortung für die Belegschaft" noch mit der Erwägung, daß die Arbeitnehmervertreter sich zum Zwecke ihrer Wiederwahl als geeignete und parteiliche Repräsentanten der Belegschaft erweisen müßten. 165 Auch die Wiedergabe oder Verbreitung des Abstimmungsergebnisses oder des Beratungs- und Abstimmungsverhaltens von anderen Aufsichtsratsmitgliedern ohne oder sogar gegen deren Willen stellt eine Verletzung der amtlichen Verschwiegenheitspflicht dar. 166 Eine vertrauensvolle, offene und ehrliche Zusammenarbeit im Aufsichtsrat und eine insbesondere gegenüber dem jeweiligen Wahlkörper unabhängige Stimmabgabe im Unternehmensinteresse ist nur möglich, wenn Redebeiträge und das Abstimmungsverhalten vertraulich behandelt werden. Eigenverantwortliche und weisungsfreie Amtsführung schließt es auch ein, selbständig über die Offenbarung eigener Standpunkte gegenüber dem Wahlkörper oder Dritten zu entscheiden. 167
Dazu Mertens in Kötner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 35ff. Ganz h. M., so insbesondere Hoffmann, Der AR, S. 65f., Rn. 269; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 100; Mertens in Kötner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 36 und Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 10; Säcker, NJW 1986, s. 803ff. (803f.). 166 Ausdrücklich BGH, Urt. v. 05. 06. 1975, BGHZ 64, S. 325ff. (332) =Die AG 1975, S. 219ff.; Gaul, GmbHR 1986, S. 296ft: (296, 299ff.). 167 Mertens, ebda., § 1116, Rn. 49; Säcker, ebda., S. 806ff. 164 165
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
(4) Zusammenfassung
Die gesetzlich vorgesehenen Einflußmöglichkeiten bereits des Aufsichtsrates und daher um so mehr der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auf die Geschäftsführung des Vorstandes widerlegen schon aus sich heraus die oben dargestellten Befürchtungen einer Verschiebung des Kräftegleichgewichtes der Tarifvertragsparteien sowie eines Verlustes der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Unternehmen. 168 Allein angesichts dessen kann eine Berechtigung fiir eine so weitgehende und gesetzlich nicht geregelte Einschränkung der Amtsbefugnisse der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wie der Ausschluß ihres Stimm- und Beratungsrechtes in Angelegenheiten der Tarif- und Koalitionspolitik sowie des Arbeitskampfes nicht anerkannt werden. dd) Heutige Mitbestimmungspraxis Letzteres gilt um so mehr, wenn man sich die Akzeptanz und Bedeutung vergegenwärtigt, die die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer in deutschen Unternehmen genießt. Beides wurde jüngst am Beispiel der großen Unternehmenszusammenführungen von Thyssen und Krupp sowie von Daimler-Benz und Chrysler erneut deutlich. Nachdem der feindliche Übernahmeversuch von Krupp gegenüber Thyssen im März 1997 gescheitert war, stand eine Fusion der beiden Unternehmen zur Alternative. Die Erhaltung der bisher nur bei Thyssen geltenden MontanMitbestimmung im fusionierten Gesamtunternehmen Thyssen-Krupp lag wegen der wesentlich stärkeren Stellung der Gewerkschaften als nach MitbestG vor allem im Interesse der Aufsichtsrats-Gewerkschaftsvertreter von Thyssen169 sowie insgesamt wegen der vollparitätischen Montan-Mitbestimmung gegenüber der unterparitätischen Mitbestimmung nach MitbestG im Interesse aller Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. Der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall, zugleich Aufsichtsratsmitglied bei Thyssen, sowie der Vorsitzende des Thyssen-Konzernbetriebsrates bemängelten das Grobkonzept einer Fusion mit Krupp wegen der bestehenden Unklarheiten über die konkrete Ausgestaltung der Mitbestimmung, über den Kostenumfang und die Risiken 168 Ähnlich auch Reich!Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff. (361f.); Kühler, Gesellschaftsrecht, § 32, I. 2. b.) (S. 405f.): 'Mitbestimmung im Unternehmen begrenzt durch die Fähigkeit der Anteilseignerseite, sich im Konfliktfall gegen die AN-Vertreter durchzusetzen.'. 169 FAZ v. 06. 11. 1997, "IG Metall fordert Montan-Mitbestimmung" sowie FAZ v. 13. 12. 1997, "Im Krupp-Thyssen-Konflikt wird über die Montanmitbestimmung gestritten".
I. Rechtmäßige Streiks
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der Fusion. Das Grobkonzept der Fusion wurde im Thyssen-Aufsichtsrat gegen die geschlossen dagegen stimmende Arbeitnehmerbank angenommen; ausschlaggebend war hierbei die Stimme des neutralen Mannes im einundzwanzigköpfigen Aufsichtsrat, § 9 II, § 4 I c.) Montan-MitbestG. 170 Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bei Krupp hofften auf die MontanMitbestimmung und wollten zudem einer Übernahme von Krupp durch Thyssen im Interesse eines vollständigen Arbeitsplatzerhaltes nicht zustimmen. 171 Demgegenüber fand schließlich ein (leicht erweitertes) Modell der Mitbestimmung nach MitbestG Eingang in die Fusionspläne. Insgesamt betrachtet wurde die Fusion der beiden Unternehmen unter aktiver Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter und unter gleichwertiger Berücksichtigung ihrer Forderungen und Ansichten eingeleitet. Im Oktober 1998 stimmten sowohl der Aufsichtsrat von Krupp als auch der Thyssen-Aufsichtsrat der Fusion einstimmig zu. 172 Beim Fusionsprojekt Daimler-Benz - Chrysler war den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer von Daimler-Benz wichtig, daß durch den Zusammenschluß fiir die Daimler-Benz-Mitarbeiter keine Nachteile infolge eines rationalisierungsbedingten Personalabbaues oder infolge von Ausgründungen entstünden sowie daß die Erhaltung der Eigenständigkeit der Marke Mercedes-Benz vom Vorstand schriftlich zugesichert würde. Nach intensiven Erläuterungen des Fusionskonzeptes durch den Vorstand und umfangreichen Erörterungen stimmten sämtliche 20 Aufsichtsratsmitglieder von Daimler-Benz den Plänen zum Zusammenschluß der beiden Unternehmen in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 14. 05. 1998 zu. Die Arbeitnehmervertreter erteilten ihre Zustimmung, obwohl die im Vorfeld geforderte Arbeitsplatzgarantie bis zum Jahr 2002 nicht gegeben wurde und die Berücksichtigung der amerikanischen Belegschaft im neuen Aufsichtsrat von Daimler-Chrysler hinsichtlich der Sitze fiir die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war. 173 Die Arbeitnehmermitbestimmung im
°FAZ v. 24. Ol. 1998, "Thyssen-Arbeitnehmer: Kein Blankoscheck".
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FAZ v. 13. 12. 1997, ebda., Fn. 179. So FAZ v. 14. 10. 1998, "Krupp-Aufsichtsrat stimmt Fusion einstimmig zu" sowie v. 16. 10. 1998, "Thyssen-Aufsichtsrat einstimmig für Fusion". 173 Ursprüngliche Forderungen der amerikanischen Gewerkschaft United Auto Workers, die 74 000 der 121 000 Chrysler-Mitarbeiter vertritt, richteten sich auf eine amerikanische Besetzung von vier der zehn Mandate der Arbeitnehmerbank; dies entspräche in etwa auch der Repräsentanz des Chrysler-Untemehmensteiles in der neuen Daimler-Chrysler AG (43% des Gesamtkapitals und l/3 der Beschäftigten), FAZ v. 26. 05. 1998, "IG Metall und UAW wollen bei Daimler Chrysler mitreden". Unter Anerkennung der zukünftig geltenden Sitzverteilung nach § 7 I Nr. 1, II Nr. 3 MitbestG (nur drei der zehn AN-Vertreter im Daimler-Chrysler-AR gewerkschaftlich besetzt) einigten sich der Präsident der UAW und der Vorsitzende der IG Metall im Mai 1998 darüber, daß dem AR der Daimler-Chrysler AG ein amerikanischer Gewerkschafter 171
172
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Aufsichtsrat wirkte sich hier keineswegs als Bremse oder Behinderung wirtschaftlicher Entwicklungen aus. Vielmehr bezeichnete der Vorstandsvorsitzende der Daimler-Benz AG, Schrempp, die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang sogar als "sehr segensreich" und als eine verläßliche Basis für Entscheidungsprozesse. 174 Von der positiven Wirkung der Arbeitnehmermitbestimmung, die im zukünftigen Unternehmen Daimler-Benz- Chrysler zur Anwendung kommen wird, konnte er auch die Chrysler-Manager überzeugen. 175 Auch in anderen Beziehungen drückt sich die hohe Wertschätzung aus, die die Mitbestimmung von unternehmensangehörigen Arbeitnehmern und Gewerkschaftsvertretem im Aufsichtsrat in ihrer bestehenden Form in Deutschland genießt. 176 So konnte sich zum Beispiel die deutsche Bundesregierung bei der Diskussion über die Struktur und das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft (Europa-AG) mit ihrer Forderung nach Einführung einer Mitbestimmungsregelung für die Arbeitnehmer zumindest im Ansatz durchsetzen. Diesbezügliche Lösungsvorschläge stellen die Arbeitnehmermitbestimmung primär der Verhandlung durch die Sozialpartner anheim und sehen nur für den Fall des Scheiteros entsprechender Verhandlungen eine zwingende gesetzliche Mitbestimmungsregelung vor: Ein Fünftel der Sitze, mindestens aber zwei Sitze im Aufsichts- oder Verwaltungsrat müssen mit Arbeitnehmervertretern besetzt sein. Der Vorschlag hinsichtlich der gesetzlichen Mitbestimmungslösung entspricht zwar nicht den (weitergehenden) Vorstellungen des angehören wird; FAZ v. 29. 05. 1998 "Ein Gewerkschafter aus Amerika bestimmt mit". Nach Meldung der FAZ v. 16. 09. 1998, "Ein Sitz im Aufsichtsrat für die UAW", wird diesen Sitz der Präsident der UAW, Stephen Yokich, einnehmen. Der neue Daimler-Chrysler Konzerns hat nunmehr einen paritätisch besetzten AR aus jeweils zehn Mitgliedern der Kapital- sowie der Arbeits-Seite gemäß dem deutschen MitbestG 1976 erhalten; siehe FAZ v. 10. 09. 1998, "Wenn Aktionäre zulangen, will auch die Belegschaft unbescheiden sein". 174 FAZ v. 11. 05. 1998, "Mitbestimmung in Deutschland segensreich". 175 FAZ v. 11. 05. 1998, ebda. und v. 22. 05. 1998, "Der Mitbestimmungsbericht schlägt einen neuen Sozialvertrag vor". Hier zeigt sich auch, daß die Arbeitnehmermitbestimmung in deutschen Großunternehmen nicht unbedingt eine durchschlagende abschreckende Wirkung auf ausländische Manager haben muß; bestätigend hierzu die Ansicht von P. Achleitner, einem der Leiter des Investmentbanking in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Zentraleuropa, zudem persönlich haftender Gesellschafter der amerikanischen Investmentbank Goldman, Sachs & Co und Geschäftsführer der Niederlassung Frankfurt, welche seit langem enge wirtschaftliche Kontakte zu Daimler-Benz pflegt sowie auch Krupp bei seinem Übernahmeversuch von Thyssen zur Seite stand; FAZ v. 18. 05. 1998, ,,Die Fusion von Daimler und Chrysler gibt die Richtung vor". 176 In letzter Zeit äußerte sich allerdings v. Weizsäcker kritisch über das Mitbestimmungsmodell in der Bundesrepublik, indem er den mitbestimmten Unternehmen weniger Effizienz und Flexibilität als den Unternehmen ohne Mitbestimmung der AN bescheinigte; so in FAZ v. 27. 06. 1998 "Alle Macht den Aktionären".
I. Rechtmäßige Streiks
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DGB und der Bundesregierung. Beide stehen diesen Ansätzen zur Einführung der Arbeitnehmermitbestimmung jedoch insofern wohlwollend gegenüber, als eine solche Regelung wenigstens ein gleiches Mindestmaß an Mitbestimmung in allen EU-Staaten sichert. 177 Ebenso positiv äußerte sich erst kürzlich die Kommission Mitbestimmung der Bertelsmann Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung zur Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer. In dem im Mai 1998 vorgelegten Abschlußbericht der Kommission 'Empfehlungen zur zukünftigen Gestaltung der Mitbestimmung' wurde die deutsche Mitbestimmung in ihren bestehenden Formen als 'wichtiges Element der Marktwirtschaft' bezeichnet, das einen entscheidenden Beitrag zur kooperativen Modernisierung der Unternehmen geleistet habe und sich bei der Bewältigung der Beschäftigungskrise positiv auswirken könne. Neben den nicht mehr im Abschlußbericht enthaltenen Änderungsideen der gewerkschaftsnahen Kommissionsmitglieder hinsichtlich erweiterter betrieblicher Mitbestimmungsrechte und zahlenmäßig vergrößerter Aufsichtsräte erwiesen sich eine Vereinfachung des Wahlverfahrens nach dem MitbestG sowie die Vorteilhaftigkeit international besetzter Arbeitnehmerbänke als konsensfähig. Beides wurde als Wunsch formuliert an den Gesetzgeber herangetragen. Weitere Empfehlungen zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer wurden nicht abgegeben, geschweige denn Vorschläge zur Einschränkung des Arbeitnehmereinflusses. Nicht unwesentlich für die hier anstehende Frage des Verhältnisses zwischen der Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und ihrem Aufsichtsratsamt ist im übrigen die Tatsache, daß Arbeitskämpfe in Deutschland insgesamt an Bedeutung verloren haben. 178 Nach einer Analyse des Institutes der deutschen Wirtschaft (lW) in Köln 179 sind in den 90er Jahren in Deutschland weniger Arbeitstage durch Streik oder Aussperrung (von 1990 bis 1996 17 Ausfalltage je 1000 Beschäftigte) verlorengegangen als in den beiden Jahrzehnten zuvor (80er Jahre: 28 Ausfalltage; 70er Jahre: 52 Ausfalltage je 1000 Beschäftigte). Die darin zum Vorschein kommende Tendenz zu größerem sozialen Frieden zwischen Kapital und Arbeit zeige sich auch - so die Studie des lW - in anderen Industrieländern; in Italien seien zum Beispiel die arbeitskampfbedingten Ausfalltage von 1511 in den 70er Jahren auf nunmehr lediglich 198 Tage je 1000 Beschäftigte ab gesunken, in Spanien und Griechenland haben sich die 177 FAZ v. 14. 05. 1997, "Neue Ideen für ein Statut der Buropa AG", Vorschlag der gesetzlichen Mitbestimmungslösung entspricht allerdings nicht den (weitergehenden) Vorstellungen des DGB sowie auch der Bundesregierung. 178 So auch Kittner in FAZ v. 13. 12. 1997 "Der Traum vom ewigen Arbeitsfrieden", wonach 'die Bundesrepublik und die Schweiz in der internationalen Streikstatistik gemeinsam ganz weit hinten lägen; vielfach höher seien die Streikausfalltage absolut und pro Kopf in den Ländern ohne Flächentarifverträge'. 179 Auszug in FAZ v. 01. 04. 1998 "Weniger Arbeitstage durch Streik verloren".
12 Jacklofsky
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Ausfalltage in den 90er Jahren im Vergleich zu den 80er Jahren auf ungefähr die Hälfte, nämlich fast 400 Arbeitstage, reduziert. Die Gründe hierfür mögen vielfaltig sein: Beschäftigungsabbau in der Industrie (so das lW), damit verbunden eine größere Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes infolge des Streikes, Resignation, aber auch eine Abschwächung des Einflusses der Gewerkschaften in der Arbeitnehmerschaft. Nichtsdestotrotz erscheint das gegen Amtsmißbrauch in Streikzeiten schützende "Heilmittel" des Ausschlusses der Arbeitnehmervertreter von Beratungen und Abstimmungen über Fragen des Arbeitskampfes sowie der Tarif- und Koalitionspolitik angesichts des geringeren Streikpotentiales als zunehmend praxisfern. f) Rechtsvergleichung
Hanau 180 sucht seine Forderung nach einem Stimmrechtsausschluß für die Arbeitnehmervertreter in allen koalitions- und tarifpolitischen sowie arbeitskampfspezifischen Angelegenheiten auch mit rechtsvergleichenden Betrachtungen des schwedischen, niederländischen und Österreichischen Rechts zu untermauern, in dem jeweils eindeutige gesetzliche Vorkehrungen für die Trennung von Mitbestimmung und Tarifpolitik zu finden seien. 181 In der Tat ist die deutsche eine der weitestgehenden, wenn nicht gar die umfassendste Regelung der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Vergleich der führenden Industrieländer. Gerade die Enstehung der vollparitätischen Mitbestimmung nach Montan-MitbestG sowie MitbestErgO ist auf die geschichtliche Entwicklung Deutschlands zurückzuführen und resultiert weitgehend aus dem Bestreben, eine Machtverflechtung von Politik und Industrie speziell des Montanbereiches, wie in der Vergangenheit vor 1945 geschehen, unwiederholbar zu machen. 182 Die leicht unterparitätische Mitbe-
180 ZGR
1977, S. 397ff. (401f.) mit entsprechenden Nachweisen. Im schwedischen Recht gesetzlicher Ausschluß der AN von der Teilnahme an Beratungen über Verhandlungen mit AN-Organisationen, Kündigung von Kollektivverträgen und Kampfinaßnahmen; das niederländische Recht enthält eine weitergehende Ämter- und Funktionen-Unvereinbarkeitsregel als das deutsche AktG; im Österreichischen Recht bedarf die Bestellung und Abberufung von VM der Zustimmung der Mehrheit der Anteilseignervertreter im AR, die AN-Vertreter sind nicht stimm- und sitzberechtigt in AR-Ausschüssen, die sich mit der Beziehung zwischen der Gesellschaft und den VM befassen; S. 401f. m. N. 182 Siehe oben, Einleitung, II. I. a). Heute fallen allerdings kaum noch Unternehmen in den Geltungsbereich des Montan-MitbestG bzw. MitbestErgO (so Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb., Rn. 36); jüngstes Beispiel hierfur: im fusionierten Unternehmen Thyssen-Krupp gilt nunmehr statt des bei Thyssen vorher geltenden Montan-MitbestG bei Thyssen ein leicht abgewandeltes Mitbestimmungsmodell nach MitbestG. 181
I. Rechtmäßige Streiks
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stimmung nach MitbestG baute zum einen auf den guten Erfahrungen mit der Aufsichtsratstätigkeit der Arbeitnehmer nach Montan-MitbestG und MitbestErgG auf, beriicksichtigte zum anderen im Interesse eines stetigen Wirtschaftswachstums die verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsgarantie und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Unternehmer. 183 Die enge Verknüpfung der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Entwicklungsgeschichte ist fiir jedes Land spezifisch, und die Bedeutung und rechtliche Ausgestaltung der Arbeitnehmermitbestimmung hat in Schweden, Österreich und den Niederlanden andere politische sowie wirtschaftliche Hintergrunde. Insoweit ist eine Rechtsvergleichung zwar interessant. Die Grundentscheidungen fremder Rechtsordnungen hinsichtlich einer Begrenzung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertreter können allerdings nicht entsprechend für das deutsche Modell herangezogen werden, insbesondere nicht zur Untermauerung eines vollständigen Stimrnrechtsausschlusses.
g) Praktikabilität eines Stimmrechtsausschlusses Letztendlich spricht gegen eine Beschränkung der Amtsbefugnisse der Arbeitnehmer in arbeitskampfspezifischen und tarifpolitischen Angelegenheiten, daß so jedenfalls weit mehr Unfrieden im Unternehmen erzeugt und die Aufsichtsratstätigkeit in einem größeren Ausmaß gestört würde, als wenn die Arbeitnehmervertreter mit gleichen Rechten, aber auch Amtspflichten ihrer Aufsichtsratsfunktionnachgehen können (und müssen). Differenzen zwischen den von bestimmten Beratungen und Abstimmungen ausgeschlossenen Arbeitnehmervertretern und den anderen, voll stimmberechtigten Aufsichtsratsmitgliedern über die Gegenstände und Reichweite der Stimmrechtsbeschränkung wären vorprogrammiert.: Ausschluß der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertreter nur hinsichtlich der Themen mit unmittelbarer Geltung für das Kampfgeschehen oder auch noch bezüglich der nachwirkenden Folgen des Arbeitskampfes wie z. B. Produktionseinschränkungen, Kurzarbeit, Stillegungen, Umstrukturierungen? Ausschluß des Stimmrechts der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bei der Wiederbestellung der Vorstandsmitglieder wegen Befangenheit infolge direkter Konfrontation Arbeitgeber - Arbeitnehmer im Arbeitskampf? Ausschluß auch derjenigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, die dem Streik ablehnend gegenüberstehen? Situationsbedingter Auschluß in Abhängigkeit von der jeweiligen Aktivität des Aufsichtsratsmitgliedes im Arbeitskampf? 183 Erkennbar auch am Mitbestimmungsurteil des BVerfG v. 01. 03. 1979, NJW 1979, s. 699ff.
180
3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Auch die Durchführung der innerorganschaftliehen Kontrolle wäre problematisch. Wie könnten die von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossenen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer Gewißheit darüber erlangen, daß in ihrer Abwesenheit nicht auch über Fragen beraten und abgestimmt wurde, für die der Stimmrechtsausschluß nicht gilt? Die Einsicht in die Protokolle über die Aufsichtsratssitzungen oder ausführliche Informationen darüber könnten ihnen konsequenterweise ebenso wie die Stimmberechtigung selbst verweigert werden. Wer sollte im übrigen über den Ausschluß welcher Aufsichtsratsmitglieder verbindlich entscheiden: der Gesamtaufsichtsrat mit einfacher Stimmenmehrheit, die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner, der Aufsichtsratsvorsitzende oder vielleicht die Hauptversammlung? Könnten die ausgeschlossenen Aufsichtsratsmitglieder bei Streitigkeiten über die Berechtigung des Ausschlusses vorläufigen Rechtsschutz - eventuell mit aufschiebender Wirkung und damit der Gefahr einer Lähmung der Aufsichtsrates- begehren? Darüber hinaus erschiene es nur konsequent, angesichts eines Stirnrnrechtsausschlusses in Angelegenheiten des Arbeitskampfes, der Tarif- und Koalitionspolitik auch Beschränkungen der Amtsbefugnisse der Arbeitnehmervertreter in anderen Bereichen mit spezifischen Arbeitnehmerbezug vorzuschlagen: Auch Vorstandspläne über die Stillegung einer Betriebsabteilung, über die Verlegung eines Produktionsstandortes in das Ausland, über Umstrukturierungen, Umwandlungen oder Verschmelzungen des Unternehmens mit anderen Unternehmen beträfen die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht nur in ihrer Funktion als Repräsentant der Arbeitnehmerinteressen, sondern zusätzlich persönlich in ihrer Stellung als Arbeitnehmer mit der eventuellen Folge der Änderung der Arbeitsbedingungen oder gar des Arbeitsplatzverlustes. Eine solche Forderung wird in der Literatur allerdings - zu Recht - nirgends erhoben, obwohl es jeweils um dasselbe grundlegende Problem eventueller Interessenkollisionen der Arbeitnehmervertreter geht. Ebensowenig sind Stimmrechtsbeschränkungen für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner außerhalb der gesetzlichen Stimmverbote im Gespräch. Dabei lassen sich zahlreiche Situationen vorstellen, in denen anderweitige Interessen der Anteilseignervertreter aus ihrer hauptberuflichen Tätigkeit oder aus weiteren Aufsichtsratsmandaten mit dem Aufsichtsratsamt kollidieren. Die in der Praxis zu beobachtende Ämterhäufung bei Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner, die nicht selten die zulässige Höchstzahl von parallelen Aufsichtsratsmandaten ausschöpft, illustriert dies lediglich. Auch eine Beschränkung der Amtsbefugnisse und -rechte der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in Fragen des Arbeitskampfes, der Tarif- und Koalitionspolitik ist daher abzulehnen. Dies hätte unweigerlich einen Verlust an Verantwortlichkeit, Verantwortlichkeitsempfinden und eine Einschränkung der Amtshaftung bei den Arbeitnehmervertretern zur Folge: Wer in wichtigen Unternehmensfragen von der Amtsführung ausgeschlossen wird, kann für
ß. Rechtswidrige Streiks
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Fehlentwicklungen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Mitbestimmung in den verbleibenden, weniger wichtigen Unternehmensbelangen erfüllte praktisch nur noch eine Art Alibifunktion im Unternehmen, insbesondere dann, wenn infolge der vorentschiedenen Grundsatzfragen kaum noch Raum für abweichende Detailregelungen verbliebe. Fehlt aber die Mitverantwortung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer für die Geschicke und den Fortbestand des Unternehmens, dann verkommt ihre Verpflichtung zur Wahrung des Unternehmenswohles, ihre primäre Bindung an die Unternehmensinteressen, zur schönen, aber leeren Worthülse: Warum sollten die Arbeitnehmervertreter die Mühe auf sich nehmen, Belegschaftsinteressen mit anderen Interessen im Unternehmen abzuwägen, wenn sie ihre Amtstätigkeit gerade in den wesentlichen, das Unternehmenswohl betreffenden Fragen nicht ausüben können? Die Einschränkung der Teilnahme- und Stimmrechte der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer führt in letzter Konsequenz gerade zum Gegenteil des Angestrebten: zu einem Verlust an gesamtunternehmerischem Verantwortungsgefühl und zu einer Reduzierung der Rolle der Arbeitnehmervertreter auf die des bloßen Übermittlers der Interessen der Belegschaft. h) Ergebnis
Die in der Literatur zur Einschränkung des Mitberatungs- und Stimmrechts der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angeführten Argumente überzeugen weder einzeln noch in einer Gesamtschau aller vorgebrachten Aspekte. Der Grundsatz der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung aller Aufsichtsratsmitglieder gilt auch in diesem Bereich uneingeschränkt: Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sind in Angelegenheiten des Arbeitskampfes sowie der Tarif- und Koalitionspolitik, genau wie die Anteilseignervertreter zur Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrates sowie eventuell bestehender Ausschüsse (als Mitglied bzw. soweit die Sitzungen für Nichtmitglieder zugänglich sind), zu Redebeiträgen und zur Abstimmung berechtigt.
II. Rechtswidrige Streiks Rechtswidrige 184 Streiks stehen nicht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Die Beteiligung an ihnen ist keine grundgesetzlich gewährleistete Ausübung 184 Zur Zulässigkeit von Streiks z. B. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 193, II. (S. 1614ff.), insbesondere 4. (S. 1615f.) sowie 7., 8. (S. 1620ff.); Löwisch in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 239, III. 2., Rn. 107ff. sowie ebda. Otto, § 278,
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
der individuellen Koalitionsfreiheit und nicht gegenüber der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten vorrangig. Die Erklärung der Arbeitnehmer, am Streik teilzunehmen (ausdrücklich oder in Form der Arbeitsniederlegung), führt hier - im Gegensatz zum rechtsmäßigen Streik - nicht dazu, daß die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten suspendiert werden; diese bleiben bestehen. Arbeitnehmer, die sich unter Niederlegung ihrer Arbeit an einem rechtswidrigen Streik beteiligen, verletzen folglich ihre arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung.
(1) Schließen sich unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer einem rechtswidrigen Streik an, führt dies, da ihr Arbeitsverhältnis nicht erloschen (nicht einmal suspendiert) und ihre Unternehmenszugehörigkeit nicht beendet ist, folglich nicht zum Erlöschen des Aufsichtsratsamtes infolge des Verlustes der persönlichen Amtsvoraussetzungen. 185
(2) Ein Ruhen des Aufsichtsratsamtes und der Amtsbefugnisse für die Dauer des Streikes, unbesehen davon, ob sich das einzelne Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer persönlich am Streik beteiligt, ist- wie oben 186 für den Fall des rechtmäßigen Streikes- ebenfalls abzulehnen: 187 Die Gefahr eines Amtsmißbrauches durch die Arbeitnehmervertreter besteht in streiklosen Zeiten wie während eines rechtmäßigen oder rechtswidrigen Streikes gleichermaßen. Eher ist zu vermuten, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sich in rechtswidrigen Streiks nicht engagieren, sich im Einzelfall sogar von den streikenden Arbeitnehmern distanzieren, auf die rechtswidrigen Umstände des Streikes hinweisen und zur Beendigung des Streikes aufrufen. Dies ist um so wahrscheinlicher, je offenkundiger die Rechtswidrigkeit des Streikes ist (zum Beispiel bei unorganisierten, spontanen Arbeitsniederlegungen oder Proteststreiks gegen politische Entscheidungen). Angesichts des letzteren erscheinen auch die oben diskutierten Gesichtspunkte der Gegnerfreiheit sowie der Vermeidung von Interessenkollisionen noch verfehlter als im Zusammenhang mit rechtmäßigen Streiks. Die Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik ist eine Arbeitsvertragsverletzung, und nicht berechtigte Ausübung von typischen, geschützten Arbeitnehmerrechten. insbesondere IV., Rn. 115, beide m. z. N.; ausführlich auch Löwisch/Rieb1e, Arbeitskampf- und Sch1ichtungsrecht, II. A. - D. (S. 64ff.). 185 Insoweit keine Abweichung gegenüber der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik, siehe daher oben, I. 1. a); wie hier i. ü. ausdrücklich Mertens in Kö1ner Komm. zum AktG, 1. Aufl., Anh. § 96, Rn. 100; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 144. 186 I. 1. b). 187 Ausdrücklich Mertens, ebda.; Raiser, ebda., Rn. 145; Hoffinann!Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 29, Rn. 25: AR-Amt der AN besteht zunächst weiter, allerdings Ausschluß von Beratungen und Stimmrechten hinsichtlich arbeitskampfbezogener Maßnahmen des Unternehmens; Hanau in Hanau!U1mer, MitbestG, § 26, Rn. 25.
Il. Rechtswidrige Streiks
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Eine - eventuell Befangenheit auslösende - Kollisionslage zwischen den Pflichten aus dem Aufsichtsratsamt einerseits und den Rechten aus dem Arbeitsverhältnis andererseits kann schon objektiv nicht entstehen. Das Verhalten der Arbeitnehmervertreter gegenüber dem Streikgeschehen und den rechtswidrig streikenden Arbeitnehmern ist viel ungewisser, und ihre Streikbeteiligung kann jedenfalls nicht als praktisch vorgegebene "Selbstverständlichkeit" im Rahmen erforderlicher Solidarisierung mit der Belegschaft angesehen werden. 188 Genauso, wie ein rechtswidriger Streik im Unternehmen die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht automatisch von ihren Amtspflichten entbindet, kann ihnen nicht allein aufgrund der rechtswidrigen Bestreikung des Unternehmens durch die Belegschaft die Wahrnehmung des übertragenen Amtes und ihre Mitverantwortung für das Unternehmen entzogen werden. (3) Schließlich bleibt zu klären, ob eine Teilnahme des Arbeitnehmervertreters am rechtswidrigen Streik zur Suspendierung seines Aufsichtsratsamtes für die Dauer des Arbeitskampfes führt.
Ein rechtswidriger Streik fiihrt infolge der unberechtigten Störung des Arbeits- und Produktionsprozesses zu einer Schädigung des bestreikten Unternehmes, die nicht (wie etwa beim rechtmäßigen Streik) hingenommen werden muß. Soweit sich die Arbeitnehmervertreter in ihrer Arbeits- bzw. Freizeit am Streikgeschehen beteiligen, verletzen sie nicht ihre eigentlichen Aufsichtsratsaufgaben. Allerdings sind sie auch außerhalb der unmittelbaren Aufsichtsratstätigkeit gemäß ihrer Treuepflichtbindung zu allgemeiner Rücksichtnahme auf die Belange der Gesellschaft verpflichtet und dürfen diese nicht ohne Not und nicht stärker beeinträchtigen, als es zur berechtigten Wahnehmung eigener oder Interessen Dritter unvermeidlich ist. 189 Die Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik ist nicht einmal berechtigte Wahrnehmung eigener Interessen, geschweige denn kann dadurch eine Verletzung der Belange des Unternehmens gerechtfertigt werden. Dementsprechend stellt die Teilnahme von Arbeitnehmervertretern an der rechtswidrigen Bestreikung, also Schädigung ihres Unternehmens zugleich eine Verletzung ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als Organmitglied der Gesellschaft dar. 190 Im übrigen sei auf die obenstehende Argumentation verwiesen, I. 1. b). Siehe oben, I. 2. c). 190 Dafür, daß den ARM der AN die Beteiligung an illegalen Streiks verboten ist, ausdrücklich Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 13f. (sowie in l. Aufl., Anh. § 96, Rn. 99); Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm. 1; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 126; Kittner/K.östler/Zachert, S. 295, Rn. 666; zudem die Teilnahme an rechtswidrigen Streiks als Amtspflichtverletzung einstufend Dietz!Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 181 und Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 132; teilweise nur indirekte Aussage in der Form, daß lediglich das Recht zur Teilnahme an rechtmäßigen Streiks diskutiert und zu rechtswidrigen Streiks 188 189
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
Desungeachtet existiert selbst für den Fall der vorsätzlichen Schädigung des Unternehmens durch seine Aufsichtsratsmitglieder keine Sanktion des automatischen Außerkraftsetzens der Rechte, Pflichten, Befugnisse und Aufgaben aus dem Aufsichtsratsamt Der Gesamtaufsichtsrat kann auch nicht allein aus eigener Machtfiille (diese Kompetenz hat lediglich der jeweilige Wahlkörper) darüber entscheiden, ob ein Aufsichtsratsmitglied aus wichtigem Grund des Amtes enthoben werden soll. Hierzu bedarf es einer gerichtlichen Prüfung und Entscheidung auf Antrag des Gesamtaufsichtsrates, § 103 III AktG. Die Zuweisung der Letztentscheidungskompetenz zur vorzeitigen Abberufung eines Aufsichtsratsmitgliedes an das Gericht dient zum einen der Rechtsklarheit So eindeutige Fälle von Amtspflichtwidrigkeiten, als daß keinerlei Streitigkeiten zwischen den Anteilseigner- sowie Arbeitnehmervertretern über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Amtsenthebung entstünden, wären sicherlich nur selten gegeben. Zum anderen wird damit auch gewährleistet, daß nicht durch plötzliche personelle Ausdünnung des Aufsichtsrates dieser nicht mehr funktionsfahig ist. Beide Gesichtspunkte gelten für den Aufsichtsrat im ganzen wie auch für die Mitglieder der Arbeitnehmerbank im speziellen. Gerade im Hinblick auf die gesetzgeberisch gewollte und bundesverfassungsgerichtlich bestätigte Arbeitnehmermitbestimmung im Unternehmen muß Klarheit herrschen über Bestand und Verlust des Aufsichtsratsmandates, soll die Funktionsfahigkeit der Mitbestimmung im Aufsichtsrat gewährleistet sein. Eine automatische Suspendierung des Aufsichtsratsamtes des Arbeitnehmers infolge seiner Teilnahme am rechtswidrigen Streik der Belegschaft ist deshalb bereits aus grundsätzlichen Erwägungen (wie oben) abzulehnen. Im übrigen beruht die Bejahung einer Treuepflichtverletzung in Form der Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik letztlich auf der arbeitsrechtlichen Beurteilung des Streikes als rechtswidrig. Primär liegt damit eine Arbeitsvertragsverletzung vor, die nur mit den Mitteln des Arbeitsrechts und unter Beachtung der Arbeitnehmerschutzvorschriften geahndet werden darf. Insoweit stellte die automatische Suspendierung des Aufsichtsratsamtes als Folge der Beteiligung am rechtswidrigen Streik eine gesellschaftsrechtliche Sanktion auf eine hauptsächlich arbeitsvertragliche Pflichtverletzung in einem vom Arbeitsverhältnis grundsätzlich unabhängigen Rechtsverhältnis dar, die im Ar-
erst gar keine Aussage getroffen wird, z. B. Fitting!Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 183; abweichend Hanau in Hanau!Uimer, MitbestG, § 26, Rn. 24, der die Teilnahme an rechtswidrigen Streiks zunächst nur als Arbeitsvertragsverletzung einstuft und auf die Möglichkeit einer eventuell dazukommenden Amtspflichtverletzung hinweist.
II. Rechtswidrige Streiks
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beitsrecht weder vorgesehen noch im System des Arbeitnehmerschutzes berücksichtigt ist. 191 (4) Das voranstehend Gesagte entfaltet schließlich auch Wirkung für die Frage, ob die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer während eines rechtswidrigen Streikes weiterhin berechtigt sind, an Beratungen und Abstimmungen im Aufsichtsrat mit Bezug zum Arbeitskampfgeschehen und zur Tarifvertragsund Koalitionspolitik teilzunehmen.
Eine solche Einschränkung der Amtsaufgaben und -befugnisse der Arbeitnehmervertreter widerspricht dem Grundsatz der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung aller Aufsichtsratsmitglieder. Die darin zum Ausdruck kommende Entwertung der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer läßt sich weder aus dem Gesetz noch durch den Gedanken der Gegnerfreiheit oder eine analoge Anwendung vorhandener Stimmrechtsbeschränkungen begründen. 192 Die Tatsache, daß es sich bei dem Arbeitskampf um einen rechtswidrigen Streik handelt, hat zwar Auswirkungen auf die Beurteilung möglicher Arbeitsvertragsverletzungen. Auch kann sich der Arbeitnehmervertreter durch eine Streikteilnahme gleichzeitig einer Treuepflichtverletzung gegenüber seiner Gesellschaft schuldig gemacht haben. Der Gesichtspunkt der Gegnerfreiheit erhält im Falle der Teilnahme eines Arbeitnehmervertreters an einem rechtswidrigen Streik auch mehr Gewicht als im Falle des rechtmäßigen Streikes, bei dem von einem "gegnerischen" Einfluß in Form der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat schlichtweg nicht gesprochen werden kann, - immerhin ist der rechtswidrig mitstreikende Arbeitnehmervertreter unmittelbar an einer bewußten und nicht gerechtfertigten Schädigung seines Unternehmens beteiligt. Dennoch sind die Reaktionsmöglichkeiten bei vorsätzlichen, fahrlässigen oder rein objektiv pflichtwidrigen Handlungen im Aufsichtsratsamt abschließend im Gesetz festgelegt. Im Einzelfall könnte höchstens zusätzlich ein spontaner, kurzzeitiger Ausschluß von Aufsichtsratsmitgliedern auf Beschluß des Gesamtaufsichtsrates in Betracht kommen. Pflichtverletzungen in anderen, vom Aufsichtsratsverhältnis unabhängigen Rechtsbeziehungen führen einerseits nicht dazu, daß bislang nicht gegebene gesellschaftsrechtliche Sanktionen möglich werden. Andererseits dürfen auch arbeitsvertragliche Verfehlungen nicht mit gesellschaftsrechtlichen Mitteln geahndet werden. Nichts anderes wäre es aber, wenn man aufgrundder Teilnahme des Arbeitnehmervertreters an einem rechtswidrigen Streik seine Stimm- und Beratungsrechte im Aufsichtsrat einschränkte. Ein solcher Aus191 Zum Verhältnis Amtspflichtverletzung/Arbeitsvertragsverletzung im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Kündigungen bzw. Kündigungsschutz siehe unten, Viertes Kapitel. 192 Vgl. hierzu oben, I. 3., b) und c).
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3. Kap.: Aufsichtsratsstellung der Arbeitnehmer und Streikrecht
schluß von Arbeitnehmervertretern von der Aufsichtsratstätigkeit allein aufgrund des Streikgeschehens, ohne daß diese sich am Streik beteiligten, liefe schließlich auf eine Art Ersatzbestrafung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmervertreter für alle Arbeitnehmer hinaus und ist aus oben193 genannten Gründen abzulehnen. Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß das Aufsichtsratsamt der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auch während eines rechtswidrigen Streiks unabhängig von ihrer Streikteilnahme unverändert mit allen daraus folgenden Amtspflichten und -befugnissen fortbesteht.
193 Ausführungen zur Einschränkung des Stimm- und Teilnahmerechts der ARM der AN während eines rechtmäßigen Streikes; siehe oben unter I. 3.
Viertes Kapitel
Kündigungsschutz I. Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat im Hinblick auf die Kopplung von Aufsichtsratsstellung und Arbeitnehmereigenschaft 1. Problemeinführung: Kopplungsvorschriften der §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG
Die Bestellung von unternehmensangehörigen Arbeitnehmern zu Aufsichtsratsmitgliedern läßt deren parallele arbeitsvertragliche Beziehung zum Unternehmen unberührt 1• Zu den Rechten und Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis kommen die Aufgaben, Befugnisse und Pflichten aus dem Aufsichtsratsamt lediglich hinzu. Auch die Beendigung der Aufsichtsratstätigkeif ändert nichtsamFortbestand des Arbeitsverhältnisses (außer im Falle der Liquidation der Gesellschaft, in dem beide·Rechtsverhältnisse enden). In umgekehrter Richtung wirkt sich allerdings für die zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach MitbestG und MitbestErgG der Verlust der Arbeitnehmerstellung sehr wohl auf das Aufsichtsratsamt aus. Für sie gilt nicht nur die besondere persönliche Wählbarkeitsvoraussetzung (wie sie auch im Montan-MitbestG sowie den §§ 76ff. BetrVG 1952 vorgesehen ist), wonach sie Arbeitnehmer des Unternehmens sein müssen, in dessen Aufsichtsrat sie gewählt werden sollen3 • Gemäߧ§ 24 I 1 Ausdrücklich auch Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6; Vergleichbar hierzu ist die Rechtsstellung des BRM: das BR-Amt hat keinerlei Auswirkungen auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, lediglich dessen Inhalt kann modifiziert werden (z. B. im Falle der bezahlten Freistellung zur Vomahme erforderlicher SR-Tätigkeit nach §§ 37 II, 38 BetrVG). Anders liegt der Fall z. B. bei der Bestellung eines Arbeitnehmers eines Vereins zum Vorstandsmitglied des Vereines, vgl. BAG, Urt. v. 28. 09. 1995, NJW 1996, S. 614f.: Hier handelt es sich um den Abschluß eines neuen, qualitativ andersartigen Dienstvertrages, der wegen der Unvereinbarkeit der neuen mit der alten Tätigkeit den alten Arbeitsvertrag konkludent beendet. 2 Zu den Beendigungstatbeständen siehe oben, Einleitung, II. 2. 3 Daher die Bezeichnung der zwingend unternehmensangehörigen ARM der AN: nach §§ 4 I b); 6 I; 9 Montan-MitbestG abhängig vom Nennkapital; bei vier AN-
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4. Kap.: Kündigungsschutz
MitbestG, 10 n MitbestErgG führt der Verlust der Wählbarkeit4, also vor allem der Unternehmenszugehörigkeit, sogar zum Erlöschen des Aufsichtsratsamtes der Arbeitnehmer. Insbesondere die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer durch Kündigung hat damit zur Folge, daß das Aufsichtsratsamt erlischt. 5 Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen der Unternehmensbeschäftigten gehört neben ihrer Begründung und inhaltlichen Gestaltung zu den Arbeitgeberfunktionen der Gesellschaft und damit zu den Aufgaben der Geschäftsführung. Wie sich aus §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG ergibt, übt die Geschäftsführung, bei Aktiengesellschaften also der Vorstand, mit einer wirksamen arbeitsvertragliehen Kündigung gegenüber einem zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer Einfluß auf den Fortbestand des Aufsichtsratsamtes desselben aus. Die sich hier abzeichnende Möglichkeit des Vorstandes, Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer "auszuschalten", ist aus mehreren Gründen bedenklich: Einerseits können sich Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer und Vorstandsmitgliedern über Vorschläge und Maßnahmen der Geschäftsführung nachteilig auf ihre parallele arbeitsrechtliche Beziehung als Arbeitnehmer und Arbeitgeber (personifiziert in den Vorstandsmitgliedern) auswirken. Auch könnten die Arbeitnehmer mit Blick auf das arbeitsvertragliche Weisungsrecht der Vorstandsmitglieder und deren Befugnis zu arbeitsrechtlichen Disziplinarmaßnahmen versucht sein, ihr Aufsichtsratsamt weniger kritisch zu führen und Konflikte oder Kritik an der Vertretern zwei unternehmensangehörige ARM der AN (6/3; 8/4);- nach§§ 5 I b); 6 I MitbestErgG ebenfalls abhängig vom Gesellschaftskapital; bei sieben AN-Vertretern fiinf AN von Konzernunternehmen (10/7);- nach§§ 7 I, II MitbestG abhängig von der Zahl der beschäftigten AN; bei sechs AN-Vertretern vier AN des Unternehmens (8/6; 10/7);- nach§§ 76 I, li S. 2, 3 BetrVG 1952 abhängig vom Grundkapital: 1/3 der ARSitze ist mit AN-Vertretern zu besetzen; bei einem zu bestellenden AN-Vertreter muß dieser unternehmens-angehörig sein; sind zwei oder mehr AN-Vertreter zu bestellen, müssen sich darunter mindestens je ein unternehmensangehöriger Arbeiter bzw. Angestellter befinden. Die weiteren ARM der AN sind Gewerkschaftsvertreter (§§ 6 li Montan-MitbestG, 6 I, li, III MitbestErgG, 7 II, IV MitbestG, 76 li S. 3 BetrVG 1952; sie können, müssen aber nicht dem Unternehmen als Arbeitnehmer angehören. §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG gelten daher folgerichtig nicht fiir diese ARM der AN. 4 Gern. §§ 6 II S. 1, 7 II, III MitbestG; 6 I, li MitbestErgG müssen die zum ARM zu bestellenden AN mindestens das 18. Lebensjahr vollendet haben (dies ergibt sich bereits aus § 100 I AktG), ein Jahr dem Unternehmen angehören und die Voraussetzungen des § 8 BetrVG (insbesondere § 8 I S. 3) erfiillen. 5 Dazu nur Fitting!Wiotzke/Wißmann, MitbestG, § 24, Rn. 6ff.; Raiser, MitbestG, § 24, Rn. 2; Fitting!Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 52, Rn. 132: das ARAmt der dritten und weiteren (eventuell auch unternehmensangehörigen) AN-Vertreter erlischt dagegen nicht.
I. Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat
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Geschäftsführung des Vorstandes zu venneiden. Die Tatsache, daß einige der Aufsichtsratsmitglieder die Tätigkeit eines Organes kontrollieren sollen, welches ihnen gegenüber in einem anderen Rechtsverhältnis, dem Arbeitsverhältnis, Vorgesetztenfunktionen wahrnimmt und Sanktionen verhängen kann, könnte damit die Unabhängigkeit der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates insgesamt beeinträchtigen. Andererseits paßt die sich in der Kündigungsberechtigung verbergende Möglichkeit des Vorstandes zur "Absetzung" bestimmter Aufsichtsratsmitglieder nicht in das bestehende System der Beendigungstatbestände hinsichtlich des Aufsichtsratsmandates. Zuständig für die Bestellung, personelle Auswahl und (vorzeitige) Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder sind die jeweils vorgesehenen Wahlkörper, also die Hauptversammlung oder die Belegschaft bzw. Belegschaftsdelegierte. Eine vorzeitige Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern durch ihren Wahlkörper ist zwar ohne Angabe von Gründen möglich, erfordert allerdings gemäß §§ 103 I S. 1, IV AktG in Verbindung mit §§ 11 II, I Montan-MitbestG; 10m II, III MitbestErgG; 23 II, III MitbestG; 76 V BetrVG 1952 in allen Fällen eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Die vorzeitige gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitgliedes nach § 103 III, IV AktG erfolgt zum einen nur auf entsprechenden Antrag des Gesamtaufsichtsrates, über den mit einfacher Stimmenmehrheit zu beschließen ist. Zum anderen prüft das Gericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die vorzeitige Abberufung und bestätigt oder verwirft daraufhin den Widerruf der Bestellung des Aufsichtsratsmitgliedes. Auch die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer ist nur zulässig bei Gesetzes- oder Satzungsverletzungen bzw. gesetzeswidrigem Zustandekommen des Wahlvorschlages (§ 251 I AktG, Montan-MitbestG, §§ 76ff. BetrVG 1952) oder bei Verstößen gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren, wenn dadurch das Wahlergebnis geändert oder beeinflußt werden konnte(§§ 22 I MitbestG, 10 1 MitbestErgG). Auch hier ist die Ordnungsmäßigkeit der vorzeitigen Amtsbeendigung durch ein gerichtliches Verfahren gewährleistet, in welchem die Voraussetzungen der Wahlanfechtung neutral und gewissenhaft überprüft werden. 6 Damit erschöpfen sich die Möglichkeiten einer vorzeitigen Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern. Der Vorstand ist an keinem dieser Beendigungstatbestände in irgendeiner Weise beteiligt. Demgegenüber führt die Kündigungskompetenz des Vorstandes in Ausübung der Arbeitgeberfunktionen dazu, daß er das Aufsichtsratsamt der unter6 Arbeitsgerichtliches Beschlußverfahren gemäߧ 2a I Nr. 3 ArbGG i.V.m. §§ 10 k, 1 MitbestErgG; 21, 22 MitbestG; 19 BetrVG 1972 analog; im übrigen- bei den ARM der Anteilseigner und der Arbeitnehmer nach Montan-MitbestG- gern. §§ 251, 245 Nr. 1, 2, 4, 246, 247, 248 I S. 2 AktG im zivilgerichtliehen Verfahren.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
nehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Zuge der (wirksamen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus eigener Machtfülle und praktisch voraussetzungsfrei zum Erlöschen bringen kann. Weder kommt es hier auf eine Beschlußfassung durch den Wahlkörper an, noch ist von vornherein eine gerichtliche Überprüfung und Entscheidung erforderlich. Zugleich werden durch diese Amtsbeendigungsmöglichkeit des Vorstandes die kollektiven Interessen der Belegschaft, durch den eigenen, demokratisch gewählten Vertreter im Aufsichtsrat repräsentiert zu werden, in einer von ihr nicht zu beeinflußenden Weise tangiert. 7 Darüber hinaus verbirgt sich in der Möglichkeit des Vorstandes, durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses das Aufsichtsratsamt zu Erlöschen zu bringen, eine nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Für alle Aufsichtsratsmitglieder, die nicht zwingend dem Unternehmen angehören müssen (Anteilseignervertreter, Gewerkschaftsdelegierte), kommt es für ihre Aufsichtsratsmitgliedschaft nicht auf das Bestehen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zum Unternehmen an. Sie genießen in ihrer Amtsstellung Bestandsschutz in Form der oben dargestellten, eng begrenzten Möglichkeiten einer vorzeitigen Amtsbeendigung. Demgegenüber ist der Bestandsschutz hinsichtlich des Aufsichtsratsamtes der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer geringer, weil sie ihr Amt zusätzlich infolge der Beendigung des parallelen Arbeitsverhältnisses zur Gesellschaft verlieren können. 8 Schließlich kommt es durch die Kopplung der Aufsichtsratsstellung an die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses zu einer Vermischung gesellschaftsrechtlicher und arbeitsrechtlicher Wertungen, indem das Arbeitsrecht in eine typische gesellschaftsrechtliche Problematik (Beendigung des Aufsichtsratsmandates) eindringt und diese modifiziert: Eine aus arbeitsrechtlicher Sicht wirksame Kündigung führt im Anwendungsbereich der§§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG zugleich dazu, daß eine - ansonsten keinen Anlaß zu vorzeitiger Amtsbeendigung bietende - Aufsichtsratsmitgliedschaft ohne weitere Prüfung oder Abwägung endet.9 Eine Rechtfertigung erfährt die auf den ersten Blick systemwidrig erscheinende Regelung der §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG allerdings, wenn man sich den Sinn der Beteiligung von Arbeitnehmern des Unternehmens am
7
Darauf, allerdings bezogen auf BRM, weist Schwerdtner hin, Arbeitsrecht I,
s. 227' Rn. 254.
So auch die Darstellung von Naendrup, AuR 1979, S. 161ff,. 204ff., (165f.). Näher dazu Naendrup, ebda., AuR 1979, S. S. 165f., der vom grundsätzlichen Vorrang des Gesellschaftsrechts spricht. 8
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I. Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat
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Aufsichtsrat vergegenwärtigt. 10 Aufsichtsratstätigkeit bedeutet Überwachung der Geschäftsführung durch ein allein dem Unternehmenswohl verpflichtetes Organ. Das Wohl des Unternehmens kann nicht mit dem Kapital- bzw. Aktionärsinteresse gleichgesetzt werden und erschöpft sich nicht im Streben nach stetiger wirtschaftlicher und fmanzieller Aufwärtsentwicklung des Unternehmens. Ebenso gehören die Vorstellungen der Beschäftigten hinsichtlich stabiler Arbeits- und Lohnverhältnisse, sozialer Leistungen und eines guten Betriebsklimas zu den Belangen des Unternehmens. 11 Diese Seite des Unternehmenswohles anzusprechen und zu repräsentieren ist gerade Aufgabe der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. Ihre Unternehmenszugehörigkeit ist deshalb nicht nur ein fester und inzwischen noch verstärkter 12 Bestandteil der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer, sondern zugleich eine notwendige Voraussetzung dafür, das Unternehmenswohl in allen seinen Elementen zu erkennen. Insoweit besteht ein sachlicher Grund für die hier vorliegende Ungleichbehandlung der zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Verhältnis zu den anderen Aufsichtsratsmitgliedern. Erscheint die Kopplung von Aufsichtsratsamt und Arbeitnehmereigenschaft gerade unter dem Gesichtspunkt als gerechtfertigt, den Ansichten der Belegschaft Eingang in den Aufsichtsrat zu verschaffen, so muß aber zugleich sichergestellt werden, daß diese Zielsetzung nicht durch eine rechtsmißbräuchliche Ausnutzung der Kündigungskompetenz durch den Vorstand unterlaufen wird. Eine Lösung dieses Problemes könnte ebenfalls auf arbeitsrechtlicher Ebene zu finden sein: in Form eines speziellen Kündigungsschutzes für die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer.
10 Zur Ideengeschichte der Mitbestimmung Raiser, MitbestG, Einl., Rn. 6 - 8: Mitbestimmung zurückzuführen auf ( 1) sozialistisches Gedankengut, beginnend um 1848, (2) sozialethische Lehren vor allem der katholischen Kirche sowie (3) Ansichten des deutschen Liberalismus, die abgesehen von den verschiedenen damit verfolgten Zielen alle die Teilhabe und Mitbestimmung der AN in der Wirtschaft als erstrebenswert ansahen; hierzu außerdem Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb., Rn. 3 - 5 und Kühler, Gesellschaftsrecht, § 32, I. 1. (S. 404f). 11 Ausführlicher schon oben, Drittes Kapitel, I. 1. b). 12 3. Montan-Mitbestimmungs-Sicherungsgesetz vom 20. 12. 1988 verringerte für die dem MitbestErgO unterfallenden Unternehmen die Zahl der Aufsichtsratssitze der Gewerkschaftsvertreter zugunsten der unternehmensangehörigen ARM der AN: statt 4 (6) Belegschaftsangehörige gegenüber 3 (4) Gewerkschaftsvertretern nunmehr 5 (7) Belegschaftsangehörige zu 2 (3) Gewerkschaftsvertretern; siehe hierzu oben, Drittes Kapitel, I. 3. e), bb).
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4. Kap.: Kündigungsschutz
2. Geltung der Kopplungsregelung nach §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG für alle Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat Das zuvor skizzierte Bedürfnis nach einem speziellen Kündigungsschutz bestünde zudem generell für alle Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat unabhängig von ihrem Mitbestimmungsstatus, wenn die Aufsichtsratsmitgliedschaft auch der Arbeitnehmer nach Montan-MitbestG bzw. §§ 76ff. BetrVG 1952 an das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses gebunden wäre. (1) Im Montan-MitbestG sowie in den §§ 76ff. BetrVG 1952 existieren keine den §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG vergleichbaren Vorschriften über das automatische Erlöschen des Aufsichtsratsamtes infolge des Verlustes der Wählbarkeit, speziell der Unternehmenszugehörigkeit als Arbeitnehmer. Allerdings sind das Montan-MitbestG von 1951 und die fortgeltenden § 76ff. BetrVG 1952 die älteren Gesetze gegenüber dem MitbestErgO sowie dem MitbestG.
Das frühere BetrVG 1952 regelte in § 24 BetrVG 1952, daß die Mitgliedschaft im Betriebsrat unter anderem durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt. Bei den Bestimmungen zu den Vertretungen der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gemäß §§ 76ff. BetrVG 1952 war in § 76 II S. 2 BetrVG 1952 angeordnet, daß bei der Wahl eines Arbeitnehmervertreters nur gewählt werden kann, wer in einem Betrieb des Unternehmens als Arbeitnehmer beschäftigt ist. Ein Erlöschenstatbestand für die Aufsichtsratsmitgliedschaft der Arbeitnehmervertreter existierte indes nicht. Bei der Neufassung des BetrVG (1972) wurde die Erlöschensnorm für Betriebsratsmitglieder beibehalten; gemäß § 24 I Nr. 3 BetrVG erlischt das Betriebsratsamt infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Verlustes der Wählbarkeit 13 . Hinsichtlich der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat schuf der Gesetzgeber zwar keine Neuregelung14 und auch keinen ausdrücklichen Erlöschentatbestand, sondern bestimmte in§ 129 I BetrVG lediglich, daß die§§ 76ff. BetrVG 1952 fortgelten. Allerdings wurde damit auch der Grundsatz des§ 76 II S. 2 BetrVG 1952 bestätigt, daß (ein bzw. mindestens zwei) Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat einem Betrieb des Unternehmens als Arbeitnehmer angehören müssen. Bei der Gestaltung des MitbestErgG 1956 standen dem Gesetzgeber zum einen das Montan-MitbestG, zum anderen das BetrVG 1952 als Orientierungs- und Anknüpfungspunkt zur Verfügung. Hinsichtlich einer Erlöschensnorm für das Aufsichtsratsamt infolge Verlustes der Unternehmenszugehörig13 Gemäß § 8 I BetrVG u. a. sechsmonatige Betriebszugehörigkeit, mindestens I 8 Jahre alt. 14 Dazu, daß mit der Neuregelung des BetrVG nicht zugleich die Vorschriften zur Arbeitnehmervertretung in den AR überarbeitet werden sollten, sondern diese unverändert in das neue Gesetz übernommen wurden, siehe ausführlich unten, Il. 2. a), cc).
I. Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat
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keit folgte er dem Vorbild des§ 24 BetrVG 1952, der das Erlöschen des (Betriebsrats-)Amtes ausdrücklich anordnete. Diese Grundentscheidung bestätigte der Gesetzgeber bei der Schaffung des MitbestG 1976 15 sowie des SprAuG 1988, bei denen er sich zum einen am Montan-MitbestG (ohne ausdrückliche Erlöschensnorm), zum anderen am MitbestErgO (§ 10 n MitbestErgG) sowie BetrVG (§ 24 I Nr. 3 BetrVG) orientieren konnte: das MitbestG (§ 24 I MitbestG) und auch das SprAuG (§ 9 II Nr. 3, 4 SprAuG 16) enthalten eine den §§ 10 n MitbestErgG, 24 I Nr. 3 BetrVG entsprechende Erlöschensnorm für den Fall des Verlustes der Unternehmens- bzw. Betriebszugehörigkeit Daraus läßt sich ableiten, daß der Gesetzgeber die Wichtigkeit einer Kopplung von Aufsichtsratsamt (bzw. Betriebsrats-, Sprecherausschußamt) und Arbeitnehmereigenschaft erst nach Erlaß von Montan-MitbestG und BetrVG 1952 erkannte und daraufhin in allen späteren neuen Gesetzen der Arbeitnehmermitbestimmung eine diesbezügliche Regelung traf; - die Anordnung der Fortgeltung der §§ 76ff. BetrVG erforderte keinen eigenständigen gesetzgeberischen Schöpfungsakt und widerspricht dieser Aussage nicht. (2) Der gesetzgebensehe Zweck der Bindung der Aufsichtsratsstellung an die Unternehmenszugehörigkeit als Arbeitnehmer besteht unabhängig vom jeweiligen Mitbestimmungstatbestand übereinstimmend darin, die Belegschaftsinteressen als Teil des Unternehmenswohls im Aufsichtsrat darzustellen und zu repräsentieren.
Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaues und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie nach Montan-MitbestG sowie MitbestErgO ist geschichtlich bedingt17 als echte, "vollparitätische" Mitbestimmung entstanden, bei der sich der Aufsichtsrat aus jeweils der gleichen Anzahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern sowie weiteren neutralen Mitgliedern zusammensetzt. Es gibt im Gegensatz zum späteren MitbestG weder ein Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden in Pattsituationen, noch ist vorgesehen, daß Aufsichtsratssitze der Arbeitnehmer zwingend mit leitenden Angestellten zu besetzen sind. 18 Durch die paritätische Besetzung 15 Ausdrücklich Raiser, MitbestO, Ein!., Rn. 23: 'Oesetzesverfasser des MitbestO hat sich weithin an das Vorbild des MitbestErgO gehalten'. 16 Erlöschen der Mitgliedschaft im Sprecherausschuß durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Verlust der Wählbarkeit (= gemäß § 3 II SprAuO vor allem sechs Monate Betriebszugehörigkeit des leitenden Angestellten erforderlich). 17 Siehe oben, Drittes Kapitel, 3. d); paritätische Mitbestimmung als Reaktion auf die überwundene Herrschaft des Nationalsozialismus, genauer mit Nachweisen oben. 18 Entgegen der ausdrücklichen Nennung der leitenden Angestellten in § 3 III Nr. 2 MitbestO sowie der Sondernorm des § 15 II S. 2, 3 MitbestO, wonach zwingend leitende Angestellte in den AR zu wählen sind (mindestens ein leitender Angestellter), enthalten das Montan-MitbestO und das MitbestErgO keine Äußerungen zu leitenden Angestellten. Nach der Anpassung des MitbestErgO an das MitbestO durch das 3. 13 Jacklofslcy
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4. Kap.: Kündigungsschutz
des Aufsichtsrates und die Wahl des 11., 15. oder 21. Mitgliedes durch die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder19 sind konstruktive Entscheidungen grundsätzlich nur im Wege einer Einigung der Aufsichtsratsmitglieder beider Bänke möglich. 20 Hinsichtlich ihrer Amtsrechte und -pflichten sowie der Schutzbedürftigkeit bei der Ausübung der Amtstätigkeit bestehen zwischen den Arbeitnehmervertretern nach Montan-MitbestG bzw. nach MitbestErgG keine Unterschiede. Ein Grund, warum das Aufsichtsratsamt der unternehmensangehörigen Arbeitnehmervertreter nach MitbestErgG automatisch infolge Verlustes der Unternehmenszugehörigkeit erlöschen, das Aufsichtsratsamt der entsprechenden Arbeitnehmervertreter nach Montan-MitbestG aber trotz Verlustes der Unternehmenszugehörigkeit fortbestehen soll, ist nicht ersichtlich. Im Unterschied zum Montanbereich sieht das MitbestG keine vollparitätische Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter vor: Trotz gleichmäßiger Verteilung der Aufsichtsratssitze auf die Vertreter der Anteilseigner sowie der Arbeitnehmer kommt dem regelmäßig der Anteilseignerseite entstammenden Aufsichtsratsvorsitzenden21 in Pattsituationen ein doppeltes Stimmrecht zu. Außerdem muß nach § 15 II S. 3 MitbestG dem Aufsichtsrat auf Arbeitnehmerseite mindestens ein leitender Angestellter angehören, und die Sitze der Aufsichtsratsmitglieder der Angestellten sind entsprechend dem zahlenmäßigen Verhältnis zwischen Angestellten und leitenden Angestellten auf diese beiden Personengruppen zu verteilen.Z2 Trotz oder gerade wegen dieses schwächer ausgestalteten Einflusses der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wurde die Unternehmenszugehörigkeit einiger Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Gesetz zwingend vorgeschrieben: um bei nur unterparitätischer Mitbestimmung der Arbeitnehmer jedenfalls die Einbringung und Berücksichtigung der Belange der Belegschaft sicherzustellen. Die Arbeitnehmermitbestimmung nach §§ 76ff. BetrVG 1952 ist schließlich noch schwächer ausgestaltet als nach MitbestG. Der Aufsichtsrat muß in Montan-Mitbestimmungs-Sicherungsgesetz sind leitende Angestellte nicht mehr vom Wahlverfahren ausgeschlossen, sie werden aber auch nicht gesondert berücksichtigt, sondern nehmen im Rahmen der Angestelltengruppe und mit denselben Rechten wie andere Angestellte am Wahlverfahren teil. Im übrigen sind die unter§ 5 II BetrVG fallenden Personen keine AN i. S. des MitbestErgG, § 5 V S. 2 (wie auch bei MitbestG, § 3 I S. 2). vgl. hierzu z. B. Wißmann, DB 1989, S. 426ff. (428). 19 Grundsätzlich Einigungszwang für die Aufsichtsratsmitglieder, sonst kompliziertes Verfahren über Vermittlungsausschuß, Einschaltung des OLG, § 8 MontanMitbestG. 20 Vgl. Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb., Rn. 34. 21 Nicht jedoch seinem Stellvertreter; u. U. auch Zweitstimmrecht für Aufsichtsratsvorsitzenden bei Ausschußtätigkeit bzw. Zweitstimmrecht für Ausschußvorsitzenden. 22 Dazu schon oben ausführlicher, Einleitung, II. b).
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Unternehmen, die unter die§§ 76ff. BetrVG 1952 fallen23, lediglich zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen,§ 76 I BetrVG 1952. Bei einem dreiköpfigen Aufsichtsrat(§§ 95 S. l AktG, 76 II, VI, 77 BetrVG 1952) muß das Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer in einem Betrieb des Unternehmens als Arbeitnehmer beschäftigt sein. Die Unternehmenszugehörigkeit des einzigen Aufsichtsratsmitgliedes der Arbeitnehmer stellt hier zwar ausdrücklich nur eine Wählbarkeitsvoraussetzung dar, nicht zusätzlich auch die Voraussetzung dafür, das Amt weiterhin innehaben zu können. Steht den Arbeitnehmern aber nur ein Aufsichtsratssitz zu, so erscheint es geradezu als zwingend, diesen mit einem Arbeitnehmer des Unternehmens zu besetzen. Verliert das Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer die Unternehmenszugehörigkeit, können die aktuellen Belange und Ansichten der Belegschaft wenn nicht durch die Anteilseignerseite - überhaupt keinen Eingang in den Diskussionsprozeß im Aufsichtsrat mehr finden. Folglich erweist sich eine analoge Anwendung der Erlöschensvorschriften der§§ 10 n MitbestErgG, 24 I MitbestG auf alle zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer als zulässig und sogar geboten. Die Frage eines speziellen Kündigungsschutzes stellt sich damit für alle unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. 24 3. Arbeitsrechtliche Lösungen
In Konsequenz zu den vorherigen Darlegungen bestehen Aufgabe und zugleich Ziel eines speziellen Kündigungsschutzes für die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer darin, einen gewissen Bestandsschutz für das Aufsichtsratsamt der Arbeitnehmer zu bieten und die Unabhängigkeit ihrer Aufsichtsratstätigkeit sicherzustellen. Darüber hinaus müssen sie gegen einen Mißbrauch der arbeitsrechtlichen Disziplinargewalt durch die Vorstandsmitglieder bzw. deren Mitarbeiter geschützt werden. (1) Sehr starken Schutz genössen die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, wenn für sie nach dem Vorbild des Kündigungsschutzes für Betriebsratsmitglieder gemäß §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG ordentliche Kündigungen völlig ausgeschlossen und außerordentliche Kündigungen nur bei Vorliegen eines - gegebenenfalls auf enge Fallgruppen beschränkten - wichtigen Grundes zulässig
Siehe oben, Einleitung, II. 1. c). So ausdrücklich auch Fitting!Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 132 für diejenigen ARM der AN, die zur Erfüllung der gesetzlichen Mindestvoraussetzungen der AR-Besetzung mit je einem Arbeiter bzw. Angestellten erforderlich sind (zwingend unternehmensangehörige ARM der AN); für dritte oder weitere unternehmensangehörigen ARM der AN gilt dies nicht. 23
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4. Kap.: Kündigungsschutz
wären(= absoluter Kündigungsschutz). Außerordentliche Kündigungen könnten zudem an bestimmte Zustimmungserfordernisse geknüpft werden. Dogmatisch ließe sich ein solcher absoluter Kündigungsschutz verschieden begründen: Einerseits könnten die Regelungen der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG bei der Auslegung der gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG25 herangezogen werden. Nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG dürfen die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in der Ausübung ihrer Amtstätigkeit nicht gestört oder behindert und wegen dieser Tätigkeit auch nicht benachteiligt oder bevorzugt26 werden. Da mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG auch das Aufsichtsratsamt erlischt, führt jede (wirksame) Kündigung eines zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedes der Arbeitnehmer mindestens objektiv zu einer Störung und Behinderung seiner Amtstätigkeit Zudem läßt sich nie ausschließen, daß die Kündigung nur als Vorwand benutzt wird, um den Arbeitnehmer wegen unerwünschter Aufsichtsratstätigkeit zu maßregeln und ihn aus dem Amt zu drängen. Insoweit könnte die allgemeine Formulierung des Störungs- und Benachteiligungsverbotes in §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG durch die Regelung der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG eine Konkretisierung erfahren: Als (schon allein) objektive Störung oder Benachteiligung gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Unternehmen stehen, wären ordentliche Kündigungen nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG in Verbindung mit §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG ausgeschlossen und außerordentliche Kündigungen nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig. 27 Andererseits könnten die generalklauselartigen Schutzvorschriften der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG als nicht abschließend insbesondere hinsichtlich des Kündigungsschutzes betrachtet werden und damit einer analogen Anwen-
25 Gilt gern. §§ 76 II S. 5 BetrVG 1952, 129 BetrVG für die nach BetrVG 1952 gewählten AN-Vertreter im AR; zu§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG schon oben, Zweites Kapitel, I. l. a) cc). 26 § 26 MitbestG enthält i.G. zu § 78 BetrVG kein Verbot der Begünstigung; gemeint ist damit nach h. M. die Zulässigkeit sachlich gerechtfertigter Begünstigungen, die auf der persönlichen Leistung des ARM beruhen, z.B. beruflicher Aufstieg aufgrund der bei der AR-Tätigkeit erlangten Fähigkeiten. Nicht zulässig dagegen sind sachlich unbegründete Bevorzugungen; dies ergibt sich bereits aus dem arbeitsrechtlichem Gleichbehandlungsgrundsatz. Vgl. Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 3 sowie oben, Zweites Kapitel, I. 2. b) cc) und I. 2. e). 27 So Reich!Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff., (365) und Peter, BIStSozAR 1977, S. 257ff., (264f.); ähnlich auch Kittner/K.östler/Zachert, S. 29lf., Rn. 654ff., der sowohl eine entsprechende Anwendung der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG als auch die weitreichende Auslegung des Benachteiligungsverbotes des § 26 MitbestG befürwortet.
ll. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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dung der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG auf Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Raum lassen. (2) Statt eines solchen absoluten Schutzes könnte ein spezieller Kündigungsschutz für die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat aber auch in der Form bestehen, daß sie abschließend durch das Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG gegen rechtsmißbräuchliche Kündigungen des Arbeitgebers geschützt sind. Die ordentliche (wie außerordentliche) Kündigung eines Arbeitnehmers mit Aufsichtsratsmandat wäre nicht generell ausgeschlossen, sondern nur dann gemäß § 134 BGB unzulässig und unwirksam, wenn sie sich entsprechend dem Wortlaut der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG als Störung, Behinderung oder Benachteiligung des Arbeitnehmers bei bzw. wegen seiner Amtstätigkeit darstellte (= relativer Kündigungsschutz). Eine analoge Anwendung der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG würde dann wegen Fehlens einer planwidrigen Gesetzeslücke ausscheiden. Zu klären bliebe, welche Kündigungsgründe im Sinne der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG zulässig wären oder aberangesichtsdes Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbotes eine Kündigung nicht rechtfertigen könnten.
II. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG 1. Extensive Auslegung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG (1) Ihrem Wortlaut nach vermitteln die §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG allein zunächst keinen absoluten Kündigungsschutz: Absolute Kündigungsverbote sind hinsichtlich ihrer Rechtsfolge deutlich formuliert. So ist in§ 15 I KSchG, § 9 I MuSchG oder§ 613 a IV BGB von der "Unzulässigkeit" oder "Unwirksamkeit" der Kündigung die Rede; auch wird die Wirksamkeit einer Kündigung vom Vorliegen bestimmter Zustimmungen abhängig gemacht (zum Beispiel in §§ 9 III MuSchG, 21 SchwbG, 103 BetrVG). Die gesetzgebensehe Entscheidung, diesen Personen einen starken Kündigungsschutz angedeihen zu lassen, ist in diesen Fällen durch einen strikten und eindeutigen Wortlaut verdeutlicht. §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG sprechen demgegenüber nicht von der "Unzulässigkeit" einer Kündigung, sondern statuieren ein allgemein formuliertes Verbot von Störungen, Behinderungen oder Benachteiligungen. (2) Auch die Entstehungsgeschichte des § 15 I KSchG und ein Vergleich zwischen§ 15 I KSchG und§ 78 BetrVG sprechen gegen eine Auslegung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG im Lichte der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG:
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4. Kap.: Kündigungsschutz
Nach§ 15 KSchG der alten Fassung28 waren ordentliche Kündigungen von Betriebsratsmitgliedern unzulässig und außerordentliche Kündigungen nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 I BGB wirksam. Durch das neue BetrVG wurde gemäߧ 123 Nr. 3 BetrVG der Schutzbereich des § 15 KSchG auf weitere Vertreter der Arbeitnehmer, nämlich die Mitglieder der Jugend-29 und Bordvertretungen sowie Seebetriebsräte, die Mitglieder des Wahlvorstandes sowie die Wahlbewerber, ausgedehnt. 30 Die Mitglieder der Jugend- und Bordvertretung sowie des Seebetriebsrates waren allerdings schon durch § 53 BetrVG 1952 bzw. § 78 BetrVG erfaßt und geschützt. Dennoch wurden sie ausdrücklich in den Anwendungsbereich des § 15 I KSchG hineingenommen. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß durch§§ 53 BetrVG 1952, 78 BetrVG bereits ein Kündigungsschutz entsprechend der Reichweite des § 15 KSchG bestünde, hätte er nicht den Schutzbereich des § 15 I KSchG speziell durch § 123 Nr. 3 BetrVG 1972 auf diese Personengruppen ausweiten müssen. Der Wortlautvergleich ergibt außerdem, daß die einerseits von§ 15 KSchG, andererseits von § 78 BetrVG erfaßten Personengruppen nicht vollständig identisch sind. In den Schutzbereich des § 78 BetrVG fallen unter anderem Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, der Einigungsstelle, einer tariflichen Schlichtungsstelle und einer betrieblichen Beschwerdestelle; also mit Ausnahme der Wirtschaftsausschußmitglieder (§ 107 I BetrVG) Personen, die nicht zwingend dem Betrieb bzw. Betriebsrat angehören müssen und bei denen sich die Frage eines Kündigungsschutzes nicht unbedingt stellt. Andererseits wurde der Kündigungsschutz des § 15 KSchG auf Wahlvorstandsmitglieder und Wahlbewerber ausgedehnt, also auf Personen, die zwingend dem Betrieb angehören müssen, §§ 16 I, 7 bzw. 8 BetrVG. Der Gesetzgeber nahm in§ 78 BetrVG und§ 15 KSchG eine genaue Differenzierung der verschiedenen Personengruppen je nach Art ihrer Tätigkeit im Rahmen der Betriebsverfassung und ihres unterschiedlichen Schutzbedürfnisses vor. Wäre er davon ausgegangen, daß § 78 BetrVG den gleichen Schutz wie § 15 KSchG vermitteln würde, wäre eine solche Differenzierung zwischen einerseits nach§ 78 BetrVG, andererseits nach § 15 KSchG geschützten Personen unnötig gewesen. 31 Zudem statuierte der Gesetzgeber in § 103 BetrVG ein zusätzliches Zustimmungser28 Bis zur Änderung durch§ 123 Nr. 3 BetrVG 1972; vgl. z. B. Hueck, KSchG, 7. Auflage,§ 15. 29 Durch Gesetz zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Betrieben vom 19. Juli 1988 neugefaßt, (BGBI. I, S. 1034); nunmehr Jugend- und Auszubildendenvertretung gern. §§ 71-73 BetrVG 1972. 30 Während und für bestimmte Zeit nach Beendigung der Amtszeit, Wahlvorstandsmitgliedschaft bzw. Aufstellung des Wahlvorschlages/Bekanntgabe des Wahlergebnisses , § 15 I, III KSchG. 31 Ebenso Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15, Rn. 27a.
Il. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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fordernis, auf das auch § 15 I KSchG verweist. Demgegenüber weist die Neufassung des§ 53 BetrVG 1952 in§ 78 BetrVG außer einer Ausweitung des erfaßten Personenkreises keine Veränderung des Verbotes von Störungen, Behinderungen oder Benachteiligungen wegen bzw. bei der Amtstätigkeit auf. (3) Schließlich läßt sich zur Auslegung der (fast wortgleichen) §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG vergleichend die entsprechende Schutznorm für die Mitglieder des Sprecherausschusses heranziehen. Sie sind gemäß § 2 III SprAuG gegen Störungen oder Behinderungen bei ihrer Tätigkeit oder Benachteiligungen wegen dieses Amtes geschützt. Bei der Schaffung des SprAuG - in Kraft getreten Ende 1988 und relevant geworden bei den erstmaligen Wahlen zum Sprecherausschuß im Frühjahr 1990 - orientierte sich der Gesetzgeber am BetrVG. Sowohl der formale Aufbau von SprAuG und BetrVG32 als auch grundlegende Wertungen (zum Beispiel die gegenseitige Pflicht von Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Sprecherausschuß zu vertrauensvoller und kooperativer Zusammenarbeit, §§ 2 I BetrVG, 2 I SprAuG, oder die Neutralitätspflicht der Betriebsrats- bzw. Sprecherausschußmitglieder, §§ 74 II S. 2, 3 BetrVG, 2 IV SprAuG) stimmen überein. Die regelmäßigen Betriebsrats- bzw. Sprecherausschußwahlen finden zeitgleich statt, §§ 13 I S. 2 BetrVG, 5 I S. 2 SprAuG. Darüber hinaus weisen die Regelungen von BetrVG und SprAuG hinsichtlich ihres Wortlautes an zahlreichen Stellen eine sehr große Ähnlichkeit auf, teilweise stimmen sie sogar vollständig überein. 33
Auch das Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot zugunsten der Sprecherausschußmitglieder entspricht seinem Wortlaut nach der Regelung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG. Die Sprecherausschußmitglieder genießen allerdings völlig unbestritten keinen (an§ 15 I KSchG angelehnten) absoluten Kündigungsschutz. 34 Ein solcher Kündigungsschutz, wie er für die Be32 Im Ersten Teil beider Gesetze 'Allgemeine Vorschriften', im Zweiten Teil Vorschriften über die Organe der Betriebsverfassung bzw. der SprecherausschußVerfassung, im Dritten Teil des BetrVG bzw. Vierten Teil des SprAuG Vorschriften zu den Mitwirkungs- (bzw. Mitbestimmungs)rechten des Betriebsrates bzw. Sprecherausschusses, anschließend 'Besondere Vorschriften', 'Straf- und Bußgeldvorschriften' sowie '(Änderungs-), Übergangs- und Schlußvorschriften. 33 Bereits der Anfang: Anwendbarkeit des BetrVG bzw. SprAuG nach§§ I BetrVG, 1 I SprAuG; außerdem zum Beispiel die schon im Text erwähnte Neutralitätspflicht; die Vorschriften zur Wahlberechtigung und Wählbarkeit in§§ 7, 8 BetrVG, 3 SprAuG; die Vorschriften zur Wahl der Betriebsrats- bzw. Sprecherausschußmitglieder, §§ 9ff. BetrVG, 4ff. SprAuG; die Vorschriften zur Freistellung der Betriebsrats- bw. Sprecherausschußmitglieder und zur Kostentragungspflicht des Arbeitgebers in §§ 37 II, 40 BetrVG, 14 SprAuG; die Geheimhaltungspflicht gemäß §§ 79 BetrVG, 29 SprAuG sowie die Straftatbestände und Strafandrohungen in §§ 119, 120 BetrVG, 34, 35 SprAuG bzw. Ordnungswidrigkeitsvorschriften in§§ 121 BetrVG, 36 SprAuG. 34 Hromadka, SprAuG, § 2 III, Rn. 21 u. 29; außerdem Anhaltspunkt im Gesetz: § 14 II KSchG ordnet die Anwendung der§§ I, 2, 4-14 KSchG, nicht aber auch des § 15 KSchG aufbestimmte leitende Angestellte an.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
triebsratsmitglieder besteht, vereinbarte sich nicht mit der arbeitsrechtlichen Stellung eines leitenden Angestellten, die durch eine sehr weitgehende Verantwortung, eigene Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse, höheres Gehalt, aber ebenso durch einen geringeren Bestandsschutz und ein größeres Kündigungsrisiko gekennzeichnet ist. Hieran ändert auch das Amt des Sprecherausschußmitgliedes nichts. Der Schutz, den Sprecherausschußmitglieder als Amtsträger genießen, ist deshalb lediglich ein Mindestschutz gegen Beeinträchtigungen und Benachteiligungen durch den Arbeitgeber wegen ihrer Amtstätigkeit; ihre arbeitsrechtliche Stellung wird hierdurch nicht modifiziert. Da der Gesetzgeber also mit der Schutznorm des § 2 III SprAuG keinesfalls einen absoluten Kündigungsschutz statuieren wollte, die Formulierung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG aber wortgenau in den§ 2 III SprAuG übernahm, läßt sich im Rückblick auf die Vorbild-Vorschriften der § 26 MitbestG, 78 BetrVG schlußfolgern, daß der Gesetzgeber diese Normen nicht im Sinne absoluter Kündigungsschutzvorschriften (wie bei §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG) verstanden hat. (4) Letztendlich ist die Tatsache nicht zu leugnen, daß für Betriebsratsmitglieder zusätzlich zu § 78 BetrVG ein spezieller Kündigungsschutz in §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG geregelt, also die Schutznorm des § 78 BetrVG gerade nicht als ausreichend angesehen wurde. 35 Der hierin zum Vorschein kommende Bedeutungsunterschied wirkt sich auch auf die inhaltliche Bestimmung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG in bezugauf die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat aus:
Diese Schutznormen sind nicht extensiv in dem Sinne auszulegen, daß der absolute Kündigungsschutz der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG bereits Inhalt des Störungs- und Behinderungsschutzes der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ist. Vielmehr vermitteln die §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG selbst nur relativen und einzelfallbezogenen Schutz. Hiernach können Kündigungen nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG unwirksam sein, wenn sie nur erklärt werden, um den Arbeitnehmer in seiner Aufsichtsratstätigkeit zu beeinflussen oder zu behindern bzw. zu stören oder um ihn wegen seiner Amtstätigkeit zu maßregeln. 36 35 ÄhnlichHessin Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 78, Rn. 16: '§ 78 greift nur subsidiär ein, wenn§ 15 I KSchG nicht gilt'; ebenso Dietz/Richardi, BetrVG, § 78, Rn. 2. 36 Z. B. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 17; Hanau/Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 13; Fitting!K.aiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 178; Huecklv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15, Rn. 27a, 28; Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 177; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 129; Kittner/Köstler/Zachert, S. 289f., Rn. 650 (651fT.); Reich/Lewerenz, AuR 1976, S. 353fT. (362); Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 8 (§ 26 MitbestG nur auf ordentliche Kündigungen beschränkt); Meyer-Landrut, Großkomm.
II. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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2. Analoge Anwendung der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG Angesichts des nur relativen Kündigwtgsschutzes über§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG stellt sich nunmehr die Frage der analogen Anwendung der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG für die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat Voraussetzung für die analoge Anwendung einer Norm ist das Vorliegen einer Gesetzeslücke, das heißt, einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes.37 Eine solche planwidrige Unvollständigkeit liegtangesichtsder §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG nur dann vor, wenn der durch diese Normen lediglich gewährte relative Einzelfallschutz vor rechtsmißbräuchlichen Kündigungen nach dem Willen des Gesetzgebers zu kurz greift und damit als nicht abschließend zu bewerten ist. Darüber hinaus muß für die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Vergleich zu den durch §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG geschützten Betriebsratsmitgliedern eine ähnliche Interessenlage und Schutzbedürftigkeit festzustellen sein. a) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes
aa) Fehlende Gesetzgebungsaktivität Der Gesetzgeber ordnete bei der Neufassung des BetrVG gemäß § 129 I BetrVG die Fortgeltung der§§ 76 bis 77a, 81, 85 und 87 BetrVG 1952 an und bezog die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in den Schutzbereich des § 78 BetrVG ein (als Ersatz für den weggefallenen § 53 BetrVG 1952). Eine ausdrückliche Verstärkung des Kündigungsschutzes für die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wäre angesichts des Vorbildes des § 103 BetrVG, zum Beispiel in Form eines Verweises oder einer gemeinsamen Schutzvorschrift, ohne weiteres möglich gewesen. So wurden ja auch durch § 123 Nr. 3 BetrVG die Mitglieder der Jugend- und Bordvertretungen, des Seebetriebsrates, die Wahlvorstandsmitglieder und Wahlbewerber neu in den Schutzbereich des § 15 KSchG aufgenommen. Dagegen beließ es der Gesetzgeber hinsichtlich der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bei der Fortgeltung des bisherigen Schutzes über §53 BetrVG 1952 bzw. § 78 BetrVG.
AktG, § 96, Anm. 1; Baumbach!Hueck, AktG, Anh. nach § 96, Rn. 36; Hueck!Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band II/2, § 73, V. 1. a. E. (S. 1521); Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band,§ 124, II. 7. (S. 619); Löwisch, BetrVG, § 78, Rn. I, § 103, Rn. 3. 37 Siehe schon oben, Zweites Kapitel, I. I. a) sowie I. 2. d) aa).
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4. Kap.: Kündigungsschutz
In der Endphase des Gesetzgebungsverfahrens zum MitbestG 197638 erließ der Gesetzgeber zum Schutze der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mit § 26 MitbestG ein allgemeines Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot nach dem Vorbild des nur relativ schützenden§ 78 BetrVG; - die Regelung des §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG und deren weitergehende Schutzwirkung waren ihm dabei bekannt. Auch die Änderungsvorschrift des § 35 MitbestG modifizierte im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des MitbestG lediglich Bestimmungen des AktG, des ArbGG sowie den § 85 II BetrVG 1952, enthielt aber keinerlei Aussagen oder Regelungen zum Kündigungsschutz für Arbeitnehmervertreter.39 Die gesetzgebensehen Aktivitäten der 80er und 90er Jahre hinsichtlich der Montanmitbestimmung dienten nur dem Ziel, die Arbeitnehmermitbestimmung in diesem Bereich für die Zukunft zu sichem.40 Forderungen nach einer Verstärkung des Kündigungsschutzes wurden hierbei nicht erhoben, geschweige denn wurden dementsprechende Gesetzesänderungen ernsthaft erwogen. Schließlich lassen sich in den Gesetzgebungsverfahren bzw. den endgültigen Gesetzestexten wesentlicher gesellschaftsrechtlicher Änderungsgesetze der letzten Jahre, zum Beispiel dem Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts von 1994 und dem KonTraG von 1998 keinerlei Hinweise oder gar Formulierungen zu einer Erstreckung des § 15 I KSchG auf die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliederder Arbeitnehmer fmden. 41 Folglich bleibt in rein formaler Hinsicht zunächst festzustellen, daß der Gesetzgeber trotz zwischenzeitlicher zahlreicher Änderungen des KSchG, BetrVG und der Mitbestimmungsgesetze die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht (ausdrücklich) in den Schutzbereich der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG einbezogen hat.
38 Vgl. Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 1; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 1. 39 Vgl. nur Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, den der Kommentierung vorangestellten Gesetzestext sowie§ 35. . 40 Wichtigste Gesetzgebungsakte: 3. Gesetz zur Sicherung der MontanMitbestimmung vom 20. 12. 1988, in Kraft getreten am 01. 01. 1989, BGBl. I 1988, S. 2312ff. (Urteil des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 3 li S. 1, 16 MitbestErgG, ZIP 1999, S. 410ff.) sowie Gesetz zur Beibehaltung der Mitbestimmung beim Austausch von Anteilen und der Einbringung von Untemehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedsstaaten der Europäischen Union betreffend, vom 23. 08. 1994, BGBI. I 1994, S. 2228); siehe dazu oben, Drittes Kapitel, I. 3. e), bb). 41 Näher oben, Drittes Kapitel, ebda., I. 3. e), bb).
II. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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bb) "Beredtes Schweigen" des Gesetzgebers? Die Untätigkeit des Gesetzgebers im Hinblick auf die Regelung eines absoluten Kündigungsschutzes zugunsten der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat legen das BAG und mit ihm ausdrücklich einige Autoren im Sinne eines "beredten", bewußten Schweigens aus und verneinen infolgedessen eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. 42 Hiergegen wenden sich die Befürworter einer analogen Anwendung der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG mit dem Argument, daß nicht genau festzustellen sei, was der Gesetzgeber meine, wenn er schweigt. 43 Peter44 hält die These des "bewußten Schweigens des Gesetzgebers" insbesondere deshalb für fragwürdig, weil dem Schweigen eine solche Bedeutung nur dann zukommen könne, wenn die Bundestagsabgeordneten bei der Beratung und Beschlußfassung von Gesetzesentwürfen bestimmte Streitfragen sowie die Gesetzesbegründungen genau kennten. Dies sei aber angesichts der Vielzahl der hauptsächlich durch die Exekutive eingebrachten Gesetzesentwürfe kaum denkbar. Zu letzterem stellt auch Larenz fest, daß ' deutliche Vorstellungen über Bedeutung und Reichweite einer einzelnen Bestimmung oder eines einzelnen Ausdruckes am ehesten bei den Verfassern des Gesetzestextes und den Mitgliedern der beratenden Kommissionen zu erwarten'seien.45 Sicherlich haben nicht sämtliche Bundestagsabgeordnete, aber doch jedenfalls die Mitglieder der im Gesetzgebungsverfahren tätigen Ausschüsse des Bundestages46 (§§ 54, 55, 62ff., 78ff. GeschO BT) grundsätzlich genaue Kenntnis über die Gesetzesmaterie und die rechtlichen Probleme. Stellvertretend für die Gesamtheit der Abgeordneten nehmen sie an Sachverständigen-
42 So BAG, Urt. v. 04. 04. 1974; BAG AP Nr. I zu § 626 BGB Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, (BI. 595); Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 16; Huecklv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15, Rn. 28; Reich!Lewerenz, AuR 1976, S. 353ff. (362); ähnliches andeutend auch Hanau/Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 14: 'aufgrund der Entstehungsgeschichte des MitbestG gilt § 15 KSchG nicht für die ARM der AN'; Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 16; ebenso, aber ohne Begründung: Dietz/Richardi, BetrVG, § I 03, Rn. 5 und § 76 BetrVG 1952, Rn. 177; Kraft in GK-BetrVG, § 103, Rn. 8 und§ 76 BetrVG 1952, Rn. 129; ähnlich auch Fitting!Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 103, Rn. 6; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 8; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm.l. 43 So Naendrup, AuR 1979, 16lff., 204ff., (204f.); Peter, BIStSozAR 1977, 257ff., (261f.). 44 Ebda., S. 261 f. 45 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 313 ff. 46 Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb., Rn. 64, 76, 78-80; hinsichlieh des BetrVG sowie des MitbestG der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowie mitberatend der Rechtsausschusses und der Wirtschaftsausschuß.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
anhörungen teil und beraten über den Inhalt der Gesetzesvorlagen. Der Abschlußbericht des federführenden Ausschusses an den Bundestag (§§ 63, 66 GeschO BT) hat wesentlichen Einfluß auf das Abstimmungsverhalten der übrigen Abgeordneten. Daher ist - praktisch stellvertretend für alle Abgeordneten - die Entscheidung der verantwortlichen Bundestagsausschüsse, eine bestimmte Regelung in den Gesetzestext aufzunehmen oder aber diesen Punkt nicht ausdrücklich zu regeln, bei dem Versuch der Erkundung des gesetzgebensehen Willens zumindest zu berücksichtigen.47 Gleichwohl ist das Unbehagen der Vertreter der zuvor geschilderten Ansichten, ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers zu akzeptieren, gut nachvollziehbar. Eine bloße Untätigkeit des Gesetzgebers als Willensbetätigung auszulegen, sie praktisch mit einer ausdrücklichen gesetzlichen (Negativ) Regelung gleichzusetzen, erscheint unter rechtsstaatliehen und rechtsdogmatischen Gesichtspunkten bedenklich. Dafür, daß ein bestimmter Sachverhalt gesetzlich nicht geregelt ist, sind viele Ursachen vorstellbar. Aus dem relevanten Gesetzeskontext sowie einem Vergleich zwischen dem ungeregelten Sachverhalt und dem gesetzlich erfaßten Tatbestand kann sich zum Beispiel eindeutig ergeben, daß der Gesetzgeber es für den fraglichen, ungeregelten Fall bei der Geltung der allgemeinen Vorschriften belassen wollte (hier: keine analoge Anwendung des speziellen Kündigungsschutzes auf die nicht ausdrücklich genannten Personengruppen, sondern Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes). Ob man dann von einem beredten Schweigen des Gesetzgebersvom Wortsinn her ein Widerspruch in sich- sprechen sollte, sei dahingestellt: Tatsache ist, daß zu einer bestimmten Fragestellung keine gesetzliche Regelung existiert und daß diesem Fakt allein keine weitergehende Bedeutung beizumessen ist. cc) "Regelungstechnisches Versehen" des Gesetzgebers? Genausowenig kann aber das Fehlen einer (gewünschten, für erforderlich gehaltenen) gesetzlichen Bestimmung ohne weiteres als "regelungstechnisches Versehen" des Gesetzgebers abgetan werden, das durch Gesetzesanalogie korrigiert werden muß. Bei der Neufassung des BetrVG ging es ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfes48 nur um eine zeitgemäße Gestaltung des BetriebsverfasSo allerdings auch Larenz, ebda., S. 315. Im Regierungsentwurf, BT-Drucks. Vl/1786, S. 31, heißt es dazu ausdrücklich: " ... da die Unternehmensverfassung aus rechtssystematischen Gründen nicht in das BetrVG paßt, enthält der Gesetzentwurfkeine Regelung der Mitbestimmung der AN in den Unternehmensorganen. Es ist vielmehr beabsichtigt, die §§ 76 und 77 des geltenden BetrVG als Restteil des BetrVG 1952 einstweilen unverändert weitergelten zu las47 48
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sungsrechts, nicht dagegen um die Neufassung der Regelungen für die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer. Bei dieser Gelegenheit wurden die Regelungen zur Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat gemäß §§ 76ff. BetrVG 1952 (lediglich) als fortgeltend festgeschrieben;- es wurde also nicht eimal eine eigenständige Regelung im neuen BetrVG getroffen. 49 Diese bewußte gesetzgebensehe Zurückhaltung erfolgte insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Schaffung des MitbestG50. In der 6. Legislaturperiode von 1969-1972 wurde das Betriebsverfassungsrecht durch die Schaffung des neuen BetrVG reformiert und das Gesetzgebungsverfahren zum Erlaß des BPersVG vorangetrieben, das schließlich am 01. 04. 1974 in Kraft trat. Für die 7. Legislaturperiode von 1972-1976 hatte die Bundesregierung bereits den Ausbau der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer angekündigt; dies vor dem Hintergrund einer bereits seit den 50er Jahren (MontanMitbestG 1951, MitbestErgO 1956, BetrVG 1952) geführten Mitbestimmungsdiskussion.51 Gegenstand der Beratungen im Gesetzgebungsverfahren zum MitbestG waren hauptsächlich Fragen zur Reichweite und Ausgestaltung des Arbeitnehmereinflusses im Unternehmen, insbesondere zur paritätischen Besetzung des Aufsichtsrates, zum Wahlverfahren der Arbeitnehmer und zum Einfluß der Gewerkschaften bei der Bestellung der Arbeitnehmervertreter, zu Letztentscheidungsbefugnissen der Hauptversammlung bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern, zu einem Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden und zur Einbeziehung der leitenden Angestellten. Letztlich ging es auch um die grundsätzliche verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer. 52 Fragen des Kündigungsschutzes für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wurden dagegen ausweislich der Protokolle und Erklärungen lediglich am Rande besprochen. 53 Weder im Bericht der Mitbestimmungskommission54, im Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein 'Mit-
sen.", sowie an anderer Stelle, S. 61: "Da der Entwurf die Frage der Beteiligung der Arbeitnehmer in den Unternehmensorganen nicht anspricht, werden die Vorschriften des geltenden Betriebsverfassungsgesetzes, die diesen Komplex regeln (§§ 76 bis 77a, 81, 85 und 87) insoweit aufrechterhalten." 49 Ebenso Hensche in AuR 1974, S. 383f. in seiner Anmerkung zum BGH-Urteil v. 04. 04. 1974, AP Nr. 1 zu§ 626 BGB AN-Vertreter im AR. 50 So Naendrup, ebda., S. 205. 51 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des MitbestG Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb., Rn. 62fT. und 44. 52 Ausführlich hierzu Raiser, MitbestG, Ein!., Rn. 24ff., insbesondere Rn. 33 - 36. 53 Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb., Rn. 62ff.; Raiser, MitbestG, Ein!., Rn. 33. 54 Bericht der Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung (Mitbestimmungskommission) vom Januar 1970, BTDrucks. VI/334.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
bestimmungsgesetz' 55 und der dazu abgegebenen Stellungnahme des Bundesrates56 noch in den Änderungsanträgen und Berichten des federführenden Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung57 war eine spezielle Kündigungsschutzregelung zugunsten der Aufsichtsrats-Arbeitnehmer enthalten. Die Schutzvorschrift des § 26 MitbestG wurde (als ursprünglicher § 23 a MitbestG) erst während der parlamentarischen Beratungen durch den Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung Anfang 1976 in das MitbestG eingefügt.ss Angesichts dieser recht späten Einfügung einer Schutzvorschrift könnte wiederum angeführt werden, daß infolge der zahlreich anstehenden offenen Regelungsprobleme der Kündigungsschutz möglicherweise zunächst vernachlässigt wurde, obwohl die Notwendigkeit einer solchen Regelung aus der vorangegangenen Neufassung des BetrVG bekannt war. Da aber das Gesetzgebungsverfahren zum MitbestG einschließlich der nötigen Vorbereitungsarbeiten bereits seit Anfang 196859 währte und die Bundesregierung ihr erklärtes Ziel, innerhalb der 7. Legislaturperiode (1972-1976) die Unternehmensmitbestimmung zu regeln, noch erreichen wollte, wurde - so könnte man es sich vorstellen - anstatt eines umfassenden Kündigungsschutzes lediglich ein allgemeines Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot wie in § 78 BetrVG eingefügt. Dies würde bedeuten, daß mit der Regelung des § 26 Mit55 BT-Drucks. 7/2172 v. 29. 04. 1974 mit dem Regierungsentwurf zum MitbestG, der Gesetzesbegründung, der Stellungnahme des Brates und der Gegenäußerung der Bregierung hierzu. 56 Ebda., vorherige Fn.: Bundesrat übte Kritik 1.) am Wahlverfahren der AN (Verletzung des Grundsatzes der Selbstbestimmung infolge Einschaltung von Wahlmännern bei der Wahl), 2.) an dem als unzulänglich und unausgewogen empfundenen Minderheitenschutz, 3.) am fehlenden Entscheidungsrecht der AN hinsichtlich der Bestellung außerbetrieblicher Vertreter fiir den AR, 4.) an der mangelhaften Durchsetzung einer echten Repräsentanz der leitenden Angestellten im AR, 5.) an der als unbrauchbar und nicht praktikabel eingeschätzten Regelung zur Auflösung von Pattsituationen und schließlich 6.) an der fehlenden Berücksichtigung der Auswirkungen des MitbestG auf das Gesellschafts-, Wirtschafts- und EU-Recht sowie die internationale Wirtschaft. 51 Änderungsantrag in BT-Drucks. 7/4787; Bericht vom März 1976 in BT-Drucks. 7/4845. 58 BT-Drucks. 7/4787, S. 19 sowie 7/4845, S. 15; in seinem Bericht vom 10. 03. 1976 (BT-Drucks. 7/4845, S. 15) billigte der Ausschuß fiir Arbeit und Sozialordnung auf Antrag der SPD und F.D.P. einstimmig die Regelung des § 23 a MitbestG Getzt § 26 MitbestG) in der Formulierung des Rechtsausschusses, der auch Anregungen des Wirtschaftsausschusses zugrunde lagen; vgl. i. ü. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 1 sowie Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 1. 59 Beginn mit der von der BRegierung gebildeten Sachverständigenkommision zur Prüfung der Mitbestimmungsfrage, deren Bericht Anfang 1970 vorlag, BT-Drucks. VU334; Stellungnahme der BRegierung in BT-Drucks. VU1551; Zusammenfassung bei Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, Vorb., Rn. 29 mit weiteren Literaturangaben zur Entstehung des MitbestG.
II. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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bestG keine Grundsatzentscheidung für oder gegen eine abschließende, nur relativen Kündigungsschutz gewährende Regelung getroffen werden sollte. Stellte die Regelung des § 26 MitbestG allerdings nur einen Notbehelf aufgrund der Zeitknappheit dar, wäre inzwischen genug Gelegenheit gewesen, dieses Provisorium durch eine klare eindeutige Kündigungsschutznorm abzulösen. Tatsache ist allerdings, daß der Gesetzgeber vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des MitbestG bis heute sowietrotzder damals (1976) neu angefachten und seitdem nicht beendeten Diskussion in der Fachliteratur über einen absoluten Kündigungsschutz für Arbeitnehmer im Aufsichtsrat keine Klarstellung vorgenommen hat. Darüber hinaus übernahm er sogar bei der Fassung des SprAuG wortlautgleich das Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot der §§ 78 BetrVG, 26 MitbestG. Hierbei mußte sich der Gesetzgeber zwangsläufig mit der Frage auseinandersetzen, welchen Schutz diese Normen bieten, und ob gleiche Regelungen für Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sowie Sprecherausschußmitglieder angemessen sind oder erstere nicht vielmehr einen stärkeren (Kündigungs-)Schutz verdienten. Ohne die rhetorische Figur eines beredten Schweigens des Gesetzgebers bemühen zu wollen, bleibt festzustellen, daß der Gesetzgeber in den letzten 20 Jahren seit Erlaß des MitbestG keinen Grund und keine Notwendigkeit gesehen hat, den Kündigungsschutz für die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat dem der Betriebsratsmitglieder nach §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG anzugleichen. In Anbetracht gerade der vorherigen Ausführungen kann jedenfalls von einem regelungstechnischen Versehen des Gesetzgebers bzw. einer planwidrigen Gesetzeslücke keine Rede sein.
b) Vergleich von Betriebsratsamt und Aufsichtsratsamt der Arbeitnehmer Zusätzlich fragt sich, inwieweit den Befürwortem einer analogen Anwendung der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG auf Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat in der These gefolgt werden kann, daß jene aus Gründen des Amtsschutzes und der Willkürverhinderung des gleichen Kündigungsschutzes wie die Betriebsratsmitglieder bedürften.
aa) Grundgedanken des§ 15 I KSchG Die Betriebsratsmitglieder unterliegen dem Gebot der vertrauensvollen und kooperativen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zum Wohle der Arbeitnehmer sowie des Betriebes, § 2 I BetrVG. Hierbei liegt die Betonung allerdings unstreitig auf den Belegschaftsinteressen; eine primäre Verpflichtung der Betriebsratsmitglieder auf das Wohl des Betriebes existiert nicht. Im Anwendungsbereich der echten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, vor al-
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4. Kap.: Kündigungsschutz
lern des § 87 BetrVG, kann der Arbeitgeber geplante Maßnahmen ohne die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrates bzw. eine für ihn positive Entscheidung der Einigungsstelle nicht wirksam durchfiihren. 60 Teilweise kommen dem Betriebsrat in diesen Angelegenheiten Initiativrechte zu, über deren Durchsetzung unter Umständen ebenfalls die Einigungsstelle verbindlich entscheidet. Zudem hat der Betriebsrat zahlreiche Möglichkeiten, bestimmte Maßnahmen des Arbeitgebers zu vereiteln bzw. zu verzögern oder Rechtsfolgen gegen den Willen des Arbeitgebers herbeizuführen (durch ein Verfahren nach§ 23 III BetrVG, durch die Verweigerung der Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen nach §' 99 BetrVG bzw. einen Antrag beim Arbeitsgericht nach § 101 BetrVG, durch den Widerspruch gegen eine ordentliche Kündigung nach § 102 III BetrVG mit der eventuellen Folge des Weiterbeschäftigungsanspruches des Arbeitnehmers nach § 102 V BetrVG, durch die Zustimmungsverweigerung bei der Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes nach§ 103 BetrVG oder auch im Zusammenhang mit dem erzwingbaren Sozialplan, §§ 112, 112 a BetrVG). Damit diese Instrumentarien entsprechend der Intention des Gesetzgebers wirksam genutzt werden können, müssen die Betriebsratsmitglieder in ihrer Amtsstellung ausreichend geschützt werden, also unabhängig und unbeeinflußbar sein. Ihren umfangreichen betriebsverfassungsrechtlichen Möglichkeiten steht deshalb ein starker Schutz gegen Beeinträchtigungs- und Einschüchterungsversuche des Arbeitgebers gemäß §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG bzw. § 78 BetrVG zur Seite. Eine ähnliche Interessenlage, wenn auch mit erweitertem Hintergrund, besteht für die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat Der Schutz dieser Amtsträger gegenüber Beeinflussungsmöglichkeiten des Vorstandes/Arbeitgebers ist nicht nur wegen der Möglichkeit individueller Konfrontationen zwischen Vorstandsmitgliedern und einzelnen Arbeitnehmervertretern erforderlich. Vielmehr bilden die Unabhängigkeit und Unbeeinflußbarkeit der Tätigkeit des Aufsichtsrates gegenüber der Geschäftsführung des Vorstandes einen elementaren Bestandteil des deutschen gewaltenteiligen Trennungsmodelles der Kapitalgesellschaften.61 Die hieraus resultierende Notwendigkeit, Einflußmöglichkeiten des Vorstandes auf die Aufsichtsratsmitglieder soweit wie möglich abzuschwächen, erlangt für die Arbeitnehmer des Unternehmens mit Aufsichtsratsmandat besondere Bedeutung. Sie haben - nach §§ 4 III Montan60 So die herrschende Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung; vgl. Fittihg/Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 87, Rn. 23ff. 61 "Gesetzgebende", d. h. grundsatzentscheidende Mitgliederversammlung; davon abgekoppelte, nichtmitgliedschaftliehe Verwaltungsorgane einmal der Geschäftsfiihrung, zum anderen der Kontrolle, Einsetzung und Abberufung der Geschäftsfiihrung; dazu Reich!Lewerenz, AuR 1976, S. 353fT. (355) sowie Bleicher, Der Aufsichtsrat im Wandel, S. 65f.: 'Gesetzgeber schien das Verhältnis zwischen Vorstand und AR als eine Art "checks and balances" gestalten zu wollen'.
ll. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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MitbestG, 5 IV MitbestErgO sogar aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung - prinzipiell die gleichen Amtsrechte und Amtsverpflichtungen wie alle anderen Aufsichtsratsmitglieder, insbesondere die Anteilseignervertreter. 62 Angesichts ihres parallelen Arbeitsverhältnisses zum Unternehmen, innerhalb dessen sie der Weisungs- und Sanktionsbefugnis des Arbeitgebers (in Person der Vorstandsmitglieder) sowie der Fremdbestimmung hinsichtlich der zu erbringenden Arbeitsleistung unterliegen, erscheint allerdings die bloße Proklamierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Aufsichtsratsmitglieder für die Erzielung und Gewährleistung einer unabhängigen und selbstbewußten Amtstätigkeit der Arbeitnehmervertreter als nicht ausreichend. Vielmehr bedürfen sie ähnlich wie die Betriebsratsmitglieder eines speziellen amtsbezogenen Schutzes gegen Willkürmaßnahmen des ArbeitgebersNorstandes im Arbeitsverhältnis.63 Daraus folgt aber nicht zwangsläufig eine analoge Anwendung des § 15 I KSchG auf die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. 64 Ein spezieller amtsbezogener Schutz existiert für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bereits in Form des Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbotes der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG. Die Zuerkennung eines darüber hinausgehenden Kündigungsschutzes für die AufsichtsratsArbeitnehmer nach dem Vorbild des § 15 I KSchG setzte deshalb voraus, daß ihrem Schutzbedürfnis gegenüber Willkürmaßnahmen des Arbeitgebers allein mit dem Verbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG nicht ausreichend nachgekommen wäre. Es müßte sich zum Zwecke des Amts- und Willkürschutzes als notwendig erweisen, daß jegliche ordentliche Kündigung, somit auch eine solche, die keinen Bezug zum Aufsichtsratsamt aufwiese (z. B. krankheitsbedingt oder infolge einer Rationalisierung), ausgeschlossen wäre und daß selbst außerordentliche Kündigungen nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgesprochen werden dürften. 65 62 Zum Gleichbehandlungsgrundsatz oben schon mehrfach, u. a. im Ersten Kapitel, II. 3. e); hier nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Vorb. § 95, Rn. 9; § 107, Rn. 5; § 113, Rn. 9; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. I I, 119; Lutter/Krieger,§ 7, 1., Rn.p9ff. 63 Darüber, daß die Grundgedanken des § 15 I KSchG in gleicher Weise fiir BRM wie ARM der AN gelten. herrscht weitgehend Einigkeit; so ausdrücklich z. B. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 16; Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 12; Kittner/Köstler/Zachert, S. 29lf., Rn. 654ff.; Hensche, Das MitbestGespr. 1971, S. 111ff. (1 14f.); angedeutet auch bei Kittner!frittin, Kündigungsschutzrecht, MitbestG, § 26, Rn. 7. Dies weiterfuhrend schlußfolgern eine analoge Anwendung des § 15 I KSchG Peter, BIStSozAR 1977, S. 257ff., (262-264); Naendrup, AuR 1979, S. 161ff., 204ff. (205-208); Hensche, AuR I 974, S. 383f., ähnlich auch Reich/Lewerenz, AuR 1976, s. 353ff., (362-365). 64 So ausdrücklich auch Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 16. 65 Offen wäre i. ü. die Frage, welche Stelle i. S. der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG zustimmungsberechtigt wäre: der BR jedenfalls nicht, in Betracht kämen allenfalls der 14 Jacldofsky
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4. Kap.: Kündigungsschutz
Erste Zweifel an der Erfüllung dieser Prämisse ergeben sich durch die vergleichende Betrachtung der Rechtsstellung der Sprecherausschußmitglieder. Die Sprecherausschußmitglieder vertreten die Belange der leitenden Angestellten des Betriebes insbesondere bei Fragen der Gehaltsgestaltung und sonstiger Arbeitsbedingungen, bei Einstellungen, Kündigungen oder sonstigen personellen Veränderungen sowie bei wirtschaftlichen Angelegenheiten. Wie die Betriebsratsmitglieder haben sie dabei das Wohl der leitenden Angestellten und des Betriebes zu beachten, § 2 I SprAuG. Gleichfalls wie bei den Mitgliedern des Betriebsrates sowie den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat erlischt die Mitgliedschaft im Sprecherausschuß gemäß § 9 II Nr. 3 SprAuG mit Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum Betrieb. Anders als bei den nichtleitenden Angestellten und Arbeitern weisen allerdings die Arbeitsverhältnisse leitender Angestellter unter dem Einfluß der besonderen Aufgabenstellung und des verringerten Kündigungsschutzes (§ 14 I, II KSchG) häufig eine wesentlich kürzere Dauer auf. Ihrer arbeitsrechtlichen Stellung nach sind sie eher der Arbeitgeberseite zuzurechnen; ihre Amtsstellung als Sprecherausschußmitglied verdeutlicht lediglich ihre "Noch-Arbeitnehmerstellung". Diese "Zwitterrolle" aus Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmerposition erfordert gleichfalls einen Schutz gegen Beeinflussungen des Arbeitgebers und einen gewissen Bestandsschutz für den Amtsträger; - allein, eine analoge Anwendung des § 15 I KSchG trotz Einschlägigkeit seines gesetzgebensehen Zweckes stand und steht für den Gesetzgeber sowie in der Rechtsprechung und Fachliteratur nicht zur Debatte. Dem Schutzbedürfnis der Sprecherausschußmitglieder wird allein durch das Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot des § 2 III SprAuG Rechnung getragen.66
bb) Bedeutung und Schutzbedürftigkeit der Ämter Die betriebsverfassungsrechtliche sowie die Aufsichtsrats-Mitbestimmung der Arbeitnehmer stellen sich übereinstimmend als Arbeitnehmerschutzrecht dar: In Gestalt der Beteiligungsrechte des Betriebsrates ist die Direktionsbefugnis des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern eingeschränkt und unter die Kontrolle und Eingriffsbefugnis des Betriebsrates gestellt; in Person
Gesamt-AR (fraglich erschiene die Befugnis der Anteilseignervertreter, über die Zustimmungserteilung mit zu entscheiden) oder die ARM der AN (alle oder nur die untemehmensangehörigen, ggfs. unter Ausschluß der leitenden Angestellten?); vgl. Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 16. 66 Ein Ausschluß ordentlicher Kündigungen nach dem Vorbild des § 15 I KSchG kam für die Sprecherausschußmitglieder wegen ihrer spezifischen arbeitsrechtlichen Situation von vomherein nicht in Betracht.
ll. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat finden die Belange der Belegschaft Beachtung und Eingang in die Geschäftsfiihrungspolitik des Unternehmens.67 Naendrup68 übernimmt diesen Gedankengang und führt ihn weiter aus: Das Aufsichtsratsamt habe eine mindestens gleiche, wenn nicht gar wegen seiner Ansiedelung auf Unternehmensebene höherrangige Bedeutung im Vergleich zum Betriebsratsamt In beiden Fällen führten ähnliche sozialethische Fundamentalgründe zu einer Einschränkung der Organisationsgewalt des Arbeitgebers. Außerdem bestehe für Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wie für Betriebsratsmitglieder mindestens das gleiche Konfliktpotential und folglich auch dieselbe individuelle Schutzbedürftigkeit Hinsichtlich beider Ämter sei zur Stärkung der Konfliktfähigkeit und -bereitschaft und zur Vermeidung von Ängsten bezüglich eines Arbeitsplatzverlustes infolge kritischer Amtstätigkeit dieselbe Arbeitsplatzsicherheit erforderlich.
Ein genauer Vergleich zwischen beiden Ämtern69 läßt aber- neben den unzweifelhaft vorhandenen Gemeinsamkeiten - auch wesentliche Unterschiede erkennen. (1) Die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat größerer Kapitalgesellschaften70 nach den einschlägigen Mitbestimmungsgesetzen ist ein zwingender Bestandteil der deutschen Unternehmensverfassung. Ihr kann sich der Arbeitgeber/das Unternehmen nur im Wege einer nicht mitbestimmungspflichtigen Gestaltung der Gesellschaft (Absenkung der Beschäftigtenzahl, Umwandlung der Gesellschaft in eine nicht der Mitbestimmung unterliegende Personengesellschaft71 ), im übrigen jedoch nicht entziehen. Der Aufsichtsrat wird allerdings nicht als Mitbestimmungsorgan der Arbeitnehmer von der Belegschaft vereinnahmt. Er ist und bleibt Organ der Gesellschaft. Seine Mitglieder sind mit gleichen Amtsrechten und -pflichten ausgestattet und unterliegen der primären Bindung an das Unternehmenswohl, unabhängig davon, ob sie aus der Arbeitnehmersphäre oder der Anteilseignersphäre stammen.
Dagegen stellt sich der Betriebsrat als ein spezielles Mitbestimmungsgremium der Belegschaft auf betrieblicher Ebene (gesamtbetrieblicher bzw. Kon-
67 Zur Ideengeschichte des MitbestG nur Raiser, MitbestG, Einl., Rn. 6ff.; Fitting!Kaiser!Heither/ Engels, BetrVG, § 1, Rn. 1. 68 Naendrup, ebda., AuR 1979, S. 161 ff., 204ff. (205f., 165). 69 Siehe auch die Erörterungen hierzu im Zweiten Kapitel, I. 1. a), aa) sowie I. 2. d), bb). 70 Siehe oben, Einleitung, II. 1. 71 Zu Strategien der Mitbestimmungsvermeidung und ihren Grenzen Jula, "Die Bildung besonderer Konzernorgane", S. 97ff.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
zeroebene beim Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat) dar, dem keine Organeigenschaft und keine selbständigen Kompetenzen zur Betriebs- bzw. Unternehmensverwaltung zukommen. 72 Die nach BetrVG vorgesehenen umfangreichen Rechte und Befugnisse des Betriebsrates dienen einzig der Wahrung der kollektiven Interessen der Belegschaft sowie ausgewählter individueller Interessen der Belegschaftsmitglieder (zum Beispiel §§ 102 III, 99 II BetrVG) gegenüber der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers. Besteht kein Betriebsrat im Betrieb, können die Beteiligungsrechte nach der Betriebsverfassung zugunsten der Beschäftigten nicht wahrgenommen werden, da sie zwingend an die Existenz eines Betriebsrates gebunden sind. Gleichwohl ist die Wahl eines Betriebsrates nicht zwingend gesetzlich vorgeschrieben73, sondern der Initiative der Belegschaftsangehörigen oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft (§ 17 BetrVG 1972) überlassen. Der Arbeitgeber könnte daher versucht sein, einen betriebsratslosen Zustand so lange wie möglich aufrechtzuerhalten bzw. wieder zu erreichen. Hieraus resultiert bereits in der Phase der Gründung sowie während der Existenz eines Betriebsrates ein höheres Konfliktpotential als im Rahmen der zwingenden Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. 74 (2) Die Amtstätigkeit von Betriebsratsmitgliedern und Arbeitnehmern im Aufsichtsrat unterscheidet sich auch hinsichtlich ihres Umfanges.
Das Aufsichtsratsamt ist ein Neben- bzw. allenfalls Teilzeitamt, dessen wesentliche Aufgaben (Kontrolle der Geschäftsfiihrung, Beschlußfassungen, Beratungen mit dem Vorstand) weitgehend in den durchschnittlich vierteljährlich stattfmdenden Aufsichtsratssitzungen erfüllt werden. 75 Hinzu kommt die Ausschußarbeit, die nicht in regelmäßigen Abständen, sondern problem- und situationsabhängig erfolgt. Dementsprechend haben die Aufsichtsratsmitglieder nicht kraft Gesetzes Anspruch auf Vergütung ihrer Aufsichtsratstätigkeit, sondern nur dann, wenn die Anteilseigner in der Satzung oder durch einen Hauptversammlungsbeschluß festgelegt haben, daß Aufsichtsratsvergütungen gezahlt werden. Die Aufsichtsratstätigkeit ist wie jede nebenberufliche Tätig72 Rechtsstellung als Synthese aus "Vertreter sui generis" ( so bei Hess/ Schlochauer/Giaubitz, BetrVG; vor § 1, Rn. 24), "Organ der Betriebsverfassung" sowie "Amtsträger"; Fitting/Kaiser/ Heither/Engels, BetrVG, § 1, Rn. 88-104; Thiele in GK-BetrVG, Einl., Rn. 66ff., (70) m. w. N. 73 Zwar grundsätzlich gern. § 1 BetrVG Verpflichtung zur Errichtung von BR; allerdings bleibt der Betrieb bei Passivität der Arbeitnehmer betriebsratslos; kein gerichtliches Notbestellungsverfahren wie beim AR; vgl. nur Fitting!Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 1, Rn. 248ff. 74 Wie hier für die unterschiedliche Stellung der BRM sowie ARM (Interessenwahrnehmung durch BRM gegenüber dem AG bzw. Intergration der AN-Vertreter in den AR) Konzen, ZfA 1985, S. 469ff. (482f.). 75 Siehe schon oben, Zweites Kapitel, I. am Anfang, sowie Anhang!.
II. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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keit grundsätzlich außerhalb der regulären Arbeitszeit vorzunehmen. Unternehmensangehörige Arbeitnehmervertreter erfüllen durch die Aufsichtsratstätigkeit auch nicht ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung.76 Nur im Kollisionsfall, wenn sich eine Erbringung der Arbeitsleistung und die Erfüllung der Aufsichtsratsaufgaben in zeitlicher Hinsicht nicht miteinander vereinbaren lassen, kommt der Aufsichtsratstätigkeit Vorrangstellung gegenüber den Arbeitspflichten zu: Zum Zwecke der Ausübung erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit während der Arbeitszeit entfällt die Pflicht zur Arbeitsleistung; ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Lohnzahlung für diese Zeit besteht allerdings auch nicht. 77 Ausfallzeiten infolge erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit sind in aller Regel längerfristig vorhersehbar und damit einkalkulierbar (Hauptversammlungs-, Aufsichtsrats- und Ausschußsitzungen). Sie sind von relativ kurzer Dauer und stören das Arbeitsverhältnis im Regelfall nur unwesentlich. Die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied nimmt im Vergleich dazu wesentlich mehr Raum ein. Die Aufgaben nach dem BetrVG können nicht allein in regelmäßigen vierteljährlichen Sitzungen des Betriebsrates erfüllt werden, da sie viel differenzierter, eilbedürftiger und individueller sind. Häufig muß der Betriebsrat zu geplanten Maßnahmen des Arbeitgebers kurzfristig bedeutsame Entscheidungen treffen, wie etwa über seine Zustimmung zu sozialen Maßnahmen im Bereich § 87 BetrVG oder über die Zustimmung bzw. Zustimmungsverweigerung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § § 99 II, 102 I, III, V BetrVG. Teilweise erfordert es der Umfang der Betriebsratsaufgaben in großen Betrieben, daß Betriebsratsmitglieder völlig oder sehr weitgehend von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt werden, §§ 37 II, 38 BetrVG. Von einem bloßen Nebenamt kann hier keine Rede sein. Die Betriebsratstätigkeit ist vielmehr in Bedeutung und Umfang der Erfüllung der arbeitsvertragliehen Pflicht gleichzusetzen.78 (3) Konflikte zwischen Vorstandsmitgliedern und Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat sind dergestalt vorstellbar: Vorstandsmitglieder könnten sich durch das berechtigte Vorbringen der Belegschaftsinteressen durch die Aufsichtsrats-Arbeitnehmer in ihrem Profitmaximierungsstreben eingeschränkt fühlen; Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer überschätzen in ihrem Bestreben, die Belange der Beschäftigten durchzusetzen, möglicherweise die wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens. Vor76 Dazu ausfuhrlieh oben, Zweites Kapitel, I. 1. a); vgl. hier nur Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6. n So die oben vertretene Ansicht der Verfass., siehe Zweites Kapitel, I. I. a) sowie I. 2. 78 So ausdrücklich auch Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 37, Rn. 12; Dietz/Richardi, BetrVG, § 37, Rn. 11 sowie Wiese in GK-BetrVG, § 37, Rn. 8 und 14.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
Standsmitglieder sind auch von den Stimmen der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat hinsichtlich ihrer (Wieder-)Bestellung abhängig; Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat unterliegen in ihrem parallelen Arbeitsverhältnis der Weisungsbefugnis der Vorstandsmitglieder in deren Arbeitgeberfunktion. Dennoch stehen die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat dem Arbeitgeber(= Vorstand) nicht isoliert als bloße Belegschaftsrepräsentanten gegenüber, sondern als integrierte Mitglieder des Gesellschaftsorganes Aufsichtsrat. Wesentlich wirkt sich auf den Umfang des möglichen Konfliktpotentiales zwischen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern auch die Tatsache aus, daß die Aufsichts- und Einflußmöglichkeiten des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand eng begrenzt sind. Die Ersetzung der Geschäftsführung des Vorstandes durch eine des Gesamt-Aufsichtsrates ist nicht zulässig, geschweige denn kann der Fall eintreten, daß der Vorstand bestimmte, allein von der Arbeitnehmerbank geforderte Maßnahmen gegen den eigenen sowie den erklärten Willen sämtlicher Anteilseigner durchführen muß.79 Anders dagegen die Beteiligungsrechte des Betriebsrates: Wie oben schon erwähnt, kann der Arbeitgeber Maßnahmen im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung nicht gegen den Willen des Betriebsrates bzw. gegen eine anderslautende Entscheidung der Einigungsstelle oder des Arbeitsgerichtes durchführen. 80 Übt der Betriebsrat sein Initiativrecht aus, welches ihm in einigen Angelegenheiten zusteht, muß nach Beteiligung der Einigungsstelle der Arbeitgeber gegebenenfalls sogar gegen seinen Willen die vom Betriebsrat vorgeschlagenen Maßnahmen durchführen. 81 Im Bereich der übrigen Mitwirkungsrechte stehen dem Betriebsrat jedenfalls die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung oder die Anstrengung eines Verfahrens gegen den Arbeitgeber nach § 23 III BetrVG zur Verfügung. Da sich die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte auf alle wichtigen betrieblichen Bereiche erstrecken, ist der Arbeitgeber praktisch zu einer ständigen, engen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat sowie zur Kompromißbereitschaft angehalten. Bei der Ausübung der Rechte nach BetrVG haben die Betriebsratsmitglieder die exponierte und alleinige Stellung des Interessenvertreters der Belegschaft inne. Das Gebot zur vertrauensvollen und kooperativen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber sowie die Pflicht zur Beachtung auch des Wohles des Betriebes, §§ 2 I, 74 I BetrVG, haben nicht eine Beschränkung der betriebsrätlichen Einfluß-
Vgl. Einleitung, II. 3. Im wichtigsten Bereich der sozialen Angelegenheiten, § 87 II BetrVG; außerdem bei§§ 91 S. 1, 2, 94 I, 95 II, 98 I, III, IV, 99 IV, 99 i. V. m. 101, 102 V, 103, 104, 112 IV BetrVG; vgl. nur Fitting!Kaiser!Heither!Engels, BetrVG, § 1, Rn. 210. 81 Im Bereich der §§ 87, 91, 98, 102 Illff., 104, 112 IV BetrVG; so Fitting!Kaiser!Heither/Engels, BetrVG, ebda. sowie bei§ 87, Rn. 553ff. 79
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II. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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möglichkeiten zum Ziel, sondern sollen lediglich dabei helfen, ein produktives Verhältnis zwischen den Betriebspartnern aufzubauen. Das unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer ist zwar gleichfalls Repräsentant der Belegschaftsinteressen, allerdings auch und zuallererst Mitglied des Aufsichtsrates. Der Aufsichtsrat steht dem Vorstand nicht als natürliches Gegengewicht im Sinne des Verhältnisses von Arbeit und Kapital gegenüber.82 Beide Organe verwalten das Unternehmen vielmehr gemeinsam in gewaltenteiliger, arbeitsteiliger Form. Aufgrund der vorrangigen Verpflichtung aller Aufsichtsratsmitglieder auf das Unternehmenswohl erscheinen auch Aufsichtsratsentscheidungen, die Arbeitnehmerinteressen stärker berücksichtigen, nicht primär als Element der Arbeitnehmermitbestimmung. Entscheidungen des Gesamt-Aufsichtsrates stellen immer auch eine Synthese der verschiedenen Interessen im Unternehmen dar. Insgesamt erscheint es daher gerechtfertigt, folgende These aufzustellen: Die Bereitschaft des Vorstandes, Aufsichtsratsentscheidungen zu akzeptieren, ist regelmäßig höher als seine Kompromißbereitschaft gegenüber dem Betriebsrat und dessen Entscheidungen. Insoweit ist das Konfliktpotential, das sich aus den arbeitgebertypischen Befugnissen der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aufsichtsrats-Arbeitnehmern ergibt, nicht mit demjenigen gleichzusetzen, das aus der Betriebsratstätigkeit eines Arbeitnehmers resultiert.83
c) Formalisiertes Abberufungsverfahren Naendrul 4 führt für eine analoge Anwendung der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG auch an, daß andernfalls die dem Vorstand zustehende Möglichkeit der Beendigung des Aufsichtsratsamtes durch Kündigung nicht mit den sonstigen gesetzlich vorgesehenen, formalisierten Beendigungsverfahren vereinbar sei. 85
82 Ähnlich auch Bleicher, Der Aufsichtsrat im Wandel, S. 65, der feststellt, daß das Verhältnis von AR und Vorstand grundsätzlich kollegial angelegt und der Vorstandsvorsitzende fiir Aufsichtsräte ein gesuchter Kontakt- und Geschäftspartner sei. 83 Ähnlich Konzen in ZfA 1985, S. 469ff. (482f.): 'BR nimmt die Interessen der Belegschaft gegenüber dem AG wahr; der Gemeinschaftsgedanke trägt weder beim Arbeitsverhältnis noch im Betriebsverfassungsrecht Diesbezüglich besteht ein Unterschied zur Integration der AN-Verreter im AR bei mitbestimmten Kapitalgesellschaften und zur Haftungsfolge aus §§ 93, 116 AktG.' 84 In AuR 1979, S. 161ff., 204ff. (205f.). 85 Dazu oben schon ausführlich, siehe I. am Anfang sowie Einleitung, II. 2.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
Diesen Bedenken steht allerdings mit der Regelung der §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Kopplung des Aufsichtsratsamtes an die Arbeitnehmereigenschaft entgegen, die allein dadurch berechtigt ist, daß zumindest in Person der zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer die Belange der Belegschaft Eingang in den Aufsichtsrat finden. 86 Insbesondere die Regelung des § 24 I MitbestG wurde (als ursprünglicher § 21 a I MitbestG) erst kurz vor Ende des Gesetzgebungsverfahrens zum MitbestG in den Gesetzesentwurf eingefügt, und zwar im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Schaffung der Schutzvorschrift des § 26 MitbestG (ursprünglich § 23 a MitbestG, siehe oben87). 88 Daß hierbei die Möglichkeit des Erlöschens des Aufsichtsratsamtes eines Arbeitnehmers infolge Kündigung übersehen wurde, ist an sich schon unwahrscheinlich und angesichts der bis heute unveränderten Existenz beider Normen auch nicht mehr haltbar. Vielmehr deutet der entstehungsgeschichtliche Zusammenhang zwischen § 24 I MitbestG und § 26 MitbestG darauf hin, daß die Kündigungsbefugnis des Arbeitgebers über den ausdrücklichen Wortlaut des § 26 MitbestG hinaus nicht eingeschränkt werden sollte. 89 d) Personalunion von Aufsichtsrats- und Betriebsratsamt Konsequenz der Ablehnung einer analogen Anwendung der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG auf die Arbeitnehmer mit Aufsichtsrat ist, daß manche unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer lediglich über§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG geschützt sind, während anderen, die zusätzlich das Amt eines Betriebsratsmitgliedes innehaben, der Schutz der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG auch hinsichtlich der Beendigungsmöglichkeit nach §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgO zugute kommt. Dies ist jedoch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich aller Aufsichtsratsmitglieder (der Arbeitnehmer) oder gegen das Begünstigungsverbot nach§ 78 BetrVG: Der Grund für den erhöhten Kündigungsschutz liegt nicht in der Siehe oben, I. am Anfang. Zuvor unter a). 88 Der damalige federführende BT-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung beschloß im Januar 1976 auf Antrag der SPD und F.D.P. die Vorschrift des § 21 a I MitbestG (jetzt§ 24 I MitbestG); Schriftlicher Bericht in BT-Drucks. 7/4845, S. 14, bezogen auf BT-Drucks. 7/4787, S. 17. 89 Im übrigen stellte es hier eine Zirkelschluß-Argumentation dar, zunächst festzustellen, daß das Aufsichtsratsamt bedenklicherweise infolge einer arbeitgeberseitigen Kündigung enden kann, und danach die analoge Anwendung des § 15 I KSchG auf die ARM der AN, d. h. die Unzulässigkeit von ordentlichen Kündigungen, damit zu begründen, daß diese Beendigungsmöglichkeit durch AG-Kündigung nicht in das Abberufungssystem für ARM paßt. 86 87
Il. Kündigungsschutz nach dem Vorbild der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG
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Aufsichtsratstätigkeit, sondern allein in der parallelen Betriebsratstätigkeit
An dieser Stelle wäre höchstens zu fragen, ob eine solche Personalunion überhaupt zulässig ist. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, daß Ämterhäufungen
bei bestimmten Arbeitnehmern nicht nur oft vorkommen. 90 Sie werden von Unternehmensseite auch weitgehend begrüßt, da sich aufgrund der mehrseitigen Amtstätigkeit im Unternehmen bzw. Betrieb das wirtschaftliche Verständnis der Arbeitnehmervertreter und ihre Fähigkeit zur objektiven Beurteilung dessen, was dem gesamten Unternehmen nützt, weiter ausbilden. Kennen sich ArbeitgeberNorstandsmitglieder und Aufsichtsrats-Arbeitnehmer bereits aus der organschaftliehen Sphäre, so kann sich dies förderlich auf die Zusammenarbeit im Rahmen der Betriebsverfassung auswirken. Die Notwendigkeit, daß der Arbeitgeber die Rolle der Betriebsratsmitglieder und deren Arbeit für die Belegschaft grundsätzlich akzeptiert, kann wiederum das Auftreten der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer positiv beeinflußen. Die Tatsache möglicher- und praktisch häufiger- Personalunionen zwischen Aufsichtsrats- und Betriebsratsämtern kann daher für die Frage der Reichweite eines Kündigungsschutzes für die Aufsichtsrats-Arbeitnehmer nichts beisteuern. e) Sonstige weitgehende Angleichung der Rechtsstellung von Betriebsratsmitgliedern und Arbeitnehmern im Aufsichtsrat?
Schließlich wird eine Geltung des Kündigungsschutzes der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG auch für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mit einer Art Gesamtanalogie begründet: Die Rechtsstellung der Arbeitnehmervertreter sei bzw. werde in vielerlei Hinsicht der gesetzlich präziser ausgeformten Position der Betriebsratsmitglieder angeglichen; daher sei es nur folgerichtig, auch den existenziell wichtigen Kündigungsschutz beider Amtsträgergruppen gleich zu gestalten. 91 Eine Tendenz zur weitgehenden Angleichung der Rechtsstellungen von Betriebsrats- bzw. Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer kann allerdings weder der Gesetzgebung oder Rechtsprechung entnommen werden, noch tritt die Fachliteratur mehrheitlich dafür ein, beide Amtsträgergruppen hinsichtlich 90 Rancke, Betriebsverfassung und Unternehmenswirklichkeit, S. 146: 'Der Vorsitzende des BR (des größten Betriebes) ist in 61% aller Unternehmen zugleich Mitglied des jeweiligen AR; außerdem in 68% der Unternehmen auch Vorsitzender des GesamtSR (soweit vorhanden) sowie in 52% der Unternehmen ebenfalls Vorsitzender des Konzern-SR. 91 So Naendrup, AuR 1979, S. 161ff., 204ff. (206).
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4. Kap.: Kündigungsschutz
ihrer Rechtsstellungen gleich zu behandeln.92 Auch die Ergebnisse dieser Untersuchung im voranstehenden Zweiten und Dritten Kapitel können die These einer zunehmenden Angleichung der Rechtsstellungen beider Amtsträgergruppen nicht bestätigen: Aufsichtsratsmitglieder haben im Unterschied zu den Betriebsratsmitgliedern keinen Anspruch auf Lohnzahlung für die Zeit der Freistellung zum Zwecke erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit.93 Sie haben (unbestritten) keinen Anspruch auf bezahlten Ausgleich für Aufsichtsratstätigkeit in ihrer Freizeit94 sowie (nach fast einhelliger Meinung) keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung für den Besuch von Schulungsveranstaltungen auf Kosten des Arbeitgebers.95 Auch das Recht der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, an Streiks im Unternehmen teilzunehmen, beurteilt sich nach anderen Kriterien (Umfang der Treuepflicht; Erhaltung der Arbeits- und Konsensfähigkeit des Aufsichtsrates; Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich der durch die Amtstätigkeit erlangten unternehmensinternen Kenntnisse), als dies für die Betriebsratsmitglieder zu entscheiden ist. Daneben läßt auch die unterschiedliche Charakteristik beider Amtsstellungen eine weitergehende Angleichung nicht zu: Das Betriebsratsamt ist ein unentgeltliches Ehrenamt, das seinem Umfang nach einer Vollzeitbeschäftigung gleichkommen kann. Vorschriften über die Verantwortlichkeit oder sogar Haftung von Betriebsratsmitgliedern wegen Amtspflichtverletzungen existieren abgesehen von der Möglichkeit vorzeitiger Amtsenthebung nach § 23 I BetrVG - nicht. Dagegen ist das Aufsichtsratsamt ein in der Regel vergütetes, damit praktisch zweitberufliches Nebenamt von relativ geringem zeitlichem Umfang, in welchem die Arbeitnehmervertreter dem Verantwortlichkeits- und Haftungsmaßstab nach §§ 116, 93 AktG sowie bestimmten Rechtsfolgen und Sanktionen für Amtspflichtverletzungen wie Amtsenthebung oder Schadensersatzforderungen unterliegen. f) Zusammenfassung Zusammenfassend ist eine analoge Anwendung der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG auf unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer abzulehnen, da weder eine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich eines Kündigungsschutzes für die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat auszuma92 Dazu sei auf die obigen Ausführungen und Literaturangaben vor allem im Zweiten Kapitel sowie im Dritten Kapitel verwiesen. 93 Vgl. nur die Ausführungen im Zweiten Kapitel, I. 2. und 3. 94 Zweites Kapitel, II. 95 Zweites Kapitel, III., insbesondere die Zusammenfassung unter III. 4.
III. Amtsspezifischer Kündigungsschutz nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG
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eben ist. Noch sind die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer insoweit den Betriebsratsmitgliedern vergleichbar, daß sie eines genauso starken Kündigungsschutzes wie diese bedürften. Die Schutzvorschriften für Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG sind als abschließend anzusehen. 96
111. Amtsspezifischer Kündigungsschutz nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG 1. Grundlagen eines relativen, amtsbezogenen Kündigungsschutzes nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG
a) Persönlicher Geltungsbereich der§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG Das Störungs- und Behinderungsverbot der §§ 26 S. 1 MitbestG, 78 S. 1 BetrVG gilt für alle nach MitbestG bzw. §§ 76ff. BetrVG 1952 gewählten Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer; es schützt sie gegenüber jedermann und vor jeglicher Behinderung oder Störung ihrer rechtmäßigen Aufsichtsratstätigkeit, sei es in Form positiven Tuns oder auch eines Unterlassens (zum Beispiel, wenn Arbeitnehmervertretern die Teilnahme an Sitzungen der Hauptversammlung bzw. des Aufsichtsrates verwehrt oder die Mitarbeit in Aufsichtsratsausschüssen prinzipiell verweigert wird; wenn Informationen oder Unterlagen in Angelegenheiten der §§ 90 I, 170 I AktG durch den Vor96 Ebenso: BAG, Urt. v. 04. 04. 1974, BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (Ablehnung einer analogen Anwendung des § 15 I KSchG jedenfalls für ARM nach §§ 76ff. BetrVG 1952); Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 8f.; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 13f.; Fitting/Wlotzke/Wißmann, § 26, Rn. 16f.; Fitting!Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 178; Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 16; Sowka, KSchG, § 15, Rn. 9; Huecklv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15, Rn. 27a, 28; Dietz!R.ichardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 177; Richardi, BetrVG, § 78, Rn. 21, § 103, Rn. 13; Kraft in GKBetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 129 sowie§ 103, Rn. 8f.; Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band, § 124, II. 7. (S. 619); Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 1112, § 73, V. 1. (S. 1520f.) (für§ 13 KSchG a. F.); Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 8; Baumbach/Hueck, AktG, Anh. nach § 96, Rn. 36; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm. 1; Wißmann in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 370, V. 4., Rn. 25;- fiir analoge Anwendung der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG: Kittner/Köstler/Zachert, S. 291 f., Rn. 654ff.; Kittnerrfrittin, Kündigungsschutzrecht, § 26 MitbestG, Rn. 7ff.; Naendrup, AuR 1979, S. 161ff., 204ff. (204ff.); Peter, BlStSozAR 1977, S. 257ff. (261fT.); Reich/Lewerenz, AuR 1976, S. 353fT. (362fT.); Hensche, Das MitbestGespr. 1971, S. 111fT. (114fT.); Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235fT. (237f.); Wächter, DB 1954, S. 822f.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
stand zurückgehalten werden oder wenn die Belegschaft den Arbeitnehmervertreter verpflichtet, in bestimmter Weise in einer anstehenden Beschlußfassung abzustimmen). 97 Darüber hinaus sind nach § 26 S. 2, 3 MitbestG speziell die untemehmensangehörigen98 Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gegen Benachteiligungen wegen ihrer Aufsichtsratstätigkeit geschützt. Hauptsächlich für das Arbeitsverhältnis und den Arbeitgeber bedeutsam, ist dieses Benachteiligungsverbot seinem Wortlaut nach allerdings nicht nur auf Benachteiligungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses beschränkt, sondern gilt für alle Fälle der unbegründeten Schlechterstellung der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat, wie etwa bei der Nichtberücksichtigung der Aufsichtsrats-Arbeitnehmer bei der Wahl von Betriebsratsmitgliedern.99 § 76 II S. 5 BetrVG 1952 verweist hinsichtlich des Schutzes der Vertreter der Arbeitnehmer auf§ 78 BetrVG (ehemals § 53 BetrVG 1952). Eine Eingrenzung des speziellen Amtsschutzes auf unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wurde weder in § 76 II S. 5 BetrVG 1952 vorgenommen, noch ist eine solche der Schutzvorschrift des § 78 BetrVG zu entnehmen (§ 78 BetrVG selbst spricht die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht an). Die Regelung, daß das Benachteiligungsverbot in § 78 S. 2, 2. Halbsatz BetrVG ausdrücklich auch für die berufliche Entwicklung der unter § 78 BetrVG fallenden Personengruppen gilt, verdeutlicht lediglich die besondere Relevanz eines Schutzes der betriebs- bzw. unternehmensangehörigen Amtsträger vor Benachteiligungen im Arbeitsverhältnis; die meist externen Mitglieder der Einigungsstelle zum Beispiel werden kaum der Gefahr einer Benachteiligung wegen ihrer Einigungsstellentätigkeit ausgesetzt sein. Folglich fallen im Geltungsbereich der §§ 76ff. BetrVG 1952 grundsätzlich alle Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer unter den Schutz des speziellen gesetzlichen Benachteiligungsverbotes nach § 78 S. 2 BetrVG. Adressat dieses Verbotes können wie bei § 26 S. 2, 3 MitbestG neben dem Arbeitgeber jeder andere Betriebszugehörige bzw. auch Außenstehende sein (Anteilseigner, Gewerkschaftsmitglieder, Gläubiger des Unternehmens usw.) 100 97 Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 2-5; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 2, 4, 5. 98 § 26 S. 2 MitbestG: Diejenigen ARM der AN, die AN des Unternehmens sind, in dessen AR sie sitzen oder als dessen AN sie nach §§ 4, 5 MitbestG gelten. 99 Ebenso Raiser, MitbestG, § 26, Rn. II; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 12; Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 19; Kittner/Trittin, Kündigungsschutzrecht, MitbestG, § 26, Rn. 3; anders nur Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 12: Adressat sei allein der AG. 100 Im Ergebnis wohl auch Fitting!Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 178; Dietz/ Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 176; Kraft in GKBetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 128; (gesprochen wird nur von den 'AN-Vertretern'
III. Amtsspezifischer Kündigungsschutz nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG
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Demgegenüber existiert im mitbestimmungspflichtigen Montanbereich keine derartige ausdrückliche Schutzvorschrift zugunsten der (unternehmensangehörigen) Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. Zweifellos und nirgends bestritten sind allerdings auch Störungen, Behinderungen oder Benachteiligungen der Arbeitnehmervertreter nach Montan-MitbestG sowie MitbestErgO bei bzw. wegen ihrer Aufsichtsratstätigkeit unzulässig. Dies resultiert zum einen aus der Stellung des Aufsichtsrates in der Gesellschaft als einem nur dem Unternehmenswohl verpflichteten, ansonsten unabhängigen Kontrollorgan gegenüber der Geschäftsführung 101 , zum anderen aus den Grundsätzen der weisungsfreien und eigenverantwortlichen Tätigkeit 102 sowie der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung aller Aufsichtsratsmitglieder. 103 Neben diesem allgemeinen Schutz, der vorrangig dem Aufsichtsratsamt selbst gilt, sind die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat in den Montanunternehmen in ihrer persönlichen Stellung nicht weniger schutzbedürftig oder -würdig als die Arbeitnehmervertreter nach MitbestG bzw. §§ 76ff. BetrVG 1952. Sie unterliegen im parallelen Arbeitsverhältnis ebenso der Weisungs- und Sanktionsbefugnis des Arbeitgebers (Vorstand). 104 Auch ihr Aufsichtsratsamt erlischt, wenn sie ihre Unternehmens- bzw. KonzernunternehmensZugehörigkeit verlieren. 105 Der in §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ausformulierte Amtsschutz gilt daher für sie genauso, - diese Schutznormen sind direkt/analog für alle Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer anwendbar. Für letzteres spricht außerdem, daß das MitbestG bzw. die §§ 76ff. BetrVG 1952, 78 BetrVG gegenüber dem Montan-MitbestG sowie MitbestErgO gewissermaßen eine Art "Auffang-Tatbestand" für die Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat darstellen: Das MitbestG ist gemäß § 1 II MitbestG nicht anzuwenden auf Unternehmen, in denen sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach Montan-MitbestG bzw. als Oberbegriff fiir alle ARM der AN, nicht lediglich die besonderen des § 76 II S. 2, 3 BetrVG 1952); Kreutz in GK-BetrVG, § 78, Rn. 41f.: hinsichtlich der BRM als Benachteiligungen vornehmlich (aber eben nicht ausschließlich) Handlungen des AG, vor allem (aber nicht nur) Kündigungen. 101 Vgl. z. B. Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 29 (insb. 1., Rn. 1 - 17; II. Rn. 22- 41 ). 102 Vgl. Lutter/Krieger,§ 7, 1., Rn. 280; Hoffmann-Becking; Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, Il. 1., 2., Rn. 3 - 8; Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 95, Rn. 9 und 15, § 111, Rn. 90, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. 5. 103 Zum Gleichbehandlungsgrundsatz siehe die Nachweise oben, Einleitung, II. 3. e); hier nur Potthoffrfrescher, Das AR-Mitglied, 5. Kapitel, III. 2. (S. 76f.) ausdrücklich hinsichtlich Benachteiligungen. 104 So schon oben, Zweites Kapitel, I. 1. a), cc). 105 Gemäߧ 10 n MitbestErgO bzw. gemäß analoger Anwendung der§§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgO auf die nach Montan-MitbestG gewählten Arbeitnehmer; vgl. oben, I. 1. und 2.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
MitbestErgG richtet. Die §§ 76ff. BetrVG 1952 gelten gemäß § 85 II BetrVG 1952 nicht in solchen Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich des Montan-MitbestG sowie MitbestErgG fallen (außerdem des MitbestG, § 1 III MitbestG). MitbestG und§§ 76ff. BetrVG 1952 treten gegenüber den spezielleren und weitreichenderen (weil paritätischen) Arbeitnehmermitbestimmungsgesetzen des Montanbereiches zurück. Dem würde es geradezu widersprechen, wenn der Amts- und der persönliche Schutz für die Arbeitnehmervertreter des Montanbereiches im Vergleich zu MitbestG und§§ 76ff. BetrVG 1952 geringer wäre. Also gilt das Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG für alle unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. 106
b) Umrisse des amtsbezogenen Kündigungsschutzes nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG Als Verstoß gegen das Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot der§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG sind unstreitig zunächst solche Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat anzusehen, die der ArbeitgeberNorstand ohne Angabe weiterer Gründe allein wegen deren Aufsichtsratsmitgliedschaft ausspricht. 107
106 Über dieses Ergebnis besteht stillschweigend Einigkeit, ohne daß danach differenziert wird, nach welchen Vorschriften jeweils die einzelnen ARM derAN-vor allem im Bereich des Montan-MitbestG sowie MitbestErgO - geschützt sind. Die Kommentarliteratur zu§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG bzw. §§ 76ff. BetrVG 1952 äußert sich hierzu gar nicht (da nur Kommentierung dieser Schutznormen), bei allgemeinen Darstellungen zum Kündigungsschutz fiir ARM der AN kann die Annahme einer analogen Anwendung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG auf alle ARM der AN teilweise erahnt werden, so z. B. bei Mertens in Kötner Komm. zum AktG, I. Auflage, Anh. § 96, Rn. 85; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm. I; Baumbach!Hueck, AktG, § 96, Rn. 36; bei Kittner/Köstler/Zachert, S. 29lf., Rn. 654ff. sowie Kittnerffrittin, Kündigungsschutzrecht, MitbestG, § 26, Rn. I; Sowka, KSchG, § 15, Rn. 9; v. HoyningenHuene, KSchG, § 15, Rn. 28; Nikisch, Arbeitsrecht, III. Band, § 124, II. 7. (S. 619); Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 1112, § 73, V. I. (S. 1520f.). Als einzige äußern sich hierzu Reich/Lewerenz , AuR 1976, S. 353ff. (365) ausdrücklich zur analogen Anwendung von Schutzvorschriften ffir die AN-Vertreter aller Mitbestimmungsmodelle sowie Hensche, Das MitbestGespr. 1971, S. 111ff. (114) ffir die Anwendung des § 53 BetrVG 1952 (jetzt § 78 BetrVG) auf alle ARM der AN, auch derjenigen im Geltungsbereich des Montan-MitbestG sowie MitbestErgG, weil bzw. obwohl dort keine ausdrückliche Schutzvorschrift vorhanden ist. Beide befürworten i. ü. die analoge Anwendung des § 15 I KSchG auf die ARM der AN. 107 So ganz unbestritten, vgl. z. B Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 17; Mertens in Kötner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 8; Hanaul Ulmer, § 26, Rn. 13; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 8; Kittner/Köstler/Zachert, S. 289f.,
III. Amtsspezifischer Kündigungsschutz nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG
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Darüber hinaus können auch Kündigungen, die als Reaktion auf tatsächliche Pflichtwidrigkeiten erklärt werden, nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG als unzulässig anzusehen sein, wenn sie in Ansehung ihrer Begründung zu einer unberechtigten Schlechterstellung von Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat gegenüber anderen vergleichbaren Personen (Anteilseignervertreter, externe Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, andere Beschäftigte des Unternehmens) wegen ihrer Amtstätigkeit führen. Klärungsbedürftig ist daher, inwieweit Aufsichtsrats-Arbeitnehmern aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens gekündigt werden darf, das sich ausschließlich auf die Amtssphäre beschränkt oder wenigstens im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit steht. Diesbezüglich könnten die Schutzvorschriften der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG die Bedeutung eines unmittelbaren und speziellen Kündigungsschutzes erlangen, durch den bestimmte Kündigungsgründe von vomherein wegen §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ausgeschlossen sind, ohne daß es auf zusätzliche Erwägungen zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG ankommt. Im übrigen ergeben sich möglicherweise aus dem Störungs-, Behinderungsund Benachteiligungsverbot auch Folgerungen fiir den allgemeinen Kündigungsschutz nach KSchG.
2. Kündigungen wegen reiner Amtspflichtverletzungen Als erstes stellt sich die Frage, inwieweit der ArbeitgeberN orstand in Anbetracht des Störungs-, Behindungs- und Benachteiligungsverbotes gemäß §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG einem Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat wegen einer reinen Amtspjlichtverletzung, das heißt einer Pflichtverletzung, die sich ausschließlich im Verhältnis zwischen Amtsträger und Gesellschaft auswirkt und die arbeitsvertragliehen Pflichten des Arbeitnehmervertreters unberührt läßt, kündigen darf. Hauptzweck und -ziel der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ist es, die rechtmäßige Aufsichtsratstätigkeit der Arbeitnehmer in erforderlichem Umfang sowie im Rahmen der Gesetze, der Satzung und bindender Hauptversammlungsbeschlüsse hervorzubringen, zu unterstützen und abzusichern. Keinen Schutz bieten diese Normen allerdings gegen gesellschaftsrechtliche Sanktionen aufgrund einer Amtspflichtverletzung des Arbeitnehmers. 108 Diesbezüglich unterliegen die Arbeitnehmervertreter grundsätzlich den gleichen Sorgfaltsanforderungen und Sanktionen wie die Anteilseignervertreter. Eine vorzeitige
Rn. 651; Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1976, Rn. 178, alle m. w.N. 108 Vgl. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 4; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 4; Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 4.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
Abberufung des Arbeitnehmervertreters durch das Gericht auf Antrag des Gesamtaufsichtsrates oder aufgrundeines Abberufungsbeschlusses des Wahlkörpers (Belegschaft bzw. Delegierte) wegen Arntsversäurnnissen, Pflichtverletzungen im Amt oder Vertrauensverlustes beim Wahlkörper stellt weder eine Störung bzw. Behinderung des Abberufenen bei der Vornahme seiner Aufsichtsratstätigkeit im Sinne der§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG dar. Noch liegt in einer eventuell hinzutretenden schadensersatzrechtlichen Inanspruchnahme eine ungerechtfertigte Schlechterstellung des Arbeitnehmervertreters wegen seiner Aufsichtsratstätigkeit, - seine Arbeitskollegen haben sich mangels gleicher Amtspflichtbindung sowie Pflichtverletzung nicht schadensersatzpflichtig gemacht und sind insoweit schon nicht vergleichbar; andere Aufsichtsratsmitglieder haften fiir gleiche Pflichtverletzungen genauso wie die Arbeitnehmervertreter.
Arbeitsrechtliche Sanktionen des ArbeitgebersNorstandes (Abmahnung sowie Kündigung) kämen von vornherein nur gegenüber den unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer in Betracht. Für diese existierte damit eine zusätzliche, gesellschaftsrechtlich nicht vorgesehene Sanktion fiir Amtspflichtwidrigkeiten, die gegenüber den Anteilseignervertretern und den nicht dem Unternehmen angehörenden Arbeitnehmervertretern109 nicht zur Verfügung stünde. Eine sachliche Rechtfertigung fiir diese Schlechterstellung der internen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gegenüber allen anderen Aufsichtsratsmitgliedern ist nicht ersichtlich; insoweit stellte die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis der Aufsichtsrats-Arbeitnehmer wegen 'reiner Arntspflichtverletzungen' kündigen zu dürfen, eine Verletzung des Grundsatzes der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder dar. Darüber hinaus widerspräche eine Sanktionsmöglichkeit Kündigung wegen Arntspflichtverletzungen, die in die Befugnis des Arbeitgebers (also der Vorstandsmitglieder und deren untergeordneten Mitarbeiter) fiele, der Stellung des Aufsichtsrates und seiner Mitglieder als unabhängige Kontrolleure der Geschäftsführung. Unter noch geringeren Voraussetzungen, als dies dem Gesamtaufsichtsrat nach § 103 111, IV AktG (gerichtliche Entscheidung) bzw. dem jeweiligen Wahlkörper (Drei-Viertel-Mehrheit der Stimmen der Abberufungsberechtigten)110 möglich wäre, könnte der Vorstand Amtspflichtverletzungen des Arbeitnehmers sanktionieren und in dieser Form sogar Einfluß auf die Amtsdauer des Arbeitnehmers nehmen (§§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG. Zugleich wüchse damit der Druck auf die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat, mit ihrer Amtstätigkeit "nicht anzuecken", bzw. die Versuchung fiir sie, das Aufsichtsratsamt als "Dienst nach Vorschrift" ohne beson109 Da die Unternehmenszugehörigkeit nicht gegeben oder nicht erforderlich ist, erlischt das AR-Amt nicht automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. 110 Genauer oben, Einleitung, II. 2 .
III. Amtsspezifischer Kündigungsschutz nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG
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deres Engagement auszuüben und im Hinblick auf sicheren Arbeitsplatzerhalt im Wege eines "vorauseilenden Gehorsams" lieber zurückzustecken als aktiv und Mißerfolge nicht scheuend aufzutreten. Schließlich wäre für die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat im Unterschied zu ihren amtlosen Arbeitskollegen das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes infolge Pflichtverletzungen um den Grund •Amtspflichtverletzungen' erweitert. Schon eine sachliche Rechtfertigung für diese zusätzliche Kündigungsmöglichkeit allein gegenüber den Amts-Arbeitnehmern aus einem Bereich außerhalb des Arbeitsverhältnisses ist nicht ersichtlich. Davon abgesehen fehlte es bei einer solchen Kündigung auch am rechtfertigenden Grund: Weder liegt - mangels Arbeitsvertragsverletzung - ein verhaltensbedingter Grund im Sinne von § I KSchGvor, noch kann die Kündigung auf personen- oder betriebsbedingte Gründe gestützt werden. Sie wäre damit in jedem Falle sozial ungerechtfertigt und gemäß § 1 I KSchG rechtsunwirksam. 111 Aus den genannten Gründen sind folglich Kündigungen und andere arbeitsrechtliche Sanktionen nach § 134 BGB in Verbindung mit §§ 26 S. 2, 3 MitbestG, 78 BetrVG bzw. nach § 138 BGB unzulässig und unwirksam, soweit sie allein auf Amtspflichtwidrigkeiten gestützt werden, die keinerlei Bezug zum Arbeitsverhältnis haben. 112
111 Zur Anwendbarkeit des KSchG siehe unten, IV. l. bei der Diskussion des Kündigungsschutzes nach KSchG. 112 So ganz h. M., Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 18; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 9; ähnlich Hanau in Hanau/Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 16f.; Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 18; Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 15; Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 179 (sowie für BRM ebenso in § 23, Rn. 21 ff. sowie § 103, Rn. 18a); Kittner/Köstler/Zachert, S. 289f., Rn. 651ff.; Huecklv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15, Rn. 27a; Hensche, Das MitbestGespr. 1971 , S. 111ff. (114); Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (237); ähnlich Mertens in Kö1ner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 26 MitbestG, Rn. 8; Naendrup, AuR 1979, S. 161ff., 204ff. (166); Peter, BlStSozAR 1977, S. 257ff. (258ff.); dasselbe andeutend auch Sowka, KSchG, § 15, Rn. 9; Kittner!rrittin, Kündigungsschutzrecht, MitbestG, § 26, Rn. 10; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 129 (sowie Wiese, ebda., § 23, Rn. 17, ausdrücklich für BRM); ebenso Dietz/Richardi, § 23 BetrVG, Rn. 15 für BRM; differenzierend für BRM Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 302, I. l., Rn. 5ff. (Kündigung aus wichtigem Grund wegen Amtspflichtverletzung zulässig, soweit die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses dem AG trotz Möglichkeit der Amtsenthebung nicht zurnutbar ist); wie hier für BRM auch Weber, NJW 1973, S. 787ff. (insb. S. 792) sowie Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (87ff.). 15 Jacklofsky
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4. Kap.: Kündigungsschutz
3. Kündigungen aufgrund von Pflichtwidrigkeiten mit Bezug sowohl zur Aufsichtsratstätigkeit als auch zum Arbeitsverhältnis
Eine Kündigung könnte allerdings dann für zulässig gehalten werden, wenn sich die pflichtwidrige Handlung des Aufsichtsratsmitgliedes nicht nur auf den Amtsbereich beschränkt, sondern sich zugleich als Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellt. a) Auswirkung der Amtspflichten auf den Umfang der arbeitsvertragliehen Pflichten
Einer älteren Ansicht, der Erweiterungstheorie zufolge stellten die dem Betriebsratsmitglied obliegenden Amtspflichten und -aufgaben zusätzliche, im Arbeitsverhältnis schon potentiell vorhandene und durch die Wahl zum Betriebsratsmitglied lediglich aktualisierte Arbeitsvertragspflichten dar. Insoweit führe jedes amtspflichtwidrige Handeln eines Betriebsratsmitgliedes als Verstoß gegen Interessen des Betriebes zwangsläufig auch zur Verletzung seiner arbeitsvertragliehen Treuepflicht hinsichtlich der Wahrung und des Schutzes der Rechtsgüter des Arbeitgebers bzw. Betriebes. 113 Einer Übertragung dieser These auf die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsamt steht bereits das zuvor Dargelegte entgegen: Läge in jeder Amtspflichtverletzung zugleich automatisch eine Verletzung der arbeitsvertragliehen Pflichten der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat, so trügen sie im Vergleich zu Arbeitnehmern ohne Amt ein erhöhtes Kündigungsrisiko in Gestalt spezieller arbeitsrechtsfremder Kündigungsgründe. Kündigungen dieser Form avancierten außerdem zu einer - gesetzlich nicht vorgesehenen - Möglichkeit der vorzeitigen Amtsenthebung, die noch dazu in der Macht des Vorstandes/Arbeitgebers läge. 114 Neben diesen eher folgenorientierten Argumenten ist aber vor allem der Begründungsansatz und damit die Grundlage der Erweiterungstheorie abzulehnen. Das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis wird dadurch charakterisiert, daß sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen einer meist längeren vertraglichen Beziehung wechselseitig zur Erbringung der synallagmatischen 113 Vgl. (ablehnend) Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 220f., Rn. 246 sowie Säcker, RdA 1965, 372ff. mit Verweis auf einen Vertreter dieser Lehre (Monjau-Heimeier, KSchG, § 13, Anm. 2). 114 Siehe oben, 2. sowie ebenso für BRM: Säcker, RdA 1965, S. 372ff. (372); Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 220f., Rn. 246.
III. Amtsspezifischer Kündigungsschutz nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG
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Hauptleistungspflichten 'Erbringung der Arbeitsleistung' bzw. 'Vergütung sowie erforderliche Mitwirkungshandlungen des Arbeitgebers 115 ' verpflichten. Außerdem bestehen wie in jeder vertraglichen Beziehung weitere, aus § 242 BGB resultierende Nebenpflichten gegenüber dem Vertragspartner. Der Arbeitgeber gliedert den Arbeitnehmer in eine von ihm geschaffene betriebliche Sphäre ein, in der der Arbeitnehmer weisungsgebunden tätig ist und zwangsläufig die ihm vorgegebenen Arbeitsbedingungen hinnehmen muß. Da der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung stellt, ist er auch in seiner wirtschaftlichen Existenz von ihm abhängig. Daher hat auf der einen Seite der Arbeitgeber weitgehende Fürsorgepflichten, insbesondere die Pflicht zum Schutz der Rechtsgüter des Arbeitnehmers, zur Respektierung und Achtung der Persönlichkeit und zur Förderung des Arbeitnehmers. Auf anderen Seite öffnet auch der Arbeitgeber seinen Rechts- und Geschäftsbereich der (im Rahmen des Vertrages gewollten und erforderlichen) Einwirkung des Arbeitnehmers. Insoweit treffen den Arbeitnehmer Nebenpflichten zur Vornahme und zum Unterlassen bestimmter Handlungen (Mitteilungs- und Anzeigepflichten, das Leisten von Not- und Erhaltungsarbeiten, das Unterlassen betriebsschädigender Äußerungen und strafbarer Handlungen gegen den Arbeitgeber, Verschwiegenheit über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Beachtung von Wettbewerbsverboten). Diese Nebenpflichten des Arbeitnehmers können unter dem Oberbegriff der Treuepflicht zusammengefaßt werden. 116 Arbeitsvertragliche Haupt- wie Nebenpflichten bestehen für die Arbeitnehmer, die ein Aufsichtsratsamt in ihrem Unternehmen bekleiden, grundsätzlich in gleichem Umfang wie für die anderen Arbeitnehmer des Unternehmens. Aufsichtsratstätigkeit ist nebenberufliche Tätigkeit, die - wie jede Zweitbeschäftigung - grundsätzlich außerhalb und ohne Beeinflussungen oder Störungen der hauptberuflichen Tätigkeit zu erfolgen hat. Nur wenn aufgrund zeitlicher Kollisionen die Erfüllung beider, der Amts- sowie der arbeitsvertragliehen Pflichten nicht möglich ist, hat die Amtstätigkeit Vorrang: Die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung sowie die unmittelbar mit der Arbeitsleistung zusammenhängenden Nebenpflichten 117 des Arbeitnehmers treten zu-
115 Fabricius, "Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis", S. 20, bezeichnet es als "schuldrechtliches auf den Austausch von Diensten gegen Entgelt hin angelegtes, sich stufenweise vollziehendes Organisationverhältnis", m. w. N. 116 BAG, Urt. v. 22. 8. 74, AP Nr. I zu§ 103 BetrVG 1972 (BI. 217): Treuepflicht bedeutet nicht persönliche Treue zum Arbeitgeber, sondern entspringt dem Gebot des § 242 BGB und umfaßt den Kreis der konkreten arbeitsvertragliehen Nebenpflichten; hierzu Zöllner!Loritz, Arbeitsrecht, § 13, III. (S. 177f.); Blomeyer in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band I, § 49 I, Rn. 3. 117 Z. B. die aufmerksame Beobachtung des Arbeitsablaufes und Meldung etwaiger Störungen, die Einhaltung der Arbeitsanordnungen und Unfallschutzvorschriften, die
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4. Kap.: Kündigungsschutz
rück, soweit und solange erforderliche Aufsichtsratstätigkeit während der regulären Arbeitszeit vorzunehmen ist. Auf der Kehrseite verliert der Arbeitnehmer für die Zeit der Arbeitsbefreiung allerdings den Anspruch auf die übliche Entlohnung. 118 Gleichwohl bewegt sich der Aufsichtsrats-Arbeitnehmer auch während seiner Aufsichtsratstätigkeit in der betrieblichen Sphäre. Er unterliegt einerseits dem Einfluß der vom Arbeitgeber geschaffenen betrieblichen Bedingungen und hat andererseits Zugang zu den Rechtsgütern des Arbeitgebers. Unbestritten bestehen die arbeitsvertragliehen Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers während der Aufsichtsratstätigkeit des Arbeitnehmers fort. Im Verhältnis dazu und in Anbetracht der fortbestehenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter des Arbeitgebers wäre es unbillig, den Arbeitnehmer einzig wegen seiner Amtsstellung gänzlich von den arbeitsvertragliehen Nebenpflichten zu entbinden. 119 Daher bestehen diejenigen Nebenpflichten des Arbeitnehmers, die nicht unmittelbar mit der Arbeitsleistung zusammenhängen, sondern die längerfristige vertragliche Bindung mit gegenseitigen Einwirkungsmöglichkeiten im übrigen absichern sollen, während seiner Aufsichtsratstätigkeit fort. Auch die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat sind dem Arbeitgeber zu allgemeiner arbeitsvertraglicher Treue verpflichtet.120 Anders die für Betriebsratsmitglieder entwickelte Amtshandlungstheorie von Säcker 121 : Amtswalter, die bestimmte gesetzlich fixierte Aufgaben unter Bindung an eine von außen gesetzte objektive Interessenordnung und im Rahmen eines vorgegebenen normativen Verantwortungsmaßstabes erfüllen, bedürften für eine unbefangene und unabhängige Amtsfiihrung der Gewißheit, daß sie nur nach den für ihr Amt maßgeblichen Gesetzen beurteilt werden, soweit und solange sie nach ihrer persönlichen Überzeugung pflichtgemäß handeln. Der darin zum Vorschein kommende allgemeine Rechtsgrundsatz der Monopolisierung der Gebundenheit des Amtswalters gelte auch für Betriebsratsmitglieder mit der Folge, daß deren arbeitsvertragliche Pflichten ruhen, soweit und
Anwendung der erwartungsgemäßen Sorgfalt bei der Erbringung der Arbeitsleistung usw. 118 V gl. oben, Zweites Kapitel, I. I. a). 119 So auch Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 22f. für BRM: Pflichtverletzungen im Leistungsbereich seien ausgeschlossen, arbeitsvertragliche Nebenpflichten bestünden aber fort, da sonst die BRM unzulässig begünstigt würden (Verstoß gegen § 78 S. 2 BetrVG); i. E. ebenso Dietz!Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 14. 120 Ähnlich schon oben, Zweites Kapitel, I. 1. b) fur die Pflicht des ARM der AN zur Abmeldung beim Verlassen des Arbeitsplatzes und zur Rückmeldung gegenüber dem AG. 121 Säcker, RdA 1965, 372ff., (374ff.), nachfolgend näher dazu.
III. Amtsspezifischer Kündigungsschutz nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG
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solange sie in der - auch grob fahrlässigen - Überzeugung rechtmäßiger Amtsausübung handeln. Eine Kündigung komme nur in Betracht wegen außeramtlicher Pflichtwidrigkeiten oder wegen vorsätzlicher Amtspflichtverletzungen, wenn dieses Verhalten, gedacht als das eines NichtBetriebsratsmitgliedes, einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellt. Früheren Ansichten, die das Arbeitsverhältnis als "personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis" mit Parallelen zum Gesellschaftsvertrag betrachteten, liegt das Verständnis einer sehr weitreichenden Treuepflicht des Arbeitnehmers zugrunde. Kennzeichen des Arbeitsverhältnisses sei die enge persönliche Verbundenheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer trete in den Lebens- und Arbeitsbereich des Arbeitgebers ein, und der Arbeitgeber mache sich die Arbeitskraft des Arbeitnehmers dienstbar. Damit würde der Arbeitnehmer zu einem Glied einer Gemeinschaft, die ihm im Lebenskampf einen gewissen Rückhalt biete, da für die Dauer der Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft seine wirtschaftliche Existenz gesichert sei. Hierauf gestützt wurde die Treuepflicht des Arbeitnehmers definiert als die Pflicht, sich nach besten Kräften für die Interessen des Arbeitgebers und das Gedeihen des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber oder den Betrieb abträglich sei. 122 Ein solches Verständnis von der Treue, die der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zu erweisen hat, und vom Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis ist heute überholt. Die Annahme einer Gemeinschaft von Arbeitnehmer und Arbeitgeber idealisiert den Charakter des Arbeitsverhältnisses und die Rolle des Arbeitgebers als eine Art "Beschützergarant gegen die Widrigkeiten des Lebens". Genauso wie die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers gesichert ist, solange er in dieser Gemeinschaft verbleibt, hängt auch die wirtschaftliche Existenz des Arbeitgebers von der Bereitschaft seiner Arbeitnehmer ab, für ihn zu arbeiten. Die Aufnahme in die "Gemeinschaft" ist keine soziale Wohltat des Arbeitgebers, die der Arbeitnehmer mit einer erhöhten Treue zu vergelten hat, sondern eine lohnende vertragliche Beziehung für beide Beteiligte. Einer Anlehnung an das Gesellschaftsrecht steht insbesondere entgegen, daß gerade das Typische einer Gesellschaft, der Zusammenschluß und das Zusammenwirken von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles in gleichberechtigten Positionen, beim Arbeitsverhältnis nicht vorliegt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind zwar übereinstimmend am Fortbestand des Betriebes als Grundlage der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz interessiert. Darüber hinaus besteht aber kein gemeinsames Ziel, das in gleich-
122 Nikisch, Arbeitsrecht, I. Band, § I, II. (S. Sff.), § 5, I. (S. 30ff.); Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band I, § 22, II. (S. 128ff.), § 37, insb. I. (S. 241ff.).
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4. Kap.: Kündigungsschutz
berechtigtem Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer verwirklicht werden soll. 123 Nach heutigem Verständnis ergibt sich der konkrete Inhalt der Treuepflicht aus den Umständen des einzelnen Arbeitsverhältnisses. Die Treuepflicht des Arbeitnehmers dient allein der Erfüllung der gegenseitigen Leistungserwartungen und der Sicherstellung eines störungsfreien Leistungsaustausches ohne Schädigungen des Vertragspartners. 124 Als rein arbeitsvertragliche Pflicht erstreckt sie sich grundsätzlich nicht auf den außervertraglichen Bereich. 125 Dementsprechend folgt auch die Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Wahrnehmung des Aufsichtsratsamtes für Arbeitnehmer allein aus dem gesellschaftsrechtlichen Anstellungsverhältnis zur Gesellschaft. Ihre arbeitsvertragliehen Pflichten werden durch die Amtsstellung nicht erweitert, und es ist nicht Teil der arbeitsvertragliehen Treuepflicht, die Belange des Unternehmens zu wahren oder die Amtsaufgaben im Interesse der Gesellschaft ordnungsgemäß zu erfüllen. 126 Eine treue Ausübung des Aufsichtsratsmandates allein im Interesse des Arbeitgebers wäre nach dem Sinn der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer auch genau das Gegenteil dessen, was von den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer verlangt und erwartet wird: die unabhängige, weisungsfreie und eigenverantwortliche Amtstätigkeit allein im Interesse des gesamtheitlieh zu verstehenden Unternehmenswohles. Eine Amtspflichtverletzung stellt damit nicht automatisch zugleich einen arbeitsvertragliehen Pflichtenverstoß (als allgemeine arbeitsvertragliche Ne-
So insbesondere Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § II, II. 7. c.) und 9. (S. 155ff.). § 77 des Entwurfs der Arbeitsgesetzbuchkommission fiir ein Arbeitsvertragsgesetz ( 1977): "Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen ... so zu erfiillen, ... und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann."; dazu i.ü. MüllerGlöge in Münchener Komm. zum BGB, § 611, Rn. 431ff.; Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, §53, 1., insb. I. (S. 374ff.); Blomeyer in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band I, § 49, I., Rn. 1-3: 'AN schuldet nicht Treue, sondern dienstliche Korrektheit', sowie IV., Rn. 18ff.; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht,§ 13, III. (S. 177f.) und§ 11, II. 7.9. (S. 155ff.). 125 Wie hier ablehnend ausfUhrlieh m. w. N. Fabricius, "Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis", S. 24f.; Blomeyer in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 1, § 49, II., Rn. 4ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch,§ 53, I. I. (S. 374). 126 Siehe schon oben, vgl. hier nur BAG, Urt. v. 04. 04. 1974, AP Nr. I zu § 626 BGB AN-Vertreter im AR (BI. 597f.) sowie nachfolgende Anmerkung von Hueck, BI. 601; Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6; Hanau in Hanau!Uimer, MitbestG, § 26, Rn. 4; Fitting!Wiotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 18; Fitting/K.aiser!Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 179. 123
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III. Amtsspezifischer Kündigungsschutz nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG
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benpflichtverletzung) dar. Zumindest hierüber besteht heute weitgehend Einigkeit in der Literatur. 127
b) Parallelität von Pjlichtverstößen? Mindestvoraussetzung für die Zulässigkeit einer Kündigung gegenüber den Aufsichtsrats-Arbeitnehmern wäre angesichts des Voranstehenden folglich, daß neben der Amtspflichtwidrigkeit eine eigenständige Arbeitsvertragsverletzung begangen wurde. Dieser These liegt wiederum die Prämisse zugrunde, daß interne Arbeitnehmervertreter grundsätzlich durch ein und dieselbe Handlung jeweils unabhängig voneinander Pflichten aus der Aufsichtsratsstellung bzw. dem Arbeitsverhältnis verletzen können; - eine Prämisse, die in der Literatur umstritten ist und deren Beantwortung ausschlaggebende Bedeutung fiir die Reichweite des amtsbezogenen Kündigungsschutzes nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG erlangt.
aa) Vorrang des Amtshandelns: Unvereinbarkeit der Pflichten aus Amt und Arbeitsverhältnis? Eine Extremposition hierzu stellt - allerdings bezogen auf Betriebsratsmitglieder - die sogenannte Amtshandlungstheorie von Säcker 128 dar, wonach (sämtliche) Arbeitsvertragspflichten der Betriebsratsmitglieder ruhen sollen, 127 Für grundsätzliche Trennung zwischen Amtsstellung und Arbeitsverhältnis BAG, Urt. v. 04. 04. 1974, AP Nr. 1 zu§ 626 BGB AN-Vertreter im AR (BI. 597f.) sowie Anm. Hueck (BI. 601);- außerdem die Vertreter der sog. Trennungstheorie (näher unten), vgl. z. B. Peter, BlStSozAR 1977, S. 257fT. (258ff.); Naendrup, AuR 1979, S. 16lff., (167fT.); Weber, NJW 1973, S. 787ff. (789); Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (84f.); Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 15fT.; Kittner/ Köstler/Zachert, S. 290f., Rn. 651ff. sowie tendenziell Hoffmann!Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 18ff.; - andererseits aber auch die Vertreter der sog. Simultantheorie, die jedenfalls heute ebenfalls grundsätzlich zwischen den Amts- sowie arbeitsvertragliehen Pflichten trennen, die Treue des AN nicht mehr als über das Arbeitsverhältnis hinausreichend sowie das Arbeitsverhältnis nicht mehr im Sinne eines personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses verstehen, so Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 6, 9f.; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 18ff.; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 132a; ausdrücklich für Trennung bei BRM auch Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 17; Dietz/Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 14f., hinsichtlich der ARM der AN davon allerdings etwas abweichend in § 76 BetrVG 1952, Rn. 171: 'Trotz grundsätzlicher Trennung beeinfluße die Wahrnehmung des AR-Mandates mittelbar Inhalt und Umfang der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis'; Säcker, RdA 1965, S. 372ff. noch weitergehend in Form seiner Amtshandlungstheorie sowie Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 220f., Rn. 246. 128 Siehe schon oben, vor allem in RdA 1965, S. 372ff.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
solange und soweit sie in der (wenigstens grob fahrlässigen) Überzeugung rechtmäßiger Amtsausübung handeln. Im Falle einer vorsätzlichen amtspflichtwidrigen Handlung sollen die Arbeitsvertragspflichten dagegen nicht ruhen; (nur) in diesem Fall könne das Betriebsratsmitglied mit seiner Amtspflichtverletzung zugleich seine arbeitsvertragliehen Pflichten verletzen. Zweifel an der Angemessenheit dieser Lösung ergeben sich auf den ersten Blick schon daraus, daß das Bestehen arbeitsvertraglicher Nebenpflichten für Betriebsratsmitglieder also davon abhängen soll, wie pflichtgemäß bzw. vorwertbar pflichtwidrig sie ihre betriebsverfassungsrechtlichen Amtsaufgaben erfüllen. Im Falle der vorsätzlichen Amtspflichtwidrigkeit sollen ihre Arbeitsvertragspflichten praktisch rückwirkend wiederaufleben; andernfalls bestehe keinerlei aktuelle arbeitsvertragliche Pflichtenbindung. Davon abgesehen liegt der These vonSäckerein Verständnis des Verhältnisses zwischen den amtlichen und arbeitsvertragliehen Verhaltensanforderungen als das 'eines ständigen virtuellen Rangkonfliktes aufgrund divergierender Verantwortungsmaßstäbe' zugrunde: Einerseits sei ein Verhalten gemäß der arbeitsvertragliehen Treuepflicht unvereinbar mit der pflichtgemäßen Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben, andererseits sei aber auch jedes nicht ausschließlich an den Arbeitgeber- bzw. Betriebsinteressen orientierte amtliche Verhalten ein Verstoß gegen diese arbeitsvertragliche Treuepflicht129 . Eine Gegenüberstellung der amtlichen Pflichten des Betriebsratsmitgliedes sowie seiner arbeitsvertragliehen Treuepflicht aus heutiger Sicht kann dies im Grundsatz allerdings nicht bestätigen. Schon die amtliche Pflicht zur kooperativen, auf Einigung ausgerichteten Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebes nach §§ 2, 74 I BetrVG oder die Neutralitätspflicht des Betriebsratsmitgliedes in Arbeitskämpfen 130 stehen der arbeitsvertragliehen Treue-pflicht nicht konträr gegenüber, sondern stimmen sogar weitgehend mit dieser überein. Aber auch Entscheidungen der Betriebsratsmitglieder gegen geplante Maßnahmen des Arbeitgebers, zum Beispiel die Zustimmungsverweigerung zu Überstundenanordnungen gemäß § 87 I Nr. 3 129 Säcker, ebda., S. 374; ähnlich vertritt auch Rensehe in AuR 1974, S. 383f. die Auffassung, daß - falls es zur Konkurrenz zwsichen der AR-Treuepflicht und der allgemeinen Treuepflicht des AN kommt - die individuellen Pflichten durch die Ausübung der Organbefugnisse verdrängt werden. Eine solche Konkurrenz im Sinne einer Unvereinbarkeit beider Pflichten läßt sich allerdings kaum vorstellen; siehe dazu oben im fortlaufenden Text. 130 Bei aller Uneinigkeit in der Literatur über die Grenzen einer zulässigen Streikbeteiligung von BRM besteht jedenfalls darüber Einigkeit, daß BRM nicht in ihrer Stellung als Amtsträger/BRM an Streiks teilnehmen dürfen; vgl. z. B. Fitting/Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 74, Rn. llff.; Dietz/Richardi, BetrVG, § 74, Rn. 24 und 23; Kreutz in in GK-BetrVG, § 74, Rn. 57ff.
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BetrVG oder die Einleitung eines Verfahrens nach § 23 III BetrVG bzw. nach § 101 BetrVG gegen den Arbeitgeber, führen nicht zu einer Verletzung der arbeitsvertragliehen Treuepflicht. Amtliches Handeln der Betriebsratsmitglieder ist von der arbeitsvertragliehen Sphäre zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (mit Betriebsratsamt) strikt zu trennen. Folglich ist eine Gegensätzlichkeit zwischen arbeitsvertragliehen und amtlichen Pflichten schon für einen konkreten Beispielsfall kaum vorzustellen, geschweige denn sind beide Pflichtenkreise von vornherein und generell unvereinbar miteinander. Im übrigen stellt es eine Zirkelschluß-Argumentation dar, zunächst die Notwendigkeit der Verhinderung von objektiven Pflichtenkollisionen für die Betriebsratsmitglieder festzustellen und sodann mit dem Argument der grundsätzlichen Gegensätzlichkeit von Amts- und Arbeitsvertragspflichten zu begründen, daß letztere während der (wenigstens subjektiv) rechtmäßigen Amtsausübung ruhen: Ausgangspunkt und Ziel der Argumentation stimmen überein. 131 Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, warum es zum Beispiel für eine vorurteilsfreie und unabhängige Betriebsratstätigkeit erforderlich sein soll, während der rechtmäßigen Amtstätigkeit von den allgemeinen arbeitsvertragliehen Pflichten entbunden zu sein, etwa der Pflicht, Gefahrenquellen und Schäden anzuzeigen, die Rechtsgüter des Arbeitgebers nicht zu schädigen oder keine betrieblichen Interna an unberechtigte Dritte weiterzugeben. Für den Arbeitgeber bestehen während der Amtstätigkeit des Betriebsratsmitgliedes neben den allgemeinen Schutz- und Fürsorgepflichten aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis auch spezielle Pflichten, um die Grundlage für das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses aufrechtzuerhalten. Nach §§ 37 IV, V, 38 BetrVG sind Betriebsratsmitglieder vor schlechterer Entlohnung und geringwertigereT Tätigkeit nach Beendigung der Amtszeit sowie vor Zurückstellungen bei Berufsbildungsmaßnahmen geschützt. Unfälle, die Betriebsratsmitglieder während ihrer Amtstätigkeit erleiden, zählen als Betriebsunfälle und fallen damit unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. 132 Wie sollte es sich also rechtfertigen lassen, daß nicht auch Betriebsratsmitglieder im Hinblick auf die spätere Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses allgemeine Rücksichtnahme- und Schutzpflichten haben? Bei allem notwendigen Schutz vor Störungen und Benachteiligungen sollte ihnen während ihrer Betriebsratstätigkeit in arbeitsvertraglicher Hinsicht kein Freibrief in Form einer "Monopolisierung der Amtsgebundenheit" erteilt werden. 133 Ähnlich auch Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (85). So BSG, Urt. v. 20. 05. 1976, BB 1976, S. 980f. (Teilnahme eines BRM als ehrenamtliches Mitglied der Tarifkommission einer Gewerkschaft an überbetrieblichen Tarifverhandlungen mit dem AG-Verband steht unter Unfallversicherungsschutz; entschädigungspflichtiger Unfallversicherungsträger ist die fiir die Gewerkschaft zuständige Berufsgenossenschaft); ebenso Hanau in RdA 1979, S. 324ff. (326). 133 So auch Hanau in RdA 1979, S. 324ff. (326f.). 131
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4. Kap.: Kündigungsschutz
Letztlich erscheint eine solch weitgehende Privilegierung der Betriebsratsmitglieder auch nicht als angemessen. Die wenigstens grob fahrlässige Überzeugung, amtspflichtgemäß zu handeln, soll nach der Amtshandlungstheorie genügen, um (sämtliche) Arbeitsvertragspflichten ruhen zu lassen. Unter 'grob fahrlässig' fallen aber auch solche Fälle, in denen das Betriebsratsmitglied einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was jedem sorgfältig handelnden Betriebsratsmitglied hätte einleuchten müssen. 134 Die Motivation, das eigene Verhalten einem Mindestmaß an selbstkritischer Überprüfung zu unterziehen, verringert sich damit eher. Zudem können sich die Betriebsratsmitglieder mit der Behauptung, sie hätten geglaubt, amtspflichtwidrig zu handeln, praktisch selbst entlasten, - läge denn die Beweislast beim Arbeitgeber. Sind dagegen die Betriebsratsmitglieder darlegungs- und beweispflichtig 135 , wird ihnen der Nachweis der Überzeugung amtspflichtgemäßen Tuns um so schwerer fallen, je schwerwiegender der Pflichtenverstoß ausfällt. Im Bereich grob fahrlässiger Amtspflichtwidrigkeit dürfte dies kaum gelingen; damit wären diese Fälle in der Mehrzahl denen des vorsätzlichen Amtspflichtverstosses praktisch gleichgestellt. 136 Daher kann der Amtshandlungstheorie für Betriebsratsmitglieder nicht ge137 folgt werden. Eine Unvereinbarkeit der Amtspflichten sowie der arbeitsvertragliehen Pflichten von Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat ist erst recht nicht zu erkennen. 138 Darüber hinaus nehmen die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Unterschied zu Betriebsratsmitgliedern ihre Amtstätigkeit nicht anstelle, sondern neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit wahr, und zwar prinzipiell in der Freizeit. Die Amtspflichten sind nicht von vornherein vorrangig. Sie verdrängen die arbeitsvertragliehen Pflichten des Arbeitnehmervertreters nur insoweit, als dies für eine ordnungsgemäße Aufsichtsratstätigkeit unumgänglich ist. Unumgänglich in diesem Sinne erscheint lediglich das Entfallen der Hauptpflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung (und zwangsweise der Vgl. nur Palandt!Heinrichs, BGB, § 277, Rn. 2f. So auch Säcker, ebda., RdA 1965, S. 372ff. (S. 378): AG trägt die Beweislast für amtspflichtwidriges Handeln, welches - gedacht als Handeln eines Nicht-BRM - einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellt; BRM muß beweisen, in der Überzeugung amtspflichtgemäßen Tuns gehandelt zu haben. 136 Ähnlich Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 225, Rn. 250: Kein Abstellen auf innere Einstellung. 137 So auch Bieback, RdA 1978, S. 82ff (85); Dietz/Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 16; Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 20 und 22f.; Hanau in RdA 1979, S. 324ff. (326f.); Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 226ff., Rn. 252ff. 138 Dazu ausführlich schon oben im Zusammenhang mit dem Recht zur Streikteilnahmeund der These des gegnerischen Einflusses durch ARM der AN, siehe Drittes Kapitel, I. 3. c). 134 135
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daran geknüpften Nebenpflichten); alle anderen allgemeinen Rücksichtnahme-, Schutz- und Loyalitätspflichten stören die Aufsichtsratstätigkeit nicht. Insoweit stellte es eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung der Arbeitnehmervertreter gegenüber ihren Arbeitskollegen dar, sie aufgrund einer nebenberuflichen Tätigkeit für die Zeit ihrer Aufsichtsratstätigkeit vollständig von allen arbeitsvertragliehen Bindungen zu befreien. 139 bb) Parallelitätcontra Entweder-Oder-Prinzip Ebenfalls von einer grundsätzlichen Trennung beider Rechts- und Pflichtenkreise des Aufsichtsratsamtes bzw. Arbeitsverhältnisses ausgehend, halten es die Vertreter der sog. Simultantheorie 140 gleichwohl für möglich, daß ein und dieselbe Handlung des Arbeitnehmervertreters sich einerseits als Amtspflichtverletzung und andererseits als Verletzung der - fortbestehenden - arbeitsvertraglichen (Neben-) Pflichten darstelle. Zur Begründung hierfür werden teilweise 141 die Grundsätze der Simultantheorie für die ähnliche Kündigungsproblematik bei Betriebsratsmitgliedern herangezogen, für die diese Theorie ursprünglich entwickelt wurde. 142 Auch dort geht es im Rahmen des Wie auch schon oben, 3. a), ausgeführt. Siehe Fn. 127; für Simultantheorie bei BRM außerdem Fitting Kaiser!Heither/ Engels, BetrVG, § 23, Rn. 22ff. u. § 103, Rn. 18a; Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 302, I. 1., Rn. 3ff.; Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 18ff.; Dietz/Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 15ff; ständige Rspr. des BAG, vgl. nur BAG, Urt. v. 08. 08. 1968, AP Nr. 57 zu § 626 BGB; Urt. v. 06. 02. 1969, AP Nr. 58 zu § 626 BGB; grundlegend BAG, Urt. v. 22. 08. 1974, AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG; BAG, Urt. v. 11. 12. 1975, AP Nr. 1 zu§ 15 KSchG (für Jugendvertreter) sowie BAG, Urt. v. 16. 10. 1986, AP Nr. 95 zu § 626 BGB. 141 So ausdrücklich Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 19; Fitting/Kaiser!Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 132a; Hanau in Hanau/Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 16; gleiches andeutend auch Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 10; a. A.: Hoffinann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 19, dazu näher unten. 142 Auch für BRM könne sich im Einzelfall eine gewisse Überschneidung von Amtssowie Arbeitsvertragspflichten ergeben (Beispiel: arbeitsrechtliche Treuepflicht/Amtspflicht zur arbeitskampfrechtlichen Neutralität; Verletzung beider durch Teilnahme an rechtswidrigem Streik; so BAG AP Nr. 57, 58 zu§ 626 BGB, Nr. 37 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Eine außerordentliche Kündigung von BRM wegen einer doppelt-pflichtwidrigen Handlung komme allerdings nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis "unmittelbar und erheblich beeinträchtigt wird" (dafür Fitting/Kaiser!Heither!Engels, BetrVG, § 103, Rn. 18a), wenn es sich inAngleichungder Voraussetzungen des Amtsenthebungsverfahrens nach § 23 I BetrVG: 'grobe Verletzung der Pflichten aus dem BetrVG' und der Kündigung nach§ 626 I BGB: 'wichtiger Grund' um schwere oder grobe Verstöße gegen die Arbeitsvertragspflichten unter Anlegung eines besonders strengen bzw. eines strengeren Maßstabes als bei nicht betriebsratsangehörigen Arbeitnehmern handelt (so st. Rspr. des BAG, z. B. AP Nr. I zu 139
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§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG um die Frage, welche Arten von Pflichtverletzungen als wichtige Gründe für eine außerordentliche Kündigung anzuerkennen sind. Als Beispiele für die gleichzeitige Verletzung arbeitsvertraglicher sowie amtlicher Pflichten durch einen Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat werden neben dem vom BAG 143 beurteilten Fall der Weitergabe geheimer Informationen bzw. Verbreitung unwahrer Behauptungen 144 hauptsächlich der Aufruf zu einem rechtswidrigen Streik durch den Arbeitnehmervertreter145, teilweise auch der Fall einer ungerechtfertigten Strafanzeige gegen den Arbeitgeber bzw. Untreue sowie Spesenbetrug angeführt. 146 Im angesprochenen BAG-Fall hatte das Gericht über die Zulässigkeit einer Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu entscheiden. Dieser - der Kläger - erlangte im Rahmen seiner Aufsichtsratstätigkeit, insbesondere bei Gesprächen mit dem Geschäftsführer Kenntnis über eine beabsichtigte Vermögensausgliederung; streitig war später zwischen den Parteien, ob der Inhalt dieser Gespräche vom Geschäftsführer als vertraulich bezeichnet wurde. Kurz darauf fand eine Versammlung der für den Betrieb der Beklagten gewählten Vertrauensleute der IG Metall statt, an der auch der Kläger teilnahm, da er neben seiner Aufsichtsratstätigkeit zugleich Vertrauensmann der IG Metall war. Auf dieser Versammlung gab der Kläger eine Stellungnahme zu der beabsichtigten Vermögensausgliederung ab. Neben dem Vorwurf der Verletzung der amtlichen Verschwiegenheitspflicht machte die Beklagte geltend, daß der Kläger über die Form und die Folgen der geplanten Vermögensverwaltungs-GmbH bewußt unvollständig, unzutreffend und ent§ 103 BetrVG; AP Nr. 95 zu § 626 BGB; AP Nr. I zu § 15 KSchG sowie AP Nr. 19 zu § 13 KSchG a. F.; Fitting/Kaiser!Heither!Engels, § 23, Rn. 22f., § 103, Rn. 18a; Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 19ft'.; Dietz!Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 16, § 103, Rn. 13; Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 302, I. 1., Rn. 5ff.). Außerdem sei zu berücksichtigen, daß BRM erst aufgrundihrer Amtsstellung in eine Konfliktsituation geraten können, desweiteren, ob die Arbeitsvertragsverletzung so gravierend ist, daß trotz einer Amtsenthebung nach § 23 I BetrVG das Arbeitsverhältnis dauerhaft gestört bleibt oder ob mittels der Amtsenthebung der Grund für den Arbeitsvertragsverstoß beseitigt und die Vertrauensbasis des Arbeitsverhältnisses wiederhergestellt werden kann, "Vorrang des Amtsenthebungsverfahrens", (dafür Joost, ebda., Rn. 5; Dietz/Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 16; Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 24, allem. w. N.). 143 BAG, Urt. v. 04. 04. 1974, AP Nr. I zu§ 626 BGB AN-Vertreter im AR. 144 Fitting!Kaiser!Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 179; Dietz/ Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 171 mit Verweis aufBAG (vorherige Fn.); Fitting!Wotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 19; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 17. 145 Fitting!Wotzke/Wißmann, ebda.; auch Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 21, wobei diese eher der Trennungstheorie zuneigen. 146 Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 17.
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stellend berichtet und sachlich unbegründete Bedenken gegen dieses Vorhaben geäußert habe. Infolgedessen kündigte die Beklagte dem Kläger aus wichtigem Grund. Das BAG entschied u. a., daß dem Kläger als Arbeitnehmervertreter nach §§ 76ff. BetrVG 1952 kein besonderer Kündigungsschutz entsprechend § 15 KSchG zugute komme. Zur Frage eines relativen Kündigungsschutzes aufgrunddes Benachteiligungsverbotes nach § 78 BetrVG (1972) mußte sich das BAG nicht erklären, da es keine Anzeichen für eine Benachteiligung erkennen konnte. Schließlich bejahte das BAG für den Fall der bewußten Verletzung der Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich die Möglichkeit, daß Amtspflichtverletzungen zugleich eine Störung im arbeitsvertragliehen Vertrauensbereich darstellen und deshalb sowohl die außerordentliche als auch ordentliche Kündigung rechtfertigen können. Insbesondere unter Verweis auf die zuvor genannten Beispiele wenden die Vertreter der Trennungstheorie ein, daß die Simultantheorie trotz der Beteuerung, zwischen Aufsichtsrats- bzw. Arbeitsvertragspflichten grundsätzlich zu trennen, insgeheim eine gewisse "Modifizierung" der arbeitsvertragliehen Treuepflicht durch die Amtspflichten 147 vornehme. Die These der Simultantheorie, daß durch ein und dieselbe Handlung gleichzeitig Amts- sowie Arbeitsvertragspflichten verletzt werden könnten, sei nur dann vertretbar, wenn man bejahe, daß zwischen beiden Rechtskreisen eine rechtliche Verbindung bestehe, eben die arbeitsrechtliche Treuepflicht, zu deren Inhalt mittelbar auch die Amtspflichten geworden seien.148 Demgegenüber stellten nach Ansicht der Vertreter der Trennungstheorie die Aufsichtsratspflichten im Vergleich zu den arbeitsvertragliehen Pflichten des Arbeitnehmervertreters andere, auf Konflikt hin angelegte und insoweit inhaltlich entgegengesetzte Pflichten dar. Eine durchgehende Scheidung von Amts- und Arbeitsvertragsbereich erscheine auch deshalb als erforderlich, weil andernfalls Pflichtenkollisionen unvermeidbar seien und der jeweilige amtliche bzw. arbeitsvertragliche Bestandsschutz mit systemfremden Sanktionselementen ausgehöhlt werde. Nur durch strikte Trennung der Amts- sowie Arbeitssphäre und durch Ausschaltung jeglichen Einflusses des Vorstandes auf die personelle Zusammensetzung des Aufsichtsrates bzw. die individuelle 147 Dies stützt sich auch auf entsprechende, undeutliche bzw. mißverständliche Äußerungen von Vertretern der Simultantheorie, die auf eine solche Vermengung der Sphären schließen lassen, z. B. bei Dietz!Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 171: 'Wahrnehmung des AR-Mandates beeinflusse mittelbar auch Inhalt und Umfang der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis '. 148 So Naendrup, AuR 1979, S. 16lff., (168f.) fiir ARM der AN sowie Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (84f.), Weber, NJW 1973, S. 787ff. (789) und Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 221ff., Rn. 247 ('Simultantheorie ist nur eine besondere Spielart der Erweiterungstheorie') fiir BRM.
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Amtsdauer einzelner Aufsichtsratsmitglieder sei eine unabhängige Beaufsichtigung des Vorstandes zu gewährleisten 149 Eine Handlung könne und dürfe daher nicht zugleich als Amts- und Arbeitsvertragsverletzung einzustufen und mit Sanktionen aus beiden Rechtsgebieten zu ahnden sein. Bei Pflichtwidrigkeiten in Ausübung des Amtes seien ausschließlich die jeweiligen amtsgemäßen Sanktionen anzuwenden; individualrechtliche Sanktionen, insbesondere Kündigungen, kämen nur dann in Betracht, wenn sich die Handlung (ausschließlich oder zumindest in der Hauptsache) als Verletzung arbeitsvertraglieber Pflichten darstelle. 150 Was ihnen die Vertreter der Trennungstheorie vorwerfen, nämlich daß sie zur Begründung ihrer These insgeheim die Amtspflichten in die inhaltliche Bestimmung der arbeitsvertragliehen Treuepflicht einfließen lassen, wird von den Anhängern der Simultantheorie nachdrücklich bestritten. Gleichwohl sind sich beide Seiten darüber einig, daß arbeitsvertragliche Sanktionen immer nur für solche Fälle pflichtwidrigen Verhaltens in Betracht kommen, in denen neben der Verletzung von Amtspflichten zugleich eine eigenständige Arbeitsvertragsverletzung festgestellt werden kann. 151 Dabei geht es den Vertretern beider Ansichten gleichermaßen um den Schutz der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat vor einer rechtsmißbräuchlichen Ausnutzung der arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten durch den ArbeitgeberNorstand (insbesondere
149 So Naendrup, AuR 1979, S. l6lff. (l68f.) und Peter, BlStSozAR 1977, S. 257ft: (258f.). Genauso fiir BRM: Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (86), der hinsichtlich einer Konkurrenz von Arbeitsvertrags- und Amtspflichten von 'verschiedenen Zielrichtungen und Maßstäben zur Beurteilung von Pflichtverletzungen' spricht; die 'arbeitsvertraglichen Allgemeinpflichten hätten die Erfiillung des AV und damit die Befriedigung der Interessen des Vertragspartners an der Leistung von Arbeit zum Ziel; demgegenüber habe ein BRM bei seinen Amtshandlungen nicht direkt und unmittelbar die Interessen seines Arbeitsvertragspartners, des AG, zu fördern, sondern das Wohl der AN und des Betriebes. Desgleichen Weber, NJW 1973, S. 787ff. (789f.): Pflichtwidrigkeiten aus der SR-Tätigkeit können nicht das Arbeitsverhältnis verletzen und deshalb auch keine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Im Ergebnis ebenso Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 17 sowie Kittner/Köstler/Zachert, S. 290f., Rn. 652f. 15 Für ARM: Peter, B1StSozAR 1977, 257ff., (258ff.); Naendrup, AuR 1979, 161ff., 204ff., (162ff.); i. E. auch Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 16 sowie Kittner/Köst1er/Zachert, S. 289ff., Rn. 65lff.; Hensche, AuR 1974, S. 383f. in Anmerkung zum Urt. des BAG v. 04. 04. 1974, AP Nr. I zu§ 626 BGB AN-Vertreter im AR; Zachert, Das MitbestGespr. 1974, S. 235ff. (237f.); desgleichen vertreten fiir BRM von Weber, NJW 1973, 787ff., 79lf.; Bieback, RdA 1978, 82ff., (87ff.); Konzen, ZfA 1985, S. 469fT., (483); ähnlich Kittner/Trittin, Kündigungsschutzrecht, MitbestG, § 26, Rn. 16fT., die fiir die Zulässigkeit einer (außerordentlichen) Kündigung auf die jeweilige Ursache der Pflichtverletzungiden Zusammenhang mit der AR-Tätigkeit abstellen. 151 So auch Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 223, Rn. 249 a. A. sowie S. 226, Rn. 251, darin dem BAG zustimmend, der im Beschluß v. 22. 08. 1974 , DB 1974, S 2310.ff. feststellte, daß sowohl die Amtshandlungs- als auch die Trennungstheorie in der Sache nicht grundsätzlich von der Simultantheorie abweichen.
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im Hinblick auf die Erlöschensnormen der §§ 24 I MitbestG, lO n MitbestErgG) sowie um den allgemeineren Schutz einer objektiven und unabhängigen Aufsichtsratstätigkeit. 152 Unterschiedliche Meinungen bestehen bei ihnen lediglich darüber, in welcher Form und welchem Umfang dieser Schutz rechtlich abzusichern ist: Die Anhänger der Simultantheorie anerkennen grundsätzlich die Möglichkeit doppelt pflichtwidriger Handlungen, gehen aber von einem grundsätzlichen Vorrang gesellschaftsrechtlicher Sanktionen aus und lassen Kündigungen nur bei bestimmten (schweren, groben) Arbeitsvertragsverletzungen zu. Hier wird folglich innerhalb der parallel möglichen Arbeitsvertragsverletzungen mit Blick auf die Zulässigkeit einer Kündigung differenziert. Demgegenüber lehnen die Vertreter der Trennungstheorie von vornherein die Möglichkeit einer sowohl arntspflicht- als auch arbeitsvertragsverletzenden Handlung ab. Die Differenzierung erfolgt hier bereits bei der Einschätzung der Handlung als entweder amtspflichtwidrig oder gegen Arbeitsvertragspflichten verstoßend. Nur in letzteren Fällen kommen Kündigungen in Betracht. Konsequenterweise sind die Vertreter der Trennungsthese (bezogen auf die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat) zugleich Verfechter einer analogen Anwendung des absoluten Kündigungsschutzes gemäß §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG auf die internen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer.153 Vom Standpunkt der Befürwortung des weitestgehenden Kündigungsschutzes, wonach ordentliche Kündigungen völlig ausgeschlossen und außerordentliche Kündigungen nur in engen Grenzen zulässig sein sollen, liegt es nahe, jegliche unmittelbar oder mittelbar mit der Amtsausübung zusammenhängende Pflichtwidrigkeit gänzlich dem arbeitsrechtlichen Sanktionsbereich zu entziehen und ausschließlich nach gesellschaftsrechtlichen Kriterien zu beurteilen. So erklärt sich auch, daß die von den Vertretern der Simultantheorie vorgeschlagene Aussparung gewisser Arbeitsvertragsverletzungen im Zusammenhang mit einer Kündigung (siehe oben) als nicht ausreichend empfunden wird, um Bestandsschutz sowie Unabhängigkeit der Amtsfiihrung für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu gewährleisten.
152 Vertreter der Trennungstheorie: Peter, BIStSozAR 1977, S. 257ff. (259f.);Naendrup, AuR 1979, S. 161ff. (169); für BRM: Weber, NJW 1973, S. 787ff. (790); Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (86f.); Kittner/Köstler/Zachert, S. 291f., Rn. 654f.; Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 16. Vertreter der Simultantheorie: ausdrücklich z. B.: Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 21, 16ff.; Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 132a. 153 So Naendrup, AuR 1979, S. 161ff., 204ff.; Peter, BIStSozAR 1977, S. 257ff.; Kittner/Köstler/ Zachert, S. 289ff., Rn. 648ff.; i. E. ähnlich auch Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 12ff. sowie Kittnerffrittin, Kündigungsschutzrecht, § 26 MitbestG, Rn. 7ff.
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cc) Stellungnahme zu beiden Theorien Keiner der beiden Theorien kann vollständig gefolgt werden. Auf der einen Seite wirkt die Aussage der Trennungstheorie, daß sich eine Handlung generell nicht zugleich als Amts- sowie Arbeitsvertragsverletzung darstellen könne, unnötig polarisierend und ist im übrigen auch sachlich unzutreffend. Beispiele aus anderen Rechtsbereichen zeigen, daß durch eine Handlung sehr wohl Pflichten aus verschiedenen Rechtskreisen verletzt werden können und daß diese Pflichtverstöße unabhängig voneinander anband der Voraussetzungen ihres jeweiligen Rechtsgebietes feststellbar sind. 154 So verletzt etwa der dienstvertraglich angestellte GmbH-Geschäftsfiihrer, der sich mit einem Griff in die Gesellschaftskasse persönlich bereichern will, unzweifelhaft seine dienstvertragliehen Pflichten gegenüber der GmbH; - Konsequenz wird eine außerordentliche Kündigung des Dienstvertrages sein. Zugleich liegt hierin selbstverständlich eine (vorsätzliche) Verletzung seiner gesellschaftsrechtlichen Pflicht als Geschäftsfiihrungsorgan (bzw. Mitglied desselben), die Angelegenheiten der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu betreuen. Infolgedessen kann die Gesellschaft Schadensersatzansprüche gegenüber dem Geschäftsfiihrer nach §§ 43 I, II GmbHG geltend machen sowie die Bestellung zum Geschäftsfiihrer widerrufen. 155 Schließlich hat er noch gegen Verhaltensanforderungen des Strafrechts verstoßen, indem er die in §§ 246, 266 StGB strafbewehrte Pflicht, Eigentum bzw. Vermögen eines anderen nicht zu unterschlagen bzw. zu veruntreuen, verletzt hat. 156 Hier verletzt eine Handlung (der "Griff in die Kasse") Pflichten aus drei verschiedenen Rechtskreisen.
154 Ebenso Dietz/Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 15; selbst Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (85) als Vertreter der Trennungstheorie räumt ein, daß aus der Unterschiedlichkeit von BR-Amt und Arbeitsverhältnis nicht zwingend folgt, daß eine Handlung eines BRM entweder immer nur das eine oder das andere Rechtsverhältnis verletzen und daß eine Amtshandlung niemals zugleich eine Arbeitsvertragsverletzung darstellen könne. Hierfiir führt er das Beispiel die Verletzung vertraglicher Pflichten sowie absoluter Rechte nach § 823 I BGB oder gesetzlicher Pflichten wie z. B. Strafrechtsnormen durch ein und dieselbe Handlung an. Iss Vgl. z. B. Marsch-Bamer/Diekmann in Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 3, § 46, II. 3., Rn. 6; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36, II. 4. a.) (S. 1077ff.); Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43, Rn. 8ff.; Axhausen, Beck'sches HB der GmbH, § 5, E, II. Rn. ll Of., H, I. Rn. 2l0ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43, Rn. 3f., 17 oder Jula, Die Haftung von GmbH-Geschäftsführern und Aufsichtsräten, I. Teil, IV., (S. 34fT.). 1s6 z. B. Marsch-Bamer/Diekrnann in Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 3, § 46, VIII. 3. b.), Rn. 68fT.; Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43, Rn. 7; Axhausen, Beck'sches HB der GmbH, § 5, H, IV. 3., Rn. 244; Jula, wie zuvor, 1. Teil, III. (S. 19fT.).
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Die These, daß doppelt pflichtwidrige Handlungen grundsätzlich möglich sind, wurde kürzlich auch wieder durch den BGH 157 bestätigt. Aus Anlaß der Prüfung des Vorliegens einer unerlaubten Handlung im Zusammenhang mit einer Kontrollpflichtverletzung des Werkunternehmers gegenüber einem Subunternehmer stellte das Gericht fest, daß in der Verletzung von Vertragspflichten zwar nicht ohne weiteres zugleich eine unerlaubte Handlung liegt, es jedoch keinesfalls ausgeschlossen ist, daß die Verletzung der vertraglichen Pflichten zugleich die eigenständig zu beurteilenden tatbestandliehen Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung erfüllt. Im vorliegenden Fall bejahte der BGH das Vorliegen einer unerlaubten Handlung und sprach dem Kläger Schadensersatzansprüche aus § 823 I BGB zu, obwohl die werkvertragliehen Ansprüche verjährt waren. Darüber hinaus kann den Vertretern der Trennungstheorie nicht hinsichtlich ihrer Auffassung zugestimmt werden, daß die Aufsichtsratspflichten auf Konflikt angelegt seien und den arbeitsvertragliehen Pflichten inhaltlich entgegenstünden. Dieses Argument entspricht praktisch dem von Säcker für Betriebsratsmitglieder ausgesprochenen Gedanken des "ständigen virtuellen Rangkonfliktes" zwischen den Amts- und Arbeitsvertragspflichten sowie der Unvereinbarkeit von amtspflichtgemäßem und arbeitsvertragsgerechtem Verhalten158. Wie schon Säcker ist an dieser Stelle auch den Anhängern der Trennungstheorie entgegenzuhalten, daß zwar die Pflichten aus dem Aufsichtsratsamt bzw. dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich unabhängig voneinander bestehen und sich hinsichtlich ihres Rechtsgrundes sowie ihrer Inhalte voneinander unterscheiden. Von einer inhaltlichen Gegensätzlichkeit beider Pflichtenkreise (geschweige denn von unlöslichen Pflichtenkollisionen) kann jedoch schon deshalb keine Rede sein, weil die Erfüllung der Arbeitsvertragspflichten grundsätzlich Vorrangstellung gegenüber der Amtstätigkeit genießt und weil auch die Arbeitnehmervertreter wie alle Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft zu Treue und Loyalität verpflichtet sind. Außerdem gilt für eventuelle Konfliktfälle, daß gegebenenfalls (neben einer Stimmenenthaltung) das Aufsichtsratsamt niederzulegen ist. 159 Im übrigen argumentieren die Vertreter der Trennungstheorie an dieser Stelle genauso wie Säcker mit einem Zirkelschluß: Aufsichtsratspflichten und Arbeitsvertragspflichten seien durchgehend zu scheiden (= sollen sich also nicht überlagern), um Pflichtenkollisionen (=also Überlagerung von Pflichten) zu vermeiden. Auf der anderen Seite muß entsprechend den Mahnungen der Vertreter der Trennungstheorie für jeden Einzelfall pflichtwidrigen Verhaltens genau untersucht werden, inwieweit tatsächlich neben der Amtspflichtwidrigkeit eine ei157 BGH, Urt. v. 03. 02. 1998, NJW 1998, S. 2282ff.
158 Zuvor
unter aa).
159 So schon mehrfach zuvor, vor allem auch im 3. Kapitel, unter I. 2. und 3., II. 16 Jacklofsky
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genständige Arbeitsvertragsverletzung vorliegt, die den Ausspruch einer Kündigung (bzw. Abmahnung) rechtfertigen kann. Außerdem beruhen die kündigungsschutzrechtlichen Grundsätze, die für die Betriebsratsmitglieder im Zusammenhang mit§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG sowie § 23 I BetrVG entwickelt wurden, auf einer speziellen Parallelität der Amtsenthebungs- und Kündigungsmöglichkeit: Im Falle pflichtwidriger Handlungen von Betriebsratsmitgliedern ist der Arbeitgeber einerseits antragsbefugt hinsichtlich eines Amtsenthebungsverfahrens nach§ 23 I BetrVG, andererseits nach Maßgabe der§§ 15 KSchG, 103 BetrVG kündigungsberechtigt. In beiden Fällen muß eine schwerwiegende, nachhaltig störende Pflichtwidrigkeit bei der Amtsführung bzw. im Arbeitsverhältnis vorliegen (§ 23 I BetrVG: 'grobe Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten' 160; § 626 I BGB: 'wichtiger Grund'). 161 Insoweit läßt sich eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit der materiellen Voraussetzungen des Amtsenthebungsverfahrens bzw. der Kündigungsmöglichkeit vertreten. 162 Zumindest vorstellbar ist hierbei, daß der Arbeitgeber in seiner Entscheidung, wie er auf die Pflichtwidrigkeit eines Arbeitnehmers mit Betriebsratsamt reagieren soll, von der Überlegung beeinflußt wird, ob nicht möglicherweise eine Amtsenthebung die Gefahr einer Wiederholung der pflichtwidrigen Handlung verringern oder ganz ausschließen könnte und so beiden Seiten am besten gedient wäre. 163 Demgegenüber hat der ArbeitgeberNorstand aus Gründen des "gewaltenteiligen" Aufbaues der Gesellschaft keinerlei Einfluß auf die Amtsdauer der Aufsichtsratsmitglieder und kein Antragsrecht für das Verfahren der gerichtlichen Amtsenthebung nach§ 103 III AktG. Überlegungen, ob möglicherweise eine Amtsenthebung vorrangig in Betracht käme und ob im Wege einer Amtsenthebung eine Wiederholung der Arbeitsvertragsverletzung ausgeschlossen werden könnte, erübrigen sich für den Vorstand in Arbeitgeberposition. 164 Zu-
160 Vgl. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 23, Rn. 12, 17; Dietz!R.ichardi, BetrVG, § 23, Rn. 14; Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 302, I. 1. a), Rn. 3f.; Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 17. 161 Umstritten ist allerdings, inwieweit es bei § 23 I BetrV auf eine schuldhafte Pflichtverletzung ankommt; für das Verschuldenserfordernis Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 23, Rn. 11 ff. und Dietz/ Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 19ff.; dagegen Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 28ff. sowie Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 302, I. 1., Rn. 7ff. 162 Anders z. B. Dietz/Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 21. 163 So z. B. Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 24; Dietz/Richardi, BetrVG, § 23, Rn. 16. 164 Darauf weist Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 17, hin sowie auch Hoffinann!Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 19: 'Keine Heranziehung der Rspr. des BAG hinsichtlich der Ang1eichung der Voraussetzungen der fristlosen Kündigung eines BRM sowie des Amtsenthebungsverfahrens nach § 23 I BetrVG, da die
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dem erscheint es als inkonsequent, einen absoluten Kündigungsschutz fiir Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat nach dem Vorbild der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG zwar abzulehnen (wie von den Anhängern der Simultantheorie vertreten), dann aber die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers auf schwerwiegende, gravierende Arbeitsvertragsverletzungen, damit praktisch auf außerordentliche Kündigungen mit bzw. ohne Kündigungsfrist zu beschränken. Aus der kritischen Bewertung der beiden Theorien ist daher insgesamt festzuhalten: Die Grundaussagen der Simultan- bzw. Trennungstheorie können zusammengefaßt als eine Art Leitmotiv des amtsbezogenen Kündigungsschutzes nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG verstanden werden: Einerseits ist die (unbestrittene) grundsätzliche Trennung der Pflichten des Aufsichtsratsamtes sowie Arbeitsverhältnisses auch bei der Untersuchung möglicher Kündigungsgründe strikt einzuhalten. Andererseits darf allerdings die Amtsbezogenheit des Kündigungsschutzes nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG nicht dadurch überdehnt werden, daß jeder noch so zufallige und vage Zusammenhang einer Pflichtwidrigkeit mit der Amtsstellung zum Ausschluß arbeitsrechtlicher Sanktionen fiihrt. Darüber hinaus enthält allein die Entscheidung zwischen Simultaneität oder Trennung von Pflichtwidrigkeiten, wie sie von den Anhängern der Simultanbzw. Trennungstheorie fiir notwendig gehalten wird, keinerlei weiterführende Antwort auf die Frage der Zulässigkeit arbeitsrechtlicher Sanktionen. Für beide Theorien kommt es letztlich darauf an, inwieweit pflichtwidrige Handlungen im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit stehen, und ob dies im Einzelfall dazu führt, daß sich eine Kündigung aufgrund solcher Handlungen als Störung des Arbeitnehmers in seiner Amtsausübung oder als Benachteiligung gegenüber anderen Aufsichtsratsmitgliedern oder Arbeitskollegen ohne Aufsichtsratsmandat darstellt. Im Falle einer parallelen Amts- sowie Arbeitsvertragsverletzung kommt es entscheidend darauf an, ob möglicherweise in der Verletzung des einen oder des anderen Pflichtenkreises der Schwerpunkt der Zuwiderhandlung liegt und ob dadurch die weitere - parallele - Pflichtwidrigkeit verblaßt oder gar vollständig zurücktritt. Ähnlich ist zum Beispiel bei Kündigungen aufgrund eines Mischtatbestandes, also bei Kündigungsgründen, die mehrere der in § 1 II S. 1 KSchG aufgefiihrten Bereiche berühren, zu entscheiden, aus welchem der kündigungsrelevanten Bereiche die Störung des Arbeitsverhältnisses stammt (mit anderen Worten: Schwerpunkt der Vertragsstörung). Die Wirksamkeit ordentliche Kündigung von ARM der AN, die nach § 26 nicht ausgeschlossen sei, nicht etwa mit der Abberufungsmöglichkeit nach § 103 III AktG verglichen werden könne.
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der Kündigung ergibt sich dann allein anband der jeweiligen Kriterien des vorherrschenden, entscheidenden Kündigungsgrundes (also zum Beispiel keine Sozialauswahl, wenn die Kündigung schwerpunktmäßig auf personenbedingten Gründen beruht). 165 Gerade auch das für die Simultantheorie häufig angeführte Beispiel für eine doppelt-pflichtwidrige Handlung, aufgrund derer Sanktionen aus beiden Rechtskreisen zulässig sein sollen (der oben mitgeteilte, vom BAG entschiedene Fall der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht) 166, fordert dazu auf, über den Schwerpunkt der Pflichtwidrigkeit nachzudenken. Aber auch hinsichtlich anderer typischer pflichtwidriger Handlungsweisen genügt es nicht, festzustellen, daß sowohl gegen Amts- wie Arbeitsvertragspflichten verstoßen wurde. Für die Frage der Zulässigkeit einer Kündigung muß es unter Berücksichtigung des Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbotes der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG vielmehr auf den Schwerpunkt der Handlung, ihren Sachzusammenhang mit der Amtstätigkeit ankommen. c) Eigener Lösungsansatz: Feststeilbarkeit von Handlungsschwerpunkten Nachfolgend sollen daher die relevantesten pflichtwidrigen Handlungen von Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat, die einen Bezug zur Amtstätigkeit aufweisen, zunächst darauf untersucht werden, inwieweit tatsächlich neben dem Amtsbezug (also einer mehr oder weniger schwerwiegenden Amtspflichtwidrigkeit) eine eigenständige Arbeitsvertragsverletzung vorliegt. Hierbei ist der schon mehrfach erwähnte Grundsatz zu beachten, daß die Aufsichtsratsstellung die Pflichten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis weder 165 So BAG, Urt. v. 17. 05. 1984, AP Nr. 21 zu§ I KSchG Betriebsbedingte Kündigung = NZA 1985, S. 489ff. (Mischtatbestand aus personen- und betriebsbedingten Kündigungsgründen, bei dem die betriebsbedingten Gründe überwogen/die entscheidende Ursache für die Kündigung bildeten); ähnlich BAG, Urt. v. 21. II. 1985, NZA 1986, S. 713;jüngst bestätigt in BAG, Urt. v. 06. II. 1997, NJW 1998, S. 1971ff.: Ein einheitlicher Kündigungssachverhalt sei ausschließlich einem der drei gesetzlich geregelten Kündigungstatbestände zuzuordnen; ausschlaggebend für die Zuordnung sei, aus welchem der im Gesetz genannten Bereiche die Störung des Arbeitsverhältnisses primär stamme. Anders liegt der Fall bei Kündigungen aufgrund mehrerer voneinander unabhängiger Kündigungssachverhalte, von denen möglicherweise jeder, nur einer oder gar keiner die Kündigung rechtfertigen kann. Die Überprüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung muß hier unter allen in Frage kommenden Gesichtspunkten, d. h. personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Aspekten überprüft werden; vgl. hierzu Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 255ff. sowie ebda. Hillebrecht, § 626 BGB, Rn. 12lc ff. 166 Oben unter bb), Fn. 142; Verweise auf diese Entscheidung bei Fitting/Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 19; Fitting/Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 179.
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erhöht noch vermehrt. Auch zur Bejahung einer Störung des Vertrauensverhältnisses genügt es nicht, daß der Arbeitnehmer Aufsichtsratspflichten mißachtet oder verletzt hat. Ergibt diese Prüfung, daß eine eigenständige Arbeitsvertragsverletzung nicht vorliegt, erübrigt sich die weitere Erörterung zulässiger arbeitsrechtlicher Sanktionen. Andernfalls soll in einem zweiten Schritt überprüft werden, ob sich die Handlung vielleicht trotz ihres doppelten Pflichtwidrigkeitscharakters schwerpunktmäßig als Verletzung von Amtspflichten darstellt und deshalb arbeitsvertragliche Sanktionen ausscheiden. Soweit ein solcher Schwerpunkt der Amtspflichtverletzung nicht zu erkennen ist, sondern die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten gleichrangige oder sogar überwiegende Bedeutung hat, kommen arbeitsvertragliche Sanktionen prinzipiell in Betracht. Die Zulässigkeit insbesondere einer Kündigung richtet sich fiir die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat dann wie für alle anderen Arbeitnehmer nach den allgemeinen Voraussetzungen (Abmahnungserfordernis, Zulässigkeit von Verdachtskündigungen usw., Kündigungsschutz nach KSchG sowie nach speziellen Schutzgesetzen). Hierzu können Lösungsmöglichkeiten nur angedeutet werden; eine abschließende Klärung zum Beispiel der Frage, ob und wann die Störung des Vertrauensverhältnisses aufgrundeines außerdienstlichen Verhaltens tatsächlich eine (am ehesten wohl personenbedingte) Kündigung rechtfertigt, ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. aa) Kriterien fiir die Feststellung des Pflichtwidrigkeitsschwerpunktes Für die Beurteilung des Pflichtwidrigkeitsschwerpunktes einer Handlung bieten die Abgrenzungskriterien, die die Vertreter der Simultan- bzw. Trennungstheorie jeweils fiir die Unzulässigkeit bestimmter Kündigungen entwikkelt haben, einen guten Ausgangspunkt. Nach der Simultantheorie soll neben der grundsätzlichen Vorrangigkeit gesellschaftsrechtlicher Sanktionen (insbesondere Abberufung und Schadensersatz) eine Kündigung ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn aufgrund der Pflichtwidrigkeit eine weitere arbeitsvertragliche Zusammenarbeit innerhalb des Betriebes unmöglich oder unzumutbar geworden ist167 ; gänzlich ausscheiden soll sie hingegen, wenn das unternehmensangehörige Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer seine Amtspflichten entschuldbar verletzt hat. 168 Zu167 So Fitting!K.aiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 179 sowie Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 20 und 21, allerdings einschränkend für schuldhafte Pflichtverletzungen. 168 So ausdrücklich BAG, Urt. v. 04. 04. 1974, AP Nr. 1 zu § 626 BGB ANVertreter im AR (4. Leitsatz sowie BI. 597); auch Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 20.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
rückhaltung hinsichtlich einer Kündigung sei auch dann geboten, wenn sich die Pflichtverletzung aus einer Lage erkläre, in die ein Arbeitnehmer nur infolge seines Aufsichtsratsamtes geraten 169 bzw. wenn entsprechendes Verhalten eines nicht dem Aufsichtsrat angehörenden Arbeitnehmers nicht vorstellbar oder aber rechtmäßig sei. Nur ein bewußter oder grob fahrlässiger Verstoß könne die außerordentliche oder ordentliche Kündigung rechtfertigen. 170 Nach der Trennungstheorie seien in untrennbarem Sachzusammenhang zur Amtstätigkeit stehende Pflichtwidrigkeiten 171 , bei denen das Schwergewicht im Verstoß gegen Amtspflichten liege bzw. das Amt als wesentliche Ursache für die Handlung erscheine 172, ausschließlich als Amtspflichtverletzungen zu behandeln. Auch sei zu überlegen, ob die betreffende Pflichtwidrigkeit für einen "gewöhnlichen Arbeitnehmer" eine Verletzung seiner arbeitsvertragliehen Pflichten bedeutet hätte 173 • Als weitere Abgrenzungkriterien zur Entscheidung hinsichtlich der Alternative 'Arbeitsvertragsverletzung' oder 'Amtspflichtwidrigkeit' sollen schließlich auch formelle Gesichtspunkte 174 (Auftreten als Amtsträger, Verwendung typischer Amtsmittel) sowie das eigene Rollenverständnis des Arbeitnehmervertreters bei der in Frage stehenden Handlung 175 berücksichtigt werden. Die Gegenüberstellung dieser Abgrenzungskritien fiihrt zu folgendem Ergebnis: (1) Die von der Simultantheorie propagierte Vorrangigkeif gesellschaftsrechtlicher Sanktionen trifft sich mit der Aussage der Trennungstheorie, daß
eine Handlung, die sich primär als Amtsverletzung darstelle, nur gesellschaftsrechtliche Rechtsfolgen auslösen könne.
169 Raiser, MitbestG, § 26, Rn. 10 sowie Dietz!Richardi, BetrVG, Anh. § 103, Rn. 13; auch Hanau in Hanau/Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 17 a. E. 170 Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 17 a. E.; dagegen Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 19: ' Aus dem Gesetz lasse sich der "besonders strenge Maßstab" nicht begründen.'. 171 Nandrup, AuR 1979, S. 16lff. (170): 'Zielsetzung; innerer Zusammenhang'; Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 17; auch Weber in NJW 1973, S. 787ff. (719) sowie Bieback in RdA 1978, S. 82ff. (88), beide für BRM. 172 Kittner!Trittin, Kündigungsschutzrecht, § 26 MitbestG, Rn. 16f. und ähnlich Kittner/Köstler/ Zachert, S. 290, Rn. 65lff.: 'mit der Amtspflichtverletzung notwendig eine Arbeitsvertragsverletzung verbunden?'; für BRM: Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (88). 173 Peter, BI StSozAR 1977, S. 257ff. (258, 260); Weber für BRM in NJW 1973, s. 787ff. (79lf.). 174 Naendrup, AuR 1979, S. 161ff. (170) sowie Bieback für BRM, RdA 1978, s. 82ff. (88). 175 Naendrup, AuR 1979, S. 161 ff. (170): 'Im übrigen seien solche Kriterien fallspezifisch zu gewinnen.'.
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(2) Die Frage der Vertreter der Simultantheorie, ob eine weitere arbeitsvertragliche Zusammenarbeit unmöglich oder unzumutbar geworden ist, wird nur dann zu bejahen sein, wenn eine gravierende Störung der arbeitsvertragliehen Sphäre vorliegt, etwa bei schwerwiegendem Vertrauensmißbrauch (Straftaten gegen den Arbeitgeber, Arbeitsbummelei unter dem bloßen Vorwand erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit) oder bei nachhaltiger Störung des betrieblichen Klimas (Anzettelung einer spontanen, rechtswidrigen Arbeitsniederlegung, Tätlichkeiten im Betrieb). Diese Fälle müßten allerdings wohl auch die Vertreter der Trennungstheorie als Arbeitsvertragsverletzungen einordnen, auf die mittels arbeitsrechtlicher Sanktionen reagiert werden darf; - nämlich unter Zugrundelegung ihrer Kriterien des arbeitsvertragsverletzenden Schwerpunktes der Handlung, des Fehlens des (untrennbaren, zwangsläufigen) Sachzusarnmenhanges zur Amtsstellung oder des Zusammenwirkens mit anderen Amtsträgem usw. Auch die hypothetische Zuweisung dieser Handlungen an gewöhnliche Arbeitnehmer würde verdeutlichen, daß solches Verhalten eine typische arbeitsvertragliche Pflichtwidrigkeit darstellt, die mit einer Kündigung zu beantworten die Vertreter der Trennungstheorie konsequentermaßen für zulässig halten müßten. (3) Unter dem recht unbestimmten Begriff der entschuldbaren Amtspflichtverletzungen, bei denen eine Kündigung nach der Simultantheorie ausgeschlossen sein solle, sind sicherlich nur leicht bzw. mittel fahrlässige Verletzungshandlungen zu verstehen. Ähnlich beschränkt Hanau als Anhänger der Simultantheorie die Kündigungsmöglichkeit auf bewußte bzw. grob fahrlässige Verstöße. Allerdings ist allein mit der Einschätzung, in welchem Maße die Amtspflichtverletzung dem Arbeitnehmer vorzuwerfen ist, keinerlei Aussage hinsichtlich der Zulässigkeit einer Kündigung wegen paralleler Arbeitsvertragsverletzungen getroffen. Auch die Vertreter der Simultantheorie gehen ja grundsätzlich von einer Trennung zwischen den Amts- und Arbeitsvertragspflichten aus. Liegt schon keine Arbeitsvertragsverletzung vor, so müßten sie schon allein deshalb Kündigungen für unzulässig halten; - genauso sähe das diesbezügliche Ergebnis der Anhänger der Trennungstheorie aus. Allenfalls läßt sich der Gedanke des Abgrenzungskriteriums der entschuldbaren Pflichtwidrigkeit so auslegen, daß zusätzlich zur Amtspflichtverletzung eine gleichermaßen entschuldbare, hier vemachlässigenswerte Arbeitsvertragsverletzung vorliegen könnte, die eine Kündigung nicht rechtfertigen würde. Die Vertreter der Trennungstheorie kämen über ihr Kriterium des Schwerpunktes der Handlung zum seihen Ergebnis. (4) Die Überlegung der Vertreter der Simultantheorie, inwieweit sich die pflichtwidrige Handlung des Arbeitnehmervertreters aus einer Lage ergibt, in die er nur infolge seines Amtes geraten ist, wird inhaltlich mit der Abwägung übereinstimmen, die die Anhänger der Trennungstheorie im Rahmen ihres Kriteriums 'wesentliche Ursache im Amt' bzw. 'Sachzusammenhang zum Amt' anstellen.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
(5) Schließlich heben Vertreter beider Theorien übereinstimmend darauf ab, inwieweit das Verhalten des Arbeitnehmervertreters, gedacht als das eines gewöhnlichen Arbeitnehmers ohne Aufsichtsratsmandat, für ihn eine Verletzung seiner arbeitsvertragliehen Pflichten darstellen würde.
Die Abgrenzungskriterien der Simultan- und Trennungstheorie stimmen also weitgehend überein. 176 Bei konsequenter Anwendung dieser Kriterien dürften sich trotz des unterschiedlichen Ansatzes beider Theorien kaum unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit einer Kündigung einstellen. Auch im Rahmen der Feststellung des Schwerpunktes der Pflichtwidrigkeit sollen sie daher Berücksichtigung finden. Zu ermitteln ist diesbezüglich also: 1. die wesentliche Ursache für die fragliche pflichtwidrige Handlung und der Sachzusammenhang zwischen der Aufsichtsratsstellung und der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten; Handelte der Arbeitnehmervertreter bewußt und gezielt im Rahmen seiner Amtsstellung und -befugnisse, oder wurde die Pflichtwidrigkeit nur bei Gelegenheit der Amtstätigkeit ohne die Absicht amtspflichtwidrigen Verhaltens begangen? Wäre eine Wiederholung des pflichtwidrigen Verhaltens ohne Aufsichtsratsmitgliedschaft denkbar? 2. die Be- oder Ausnutzung typischer Amtsmittel bei der fraglichen pflichtwidrigen Handlung bzw. das Empfmden eines objektiven Dritten hinsichtlich des Auftretens des Arbeitnehmervertreters; Trat der Arbeitnehmer offiziell als Aufsichtsratsmitglied bzw. in Erfüllung von Aufsichtsratspflichten auf; haftete seinem Verhalten vielleicht eine gewisse 'amtliche Autorität' an? Waren ihm die Amtsbefugnisse möglicherweise nur Mittel zum Zwecke anderweitiger pflichtwidriger Handlungen? 3. schließlich auch das eigene Rollenverständnis des Arbeitnehmervertreters in bezug auf die pflichtwidrige Handlung, soweit dieses glaubhaft und nachvollziebar dargelegt wird.
176 Hier zeigt sich einmal mehr, daß zwischen Simultan- und Trennungstheorie keine grundsätzlichen Unterschiede bestehen; so auch schon das BAG, Beschl. v. 22. 08. 1974, DB 1974, S. 2310ff. sowie Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 226, Rn. 251.
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bb) Analyse möglicher Pflichtwidrigkeiten der unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer Als relevanteste pflichtwidrige Handlungen, die jeweils Bezüge zur Aufsichtsratstätigkeitsowie zum arbeitsvertragliehen Verhältnis der Arbeitnehmer zur Gesellschaft aufweisen, können folgende Verhaltensweisen angesehen werden: •
im Rahmen der die Weitergabe geheimhaltungsbedürftiger, Aufsichtsratstätigkeit erlangter Informationen, eventuell verbunden mit unzutreffender Darstellung derselben;
•
Strafanzeigen gegen Vorstandsmitglieder/Arbeitgeber;
•
unzulässige Formen der Streikteilnahme;
•
das Entfernen vom Arbeitsplatz unter dem bloßen Vorwand erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit;
•
das Vortäuschen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit mit der Folge der Vernachlässigung von Aufsichtsratsaufgaben sowie der Nichterbringung der Arbeitsleistung;
•
Straftaten zu Lasten des Unternehmens/Arbeitgebers;
•
schließlich die politische Betätigung mit Bezug zum bzw. im Unternehmen.
Diese Handlungen sollen nachfolgend im Hinblick auf ihren Pflichtwidrigkeitsschwerpunkt erörtert werden. (1) Weitergabe geheimhaltungsbedürftiger, im Rahmen der AufSichtsratstätigkeit erlangter Informationen, eventuell verbunden mit unzutreffender Darstellung derselben in der Öffentlichkeit Die Öffentlichmachung von aufsichtsratsspezifischen geheimzuhaltenden Informationen und Daten zum Beispiel in einer Betriebsversammlung, einer Sitzung der gewerkschaftlichen Vertrauensleute des Betriebes oder einer Betriebsratssitzung stellt zunächst einen Verstoß gegen die amtliche Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsratsmitgliedes gemäߧ§ 116, 93 I S. 2 AktG dar. Auf eine ausdrückliche Bezeichnung der Tatsache als geheimhaltungsbedürftig oder auf einen Geheimhaltungswillen des Vorstandes kommt es dabei nicht an. Für die Informationspolitik nach außen ist grundsätzlich der Vorstand zuständig, § 78 I AktG. Damit ist der Aufsichtsrat bzw. sind einzelne seiner Mitglieder auch für den Fall, daß die Veröffentlichung solcher interner Daten geboten sein sollte, grundsätzlich nicht befugt, eine eigene Informati-
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4. Kap.: Kündigungsschutz
onsstrategie am Vorstand vorbei zu verwirklichen. Die Schwere einer solchen Amtspflichtverletzung hängt allerdings von zahlreichen Faktoren ab, zum Beispiel vom Vorliegen einer möglichen Konfliktlage, in der sowohl die Wahrung wie auch der Bruch der Verschwiegenheitspflicht zu Nachteilen oder Schäden für das Unternehmen führt, oder auch vom Verhalten des Vorstandes, der möglicherweise trotz Anlasses oder sogar entgegen seiner Pflicht zur Veröffentlichung bestimmter Fakten untätig bleibt. 177 (a) Überlagerung der Inhalte der amtlichen sowie der arbeitsvertragliehen Verschwiegenheitspflichten? Für die weitere Frage, ob in der Weitergabe solcher aufsichtsratsspezifischer Geheimnisse auch eine Arbeitsvertragsverletzung liegt, kommt es zunächst entscheidend darauf an, inwieweit der Arbeitnehmer das geheimzuhaltende Wissen ausschließlich in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied erworben hat oder bereits durch sein Arbeitsverhältnis und unabhängig vom Aufsichtsratsamt diesbezüglich Geheimnisträger ist. Typisches geheimzuhaltendes Aufsichtsratswissen erstreckt sich zum Beispiel auf beabsichtigte Umstrukturierungen, Unternehmenszusammenführungen oder Ausgliederungen, auch auf die Wettbewerbssituation und Ertragslage des Unternehmens sowie auf interne Unternehmenskennziffern. Diese (durch Berichte und Dokumentationen des Vorstandes erlangten) Informationen der Aufsichtsratsmitglieder weisen regelmäßig einen gesamtunternehmerischen Bezug auf und beschäftigen sich nicht mit einzelnen Arbeitsverhältnissen oder Detailfragen der betrieblichen Organisation. 178 Die amtliche Verschwiegenheitspflicht resultiert in erster Linie aus der Organstellung der Aufsichtsratsmitglieder; sie komplementiert deren Pflicht zu loyaler und treuer Amtsausübung. Demgegenüber ergeben sich Inhalt und Umfang der arbeitsvertragliehen Geheimhaltungspflicht aus der konkreten Arbeitsaufgabe und der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb. Jedem Arbeitnehmer obliegt praktisch eine eigene, speziell auf seine Tätigkeit ausgerichtete Geheimhaltung, die häufig - und je umfangreicher, desto genauer - im Arbeitsvertrag geregelt ist. Die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht dient in erster Linie der Fortsetzung und Fortsetzbarkeif des gegenseitigen arbeitsvertragliehen Leistungsaustausches. Ihr Schutzzweck besteht hauptsächlich darin, dem Arbeitgeber die eigene Verwertung von Forschungsergebnissen und die Erzielung von Wettbewerbs177 Vgl. z. B. Lutter/Krieger, § 3, li., Rn. 93ff. (insb. 102) sowie die Ausführungen oben im Drittes Kapitel unter I. 3. e), cc), (3). 178 Ebenso Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (90): 'rein tatsächlich nur selten Überschneidungen der betriebsverfassungsrechtlichen mit der arbeitsvertragliehen Geheimhaltungspflicht'.
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vorteilen zu ermöglichen. Außerdem sollen das Ansehen des Betriebes in der Öffentlichkeit nicht geschädigt sowie betriebsinterne Unruhen verhindert werden (zum Beispiel infolge der Bekanntgabe von Produktionskennziffern, die die Schließung einer unrentablen Betriebsabteilung unausweichlich erscheinen lassen). 179 Verbreitet der Arbeitnehmer geheimzuhaltende Unternehmensinterna, die er ausschließlich im Rahmen seiner Aufsichtsratstätigkeit erfahren hat, unberechtigt in der Öffentlichkeit, so wird dadurch der arbeitsvertragliche Leistungsaustausch nicht beeinträchtigt. Der Schutzzweck der arbeitsvertragliehen Verschwiegenheitspflicht ist nicht verletzt. Häufig dürften die Nutznießer eines solchen Verstoßes (Belegschaftsversarnmlung, Betriebsrat, Gewerkschaften) auch nicht mit denjenigen identisch sein, die typischerweise von einer Verletzung der arbeitsvertragliehen Verschwiegenheitspflicht profitieren (vor allem Konkurrenten, Gläubiger, zukünftige Vertragspartner). Allenfalls könnte man über eine Störung des arbeitsvertragliehen Vertrauensverhältnisses infolge der Weitergabe der Unternehmensinterna nachdenken. Die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat genießen aufgrund ihres Amtes zweifellos eine besondere Vertrauensstellung im Unternehmen. 180 Ihre Aufsichtsratsmitgliedschaft führt aber nicht dazu, daß sie nun im Arbeitsverhältnis höheren Anforderungen bezüglich tadellosen Verhaltens und strenger Selbstdisziplin unterliegen. Eine Störung des arbeitsvertragliehen Vertrauensverhältnisses aufgrund eines außer-arbeitsvertragliehen Verhaltens kann - wie bei allen anderen Arbeitnehmern auch- ausnahmsweise nur dann bejaht werden, wenn aufgrund dieses Verhaltens die Eignung des Arbeitnehmers für die vereinbarte Arbeitsleistung und damit die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, nunmehr fraglich erscheint. 181 Soweit dies nicht der Fall ist, fehlt es an einer Verletzung von Arbeitsvertragspflichten. 182 Damit sind arbeitsvertragliche Sanktionen, insbesondere Kündigungen, unzulässig.183
179 Zu den Einzelheiten der arbeitsvertragliehen Verschwiegenheitspflicht und zu den Konsequenzen eines diesbezüglichen Verstoßes z. B. Rillebrecht in GK-KSchG, § 626 BGB, Rn. 338; Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 469. 180 So Etzel in GK-KSchG, § 1 KSchG, Rn. 474. 181 So allgemein hinsichtlich außerdienstlichen Verhaltens Etzel in GK-KSchG, § 1 KSchG, Rn. 433; Wank in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, § 117, Rn. 88; Sowka, KSchG, § 1 Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 268ff., 343f., Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 130, II. 9. (S. 1176), allem. w. N. 182 Wie hier ausdrücklich Kittner/Trittin, Kündigungsschutzrecht, § 26 MitbestG, Rn. 17; anders BAG, Urt. v. 04. 04. 1974, AP Nr. I zu § 626 BGB AN-Vertreter im AR; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 19; Fitting!Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 179, die hier eine Arbeitsvertragsverletzung annehmen (würden). 183 Siehe b) sowie c) bb) (3).
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4. Kap.: Kündigungsschutz
Hat allerdings der Arbeitnehmer 184 unabhängig von der Amtstätigkeit auch in seinem Arbeitsverhältnis Kenntnis über Unternehmensinterna erlangt, die zugleich Gegenstand der amtlichen Verschwiegenheitspflicht sind, dann ist durch die unbefugte Weitergabe dieser Geheimnisse das arbeitsvertragliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls partiell in Mitleidenschaft gezogen. Insoweit erscheint es nicht unvertretbar, auch Arbeitsvertragspflichten als verletzt anzusehen. Die Frage, ob in dieser Arbeitsvertragsverletzung gemäß dem oben Ausgeführten der Schwerpunkt der Pflichtwidrigkeit liegt, hängt entscheidend von den äußeren und inneren Umständen des Einzelfalles ab: Nimmt der Arbeitnehmervertreter zum Beispiel an Betriebs- oder gewerkschaftlichen Versammlungen teil, und tritt er in seiner Funktion als Mitglied des Verwaltungsorganes Aufsichtsrat auf (etwa durch offizielle Ankündigung der Rede des "Mitgliedes des Aufsichtsrates"; durch eigenen Verweis auf sein Amt; durch "amtliche Kritik" am Vorstand; durch Verdeutlichung der Unternehmensbezogenheit der Aussagen usw.), dann ist sowohl sein Auftreten überhaupt als auch die Öffentlichmachung der Informationen durch seine Amtstätigkeit bedingt; die Aufsichtsratstätigkeit ist hier Ursache und Grundlage für diese Zuwiderhandlung.185 Auch spricht bei solchen Fallgestaltungen die Vermutung dafür, daß das Aufsichtsratsmitglied seinem Selbstverständnis nach nicht im Rahmen einer arbeitsvertragliehen Indiskretion, sondern in (allerdings pflichtverletzender) Ausübung amtlicher Befugnisse handelte. Ebenso dürfte sich das Geschehen aus der Sicht des sogenannten objektiven Empfängerhorizontes darstellen. Aufgrund dieses engen, untrennbaren Zusammenhanges der Pflichtwidrigkeit mit der Amtsstellung und der rein bzw. überwiegend amtlichen Motivation liegt hier eindeutig der Schwerpunkt in der Verletzung von Amtspflichten. Hierauf gestützte arbeitsrechtliche Sanktionen führten zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung der Aufsichtsrats-Arbeitnehmer gegenüber ihren amtlosen Arbeitskollegen, die nicht dem Risiko einer Kündigung infolge von Amtspflichtwidrigkeiten unterliegen. Auch wären diese Arbeitnehmervertreter gegenüber den anderen, nicht unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern benachteiligt, weil letztere wegen einer solchen Amtspflichtwidrigkeit lediglich mit gesellschaftsrechtlichen Sanktionen zu rechnen hätten. Folglich ist eine Kündigung in diesen Fällen gemäߧ§ 26 MitbestG, 78 BetrVG unzulässig.
184 Vor allem bei den Arbeitnehmervertretern in höheren bzw. leitenden Positionen im Betrieb; hierfür auch Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (90). 185 So auch im oben unter 3. b) bb) dargestellten BAG-Fall, BAG, Urt. v. 04. 04. 1974 (Fn. 142); wie hier kommt Hensche in seiner diesbezüglichen Urteilsanmerkung zum Ergebnis, daß keine Arbeitsvertragsverletzung vorliegt und allein aktienrechtliche Sanktionen zulässig sind, vgl. Hensche, AuR 1974, S. 383f.
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Steht die Indiskretion des Arbeitnehmervertreters allerdings in keinerlei äußerem Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit, etwa bei der unaufgeforderten Kundgabe geheimzuhaltender Informationen gegenüber Kollegen oder Außenstehenden, ohne daß dabei das Aufsichtsratsamt des Sprechers anklingt bzw. die Informationen ausdrücklich als Insiderwissen vorgestellt werden, dann kann die Aufsichtsratsstellung nicht als Auslöser, Ursache oder wenigstens Motivation für diese Handlung angesehen werden. Naheliegender erscheint es, daß die unbefugte Weitergabe der Geheimnisse aus falsch verstandener Solidarität mit der Belegschaft, aus Nachlässigkeit, Geltungsdrang, Wichtigtuerei oder sogar in vorsätzlicher Schädigungsabsicht erfolgte. Insoweit liegt jedenfalls eine schwerpunktmäßig amtspflichtwidrige Handlung nicht vor. Damit gebietet in diesen Fällen auch nicht der Amtsschutz der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG, daß diesbezüglich ausgesprochene arbeitsvertragliehe Sanktionen generell als unzulässig ausscheiden müssen. Allein die Tatsache, daß sich die Inhalte der amtlichen sowie arbeitsvertragliehen Geheimhaltungspflichten überschneiden, darf wegen des in §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG 186 auch enthaltenen Begünstigungsverbotes nicht dazu führen, daß Arbeitnehmervertretern in Fällen nicht gekündigt werden darf, in denen für alle anderen Arbeitnehmer eine Kündigung in Betracht käme (zum Beispiel wegen erwiesener fehlender persönlicher Eignung, wegen irreparabler Störung des Vertrauensverhältnisses). (b) Unzutreffende Weitergabe von Informationen Zur unbefugten Weitergabe von Geheimnissen kann hinzukommen, daß der Arbeitnehmer Unternehmensinterna unzutreffend darstellt. Erfolgt diese Verfälschung ohne Vorsatz, dann besteht der zusätzliche Vorwurf gegen den Arbeitnehmervertreter lediglich darin, sich nicht oder unrichtig informiert bzw. die relevanten Fakten unzutreffend eingeschätzt und reflektiert zu haben (wenn es nicht sogar an ausreichender Aufklärung und Information durch den Vorstand fehlte und dem Aufsichtsratsmitglied insoweit gar kein Vorwurf zu machen ist). Ausgangspunkt, Ursache und Motivation für diese "Verfehlung" ist einzig die Aufsichtsratstätigkeit Der eventuelle Sorgfaltspflichtverstoß bezieht sich ausschließlich auf die Amtssphäre und wirkt sich auch nur hier aus; arbeitsvertragliche Pflichten bleiben unberührt. Der Pflichtwidrigkeitsschwerpunkt liegt daher in der Amtspflichtverletzung. Anders im Fall der vorsätzlichen oder gar absichtlichen Verfälschung: Hier geht es nicht allein um fehlende Kenntnisse oder Qualifikation für die Aufsichtsratstätigkeit, sondern darum, daß bewußt zu Lasten oder sogar zum Schaden des Unternehmens bzw. Arbeitgebers die Unwahrheit verbreitet wird. 186 Zum (unausgesprochenen) Begünstigungsverbot nach§ 26 MitbestG schon oben, im Zweiten Kapitel, I. 2. b), cc) (Fn. 64).
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Eine solche (unter Umständen sogar strafbare 187) Handlungsweise ist nicht zwingend an die Aufsichtsratstätigkeit gebunden, auch wird hierfür eine rein amtliche Motivation kaum vorliegen. Die 'Autorität des Amtes' erhöht lediglich die Wirkung solcher Äußerungen. Ein wesentlicher Unterschied zu Sachverhalten, in denen Arbeitnehmer (ohne Aufsichtsratsmandat) in der Öffentlichkeit oder in der betrieblichen Sphäre bewußt unwahre, negative Dinge über den Arbeitgeber oder den Betrieb verbreiten, besteht allerdings nicht. Insgesamt betrachtet liegt der Schwerpunkt der Handlung hier in der Verletzung der arbeitsvertragliehen Nebenpflicht, den Betriebsfrieden nicht zu stören und das Ansehen des Unternehmens bzw. Arbeitgebers in der Belegschaft und in der Öffentlichkeit nicht herabzusetzen. 188 Arbeitsrechtliche Sanktionen in Beantwortung solches Verhaltens erscheinen daher nicht als ungerechtfertigte Schlechterstellung des Arbeitnehmers wegen seines Amtes, sondern als zulässige Reaktion des Arbeitgebers auf die vorsätzliche Störung des Arbeitsverhältnisses sowie des betrieblichen Friedens. 189 (2) Strafanzeigen gegen Vorstandsmitglieder/Arbeitgeber
Die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates und seiner Mitglieder gegenüber dem Vorstand hat die Überprüfung der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und nicht zuletzt der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung, also der Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften, zum Gegenstand. 190 Gegebenenfalls kann es dabei zur Pflicht des Aufsichtsrates werden, Vorstandsmitglieder wegen (vermuteten) strafrechtlich relevanten Tuns anzuzeigen. 191 Strafanzeigen, 187 Eventuell Straftat nach§§ 400 I Nr. l , 404 AktG, 82 II Nr. 2, 85 GmbHG, 147 II, 151 GenG. 188 So auch das BAG im Urt. v. 04. 04. 1974, BAG AP Nr. l zu§ 626 BGB ANVertreter im AR, BI. 598: 'Gegebenenfalls handelte das ARM der AN nicht in Wahrnehmung der ihm als Mitglied des AR obliegenden Aufgaben und Befugnisse, sondern vielmehr in Verletzung der arbeitsvertragliehen Pflichten.'. 189 Eine Ahmahnung kann u. U. sogar entbehrlich sein, da es sich hier um eine bereits eingetretene Störung im sog. Vertrauensbereich handelt (so auch das BAG, ehda.). Für die Zulässigkeit von außerordentlicher Kündigungen fur den Fall, daß der AN unrichtige Behauptungen über die wirtschaftliche und finanzielle Lage seines AG verbreitet, die geeignet sind, den AG zu schädigen, z. B. Hiliehrecht in GK-KSchG, § 626 BGB, Rn. 338. 190 Vgl. oben, Einleitung, 3. a); z. B. Lutter/Krieger, § 2, II. 2., Rn. 23. 191 Ähnlich Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 17: 'In Extremfällen kann nach Ausschöpfung aller möglichen gesellschaftsinternen Einwirkungsmöglichkeiten auch die Information der Öffentlichkeit bzw. der zuständigen Behörden durch das ARM geboten sein'. Außerdem könnten sich ARM durch "Stillhalten" sogar gleichfalls strafbar machen, z. B. wegen Vermögens- bzw. Umweltstraftaten durch Unterlassen oder wegen Beihilfe zu solchen Straftaten von VM durch Unterlassen; die ARM könnten hier die Stellung eines "Überwachergaranten" gegenüber strafbaren
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die allerdings auf bloßen Vermutungen beruhen oder ohne den Versuch einer Aufklärung, vielleicht sogar im Bewußtsein fehlender strafrechtlicher Relevanz des bezeichneten Verhaltens von Vorstandsmitgliedern gestellt werden, widersprechen der Pflicht des Aufsichtsratsmitgliedes, den Vorstand ordnungsgemäß (also objektiv und angemessen) zu kontrollieren und alles zu unterlassen, was dem Unternehmen schadet. Die Erstattung einer Strafanzeige gegen Vorstandsmitglieder wegen deren Geschäftsführungstätigkeit fällt prinzipiell in die Zuständigkeit des Aufsichtsrates als Gesamtorgan, der hierüber per Beschluß entscheidet. Aber auch dann, wenn einzelne Aufsichtsratsmitglieder Anzeige gegen Vorstandsmitglieder erstatten, handelt es sich um Streitigkeiten zwischen den Organen der Gesellschaft auf gesellschaftsrechtlicher Ebene. Ein diesbezüglich vorwertbares Verhalten von Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat resultiert einzig aus ihrer Amtsstellung und ist ohne ihre Aufsichtsratsmitgliedschaft nicht vorstellbar. Eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kommt überhaupt erst dann in Betracht, wenn die Strafanzeige des Arbeitnehmervertreters wenigstens auch der arbeitsrechtlichen Ebene entspringt, sich auf Rechtsgüter und Inhalte im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag bezieht oder auf den Arbeitgeber/Vorstand in seiner Eigenschaft als weisungsberechtigten Vorgesetzten bzw. Vertragspartner abzielt. Dies ist etwa der Fall bei Anzeigen gegen den ArbeitgeberNorstandsmitglieder bei der Steuerbehörde wegen Lohnsteuerhinterziehung, wegen Lohnveruntreuung einschließlich der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, wegen der Verletzung von Arbeitsschutz- oder Umweltschutzvorschriften sowie wegen Körperverletzungen im Dienst durch Zurverfügungstellung mangelhafter Arbeitsgeräte. Hier fragt sich allerdings, inwieweit eine - unter Umständen sogar berechtigte - Strafanzeige überhaupt als eine Verletzung der arbeitsvertragliehen Pflichten (nämlich der Treuepflicht) angesehen werden kann. Teilweise wird in der Literatur vertreten, daß 'eine Anzeige des Arbeitnehmers bei staatlichen Ermittlungsbehörden gegen einen gesetzwidrig (!) handelnden Arbeitgeber einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht zuvor versucht hat, den Arbeitgeber von seiner Handlungsweise durch entsprechende Hinweise und Vorbehalte abzubringen' 192 • Sicherlich geHandlungen von VM einnehmen und eine Erfolgsabwendungspflicht im Sinne des § 13 StGB haben. 192 So Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn 411 mit Verweis auf ältere gleichlautende gerichtliche Entscheidungen, so z. B. des BAG, Urt. v. 05. 02. 1959, AP Nr. 2 zu § 70 HGB (sogar für Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung bei Anzeige gegen gesetzwidrig handelnden AG), des LAG Berlin, Urt. v. 25. 11. 1960, DB 1961, S. 576 sowie etwas differenzierender LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 29. 06. 1964, DB 1964, S. 1451 (Unterscheidung nach Anzeige wegen Offizial- oder Privatklagedeliktes). Rillebrecht in GK-KSchG, § 626 BGB, Rn. 302; Sowka, KSchG, § I Verhaltens-
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hört es zum Inhalt der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers, den nichtsahnenden bzw. unbewußt gesetzwidrig handelnden Arbeitgeber auf die Gesetzesverletzung hinzuweisen und so zur Schadensvermeidung bzw. -minderung beizutragen. 193 Für den Fall allerdings, daß der Arbeitgeber selbst vorsätzlich gesetzwidrig handelt, kann dem Arbeitnehmer nicht die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vorgeworfen werden, wenn er diesem gesetzwidrigen Tun durch eine Anzeige bei den entsprechenden staatlichen Stellen ein Ende bereiten will. Andernfalls setzte sich das Arbeitsrecht durch diese Überhöhung der Treuepflichtbindung des Arbeitnehmers in Widerspruch zur gesamten Rechtsordnung. 194 Eine sachlich richtige, damit dem Interesse der Allgemeinheit und der Erhaltung der Rechtsordnung dienende sowie der moralischen Verantwortung entsprechende Strafanzeige gegen gesetzwidrig handelnde Arbeitgeber kann niemals als verhaltensbedingter, also vorwerjbarer Grund eine Kündigung rechtfertigen, darf niemals eine Rechtsfolge auslösen, die als Sanktion for Pflichtwidrigkeiten gedacht ist. 195 Mangels (paralleler) Arbeitsvertragsverletzung scheidet eine Kündigung in Entsprechung zu oben (2.) aus. Allenfalls könnte eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses einschließlich Abfindungszahlung nach § 9 I KSchG in Betracht kommen, wenn aufgrund zerrütteter menschlicher Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (mit Aufsichtsratsmandat) eine weitere ordentliche Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist. bedingte Kündigung, Rn. 306ff. und ebenso Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 130, II. 5. (S. 1174) argumentieren sogar mit der Verschwiegenheitspflicht des AN: diese dürfte er nur zum Schutz höherrangiger Rechtsgüter (z. B. Leben, Gesundheit von Menschen) verletzen oder wenn er sich durch Nichtanzeige selbst strafbar macht. Berkowsky in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, § 133, Rn. l27ff., bejaht grundsätzlich die Pflicht des AN zum vorherigen Gespräch mit dem AG und differenziert hinsichtlich der nachfolgenden Berechtigung zur Anzeige danach, inwieweit andere Personen vom strafbaren Tun des AG betroffen sind. 193 Zur diesbezüglichen Interessenwahrungs- und Schadensabwendungspflicht des AN gegenüber dem AG Preis/Reinfeld, AuR 1989, S. 36lff. 194 Ebenso Preis/Reinfeld, AuR 1989, S. 36lff. 195 Etzel in GK-KSchG, § l KSchG, Rn. 411, schränkt seine These später selbst fiir den Fall ein, daß der AN ohne vorherige Mitteilung an den AG zur Einschaltung von staatlichen Ermittlungsbehörden berechtigt sei (fiir diesen Fall soll wohl die Kündigung unzulässig sein, ?), wenn er Kenntnis von Straftaten erlangt, durch deren Nichtanzeige er sich selbst strafbar machte. Wie hier Wank in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, § 117, Rn. 71 fiir die außerordentliche Kündigung; Preis/Reinfeld, AuR 1989, S. 361 ff. (Keine Treuepflicht des AN, die ihn zur Duldung rechtswidriger Praktiken zwingt.); ähnlich Schwerdtner in Münchener Komm. zum BGB, § 626, Rn. 84 und insb. 85 sowie aus der Rspr. LAG Frankfurt, Urt. v. 12. 02. 1987, DB 1987, S. 1696 (außerordentliche Kündigung nur bei völlig haltlosen und unfundierten Vorwürfen aus verwerflichen Motiven) sowie LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 03. 02. 1987, NZA 1987, S. 756f. (weder außerordentliche noch ordentliche Kündigung infolge Anzeige); differenzierend danach, inwieweit andere Personen vom strafbaren Tun des AG betroffen sind, Berkowsky, ebda., in§ 133, Rn. 126ff.
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An arbeitsvertragliche Sanktionen, insbesondere eine verhaltensbedingte Kündigung, kann folglich erst dann gedacht werden, wenn der Arbeitnehmervertreter ohne ausreichende Tatsachengrundlage "in's Blaue" hinein oder sogar wider besseres Wissen eine Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden, Gewerbeaufsichtsämtern, Finanzämtern usw. gegen seinen Arbeitgeber erstattet und dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört worden ist. 196 Schließlich können unzutreffende Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber/gegen Vorstandsmitglieder bezüglich deren außerdienstlichen, privaten Verhaltens, etwa wegen einer privaten Trunkenheitsfahrt, wegen Körperverletzung oder Beleidigung, ebenfalls als Verletzung der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft anzusehen sein: Immerhin gebietet die allgemeine Treuepflicht den Aufsichtsratsmitgliedern, auch außerhalb der Amtstätigkeit allgemein auf die Belange des Unternehmens und der fiir die Gesellschaft handelnden Organmitglieder Rücksicht zu nehmen und diese nicht über das Maß dessen zu beeinträchtigen, was zur berechtigten Wahmahme eigener Interessen unvermeidlich ist. 197 Eine schuldhafte, also vorwerjbare unberechtigte Strafanzeige gegen Repräsentanten der Gesellschaft schädigt deren Ansehen und Ruf und damit zugleich die Reputation der Gesellschaft. Daneben werden solche unberechtigten Strafanzeigen auch nicht gänzlich ohne Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmervertreters zur Gesellschaft bleiben, insbesondere dann, wenn das angezeigte Vorstandsmitglied konkret Arbeitgeberfunktionen gegenüber dem Arbeitnehmervertreter ausübt. Ob sich die arbeitsvertragliche Beziehung jetzt noch sinnvoll fortsetzen läßt, ist im Einzelfall zu entscheiden. Die Vorschriften der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG erlangen in diesen Fallgestaltungen jedenfalls keine eigenständige Bedeutung im Sinne eines speziellen Kündigungsschutzes; - die Aufsichtsratsstellung des Arbeitnehmers ist weder Ursache, Auslöser oder Motivation fiir das ihm vorzuwerfende Verhalten, noch kommt es fiir den Pflichtwidrigkeitsvorwurf überhaupt auf seine Aufsichtsratsstellung an. 198
1% So auch LAG Frankfurt, Urt. v. 12. 02. 1987, DB 1987, S. 1696; Berkowsky in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, § 133, Rn. 126 sowie ebda. Wank, § 117, Rn. 71; Schwerdtner in Münchener Komm. zum BGB, § 626, Rn. 84f; Preis!Reinfe1d, AuR 1989, S. 361ff. (369ff.): 'Kriterien der Entbehrlichkeit der Ahmahnung können entsprechend herangezogen werden fiir die Entbehrlichkeit der Anzeige gegenüber dem AG; Etze1 in GK-KSchG, § 1 KSchG, Rn. 412 sowie ebda. Hillebrecht, § 626 BGB, Rn. 302; Sowka, KSchG, § 1 Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 306. 197 Vgl. ausführlich oben, 3. Kapitel, I. 2. c). 198Ähnlich Sowka, KSchG, § 1 Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 307; i. E. auch Rillebrecht in GK-KSchG, § 626 BGB, Rn. 302. 17 Jacklofsky
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(3) Unzulässige Formen der Streikteilnahme (a) Überschreitung der zulässigen Grenzen der Streikbeteiligung Aufgrund ihrer organschaftliehen Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber unterliegen die Arbeitnehmervertreter gewissen Einschränkungen hinsichtlich der Ausübung ihres arbeitnehmertypischen Rechts auf Streikteilnahme. 199 Bei der Übernahme des Amtes haben sie dies und gleichfalls die möglichen gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen einer entsprechenden Zuwiderhandlung akzeptiert. Diese Treuepflichtbindung besteht allerdings nur gegenüber der Gesellschaft auf organschaftlicher Ebene. Das Recht der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat zur Streikteilnahme ist damit nicht generell und nicht mit umfassender Wirkung eingeschränkt, sondern nur in bezug auf ihre Aufsichtsratsstellung (eine Art relative Beschränkung des Streikrechts). Im Arbeitsverhältnis sind sie genau wie alle anderen Arbeitnehmer innerhalb der allgemeinen Grenzen der individuellen Koalitionsfreiheit (zum Beispiel der Unzulässigkeit strafrechtlich relevanter Streikhandlungen bzw. eines Vernichtungsstreikes) zur Teilnahme am rechtmäßigen Streikgeschehen berechtigt. Dies schließt - unabhängig von einer Amtspflichtwidrigkeit der Handlung - die Übernahme führender Positionen im Streik ein. Die Tatsache, daß die Arbeitnehmervertreter unter Umständen Vorteile und Mittel zur Beeinflussung des Streikgeschehens einsetzen, die ihnen aufgrund ihrer Aufsichtsratstätigkeit zur Verfügung stehen, könnte im übrigen noch unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Kampfparität in Frage stehen (zum Beispiel, wenn Arbeitnehmervertreter als "gewerkschaftliche Vorkämpfer" auftreten und ihr Aufsichtsratsmandat und -wissen für die gewerkschaftliche Kampftaktik einsetzen).200 Als mögliche Konsequenzen kämen allerdings lediglich Unterlassungsansprüche gegen die Gewerkschaft sowie gesellschaftsrechtliche Sanktionen gegen das treuwidrig handelnde Aufsichtsratsmitglied in Betracht; eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, auch der fortbestehenden Nebenpflichten gegenüber dem Arbeitgeber, läge hiermit nicht vor. Folglich scheiden arbeitsvertragliche Sanktionen aus?01
3. Kapitel, I. 2., insbesondere c) und e). Ähnlich Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 140. 201 So wohl auch Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 141ff.; für BRM Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (92ff.); allgemein zur - unbestrittenen - Unzulässigkeit einer (ordentlichen wie außerordentlichen) Kündigung wegen der Teilnahme an rechtmäßigen Streiks z. B. Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 413 sowie Hiliehrecht in GK-KSchG, § 626 BGB, Rn. 305; Wank in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, § 117, Rn. 62; Sowka, KSchG, § l Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 315, alle mit zahlreichen Nachweisen. 199
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(b) Teilnahme an rechtswidrigen Streiks Nehmen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer an rechtswidrigen Streiks im Unternehmen teil, so handeln sie nicht im Rahmen ihrer nach Art. 9 III GG verfassungsrechtlich gewährleisteten individuellen Koalitionsbetätigungsfreiheit und können sich auch nicht darauf berufen, daß sie in zulässiger Wahrnehmung eigener privater Interessen gehandelt hätten. Werden darüber hinaus aktuell anstehende Aufsichtsratsaufgaben (zum Beispiel Sitzungsteilnahme, Vorbereitung auf Beschlußfassungen usw.) vernachlässigt, so tritt zu der ohnehin schon vorliegenden Verletzung der allgemeinen amtlichen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft eine Verletzung der Pflicht zu gewissenhafter und sorgfaltiger Aufsichtsratstätigkeit hinzu. 202 Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellt die Teilnahme an rechtswidrigen Streiks eine Arbeitsvertragsverletzung dar, weil trotz bestehender (nicht suspendierter) Arbeitspflicht die geschuldete Arbeitsleistung vorsätzlich nicht erbracht wird. Mögliche Konsequenzen einer solchen positiven Forderungsverletzung des Arbeitnehmers sind zum einen Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers203. Zum anderen kommen eine Ahmahnung (schon für eine rein objektiv vorliegende Pflichtverletzung ohne Rücksicht auf eventuelle Irrtümer zulässig) sowie anschließend eine außerordentliche bzw. verhaltensbedingte ordentliche Kündigung wegen fortwährender Arbeitsverweigerung in Betracht.204 Der Fakt, daß der streikende Arbeitnehmer außerdem Aufsichtsratsmitglied ist, ändert hieran nichts. Gleiches gilt auch fiir den Fall, daß der Arbeitnehmervertreter eigentlich zum Zwecke der Vornahme erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit von der Arbeit freigestellt ist, während dieser Zeit aber am rechtswidrigen Streik teilnimmt: Kommt er in der Zeit der Freistellung seinen Amtspflichten nicht nach, so fehlt es an einer Rechtfertigung für die Freistellung. Die Pflicht zur Arbeitsleistung besteht folglich fort, und der Arbeitnehmervertreter verletzt diese durch die unberechtigte Niederlegung der Arbeit zum Zwecke der Beteiligung am (rechtswidrigen) Streik.
Vgl. oben, 3. Kapitel, li. Allerdings abhängig vom Verschulden des AN; insoweit sind hier eventuelle Rechtsirrtümer des AN hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Streikes zu berücksichtigen. 204 Dies entspricht ganz h. M., vgl. nur BAG, Urt. v. 21. 10. 1969, AP Nr. 41 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Hiliehrecht in GK-KSchG, § 626 8GB, Rn. 305; Sowka, KSchG, § 1 Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 315, Wank in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, § 117, Rn. 62; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 125, VII. 7. (S. ll35f.); alle weisen an gleicher Stelle allerdings auch darauf hin, daß zugunsten des AN u. U. ein unvermeidbarer Rechtsirrtum über die Rechtmäßigkeit des Streikes vorgelegen haben könnte (vor allem, wenn der rechtswidrige Streik gewerkschaftlich geführt war), aufgrund dessen die Arbeitsvertragsverletzung nicht so schwer wiegt, als daß eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zurnutbar wäre. 202 203
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Die Teilnahme von Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat an rechtswidrigen Streiks im Unternehmen stellt also sowohl eine Amtspflicht- als auch Arbeitsvertragsverletzung dar. Die Streikbeteiligung wird allerdings in den seltensten Fällen durch die Amtsstellung der Arbeitnehmer hervorgerufen, bedingt oder wesentlich durch sie motiviert sein. Vielmehr werden sich die Arbeitnehmervertreter aus Solidaritätsempfinden gegenüber der streikenden Belegschaft und/oder eigener Unzufriedenheit mit den betrieblichen Verhältnissen bzw. ihren Arbeitsbedingungen am Streik beteiligt haben. Dann könnte ihre Aufsichtsratsmitgliedschaft auch völlig hinweggedacht werden, ohne daß sich an Art und Umfang der Arbeitsvertragsverletzung etwas änderte. Auch für einen objektiven Beobachter wird sich die Streikteilnahme des Arbeitnehmervertreters hinsichtlich ihres arbeitsvertragswidrigen Gehaltes genauso darstellen wie die jedes anderen mitstreikenden Arbeitnehmers ohne Amt. Im übrigen handelt es sich hierbei um eine vorsätzliche Verletzung der arbeitsvertragliehen Hauptpflicht durch den Arbeitnehmervertreter. Von einem schwerpunktmäßig amtspflichtwidrigem Verhalten kann somit keine Rede sein. Vielmehr hat der arbeitsvertragsverletzende Gehalt solcher Handlungen mindestens gleichen, wenn nicht höheren Rang als das Element der Amtspflichtverletzung. Arbeitsrechtliche Sanktionen sind daher grundsätzlich wie bei allen anderen Arbeitnehmern, die sich am rechtswidrigen Streik beteiligt haben, zulässig. Die Aufsichtsratsstellung von Arbeitnehmern darf sich nach dem Benachteiligungs- sowie Begünstigungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG hierauf in keiner Weise auswirken: Danach ist einerseits eine arbeitskampfbedingte Entlassung lediglich der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat unzulässig, da diese sich offensichtlich auf die Amtsstellung als schulderhöhendes Element stützte. Andererseits stellt es auch einen Verstoß gegen das Begünstigungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG dar, wenn die streikenden Arbeitnehmervertreter generell von arbeitsrechtlichen Sanktionen ausgenommen blieben. Der amtsbezogene Schutz nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG hat nicht zum Ziel, die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat gegenüber ihren Arbeitskollegen hinsichtlich arbeitsvertraglicher Sanktionen zu privilegieren.205
205 Im Ergebnis ebenso Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 21; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 24 (der gleichzeitige Amtspflichtverletzung sogar ausschließt); Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 141; Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 181; Kraft in GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 132; wohl auch Kittner/Köstler/Zachert, S. 295, Rn. 667; unentschieden Fitting!Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. l20f.
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(4) Entfernen vom Arbeitsplatz unter dem bloßen Vorwand erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit Das Privileg der Befreiung der Arbeitnehmer von ihrer Arbeitspflicht zum Zwecke der Vomahme erforderlicher Aufsichtsratstätigkeit dient dazu, eine effektive, störungsfreie Aufsichtsratstätigkeit im allgemeinen und die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat im besonderen sicherzustellen. Aus der Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft zu ordentlicher und gewissenhafter Aufsichtsratstätigkeit gemäß §§ 116, 93 I AktG resultiert für die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auch, solche Arbeitsbefreiungen gewissenhaft und zweckentsprechend in Anspruch zu nehmen. Die rechtsmißbräuchliche Ausnutzung dieses speziellen Freistellungsprivilegs, um private Vorteile zu erlangen, stellt daher wie jeder andere Mißbrauch von Amtsprivilegien eine Amtspflichtverletzung dar. In arbeitsrechtlicher Hinsicht erweckt der Arbeitnehmervertreter mit dem Hinweis auf erforderliche Aufsichtsratstätigkeit beim Arbeitgeber den Eindruck eines berechtigten Arbeitsversäumnisses, ohne daß tatsächlich die Voraussetzungen für das Entfallen der Arbeitspflicht vorliegen. Insoweit liegt eine Arbeitsvertragsverletzung schon darin, daß der Arbeitnehmervertreter vorsätzlich und unberechtigt seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht nicht erfüllt. Außerdem hat er den Arbeitgeber arglistig über das Eingreifen eines Befreiungstatbestandes getäuscht. Dies ist als gravierende Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber anzusehen, aufgrund derer das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter schwerwiegend geschädigt sein dürfte. Der Beweggrund des Arbeitnehmervertreters für solches Tun wird kaum darin bestehen, prinzipiell seine Amtsprivilegien zu mißbrauchen. Vielmehr wird sein Interesse darauf gerichtet sein, für einen konkreten Zeitraum von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit zu sein. Ohne die Aufsichtsratsstellung des Arbeitnehmers wäre es zwar möglicherweise nicht zu einer solchen Täuschung gekommen, eventuell hätte der Arbeitnehmer überhaupt keine Arbeitsbefreiung vorgetäuscht und sich in diesem Falle keiner Arbeitsvertragsverletzung schuldig gemacht. Das Bestehen eines Freistellungsprivileges ist daher schon eine nicht hinwegzudenkende Bedingung für die Pflichtwidrigkeit Allerdings kommt es nicht entscheidend darauf an, daß ein solches aufsichtsratsspezifisches Freistellungsprivileg besteht; - inhaltlich derselbe Fall arbeitsvertragsverletzenden Verhaltens wäre vorstellbar für den Mißbrauch tarifvertraglieber oder gesetzlicher Freistellungsregeln (§§ 616, 629 8GB; § 3 EntgeltfortzG). Im Kern geht es in allen diesen Fällen um die Erlangung unberechtigter persönlicher Vorteile zu Lasten des Arbeitgebers. Dadurch wird das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis vorsätzlich gestört und das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter gravierend er-
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schüttert, wenn nicht zerstört. 206 Der zufallige Zusammenhang dieser Arbeitsvertragsverletzung mit der Aufsichtsratsstellung des Arbeitnehmers schließt wegen des Begünstigungsverbotes gemäß §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG arbeitsrechtliche Sanktionen207 nicht aus. 208 (5) Vortäuschen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit mit der Folge der Vernachlässigung der Aufsichtsratsaufgaben sowie der Nichterbringung der Arbeitsleistung
Ähnlich wie oben, ((4)), liegt in der vorsätzlichen Nichterfüllung der anstehenden Aufsichtsratsaufgaben - ob durch einfaches Nichterscheinen bei Sitzungen bzw. sonstige Untätigkeit oder unter Vortäuschung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfahigkeit - zum einen eine Verletzung der Pflicht, das Aufsichtsratsamt ordentlich und gewissenhaft zu führen. Zum anderen werden durch das Vortäuschen krankheitsbedingter Arbeitsunfahigkeit die arbeitsvertragliche Hauptpflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung sowie die Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber vorsätzlich verletzt. Ausgangspunkt und auch Zielrichtung eines solchen Verhaltens ist das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmervertreter bezweckt mit seiner Täuschung über die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 I EntgeltfortzG, der Pflicht zur Arbeitsleistung ohne Lohnabzug209 zu entgehen. Anders als im vorherigen Fall ((4)) kann hier die Aufsichtsratsstellung hinsichtlich des arbeitsvertragswidrigen Verhaltens völlig hinweggedacht werden; sie ist nicht einmal eine notwendige Bedingung für solches Fehlverhalten. Die gleichzeitige Vernachlässigung der Pflichten aus
206 Dafür, daß das Erschleichen von Arbeitsbefreiungen den AG regelmäßig zu einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung berechtigt, ausdrücklich Etzel in GKKSchG, § I KSchG, Rn. 424; ebenso LAG Düsseldorf, Urt. v. 27. 10. 1960, BB 1961, S. 678 (Erschleichung einer Arbeitsbefreiung, um einer nebenberuflichen Tätigkeit nachzugehen, rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung). Wie hier für BRM ausdrücklich Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 25. 207 Ahmahnung u. U. wegen der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses entbehrlich. 208 Anders Bieback für BRM, RdA 1978, S. 82fT. (88) in Verkennung der vorsätzlichen Störung des Arbeitsverhältnisses sowie Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 230, Rn. 257, der es für den Ausschluß jeglicher arbeitsvertraglicher Sanktionen ausreichen lassen will, daß die pflichtwidrige Handlung in irgendeiner Weise mit dem Amt zusammenhängt. Dann könnten BRM bzw. ARM allein durch Betonung des Amtszusammenhanges arbeitsrechtlich sanktionsfrei ihre fortbestehenden Arbeitsvertragspflichten verletzen; - was, wenn nicht dies wäre eine ungerechtfertigte Bevorzugung allein wegen der Amtsstellung? 209 80%ige Entgeltfortzahlung nach § 4 I EntgeltfortzG mit Wirkung vom 01. 01. 1999 rückgängig gemacht.
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dem Aufsichtsratsamt stellt lediglich eine - unter Umständen nicht einmal beabsichtigte, aber jedenfalls in Kauf genommene - Nebenfolge dar. Aufgrund dieses hervorstechenden arbeitsrechtlichen Schwerpunktes sind arbeitsrechtliche Sanktionen (unabhängig von eventuellen gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen) generell zulässig. 210 (6) Straftaten zu Lasten des Unternehmens/Arbeitgebers (a) Straftaten ohne äußeren Amtsbezug Straftaten eines Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis bzw. im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis (zum Beispiel Unterschlagung, Untreue, Diebstahl und Betrug, aber auch Beleidigungen, Körperverletzungen und vorsätzliche Sachbeschädigungen gegenüber dem Arbeitgeber) berechtigen den Arbeitgeber unstreitig zu arbeitsvertragliehen Sanktionen, insbesondere auch zur außerordentlichen Kündigung, für die es im Regelfall keiner Ahmahnung bedarf. 211 Die Tatsache, daß der Arbeitnehmer zusätzlich Aufsichtsratsmitglied ist, hat nur Bedeutung für parallel in Betracht kommende gesellschaftsrechtliche Sanktionen: Mit außerdienstlichem strafbarem Tun zu Lasten ihres Unternehmens verletzen Aufsichtsratsmitglieder in gröbster Weise ihre allgemeine Pflicht zur Wahrung der Untemehmensbelange212 ; - eine 'berechtigte Wahrnehmung eigener Interessen' liegt in strafbarem Verhalten niemals. Aufgrund der gleichberechtigt nebeneinander stehenden Amtspflicht- sowie Arbeitsver-
210 Daß aufgrund des Vortäuschens einer krankheitsbedingten Arbeitsunfahigkeit eine Kündigung zulässig ist, entspricht ganz h. M.; so BAG, Urt. v. 26. 08. 1993, NZA 1994, S. 63ff.: (Nebentätigkeit während ärztlich attestierter Arbeitsunfahigkeit rechtfertigt zu außerordentlicher Kündigung auch ohne Abmahnung). Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 464 und Berkowsky in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, Rn. ISS befürworten, daß teilweise der bloße Verdacht der Simulation einer krankheitsbedingten Arbeitsunfahigkeit eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung rechtfertigen kann, als "Verdachtskündigung". Schaub, Arbeitsrechts- Handbuch, § 130, II. 8. (S. 117S), läßt ohne nähere Begründung nur ordentliche Kündigungen zu. 211 Allgemein fiir Straftaten des AN zu Lasten des AG als zulässigem Kündigungsgrund BAG, Urt. v. 17. OS. 1984, AP Nr. 14 zu§ 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung= NZA 198S, S. 9lf. = DB 1984, S. 2702f. (ein Stück Kuchen); BAG, Urt. v. 20. 09. 1984, AP Nr. 80 zu§ 626 BGB = NZA 1985, S. 286ff. = DB 1985, S. 6SSff. (drei Kiwifrüchte); Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 130, II. 34. (S. 1185f.); Wank in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, § 117, Rn. 77 sowie Berkowsky, ebda., § 133, Rn. l6lff.; Sowka, KSchG, § I Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 402f. 212 Vgl. oben, Drittes Kapitel, I. 2. c).
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tragsverletzung sind Sanktionen aus beiden Sphären (gesellschaftsrechtliche sowie arbeitsrechtliche) zulässig. 213 (b) Straftaten im Zusammenhang mit der Amtstätigkeit Als Straftaten eines Arbeitnehmervertreters zu Lasten des Unternehmens/der Gesellschaft, die im Zusammenhang mit seiner Aufsichtsratstätigkeit stehen, kommen vor allem das Inrechnungstellen nicht getätigter Aufwendungen fiir Aufsichtsratsarbeit (Spesenbetrug), die Veruntreuung bzw. Unterschlagung von Amts wegen anvertrauter Geldbeträge sowie die Annahme von Schmiergeldern für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten in Betracht. In diesen Fällen mißbraucht der Arbeitnehmervertreter die ihmkraftseines Amtes gegebenen Zugriffsmöglichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen bzw. seine Einflußmöglichkeiten als Aufsichtsratsmitglied, um sich unter vorsätzlicher Schädigung der Gesellschaft bzw. ohne Rücksicht auf etwaige Schäden zu bereichern. Damit verletzt er in gröbster Weise die Treue- und Loyalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft, deren allgemeinster Inhalt darin besteht, die Gesellschaft nicht vorsätzlich zu schädigen und die Amtsbefugnisse nicht rechtsmißbräuchlich einzusetzen. Ein Bezug zwischen solchem außer-arbeitsvertragliehen strafbaren Verhalten und dem konkreten Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmervertreters besteht zunächst nicht: Letzteres ist weder Ausgangs- noch Zielpunkt Dem Arbeitnehmervertreter wird es nicht auf die Unterwanderung bzw. Befreiung von (unangenehmen) arbeitsvertragliehen Pflichten ankommen, und der Austausch der gegenseitigen Hauptleistungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter ist jedenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt.214 Dennoch kann auch außervertragliches Verhalten eines Arbeitnehmers (mit oder ohne Aufsichtsratsamt) zu konkreten, nachweisbaren Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses führen. 215 Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer Straftaten in der Freizeit begeht, die einen Bezug zu seiner konkreten Arbeitsaufgabe bzw. seinem Arbeitsgebiet aufweisen. Die strafrechtliche Verur-
So auch ausdrücklich, allerdings für BRM, Wiese in GK-BetrVG, § 23, Rn. 25. Für den vergleichbaren Fall bei BRM lehnt Bieback, RdA 1978, S. 82ff. (89f.), eine Störung des Arbeitsvertragsverhältnisses ab. Schwerdtner, Arbeitsrecht I, S. 230, Rn. 257, stellt für BRM auf das äußere Erscheinungsbild ab und nimmt bei Amtszusammenhang- sei es auch in Form eines Amtsmißbrauches-lediglich das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung an. 215 Hierzu Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 433 u. 474ff. mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen des BAG sowie Rillebrecht in GK-KSchG, § 626 BGB, Rn. 309; Wank in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, § 117, Rn. 88; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 130, II. 9. (S. 1176) sowie § 125, VII. II. (S. 1136); Sowka, KSchG, § I Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 343 und 405. 213 214
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teilungeines Berufskraftfahres wegen privater Trunkenheit am Steuer216 wirkt sich zweifellos vertrauensschädigend in seinem Arbeitsverhältnis aus. Die Fortsetzbarkeit der Arbeitsverhältnisse eines Kassierers, Bankangestellten oder Buchhalters steht in Frage, wenn diese Arbeitnehmer sich wegen vermögensschädigender Handlungen (wie Betrug, Untreue, Unterschlagung usw.) zu Lasten Dritte~ 17 strafbar gemacht haben. Genauso kann infolge der Straftat eines Arbeitnehmervertreters gegen das eigene Unternehmens die Grundlage für eine weitere Beschäftigung desselben im Betrieb bzw. Unternehmen entfallen sein, da sich nunmehr dessen fehlende persönliche bzw. charakterliche Eignung erwiesen hat. Schließlich wirken sich Straftaten von Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat zu Lasten des Unternehmens unmittelbar vermögensschädigend auf die Gesellschaft aus, die ihnen gegenüber Arbeitgeber ist. Diesbezüglich können sich die Arbeitnehmervertreter nicht darauf berufen, daß sich ihre Handlung lediglich gegen die Gesellschaft als Partner ihres Anstellungsverhältnisses richtete: Ihnen muß bei solchen Handlungen jedenfalls bewußt sein, daß sich die Schädigung der Gesellschaft in der Amtssphäre eben nicht nur auf die gesellschaftsrechtliche Ebene beschränkt, sondern sich auf alle Funktionen und Sphären der Gesellschaft, auch auf die Arbeitgeberstellung, auswirkt. Unter diesem Gesichtspunkt kann von einem lediglich außervertraglichen strafbaren Verhalten genaugenommen nicht mehr gesprochen werden. Wenn schon in den oben angeführten Beispielen tatsächlich außervertraglichen strafbaren Tuns eines Arbeitnehmers arbeitsrechtliche Sanktionen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind, so muß in den hier betrachteten Fällen des strafbaren Verhaltens von Arbeitnehmervertretern zu unmittelbarem Schaden ihrer Gesellschaft erst recht die Kündigungsmöglichkeit eröffnet sein.218
(7) Politische Betätigung mit Bezug zum bzw. im Unternehmen Die Aufsichtsratsmitglieder sind durch die Übernahme der Amtspflichten und bei ihrer Amtstätigkeit nicht ihres Grundrechtes auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG beraubt. Lediglich aus ihrer organschaftliehen Treue- und Loyalitätspflicht (als 'allgemeinem Gesetz' im Sinne des Art. 5 II GG219) zugunsten 216 BAG, Urt. v. 22. 08. 1963, DB 1963, S. 1580 (Omnibusfahrer fuhr in seinem Urlaub im angetrunkenen Zustand mit seinem Privat-PKW); hierzu Etzel in GK-KSchG, § 1 KSchG, Rn. 475; Sowka, KSchG, § I Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 405. 217 So auch Hiliehrecht in GK-KSchG, § 626 BGB, Rn. 91. 218 Ausdrücklich ebenso Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 302, Rn.4. 219 Gesetze, die nicht die Einschränkung der Meinungsfreiheit zum Ziel haben, sondern vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Mei-
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4. Kap.: Kündigungsschutz
der Gesellschaft, für die sie organschaftlieh tätig werden und die selbst nicht handeln kann, können sich diesbezüglich gewisse Einschränkungen ergeben, soweit die Interessen des Unternehmens im Einzelfall als schützenswerter einzustufen sind. 220 Darüber hinaus kommt eine Amtspflichtverletzung in Form politischer Betätigung überhaupt nur in Betracht, wenn dadurch die Funktion des Aufsichtsrates oder die Belange des Unternehmens konkret beeinträchtigt wurden (zum Beispiel die Vernachlässigung der Aufsichtsratsaufgaben, die Störung der Sitzungen des Aufsichtsrates, der Ausschüsse oder der Hauptversammlung durch politische Stellungnahmen oder Versuche, die Anwesenden von bestimmten politischen Ansichten zu überzeugen). Genauso kann eine politische Betätigung in der arbeitsvertragliehen Sphäre nur dann eine Arbeitsvertragsverletzung darstellen, wenn über die bloße politische Meinungsäußerung hinaus das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers konkret beeinträchtigt wird. Dies ist etwa der Fall, wenn der Arbeitnehmer unter Störung des Arbeitsablaufes politisches Anschauungsmaterial verteilt oder wenn er ohne Genehmigung seinen Arbeitsplatz verläßt, um an politischen Kundgebungen teilzunehmen oder seine Arbeitskollegen zu agitieren.221 Aber selbst in diesen Fällen sind wegen der Relevanz des Grundrechtes der Meinungsfreiheit der Arbeitnehmer aus Art. 5 GG an die Feststellung der konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses strenge Anforderungen zu stellen. Nicht jede Störung des Arbeitsverhältnisses oder des Betriebsfriedens aufgrund einer politischen Betätigung rechtfertigt automatisch eine Kündigung.222 Unter Umständen muß der Arbeitgeber dieses Verhalten als rechtmäßige Grundrechtsausübung dulden bzw. sich auf eine ordentliche Kündigung beschränken lassen. 223 nung zu gewährleistenden Rechtsgutes dienen; vgl. hierzu nur Jarass/Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 45ft: 220 Erhöhte Anforderungen an die politische Konformität bestehen sicherlich in mitbestimmten Tendenzbetrieben; vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 214, III. 5. (S. 176Jff.), § 130, Il. 37. (S. 1186f.), § 53 Il. 5. (S. 378fT.); Berkowsky in Münchener HB zum Arbeitsrecht, § 143, Rn. 2fT.; Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 82fT., Rn. 439. 221 In den Tendenzbetrieben haben die AN zudem in verstärktem Maße Rücksicht auf die politischen Ansichten des AG bzw. Betriebes zu nehmen, insbesondere dann, wenn sie nach außen für den Betrieb in Erscheinung treten und damit dessen Tendenz verwirklichen. 222 Nach Urteil des ArbG Harnburg v. II. 09. 1995, bestätigt durch LAG Hamburg, Urt. v. 04. 11. 1996, BB 1997, S. 206, fällt auch Kritik des AN am AG in den Schutzbereich des Grundrechtes der Meinungsfreiheit; die Grundregeln über das Arbeitsverhältnis, insbesondere die arbeitsvertragliehen Nebenpflichten wie Loyalität und Rücksichtnahme auf den AG, bilden keine Schranke iSv. Art. 5 II GG, kein 'allgemeines Gesetz'. 223 Die politische Betätigung von AN im Betrieb wirft zahlreiche Fragen auf, die hier nicht ausführlich dargesteHt werden können und deren Klärung auch nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist. Insoweit sei auf die umfangreiche kündigungsrechtliche
IV. Amtsschutz nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG und KSchG
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Politische Betätigung von Arbeitnehmervertretern allein in der Amtssphäre, auf Sitzungen und gegenüber anderen Organmitgliedern läßt ihr Arbeitsverhältnis unberührt und stört in keiner Weise den arbeitsvertragliehen Leistungsaustausch oder den Betriebsfrieden zwischen Arbeitgeber und Belegschaft. Eine Arbeitsvertragsverletzung liegt damit schon nicht vor, und arbeitsrechtliche Sanktionen sind unzulässig. Verletzen Arbeitnehmervertreter bei politischen Aktivitäten allerdings konkrete arbeitsvertragliche Pflichten, so kommen genau wie bei jedem anderen Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Sanktionen grundsätzlich in Betracht. Ihre Aufsichtsratsstellung liefert ihnen keinen Freibrief für die Vernachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten aufgrund politischer Betätigung.
IV. Auswirkungen des Amtsschutzes nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG auf den allgemeinen Kündigungsschutz nach KSchG 1. Anwendbarkeit des KSchG auf die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer
Die zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach MitbestErgO und MitbestG fallen aufgrund der Dauer ihrer erforderlichen Betriebs- bzw. Konzernzugehörigkeit (§§ 6 II MitbestErgG, 7 III MitbestG) und aufgrundder Mindestgröße für mitbestimmte Unternehmen gemäߧ§ 1 I, 23 I KSchG generell in den Schutzbereich des KSchG. Dieses gilt gemäß § 14 II KSchG mit Ausnahme des § 3 KSchG sowie des Begründungserfordernisses bei § 9 I S. 2 KSchG ebenso für die leitenden Angestellten unter den Arbeitnehmervertretern nach§§ 15 II S. 2 u. 3, 3 III Nr. 2 MitbestG, 5 III BetrVG. Leitende Angestellte im Sinne von§ 14 I Nr. I KSchG können dagegen - als Mitglieder der Vertretungsorgane - wegen der Ämterinkompatibilität nicht Aufsichtsratsmitglied werden. Im übrigen verweist § 3 III Nr. 2 MitbestG nur auf§ 5 III BetrVG, nicht auch auf§ 5 II Nr. 1 BetrVG.
Literatur verwiesen, so z. B. Etzel in GK-KSchG § I KSchG, Rn. 440f., Rn. 450ff. sowie Hiliehrecht in GK-KSchG, § 626 BGB, Rn. 91b, 93ff.; Sowka, KSchG, § 1 Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 394 u. 349f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 130, II. 26. (S. 1183), 37. (S. 1186), §53, II. 5. (S. 378ff.);Berkowsky im Münchener HB zum Arbeitsrecht, § 133, Rn. 64, Wank, ebda., § 116, Rn. 118 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen, z. B. BAG, Urt. 09. 12. 1982, AP Nr. 73 zu § 626 BGB = DB 1983, S. 2578f. (Tragen einer Plakette; politische Betätigung kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch der Betriebsfrieden oder der Betriebsablauf konkret gestört oder die Erfüllung der Arbeitspflicht beeinträchtigt wird.) oder BAG, Urt. v. 28. 09. 1989, NJW 1990, S. 1196ff. (personenbedingte Kündigung eines Hauptschullehrers wegen DKP-Aktivitäten).
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4. Kap.: Kündigungsschutz
Aber auch im Bereich des Montan-MitbestG sowie der §§ 76ff. BetrVG 1952 werden die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer den Schutz des KSchG genießen, da es praktisch nie vorkommen dürfte, daß Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat gewählt werden, die dem Unternehmen erst kurze Zeit angehören und deshalb die Wartezeit des § I I KSchG nicht erfüllen. Das Kriterium der Beschäftigtenzahl in § 23 I KSchG ist bei den nach Montan-MitbestG bzw. §§ 76ff. BetrVG 1952 mitbestimmten Unternehmenjedenfalls erfüllt(§§ I II Montan-MitbestG, 76 VI, 77 BetrVG 1952). 2. Kündigungsschutz nach § 1 KSchG unter Berücksichtigung der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG Gemäߧ I I, II S. I KSchG ist (auch) die Kündigung gegenüber einem unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer sozial ungerechtfertigt und unwirksam, wenn sie nicht durch Gründe in der Person, dem Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Gemäß der allgemeinen Regel im Bereich des KSchG hat der Arbeitgeber nach § I II S. 4 KSchG alle Umstände darzulegen und zu beweisen, die eine Kündigung als personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt gerechtfertigt erscheinen lassen. Nach allgemeiner Meinung erstreckt sich diese Darlegungs-und Beweislast des Arbeitgebers nicht nur auf die unmittelbaren Kündigungstatsachen, sondern auch auf das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen für das Verhalten des Arbeitnehmers (bei einer verhaltensbedingten Kündigung) bzw. Entlastungsgesichtspunkten (personenbedingte Kündigung). Der Umfang der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert sich der Arbeitnehmer auf die geltend gemachten Kündigungsgründe einläßt (abgestufte Darlegungs-und Beweislast).224 Diese allgemeine Beweislastregel bietet schon eine gewisse Sicherheit dagegen, daß der ArbeitgeberNoTstand unter dem Deckmantel arbeitsvertraglieber Sanktionen Einfluß auf die Aufsichtsratsarbeit und die Arbeitnehmerbeteiligung ausüben und/oder den Arbeitnehmervertreter wegen seiner Amtstätigkeit maßregeln kann. 225 Fehlt es an einer sachlichen Begründung der Kündigung durch den Arbeitgeber, so ist die Kündigung bereits mangels eines ausreichenden Kündigungsgrundes nach§ I I, II S. I KSchG sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam. Drängt sich der Verdacht auf, daß der angegebene 224 Dazu Etze1 in GK-KSchG, § 1 KSchG, Rn. 260; Berkowsky in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 2, § 133, Rn. 203f.; Sowka, KSchG, § 1 Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 280. 225 So die Befürchtungen von Kittnerffrittin, Kündigungsschutzrecht, § 26 MitbestG, Rn. 7; Kittner/K.östler/Zachert, S. 291 f., Rn. 654:
N. Amtsschutz nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG und KSchG
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sachliche Grund für die Kündigung nur vorgeschoben ist und der Arbeitgeber tatsächlich wegen der Amtstätigkeit kündigt, so resultiert aus §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG eine diesbezüglich erhöhte Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers; er muß entsprechende Einlassungen des Arbeitnehmers entkräften und den Beweis für die allein sachliche Grundlage der Kündigung führen.226 (1) Unter Berücksichtigung dessen ist eine Kündigung gegenüber Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat aus verhaltensbedingten Gründen, also Pflichtverletzungen in der arbeitsvertragliehen Sphäre ohne Bezug zur Amtsstellung227, nach den allgemeinen Grundsätzen zulässig, wie sie flir alle anderen Arbeitnehmer gelten. 228
(2) Gleiches gilt auch für personenbedingte Kündigungen. 229 Einerseits reduziert die Nebentätigkeit als Aufsichtsratsmitglied weder die arbeitsvertragliehen Eignungsanforderungen an den Arbeitnehmer, noch läßt sie eine Verpflichtung des Arbeitgebers entstehen, trotz zukünftiger Unerflillbarkeit des Arbeitsverhältnisses in diesem verharren zu müssen; - das Arbeitsverhältnis wird durch die Aufsichtsratsstellung nicht zu einem "privaten Erbhof'. 230 Stützt sich die Kündigung andererseits auf die Getzt erst erkennbare) fehlende persönliche Eignung aufgrund eines schwerwiegenden Amtsvergehens, so genügt zur Rechtfertigung der Kündigung nicht etwa die Darlegung der Amtspflichtwidrigkeit Wie schon oben dargestellt, muß eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund dieser außervertraglichen Pflichtverletzung vorliegen und vom Arbeitgeber dargelegt sowie nachgewiesen wer226 So auch Hensche, Das MitbestGespr. 1971, S. lllff. (114); Fitting!Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 178 a. E.; ähnlich Naendrup, AuR 1979, S. 16lff. (169f.), allerdings ohne ausdrückliche Äußerung zur Beweislast. 227 Soweit ein Zusammenhang zwischen der Pflichtwidrigkeit und der Amtsstellung besteht, gilt das oben bei III. Gesagte. 228 Wie hier Hoffinann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 21 sowie Naendrup, AuR 1979, S. 16lff. (169f.)- allerdings vorbehaltlich einer analogen Anwendung der §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG. Als Beispiele solcher rein arbeitsvertragsverletzender Pflichtverletzungen werden angefiihrt: Beleidigungen (Kittner/Köstler/Zachert, S. 291, Rn. 654; Naendrup, AuR 1979, S. 16lff. (169)); tätliche Angriffe gegenüber Arbeitskollegen, wiederhohes Zuspätkommen zur Arbeit, unentschuldigtes Fehlen (Benze u. a., MitbestG '76, § 26, Rn. 18), Alkoholkonsum während der Arbeit bzw. unmittelbar vorher oder wiederholt ungenügende Arbeitsleistung (Naendrup, AuR 1979, S. 16lff. (169); Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 22). 229 Ausdrücklich ebenso Naendrup, AuR 1979, S. 16lff. (169f.); Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 19 und 21; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 26, Rn. 22 a. E.; a. A.: Vertreter der analogen Anwendung der§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG, die aus Gründen eines umfassenden Kündigungsschutzes nur außerordentliche Kündigungen aus wichtigem Grund zulassen; Nachweise dazu oben, II. 1. (obige Fn. 27 und 96). 23 Formulierung des 'privaten Erbhofes' bei Naendrup, AuR 1979, S. 16lff. (169).
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4. Kap.: Kündigungsschutz
den231 • Die Tatsache der Aufsichtsratsmitgliedschaft für sich allein ist wie jede andere nebenberufliche Aktivität (etwa die Mitarbeit in religiösen, karikativen oder kulturellen Vereinigungen) grundsätzlich weder zugunsten noch zuungunsten des Arbeitnehmervertreters zu berücksichtigen. Allenfalls können Art und Schwere der Amtspflichtverletzung sowie die gesellschaftsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten, die eine Wiederholung solch pflichtverletzenden Verhaltens eventuell ausschließen, in die Abwägung miteinbezogen werden, wenn und soweit sie die negative Zukunftsprognose und die Einschätzung des dem Arbeitgeber weiterhin Zurnutbaren beeinflussen. 232
(3) Betriebsbedingte Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandatsind (wie gegenüber jedem anderen Arbeitnehmer) nur wirksam, wenn innerbetriebliche Gründe und/oder externe Faktoren zu einer untemehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers hinsichtlich der Änderung der Betriebsstruktur oder einzelner Arbeitsverhältnisse geführt haben und durch diese Änderungen die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung für die betroffenen Arbeitnehmer entfallen ist. Wenn auch die der Umstrukturierung zugrundeliegende unternehmensehe Entscheidung des Arbeitgebers selbst nur eingeschränkt arbeitsgerichtlich nachprüfbar ist (offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich), so wird aber von den Arbeitsgerichten uneingeschränkt überprüft, ob die vom Arbeitgeber angeführten innerbetrieblichen und/oder externen Faktoren tatsächlich vorliegen, und ob der Arbeitgeber überhaupt eine - von der Kündigung zu trennende, ihr vorgelagerte233 - Un231 Zur Beweislast des AG vor allem BAG, Urt. v. 06. 09. 1989 (2 AZR 19/89), AP Nr. 21 zu § I KSchG Krankheit= NZA 1990, S. 307ff. und Urt. v. 06. 09. 1989 (2 AZR 118/89), AP Nr. 22 zu§ I KSchG Krankheit= NZA 1990, S. 305ff.; i. ü. Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 268ff. Sog. Drei-Stufen-Prüfung des BAG: I. Entfallene Fähigkeit oder Eignung des AN, die geschuldete Arbeitsleistung in Zukunft zu erbringen; 2. Gegenwärtige fortbestehende Störung des Arbeitsverhältnisses bzw. erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen durch die kündigungsrelevanten Umstände in der Person des AN; 3. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen ist dem Arbeitgeber nicht mehr aufzuerlegen, diese Störung weiter hinzunehmen. Auf alle drei Punkte erstreckt sich die Darlegungs-und Beweislast des AG. Grundlegend hierfür am Beispiel der krankheitsbedingten Kündigung BAG, Urt. v. 16. 02. 1989, AP Nr. 20 zu§ I KSchG Krankheit (BI. 138ff.) = NZA 1989, S. 923ff. 232 Für die Berücksichtigung des AR-Mandates im Rahmen der Interessenahwägung zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung Naendrup, AuR 1979, S. 161ff. (169): als Umstand, der im allgemeinen Schutzinteresse der Belegschaft liegen soll. Bei personenbedingter Kündigung dürfte das Schutzinteresse der Belegschaft allerdings kein Abwägungskriterium sein; hierzu Hoffmann!Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 19; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 15 sowie Peter, BlStSozAr 1977, S. 257ff. (265), der allerdings ordentliche Kündigungen gegenüber ARM der AN insgesamt für unzuläsig hält. 233 Ausdrücklich BAG, Urt. v. 20. 02. 1986, AP Nr. 11 zu§ 1 KSchG = NZA 1986, S. 823ff. (' Arbeitgebersehige Kündigung selbst ist keine Unternehmerentscheidung im Sinne des Kündigungsschutzrechts') und Urt. v. 20. 03. 1986 (2 AZR 294/85), AP Nr.
IV. Amtsschutz nach§§ 26 MitbestG, 78 BetrVG und KSchG
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ternehmerentscheidung getroffen hat. 234 Für letzteres trägt gemäß § 1 II S. 4 KSchG der Arbeitgeber die Darlegungs-und Beweislast.235 Insoweit gelten für Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat ebenfalls keine Besonderheiten.236 3. Anhang: Berücksichtigung der Aufsichtsratstätigkeit eines Arbeitnehmers im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 111 KSchG zu seinen Gunsten
Im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen könnte man sich schließlich fragen, inwieweit die Aufsichtsratsstellung bei der sozialen Auswahl der Arbeitnehmer hinsichtlich des Wegfalles der Beschäftigungsmöglichkeit gemäß § 1 III KSchG zugunsten des Arbeitnehmervertreters berücksichtigt werden darf. Kündigungsschutzrechtliche Relevanz könnte dieses Problem dann erlangen, wenn 'amtlosen' älteren bzw. weniger qualifizierten Arbeitnehmern statt den - eventuell jüngeren, besser ausgebildeten - Arbeitnehmervertretern betriebsbedingt gekündigt wird und erstere im Rahmen einer Kündigungsschutzklage die Fehlerhaftigkeit der vom Arbeitgeber getroffenen Sozialauswahl geltend machen. Eine Sozialauswahl nach § l III S. l KSchG kann nur zwischen Arbeitnehmern getroffen werden, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar in diesem Sinne sind Arbeitnehmer, die nach primär objektiven, nämlich arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogenen Merkmalen ausgetauscht werden können. Hierfür entscheidend sind die arbeitsvertragliehen Aufgabengebiete, die Stellung der Arbeitnehmer in der Betriebshierarchie237, die bestehenden Grenzen für eine anderweitige Beschäftigung oder für ordentliche Kündigungen, die berufliche Qualifikation der Arbeitnehmer (ausdrücklich in § l III S. 2 KSchG an-
14 zu § 2 KSchG = NZA 1986, S. 824ff.; ausfUhrlieh zur Unternehmerentscheidung Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung,§ 4, (insb. Rn. 8f.). 234 Grundlegend BAG, Urt.v. 07. 12. 1978, AP Nr. 6 zu§ l KSchG Betriebsbedingte Kündigung= NJW 1979, S. l902ff. sowie BAG, Urt. v. 30. 04. 1987, AP Nr. 42 zu § l KSchG Betriebsbedingte Kündigung= NZA 1987, S. 776ff.; i. ü. allgemeine Literaturmeinung, vgl. z. B. Etzel in GK-KSchG, § l KSchG, Rn. 521 oder Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung,§ 4, Rn. 15. 235 Der AN trägt dagegen die Darlegungs- und Beweislast fiir die Unsachlichkeit, Unvernünftigkeit oder Willkürlichkeit der Unternehmerentscheidung. Vgl. hierzu Etzel in GK-KSchG, § l KSchG, Rn. 5l9ff.; Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, § 20, § 4, Rn. 6-19 (insb. l5f.). 236 Ausdrücklich ebenso Naendrup, AuR 1979, S. l6lff. (169); i. ü. unausgesprochen alle Vertreter eines lediglich relativen Kündigungsschutzes, siehe oben. 237 Nach herrschender Meinung wird hier nur "horizontal" verglichen; siehe nur Etzel in GK-KSchG, § l KSchG, Rn. 567 sowie 573.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
gesprochen), erforderliche Einarbeitungszeiten auf anderen Arbeitsplätzen oder zumutbare, kurzfristige Umschulungsmöglichkeiten.238 Die von § 15 KSchG erfaßten Arbeitnehmer sind aufgrund ihrer betrieblichen Mitbestimmungsaktivitäten im Interesse der Belegschaft schutzbedürftiger als die amtlosen Arbeitnehmer. Aufgrund des ihnen deshalb zugute kommenden Sonderkündigungsschutzes nach § 15 KSchG sind sie - selbst, wenn sie in rein arbeitsvertraglicher Hinsicht vergleichbar mit anderen Arbeitnehmern wären - von vornherein nicht in die Sozialauswahl nach § 1 III S. 1 KSchG einzubeziehen.239 Für die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsamt besteht zwar auch ein spezieller, exklusiv auf sie zugeschnittener Kündigungsschutz über §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG. Hierdurch werden allerdings ordentliche Kündigungen nicht generell ausgeschlossen, sondern nur insoweit, als darin eine unzulässige Störung bzw. Behinderung der Arbeitnehmer bei ihrer Amtstätigkeit oder Benachteiligung wegen ihrer Amtsstellung liegt. 240 Die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsamt sollen aufgrundihres Amtes nicht schlechter, aber auch nicht besser als ihre amtlosen Arbeitskollegen gestellt werden. Soweit sie hinsichtlich ihrer arbeitsvertragliehen Tätigkeit mit den für betriebsbedingte Kündigungen in Frage kommenden Arbeitnehmern verglichen werden können, sind sie deshalb in die Sozialauswahl nach § 1 III S. 1 KSchG grundsätzlich einzubeziehen. Ihre Aufsichtsratstätigkeit könnte allerdings innerhalb der Sozialauswahl Beachtung fmden. (1) So wird in der Literatur241 vertreten, daß das Aufsichtsratsamt eines Arbeitnehmers im Rahmen der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung als 'sozialer Gesichtspunkt' für das allgemeine Schutzinteresse der Belegschaft zu berücksichtigen ist.
Die aktuelle (bis zum 01. 10. 1996 und wieder ab 01. 01. 1999 geltende) Fassung des KSchG definierte den Begriff der 'sozialen Gesichtspunkte' in§ 1 III S. I KSchG selbst nicht näher. In der Literatur bestand auch Streit darüber, 238 Ausfuhrlieh Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, § 6, Rn. 9ff. sowie Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 566ff. 239 Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 574 und Berkowsky, ebda., § 9, Rn. 68. 240 V gl. oben, III. 241 So ausdrücklich Naendrup, AuR 1979, S. 161ff. (170), Hoffmann!Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 26, Rn. 19 a. E. sowie Peter, BIStSozAr 1977, S. 257ff. (265); ähnlich noch BAG in Urt. v. 06. 07. 1955, AP Nr. 1 zu§ 20 BetrVG 1952 Jugendvertreter ('Soziale Gesichtspunkte iSv. § 1 III S. 1 KSchG sind nicht nur die persönlichen Verhältnisse des AN, sondern auch alle Umstände, die im allgemeinen sozialen Interesse der AN und der Belegschaft von Bedeutung sind. Daher ist die Tatsache, daß der gekündigte AN Jugendvertreter ist, bei der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten nach Maßgabe des § 1 III KSchG mit zu berücksichtigen.').
IV. Amtsschutz nach §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG und KSchG
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ob betriebliche Belange, wie zum Beispiel die fachliche Qualifikation oder die Bereitschaft zur Zusammenarbeit (also wohl auch das Engagement in betrieblichen und Untemehmensbelangen), als 'soziale Gesichtspunkte' bei der Auswahl der Arbeitnehmer eine Rolle spielen dürften. 242 Dagegen spricht schon der Grundgedanke der Sozialauswahl, wonach zuerst denjenigen Arbeitnehmern zu kündigen ist, die nach ihren Sozialdaten des geringsten Schutzes bedürfen, für die sich eine Kündigung am wenigsten belastend auswirkt, weil sie etwa als BerufsanHinger mit solider Ausbildung gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, weil sie keine Unterhaltspflichten zu erfüllen haben, weil sie in gesicherten Vermögensverhältnissen leben, eventuell bereits die Voraussetzungen für den Bezug von Altersruhegeld erfüllen oder weil sie dem Betrieb noch nicht sehr lange angehören. 243 Die 'Nützlichkeit' des Arbeitnehmers für die Belegschaft, den Betrieb oder das Unternehmen sagt dagegen zur sozialen Stärke des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt nichts aus. 244 Außerdem ist die Aufsichtsratstätigkeit eines Arbeitnehmers in dieser Hinsicht nur schwer einzuordnen, da ungewiß ist, wie positiv oder negativ sich dies bei der Arbeitsplatzsuche auswirkt. Im übrigen sieht § l III S. 2 KSchG im Gegensatz zu § 1 III S. 1 KSchG ausdrücklich die Möglichkeit der Berücksichtigung betrieblicher Belange vor: Bestimmte Arbeitnehmer konnten trotz ursprünglicher Vergleichbarkeit sowie eventueller stärkerer sozialer Stellung aufgrund berechtigter betrieblicher Bedürfnisse245 letztlich doch aus der Sozialauswahl herausgenommen werden. Aufgrund einer Gesetzesänderung zum KSchG mit Wirkung vom 01. 10. 1996246 wurde der unbestimmte Rechtsbegriff der 'sozialen Gesichtspunkte' durch drei ausdrücklich genannte soziale Grunddaten, nämlich die 'Dauer der Betriebszugehörigkeit', das 'Lebensalter' und die 'Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers', ersetzt. 247 Diese Gesichtspunkte nahmen auch schon vor der Ge242 Vgl. nur Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 591 m. N. sowie ausführlich zur Berücksichtigung betrieblicher Belange Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, § 7 (insb. Rn. 7ff.). 243 So BAG, Urt. v. 12. 10. 1979, AP Nr. 1 zu§ 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, BI. 4; außerdem Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 132, I. 3. a.), (S. 1203f.) oder Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 1, Rn. 462ff., insb. 475). 244 Ähnlich Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung,§ 7, Rn. 4. 245 Diese Möglichkeit wurde zwischenzeitlich- mit Wirkung vom 01. 10. 1996 bis zum 31. 12. 1998 - sogar noch etweitert: statt der "berechtigten betrieblichen Bedürfnisse" an der Weiterbeschäftigung bestimmter AN genügte danach ein "berechtigtes betriebliches Interesse". 246 Neugefaßt durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsforderungsgesetz v. 25. 09. 1996. 247 Jedes der drei Kriterien ist überhaupt und in bestimmtem Umfang zu berücksichtigen, und keines davon ist generell und absolut vorrangig. Dem Arbeitgeber kommt innerhalb dieser Grenze ein gewisser Beurteilungsspielraum zu ("ausreichend" zu be18 Jacklofsky
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4. Kap.: Kündigungsschutz
setzesneufassung einen herausragenden Stellenwert innerhalb der Abwägung zur Sozialauswahl ein. Andere soziale Abwägungskriterien konnten jedoch auch berücksichtigt werden. Mit Wirkung ab 01. 01. 1999 wurde diese gesetzliche Fixierung der Sozialauswahlkriterien auf drei Grunddaten zwar wieder rückgängig gemacht; - nach der zur Zeit geltenden Fassung des § 1 III S. 1 KSchG hat der Arbeitgeber (wie schon nach der alten, bis zum 01. 10. 1996 gültigen Fassung) soziale Gesichtspunkte wieder umfassend zu berücksichtigen. Immerhin verdeutlicht allerdings die zwischenzeitliche Auswahl dieser Grunddaten mit individuell arbeitnehmerbezogenem Inhalt, daß im Rahmen der Sozialauswahl arbeitnehmerbezogene Kriterien abzuwägen und jedenfalls betriebliche Belange nicht als 'soziale Gesichtspunkte' im Sinne des § 1 III S. 1 KSchG anzusehen sind?48 (2) Allerdings gestattet § 1 III S. 2 KSchG249 eine Herausnahme bestimmter Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl nach§ 1 III S. 1 KSchG, wenn "betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige berechtigte betriebliche Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung" gerade dieses/r Arbeitnehmer/s bedingen?50 Nach dem Wortlaut des § 1 III S. 2 KSchG ("sonstige Bedürfnisse") kann die Weiterbeschäftigung bestimmter Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen ein berechtigtes betriebliches Bedürfnis darstellen. Hierfiir kommen zum Beispiel besondere Qualifikationen des Arbeitnehmers, geplante Beförderungen, dessen
rücksichtigen); vgl. Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § I, Rn. 466 a, 475; Bader/Bram!Dörner/Wenzel, KSchG, § I, Rn. 328, 328 a, b; ebenso Berkowsky, ebda., § 6, Rn. 143ff. fiir § I III S. I KSchG a. F. Umstritten war dann, ob die Aufzählung der drei genannten Daten enumerativ mit der Folge zu verstehen ist, daß andere Gesichtspunkte im Rahmen der Sozialauswahl nicht mehr zu berücksichtigen sind (so auch die Begründung des Gesetzesentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., BTDrucks. 13/4612, S. I, 8f. und 13; ebenso Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 1, Rn. 475 a und 475 c; Bader/Bram!Dörner/Wenzel, KSchG, § 1, Rn. 326f.; wohl auch Kittner/Trittin, KSchR, § I KSchG, Rn. 422 u. 469) oder ob der Arbeitgeber desungeachtet weitere, mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehende Kriterien berücksichtigen kann (dafür z. B. Preis, NZA 1997, S. 1073ff. (1083f.) sowie Wlotzke, BB 1997, S. 414ff. (417f.)). 248 So schon BAG, Urt. v. 24. 03. 1983, AP Nr. 12 zu§ I KSchG Betriebsbedingte Kündigung= NJW 1984, S. 78ff.; i. E. ebenso Etzel in GK-KSchG, § I KSchG, Rn. 591 und 594; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § I, Rn. 463f. sowie Rn. 476ff. zu § I III S. 2 KSchG. 249 Alte (bis 30. 09. 1996) und wieder aktuell geltende Fassung; zwischenzeitlich (ab 01. 10. 1996) genügte ein "berechtigtes betriebliches Interesse" an der Weiterbeschäftigung gerade dieser AN, etwa "wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes". 250 Zur Rechtsfolge berechtigter betrieblicher Belange im Sinne des § I III S. 2 KSchG im Verhältnis zur Vergleichbarkeit der AN nach § 1 III S. I KSchG Berkowsky, ebda., § 7, Rn. 21ff.
V. Schicksal der Aufsichtsratsmitgliedschaft nach Kündigung
275
persönliche Verbindungen zu Kunden und Lieferanten oder auch seine Beziehung zur Belegschaft in Betracht.251 Das Aufsichtsratsamt wird regelmäßig an Arbeitnehmer übertragen, die sich durch besondere betriebliche Sachkunde sowie Engagement für den Betrieb/die Belegschaft auszeichnen und die das Vertrauen der Belegschaft genießen. An der Weiterbeschäftigung gerade dieser Arbeitnehmer besteht in Zeiten betrieblicher Umstrukturierung vor allem dann, wenn sie von der Belegschaft durch Wiederbestellung im Amt bestätigt wurden und sich durch mehrjährige tadellose Aufsichtsratstätigkeit zu ausgewiesenen Spezialisten für Arbeitnehmerbelange und Mitbestimmung entwickelt haben, angesichts der Erlöschensvorschrift der §§ 24 I MitbestG, 10 n I MitbestErgO ein hohes Interesse nicht nur der Belegschaft. Auch die Anteilseignerseite wird stark daran interessiert sein, daß der Aufsichtsrat zahlenmäßig und personell in idealer Besetzung erhalten bleibt und seine Aufgaben ordnungsgemäß erfiillt. Aus diesem Blickwinkel stellt die Berücksichtigung einer langjährigen und bewährten Aufsichtsratstätigkeit im Rahmen des § 1 III S. 2 KSchG keine ungerechtfertigte Besserstellung des Arbeitnehmervertreters gegenüber seinen amtlosen Arbeitskollegen allein aufgrund seiner Aufsichtsratsmitgliedschaft dar. Vielmehr entspricht die Weiterbeschäftigung gerade dieses Arbeitnehmers dem objektiven Interesse aller Arbeitnehmer sowie der Gesellschaft, indem eine bisher funktionsfähige Mitbestimmung der Arbeitnehmer und eine ordnungsgemäße Aufsichtsratstätigkeit aufrechterhalten bleibt. Folglich ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, die Aufsichtsratsstellung des Arbeitnehmers zu dessen Gunsten im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 III S. 2 KSchG zu berücksichtigen.
V. Schicksal der Aufsichtsratsmitgliedschaft nach Kündigung Wird Arbeitnehmern gekündigt, so gilt ihr Arbeitsverhältnis zunächst mit dem Ablauf der zutreffenden Kündigungsfrist bzw. bei außerordentlicher fristloser Kündigung ab sofort als beendet, bis gegebenenfalls durch eine spätere arbeitsgerichtliche Entscheidung der ununterbrochene Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt wird. Käme es im Rahmen der Kopplungsvorschriften der §§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG, die direkt/analog für alle unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer Anwendung finden252, allein auf diese formale Beendigung des Arbeitsverhältnisses an, so könnte der ArbeitgeberNorstand mit jeder noch so unbegründeten 251 252
Vgl. Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung,§ 8, Rn. 31f. Siehe dazu Ausführungen oben, I. I. und 2.
276
4. Kap.: Kündigungsschutz
Kündigung bewirken, daß mit dem Arbeitsverhältnis auch die Aufsichtsratsmitgliedschaft des Arbeitnehmers bis zur gerichtlichen Klärung als erloschen gilt. Damit hätte der ArbeitgeberNorstand auf die Aufsichtsratstätigkeit einzelner Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sowie auf die Aufsichtsratsarbeit insgesamt unmittelbar Einfluß. Unter Berücksichtigung des Störungsund Behinderungsverbotes der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG scheidet daher ein solcher Automatismus, daß allein infolge des Ablaufes der Kündigungsfrist bzw. der Erklärung der außerordentlichen fristlosen Kündigung auch die Aufsichtsratsmitgliedschaft (zunächst) erlischt, aus. Eine sachgerechte Lösung könnte vielmehr darin liegen, das Fortbestehen der Aufsichtsratsmitgliedschaft des Arbeitnehmers von dessen tatsächlicher Weiterbeschäftigung nach Kündigung/Ablauf der Kündigungsfrist abhängig zu machen. 253 (1) Wird der Arbeitnehmervertreter über den Ablauf der Kündigungsfrist bzw. den Kündigungszeitpunkt hinaus tatsächlich weiterbeschäftigt (aufgrund eines Weiterbeschäftigungsanspruches nach§ 102 V BetrVG, des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches nach der Rechtsprechung des BAG254 oder aufgrund einer entsprechenden Übereinkunft mit dem Arbeitgeber), so erbringt er seine Arbeitsleistung nicht im Rahmen seines ursprünglichen Arbeitsverhältnisses (dieses gilt ja zunächst als beendet), sondern auf der Basis eines besonderen gesetzlichen Beschäftigungsverhältnisses zur Gesellschaft. 255 Dennoch bleibt er in die betriebliche Organisation eingegliedert; in der Regel wird er sogar auf seinem ursprünglichen Arbeitsplatz (soweit noch vorhanden) weiterbeschäftigt So ist er weiterhin befahigt und legitimiert, im Aufsichtsrat über Unternehmensbelange mitzubestimmen und die Interessen der Belegschaft zu repräsentieren. In diesem Falle besteht kein Grund, ihn schon vor der endgültigen gerichtlichen Entscheidung nicht mehr als Arbeitnehmer des Unternehmens anzusehen. 256
253 Dafür Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 24, Rn. 4; Fitting!Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, § 24, Rn. 9; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 24, Rn. 4 sowie § 7, Rn. 22; Benze u. a., MitbestG '76, § 24, Rn. 8. 254 GS BAG, Urt. v. 27. 02. 1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht •Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch besteht, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schützenswerte Interessen des AG einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Das Beschäftigungsinteresse des AN überwiegt dann, wenn entweder die Kündigung offensichtlich unwirksam ist oder wenn bereits ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil gefallt wurde.' Vgl. außerdem Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 93, Rn. I Off. 255 Vgl. z. B. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 102, Rn. 56. 256 Wie hier Hoffmann/Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 24, Rn. 4; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 24, Rn. 9; Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 24, Rn. 4 sowie § 7, Rn. 22; Benze u. a., MitbestG '76, § 24, Rn. 8; i. E. ebenso für BRM Fit-
V. Schicksal der Aufsichtsratsmitgliedschaft nach Kündigung
277
Dies gilt um so mehr unter Berücksichtigung des folgenden: Erklärt das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam und das Arbeitsverhältnis ftir fortbestehend, so gehörte der Arbeitnehmervertreter dem Unternehmen in der zurückliegenden Zeit ununterbrochen an; - dem entspricht es, wenn von vornherein seine Aufsichtsratsmitgliedschaft ohne zwischenzeitliche Unterbrechung bis zur Gerichtsentscheidung fortbesteht. Sollte das Arbeitsgericht andernfalls feststellen, daß die Kündigung wirksam war, dann endet mit Rechtskraft des Urteiles dieses 'nachgeschaltete' Beschäftigungsverhältnis. Die Tatsache, daß ein Arbeitnehmervertreter einige Zeit dem Aufsichtsrat angehörte, dessen Unternehmenszugehörigkeit lediglich auf einem besonderen 'WeiterBeschäftigungsverhältnis'257 nach Beendigung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses beruhte, ist jedenfalls eher hinzunehmen als eine Beeinträchtigung der Aufsichtsratsarbeit und Arbeitnehmermitbestimmung durch ein vorübergehendes Ausscheiden des Arbeitnehmervertreters bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Unwirksamkeit der Kündigung rechtskräftig festgestellt wird. (2) Ist der Arbeitnehmervertreter demgegenüber ohne zwischenzeitliche Weiterbeschäftigunl 58 rein faktisch aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden, so kann von einer fortbestehenden Eingliederung desselben in die betriebliche Sphäre nicht mehr gesprochen werden. Die Komponente der (ununterbrochenen) Unternehmenszugehörigkeit, an die die Aufsichtsratsmitgliedschaft dieser Amtsträger gebunden ist, liegt nicht einmal mehr in Form eines auflösend bedingten Beschäftigungsverhältnisses vor. Je länger aber der Zeitpunkt der faktischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückliegt, um so weniger ist der Arbeitnehmervertreter rein tatsächlich in der Lage, Aufsichtsratspflichten entsprechend dem Interesse des Unternehmens sowie der Belegschaft auszuüben. Häufig wird er nicht eimal mehr Zutritt zu den betrieblichen Einrichtungen haben; vorstellbar ist auch, daß wegen der nunmehr fehlenden Verwurzelung im Unternehmen die Motivation für eine engagierte und primär am Unternehmenswohl ausgerichtete Aufsichtsratsarbeit nachläßt.
In einem solchen Fall erscheint es aus Sicht der Gesellschaft sowie der Belegschaft nicht interessengerecht, die Aufsichtsratsmitgliedschaft des ausgeting/Kaiser!Heither/Engels, BetrVG, § 24, Rn. 15; Wiese/Oetker in GK-BetrVG, § 24, Rn. 27 und Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 297, Rn. 22. 257 So auch Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 296, Rn. 72. 258 Weil die Voraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches nach BAG (siehe oben) oder des Weiterbeschäftigungsanspruches nach § 102 V BetrVG nicht vorliegen (im Falle einer außerordentlichen Kündigung; im Falle eines fehlenden ordnungsgemäßen Widerspruches des BR oder desFehlenseines BR insgesamt; im Falle, daß der AN keine oder verfristet Kündigungsschutzklage erhoben hat bzw. die Weiterbeschäftigung nicht verlangt hat) bzw. weil im Falle des § 102 V S. 1 BetrVG der AG nach§ 102 V S. 2 BetrVG durch einstweilige Verfugung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung entbunden wurde.
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4. Kap.: Kündigungsschutz
schiedeneo Arbeitnehmervertreters generell erst dann als erloschen zu betrachten, wenn die Wirksamkeit seiner Kündigung rechtskräftig arbeitsgerichtlich festgestellt wurde. 259 Eine Lösung, die mehr Rechtsklarheit bietet und den Interessen von Gesellschaft und Belegschaft besser entspricht, liegt darin, das jeweilige unternehmensangehörige Ersatzmitglied für den gekündigten Arbeitnehmervertreter eintreten zu lassen, soweit ein solches bei der Wahl des eigentlichen Aufsichtsratsmitgliedes der Arbeitnehmer bereits mitgewählt wurde. 260 Das Eintreten von Ersatzmitgliedern ist zwar grundsätzlich nur zulässig, wenn der ursprünglich in den Aufsichtsrat gewählte Arbeitnehmer endgültig an der Ausübung seines Amtes verhindert ist, erst dann also, wenn feststeht, daß die Kündigung wirksam und das Arbeitsverhältnis beendet ist. 261 Damit wäre allerdings für den Schwebezeitraum bis zur gerichtlichen Entscheidung nichts geklärt. Zudem wird eine (anfängliche) Gewißheit über den Ausgang des arbeitsgerichtliehen Verfahrens in den wenigsten Fällen bestehen: Schon allein, ob der Arbeitnehmervertreter überhaupt Kündigungsschutzklage bzw. nach Ablauf der Kündigungsfrist der§§ 4 S. 1, 13 I S. 2 KSchG eine allgemeine Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses erhebt, ist ungewiß. Darüber hinaus kann selbst im Falle der gerichtlichen Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmervertreters durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, dieses auf Antrag des Arbeitgebers durch Urteil des Gerichtes aufgelöst werden (§§ 9, 10 KSchG). Deshalb und aus Gründen der Rechtsklarheit muß es daher für das Eintreten des Ersatzmitgliedes ausreichen, daß die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandatjedenfalls nicht offensichtlich unwirksam ist (andernfalls bestünde ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmervertreters, und sein Amt gälte nicht als erloschen). 262 Sollte ein Ersatzmitglied nicht zugleich mit dem Arbeitnehmervertreter gewählt worden sein, so kann an dessen Stelle das vom Gericht zu bestellende Ersatz-Aufsichtsratsmitglied treten. Gemäß § 104 II, I AktG haben der Gesamtbetriebsrat oder der Betriebs- sowie Konzernbetriebsrat des Unternehmens, mindestens ein Zehntel oder einhundert der zur Bestellung der Arbeitnehmervertreter berechtigten Arbeitnehmer, die vorschlagsberechtigten gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen oder die vorschlagsberechtigten Gewerkschaften das Recht, die gerichtliche Ersatzbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern zu beantragen. Im Ergebnis ebenso Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 24, Rn. 4. Siehe oben, 2. Kapitel, I. 1. a), bb). 261 Ebenso Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 24, Rn. 7 und 9. 262 Im Ergebnis auch Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 24,Rn. 9 und Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 24, Rn. 4. 259
260
VI. Zusammenfassung
279
Wird rechtskräftig arbeitsgerichtlich festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmervertreters fortbesteht, so lebt dessen Aufsichtsratsamt analog § 104 V AktG sowie gemäß dem Rechtsgedanken der§§ 24 I MitbestG, 10 n MitbestErgG wieder auf. Zugleich erlischt das Aufsichtsratsmandat des 'eingesprungenen' Ersatzmitgliedes. Andernfalls rückt das Ersatzmitglied endgültig-infolge endgültigen Ausscheidens des Arbeitnehmervertreters- nach. 263
VI. Zusammenfassung 1. Die zwingend unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer genießen keinen den§§ 15 I KSchG, 103 BetrVG entsprechenden absoluten Kündigungsschutz. Damit steht dem ArbeitgeberNorstand grundsätzlich wie bei allen anderen Arbeitnehmern die Möglichkeit der ordentlichen wie auch außerordentlichen Kündigung offen. 2. Allerdings resultiert aus dem Störungs-, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot der §§ 26 MitbestG, 78 BetrVG ein spezieller amtsbezogener Schutz gegen Kündigungen. Dieser führt dazu, daß bestimmte (im einzelnen oben untersuchte) Pflichtwidrigkeiten wegen ihres schwerpunktmäßig amtspflichtverletzenden Charakters nicht mit arbeitsrechtlichen Sanktionen, insbesondere Kündigungen, geahndet werden dürfen. Darüber hinaus gelten für ordentliche verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigungen bzw. außerordentliche Kündigungen gegenüber den unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer keine Besonderheiten im Vergleich zu ihren Arbeitskollegen ohne Aufsichtsratsmandat.
3. Schließlich ist dem ArbeitgeberNorstand nicht verwehrt, die langjährige und bewährte Aufsichtsratstätigkeit eines Arbeitnehmers im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen zu dessen Gunsten bei der Sozialauswahl im Rahmen des § 1 III S. 2 KSchG zu berücksichtigen.
263 So auch Hoffmann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 24, Rn. 4; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 24, Rn. 9; Hanau in Hanau/Ulmer, MitbestG, § 24, Rn. 4; Benze u. a., MitbestG '76, § 24, Rn. 9; ebenso für BRM Wiese/Oetker, GK-BetrVG, § 24, Rn. 27 sowie Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 24, Rn. 15 sowie Joost in Münchener HB zum Arbeitsrecht, Band 3, § 297, Rn. 22.
Fünftes Kapitel
Haftung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat in Anbetracht der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftungsbeschränkung Aufsichtsratsmitglieder unterliegen bei ihrer Amtstätigkeit einem strengen Sorgfalts- und Verantwortlichkeitsmaßstab gemäß §§ 116, 93 AktG. Demgegenüber ist die Haftung der Arbeitnehmer für Schäden, die sie bei betrieblich veranlaßten Tätigkeiten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber oder Dritten 1 zufügen, beschränkt. Nachfolgend soll untersucht werden, inwieweit die Grundsätze der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auch für die Aufsichtsratstätigkeit von Arbeitnehmern gelten.
I. Sorgfaltsmaßstab der §§ 116, 93 AktG als Ausgangspunkt Die Effektivität des Aufsichtsrates in seiner Funktion als weisungsfreies, nur dem Unternehmensinteresse unterworfenes Kontroll- und Prüforgan der Gesellschaft hängt vom Verhalten und Engagement der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder und ihrem Zusammenwirken ab. Deshalb ist neben dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied individuell und konkret der Gesellschaft zur ordentlichen und gewissenhaften Wahrnehmung seiner Amtsaufgaben, zu Loyalität bzw. allgemeiner Rücksichtnahme auf die Belange des Unternehmens sowie zur Verschwiegenheit über Geheimnisse und vertrauliche Angaben2 verpflichtet.3 Verletzen Aufsichtsratsmitglieder diese Pflichten, so machen sie sich gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig (Jnnenhaftung nach §§ 116, 93 II, 117 II AktG, nach speziellen konzernrechtlichen Haftungstatbeständen4 sowie nach den allgemeinen Normen der 1 Die Arbeitnehmerhaftungsbeschränkung wirkt im Außenverhältnis, d. h. gegenüber Dritten, nicht unmittelbar, sondern mittelbar über einen entsprechenden Freistellungs- bzw. Regreßanspruch des AN gegen den AG. 2 Gern. §§ 3 ß Montan-MitbestG; 2ff. MitbestErgG; 25 I MitbestG; 77, 85 BetrVG 1952 in Verbindung mit§§ 116,93 I S. 2 AktG, 52 I GmbHG, 41,34 I S. 2 GenG. 3 Siehe schon oben, Einleitung, II. 3. sowie Drittes Kapitel, 1., 2. c) und I. 3. e) cc) (3). 4 Insbesondere gemäß §§ 310, 318 II AktG; siehe dazu Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des AR der AG, S. 168f.
I. Sorgfaltsmaßstab der §§ 116, 93 AktG als Ausgangspunkt
281
§§ 823 I BGB, 823 II BGB in Verbindung mit Schutzgesetzen, 826 BGB). Daneben kommt auch eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber Aktionären bzw. Gesellschaftern, gegenüber Gläubigern, Arbeitnelunern oder Wettbewerbern in Betracht, wenn sie bei bzw. im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit unerlaubt in Rechtspositionen dieser Personen eingegriffen und sie dadurch geschädigt haben (Außenhaftung nach § 117 I S. 2, II AktG bzw. §§ 823 I BGB, 823 II BGB in Verbindung mit Schutzgesetzen, § 826 BGB). 5 Hierbei gilt für alle Aufsichtsratsmitglieder zunächst einheitlich der Sorgfalts- und Verantwortlichkeitsmaßstab der§§ 116, 93 AktG, wonach 'bei der Aufsichtsratstätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitgliedes' anzuwenden' ist.6 Damit ist bereits eine erste Eingrenzung der Amtshaftung der Aufsichtsratsmitglieder vorgenommen: Gemäß §§ 116, 93 AktG wird von ihnen - im Unterschied zu den Vorstandsmitgliedern - die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Prüfers1 erwartet. Die Pflicht zu sorgfaltiger Amtstätigkeit, Überwachung und Prüfung erstreckt sich nicht auf sämtliche, sondern nur auf die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft, und sie erfolgt vor dem Hintergrund der primären Zuständigkeit des Vorstan5 Ausfuhrlieh hierzu Mutter, ebda., S. 163ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und AR, S. 21 ff. sowie 89ff.; Jula, Die Haftung von GmbH-Geschäftsfuhrern und AR, S. 126ff. 6 Ständige Rspr. des BGH (Nachweise schon oben, Einleitung, II. 3. e) und völlig unbestritten in der Literatur, vgl. nur Mertens in Kölner Komm. zum AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG, § 116, Rn. 5ff.; Geßler in Geßler/Hefermehl!Eckardt!Kropff, AktG, § 96, Rn. 58ff.; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 96, Anm. I; Fitting!Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 122f.; Fitting! Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 162f.; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 107ff. (insb. 117, 119); Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 25, Rn. 129ff.; Benze u. a, MitbestG '76, § 25, Rn. 98; Kittner/Köstler/Zachert, S. 301f., Rn. 683ff. und viele andere. Die Geltung des Verantwortlichkeits- und Haftungsmaßstabes der §§ 116, 93 AktG auch fur ARM der AN ergibt sich im übrigen weitgehend aus dem Gesetz, nämlich aus §§ 3 Il Montan-MitbestG, 3 I S. 2 MitbestErgG, 25 I Nr. 1, 2 MitbestG, 77 I BetrVG 1952; er gilt gleichfalls fur mitbestimmte GmbH, § 25 I Nr. 2 MitbestG (zudem verweist § 52 I GmbHG fur den Fall des Pflicht-AR auf§§ 116, 93 I, II AktG) sowie fur Genossenschaften, § 25 I Nr. 3 MitbestGin Verbindung mit§§ 41, 34 GenG, die wortgleich den§§ 116, 93 AktG entsprechen. 7 Insoweit deutlicher Unterschied zwischen den VM ('Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters') sowie den ARM; vgl. Geßer in Geßler/Hefermehl!Eckardt!Kropff, AktG, § 116, Rn. 7ff. (Rn. 8): er "übersetzt" die Regelung fur ARM nach§§ 116, 93 AktG als 'Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der sein Geschäft einem Dritten zur selbständigen Leitung überlassen, sich aber wegen seines im Geschäft steckenden Kapitals die Überwachung der Geschäftsfuhrung und Überprüfung des Jahresabschlusses vorbehalten hat'; ebenso Hüffer, AktG, § 116, Rn. 2; Ulmer in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 25, Rn. 117.
282
5. Kap.: Haftung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
des für die Geschäftsführung der Gesellschaft. Außerdem erfolgt die Überwachungs- und Prüftätigkeit des Aufsichtsrates grundsätzlich auf der Basis der Vorstandsberichte sowie anband der dazu überreichten Unterlagen. Soweit sich hierdurch ein prüffähiges Bild von der Geschäftsführungstätigkeit ergibt, besteht kein Anlaß und keine Verpflichtung zu weitergehenden eigenen Ermittlungen durch den Aufsichtsrat. 8 Dem Maßstab des §§ 116, 93 AktG liegt diejenige Sorgfalt zugrunde, die von einem durchschnittlichen Aufsichtsratsmitglied erwartet werden kann. Klargestellt ist mit dieser Objektivierung lediglich, daß individuelle Unkenntnis, Sorglosigkeiten oder Schwächen nicht vom Vorwurf einer Amtspflichtverletzung entlasten.9 Eine inhaltliche Bestimmung zu Art und Umfang der Sorgfalt, die von Aufsichtsratsmitgliedern bei ihrer Amtstätigkeit aufzuwenden ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen: Ein 'durchschnittliches Aufsichtsratsmitglied' gibt es angesichts der heterogenen Zusammensetzung des Aufsichtsrates nämlich nicht. Neben ihren ganz unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten und Erfahrungen sind die Aufsichtsratsmitglieder auch hinsichtlich ihres sozialen Status nicht miteinander vergleichbar (hauptberufliche Bankenvertreter, ehemalige Vorstandsmitglieder, Vertreter der Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz, Gewerkschaftsvertreter, Politiker, Vertreter des öffentlichen und wissenschaftlichen Lebens, unternehmensangehörige Arbeitnehmer, Rentner als Vertreter der Kleinaktionäre usw.). 10 Von Bankenvertretern, leitenden Angestellten des Unternehmens, Anteilseignervertretern als Abgesandte der Konzernspitze oder vorherigen Vorstandsmitgliedern zu erwarten, daß sie ihre berufliche Qualifikation in die Aufsichtsratstätigkeit einfließen lassen, stellt keine unangemessene Anforderung dar und ist im Interesse des Unternehmenswohles auch geboten. 11 Außerdem wird ihre besondere Sachkunde sowieso unweigerlich auf die Amtsführung durchschlagen, da sie nicht im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Amtsaufgaben einfach in die Rolle des nur durchschnittlich betriebswirtschaftlich und unternehmensrechtlich gebildeten Aufsichtsratsmitgliedes schlüpfen können.
Schon oben, Einleitung, II. 3. a). So schon angesprochen in BGH "Hertie", Urt. v. 15. 11. 1982, BGHZ 85, S. 293ff. (295f.); vgl. i. ü. Lutter/Krieger,§ 7, III. 3. b), Rn. 311; Deckert, ZIP 1996, S. 985ff. (992f.). 10 Ebenso Geßler in Geßler/Hefermehl!Eckardt/Kropff, AktG, § 116, Rn. 10. 11 Vgl. Mertens in Kö1ner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 57; Hoffinann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, VI. 2. a.), Rn. 41; Hüffer, § 116, Rn. 3; Schilling, Großkomm. AktG, § 116, Anm. 5; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 118; Hoffinann!Lehmann!Weinmann, MitbestG, § 25, Rn. 130; U1mer in Hanau!U1mer, MitbestG, § 25, Rn. 120 und ebenso Edenfe1d/ Neufang, Die AG 1999, S. 49ff. (53) unter Verweis auf§ 347 I HGB; anders Schwark in FS für Winfried Wemer zum 65. Geburtstag, 1984, S. 841ff. (853f.). 8
9
I. Sorgfaltsmaßstab der§§ 116, 93 AktG als Ausgangspunkt
283
Hinzu kommt eine - gewissermaßen - "abgestufte Verantwortlichkeit" als Konsequenz der Arbeitsteilung im Aufsichtsrat, wonach bestimmte Aufgaben statt durch das Plenum durch einen extra eingerichteten und gesondert ausgestatteten Ausschuß erledigt werden. Die Mitglieder der Aufsichtsratsausschüsse müssen häufig über spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten, etwa im Finanzoder Investitionsausschuß über tiefergehendes betriebs-und finanzwirtschaftliebes Fachwissen, verfügen (andernfalls eventuell Übernahmeverschulden 12). Die Sorgfaltsanforderungen, die an sie gestellt werden, sind erhöht. In erster Linie tragen diese Aufsichtsratsmitglieder die Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung der konkreten Ausschußaufgabe. Die übrigen Aufsichtsratsmitglieder bleiben zur Überwachung der Ausschußtätigkeit verpflichtet. Sie können sich allerdings, soweit die Beurteilung der fachlich kompetenten Ausschußmitglieder plausibel erscheint, auf diese verlassen. 13 Die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat allerdings verfugen häufig nicht über vertiefte betriebswirtschaftliche, gesellschafts- sowie unternehmensrechtliche Fachkenntnisse, und sie konnten nicht bereits im Laufe ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit Erfahrungen mit der Unternehmensfiihrung und -Verwaltung sammeln. Hinzu kommt, daß sie nicht in gleichem Maße und Umfang wie die 'typischen' Vorstandsmitglieder Einkommen erzielen, über Vermögen und Geldanlagen verfügen, sich durch finanzielle Rücklagen gegen einkommensschwache Zeiten absichern können und Flexibilität hinsichtlich beruflicher Alternativen aufweisen. Insbesondere angesichts der Tatsache, daß es in Reaktion auf jahrelange Kritik in der Literatur an der mangelhaften Sanktionierung von Amtspflichtverfehlungen der Aufsichtsratsmitglieder (wie auch Vorstandsmitglieder) 14 nunmehr leichter möglich ist, gemäß § 147 III 12 Lassen sich ARM in einen Ausschuß wählen, ohne über die erforderlichen Spezialkenntnisse zu verfügen, so liegt hierin ebenfalls eine Zuwiderhandlung gegen die Sorgfalt eines durchschnittlichen ARM im Sinne der§§ 116, 93 AktG (Nachweise siehe nächste Fn.). 13 Im einzelnen ist hierzu vieles umstritten; vgl. hierzu z. B. Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 10 und 57; Lutter/Krieger,§ 7, Rn. 310f. sowie§ 6, Rn. 261; Deckert, ZIP 1996, S. 985ff. (992f.); Ulmer in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 25, Rn. 120; Geßler in Geßler/HefermehUEckardt!Kropff, AktG, § 116, Rn. 19 (verneint z. B. eine allgemeine Pflicht der Nicht-Ausschußmitglieder, die Arbeit des Ausschusses zu überwachen); zum Haftungsmaßstab von Ausschußmitgliedern auch Schwark in FS für Winfried Wemer zum 65. Geburtstag, 1984, S. 841ff. (848f.). 14 Die kaum genutzte bzw. durchsetzbare schadensersatzrechtliche Inanspruchnahme von ARM und VM war häufiger Kritikpunkt der letzten Jahre, der aus der Tatsache der Häufung schwerer, aufsehenerregender Zusammenbrüche und Fehlentwicklungen großer Unternehmen in den 90er Jahren seine entscheidende Kraft bezog; so schon Theisen in DB 1989, S. 3llf. (312): 'Zivil- und strafrechtliche Verantwortung von Überwachungsträgem und Überwachten ist eine weitgehend theoretische, weil akademische Größe geblieben'; ebenso Götz, Die AG 1995, S. 337ff. (35lf.): 'Praktisch prohibitive Voraussetzungen einer Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen ARM; Haftungsnormen der §§ 93, 116 AktG haben jedwede Wirkung einer Schadensprävention
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5. Kap.: Haftung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
AktG n. F. Schadensersatzansprüche gegen Verwaltungsorganmitglieder geltend zu machen 15, könnte man daran denken, den Arbeitnehmern mit Aufsichtsratsmandat - wenn auch nicht von vornherein einen geringeren Sorgfalts- und Verantwortlichkeitsmaßstab - so aber eine gewisse Haftungsprivilegierung einzuräumen. Hierftir könnten die Grundsätze der Haftungsbeschränkung ftir Arbeitnehmer bei betrieblich veranlaßten Tätigkeiten entsprechend herangezogen werden.
II. Heranziehung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftungsbeschränkung für die Aufsichtsratstätigkeit von Arbeitnehmern Schon in den 50er Jahren wurden von BGH und BAG Grundsätze entwikkelt, wonach Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis bei besonders gefahrgeneigten Tätigkeiten nur eingeschränkt haften. 16 In der Rechtsprechung des BAG, des BGH sowie in der arbeitsrechtlichen Literatur ist seitdem unbestritten anerkannt, daß der Umfang der Haftung eines Arbeitnehmers ftir die Schädigung von Rechtsgütern seines Arbeitgebers vom Grad des ihm vorzuwerfenden Verschuldens abhängt. Die anfangliehe Eingrenzung dieser Haftungsprivilegierung auf 'gefahrgeneigte' Tätigkeiten wurde auf Initiative des Großen Senates des BAG 17 und nach Einlenken des BGH, der in diesem Punkt zunächst von eingebüßt'; Claussen, Die AG 1996, S. 481ff. (485): 'Problem der Klageberechtigten gegen ARM: Vorstand vom AR abhängig; Aktionärsquorum zu hoch'; ebenso Lutter, NJW 1995, S. 1133f. (1134): 'Vatermord ist höchst selten'; Adams, Die AG 1994, S. 148ff. (155) sowie auch Baums, ZIP 1995, S. 11ff. (13) und erneut in Die AG 1997, S. 26ff. (27): 'Haftung der ARM praktisch nicht existent'; Poseck, DB 1996, S. 2165ff. (2165); zuletzt Thümme1, DB 1997, S. 261 ff. mit umfassender Literatur1iste; schließlich Hoffinann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, VI. l., Rn. 39 mit einigen der wenigen Rechtsprechungsbeispie1en. 15 Im Rahmen der Aktienrechtsreform 1997/98 durch das KonTraG wurde die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen VM sowie AR durch Aktionäre erleichtert in Form der Herabsetzung des erforderlichen Antrags-Quorums von Aktionären auf Anteile, die den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Deutsche Mark erreichen, § 147 III n. F. AktG, vgl. hierzu oben, 3. Kapitel, I. 3. e) bb). 16 Entscheidung des GS des BAG vom 25. 09. 1957, NJW 1958, S. 235ff.; der BGH anerkannte erstmals im Urteil vom 10. Ol. 1955, BGHZ 16, S. lllff. = NJW 1955, S. 458 eine Haftungsmilderung für den AN bei gefahrgeneigter Arbeit an und trat im Urteil vom Ol. 04. 1958, BGHZ 27, S. 62ff. = NJW 1958, S. 1086ff. den vom GS des BAG im Beschluß v. 25. 09. 1957 aufgestellten Grundsätzen zur Haftungsbeschränkung bei gefahrgeneigter Arbeit prinzipiell bei. 17 GS des BAG, Beschl. v. 12. 06. 1992, NZA 1993, S. 547ff., in dem die Ansicht geäußert wird, daß die Grundsätze der Beschränkung der AN-Haftung für alle Arbeiten gelten sollten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, auch wenn diese Arbeiten nicht gefahrgeneigt sind.
li. Grundsätze der Arbeitnehmerhaftungsbeschränkung
285
der Rechtsansicht des BAG abwich 18, zugunsten einer umfassenden Haftungseinschränkung für alle Arbeiten aufgegeben, die betrieblich veranlaßt sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, auch wenn sie nicht gefahrgeneigt sind. 19 Tragendes Argument des BAG20 für diese Haftungsprivilegierung zugunsten der Arbeitnehmer bei allen betrieblich veranlaßten Tätigkeiten ist zum einen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Gegenüber früheren Zeiten hat sich seit Erlaß des BGB der Wert der Betriebsmittel, mit denen die Arbeitnehmer umgehen, stetig erhöht; damit sind die Arbeitnehmer in zunehmendem Maße hohen, nicht selten sogar existenzbedrohenden Schadensrisiken ausgesetzt. Auf dieses Haftungsrisiko haben die Arbeitnehmer aber keinen Einfluß. Sie sind persönlich abhängig, gegenüber dem Arbeitgeber weisungsgebunden und können den vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsbedingungen weder tatsächlich noch rechtlich ausweichen. Die Organisations- und Personalhoheit liegt beim Arbeitgeber. Er kann Bedingungen für die Realisierung oder aber Botschärfung von Schadensrisiken schaffen, er kann typischen Gefahrenmomenten entgegenwirken oder aber solche aus Untätigkeit oder Gleichgültigkeit verstärken. Da die Arbeitnehmer fremdbestimmt im Dienste und Interesse des Arbeitgebers tätig werden, er sie in seiner betrieblichen Organisation und zu seinen Zwecken einsetzt, darf er das unternehmensehe Risiko, etwa in Form eines Auftragsmangels, Maschinenausfalles oder von Betriebsstörungen (Betriebs- und Wirtschaftsrisiko) nicht den Arbeitnehmern aufbürden. Genauso selbstverständlich fließen allerdings dem Arbeitgeber auch die Gewinne zu, die die Arbeitnehmer mit den Betriebsmitteln erzielen. Angesichts all dessen erschiene es unverhältnismäßig, den Arbeitnehmern das volle, uneingeschränkte Haftungsrisiko für Schäden aufzubürden, die sie dem Arbeitgeber bei bzw. im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit zufügen.
BGH, Beschl. v. 21. 09. 1993- GmS- OGB 1/93, NJW 1994, S. 856. Ausführliche Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung zur Einschränkung der AN-Haftung von den Anfängen in Form eines Urteils des Arbeitsgerichtes Plauen aus dem Jahre 1936 bis heute bei Frisch, Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts, 2. Teil, C. li. (S. 77ff.). Vgl. i. ü. aus der Literatur Schaub, Arbeitsrechts-RB, § 52, VI. (S. 356ff.) sowie Zöllner/Loritz, § 19, li. (S. 252ff.). 20 So die Argumentation des GS des BAG auf den Vorlagebeschluß des 8. Senates des BAG, GS BAG, Beschl. v. 12. 06. 1992, NZA 1993, S. 547ff., in dem die Ansicht befürwortet wird, die Haftungsbeschränkung auf alle betrieblich veranlaßten Tätigkeiten zu erstrecken, unabhängig davon, ob sich dabei um gefahrgeneigte Tätigkeiten handelt. 18
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5. Kap.: Haftung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
Zum anderen setzen auch die objektiven Wertaussagen des Grundrechts der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers in Verbindung mit dessen allgemeiner Handlungsfreiheit Schranken für die Haftung im Arbeitsverhältnis: Unzumutbare finanzielle Belastungen des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis oder gar die Gefährdung bzw. Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz, ohne daß der Arbeitnehmer diesen Risiken im Arbeitsverhältnis ausweichen kann, und ohne daß das Arbeitseinkommen ein ausreichendes Äquivalent zur möglichen Schadenshöhe bildet, beeinträchtigen den Arbeitnehmer in unzulässiger Weise in seinem Recht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 I S. 2 GG sowie auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit nach Art. 2 I GG. Demgegenüber sind die Grundrechtspositionen des Arbeitgebers, nämlich seine wirtschaftliche Handlungs- und Betätigungsfreiheit aus Art. 2 I GG sowie seine Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 I S. 2 GG, nicht unverhältnismäßig eingeschränkt, wenn er die von Arbeitnehmern mit nur geringer Schuld verursachten Schäden teilweise bzw. vollständig selbst tragen muß21 : Er kann alle Maßnahmen zur größtmöglichen Schadensvermeidung einschließlich entsprechender Versicherungen vornehmen, und ihm kommt in Form der erzielten Gewinne ein grundsätzlich ausreichendes Äquivalent für erlittene Verluste und Rückschläge zu. Hinsichtlich der Amtstätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern im allgemeinen und der Arbeitnehmervertreter im besonderen verfangen diese Gedanken der Verhältnismäßigkeit sowie Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers allerdings nicht: Das Anstellungsverhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gesellschaft ist keinesfalls ein Arbeitsverhältnis oder ein dem Arbeitsverhältnis ähnelndes abhängiges Dienstverhältnis, aufgrund dessen sie fremdbestimmt und weisungsgebunden für die Gesellschaft bzw. den "Dienstherrn/Arbeitgeber" tätig wer21 Seit dem Urteil des GS des BAG v. 25. 09. 1957 (s. o.) Abstufung nach dem Grad des dem AN vorzuwerfenden Verschuldens: -bei leichter (leichtester) Fahrlässigkeit trägt der AG den Schaden allein; - bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden anteilig von beiden - AN und AG - getragen; Kriterien fiir die Aufteilung sind z. B. die Stellung des AN im Betrieb, die Höhe des Arbeitsentgeltes, persönliche Umstände des AN wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Familienverhältnisse, das bisherige arbeitsvertragliche Verhalten des AN, ein vom AG einkalkulierbares und durch Versicherung abdeckbares Risiko sowie auch die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit; -bei grober Fahrlässigkeit sowie Vorsatz trägt grundsätzlich der AN den Schaden allein; Ausnahme: bei grob fahrlässig verursachten großen Schäden kann mit Rücksicht auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz- und Lebensgrundlage des AN dessen Haftung gerichtlich auf einen bestimmten Betrag begrenzt werden; so geschehen in BAG, Urt. v. 23. 01. 1997, NZA 1998, S. 140ff.: grob fahrlässig verursachter Schaden in Höhe von 150.000,- DM; LAG und zustimmend BAG setzten den Schadensersatzanspruch des AG gegen den AN auf20.000,- DM, abzahlbar innerhalb von 5 Jahren, fest.
li. Grundsätze der Arbeitnehmerhaftungsbeschränkung
287
den. 22 Sie nehmen vielmehr, versehen mit dem Mandat und Vertrauen ihres Wahlkörpers, ihre Amtsaufgaben eigenverantwortlich, selbständig sowie weisungsungebunden wahr und sind dabei nur an das Wohl des Unternehmens aus der Sicht eines unabhängigen Kontroll- und Aufsichtsorganes gebunden. Ihre Aufsichtsratstätigkeit nimmt in zeitlicher Hinsicht den Umfang einer Neben-, allenfalls Teilzeitbeschäftigung ein, und die Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung ist nicht zwingend gesetzlich vorgesehen, sondern liegt im Ermessen der Gesellschaft. Insoweit sind die Aufsichtsratsmitglieder im deutlichen Unterschied zu Vorstandsmitgliedern (oder noch klarer: zu GmbHGeschäftsführern23) nicht einmal ansatzweise als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Personen zu betrachten. 24 Aufgrund des Nebenamtscharakters der Aufsichtsratstätigkeit und der lediglich möglichen Zahlung einer Vergütung ist die Freiheit der Entscheidung zum Eintritt in das Aufsichtsratsamt nicht durch wirtschaftliche Zwänge belastet. Die Aufsichtsratsmitglieder bestimmen autonom über die Annahme der Amtsstellung einschließlich der dazugehörigen Amtspflichten und Amtshaftung, und ihnen steht es frei, jedenfalls aus wichtigem Grunde (wie zum Beispiel persönliche Verhinderung der weiteren ordnungsgemäßen Amtsführung, Überlastung) das Amt jederzeit niederzulegen. Insoweit erfordert auch nicht der zuvor erwähnte Äquivalenzgedanke hinsichtlich Vergütungshöhe bzw. Haftungsrisiko eine Haftungsmilderung für die Aufsichtsratsmitglieder. Der Gesetzgeber hat entschieden, als mögliche Sanktion gegen amtspflichtwidrig handelnde Aufsichtsratsmitglieder auch Schadensersatzforderungen vorzusehen: §§ 116, 93, 147 AktG. Diese Normen verdeutlichen die Selbstverständlichkeit, daß deijenige, der sich in ein solch verantwortungsvolles Amt wählen läßt, die ihm übertragenen Amtspflichten ordnungsgemäß erfiillen muß. Letzteres kann nicht allein durch moralische Appelle, sondern vor allem durch die Normierung konkreter und ernstzunehmender Rechtsfolgen für den Fall von Pflichtverletzungen gewährleistet werden. Diesbezüglich unterscheiden sich die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, insbesondere darunter die Arbeitnehmer des Unternehmens, auch in keiner Weise von den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner: Sie unterEbenso die Wertung von Edenfeld/Neufang, Die AG 1999, S. 49ff. (54). Ausführlich hierzu Frisch, Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts, Vierter Teil. 24 Insoweit formuliert Bastuck, Enthaftung des Managements, D. li. 2. a) (2), S. 81 f., ungenau, oder er ist diesbezüglich anderer Ansicht, wenn er es nicht für ausgeschlossen hält, "Organmitglieder ... im Verhältnis zur juristischen Person als Arbeitnehmer anzusehen." Aufgrund der Weisungsunabhängigkeit der ARM und ihrer abstrakteren amtlichen Aufsichtstätigkeit haben auch in kleinen Gesellschaften die Aktionäre bzw. Gesellschafter keinen bestimmenden Einfluß auf die ARM; das Argument von Bastuck, ebda., kann allenfalls für GeschäftsführerNM gelten. 22
23
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5. Kap.: Haftung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
liegen in Art und Umfang prinzipiell den gleichen Amtspflichten, sie erhalten für ihre Amtstätigkeit entweder generell keine Vergütung oder eine Vergütung in grundsätzlich gleicher Höhe wie die Anteilseignervertreter, und sie haben ohne Unterschied Anspruch auf Respektierung ihres Amtsstatus, auf Unterlassung von Störungen, Behinderungen sowie Benachteiligungen wegen ihres Amtes. Ohne einen finanziellen Zwang, zum Zwecke der Erwirtschaftung der Lebensgrundlage als Aufsichtsratsmitglied tätig zu sein, haben die Arbeitnehmer genau wie die zukünftigen Anteilseignervertreter hinsichtlich ihrer Entscheidung zur Amtsübernahme allein zwischen den Vorteilen der Amtsstellung sowie den dazugehörigen Pflichten und Haftungsrisiken abzuwägen. Auch. können sie sich (gegebenenfalls aus der Aufsichtsratsvergütung) nach dem Vorbild der amerikanischen Directors & Officers liability insurance gegen Schäden, die sie im Rahmen ihrer Amtstätigkeit verursachen, ausreichend versichern25 ; die Kosten hierfür finden unter Umständen sogar bei der Festregung der Höhe der Aufsichtsratsvergütung Berücksichtigung. Da folglich im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis die private wirtschaftliche und finanzielle Ausstattung des Aufsichtsratsmitgliedes keinerlei Relevanz für die Amtsübernahme und die Aufsichtsratstätigkeit an sich hat, ist eine Differenzierung aus diesem Grunde hinsichtlich der Amtshaftung der Anteilseignervertreter bzw. Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat nicht gerechtfertigt. Eine eigenständige Haftungsbeschränkung für die Aufsichtsratstätigkeit von Arbeitnehmern nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftungsbeschränkung im Arbeitsverhältnis kann somit nicht begründet werden. 26 Aus schon mehrfach dargelegten Gründen erstreckt sich die arbeitsrechtliche Haftungsbeschränkung zugunsten der Arbeitnehmer auch nicht auf die Nebentätigkeit von Arbeitnehmern als Aufsichtsratsmitglied.27 Die Aufsichtsratstätigkeit erfolgt nicht im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und ist nicht "betrieblich" veranlaßt, sondern organschaftliehe Tätigkeit auf gesellschaftsrechtlicher Ebene. 28 Anstellungsverhältnis und Arbeitsverhältnis sind zwei voneinander unabhängige Rechtsverhältnisse, zudem bestehend zwischen unterschiedlichen Rechtssubjekten: zum einen als Arbeitsverhältnis aufgrund schuldrechtlichen Vertrages zwischen Arbeitnehmer und Gesellschaft als Arbeitgeber, zum anderen als korporatives, gesetzliches Rechtsverhältnis29 zwischen bestelltem Organmitglied und Gesellschaft als juristischer Person. Die
Hieraufweisen Edenfeld!Neufang, Die AG 1999, S. 49ff. (55), hin. Ebenso ausdrücklich Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 10. 27 Wie hier Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und AR, 1. Kapitel, IV. 1. d), Rn. 42. 28 Ebenso Edenfeld!Neufang, Die AG 1999, S. 49ff. (54). 29 Vgl. oben, Erstes Kapitel, zum Charakter des Anstellungsverhältnisses. 25
26
III. Gesellschaftsrechtliche Bewertung einer Haftungsbeschränkung
289
Rechte und Pflichten aus beiden Verhältnissen berühren sich gegenseitig grundsätzlich nicht; nur in Ausnahmefällen treten Arbeitnehmerrechte (Streik) bzw. arbeitsvertragliche Pflichten (Arbeitsleistung) teilweise zugunsten der Aufsichtsratstätigkeit zurück. 30
111. Gesellschaftsrechtliche Bewertung einer Haftungsbeschränkung zugunsten der Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat Eine Haftungsbeschränkung für einzelne Aufsichtsratsmitglieder im allgemeinen und für die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratsmandat im besonderen ist zudem aus folgenden gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten abzulehnen: Die Durchsetzung des Grundsatzes der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung aller Aufsichtsratsmitglieder, dessen Geltung und Bedeutung unbestritten ist, erfordert und schließt zwingend ein, daß gleichen Pflichten aller Aufsichtsratsmitglieder auch gleiche Sanktionsmöglichkeiten und eine gleiche Verantwortlichkeit für Amtspflichtverletzungen gegenüberstehen: Ohne gleichumfängliche Haftung ist eine dem Wortlaut nach übereinstimmende Pflichtenbindung für alle Aufsichtsratsmitglieder nicht ernst zu nehmen.31 Eine generelle Haftungsbeschränkung für Organmitglieder scheidet auch unter dem Gesichtspunkt aus, daß die Gesellschaft allein durch ihre Organe und deren Mitglieder handlungsfähig ist. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder haben exklusiv die Möglichkeit, auf Betriebsabläufe Einfluß zu nehmen, die Unternehmensentwicklung voranzubringen sowie die Interessen der Gesellschaft zu vertreten. Ihre Legitimation als einzig Handlungsberechtigte und Handlungsbefähigte für die Gesellschaft stützt sich auf ein System von organschaftlichen Rechten und Pflichten, aber ebenso auf eine Verantwortlichkeit und Haftung gegenüber der Gesellschaft für Störungen dieses organschaftliehen Treueverhältnisses. Eine Haftungseinschränkung zugunsten von Auf30 Siehe oben, Drittes Kapitel: Das Recht auf Streikteilnahme besteht auch für die AN im AR; es ist nicht von vomherein nur auf die passive Teilnahme in Form der bloßen Arbeitsniederlegung beschränkt, sondern lediglich um bestimmte Formen des aktiven Mitstreikens wie Streikleitung, Streikaufrufe usw. verringert. Zweites Kapitel: Die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung entfällt bei zeitlichen Kollisionsfällen nur, solange und soweit dies für eine ordnungsgemäße Aufsichtsratstätigkeit erforderlich ist; damit nicht unmittelbar verbundene arbeitsvertragliche Nebenpflichten bestehen unverändert fort. 31 Eine Haftungserleichterung für die unternehmensangehörigen ARM der AN nach den Grundsätzen der AN-Haftungsbeschränkung ließe unweigerlich die Frage aufkommen, ob sich diese Haftungsprivilegierung aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht auch auf die nicht unternehmensangehörigen ARM der AN, die Gewerkschaftsvertreter z. B., erstreckt. Hierauf weisen insbesondere auch Edenfeld/Neufang, Die AG 1999, S. 49ff. (54) hin. 19 Jacklofsky
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5. Kap.: Haftung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
sichtsratsmitgliedern würde damit zugleich ihre Stellung als legitime Organwalter der Gesellschaft in Frage stellen.32 Darüber hinaus besteht die Verpflichtung zu amtspflichtgemäßem, also den gesetzlichen und satzungsmäßigen Grundlagen entsprechendem Aufsichtsratshandeln auch im Interesse von Personen und Gruppen außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Ebene, wie etwa der Arbeitnehmer des Unternehmens, der Vertragspartner bzw. Gläubiger sowie der Allgemeinheit. Dies hat im Aktien- und Genossenschaftsrecht ausdrücklich Niederschlag in der Regelung der §§ 93 V, 116 AktG bzw. §§ 34 V, 41 GenG gefunden, ist aber auch im GmbHRecht im Grundsatz anerkannt. 33 Demzufolge stellte sich eine generelle, von vornherein bestehende Haftungsbeschränkung für bestimmte Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft als eine unzulässige Verkürzung der Rechte der vorstehend Genannten, also als eine unzulässige Haftungsprivilegierung zu Lasten Dritter dar. Auch entstünde bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft bzw. der Gläubiger gegen den Aufsichtsrat entgegen der Anordnung einer - nach dem Gesetzeswortlaut homogenen Gesamtschuld aller Aufsichtsratsmitglieder eine "gestörte Gesamtschuld"; in konsequenter Anerkennung einer Haftungsprivilegierung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wäre möglicherweise trotz gemeinsam verursachten Schadens ein Ausgleich innerhalb des Gesamtschuldverhältnisses aller Aufsichtsratsmitglieder ausgeschlossen. 34 Im übrigen ist schon ein Ausschluß der Haftung von (einzelnen oder allen) Aufsichtsratsmitgliedern von vornherein in der Satzung, per Hauptversammlungsbeschluß oder Einzelvereinbarung nicht zulässig?5 Die Entlastung von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung läßt Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen diese unberührt, § 120 II S. 2 AktG. Auch ein ausdrücklicher Verzicht der Gesellschaft oder ein Vergleich ist gemäߧ§ 116, 93 IV S. 3 AktG erst nach Ablauf von drei Jahren nach Entstehung des Schadensersatzanspruches und nur mit Zustimmung der Hauptversammlung möglich, selbst dann aber ausgeschlossen, wenn eine Minderheit von Aktionären mit Anteilen, die zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, 32 Ähnlich Bastuck, Enthaftung des Managements, D. II. 2. a) (2), S. 83ff.; Schneider in FS für Winfried Wemer zum 65. Geburtstag, 1984, S. 795ff. (807); wie hier für GmbH-Geschäftsführer- eine Anwendung der Grundsätze der AN-Haftung ablehnend - Boemke, ZFA 1998, S. 209ff.; i. E. ebenso für GmbH-Geschäftsführer Wiesner, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 21, Rn. 9. 33 So auch Bastuck, Enthaftung des Managements, D. Il. 2. a) (2), S. 84f.; zum GmbH-Recht siehe nachfolgend Fn. 29. 34 Vgl. Edenfeld/Neufang, Die AG 1999, S. 49ff. (54f.) verwiesen. 35 Ausdrücklich Lutter/Krieger,§ 7, III. 3. d), Rn. 313; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und AR, 4. Kapitel, Il. I. b), Rn. 231 sowie IV. 2., Rn. 244; Bastuck, Enthaftung des Managements, D. Il. 3. c), S. 97.
III. Gesellschaftsrechtliche Bewertung einer Haftungsbeschränkung
291
zur Niederschrift im Protokoll Widerspruch eingelegt hat. 36 Eine generelle Haftungsbeschränkung für bestimmte Aufsichtsratsmitglieder (aufgrund ihres persönliches und sozialen Statusses, ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit oder beruflichen Qualifikation) scheidetangesichtsdes Vorstehenden erst recht aus. Schließlich widerspräche eine Haftungsbeschränkung speziell für die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer allen zuvor gefundenen Ergebnissen dieser Arbeit: Die Durchsetzung der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung aller Aufsichtsratsmitglieder und die strikte Trennung der Pflichtenkreise aus Arbeitsverhältnis und Anstellungsverhältnis stehen in untrennbarem Zusammenhang zueinander. Von den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer die gleiche Loyalität und Treue gegenüber den Belangen des Unternehmens unbesehen eventueller entgegenstehender Interessen der Belegschaft zu verlangen, muß konsequentermaßen die Bereitschaft einschließen, die Arbeitnehmervertreter als ebensolche engagierte, pflichtgetreue Organmitglieder anzuerkennen. Einerseits die uneingeschränkte Möglichkeit der Wahrnehmung der Amtsaufgaben und -befugnisse, andererseits die uneingeschränkte Verantwortlichkeit und Haftung für amtspflichtwidriges Verhalten, - beides steht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis und ist ohne das jeweils andere nicht gerechtfertigt. Die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer haften uneingeschränkt und in gleichem Umfang wie alle anderen Aufsichtsratsmitglieder; die Grundsätze der Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer bei allen betrieblich veranlaßten Tätigkeiten haben hierauf keinerlei Auswirkung.37 36 Vgl. etwa Lutter/Krieger, § 7, III. 3. d), Rn. 313; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und AR, 4. Kapitel, III. 1. b), Rn. 236ff. Für die GmbH gelten die §§ 93 IV, 120 II AktG allerdings aufgrund fehlender Verweisung in §52 I GrnbHG nicht; hier geht die Wirkung der Entlastung deutlich über die aktienrechtliche Entlastungswirkung hinaus. Eine dem § 120 II AktG entsprechende Norm existiert im GmbHRecht nicht. Mit Ausnahme bestimmter Ansprüche (§§ 9 a I, 57 IV, 43 III, 64 II GmbHG, auf die nicht wirksam verzichtet werden kann, sind ein Verzicht, Vergleich sowie auch haftungsbeschränkende Vereinbarungen grundsätzlich bzw. viel weitergehender möglich. Vgl. dazu Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und AR, 4. Kapitel, III. 2., Rn. 240ff., IV. 3., Rn. 245. Die Rechtslage für ARM in Genossenschaften ähnelt in etwa der der ARM in AG, vgl. §§ 41, 34 IV, V GenG. 37 Im Ergebnis ebenso: Mertens in Kölner Komm. zum AktG, § 116, Rn. 5ff., 36; Anh. § 117 B § 25 MitbestG, Rn. I Off.; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 96, Rn. 56-59; Lutter/Krieger, § 7, III. 3. b), Rn. 311; Hüffer, AktG, § 116, Rn. 2; Hoffmann-Becking, Münchener HB des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 33, VI. 2. a), Rn. 41; Potthoffffrescher, Das AR-Mitglied, 5. Kapitel, III. 3. a. (1) (S. 78); Schilling, Großkomm. AktG, 3 116, Anm. 8; Fitting/ Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 25, Rn. 122; Ulmer in Hanau!Ulmer, § 25, Rn. 118 sowie Hanau in Hanau!Ulmer, MitbestG, § 26, Rn. 10; Raiser, MitbestG, § 25, Rn. 117; Hoffmann!Lehmann/ Weinmann, MitbestG, § 25, Rn. 129; Fitting!Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 76 BetrVG
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5. Kap.: Haftung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat
1952, Rn. 163; Dietz/Richardi, BetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 169; Kraft in GKBetrVG, § 76 BetrVG 1952, Rn. 122; Hoffmann, Der AR, S. 134f. Rn. 511; Schwark in FS für Winfried Werner zum 65. Geburtstag, 1984, S. 841ff. (849f.); Benze u. a., MitbestG '76, § 25, Rn. 98; Kittner/Köst1er/Zachert, S. 301ff., Rn. 683ff. Ausdrücklich gegen die Anwendung der Grundsätze der AN-Haftungsbeschränkung für ARM: Hanau in Hanau/U1mer, MitbestG, § 26, Rn. 10; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und AR, 1. Kapitel, IV. 1. d), Rn. 42; Edenfeld/Neufang, Die AG 1999, S. 49ff. (54f.). Für die Nichtgeltung ebendieser Grundsätzefür VM ausdrücklich BGH, Urt. v. 27. 02. 1975, WM 1975, S. 467ff. (469): "Von einer Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über eine Haftungsbeschränkung bei sogenannter gefahrgeneigter Tätigkeit kann ... keine Rede sein.". Auch das OLG Düsseldorf als Vorinstanz zu BGH ARAG/Garmenbeck, Urt. v. 22. 06. 1995, Die AG 1999, S. 416ff. (420), lehnte eine Geltung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze für VM mangels ANEigenschaft ab, hob jedoch gleichzeitig hervor, daß 'im Bereich von Beschäftigungsverhältnissen dem Grad des Verschuldens eine maßgebliche Bedeutung für die Haftung zukomme' , - dies allerdings im Zusammenhang mit dem Ermessensspielraum des AR bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen VM. Differenzierend: Bastuck, Enthaftung des Managements, D. II. 2. a) (2), S. 80ff. (85), der Organmitgliedern eine Haftungserleichterung bei allen Arten unternehmensleitender Tätigkeiten versagt, ihnen das Haftungsprivileg nach den für AN geltenden Regeln aber gewährt, wenn und soweit sie ihren typischen Arbeitsbereich verlassen und Aufgaben erfüllen, die normalerweise zum Pflichtenkreis eines Arbeitnehmers gehören. Ähnlich Schneider, "Haftungsmilderung für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer bei fehlerhafter Unternehmensleitung?", in FS für Winfried Werner zum 65. Geburtstag, 1984, S. 795ff.
Anhang I. Aufsichtsratsamt als Nebenamt: Auszug aus einer Studie zu Aufsichtsräten in deutschen Aktiengesellschaften 1 1. Häufigkeit und Dauer von Aufsichtsratssitzungen
Zahl
60
48 o/.
der befragten Gesellschaften
50
ln%
40 30 20 10
•
Durchschnitt: 3,8 Sitzungen des Aufsichtsrates pro Jahr- dies entspricht leicht aufgerundet dem gesetzlichen Richtwert einer vierteljährlichen Sitzungsfrequenz; in börsennotierten Gesellschaften muß der Aufsichtsrat gemäߧ 110 III AktG n. F. (Neufassung durch das KonTraG) zweimal im Kalenderhalbjahr zusammentreten.
•
Durchschnittliche Dauer der Aufsichtsratssitzungen:
•
Durchschnittlicher jährlicher Zeitaufwand fiir die Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrates: 14,22 Stunden 1 Bleicher,
Der Aufsichtsrat im Wandel, 1987, S. 4lff.
3,74 Stunden
294
Anhang
2. Häufigkeit und Dauer der Ausschußsitzungen Am häufigsten eingerichteter Ausschuß:
Personalausschuß
seltenere Ausschüsse:
Präsidium Finanzausschuß Investitionsausschuß Prüfungsausschuß
3.5 3.5
2,5 2.5
1,5
1.5
0 ,5
0 ,5
PersonalluiiChul
Prbldlum
FII'III'IZIUIIchul
lnYIIUUon. .uslchuB
0
Ourchachnilthche Anzahl der Auuchußailzungen pro Jahr
0
Ourchachmttliche Dauer der Auuchußsilzungen
PrOfungaaunchul
295
Anhang
Durchschnittlicher jährlicher Zeitaufwand für Ausschußarbeit Prüfungsausschuß:
10 Stunden 13 Minuten
Investitionsausschuß:
8 Stunden 46 Minuten
Finanzausschuß:
8 Stunden 50 Minuten
Präsidium:
8 Stunden I 0 Minuten
Personalausschuß:
4 Stunden 46 Minuten
Genmt&•lt•ufwand lnShmd•n
12
296
Anhang
II. Übersicht über die Rechtsprechung mit mitbestimmungsrechtlichem Bezug zwischen 1976 und 1998 2 1. Verfassungsmäßigkeit des MitbestG sowie MitbestErgG; Statusverfahren
Während zwischen 1976 und 1981 -durch die Neuexistenz des MitbestG bedingt - zunächst die verfassungsrechtliche Streitigkeit über die Verfassungsmäßigkeit des MitbestG sowie nach 1979 Verfahren über das generelle Unterfallen eines Unternehmens unter das MitbestG dominierten, standen ab 1986 Streitigkeiten zur Klärung der gesetzeskonformen Zusammensetzung des Aufsichtsrates, speziell hinsichtlich der Konsequenzen eines Absinkens der Arbeitnehmerzahl unter 2.000 ( § 1 I Nr. 2 MitbestG), des Unterfallens unter Montan-MitbestG oder MitbestG bei Änderung des Unternehmenszieles bzw. -programmes sowie der Berücksichtigung von Arbeitnehmern der Konzernunternehmen als Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens, zur Entscheidung an.3 Solche Statusverfahren erlangten im Zeitraum von 1986 bis 1991 noch mehr an Bedeutung: neun der 47 veröffentlichten Entscheidungen mit mitbestimmungsrechtlichem Bezug beschäftigten sich mit Statusfragen, nämlich mit der Zusammensetzung des Aufsichtsrates (nach MitbestG oder Montan-MitbestG, vor allem in Anbetracht des 3. Montan-MitbestimrnungsSicherungsgesetzes), dem Zeitpunkt bzw. der Zulässigkeit einer Verkleinerung des Aufsichtsrates sowie mit mitbestimmungsrechtliehen Konzernproblematiken nach § 5 MitbestG (mitbestimmter Aufsichtsrat bei einer als Konzernspitze ausgestalteten GmbH ohne eigene Arbeitnehmer; "Konzern im Konzern"). 4 In den Jahren von 1992 bis 1998 wurden von 23 eingeleiteten Statusverfahren nur 10 gerichtlich entschieden und 7 Entscheidungen davon veröffentlicht: zur gsetzeskonformen Zusammensetzung des Aufsichtsrates5, zur Prognose der Beschäftigtenzahl im Hinblick auf den Schwellenwert des § 1 I Nr. 2 Mit2 Zusätzlich die Entscheidung des BVerfG vom 02. März 1999, ZIP 1999, S. 410ff.; Darstellung basiert zum einen wesentlich auf der Zusammenfassung bei Theisen, BB 1981, S. 1858ff., Die AG 1987, S. 137fT., Die AG 1993, S. 49ff. sowie Die AG 1998, S. 153ff., zum anderen auf der eigenen Auswertung der einschlägigen Fachzeitschriften, schwerpunktmäßig WM, Die AG, ZIP von 1992 bis April1999. 3 Siehe Auflistung der hierzu ergangenen Enscheidungen bei Theisen, BB 1981, S. 1858ff. (1859f.) und Die AG 1987, S. 138fT. 4 Theisen, Die AG 1993, S. 52ff. s Zum Fortfall der Montanmitbestimmung bei Änderung der Konzemorganisation, speziell beim Zusammenschluß von Preussag AG und Salzgitter AG; LG Hannover, Beseht. v. 30. 09. 1992, Die AG 1993, S. 190fT. sowie OLG Celle, Beschl. v. 22. 03. 1993, Die AG 1994, S. 131fT; außerdem BayOLG, Beseht. v. 10. 12. 1992, Die AG 1993, S. 177f. (Bildung eines AR nach BetrVG 1952 in GmbH erforderlich bei Berücksichtigung der AN eines von der GmbH abhängigen Unternehmens im Rahmen der Feststellung der Beschäftigtenzahl).
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bestG6 , zur Anwendbarkeit des MitbestG (oder BetrVG 1952) auf ein Unternehmen mit karitativer Bestimmung, § 1 IV MitbestG7 sowie zu mitbestimmungsrechtliehen Konzemproblematiken8• Auf Vorlage des OLG Düsseldorf beschäftigte sich das BVerfG mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Beibehaltungsvorschriften hinsichtlich der Montan-Mitbestimmung nach dem MitbestErgG gemäß §§ 3 II S. 1, 16 MitbestErgG. 9 In seinem Urteil vom 02. März 1999 entschied das BVerfG, daß die genannten Vorschriften nur insoweit nicht mit Art. 3 I GG vereinbar sind, als daß die alternativ - bei Nichterreichen der Montan-Wertschöpfungsquote - geltende Belegschaftszahl von 2.000 Arbeitnehmern in den montan-mitbestimmten Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen keinen ausreichenden Montan-Bezug aufweist und damit allein nicht die Beibehaltung der Montan-Mitbestimmung nach MitbestErgG zu rechtfertigen vermag. Die Absenkung der MontanWertschöpfungsquote von zuvor mehr als 50% aufnunmehr mindestens 20% ("mindestens ein Fünftel der Umsätze sämtlicher Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen") für Unternehmen, die bisher montan-mitbestimmt waren, sowie die unterschiedlichen Wertschöpfungsquoten für den Verbleib in der und den Eintritt in die Montan-Mitbestimmung sind dagegen nach Ansicht und Entscheidung des B VerfG mit dem Grundgesetz vereinbar. 10
6 Zugleich Frage der Zusammensetzung des AR; LG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 04. 1994 (n. v.; hierzu Theisen, Die AG 1998, S. 156) sowie OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09. 12. 1994, Die AG 1995, S. 328f. = WM 1995, S. 25lff. 7 Hier: Krankenhaus-Konzern; LG Nürnberg, Urt. v. 05. 05. 1993 (n. v.; siehe Theisen, Die AG 1998, S. 157) sowie BayOLG, Beschl. v. 10. 08. 1995, Die AG 1996, S. 33ff. 8 Zur Frage der Bildung eines mitbestimmten AR bei einer als Konzernspitze ausgestalteten arbeitnehmerlosen GmbH LG Stuttgart, Beschl. v. 11. 05. 1993, Die AG 1993, S. 472ff. und OLG Stuttgart,Beschl. v. 30. 03. 1995, ZIP 1995, S. 1004ff. sowie LG Hamburg, Beschl. v. 26. 06. 1995, Die AG 1996, S. 89f. und OLG Hamburg, Beschl. v. 28. 09. 1995 (n. v.; Theisen, Die AG 1998, S. 158); ähnliche Problematik bei LG München, Beschl. v. 25. 09. 1995, Die AG 1996, S. 186f.; "Konzern im Konzern": LG Düsseldorf, Beschl. v. 02. 08. 1996 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. 12. 1996, Die AG 1997, S. 129f. = WM 1997, S. 668ff. Jüngst entschied das BayOLG im Rahmen eines Statusverfahrens mit Urt. v. 24. 03. 1998, BB 1998, S. 2129ff., über einen Antrag der Gewerkschaften auf Feststellung, daß beim Antragsgegner, einer Aktiengesellschaft, ein AR nach dem MitbestG 1976 gebildet werden muß. 9 Vorlagebeschluß an das BVerfG durch das OLG Düsseldorfv. 08. 01. 1991 , Die AG 1991, S. 153ff. sowie erneuter Vorlagebeschluß v. 13. 08. 1993, Die AG 1994, s. 281ff. 10 Vgl. z. B. in ZIP 1999, S. 41 Off.
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2. Gerichtliche Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern bzw. Geschäftsruhrern sowie von Aufsichtsratsmitgliedern Über die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern wurde - soweit bekanntgeworden - in den Jahren 1976 bis 1981 sowie zwischen 1981 und 1986 jeweils einmal entschieden (Bestellung der sechs Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach §§ 104 AktG, 7 I Nr. 1 MitbestG sowie Bestellung eines externen Arbeitnehmervertreters fiir den Aufsichtsrat), über die gerichtliche Notbestellung des Arbeitsdirektors gern. §§ 85 AktG, 31, 33 MitbestG zwischen 1976 und 1981 zweimal, in den Jahren von 1981 bis 1986 einmal. Auch zwischen 1986 und 1991 spielten Verfahren zur Bestellung des Arbeitsdirektors ebenso wie gerichtliche Bestellungsverfahren nach § 104 II, III AktG kaum eine Rolle. 11 Im Zeitraum von 1992 bis 1998 kamen einige Entscheidungen über die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern insbesondere der Arbeitnehmer hinzu. 12 Die gerichtliche Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern erlangte erstmalig 1985 Relevanz. In drei Verfahren ging es um die gerichtliche Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nach § 103 III AktG (I) wegen unbefugter Weitergabe von vertraulichen Unterlagen an das Bundeskartellamt, (2) wegen der Bekanntgabe bestimmter Vorstandsabsichten und des Abstimmungsverhaltens der übrigen Arbeitnehmervertreter in einer Betriebsversammlung sowie (3) wegen Bekanntgabe eines Abstimmungsergebnisses. Nur einmal wurde die Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers gerichtlich bestätigt.13 Zwischen 1986 und 1991 wurden 5 Entscheidungen in neu angefallenen Verfahren über die gerichtliche Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern aus wichtigem Grund nach § 103 AktG getroffen. Bemerkenswerterweise bezogen sie sich ausnahmslos auf Anteilseignervertreter (Zulässigkeit einer Beschwerde gegen gerichtliche Abberufung bei bereits erfolgter Nachwahl; eigenmächtige Kontaktaufnahme von Anteilseignervertretern zu Geschäftspartnern ihrer Gesellschaft, um Geschäftsbeziehungen zu erörtern; Unvereinbarkeit persönli-
Theisen, BB 1981, S. 1861f.; Die AG 1987, S. 143; Die AG 1993, S. 56. LG Hof, Beschl. v. 17. 11. 1992, Die AG 1993, S. 434 (unter Mißachtung insb. des § 30 II AktG Bestellung von 6 ARM der AN fiir den ersten AR einer durch Fusion neu entstandenen AG); dies wurde übernommen in LG Frankfurt, Beschl. v. 20. 09. 1995 sowie LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 28. 03. 1996 (beide n.v.; hierzu Theisen, Die AG 1998, S. 160f); außerdem OLG Düsse1dorf, Beschl. v. 01. 02. 1994, Die AG 1994, S. 424f. (Kostentragungspflicht der Gewerkschaften bei gerichtlicher Bestellung eines Arbeitnehmervertreters auf gewerkschaftlichen Antrag); jüngste Entscheidung des BayOLG, Beschl. v. 20. 08. 1997, Die AG 1998, S. 36f.; OLG Dresden, Beschl. v. 30. 09. 1997, NJW-RR 1998, S. 830f. 13 Theisen, Die AG 1987, S. 143f. 11
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eher Meinungen und Ansichten des Aufsichtsratsmitgliedes mit dem Unternehmenszweckseiner Gesellschaft). Erstmals im Zeitraum zwischen 1986 und 1991, anschließend auch in den nächsten Jahren bis 1996 wurden Verfahren bekannt bzw. veröffentlicht, in denen es einmal um die Wiederbestellung bzw. Abberufung eines Vorstandsmitgliedes, zum anderen um die (ausschließliche) Personalkompetenz des Aufsichtsrates (auch für die Zeit nach Konkurseröffuung) ging. 14 Zwischen 1991 und 1996 kamen erstmalig einige Verfahren über die Entlastung von Aufsichtsratsmitgliedern (zumeist im Zusammenhang mit Auskunftsbegehren von Aktionären) hinzu. 15 3. Wirksamkeit von Regelungen der Satzung, der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, der Beschlüsse des Aufsichtsrates sowie der Aussschüsse; Personelle Besetzung und Kompetenzen der Ausschüsse Zwischen 1976 und 1986 standen einige Verfahren zur Klärung der Zulässigkeif bestimmter (möglicherweise in Versuchung der Gerichte "angetesteter") Satzungsregeln sowie Regeln der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates zur Klärung an, die zum Beispiel die Beschlußfahigkeit des Aufsichtsrates von einer Mindestanzahl teilnehmender Anteilseignervertreter und/oder der Anwesenheit des Aufsichtsratsvorsitzenden abhängig machten; die die Wahl weiterer stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender beschränkt auf den Kreis der Anteilseignervertreter festlegten; die die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer von vornherein von einer Vertretung in einzelnen Ausschüssen (Personalausschuß; Vorstandsausschuß) ausschlossen oder die die patt-auflösende Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden auf die Ausschüsse bzw. sogar den Ausschußvorsitzenden erweitern wollten. 16 Nach 1986 hatten solche Streitigkeiten kaum noch Bedeutung; zuletzt wurde in zwei Instanzen über die Zulässigkeit der Neufassung der Geschäftsordnung entschieden, insoweit sie die abschließende Delegation umfassend zustimmungspflichtiger Geschäfte an den (aus vier Anteilseigner- und zwei Arbeitnehmervertretern bestehenden) allgemeinen Ausschuß regelte. 17
Ders., Die AG 1993, S. 56ff. sowie Die AG 1998, S. 162. Theisen, Die AG 1998, S. 161f. 16 Ders., BB 1981, S. 1862f. und Die AG 1987, S. 144ff.; als Beispiel sollen hier nur erwähnt werden: OLG Hamburg, Urt. v. 23. 07. 1982, Die AG 1983, S. 21ff. sowie OLG Hamburg, Urt. v. 25. 05. 1984, Die AG 1984, S. 248ff. 17 LG Hamburg, Urt. v. 22. 12. 1994 (n.v.) sowie OLG Hamburg, Urt. v. 29. 09. 1995, Die AG 1996, S. 84fT.= ZIP 1995, S. 1673ff.; hierzu Theisen, Die AG 1998, S. 164f. 14
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Demgegenüber ergingen in den 90er Jahren mehrere Entscheidungen über die Wirksamkeit von AufSichtsratsbeschlüssen sowie der Ausschußwahlen 18 , im Zeitraum zwischen 1986 und 1991 Entscheidungen über die Wirksamkeit von Beschlüssen der (in zwei Fällen nur mit zwei Mitgliedern besetzten) Personalausschüsse sowie zum Auskunftsanspruch der nicht im Ausschuß vertretenden Aufsichtsratsmitglieder hinsichtlich des Inhaltes der getroffenen Personalentscheidungen (konkret: Höhe der in Aussicht gestellten Bezüge im Rahmen von Neueinstellungsverhandlungen mit Vorstands-Anwärtern), des weiteren mehrere Entscheidungen zur Vertretung der Gesellschaft in Angelegenheiten den Vorstand betreffend durch den (mitbestimmten) Aufsichtsrat nach§§ 112 AktG, 25 I MitbestG. 19 Weitere Streitigkeiten über die konkrete Aufsichtsratsarbeit und die daraus resultierenden Amtspflichten erreichten die gerichtliche Sphäre ab Mitte der 80er Jahre und betrafen hauptsächlich Art und Umfang der Informationsversorgung und -gewinnung der Aufsichtsratsmitglieder zur Vorbereitung von Entscheidungen im Aufsichtsrat. Vereinzelt richteten sich die Klagen auch auf eine Verpflichtung des Vorstandes zur Unterlassung bzw. Rückgängigmachung zentraler organisatorischer Maßnahmen sowie die Unwirksamkeitserklärung eines Umstrukturierungsbeschlusses des Aufsichtsrates wegen unzureichender Informationen20 • Mehrere Entscheidungen bestätigten den Man-
18 Zu AR-Beschlüssen: OLG München, Urt. v. 12. 11. 1993 (Theisen, ebda., S. 166) und BGH, Urt. v. 15. 11. 1993, Die AG 1994, S. 124ff. = ZIP 1993, S. 1862ff. (Nichtigkeit des AR-Beschlusses zum Jahresabschluß sowie des Ablehnungsbeschlusses hinsichtlich der Einführung eines Zustimmungsvorbehaltes); LG Düsseldorf, Urt. v. 14. 03. 1994, Die AG 1994, S. 328ff. = ZIP 1994, S. 628ff. (Nichtigkeit des ARBschlusses über den Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatz gegen den Vorstandsvorsitzenden, - ARAG); LG Düsseldorf, Urt. v. 19. 07. 1994, Die AG 1995, S. 333ff. (Nichtigkeit des Beschlusses über den Jahresabschluß); zu Ausschußwahlen: OLG Hamburg, Urt. v. 06. 03. 1992, Die AG 1992, S. 197ff. = ZIP 1992, S. 1310ff. (AR-Beschluß zur Besetzung des Vorstandsausschusses); BGH, Urt. v. 17. 05. 1993, Die AG 1993, S. 464ff. = WM 1993, S. 1330ff. (Nichtigkeit der Wahl des Vorstandsausschusses, da ARM der AN aus grundsätzlichen Erwägungen von vomherein von jeder Mitarbeit in diesem Ausschuß ausgeschlossen sind); LG Passau, Urt. v. 31. 05. 1994, Die AG 1994, S. 428 sowie OLG München, Urt. v. 27. 01. 1995, Die AG 1995, S. 466f. (kein Ausschluß der ARM der AN von der Mitarbeit in Ausschüssen); LG Frankfurt, Urt. v. 19. 12. 1995, ZIP 1996, S. 166lff. (Nichtigkeit der Wahl des Personalausschusses). 19 Theisen, Die AG 1993, S. 58f. sowie Die AG 1998, S. 162. 20 BGH, Urt. v. 28. 11. 1988, Die AG 1989, S. 89ff. sowie LG Hannover, Urt. v. 27. 06. 1989, Die AG 1989, S. 448f., danach OLG Celle, Urt. v. 09. 10. 1989, Die AG 1990, S. 264ff.; (Theisen, Die AG 1987, S. 148 u. Die AG 1993, S. 60ff.); die mangelhafte Information war auch ursächlich für Klagen von ARM der AN gegen ARBeschlüsse, so in BGH, Urt. v. 15. 11. 1993, Die AG 1994, S. 124ff. = ZIP 1993, S. 1862ff.; LG Düsseldorf, Urt. v. 19. 07. 1994, Die AG 1995, S. 333ff.
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datsbestandsschutz sowie die Unantastbarkeit des Rechts auf Teilnahme an den Aufsichtsratssitzungen. 21 4. Rechtsstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten Rechtsstreitigkeiten, für die nach § 2 a I Nr. 3 ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist, beschäftigten die Arbeitsgerichte viel weniger, als aufgrund der Fülle möglicher arbeitsrechtlicher Streitigkeiten hätte erwartet werden können. In den Anfangsjahren nach 1976 dominierten vor allem Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Wahl nach MitbestG, die weitgehend auf das verspätete lokrafttreten der Wahlordnungen erst Mitte 1977 bzw. die Gewöhnungsbedürftigkeit der neuen Gesetze zurückgingen?2 Gegenstand der drei veröffentlichten unter den fünf bekanntgewordenen Entscheidungen zwischen 1981 und 1986 waren zum einen Ansprüche eines Arbeitnehmervertreters auf Lohnersatz bzw. später auf Fahrtkostenerstattung für die Teilnahme an einer Betriebsversarnmlung, zum anderen Anfechtungstatbestände und -voraussetzungen.23 Zwischen 1986 und 1991 ergingen lediglich (soweit bekanntgeworden bzw. veröffentlicht) acht Urteile in fünf verschiedenen Verfahren: (1) zur Frage, inwieweit der Hauptwahlvorstand während eines laufenden Wahlverfahrens Fehler von Wahlvorständen korrigieren kann; (2) zur Gruppenzugehörigkeit eines Arbeitnehmervertreters; (3) zur Interessenkollision bei einem hauptamtlich tätigen Gewerkschaftsbeauftragten, der in einem Unternehmen Gewerkschaftsrechte nach BetrVG wahrnahm und in einem anderen Konkurrenzunternehmen als externes Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer tätig war; (4) zum Alleinvorschlagsrecht der Gewerkschaften nach § 16 II MitbestG und (5) zur Zuständigkeit der Einigungsstelle für die Entscheidung über Art und Um-
21 Im Vorfeld des Statusverfahrens zu klärende Frage bei OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. 12. 1996, Die AG 1997, S. 129f. = WM 1997, S. 668ff.; Bestätigung durch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11. 12. 1996 (siehe Theisen, Die AG 1998, S. 161); LG Mühlhausen, Urt. v. 15. 08. 1996, ZIP 1996, S. 1660f. =Die AG 1996, S. 527f. sowie OLG Dresden, Beschl. v 18. 02. 1997, ZIP 1997, S. 589ff. 22 So dominierten Probleme im Zusammenhang mit der Wäh1erlistenerstellung, der Verpflichtung der Betriebs- bzw. Unternehmensleitung zur Personaldatenherausgabe sowie der Eingruppierung der Wahlberechtigten in die Listen. Weitere Streitpunkte waren die Eigenschaft eines leitenden Angestellten als Wahlvorstandsmitglied sowie die Zulassung von AN zur Kandidatur für das AR-Amt im Hinblick auf die noch nicht einjährige Untemehmenszugehörigkeit; hierzu Theisen, BB 1981, S. 1860f. 23 Ders., Die AG 1987, S. 14lf. 20 Jacklofsky
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fang der Vorlage des Wirtschaftsprüferberichts im betriebsverfassungsrechtlichen Wirtschaftsausschuß. 24 In den 90er Jahren kamen einzelne Entscheidungen zum einen zur Verfassungsmäßigkeit des § 12 I MitbestG, zum anderen zur Anfechtung der Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat sowie über die Einbindung einer Anstalt des öffentlichen Rechts in einen mitbestimmungspflichtigen Unterordnungskonzem hinzu. 25
24 Theisen,
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Sachwortverzeichnis Abberufung -
Aufsichtsratsmitglieder 32f., 52, 56f., 70, 172, 183, 188, 214, 223, 298
-
Vorstandsmitglieder 38, 4lf., 44, 170,299
Amtsbeendigung 33ff., 55, 189 Amtshandlungstheorie 227f., 230, 233
-
Stimmrecht, -verbot 18lff., 192f.
-
Trennungsprinzip l45ff.
-
Treuepflicht l83ff.
-
ultima-ratio 140
-
Unternehmenswohl 142, l50f., l56ff., 180
137, 146ff.,
l28f., 131ff., 144, 151,
Aufsichtsrat
Amtszeit
-
Ausschüsse 36, 42ff., 62f., 72, 116, 162, l66ff., 283, 294f., 299ff.
Vorstandsmitglieder 55
-
Geschäftsordnung 170, 299f.
Anstellungsvertrag, -Verhältnis
-
Gleichbehandlung 46f., 59, 89, 92f., 113,120,170,190,208,215
-
Jahresabschluß 35ff., 45
-
Kollegialorgan 44
-
Lagebericht 35ff., 45
-
Stimmrecht 28,56,66
-
Zweitstimmrecht 192, 204
-
Aufsichtsratsmitglieder 112, 162
-
32, 95,
-
Aufsichtsratsmitglieder 48ff.
-
Vorstandsmitglieder 4lf., 49
Arbeitsdirektor, s. Vorstand Arbeitskampf
(s. auch Arbeitskampf)
-
Amtsmißbrauch 123, 177, 182
-
Arbeitsverhältnis l27f.
-
Aufsichtsratsamt l22ff.
-
Aussperrung l22ff., 177
-
Gegnerfreiheit 151 ff., l82ff.
Abmeldung vom Arbeitsplatz 77
-
Interessenkollision l23ff., 137, 149f., 153, l57ff., 180
Aufwendungsersatz 63, 96f., 100, 115
-
Kampfparität l28ff., 146, 159, 258
-
Koalitionsfreiheit 130, l36ff., 159, 181, 257
-
rechtswidriger Streik l8lff.
28, 42, 162, 171,
Aufsichtsratsamt
-
Befähigung ll Off.
-
Ersatzmitglied 69, 72, 277f.
-
fachliche Qualifikation 58ff., 96, 10lf., 109ff., 119, 253, 272ff., 282, 291
315
Sachwortverzeichnis -
Haftung 165f., 180, 281ff.
Gesellschaftsvertrag 27f., 31, 228
-
Nebenamt 56, 63ff., 96, 100, 116,137,217,287,293
-
Personalunion mit Betriebsratsamt 146, 215ff.
Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts 20, 164, 20 I
-
Sachverständige 36, 76, 111, 113
-
Sitzungsgeld 63, 88, 100
-
Sorgfalts- und Verantwortlichkeitsmaßstab 46, 62, 280ff.
Grundkapital 166, 171, 290
-
Vergütung 62ff., 80, 87ff., 94ff., IOOff., 114, 137, 152, 211, 287f.
Haftung
-
Verhinderung 76f., 80, 287
-
Verschwiegenheitspflicht l42ff., l72f.,217,235f.,243,249ff.
Bertelsmann Stiftung 176 Betriebsrat -
Ersatzmitglied 75f.
-
Freistellung 69, 75ff.
-
Freizeitausgleich l 06ff.
-
Wirtschaftsausschuß 197, 302
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich l65ff., 201, 284 Gewerkschaftsvertreter 23, 27f., 32, 89, 159,164,167,174,282
Haftungserleichterungen in lungsverträgen 60ff., 289ff. -
Anstel-
Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer 284ff.
Hans-Böckler-Stiftung 22, 89, 114, 176 Hauptversammlung 3lff., 43ff., 51ff., 60f., 66, 88, 91, 100, 116, 169, 188, 204,218,290 Kollegialorgan, s. Aufsichtsrat Kommanditgesellschaft auf Aktien 23, 29
Betriebsrisikolehre 81 ff.
KonTraG, s. Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
Delegierte 32f., 47 53ff., 83, 167, l88f., 223
Konzern 27, 32, 42, 90, 163f., 220, 267, 281, 296f.
Dienstvertrag, s. Vorstand
Kündigungsschutzgesetz -
Kündigungsgründe nach § 1 KSchG 222ff., 267ff.
Erweiterungstheorie 225 ff.
-
Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft 23, 27, 30
Sozialauswahl, Berücksichtigung des Aufsichtsratsamtes 271 ff.
-
Weiterbeschäftigung 274ff.
Entlastung 57, 149, 155, 290, 299
Europäische Aktiengesellschaft 176 Generalversammlung 31 Gesellschaftskapital 27f.
leitende/r Angestellte 90, 267 Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz 163
316
Sachwortverzeichnis
Mitbestimmungsurteil (des BVerfG) 19, 22, 158fT., 178
Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 156
Montanindustrie 25
Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 23,30
Montan-MitbestimmungsSicherungsgesetz, Drittes 190fT., 296
163,
Persona1ausschuß, s. auch Aufsichtsrat Ausschüsse 42, 171, 294f. Satzung 53f., 60ff., 76, 88, 100, 126, 159,170,188,211,222,290,299
Vorstand -
Arbeitsdirektor 25, 42, 298
-
Bestellung 4lf., 44, 49fT., 55, 68, 110, 170f(, 178(, 298f.
-
Dienstvertrag (s. auch Anstellungsvertrag) 55, 58
-
Geschäftsführung 34fT., 44, 59f., 69, 74, 124, 168, 173, 190fT., 207f(, 220, 254, 28lf.
-
Geschäftsordnung 38, 168
-
Haftung 165(,281(,289(
-
Vergütung 58(, 63
Simultantheorie 230, 234ff. Sitzungsgeld, s. Aufwendungsersatz Sprecherausschuß, -mitglieder 99,192, 198(,206ff.,209 Statut 28, 176 Stimmrecht, s. Aufsichtsrat Trennungstheorie 235ff.
67,
82f.,
Zweitstimmrecht, s. Aufsichtsrat