Die Kooperation von Unternehmen mit deutschen Strafverfolgungsbehörden: Internal Investigations, Mitarbeiterinterviews und nemo-tenetur-Grundsatz [1 ed.] 9783428580309, 9783428180301

Internal Investigations gewinnen in der Praxis der Rechtsberatung immer größere Bedeutung und stehen im Fokus des Gesetz

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German Pages 372 Year 2020

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Die Kooperation von Unternehmen mit deutschen Strafverfolgungsbehörden: Internal Investigations, Mitarbeiterinterviews und nemo-tenetur-Grundsatz [1 ed.]
 9783428580309, 9783428180301

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Schriften zum Strafrecht Band 358

Die Kooperation von Unternehmen mit deutschen Strafverfolgungsbehörden Internal Investigations, Mitarbeiterinterviews und nemo-tenetur-Grundsatz

Von

Annika Hille

Duncker & Humblot · Berlin

ANNIKA HILLE

Die Kooperation von Unternehmen mit deutschen Strafverfolgungsbehörden

Schriften zum Strafrecht Band 358

Die Kooperation von Unternehmen mit deutschen Strafverfolgungsbehörden Internal Investigations, Mitarbeiterinterviews und nemo-tenetur-Grundsatz

Von

Annika Hille

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D61 Alle Rechte vorbehalten © 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18030-1 (Print) ISBN 978-3-428-58030-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2018/2019 bei der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Dissertation eingereicht. Literatur und Rechtsprechung wurden bis Januar 2019 berücksichtigt. Die mündliche Prüfung fand im Dezember 2019 statt. Besonders bedanken möchte ich mich zunächst bei meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Helmut Frister, für seine hervorragende Unterstützung und Betreuung dieser Arbeit, den stets konstruktiven fachlichen Austausch sowie für die schnelle Erstellung des Erstgutachtens. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Horst Schlehofer für die Übernahme und ebenfalls schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Herzlich danken möchte ich auch meinen Studien-, Referendariats- und Promotionskollegen/innen, ohne die die Zeit in der Bibliothek nur halb so schön gewesen wäre. Ihr habt die tägliche Motivationsfindung wesentlich erleichtert. Mein ganz besonderer Dank gilt daneben Fabian Kreis, Corinna Daldrup und Alina Rütter, die durch den starken motivierenden Zuspruch, die stete Hilfsbereitschaft und den (fachlichen) Austausch in hohem Maße zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Vielen Dank für die immer offenen Ohren und das hohe Maß an (moralischer) Unterstützung – mir bedeutet dies sehr viel. Alina Rütter danke ich zudem für die äußerst sorgfältige und sehr schnelle Korrektur der Arbeit. Meinen Eltern, Annette und Christan Hille, sowie meiner Schwester Carina Fliß gebührt mein größter Dank. Ich danke ihnen von Herzen, dass sie mir diese Ausbildung ermöglicht und mich auf meinem bisherigen Lebensweg vorbehaltlos unterstützt, gefördert und gefordert haben. Durch ihren steten Rückhalt, ihren Zuspruch und ihre Liebe haben sie wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Düsseldorf, im April 2020

Annika Hille

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Grundlagen der Internal Investigations und der Strafbarkeit von Unternehmen

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I. US-amerikanische Herkunft der Internal Investigations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Internal Investigations als Ausprägung der Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Begriff der Compliance und der Internal Investigation . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Gesetzliche Grundlagen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Vor- und Nachteile von Compliance-Systemen und Internal Investigations 42 III. Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen nach deutschem Recht . . . . . . . . 46 1. Bisherige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Reformbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Verbandsstrafgesetzbuch-Entwurf NRW (2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes (2017) . . . . . . . . . . . . 56 IV. Erstes Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations . . . . . . . . . . . . . 60 I. Pflicht zur Teilnahme und Aussage durch den Mitarbeiter? . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Unmittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Mittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Ablauf von Mitarbeiterinterviews in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Grenzen der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Keine Geltung strafprozessualer Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Nemo-tenetur-se-ipsum-accusare-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Inhalt des nemo-tenetur-Grundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes bei der Mitarbeiterbefragung . . . 91 aa) Geltung der einfachgesetzlichen Ausprägungen des nemo-teneturGrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Mittelbare Drittwirkung des nemo-tenetur-Grundsatzes . . . . . . . . . . . 92 3. Fair-trial-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

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Inhaltsverzeichnis IV. Auswirkungen auf die Auskunftsansprüche: Reichweite und Grenzen . . . . . . . 96 1. Kein generelles Auskunftsverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Unmittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Problematik der Beweislastumgehung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG bzw. allgemeiner Beweislastregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Mittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Generelle Zumutbarkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Problematik der Beweislastumgehung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG bzw. allgemeiner Beweislastregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Anzeigepflicht hinsichtlich Taten von Arbeitskollegen? . . . . . . . . . . . . . . 115 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 V. Sonstige Rechte und Pflichten im Rahmen des Mitarbeiterinterviews . . . . . . . . 117 1. Begleitung durch einen Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Protokollierung des Interviews und Einsichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Belehrungen des Mitarbeiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 VI. Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Zwangsweise Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3. Materiell-rechtliche Zulässigkeit der Androhung von Sanktionen oder der zwangsweisen Durchsetzung nach § 240 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 VII. Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen im Rahmen der Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Kooperation in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Anforderungen an eine strafmildernde Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Kooperation de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Kooperation de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Bezugspunkt der im Rahmen der Kooperation geleisteten Aufklärungshilfe 148 4. Umfang der Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Erforderlichkeit der Herausgabe von Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Offenbarungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Anonymisierung von Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Angemessenheit der Herausgabe von Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Inhaltsverzeichnis

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3. Risiko der Beschlagnahme von Unterlagen durch Ermittlungsbehörden . . . . 159 a) Beschlagnahme von Unterlagen im Gewahrsam eines Rechtsanwalts . . . 161 b) Beschlagnahme von Unterlagen im Gewahrsam des Unternehmens . . . . . 165 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 E. Beweisverwertungsverbot zugunsten selbstbelastender Aussagen des Mitarbeiters? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Einführung der Beweise in die Hauptverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Verlesung des Interviewprotokolls als Ersetzung oder Ergänzung der Aussage des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Aussage der internen Ermittler und Ergänzungs- oder Ersetzungsmöglichkeit dieser durch Verlesung der Interviewprotokolle/Untersuchungsberichte . . . . 172 3. Beweisgewinnung über Mitarbeiter als Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot aufgrund einer dem Staat zurechenbaren Internal Investigation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Ausgangspunkt der Zurechnung: formales privates Handeln . . . . . . . . . . . . . 178 2. Die Zurechnung in der strafprozessualen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Die Zurechnung (konkludent) bejahende Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 180 b) Die Zurechnung ablehnende Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 c) Sich aus der Rechtsprechung ergebende Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 d) Einordnung der Interviewsituation im Rahmen der Internal Investigation 189 3. Die Zurechnung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Übertragung von Zurechnungskonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Verwaltungshelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 bb) Kausalität und objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 cc) Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 dd) Zwischenergebnis und Kategorisierung der Kriterien . . . . . . . . . . . . . 201 b) Einordnung der Konstellationen der Internal Investigations . . . . . . . . . . . 204 aa) Aktive Beeinflussung der Internal Investigation . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Koordinierung und Absprache der Internal Investigations . . . . . . . . . 207 cc) Zurechnung aufgrund des Unterlassens eigener Ermittlungen . . . . . . 208 dd) Zurechnung durch tatsächliche oder gesetzliche Anreizschaffung . . . 214 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 4. Folgen der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Maßstab für zuzurechnendes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Voraussetzungen der §§ 136, 136a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 aa) Vernehmungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) (Analoge) Anwendung und verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 cc) Beschuldigtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

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Inhaltsverzeichnis c) Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa) Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 5. Ergebnis zu den unselbstständigen Beweisverwertungsverboten (Zurechnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Dreistufen- bzw. Sphärentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses? . . . . . . . . . 239 a) Rechtsprechung zur Übertragbarkeit der Kriterien für ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) Rechtsprechung zu arbeitsrechtlichen Auskunftsansprüchen . . . . . . . 242 (1) Erfordernis einer umfassenden Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . 242 (2) Übertragung auf umfassende arbeitsrechtliche Auskunftspflichten 244 bb) Rechtsprechung zu Auskunftsobliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (1) Grundsätzlich keine Übertragbarkeit auf bloße Auskunftsobliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (2) Ausnahmsweise ausreichender existenzvernichtender Nachteil?

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cc) (Steuerrechtliche) Rechtsprechung zum Erfordernis eines rechtlichen Zwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 dd) Rechtsprechung zur Übertragbarkeit auf bußgeld- und strafbewehrte umfassende Auskunftspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 ee) Übertragbarkeit auf Offenbarungspflichten nach § 807 ZPO und auf zwangsweise durchsetzbare Auskunftspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Herausarbeitung der Kriterien und Übertragbarkeit auf Mitarbeiterinterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 aa) Übertragbarkeit bzw. Verallgemeinerungsfähigkeit der Kriterien des Gemeinschuldner-Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Erfordernis einer umfassenden Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (1) Problematik der privaten vertraglichen Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . 258 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 cc) Auskunft durch private Interessen Dritter gerechtfertigt . . . . . . . . . . . 263 dd) Erfordernis einer erzwingbaren Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (1) Ausreichen der Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung und Einschränkungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (a) Positionen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . 264 (b) Einschränkungsforderungen der Literatur bei ausreichender Erzwingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (2) Staatlich vermittelter Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (3) Rechtlicher oder faktischer Zwang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

Inhaltsverzeichnis

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ee) Ausreichen einer nur subjektiv bestehenden umfassenden und erzwingbaren Auskunftspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (1) Irrtum über das Bestehen oder die Reichweite der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (2) Täuschung über die Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 c) Kompensation des Eingriffs in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG durch ein Beweisverwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 aa) Keine Beeinträchtigung der Strafverfolgungsinteressen . . . . . . . . . . . 279 bb) Mittelbare staatliche Veranlassung des Beweistransfers und der Umgehung von Mitarbeiterrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 d) Dogmatische Grundlage des Beweisverwertungsverbots . . . . . . . . . . . . . 284 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 3. Reichweite und Ausgestaltung des Beweisverwertungsverbots . . . . . . . . . . . 286 a) Freie Verwertbarkeit freiwilliger Auskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Dispositionsmöglichkeit des Mitarbeiters über Verwertbarkeit . . . . . . . . . 288 c) Fernwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 aa) Annahme einer Fernwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 bb) Ablehnung einer Fernwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 cc) Stellungnahme unter Berücksichtigung hypothetischer Erwägungen 293 d) Fortwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 e) Vorauswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4. Beweisverwertungsverbot auch im Kündigungsschutzprozess . . . . . . . . . . . 298 a) Rekapitulation der Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 b) Beweisverwertungsverbote im Zivil-/Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 c) Problematik eines Beweisverwertungsverbots für rechtmäßig gewonnene Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 5. Ergebnis zum selbstständigen Beweisverwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . 305 IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 1. Beweisverwertungsverbot aus § 136a StPO (analog) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 a) Analoge Anwendung bei menschenrechtswidrigem Vorgehen oder bei Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 b) Keine (horizontale) Drittwirkung des § 136a StPO in sonstigen Fällen 2. Beweisverwertungsverbot aus einer Verletzung des fair-trial-Grundsatzes

307 309

a) Rechtliche Verankerung und inhaltliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Folgen eines Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 c) Anwendung des fair-trial-Grundsatzes auf die Mitarbeiterbefragung . . . . 315 aa) Annahme eines Verstoßes gegen den fair-trial-Grundsatz beim Mitarbeiterinterview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

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Inhaltsverzeichnis bb) Ablehnung dieses Lösungswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 cc) Eigene Bedenken gegen diesen Lösungsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 d) Ergebnis zum fair-trial-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 V. Beweisverwertungsverbote bei rechtswidriger privater Beweiserhebung . . . . . . 324 VI. Zusammenfassung der Erkenntnisse zu den Beweisverwertungsverboten . . . . . 326

F. Reformbedarf und Erörterung des Beweisverwertungsverbots im VerbSG-E . . . 329 I. Allgemeine Ausführungen zum Beweisverwertungsverbot in § 18 Abs. 3 VerbSG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 II. Anknüpfungspunkt des Beweisverwertungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 1. Anknüpfungspunkte vergleichbarer Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . 333 2. Vorschlag zur Ergänzung einer Auskunftspflicht in § 18 VerbSG-E . . . . . . . 334 G. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 I. Abschließendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 II. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. Abs. Abschn. a.F. AG AHStatG AiB AK-StPO AktG Anh. Anm. AnwBl AO AP ArbG ArbGG ArbRB Art. AsylVfG AT AuA BAG BAGE BayObLG BB BBl. BDA BDI BDSG Bearb. BeckRS Beschl. BetrAVG BetrVG BGB BGBl. BGH BGHSt

andere Ansicht Amtsblatt Absatz Abschnitt alte Fassung Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift), Aktiengesellschaft Außenhandelsstatistikgesetz Arbeitsrecht im Betrieb Alternativkommentar zur StPO Aktiengesetz Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Der Arbeits-Rechtsberater Artikel Asylverfahrensgesetz Allgemeiner Teil Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayrisches Oberlandesgericht Betriebs-Berater Bundesblatt Schweiz Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverband Deutscher Industrie Bundesdatenschutzgesetz Bearbeiter/in Beck-online Rechtsprechung Beschluss Betriebsrentengesetz (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung) Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

16 BGHZ BImSchG BRAK BRAO BR-Drucks. BStatG BT-Drucks. BtMG BVerfG BVerfGE BVerfGG bzgl. bzw. CB CCZ CDU CSU DAV DB DCGK DFB DICO DJT DOJ DStR EGMR Einf. v. Einl. EKMR EMRK ErfK ArbR etc. EU EuZW e.V. f./ff. FCPA FD-StrafR Fn. FS GA GewO GG GJW GmbH GmbHG GmbHR grds.

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundes-Immissionsschutzgesetz Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Bundesstatistikgesetz Bundestags-Drucksache Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz bezüglich beziehungsweise Compliance-Berater Corporate Compliance Zeitschrift Christlich Demokratische Union Deutschlands Christlich-Soziale Union in Bayern Deutscher Anwaltverein Der Betrieb Deutschen Corporate Governance Kodex Deutscher Fußball-Bund Deutsches Institut für Compliance Deutscher Juristentag US-amerikanisches Justizministerium, United States Department of Justice Deutsches Steuerrecht Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführung vor Einleitung Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht et cetera Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein folgende (Seite)/ folgende (Seiten) Foreign Corrupt Practices Act fachdienst strafrecht Fußnote Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gewerbeordnung Grundgesetz Graf/Jäger/Wittig (Wirtschafts- und Steuerstrafrecht) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau grundsätzlich

Abkürzungsverzeichnis GWB GwG GWR HGB HK-BGB h.M. HRRS Hrsg. i. d. R. insb. InsO IPBPR i.Ü. i.V.m. JA jM JR Jura jurisPR-Compl jurisPR-StrafR JuS JZ Kap. KG KK-OWiG KK-StPO KMR-StPO KrW-/AbfG KSchG KSzW KWG LAG LG LR-StPO Ls. MAH MDR MedR Mio. MüKo m.w.N. NJOZ NJW NJW-RR NK Nr. NStZ NStZ-RR

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Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Geldwäschegesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Handelsgesetzbuch Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Hrsg.: Schulze) herrschende Meinung Onlinezeitschrift fu¨ r Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Herausgeber in der Regel insbesondere Insolvenzordnung Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte im Übrigen in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter juris – Die Monatszeitschrift Juristische Rundschau Juristische Ausbildung juris PraxisReport Compliance juris PraxisReport Strafrecht Juristische Schulung JuristenZeitung Kapitel Kammergericht (Berlin) Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung Kleinknecht/Müller/Reitberger, Kommentar zur Strafprozessordnung Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Kündigungsschutzgesetz Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Kreditwesengesetz Landesarbeitsgericht Landgericht Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz Leitsatz Münchener Anwaltshandbuch Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht Millionen Münchener Kommentar mit weiteren/m Nachweis/en Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Nomos Kommentar Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungs-Report

18 NWB NZA NZA-RR NZG NZKart NZWiSt öAT OLG OVG OWiG PatG PWW BGB RdA RGZ RIW Rn. s. S. SEA SEC Sec. SeeLG SGB X SK-StPO SOA sog. SPD StGB StPO StraFo StV u. a. U-Haft UK UrhG Urt. US USA USJM USSG v. VbVG VerbSG-E Verf. VerfGH VersR

Abkürzungsverzeichnis NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Kartellrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Patentgesetz Prütting/Wegen/Weinreich, Bürgerliches Gesetzbuch (Kommentar) Recht der Arbeit Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer siehe Satz, Seite Securities Exchange Act US-amerikanische Börsenaufsicht, United States Securities and Exchange Commission Section, englisch für Paragraph Seelotsgesetz Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung Sarbanes Oxley Act sogenannt/e/es Sozialdemokratische Partei Deutschlands Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger Forum Strafverteidiger und andere Untersuchungshaft United Kingdom Urheberrechtsgesetz Urteil United States United States of America U.S. Justice Manual United States Sentencing Commission, Guidelines Manual von/vom, versus Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (Österreich) Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes Verfasser/in, Verfügung Verfassungsgerichtshof Versicherungsrecht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis VG vgl. V-Leute V-Mann Vorb. V-Person, VP VVG VW VwVfG WiJ wistra WM WpHG WRegG WZG z. B. ZD ZHR ZInsO ZIS zit. ZPO ZRFC ZRP ZStW ZWeR ZWH

Verwaltungsgericht vergleiche Vertrauensleute Vertrauensmann Vorbemerkung Vertrauensperson Versicherungsvertragsgesetz Volkswagen AG Verwaltungsverfahrensgesetz Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wertpapierhandelsgesetz Wettbewerbsregistergesetz Warenzeichengesetz zum Beispiel Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Risk, Fraud & Compliance Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Wettbewerbsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen

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A. Einleitung und Gang der Untersuchung Anlass dieser Arbeit sind die in der Praxis der Rechtsberatung immer häufiger werdenden und an Bedeutung gewinnenden unternehmensinternen Untersuchungen (sog. Internal Investigations1). Diese sind in Deutschland insbesondere seit den Vorgängen in der Siemens AG2 populär geworden und Teil einer veränderten Unternehmenskultur im Zusammenhang mit dem Umgang von Compliance-relevanten Sachverhalten3. Eine wesentliche Rolle spielten Internal Investigations unter anderem auch bei der Aufklärung des DFB-Skandals4 und im Volkswagen Konzern5. Das Unternehmen6 beauftragt dabei i. d. R. externe und damit möglichst unternehmensunabhängige private Ermittler (i. d. R. Anwälte oder Wirtschaftsprüfer) mit der anlassbezogenen Aufklärung des Sachverhalts und damit möglicherweise von Gesetzes- und Regelverstößen innerhalb des Unternehmens.7 Nicht selten werden dabei 1 Trotz der Fokussierung dieser Arbeit auf unternehmensinterne Ermittlungen innerhalb deutscher Unternehmen und in Zusammenarbeit mit den deutschen Strafverfolgungsbehörden wird überwiegend nicht der deutsche Begriff, sondern – aufgrund dessen weiter Verbreitung – der englische Begriff „Internal Investigations“ gewählt (vgl. zum Begriff u. a. Knierim, in: StV 2009, 324, 328; Gerst, in: CCZ 2012, 1; Haefcke, in: CCZ 2014, 39; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7; Ballo, in: NZWiSt 2013, 46). Die deutschen Begriffe der (unternehmens-)internen Untersuchung bzw. Ermittlung werden synonym dazu verwendet. Der Begriff der „Ermittlung“ soll auch nicht darüber täuschen, dass es sich um private Maßnahmen handelt und nicht um Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, die eigentlich als „Ermittlung“ bezeichnet werden. 2 Vgl. zur juristischen Aufarbeitung der sog. Siemens-Korruptionsaffäre z. B. BGHSt 52, 323; Satzger, in: NStZ 2009, 297; Jahn, in: StV 2009, 41. 3 Ballo, in: NZWiSt 2013, 46; ähnlich auch Theile, in: StV 2011, 381; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374. 4 Den Skandal um die Fußballweltmeisterschaft 2006 (Sommermärchen-Skandal) klärte die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP intern auf, vgl. n-tv-Artikel „Aufklärung der WM-Affäre 2006 – Rauball: Freshfields liefert viele Antworten“ vom 04. 03. 2016, abrufbar unter: http://www.n-tv.de/sport/fussball/Rauball-Freshfields-liefert-viele-Antworten-article1 7143591.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 5 Die Internal Investigation im Volkswagen Konzern um die Abgasaffäre führte unter anderem die US-Anwaltskanzlei Jones Day durch, vgl. Welt-Artikel „Wie VW die DieselgateDrahtzieher finden will“ vom 08. 04. 2016, abrufbar unter: https://www.welt.de/wirtschaft/arti cle154157728/Wie-VW-die-Dieselgate-Drahtzieher-finden-will.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 6 Unternehmen als juristische Gebilde oder – wie es das BVerfG formuliert – als „Zweckgebilde der Rechtsordnung“ können ihren Willen nur durch Organe bilden (BVerfGE 95, 220, 242) und nur durch diese bzw. ihre Vertreter handeln. Soweit in dieser Arbeit insoweit ungenau von Unternehmen gesprochen wird, dient dies nur dem besseren Lesefluss. 7 Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240 f.; Behrens, in: RIW 2009, 22; Gerst, in: CCZ 2012, 1; Raum, in: StraFo 2012, 395, 396; Ballo, in: NZWiSt 2013, 46; Zerbes, in: ZStW 125 (2013),

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A. Einleitung und Gang der Untersuchung

tatsächlich Vorgänge mit strafrechtlicher Relevanz aufgedeckt, so beispielsweise bei der Siemens AG und der MAN Nutzfahrzeuge AG.8 Internal Investigations werden zur Handlungsoption für Unternehmen, wenn Gesetzesverstöße innerhalb des Unternehmens bekannt werden, die einer Aufklärung bedürfen. Die Durchführung drängt sich dabei insbesondere auf, wenn unternehmensinterne Zuwiderhandlungen öffentlich bekannt werden und die Ermittlungsbehörden bereits tätig geworden sind.9 Dann hat das Unternehmen ein großes Interesse an einer möglichst schnellen und umfassenden Aufklärung, um Reputationsschäden und damit wirtschaftliche Schäden zu vermeiden,10 die ohne eine Reaktion des Unternehmens existenzbedrohend sein könnten. So zahlte die Volkswagen AG im Jahr 2018 auf einen Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig ein Rekord-Bußgeld in Höhe von EUR 1 Milliarde.11 Im Hinblick auf ein drohendes Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen ist die Aufklärung zudem durch das Interesse motiviert, mit Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren, um gegebenenfalls im nachfolgenden Verfahren milder sanktioniert zu werden.12 Denn 551, 552; Sarhan, in: wistra 2015, 449; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 23; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 62. Zum neuartigen Berufsbild des strafrechtlichen Unternehmensanwalts vgl. Theile, in: ZIS 2013, 378, 379. 8 Vgl. zur Siemens AG den Zeit-Artikel vom 15. 03. 2008, „Prozess der Selbstreinigung“, abrufbar unter: http://www.zeit.de/2008/12/Selbstreinigung-Siemens (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019) und zur MAN Nutzfahrzeuge AG den n-tv-Artikel vom 19. 10. 2009, „Nach internen Ermittlungen – MAN beurlaubt Vorstand“, abrufbar unter: http://www.n-tv.de/wirtschaft/ MAN-beurlaubt-Vorstand-article553715.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 9 Bei der Siemens AG durchsuchte die Staatsanwaltschaft München im November 2006 die Geschäftsräume wegen des Verdachts von Bestechungszahlungen. Um mit den Ermittlungsbehörden aus Deutschland und der USA zusammenzuarbeiten, leitete die Siemens AG daraufhin eine unternehmensinterne Ermittlung ein, die durch die New Yorker Sozietät Debevoise & Plimpton geleitet wurde (vgl. Siemens-Presseerklärung vom 15. 12. 2008, abrufbar unter: http://www.siemens.com/press/pool/de/events/2008 - 12-PK/summary-d.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019)). 10 Rotsch, in: ZStW 125 (2013), 481, 487; Helck, in: CB 2014, 83; Sarhan, in: wistra 2015, 449; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 703; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 32. 11 Spiegel-Artikel „VW muss eine Milliarde Euro Bußgeld zahlen“ vom 13. 06. 2018, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/vw-dieselaffaere-volkswagenmuss-eine-milliarde-bussgeld-zahlen-a-1212807.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 12 Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Wybitul, in: BB 2009, 606, 610; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851; Ignor, in: CCZ 2011, 143; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1793; Knauer, in: ZWH 2012, 41, 44 f.; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 117 f.; Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 254; Helck, in: CB 2014, 83, 88; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655; Anders, in: wistra 2014, 329; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 168; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Sarhan, in: wistra 2015, 449; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 886; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 569; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210; Sarhan, in: wistra 2017, 336; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1500; Sidhu/von Saucken, in: NZWiSt 2018, 126, 129; Wehnert, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, 137, 138; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 189; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 703; Zimmermann, in:

A. Einleitung und Gang der Untersuchung

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Aufklärungshilfe kann als positives Nachtatverhalten im Rahmen der Sanktionszumessung berücksichtigt werden.13 Sie ist aufgrund knapper eigener finanzieller und personeller Ressourcen regelmäßig auch im Interesse der Ermittlungsbehörden.14 Einige Stimmen in der Literatur befürchten insofern hinsichtlich der gezielten Übernahme privat15 gewonnener Erkenntnisse eine Stärkung der „Privatisierung des Strafverfahrens“.16 Zwar ist das Unternehmen nicht verpflichtet, mit den Behörden hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung zu kooperieren,17 jedoch kann eine solche Zusammenarbeit erhebliche Vorteile bringen, sodass ein großer praktischer Anreiz für das Unternehmen zur Kooperation besteht18. Ist das Unternehmen wirtschaftlich Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 32; Bay/Engelhardt, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Einl. Rn. 7; Wewerka, Internal Investigations, S. 2; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 190. Im Fall Siemens wurde im Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München I ausdrücklich die Kooperation der Siemens AG mit den Ermittlungsbehörden berücksichtigt (Staatsanwaltschaft München I, Bußgeldbescheid, S. 12, abgerufen am 07. 07. 2016 unter http://www.siemens.com/press/pool/de/events/2008 - 12-PK/MucStaats.pdf). 13 Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Anders, in: wistra 2014, 329; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Wimmer, in: NK 2016, 356, 364; Sarhan, in: wistra 2017, 336; Knierim/Schröder, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 16 Rn. 264; Wewerka, Internal Investigations, S. 30 f. 14 Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 254; Litzka, in: WiJ 2012, 79, 81; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 656; Fischer/Hoven, in: ZIS 2015, 32, 37; Sarhan, in: wistra 2017, 336, 341; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 193; Wehnert, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, 137, 138; Poepping, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 333, 340; vgl. auch BGHSt 50, 299, 308. 15 Zur Einordnung der internen Ermittlungen als private Maßnahme, vgl. Jahn, in: StV 2009, 41, 42 f.; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 374; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70 ff.; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389 f.; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 510; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Raum, in: StraFo 2012, 395, 397; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 168; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Leitner, in: FS Schiller, 430, 437; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 33; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 450 f.; Kottek, in: wistra 2017, 9; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 235 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 106 ff.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 88 ff., 93; Wewerka, Internal Investigations, S. 5. 16 Wastl, in: ZRP 2011, 57 f.; Taschke, in: NZWiSt 2012, 89, 92; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 168; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 741; Wehnert, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, 137, 138 ff.; vgl. auch Rotsch, in: ZStW 125 (2013), 481, 488; Anders, in: wistra 2014, 329, der von „De-Etatisierung des (Straf-)Rechts“ spricht; Kottek, in: wistra 2017, 9; Sarhan, in: wistra 2017, 336, 343; Leipold, in: FS Schiller, 418, 425. 17 Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261. 18 Vgl. zu der positiven Berücksichtigung der Kooperation: OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 03. 2009 – VI-2 Kart 10/08 OWi – juris, Rn. 50; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. 05. 2014 – VI-4 Kart 8/ 10 OWi – juris, Rn. 310; LG München I, Beschl. v. 10. 12. 2009 – 6 Kls 570 Js 50263/09, openJur 2016, 154 (Bußgeldbescheid gegen die MAN Nutzfahrzeuge AG); Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Anders, in: wistra 2014, 329; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Hugger, in: ZHR 2015, 214, 222; Wimmer, in: NK 2016, 356, 364; Wewerka, Internal Investigations, S. 30 f.; Knierim/Schröder, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal In-

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A. Einleitung und Gang der Untersuchung

auch im Ausland tätig, sind Internal Investigations daneben wichtig für eine Kooperation mit US-amerikanischen Behörden, bei denen häufig der Ausgangspunkt der Ermittlungen liegt.19 Die zur Kooperation erforderliche Sachverhaltskenntnis kann dabei auf Unternehmensseite durch unternehmensinterne Ermittlungen gewonnen werden. Diese verlaufen regelmäßig in der Weise, dass die internen Ermittler zunächst Daten, Unterlagen und E-Mail-Korrespondenzen (also Daten in elektronischer oder schriftlicher Form) sichten und auswerten und anschließend Mitarbeiter befragen,20 wobei nur Mitarbeiterbefragungen in dieser Arbeit vertieft behandelt werden. Eine standardisierte Vorgehensweise existiert jedoch nicht, sie bestimmt sich vielmehr nach dem konkreten Verdacht im Einzelfall.21 Die sogenannten Mitarbeiterinterviews22 spielen die zentrale Rolle bei der Sachverhaltsaufklärung und werden teilweise schriftlich dokumentiert (sogenannte Interviewprotokolle).23 Inhalt dieser Interviews sind für gewöhnlich konkrete Vorgänge im Unternehmen, zu denen der Mitarbeiter sein Wissen zur Verfügung stellen soll und ein damit zusammenhängender Verdacht von Gesetzesverstößen. Nicht selten wird dabei der befragte Mitarbeiter bereits verdächtigt, sodass die Möglichkeit einer Selbstbelastung bei umfassender Beantwortung der Fragen besteht. Die internen Ermittler können dabei massiven Druck auf den Mitarbeiter ausüben, um die erforderlichen Informationen zu erhalten.24 Dies geschieht in der Regel über die Androhung einer Kündigung oder von Schadensersatzansprüchen für den Fall der fehlenden Mitwirkung oder aber über die Inaussichtstellung einer arbeitsrechtlichen vestigations, Kap. 16 Rn. 173; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 291. 19 Zur Kooperation mit den US-amerikanischen Behörden (DOJ und SEC) vgl. Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 28, 156 ff. 20 Wagner, in: CCZ 2009, 8; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447; I. Roxin, in: StV 2012, 116; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 523; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 552; Fett/Theusinger, in: KSzW 2016, 253, 255; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1975; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 32; Reeb, Internal Investigations, S. 4; Wewerka, Internal Investigations, S. 7; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 63 f. 21 Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 523. 22 Zum Begriff vgl. nur Jahn, in: StV 2009, 41, 42; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 69; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387; Rudkowski, in: NZA 2011, 612; Sarhan, in: wistra 2015, 449; Wewerka, Internal Investigations, S. 7; kritisch dazu Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 44 f. 23 Haefcke, in: CCZ 2014, 39; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1705; Dann, in: AnwBl 2009, 84, 88; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2378; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 30; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 113 f. 24 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 552 nennt als Beispiele nachdrückliches Verlangen einer wahrheitsgemäßen Aussage, Vorhalte aus Unterlagen und Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen.

A. Einleitung und Gang der Untersuchung

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Amnestie bei umfassender und wahrheitsgemäßer Aussage25. Das Unternehmen kann über die arbeitsrechtliche Amnestie gegenüber dem Mitarbeiter – bei vollständiger Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung – von der Kündigung wegen Fehlverhaltens oder der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen absehen oder auf eine Strafanzeige verzichten.26 Der Mitarbeiter wird damit regelmäßig vor die Wahl gestellt: „talk or walk“27. Die Mitarbeiter unterliegen dadurch umso mehr der Gefahr der Selbstbezichtigung durch die Offenbarung eigenen Fehlverhaltens, was – ohne Gewährung einer arbeitsrechtlichen Amnestie durch den Arbeitgeber – ebenfalls zu arbeitsrechtlichen Sanktionen wie einer Kündigung führen kann.28 Verweigert der Mitarbeiter dennoch die Auskunft, was bei möglicher Selbstbelastung keine Seltenheit ist, drohen ihm dann gegebenenfalls eine Verdachtskündigung oder andere arbeitsrechtliche Konsequenzen.29 Die dem Mitarbeiterinterview zugrundeliegenden Fragestellungen, insbesondere ob eine umfassende Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber besteht und ob der Mitarbeiter die Antwort auf solche Fragen verweigern kann, durch deren Beantwortung er sich selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen würde, werden daher in dieser Arbeit zunächst behandelt.30 Kooperiert das Unternehmen mit den Strafverfolgungsbehörden und gibt es in diesem Rahmen – wie in der Praxis häufig – die Ermittlungsergebnisse einer Internal Investigation inklusive selbstbelastender Informationen des Mitarbeiters (z. B. Interviewprotokolle) weiter,31 spitzt sich der Konflikt für den Mitarbeiter zu, wenn diese Informationen zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Mitarbeiter führt. Dabei werden die Unternehmensverantwortlichen aufgrund der wirt25

Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 69; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 30; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 208. 26 Bei Ferrostaal wurde beispielsweise im Gegenzug für Informationen über Schmiergeldzahlungen auf die Kündigung und auf Schadensersatz verzichtet, vgl. Handelsblatt-Artikel vom 19. 07. 2010, „Ferrostaal-Schmiergeldaffäre – Schlimmer als bei Siemens“, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/ferrostaal-schmiergeldaffaere-schlimmerals-bei-siemens/3493702.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 27 Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 8; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 30 f.; ähnlich Greeve, in: StraFo 2013, 89, 93 f. 28 Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 172; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 246; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 266; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 174; ausführlich zu den Sanktionen Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706 ff. 29 Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 350 m.w.N.; Göpfert/ Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706 ff.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 510; Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 613; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 552; Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 103, 114. Vgl. zu den Sanktionsmöglichkeiten C.VI.1. 30 Mit dieser Frage befasst sich Teil C., insbesondere C.I. und C.IV. 31 Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 297; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 82. Zu den Fragen bei der Herausgabe der Unterlagen vgl. Teil D.

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A. Einleitung und Gang der Untersuchung

schaftlichen Unternehmensinteressen bemüht sein, einen Mitarbeiter als Täter darzustellen, um selbst als „Opfer“ zu wirken.32 Es ist naheliegend, dass die Öffentlichkeit eher eine fehlerhafte Personalentscheidung vergibt, als eine strafrechtliche Verantwortlichkeit.33 Die Interessen von Mitarbeitern und dem Unternehmen stehen sich daher regelmäßig diametral gegenüber.34 Arbeitsrechtliche Amnestie-Zusagen haben keinerlei Auswirkungen auf das staatliche Strafverfahren, da die diesbezüglich bestehende Pflicht zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens bei bestehendem Anfangsverdacht (Legalitätsprinzip, §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO) nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen aufgehoben werden kann.35 Da dem Mitarbeiter im Strafverfahren, für den Fall der Einleitung eines solchen, aber ein Schweigerecht zusteht – als Beschuldigter nach § 136 Abs. 1 S. 2 (gegebenenfalls i.V.m. § 163a Abs. 4 S. 2), § 243 Abs. 5 S. 1 StPO und als Zeuge nach § 55 StPO – könnte in einer Verwertung der gegenüber dem Arbeitgeber getätigten (arbeitsrechtlich) pflichtgemäßen und umfänglichen Aussage des Mitarbeiters in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren eine Umgehung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare36, kurz nemo-tenetur-Grundsatz) liegen37. Lösungsmöglichkeiten dieses Konflikts sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit.38 Zudem wird die Kooperation des Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden noch genauer thematisiert, insbesondere mit dem Fokus auf die sich daraus ergebenden Probleme für den Mitarbeiter.39 Auf datenschutzrechtliche Problematiken wird dabei in dieser Arbeit nicht eingegangen.40 32 Wehnert, in: NJW 2009, 1190, 1191, die hinsichtlich der betroffenen/angeschwärzten Mitarbeiter von einem für das Unternehmen hinzunehmenden „Kollateralschaden“ spricht; Theile, in: StV 2011, 381, 382 f.; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 809; Sidhu/von Saucken, in: NZWiSt 2018, 126; Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 103, 112. 33 Theile, in: StV 2011, 381, 382 f.; ähnlich Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 388. 34 Gerst, in: CCZ 2012, 1, 2; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 540; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 297 f.; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 116; vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 27. 10. 2003 – 2 BvR 2211/00 – juris, Rn. 11. 35 Theile, in: StV 2011, 381, 384; Gerst, in: CCZ 2012, 1, 2; Eßwein, in: CCZ 2018, 73, 75; Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 59; vgl. auch Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 889; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 708; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 130. 36 Vgl. nur BGHSt 14, 358, 364; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 29a. 37 Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 374; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 132; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 31. 38 Siehe dazu insbesondere Teil E. 39 Siehe dazu Teil D. 40 Einen Überblick über diese liefern Kopp/Pfisterer, in: CCZ 2015, 98, 101 ff. (1. Teil) und CCZ 2015, 151 (2. Teil); ausführlich befasst sich damit auch Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 333 ff.

A. Einleitung und Gang der Untersuchung

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Sowohl im Hinblick auf die mögliche Berücksichtigung der Kooperation bei der Zumessung der Geldbuße bzw. im Verfahren, als auch im Hinblick auf den Ablauf, die Rechte und Pflichten von Beteiligten und insbesondere den Umgang mit den in Internal Investigations gewonnenen Erkenntnissen, bestehen keine allgemeinen gesetzlichen Regelungen oder verbindliche Richtlinien.41 Einheitliche Rechtsprechung existiert ebenso wenig.42 Die unterschiedlichen Ansichten und Schriften in der Literatur43 häufen sich genauso, wie die Forderung nach gesetzlicher Normierung44. Erst im Dezember 2017 hat die Diskussion um die Reformierung des Rechts der Sanktionen gegen Unternehmen mit der Veröffentlichung des Kölner Entwurfs eines Verbandssanktionengesetzes (VerbSG-E)45 erneut Schwung aufgenommen.46 Anreizregelungen zur Kooperation bzw. Aufklärungshilfe sind dabei fester Bestandteil der Reformbestrebungen (so z. B. in § 5 Abs. 2 Verbandsstrafgesetzbuch-Entwurf NRW (VerbStrG-E NRW)47 oder in § 14 Abs. 1 S. 2 VerbSG-E). Diese bergen die Gefahr der Umgehung des nemo-tenetur-Grundsatzes des Mitarbeiters,48 insbesondere wenn der Mitarbeiter zur selbstbelastenden Aussage gegenüber dem Arbeitgeber/Unternehmen verpflichtet ist und man in den Regelungen einen staatlichen Anreiz zur Umgehung des nemo-tenetur-Grundsatzes sieht. § 18 VerbSG-E enthält zudem, soweit ersichtlich, erstmals Regelungen zu internen Untersuchungen. Insoweit ist sowohl ein Beschlagnahmeverbot für Aufzeichnungen aus internen Untersuchungen sowie ein Beweisverwertungsverbot für Angaben, die ein Zeuge in einem Interview im Rahmen einer internen Untersuchung gegenüber den beauftragten internen Ermittlern macht, vorgesehen. Diese geplante Normierung eines Beweisverwertungsverbots zum Schutz des Mitarbeiters wird 41

lung). 42

Spezialgesetzliche Regelungen existieren z. B. im Kartellverfahren (sog. Bonusrege-

Vgl. dazu LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris; LG Mannheim, Beschl. v. 03. 07. 2012 – 24 Qs 1/12, 2/12 – juris; LG Braunschweig, NStZ 2016, 308. 43 Vgl. dazu unter anderem die Schriften von Wewerka, Internal Investigations; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen; Buchert, Unternehmensinterne Befragung. 44 Vgl. u. a. Moosmayer, in: NJW 2012, 3013, 3017; Engelhart, in: NZWiSt 2015, 201, 208; Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 381; Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 243, 252 f.; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 293; vgl. Heuking/von Coelln, in: BB 2014, 3016, 3019; Fischer/Hoven, in: ZIS 2015, 32, 35 ff.; Kubiciel/Hoven, in: jurisPR-StrafR 23/2017 Anm. 1; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 14 Rn. 31 ff. 45 Abgedruckt in Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, in: NZWiSt 2018, 1 und abrufbar unter: http://www.verbandsstrafrecht.jura.uni-koeln.de/sites/fg_verbandsstrafrecht/user_upload/ Koelner_Entwurf_eines_Verbandssanktionengesetzes__2017.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 46 Siehe zu den Reformbestrebungen unten unter B.III.2. 47 Der Entwurf ist abrufbar unter: https://www.strafrecht.de/media/files/docs/Gesetzent wurf.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 48 Witte/Wagner, in: BB 2014, 643, 646; Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 381; Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 212 f.; Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 103, 112 f.

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A. Einleitung und Gang der Untersuchung

hinsichtlich der dogmatischen Grundlage des Verwertungsverbotes und der Ausgestaltung dessen in dieser Arbeit mit untersucht.49 Aufgrund der geplanten Untersuchung der oben genannten Probleme (insbesondere im Hinblick auf den nemo-tenetur-Grundsatz) berücksichtigt diese Arbeit nur solche Internal Investigations, die die Aufklärung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten durch Mitarbeiter des Unternehmens betreffen. Die grundsätzliche Zulässigkeit dieser internen Ermittlungen50 und generell von privaten Ermittlungen51 wird dabei unterstellt. Nicht thematisiert wird die Problematik, ob sich auch das Unternehmen, also eine juristische Person, auf den nemo-tenetur-Grundsatz berufen kann.52 Ebenfalls außen vor gelassen werden die besonderen Problematiken für gesetzliche Vertreter des Verbandes.53

49

Siehe dazu unten unter Teil E. Vgl. dazu Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 374; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Theile, in: StV 2011, 381, 385; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 119; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192; Reeb, Internal Investigations, S. 28 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 111 ff.; Kottek, Kooperation, S. 172; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 119 ff.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 253, 256; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 170. 51 BGH, Beschl. v. 08. 08. 1979 – 2 ARs 231/79 – juris, Rn. 14; BGHSt 46, 1, 4; ausführlich auch Stoffer, Privatisierung, S.142 ff.; Reeb, Internal Investigations, S. 28 ff.; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 32 ff.; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 742; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 374; Jahn, in: StV 2009, 41, 43; Knauer/ Gaul, in: NStZ 2013, 192; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Wewerka, Internal Investigations, S. 111 ff.; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 7 ff. 52 Vgl. zu dieser Problematik Queck, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen; Fink, in: wistra 2014, 457; Dannecker, in: ZStW 127 (2015), 370; ablehnend BVerfGE 95, 220, 242; BVerfGE 118, 168, 203. 53 Vgl. dazu Fink, in: wistra 2014, 457; Kottek, Kooperation, S. 124 ff. 50

B. Grundlagen der Internal Investigations und der Strafbarkeit von Unternehmen Im Folgenden wird zunächst auf die Herkunft der Internal Investigations, deren Begriff, die Zugehörigkeit zur Compliance und deren Rechtsnatur sowie auf die Vorund Nachteile der Durchführung dieser eingegangen. Darüber hinaus werden die bisherigen Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen in Deutschland sowie Bestrebungen zur Änderung dieser Rechtslage dargestellt.

I. US-amerikanische Herkunft der Internal Investigations Das Mittel der Internal Investigations stammt aus den USA und ist dort weit verbreitet.1 Unternehmen nutzen dieses Mittel seit Jahren um Rechtsverstöße durch Führungskräfte und Mitarbeiter aufzuklären.2 Vorwürfe gegen international tätige Unternehmen – wie die Siemens AG oder die Volkswagen AG – werden daher in der Regel auch, wenn nicht sogar zuerst, durch US-amerikanische Ermittlungsbehörden, insbesondere das US-amerikanische Justizministerium United States Department of Justice (DOJ) und die US-amerikanische Börsenaufsicht United States Securities and Exchange Commission (SEC) aufgegriffen.3 Dabei können in den USA – im Gegensatz zum deutschen Recht – auch (Geld-) Strafen gegen das Unternehmen selbst verhängt werden.4 Wichtige Grundlage dafür ist, neben dem insbesondere auf die Verhinderung von Bilanzmanipulationen gerichteten Securities Exchange Act (SEA) und dem Sarbanes Oxley Act (SOA), insbesondere der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA), der korrupte Handlungen gegen ausländische staatliche Amtsträger sanktioniert (vgl. § 78dd-1 (a) des FCPA).5

1 Behrens, in: RIW 2009, 22; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 522; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 882; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 182. 2 Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1392; Fett/ Theusinger, in: KSzW 2016, 253. 3 Senderowitz/Ugarte/Cortez, in: wistra 2008, 281, 282; Behrens, in: RIW 2009, 22, 23; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 69; Partsch, Foreign Corrupt Practices Act, S. 67; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 21. 4 Behrens, in: RIW 2009, 22, 25; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 2; Wewerka, Internal Investigations, S. 46 f. 5 Vgl. Wewerka, Internal Investigations, S. 53 ff.

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B. Grundlagen der Internal Investigations

Letzterer ist auf alle, nicht nur inländische, Unternehmen anwendbar, die in den USA wirtschaftlich tätig sind, insbesondere deren Wertpapiere an der US-amerikanischen Börse gehandelt werden oder die korrupte Handlungen auf dem Hoheitsgebiet der USA begangen haben.6 Wertpapiere von inländischen oder ausländischen Unternehmen, die an der US-amerikanischen Wertpapierbörse gehandelt werden sollen, müssen nach dem SEA zudem bei der SEC registriert werden.7 Bei der für die Registrierung erforderlichen Zustimmung der SEC, den amerikanischen Kapitalmarkt nutzen zu dürfen, kann bereits eine Internal Investigation erforderlich sein, um der SEC rechtmäßige Unternehmensvorgänge darzulegen oder vorangegangenes Fehlverhalten aufzuklären und dessen Wiederholung zu verhindern.8 Die SEC als Börsenaufsichtsbehörde ermittelt beim Verdacht von Verstößen gegen die US-amerikanischen Wertpapiergesetze oder den FCPA.9 Dabei ist die SEC befugt, zivil- und strafrechtliche Verstöße gegen die Wertpapiergesetze zu untersuchen,10 sowie die unternehmensintern getroffene Compliance-Organisation zu überprüfen11. Entsteht bei der SEC der Verdacht von strafrechtlich relevanten Vorgängen im Unternehmen, schickt sie in der Regel eine nicht auf den Verdacht spezifizierte Anfrage an die Unternehmensleitung in den USA, welche vor dem Hintergrund empfindlicher Sanktionen in der Regel dazu führt, dass das Unternehmen zur Befriedigung des Auskunftsverlangens der SEC unternehmensintern ermittelt.12 Aufgrund der fehlenden Spezifizierung des Ermittlungsgegenstandes entsteht dabei für das Unternehmen der Anreiz bzw. die Notwendigkeit, umfassend zu ermitteln bzw. regelmäßig durch Anwaltskanzleien ermitteln zu lassen, ob ein Fehlverhalten vorliegt.13 Ist das Ermittlungsverfahren der SEC abgeschlossen, kann sie insbesondere die Einleitung gerichtlicher oder verwaltungsrechtlicher Unterlassungsverfahren sowie eine strafrechtliche Verfolgung durch das DOJ empfehlen.14 Das DOJ kann allerdings

6 Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 69; Behrens, in: RIW 2009, 22, 26; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 21; Partsch, Foreign Corrupt Practices Act, S. 6, 26. 7 Senderowitz/Ugarte/Cortez, in: wistra 2008, 281. 8 Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706. 9 Senderowitz/Ugarte/Cortez, in: wistra 2008, 281, 282; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 49. 10 Senderowitz/Ugarte/Cortez, in: wistra 2008, 281, 282. 11 Theile, in: StV 2011, 381. 12 Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68 f.; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387; Theile, in: StV 2011, 381; Gerst, in: CCZ 2012, 1, 2; Litzka, in: WiJ 2012, 79, 81; Wewerka, Internal Investigations, S. 36 f. 13 Gerst, in: CCZ 2012, 1, 2; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 69. 14 Senderowitz/Ugarte/Cortez, in: wistra 2008, 281, 282; Theile, in: StV 2011, 381; Wewerka, Internal Investigations, S. 83.

I. US-amerikanische Herkunft der Internal Investigations

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auch aus eigenem Antrieb ein Strafverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen US-amerikanische Wertpapiergesetze einleiten.15 Da der Strafrahmen existenzgefährdende Ausmaße für multinationale Konzerne annehmen kann,16 liegt einem betroffenen Unternehmen viel daran, mit den USamerikanischen Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten, um eine Anklageerhebung abzuwenden oder – bei Anklageerhebung – eine Strafmilderung zu erreichen.17 Die Berücksichtigung der Kooperation bei der Anklageerhebung ist in den USA im U.S. Justice Manual (USJM)18 im neunten Abschnitt (Criminal) unter 9-28.300A Nr. 4 (Principles of Federal Prosecution of Business Organizations) festgelegt, also den Richtlinien für den Ankläger, ob Anklage gegen das Unternehmen erhoben werden soll.19 Diese Richtlinien erlässt zwar das DOJ, aber auch die SEC orientiert sich bei Ermittlungen gegen Unternehmen daran.20 Wurde Anklage erhoben und das Unternehmen für schuldig befunden, kann sich die Kooperation noch mildernd auf das Strafmaß auswirken. Die Festlegung des Strafrabatts erfolgt dabei nach einem speziellen Punktesystem bei der Berechnung der Verschuldensskala, welche in §8C2.5. der Strafzumessungsgrundsätze für US-Bundesgerichte, dem United States Sentencing Commission, Guidelines Manual (USSG),21 dargelegt ist. Danach bemisst sich der Grad des Verschuldens des Unternehmens anhand verschiedener Faktoren und wird über ein Punktesystem berechnet. Die Verschuldenspunktzahl steigt dabei unter anderem durch die Kriterien der Beteiligung an bzw. der Toleranz von kriminellen Aktivitäten (§8C2.5.(b) USSG), der kriminellen Vorgeschichte des Unternehmens (§8C2.5.(c) USSG) und ob Verstöße gegen gerichtliche Anordnungen oder Behinderungen der Justiz vorlagen (§8C2.5.(d) und (e) USSG). Für ein effektives Compliance-System und Ethik-Programm mindert sich hingegen die Verschuldenspunktzahl (§8C2.5.(f) USSG). Das Gleiche gilt beispielsweise für die 15

Senderowitz/Ugarte/Cortez, in: wistra 2008, 281, 282; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 55. 16 Die Volkswagen AG zahlte beispielsweise in den USA eine Strafe von USD 2,8 Milliarden, vgl. Guilty Plea Agreement, abrufbar unter: https://www.justice.gov/usao-edmi/page/file/ 930026/download (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); Siemens zahlte in den USA eine Strafe von rund EUR 600 Mio., vgl. DER TAGESSPIEGEL-Artikel vom 15. 12. 2008, „Korruptionsskandal – Eine Milliarde Strafe: Siemens kommt glimpflich davon“, abrufbar unter: www.ta gesspiegel.de/wirtschaft/korruptionsskandal-eine-milliarde-strafe-siemens-kommt-glimpflichdavon/1397086.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 17 Senderowitz/Ugarte/Cortez, in: wistra 2008, 281, 283; Wagner, in: CCZ 2009, 8, 9; Jahn, in: StV 2009, 41; Behrens, in: RIW 2009, 22, 25; Wybitul, in: BB 2009, 606; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 552; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 163 ff., 165; Wewerka, Internal Investigations, S. 37. 18 Abrufbar unter: https://www.justice.gov/jm/justice-manual (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 19 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 163 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 77; vgl. auch Behrens, in: RIW 2009, 22, 25 f. 20 Wehnert, in: NJW 2009, 1190, 1191. 21 Abrufbar unter: https://www.ussc.gov/guidelines/2018-guidelines-manual (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019).

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B. Grundlagen der Internal Investigations

Leistung von Aufklärungshilfe (Kooperation) und die Übernahme von Verantwortung (§8C2.5.(g) USSG). Nach den Erläuterungen zur Verschuldensskala und der Anklagerichtlinie (928.700 USJM) hängt die Anerkennung der Kooperation unter anderem von diesen Bedingungen ab: • Das Unternehmen muss alle ihm bekannten und relevanten Informationen über Individuen/Personen, die am Fehlverhalten beteiligt oder für dieses verantwortlich waren, dem DOJ offenbaren (9-28.700 USJM).22 Allerdings ist im Kommentar Nr. 13 zu §8C.2.5. USSG festgelegt, dass zwar grundsätzlich auch die verantwortlichen Personen offengelegt werden müssen, die Kooperationsbereitschaft aber nicht aberkannt wird, wenn es dem Unternehmen aufgrund mangelnder Kooperation Einzelner nicht gelingt, die Verantwortlichen herauszufinden und zu benennen.23 Wurden nach der alten Fassung der Richtlinien bekannte Fakten über Individuen vorenthalten, gab es nur einen geringen Kooperationsbonus, welcher nach den neuen – strengeren – Richtlinien für diesen Fall ganz entfällt.24 Die neuen Richtlinien lassen also die Tendenz erkennen, dass das Unternehmen zwar nicht mehr mit allen Mitteln versuchen muss, an eine selbstbelastende Aussage des Mitarbeiters zu kommen, sollte es diese Informationen aber haben, muss es diese auch preisgeben, um den Kooperationsbonus zu bekommen. Im Ergebnis soll das Unternehmen gegen die einzelnen Mitarbeiter ermitteln und versuchen, diese zu überführen.25 • Das Unternehmen muss dem DOJ alle für die Aufklärung des Fehlverhaltens relevanten Fakten offenlegen (9-28.720 USJM und Kommentar Nr. 13 zu §8C2.5. USSG). Ein Verzicht auf das attorney-client privilege (anwaltliche Schweigepflicht) oder die work product protection (Schutz anwaltlicher Arbeitsergebnisse) ist allerdings nicht mehr erforderlich.26 Die Zurückhaltung von privilegierter 22 Dieser Fokus auf die individuellen Täter ist Folge des Yates-Memorandums vom 09. 09. 2015, welches auch die Anweisung zur Änderung des USAM (U.S. Attorneys’ Manual, jetzt U.S. Justice Manual) enthielt, die im November umgesetzt wurde. Das Memorandum ist abrufbar unter: https://www.justice.gov/archives/dag/file/769036/download (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). Vgl. diesbezüglich auch Mayer, in: ZWH 2016, 301, 302; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 264. 23 Der von Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 376 (diesen folgend auch Kottek, Kooperation, S. 66) gezogene Rückschluss, dass die Informationen anonymisiert zur Verfügung gestellt werden können, ist jedoch äußerst fraglich. Weiß das Unternehmen, wer die verantwortlichen Personen sind, muss dieses Wissen den Behörden zur Anerkennung der Kooperation offenbart werden, da dies die zu offenbarenden underlying facts sind. 24 Mayer, in: ZWH 2016, 301, 302. 25 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 191. 26 Dies war nach dem Thompson-Memorandum vom 20. 01. 2003 (abrufbar unter: http:// www.americanbar.org/content/dam/aba/migrated/poladv/priorities/privilegewaiver/2003jan20_ privwaiv_dojthomp.authcheckdam.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019)) noch erforderlich. Etwas abgeschwächt wurde dieser nötige Verzicht auf das Schweigerecht durch das McNultyMemorandum vom 12. 12. 2006, in dem die Staatsanwaltschaft Gründe dafür darlegen musste

I. US-amerikanische Herkunft der Internal Investigations

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anwaltlicher Kommunikation und anwaltlichen Arbeitsergebnissen wird damit nicht mehr als mangelnde Kooperation bewertet, sondern nur die Zurückhaltung der zugrunde liegenden Fakten.27 • Das Unternehmen darf die Ermittlungen zudem nicht durch etwaige Anweisungen an Mitarbeiter, zu lügen oder die Wahrheit zu verbergen, behindern (9-28.730 USJM). Für die zur Kooperation erforderliche Offenlegung aller relevanten Fakten beauftragen zumindest große Unternehmen in der Regel externe Akteure mit unternehmensinternen Ermittlungen.28 Dabei sollte die Ermittlung von einer Kanzlei durchgeführt werden, zu der die SEC Vertrauen hat29 und die möglichst objektiv und unabhängig ist30. Eine rechtliche Pflicht zur Durchführung einer Internal Investigation existiert in den USA – ebenso wie in Deutschland – jedoch nicht.31 Auch eine Pflicht zur Kooperation existiert nicht,32 eine unterlassene Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung, die in der Regel eine Internal Investigation erforderlich macht, kann sich jedoch äußerst nachteilig für das Unternehmen auswirken. Aufgrund dieser erheblichen Nachteile bei der Verweigerung der Kooperation (z. B. die Versagung von Genehmigungen, existenzbedrohende Geldstrafen, Ausschluss vom Kapitalmarkt) wird teilweise auch von einem faktischen Zwang zur Kooperation mit US-amerikanischen Behörden gesprochen.33 Die SEC kann nicht nur (mittelbaren) Einfluss auf die Auswahl der Ermittlungspersonen bzw. die ermittelnde Kanzlei nehmen, sondern auch auf die Art und Weise der Untersuchung, die Offenbarung von Informationen und Erkenntnissen (abrufbar unter: https://www.justice.gov/sites/default/files/dag/legacy/2007/07/05/mcnulty_ memo.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019)). Zudem konnte auf eine fehlende Kooperationsbereitschaft geschlossen werden, wenn das Unternehmen die Verteidigungskosten für die Mitarbeiter übernahm oder diese sanktionslos ihren Arbeitsplatz behielten. Dazu auch Wehnert, in: NJW 2009, 1190 f.; Theile, in: StV 2011, 381; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 69; für die Siemens-Korruptionsaffäre vgl. Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373 f.; Jahn, in: StV 2009, 41, 42; Wewerka, Internal Investigations, S. 76, 105 f. 27 Wehnert, in: NJW 2009, 1190, 1192. 28 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 28; Senderowitz/Ugarte/Cortez, in: wistra 2008, 281, 283. 29 Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 69; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373; Jahn, in: StV 2009, 41, 43; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387; Theile, in: StV 2011, 381; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 235. 30 Dann, in: AnwBl 2009, 84, 85. 31 Behrens, in: RIW 2009, 22, 23, 26; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Knauer/ Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Wewerka, Internal Investigations, S. 8, 43. 32 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 703, 705; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 193; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1502. 33 So Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 79; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 222; Wewerka, Internal Investigations, S. 38; ähnlich Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262.

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B. Grundlagen der Internal Investigations

sowie auf weitere Empfänger der gewonnenen Informationen. Insoweit kann die SEC die vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Informationen an ausländische Behörden weitergeben.34 Neben dieser Möglichkeit kann auf Unternehmen, die von internationalen Ermittlungen betroffen sind, auch durch die SEC und das DOJ Druck ausgeübt werden, die Unterlagen selbst an andere nationale Ermittlungsbehörden herauszugeben, da von der Offenbarung des Fehlverhaltens auch gegenüber anderen Ländern und der Öffentlichkeit die Anerkennung der Kooperationsbereitschaft abhängig gemacht werden kann.35 Insoweit können Kooperationen mit US-Behörden auch zur Offenbarung des Fehlverhaltens gegenüber nationalen Behörden führen.

II. Internal Investigations als Ausprägung der Compliance Nachdem der US-amerikanische Hintergrund der Internal Investigations beleuchtet wurde, wird nun deren Verankerung im deutschen Recht erläutert. Internal Investigations gehören zum Bereich der sogenannten Compliance.36 Im Folgenden wird daher zunächst auf die Begriffe der Compliance und der Internal Investigation eingegangen und auf die gesetzlichen Grundlagen dieser Institute. Zudem werden die Vorteile von effektiven Compliance-Systemen und der Durchführung von Internal Investigations sowie deren Nachteile dargestellt. 1. Begriff der Compliance und der Internal Investigation Der englische Begriff Compliance37 bedeutet allgemein „Einhaltung“, „Übereinstimmung“ und „Befolgung“.38 In rechtlicher Hinsicht bedeutet Compliance die Einhaltung von Regeln, also von Ge- und Verboten,39 also ein „mit dem geltenden

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Behrens, in: RIW 2009, 22, 24 f., 28; Wehnert, in: NJW 2009, 1190, 1191; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 236; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 82 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 107. 35 So festgehalten im sog. Leon-Meredith-Report, abrufbar unter: https://www.sec.gov/litiga tion/investreport/34-44969.htm (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); Wewerka, Internal Investigations, S. 107 f. 36 Behrens, in: RIW 2009, 22; Wagner, in: CCZ 2009, 8, 10; Knierim, in: StV 2009, 324, 326, insb. Fn. 10; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 511; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 522; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 564; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 23 f.; ähnlich Wewerka, Internal Investigations, S. 6. 37 Umfangreiche Darstellung in Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 1 ff. und Knierim, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Kap. 38 Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 5; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 21. 39 Grützner/Jakob, Compliance von A-Z, Compliance; ähnlich Kubiciel, in: FS Wessing, 69.

II. Internal Investigations als Ausprägung der Compliance

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Recht“ übereinstimmendes Handeln.40 Für börsennotierte Gesellschaften wird Compliance im Rahmen der Beschreibung der Aufgaben des Vorstandes in Ziffer 4.1.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)41 wie folgt definiert42: „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance).“

Reeb43 bestimmt den Normbefehl der Compliance treffend wie folgt: „Unternehmen sollen Gesetzesverstöße der Mitarbeiter verhindern (prevention), aufdecken (detection) und delinquente Mitarbeiter sanktionieren (reaction).“

Bei beiden Definitionen wird neben der repressiven auch die präventive Seite der Compliance deutlich, bei der es um organisatorische Maßnahmen zur Vorbeugung von Rechtsverstößen und zur Einhaltung von Regeln geht44. Durch die Einführung eines Compliance-Systems zeigt das Unternehmen den Willen, sich rechtstreu verhalten zu wollen.45 Compliance im Unternehmen wird häufig auch als „Corporate Compliance“46 bezeichnet, wonach sich die unternehmensbezogene Tätigkeit im Rahmen des geltenden Rechts bewegen soll.47 Dies erfordert ein Überwachungssystem, durch das die rechtlichen Risiken bei der wirtschaftlichen Betätigung eingeschätzt, gesteuert und minimiert werden können.48 Mit dem Ziel der Schadensprävention und Risikokontrolle49 wird in Unternehmen – abhängig von dessen Größe – häufig eine Compliance-Abteilung, ein Compliance-Officer oder Beauftragter,50 sowie ein

40 Knierim, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Kap. Rn. 5; Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 5. 41 Abrufbar unter: https://www.dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/download/kodex/1 70424_Kodex.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 42 Kritik an der Verallgemeinerungsfähigkeit dieser Definition übt Cordes, ComplianceOrganisation in der GmbH, S. 30 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass es sich beim DCGK um kein Gesetz, sondern vielmehr nur um „soft law“ handelt. 43 Reeb, Internal Investigations, S. 2. 44 Vgl. Reichert, in: ZIS 2011, 113, 114; Leitner, in: FS Schiller, 430; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 43 f.; Cordes, Compliance-Organisation in der GmbH, S. 52. 45 Raum, in: StraFo 2012, 395, 396. 46 Kort, in: NZG 2008, 81; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 48 f.; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 21; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 43. 47 Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 7; Wewerka, Internal Investigations, S. 8 f. 48 Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 7; Wewerka, Internal Investigations, S. 10. 49 LG München I, AG 2014, 332, 334. 50 Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 9; I. Roxin, in: StV 2012, 116.

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B. Grundlagen der Internal Investigations

Compliance-Management-System eingeführt51. Letzteres umfasst beispielsweise die Formulierung interner Compliance-Richtlinien, die Schaffung einer ComplianceAbteilung bzw. die Installation eines Compliance-Officers sowie, in großen Konzernen, die Einrichtung einer Whistleblower-Hotline.52 Da es für die Rechtstreue innerhalb des Unternehmens wesentlich ist, bereits geschehenes Fehlverhalten aufzuklären, um es in Zukunft verhindern zu können (Prävention), gehört auch die Aufklärung von gesetzeswidrigem Verhalten zum Bereich der Compliance53. Zu den unternehmensinternen Aufklärungsmaßnahmen zählt dabei unter anderem die Internal Investigation, die zwar in der Regel der Aufklärung bereits begangenen Fehlverhaltens dient und damit einen repressiven Ansatz verfolgt, aber im Rahmen der Ergebnisauswertung auch für die Zukunft und die künftige Verhinderung von Rechtsverstößen Bedeutung hat.54 Die Internal Investigation wird vielfach als anlassbezogene (also bei bestehendem Verdacht eines Rechtsverstoßes), durch externe Berater (Anwälte und/oder Wirtschaftsprüfer) durchgeführte und im Zusammenhang zu staatlichen Verfahren (Verwaltungs-, Strafund/oder Ordnungswidrigkeitenverfahren) stehende Untersuchung im Auftrag des Unternehmens definiert.55 Nach der hier vertretenen Ansicht ist es jedoch nicht zwingend erforderlich, sie von der Durchführung durch externe Berater abhängig zu machen, da bei kleineren Gesetzesverstößen auch durch unternehmenseigene Mitarbeiter oder Abteilungen (z. B. die interne Revision) intern ermittelt werden kann, ohne dass sich daraus wesentliche Unterschiede zur Ermittlung durch externe Berater ergeben würden.56 Die Notwendigkeit einer umfänglichen und kostenintensiven 51 Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 10; Schlaghecke, in: Hauschka/ Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 43 Rn. 64 ff. 52 Knierim, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Kap. Rn. 8, 12, 149; Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 10. 53 Behrens, in: RIW 2009, 22; Wagner, in: CCZ 2009, 8, 10; Knierim, in: StV 2009, 324, 326, insb. Fn. 10; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 174; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 511; Reichert, in: ZIS 2011, 113, 117; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 522; Mark, in: ZWH 2012, 311; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 564; Theile, in: JuS 2017, 913, 914; Sidhu/von Saucken, in: NZWiSt 2018, 126, 129; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181 f.; Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 659; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 23 f.; ähnlich Wewerka, Internal Investigations, S. 6; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 42. 54 Wagner, in: CCZ 2009, 8, 10; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 509; Weiß, in: CCZ 2014, 136; Sarhan, in: wistra 2015, 449; Hippeli, in: GWR 2018, 383, 385; Moosmayer, Compliance, Rn. 311; Poepping, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 333, 341; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 74, 76; Wewerka, Internal Investigations, S. 16 f.; vgl. Golombek, in: WiJ 2012, 162, 164. 55 Behrens, in: RIW 2009, 22; Knierim, in: StV 2009, 324, 326, insb. Fn. 10; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 511; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 522; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 23 f.; ähnlich Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 882; Wewerka, Internal Investigations, S. 6; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 65 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 41. 56 So auch Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803.

II. Internal Investigations als Ausprägung der Compliance

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Sachverhaltsaufklärung durch externe Berater hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab;57 eine konkrete Rechtspflicht hinsichtlich des „Wie“ der Aufklärung zur Durchführung von Internal Investigations besteht nicht58. Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit und die Ausgestaltung lassen sich der Business-JudgementRule entnehmen, wonach unternehmerische Entscheidungen auf einer ausreichenden Informationsbasis unter Berücksichtigung der Unternehmensinteressen erfolgen müssen.59 Auch nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG muss der Vorstand „auf der Grundlage angemessener Information“ handeln.60 Daher ist der Vorstand – unter Abwägung der Kosten und Nutzen – verpflichtet, alle zumutbar zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu nutzen.61 Kleinere und leichte Verstöße sollte dann in der Regel auch die Rechtabteilung oder eine interne Revision aufklären können.62 Bei schwerwiegenden und langjährigen Verstößen, die sich in der Regel schwer aufklären lassen, sind die unternehmenseigenen Ressourcen aber in der Regel zu knapp, sodass eine Aufklärung durch externe Berater erforderlich sein wird.63 Das gilt auch bei Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden bzw. der Öffentlichkeit von dem Verdacht, da im Umgang mit den Strafverfolgungsbehörden regelmäßig fachkundiger Rat sinnvoll ist. Die Internal Investigation dient insbesondere der Ermittlung von Sachverhalten, die Sanktionen64 für das Unternehmen auslösen können.65 Für das Unternehmen besteht dabei eine Pflicht, eingegangenen Hinweisen auf Compliance-Verstöße, insbesondere beim ernsthaften Verdacht von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, nachzugehen und somit den Sachverhalt aufzuklären.66 Begonnen wird dabei in der 57

Wagner, in: CCZ 2009, 8, 14; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1392, 1393 f.; Golombek, in: WiJ 2012, 162, 166; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 526. 58 Behrens, in: RIW 2009, 22, 29; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390; Reichert, in: ZIS 2011, 113, 117; Golombek, in: WiJ 2012, 162, 166; Hugger, in: ZHR 2015, 214, 219; Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 662 ff.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 25; vgl. Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 74 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 72. 59 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 116 Rn. 45; Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 48; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 184 f.; Wagner, in: CCZ 2009, 8, 15 f.; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 526; Taschke, in: NZWiSt 2012, 89, 90; Fett/ Theusinger, in: KSzW 2016, 253, 254; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 572 verlangt aufgrund der Legalitätspflicht auch die Berücksichtigung öffentlicher Interessen; nach Hugger, in: ZHR 2015, 214, 219 soll die Anwendbarkeit der Business-Jugdement-Rule umstritten sein. 60 Reichert, in: ZIS 2011, 113, 118. 61 Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 55. 62 Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 23; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 79. 63 Golombek, in: WiJ 2012, 162, 166; Mühl, in: BB 2016, 1992, 1993; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 79. 64 Insbesondere Geldbußen nach §§ 30, 130 OWiG, vgl. ansonsten unten unter B.III.1. 65 Reeb, Internal Investigations, S. 4. 66 LG München I, AG 2014, 332; Behrens, in: RIW 2009, 22, 29; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 885; ausführlich

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B. Grundlagen der Internal Investigations

Regel mit der Sichtung von Unterlagen und existierenden Daten in elektronischer und schriftlicher Form; danach werden meist auffällig erscheinende Mitarbeiter oder mögliche Zeugen zu dem Sachverhalt befragt.67 Grenze von Internal Investigations sind dabei die allgemeinen Gesetze, insbesondere aus dem Arbeits-, Datenschutzund Strafrecht.68 2. Gesetzliche Grundlagen in Deutschland Die Verantwortung für Compliance und für eine gegebenenfalls erforderliche Sachverhaltsaufklärung durch eine Internal Investigation trägt das nach dem Gesetz zu bestimmende Leitungsorgan der Gesellschaft.69 Dabei besteht jedoch keine ausdrückliche gesetzliche Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-ManagementSystems und keine strafrechtlich unmittelbar sanktionsbewehrte Pflicht zur Compliance.70 Für die Aktiengesellschaft – nur auf diese wird aus Gründen der Praxisrelevanz in dieser Arbeit eingegangen – obliegt dem Vorstand gemäß § 76 Abs. 1 AktG die Leitung der Gesellschaft in eigener Verantwortung. Diese Pflicht wird durch § 91 Abs. 2 AktG konkretisiert,71 nach dem der Vorstand ein Überwachungssystem einzurichten hat, durch das die Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 564; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1267; Wessing, in: Hauschka/ Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 16; Moosmayer, Compliance, Rn. 311; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 184; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 2; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 142; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 50; Reichert, in: ZIS 2011, 113, 117; Golombek, in: WiJ 2012, 162; Mühl, in: BB 2016, 1992; Fett/Theusinger, in: KSzW 2016, 253; Eufinger, in: NZA 2017, 619; Galle, in: BB 2018, 564; Eßwein, in: CCZ 2018, 73; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 705 f.; Reeb, Internal Investigations, S. 25; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 58; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 25 f. m.w.N.; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 89; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 75; Wewerka, Internal Investigations, S. 17 bei Verdachtsmomenten von erheblicher Bedeutung; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 71 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 223; vgl. zur Thematik ausführlich Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 7 ff.; vgl. für Pflichtverletzungen des Vorstandes auch BGHZ 135, 244. 67 Wagner, in: CCZ 2009, 8; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 523; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 552; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1975; Reeb, Internal Investigations, S. 4; Wewerka, Internal Investigations, S. 7; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 77. 68 Vgl. Leitner, in: FS Schiller, 430, 432. 69 Wagner, in: CCZ 2009, 8, 11 f.; Knierim, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Kap. Rn. 31; Wewerka, Internal Investigations, S. 10; vgl. Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 19 Rn. 19.23; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 882. 70 Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 2 Rn. 14; ähnlich Raum, in: StraFo 2012, 395, 396 und Greeve, in: StraFo 2013, 89, 93. 71 Raum, in: StraFo 2012, 395, 396.

II. Internal Investigations als Ausprägung der Compliance

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erkannt werden. Zudem ist in § 93 Abs. 1 AktG eine Sorgfaltspflicht normiert, nach der die Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben. Nach der herrschenden Meinung umfasst diese Leitungs- und Sorgfaltspflicht auch eine sogenannte Legalitätspflicht, also die Verpflichtung intern und extern gesetzeskonformes Verhalten der Gesellschaft sicherzustellen.72 Hierfür ist eine ordnungsgemäße Organisation der Betriebsabläufe erforderlich.73 Auch eine Pflicht zur internen Sachverhaltsaufklärung lässt sich aus den §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG herleiten.74 Ob darunter auch eine Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Organisation fällt, ist umstritten, wird aber durch die herrschende Meinung zumindest für Gesellschaften mit Gefahrenpotential bejaht.75 Rotsch76 ist dabei zuzustimmen, dass die Bedeutung dieses Streits immer mehr an Bedeutung verliert, weil eine fehlende Compliance-Organisation zivilrechtlich sanktioniert,77 dies als Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG (i.V.m. § 30 OWiG) geahndet und ein funktionierendes Compliance-System belohnt werden kann78. Führen, wie im vom Landgericht München I entschiedenen Fall79, unterbliebene Compliance-Maßnahmen zur Haftung der Unternehmensverantwortlichen, ist es nicht entscheidend, ob eine generelle Rechtspflicht zur Compliance-Organisation besteht80.

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LG München I, AG 2014, 332 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 47; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, GesR, § 93 AktG Rn. 7a; Knierim, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Kap. Rn. 31; Reichert, in: ZIS 2011, 113; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 525; Reichert/Ott, in: NZG 2014, 241; Bürkle, in: CCZ 2015, 52; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 566; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1974; Mühl, in: BB 2016, 1992; Eufinger, in: RdA 2017, 223, 224; Siepelt/Pütz, in: CCZ 2018, 78, 79; Reeb, Internal Investigations, S. 25; zur Legalitätspflicht auch Eufinger, in: NZA 2017, 619, 620. 73 Knierim, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Kap. Rn. 31; Reichert, in: ZIS 2011, 113, 114. 74 Golombek, in: WiJ 2012, 162, 163 f. 75 LG München I, AG 2014, 332; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 54 m.w.N.; Knierim, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Kap. Rn. 32 m.w.N.; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 19 Rn. 19.22 m.w.N; Reichert, in: ZIS 2011, 113, 114 f.; generell bejahend Greeve, in: StraFo 2013, 89, 91; DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, GesR, § 93 AktG Rn. 7a; a.A. Hauschka/Moosmayer/Lösler, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 1 Rn. 30 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 14 m.w.N. (lehnt eine „generelle“ Compliance-Pflicht ab). 76 Rotsch, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil 4. Kap. Rn. 14; ähnlich Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 61 f. 77 Nach dem LG München I, AG 2014, 332, 333 f. lag eine Pflichtverletzung eines Vorstandsmitgliedes für die unterlassene Compliance-Organisation vor. Vgl. auch BGHSt 54, 44, 49 f., wonach den Compliance-Officer regelmäßig eine strafrechtliche Garantenpflicht nach § 13 StGB trifft. 78 BGH, BeckRS 2017, 114578, Rn. 118; Grützner/Behr, in: CCZ 2013, 71 ff. 79 LG München I, AG 2014, 332 f. 80 Rotsch, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil 4. Kap. Rn. 14; zur Haftung auch Raum, in: StraFo 2012, 395, 396.

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B. Grundlagen der Internal Investigations

Sollte der Vorstand einer Pflichtverletzung verdächtig sein, ist der Aufsichtsrat für etwaige interne Ermittlungen zuständig, da ihm nach § 111 Abs. 1 AktG die Überwachung der Geschäftsführung obliegt.81 Für verschiedene Rechtsbereiche existieren daneben Normen, die als Grundlage für die Einführung von Compliance-Maßnahmen im Unternehmen angesehen werden können. Seit 1994 ist der Compliance-Gedanke zum Beispiel über die Normierung allgemeiner Organisationspflichten in § 33 WpHG enthalten.82 Daneben erschien zur Konkretisierung der Vorgaben des § 33 WpHG im Jahr 1999 eine sog. Compliance-Richtlinie vom damaligen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel.83 Seit dem 1. November 2007 enthält § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auch ausdrücklich den Begriff „Compliance-Funktion“.84 Spezielle Organisationspflichten, die die Einhaltung von Rechtsvorschriften bezwecken, regeln daneben beispielsweise § 25a KWG, § 52a Abs. 2 BImSchG, § 53 KrW-/AbfG und § 9 GwG.85 Allgemein anwendbare und in der Praxis bedeutende Vorschriften für Compliance sind zudem §§ 130, 30 OWiG. § 130 OWiG sanktioniert Aufsichtspflichtverletzungen im Hinblick auf die Verhinderung von Pflichtverletzungen im Betrieb oder Unternehmen, also insbesondere auch bei fehlenden Compliance-Maßnahmen. Über § 30 OWiG kann auch eine Geldbuße gegen das Unternehmen verhängt werden, wobei an die Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG angeknüpft werden kann.86 Compliance-Maßnahmen können sich im Rahmen der §§ 130, 30 OWiG sowohl auf Tatbestandsseite als auch auf Rechtsfolgenseite (Sanktionsprivilegierungen) auswirken.87 Die persönlich Haftenden (§ 9 OWiG) haben dabei aufgrund der hohen zu befürchtenden Sanktionen ein großes Interesse daran, dass die von § 130 OWiG geforderten Aufsichtsmaßnahmen auch umgesetzt werden und eine Organisations- und Überwachungsstruktur dem Sorge trägt, damit sich deren Haftungsrisiko reduziert.88 § 130 OWiG verpflichtet darüber hinaus dazu, bereits be81 Streitig, so aber: Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 525; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 883; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 573; Siepelt/Pütz, in: CCZ 2018, 78, 80; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 707; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 63; vgl. auch Hugger, in: ZHR 2015, 214, 217; zu der Frage, ob der Vorstand auch pflichtwidriges Verhalten des Aufsichtsrats aufklären muss, vgl. Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 574 f., welcher diese Pflicht im Ergebnis überzeugend verneint. 82 Rotsch, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil 4. Kap. Rn. 13. 83 Rotsch, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil 4. Kap. Rn. 13. 84 BGBl. I 2007, 1330, 1344. 85 Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 28. 86 Kubiciel, in: FS Wessing, 69, 70 f.; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 30 Rn. 15, 17; Raum, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 4. Kap. Rn. 216; Theile, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 38 Rn. 21; Theile, in: JuS 2017, 913, 914; Wewerka, Internal Investigations, S. 26; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 74 f. 87 Vgl. Theile, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 38 Rn. 6 ff., 13; Kämpfer, in: FS Wessing, 55, 58; ähnlich auch Kubiciel, in: FS Wessing, 69, 70 ff. 88 Wagner, in: CCZ 2009, 8, 10; Momsen, in: ZIS 2011, 508; Raum, in: StraFo 2012, 395, 396; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 553; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 523; Mühl, in: BB

II. Internal Investigations als Ausprägung der Compliance

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gangene Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufzuklären,89 jedenfalls soweit die Aufklärung erforderlich ist, um zukünftig ähnliche Verstöße zu verhindern90. Der im Jahr 2002 verabschiedete DCGK legt zudem Grundsätze verantwortungsvoller Unternehmensführung zur Beachtung international und national anerkannter Standards fest.91 Gemäß § 161 AktG müssen der Vorstand und der Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft jährlich eine Erklärung abgeben, dass den Grundsätzen dieses Kodexes entsprochen wurde und wird oder darlegen, warum dies nicht der Fall war/ist. Da der DCGK, wie oben festgehalten, die Verantwortung des Vorstandes zur Compliance enthält,92 kann § 161 AktG als mittelbare Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Systems (zumindest für börsennotierte Aktiengesellschaften) angesehen werden93. Danach bleibt festzuhalten, dass zumindest mittelbar eine Pflicht zur Compliance und zur Einrichtung eines Compliance-Systems besteht. Die Ausprägung der Compliance-Organisation richtet sich dabei nach der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit, was wiederum durch die Größe und Organisation des Unternehmens, dessen Risikopotential, die einzuhaltenden Vorschriften (national wie international) und frühere Verfehlungen konkretisiert wird.94 Daher können hinsichtlich der Gestaltung von Compliance-Systemen keine allgemein gültigen Leitlinien aufgestellt werden.95

2016, 1992; Wewerka, Internal Investigations, S. 28; vgl. Cordes, Compliance-Organisation in der GmbH, S. 38 f. 89 Wagner, in: CCZ 2009, 8, 13; Rettenmaier/Palm, in: NJOZ 2010, 1414, 1418; Reichert, in: ZIS 2011, 113, 117; Taschke, in: NZWiSt 2012, 89, 90 f.; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 565; Eufinger, in: BB 2016, 1973; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 173; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 185; Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 659; Wewerka, Internal Investigations, S. 29; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 74; vgl. Sidhu/von Saucken, in: NZWiSt 2018, 126, 129; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 75. 90 Golombek, in: WiJ 2012, 162, 164. 91 Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 32; ähnlich Rotsch, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 1. Teil 4. Kap. Rn. 16. 92 Siehe oben unter B.II.1. 93 Wewerka, Internal Investigations, S. 13; ähnlich Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 185. 94 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 54; Knierim, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Kap. Rn. 33; Reichert, in: ZIS 2011, 113, 116; ähnlich Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 884; Wewerka, Internal Investigations, S. 11. 95 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 54 m.w.N.; ähnlich Reichert, in: ZIS 2011, 113, 116; Wewerka, Internal Investigations, S. 11.

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B. Grundlagen der Internal Investigations

3. Vor- und Nachteile von Compliance-Systemen und Internal Investigations Neben der soeben erwähnten mittelbaren Pflicht für das Unternehmen zur Einführung eines Compliance-Systems und zur Aufklärung des Sachverhalts bei Rechtsverstößen (gegebenenfalls mittels einer Internal Investigation), wirken sich diese auch im Übrigen in vielerlei Hinsicht positiv für das Unternehmen aus. Der wohl größte und bereits mehrfach genannte Vorteil von Internal Investigations für das Unternehmen liegt in der Möglichkeit, durch Kooperation mit der Staatsanwaltschaft oder sonstigen Ermittlungsbehörden – in der Regel durch Hilfe bei der Sachverhaltsaufklärung – milder sanktioniert zu werden96 und damit gegebenenfalls sogar eine Insolvenz abzuwenden. Bei der Sanktionszumessung können ein effektives Compliance-System97 und die Durchführung unternehmensinterner Aufklärungsmaßnahmen als positives Nachtatverhalten berücksichtigt oder – bei Kooperationsbereitschaft – individuelle Absprachen zwischen den Ermittlungsbehörden bzw. Gerichten und dem Unternehmen getroffen werden.98 Allein die Einführung eines Compliance-Management-Systems führte beim Prozess gegen die Ferrostaal AG beispielsweise dazu, dass das Landgericht München I die Geldbuße im Rahmen von § 257c StPO um EUR 30 Millionen reduzierte.99 Die Grundlage jeglicher Kooperation durch Aufklärungshilfe ist aber zunächst immer, dass sich das Unternehmen durch die interne Ermittlung selbst eine Fak-

96 Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Wybitul, in: BB 2009, 606, 610; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851; Ignor, in: CCZ 2011, 143; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1793; Knauer, in: ZWH 2012, 41, 44 f.; Helck, in: CB 2014, 83, 88; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655; Anders, in: wistra 2014, 329; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 168; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Sarhan, in: wistra 2015, 449; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 886; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 569; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210; Sarhan, in: wistra 2017, 336; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1500; Wehnert, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, 137, 138; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 189; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 703; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 32; Bay/Engelhardt, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Einl. Rn. 7; Wewerka, Internal Investigations, S. 2; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 56; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 190. Im Fall Siemens wurde im Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München I ausdrücklich die Kooperation der Siemens AG mit den Ermittlungsbehörden berücksichtigt (Staatsanwaltschaft München I, Bußgeldbescheid, S. 12, (s. Kap. A. Fn. 12)). 97 So BGH, BeckRS 2017, 114578, Rn. 118. 98 Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Anders, in: wistra 2014, 329; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Knierim/Schröder, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 16 Rn. 264; Wewerka, Internal Investigations, S. 30 f.; vgl. auch Kämpfer, in: FS Wessing, 55, 58 f. 99 Rotsch, in: ZStW 125 (2013), 481, 485 f.; Rotsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 1 Rn. 38.

II. Internal Investigations als Ausprägung der Compliance

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tenbasis schafft.100 Diese ist auch erforderlich, um sich erfolgreich und sinnvoll gegen Vorwürfe verteidigen zu können.101 Außerdem können die Ergebnisse der Ermittlungen unternehmensintern eine Entscheidungsgrundlage für die Unternehmensleitung bilden, welche personellen und organisatorischen Maßnahmen (z. B. Einrichtung bzw. Änderung eines Compliance-Systems, Abmahnung und Kündigung) auf die Verstöße folgen sollen,102 um insbesondere Fehlverhalten in der Zukunft zu verhindern. Zudem kann das Unternehmen auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse Schadensersatzansprüche verfolgen, Strafanzeigen stellen oder sich gegen Ansprüche verteidigen.103 Ist das Unternehmen bereits in Verruf geraten, sich nicht rechtstreu zu verhalten, ist eine Internal Investigation sinnvoll, um das Vertrauen von Behörden und der Öffentlichkeit in das Unternehmen wieder herzustellen.104 Dies kann auch für die Vergabe öffentlicher Aufträge relevant sein.105 Insoweit dürfte die Abwendung eines Ausschlusses von Vergabeverfahren (§§ 123 ff. GWB), die nach § 125 Abs. 1 GWB bei Leistung eines Ausgleichs, aktiver Sachverhaltsaufklärungshilfe und technischer, organisatorischer und personeller Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Verstöße möglich ist, einen großen Anreiz zur Implementierung von Compliance-Maßnahmen und interner Sachverhaltsaufklärung setzen.106 Die Beauftragung einer externen Kanzlei kann dabei zusätzlich das Signal senden, „reinen Tisch“ machen zu wollen.107 Auch die Botschaft, dass Rechtsverstöße im Unternehmen nicht geduldet werden, kann nach innen und außen gesendet werden.108 Ein weiterer wesentlicher Vorteil bei der Durchführung eigener Ermittlungen zur Kooperation mit Ermittlungsbehörden liegt auch in der Vermeidung oder Gering100 Momsen, in: ZIS 2011, 508; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 523; vgl. auch Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 705, der die „interne Untersuchung als Basis der Kooperation“ beschreibt. 101 Helck, in: CB 2014, 83, 88; Hugger, in: ZHR 2015, 214, 224; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 194; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1500; vgl. auch Dann, in: AnwBl 2009, 84, 85; Golombek, in: WiJ 2012, 162, 165 f.; Kopp/ Pfisterer, in: CCZ 2015, 98; vgl. Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 27, 287 f. 102 Knierim, in: StV 2009, 324, 329; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1452; Kopp/ Pfisterer, in: CCZ 2015, 98; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 886; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 705 f.; Knierim/Schröder, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 16 Rn. 186; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 282. 103 Knierim, in: StV 2009, 324, 328, 331; vgl. auch Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 3. 104 Knierim, in: StV 2009, 324. 105 Dann, in: AnwBl 2009, 84 f.; Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 388; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 523; Wewerka, Internal Investigations, S. 30. 106 Vgl. Kubiciel/Dust, in: jurisPR-StrafR 9/2017 Anm. 1. 107 Behrens, in: RIW 2009, 22, 33. 108 Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 523.

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B. Grundlagen der Internal Investigations

haltung von staatlichen Ermittlungen, die den Betriebsablauf durch Beschlagnahme von bedeutenden Arbeitsunterlagen weit mehr stören würden.109 So hat die Staatsanwaltschaft München II nach ihres Erachtens unzureichender Kooperation der AUDI AG zahlreiche Unterlagen sichergestellt und in Gewahrsam genommen.110 Außerdem können die Internal Investigations insbesondere dann vorteilhaft sein, wenn die Ermittlungsbehörden noch keine Kenntnis von etwaigen Verdachtsmomenten haben; die Aufklärungsarbeit ist dann diskret durchführbar und das Risiko von Reputationsschäden wird erheblich vermindert.111 Überdies kann die Kooperation Einfluss auf die Verfahrensdauer und den Abschluss der Ermittlungen haben.112 So konnten z. B. im Fall Siemens die Verfahren in Deutschland und in den USA gleichzeitig und deutlich schneller abgeschlossen werden113. In verwaltungsrechtlicher Hinsicht kann eine Internal Investigation im Voraus im Rahmen des behördlichen Ermessens bei der Entscheidung über die Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme und deren Ausgestaltung berücksichtigt werden.114 Trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 24 Abs. 1 VwVfG können Beiträge des Unternehmens zur Sachverhaltsaufklärung verwendet werden.115 Ähnlich dazu kann auch im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts eine interne Ermittlung die Entscheidung über die Verfahrenseröffnung im Rahmen des Opportunitätsprinzips116 beeinflussen, da auch hier Aufklärungsmaßnahmen des Unternehmens berücksichtigt werden können.117 Nicht zu übersehen sind jedoch die immensen Kosten, die eine Internal Investigation durch eine Anwaltskanzlei verursacht.118 Die Siemens AG zahlte beispiels109 Wagner, in: CCZ 2009, 8, 9; Schaupensteiner, in: NZA-Beilage 2011, 8, 15; Helck, in: CB 2014, 83; Hugger, in: ZHR 2015, 214, 222; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262; Müller, in: öAT 2017, 95, 96; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 48; ähnlich Theile/ Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 813; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1502; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 188; Berndt/ Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 586. 110 SZ-Artikel „Wie sich VW und Audi hinter Anwaltskanzleien verstecken“ vom 19. 06. 2017, abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgasaffaere-wie-sich-vw-und-au di-hinter-anwaltskanzleien-verstecken-1.3549177 (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 111 Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 284; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 188; ähnlich auch Leipold, in: FS Schiller, 418, 427. 112 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 703; Leipold, in: FS Schiller, 418, 427; Nolte/ Noll, in: KSzW 2016, 261, 262. 113 Siemens-Presseerklärung vom 15. 12. 2008, S. 8 f. (s. Kap. A. Fn. 9). 114 Behrens, in: RIW 2009, 22, 30; Wewerka, Internal Investigations, S. 30. 115 Behrens, in: RIW 2009, 22, 30; Wewerka, Internal Investigations, S. 30. 116 Vgl. dazu nur Peters, in: MüKo StPO, § 152 Rn. 75 ff. und Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 7 ff. 117 Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Wewerka, Internal Investigations, S. 30. 118 Behrens, in: RIW 2009, 22, 30; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 9.

II. Internal Investigations als Ausprägung der Compliance

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weise zwischen rund EUR 650 Millionen und EUR 1,4 Milliarden für die internen Ermittler.119 Insbesondere bei der Entscheidung über eine Kooperation mit Ermittlungsbehörden muss immer auch das Risiko bedacht werden, dass sich aus der Offenbarung von Informationen ergeben kann: die Ermittlungen könnten ausgeweitet werden, die Staatsanwaltschaft könnte die Ermittlungen beeinflussen und die Informationen könnten auch an andere Stellen weitergegeben werden.120 Die Entscheidung, ob und wie mit Ermittlungsbehörden kooperiert wird, hängt also entscheidend davon ab, ob und wie viel diese bereits über die Unternehmensvorgänge weiß.121 Insoweit muss über die Kooperation und die Durchführung interner Ermittlungen immer eine Entscheidung im Einzelfall getroffen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Privilegien in Deutschland weitestgehend (noch) nicht festgeschrieben sind, sodass die Kooperation nicht zwingend zu einer Sanktionsmilderung führen muss.122 Absprachen mit der Staatsanwaltschaft über Sanktionsmilderungen binden auch nicht das Gericht,123 das letztendlich – sollte das Verfahren eröffnet werden – entscheidet. Da auch die Geldbußen in Deutschland noch nicht das Ausmaß wie z. B. in den USA erreichen, könnte fraglich sein, ob sich Internal Investigations durch externe Ermittler lohnen,124 jedenfalls wenn es sich nur um Zuwiderhandlungen im Inland handelt und auch sonst kein Auslandsbezug besteht. Kommen Sanktionen durch die Europäische Kommission in Betracht, können diese allerdings drastische Ausmaße annehmen, was beispielsweise die EUR 2,4 Milliarden-Strafe für Google125 zeigt. Bei der Entscheidung zur Durchführung der Internal Investigation ist auch zu beachten, dass die Unternehmensleitung – also insbesondere der Vorstand einer Aktiengesellschaft – eine Vermögensbetreuungspflicht (§ 266 StGB) gegenüber dem Unternehmen hat,126 die unter Umständen z. B. zur Geltendmachung von Scha-

119 Die Angaben diesbezüglich variieren. Nach Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 48 mit Verweis auf ein Interview mit dem Chefjustiziar der Siemens AG Peter Y. Solmssen, in: Siemens-Welt, Heft 01/2008, S. 1, zahlte Siemens rund EUR 1,4 Milliarden, laut Jahn, in: StV 2009, 41, 42 zahlte Siemens an die US-amerikanische Kanzlei Debevoise & Plimpton rund EUR 650 Mio. und laut Jahn/Kirsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 33 Rn. 18 zahlte die Siemens AG innerhalb von drei Jahren „wenigstens“ EUR 952 Mio. 120 Schaupensteiner, in: NZA-Beilage 2011, 8, 15; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262. 121 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 702 ff.; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261 f. 122 Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261; Behrens, in: RIW 2009, 22, 31. 123 Gädigk, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 19 Rn. 41. 124 Behrens, in: RIW 2009, 22, 31. 125 Vgl. Spiegel-Artikel vom 27. 06. 2017, „Missbrauch von Marktmacht – EU verhängt Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro gegen Google“, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/ netzwelt/netzpolitik/google-vs-eu-kommission-eu-verhaengt-rekordstrafe-von-2-42-milliardena-1154605.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 126 BGHSt 47, 187, 192; BGHSt 55, 266, 274; BGH, NStZ 2015, 220, 223; hinsichtlich eines Aufsichtsratsmitgliedes einer GmbH vgl. BGHSt 61, 48 f.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 280; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 550 f.

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B. Grundlagen der Internal Investigations

densersatzansprüchen verpflichten kann127. Zwar besteht für die unternehmerische Entscheidung ein weiter Handlungsspielraum,128 dieser dürfte jedoch überschritten sein, wenn die unternehmensinterne Ermittlung weit weniger Nutzen bringt, als potentiell Kosten verursacht.129 In den Nutzen sind dann jedoch auch die präventiven Aspekte der Sachverhaltsaufklärung einzubeziehen, welche es dem Unternehmen ermöglichen, zukünftig rechtstreu zu agieren. Im Hinblick auf den im Strafverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz/ Legalitätsgrundsatz wären zudem jedenfalls solche Methoden der Strafverfolgungsbehörden äußerst fraglich, in denen die Behörde auf eigene Aufklärungsmaßnahmen verzichtet und sich nur auf die durch die externen Ermittler hervorgebrachten Ergebnisse verlässt.130 Dies ist insbesondere auch deswegen zweifelhaft, weil in Deutschland die mit den Internal Investigations beauftragten Kanzleien nicht in der Weise durch die Ermittlungsbehörden „mitbestimmt“ werden können, wie es bei Ermittlungen durch die SEC in den USA der Fall ist.131 Da es keine gesetzliche Pflicht zur Objektivität der internen Ermittler gibt, ist auch zu befürchten, dass die Ergebnisse der Ermittlungen nicht den Anforderungen einer gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung genügen132 oder die Tatsachen vom Gericht stark hinterfragt werden. Dennoch können die Ergebnisse insbesondere genutzt werden, um die bisherigen Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden zu überprüfen oder neue Anhaltspunkte zu gewinnen.133

III. Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen nach deutschem Recht Da Internal Investigations zur Aufklärung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten in der Regel im Zusammenhang zu einem behördlichen Verfahren gegen das Unternehmen stehen, wird an dieser Stelle kurz erläutert, ob und wie das Unternehmen nach bisheriger Rechtslage sanktioniert werden kann. Zudem erfolgt ein 127 Kindhäuser, in: Kindhäuser, NK-StGB, § 266 Rn. 80a; Golombek, in: WiJ 2012, 162, 165; vgl. auch Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 886; Eufinger, in: NZA 2017, 619, 620. 128 BGHZ 135, 244, 253; BGHSt 47, 187, 192. 129 Ähnlich auch Behrens, in: RIW 2009, 22, 32; Knierim, in: StV 2009, 324, 325; ähnlich Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1392, 1394. 130 Vgl. Behrens, in: RIW 2009, 22, 31. Zur Problematik der internen Ermittlungen im Hinblick auf den Legalitätsgrundsatz vgl. Wehnert, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, 137 ff. 131 Siehe dazu unten unter B.I. 132 Knierim, in: StV 2009, 324, 325; Raum, in: StraFo 2012, 395, 399; Wewerka, Internal Investigations, S. 149 f. Vgl. zur Problematik auch Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 818 f.; Wehnert, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, 137, 139 f. 133 Ähnlich Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 551 ff., nach der die Nutzung privater Ermittlungsergebnisse gerade mit dem Legalitätsprinzip zu vereinbaren ist.

III. Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen nach deutschem Recht

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Überblick über die Reformbestrebungen zum Recht der Sanktionierung von Unternehmen. 1. Bisherige Rechtslage Bislang existiert in Deutschland, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern134, kein Gesetz zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen bzw. Verbänden. Nur natürliche Personen können in Deutschland Täter einer Straftat sein,135 was in § 14 StGB Ausdruck findet. § 14 StGB dehnt die Strafbarkeit auf die Vertreter einer juristischen Person aus, wenn der eigentliche Normadressat die Wahrnehmung der Aufgaben und Pflichten auf einen Vertreter übertragen hat136. Diese Übertragung ist vor allem für juristische Personen und Organisationen typisch,137 da eine juristische Person als solche nicht handeln kann. Bestraft wird dann die natürliche Person, die sich die besonderen persönlichen Merkmale des Unternehmens gemäß § 14 Abs. 1 und 2 StGB zurechnen lassen muss. Gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen können aber dennoch Sanktionen verhängt werden.138 Hierzu gehören verwaltungsrechtliche Maßnahmen und ordnungswidrigkeitenrechtliche Geldbußen.139 Unter die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen fallen beispielsweise die Erteilung von Auflagen oder der Entzug von Genehmigungen.140 Wichtiger ist jedoch die zweite Gruppe: Nach § 30 OWiG kann insbesondere eine Verbandsgeldbuße verhängt werden, wenn eine Leitungsperson bzw. ein Entschei134

In Österreich trat am 01. 01. 2006 das Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten (Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – VbVG) in Kraft, § 28 Abs. 1 VbVG, vgl. BGBl. Österreich I 2005, Nr. 151 vom 23. 12. 2005. In der Schweiz wurde mit Wirkung zum 01. 10. 2003 Art. 102 (oder auch Art. 100quarter) in das Schweizer StGB integriert, vgl. BBl. 2002, 5390. In Großbritannien ist eine Unternehmensstrafbarkeit seit dem 01. 07. 2011 mit Inkrafttreten des UK Bribery Acts (Sec. 7 des UK Bribery Acts) vorhanden, vgl. https://www. gov.uk/government/news/bribery-act-comes-into-force (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). In Frankreich ist die Verantwortlichkeit von juristischen Personen in Art. 121-2 des französischen StGB (Code Pénal) geregelt. Daneben existieren in vielen weiteren Ländern Unternehmensstrafbarkeiten (z. B. Niederlande, Dänemark, Belgien und Portugal), vgl. Aufzählung von Heine, in: FS Lampe, 579. 135 Schmidt, in: wistra 1990, 131, 132; Hirsch, in: ZStW 107 (1995), 285 ff.; Scholz, in: ZRP 2000, 435; Behrens, in: RIW 2009, 22, 30; Helck, in: CB 2014, 83; Heile, in: WiJ 2014, 228, 230; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 1, 36; Reeb, Internal Investigations, S. 2; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorb. zu §§ 25 ff. Rn. 121. 136 Perron/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 14 Rn. 1. 137 Perron/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 14 Rn. 1. 138 Vgl. dazu ausführlich Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 47 ff.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 54 ff.; Schmidt, in: wistra 1990, 131, 132; Theile/Petermann, in: JuS 2011, 496; Heile, in: WiJ 2014, 228, 231; vgl. auch Reeb, Internal Investigations, S. 2. 139 Behrens, in: RIW 2009, 22, 30. 140 Behrens, in: RIW 2009, 22, 30.

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B. Grundlagen der Internal Investigations

dungsträger (z. B. Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder) eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat und durch diese betriebsbezogene Pflichten verletzt oder die juristische Person oder Personenvereinigung bereichert wurden. Die Zuwiderhandlung muss als Repräsentant, also in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Unternehmens, begangen worden sein.141 Bei der Geldbuße gegen die juristische Person wird demnach immer an die Tat einer natürlichen Person mit Führungsposition angeknüpft. § 30 OWiG ist also kein eigenständiger Bußgeldtatbestand, sondern erfordert eine Anknüpfungstat.142 Eine in der Praxis wichtige Ordnungswidrigkeit als Anknüpfungstat im Sinne des § 30 OWiG ist die Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 130 Abs. 1 OWiG.143 Danach kann gemäß §§ 30, 130 OWiG ein Bußgeld gegen das Unternehmen verhängt werden, wenn der Inhaber des Betriebs oder des Unternehmens Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist und wenn die Begehung der Zuwiderhandlung durch die gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Der Begriff des Betriebsinhabers erfasst gemäß § 9 OWiG unter anderem auch die Mitglieder der vertretungsberechtigten Organe und vertretungsberechtigte Gesellschafter. Betriebsbezogene Zuwiderhandlungen können insbesondere durch Betriebsangehörige bzw. Mitarbeiter begangen werden.144 Die Zuwiderhandlung z. B. des Mitarbeiters ist dann als objektive Bedingung der Ahndung145 mittelbar auch Voraussetzung für eine Sanktionierung des Unternehmens. Als Sanktion sieht § 30 Abs. 2 OWiG seit dem 30. Juni 2013146 eine erhebliche Geldbuße gegen den Verband bzw. die juristische Person vor, die im Falle einer 141

Heile, in: WiJ 2014, 228, 237; Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 316. 142 BGHSt 46, 207, 211; Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 303. 143 BGHZ 125, 366, 374; Kämpfer, in: FS Wessing, 55, 58; Kubiciel, in: FS Wessing, 69, 70; Trüg, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 307, 321; Niesler, in: GJW Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 30 OWiG Rn. 39; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 30 Rn. 15, 17; Hohnel, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Teil P Rn. 3; Raum, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 4. Kap. Rn. 216; Theile, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 38 Rn. 21; Witte/Wagner, in: BB 2014, 643; Grützner, in: CCZ 2015, 56; Engelhart, in: NZWiSt 2015, 201, 208; Beisheim/Jung, in: CCZ 2018, 63; Wewerka, Internal Investigations, S. 26 144 Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 108; Beck, in: BeckOK OWiG, § 130 Rn. 88; Hohnel, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Teil P Rn. 13; Niesler, in: GJW Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 130 OWiG Rn. 58. 145 Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 77; Niesler, in: GJW Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 130 Rn. 55; Beck, in: BeckOK OWiG, § 130 Rn. 79; Hohnel, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Teil P Rn. 11. 146 Zuvor betrug die Höhe der Geldbuße bei einer Vorsatztat lediglich eine Million Euro und bei einer Fahrlässigkeitstat fünfhunderttausend Euro (Art. 4 des Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BGBl. I 2013, 1738).

III. Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen nach deutschem Recht

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Vorsatztat bis zu zehn Millionen Euro (Nr. 1) und bei Fahrlässigkeit bis zu fünf Millionen Euro (Nr. 2) betragen kann. Im Rahmen der Sanktionszumessung können funktionierende Compliance-Systeme147 und Aufklärungshilfe148 sanktionsmindernd berücksichtigt werden. Daneben und aus Unternehmenssicht noch gravierender ist die mögliche Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils nach § 17 Abs. 4 OWiG.149 Die Besonderheit der Vorteilsabschöpfung ist gemäß § 17 Abs. 4 S. 2 OWiG, dass sie in der Höhe das Höchstmaß nach § 30 Abs. 2 OWiG überschreiten darf, sodass es zu Beträgen in zwei- und dreistelliger Millionenhöhe kommen kann150. Anstelle einer Geldbuße können gegen eine juristische Person vermögensabschöpfende Maßnahmen der Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB verhängt werden (§ 30 Abs. 5 OWiG), da sich diese auch gegen einen tatunbeteiligten Dritten richten können (§ 73b Abs. 1 StGB).151 Im Wirtschaftsstrafverfahren kommt dabei der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß §§ 73b Abs. 1 Nr. 1, 73c StGB große Bedeutung zu,152 da hierdurch dem Unternehmen der gesamte Profit entzogen werden kann im Sinne einer lückenlosen Gewinnabschöpfung153. § 73c StGB greift, wenn die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus anderem Grund nicht möglich ist. Beispielsweise spart das Unternehmen bei der Steuerhinterziehung Aufwendungen. Da das Unternehmen dadurch nichts Gegenständliches erlangt, können über § 73c StGB diese ersparten Aufwendungen abgeschöpft werden.154 In verfahrensrechtlicher Hinsicht kann die juristische Person bzw. der Verband nicht Beschuldigter sein, es sind jedoch Ermittlungsmaßnahmen gegen Unternehmen möglich.155 Nach § 103 StPO kann z. B. bei einem Dritten durchsucht werden, 147

BGH, BeckRS 2017, 114578, Rn. 118; Grützner/Behr, in: CCZ 2013, 71 ff. Siehe dazu ausführlich unten unter D.II.1. 149 Behrens, in: RIW 2009, 22, 30; Anders, in: wistra 2014, 329; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 56; vgl. auch Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 324. 150 Behrens, in: RIW 2009, 22, 30; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 56, der sich auf die Bußgeldzahlung der Siemens AG in Höhe von EUR 395 Mio. beruft. 151 Joecks, in: MüKo StGB, § 73 Rn. 72; Fischer, StGB, § 73b Rn. 3 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 37, 48 ff.; Reeb, Internal Investigations, S. 2; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 57. 152 Nach Podolsky, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 28 Rn. 40 stützen sich 95 % der Vermögensabschöpfungsverfahren auf § 73a StGB a.F. [Anm.: Der Beitrag bezieht sich auf § 73a StGB a.F., der nun § 73c StGB entspricht.]. Vgl. auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 52. 153 Heuchemer, in: BeckOK StGB, § 73c Rn. 1; Joecks, in: MüKo StGB, § 73a Rn. 1; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 52 f.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 57. 154 Heuchemer, in: BeckOK StGB, § 73c Rn. 5; Podolsky, in: Wabnitz, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 28 Rn. 42. 155 Vgl. dazu Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 542 ff.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 37. 148

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worunter auch juristische Personen und sonstige Unternehmen fallen.156 Daneben kann ein Unternehmen Nebenbeteiligte mit den Rechten nach §§ 406d ff. StPO sein.157 Nach § 444 Abs. 1 StPO wird die juristische Person oder Personenvereinigung zudem förmlich am Verfahren gegen einen Entscheidungsträger beteiligt, wenn im verbundenen Verfahren eine Geldbuße gegen die juristische Person/Personenvereinigung festgesetzt werden soll,158 was nach § 30 Abs. 4 OWiG der Regelfall sein soll. 2. Reformbestrebungen Die immer wieder geführte Diskussion159 um die Reformierung des Rechts der Sanktionen gegen Unternehmen hat mit dem am 17. September 2013 veröffentlichten Gesetzesantrag für den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden“ (Verbandsstrafgesetzbuch, kurz VerbStrG-E NRW) des Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen,160 neue Fahrt aufgenommen.161 Der Entwurf wurde auf der Justizministerkonferenz am 14. November 2013 in Berlin diskutiert.162 Die Justizministerkonferenz beschloss, den Entwurf weiterzuverfolgen und ihn zur Vorbereitung einer Bundesratsbefassung mit anderen Landesjustizverwaltungen abzustimmen.163 Der Entwurf des VerbStrG NRW wurde (bislang) aber nicht in den Bundesrat eingebracht.164 Mit Blick auf den Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD der 18. Legislaturperiode von Ende 2013 ist dies auch nicht verwunderlich. Dort wurde im Hinblick auf die Sanktionierung von Unternehmen der Ausbau des Ord-

156 Hegmann, in: BeckOK StPO, § 103 Rn. 1; Bruns, in: KK-StPO, § 103 Rn. 1; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 37. 157 Weiner, in: BeckOK StPO, § 406d Rn. 1; Zimmer, in: ZRFC 2011, 259, 262; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 37. 158 OLG Celle, NStZ-RR 2005, 82; Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 471, 491 ff. 159 Vgl. zur historischen Diskussion Schünemann, in: ZIS 2014, 1 f.; Engelhart, in: NZWiSt 2015, 201 f. 160 Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 1 f. (s. Kap. A. Fn. 47). 161 Hoven/Wimmer/Schwarz/Schumann, in: NZWiSt 2014, 161; Fink, in: wistra 2014, 457; Witte/Wagner, in: BB 2014, 643; Heuking/von Coelln, in: BB 2014, 3016 f.; Grützner, in: CCZ 2015, 56; Engelhart, in: NZWiSt 2015, 201; Kubiciel/Hoven, in: jurisPR-StrafR 23/2017 Anm. 1. 162 Haubner, in: DB 2014, 1358; Jahn/Pietsch, in: ZIS 2015, 1. 163 Beschluss der 84. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister 2013, abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2013/herbstkonferenz13/TOP_II_5. pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 164 Vgl. Jahn/Pietsch, in: ZIS 2015, 1; Kubiciel/Hoven, in: jurisPR-StrafR 23/2017 Anm. 1; Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, in: NZWiSt 2018, 1, 6.

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nungswidrigkeitenrechts als Ziel festgehalten, ein Unternehmensstrafrecht sollte nur für multinationale Konzerne geprüft werden.165 Mit Blick auf diese Ausführungen im Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode nicht überraschend, wurde im April 2014 vom Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) als Gegenentwurf zum VerbStrG-E ein „Gesetzgebungsvorschlag für eine Änderung der §§ 30, 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG)“ veröffentlicht.166 Daneben veröffentlichte das Deutsche Institut für Compliance (DICO) im Juli 2014 einen Vorschlag für den „Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung von Anreizen für Compliance-Maßnahmen in Betrieben und Unternehmen (ComplianceAnreiz-Gesetz, CompAG)“, der ebenfalls die Änderung der §§ 30, 130 OWiG betrifft.167 Sowohl der VerbStrG-E NRW, als auch die Entwürfe zur Änderung des OWiG verfolgen dabei das Ziel, Anreize für präventive Maßnahmen (Compliance) in Unternehmen zu setzen. Die in der 18. Legislaturperiode geplanten Reformierungen wurden von der Regierung jedoch nicht umgesetzt.168 Keiner der Entwürfe konnte sich bislang durchsetzen. Nachdem sich insbesondere der VerbStrG-E NRW teils erheblicher Kritik ausgesetzt sah, insbesondere im Hinblick auf die angezweifelte Handlungs-, Straf- und Schuldfähigkeit von Verbänden,169 legten sich die Diskussionen zwi165 Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD der 18. Legislaturperiode, S. 145, abrufbar unter: https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 166 Gesetzgebungsvorschlag für eine Änderung der §§ 30, 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), abrufbar unter: http://www.arbeitsrechtsummit.de/resources/Server/BUJStellungnahmen/BUJ_Gesetzgebungsvorschlag_OWiG.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); dazu auch Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 267. 167 Compliance-Anreiz-Gesetz – Ein Vorschlag des Deutschen Instituts für Compliance – DICO e.V., abrufbar unter: http://www.dico-ev.de/wp-content/uploads/2016/10/CompAG_21_ 07_2014.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 168 Kubiciel/Dust, in: jurisPR-StrafR 9/2017 Anm. 1. 169 Einen Überblick über die im Wesentlichen geübte Kritik geben u. a. Jahn/Pietsch, in: ZIS 2015, 1, 2 ff. Vgl. zur Kritik auch BRAK-Stellungnahme-Nr. 15/2014; Stellungnahme des DAV durch den Ausschuss Strafrecht zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden des Landes Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme Nr. 54/2013, abrufbar unter: https://anwaltverein.de/de/ newsroom/id-2013-54 (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); Stiftung Familienunternehmen, Rechtsgutachten zum Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen, abrufbar unter: http:// www.familienunternehmen.de/media/public/pdf/publikationen-studien/studien/Studie_Stif tung_Familienunternehmen_Unternehmensstrafrecht.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); Stellungnahme des BDI und BDA zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden vom 31. 01. 2014, abrufbar unter: https://bdi.eu/media/themenfelder/recht/downloads/20140131_BDI-BDA-Stel lungnahme__Unternehmensstrafrecht.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); Schünemann, in: ZIS 2014, 1, 7 ff.; Görtz, in: WiJ 2014, 8, 14; Hein, in: CCZ 2014, 75, 76 ff.; Hoven/Wimmer/ Schwarz/Schumann, in: NZWiSt 2014, 161 ff. (zu wesentlichen Punkten des Entwurfs im Bereich des materiellen Rechts); Hoven/Wimmer/Schwarz/Schumann, in: NZWiSt 2014, 201 ff. (zu prozessualen Fragen); Hoven/Wimmer/Schwarz/Schumann, in: NZWiSt 2014, 241 ff. (zu

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schenzeitig wieder. Insoweit wird angezweifelt, ob der VerbStrG-E NRW noch Chancen auf eine Umsetzung hat.170 Mit dem im Dezember 2017 veröffentlichten Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes (VerbSG-E)171 ist nun zu erwarten, dass die Diskussion neuen Schwung aufnimmt.172 Trotz fehlender Umsetzung der Reformierungspläne in der 18. Legislaturperiode wurde das Ziel der Neuregelung des Sanktionsrechts für Unternehmen in der 19. Legislaturperiode erneut in den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 7. Februar 2018, unterzeichnet am 12. März 2018,173 aufgenommen.174 Vom Fehlverhalten der Mitarbeiter profitierende Unternehmen sollen danach stärker sanktioniert werden könne. Durch eine „Abkehr vom Opportunitätsprinzip des bislang einschlägigen Ordnungswidrigkeitenrechts“ soll eine bundesweit einheitliche Rechtsanwendung ermöglicht werden, bei der die Verfolgung nicht mehr im Ermessen der Behörden liegt.175 Auch das Verfahrensrecht will die Regierung reformieren und spezielle Verfahrenseinstellungsregelungen schaffen. Des Weiteren sollen nachvollziehbare Sanktionszumessungsregelungen geschaffen werden und die Sanktionierungen sollen öffentlich bekannt gemacht werden können. Am interessantesten sind (im Hinblick auf diese Arbeit) allerdings die im Koalitionsvertrag aufgeführten Regelungsbestrebungen für Internal Investigations: „Um Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen, werden wir gesetzliche Vorgaben für ,Internal Investigations‘ schaffen, insbesondere mit Blick auf beschlagnahmte Unterlagen und Durchsuchungsmöglichkeiten. Wir werden gesetzliche Anreize zur Aufklärungshilfe durch ,Internal Investigations‘ und zur anschließenden Offenlegung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse setzen.“176

Es bleibt daher abzuwarten, ob und auf welchem Weg diese Anreize zur Aufklärungshilfe kodifiziert werden. Im Hinblick auf die Formulierung des neuen Koden Sanktionen); Haubner, in: DB 2014, 1358, 1363 f.; Fischer/Hoven, in: ZIS 2015, 32 ff. (zu prozessualen Fragen); Mansdörfer, in: ZIS 2015, 23 ff.; Willems, in: ZIS 2015, 40 ff.; Grützner, in: CCZ 2015, 56, 59 f. 170 Jahn/Pietsch, in: ZIS 2015, 1; Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop, in: wistra 2018, 27 sprechen bezüglich des VerbStrG-E NRW von einem „rechtspolitischen Scheitern[s]“; Beisheim/Jung, in: CCZ 2018, 63, 66; Bedenken gegen eine Umsetzung hegen auch Görtz, in: WiJ 2014, 8, 14. 171 Abgedruckt in Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, in: NZWiSt 2018, 1. 172 Vgl. Bericht in Newsdienst Compliance 2018, 31001. 173 Vgl. Artikel „Angela Merkel: Das Wohlstandsversprechen erneuern“ vom 12. 03. 2018, abrufbar unter: https://www.cdu.de/artikel/angela-merkel-das-wohlstandsversprechen-erneuern (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 174 Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD der 19. Legislaturperiode, S. 126, abrufbar unter: https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1 (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 175 Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD der 19. Legislaturperiode, S. 126 (s. Kap. B. Fn. 174). 176 Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD der 19. Legislaturperiode, S. 126 (s. Kap. B. Fn. 174).

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alitionsvertrags („bislang einschlägigen Ordnungswidrigkeitenrechts“) und der geplanten Abkehr vom Opportunitätsprinzip177 dürfte jedenfalls eine Änderung des bestehenden Ordnungswidrigkeitenrechts mit dem in § 47 OWiG geregelten Opportunitätsprinzip – entgegen der Planungen der vorherigen Legislaturperiode – unwahrscheinlich sein.178 Insoweit dürften den Vorschlägen des BUJ und des DICO zur Änderung der §§ 30, 130 OWiG jedenfalls erst mal keine große Relevanz mehr zukommen.179 Ob dadurch der VerbStrG-E NRW erneuten Aufschwung erfährt oder ob ein weiterer, bislang nicht veröffentlichter Entwurf eines Verbandssanktionenrechts des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz180 oder aber der aktuelle VerbSG-E (teilweise) umgesetzt werden oder als Grundlage einer Umsetzung dienen, bleibt weiter spannend. Gegenüber dem VerbStrG-E NRW liegt der VerbSG-E unter anderem wegen der dort enthaltenen Regelung zur internen Untersuchung, insbesondere auch zur Beschlagnahmefreiheit der Unterlagen (§ 18 Abs. 2 VerbSG-E), jedenfalls näher an den Zielen der Regierung der 19. Legislaturperiode.181 Allerdings soll eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums geäußert haben, dass Internal Investigations und ein neues Unternehmenssanktionsrecht möglichweise getrennt geregelt werden sollen.182 Die gesetzliche Anreizschaffung zur Durchführung von Internal Investigations und zur Kooperation ist jedenfalls noch lange nicht vom Tisch. Auch die Literatur diskutiert und fordert immer wieder Reformierungen des geltenden Rechts.183 Im Folgenden sollen der VerbStrG-E NRW und der VerbSG-E kurz vorgestellt werden. a) Verbandsstrafgesetzbuch-Entwurf NRW (2013) Hintergrund des Gesetzesantrags des Landes NRW vom 17. September 2013 ist vor allem die gestiegene Wirtschaftskriminalität.184 Da nach der Begründung des VerbStrG-E NRW Bußgelder nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten als 177 Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD der 19. Legislaturperiode, S. 126 (s. Kap. B. Fn. 174). 178 Anders sehen das Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop, in: wistra 2018, 27, die diesen Weg wegen des (wahrscheinlich) geringsten Widerstandes aus rechtspolitischer Sicht für am Wahrscheinlichsten hielten, auch wenn sie sich gegen eine solche Lösung aussprachen. 179 Aus diesen Gründen wird auf eine Darstellung und Berücksichtigung in dieser Arbeit verzichtet. 180 So Kubiciel/Dust, in: jurisPR-StrafR 9/2017 Anm. 1. 181 So auch Blumhoff/Kahlke, in: ZRFC 2018, 228, 232; Ballo/Reischl, in: CB 2018, 189, 190 halten ebenfalls die Umsetzung des Kölner Entwurfs für wahrscheinlicher. 182 Vgl. Newsdienst Compliance 2018, 32025. 183 Vgl. Heuking/von Coelln, in: BB 2014, 3016 ff.; Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 247 ff.; Mengel, in: NZA 2017, 1494; Kubiciel/Hoven, in: jurisPR-StrafR 23/2017 Anm. 1; Trüg, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 307, 330 ff.; Süße/Püschel, in: Newsdienst Compliance 2018, 71002; Ballo/Reischl, in: CB 2018, 189 ff.; vgl. auch die umfangreichen Nachweise bei Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop, in: wistra 2018, 27 (Fn. 5). 184 Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 1 f. (s. Kap. A. Fn. 47).

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B. Grundlagen der Internal Investigations

kalkulierbares Risiko für ein Unternehmen nicht mehr ausreichend für eine wirksame Prävention seien, beinhaltet dieser Gesetzesantrag die gänzliche Neuregelung der Sanktionierung von Wirtschaftskriminalität mit einer strafrechtlichen Verantwortung von Verbänden.185 In dem Entwurf soll durch eine im Gesetz verankerte Möglichkeit des Gerichts, auf die Sanktion verzichten zu können, ein Anreiz zur Einführung von Compliance-Systemen geschaffen werden.186 Durch die Anpassung bzw. Neuregelung soll auch auf eine Einheitlichkeit in der Europäischen Union hinsichtlich der Verantwortlichkeit juristischer Personen hingewirkt werden.187 Nach dem VerbStrG-E NRW, der eine strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen – über die ordnungswidrigkeitenrechtlichen Normen hinaus – fordert, haftet der Verband188 für Verbandsstraftaten nach § 2 VerbStrG-E NRW, wenn eine vorsätzliche oder fahrlässige verbandsbezogene Straftat (§ 1 Abs. 2 VerbStrG-E NRW) durch einen Entscheidungsträger des Verbandes (§ 1 Abs. 3 VerbStrG-E NRW) begangen wurde (Abs. 1), oder wenn ein Mitarbeiter die Tat begeht und diese nur durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle möglich war (Abs. 2). Grundlage der Strafbarkeit bleibt demnach die Tat einer natürlichen Person. Nach der Begründung des Entwurfs soll aber zusätzlich dazu auch ein Organisationsmangel innerhalb des Unternehmens (z. B. fehlerhafte Personalauswahl oder unzureichender Aufgabenzuschnitt auf der Leitungsebene) erforderlich sein.189 Aus diesem Organisationsmangel soll sich die Verantwortung des Verbandes ergeben, sodass – neben der Zurechnung – an ein eigenes Verschulden angeknüpft wird.190 Die Verbandssanktionen regelt § 4 Abs. 1 VerbStrG-E NRW. Neben der Geldstrafe (§ 6 VerbStrG-E NRW) könnte der Verband danach auch unter Strafvorbehalt verwarnt (§ 7 Abs. 1 VerbStrG-E NRW) oder die Verurteilung öffentlich bekannt 185

Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 1 f. (s. Kap. A. Fn. 47). Dies ist im Gesetzesantrag des Landes NRW in § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW enthalten. 187 Der Gesetzesantrag stützt sich dabei auf eine Mitteilung der Europäischen Kommission vom 20. 09. 2011 zur europäischen Strafrechtspolitik, KOM(2011) 573 endgültig, S. 9 f. (abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0573:FIN: DE:PDF (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019)), auf eine Mitteilung der Europäischen Kommission vom 26. 05. 2011 zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union durch strafrechtliche Vorschriften, KOM(2011) 293 endgültig, S. 8 f. (abrufbar unter: https://eur-lex. europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52011DC0293&from=EN (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019)) und auf das zweite Protokoll aufgrund von Artikel K3 des Vertrages über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 19. 07. 1997, ABl. Nr. C 221/12, Art. 3 und 4 (abrufbar unter: http://db.eurocrim.org/db/de/doc/307.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019)). 188 Gemäß § 1 Abs. 1 VerbStrG-E NRW umfasst der Begriff Verband juristische Personen, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften des privaten und öffentlichen Rechts. Nach Abs. 2 ist für eine Haftung zudem erforderlich, dass durch die Zuwiderhandlung gegen ein Strafgesetz verbandsspezifische Pflichten verletzt wurden oder der Verband bereichert wurde/werden sollte. 189 Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 43, 45 (s. Kap. A. Fn. 47). 190 So Hoven/Wimmer/Schwarz/Schumann, in: NZWiSt 2014, 161, 162; Hoven/Wimmer/ Schwarz/Schumann, in: NZWiSt 2014, 201, 202; Engelhart, in: NZWiSt 2015, 201, 205. 186

III. Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen nach deutschem Recht

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gemacht werden (§§ 7 Abs. 2 S. 2, 9 VerbStrG-E NRW). Zudem sind nach § 4 Abs. 2 VerbStrG-E als Verbandsmaßregeln der Ausschluss von Subventionen und öffentlichen Aufträgen (§§ 10, 11 VerbStrG-E NRW) und die Verbandsauflösung (§ 12 VerbStrG-E NRW) vorgesehen. Als Zumessungskriterien für die Geldstrafe bestimmt § 6 Abs. 3 VerbStrG-E NRW unter anderem Vorkehrungen des Verbandes zur Vermeidung vergleichbarer Taten, also Compliance-Maßnahmen, sowie das Nachtatverhalten. Die maximale Höhe der Geldstrafe ist in § 6 Abs. 4 S. 3 VerbStrG-E NRW geregelt, wonach die Geldstrafe 10 Prozent des durchschnittlichen Gesamtumsatzes nicht übersteigen darf. Dieser Umsatz darf nach Abs. 5 geschätzt werden. Zu berücksichtigen ist dabei nach § 6 Abs. 5 S. 2 VerbStrG-E NRW der „weltweite Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen der letzten drei Geschäftsjahre […] soweit diese als wirtschaftliche Einheit operieren“. § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW räumt dem Gericht die Möglichkeit ein, von Strafe gegen den Verband ganz abzusehen, wenn dieser durch freiwilliges Offenbaren wesentlich zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen und den Ermittlungsbehörden Beweismittel zur Verfügung gestellt hat, die geeignet sind, die Tat nachzuweisen, sowie ausreichende organisatorische und personelle Maßnahmen getroffen wurden, um zukünftige Rechtsverstöße zu vermeiden. Die Beweismittel müssen dafür nach § 5 Abs. 4 VerbStrG-E NRW vor dem Beschluss zur Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 StPO) offenbart worden sein. Diese Norm könnte durch den dadurch geschaffenen Anreiz an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken,191 dafür sorgen, dass die Anzahl von Internal Investigations in Deutschland signifikant ansteigt192. Nach der Begründung des Entwurfs soll es für den Erlass der Sanktion dabei nicht ausreichen, dass nur die Zuwiderhandlung des Entscheidungsträgers aufgedeckt wird und dieser als „Bauernopfer“ den Ermittlungsbehörden namhaft gemacht werde, sondern gerade die Verbandsstraftat aufgedeckt werde,193 womit der geforderte Organisationsmangel des Verbandes gemeint sein dürfte. Der Entwurf enthält aber keine Regelungen zu internen Untersuchungen. Das Verfahren gegen den Verband ist in §§ 13 ff. VerbStrG-E NRW geregelt, wobei die StPO und das GVG sinngemäß gelten (§ 13 Abs. 1 VerbStrG-E NRW). Gemäß § 14 VerbStrG-E NRW soll – im Gegensatz zum bisherigen § 47 OWiG – das Legalitätsprinzip gelten. Nach § 18 Abs. 1 VerbStrG-E NRW sind die Personen, die einer verbandsbezogenen Zuwiderhandlung oder einer Unterlassung nach § 2 Abs. 2 VerbStrG-E NRW verdächtig sind, im Verfahren gegen den Verband als Beschuldigte zu vernehmen. Für diese Vernehmung sollen die §§ 133 – 136a StPO entsprechend gelten, sodass eine Berufung auf das Schweigerecht möglich ist. Der Entwurf erkennt zudem die (streitige) Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes für Verbände an und

191 192 193

Görtz, in: WiJ 2014, 8, 10; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 569. Witte/Wagner, in: BB 2014, 643, 646. Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 56 (s. Kap. A. Fn. 47).

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B. Grundlagen der Internal Investigations

überträgt die Ausübung den gesetzlichen Vertretern.194 Lösungen für den bereits geschilderten Konflikt eines Mitarbeiters enthält der Entwurf nicht.195 b) Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes (2017) Der VerbSG-E196, entwickelt von den Kölner Professoren Dres. Henssler, Weigend, der Juniorprofessorin Dr. Hoven und dem mittlerweile Augsburger Professor Dr. Dr. Kubiciel, wurde Ende 2017 veröffentlicht. Dem Entwurf liegt nach eigener Begründung insbesondere der Gedanke der Spezialprävention zugrunde.197 Nach § 1 VerbSG-E ist das Gesetz auf die Sanktionierung von Verbänden wegen verbandsbezogener Straftaten anwendbar. Verbandsverfehlungen liegen nach § 3 VerbSG-E vor, wenn eine Leitungsperson (§ 1 Abs. 4 VerbSG-E) in Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Verbandes vorsätzlich (bzw. fahrlässig, soweit strafbar), rechtswidrig und schuldhaft eine verbandsbezogene Zuwiderhandlung begangen hat. Von dem erforderlichen Verbandsbezug der Zuwiderhandlung sind im VerbSG-E diejenigen Zuwiderhandlungen ausgenommen, die zwar eine Pflicht des Verbandes verletzen, diesen aber unmittelbar schädigen (§ 1 Abs. 3 S. 2 VerbSG-E). Wenn eine Verbandsverfehlung aber vorliegt, wird eine Verbandssanktion gegen den Verband verhängt. Davon kann abgesehen werden, wenn sich die Leitungsperson über eine ausdrückliche und konkrete Anordnung der Verbandsleitung hinwegsetzt und Sicherungsvorkehrungen umgeht, die geeignet sind, solche Zuwiderhandlungen zu verhindern (§ 3 Abs. 1 S. 2 VerbSG-E). Insoweit können wirksame ComplianceMaßnahmen in Verbindung mit Anweisungen bereits die Sanktionierung verhindern. Zuwiderhandlungen von Mitarbeitern führen zudem zu Verbandssanktionen, wenn die Tat durch die von einer Leitungsperson unterlassenen, erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten ermöglicht oder erleichtert wurde (§ 3 Abs. 2 VerbSG-E). Die Verbandssanktionen regeln §§ 4 ff. VerbSG-E. Die Verbandssanktion besteht grundsätzlich in einer Geldzahlung (§ 4 Abs. 1 S. 1 VerbSG-E). Die Maximalhöhe der Geldzahlung ist mit 15 Prozent des durchschnittlichen Umsatzes des Verbandes der letzten drei Geschäftsjahre vor dem Ende der Hauptverhandlung, im Gegensatz zu den bisherigen festen Obergrenzen nach § 30 Abs. 2 OWiG, flexibel (§ 4 Abs. 2 VerbSG-E). Beim Umsatz zu berücksichtigen sind dabei auch diejenigen Umsätze von Verbänden, die eine wirtschaftliche Einheit mit dem Verband bilden. Diese Regelung wird insbesondere für Konzerne relevant. Eine wirtschaftliche Einheit

194

Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 74 f. (s. Kap. A. Fn. 47). So auch Görtz, in: WiJ 2014, 8, 10. 196 Siehe Kap. A. Fn. 45. 197 Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, in: NZWiSt 2018, 1, 9; ähnlich Kubiciel/Hoven, in: jurisPR-StrafR 23/2017 Anm. 1. 195

III. Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen nach deutschem Recht

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besteht dabei z. B. regelmäßig bei 100-prozentigen Tochtergesellschaften.198 Bei der Zumessung der Geldbuße ausdrücklich zu berücksichtigen ist nach § 4 Abs. 3 e) VerbSG-E die Zusammenarbeit des Verbandes mit den Strafverfolgungsbehörden. Die Geldzahlung kann nach § 5 VerbSG-E auch zur Bewährung ausgesetzt werden. § 8 VerbSG-E ermöglicht die Anrechnung ausländischer Sanktionen, nach § 15 VerbSG-E kann das Verfahren bei Sanktionierung im Ausland auch eingestellt werden, wenn die Zuwiderhandlungen nur im Ausland begangen wurden. Wie im VerbStrG-E NRW bestimmt § 11 VerbSG-E in verfahrensrechtlicher Hinsicht die sinngemäße Anwendung der StPO und des GVG. Daneben ist auch die Abkehr vom bisherigen Opportunitätsprinzip (§ 47 OWiG) durch Geltung des Legalitätsprinzips vorgesehen (§ 13 VerbSG-E). Als Einstellungsgründe gelten anstelle der §§ 153 – 154 f. StPO die §§ 14, 15 VerbSG-E. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 VerbSG-E soll die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen, wenn die Schwere der Zuwiderhandlung nicht entgegensteht und der Verband vier Voraussetzungen erfüllt. Zu diesen Voraussetzungen zählt, dass der Verband bereits vor der Begehung der Zuwiderhandlung ein Compliance-System eingerichtet hatte, also technische, organisatorische und personelle Maßnahmen, die darauf gerichtet waren, Zuwiderhandlungen dieser Art zu verhindern. Zudem muss der Verband, nachdem die Zuwiderhandlung bekannt geworden ist, mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten und ihnen, soweit rechtlich zulässig, die ihm zugänglichen Informationen über die Zuwiderhandlung übermitteln. Auch Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung ähnlicher Verstöße, sowie die Wiedergutmachung des Schadens sind erforderlich. Liegen diese Voraussetzungen nur teilweise vor, liegt es nach § 14 Abs. 2 VerbSG-E im Ermessen der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung abzusehen. Zudem kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig einstellen und die vollständige Erfüllung der oben genannten Voraussetzung zur Auflage machen. Diese Auflagen können durch einen Monitor überwacht werden, der nach § 14 Abs. 4 VerbSG-E eingesetzt werden kann. Mit Blick auf die US-amerikanische Praxis und den im Anschluss an den Vergleichsschluss mit den US-amerikanischen Behörden bei der Volkswagen AG eingesetzten Monitor,199 erweist sich dieser Entwurf auch insoweit näher an der gegenwärtigen Praxis als der VerbStrG-E NRW. Die in § 16 VerbSG-E geregelte Vertretung des Verbandes im Verfahren obliegt den gesetzlichen Vertretern, soweit diese nicht selbst der verbandsbezogenen Zuwiderhandlung beschuldigt sind. Daneben regelt § 17 VerbSG-E, dass sich die gesetzlichen Vertreter des Verbandes im Verfahren gegen den Verband auf den nemotenetur-Grundsatz berufen können und nicht verpflichtet sind, aktiv an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Dem Entwurf liegt daher die Annahme zugrunde, 198

Vgl. zur wirtschaftlichen Einheit in europäischen Kartellverfahren Ahrens, in: EuZW 2013, 899. 199 „Enron-Experte Larry Thompson soll VW überwachen“, manager magazin-Artikel vom 21. 04. 2017, abrufbar unter: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/volkswa gen-monitor-enron-experte-larry-thompson-wird-vw-aufpasser-a-1144278.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019).

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B. Grundlagen der Internal Investigations

dass der nemo-tenetur-Grundsatz grundsätzlich auch für Verbände gilt und dieses Recht von den gesetzlichen Vertretern geltend gemacht werden kann.200 Mit § 18 VerbSG-E enthält der Kölner Entwurf erstmals auch Regelungen über interne Untersuchungen im Unternehmen. Danach steht den durchführenden Rechtsanwälten zum einen ein Zeugnisverweigerungsrecht über den Ablauf und die Ergebnisse der internen Untersuchung zu. Außerdem sollen Aufzeichnungen über die interne Untersuchung nicht der Beschlagnahme unterliegen, womit – bei Umsetzung des Entwurf – eine intensive Diskussion in Rechtsprechung und Literatur beendet sein dürfte201. Besondere Brisanz für diese Arbeit hat daneben die geplante Regelung des § 18 Abs. 3 VerbSG-E, wonach Angaben, die ein Zeuge bei einer Befragung im Rahmen der internen Untersuchung gemacht hat, in einem Strafverfahren gegen den Zeugen nicht ohne dessen Zustimmung als Beweismittel verwertet werden dürfen.202

IV. Erstes Zwischenfazit Als erstes Zwischenfazit lässt sich die folgende Problematik feststellen: Bei den Internal Investigations handelt es sich grundsätzlich um private Ermittlungen innerhalb eines Unternehmens zur Aufklärung von bekannt gewordenem Fehlverhalten und Rechtsverstößen. Diese werden regelmäßig angestoßen, wenn innerhalb des Unternehmens der Verdacht von schwerwiegenden oder systematischen Zuwiderhandlungen besteht und dieser Verdacht gegebenenfalls bereits öffentlich bekannt ist. Im Rahmen solcher Internal Investigations, mit denen die Aufklärung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten innerhalb des Unternehmens bezweckt ist (sog. Teilbereich „Criminal Compliance“203) – auf diesen Bereich beschränkt sich diese Arbeit – ist es ab Kenntnis der Öffentlichkeit bzw. der Strafverfolgungsbehörden regelmäßig im Interesse des Unternehmens, mit Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren, um ein etwaiges Bußgeldverfahren milde zu überstehen. Übergibt das Unternehmen motiviert durch diese Sanktionsmilderungen bzw. den Kooperationsanreiz sämtliche gewonnenen Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden, droht die Umgehung von Mitarbeiterrechten, insbesondere des nemo-teneturGrundsatzes, wenn dieser sich gegenüber dem Unternehmen im Mitarbeiterinterview selbst strafrechtlich bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlich belastet hat. Ob die mit diesem „Beweistransfer von Erkenntnissen in das staatliche Verfahren“204 entste200 Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, in: NZWiSt 2018, 1, 10; Zerbes/El-Ghazi, in: NZWiSt 2018, 425, 427. 201 Vgl. zur Diskussion unten unter D.III.3.; so im Übrigen auch Zerbes/El-Ghazi, in: NZWiSt 2018, 425, 430. 202 Vgl. zu der Problematik eines Beweisverwertungsverbots unten unter E. 203 Reeb, Internal Investigations, S. 4; zum Begriff der „Criminal Compliance“ vgl. Rotsch, in: ZStW 125 (2013), 481 ff. 204 Jahn, in: StV 2009, 41, 42; Kottek, in: wistra 2017, 9.

IV. Erstes Zwischenfazit

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hende Problematik zu einem Beweisverwertungsverbot führt, ist die zentrale und im Folgenden zu klärende Frage. Diese Problematik der Kooperation und der Umgehung von Rechten ist insbesondere auch deswegen äußerst aktuell, weil die bisher bekannten Reformvorschläge zum Recht der Sanktionierung von Unternehmen einen gesetzlich normierten Anreiz zur Kooperation bzw. zur Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden vorsehen.

C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations Im Rahmen der Internal Investigation sind Interviews mit Mitarbeitern des Unternehmens regelmäßiger und wesentlicher Teil der Informationsgewinnung.1 Mitarbeiter können dabei als „Zeugen“ fremdes Fehlverhalten bekunden oder als Verdächtige zu eigenem Fehlverhalten aussagen.2 Das Interesse des Unternehmens an der Aufklärung steht dabei i. d. R. dem Interesse des Mitarbeiters an der Nichtbelastung gegenüber.3 Problematisch ist diese Situation für den Mitarbeiter unabhängig davon, ob er aussagt (drohende arbeits- und gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen) oder schweigt (drohende arbeitsrechtliche Konsequenzen). Da die – gegebene oder verweigerte – Auskunft gegenüber dem Arbeitgeber Ursache des Problems ist, muss zunächst die Frage nach der Teilnahme- und Auskunftspflicht des Mitarbeiters in arbeitsrechtlicher Hinsicht geklärt werden. Sollten diese Pflichten bestehen, stellt sich im Weiteren die Frage nach den Grenzen einer solchen Pflicht und deren Auswirkungen auf die Frage, ob sich der Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber auch selbst belasten muss oder ob er die Antwort auf solche Fragen verweigern kann.

I. Pflicht zur Teilnahme und Aussage durch den Mitarbeiter? Die Frage nach der Pflicht zur Teilnahme an der Befragung und der Auskunftspflicht ist nach Literatur und Rechtsprechung recht eindeutig zu beantworten: Der Arbeitnehmer ist zur Teilnahme an dem Gespräch verpflichtet4 und muss dem Arbeitgeber grundsätzlich Auskunft über alle seinen unmittelbaren Arbeitsbereich 1

Theile, in: StV 2011, 381; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 133. 2 Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 77. 3 Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84. 4 BAG, NJW 2009, 3115, 3116; LAG Nürnberg, Urt. v. 01. 09. 2015 – 7 Sa 592/14 – juris, Rn. 46; LAG Hamm, Urt. v. 28. 01. 2016 – 18 Sa 1140/15 – juris, Rn. 35 ff.; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1498; Stück, in: DB 2007, 1137, 1138; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 263; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 172; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1501; Toma, in: CB 2017, 339; Niemann, in: ErfK ArbR, § 626 BGB Rn. 79; Wilsing/Goslar, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 15 Rn. 15.51; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 34.

I. Pflicht zur Teilnahme und Aussage durch den Mitarbeiter?

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betreffenden Umstände sowie sonstige betriebliche Angelegenheiten geben5. Für den Auskunftsanspruch und dessen Reichweite sind vertragliche6 und gesetzliche Grundlagen zu differenzieren, abhängig vom Bezug der Auskunftspflicht.7 1. Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO Als Grundlage eines Mitarbeiterinterviews muss zunächst eine Pflicht des Mitarbeiters zur Teilnahme an der Befragung bestehen. Diese Pflicht kann daraus hergeleitet werden, dass dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer zusteht (Direktionsrecht), welches aus § 106 GewO abgeleitet wird.8 Nach § 106 S. 1 GewO kann der Arbeitgeber den Inhalt, den Ort und die Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen. Dem Arbeitgeber obliegt demnach die Konkretisierung der Arbeitspflicht.9 Aus diesem Grund kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweisen, an einem Personalgespräch teilzunehmen,

5 BAG, Urt. v. 19. 04. 1967 – 3 AZR 347/66 – juris, Rn. 17 ff.; BAG, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13; BGH, NJW-RR 1989, 614 f.; BAGE 81, 15; BAG, NZA 1997, 41; Diller, in: DB 2004, 313; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19 f.; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 268; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 132, 135; Wilsing/Goslar, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 15 Rn. 15.51; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 264 ff.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 259. 6 Die im Arbeitsvertrag geregelte Pflicht zur Aussage ist nicht Gegenstand der folgenden Untersuchung, da sie insoweit keine rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und in der Praxis selten vorkommt. 7 Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170; Diller, in: DB 2004, 313; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 137; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 147. 8 Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 243; Vogt, in: NJOZ 2009, 4206, 4212; Rudkowski, in: NZA 2011, 612; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 644; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 20; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170, 171; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 263; Süße/ Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Meyer-Lohkamp/Hübner, in: ZWH 2016, 99, 102; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 63; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 172; Toma, in: CB 2017, 339; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1271; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Galle, in: BB 2018, 564, 568; Ruhmannseder, in: FS I. Roxin, 501, 506; Tscherwinka, in: FS I. Roxin, 521, 526 f.; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 344; Dann, in: Esser/Rübenstahl u. a., Wirtschaftsstrafrecht, § 136 StPO Rn. 80; Wilsing/Goslar, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 15 Rn. 15.51; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 34; Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 42; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 134 f.; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 262; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 145; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 82; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 191. 9 BAGE 134, 296, 300; BAG, NZA 2008, 1410; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 06. 2016 – 10 Sa 285/16 – juris, Rn. 35; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 134.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

wenn es um die Vorbereitung von Weisungen oder dessen Nichteinhaltung geht.10 Aufgrund des Wortlauts von § 106 S. 1 GewO unterfallen dem Weisungsrecht aber nicht die Bestandteile des Arbeitsvertrages (Gehalt und Umfang) bzw. Änderungen des Arbeitsvertrages, sondern nur Konkretisierungen der geschuldeten Pflichten hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt, auch in Bezug auf die Nebenpflichten und den kollektiven Bereich der Zusammenarbeit mit anderen Arbeitnehmern.11 Da ein Gespräch über Fehlverhalten des Arbeitnehmers regelmäßig den unmittelbaren Arbeitsbereich und die Ausübung dessen betrifft, ist ein Personalgespräch mit diesem Inhalt zunächst zulässig.12 Sollte das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter bereits beendet sein, wird teilweise dennoch eine Teilnahmepflicht vertreten.13 Dies dürfte bereits aufgrund der Bezugnahme des § 106 GewO auf die Arbeitsleistung zweifelhaft sein, die der Mitarbeiter nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr schuldet. Nach § 106 S. 1 GewO muss die Weisung zur Teilnahme an einem Gespräch nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) erfolgen. Dabei müssen sich Ort, Zeitpunkt und die Dauer des Gesprächs im üblichen arbeitsvertraglichen Rahmen halten.14 Da es bei der unternehmensinternen Ermittlung grundsätzlich keine Fristen gibt, die eingehalten werden müssen (anders bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB, die innerhalb von zwei Wochen erklärt werden muss), sollte dies vom Arbeitgeber unproblematisch umgesetzt werden können. Der Arbeitgeber muss zudem vor der Weisung eine Abwägung der wesentlichen Umstände des Einzelfalles vornehmen und die beiderseitigen Interessen berücksichtigen.15 Gibt es einen sachlich begründeten Anlass für das Personalgespräch und stehen überwiegende Interessen des Arbeitnehmers nicht entgegen, entspricht die Weisung billigem Ermessen.16 Bei einem Verdacht auf strafbare Handlungen durch den Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ist stets von einem sachlich begründeten Anlass 10 BAG, NJW 2009, 3115, 3116; LAG Nürnberg, Urt. v. 01. 09. 2015 – 7 Sa 592/14 – juris, Rn. 46; LAG Hamm, Urt. v. 28. 01. 2016 – 18 Sa 1140/15 – juris, Rn. 35 ff.; Stück, in: DB 2007, 1137, 1138; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1271; Niemann, in: ErfK ArbR, § 626 BGB Rn. 79; Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 170. 11 BAG, NJW 2009, 3115, 3116; LAG Nürnberg, Urt. v. 01. 09. 2015 – 7 Sa 592/14 – juris, Rn. 46; Wank, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, § 106 Rn. 4 ff.; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 22; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 63. 12 Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 134; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 63; Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 42. 13 Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 644; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 262. 14 Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 22 m.w.N.; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 135; ähnlich Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 43. 15 BAG, NZA 2008, 1410, 1411; LAG Hamm, Urt. v. 28. 01. 2016 – 18 Sa 1140/15 – juris, Rn. 43. 16 Stück, in: DB 2007, 1137, 1138; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 135; vgl. Herrmann/ Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1501.

I. Pflicht zur Teilnahme und Aussage durch den Mitarbeiter?

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auszugehen.17 Das Interesse des Arbeitnehmers, sich zu den Vorwürfen nicht zu äußern, kann jedenfalls an dieser Stelle nicht anerkannt werden und beeinträchtigt die Verpflichtung zur physischen Anwesenheit nicht.18 Die Frage der Selbstbelastungspflicht ist vielmehr eine des Umfangs und der Grenzen der jeweiligen Auskunftspflicht, die im Folgenden geklärt wird.19 Des Weiteren können nach der herrschenden Meinung auch externe Anwälte die Befragung bzw. das Mitarbeitergespräch vornehmen.20 Dies rechtfertigt sich unter anderem aus der Delegationspflicht/-möglichkeit der Leitungsebene.21 2. Unmittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) Im Arbeitsrecht (§§ 611 ff. BGB) besteht keine Spezialregelung hinsichtlich der Auskunftserteilung. Übertragbar erscheint aber die Regelung des § 666 gegebenenfalls i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB für das Auftragsrecht.22 Danach ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen. Hintergrund dessen ist die Tätigkeit in einem fremden Rechts17

Rudkowski, in: NZA 2011, 612; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 135. Stück, in: DB 2007, 1137, 1138; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 136. 19 Siehe dazu unten unter C.IV. 20 Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 22; Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706; Theile, in: StV 2011, 381, 384; Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170, 171; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 263; Meyer-Lohkamp/Hübner, in: ZWH 2016, 99, 102; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 888; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 172; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 212; Leitner, in: FS Schiller, 430, 434; Wessing, in: Hauschka/ Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 52; Greeve/Tsambikakis, in: Knierim/ Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 18 Rn. 21; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 143; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 152. Im Ergebnis auch: Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 260 ff.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 149; Wewerka, Internal Investigations, S. 235 f., nach der sich auch nichts anderes für die Situation ergibt, dass die Rechtsanwälte an das DOJ, die SEC und/oder die deutsche Staatsanwaltschaft berichten; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 101 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 197. Kritisch im Hinblick auf Vertrauenskanzleien der SEC Jahn, in: StV 2009, 41, 44 f.; Kottek, Kooperation, S. 94 ff.; kritisch im Hinblick auf Mitarbeiter des internen Ermittlungsdienstes, weil diese keine Vorgesetzten seien, äußert sich auch das LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26. 02. 2016 – 1 Sa 358/15 – juris, Rn. 81; ablehnend auch Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 15. Teil Rn. 176. 21 Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 376; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 143. Siehe im Detail Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 260 ff. und Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 147 ff.; Theile, in: StV 2011, 381, 384 nimmt eine Stellvertretung (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB) an; ebenso Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 245 f. 22 Vgl. dazu BGH, NJW-RR 1989, 614 f.; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 232. 18

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kreis,23 die auch charakteristisch für das Arbeitsverhältnis ist, da der Auftragnehmer vergleichbar mit dem Mitarbeiter zur Erfüllung der vom Auftrag- bzw. Arbeitgeber übertragenen Tätigkeit verpflichtet ist, §§ 611a Abs. 1, 662 BGB. Der Unterschied liegt allein in der Entgeltregelung: Während der Mitarbeiter eine Vergütung erhält (§ 611a Abs. 2 BGB), handelt es sich beim Auftrag um ein unentgeltliches Geschäft (§ 662 BGB), wobei dieser Unterschied jedoch dazu führen dürfte, dass dem Arbeitgeber – innerhalb der sozialen Schranken im Arbeitsrecht – weitergehende Rechte als dem Auftraggeber zustehen. § 666 BGB ist – da den Auftrag regelnd – nicht direkt anwendbar. Ob § 666 BGB, wie nach überwiegender Ansicht, über § 675 Abs. 1 BGB angewendet werden kann,24 welcher dazu einen Geschäftsbesorgungsvertrag fordert oder eine analoge Anwendung des § 666 BGB25 oder der §§ 666, 675 Abs. 1 BGB26 zu bevorzugen ist, kann dahinstehen, da die Anwendbarkeit des § 666 BGB auf Arbeitsverträge sowohl nach dem BGH27, dem BAG28 als auch nach der Literatur29 allgemein anerkannt ist. Der Auskunftsanspruch stellt dabei eine Nebenpflicht zum Arbeitsvertrag dar.30 23

Diller, in: DB 2004, 313. So BAGE 89, 149, 162; BAG, AP BetrAVG § 1 Auskunft Nr. 1; BAG, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 60; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924; Diller, in: DB 2004, 313; Jahn, in: StV 2009, 41, 43; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 268; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1795; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 526; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Fett/Theusinger, in: KSzW 2016, 253, 255; Gänswein/ Hiéramente, in: NZKart 2017, 502, 507; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375; Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 4; Leipold, in: FS Schiller, 418, 420; Leitner, in: FS Schiller, 430, 434; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 136; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 260, 294; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 83; einschränkend Bittmann/ Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 375; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Wewerka, Internal Investigations, S. 231. 25 Berger, in: Erman BGB, § 675 Rn. 10, 17, 25; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 5; vgl. zu § 670 BGB: BAG, NJW 1963, 1221; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 645. 26 Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 346; Dendorfer-Ditges, in: Moll, MAH Arbeitsrecht, § 35 Rn. 115; Toma, in: CB 2017, 339; Galle, in: BB 2018, 564, 568. 27 BGH, NJW-RR 1989, 614. 28 BAG, AP Nr 8 zu § 611 BGB Treuepflicht; BAG, NZA 2012, 501, 502, 504. 29 Berger, in: Erman BGB, § 675 Rn. 10, 17, 25; Mansel, in: Jauernig BGB, § 375 Rn. 2; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 346; Dendorfer-Ditges, in: Moll, MAH Arbeitsrecht, § 35 Rn. 115; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 5; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 34; Diller, in: DB 2004, 313; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 375; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924; Knauer/ Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 541; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 645; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 136; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 260, 294; Wewerka, Internal Investigations, S. 231; vgl. Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 233. 30 Wiese, in: Schulze, HK-BGB, § 666 Rn. 1; Mansel, in: Jauernig BGB, § 666 Rn. 1; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 5; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Anders, in: 24

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Aus dem Arbeits- bzw. Aufgabenbezug des Auftragsrechts folgt aber, dass vom Mitarbeiter nur die Auskunft geschuldet ist, die sich auf die vom Arbeitgeber übertragenen oder vom Mitarbeiter ausgeführten Aufgaben bezieht.31 Eine Auskunftspflicht besteht damit nur, wenn sie Tatsachen betrifft, die mit dem unmittelbaren Arbeitsbereich des Mitarbeiters zusammenhängen.32 Der Mitarbeiter ist dagegen – jedenfalls nach dieser Rechtsgrundlage – nicht verpflichtet, Informationen zu erteilen, die außerhalb seines Tätigkeitsbereichs liegen.33 Daraus lässt sich ableiten, dass der Umfang der Auskunftspflicht auch von der Stellung des Mitarbeiters abhängig ist,34 denn schuldet jemand Auskunft hinsichtlich seines Aufgabenbereichs, steigt der Umfang proportional mit seinem Tätigkeitsfeld. Fehlverhalten anderer Mitarbeiter ist grundsätzlich nicht von der Auskunftspflicht des § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) erfasst.35 Eine Ausnahme gilt jedoch für den Fall, dass dem Mitarbeiter Überwachungspflichten obliegen,36 denn dann gehört das Verhalten anderer Mitarbeiter unmittelbar zu seinem Arbeitsbereich. Solche „vertikalen“ Überwachungspflichten sind insbesondere für Geschäftsführer37, Vorstandsmitglieder38, Compliance-Officer39 und leitende Angestellte40 anerkannt. wistra 2014, 329, 330; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 294; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 265; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 193. 31 Diller, in: DB 2004, 313; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 171; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184; Toma, in: CB 2017, 339, 340; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 5; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 148; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 64; Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 45; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 265; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 294; hins. eines Werkvertrags mit Geschäftsbesorgungscharakter BGHZ 41, 318, 321; hins. eines freien Mitarbeiters BGH, NJW-RR 1989, 614. 32 Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Schneider, in: NZG 2010, 1201, 1204; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 207; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 5; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 526; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 5; Leitner, in: FS Schiller, 430, 434; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 100; Dann, in: Esser/Rübenstahl u. a., Wirtschaftsstrafrecht, § 136 StPO Rn. 83; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 148; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 265; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 137; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 146; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 294; vgl. auch Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 710; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 83 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 193 f. 33 Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 171; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1976; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 85. 34 So auch Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 136; Leitner, in: FS Schiller, 430, 433; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 85. 35 So auch BGH, NJW-RR 1989, 614. 36 Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 375; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 65. 37 Statt aller Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 110. 38 Statt aller Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 96.

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Die Auskunftspflicht aus § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) gilt auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, z. B. durch Kündigung, fort.41 Dies wird mit dem Zweck des § 666 BGB begründet, da sich der Arbeit- bzw. Auftragnehmer nicht durch Kündigung seiner Pflicht zur Auskunft entziehen soll.42 Aufgrund des hier vertretenen nicht mehr bestehenden Weisungsrechts und damit einer nicht bestehenden Teilnahmepflicht (§ 106 GewO),43 erscheint aber zumindest die konkrete Pflicht zur Teilnahme an einem Interview fraglich.44 Dem Arbeitnehmer muss es vielmehr nach Kündigung gestattet sein, auch in anderer Form Auskunft zu erteilen, z. B. schriftlich. 3. Mittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB Für Fragen, die nicht den unmittelbaren Arbeitsbereich betreffen, sondern nur in mittelbaren Zusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis stehen, lässt sich ein Auskunftsanspruch nach ständiger Rechtsprechung und Literatur auf den allgemeinen vertraglichen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB stützen.45 Darüber hinaus wird für diesen Bereich zum Teil ein Auskunftsanspruch aus der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahme- und Treuepflicht (§§ 611a, 241 Abs. 2 BGB), insbesondere in der Ausprägung der Schadensabwendungspflicht des Mitarbeiters, hergeleitet.46 Über39

Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 149; vgl. auch Bürkle, in: CCZ 2010, 4. 40 Vgl. BAGE 6, 82; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 148. 41 RGZ 56, 116, 118; Seiler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. 2012, § 666 Rn. 11; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 5; Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1707; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 294. 42 RGZ 56, 116, 118; Seiler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. 2012, § 666 Rn. 11; Göpfert/Merten/ Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1707. 43 Siehe dazu oben unter C.I.1. und C.I.2. 44 Ablehnend auch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 118 f. 45 RGZ 108, 1, 7; BAG, Urt. v. 19. 04. 1967 – 3 AZR 347/66 – juris, Ls.; BAG, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13; BAGE 81, 15, 21; BAG, NZA 1997, 41, 42; BAG, NZA 2010, 1006, 1008; BGHZ 95, 285, 287 f.; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 101; Dingeldey, in: NStZ 1984, 529, 532 f.; Diller, in: DB 2004, 313; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924 f.; Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 541; Klasen/ Schaefer, in: BB 2012, 641, 645; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Böhm, NonCompliance und Arbeitsrecht, S. 151; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 173; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 282; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 136; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 70; ähnlich Kottek, Kooperation, S. 87; Wewerka, Internal Investigations, S. 231 f. nimmt diesen für Umstände an, die in keinem Zusammenhang zum Arbeitsbereich stehen. 46 BGH, NJW-RR 1989, 614, 615; Diller, in: DB 2004, 313, 314; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 243; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 268; Klasen/ Schaefer, in: BB 2012, 641, 645; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 207; Toma, in: CB 2017, 339, 340; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1498; Krull, in: Bay, Handbuch Internal In-

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zeugend ist es, den allgemeinen vertraglichen Auskunftsanspruch als Nebenpflicht im Arbeitsverhältnis anzusehen und damit beide Grundlagen zu verknüpfen. Denn die allgemeine vertragliche Auskunftspflicht lässt sich im Arbeitsverhältnis durch die Rücksichtnahme- und Treuepflicht konkretisieren.47 Diese ist in § 241 Abs. 2 BGB normiert, wonach der Vertragspartner Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils nehmen muss. Der Mitarbeiter muss die Interessen des Arbeitgebers so wahren, wie es ihm nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung seiner eigenen Interessen und der anderer Mitarbeiter im Betrieb und unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb zumutbar ist.48 Als den mittelbaren Arbeitsbereich betreffende Auskunftspflicht gilt diese insbesondere für Umstände, die zwar dem dienstlichen Bereich zuzurechnen sind, die aber nicht im direkten Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgabe stehen, die aber aus Sicht des Arbeitgebers für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses von wesentlicher Bedeutung sind (z. B. unerlaubte Nebentätigkeit, Wahrnehmungen bei einer Dienstreise).49 Denn für den unmittelbaren Arbeitsbereich wäre, wie gezeigt, § 666 BGB (i.V.m. § 675 BGB) vorrangig.50 Ein gewisser Bezug zum Arbeitsbereich bzw. zum Arbeitsverhältnis ist aber immer erforderlich;51 für außerhalb des Arbeitsbereichs liegende Umstände besteht keine Auskunftspflicht52.

vestigations, Kap. 3 Rn. 5; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 137; Wewerka, Internal Investigations, S. 231; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 144 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 198 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 70; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 235; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 194 f.; vgl. Kempter/Steinat, in: NZA 2017, 1505, 1511. 47 BAG, NZA 2010, 1006, 1008; ähnlich Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 273. 48 Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 611 Rn. 1074; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 144. 49 BAG, NJW 2009, 1897, 1900; BAGE 134, 43, 46; Klein, in: NZA 1998, 1208, 1209; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924 f.; Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 171; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 354 f.; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 151; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 137; Wewerka, Internal Investigations, S. 231; vgl. auch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 70, 78 f.; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 273; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 195. 50 Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 137; Kottek, in: wistra 2017, 9, 10. 51 BAGE 81, 15, 22 fordert einen Zusammenhang zu der vertraglich geschuldeten Leistung, den sonstigen Pflichtenbindungen des Arbeitnehmers oder der Pflichtenbindung des Arbeitgebers. So auch Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 149; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1976. Zu der Frage, wann ein Bezug zum Arbeitsverhältnis bejaht werden kann, vgl. BAG, NJW 2009, 1897, 1900 f. 52 BAGE 81, 15, 22; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 149; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 273. Nach Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925 soll auch kein Auskunftsanspruch über Umstände bestehen, die der Arbeitnehmer privat erfährt, obwohl sie einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

Voraussetzung des allgemeinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs nach § 242 BGB ist, dass eine Rechtsbeziehung53 zwischen den Parteien besteht, der Arbeitgeber in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Arbeitnehmer die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.54 Dabei hat die Rechtsprechung den Auskunftsanspruch aus § 242 BGB insbesondere bejaht, soweit es um unerlaubte Nebentätigkeit55 oder Wettbewerbsverstöße56 (vgl. dazu § 60 HGB für Handlungsgehilfen) ging.57 Entscheidend für den Umfang dieser Auskunftspflicht sind – wie bei der aus § 666 BGB (i.V.m. § 675 BGB) auch – die Stellung des Mitarbeiters im Betrieb, weshalb Führungskräfte und Mitarbeiter mit besonderer Vertrauensstellung die umfassendsten Auskunftspflichten treffen, sowie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Art der Tätigkeit, das Ausmaß der Störung und die Höhe des drohenden Schadens.58 Die Auskunftspflicht kann auch auf die aus der Rücksichtnahme- und Treuepflicht abgeleitete Schadensabwendungspflicht59 gestützt werden, wenn durch sie 53 Grundsätzlich erfordert der Auskunftsanspruch dabei bereits das Bestehen eines Anspruchs dem Grunde nach (BAGE 65, 250, 253; BAGE 113, 55, 59; BAG, NZA 2016, 1339, 1341). Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis hat das BAG Auskunftsansprüche aber auch bejaht, wenn die Auskunft dazu dienen soll, das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu klären (BAGE 65, 250, 253; BAGE 113, 55, 59; BAG, NZA 2010, 1006, 1008; BAG, NZA 2016, 1339, 1341). Begründet wird dies mit den im Arbeitsverhältnis geltenden besonderen Rücksichtnahmepflichten (BAGE 81, 15, 21; BAGE 113, 55, 59; BAG, NZA 2010, 1006, 1008; Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1275). 54 RGZ 108, 1, 7; BAG, Urt. v. 19. 04. 1967 – 3 AZR 347/66 – juris, Ls.; BAG, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13; BAGE 81, 15, 21; BAG, NZA 1997, 41, 42; BAG, NZA 2010, 1006, 1008; BGHZ 95, 285, 287 f.; Sutschet, in: BeckOK BGB, § 242 Rn. 53; Diller, in: DB 2004, 313; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924 f.; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 151; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 282; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 80, 89. 55 BAG, Urt. v. 23. 04. 1981 – 2 AZR 51/79 – juris, Rn. 61; BAG, NZA 1997, 41; BAGE 100, 70, 75. 56 BAG, Urt. v. 19. 04. 1967 – 3 AZR 347/66 – juris, Ls., Rn. 18; BAG, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13; BAG, Urt. v. 11. 12. 1990 – 3 AZR 407/89 – juris, Rn. 12 ff.; LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris, Rn. 16, 26; LAG Hamm, Urt. v. 27. 10. 2009 – 14 Sa 681/09 – juris; LAG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 27. 01. 2015 – 6 Sa 402/14 – juris, Rn. 80; ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364, 365; vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30. 04. 2010 – 10 Sa 2763/09 – juris, Rn. 62. 57 Diller, in: DB 2004, 313, 314. 58 Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 354; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 375; Jahn, in: StV 2009, 41, 43; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 243; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 144; Kottek, Kooperation, S. 90. 59 Die Rücksichtnahmepflicht umfasst drei Bereiche: Der Arbeitnehmer hat die Interessen des Arbeitgebers zu wahren (sog. Obhutspflichten), er hat schädigende Handlungen zu unterlassen (sog. Rücksichtnahmepflichten) und er hat drohende Gefahren von ihm abzuwenden (sog. Schadensabwendungspflicht), vgl. dazu BAGE 26, 219, 232; BGH, NJW-RR 1989, 614, 615; zur Schadensabwendungspflicht Diller, in: DB 2004, 313, 314 m.w.N; vgl. i.Ü. Fritz/

I. Pflicht zur Teilnahme und Aussage durch den Mitarbeiter?

69

Schäden vom Arbeitgeber abgewendet werden können.60 Es soll dabei nicht darauf ankommen, ob die Ursache oder der Eintritt des Schadens in dem unmittelbaren Arbeitsbereich des Mitarbeiters liegen.61 Dem Mitarbeiter muss die Auskunft über bzw. die Abwendung des Schadens möglich und zumutbar sein und die Abwendung muss nach der Verkehrssitte erwartet werden können.62 Es ist also bereits bei der Entstehung des Auskunftsanspruchs zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Mitarbeiters abzuwägen.63 Welche Auswirkungen unter anderem der nemo-tenetur-Grundsatz auf den Auskunftsanspruch hat, wird später dargestellt.64 Für den Auskunftsanspruch aus der Treuepflicht wird – im Gegensatz zu der Auskunftspflicht aus § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) – angenommen, dass dieser nur in „krassen Ausnahmefällen“ nach § 242 BGB weiterbesteht.65 4. Zwischenergebnis Der Mitarbeiter ist zunächst verpflichtet, an der Befragung im Rahmen der Internal Investigation teilzunehmen. Ihn treffen zudem diverse Auskunftspflichten. Die am Weitesten gehende Pflicht betrifft Tatsachen aus dem unmittelbaren Arbeitsbereich und leitet sich aus § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) her. Daneben bestehen Auskunftspflichten hinsichtlich des mittelbaren Arbeitsbereichs aus Treu und Glauben (§ 242 BGB), konkretisiert durch die arbeitsrechtliche Treue- bzw. Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Pflichten reichen dabei weiter, je höher die Stellung des Mitarbeiters in dem Unternehmen anzusiedeln ist und je mehr Verantwortung dieser trägt.

Nolden, in: CCZ 2010, 170, 172 m.w.N.; vgl. auch BGH, BeckRS 1953, 31193831; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184. 60 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26. 02. 2016 – 1 Sa 358/15 – juris, Rn. 72; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 243; Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184; Klasen/ Schaefer, in: BB 2012, 641, 645; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 64 sprechen insoweit von „Anzeigepflicht“. 61 Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 172 m.w.N; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 645. 62 Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 178 f. m.w.N. 63 So auch Vogt, in: NJOZ 2009, 4206, 4213; Dendorfer-Ditges, in: Moll, MAH Arbeitsrecht, § 35 Rn. 119; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 354; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 198; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 89. 64 Vgl. dazu unten unter C.IV. 65 Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1276 f., der als Beispiele für die Ausnahmefälle die Existenzbedrohung des Unternehmens und die Erforderlichkeit zur Abwendung schwerster Schäden nennt.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

II. Ablauf von Mitarbeiterinterviews in der Praxis Um die Konfliktsituation, in der sich verdächtigte Mitarbeiter während des Interviews befinden, angemessen beurteilen zu können, soll zunächst ein Blick auf den Ablauf der Mitarbeiterbefragungen in der Praxis geworfen werden. Als Beispiel soll die Siemens-Affäre dienen. Im Rahmen der Siemens-Affäre wurden die aufgrund der zunächst erfolgten Datenauswertung verdächtigten Mitarbeiter in Interviews befragt.66 In der Presseerklärung des Unternehmens vom 15. 12. 200867 wurde das konkrete Vorgehen bei der Mitarbeiterbefragung erläutert. Mitarbeitern, die bis zu einer gesetzten Frist freiwillig vollständig und wahrheitsgemäß zu den relevanten Vorwürfen aussagten, wurde dabei die Zusage gemacht, dass gegen sie keinerlei Schadensersatzansprüche geltend gemacht würden sowie das Arbeitsverhältnis nicht einseitig gekündigt würde („Amnestieangebot“).68 Leichtere Disziplinarmaßnahmen wie Abmahnungen, Versetzungen und Ähnliches behielt sich das Unternehmen aber vor.69 Dieses arbeitsrechtliche Amnestieangebot galt aber nicht für Vorstandsmitglieder, Mitglieder von Aufsichtsratsgremien und bestimmte leitende Angestellte,70 für welche, wie oben festgestellt, die Auskunftspflichten am weitesten reichen. Für diese wurde aber ein gesondertes Angebot ähnlich einer Kronzeugenregelung entwickelt, nach dem individuelle Regelungen mit dem jeweiligen Mitarbeiter getroffen werden konnten, wenn sein Beitrag besonders wichtig für die interne Aufklärung war.71 In dem Angebot wurde zudem darauf hingewiesen, dass die Strafverfolgung dadurch nicht ausgeschlossen werden kann.72 Die Mitarbeiter seien zudem nach Angaben von Siemens stets fair behandelt worden; Siemens habe für die Mitarbeiter unabhängige Rechtsanwälte beauftragt und bezahlt, die die Interviews begleiteten.73 Rödiger74, die im Rahmen ihrer Dissertation Verteidiger von Siemens-Managern befragte, kam jedoch zu einem etwas anderen Bild. Die Mitarbeiter seien grundsätzlich auf Englisch befragt worden, es sei denn, sie hätten 66 Momsen, in: ZIS 2011, 508, 510; ausführlich Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 229 ff. 67 Siehe Kap. A. Fn. 9. 68 Siemens-Presseerklärung vom 15. 12. 2008, S. 6 f. (s. Kap. A. Fn. 9). Dazu auch Jahn, in: StV 2009, 41, 42; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 229; Wewerka, Internal Investigations, S. 96 f. 69 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 229. 70 Siemens-Presseerklärung vom 15. 12. 2008, S. 7 (s. Kap. A. Fn. 9); Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 229. 71 Siemens-Presseerklärung vom 15. 12. 2008, S. 7 (s. Kap. A. Fn. 9); Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 229 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 98. 72 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 229. 73 Siemens-Presseerklärung vom 15. 12. 2008, S. 5 f. (s. Kap. A. Fn. 9). So auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 230. 74 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 231 ff. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch Wewerka, Internal Investigations, S. 100 ff.

II. Ablauf von Mitarbeiterinterviews in der Praxis

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ausdrücklich ein Interview in der Muttersprache gewünscht. Zudem habe sich nahezu keiner getraut, noch einen eigenen Rechtsanwalt, der selbst hätte bezahlt werden müssen, zusätzlich zu dem von Siemens gestellten zu dem Gespräch mitzubringen. Es sei außerdem erst im Termin entschieden worden, ob eine arbeitsrechtliche Amnestie für die Aussage gewährt würde. Die Weitergabe der Unterlagen an die deutschen und US-amerikanischen Behörden hätten sich die Ermittler vorbehalten. In den Interviews sei durch die durchführenden Anwälte zudem hoher Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt worden, es seien insbesondere umfassende und selbstbelastende Aussagen gefordert und ansonsten mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht worden. Bei voller Kooperation seien jedoch arbeitsrechtliche Amnestien in Aussicht gestellt worden. Es sei des Weiteren kein Protokoll angefertigt worden, sondern nur Notizen, die der Mitarbeiter nicht zu sehen bekommen habe. Da es neben dem soeben geschilderten Ablauf auch weitere Varianten von Mitarbeiterinterviews gibt, sollen diese im Folgenden noch einmal aufgezeigt werden: • Der Mitarbeiter kann und sollte darüber belehrt werden, dass die Erkenntnisse an Ermittlungsbehörden weitergereicht werden können (in den USA ist dieser Hinweis als Teil der sogenannten Upjohn-Warnings75 erforderlich).76 • Wird das Interview durch externe Berater/Anwälte geführt, sollte der Mitarbeiter darauf hingewiesen werden, dass diese (nur) im Auftrag und Interesse des Unternehmens handeln.77 • Dem Mitarbeiter kann eine arbeitsrechtliche Amnestie gewährt werden, wenn er vollständig, umfassend und wahrheitsgemäß aussagt und seine Aussage wesentlich zur Aufklärung beiträgt; die Amnestie kann und sollte den Hinweis enthalten, dass diese für ein Strafverfahren nicht gilt.78 75 Siehe dazu das Urteil vom US Supreme Court vom 13. 01. 1981 (Upjohn Co. v. United States), abrufbar unter: https://supreme.justia.com/cases/federal/us/449/383/case.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); vgl. dazu auch Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 224 f. 76 Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Jahn, in: StV 2009, 41, 42; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178, 179; Leipold, in: NJW-Spezial 2011, 56; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 23; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 271; Theile, in: StV 2011, 381; Aldenhoff/ Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 217; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 571; Leitner, in: FS Schiller, 430, 438; Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 25 f.; Taschke/ Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 196; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 123; Kottek, Kooperation, S. 83; Wewerka, Internal Investigations, S. 98; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 98 f.; vgl. auch Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 219; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 708; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 272; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 245. 77 Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 25; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 119; zum heterogenen Bild in der Praxis vgl. Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 835 ff. 78 Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178, 181 f.; Theile, in: ZIS 2013, 378, 381; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 25; Kasiske, in: NZWiSt 2014,

72

C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

• In der Regel wird der Mitarbeiter nicht über ein Recht belehrt, auf Fragen zu schweigen, durch deren Beantwortung er sich selbst belasten würde.79 Es gibt jedoch Tendenzen, das Interview zu unterbrechen, wenn der Mitarbeiter nicht mehr aussagen will und zunächst seinen Anwalt kontaktieren möchte.80 • Der Mitarbeiter wird regelmäßig darüber informiert, dass er verpflichtet ist, auszusagen.81 Dem Mitarbeiter können arbeitsrechtliche Sanktionen angedroht werden, wenn er nicht vollumfänglich aussagt.82 Ebenso kann ihm mit der zwangsweisen Durchsetzung des Auskunftsanspruchs „gedroht“ werden.83 • Ob sich der Mitarbeiter zum Interview von einem Anwalt begleiten lassen kann, ist umstritten.84 Grundsätzlich soll der Mitarbeiter kein Recht darauf haben,85 jedoch soll das Unternehmen in der Praxis die Begleitung regelmäßig zulassen86. 262, 264; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 69; ähnlich Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 212; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1504 f.; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 196; Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 220; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 707, nach dem die Amnestie nicht zum Standardinstrument einer Internal Investigation gehöre. Dazu auch Lu¨ tzeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 25 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 108. Ausführlich zur Amnestie auch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 343 ff. 79 Kottek, Kooperation, S. 83; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447 f.; Ruhmannseder, in: FS I. Roxin, 501, 509; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 25; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 836; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 212; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 122 ff. Nach Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 114 ff. besteht ein uneinheitliches Bild hinsichtlich Belehrungen und dessen Inhalt. Nach Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170, 171 wird in der Praxis belehrt. Nach Leipold, in: NJW-Spezial 2011, 56 und Tscherwinka, in: FS I. Roxin, 521, 526 ist der Mitarbeiter zu belehren. 80 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 105 f. 81 Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 170; Wewerka, Internal Investigations, S. 98 f. m.w.N.; vgl. auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 232. 82 Jahn, in: StV 2009, 41, 42; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1449; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 510; Theile, in: ZIS 2013, 378, 381; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 25; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 831 ff.; Kottek, Kooperation, S. 83. 83 Vgl. Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 831 ff. 84 Vgl. insoweit ausführlich Dzida/Klopp, in: ArbRB 2017, 116 ff.; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 829 f.; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1499; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1501; Kottek, Kooperation, S. 83 ff. Im Hinblick auf die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht bejahend: Sidhu/von Saucken/Ruhmannseder, in: NJW 2011, 881, 883; Gerst, in: CCZ 2012, 1, 4; Wewerka, Internal Investigations, S. 99 f.; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 100 f.; bejahend auch Moosmayer, Compliance, Rn. 328; Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 217 f. 85 LAG Hamm, MDR 2001, 1361 f., wonach das Personalgespräch wie auch die Dienstleistung selbst (§ 613 BGB) höchstpersönlich wahrzunehmen sei und der streng „personengebundene Charakter des Arbeitsverhältnisses“ die Hinzuziehung betriebsfremder Personen gegen den Willen des Arbeitgebers verbiete; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 244; Vogt, in: NJOZ 2009, 4206, 4213; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178, 179; Zimmer, in: ZRFC 2011, 259, 260 f.; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 24; Dzida/Klopp, in: ArbRB 2017, 116; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 175; Toma, in: CB 2017, 339,

II. Ablauf von Mitarbeiterinterviews in der Praxis

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• Es besteht nach wohl überwiegender Ansicht grundsätzlich kein Einsichtsrecht in ein etwaiges Protokoll, es sei denn, der Mitarbeiter soll dieses unterschreiben;87 es kann aber Einsicht gewährt werden und Anmerkungen können erlaubt sein88. Die Praxis ist also vielschichtig.89In der Regel werden die befragenden Rechtsanwälte auf eine umfassende und wahrheitsgemäße Aussage hinwirken wollen, wenn diese zur Aufklärung wesentlich erscheint. Die dabei oft angebotene arbeitsrechtliche Amnestie verstärkt jedoch den Druck auf den Mitarbeiter, indem sie die Handlungsmöglichkeiten aufzeigt und begrenzt;90 eine selbstbelastende Aussage kann dann meist nicht vermieden werden. Sollte sich der Mitarbeiter weigern zu kooperieren, werden ihm meist arbeitsrechtliche Sanktionen wie Kündigungen oder Schadensersatz angedroht, was den Arbeitnehmer insbesondere wirtschaftlich so stark belasten würde, dass er in der Regel faktisch zur selbstbelastenden Aussage gezwungen ist.91 Außerdem kann gegen den Mitarbeiter, wird ihm keine arbeitsrechtliche Amnestie gewährt und verweigert er trotz Bestehen einer Auskunftspflicht

340; Spehl, in: CCZ 2017, 204; Gänswein/Hiéramente, in: NZKart 2017, 502, 507; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1499; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375 f.; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 153 f.; Kottek, Kooperation, S. 83; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 110; Moosmayer, Compliance, Rn. 328; Wilsing/Goslar, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 15 Rn. 15.57; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 246; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 261; a.A. Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270. 86 Jahn, in: StV 2009, 41, 42; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 830; dafür sprechen sich auch Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 196 aus; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 110, 112; bzgl. Siemens Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 100. 87 Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1449; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1797; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170, 172; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 209; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 213; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 175; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2378; vgl. auch Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 113 f. A.A. Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 271; Kottek, Kooperation, S. 86 und Wewerka, Internal Investigations, S. 103, die ein Einsichtsrecht aus § 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG annehmen; so auch Klasen/Schaefer, in: DB 2012, 1384 f.; Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 220; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 251. Auch im Hinblick auf § 34 Abs. 1 S. 1 BDSG könnte ein solches Einsichtsrecht bestehen, was jedoch nicht näher thematisiert werden soll. 88 Zu den Ausgestaltungen in der Praxis vgl. Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 837 f. 89 Theile, in: ZIS 2013, 378, 381; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 828 ff.; Veit, in: ZRFC 2017, 171; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 103; vgl. dazu auch Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375 ff. 90 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 388, 392; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 510; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Kottek, in: wistra 2017, 9, 10. 91 Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706 ff.; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 388; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 510; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 552; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194; Kottek, in: wistra 2017, 9, 10.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

die Aussage, auch eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden,92 wenn auch ohne die Aussage oder gerade wegen des Schweigens ein dringender Verdacht der Begehung einer Straftat oder Pflichtwidrigkeit besteht, der objektiv auf Tatsachen beruht93.

III. Grenzen der Auskunftspflicht Bejaht man mit der hier vertretenen Ansicht eine Pflicht des Mitarbeiters zur Teilnahme an einem Interview und zur Auskunft gegenüber dem Arbeitgeber zumindest für den wichtigsten Bereich der Fragen zum unmittelbaren Arbeitsbereich, stellt sich im Anschluss die Frage, wie weit eine solche Auskunftspflicht reicht und welchen Grenzen diese unterliegt. Ist der Mitarbeiter verpflichtet, jegliche Fragen des Arbeitgebers zu beantworten, die z. B. seinen Arbeitsbereich betreffen, auch wenn er sich dadurch selbst einer Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit bezichtigen würde, oder kann er auf bestimmte Fragen die Auskunft verweigern? In einem etwaigen Strafverfahren gegen den Mitarbeiter stünde diesem in allen Verfahrensabschnitten ein Schweigerecht aus §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1 StPO zu. Als Zeuge könnte er sich auf § 55 StPO berufen. Im Strafverfahren gilt des Weiteren der Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare).94 Ob und wie sich diese Einschränkungen auch auf die privatrechtliche Situation der arbeitsvertraglichen Auskunftspflicht auswirken und welchen Grenzen die Auskunftspflicht ansonsten unterliegt, soll daher im Folgenden untersucht werden. Im Anschluss werden die Auswirkungen differenziert nach den oben dargestellten Anspruchsgrundlagen beurteilt. 1. Keine Geltung strafprozessualer Normen In Betracht kommt zunächst die (unmittelbare) Anwendung strafprozessualer Normen auf die Situation der Internal Investigation, insbesondere der Auskunftsverweigerungs-/Schweigerechte nach §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2 StPO und § 55 StPO. Danach steht es Beschuldigten frei, sich zur Sache zu äußern oder zu schweigen; Zeugen können hinsichtlich der Fragen schweigen, durch deren Beantwortung sie sich selbst oder Angehörige (strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitenrechtlich) belasten würden. Neben diesen einfachgesetzlichen Ausprägungen des nemo-tenetur-Grundsatzes kommt situationsabhängig auch ein Verstoß gegen 92 Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 350 m.w.N.; Göpfert/ Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706 ff.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 510; Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 613; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 552; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 123 ff. 93 Zu den Voraussetzungen der Verdachtskündigung Hergenröder, in: MüKo BGB, § 1 KSchG Rn. 186. 94 Siehe zu den Einzelheiten unten unter C.III.2.

III. Grenzen der Auskunftspflicht

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die verbotenen Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO in Betracht. Danach darf unter anderem die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten nicht durch Täuschung beeinträchtigt werden (Abs. 1 S. 1 6. Var.) und Zwang nur angewandt werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zulässt (Abs. 1 S. 2). Außerdem sind Drohungen mit nach den Vorschriften der StPO unzulässigen Maßnahmen und Versprechen von gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteilen verboten (Abs. 1 S. 3). Vorstellbar wäre insoweit, dass die internen Ermittler ungerechtfertigt mit Schadensersatz oder einer Kündigung drohen und dadurch erheblichen Druck auf die Mitarbeiter ausüben. Diese Vorschriften sind jedoch aus verschiedenen Gründen auf die Situation der Mitarbeiterbefragung im Rahmen der Internal Investigation nicht anwendbar.95 So kann es zum Zeitpunkt der Interviews am Beschuldigtenstatus des Mitarbeiters fehlen, weil die Ermittlungsbehörden noch keine fundierten Kenntnisse über das Geschehen und konkrete Verdächtige haben. Außerdem fehlt es am Vorliegen hoheitlichen Handelns. Denn die StPO ist eine Verfahrensordnung für staatliche Ermittlungsbehörden und Strafgerichte,96 nicht jedoch für private Unternehmen. Außerdem stellen die Internal Investigations gerade kein hoheitliches, sondern privates Handeln dar97 und die StPO gilt für privates Handeln nicht98. Das gilt nach der

95 Klengel/Mückenberger, in: CCZ 2009, 81, 87; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184, 185; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 511, 514; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 18; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 119; Knauer, in: ZWH 2012, 41; Raum, in: StraFo 2012, 395, 398; Greeve, in: StraFo 2013, 89; Süße/ Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 168 f.; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 263; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 220; Kottek, in: wistra 2017, 9, 10; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 270; Leitner, in: FS Schiller, 430, 432, 437; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 85; Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 61; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 30; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 243. Zu §§ 136 Abs. 1, 55 StPO auch Wewerka, Internal Investigations, S. 257 f. Zu § 136 Abs. 1 S. 1 StPO: Veit, in: ZRFC 2017, 171, 173. 96 Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 754; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391; Szesny, in: BB 2011, VI, VII; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 555; Momsen, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 34 Rn. 11; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 169; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 270; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 17; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 251; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 105; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 201. 97 Jahn, in: StV 2009, 41, 42 f.; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 374; Dann/ Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70 ff.; Knauer/ Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389 f.; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 510; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Raum, in: StraFo 2012, 395, 397; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 168; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 192; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 73; Leitner, in: FS Schiller, 430, 437; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 33; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 450 f.; Kottek, in: wistra 2017, 9; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 235 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

herrschenden Meinung insbesondere auch für § 136a StPO.99 Neben dem hoheitlichen Handeln fehlt es bei einer Befragung durch eine Privatperson, zu der auch der Rechtsanwalt oder der Verteidiger zählt, zudem an einer Vernehmung,100 zumindest dann, wenn das Handeln dem Staat nicht zurechenbar ist101. Eine Vernehmung liegt (nach dem durch die Rechtsprechung und die herrschende Meinung vertretenen formellen Vernehmungsbegriff102) nur vor, wenn der Vernehmende in offizieller bzw. amtlicher Funktion auftritt und in dieser Eigenschaft Auskunft von dem Beschuldigten verlangt.103 Interne Ermittler erfüllen jedoch keine amtliche Funktion, sie werden vielmehr als Privatpersonen tätig.104 Insoweit ergibt sich im Hinblick auf die Strafprozess, S. 106 ff.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 88 ff., 93; Wewerka, Internal Investigations, S. 5; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 284. 98 Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 478; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 395; Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/ Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 61; Thüsing, in: Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 2 Rn. 5; Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 102; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 511, 514; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 119; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7; Knauer, in: ZWH 2012, 41; Raum, in: StraFo 2012, 395, 398; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 556; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 168 f.; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184, 185; Klengel/Mückenberger, in: CCZ 2009, 81, 87; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 263; Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 381; Kottek, in: wistra 2017, 9, 10; Sarhan, in: wistra 2017, 336, 337; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 270; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 752; Stoffer, Privatisierung, S. 218; Wewerka, Internal Investigations, S. 7; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 32. So auch in der Begründung Nr. 4 der BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 10. Speziell zu § 136 StPO: Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136 Rn. 7a; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 105; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 248, 251. 99 BGHSt 44, 129, 134; OLG Hamburg, NJW 2005, 2326, 2329; Schmitt, in: MeyerGoßner, StPO, § 136a Rn. 3; Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 10; Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 3 m.w.N.; Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 7, 13; Deckers, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 45 Rn. 97; Pauckstadt-Maihold, in: KMR-StPO, § 136a Rn. 3, 5; Roxin/ Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Nüse, in: JR 1966, 281, 285; Roxin, in: NStZ 1995, 465; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 12; Woodsen, in: ZRFC 2010, 269, 270; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Kottek, in: wistra 2017, 9, 13; Reeb, Internal Investigations, S. 121 f.; Stoffer, Privatisierung, S. 241; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 106; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 167; Mahlstedt, Verdeckte Befragung des Beschuldigten, S. 138 f. 100 BGH, NStZ 1995, 557; BGH, NStZ 2011, 596, 597; Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 105; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 8; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 104. 101 Siehe dazu noch unten unter E.II.4.b). 102 Siehe dazu noch unten unter E.II.4.b)aa). 103 BGHSt 42, 139, 145; BGHSt 46, 1, 4; BGH, NStZ 2011, 596, 597; Schur, in: MüKo StPO, Vorb. zu §§ 133 ff. Rn. 36 m.w.N.; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 4 m.w.N.; Raum, in: StraFo 2012, 395, 398; ausführlich auch Stoffer, Privatisierung, S. 237 ff. 104 Jahn, in: StV 2009, 41, 42 f.; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 173; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 104; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 235.

III. Grenzen der Auskunftspflicht

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überwiegende Rechtsprechung des BGH105 auch keine andere Beurteilung für solche Fälle, in denen Privatpersonen im Auftrag der Ermittlungsbehörden Gespräche des Beschuldigten belauschen oder diese gezielt aushorchen und diese Erkenntnisse an die Behörden weiterleiten,106 denn auch für diese Fälle verneint die Rechtsprechung das Vorliegen einer Vernehmung. Nach dem BGH ist der Vernehmungsbegriff nicht auf alle Äußerungen des Beschuldigten zu erweitern, die ein Strafverfolgungsorgan direkt oder indirekt herbeigeführt hat.107 Insbesondere auch Aussagen gegenüber verdeckten Ermittlern unterfallen danach nicht dem Vernehmungsbegriff.108 Inwieweit diese Sichtweise mit dem Wesen der Zurechnung kollidiert, wann eine Zurechnung formal privaten Handelns für den Einsatz von Privatpersonen im Ermittlungsverfahren anzunehmen ist, für welche Kooperationsmodelle des Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden sich eine Zurechnung annehmen lässt und welche Folgen sich daraus (hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 136, 136a StPO und des nemo-tenetur-Grundsatzes) ergeben, wird an späterer Stelle diskutiert.109 Auch eine analoge Anwendung der Normen der StPO für Ermittlungshandlungen Privater wird überwiegend abgelehnt.110 Sinn und Zweck der §§ 163a, 136 Abs. 1 StPO sei es, den Beschuldigten vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht zu schützen, die durch das amtliche Auskunftsverlangen und deren Autorität entstehen könnte,111 nicht jedoch bei einer Auskunft gegenüber Privatpersonen. Zudem dürfte eine planwidrige Regelungslücke fraglich sein, da sich die Strafprozessordnung bewusst nicht an Private richtet.112 Eine analoge Anwendung dürfte auch rechtsstaatlich bedenklich sein, weil damit ein privates Parallelermittlungsverfahren etabliert würde.113 Im Hinblick auf § 136a StPO wird jedoch eine Drittwirkung bzw. 105

BGHSt 39, 335, 347; BGHSt 40, 211, 212 ff. (bezogen auf § 252 StPO); BGHSt 42, 139, 145 ff.; BGH, NStZ 2011, 596, 597; vgl. auch BGHSt 55, 138, 143 für ein verdecktes Verhör durch einen sich als Privatperson ausgebenden Polizisten; a.A. BGH, NStZ 1996, 200, 201. 106 Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 4a. 107 BGHSt 42, 139, 146. 108 BGHSt 42, 139, 146. 109 Siehe dazu unten unter E.II. 110 Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184, 185; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 18; Raum, in: StraFo 2012, 395, 398; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Aldenhoff/ Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 220; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 299, 330. Für die Vernehmungsvorschriften vgl. BGHSt 42, 139, 146 f.; BGHSt 52, 11, 15 f.; BGH, NStZ 2011, 596, 597; Griesbaum, in: KK-StPO, § 163a Rn. 2a; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 152. Speziell zu § 136a StPO vgl. BGHSt 42, 139, 149; BGHSt 52, 11, 16; Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 3. Zu § 136 StPO siehe Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 284; Wewerka, Internal Investigations, S. 257 f., 308 ff. 111 BGHSt 42, 139, 147; BGH, NStZ 2011, 596, 597; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 284; ähnlich Kasiske, in: JuS 2014, 15, 17. 112 Vgl. Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 127; Stoffer, Privatisierung, S. 256; Kottek, Kooperation, S. 118; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 213. 113 Vgl. Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 98 f.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

analoge Anwendung auf eine rechtswidrige Erlangung von Informationen durch Private mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots vertreten, worauf später noch kurz eingegangen wird.114 2. Nemo-tenetur-se-ipsum-accusare-Grundsatz Wie schon mehrere Male angesprochen, wird viel diskutiert, ob der Mitarbeiter die Beantwortung solcher Fragen verweigern kann, bei deren Beantwortung er sich selbst belasten würde, ob sich also eine Grenze des Auskunftsanspruchs aus dem nemo-tenetur-se-ipsum-accusare-Grundsatz ergibt.115 Diesbezüglich werden im Folgenden zunächst die verfassungsrechtlichen Grundlagen des nemo-teneturGrundsatzes und dessen Inhalt erörtert. Im Anschluss wird auf die Frage eingegangen, ob dieser auch bei der Mitarbeiterbefragung, also im Privatrechtsverhältnis, gilt. a) Verfassungsrechtliche Grundlagen Zwar ist – ausdrücklich bestätigt durch den Gemeinschuldner-Beschluss des BVerfG116 – der Verfassungsrang des nemo-tenetur-Grundsatzes anerkannt,117 dennoch besteht keine Einigkeit hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Grundlage. In Deutschland ist der nemo-tenetur-Grundsatz auch nicht ausdrücklich normiert.118 Positiven Ausdruck hat der nemo-tenetur-Grundsatz jedoch in dem in Deutschland seit 1973 ratifizierten Art. 14 Abs. 3g des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) vom 19. Dezember 1966119 gefunden, welcher gemäß

114

Siehe dazu unten unter E.IV.1. Vgl. nur Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373; Anders, in: wistra 2014, 329. 116 BVerfGE 56, 37. 117 BVerfGE 133, 168, 201 m.w.N.; BVerfG, NJW 2014, 3506 m.w.N.; Rogall, in: SKStPO, Vor § 133 Rn. 132; Stürner, in: NJW 1981, 1757; Roxin, in: NStZ 1995, 465, 468; Verrel, in: NStZ 1997, 361, 364; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 69; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 528; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 543; Kasiske, in: JuS 2014, 15; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 450; Thomä, Auskunfts- und Betriebsprüfungsrecht der Verwaltung, S. 75; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 265; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 2; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 28; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 169; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 23; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 65; Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 262; Wewerka, Internal Investigations, S. 212; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 200. 118 Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 1. 119 BGBl. II 1973, 1533. 115

III. Grenzen der Auskunftspflicht

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Art. 59 Abs. 2 GG den Rang einfachen Bundesrechts hat.120 Einfachgesetzlich findet der nemo-tenetur-Grundsatz für den Beschuldigten bzw. Angeklagten Ausdruck in den §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 1, 243 Abs. 5 S. 1 StPO, nach denen er darüber zu belehren ist, dass es ihm freisteht, sich zur Sache zu äußern oder zu schweigen. Für den Zeugen ist das Recht auf Fragen zu schweigen, durch deren Beantwortung er sich oder einen Angehörigen gemäß § 52 Abs. 1 StPO belasten würde, in § 55 Abs. 1 StPO geregelt. Um die Folgefrage der Ausstrahlung des nemo-tenetur-Grundsatzes bzw. der zugrundeliegenden Grundrechte in das Privatrecht beurteilen zu können, ist zunächst eine Klärung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des nemo-tenetur-Grundsatzes erforderlich.121 Uneinigkeit besteht dabei auch dahingehend, ob der nemo-teneturGrundsatz nur auf eine Verfassungsnorm gestützt wird, oder auf eine Kombination mehrerer.122 Hinsichtlich der Herangehensweise bei der Erforschung der verfassungsrechtlichen Grundlage(n) ist in den neueren Schriften vor allem diejenige vertreten, bei denen die Verfasser von einem „vorgefestigten“ Inhaltsverständnis des nemo-tenetur-Grundsatzes ausgehen und im Anschluss daran die Grundlage(n) dafür suchen.123 Der juristischen Methodik immanent ist aber die Ableitung, also die Herleitung eines Prinzips aus einer Norm124. Insoweit bezeichnet Wolff sein Vorgehen selbst als „von der allgemeinen Methodik abweichend […]“, rechtfertigt es aber mit der „unumstrittenen Geltung“ des nemo-tenetur-Grundsatzes.125 Anders als bei der Entwicklung eines Prinzips aus einem oder mehreren Grundrechten, ist die Existenz des nemo-tenetur-Grundsatzes tatsächlich unbestritten, was den Ansatz von Reiß, Wolff,

120 Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 121 f.; Fink, in: wistra 2014, 457, 460 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 213 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 182. Nach Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 118 f. ist Art. 14 Abs. 3g IPBPR extensiv auszulegen, sodass daraus das gesamte nemo-tenetur-Prinzip abgeleitet werden könne, welches auch für Zeugen und nicht nur im Strafprozess gelte. An späterer Stelle führt Rogall jedoch aus, dass Art. 14 Abs. 3g IPBPR nur für Angeklagte gelte, nicht für Beschuldigte, Zeugen und Auskunftspflichtige. Diese Personen könnten sich nur auf den verfassungsrechtlich verbürgten nemo-tenetur-Grundsatz berufen, (S. 149 ff.). 121 So auch Jahn/Kirsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 33 Rn. 19. 122 Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 29 m.w.N. 123 In dieser Weise gehen z. B. Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, S. 140 ff., Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 27 ff., Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 29 und Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 23 ff. vor. Kritisch betrachtet wird diese Vorgehensweise von Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 262 ff. 124 Das Mehrheitsprinzip, das unter anderem bei Wahlen gilt, wird beispielsweise aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der demokratischen Freiheit und Gleichheit (Art. 20 Abs. 1, 2 GG) abgeleitet, vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 II. Rn. 42 f. 125 Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 29. So geht auch Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, S. 140 ff. vor.

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Bosch und Kruse nachvollziehbar erscheinen lässt. Dieser Ansatz kommt jedoch dort an seine Grenzen, wo keine Norm die notwendigen Passform aufweisen will.126 Methodisch überzeugender ist der von Kölbel127 gewählte Ansatz. Nach diesem muss aufgrund der hermeneutischen Methode für die Grundlagenforschung das Prinzip, dessen Grundlage erforscht werden soll, zumindest in seinem grundlegenden Gehalt feststehen.128 Daher legt er lediglich den Kern des nemo-teneturGrundsatzes zugrunde, also die „Verhaltensform, mit der man sich der eigenen Bestrafung wegen einer anderen Tat widersetzt“ bzw. das „Verhalten, das ein Sanktioniert-Werden zu verhindern oder die Sanktion zu mildern sucht“, ohne die spezifischen Ausprägungen bereits vorauszusetzen und ohne dadurch die einzelnen Grundrechte als Grundlage ausscheiden zu lassen. Im Ergebnis führt diese Herangehensweise dazu, dass Kölbel den nemo-tenetur-Grundsatz auf eine Vielzahl verfassungsrechtlicher Normen und Grundsätze stützt.129 Dabei fällt jedoch auf, dass Kölbel den nemo-tenetur-Grundsatz als ein negatives aktives Recht und nicht als negatives (passives) Abwehrrecht130 definiert. Aktive Verhaltensformen, mit der sich 126 Argumentativ führt dieser Ansatz dazu, dass beispielsweise die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG aufgrund ihrer Unantastbarkeit und der nicht zulässigen Abwägung als Grundlage ausscheiden müsse (so Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 41 f.), da es sich beim nemo-tenetur-Grundsatz um ein einschränkbares Prinzip handele, was im Übrigen auch die Existenz der passiven Duldungs- und Verhaltenspflichten nach §§ 81a ff. StPO, § 142 StGB, § 372a ZPO zeigen (so hat unter anderem das BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss den nemo-tenetur-Grundsatz mit den Rechten und Interessen anderer Parteien abgewogen, BVerfGE 56, 37, 48 f.). Daneben könne aber auch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG nicht als Grundlage dienen, da diese nur durch einen einfachen Gesetzesvorbehalt und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gesichert sei, der nemo-tenetur-Grundsatz jedoch als hohes verfassungsrechtliches Prinzip keine der Abwägung zugängliche Freiheit darstelle und daher über Art. 2 Abs. 1 GG hinausgehend abgesichert werden müsse (Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 30 m.w.N.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 32). Diese Herangehensweise überzeugt nicht (so auch Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 263). 127 Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 262 ff. 128 Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 269 ff. 129 Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 271 ff., 304. Er betrachtet dabei die einzelnen Ausgestaltungen, die die Wahrnehmung des von ihm definierten nemo-tenetur-Grundsatzes haben kann. Vernichte der Beschuldigte beispielsweise Beweise unterfiele dies dem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), welches auch die Selbstdarstellungsfreiheit (also das Recht über die Darstellung des persönlichen Lebens- und Charakterbildes, vgl. BVerfGE 35, 202, 220 ff.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 166; Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 279), den Privatsphärenschutz (welcher der einzelnen Person einen autonomen Bereich der privaten Lebensgestaltung sichert, in dem dieser seine Individualität entwickeln und wahren kann und in dem er nicht gestört wird, vgl. BVerfGE 79, 256, 268; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 01. 02. 2006 – 2 BvR 147/06 – juris, Rn. 7; Schmidt, in: ErfK ArbR, Art. 2 GG Rn. 35; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 149 ff.; Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 279) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1, 41 ff.; BVerfGE 78, 77, 84 ff.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 173 ff.; Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 281) umfasst. 130 So aber überzeugend Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 60, 125; Schneider, Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips, S. 244;

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der Beschuldigte der Bestrafung oder Aufdeckung der Straftat widersetzen will, können jedoch entgegen Kölbels Ansicht131 nicht als Kernbereich des nemo-teneturGrundsatzes verstanden werden, da diese durch das Gesetz weitestgehend einschränkbar sind, was – wie z. B. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO zeigt – für den Kernbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes nicht der Fall ist132. Einschränkungen für aktive Verhaltensformen zur Verdeckung der eigenen Tat enthält z. B. § 164 StGB, nach dem der Täter nicht wider besseren Wissens andere Personen der Tat bezichtigen darf. Auch die Möglichkeiten des Täters zur Verbergung von Beweismitteln oder der Flucht sind durch die von ihm zu duldenden Mittel der Durchsuchung (§ 102 StPO) und der Untersuchungshaft (§§ 112 ff. StPO) einschränkbar. Die Verdeckung der eigenen Tat kann daneben sogar nach § 211 Abs. 2 3. Fallgruppe StGB strafbegründend/strafschärfend133 wirken. Dem Kern des nemo-tenetur-Grundsatzes entspricht es richtigerweise vielmehr, ihn als negatives passives Abwehrrecht des Beschuldigten zu verstehen, wonach er sich durch Schweigen passiv selbstbegünstigen und nicht zu einer aktiven Mitwirkung am Strafverfahren gezwungen werden kann.134 Er kann beispielsweise nicht zur (aktiven) Herausgabe von Beweismitteln gezwungen werden135 und hat somit diesbezüglich ein Recht auf Passivität. Überzeugender ist nach der hier vertretenen Auffassung – mit dem BVerfG – die Verankerung des nemo-tenetur-Grundsatzes im Kernbereich des Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).136 Dieses Recht gewährt dem Beähnlich Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 201; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 178. Zum Abwehrrecht auch: BVerfG, Beschl. v. 13. 05. 2009 – 2 BvL 19/08 – juris, Rn. 75; OLG Brandenburg, NStZ-RR 2015, 53; Verrel, in: NStZ 1997, 361, 363; Kasiske, in: JuS 2014, 15, 19. 131 Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 271. 132 Vgl. BVerfGE 56, 37, 49. 133 Vgl. zu diesem Streit nur Neumann/Saliger, in: Kindhäuser, NK-StGB, § 211 Rn. 117 ff. 134 Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 60, 125; Schneider, Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips, S. 244; BVerfGE 56, 37, 49; BVerfGE 109, 279, 324; BVerfGE 133, 168, 201; BGHSt 5, 332, 334; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 2. 135 Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 143. 136 So die herrschende Meinung: BVerfGE 38, 105, 114 f.; BVerfGE 55, 144, 150 f.; BVerfGE 56, 37, 43; BVerfG, NJW 1993, 3315, 3316; BVerfG, NStZ 1995, 555; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 13. 10. 2003 – 2 BvR 1321/02 – juris, Ls., Rn. 3; BVerfG, NJW 2005, 352; BVerfG, BeckRS 2008, 35240; BVerfG, BeckRS 2009, 38641; BVerfG, wistra 2010, 341, 344; BVerfG, NJOZ 2011, 1423, 1425; BVerfGE 133, 168, 201; BVerfG, StV 2016, 586, 587; BVerfG, NJOZ 2016, 1879, 1882; BGHSt 1, 39, 40; BGHSt 5, 332, 334; BGHSt 10, 186, 190; BGHSt 11, 213, 216; BGHSt 14, 358, 364 f.; BGHSt 17, 245, 246; BGHSt 36, 328, 332; BGHSt 38, 214, 220 f.; BGHSt 42, 139, 151 ff.; BGH, NJW 2005, 763, 764; BGHSt 52, 11, 17; BGHSt 58, 301, 304; OLG Brandenburg, NStZ-RR 2015, 53; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 543; Eschelbach, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 30 Rn. 162 ff.; Meurer, in: FS Roxin, 1281, 1288; Stürner, in: NJW 1981, 1757 f.; Dingeldey, in: NStZ 1984, 529; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 409; Lagodny, in: StV 1996, 167, 170 f.; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120; Fritz/ Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389 knüpfen daneben an das Rechtsstaatsprinzip an; so auch Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 158;

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troffenen eine Entschließungs- und Aussagefreiheit.137 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt dem Träger auch das passende Abwehrrecht vor Eingriffen des Staates und einen Freiraum gegenüber dem Staat.138 Zudem kommt diesem Grundrecht ein Menschenwürdegehalt zu, der – wie der Kernbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes – unantastbar ist (absoluter Kernbereich, Art. 19 Abs. 2 GG)139, weil die Menschenwürde als oberster Wert der Verfassung als Auslegungskriterium auf die Grundrechte und somit auch das Persönlichkeitsrecht einwirkt.140 Betroffen ist die Menschenwürde bei einem Zwang zur Selbstbezichtigung, wenn die Aussage gegen den Betroffenen verwertet werden soll.141 Der Kernbereich ist aber nur bei einem Zwang betroffen, durch die eigene Aussage die Voraussetzung für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen schaffen zu müssen; dies ist unzumutbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar.142 Insoweit sind in der StPO Schutzvorschriften zugunsten des Kernbereichs ebenso Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 196 f.; Ignor, in: CCZ 2011, 143, 144; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Ruhmannseder, in: FS I. Roxin, 501, 507 zieht zudem das Rechtsstaatsprinzip als Grundlage heran; Raum, in: StraFo 2012, 395, 397; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 454; Zerbes/El-Ghazi, in: NZWiSt 2018, 425, 427; Thomä, Auskunfts- und Betriebsprüfungsrecht der Verwaltung, S. 64, 75 ff.; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 148; Wewerka, Internal Investigations, S. 222 stellt daneben auf das Rechtsstaatsprinzip ab; Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 83 beruft sich auf die Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 41; Stalinski, Aussagefreiheit und Geständnisbonus, S. 27; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 129; Matula, Private Ermittlungen, S. 220; Kottek, Kooperation, S. 113; vgl. Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 28 ff.; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 97; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 201. A.A. u. a. Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 28 ff., 59, der den nemo-teneturGrundsatz im Schuldgrundsatz verankert, welcher jedoch ebenfalls auf dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG beruhe; Anders, in: wistra 2014, 329, 332 knüpft an den Schuldgrundsatz an, den er jedoch ebenfalls in der Menschenwürdegarantie verankert; Fink, in: wistra 2014, 457, 459 sieht die Verankerung ausschließlich in der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). 137 BVerfG, NJOZ 2016, 1879, 1883. 138 BVerfG, Beschl. v. 13. 05. 2009 – 2 BvL 19/08 – juris, Rn. 75; Di Fabio, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 132; Rixecker, in: MüKo BGB, Anh. zu § 12 Rn. 167; Stürner, in: NJW 1981, 1757. 139 Statt aller BVerfGE 6, 32, 41; BVerfGE 32, 373, 378; BVerfGE 34, 238, 245; BVerfGE 80, 367, 373; BVerfGE 109, 279, 313 f., 324; BVerfG, NJW 2011, 2783, 2784; BGHSt 19, 325, 326 ff.; BGHSt 50, 206, 210; BGHSt 57, 71, 74 f. 140 Stürner, in: NJW 1981, 1757; vgl. Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 144; Wewerka, Internal Investigations, S. 132 f.; Verrel, in: NStZ 1997, 361, 364. 141 BVerfGE 56, 37, 42; BVerfG, NJW 2005, 352; BVerfG, BeckRS 2008, 35240; BVerfG, BeckRS 2009, 38641; Rogall, in: NStZ 2006, 41. 142 BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, wistra 1988, 302; BVerfG, NJW 1993, 3315, 3316; BVerfG, NJW 2002, 1411, 1412; BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BVerfG, NJW 2005, 352; BVerfG, BeckRS 2008, 35240; BVerfG, BeckRS 2009, 38641; BVerfG, wistra 2010, 341, 344; BVerfG, NJOZ 2016, 1879, 1882; BGHSt 52, 11, 17 f.; OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 54; Rogall, in: NStZ 2006, 41; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 147; vgl. Stürner, in: NJW 1981, 1757 f.;

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vorhanden, wie z. B. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO, nach dem es dem Beschuldigten freisteht, sich zur Sache zu äußern oder zu schweigen.143 Die Rechtsordnung und die Grundrechte gewähren jedoch keinen lückenlosen Schutz gegen Selbstbezichtigung, ohne Interessen Dritter zu berücksichtigen.144 Bei nicht unter den Kernbereichsschutz fallenden Aspekten ist eine Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Belangen anderer zulässig.145 Insbesondere wenn es sich um „Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten Informationsbedürfnisses [handelt], ist der Gesetzgeber befugt, die Belange der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen.“146 So ist das Fehlen passiver Duldungspflichten nicht vom Kernbereichsschutz umfasst, sodass z. B. die körperliche Untersuchung nach § 81a StPO durch überwiegende Belange der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein kann.147 Auch gesetzliche Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten können durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sein, selbst wenn die zu erstellenden oder vorzulegenden Unterlagen zur Grundlage einer Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten werden dürfen.148 Nach Teilen der Rechtsprechung und Literatur ist der nemo-tenetur-Grundsatz zudem Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips und gehört zu den Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG).149 Daneben ist der Grundsatz Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 201 f.; vgl. auch BVerfGE 133, 168, 201; Eschelbach, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 30 Rn. 162. 143 BVerfGE 34, 238, 249; BVerfGE 55, 144, 150; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 147. 144 BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BGHSt 37, 340, 342; BGHZ 41, 318, 323; OLG Celle, NJW 1985, 640; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175. 145 BVerfGE 55, 144, 150 f.; BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BGHSt 37, 340, 342 f.; OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 56 ff. 146 BVerfGE 56, 37, 49. 147 EGMR, NJW 2006, 3117, 3123; BVerfGE 56, 37, 42; Eschelbach, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 30 Rn. 163; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 834 f.; Rogall, in: SKStPO, Vor § 133 Rn. 142; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 412; Verrel, in: NStZ 1997, 415, 417; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 104; Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 90 ff.; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 92 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 268; im Ergebnis auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 117 ff. 148 BVerfGE 55, 144, 150 f.; BVerfG, NJW 1982, 568; BVerfG, wistra 2010, 341, 344. 149 BVerfGE 38, 105, 114 f.; BVerfGE 55, 144, 150 f.; BVerfGE 56, 37, 43; BVerfGE 80, 109, 120 f.; BVerfG, NStZ 1995, 555; BVerfGE 109, 279, 324; BVerfGE 110, 1, 31; BVerfG, wistra 2010, 341, 344; BVerfGE 133, 168, 201; BVerfG, NStZ-RR 2013, 315; BVerfG, NJW 2014, 3506; BVerfG, StV 2016, 586, 587; BGHSt 1, 39, 40; BGHSt 14, 358, 364; BGHSt 52, 11, 17; BGHSt 58, 301, 304; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 543; Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 338; Stürner, in: NJW 1981, 1757 f.; Reiß, in: NJW 1982, 2540, 2541; Dingeldey, in: NStZ 1984, 529; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 409; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1926; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Ignor, in: CCZ 2011, 143, 144; Paul, in: NStZ 2013, 489, 494; Ruhmannseder, in: FS I. Roxin, 501, 507; Thomä, Auskunfts- und Betriebsprüfungsrecht der Verwaltung, S. 64; Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, S. 157 ff, 170; Wewerka, Internal Investigations, S. 222; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 41, 114; Stalinski, Aussagefreiheit und Geständnisbonus,

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auch als Teil des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK), welches ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip, den allgemeinen Freiheitsgrundrechten (insbesondere Art. 2 Abs. 1, 2 S. 2 GG) und der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) abgeleitet wird,150 anerkannt151. Aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens und insbesondere aus Art. 1 Abs. 1 GG wird das Verbot abgeleitet, den Beschuldigten zum Objekt des Verfahrens zu machen.152 Im Übrigen beherrscht der Leitgedanke der Menschenwürde auch das rechtsstaatliche Strafverfahren,153 weshalb eine VerbinS. 27; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 158; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 129; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 101; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 196; vgl. Eschelbach, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 30 Rn. 164; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 18; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 69 ff.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 201; Schneider, Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips, S. 49 spricht von einem „justizgrundrechtsähnliche[n] Rechtsinstitut“; zustimmend Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 28, 97; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 28 ff., 59 verankert den nemo-tenetur-Grundsatz im Schuldgrundsatz, welcher jedoch ebenfalls auf dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG beruhe. Kritisch hinsichtlich einer unmittelbaren Ableitung des nemo-tenetur-Grundsatzes aus dem Rechtsstaatsprinzip ist u. a. Fink, in: wistra 2014, 457, 458 ff. 150 BVerfGE 57, 250, 274 f.; BVerfGE 66, 313, 318; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 14; BGHSt 53, 294, 304; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; Jahn/Kirsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 33 Rn. 22; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 134; Frister, in: ZStW 106 (1994), 303, 324; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193 (Ableitung aus Rechtsstaatsprinzip); Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 290. 151 EGMR, StV 2003, 257, 259; EGMR, NJW 2006, 3117, 3122; EGMR, NJW 2010, 213, 215; BVerfGE 38, 105, 112 f.; BVerfG, NStZ 1995, 555; BVerfG, NJW 2009, 1061, 1062; BVerfG, NStZ-RR 2013, 315; BVerfG, NJW 2014, 3506; BVerfG, StV 2016, 586, 587; BVerfG, NJOZ 2016, 1879, 1882 f.; BGHSt 38, 214, 220; BGHSt 52, 11, 17; BGHSt 53, 294, 305; BGHSt 55, 138, 144 ff; BGH, NStZ 2011, 596, 597; BGHSt 58, 301, 304; Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 338; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Anh. 4, Art. 6 MRK Rn. 4; Stürner, in: NJW 1981, 1757 f.; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120; Paul, in: NStZ 2013, 489, 494; Stalinski, Aussagefreiheit und Geständnisbonus, S. 27; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 18; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 114; Kottek, Kooperation, S. 113; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 183; vgl. Bosch, Aspekte des nemotenetur-Prinzips, S. 74 ff. A.A. Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 137 ff. 152 BVerfGE 57, 250, 274 f.; BVerfGE 66, 313, 318; BVerfGE 109, 279, 322; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 28. 01. 2008 – 2 BvR 112/08 – juris, Rn. 6; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 14; BVerfG, StV 2016, 586, 587; BGHSt 52, 11, 17; BGHSt 53, 294, 305; BGHSt 58, 301, 303; vgl. auch BVerfGE 38, 105, 111 für Zeugen; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 409; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173. Zu Recht wenden Verrel, in: NStZ 1997, 415, 417 f. und Kasiske, in: JuS 2014, 15, 16 ein, dass mit der „Objektsformel“ die generell als zulässig erachteten passiven Duldungs- und Mitwirkungspflichten, wie z. B. die Blutabnahme bzw. der Atemalkoholtest, unzulässig sein müssten, da diese Pflichten den Beschuldigten gerade zum Objekt der Untersuchung machen. Daher begründet er die Zulässigkeit der passiven Duldungs- und Mitwirkungspflichten durch den weniger ausgeprägten Persönlichkeitsbezug als bei einer selbstbelastenden Aussage. 153 BGHSt 14, 358, 364.

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dung zwischen dem nemo-tenetur-Grundsatz und dem Rechtsstaatsprinzip besteht. Die rechtsstaatliche Grundhaltung im Strafprozess lässt es insoweit nicht zu, gegen den Beschuldigten in menschenunwürdiger Weise zu verfahren.154 Zudem verlangt das Rechtsstaatsprinzip die Einhaltung der Grundsätze des fairen Verfahrens;155 in einem fairen Verfahren wird ein Beschuldigter jedoch nicht von staatlicher Seite zu einer selbstbelastenden Auskunft gezwungen156. b) Inhalt des nemo-tenetur-Grundsatzes Nach dem nemo-tenetur-Grundsatz darf niemand gezwungen werden, durch die eigene Aussage die Voraussetzung für eine strafrechtliche Verurteilung oder die Verhängung einer entsprechenden Sanktion zu liefern.157 Niemand darf verpflichtet werden, sich selbst zu belasten bzw. sich selbst anzuklagen oder gegen sich selbst Zeugnis abzulegen.158 Ein Beschuldigter ist daher grundsätzlich nicht verpflichtet, aktiv an der strafrechtlichen Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken.159 Er muss frei wählen können, ob er zu den ihm zur Last gelegten Vorwürfen aussagt oder schweigt.160 Auch aus einem völligen Schweigen dürfen keine nachteiligen Schlüsse

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BGHSt 14, 358, 364; Stürner, in: NJW 1981, 1757 f. Statt aller BVerfGE 38, 105, 111; BVerfGE 130, 1, 25. 156 Fink, in: wistra 2014, 457, 458 f. 157 Statt aller BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, wistra 1988, 302; BVerfG, NJW 1993, 3315, 3316; BVerfG, NJW 2002, 1411, 1412; BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BVerfG, BeckRS 2008, 35240; BVerfG, wistra 2010, 341, 344; BVerfG, NJOZ 2016, 1879, 1883; BGHSt 52, 11, 17 f.; OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 54; Eschelbach, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 30 Rn. 162; Jäger, in: Klein, AO, § 393 Rn. 26. 158 BVerfGE 109, 279, 324; BVerfGE 133, 168, 201; BVerfG, NJOZ 2016, 1879, 1883; BGHSt 1, 342, 343; BGHSt 14, 358, 364; BGH, NStZ 2009, 343, 344; BGHSt 58, 301, 304; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 29a; Satzger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 45; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 409; Kasiske, in: JuS 2014, 15; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 1; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 65; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 177. 159 BVerfGE 56, 37, 49; BVerfGE 109, 279, 324; BVerfGE 133, 168, 201; BGHSt 5, 332, 334; OLG Brandenburg, NStZ-RR 2015, 53; Diemer, in: KK-StPO, § 136 Rn. 10; Kasiske, in: JuS 2014, 15, 17; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 454; Meyer-Lohkamp/Hübner, in: ZWH 2016, 99, 101; Kühne, in: LR-StPO, Einl. Abschn. J Rn. 87; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 2; Wewerka, Internal Investigations, S. 216; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 211; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 202. 160 EGMR, StV 2003, 257, 259; BVerfGE 56, 37, 42 f.; BVerfG, NJOZ 2016, 1879, 1883; anklingend auch in BVerfGE 95, 220, 241; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 831; Diemer, in: KK-StPO, § 136 Rn. 10; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 412; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 2 f.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 115; Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 92. Vgl. diesbezüglich auch die einfachgesetzlichen Ausprägungen des Grundsatzes in §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1 StPO. 155

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

gegen den Beschuldigten gezogen werden.161 Diese Grundsätze gelten dabei sowohl für das Straf- als auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren,162 sind aber aufgrund des Verfassungsrangs nicht darauf beschränkt.163 Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte, also auch das Persönlichkeitsrecht, aber (jedenfalls unmittelbar) nur den Staat.164 Da sich der nemo-teneturGrundsatz in seinen einfachgesetzlichen Ausprägungen nicht auf Privatrechtsverhältnisse erstreckt,165 gilt er unmittelbar nur in staatlichen Verfahren vor Gerichten oder Behörden166. Der Beschuldigte soll nach herrschender Meinung also vor unzulässigem (staatlichen) Zwang der Ermittlungsbehörden bzw. des Staates hinsichtlich einer Selbstbezichtigung oder einer aktiven Mitwirkung am Strafverfahren geschützt werden.167 Eine staatliche Einflussnahme auf das Verteidigungsverhalten 161 BGHSt 25, 365, 368; BGHSt 38, 302, 305; BGHSt 42, 139, 152; OLG Brandenburg, NStZ-RR 2015, 53; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 198 m.w.N.; Diemer, in: KK-StPO, § 136 Rn. 10; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 832; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 413; Kasiske, in: JuS 2014, 15, 20; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 87; Stalinski, Aussagefreiheit und Geständnisbonus, S. 28 f.; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 213; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 199. 162 Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 164 f. 163 Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513. Zu den Auswirkungen im Privatrechtsverhältnis siehe unten unter C.III.2.c)bb). 164 Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 160; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 270; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 182. Ähnlich BVerfGE 95, 220, 241; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70; Brandt, in: AiB 2014, 42, 43; Matula, Private Ermittlungen, S. 197. 165 Siehe dazu oben unter C.III.1. 166 Schneider, Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips, S. 42 f.; zustimmend Rogall, in: StV 1996, 63, 64; Reiß, in: NJW 1982, 2540, 2541; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170, 171; Rust/ Abel, in: ZWeR 2012, 521, 527; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 160; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 270; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 182; auf § 136 StPO bezogen auch Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 211 f. Ähnlich BVerfGE 95, 220, 241; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70; Wewerka, Internal Investigations, S. 217; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 207; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 263 f. 167 EGMR, StV 2003, 257, 259; EGMR, NJW 2006, 3117, 3122 f.; EGMR, NJW 2010, 213, 215; BVerfGE 38, 105, 113; BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, StV 2016, 586, 587 f.; BGHSt 36, 328, 332; BGHSt 42, 139, 151 f.; BGHSt 52, 11, 15 f.; OLG Celle, NJW 1985, 640, 641; Günther, in: MüKo StPO, § 110c Rn. 36; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 139 m.w.N.; Verrel, in: NStZ 1997, 415 f.; Zerbes/El-Ghazi, in: NZWiSt 2018, 425, 427; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 86, 92; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 115; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 153; Wewerka, Internal Investigations, S. 217 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 202. Nach a.A. wird die allgemeine Entschließungsfreiheit geschützt, sodass der nemo-tenetur-Grundsatz auch bei der Aussage

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und die Willensentscheidung soll abgewehrt werden.168 Zwang meint dabei jede mittelbare oder unmittelbare Ausübung von Druck, wobei insbesondere die Inaussichtstellung von tatsächlichen oder rechtlichen Nachteilen für den Fall des Schweigens bzw. der Verweigerung der aktiven Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung umfasst sind.169 Passive Duldungspflichten, wie z. B. die körperliche Untersuchung nach § 81a StPO, greifen nicht in den Kernbereich des nemo-teneturGrundsatzes ein.170 Der Beschuldigte ist insoweit nicht von jeglicher Mitwirkung im Strafverfahren befreit.171 Die Frage, ob Zwang für einen Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz erforderlich ist,172 stellte sich der Große Senat des BGH173 im Jahr 1996 im Rahmen der Beantwortung einer Vorlagefrage174. Diese Frage befasste sich damit, ob sich ein zugrundeliegenden Motivirrtümern anwendbar sei, vgl. zum Streitstand Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 139 m.w.N. 168 EGMR, StV 2003, 257, 259; EGMR, NJW 2010, 213, 215; BVerfGE 95, 220, 241; BGHSt 42, 139, 151 ff.; BGH, NStZ 2011, 596, 597; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 646; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86; Roxin, in: NStZ 1995, 465, 466; Eschelbach, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 30 Rn. 260. A.A. Sarhan, in: wistra 2015, 449, 452 f., der staatlichen Zwang (als Handlungsunwert) nicht für erforderlich hält, wenn (privater) Aussagezwang (als Erfolgsunwert) bestehe und der Staat diesen später in einem Strafverfahren ausnutze. 169 Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 139, 142 m.w.N.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 268; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 202. 170 BVerfGE 56, 37, 42; Eschelbach, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 30 Rn. 163; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 834; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 142; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 412; Verrel, in: NStZ 1997, 415, 417; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 104; Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 90 ff.; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 92 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 268; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 212; im Ergebnis auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 117 ff. 171 Dingeldey, in: JA 1984, 407, 411; Kasiske, in: JuS 2014, 15, 17 f. 172 Dieses Erfordernis lässt sich auch historisch begründen, da in dem 1848 eingeführten Anklageprozess auch erstmals in § 18 der zugehörigen Verordnung der nemo-tenetur-Grundsatz wie folgt definiert wurde: „Zwangsmittel jeder Art, durch welche der Angeklagte zu irgend einer Erklärung genötigt werden soll, sind unzulässig“, vgl. Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 96 f. Gegen die Begrenzung des nemo-tenetur-Grundsatzes auf eine Freiheit von Zwang spricht sich u. a. Meurer, in: FS Roxin, 1281, 1288 f. aus. 173 BGHSt 42, 139, zum Zwangserfordernis vgl. S. 152 f. 174 Den Anfragebeschluss vom 5. Senat (BGH, NStZ 1995, 410), welcher ein Beweisverwertungsverbot gestützt auf § 136 Abs. 1 S. 2 StPO bei mitgehörtem Telefongespräch zu bejahen beabsichtigte, hatte vor der Entscheidung des Großen Senats bereits der 1. Senat (BGH, NStZ 1995, 557) abgelehnt. Der 5. Senat (BGH, NStZ 1996, 200) legte daraufhin die Frage, ob Erkenntnisse im Zeugenbeweis verwertet werden dürfen, die dadurch erlangt wurden, dass eine Privatperson auf Veranlassung der Ermittlungsbehörden die gezielte (hier: telefonische) Befragung des Beschuldigten durch einen V-Mann über eine abgeschlossene Straftat mitgehört hat, dem Großen Senat zur Entscheidung vor. Der Große Senat (BGHSt 42, 139, 145 f.) präzisierte die Frage dahingehend, dass die Verwertbarkeit von Ergebnissen einer polizeilich veranlassten Befragung des Beschuldigten durch eine Privatperson in Rede stehe. Diesbezüglich entschied er, dass kein Verstoß gegen §§ 163a, 136 Abs. 1 StPO (analog), noch eine

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Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus einer polizeilich veranlassten Befragung des Beschuldigten durch eine Privatperson, von dessen Motiv der Beschuldigte nichts weiß, ergibt. Zugrunde lag also die umstrittene Frage, ob der nemo-teneturGrundsatz auch bei Motivirrtümern bei der Aussage greift.175 Der Große Senat entschied, dass der Beschuldigte keinem vorgetäuschten oder tatsächlichen Zwang bei der freiwilligen Äußerung gegenüber einer von den Ermittlungsbehörden beauftragten Privatperson unterlag, auch wenn er dieser gegenüber selbstbelastende Angaben machte.176 Eine Verpflichtung zur Äußerung bestehe nach dem Gericht nicht, diese sei vielmehr freiwillig und der vorliegende Irrtum über den Anlass des Gesprächs falle aufgrund des Fehlens von Zwang nicht unter den nemo-teneturGrundsatz.177 Jedoch könne das Verhalten wegen der besonderen Heimlichkeit der Ausforschung einem Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz nahekommen.178 Da beim Einsatz von Privatpersonen allgemeine rechtsstaatliche Grenzen zu wahren seien, müsse für ein Beweisverwertungsverbot im Einzelfall abgewogen werden.179 Dieses eindeutige Zwangserfordernis geriet jedoch durch die nachfolgende Rechtsprechung des EGMR ins Wanken.180 Entgegen dem BGH entschied der EGMR im Jahr 2002, dass der nemo-tenetur-Grundsatz zwar in erster Linie den Beschuldigten gegen unzulässigen Zwang der Behörden schütze, jedoch auch die freie Entscheidung des Beschuldigten geschützt sei, ob er aussagen oder schweigen wolle, die bei einer Täuschung unterlaufen werde.181 Ob ein Verstoß gegen Art. 6 EMRK vorliege, hänge aber von den Umständen des Einzelfalls ab.182 Im Jahr 2009 relativierte der EGMR seine Entscheidung zur Täuschung aber und stellte wieder maßgeblich auf die Erforderlichkeit von Zwang zur Verletzung des nemo-teneturGrundsatzes ab.183 Sowohl nach dem BGH als auch nach dem EGMR ist nun für ein Beweisverwertungsverbot aufgrund der Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit oder des Gebots eines fairen Verfahrens aufgrund einer Täuschung eine AbUmgehung dieser Vorschriften vorliege. Auch eine verbotene Täuschung nach §§ 163a Abs. 3, 136a Abs. 1 StPO und einen Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz mangels Zwangs verneinte der Große Senat. 175 Zu diesem Streit vgl. nur Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 139 ff.; Satzger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 46 f. 176 BGHSt 42, 139, 153. 177 BGHSt 42, 139, 153; so auch zuvor BGHSt 39, 335, 347, allerdings noch mit fragwürdiger Argumentation; Verrel, in: NStZ 1997, 415 f.; a.A. Roxin, in: NStZ 1995, 465, 466. Ausführlich zu dieser Frage: Stalinski, Aussagefreiheit und Geständnisbonus, S. 48 ff. 178 BGHSt 42, 139, 156. 179 Die einzelfallbezogene Abwägung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes betrifft die Interessen des Beschuldigten (allgemeines Persönlichkeitsrecht, Rechtsstaatsprinzip und fair-trial-Grundsatz) und die Interessen des Staates (Schutz des Gemeinwesens und der Bürger, Pflicht des Rechtsstaates zur effektiven Strafverfolgung), BGHSt 42, 139, 154 f. 180 Paul, in: NStZ 2013, 489, 495; Nowrousian, in: NStZ 2015, 625, 626. 181 EGMR, StV 2003, 257, 259. Dazu auch Gaede, in: StV 2003, 260, 262. 182 EGMR, StV 2003, 257, 259. 183 EGMR, NJW 2010, 213, 215 f.

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wägung im Einzelfall erforderlich.184 Da der Befragende bei der Befragung von Mitarbeitern im Rahmen von unternehmensinternen Ermittlungen aber regelmäßig nicht heimlich und unter Verdeckung seiner Absichten auftritt, dürfte die Frage, ob der nemo-tenetur-Grundsatz auch bei einer Täuschung des Beschuldigten verletzt ist, nur von geringer Relevanz sein. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Zwangssituation für den Mitarbeiter besteht, die geeignet ist, den nemo-tenetur-Grundsatz zu beeinträchtigen.185 Für Beeinträchtigungen des nemo-tenetur-Grundsatzes hat der Gesetzgeber, jedenfalls im Verhältnis des Staates zum Bürger, bereits normativ – durch die Anerkennung und die einfachgesetzlichen Ausprägungen dieses Grundsatzes – die Entscheidung zum grundsätzlichen Überwiegen des Persönlichkeitsrechts gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit getroffen.186 Folge eines Verstoßes gegen das Verbot eines Zwangs zur Selbstbelastung ist daher regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot.187 Ansonsten zeigt bereits die oben beschriebene Entscheidung des Großen Senats, dass der Inhalt des nemo-tenetur-Grundsatzes in Verbindung mit bzw. in Abgrenzung zum Recht auf ein faires Verfahren noch nicht feststehend ist, insbesondere hinsichtlich Täuschungen, die die Willensentschlie184 EGMR, StV 2003, 257, 259; EGMR, NJW 2010, 213, 215 f.; BGHSt 53, 294, 299 ff.; ähnlich BGHSt 42, 139, 145 ff.; vgl. auch Paul, in: NStZ 2013, 489, 494 f. 185 Vgl. dazu Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140. 186 Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 148. Ausnahmen erkennt Rogall z. B. für die Situation an, dass den Beschuldigten eine strafbewehrte Pflicht zur Erhaltung von Rechtsgütern trifft, (S. 148). Daneben ist dem unantastbaren Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, der der Disposition des Gesetzgebers entzogen ist, ein Bereich vorgelagert, bei dessen Beeinträchtigung eine Güterabwägung unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen hat, (S. 144). 187 Verstöße gegen die einfachgesetzlichen Belehrungsvorschriften der §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1, 55 Abs. 2 StPO als Kernbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes führen dabei zu Beweisverwertungsverboten, wenn der Betroffene sein Recht zu schweigen ohne Belehrung gekannt hat oder wenn der verteidigte Betroffene der Verwertung ausdrücklich zustimmt oder der Verwertung nicht widerspricht, vgl. BVerfG, StV 2016, 586, 587 f.; BGHSt 38, 214, 220; BGH, NJW 2006, 707; BGHSt 51, 367, 370, 376; BGHSt 58, 301, 304 f.; BGH, NStZ 2015, 291, 293; LG Zwickau, Beschl. v. 10. 08. 2015 – 1 Qs 147/15 – juris, Rn. 5; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 373; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136 Rn. 20; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 175 ff. und § 136 Rn. 77 ff.; Gleß, in: LR-StPO, § 136 Rn. 77 ff.; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 414; Roxin, in: NStZ 1995, 465, 467; Fritz/ Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 269; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 122; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 41; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 129; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 202. Speziell zu § 55 StPO vgl. BayObLG, StV 2002, 179; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 55 Rn. 17; Maier, in: MüKo StPO, § 55 Rn. 112. Eine Ausnahme besteht, wenn ein Verfahren wegen eines Aussagedelikts geführt wird, dann soll nur ein Strafmilderungsgrund gegeben sein (vgl. Maier, in: MüKo StPO, § 55 Rn. 113). Für einen Verstoß gegen § 136a StPO ist in Abs. 3 S. 2 ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot geregelt. Die Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes kann daneben zu einem selbstständigen Beweisverwertungsverbot nach Abwägung führen, vgl. Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 203.

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ßungs- und Willensbetätigungsfreiheit beeinträchtigen188. Ein Beweisverwertungsverbot richtet sich dann nach einer Abwägung im Einzelfall.189 Umstritten sind die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes und dessen Auswirkungen – auch in Verbindung mit dem Recht auf ein faires Verfahren – dabei insbesondere bei staatlich veranlassten Täuschungen, also beispielsweise bei den sogenannten „Hörfallen“, dem Einsatz von verdeckten Ermittlern, V-Leuten bzw. Lockspitzeln.190 Bei der Fülle der Entscheidungen fällt auf, dass bei der einzelfallbezogenen Abwägung unter anderem als Kriterien für ein Beweisverwertungsverbot berücksichtigt wurden, ob der Beschuldigte in Untersuchungshaft saß,191 ob sich der Beschuldigte bereits auf 188 Vgl. dazu Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 141; vgl. auch Verrel, in: NStZ 1997, 415, 416, der sich gegen die Anwendung des nemo-tenetur-Grundsatzes bei einem Irrtum des Beschuldigten ausspricht und diese Fälle nur an § 136a StPO messen will; vgl. auch Bosch, in: Jura 1998, 236, 241 f. 189 BGHSt 42, 139, 156 f.; vgl. auch Kap. C. Fn. 174. 190 Vgl. generell Roxin, in: NStZ 1995, 465 ff.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 267. Ein Beweisverwertungsverbot bejaht haben: EGMR, NJW 2009, 3565, 3566 ff. (polizeilicher Lockspitzel); EGMR, NStZ 2015, 412, 414 ff. (polizeiliche Tatprovokation); BGHSt 31, 304, 306 ff. (aufgezeichnetes Telefonat zwischen V-Mann und Verdächtigem unter Verstoß gegen §§ 100a, 100b StPO, § 201 Abs. 1 StGB); BGHSt 34, 39, 52 (durch heimliches Abhören erlangte Stimmprobe); BGHSt 52, 11, 15 f. (Verdeckter Ermittler, vorherige Berufung auf das Schweigerecht und Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses); BGHSt 53, 294, 304 ff. (heimliche akustische Überwachung eines Gesprächs mit einem Ehegatten in der Untersuchungshaft); BGH, NStZ 2009, 343, 344 (selbstbelastende Angabe gegenüber verdecktem Ermittler); BGHSt 55, 138, 144 ff. (verdecktes Verhör in Strafhaft); vgl. auch Kap. C. Fn. 191. Verneint wurde ein Beweisverwertungsverbot dagegen durch: BVerfG, NJW 1985, 1767 (Polizeibeamter als Lockspitzel); BGHSt 33, 217, 222 ff. (Ausnutzen von Erkenntnissen aus rechtmäßiger Telefonüberwachung); BGHSt 39, 335, 337 ff. (Mithören eines Telefonats durch einen Polizeibeamten); BGHSt 40, 66, 70 ff. (keine grundsätzliche Unverwertbarkeit eines heimlichen Stimmenvergleichs); BGHSt 40, 211, 212 ff. (Einsatz einer V-Person im Umfeld des Beschuldigten und nachträgliche Berufung der Zeugin aus dem Umfeld auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 StPO; im Nichtannahmebeschluss BVerfG, NStZ 2000, 489, 490 hinsichtlich einer Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil des BGH, wies das BVerfG auf die Rechtswidrigkeit der Informationserlangung mangels Ermächtigungsgrundlage hin, führte aber ebenfalls aus, dass daraus nicht zwangsläufig ein Beweisverwertungsverbot resultieren müsse); BGHSt 41, 42, 43 ff. (Einsatz von V-Personen); BGH, NStZ 2007, 713 f. (Einsatz ausländischer verdeckter Ermittler/V-Männer); BGH, NStZ 2011, 596, 597 (Aufzeichnung eines verdeckten Gesprächs zwischen einem Informanten und dem Beschuldigten); BGHSt 60, 238 ff. (polizeiliche Tatprovokation). 191 EGMR, StV 2003, 257, 259 f. (Spitzel in Untersuchungshaft, wobei sich der Beschuldigter in allen vorherigen Vernehmungen auf sein Schweigerecht berufen hatte); BGHSt 34, 362 ff. (Polizeispitzel in Untersuchungshaft, wobei die Begründung des Beweisverwertungsverbots mit § 136a StPO aufgrund des wirkenden Zwangs in der Untersuchungshaft hier äußerst fraglich sein dürfte); BGHSt 44, 129, 132 ff. (Bespitzelung in der Untersuchungshaft; ebenfalls zweifelhafte Erwägung der Anwendung des § 136a Abs. 1 StPO bezüglich der „Zwangswirkung der Untersuchungshaft“ (S. 136) aber nachvollziehbar hinsichtlich der Verabreichung von Mitteln (S. 136 f.)); BGHSt 53, 294, 304 ff. (heimliche akustische Überwachung eines Gesprächs mit einem Ehegatten in der Untersuchungshaft); BGHSt 55, 138, 144 ff. (verdecktes Verhör in Strafhaft).

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sein Schweigerecht berufen hatte192 und ob durch die verdeckt ermittelnde Person eine besondere Vertrauensstellung ausgenutzt wurde193. c) Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes bei der Mitarbeiterbefragung Da es bei der Mitarbeiterbefragung dazu kommen kann, dass der Mitarbeiter in die Gefahr der Selbstbelastung gerät oder unzulässiger Zwangsausübung durch den Befragenden ausgesetzt ist, muss geklärt werden, welche Auswirkungen der verfassungsrechtlich verbürgte nemo-tenetur-Grundsatz auf diese privatrechtliche Situation hat. Dabei ist zwischen der Geltung der einfachgesetzlichen Ausprägungen des nemo-tenetur-Grundsatzes und der Auswirkung der dem nemo-tenetur-Grundsatz zugrunde liegenden Grundrechte (mittelbare Drittwirkung) in der privatrechtlichen Situation der Mitarbeiterbefragung zu differenzieren. aa) Geltung der einfachgesetzlichen Ausprägungen des nemo-tenetur-Grundsatzes Zunächst finden, neben den einfachgesetzlichen strafprozessualen Ausprägungen des nemo-tenetur-Grundsatzes (§§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2, 55 StPO), deren Geltung bei der Befragung durch Private bereits verneint wurde,194 auch die einfachgesetzlichen prozessualen zivil- und arbeitsrechtlichen Ausprägungen keine direkte oder analoge Anwendung auf die Situation der Mitarbeiterbefragung im Rahmen der Internal Investigation, da es sich dabei nicht um ein gerichtliches Verfahren handelt.195 Auch Art. 14 Abs. 3g IPBPR spielt für die Mitarbeiterbefragung keine Rolle, da er seinem Wortlaut nach nur für Angeklagte gilt.196 Im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Urteilsprozess (über § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG gelten für diesen die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend) ergeben sich zudem auch Einschränkungen für den nemo-teneturGrundsatz aufgrund der Stellung der Parteien als Privatrechtssubjekte.197 Nach § 138 Abs. 1 ZPO gilt für die Parteien die Wahrheitspflicht. Diese wird richtigerweise auch nicht durch den nemo-tenetur-Grundsatz, also bezüglich etwaiger Selbstbelastungen, eingeschränkt.198 Denn eine Partei kann selbst entscheiden, ob sie ihre Rechte gerichtlich geltend macht bzw. sich gegen Ansprüche verteidigt und was sie hierfür vorträgt. Trägt sie aber vor, muss dies der Wahrheit entsprechen, mit der Konsequenz 192

EGMR, StV 2003, 257, 259 f.; BGHSt 52, 11, 15 f.; BGH, NStZ 2009, 343, 344. BGHSt 52, 11, 15 f.; BGH, NStZ 2009, 343, 344. 194 Siehe dazu oben unter C.III.1. 195 So auch Kottek, in: wistra 2017, 9, 10; ähnlich Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514. 196 So auch Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 149 ff. 197 Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173. 198 OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 54; LG Karlsruhe, Urt. v. 14. 11. 2008 – 6 O 36/05 – juris, Ls., Rn. 45; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173; Fritsche, in: MüKo ZPO, § 138 Rn. 14; ausführlicher Fischer, Divergierende Selbstbelastungspflichten, S. 21 ff. 193

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gegebenenfalls Straftaten offenbaren zu müssen; trägt sie nicht vor, erleidet sie unter Umständen prozessuale Nachteile.199 Zeugen steht demgegenüber bei der Gefahr strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitenrechtlich relevanter selbstbelastenden Angaben ein Schweigerecht nach § 384 Nr. 2 ZPO zu.200 Auch dieses Recht kann jedoch nicht auf die Situation der Internal Investigation übertragen werden, da § 384 ZPO die Aussage gegenüber einem staatlichen Gericht betrifft und nicht gegenüber Privatpersonen.201 Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift wird mangels planwidriger Regelungslücke zu Recht abgelehnt.202 Über die §§ 242, 275 Abs. 3 BGB sind ausreichende Möglichkeiten im Privatrecht vorhanden, grundrechtlich geschützte Interessen des Mitarbeiters zu berücksichtigen.203 Diesem Ergebnis entsprechend hat das BVerfG im Rahmen seines Gemeinschuldner-Beschlusses festgestellt, dass die Rechtsordnung kein ausnahmsloses Gebot kenne, „daß niemand zu Auskünften oder zu sonstigen Handlungen gezwungen werden darf, durch die er eine von ihm begangene strafbare Handlung offenbart“.204 Vielmehr sei der Gesetzgeber befugt, die Belange der Beteiligten gegeneinander abzuwägen, wenn es sich um Auskunftsansprüche aus einem berechtigten Informationsinteresse handele.205 bb) Mittelbare Drittwirkung des nemo-tenetur-Grundsatzes Da der nemo-tenetur-Grundsatz auf verfassungsrechtlichen Normen beruht, die unmittelbar nur den Staat verpflichten (Art. 1 Abs. 3 GG), stellt sich die Frage nach einer mittelbaren Drittwirkung bzw. Ausstrahlungswirkung ins Privatrecht. Nach allgemeiner Ansicht wird das Privatrecht durch das Grundgesetz als objektive Werteordnung beeinflusst, sodass bestehendes (Privat-)Recht im Lichte des Grundgesetzes ausgelegt werden muss (sog. mittelbare Drittwirkung der Grund-

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Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173; Fritsche, in: MüKo ZPO, § 138 Rn. 14; ähnlich Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 547; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 451; ähnliche Argumentation bei Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 94 f. 200 Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1277; für die Anwendung dieses Rechtsgedanken bei im Rahmen von Mitarbeiterinterviews befragten Zeugen: Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211. 201 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 299; im Ergebnis auch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 240. 202 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1927; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 159 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 310 f.; ausführlich auch Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 152 f. 203 Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 159 f. 204 BVerfGE 56, 37, 42; so auch BGHSt 37, 340, 342; BGHZ 41, 318, 323; OLG Celle, NJW 1985, 640; ähnlich auch BVerfG, BeckRS 2004, 22491; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Wewerka, Internal Investigations, S. 312. 205 BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, BeckRS 2004, 22491; OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 56 ff.

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rechte).206 Der grundrechtliche Wertemaßstab beeinflusst dabei vor allem die Auslegung von Generalklauseln und offenen Tatbeständen.207 Für den nemo-tenetur-Grundsatz ist allgemein anerkannt, dass er Private nicht unmittelbar verpflichtet.208 Es ist jedoch in den Einzelheiten umstritten, ob der nemotenetur-Grundsatz auch in das Privatrecht und damit auch auf die Situation der Internal Investigation ausstrahlt und damit jedenfalls mittelbare Geltung entfaltet.209 Diese Frage ist aufgrund des Verfassungsrangs des nemo-tenetur-Grundsatzes und der bereits oben dargestellten und grundsätzlich anzuerkennenden mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte zu bejahen.210 Hierfür wird häufig die ansonsten 206

BVerfGE 7, 198, 205 f.; BVerfGE 73, 261, 269; BVerfGE 104, 65, 73; BVerfG, NJW 2003, 125; BVerfG, NJW 2015, 2485; BGHZ 140, 74, 77; BGH, NJW-RR 2016, 1309, 1311; BGH, NJW 2017, 1391, 1392; BAG, NZA 2013, 1206, 1208; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 54 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 32 f.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 138; Becker-Schäufler, in: BB 2015, 629, 632; Matula, Private Ermittlungen, S. 197. Erfunden hat den Begriff der mittelbaren Drittwirkung Dürig, in: FS Nawiasky, 157, 176 ff. 207 BVerfGE 7, 198, 206; OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 54; Podszun, in: HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 1 Rn. 110; im Ergebnis so auch BVerfGE 73, 261, 269; Reeb, Internal Investigations, S. 123; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 270; Matula, Private Ermittlungen, S. 198; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 104; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 208. 208 BGHSt 42, 139, 151 ff.; OLG Celle, NJW 1985, 640, 641; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 161 m.w.N.; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 36; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 198; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 270; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389 f.; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Szesny, in: BB 2011, VI, VII; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 527; Anders, in: wistra 2014, 329, 332; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 215; Fett/Theusinger, in: KSzW 2016, 253, 256; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 166; Wewerka, Internal Investigations, S. 221; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 212; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 247; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 207; kritisch Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 264 lehnt eine Drittwirkung der Selbstbelastungsfreiheit ab, wobei er aber eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters und dem Auskunftsinteresse des Arbeitgebers vornehmen will. A.A. wohl Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 150, nach dem jeder, der durch Gesetz zur Auskunft verpflichtet ist, sich auf den nemotenetur-Grundsatz berufen können soll. 209 Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 269 ff. Vgl. zum Streitstand ausführlich für das Verwaltungsverfahren Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 99 ff., wobei aber die Überlegungen auf das Zivilrecht übertragbar sind. 210 Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390; Jahn/Kirsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 33 Rn. 18 f.; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 161; Rogall, in: NStZ 1989, 288; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70 f.; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 153 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 270 f.; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 99 ff.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 182 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 222; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 212; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 208; vgl. Aldenhoff/

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

drohende Umgehung dieses fundamentalen Prinzips als Argument angeführt.211 Außerdem müsse die Menschenwürde als oberstes Prinzip der Rechtsordnung auch im Privatrecht gelten.212 Die mittelbare Drittwirkung ist dabei auch insbesondere für das allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. die Menschenwürde213 sowie das Rechtsstaatsprinzips214 anerkannt, die dem nemo-tenetur-Grundsatz – wie zuvor gezeigt – zugrunde liegen215. Das Rechtstaatsprinzip sowie dessen Ausprägung des Rechts auf ein faires Verfahren, dürfte aber in der Regel nicht durch die Befragung des Mitarbeiters, sondern erst bei der Verwertung der Erkenntnisse durch die Strafgerichte betroffen sein.216 Dafür spricht insbesondere der Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG, nach dem die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden ist. Die dem nemo-tenetur-Grundsatz zugrunde liegenden Grundrechte (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) müssen demnach im Wege der mittelbaren Drittwirkung auch im Privatrecht berücksichtigt werden. Beim Auskunftsanspruch im Rahmen der Internal Investigation betrifft dies die Auslegung der Generalklauseln der §§ 242, 275 Abs. 3 BGB.217 Die Auswirkungen dessen auf Grenze und Reichweite des Auskunftsanspruchs werden im folgenden Kapitel noch erläutert.218 Bereits an dieser Stelle ist aber noch einmal darauf hinzuweisen, dass das Persönlichkeitsrecht nicht schrankenlos gilt und Eingriffe aufgrund von überwiegenden und schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein können.219 Da es sich bei Befragungen durch den Arbeitgeber nicht um staatlichen Zwang handelt, ist der abwägungsfeste Kernbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes insoweit nicht betroffen.220

Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 215. A.A. LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris, Rn. 83. 211 BVerfGE 56, 37, 51, wonach das Schweigerecht ansonsten illusorisch wäre; Jahn, in: StV 2009, 41, 44, der von einer Entkernung des Schweigerechts spricht; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 103 ff. 212 Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 154. 213 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 136; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 153 f. 214 BVerfG, NJW 2001, 3474, 3475; Podszun, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 1 Rn. 110. 215 Siehe dazu oben unter C.III.2.a). 216 Siehe dazu unten unter C.III.3. 217 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 271; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 159 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 183; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 285; ähnlich Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 208. 218 Siehe dazu unten unter C.IV. 219 Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1974. Siehe dazu oben unter C.III.2.a). 220 Siehe dazu oben unter C.III.2.a).

III. Grenzen der Auskunftspflicht

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3. Fair-trial-Grundsatz In Betracht ziehen könnte man des Weiteren eine Beeinträchtigung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) bei der Mitarbeiterbefragung. Als Anknüpfungspunkt kämen im Einzelfall beispielsweise die Verweigerung der Teilnahme eines Rechtsbeistandes für den Mitarbeiter, die fehlende Belehrung über eine spätere Weitergabe der Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden oder auch die Androhung arbeitsrechtlicher Sanktionen in Betracht. Das Recht auf ein faires Verfahren garantiert aber bereits dem Namen nach nur Rechte im gerichtlichen Verfahren, einschließlich des Ermittlungsverfahrens.221 Ein Verstoß muss immer anhand der Gesamtschau der Verfahrensumstände ermittelt werden.222 Dabei wird der fair-trial-Grundsatz in der Regel erst geprüft, wenn konkrete Verstöße gegen Verfahrensrecht abgelehnt wurden.223 Es fungiert also als eine Art Auffangrecht zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten. Zur Berücksichtigung dieses übergeordneten Werteprinzips für das gesamte Verfahren,224 ist eine Prüfung daher erst nach Sammlung aller Erkenntnisse zu einer etwaigen Einführung der Beweismittel in das Strafverfahren gegen den jeweiligen Mitarbeiter sinnvoll. Ob sich ein Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz durch die Beweismittelübergabe und die Verwertung dessen durch die Strafverfolgungsbehörden aus der Gesamtschau der Umstände im Strafverfahren ergibt, wird daher erst bei den Beweisverwertungsverboten erörtert.225 4. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die Strafprozessordnung (inklusive der einfachgesetzlichen Ausprägungen des nemo-tenetur-Grundsatzes) weder direkt, noch analog für die Situation der Mitarbeiterbefragung im Rahmen von Internal Investigations gilt. Auch der fair-trial-Grundsatz kann an dieser Stelle noch nicht plausibel berücksichtigt werden. Das dem nemo-tenetur-Grundsatz zugrundeliegende verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinflusst aber im Wege der mittelbaren Drittwirkung 221

BGH, NStZ 2016, 114, 115; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig u. a., NK-EMRK, Art. 6 Rn. 91 f.; Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 9; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 137 ff. Dahingehende Rückschlüsse sind auch möglich aus: BVerfGE 38, 105, 111; BVerfGE 57, 250, 274 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/ 07 – juris, Rn. 14; BGHSt 53, 294, 304. 222 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 15; BGHSt 53, 294, 304, 306 f.; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Anh. 4 Art. 6 Rn. 3. 223 So insbesondere BGHSt 53, 294, 304 ff. 224 Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 13; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392. Nach Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 135 handelt es sich bei dem Prinzip um eine „Auslegungsrichtlinie“. Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193 sprechen von „Prozessmaxime“. 225 Siehe dazu unten unter E.IV.2.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

bzw. Ausstrahlungswirkung die zivilrechtlichen Auskunftsansprüche, deren auslegungsfähigen Rechtsnormen und -begriffe grundrechtskonform ausgelegt werden müssen226. Hinsichtlich der konkreten Ausprägung der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte muss dabei zwischen den einzelnen Anspruchsgrundlagen differenziert werden (dazu sogleich). Treffend fasst das BVerfG dieses Ergebnis im Gemeinschuldner-Beschluss zusammen: „Unzumutbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar wäre ein Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen. Insoweit gewährt Art. 2 Abs. 1 GG als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe einen Schutz, der alter und bewährter Rechtstradition entspricht. Handelt es sich hingegen um Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten Informationsbedürfnisses, ist der Gesetzgeber befugt, die Belange der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen.“227

IV. Auswirkungen auf die Auskunftsansprüche: Reichweite und Grenzen Nachdem die mittelbare Drittwirkung des nemo-tenetur-Grundsatzes im Privatrechtsverhältnis festgestellt wurde,228 müssen nun deren Auswirkungen auf die unterschiedlichen Grundlagen des Auskunftsanspruchs beurteilt werden, um die Frage zu klären, ob sich die Mitarbeiter im Rahmen des Interviews selbst belasten müssen oder ihnen ein Auskunftsverweigerungsrecht für diese Fragen zusteht. Einfallstor für die mittelbare Berücksichtigung der Grundrechte sind hier die Generalklauseln des § 242 BGB229 und § 275 Abs. 3 BGB.230 Die in diesen Normen enthaltenen auslegbaren Merkmale der Zumutbarkeit bzw. der Verhältnismäßigkeit müssen demnach im Lichte der Grundrechte des Mitarbeiters ausgelegt werden. Im Rahmen der grundrechtskonformen Auslegung bzw. der Rechtfertigung des privatrechtlichen „Eingriffs“ in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch den Aussagezwang, ist nach dem Gemeinschuldner-Beschluss des BVerfG zum einen die Zweckbestimmung der Auskunft, insbesondere ob andere auf die Information der Auskunftsperson angewiesen sind, und zum anderen die Rolle der Auskunftsperson entscheidend.231 Relevant ist nach dem BVerfG auch, ob die Auskunft Teil eines durch eigenen Willensentschluss übernommenen Pflichtenkreises ist. Es ist also eine 226

Zur grundrechtskonformen Auslegung vgl. Armbrüster, in: MüKo BGB, § 134 Rn. 34. BVerfGE 56, 37, 49. 228 Siehe oben unter C.III.2.c)bb). 229 Schubert, in: MüKo BGB, § 242 Rn. 53; Schmidt-Kessel/Kramme, in: PWW BGB, § 242 Rn. 13 ff. 230 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 271; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 159 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 183; ähnlich Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 208. 231 BVerfGE 56, 37, 42. 227

IV. Auswirkungen auf die Auskunftsansprüche: Reichweite und Grenzen

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Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Arbeitgebers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters vorzunehmen.232 Ein generell überwiegendes Interesse des Mitarbeiters mit der Folge eines generellen Auskunftsverweigerungsrechts, unabhängig von der Anspruchsgrundlage, wird zwar vereinzelt vertreten, kann aber – was nun zunächst gezeigt werden soll – nicht überzeugend begründet werden. Die Interessenabwägung wird dann abhängig von der Anspruchsgrundlage des Auskunftsrechts vorgenommen. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die Fragen den unmittelbaren Arbeitsbereich betreffen oder nur in mittelbarem Zusammenhang dazu stehen.233 1. Kein generelles Auskunftsverweigerungsrecht Unabhängig von der Anspruchsgrundlage der Auskunftspflicht und ohne Berücksichtigung einer Interessenabwägung wird teilweise vertreten, dass dem Mitarbeiter ein generelles Auskunftsverweigerungsrecht bei selbstbelastenden Fragen zustehe.234 Sarhan bezeichnet diesen Ansatz passend als „privatrechtlichen Lö232 So auch Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 527; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 645 f.; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 151; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 77; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 163; Wewerka, Internal Investigations, S. 233; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 208; vgl. OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 56 ff. 233 Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 215. 234 LAG Baden-Württemberg (Stuttgart), DB 1963, 1055; LG Hamburg, MDR 1984, 867, 868; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136 Rn. 7a; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 36; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 StPO Rn. 20; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 73; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1853 f. für SEC-Fälle; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 121; Bauer, in: StV 2012, 277, 279; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 889; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 559, nach der die Schutzmechanismen des staatlichen Strafverfahrens auf die private Vorphase der Internal Investigation ausschlagen müssten; ähnlich auch Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 170 ff., der aber eine Ausnahme bei einem Amnestieangebot in Betracht zieht; nach Maschmann, in: AuA 2009, 72, 76 und Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 175 soll ein Auskunftsverweigerungsrecht nur bei repressiven Befragungen des Arbeitgebers bestehen (vgl. dazu auch unten unter C.IV.2.a)). Auch nach Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 217 ff., 232 f. soll ein Auskunftsverweigerungsrecht wegen grundrechtlich geschützter Positionen des Mitarbeiters bei repressivem Vorgehen des Unternehmens bestehen. Kein Auskunftsverweigerungsrecht soll hingegen gelten, wenn es dem Arbeitgeber um die Abwehr von Gefahren geht, vgl. Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 234 ff. Nach dem OLG München, NZG 2009, 665, 668 besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht im Rahmen der Anhörung für eine Kündigung entsprechend der Wertung des § 136 Abs. 1 S. 2 StPO, wenn gegen den Mitarbeiter bereits ein Ermittlungsverfahren läuft. Dabei argumentierte das Gericht aber vor allem damit, dass die (erneute) Anhörung nur dem Wirksamkeitserfordernis für die Kündigung diente und gerade nicht der Aufklärung weiterer Tatsachen. Die Verweigerung der Auskunft allein könne eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen. A.A. statt aller Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 22; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 529; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 158 ff; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 294; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 86, 172, 236 ff.; vgl. auch a.A. in Kap. C. Fn. 236.

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sungsansatz“,235 da der Konflikt zwischen wahrheitsgemäßer Auskunft im Arbeitsrecht und dem eigentlichen Bestehen eines Schweigerechts im Strafprozess auf der privatrechtlichen Ebene gelöst wird. Begründet wird dieser Ansatz z. B. von I. Roxin mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und damit, dass die Mitarbeiterinterviews zur Sachverhaltsaufklärung aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten generell nicht notwendig und die übrigen Erkenntnismöglichkeiten (insbesondere Unterlagen) ausreichend seien.236 Folge dessen sei ein generelles Auskunftsverweigerungsrecht des Mitarbeiters gegenüber dem Arbeitgeber. Diese Ansicht kann aber nicht überzeugen. Zunächst gilt – wie bereits gezeigt – weder der nemo-tenetur-Grundsatz unmittelbar zwischen Privaten, noch gelten einfachgesetzliche Schweigerechte (z. B. § 136 StPO, § 384 Nr. 2 ZPO) direkt oder analog,237 sodass bereits dogmatische Bedenken gegen ein Auskunftsverweigerungsrecht sprechen238. Bei der Frage der Auskunftspflicht sind außerdem nicht nur die mittelbar wirkenden Grundrechte des Mitarbeiters zu berücksichtigen, sondern auch die Interessen des Arbeitgebers bzw. des Unternehmens.239 Insoweit beeinflussen nicht nur Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG die privatrechtliche Beziehung, sondern auch die ebenfalls Verfassungsrang genießenden Rechte des Arbeitgebers am Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG und der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG240. Das Interesse des Mitarbeiters, sich nicht selbst belasten zu müssen steht dem Recht des Arbeitgebers auf Erhalt der für seine Betriebsausübung und -erhaltung wesentlichen Informationen gegenüber. Letzteres Interesse beruht auch darauf, dass ein Unternehmen verpflichtet ist, Missstände und Ver235 Sarhan, in: wistra 2015, 449, 450 f., der diesen Ansatz jedoch ebenfalls zutreffend ablehnt; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 747 ff. bezeichnet als „zivilrechtliche Lösungsansätze“ hingegen die Gewährung einer Amnestie oder die Übernahme von Verteidigerkosten durch das Unternehmen. 236 I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120 f.; zustimmend Tscherwinka, in: FS I. Roxin, 521, 522 ff. Nach a.A. ist der Mitarbeiter der entscheidende/maßgebliche Wissensträger und die Befragung daher notwendig, vgl.: Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 743; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 81; Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 24; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 296; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 174; Theile, in: StV 2011, 381, 384; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 529; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 85; Zimmermann/ Lingscheid, in: CB 2013, 23; Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170 f.; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 265; Fett/Theusinger, in: KSzW 2016, 253, 258; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 206; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210; Potocˇ ic´/Frank, in: CCZ 2017, 199; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1498; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1505; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 258; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 164; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 30. 237 Siehe dazu oben unter C.III.2.c). 238 So auch Wewerka, Internal Investigations, S. 307 ff., 321; ähnlich Kasiske, in: JuS 2014, 15, 19. 239 Vgl. auch Wewerka, Internal Investigations, S. 308. 240 BAGE 142, 176, 186; Bergwitz, in: NZA 2012, 353, 357; Becker-Schäufler, in: BB 2015, 629, 632.

IV. Auswirkungen auf die Auskunftsansprüche: Reichweite und Grenzen

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dachtsmomente im Unternehmen aufzuklären.241 Die Sachverhaltsaufklärung ist zudem dafür erforderlich, der mittelbaren Pflicht zur Compliance nachzukommen.242 Konkrete Unternehmensvorgänge und das „Warum“ dieser sind dabei in der Regel nur durch Mitarbeiter, entweder als Verdächtige oder als Zeugen, aufklärbar.243 Anhand der objektiven Unterlagen ergeben sich in der Regel nur Anhaltspunkte für gewisse Vorgehensweisen.244 Bei der Aufklärung des VW Abgasskandals beispielsweise war die Auswertung der Daten aufgrund von nicht bekannten Codewörtern zur Verschleierung zunächst überhaupt nicht zielführend.245 Würde man dem Mitarbeiter ein generelles Schweigerecht zugestehen, käme es zu erheblichen Behinderungen der Sachverhaltsaufklärung im Unternehmen und damit auch einer etwaigen Kooperation.246 Daneben sorgt ein Schweigerecht auch nicht dafür, dass der Beweggrund des Mitarbeiters, sich vor der Androhung arbeitsrechtlicher Sanktionen zu schützen, entfällt.247 Die Konfliktsituation, in der sich der Mitarbeiter befindet, wird durch die Gewährung eines Aussageverweigerungsrechts nämlich nicht entschärft: Sagt er nicht aus, kann ihm mit einer (Verdachts-)Kündigung gedroht werden und ihm wird regelmäßig keine arbeitsrechtliche Amnestie gewährt,248 da letztere nur

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Siehe dazu oben unter B.II.1. Siehe dazu oben unter B.II.1. und B.II.2.; so auch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 173. 243 Ähnlich Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 174; Theile, in: StV 2011, 381, 384; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 206; Reinhardt/ Kaindl, in: CB 2017, 210; siehe auch a.A. in Kap. C. Fn. 236. 244 Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 529; vgl. auch Potocˇ ic´/Frank, in: CCZ 2017, 199. 245 „Hunderte VW-Aufklärer scheitern – an Codewörtern“, WELT-Artikel vom 19. 04. 2016, abrufbar unter: https://www.welt.de/wirtschaft/article154523222/Hunderte-VW-Aufklaer er-scheitern-an-Codewoertern.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); vgl. auch Reinhardt/ Kaindl, in: CB 2017, 210. 246 Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 300; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 529; Wewerka, Internal Investigations, S. 317 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 239; nach dem OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 03. 2009 – VI-2 Kart 10/ 08 OWi – juris, Rn. 43 ist das Aufklärungsinteresse des Unternehmens bei zugesagter Kooperation gegenüber der Kartellbehörde berechtigt und schützenswert. 247 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 87 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 117; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 244; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 244; Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 103, 114; vgl. auch I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120. Allerdings muss man sich an dieser Stelle fragen, ob arbeitsrechtliche Sanktionen überhaupt verhängt werden dürften, wenn man dem Arbeitnehmer ein Aussageverweigerungsrecht zubilligt und er dadurch rechtmäßig schweigt, vgl. § 612a BGB. In Betracht kommen dürfte aber jedenfalls eine Verdachtskündigung, mit der faktischer Zwang aufgebaut werden kann. 248 Vgl. dazu Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 9; im Ergebnis auch Kottek, in: wistra 2017, 9, 11, der aber auf den fortbestehenden faktischen Zwang zur Aussage abstellt. 242

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

bei vollumfänglicher Auskunft gewährt werden249. Etwaiger faktischer Zwang bliebe also bestehen.250 In Anbetracht der Möglichkeiten, den Mitarbeiter in einem etwaigen Strafverfahren durch ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich seiner selbstbelastenden Aussage zu schützen, wie es auch § 18 Abs. 3 VerbSG-E vorschlägt, und dem Umstand, dass die Rechtsordnung und die Grundrechte keinen lückenlosen Schutz gegen Selbstbezichtigung gewähren, ohne Interessen Dritter zu berücksichtigen,251 erscheint es nicht geboten, für eine vorstrafprozessual und nicht staatlich erzwungene Selbstbezichtigung ein generelles Schweigerecht anzunehmen.252 Eine solche Ausstrahlungswirkung des nemo-tenetur-Grundsatzes in das Privatrechtsverhältnis würde zu einer Verkennung der privatrechtlichen Situation führen, die privatrechtlichen Rechten und Pflichten unterliegt.253 Eine generelle Lösung zugunsten des Mitarbeiters ist an dieser Stelle also nicht überzeugend. Überzeugender ist es, die Abwägung der Interessen nach der jeweiligen Anspruchsgrundlage der Auskunftspflicht vorzunehmen. 2. Unmittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) Der Auskunftsanspruch aus § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) enthält einen selbstständigen Auskunftsanspruch, sodass grundsätzlich kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Information bestehen muss.254 Insoweit muss der Arbeitgeber sein Interesse auch nicht darlegen.255 Es ist im Übrigen umstritten, ob der 249

Wewerka, Internal Investigations, S. 239; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 87 f. 250 Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 103, 114; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 244. 251 BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BGHSt 37, 340, 342; BGHZ 41, 318, 323; OLG Celle, NJW 1985, 640; Gössel, in: LR-StPO, Einl. Abschn. L Rn. 90; Fritz/ Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175. 252 So im Ergebnis auch Böhm, in: WM 2009, 1923, 1926 f.; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 174; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 166; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 239; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 139 ff.; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 347 f.; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 294; ähnlich Kasiske, in: JuS 2014, 15, 19; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 153; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 77; Wewerka, Internal Investigations, S. 234. 253 Sarhan, in: wistra 2015, 449, 451; ähnlich Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 139; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 238 f. 254 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 295; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 266; ähnlich Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 100; Sprau, in: Palandt BGB, § 666 Rn. 1; Schwab, in: Dauner-Lieb u. a., NK-BGB, § 666 Rn. 8. 255 Schwab, in: Dauner-Lieb u. a., NK-BGB, § 666 Rn. 8; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 171.

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Anspruch durch die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB begrenzt ist,256 oder Zumutbarkeitserwägungen keine Rolle spielen257 bzw. die Auskunft nur verweigert werden darf, wenn kein vernünftiges Interesse ersichtlich oder das Interesse so unbedeutend ist, dass es in keinem Verhältnis zum Aufwand der Auskunftserteilung steht258. Dieser Streit muss jedoch nicht entschieden werden, wenn auch bei Berücksichtigung der Interessen im Rahmen des § 242 BGB aufgrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte259 das Interesse des Arbeitgebers an der Informationserlangung trotz Selbstbelastung des Mitarbeiters überwiegt (dazu sogleich). Die Problematik einer möglicherweise gegebenen Beweislastumkehr in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG durch die Auskunftspflicht, wird im Anschluss erläutert. a) Interessenabwägung Da gegen die befragten Mitarbeiter der Verdacht einer Straftat bestehen kann und der diesem Verdacht zugrunde liegende Sachverhalt durch die Befragung aufgeklärt werden soll, kann die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen eine Gefahr der Selbstbelastung für den Mitarbeiter darstellen und dadurch insbesondere sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) berühren.260 Dieses Recht ist über die Generalklausel des § 242 BGB im Rahmen der Interessenabwägung mit dem Aufklärungs- und Informationsinteresse des Arbeitgebers in Einklang zu bringen.261 Da es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht um ein Rahmenrecht handelt, bestimmt sich dessen Reichweite ebenfalls durch Abwägung 256 So BGHZ 41, 318, 320; BGH, NJW 1985, 2699, 2270; BGHZ 109, 260, 267; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924; Vogt, in: NJOZ 2009, 4206, 4212; Sprau, in: Palandt BGB, § 666 Rn. 1, 3; Martinek/Omlor, in: Staudinger BGB, § 666 Rn. 19; Schäfer, in: MüKo BGB, § 666 Rn. 12 ff.; Dann, in: Esser/Rübenstahl u. a., Wirtschaftsstrafrecht, § 136 StPO Rn. 83; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 149 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 163 ff.; Reeb, Internal Investigations, S. 95 f.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 146; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 295; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 234. 257 So Diller, in: DB 2004, 313, 314; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 172; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 268; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 646; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; so wohl auch Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7; Kottek, in: wistra 2017, 9 f.; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 271; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 7; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 266; Kottek, Kooperation, S. 89 f.; Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 45; wohl auch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 86; Wewerka, Internal Investigations, S. 233 berücksichtigt nur ausnahmsweise Zumutbarkeitserwägungen, wägt aber grundsätzlich keine Interessen ab. 258 BGH, NJW 1998, 2966; KG, NJW-RR 2002, 708; Sprau, in: Palandt BGB, § 666 Rn. 1; Schwab, in: Dauner-Lieb u. a., NK-BGB, § 666 Rn. 12; so wohl auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 295; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 266. 259 Siehe dazu oben unter C.III.2.c)bb). 260 Vgl. oben unter C.III.2. und Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 287. 261 Siehe dazu oben unter C.III.2.c)bb).

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der widerstreitenden Interessen.262 Ein Eingriff ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen (hier des Mitarbeiters) das schutzwürdige Interesse des Eingreifenden (hier des Arbeitgebers) überwiegt.263 Nach der ganz herrschenden Meinung geht diese Interessenabwägung – soweit eine solche nicht für erforderlich gehalten wird, kommen die Vertreter zum gleichen Ergebnis – im Rahmen von § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) zugunsten des Informationsinteresses des Arbeitgebers aus, sodass der Mitarbeiter zu seinem unmittelbaren Arbeitsbereich auch Fragen beantworten muss, durch deren Beantwortung er sich selbst belastet.264 Begründet wird dies damit, dass die Auskunftspflicht gerade dann wichtig sei, wenn der Auftragnehmer gegen seine Pflichten verstoßen habe, z. B. durch vorsätzliche Schädigung des Auftraggebers.265 Es sei 262 Statt aller BGH, Urt. v. 02. 05. 2017 – VI ZR 262/16 – juris, Rn. 22; BGH, NJW 2017, 1550, 1552; BGHZ 206, 347, 355. 263 Statt aller BGH, Urt. v. 02. 05. 2017 – VI ZR 262/16 – juris, Rn. 22; BGH, NJW 2017, 1550, 1552; BGHZ 206, 347, 355 f.; Thomä, Auskunfts- und Betriebsprüfungsrecht der Verwaltung, S. 80. 264 BGHZ 41, 318, 320; BGHZ 109, 260, 268; LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris, Rn. 29; Diller, in: DB 2004, 313, 314; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 243, die jedoch § 106 GewO, § 315 BGB als Anspruchsgrundlage ansehen; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924; Vogt, in: NJOZ 2009, 4206, 4212; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175 f.; Knauer/ Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 268; Wisskirchen/ Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1795; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 22; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 527; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 645; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170, 171; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 828; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 265; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 215; Meyer-Lohkamp/Hübner, in: ZWH 2016, 99, 101; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 208; Fett/Theusinger, in: KSzW 2016, 253, 256; Kottek, in: wistra 2017, 9 f.; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Gänswein/Hiéramente, in: NZKart 2017, 502, 507; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1498; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 271; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 745; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 149 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 299; Sprau, in: Palandt BGB, § 666 Rn. 1; Martinek/Omlor, in: Staudinger BGB, § 666 Rn. 19; Schwab, in: DaunerLieb u. a., NK-BGB, § 666 Rn. 12; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 106; Schäfer, in: MüKo BGB, § 666 Rn. 14; Beuthien, in: Soergel BGB, § 666 Rn. 8; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 7; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 148; Wewerka, Internal Investigations, S. 233; Kottek, Kooperation, S. 89 f.; Reeb, Internal Investigations, S. 95 f.; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 234 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 86; im Ergebnis so auch Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 271. Ähnlich Leipold, in: FS Schiller, 418, 420. Mit übertragbarer Begründung auch Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 98 f. A.A. Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 172 ff.; Moosmayer, Compliance, Rn. 327; Schneider, in: NZG 2010, 1201, 1204; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 187 ff., 197; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 232 f. 265 BGHZ 41, 318, 320; BGHZ 109, 260, 268; LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris, Rn. 29; Seiler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. 2012, § 666 Rn. 9; Beuthien, in: Soergel BGB, § 666 Rn. 8; Schwab, in: Dauner-Lieb u. a., NK-BGB, § 666 Rn. 12; Laumen, in: Baumgärtel u. a., Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 15 Rn. 19; Knauer/Buhlmann,

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nicht davon auszugehen, dass § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) die besonders schweren Pflichtverletzungen des Auftragnehmers ausnehmen wolle. Der Arbeitgeber müsse zudem im Rahmen der Compliance und wegen der Anforderungen des § 130 OWiG in der Lage sein, den Mitarbeiter zu kontrollieren, was nur bei einer umfassenden Auskunftspflicht möglich sei.266 Die Selbstbelastungsfreiheit trete daher hinter das Aufklärungsinteresse des Arbeitgebers zurück.267 Diese herrschende Ansicht zur umfänglichen Auskunftspflicht des Mitarbeiters im Rahmen von § 666 BGB (i.V.m. § 675 BGB) wird insbesondere von Maschmann268 kritisiert. Der nemo-tenetur-Grundsatz werde unterlaufen, wenn der Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber umfassend zur Aussage verpflichtet sei, diese Aussage an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden, aber der Mitarbeiter im Strafprozess schweigen dürfe. Straf- und Zivilverfahren müssten vielmehr gleich laufen. Weil das Kontrollinteresse des Arbeitgebers aber nicht gänzlich außen vor bleiben dürfe, sei zwischen einem präventiven und einem repressiven Ziel der Mitarbeiterbefragung zu unterscheiden.269 Bei der präventiven Befragung, z. B. um Missstände im Unternehmen zu beseitigen, stehe dem Mitarbeiter kein Schweigerecht zu, da er sich in dieser Situation nicht verteidigen müsse. Belaste sich der Mitarbeiter dennoch selbst, könne über ein Beweisverwertungsverbot aus § 97 Abs. 1 S. 3 InsO analog nachgedacht werden. Bei der repressiven Befragung müsse sich der Mitarbeiter jedoch nicht selbst belasten, da die Strafverfolgung Aufgabe der Ermittlungsbehörden und nicht die des Arbeitgebers sei.270 Die Unterscheidung zwischen präventiver und repressiver Aufklärung kann bereits deswegen nicht überzeugen, weil ein Arbeitgeber, der zunächst nur präventive Ziele verfolgt, später auch Schadensersatzansprüche gegen den Mitarbeiter verfolgen kann, was aus unternehmerischer Sicht auch wirtschaftlich vernünftig wäre.271 Dann wandelt sich die ursprünglich präventive Befragung nachträglich in eine repressive um. Schon aus praktischen Gesichtspunkten kann demnach ex ante schwer nach dem Zweck der Befragung unterschieden werden.272 Außerdem wurde bereits in: AnwBl 2010, 387, 389. Ähnlich Knauer, in: ZWH 2012, 81, 84 f.; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 147; vgl. auch Krüger, in: MüKo BGB, § 259 Rn. 36. 266 Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 243; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 20; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1267; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 299; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 86. 267 Reeb, Internal Investigations, S. 96. 268 Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 172 ff. 269 Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 175; Maschmann, in: AuA 2009, 72, 76. 270 Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 175. 271 Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 140 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 79 f.; ähnlich Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 298. 272 So auch Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 176; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 298; Scharnberg, Illegale Internal In-

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gezeigt, dass die Internal Investigation als Maßnahme der Compliance häufig repressive und präventive Zwecke verfolgt.273 Gegen die Ansicht von Maschmann spricht auch, dass die Interessen des geschädigten Arbeitgebers in der Regel schutzwürdiger sind, als diejenigen eines straffälligen Mitarbeiters. Im außerstrafrechtlichen Verfahren hat der Mitarbeiter für sein Verhalten rechtlich einzustehen, weshalb er wahrheitsgemäße Erklärungen abgeben muss.274 Die Rechte des Mitarbeiters können vielmehr auch noch über ein nachträgliches Verwertungsverbot im Strafverfahren geschützt werden.275 Daneben ist der Wertungswiderspruch, dass der Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber umfassend aussagen muss, aber im Strafverfahren schweigen kann, wie Wuttke276 ihn für die herrschende Ansicht annimmt, durch die überwiegenden Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt. Eine unterschiedliche Handhabung im Arbeits- und im Strafprozessrecht gebieten die unterschiedlichen zu berücksichtigenden Interessen. Der nemo-tenetur-Grundsatz schützt zum einen nur vor zumindest mittelbarem staatlichen Aussagezwang.277 Zum anderen kann die Selbstbelastungsfreiheit im Privatrecht nicht unbegrenzt gelten, da die privatrechtlichen Interessen Dritter bei der Frage nach einem Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu berücksichtigen sind.278 Außerdem können private Interessen dabei ein anderes Gewicht haben als staatliche Strafverfolgungsinteressen, für die der Gesetzgeber bereits normativ – durch die Anerkennung und die einfachgesetzlichen Ausprägungen des nemo-tenetur-Grundsatzes – die Entscheidung zum grundsätzlichen Überwiegen des Persönlichkeitsrechts gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit getroffen hat279. Nicht überzeugen kann zudem die Argumentation von Buchert, dass aus dem soeben genannten Grund „staatlich veranlasste Gefahren“ für das Unternehmen, also insbesondere ein aus Kooperationsanreizen folgender Druck zur umfassenden Aufklärung, bei der Interessenabwägung auf der vestigations, S. 271; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 154; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 235, 331. 273 Siehe dazu oben unter B.II.1. Laut Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 238 ff. ist diese Argumentation nicht geeignet, die Annahme eines Auskunftsverweigerungsrechts bei repressivem Vorgehen des Unternehmens in Frage zu stellen. 274 Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 8; anklingend in BGHZ 41, 318, 327; ähnlich Wewerka, Internal Investigations, S. 238. 275 So im Rahmen des Gemeinschuldner-Beschlusses, BVerfGE 56, 37, 50; Vgl. dazu auch unten unter E. 276 Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 140. 277 EGMR, StV 2003, 257, 259; BGHSt 42, 139, 151 ff.; BGH, NStZ 2011, 596, 597 f.; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86; Roxin, in: NStZ 1995, 465, 466; Eschelbach, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 30 Rn. 260; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 174 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 104 ff.; im Ergebnis auch LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris, Rn. 35. 278 BVerfGE 56, 37, 42. 279 Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 148; ähnlich BGHSt 5, 332, 333 f.

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Seite des Unternehmens bei einem repressiven Vorgehen nicht berücksichtigt werden können und diese damit nicht geeignet sind, die Selbstbelastungsfreiheit des Mitarbeiters zu beschränken.280 Zuzugeben ist dieser Argumentation zwar, dass es dann paradoxer Weise in der Hand der Strafverfolgungsbehörden läge, durch Ausübung eines Kooperationsdrucks auf das Unternehmen das Schutzniveau der Selbstbelastungsfreiheit zu beeinflussen.281 Zu bedenken ist jedoch zum einen, dass die Kooperation für das Unternehmen nicht verpflichtend ist und die dem Unternehmenswohl dienende Entscheidung darüber regelmäßig auch erst getroffen werden kann, wenn bereits ein gewisses Maß an Sachverhaltskenntnis besteht.282 Außerdem besteht auch unabhängig von einer etwaigen Kooperation die Pflicht des Unternehmens, den Sachverhalt beim Verdacht auf Straftaten aufzuklären283. Die Nichtberücksichtigung von Aufklärungsinteressen aufgrund einer Reduzierung dieser auf eine staatliche Veranlassung ist nach der hier vertretenen Ansicht daher nicht geboten. Dass die zugrunde gelegte Differenzierung zwischen repressivem und präventivem Vorgehen des Unternehmens ebenfalls nicht überzeugt, wurde bereits dargelegt. Ob aus der umfassenden Auskunftspflicht in einem späteren Strafverfahren gegen den Mitarbeiter ein Beweisverwertungsverbot resultieren sollte,284 ist eine Anschlussfrage285, die nicht im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung steht, sondern diese lediglich weiterführt. Im Ergebnis ist daher die herrschende Ansicht zur umfassenden Auskunftspflicht im Rahmen des § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) überzeugend. Der Anspruch wäre ansonsten bei für den Arbeitgeber wichtigen Fragen ausgeschlossen. Außerdem ist bei einem Auskunftsanspruch aus § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) nur der unmittelbare Arbeitsbereich und nicht etwa der private Bereich des Mitarbeiters betroffen. Mithin dürfte häufig allein der befragte Mitarbeiter die relevanten Informationen geben können.286 Diese unbegrenzte Auskunftspflicht zum unmittel280

Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 222 ff. Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 222. 282 Siehe dazu unten unter D. 283 LG München I, AG 2014, 332; Behrens, in: RIW 2009, 22, 29; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Fuhrmann, in: NZG 2016, 881, 885; ausführlich Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 564; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1267; Wessing, in: Hauschka/ Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 16; Moosmayer, Compliance, Rn. 311; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 184; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 2; Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43 Rn. 142; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 50; Reichert, in: ZIS 2011, 113, 117; Mühl, in: BB 2016, 1992; Fett/Theusinger, in: KSzW 2016, 253; Eufinger, in: NZA 2017, 619; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 705 f.; Reeb, Internal Investigations, S. 25; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 58; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 25 f. m.w.N.; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 89; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 75; Wewerka, Internal Investigations, S. 17 bei Verdachtsmomenten von erheblicher Bedeutung. 284 So Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 141. 285 Vgl. dazu unten unter E. 286 Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 22. 281

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baren Arbeitsbereich gilt dabei insbesondere für Organmitglieder, Geschäftsführer, Arbeitnehmer in Führungspositionen und Compliance-Officer aufgrund deren besonderer Vertrauensstellung.287 Insoweit kommt man auch bei Berücksichtigung von Treu und Glauben zum Ergebnis der umfassenden Auskunftspflicht. Ob sich der Mitarbeiter darauf berufen kann, dass sich der Arbeitgeber die Informationen selbst auf zumutbare Weise beschaffen kann,288 dürfte bei Fragen zum unmittelbaren Arbeitsbereich keine große Rolle spielen. Es dürfte unwahrscheinlich sein, dass der Arbeitgeber andere Mitarbeiter befragen kann, die „näher“ mit dem fraglichen Sachverhalt befasst sind und bei denen eine Auskunftserteilung die Interessen weniger beeinträchtigt, sodass eine zumutbare anderweitige Informationsmöglichkeit regelmäßig fehlen wird. Auch die Auskunftsverweigerungsmöglichkeit, für den Fall, dass der Arbeitgeber/Auftraggeber kein vernünftiges Interesse an der Auskunft hat oder dieses so unbedeutend ist, dass es in keinem Verhältnis zum Aufwand der Auskunftserteilung steht,289 dürfte im Hinblick auf die mit den Internal Investigations bezweckte Aufklärung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Betrieb grundsätzlich nicht relevant werden. b) Problematik der Beweislastumgehung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG bzw. allgemeiner Beweislastregeln Gegen die umfassende Auskunftspflicht könnte man einwenden, dass ein Mitarbeiter durch eine selbstbelastende Aussage zugleich einen Kündigungsgrund liefere, wodurch die Beweislastregelung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG, nach welcher der Arbeitgeber die Beweislast für den Kündigungsgrund trägt, bzw. die allgemeinen Beweislastregeln im Rahmen einer Kündigung eines Dienstvertrags (z. B. eines Geschäftsführers), wonach ebenfalls der Arbeitgeber die Beweislast für den Kündigungsgrund trägt, umgangen würden.290 Nach einem Urteil des BAG aus dem Jahr 1995 ist der Mitarbeiter grundsätzlich nicht verpflichtet, außergerichtliche Erklärungen zu möglichen Kündigungsgründen anzugeben.291 Nur bei „besondere[n] rechtliche[n] Grundlagen“ sei der Arbeitnehmer verpflichtet, dennoch umfassend 287 Kottek, in: wistra 2017, 9, 10; Kottek, Kooperation, S. 90; ähnlich Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 65. 288 Ablehnend: BGH, NJW 1998, 2969, 2970; KG, NJW-RR 2002, 708; Sprau, in: Palandt BGB, § 666 Rn. 1; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 266; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 86. 289 BGH, NJW 1998, 2969, 2970; KG, NJW-RR 2002, 708; Sprau, in: Palandt BGB, § 666 Rn. 1. 290 So Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 36; Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 173 f.; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 148; vgl. zu dieser Problematik auch BAGE 81, 15; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 150; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 297. 291 BAGE 81, 15, 22; so auch BAG, NJW 2009, 1897, 1898; Niemann, in: ErfK ArbR, § 626 BGB Rn. 178c; Kempter/Steinat, in: NZA 2017, 1505, 1511.

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auszusagen. Grundsätzlich dürfe der materiell-rechtliche Auskunftsanspruch die Darlegungs- und Beweislast nicht unzulässig verändern.292 Diese besonderen rechtlichen Grundlagen nahm das BAG in dem Urteil für die nach Art. 33 Abs. 2 GG geltenden Regelungen des Einigungsvertrags an, nach dem die öffentliche Verwaltung nur geeignete Personen, also solche die zu den Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes stehen, einstellen darf. Die Bereinigung der öffentlichen Verwaltung um vorbelastetes Personal diene der Leistungsfähigkeit der Verwaltung und damit einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut. Zudem habe der Arbeitnehmer nicht im einzelnen Kündigungsgründe preisgeben müssen, sondern nur allgemein damalige Positionen (z. B. beim Ministerium für Staatssicherheit). Solche Positionen könnten nach dem BAG Zweifel an der Eignung begründen, welchen der Arbeitgeber jedoch mittels Auskunftsanspruch nachgehen können müsse. In der Literatur wird diesbezüglich vertreten, dass § 666 BGB (i.V.m. § 675 BGB) eine besondere rechtliche Grundlage sei.293 Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass das BAG294 die obigen Grundsätze zur Beweislast für den allgemeinen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB entwickelt hat. Begründen lässt sich die Nichtbegrenzung der Auskunftspflicht damit, dass ein Mitarbeiter, der mit einer Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB betraut wurde, in einem engeren Verhältnis zum Arbeitgeber stehe.295 Dem darüber hinaus herangezogenen Beispiel, dass es nicht sein könne, dass ein Mitarbeiter, der für den Arbeitgeber eine Kasse führe, vorsätzlich verursachte Fehlbeträge nicht erklären müsse,296 liegt jedoch ein nicht tragfähiger Zirkelschluss zugrunde. Die vorsätzliche Verursachung des Fehlbetrags ist gerade das aufklärungsbedürftige und kündigungsrelevante Ereignis und kann daher nicht zur Begründung einer Auskunftspflicht entgegen § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG herangezogen werden. Auch eine besondere Vertrauensstellung aufgrund einer Geschäftsbesorgung vermag nicht zu erklären, warum ein solcher Mitarbeiter Beweise für eine Kündigung erbringen muss. Davon abgesehen dürfte § 666 BGB 292 BAGE 81, 15, 22; so auch BAGE 113, 55, 59 f., wobei in dem entschiedenen Fall keine unzulässige Verschiebung der Beweis- und Darlegungslast angenommen wurde (S. 62 f.); BGH, NJW 1990, 1358; BGH, NJW 1990, 3151; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17. 09. 2008 – 9 Ta 169/08 – juris, Rn. 11, welches den Auskunftsanspruch deswegen verneint hat; so auch Laumen, in: Baumgärtel u. a., Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 15 Rn. 16; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 148. 293 Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 150; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 264 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 297; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 272; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 87; im Ergebnis auch Kottek, in: wistra 2017, 9, 10, der aber darauf abstellt, dass die Problematik des § 1 Abs. 4 KSchG nur für die arbeitsvertragliche Nebenpflicht nach §§ 611, 241 Abs. 2 BGB entwickelt wurde. 294 BAGE 81, 15, 21. 295 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 150; Kottek, in: wistra 2017, 9, 10; ähnlich auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 147. 296 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1924; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 150; zustimmend Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 297.

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(i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) zudem keine der BAG Rechtsprechung zugrundeliegende, vergleichbare Grundlage darstellen. In Anbetracht dessen, dass der Auskunftsanspruch aus § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) aber nach allgemeiner Meinung auch die Selbstbelastung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit und mögliche sonstige Pflichtverletzungen, also Tatsachen, die geeignet sind eine Kündigung zu rechtfertigen, umfasst und dieser Auskunftsanspruch auch durch das überwiegende Interesse des Arbeitgebers zur Aufklärung von Compliance-Verstößen gerechtfertigt ist, wäre es unbillig, solche Auskunftsansprüche wegen einer Beweislastregelung ganz zu versagen. Da Interviews grundsätzlich der Sachverhaltsaufklärung dienen, sind sie gerade von einer Anhörung im Rahmen einer Verdachtskündigung, die nicht der Sachverhaltsaufklärung dient, zu unterscheiden297. Hat der Arbeitgeber hingegen nur ein Beweisführungsinteresse, handelt es sich also eigentlich um eine Anhörung im Rahmen der Kündigungsvorbereitung, wäre der Mitarbeiter bereits nicht zur Offenbarung von Tatsachen, die eine Kündigung rechtfertigen, verpflichtet.298 Dann überwiegt das Interesse des Arbeitgebers in der Regel nicht. Für die übrigen Fälle dürfte es eher einer interessengerechten Lösung entsprechen, den auskunftspflichtigen Mitarbeiter durch ein für die selbstbelastende Auskunft geltendes Beweisverwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess zu schützen299. Diese Frage wird an späterer Stelle bei den Beweisverwertungsverboten im Strafverfahren erörtert.300 Es kann jedoch bereits festgehalten werden, dass ein Beweisverwertungsverbot jedenfalls dann nicht erforderlich ist, wenn Ausnahmen von der Gefahr der Umgehung der Beweislastregelungen bestehen, also wenn der Arbeitgeber einen dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruch substantiiert vortragen kann, weil dann keine Beweislastregelungen unterlaufen werden.301 Eine Ausnahme gilt auch, wenn dem Mitarbeiter eine arbeitsrechtliche Amnestie gewährt wurde, durch die er weder außerordentlich noch ordentlich wegen seines offenbarten Fehlverhaltens gekündigt werden kann.302 Ist das Arbeitsverhältnis bereits beendet, können ebenfalls keine kündigungsschutzrechtlichen Beweislastregelungen mehr umgangen werden.303

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Rudkowski, in: NZA 2011, 612; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17 f.; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1498. 298 Siehe Kap. C. Fn. 291. 299 Angedeutet von Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 613 (Fn. 19). 300 Siehe dazu unten unter E.III.4. 301 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 284; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 278 f. 302 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 284 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 239 f.; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 279; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 264. 303 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 286; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 278.

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3. Mittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB Der Auskunftsanspruch für den mittelbaren Arbeitsbereich nach §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB wird durch den Grundsatz der Zumutbarkeit (§ 275 Abs. 3 BGB) und Treu und Glauben (§ 242 BGB) begrenzt: der Arbeitgeber muss ein „berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse“ an der Auskunft haben und die Auskunftserteilung darf keine übermäßige Belastung für den Mitarbeiter darstellen, sie muss insbesondere der Bedeutung des Auskunftsinteresses des Arbeitgebers entsprechen.304 Da der nemo-tenetur-Grundsatz, wie oben gezeigt, auch in das Privatrecht ausstrahlt,305 sind bei der Zumutbarkeit der selbstbelastenden Auskunft durch den Mitarbeiter über den § 275 Abs. 3 BGB und über die Generalklausel des § 242 BGB die Grundrechte im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters306. a) Generelle Zumutbarkeitserwägungen Die Berücksichtigung der Zumutbarkeit führt im Rahmen des allgemeinen Auskunftsanspruchs zunächst dazu, dass eine Pflicht zur selbstbelastenden Aussage immer abzulehnen ist, wenn der Arbeitgeber noch weitere Quellen nutzen und sich die Information auf zumutbare andere Weise beschaffen kann.307 Da den Mitarbei304

BAGE 81, 15, 22; BAG, NZA 1997, 41, 43; Diller, in: DB 2004, 313, 314; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 172 m.w.N.; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1853; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925; Klengel/Mückenberger, in: CCZ 2009, 81, 82; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 172; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Tscherwinka, in: FS I. Roxin, 521, 523; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 645; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178; Reinhardt/ Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 101; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 151 f.; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 151; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 138; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 282; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 274 f.; Kottek, Kooperation, S. 91; Wewerka, Internal Investigations, S. 234. So wohl auch Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 613. Vgl. OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 28; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 215. 305 Siehe oben unter C.III.2.c)bb). 306 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1926; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1853; Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 20; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 158; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 287. 307 BAGE 81, 15, 22; BGH, NJW 1998, 2969, 2970; KG, NJW-RR 2002, 708; Dann/ Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1853; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 151 f.; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1976; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Leitner, in: FS Schiller, 430, 434; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 152; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 287; Wewerka, Internal Investigations, S. 233 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 90. Der bei einer Selbstbelastungsgefahr gegebene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wäre dann auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit

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terinterviews regelmäßig eine Sichtung von Dokumenten vorausgegangen ist, dürften weitere Quellen bereits ausgeschöpft sein.308 Anders ist dies, wenn der Arbeitgeber andere Mitarbeiter befragen kann, die näher mit dem fraglichen Sachverhalt befasst sind.309 Die Auskunft muss zudem eine gewisse Bedeutung für die Aufklärung des Sachverhalts haben; der Arbeitgeber muss auf die Auskunft angewiesen sein.310 Dafür ist unter anderem die Stellung des jeweiligen Mitarbeiters im Betrieb von Bedeutung.311 Bei großflächigen und verdachtsunabhängigen Untersuchungen des Arbeitgebers erscheinen ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers und die Erforderlichkeit eines solchen Vorgehens aber eher fraglich.312 b) Interessenabwägung Auch im Rahmen des Auskunftsanspruchs nach §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB stehen sich bei der erforderlichen Interessenabwägung313 das Interesse des Mitarbeiters, sich nicht selbst belasten zu müssen,314 und das Interesse des Arbeitgebers an der Information (Aufklärungsinteresse) gegenüber.315 Es ist für diesen Auskunftsanspruch jedoch weit umstrittener, ob bei Selbstbelastungsgefahr des Mitarbeiters überhaupt zwischen den Interessen abgewogen werden muss oder eine selbstbelastende Auskunft für diesen generell unzumutbar ist.316 Wohl überwiegend wird vertreten, dass eine Auskunftserteilung für den Mitarbeiter bei damit einhergehender Selbstbezichtigung von Straftaten/Ordnungswidrigkeiten unzumutbar ist.317 In eine ähnliche Richtung geht die Auffassung, nach der nicht erforderlich, vgl. zur Verhältnismäßigkeit (Erforderlichkeit) nur Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 20 VII. Rn. 107 ff. 308 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 287; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 275. 309 Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1276. 310 Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1853; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 197. 311 Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 613. 312 Jahn, in: StV 2009, 41, 44. 313 Siehe dazu oben unter C.IV.2.a). 314 Ist das Strafverfahren bereits abgeschlossen, kann sich ein Arbeitnehmer generell nicht mehr auf eine Selbstbelastungsfreiheit berufen, vgl. Hessisches LAG, Urt. v. 17. 08. 2012 – 10 Sa 1160/11 – juris, Rn. 70. 315 Vgl. Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 268; Tscherwinka, in: FS I. Roxin, 521, 523 f.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 163; Wewerka, Internal Investigations, S. 233; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 275 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 90. 316 Vgl. zum Streitstand nur Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 348 ff.; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 235 f. 317 OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 666, 668; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 7; Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 15. Teil

IV. Auswirkungen auf die Auskunftsansprüche: Reichweite und Grenzen

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dem Mitarbeiter die Auskunft bei einer möglichen Selbstbelastung zwar grundsätzlich unzumutbar ist, die mögliche Selbstbezichtigung aber nicht immer zum Überwiegen der Interessen des Mitarbeiters führen soll.318 Nach einer weiteren Ansicht ist zwischen den Interessen des Mitarbeiters an der Freiheit zur Selbstbelastung und dem Aufklärungsinteresse des Arbeitgebers in jedem Einzelfall abzuwägen.319 Gegen die letzte Auffassung, die eine bei jeder Frage vorzunehmende Interessenabwägung zur Folge hätte,320 spricht die fehlende Praxistauglichkeit. Im Rahmen eines Mitarbeiterinterviews können dem Mitarbeiter diverse Fragen mit unterschiedlichem Bezug zum Arbeitsbereich gestellt werden. Die Interessen des Arbeitgebers und des Mitarbeiters können dabei auch bei den einzelnen Fragen unterschiedlich hoch ausfallen. Eine flüssige und individualisierte Befragung wäre aber nicht möglich, wenn die Interviewer vor jeder Frage und unter Berücksichtigung der bisherigen Antworten eine Abwägung vornehmen müssten, inwieweit der MitarRn. 174; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 268; Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 613; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19; Zimmermann/ Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 264; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 64; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 208; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1976; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Toma, in: CB 2017, 339, 340; Tscherwinka, in: FS I. Roxin, 521, 529; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 145; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 138; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 150. Ausdrücklich auf die Treuepflicht bzw. die Schadensabwehrpflicht bezogen: BGH, NJW-RR 1989, 614, 615; BAG, NJW 2009, 1897, 1898; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 07. 09. 2004 – 11 Sa 2018/03 – juris, Rn. 73; Weidenkaff, in: Palandt BGB, § 611 Rn. 40; Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1277; Diller, in: DB 2004, 313, 314; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 376; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184, 185; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 21; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 289; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 82. A.A. OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 49 ff. 318 ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364, 365; Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1705; Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 172; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 646; Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170, 171; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1271; Kottek, Kooperation, S. 93 f.; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 152; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 199; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 195; nach den folgenden Autoren ist der Selbstbelastungsfreiheit zumindest ein hohes Gewicht beizumessen: Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178; Wewerka, Internal Investigations, S. 233. 319 BAGE 81, 15, 22 (es war jedoch nach dem BAG bei der Beantwortung keine Selbstbezichtigung erforderlich); Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 243; Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1705; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178; Dann, in: CCZ 2010, 239; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 527; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 271; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 137; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 197; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 354; Ruhmannseder, in: FS I. Roxin, 501, 508; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 136; Wewerka, Internal Investigations, S. 233; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 90, 92 f. Für eine andere Auskunftspflicht so auch BVerfGE 56, 37, 49. 320 Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 646; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

beiter zur umfassenden Aussage verpflichtet ist. Aufgrund des bestehenden Mandatsverhältnisses zum Arbeitgeber wäre zudem zu befürchten, dass diese Abwägung nicht objektiv ausfällt. Diesen Schwierigkeiten kann dadurch begegnet werden, dass bei Fragen zum mittelbaren Arbeitsbereich – denen im Rahmen der Internal Investigation regelmäßig ein geringeres Gewicht zukommt – und der Gefahr einer Selbstbelastung grundsätzlich den Interessen des Mitarbeiters Vorrang eingeräumt wird. Dafür lässt sich anführen, dass das Interesse des Mitarbeiters bereits auf der Ebene der Anspruchsentstehung ein höheres Gewicht erlangt, als bei dem Auskunftsanspruch nach § 666 BGB (i.V.m § 675 Abs. 1 BGB) und dem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters daher ein höheres Gewicht bei der Abwägung beizumessen ist.321 Dies lässt sich auch mit der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte des Mitarbeiters und den möglichen Folgen einer Selbstbelastung im Rahmen einer Internal Investigation begründen. Der Mitarbeiter kann insbesondere seinen Arbeitsplatz und damit seine wirtschaftliche Existenzgrundlage verlieren sowie strafrechtlich verfolgt werden.322 Ist nicht der unmittelbare Arbeitsbereich des Mitarbeiters betroffen, kann sich der Arbeitgeber die Informationen in der Regel auch durch andere Mitarbeiter leichter beschaffen.323 Ausnahmen von diesem grundsätzlich überwiegenden Interesse des Mitarbeiters sind jedoch anzunehmen, wenn es im Einzelfall um die Abwendung von Gefahren für Leib oder Leben anderer Mitarbeiter324 (Schadensabwendungspflicht)325 geht.326 Insoweit überwiegt das ebenfalls mittelbar zu berücksichtigende Grundrecht nach Art. 2 Abs. 2 GG die Rechte des Mitarbeiters aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in aller Regel. Dies ergibt sich auch daraus, dass Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gilt, sondern insbesondere durch Rechte Dritter einschränkbar ist.327 Das Recht des Mitarbeiters, sich nicht selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu bezichtigen, tritt nach der hier vertretenen Auffassung demnach nur in Ausnahmefällen zurück, wenn überragend wichtige Rechtsgüter des Arbeitgebers oder anderer Mitarbeiter durch die Verweigerung der Auskunft verletzt 321 Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 613; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 198; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 354. 322 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 60; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 645. 323 Zum Ausscheiden des Auskunftsanspruchs bei Vorliegen dieser Möglichkeit siehe oben unter C.IV.3.a). 324 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 152; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 199; vgl. Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 175. 325 Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175 f. 326 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 195, 234 ff. 327 BVerfGE 55, 144, 150 f.; BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BGHSt 37, 340, 342 f.; BGHZ 41, 318, 323; OLG Celle, NJW 1985, 640; OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 54 ff.; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1974.

IV. Auswirkungen auf die Auskunftsansprüche: Reichweite und Grenzen

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würden oder es besondere Gründe für einen geringeren Stellenwert der Gefahr der Selbstbelastung gibt. Letzteres soll nach der Literatur insbesondere bei Mitarbeitern in Führungspositionen der Fall sein, die sich nur ausnahmsweise auf die Selbstbelastungsfreiheit berufen können sollen.328 Da der Stellung des Mitarbeiters eine große Bedeutung im Rahmen der Reichweite der Auskunftspflichten zukomme, könnte von Führungspersonen eine weitreichendere Auskunft verlangt werden.329 Zudem wird neben der bereits genannten Ausnahme einer Pflicht zur Selbstbelastung bei drohenden Gefahren für Leib oder Leben anderer Mitarbeiter eine solche als Teil der Schadensabwendungspflicht auch bei existenzgefährdenden Belastungen des Unternehmens im Sinne einer existenzbedrohenden Geldbuße vertreten330. Nicht selten hat der wissende Mitarbeiter eine hohe Stellung im Unternehmen und auch die drohenden Strafzahlungen331 können sehr hoch ausfallen. Dass existenzbedrohende Auswirkungen nicht ausgeschlossen sind, zeigten auch Diskussionen um eine Insolvenz der Volkswagen AG aufgrund des Diesel-Skandals.332 Diese Spekulationen zeigen aber ebenfalls, dass es fraglich ist, ob zum Zeitpunkt der Befragung des Mitarbeiters bereits verlässlich eingeschätzt werden kann (und ob eine solche Einschätzung überhaupt möglich ist), welche gerichtlichen oder behördlichen Folgen dem Arbeitgeber drohen und ob diese durch eine Auskunft des Mitarbeiters abgewendet werden können. Zudem ist regelmäßig nicht vorhersehbar, in welchem Verhältnis die Informationsgewinnung durch die Aussage zu einer möglichen Sanktionsmilderung steht. Daher dürfte sich diese Ausnahme der Zumutbarkeit bei Selbstbelastung nur in 328 Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706; Leitner, in: FS Schiller, 430, 436; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 746; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 7. 329 Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 243; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 645; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Leitner, in: FS Schiller, 430, 436; Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 354; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 746; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 144; ähnlich auch Greeve, in: StraFo 2013, 89, 94; Zimmer, in: ZRFC 2011, 259. 330 Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 152; Kottek, Kooperation, S. 117; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 199; vgl. Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 236. 331 Die Volkswagen AG zahlte allein in Deutschland auf den Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig EUR 1 Milliarde, vgl. den Spiegel-Artikel „VW muss eine Milliarde Euro Bußgeld zahlen“ (s. Kap. A. Fn. 11); Siemens hat (in Deutschland und den USA) ebenfalls rund eine Milliarde Euro gezahlt, die Deutsche Bank zahlte rund USD 2,5 Milliarden (April 2015), die Rheinmetall AG zahlte 37 Mio. Euro und MAN zahlte rund 150 Mio. Euro. 332 Vgl. u. a. den Welt-Artikel vom 29. 06. 2016, „So schickt Brüssel VW in die Pleite“, abrufbar unter: https://www.welt.de/wirtschaft/article156669445/So-schickt-Bruessel-VW-indie-Pleite.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019) und den wallstreet:online-Artikel vom 09. 05. 2016, „Volkswagen-Bankrott? US-Anwalt sieht VW-Konzern in seiner Existenz bedroht“, abrufbar unter: www.wallstreet-online.de/nachricht/8584740-vw-abgasskandal-volkswa gen-bankrott-us-anwalt-vw-konzern-existenz-bedroht (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); vgl. auch Wimmer, in: NK 2016, 356, 363.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

den Fällen begründen lassen, in denen konkrete Tatsachen vorhanden sind. Wurden gegen den Arbeitgeber noch keine staatlichen Ermittlungen eingeleitet, kann mit diesen Überlegungen aber keine Zumutbarkeit begründet werden. Eine weitere Ausnahme für ein überwiegendes Arbeitgeberinteresse und eine zumutbare Selbstbelastung des Mitarbeiters wird durch die Rechtsprechung bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot oder bei einem Verdacht von Straftaten zulasten des Arbeitgebers angenommen, wenn nur der betroffene Mitarbeiter über die erforderliche Information verfügt und der Arbeitgeber diese zur Durchsetzung seiner Rechte (z. B. Schadensersatz) benötigt.333 Dem Mitarbeiter wurde in diesen Fällen kein Aussageverweigerungsrecht für den Fall der Selbstbezichtigung eingeräumt.334 Jedoch bestehe Schutz über ein strafrechtliches Verwertungsverbot.335 Auch die Literatur bejaht die Zumutbarkeit der Selbstbelastung, wenn das Unternehmen Straftaten zu eigenen Lasten aufklären will (z. B. Diebstahl), da dann ein „signifikantes Aufklärungsinteresse des Unternehmens“ – unter Umständen zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen – bestehe.336 Voraussetzung dieser Ausnahme wäre aber, dass das Unternehmen bereits konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten zu seinen Lasten hat. Bestehen solche Anhaltspunkte nicht oder handelt es sich Straftaten, die „zu Gunsten“ des Unternehmens begangen wurden (z. B. Bestechung oder Korruptionsdelikte beispielsweise bei der SiemensAffäre)337 ist eine zumutbare Selbstbelastung abzulehnen. Im Übrigen ist von einem Überwiegen der Interessen des Mitarbeiters auszugehen. Wie der Mitarbeiter in einem gegebenenfalls folgenden Strafverfahren zu schützen ist, ist eine Folgefrage, die noch erörtert wird.338

333 LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris, Rn. 27 ff.; LAG Hamm, Urt. v. 27. 10. 2009 – 14 Sa 681/09 – juris, Rn. 55, 61; ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364, 365; Dann, in: CCZ 2010, 239. 334 Zwar habe der Arbeitnehmer grundsätzlich das Recht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, sich nicht selbst belasten zu müssen. Dieses Recht müsse aber zurücktreten, wenn von der selbstbelastenden Auskunft die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten abhänge. Ein Arbeitnehmer, der nicht nur gegen ein Wettbewerbsverbot verstoße, sondern auch noch Straftaten beginge, könne nicht gegenüber demjenigen privilegiert werden, der nur gegen ein Wettbewerbsverbot verstoße und dadurch zur Auskunft verpflichtet sei; vgl. ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364; LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris; LAG Hamm, Urt. v. 27. 10. 2009 – 14 Sa 681/09 – juris; Dann, in: CCZ 2010, 239. 335 Nach dem ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364, 365 soll sich ein solches aus der richterlichen Rechtsfortbildung des BVerfG im Rahmen des Gemeinschuldner-Beschlusses (BVerfGE 56, 37, 48) ergeben. Das LAG Hamm konkretisierte das Beweisverwertungsverbot nicht, vgl. LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris, Rn. 34. 336 Grützner, in: Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 351; Dann, in: CCZ 2010, 239 und Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 172 berufen sich dabei auf ein vorrangiges Unternehmensinteresse am Vermögensbestand. 337 Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 174; Dann, in: CCZ 2010, 239. 338 Vgl. dazu unten unter E.

IV. Auswirkungen auf die Auskunftsansprüche: Reichweite und Grenzen

115

c) Problematik der Beweislastumgehung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG bzw. allgemeiner Beweislastregeln Die oben geschilderte Problematik zur Beweislastumgehung und deren Ausnahmen339 gilt auch bei dem allgemeinen Auskunftsanspruch aus §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB. Der Mitarbeiter muss dem Arbeitgeber durch die Auskunft keinen Kündigungsgrund liefern, es sei denn, es liegt eine besondere rechtliche Grundlage vor.340 Nach einer Meinung in der Literatur könne eine solche im besonderen schutzwürdigen Informationsinteresse des Arbeitgebers gesehen werden, welches aber nicht identisch mit dem Beweisführungsinteresse im Kündigungsschutzprozess sein dürfe.341 Liegt kein besonderes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Auskunftserteilung vor, dürfte die Auskunftserteilung bei Selbstbelastung für den Mitarbeiter in der Regel aber sowieso unzumutbar sein.342 Auch insoweit ist fraglich, ob besondere schutzbedürftige Interessen des Arbeitgebers es rechtfertigen sollten, dass der Mitarbeiter an seiner eigenen Kündigung mitwirkt. Es dürfte – wie bereits ausgeführt – interessengerechter sein, den Auskunftsanspruch von § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG unberührt zu lassen und den Mitarbeiter über ein Beweisverwertungsverbot im Kündigungsschutzverfahren zu schützen.343 d) Anzeigepflicht hinsichtlich Taten von Arbeitskollegen? Fraglich erscheint, ob die Auskunftspflicht, insbesondere die Schadensabwendungspflicht auch so weit reicht, dass der Mitarbeiter schädigende Handlungen seiner Kollegen dem Arbeitgeber anzeigen muss. Neben dem BGH344 und dem BAG345 bejahen dies auch einige Stimmen in der Literatur346. Zu weit gehe es aber, 339 340

1271.

Siehe oben unter C.IV.2.b). BAGE 81, 15, 22 f.; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 21; Eufinger, in: DB 2017, 1266,

341 Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 152; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 282; zustimmend Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 242; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1271 fordert eine notstandsähnliche Situation; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 92 sieht die Schadensabwendungspflicht als besondere rechtliche Grundlage an. 342 Vgl. BAG, NJW 2009, 1897, 1898, wobei jedoch zu beachten ist, dass sich diese Entscheidung auf eine private Straftat der Arbeitnehmerin bezog, welche nicht im (direkten) Zusammenhang zur Arbeitsleistung stand, vgl. Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 298. 343 Siehe dazu oben unter C.IV.2.b) und unten unter E.III.4. 344 BGH, NJW-RR 1989, 614, 615; vgl. auch BAGE 6, 82, 87, das eine Pflichtverletzung durch Unterlassen offen ließ, aber in Betracht zog. 345 BAGE 22, 375. 346 Mansel, in: Jauernig BGB, § 611 Rn. 25; Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 15. Teil Rn. 174. Einschränkend: Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 137 f.; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 243; Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 614; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 64; Greeve, in: StraFo 2013, 89, 94; Potocˇ ic´, Kor-

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

dem Mitarbeiter die Meldung jeglicher Schäden und Schadensdrohungen durch ihm bekannt gewordene Unredlichkeiten von Arbeitskollegen aufzuerlegen.347 Ausnahmen sind aber anzunehmen, wenn der Mitarbeiter zur Überwachung des anderen Mitarbeiters verpflichtet war.348 Dies gilt nach der Rechtsprechung des BAG auch bei sogenannten „aktualisierte[n] Überwachungs- und Kontrollpflichten“, die sich aus einem bestimmten gegebenen Anlass und der Stellung des Mitarbeiters ergäben und Teil der arbeitsvertraglichen Treuepflicht seien.349 Danach soll ein Mitarbeiter seinem Arbeitgeber schädigende Handlungen eines anderen Mitarbeiters anzeigen müssen, wenn diese Handlung in seinem Aufgabenbereich stattfinde bzw. stattgefunden habe und eine Wiederholungsgefahr bestehe.350 4. Zwischenergebnis Die Auskunftspflicht des Mitarbeiters wird abhängig von dessen Grundlage unterschiedlich stark durch die mittelbare Drittwirkung des nemo-tenetur-Grundsatzes begrenzt. Bei der Auskunftspflicht nach § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) zum direkten Arbeitsbereich ist der Mitarbeiter grundsätzlich verpflichtet, auch selbstbelastende Tatsachen zu offenbaren. Bei dem Auskunftsanspruch aus §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB ist dem Mitarbeiter eine solche Selbstbelastung in der Regel unzumutbar. Aufgrund des fehlenden direkten Bezugs zum Arbeitsbereich muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters im Rahmen der Abwägung der Interessen deutlich stärker berücksichtigt werden. Daher kann nur ausnahmsweise eine umfassende Auskunftspflicht angenommen werden, wenn der Arbeitgeber durch die vermutete Tat geschädigt wurde und er die Informationen gegebenenfalls für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs benötigt, durch die Auskunft eine dem Arbeitgeber konkret drohende existenzgefährdende Belastung oder eine Gefahr für Leib oder Leben anderer abgewendet werden kann, oder es sich um einen Mitarbeiter in einer Führungsposition handelt. Insgesamt lässt ruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 236. A.A. Diller, in: DB 2004, 313, 314; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211. 347 BGH, NJW-RR 1989, 614, 615; nach Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 611 Rn. 1082 kann von einer Anzeige abgesehen werden, solange kein Personenschaden oder erheblicher Sachschaden droht; Oberthür, in: ArbRB 2011, 184. 348 BGH, NJW-RR 1989, 614, 615 m.w.N.; BAGE 22, 375; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 614; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 64; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1976; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 299. 349 BAGE 6, 82, 83; BAGE 22, 375, 377; zustimmend Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 614; Eufinger, in: BB 2016, 1973, 1976. 350 BAGE 22, 375, 377; so auch LAG Hamm, BB 1994, 2352; zustimmend Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 614; Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170, 171; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 64; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 208; ähnlich Lützeler/MüllerSartori, in: CCZ 2011, 19; für Mitarbeiter-Zeugen auch Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 212.

V. Sonstige Rechte und Pflichten im Rahmen des Mitarbeiterinterviews

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sich feststellen, dass der Umfang der Auskunftspflicht sinkt, umso weniger die Auskunft den Arbeitsbereich betrifft.351 Zudem geht die arbeitsrechtliche Auskunftspflicht über mögliche Mitwirkungspflichten eines Beschuldigten im Strafverfahren weit hinaus. Eine Lösung des Konflikts zwischen Selbstbelastungsfreiheit des Mitarbeiters und den Rechten des Arbeitgebers kann zudem nicht überzeugend auf der arbeitsrechtlichen Ebene durch ein generelles Auskunftsverweigerungsrecht unabhängig von der Anspruchsgrundlage gefunden werden. Deshalb kann auch keine generelle Belehrungspflicht des Arbeitgebers über ein Auskunftsverweigerungsrecht begründet werden.352 Eine Lösung muss vielmehr in den Bereichen der Informationsweitergabe und der Verwertung im Strafverfahren gesucht werden.353

V. Sonstige Rechte und Pflichten im Rahmen des Mitarbeiterinterviews Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Mitarbeiterinterviews hat der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) in den Thesen der Bundesrechtsanwaltskammer zum Unternehmensanwalt im Strafrecht (BRAK-Thesen) Empfehlungen herausgegeben.354 Die dort befürwortete generelle Übertragung strafprozessualer Grundsätze auf die Situation der Mitarbeiterbefragung kann jedoch nicht überzeugen.355 Nach den unverbindlichen356 Thesen soll eine Umgehung des 351 So auch Reeb, Internal Investigations, S. 96; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 200; Wewerka, Internal Investigations, S. 232; Greeve, in: StraFo 2013, 89, 94; vgl. Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 80. 352 Rudkowski, in: NZA 2011, 612; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 23; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 62; Gänswein/Hiéramente, in: NZKart 2017, 502, 507; Greeve/Tsambikakis, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 18 Rn. 22; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 122 ff.; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136 Rn. 7a; ähnlich Wewerka, Internal Investigations, S. 258; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 163, der jedoch annimmt, dass der Mitarbeiter aufgrund der Fürsorgepflicht zumindest auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen hingewiesen werden muss. Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 209 und Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 212 lehnen eine Belehrungspflicht auch dann ab, wenn in Einzelfällen ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehen sollte; so auch Veit, in: ZRFC 2017, 171, 174. Generell für private Ermittlungen BGH, NStZ 2011, 596, 597. 353 So lösen es auch das BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss, BVerfGE 56, 37; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 87 f.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 166. A.A. Rudkowski, in: NZA 2011, 612, 613. 354 BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010. 355 So auch Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1793; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 18 ff.; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 451; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 124; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 249; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 127; Wewerka, Internal Investigations, S. 324, 326; ähnlich Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 91 f.; a.A. Leipold, in:

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

nemo-tenetur-Grundsatzes verhindert und eine Verwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse erreicht werden.357 Das gelinge nur, wenn die rechtsstaatlichen Standards eines staatlichen und justizförmigen Verfahrens gewährleistet würden. Insoweit soll der Mitarbeiter ein Recht auf Anwesenheit eines Verteidigers haben und darüber belehrt werden. Außerdem sollen unlautere Einwirkungen, insbesondere solche nach § 136a StPO vermieden und der Mitarbeiter nicht bedrängt werden, sich selbst zu belasten oder auf Rechte zu verzichten, die dem Mitarbeiter als Beschuldigten im Strafverfahren zustehen würden. Daneben dürfe die Willensfreiheit des Mitarbeiters nicht beeinträchtigt werden, insbesondere sei eine Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zur Erzwingung einer Aussage unzulässig. Des Weiteren sei der Mitarbeiter darüber zu belehren, dass Aufzeichnungen der Befragung gegebenenfalls an Behörden weitergegeben werden und dort gegen ihn verwertet werden können. Die Befragung müsse zudem schriftlich dokumentiert und auf Verlangen des Mitarbeiters ein Protokoll angefertigt werden, in welches der Mitarbeiter Einsicht nehmen könne und welches er genehmigen müsse. In die gleiche Richtung geht auch die Auffassung von Lammer, nach dem ein Unternehmen bei Internal Investigations immer dann die staatlichen Maßstäbe (also die StPO) wahren müsse, wenn eine gezielte Aufklärung des Sachverhalts bezweckt sei.358 Dass sich die StPO aber eigentlich nicht an den Unternehmensanwalt richtet, erkennt insoweit auch die BRAK in ihren Thesen an.359 Die Übertragung der StPO Regelungen kann bereits in Anbetracht der gesetzlichen Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung des Unternehmens bei einem Verdacht auf Straftaten, dem berechtigten eigenen Interesse an der umfassenden Aufklärung – gegebenenfalls auch unabhängig von einer Kooperation mit den Ermittlungsbehörden – und der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit dieser Aufklärung nicht überzeugen360. Jede Internal Investigation, unabhängig von ihren Zielen oder Motiven, bezweckt die Aufklärung des Sachverhalts, was jedoch nicht dazu führen kann, dass die Strafprozessordnung

NJW-Spezial 2011, 56; Lammer, Diskussion zum 67. DJT, Band II/2, S. L127; Sidhu/von Saucken/Ruhmannseder, in: NJW 2011, 881, 883; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 36. 356 Ignor, in: CCZ 2011, 143, 144; Sidhu/von Saucken/Ruhmannseder, in: NJW 2011, 881, 884; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1794; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 20; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 560; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 175; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375; Jahn/Kirsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 33 Rn. 22; Wessing, in: Hauschka/ Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 61; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 323. 357 BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 10. 358 Lammer, Diskussion zum 67. DJT, Band II/2, S. L127; kritisch Jahn, Diskussion zum 67. DJT, Band II/2, S. L142, nach dem diese Auffassung zu weit gehe, da die StPO nicht für Private gelte. 359 BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 10 f. 360 Siehe dazu oben unter B.II.

V. Sonstige Rechte und Pflichten im Rahmen des Mitarbeiterinterviews

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für das private Handeln gilt.361 Zudem ist der Hintergrund der Aussagepflicht des Mitarbeiters gegenüber dem Arbeitgeber ein privatrechtlicher Arbeits- oder Dienstvertrag und kein Strafverfahren,362 in welchem das staatliche Interesse an der Wahrheitserforschung durch die Vorschriften der StPO begrenzt ist363. Auskünfte in internen Untersuchungen und in einem Strafverfahren verfolgen unterschiedliche Ziele, sodass eine generelle intradisziplinäre Übertragung von strafprozessualen Prinzipien aufgrund ins Zivilrecht ausstrahlender Grundrechte nicht gerechtfertigt ist.364 Die gewissermaßen (analoge) Anwendung der StPO-Regeln, wie die BRAK sie fordert, ist zudem auch nicht im Interesse der Beteiligten.365 Für die Staatsanwaltschaft würde dies zu einer „faktische[n] Kompetenzverlagerung“ führen, das Unternehmen müsste auf attraktive arbeitsrechtliche Druckmittel verzichten und für den Mitarbeiter ist die Übertragung ohne die Rechtsschutzinstrumentarien der StPO wertlos.366 Folge der Anwendung wäre eine „Verstaatlichung des Privatrechts“,367 die aufgrund des dadurch geschaffenen privaten Parallelermittlungsverfahrens rechtsstaatlich bedenklich ist368. Außerdem würde die (analoge) Anwendung der StPO-Regelungen dazu führen, dass der Arbeitgeber nicht in der Lage wäre, die (mittelbare) Pflicht zur wirksamen Compliance zu erfüllen.369 Inwieweit der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Situation des Mitarbeiterinterviews in besonderer Weise auszugestalten, dem Mitarbeiter gewisse Rechte zu gewähren und ihn darüber zu belehren, ist daher vielmehr eine Frage der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht370 und der mittelbare Drittwirkung von Grundrechten371, also der 361 Siehe zur Ablehnung dessen bereits oben unter C.III.1.; ähnlich auch Jahn, Diskussion zum 67. DJT, Band II/2, S. L142. 362 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 249; ähnlich Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1793; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 451; vgl. auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 91 f. 363 BGHSt 5, 332, 333 f.; so auch Thomä, Auskunfts- und Betriebsprüfungsrecht der Verwaltung, S. 76. Insbesondere für Beeinträchtigungen des nemo-tenetur-Grundsatzes hat der Gesetzgeber, jedenfalls im Verhältnis des Staates zum Bürger, bereits normativ – durch die Anerkennung und die einfachgesetzlichen Ausprägungen dieses Grundsatzes – die Entscheidung zum grundsätzlichen Überwiegen des Persönlichkeitsrechts gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit getroffen (vgl. Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 148). 364 Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 91 f. 365 Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792. 366 Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514; vgl. auch Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1793. 367 Sarhan, in: wistra 2015, 449, 451, der aber nicht explizit auf die BRAK-Thesen Bezug nimmt, sondern grundsätzlich auf die Übertragung strafprozessualer Vorgaben auf die Situation der Internal Investigation, was den Interessen des Unternehmens widerspreche. 368 Vgl. Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 98 f. 369 Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1793; ähnlich Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 124. 370 So Sidhu/von Saucken/Ruhmannseder, in: NJW 2011, 881, 883, die darauf jedoch die Geltung der gesamten von der BRAK geforderten Thesen stützen; vgl. Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 217 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 243.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

ausgewogenen Interessenabwägung im Arbeitsverhältnis372, statt der Übertragung der rechtsstaatlichen Standards eines staatlichen und justizförmigen Verfahrens. Aus den BRAK-Thesen können insbesondere keine Rechtspositionen hergeleitet werden.373 1. Begleitung durch einen Rechtsanwalt Ob der Mitarbeiter das Recht hat, sich von einem Rechtsanwalt zu dem Interview begleiten zu lassen, ist umstritten.374 Grundsätzlich soll ihm, im Hinblick auf den höchstpersönlichen Charakter des Dienstverhältnisses und des Personalgesprächs, kein Recht dazu zustehen.375 Eine Ausnahme ist aber anerkannt für die Anhörung des Mitarbeiters im Rahmen einer Verdachtskündigung.376 Außerdem bejaht die h.M. das Recht auf Hinzuziehung eines Anwalts, insbesondere wegen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, wenn der Mitarbeiter zu eigenem Verhalten befragt werden soll und eine mögliche Strafbarkeit im Raum steht.377 Daneben soll ausnahmsweise dann ein 371

So Jahn/Kirsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 33 Rn. 22 f.; siehe dazu oben unter C.III.2.c)bb). 372 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 249; vgl. Gädigk, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 19 Rn. 29. 373 Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 323; ähnlich Ignor, in: CCZ 2011, 143, 144. 374 Vgl. insoweit ausführlich Dzida/Klopp, in: ArbRB 2017, 116 ff.; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 829 f.; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1499; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1501; Kottek, Kooperation, S. 83 ff. Im Hinblick auf die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht bejahend: Sidhu/von Saucken/Ruhmannseder, in: NJW 2011, 881, 883; Gerst, in: CCZ 2012, 1, 4; Wewerka, Internal Investigations, S. 99 f.; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 100 f.; bejahend auch Moosmayer, Compliance, Rn. 328; Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 217 f. 375 LAG Hamm, MDR 2001, 1361 f.; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 7; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 244; Vogt, in: NJOZ 2009, 4206, 4213; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178, 179; Zimmer, in: ZRFC 2011, 259, 260 f.; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 24; Dzida/Klopp, in: ArbRB 2017, 116; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 175; Toma, in: CB 2017, 339, 340; Spehl, in: CCZ 2017, 204; Gänswein/ Hiéramente, in: NZKart 2017, 502, 507; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1499; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2375 f.; Galle, in: BB 2018, 564, 568; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 153 f.; Kottek, Kooperation, S. 83; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 110; Moosmayer, Compliance, Rn. 328; Wilsing/Goslar, in: Krieger/ Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 15 Rn. 15.57; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 135; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 246; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 261; a.A. Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270. 376 BAG, NZA 2008, 809, 811; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 28; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 175. 377 ArbG Berlin, Urt. v. 08. 07. 2005 – 28 Ca 10016/05 – juris, Rn. 45; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 244; Leipold, in: NJW-Spezial 2011, 56; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 212; Dzida/Klopp, in: ArbRB 2017, 116 f.; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1501; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2376; Galle, in: BB 2018, 564, 568; Joussen, Sicher

V. Sonstige Rechte und Pflichten im Rahmen des Mitarbeiterinterviews

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Recht auf anwaltliche Begleitung bestehen, wenn sich auch der Arbeitgeber anwaltlich vertreten lässt.378 Dementsprechend dürfte dem Mitarbeiter regelmäßig unter beiden Aspekten das Recht auf Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zustehen, da das Interview oftmals der Klärung eines Straftatverdachts dient und die Befragung in der Regel durch Rechtsanwälte auf Unternehmensseite vorgenommen wird. 2. Protokollierung des Interviews und Einsichtnahme Das von den BRAK-Thesen geforderte Recht des Mitarbeiters, eine Protokollierung des Interviews verlangen zu können,379 lässt sich im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht vertreten. Da die Anfertigung eines Protokolls dem Mitarbeiter im Zweifelsfall eher schadet als ihn schützt, weil damit ein gegebenenfalls beschlagnahmefähiges Beweismittel geschaffen würde,380 erscheint es interessengerecht, die Anfertigung eines solchen Protokolls in sein Belieben zu stellen. Dies sollte jedoch nur im Hinblick auf ein Wortprotokoll gelten; sonstige Notizen der Befragenden dürfte der Mitarbeiter nicht untersagen können. Auch wenn zwar die Anfertigung eines Wortprotokolls nicht durch überwiegende Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein dürfte, sind Notizen bei gegebenenfalls mehrstündigen Interviews notwendig, um die Informationen später zur Sachverhaltsaufklärung nutzen zu können. Da das Interview gerade handeln bei Korruptionsverdacht, S. 154; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 101; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 306; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 136. Dazu tendierend auch Vogt, in: NJOZ 2009, 4206, 4213; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 24. Vgl. auch Sidhu/von Saucken/Ruhmannseder, in: NJW 2011, 881, 883; Gerst, in: CCZ 2012, 1, 4; Toma, in: CB 2017, 339, 340; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 111; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 247 f. 378 Dies wird zum einen auf das Prinzip der Waffengleichheit gestützt: Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Zimmer, in: ZRFC 2011, 259, 260 f.; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 85; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 172; Bernhardt/ Bullinger, in: CB 2016, 205, 207; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 212; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 175; Eufinger, in: NZA 2017, 619, 622; Mengel, in: NZA 2017, 1494, 1499; Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 176; Tscherwinka, in: FS I. Roxin, 521, 533; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 154; Kottek, Kooperation, S. 84; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 110 f.; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 101; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 306; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 139 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 246 f.; vgl. auch LAG Hamm, MDR 2001, 1361, 1362, nach dem dieser Grund als Ausnahme denkbar erschien; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 22; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 63; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2376; Toma, in: CB 2017, 339, 340; Wilsing/Goslar, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 15 Rn. 15.57; Reichold, in: Richardi, MHB ArbR, § 55 Rn. 7. 379 BRAK-Stellungnahme-Nr. 35/2010, S. 11. 380 So im Fall der HSH Nordbank, vgl. LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris; so auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 250. Diese Tatsache zwar anerkennend, aber dennoch eine Empfehlung zur (wörtlichen) Protokollierung abgebend: Dann/ Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 271; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1449; Zimmermann/ Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 213.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

der Sachverhaltsaufklärung dient, muss es dem Arbeitgeber gestattet sein, die für ihn wesentlichen Inhalte zu notieren. Somit ist es interessengerecht, dass der Mitarbeiter zwar ein Wortprotokoll einfordern, sonstige Notizen jedoch nicht untersagen kann. Darüber sollte der Arbeitgeber den Mitarbeiter auch belehren. Im Hinblick auf ein mögliches Einsichtsrecht in ein etwaiges Protokoll, welches nach den BRAK-Thesen ebenfalls erforderlich ist, hat das Arbeitsrecht mit § 83 BetrVG381 bereits eine hinreichende Regelung zum Schutz des Arbeitnehmers getroffen,382 wonach er das Recht hat, Einsicht in die Personalakte zu nehmen. Es ist jedoch umstritten, ob es sich bei den Protokollen um Teile der Personalakte, also um „Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Bediensteten betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen“383 handelt.384 Sollte sich die Befragung – was regelmäßig der Fall sein dürfte – aber auf die Tätigkeit oder Wahrnehmungen bei dieser beziehen, stehen die Angaben des Mitarbeiters im Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis, sodass diese nach der hier vertretenen Ansicht unter den Begriff der Personalakte fallen.385 Sollte man eine Zugehörigkeit zur Personalakte ablehnen, dürfte dem Mitarbeiter aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und dem mittelbar geltenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters kein Einsichtsrecht zustehen, da er den geschilderten Sachverhalt kennt und daher kein Informationsbedürfnis ersichtlich ist386. Autoren, die § 83 BetrVG gar nicht erst heranziehen, lehnen ein Einsichtsrecht dementsprechend ebenfalls ab.387 Insoweit dürfte eine solch differenzierte Lösung interessengerecht sein.

381 In datenschutzrechtlicher Hinsicht könnte ein Einsichtsrecht auch nach § 34 Abs. 1 S. 1 BDSG bestehen, was jedoch nicht näher thematisiert werden soll. 382 So auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 249 f.; vgl. auch Wewerka, Internal Investigations, S. 103. 383 BAG, BeckRS 1985, 30715274 m.w.N.; BAGE 136, 156, 158. 384 Ablehnend: Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1449; Bernhardt/Bullinger, in: CB 2016, 205, 209; a.A. Klasen/Schaefer, in: DB 2012, 1384 f.; Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 177; Kottek, Kooperation, S. 86; Wewerka, Internal Investigations, S. 103; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 249 f.; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 148; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 144; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 251. Eine vermittelnde Auffassung vertritt Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 309 f. m.w.N. 385 Ähnlich auch Klasen/Schaefer, in: DB 2012, 1384 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 103. 386 Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1797. 387 Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1797; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 25; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 26; Spehl/Momsen/Grützner, in: CCZ 2014, 170, 172; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 213; Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2378.

V. Sonstige Rechte und Pflichten im Rahmen des Mitarbeiterinterviews

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3. Belehrungen des Mitarbeiters Überzeugend ist es auch, den Arbeitgeber aufgrund seiner arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht zu verpflichten, den Mitarbeiter aufgrund dessen Informationsbedürfnis darüber zu belehren, dass offenbarte Informationen gegebenenfalls an Behörden weitergegeben und dort gegen ihn verwertet werden können.388 Dies sollte jedenfalls dann geschehen, wenn sich der Arbeitgeber bereits zur Kooperation mit den Ermittlungsbehörden entschieden hat.389 Ebenso sollte der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht auch dazu verpflichtet sein, den Mitarbeiter über Konsequenzen einer Verweigerung der Auskunft zu informieren.390 Auch wenn in praktischer Hinsicht fraglich ist, was der Mitarbeiter durch eine solche Belehrung tatsächlich gewinnt391 – der Konflikt der Selbstbelastung oder Inkaufnahme arbeitsrechtlicher Konsequenzen bleibt insoweit der Gleiche – sollte eine solche für den Arbeitgeber unproblematisch durchführbare Belehrung aufgrund eines Transparenzgewinns für den Mitarbeiter stattfinden.392 Im Hinblick auf die daneben von der BRAK geforderte Vermeidung unlauterer Einwirkungen bzw. unzulässiger Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO und des Verzichts auf die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen, ist der Mitarbeiter durch das Strafrecht (insbesondere § 240 StGB) bereits ausreichend geschützt.393 Dass im Übrigen keine generelle Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO erforderlich ist, wurde bereits festgehalten.394

388

Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Jahn, in: StV 2009, 41, 42; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178, 179; Leipold, in: NJW-Spezial 2011, 56; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 271; Theile, in: StV 2011, 381; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 217 f.; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 571; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 272; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 123; Leitner, in: FS Schiller, 430, 438; Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 25 f.; Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 219; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 196; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 708; Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 678, 684; Kottek, Kooperation, S. 83; Wewerka, Internal Investigations, S. 98; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 98 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 245; vgl. auch Krug/Skoupil, in: NJW 2017, 2374, 2377 f. 389 Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178, 179 fordern eine Belehrung darüber sogar, wenn diese Entscheidung noch nicht getroffen wurde. 390 So auch Sidhu/von Saucken/Ruhmannseder, in: NJW 2011, 881, 883; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 161 ff. 391 Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 162. 392 Sidhu/von Saucken/Ruhmannseder, in: NJW 2011, 881, 883; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 163. 393 So auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 249; siehe auch unten unter C.VI.3. 394 Siehe dazu oben unter C.IV.4.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

Zudem sollten die internen Ermittler darüber aufklären, dass sie ausschließlich im Auftrag und Interesse des Unternehmens handeln.395 Dass der Mitarbeiter daneben über den Zweck der Befragung aufzuklären ist, dürfte selbstverständlich sein.396 4. Zwischenergebnis Somit lassen sich zwar nicht alle, aber einige Forderungen der BRAK mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers oder der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte begründen. Eine Übertragbarkeit der StPO-Regelungen ist jedoch nicht interessengerecht. Sollte der Arbeitgeber gegen die Anforderungen aus der Fürsorgepflicht verstoßen, liegt mangels Ableitung der Rechte und Pflichten aus der StPO nur ein privatrechtlicher Rechtsverstoß vor, der keinen Einfluss auf eine etwaige Beweisverwertung haben kann.397

VI. Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten Nach dem zuvor Festgestellten ist der Mitarbeiter grundsätzlich zur Teilnahme an einem Interview, zur Auskunft und zumindest für den unmittelbaren Arbeitsbereich auch zur Selbstbelastung verpflichtet.398 Weigert sich der Mitarbeiter an dem Interview teilzunehmen oder verweigert er die Aussage zu Unrecht, stellt sich die Frage nach der Durchsetzung dieser Nebenpflicht und den Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers. Obwohl eine zwangsweise Durchsetzung in der Praxis eher selten sein wird, ist sie dennoch nicht ausgeschlossen. Wahrscheinlicher dürften jedoch arbeitsrechtliche Sanktionen sein. Ob die Androhung arbeitsrechtlicher Sanktionen oder einer zwangsweisen Durchsetzung zur Erreichung der Aussage auf materiellrechtliche Grenzen stößt, wird ebenfalls im Folgenden behandelt.

395

Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447; Zimmermann/Lingscheid, in: CB 2013, 23, 25; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 119; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 66, 146 f.; zum heterogenen Bild in der Praxis vgl. Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 835 ff. 396 Ebenso Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 66. 397 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 256 f., nach dem die Einhaltung der Rechte aber bei der Beurteilung eines Beweisverwertungsverbots nach dem fair-trial-Grundsatz einzubeziehen ist. 398 Siehe oben unter C.IV.4.

VI. Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten

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1. Arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten Als arbeitsrechtliche Sanktionen kommen neben der Aufforderung, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, insbesondere die Gehaltskürzung, Schadensersatz und eine Kündigung in Betracht.399 Die Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung richtet sich nach den §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB analog.400 Danach kann eine eidesstattliche Versicherung verlangt werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden ist. Jeder Auskunftsanspruch ist mit einem Recht auf eine eidesstattliche Versicherung versehen, auch über die konkreten Tatbestände der § 259 BGB (Rechnungslegung) und § 260 BGB (Auskunft über den Inbegriff von Gegenständen) hinaus.401 Da die Nebenpflicht zur Auskunft und der Gehaltsanspruch auf dem Arbeitsverhältnis beruhen, also „demselben rechtlichen Verhältnis“ nach § 273 Abs. 1 BGB, kann der Arbeitgeber bei Nichterfüllung der Auskunftspflicht daneben gemäß § 273 Abs. 1 BGB das Gehalt teilweise bis zur Erfüllung der Pflicht durch den Mitarbeiter zurückbehalten402. Dabei sind jedoch die Besonderheiten des Arbeitsvertrages zu beachten, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, § 242 BGB und die dem Arbeitgeber obliegende Fürsorgepflicht.403 Da ein Mitarbeiter regelmäßig auf das Gehalt angewiesen ist und die Einbehaltung des gesamten Gehalts existenzbedrohend sein kann, ist bei der Höhe der Zurückbehaltung richtigerweise zumindest die Pfändungsfreigrenze nach § 850c ZPO zu beachten; die Höhe ist des Weiteren von der bezweckten Zwangswirkung abhängig.404 Bei einem gut verdienenden Mitarbeiter wird eine Zwangswirkung erst mit einer höheren Zurückbehaltungssumme eintreten, als bei einem gering verdienenden. Zudem ist das Interesse des Arbeit-

399 Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1854; Jahn, in: StV 2009, 41, 42; Reichert, in: ZIS 2011, 113, 119; Reeb, Internal Investigations, S. 4 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 114 ff.; vgl. auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 198. 400 Lorenz, in: BeckOK BGB, § 260 Rn. 38; Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706. 401 Lorenz, in: BeckOK BGB, § 260 Rn. 38; vgl. Krüger, in: MüKo BGB, § 260 Rn. 2. 402 Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1854; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 63; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 150; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 747; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 116; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 198. 403 Krüger, in: MüKo BGB, § 273 Rn. 42, 73; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24. 404 Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 150; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 169; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 116.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

gebers bzw. Unternehmens an der Mitwirkung des Mitarbeiters zu berücksichtigen.405 Stellt die Verweigerung der Auskunft eine schuldhafte Pflichtverletzung des Mitarbeiters dar, kann der Arbeitgeber bei einem kausalen Schaden auch Schadensersatz vom Mitarbeiter fordern.406 Dieser ergibt sich bei einer Nebenpflichtverletzung aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (Schadensersatz neben der Leistung).407 Fraglich ist insoweit, ob der Mitarbeiter die Pflichtverletzung zu vertreten hat, also ob er bei der Verweigerung der Aussage hätte erkennen müssen, dass eine Aussagepflicht besteht, oder ob ein unvermeidbarer Rechtsirrtum vorlag.408 Daneben ist auch das Haftungsprivileg von Arbeitnehmern zu beachten.409 Problematisch dürfte zudem ein kausaler und in der Höhe bezifferbarer Schaden sein,410 da die Auskunftsverweigerung in der Regel keinen messbaren Gegenwert haben dürfte. Daneben ist fraglich, ob ein verfahrensrechtlicher Nachteil als Schaden vom Schutzzweck der Aussagepflicht umfasst ist.411 Insgesamt dürfte ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers wegen verweigerter Auskunft daher regelmäßig ausscheiden. Eine Vertragsstrafe nach § 339 S. 1 BGB kommt in Betracht, wenn der Mitarbeiter dem Arbeitgeber für den Fall der Nichtaussage die Zahlung einer Geldstrafe versprochen hat. Dieses Versprechen muss bestimmt genug sein und klar erkennen lassen, welche Pflicht durch das Versprechen gesichert werden soll.412 In der Praxis wird dies nur selten vorkommen,413 sodass auch eine Vertragsstrafe als Sanktion regelmäßig ausscheidet. 405

Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706. Klein, in: NZA 1998, 1208, 1210; Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1279; Mengel/Ullrich, in: NZA 2006, 240, 246; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1854; vgl. auch Anders, in: wistra 2014, 329; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 126 f. 407 Vgl. Klein, in: NZA 1998, 1208, 1210 und Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1274. Zu der Abgrenzung zwischen Schadensersatz neben und statt der Leistung bei der Nebenpflichtverletzung vgl. Schulze, in: Schulze, HK-BGB, § 280 Rn. 10 ff. 408 Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1279 f.; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24; Klasen/Schaefer, in: BB 2012, 641, 646; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 126 f. 409 Danach haftet der Arbeitnehmer bei einfacher Fahrlässigkeit gar nicht und bei normaler Fahrlässigkeit wird die Haftung geteilt (BAGE 5, 1, 4 f. (grundlegend); BAGE 78, 56, 60; BAGE 101, 107, 113; BAG, NJW 2011, 1096, 1097; BAG, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 137; Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1280; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 126). Dieses Haftungsprivileg soll auch für Geschäftsführer und andere Dienstvertragsinhaber gelten, die eine arbeitnehmerähnliche Stellung haben, also wenn die Tätigkeit fremdbestimmt ist und sie in fremden Interesse liegt (LG Bonn, NJW-RR 1995, 1435, 1436). 410 Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 155; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1447, 1448; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 127. 411 Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1280. 412 BAG, Urt. v. 27. 04. 2000 – 8 AZR 301/99 – juris, Ls. 413 Vgl. Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1281; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 133. 406

VI. Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten

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Die Kündigung des Arbeits- oder Dienstvertrags kommt bei der Verletzung vertraglicher Pflichten nur als ultima ratio in Betracht.414 Zuvor muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter zumindest abmahnen,415 was gegebenenfalls vom Mitarbeiter schon als eigenständige Sanktion empfunden wird416. Verweigert der Mitarbeiter weiterhin die Auskunft, obwohl er zur Auskunft verpflichtet ist, kann ihn der Arbeitgeber aus verhaltensbedingten Gründen ordentlich oder (in extremen Fällen) außerordentlich kündigen.417 In Betracht kommt die Kündigung aber in der Regel nur, wenn der Mitarbeiter positiv weiß, dass er zur Aussage verpflichtet ist.418 Das Maß der Pflichtverletzung hängt dabei aber auch von der Stellung des Mitarbeiters ab; Führungskräfte, die trotz Verpflichtung nicht aussagen, können eher (außerordentlich) gekündigt werden als Mitarbeiter niedrigerer Hierarchiestufen.419 Zu beachten ist aber, dass die Auskunftspflicht aus § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entfällt, auch wenn keine Teilnahme an einem Interview mehr gefordert werden kann.420 Besteht zum Zeitpunkt des Interviews bereits ein objektiv durch Tatsachen begründeter dringender Verdacht einer schwerwiegenden Zuwiderhandlung gegen arbeitsvertragliche Pflichten oder gegen Strafgesetze durch den Mitarbeiter, kann dieser Verdacht eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn dieser geeignet ist, das für die Fortsetzung der Zusammenarbeit benötigte Vertrauensverhältnis zu zerstören.421 Wirksamkeitsvoraussetzung einer Verdachtskündigung ist, dass der Arbeitgeber den Mitarbeiter zunächst anhört.422

414 Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1281; Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1707; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1854; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24; Henssler, in: MüKo BGB, § 626 Rn. 87 ff.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 150; Wewerka, Internal Investigations, S. 261. 415 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26. 02. 2016 – 1 Sa 358/15 – juris, Rn. 76 ff.; Göpfert/ Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1706; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 63; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 747; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 150; Wewerka, Internal Investigations, S. 261; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 115. Zur außerordentlichen Kündigung vgl. Fuchs/Baumgärtner, in: BeckOK BGB, § 626 Rn. 9 ff.; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 168. 416 Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 168. 417 Klein, in: NZA 1998, 1208, 1210; Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1281; Göpfert/Merten/ Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1707; Schrader/Mahler, in: NZA-RR 2016, 57, 63; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 747; vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26. 02. 2016 – 1 Sa 358/15 – juris. 418 Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1281. 419 Vgl. Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1281. 420 Siehe dazu oben unter C.I.2. 421 Statt aller Niemann, in: ErfK ArbR, § 626 BGB Rn. 173 ff.; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 21. 422 BAG, NJOZ 2003, 2259, 2261 f.; BAG, NZA-RR 2008, 344, 346; Niemann, in: ErfK ArbR, § 626 BGB Rn. 178; Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 21.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

In extremen Ausnahmefällen kommt die Versagung oder Kürzung der Betriebsrente in Betracht, welche Entgelt für bereits geleistete Arbeit und bisher entgegengebrachte Betriebstreue ist und gemäß § 1b BetrAVG einem besonderen Unverfallbarkeitsschutz unterliegt423. Bei der Verweigerung der Aussage kommt diese Maßnahme jedenfalls nicht in Betracht, da sie das nach der Rechtsprechung424 geforderte Maß der Pflichtverletzung nicht erreicht.425 Bei allen Sanktionen ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer426 nach § 612a BGB nicht vom Arbeitgeber benachteiligt werden darf, wenn er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nicht zur Aussage verpflichtet war und er die Aussage rechtmäßig verweigert hat. Dann liegen aber auch die Voraussetzungen der Sanktionen (insbesondere eine Pflichtverletzung) nicht vor. Verweigert der Arbeitnehmer unzulässig seine Aussage, ist der Arbeitgeber berechtigt, Pflichtverletzungen ohne Verstoß gegen § 612a BGB zu beanstanden, da dieser nicht die Verletzung arbeitsvertraglicher Haupt- und Nebenpflichten rechtfertigt.427 Mit der Androhung von Sanktionen kann das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter nachhaltig belastet werden, sodass ein Verzicht darauf sinnvoller sein kann.428 In Anbetracht der oben genannten Voraussetzungen bleiben dem Arbeitgeber in der Praxis sowieso kaum wirksame Durchsetzungsmöglichkeiten.429 Sinnvoller dürfte daher meist eine arbeitsrechtliche Amnestiegewährung zur Erreichung der umfassenden Aussage sein.430

423

Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1282. Bejaht wurde ein Eingriff in den Anspruch auf Betriebsrente durch die Rechtsprechung nur, wenn ein besonders wichtiger Verstoß gegen die Dienstpflichten vorliegt, dieser dem Unternehmen einen schweren, existenzbedrohenden Schaden zugefügt hat und sich dadurch die Betriebstreue nachträglich als wertlos erweist (BAG, NZA 1990, 807 f.; BGH, DStR 1994, 146 f.; BGH, NJW-RR 1997, 348 f.; BGH, NJW 2000, 1197; vgl. auch Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1282). Der BGH hat dies für eine Schadenszufügung in Höhe von (damals) DM 1 Milliarde angenommen (BGH, DStR 1994, 146 f.). 425 Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1282; vgl. auch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 134 f. 426 An dieser Stelle wird der Begriff Arbeitnehmer verwendet (unter den im Rahmen des § 612a BGB auch leitende Angestellte fallen), da § 612a BGB nicht auf freie Dienstverträge (z. B. Geschäftsführer-Dienstvertrag) anwendbar ist, Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 612a Rn. 4 m.w.N. 427 Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 612a Rn. 9. 428 Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 156. 429 Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24. 430 Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 833 f. 424

VI. Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten

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2. Zwangsweise Durchsetzung Daneben kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht431 oder dem Zivilgericht auf die begehrte Auskunft verklagen und diese nach Titulierung zwangsweise durchsetzen.432 Allerdings wird dieser Weg aufgrund der langen Verfahrensdauer in der Praxis eher unüblich sein.433 Eine Auskunft ist als unvertretbare Handlung, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt, grundsätzlich nach § 888 Abs. 1 ZPO zwangsweise durchsetzbar.434 Als Zwangsmittel kann das Gericht zunächst ein Zwangsgeld festsetzen oder, wenn dieses nicht beigetrieben werden kann, die Zwangshaft anordnen, § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO. Von der Vollstreckung ausgenommen sind nach § 888 Abs. 3 ZPO Verurteilungen zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag. Der Begriff „Dienstvertrag“ ist zunächst weit auszulegen und umfasst daher auch Arbeitsverträge.435 Fraglich ist aber, ob die Auskunft als „Leistung von Diensten“ angesehen werden kann. Die wohl herrschende Lehre nimmt an, dass von § 888 Abs. 3 ZPO nur die Hauptleistungspflichten des Mitarbeiters, also insbesondere die Arbeitsleistung, umfasst sind.436 431 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG ist das Arbeitsgericht nur für Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zuständig, wonach unter den Begriff des Arbeitnehmers nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht auch Vertretungsorgane oder Mitglieder dessen einer juristischen Person/Personengesamtheit (z. B. Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder) fallen. Nach § 2 Abs. 4 ArbGG kann die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts jedoch zwischen der juristischen Person und ihrem Vertretungsorgan (oder einem Mitglied dessen) vereinbart werden. Wurde eine solche Vereinbarung nicht getroffen, sind für Streitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und diesen Personen die Zivilgerichte zuständig. 432 Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24. 433 Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24; Zimmer, in: ZRFC 2011, 259, 260; Anders, in: wistra 2014, 329, 331; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 263; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 139; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 33, 343; vgl. Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 108 f. 434 Gruber, in: MüKo ZPO, § 888 Rn. 2 f.; Seibel, in: Zöller, ZPO, § 888 Rn. 2 f.; Brox/ Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1076 f.; Laumen, in: Baumgärtel u. a., Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 15 Rn. 22; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 375; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925; Gerst, in: CCZ 2012, 1, 3; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 141 f.; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 156; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 150; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 198. 435 Gruber, in: MüKo ZPO, § 888 Rn. 20; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925; Böhm, NonCompliance und Arbeitsrecht, S. 157; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 199. 436 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 375; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Kottek, in: wistra 2017, 9, 12; Böhm, NonCompliance und Arbeitsrecht, S. 157; Kottek, Kooperation, S. 88 m.w.N.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 150; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 198; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 139; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 251 ff.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 199; im Ergebnis eine Vollstreckbarkeit der arbeitsrechtlichen Auskunftspflicht annehmend auch: Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 102; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 141 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unter-

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

Eine (titulierte) Auskunftspflicht als Nebenleistungspflicht437 wäre demnach vollstreckbar. Rechtsprechung existiert bislang zu dieser Frage nicht. Der Wortlaut des § 888 Abs. 3 ZPO, der von „Leistung von Diensten“ und nicht einfach von „Pflichten“ aus dem Dienstvertrag spricht, könnte insoweit als Argument für das ausschließliche Umfassen der Hauptleistungspflichten herangezogen werden.438 Daneben dürfte der Zweck des § 888 Abs. 3 ZPO sein, dass eine zwangsweise Durchsetzung höchstpersönlicher Leistungen im Zusammenhang mit einem auf Dauer angelegten Dienstvertrag regelmäßig nicht erfolgreich sein würde.439 Zwingt man einen Arbeitnehmer zur Leistung, erscheint es naheliegend, dass die Qualität der Leistung nachlässt. Dieser Zweck wird jedoch durch die Vollstreckung einer Auskunftspflicht nicht gefährdet. Denn die Auskunft hängt nicht unmittelbar mit der Leistung des geschuldeten Dienstes zusammen; die Qualität bestimmt sich vielmehr allein nach dem Wahrheitsgehalt und dem Umfang. Da der Auskunftsumfang und ein mögliches Schweigerecht jedoch bereits Teil des Erkenntnisverfahrens sind und eine Auskunft grundsätzlich nach § 888 Abs. 1 ZPO vollstreckbar ist, spricht mehr dafür, bei § 888 Abs. 3 ZPO zwischen Haupt- und Nebenleistungspflicht zu differenzieren.440 § 888 Abs. 3 ZPO umfasst daher nach der hier vertretenen Ansicht nur Hauptleistungspflichten, sodass eine Auskunftspflicht danach vollstreckbar ist. Ohne auf die Problematik der Haupt- oder Nebenleistungspflicht einzugehen, verneinen jedoch einige Stimmen in der Literatur die Vollstreckbarkeit der Auskunft aufgrund von § 888 Abs. 3 ZPO, weil es sich um eine höchstpersönliche Dienstleistungspflicht handele.441 Der Wortlaut des Abs. 3 stützt dies jedoch nicht. Anhaltspunkte lassen sich aus der Systematik zu Abs. 1 ziehen, wonach für die Vollstreckung erforderlich ist, dass die Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Daraus lässt sich rückschließen, dass eine Handlung nicht vollstreckt werden kann, wenn zusätzlich besondere Qualifikationen/Fähigkeiten für die Vornahme der Handlung erforderlich sind.442 Die Zwangsvollstreckung scheidet danach insbesondere bei höchstpersönlichen künstlerischen und wissenschaftlichen

nehmen, S. 276; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 211; Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 103, 114. A.A. Anders, in: wistra 2014, 329, 331. 437 Diller, in: DB 2004, 313; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1925; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 265; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 148; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 150. 438 Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 252; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 199. 439 Stürner, in: BeckOK ZPO, § 888 Rn. 8. 440 Ähnlich Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 251. 441 Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1279; Anders, in: wistra 2014, 329, 331; Wewerka, Internal Investigations, S. 240. 442 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1078; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, § 888 Rn. 6; Bartels, in: Stein/Jonas, ZPO, § 888 Rn. 16.

VI. Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten

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Leistungen aus.443 Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass alle höchstpersönlichen Pflichten nicht vollstreckbar sind. Höchstpersönliche Pflichten sind solche Pflichten, die nur von dem konkreten Schuldner in Person erfüllt werden können.444 Darunter können sowohl Pflichten fallen, die besondere zusätzliche Fähigkeiten des Schuldners voraussetzen (z. B. künstlerische Leistung), als auch welche, die aus anderen Gründen nur vom Schuldner erbracht werden können. Bei der arbeitsrechtlichen Auskunftspflicht, die wie eine Zeugenpflicht von persönlichen Wahrnehmungen und besonderen Kenntnissen geprägt sein kann, liegt eine höchstpersönliche Pflicht vor445. Sollte man die mit der Auskunft bezweckte Wissenspreisgabe als zusätzliche Fähigkeit ansehen (besonderes Wissen/besondere Kenntnisse), die die Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO ausschließt, wäre die unvertretbare Auskunftspflicht, die nur vom Schuldner persönlich erbracht werden kann, aber nie nach § 888 Abs. 1 ZPO vollstreckbar. Gegen ein solches Verständnis sprechen jedoch zwei Entscheidungen des BGH, nach denen unvertretbare Auskunftspflichten, die nur vom Schuldner aufgrund seines besonderen Wissens erteilt werden konnten, nach § 888 Abs. 1 ZPO vollstreckbar waren.446 Auch in einer weiteren Entscheidung des BGH wurde die Auskunftserteilung als Wissenserklärung höchstpersönlicher Natur angesehen, die Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO bejaht und keine Ausnahme nach § 888 Abs. 3 ZPO angenommen.447 Dass Auskunfts-/Zeugenpflichten erzwingbar sind, zeigt daneben auch die Regelung des § 70 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 StPO, wonach bei unberechtigter Verweigerung des Zeugnisses ein Ordnungsgeld oder eine Ordnungshaft festgesetzt werden kann. Nach der Rechtsprechung kann die Vollstreckung aber ausgeschlossen sein, wenn durch die Durchsetzung Grundrechte verletzt werden.448 Das BVerfG erklärte im Gemeinschuldner-Beschluss ebenfalls, dass die Anordnung von Zwangsmitteln im Einzelfall wegen eines Eingriffs in Art. 2 Abs. 1 GG unzulässig sein kann.449 So entschied das BVerfG im Jahr 2010 einen Fall, in dem das Gericht dem Beklagten ein Zwangsgeld auferlegte, weil es seine Auskunft, keine Kundendaten mitgenommen zu haben, für unglaubhaft hielt.450 Zur Erzwingung der materiellen Wahrheit sei die in §§ 259, 260 BGB geregelte Möglichkeit der Aufforderung zur Abgabe einer ei443

Gruber, in: MüKo ZPO, § 888 Rn. 20; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1078; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, § 888 Rn. 6. 444 Ernst, in: MüKo BGB, § 275 Rn. 39; Lorenz, in: BeckOK BGB, § 267 Rn. 3. 445 So im Ergebnis auch Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1279; Anders, in: wistra 2014, 329, 331; Wewerka, Internal Investigations, S. 240. Für Auskunftspflichten nach dem Insolvenzrecht siehe: Böhm, in: Braun, InsO, § 20 Rn. 7; Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 20 Rn. 17. 446 BGH, NJW-RR 1986, 369 (Auskunft vom ausgleichsverpflichteten Ehegatten); BGH, NJW-RR 2017, 518, 519 (Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes). 447 BGH, NJW-RR 1986, 369; BGH, MDR 2008, 391. 448 BVerfG, NJOZ 2011, 1423, 1424 f.; BGH, NJW 2008, 2919, 2920; so auch Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 252. 449 BVerfGE 56, 37, 50; so auch Anders, in: wistra 2014, 329, 331. 450 BVerfG, NJOZ 2011, 1423, 1424 f.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

desstattlichen Versicherung abschließend, die Unglaubhaftigkeit der Aussage könne bei formaler Vollständigkeit und hinreichender Substantiierung dieser nicht in Zweifel gezogen werden. Bei einem Zwang zur Selbstbelastung könne die Anordnung von Zwangsmitteln im Einzelfall unverhältnismäßig sein. Mangels für ausreichend befundener Verhältnismäßigkeitserwägungen des Beschwerdegerichts im Hinblick auf die Rechtfertigung von gegebenen Eingriffen in Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung) hob das BVerfG die Entscheidungen des LG und des OLG auf.451 Das BVerfG löste den Interessenkonflikt im Gemeinschuldner-Beschluss jedoch wegen der bestehenden schutzwürdigen Interessen der Gläubiger im Insolvenzverfahren nicht durch ein Auskunftsverweigerungsrecht im staatlichen Verfahren, sondern über ein strafrechtliches Beweisverwertungsverbot.452 Dies ist auch nicht zu beanstanden. Wie oben festgestellt, findet bereits eine Abwägung im Rahmen des Auskunftsanspruchs statt,453 sodass ein im Erkenntnisverfahren entschiedener Anspruch auch der Vollstreckung unterliegen muss, wenn sich der Grundrechtseingriff nicht durch die Vollstreckung deutlich vertieft454. Davon ist jedoch in der Regel nicht auszugehen. Es sind insbesondere keine Belange des Mitarbeiters ersichtlich, die gerade die Zwangsvollstreckung ausschließen würden.455 Auch das BVerfG sieht insoweit keine Bedenken hinsichtlich der zwangsweise durchsetzbaren Selbstbelastung, da die zwangsweise Durchsetzung nur die prozessuale Konsequenz aus dem Erkenntnisverfahren sei.456 Gersts Vorschlag einer verfassungskonformen Reduktion des § 888 Abs. 1 ZPO, nach dem eine Selbstbelastung nicht erzwungen werden können soll,457 lässt die Interessen des Arbeitgebers an der Auskunft unberücksichtigt. Außerdem ist nicht verständlich, warum ein Mitarbeiter zwar im Erkenntnisverfahren zur selbstbelastenden Aussage verurteilt werden können soll,

451

BVerfG, NJOZ 2011, 1423, 1424 f. BVerfGE 56, 37, 50. 453 Vgl. oben unter C.IV. 454 BGH, NJW 2008, 2919, 2921; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 252; ähnlich auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 151; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 107; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 199. 455 Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 252 f. 456 BVerfG, BeckRS 2004, 22491, wonach die vollstreckbare Auskunftspflicht jedoch gegebenenfalls eine Ergänzung durch ein strafrechtliches Verwertungsverbot bedürfe. 457 Gerst, in: CCZ 2012, 1, 3. Dem stimmt Raum, in: StraFo 2012, 395, 397 zu, nach dem aber bereits die Auskunftspflicht im Erkenntnisverfahren aufgrund der Selbstbelastung nicht bestehen soll. Er weist außerdem darauf hin, dass weder Parteien (§ 446 ZPO) noch Zeugen (§ 384 Nr. 2 ZPO) zu einer Selbstbelastung gezwungen werden könnten und es daher systemwidrig wäre, wenn eine Selbstbelastung im Zwangsvollstreckungsverfahren durchgesetzt werden könnte. 452

VI. Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten

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dieser Anspruch dann jedoch nicht durchsetzbar sein soll. Dies würde dazu führen, dass das Erkenntnisverfahren und der eingeklagte Anspruch leer liefen.458 3. Materiell-rechtliche Zulässigkeit der Androhung von Sanktionen oder der zwangsweisen Durchsetzung nach § 240 StGB An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob es dem Arbeitgeber materiell-rechtlich erlaubt ist, die Sanktionen für den Fall der Nichtaussage oder der unvollständigen oder nicht wahrheitsgemäßen Aussage anzudrohen. Als strafbewehrte Handlung kommt insbesondere459 die Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in Betracht,460 in der Form der Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Erzwingung der (vollständigen und wahrheitsgemäßen) Aussage. Ob dieser Zwang Auswirkungen in prozessualer Hinsicht hat, wird an späterer Stelle erläutert.461 Im Übrigen wird die grundsätzliche Zulässigkeit von Internal Investigations, mit der sich bereits einige Autoren462 befasst haben, unterstellt. Das für die Nötigung erforderliche Nötigungsmittel der Drohung mit einem empfindlichen Übel wird man bejahen können.463 Stellen die internen Ermittler bzw. der Arbeitgeber die Kündigung oder Ähnliches in Aussicht, stellt dies ein Übel dar, das vom Betroffenen als erhebliche nachteilig empfundene Veränderung des Status Quo (z. B. Verlust des Arbeitsplatzes) empfunden werden kann.464 Diese Nötigung ist jedoch in der Regel nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB.465 Dabei können sowohl ein erlaubtes Mittel zu einem unrechtmäßigen Zweck, als auch ein unerlaubtes Mittel zu einem erlaubten Zweck zur Verwerf458 Ähnlich Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 251. 459 Die ebenfalls möglichen Straftatbestände z. B. der Amtsanmaßung (§ 132 StGB) und der Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) werden aufgrund der geringen Praxisrelevanz nicht thematisiert. 460 Vgl. dazu auch Reeb, Internal Investigations, S. 104 ff.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 112 ff. 461 Siehe dazu unten unter E. 462 Vgl. dazu Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 374; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Theile, in: StV 2011, 381, 385; Knauer/ Gaul, in: NStZ 2013, 192; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 184; Reeb, Internal Investigations, S. 28 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 111 ff.; Kottek, Kooperation, S. 172; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 119 ff.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 253, 256; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 170. 463 Weiß, in: CCZ 2014, 136 f.; Kottek, in: wistra 2017, 9, 11; Schuster, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 12 Rn. 139; Wewerka, Internal Investigations, S. 261; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 112. 464 Vgl. zur Definition der Drohung mit einem empfindlichen Übel statt aller Fischer, StGB, § 240 Rn. 31 ff. 465 So auch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 112 f.

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C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

lichkeit der Zweck-Mittel-Relation führen.466 Da zumindest für den unmittelbaren Arbeitsbereich eine umfassende und wahrheitsgemäße Auskunftspflicht für den Mitarbeiter besteht, und die Verletzung dieser Pflicht zulässigerweise sanktioniert oder zivilgerichtlich durchgesetzt werden kann, ist weder das Nötigungsmittel, noch der angestrebte Zweck verwerflich.467 Ist sowohl das angewandte Mittel erlaubt und besteht (zumindest möglicherweise) ein Anspruch auf die abgenötigte Handlung, kommt es auf das Verhältnis von Mittel und Zweck (Zweck-Mittel-Relation) an.468 Dabei ist eine Gesamtwürdigung von Zweck und Mittel unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.469 Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die Intensität des Zwangs, die Rechte, Rechtsgüter und Interessen von Täter und Opfer und die Motivation des Täters.470 Die Verwerflichkeit ist zu verneinen, wenn eine Konnexität zwischen Mittel und Zweck besteht, die Sachverhalte also zusammenhängen und eine innere Beziehung aufweisen.471 Sowohl die Interessenabwägung,472 als auch die Konnexität des Auskunftsanspruchs mit seiner zivilrechtlichen Durchsetzung oder der Geltendmachung von Rechten aus Verletzungen dieser Auskunftspflicht, führt zu einer rechtmäßigen Androhung dieser473. Eine allgemeingültige Aussage kann an dieser Stelle allerdings nicht getroffen werden; die Strafbarkeit nach § 240 StGB ist immer eine Frage des Einzelfalls. Besteht beispielsweise keine Pflicht zur Aussage, weil Umstände außerhalb des unmittelbaren Arbeitsbereichs betroffen sind, würde ein unrechtmäßiger Zweck verfolgt und eine strafbare Nötigung erscheint möglich.474 Fraglich wäre hinsichtlich der unklaren Rechtslage jedoch das Unrechtsbewusstsein (§ 17 StGB) des internen Ermittlers.475 466

Schuster, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 12 Rn. 140; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 240 Rn. 17. 467 So auch Wewerka, Internal Investigations, S. 261; Schuster, in: Knierim/Rübenstahl/ Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 12 Rn. 142; ähnlich Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 253. 468 Statt aller Schuster, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 12 Rn. 142; Weiß, in: CCZ 2014, 136, 137; Fischer, StGB, § 240 Rn. 40; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 240 Rn. 23; Wewerka, Internal Investigations, S. 261. 469 Fischer, StGB, § 240 Rn. 40; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 240 Rn. 17; Wewerka, Internal Investigations, S. 261. 470 Wewerka, Internal Investigations, S. 262; ähnlich Raum, in: StraFo 2012, 395, 398. 471 BGHSt 5, 254, 258 ff. für die Androhung einer Strafanzeige; Altvater, in: LK-StGB, § 240 Rn. 118; Schuster, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 12 Rn. 142; Fischer, StGB, § 240 Rn. 50; Altvater, in: LK-StGB, § 240 Rn. 118. 472 Vgl. dazu Wewerka, Internal Investigations, S. 262 für den Fall Siemens. 473 Schuster, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 12 Rn. 142; im Ergebnis auch Raum, in: StraFo 2012, 395, 398; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 03. 2009 – VI-2 Kart 10/08 OWi – juris, Rn. 43. 474 So auch Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 29; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 113. 475 Neumann, in: Kindhäuser, NK-StGB, § 17 Rn. 51 f., der jedoch auf die Problematik hinweist, dass ein Irrtum nur bei einem Informationsdefizit und nicht bei einem Regelungs-

VII. Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse

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VII. Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse An dieser Stelle lassen sich die folgenden bisherigen Erkenntnisse festhalten: Zunächst kann festgestellt werden, dass das privatrechtliche Interview durch arbeitsrechtliche Vorschriften beeinflusst und begrenzt wird, nicht jedoch durch strafprozessuale Vorschriften.476 Die äußerste Grenze privatrechtlichen Handelns bildet insoweit das materielle Strafrecht.477 Der Mitarbeiter ist im Hinblick auf Fragen zum unmittelbaren Arbeitsbereich, welche regelmäßig im Rahmen der Internal Investigation gestellt werden, nicht berechtigt, die Aussage aufgrund einer etwaigen Selbstbelastung zu verweigern. Für den Mitarbeiter besteht in diesem Bereich eine Pflicht zur umfassenden Auskunft. Der nemo-tenetur-Grundsatz findet zwar Berücksichtigung über die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, führt jedoch zumindest für den Bereich der Auskünfte, die unmittelbar den Arbeitsbereich des Mitarbeiters betreffen, nicht zu einem „Schweigerecht“ des Mitarbeiters. Da diese umfassenden Auskunftspflichten weiter reichen als im Strafverfahren, sind sie der erste Schritt zur Umgehung der Selbstbelastungsfreiheit des Mitarbeiters. Für Auskünfte zum mittelbaren Arbeitsbereich nach §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB ist dem Mitarbeiter eine Selbstbelastung in der Regel unzumutbar. Aufgrund des fehlenden direkten Bezugs zum Arbeitsbereich muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters im Rahmen der Kriterien der Zumutbarkeit bzw. der Verhältnismäßigkeit nach §§ 242, 275 Abs. 3 BGB deutlich stärker berücksichtigt werden (mittelbare Drittwirkung). Eine umfassende Auskunftspflicht kann nur ausnahmsweise angenommen werden, beispielsweise bei einer Gefahr für Leib oder Leben anderer Mitarbeiter. Selbst wenn jedoch insoweit nicht für alle Fragen eine umfassende Auskunftspflicht angenommen werden kann, besteht aufgrund der arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten und der Wahlmöglichkeit „talk or walk“ ein faktischer Aussagezwang, welcher durch arbeitsrechtliche Amnestieangebote noch verstärkt wird.478 Soweit eine Auskunftspflicht besteht, kann deren Verweigerung zudem insbesondere durch die Zurückbehaltung des Gehalts, die Geltendmachung von Schadensersatz und der Kündigung arbeitsrechtlich sanktioniert werden. Daneben ist die Auskunftspflicht zwangsweise durchsetzbar. Die Androhung dieser Sanktionsmittel defizit (unklare Rechtslage) vorliegen kann. Mangels derzeit verfügbarer dogmatischer Lösungen greift Neumann aber dennoch auf § 17 StGB zurück. 476 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 18, 32; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 249; ähnlich auch Momsen, in: ZIS 2011, 508, 516. 477 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 32; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 249. 478 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 388; Kottek, in: wistra 2017, 9, 10; Reeb, Internal Investigations, S. 103.

136

C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations

oder der zivilrechtlichen Durchsetzung des Auskunftsanspruchs bei unrechtmäßiger Verweigerung der (vollständigen oder wahrheitsgemäßen) Auskunft stellt grundsätzlich keine strafbare Nötigung (§ 240 StGB) dar.

D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen im Rahmen der Kooperation Wenn die betroffenen Mitarbeiter entsprechend ihrer festgestellten Auskunftspflicht im Interview – zumindest hinsichtlich des unmittelbaren Arbeitsbereichs – umfassend und wahrheitsgemäß ausgesagt haben, kann das Unternehmen diese Informationen und weitere Unterlagen (Abschlussbericht, Interviewprotokolle, EMails etc.) im Rahmen der Kooperation den Ermittlungsbehörden offenbaren. Werden selbstbelastende Informationen offenbart, steigert dies die Gefahr der Umgehung der Selbstbelastungsfreiheit des Mitarbeiters erheblich. Kooperation bedeutet dabei, dass das Unternehmen mit den staatlichen Ermittlungsbehörden zur Aufklärung eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts in Kontakt tritt.1 Eine Legitimation der Kooperation lässt sich aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zum einen aus dem strafprozessualen Aufklärungsgrundsatz (z. B. nach §§ 160 Abs. 2, 244 Abs. 2 StPO) herleiten, der es auch gebieten kann, einen kooperativen Kontakt zu Privatermittlern zu suchen.2 Zum anderen kann diese aus der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege aufgrund der begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen der Staatsanwaltschaft hergeleitet werden, sowie aus den Einwirkungsbefugnissen eines Beschuldigten oder Verletzten im Strafverfahren.3 Für eine Kooperation ist dabei charakteristisch, dass die Weitergabe von Informationen zum Gegenstand des Ermittlungsverfahrens freiwillig erfolgt, eine gesetzliche Pflicht besteht dazu nicht.4 Ob das Unternehmen kooperieren sollte, ist dabei immer eine Frage des Einzelfalls, die von der Unternehmensleitung gründlich geprüft werden muss.5 Aufgrund der sich bietenden Vorteile dürfte der Vorstand 1

Sarhan, in: wistra 2017, 336, 338. Sarhan, in: wistra 2017, 336, 340 f.; ähnlich Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 192 f. 3 Sarhan, in: wistra 2017, 336, 340 f.; ähnlich Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 192 f. 4 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 703, 705; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 193; Dann, in: CCZ 2010, 30, 34; Golombek, in: WiJ 2012, 162, 169; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 657; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261; Herrmann/ Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1502; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 54, 148 f. 5 Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 69 ff.; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 705; Golombek, in: WiJ 2012, 162, 169; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 656 f.; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1502; ähnlich Leipold, in: FS Schiller, 418, 423; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 194; zum Risiko für ein Unternehmen vgl. auch Moosmayer, in: CCZ 2013, 218; ähnlich Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 812. 2

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

aufgrund der Sorgfaltspflichten nach § 93 AktG verpflichtet sein, eine solche Kooperation im Einzelfall in Betracht zu ziehen und zu prüfen.6 Entscheidend ist im Rahmen dieser Prüfung auch, ob die Offenbarung von Informationen vor dem Beginn von staatlichen Ermittlungen erfolgen soll/kann (so z. B. bei der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO), indem das Unternehmen der Behörde Rechtsverstöße von sich aus meldet, oder ob – wie im Regelfall7 – nur eine Kooperation parallel zu einem bereits laufenden Ermittlungsverfahren durch Informationsaustausch und Zusammenarbeit mit den Behörden in Betracht kommt.8 In Deutschland sind die Auswirkungen einer Kooperation für ein Unternehmen jedenfalls nicht kodifiziert; dies wird jedoch zunehmend gefordert.9 Diese Forderung gilt insbesondere mit Blick auf die ansteigenden umfassenden Kooperationen, die teilweise von Staatsanwälten eingefordert werden bzw. zu denen diese mit der Androhung von Nachteilen bei fehlender Kooperation anhalten10. Um das Verhältnis zu den Strafverfolgungsbehörden nicht negativ zu beeinflussen, werden sich Unternehmen solchen Forderungen in der Regel unterwerfen.11 Im Hinblick auf die Art und Weise der Kooperation und die Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, die zwischen dem Unternehmen und der Staatsanwaltschaft im Einzelfall abgestimmt wird,12 ergibt sich ein heterogenes Bild in der Praxis.13 Dieses wird in diesem Kapitel zunächst dargestellt, um einen rechtstatsächlichen Eindruck zu ermöglichen. Im Anschluss daran werden die Anforderungen an eine sich sanktionsmildernd auswirkende Kooperation durch Aufklärungshilfe anhand der bisherigen Gesetzeslage und bezüglich angestrebter Reformierungen erläutert. Außerdem wird in diesem Kapitel die Zulässigkeit der Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen unter der Berücksichtigung der Rechte von Mitarbeitern erörtert. Gibt das Unternehmen die selbstbelastende Auskunft des Mitarbeiters aus dem Mitarbeiterinterview (z. B. als Interviewprotokoll) an die Ermittlungsbehörden weiter und möchten diese die Erkenntnisse zur Begründung eines Anfangsverdachts oder als Beweis im Strafverfahren gegen den betroffenen Mitarbeiter heranziehen, besteht die Gefahr, dass das dem Mitarbeiter im Strafverfahren zustehende Schweigerecht nach §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1 StPO (oder als Zeuge nach 6 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 705; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262; Görtz, in: WiJ 2014, 8, 10 geht davon aus, dass sich eine nicht erfolgende Kooperation nicht mit den Sorgfaltspflichten der Organe in Einklang bringen lasse. 7 Kölbel, Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 293. 8 Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261. 9 Vgl. Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 243, 252 f. 10 Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 255; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 656; vgl. Theile/ Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 815 f.; Leipold, in: FS Schiller, 418, 425. 11 Vgl. Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 657. 12 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 704; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 75. 13 Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 838 f.

I. Kooperation in der Praxis

139

§ 55 StPO) ausgehöhlt wird14. Zum Schutz des Mitarbeiters wird diesbezüglich zum einen ein Offenbarungsverbot und zum anderen eine Anonymisierungspflicht für die Unterlagen vertreten.15 Auf diese Lösungsmöglichkeiten auf der Zwischenebene zwischen Arbeits- und Straf-/Strafprozessrecht, also auf der Ebene des Transfers der Ermittlungsergebnisse aus der Internal Investigation in das Ermittlungsverfahren, wird in diesem Kapitel ebenfalls eingegangen.

I. Kooperation in der Praxis Die Kooperation des Unternehmens mit der Staatsanwaltschaft ist vielschichtig. Es existieren, mit Ausnahme von Spezialregelungen z. B. im Kartellrecht (sogenannte Bonusregelung), keine Regelungen in Deutschland über den Ablauf oder die Folgen einer solchen Kooperation.16 Etwaige Sanktionsmilderungen liegen also allein im Ermessen der zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht,17 was zu erheblichen Unterschieden in der Praxis bei der Berücksichtigung von Aufklärungshilfe führt18. Zudem können auch Absprachen z. B. in einem informellen Gespräch mit der Staatsanwaltschaft getroffen werden.19 Eine einheitliche Handhabung existiert nicht, was zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt.20 Für das Unternehmen besteht dabei auch immer die Gefahr, dass die interne Aufklärung von Fehlverhalten und die Offenbarung dessen keine mildernden Auswirkungen hat, sondern die Offenbarung mit hohen Geldbußen sanktioniert wird.21 Auch die Fragen, welche Unterlagen ein Unternehmen übergeben sollte und ob die Staatsanwaltschaft Unterlagen anfordert und wenn ja, welche, lässt sich nicht einheitlich beantworten. Um einen Eindruck von den Erscheinungsformen einer Kooperation zu bekommen, werden im Folgenden die bekanntesten Beispiele aus der Praxis dargestellt.

14 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1926; Theile, in: StV 2011, 381, 384 f.; Theile, in: ZIS 2013, 378; ähnlich Zimmer, in: ZRFC 2011, 259; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 196 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 116. 15 Siehe dazu unten unter D.III.1.a) und D.III.1.b). 16 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 704; Moosmayer, in: NJW 2012, 3013, 2017; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 265; vgl. auch Moosmayer, in: CCZ 2013, 218 f.; Momsen/ Grützner, in: CCZ 2017, 242, 243. 17 Moosmayer, in: NJW 2012, 3013, 3017; Schaupensteiner, in: NZA-Beilage 2011, 8, 15; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262; vgl. Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 243. 18 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 704; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 75; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262 f.; vgl. auch Leipold, in: FS Schiller, 418, 426; Wimmer, in: NK 2016, 356, 359. 19 Schaupensteiner, in: NZA-Beilage 2011, 8, 15; vgl. auch Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 263. 20 Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 243, 252 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 57. 21 Moosmayer, in: NJW 2012, 3013, 3017.

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

Hierzu zählt die Internal Investigation bei der MAN Nutzfahrzeuge AG. Das Unternehmen hatte unter anderem während der Durchsuchung wichtige Unterlagen an die Ermittlungsbehörden übergeben, die externen Berater von der Schweigepflicht entbunden, den Ermittlungsbehörden Zugang zum elektronischen Buchhaltungssystem gewährt und alle erbetenen Unterlagen oder Informationen zur Verfügung gestellt.22 Außerdem wurden die Interviewprotokolle und die in diesem Rahmen von den Mitarbeitern übergebenen Unterlagen an die Ermittlungsbehörden weitergegeben.23 Ob auch im Fall Siemens Interviewprotokolle an die Staatsanwaltschaft München I übergeben wurden, ist dagegen nicht klar.24 Die Staatsanwaltschaft soll gefilterten E-Mail-Verkehr von bestimmten Mitarbeitern und für bestimmte Zeiträume angefordert haben, an den Protokollen sei sie aufgrund eigener Quellen aber nicht interessiert gewesen.25 Außerdem sollen die Rechtsanwälte im Fall Siemens Vernehmungstermine und sonstige Ermittlungsmaßnahmen mit der Staatsanwaltschaft zeitlich koordiniert haben.26 Einen Einfluss auf die konkrete Durchführung der Internal Investigation habe die Staatsanwaltschaft aber nicht genommen, sie habe vielmehr eine abwartende Haltung eingenommen.27 Im Rahmen des DFB-Skandals um die gegebenenfalls korrupt herbeigeführte Entscheidung über die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft der Herren im Jahr 2006 (sogenannte „Sommermärchen-Affäre“), soll der DFB der Staatsanwaltschaft Frankfurt zunächst umfassende Kooperation zugesagt und zunächst auch Zeugenprotokolle übergeben haben; diese Kooperation soll jedoch ab Anfang 2016 stark eingeschränkt worden sein.28 Die Herausgabe von (weiteren) Interviewprotokollen sei trotz Anfrage der Staatsanwaltschaft nicht erfolgt.29 Der von der ermittelnden Kanzlei angefertigte Untersuchungsbericht wurde aber Anfang 2016 veröffentlicht.30 22

LG München I, Beschl. v. 10. 12. 2009 – 6 Kls 570 Js 50263/09, openJur 2016, 154. LG München I, Beschl. v. 10. 12. 2009 – 6 Kls 570 Js 50263/09, openJur 2016, 154; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 103 f. 24 Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 102 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 109; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 233 f. 25 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 234. 26 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 234; Wewerka, Internal Investigations, S. 248. 27 Wewerka, Internal Investigations, S. 249. 28 Deutschlandfund-Artikel „Staatsanwaltschaft wirft DFB mangelnde Kooperation vor“ vom 18. 11. 2016, abrufbar unter: http://www.deutschlandfunk.de/sommermaerchen-affaerestaatsanwaltschaft-wirft-dfb.890.de.html?dram:article_id=371807 (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); anders hingegen lautet die Stellungnahme des DFB zu diesen Vorwürfen vom 25. 11. 2016, abrufbar unter: https://www.dfb.de/news/detail/stellungnahme-des-dfb-zu-medien berichten-158384/?no_cache=1 (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 29 Süddeutsche-Artikel „Die WM-Affäre geht erst richtig los“ vom 02. 09. 2016, abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/sport/sportpolitik-die-wm-affaere-geht-erst-richtig-los-1.314 6455 (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); Stellungnahme des DFB zu diesen Vorwürfen vom 25. 11. 2016 (s. Kap. D. Fn. 28). 23

I. Kooperation in der Praxis

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Als weiteres aktuelleres Beispiel soll die „Diesel-Thematik“ bei der Volkswagen AG dienen. Im Rahmen der internen Aufklärung soll die Volkswagen AG, genauso wie die AUDI AG als Tochtergesellschaft, laut Berichten der Presse zunächst zugesagt haben, die Ergebnisse der internen Ermittlung preiszugeben, dann jedoch nur eine Zusammenfassung von Fakten („Statement of Facts“) herausgegeben haben.31 Hinsichtlich der Konzerntochter sei laut der Presse lediglich drei Mal ausführlich, detailliert und mündlich der Staatsanwaltschaft berichtet, es seien aber keine Unterlagen übergeben worden.32 Daraufhin durchsuchte die Staatsanwaltschaft die AUDI AG und beschlagnahmte unter anderem die Untersuchungsberichte bei der Kanzlei Jones Day. Das LG München I33, welches über eine Beschwerde gegen die Ermittlungsmaßnahme entschied, erachtete diese unter anderem deswegen für rechtmäßig, weil es eine vorbehaltlose Zusammenarbeit zur Sachverhaltsaufklärung des Volkswagen Konzerns mit den Ermittlungsbehörden nicht gegeben habe, weshalb die Beschlagnahme erforderlich gewesen sei.34 Das BVerfG erließ aufgrund der eingereichten Verfassungsbeschwerde zunächst eine einstweilige Anordnung, nach der die Staatsanwaltschaft die Unterlagen vorerst nicht auswerten durfte.35 Am 27. Juni 2018 erging dann die endgültige Entscheidungen des BVerfG in der Form eines Nichtannahmebeschlusses.36 Die Staatsanwaltschaft durfte die Unterlagen 30 Untersuchungsbericht der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer vom 04. 03. 2016, abrufbar unter: https://tv.dfb.de/download/Freshfields_DFB_Untersuchungsbericht_160304.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 31 Handelsblatt-Artikel „Staatsanwaltschaft darf VW-Dokumente auswerten“ vom 15. 05. 2017, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/dieselskandal-staats anwaltschaft-darf-vw-dokumente-auswerten/19802364.html, (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); Welt-Artikel „Wie deutsche Staatsanwälte Dieselgate verschlafen haben“ vom 19. 03. 2017, abrufbar unter: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article162965145/Wie-deut sche-Staatsanwaelte-Dieselgate-verschlafen-haben.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); SZ-Artikel „Wie sich VW und Audi hinter Anwaltskanzleien verstecken“ vom 19. 06. 2017 (s. Kap. B. Fn. 110). 32 SZ-Artikel „Wie sich VW und Audi hinter Anwaltskanzleien verstecken“ vom 19. 06. 2017 (s. Kap. B. Fn. 110). 33 Der Beschluss des LG München I vom 08. 05. 2017 muss aufgrund eines vom LG München I 16. 06. 2017 angenommenen überwiegenden Interesses der betroffenen Parteien nicht veröffentlicht werden, vgl. LG München I, Verf. v. 16. 06. 2017 – 6 Qs 5/17, 6 Qs 6/17, openJur 2017, 16. 34 SZ-Artikel „Wie sich VW und Audi hinter Anwaltskanzleien verstecken“ vom 19. 06. 2017 (s. Kap. B. Fn. 110); Juve-Artikel „Dieselaffäre: Landgericht erklärt Durchsuchung von Jones Day für rechtens“ vom 10. 05. 2017, abrufbar unter: http://www.juve.de/nachrichten/na menundnachrichten/2017/05/dieselaffaere-landgericht-erklaert-durchsuchung-von-jones-dayfuer-rechtens (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 35 BVerfG, Einstweilige Anordnung v. 25. 07. 2017 – 2 BvR 1287/17 – juris. 36 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 (Verfassungsbeschwerde der Volkswagen AG), 2 BvR 1562/17 (Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwälte der Kanzlei Jones Day) und 2 BvR 1287/17 (Verfassungsbeschwerde der Kanzlei Jones Day) – juris. Die beiden letzteren wurden zum einen wegen fehlender Beschwerdeberechtigung der Kanzlei Jones Day und zum andere wegen der fehlenden Beschwerdebefugnis der Rechtsanwälte der Kanzlei Jones Day nicht zur Entscheidung angenommen.

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

daher auswerten. Auf diese Entscheidung wird später noch detaillierter eingegangen.37 Daneben sollen Kooperationen teilweise dadurch zustande kommen, dass die Staatsanwaltschaft das Unternehmen zur internen Aufarbeitung auffordert oder sogar mit Nachteilen bei fehlender Kooperation droht.38 Außerdem soll es vorgekommen sein, dass eine konkrete Ausgestaltung der Internal Investigation vereinbart worden ist und die Staatsanwaltschaft dem Unternehmen konkrete Ermittlungsaufträge erteilt und somit die eigene Arbeit delegiert hat.39 Dabei sollen vor allem für Mitarbeiterinterviews Regeln vereinbart worden sein, damit die Staatsanwaltschaft die Unterlagen strafrechtlich nachträglich verwerten kann.40 Jedoch scheinen nicht alle Staatsanwaltschaften internen Ermittlungen und Beweisübernahmen positiv gegenüberzustehen.41 Das sich hier zeigende heterogene Bild in der Praxis ist unter anderem Ausfluss der fehlenden Regelungen zur Hilfe bei der Sachverhaltsaufklärung durch Unternehmen und deren Folgen. Mit dem Ziel zumindest einen groben Rahmen für die Kooperation abzustecken, werden im Folgenden die Anforderungen an eine sich sanktionsmildernd auswirkende Kooperation durch Aufklärungshilfe anhand der bisherigen Gesetzeslage und bezüglich angestrebter Reformierungen, also dem Entwurf des Landes NRW (VerbStrG-E NRW) und des Kölner Entwurfs (VerbSG-E), untersucht.

II. Anforderungen an eine strafmildernde Kooperation Die Herausgabe der Unterlagen aus den Internal Investigations an die Ermittlungsbehörden verfolgt unter anderem die Ziele, durch die Kooperation eine Verfahrenseinstellung, eine Beschleunigung des Verfahrens oder mildere Sanktionen zu

37

Siehe dazu unten unter D.III.3. Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 255; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 656; vgl. Theile/ Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 815 f.; Leipold, in: FS Schiller, 418, 425. 39 Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 815 f. 40 Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 816. 41 Taschke, in: NZWiSt 2012, 89, 92; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 814; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262; Herrmann/Zeidler, in: NZA 2017, 1499, 1502; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 705; Greve/Tsambikakis, in: Knierim/Rübenstahl/ Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 18 Rn. 76; Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/ Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 170; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 289, 293; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 74; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 52 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 55; vgl. Klose, in: NZWiSt 2017, 1, 10, der als stellvertretener Oberstaatsanwalt von einem regelmäßig erheblichen Interesse an Interviewprotokollen ausgeht. 38

II. Anforderungen an eine strafmildernde Kooperation

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erreichen42. Die Berücksichtigung von Aufklärungshilfe, die regelmäßig im Rahmen der Kooperation eines Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden durch mündliche Berichterstattung oder der Übergabe schriftlicher Berichte/Unterlagen geleistet wird, ist bisher nicht gesetzlich geregelt, von Spezialregelungen, wie z. B. der Bonusregelung im Kartellrecht43 abgesehen. Die Kooperation kann aber trotzdem de lege lata bei der Bußgeldzumessung berücksichtigt werden.44 Darüber hinaus ist die Berücksichtigung der Kooperation Teil der im Rahmen der Reformbestrebungen erstellten Gesetzesentwürfe zur Sanktionierung von Unternehmen. 1. Kooperation de lege lata Die Geldbuße gegen ein Unternehmen nach § 30 OWiG bemisst sich nach den sinngemäß anzuwendenden Grundsätzen des § 17 Abs. 3 OWiG.45 Ausgangspunkt der Geldbuße ist – aufgrund der erforderlichen Anknüpfungstat – die Tat der Leitungsperson, sodass deren Schuld auch gegenüber dem Unternehmen den Umfang der Vorwerfbarkeit bestimmt und für die Bemessung der Geldbuße relevant ist.46 Die Geldbuße besteht dabei aus einem Ahndungsteil und einem Abschöpfungsteil47, wobei letzterer nicht disponibel ist, sodass Zumessungsgrundsätze nur für den Ahndungsteil gelten.48 Für die Zumessung des Ahndungsteils der Geldbuße sind insbesondere die Bedeutung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, der den Täter der Bezugstat treffende Vorwurf und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verbandes zu

42 Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Wybitul, in: BB 2009, 606, 610; Anders, in: wistra 2014, 329; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Bachmann, in: ZHR 2016, 563, 569; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 291 f. 43 Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006, vgl. dazu auch oben unter B.II.3. 44 Wimmer, in: NK 2016, 356, 364; vgl. Dann, in: CCZ 2010, 30, 34, nach dem eine Kooperation mit einem Verzicht auf die Geldbuße zu honorieren ist; Kämpfer, in: FS Wessing, 55, 58 zur Berücksichtigung von Compliance-Programmen. 45 OLG Frankfurt, NZG 2010, 583, 584 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. 05. 2014 – VI-4 Kart 8/10 OWi – juris, Rn. 313; Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 323; Weimann, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 227, 246; Rogall, in: KK-OWiG, § 30 Rn. 134; Niesler, in: GJW Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 30 Rn. 60; Kämpfer, in: FS Wessing, 55, 59; Wimmer, in: NK 2016, 356, 364. So wohl auch BGH, BeckRS 1991, 31175176. 46 BGH, BeckRS 2017, 114578, Rn. 112; vgl. Weimann, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 227, 246; anders wohl Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 323. 47 Dem Abschöpfungsanteil kommt in der Praxis die entscheidende Bedeutung zu, vgl. Weimann, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 227, 231. Das gilt insbesondere, weil der Betrag gemäß § 14 Abs. 4 S. 2 OWiG die Höhe des Höchstmaßes der Geldbuße übersteigen kann. 48 Gädigk, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 19 Rn. 51.

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

berücksichtigen.49 Milderungsgründe sind zwar nicht explizit festgelegt, können aber berücksichtigt werden. Es kann z. B. mildernd berücksichtigt werden, dass das Unternehmen Aufklärungshilfe geleistet hat und kooperationswillig war;50 die Berücksichtigung ist aber keinesfalls zwingend51. Besonderes Gewicht und besondere Bedeutung erlangt die Aufklärungshilfe dabei bei komplizierten Sachverhalten, die ohne Mithilfe nur schwer aufgeklärt werden können,52 was in der Regel bei Sachverhalten innerhalb großer Unternehmen oder Konzernen der Fall ist. Diese Grundsätze gelten auch bei der Ermessensentscheidung zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach § 47 OWiG.53 Problematisch ist jedoch, dass diese Zumessungsgrundsätze in Deutschland nicht – wie beispielsweise in den US-Sentencing Guidelines54 – geregelt sind und die positive Berücksichtigung der Kooperation und die darauf folgende Bußgeldreduzierung im freien Ermessen der Behörden bzw. der Gerichte steht.55 Konkrete Maßstäbe für Sanktionsprivilegierungen für Unternehmen gibt es – außerhalb von den im Folgenden noch beschriebenen Spezialregelungen – daher nicht.56 Der Kooperationsanreiz für Unternehmen, auf den die Staatsanwaltschaft aufgrund knapper Ressourcen angewiesen ist, ließe sich dabei durch klare Regelungen über die Berücksichtigung erhöhen.57 Die positive Berücksichtigung der Aufklärungshilfe ist spezialgesetzlich bei Kartellverstößen ausdrücklich seit 2000 im Kartellrecht als Kronzeugen- bzw. Bonusregelung in den Richtlinien des Bundeskartellamtes für die Festsetzung von

49 Rogall, in: KK-OWiG, § 30 Rn. 134; Niesler, in: GJW Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 30 Rn. 60 f.; ähnlich OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 03. 2009 – VI-2 Kart 10/08 OWi – juris, Rn. 50 und OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. 05. 2014 – VI-4 Kart 8/10 OWi – juris, Rn. 313. 50 OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 03. 2009 – VI-2 Kart 10/08 OWi – juris, Rn. 50; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. 05. 2014 – VI-4 Kart 8/10 OWi – juris, Rn. 310; LG München I, Beschl. v. 10. 12. 2009 – 6 Kls 570 Js 50263/09, openJur 2016, 154 (Bußgeldbescheid gegen die MAN Nutzfahrzeuge AG); Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Anders, in: wistra 2014, 329; Wettner/ Mann, in: DStR 2014, 655; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Hugger, in: ZHR 2015, 214, 222; Utz, in: NZWiSt 2015, 377; Wimmer, in: NK 2016, 356, 364; Wewerka, Internal Investigations, S. 30 f.; Knierim/Schröder, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 16 Rn. 173; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 291; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 56. 51 I. Roxin, in: StV 2012, 116, 118; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261. 52 OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 03. 2009 – VI-2 Kart 10/08 OWi – juris, Rn. 50; Mitsch, in: KK-OWiG, § 17 Rn. 65. 53 OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. 03. 2009 – VI-2 Kart 10/08 OWi – juris, Rn. 48; Utz, in: NZWiSt 2015, 377. 54 Siehe dazu oben unter B.I. 55 Vgl. Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 656; Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 252; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 57. 56 Behrens, in: RIW 2009, 22, 31. 57 Ähnlich Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 252; Sarhan, in: wistra 2017, 336 f.; Utz, in: NZWiSt 2015, 377.

II. Anforderungen an eine strafmildernde Kooperation

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Geldbußen58 geregelt.59 Nach diesen Richtlinien kann das Bundeskartellamt Kartellteilnehmern, die maßgeblich dazu beitragen, ein Kartell aufzudecken, die Geldbuße und die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vermögensvorteils erlassen oder reduzieren. Der Erlass der Geldbuße erfordert, dass der erste Kartellbeteiligte dem Bundeskartellamt (bevor dieses über ausreichende Beweismittel verfügt) mündliche und schriftliche Informationen und – soweit verfügbar – auch Beweismittel zukommen lässt, die – abhängig vom Zeitpunkt der Aufklärungshilfe – entweder geeignet sein müssen, einen Anfangsverdacht zu begründen (Randnummer 3) oder die Tat nachzuweisen (Randnummer 4). Des Weiteren ist eine uneingeschränkte und ununterbrochene Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt während des gesamten Verfahrens erforderlich. Das bedeutet, dass der Kartellbeteiligte alle ihm zugänglichen Informationen und Beweismittel an das Bundeskartellamt übermitteln muss (Randnummer 8). Außerdem muss ein Unternehmen alle Beschäftigten (auch ehemalige) benennen, die an der Kartellabsprache beteiligt waren und darauf hinwirken, dass diese ebenfalls ununterbrochen und uneingeschränkt mit dem Bundeskartellamt zusammenarbeiten. Geht das Unternehmen nicht als erstes Unternehmen auf die Behörden zu, kann das Bußgeld aber dennoch um bis zu 50 % reduziert werden (Randnummer 5). Der Umfang der Reduktion richtet sich dann insbesondere nach der Reihenfolge der Anträge und dem Nutzen der Aufklärungsbeiträge.60 In nicht strafrechtlicher Hinsicht existiert im Vergaberecht die Möglichkeit einer „Selbstreinigung“, um den Nichtausschluss vom Vergabeverfahren zu erreichen (§ 125 GWB). Dafür ist eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich (§ 125 Abs. 1 Nr. 2 GWB), die auch die Offenbarung der verantwortlichen Personen umfasst61. Verstärkt wird der dadurch gesetzte Anreiz durch das am 29. Juli 2017 in Kraft getretene Wettbewerbsregistergesetz.62 Dort ist geregelt, dass Unternehmen, gegen die z. B. ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid nach § 30 OWiG wegen gewisser Straftaten (z. B. Betrug, Steuerhinterziehung oder Korruption63) ergangen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 WRegG), in ein Wettbewerbsregister einzutragen sind. Nach § 6 Abs. 1 WRegG besteht eine Pflicht für jeden öffentlichen Auftraggeber nach § 99 GWB vor Erteilung des Zuschlags etwaige Eintragungen aus dem Wettbewerbsregister zu dem Bieter abzufragen. Eine bestehende Eintragung wird dabei regelmäßig zur Annahme des Ausschlussgrundes 58 Die erstmalige Bekanntmachung Nr. 68/2000 wurde durch die Nachfolgeregelung der Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006 ersetzt. 59 Achenbach, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Teil 5. Kap. Rn. 72; Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Wewerka, Internal Investigations, S. 31; vgl. zur Bonusregelung auch Gänswein/Hiéramente, in: NZKart 2017, 502 ff. 60 Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 266. 61 Eufinger, in: NZA 2017, 619, 621. 62 Vgl. dazu Kubiciel/Dust, in: jurisPR-StrafR 9/2017 Anm. 1. 63 Vgl. im Übrigen den Straftatenkatalog in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WRegG.

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

nach §§ 123 f. GWB führen.64 Nach § 8 WRegG kann eine Eintragung aber bei erfolgter und nachgewiesener „Selbstreinigung“ (entsprechend § 125 GWB) des Unternehmens gelöscht werden. Vergabesperren können und müssen dabei nach dem WRegG nun deutschlandweit einheitlich umgesetzt werden.65 Daneben kann auch nach den WpHG-Bußgeldleitlinien II der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)66 Aufklärungshilfe als Nachtatverhalten positiv berücksichtigt werden. Dabei differenzieren die Leitlinien zwischen einem Geständnis bzw. einer Selbstanzeige und der Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung. Für Aufklärungshilfe und Präventionsmaßnahmen von Individualtätern existiert seit dem 01. 09. 200967 die Kronzeugenregelung des § 46b StGB.68 Die Aufklärung muss dabei Taten aus dem Katalog des § 100a Abs. 2 StPO betreffen, welcher unter anderem Bestechung, Geldwäsche, Betrug und Straftaten gegen den Wettbewerb umfasst und damit Taten, die auch aus Unternehmen heraus begangen werden können. Diese Norm verdeutlicht die Bereitschaft der Strafgerichte, Sanktionen bei privater Aufklärungshilfe zu mildern.69 Neben der Möglichkeit der Berücksichtigung der Kooperation bei der Sanktionszumessung können auch individuelle Absprachen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und dem kooperationsbereiten Unternehmen getroffen werden.70 Nach § 160b StPO ist eine Erörterung des Verfahrensstandes zwischen Staatsanwaltschaft und Verfahrensbeteiligten zur Förderung des Verfahrens ausdrücklich zulässig. Dabei kann die Staatsanwaltschaft auch versuchen, die Kooperationsbereitschaft auszuloten.71

64

Kubiciel/Dust, in: jurisPR-StrafR 9/2017 Anm. 1. Kubiciel/Dust, in: jurisPR-StrafR 9/2017 Anm. 1. 66 WpHG-Bußgeldleitlinien II, Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen im Bereich des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Stand Februar 2017, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Leitfa den/WA/dl_bussgeldleitlinien_2016.pdf?__blob=publicationFile&v=8 (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 67 BGBl. I 2009, 2288. 68 BT-Drucks. 16/6268, S. 1; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 266; Fischer, StGB, § 46b Rn. 3; Wewerka, Internal Investigations, S. 31 f. 69 Wewerka, Internal Investigations, S. 33. 70 Knierim/Schröder, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 16 Rn. 186. 71 Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 168. 65

II. Anforderungen an eine strafmildernde Kooperation

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2. Kooperation de lege ferenda Nach dem Gesetzesentwurf des Landes NRW (VerbStrG-E NRW)72 kann daneben ganz von Sanktionen gegen das Unternehmen abgesehen werden bzw. über § 13 Abs. 1 VerbStrG-E NRW i.V.m. § 153b Abs. 1 StPO bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 VerbStrG-E NRW bereits im Ermittlungsverfahren das Verfahren eingestellt werden. Eine Einziehung nach §§ 73 ff. StGB bleibt jedoch weiterhin möglich.73 Nach § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW muss der Verband dafür durch freiwilliges Offenbaren wesentlich dazu beigetragen haben, dass eine Verbandsstraftat aufgedeckt werden konnte und muss den Ermittlungsbehörden Beweismittel zur Verfügung gestellt haben, die geeignet sind, die Tat nachzuweisen. Insoweit ist nach der Begründung ausdrücklich die Verbandsstraftat, also das Organisationsverschulden, und nicht nur die Zuwiderhandlung aufzudecken.74 Zudem muss das Unternehmen ausreichende personelle und organisatorische Maßnahmen getroffen haben, um vergleichbare Taten in Zukunft zu verhindern. Die Aufklärungshilfe muss dabei vor dem Beschluss zur Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 207 StPO geleistet worden sein (§ 5 Abs. 4 VerbStrG-E NRW). Der aktuellere VerbSG-E ermöglicht mit § 4 Abs. 3 e) zum einen die Berücksichtigung der Zusammenarbeit des Verbandes mit den Strafverfolgungsbehörden bei der Bemessung der Geldzahlung. Daneben ermöglicht § 14 Abs. 1 VerbSG-E eine Verfahrenseinstellung, wenn die Schwere der Zuwiderhandlung nicht entgegensteht und der Verband vier Voraussetzungen erfüllt: Der Verband muss bereits vor der Begehung der Zuwiderhandlung ein Compliance-System eingerichtet haben, also technische, organisatorische und personelle Maßnahmen getroffen haben, die darauf gerichtet waren, Zuwiderhandlungen dieser Art zu verhindern (Nr. 1). Zudem muss der Verband, nachdem die Zuwiderhandlung bekannt geworden ist, mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten und ihnen, soweit rechtlich zulässig, die ihm zugänglichen Informationen über die Zuwiderhandlung übermitteln (Nr. 2). Auch Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung ähnlicher Verstöße (Nr. 3) sowie die Wiedergutmachung des Schadens (Nr. 4) sind erforderlich. Liegen diese Voraussetzungen nur teilweise vor, liegt es im Ermessen der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung abzusehen (§ 14 Abs. 2 VerbSG-E). Zudem kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig einstellen und die vollständige Erfüllung der oben genannten Voraussetzung zur Auflage machen.

72 73 74

Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 1 f. (Kap. A. Fn. 47). Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 379. Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 56 (Kap. A. Fn. 47).

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

3. Bezugspunkt der im Rahmen der Kooperation geleisteten Aufklärungshilfe Beiden Gesetzesentwürfen ist gemein, dass die Sanktionierung (zumindest auch) auf einem Zurechnungsmodell beruht.75 Sowohl nach § 2 VerbStrG-E NRW und § 3 Abs. 1 VerbSG-E ist immer eine Tat einer Leitungsperson/eines Entscheidungsträgers als Anknüpfungstat erforderlich. Das Gleiche gilt für die Geldbuße nach § 30 OWiG de lege lata, die ebenfalls an die Straftat oder Ordnungswidrigkeit einer Leitungsperson anknüpft.76 Für die Aktiengesellschaft sind das insbesondere der Vorstand, die Vorstandsmitglieder und dessen Stellvertreter (§§ 78 Abs. 1 S. 1, 94 AktG),77 Prokuristen, Handlungs- und Generalbevollmächtigte,78 Bereichsleiter, Mitglieder des Aufsichtsrats sowie faktische Geschäftsführer und unter Umständen Compliance-Beauftragte79. Nach der Begründung des VerbStrG-E NRW soll zusätzlich dazu auch ein Organisationsmangel innerhalb des Unternehmens (z. B. fehlerhafte Personalauswahl oder unzureichender Aufgabenzuschnitt auf der Leitungsebene) erforderlich sein.80 Für die Kooperation/Aufklärungshilfe bedeutet das Zurechnungsmodell, dass das Unternehmen im Wesentlichen die Anknüpfungstat eines Entscheidungsträgers/einer Leitungsperson aufdecken muss, die Grundvoraussetzung einer Sanktionierung des Unternehmens ist, und nach dem VerbStrG-E NRW zusätzlich einen eigenen Organisationsmangel, der sich jedoch regelmäßig durch die Zuwiderhandlung manifestiert81. Geht es um die in der Praxis wichtige Norm des § 130 Abs. 1 OWiG als Anknüpfungstat, ist als objektive Bedingung der Ahndung eine Zuwiderhandlung (also der äußere Geschehensablauf einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit) erforderlich,82

75 So ausdrücklich in der Begründung zum VerbSG-E, vgl. Henssler/Hoven/Kubiciel/ Weigend, in: NZWiSt 2018, 1, 9. 76 BGH, BeckRS 2017, 114578, Rn. 111; zum Zurechnungsmodell vgl. Heile, in: WiJ 2014, 228, 234. 77 Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 12; Meyberg, in: BeckOK OWiG, § 30 Rn. 48.1. 78 Knierim/Schröder, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 16 Rn. 225. 79 Theile/Petermann, in: JuS 2011, 496, 500; Rogall, in: KK-OWiG, § 30 Rn. 83 f.; Meyberg, in: BeckOK OWiG, § 30 Rn. 49 ff.; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 30 Rn. 18d. Die für die Aktiengesellschaft relevanten Varianten des § 1 Abs. 3a) und 3d) VerbStrG-E NRW entsprechen denen des § 30 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 OWiG, sodass sich daraus nichts anderes ergibt, vgl. Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 41 (Kap. A. Fn. 47). 80 Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 43, 45 (Kap. A. Fn. 47); Jahn/Pietsch, in: ZIS 2015, 1, 2. 81 Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 45, 56 (Kap. A. Fn. 47). 82 Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 77, 79; Niesler, in: GJW Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 130 Rn. 55; Beck, in: BeckOK OWiG, § 130 Rn. 79 f.; Hohnel, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Teil P Rn. 11.

II. Anforderungen an eine strafmildernde Kooperation

149

die insbesondere Betriebsangehörige begehen können,83 also alle Mitarbeiter. Im Rahmen der Aufklärungshilfe wäre also auch diese Zuwiderhandlung eines Mitarbeiters darzulegen. Dem § 130 OWiG als Ahndungsvorschrift für Aufsichtspflichtverletzungen vergleichbar sind die Regelungen des § 2 Abs. 2 VerbStrG-E NRW und des § 3 Abs. 2 VerbSG-E. Für die Aufdeckung einer solchen Verbandsstraftat bzw. Verbandsverfehlung wäre demnach ebenfalls die Aufdeckung einer Zuwiderhandlung eines Mitarbeiters erforderlich. Zudem sollte man sich vergegenwärtigen, dass eine unternehmerische Entscheidung zur Kooperation deutlich eher getroffen wird, wenn es um Zuwiderhandlungen von Mitarbeitern geht, als wenn Leitungspersonen betroffen sind, die regelmäßig auch Einfluss auf die Kooperationsentscheidung haben.84 Daher besteht für den straffällig gewordenen Mitarbeiter eine erhebliche Gefahr, dass seine selbstbelastenden Angaben im Mitarbeiterinterview den Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Kooperation übergeben werden. 4. Umfang der Kooperation Nach § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW muss der Verband „wesentlich“ dazu beitragen, dass die Tat aufgedeckt wird. Zur näheren Konkretisierung wird in der Begründung auf die Rechtsprechung zu § 46b StGB und § 31 BtMG verwiesen.85 Außerdem müsse der Verband durch die Übergabe von Beweismitteln die Voraussetzungen schaffen, dass das Verfahren gegen den Verband bis zur Anklagereife geführt werden kann.86 Insoweit knüpft dieser Entwurf an den Begriff der Wesentlichkeit an. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 46b StGB ist eine Aufklärungshilfe unter Verweis auf Rechtsprechung zu § 31 BtMG87 wesentlich, „wenn die Tat ohne den Aufklärungsbeitrag nicht oder nicht im gegebenen Umfang aufgeklärt worden wäre, die Aussage des Täters jedenfalls aber eine sicherere Grundlage für die Aburteilung des Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen“.88 Nicht ausreichend wäre jedoch, dass nur die Namen weiterer Mittäter oder Teilnehmer genannt werden; es sind vielmehr konkrete Angaben zur Tatbeteiligung erforderlich.89

83

Niesler, in: GJW Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 130 Rn. 58; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 108; Beck, in: BeckOK OWiG, § 130 Rn. 88; Hohnel, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Teil P Rn. 13. 84 Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 299. 85 Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 56 (Kap. A. Fn. 47). 86 Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 56 (Kap. A. Fn. 47); vgl. dazu auch Blumhoff/Kahlke, in: ZRFC 2018, 228, 231. 87 BGH, NStZ-RR 1996, 48. 88 BGH, NStZ 2016, 720, 721; vgl. Maier, in: MüKo StGB, § 46b Rn. 66. 89 BGH, NStZ 1984, 28; BGH, NStZ-RR 1998, 25; Dann, in: CCZ 2010, 30, 31.

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

Da sowohl § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW als auch § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VerbSG-E die Übergabe von Beweisen bzw. Informationen über die Zuwiderhandlung erfordern, dürften für die Wesentlichkeit strengere Maßstäbe gelten, als für § 31 BtMG und § 46b StGB. Dies gilt insbesondere bezüglich § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW, der fordert, dass die Beweismittel geeignet sein müssen, die Tat nachzuweisen, sodass eine bestimmte Qualität der Informationen erforderlich ist.90 Im Hinblick auf die beträchtlichen Vergünstigungen, die ein Sanktionserlass oder einer Verfahrenseinstellung mit sich bringen, dürfen die Anforderungen an die Wesentlichkeit jedenfalls nicht zu niedrig gesetzt werden.91 Insofern dürfte erforderlich sein, dass das Unternehmen nach umfangreicher interner Aufklärung die Zuwiderhandlung (und den Organisationsmangel) anzeigt.92 Der Staatsanwaltschaft werden dabei halbherzig geführte interne Ermittlungen nicht ausreichen.93 Auch nur vage Behauptungen, die sich erst durch umfangreiche eigene Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden zu einem Tatnachweis verdichten, dürften nicht ausreichend sein.94 In Anbetracht des bereits geschilderten Ablaufs bei der AUDI AG, scheint die Staatsanwaltschaft auch im Hinblick auf die Zurückhaltung von als wesentlich erachteten Unterlagen nicht mit eigenen Ermittlungsmaßnahmen zu zögern. Es dürfte also vielmehr darauf ankommen, dass der Verband das Ganze ihm zurechenbare Wissen zur Zuwiderhandlung übermittelt und keine wesentlichen Informationen zurückhält. Ohne eine Internal Investigation zur Sachverhaltsaufklärung wird sich ein solcher Aufklärungsbeitrag nicht realisieren lassen.95 Mangels Festlegung, welche Informationen wesentlich sind (z. B. in Leitlinien) und weil diese Frage auch immer vom Einzelfall abhängig ist, wird das Unternehmen im Zweifel alles herausgeben, was ex ante als wesentlich erscheint.96 Das gilt insbesondere für Unterlagen, aus denen sich der Verdacht von Zuwiderhandlungen durch Mitarbeiter ergibt.97 Unabhängig davon, ob auch der Organisationsmangel aufgedeckt werden muss, was diesen Effekt nach der Begründung des VerbStrG-E NRW gerade vermeiden soll,98 verstärkt ein solcher gesetzlicher Anreiz die Gefahr, dass Mitarbeiter denunziert und zu „Bauernopfern“ gemacht werden99. 90

Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 378. Vgl. Maier, in: MüKo StGB, § 46b Rn. 65. 92 Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 378. 93 Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 176; ähnlich Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 705. 94 Witte/Wagner, in: BB 2014, 643, 646. 95 So auch Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 213. 96 Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 213; ähnlich Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 297. 97 Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 297. 98 Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 56 (Kap. A. Fn. 47). 99 Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 212 f.; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 298 („Verlagerung von Haftungsrisiken“). 91

III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen

151

Was mit der Formulierung „soweit rechtlich zulässig“ hinsichtlich der Informationsübermittlung in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VerbSG-E gemeint ist, wird in der Entwurfsbegründung nicht thematisiert. Naheliegend erscheint, dass damit insbesondere Regelungen des Datenschutzrechts Rechnung getragen werden soll. Aus systematischer Sicht ist mit Blick auf das in § 18 Abs. 3 VerbSG-E geregelte Beweisverwertungsverbot für selbstbelastende Angaben jedenfalls nicht davon auszugehen, dass diese Formulierung ein Offenbarungsverbot für selbstbelastende Erkenntnisse – wie es teilweise in der Literatur vertreten wird100 – statuieren sollte. Soweit § 4 Abs. 3 e) VerbSG-E die Berücksichtigung der Kooperation bei der Bemessung der Geldbuße vorschlägt, dürfte der Umfang der Sanktionsmilderung vom Umfang der Kooperation, der Offenbarung von Wissen zur Tat und der Wesentlichkeit der offenbarten Informationen zur Aufklärung der Tat abhängen.

III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Zulässigkeit der freiwilligen101 Offenbarung der aus den internen Ermittlungen stammenden Unterlagen und zurechenbaren Erkenntnisse erscheint zunächst unproblematisch,102 weil das Unternehmen als Inhaber der Ergebnisse und Unterlagen aus den Internal Investigations anzusehen ist. Es kann die Unterlagen von den ermittelnden Rechtsanwälten herausverlangen, da nach § 43 BRAO i.V.m. §§ 667, 675 BGB und inzidenter aus § 50 BRAO eine Pflicht des Rechtsanwalts zur Herausgabe der Handakten besteht.103 Zieht man den Rechtgedanken des § 903 BGB heran, könnte das Unternehmen frei mit diesen Unterlagen verfahren, sie also auch an 100

Siehe dazu unten unter D.III.1.a). Mit freiwillig ist gemeint, dass es keine Kooperationspflicht für das Unternehmen gibt, sondern diese vielmehr im Belieben des Unternehmens liegt (Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 657; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 193; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 222; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 79; Wewerka, Internal Investigations, S. 37 f., 238; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 50; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 54). Daneben existiert auch grundsätzlich keine Anzeigepflicht bei vermuteten Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten durch das Unternehmen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden (eine solche existiert nur nach § 138 StGB für Taten wie Mord und Totschlag, die bei einer Internal Investigation aber regelmäßig keine Rolle spielen, vgl. Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655; vgl. auch Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 2). Nach Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 713 sollen sich auch keine Mitteilungspflichten aus dem WpHG oder aktienrechtlichen Vorschriften ergeben; letztere forderten vielmehr eine Einzelfallbeurteilung im Rahmen der Sorgfaltspflichten aus § 93 AktG. 102 Dann, in: AnwBl 2009, 84, 88; Theile, in: StV 2011, 381, 384; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 528. 103 BGH, NJOZ 2015, 501, 502. 101

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

Ermittlungsbehörden herausgeben, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Als gesetzliche Schranken kommen dabei insbesondere datenschutzrechtliche Regelungen (§ 32 BDSG) – die jedoch in dieser Arbeit nicht thematisiert werden – und als Rechte Dritter insbesondere solche der betroffenen Mitarbeiter in Betracht. Diese muss der Arbeitgeber auch aufgrund der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht wahren.104 Der Offenbarung von Unterlagen durch den Arbeitgeber105 an Ermittlungsbehörden, die Informationen über Mitarbeiter enthalten, die unter Umständen selbstbelastend sind, kann insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegenstehen,106 welches eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG) darstellt107. Aufgrund der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht muss der Arbeitgeber die Rechte, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters, wahren.108 Der Arbeitgeber muss seine Rechte so ausüben und die arbeitsbezogenen Interessen des Mitarbeiters so wahren, wie dies nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange des Unternehmens und der Interessen anderer Mitarbeiter billigerweise verlangt werden kann.109 Im Rahmen der Frage, ob die Offenbarung der Erkenntnisse zulässig ist, ist eine einzelfallbezogene Interessenabwägung unter der Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen.110 Danach ist zu prüfen, ob der Eingriff einen legitimen Zweck verfolgt, die Maßnahme zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen im engeren Sinne ist.111 Ein legitimer Zweck ist bei der Hilfe zur Aufklärung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten mit dem Ziel milderer Sanktionen für das Unternehmen, schnelleren Verfahren oder einer Verfahrenseinstellung gegeben. Die Herausgabe der Unterlagen aus der Internal Investigation ist zudem geeignet, diesen legitimen Zweck zu erreichen. Fraglich sind jedoch die Erforderlichkeit und die Angemessenheit im engeren Sinn.

104 Dendorfer-Ditges, in: Moll, MAH Arbeitsrecht, § 35 Rn. 83 f.; Diller, in: DB 2004, 313, 318; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 91. 105 Der Arbeitgeber kann auch die ermittelnden Anwälte/Berater von der Schweigepflicht entbinden, sodass diese selbst die Unterlagen herausgeben könnten, vgl. Raum, in: StraFo 2012, 395, 399. 106 Kopp/Pfisterer, in: CCZ 2015, 98. 107 BVerfGE 65, 1; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 173; Klasen/Schaefer, in: DB 2012, 1384, 1385; Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 83. 108 Dendorfer-Ditges, in: Moll, MAH Arbeitsrecht, § 35 Rn. 83 f.; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 611 Rn. 1003; Diller, in: DB 2004, 313, 318; Klasen/Schaefer, in: DB 2012, 1384, 1385; Müller, in: öAT 2017, 95, 96. 109 Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 611 Rn. 984; ähnlich Eufinger, in: NZA 2017, 619, 621. 110 Edenfeld, in: NZA 2009, 938, 940. 111 Statt aller BVerfG, NJW 2012, 1062, 1063.

III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen

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1. Erforderlichkeit der Herausgabe von Unterlagen Erforderlich wäre die Zurverfügungstellung von Unterlagen und Erkenntnissen, die auf der Selbstbelastung des Mitarbeiters aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Auskunftspflicht beruhen, nur dann, wenn es zur Sachverhaltsaufklärung kein milderes, gleich geeignetes Mittel gibt.112 Als mildere Maßnahme könnte man zum einen ein Offenbarungsverbot für diese Unterlagen annehmen, sodass nur sonstige gewonnene Erkenntnisse, die nicht auf der Selbstbelastung beruhen oder diese verschriftlichen, herausgegeben werden könnten. Außerdem könnte es ein milderes Mittel darstellen, wenn man dem Unternehmen auferlegt, die Unterlagen so zu anonymisieren, dass sie die sich selbst belastenden Personen nicht mehr erkennen lassen. a) Offenbarungsverbot Zunächst könnte man zum Schutz des Mitarbeiters ein Offenbarungsverbot vertreten.113 Ein solches ließe sich mit folgender Aussage des BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss begründen:114 „Das Persönlichkeitsrecht des Gemeinschuldners würde aber unverhältnismäßig beeinträchtigt, wenn seine unter Zwang herbeigeführten Selbstbezichtigungen gegen seinen Willen zweckentfremdet und der Verwertung für eine Strafverfolgung zugeführt würden.“

Zugunsten eines Offenbarungsverbots äußerte Richter Heußner in seiner abweichenden Meinung zum Gemeinschuldner-Beschluss, dass die Weitergabe von selbstbelastenden Informationen an die Strafverfolgungsbehörden nicht erforderlich sei und daher einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstelle.115 Die Erforderlichkeit sei deshalb zu verneinen, weil die Strafverfolgungs112

Statt aller BVerfGE 134, 242, 296. Abweichende Meinung des Richters Heußner zum Gemeinschuldner-Beschluss, BVerfGE 56, 37, 53, für den Gemeinschuldner; Thomä, Auskunfts- und Betriebsprüfungsrecht der Verwaltung, S. 86 für öffentlich-rechtliche Auskunftsansprüche, zivilrechtliche Auskunftsansprüche würden die Freiheit des Menschen aber weniger beeinträchtigen; Rogall, in: FS Kohlmann, 465, 471, 474 für selbstinkriminierende Auskünfte in einem Verwaltungsverfahren; hinsichtlich der Interviewprotokolle auch Taschke, in: NZWiSt 2012, 89, 93, da die externen Berater nicht die Funktion von Staatsanwälten übernehmen sollen; a.A. Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1758; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 209 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 91 f.; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 300. 114 BVerfGE 56, 37, 50, wobei daraus kein Offenbarungsverbot abgeleitet, sondern zum Schutz des Gemeinschuldner ein Beweisverwertungsverbot angenommen wurde; so auch Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 100 f.; in Betracht gezogen auch von Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 204 f. Für ein Offenbarungsverbot spricht sich jedoch Richter Heußner in seiner abweichenden Meinung zum Gemeinschuldner-Beschluss aus, BVerfGE 56, 37, 53. 115 Abweichende Meinung des Richters Heußner zum Gemeinschuldner-Beschluss, BVerfGE 56, 37, 53. 113

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

behörden diese Informationen angesichts eines Verwertungsverbotes sowieso nicht nutzen dürften.116 Thomä begründet ein Offenbarungsverbot hinsichtlich des Auskunftsrechts der Verwaltung in ähnlicher Weise damit, dass ein Eingriff in ein Grundrecht nicht weiter gehen dürfe, als es der sachliche Anlass und Grund, der zu dem Eingriff geführt habe, gebiete.117 Insoweit scheint das Recht des Mitarbeiters, im Strafverfahren zu schweigen – bei Zugrundelegung der hier vertretenen umfassenden Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber – geschützt, soweit seine selbstbelastenden Äußerungen die Sphäre des Arbeitgebers/Unternehmens nicht verlassen und sie nicht in die Hände der Ermittlungsbehörden gelangen118. Einer etwaigen Annahme eines Beweisverwertungsverbotes zum Schutz des Mitarbeiters119 bedürfte es dann nicht mehr. In Anbetracht dessen, dass Beweisverwertungsverbote als „Institute der ,prozessualen Schadensbegrenzung‘“ angesehen werden,120 die erst im Strafprozess eingreifen, um nachträglich die Rechte des Beschuldigten zu wahren, die zuvor verletzt wurden und zu Beweisen geführt haben, die dem Richter bereits vorlagen und die dieser auch nicht einfach wieder aus dem Gedächtnis streichen kann,121 scheint zunächst einiges für eine solche Lösung auf der Zwischenebene des Beweistransfers zu sprechen. Für ein Offenbarungsverbot ließe sich im Hinblick auf die Internal Investigations zudem argumentieren, dass die selbstbelastende Auskunft des Mitarbeiters nur dazu dient, seine arbeitsrechtlichen Pflichten zu erfüllen, sodass eine Herausgabe etwaiger Interviewprotokolle oder schriftlicher Stellungnahmen an die Ermittlungsbehörden eine unzulässige zweckentfremdete Verwendung wäre,122 die unverhältnismäßig in die Rechte des Mitarbeiters eingreifen würde. Diese Argumentation stößt jedoch zumindest für die Fälle an ihre Grenzen, in denen der Arbeitgeber von Anfang an eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden bezweckt oder zumindest in Betracht gezogen und den Mitarbeiter im Interview darüber belehrt hat. Dann ließe sich keine zweckentfremdete Verwendung annehmen, da die Weitergabe bereits ursprünglich bezweckt war. Außerdem über116 Abweichende Meinung des Richters Heußner zum Gemeinschuldner-Beschluss, BVerfGE 56, 37, 53; ähnlich Ignor, in: CCZ 2011, 143, 144. 117 Thomä, Auskunfts- und Betriebsprüfungsrecht der Verwaltung, S. 86, nach dem zivilrechtliche Auskunftsansprüche die Freiheit des Menschen aber weniger beeinträchtigen würden, als ein öffentlich-rechtlicher Anspruch. 118 Vgl. auch Wewerka, Internal Investigations, S. 322. 119 So unter anderem vertreten von: ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364; LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 300; Kottek, Kooperation, S. 124. Siehe dazu unten unter Teil E. 120 Frister, in: ZStW 106 (1994), 303, 326. 121 Grünwald, in: JZ 1966, 489, 500 f.; Amelung, Informationsbeherrschungsrechte im Strafprozeß, S. 47 m.w.N.; Frister, in: ZStW 106 (1994), 303, 326 m.w.N.; zur Problematik auch Lindemann, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 127, 129 ff. 122 Theile, in: StV 2011, 381, 385; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 177.

III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen

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sieht dieser Ansatz, dass im Rahmen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht auch die Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen sind123. Insoweit ist es gerade im Interesse eines kooperierenden Unternehmens, diese Kooperation nicht defizitär zu gestalten, um zum einen in den vollen Genuss eines Sanktionsbonus zu kommen,124 und zum anderen reputationsschädigende Ermittlungsmaßnahmen durch die Staatsanwaltschaft zu verhindern125. Dass die Ermittlungsbehörden dabei – wie noch aufgezeigt wird – Unterlagen erhalten können, für die unter Umständen Beweisverwertungsverbote bestehen,126 die Übergabe solcher Unterlagen also (teilweise) wertlos wäre, spricht jedoch nicht für ein Offenbarungsverbot dieser. Interviewprotokolle können neben selbstbelastenden Informationen beispielsweise auch Informationen über Unternehmensabläufe und Belastungen anderer Mitarbeiter oder Leitungspersonen enthalten, für die Beweisverwertungsverbote grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Eine Verwertung solcher Informationen gegen das Unternehmen oder andere Mitarbeiter wäre vielmehr möglich,127 sodass die Ermittlungsbehörden nicht nur unverwertbare Informationen erhalten würden. Sollte ein Beweisverwertungsverbot zugunsten des sich selbst belastenden Mitarbeiters bestehen, bedeutet das demnach nicht, dass diese Informationen generell für die Ermittlungsbehörden als unverwertbare Informationen unbrauchbar sind. Insoweit wäre die Nichtherausgabe der Unterlagen mit selbstbelastenden Informationen schon kein gleich geeignetes Mittel, die Aufklärung zu fördern. Daneben spricht entscheidend gegen ein Offenbarungsverbot auch die damit ansonsten einhergehende Kompetenzverschiebung.128 Das Unternehmen müsste dann entscheiden, welche Angaben der Mitarbeiter strafrechtlich relevant sind und aus den Ergebnissen der internen Ermittlung gestrichen werden müssten. Die dazu erforderliche Bewertung, was strafrechtlich relevant ist, obliegt aber den staatlichen Strafverfolgungsbehörden.129 In praktischer Hinsicht wäre zudem problematisch, dass insbesondere Interviewprotokolle oft gemischte Informationen enthalten und

123

Vgl. Wewerka, Internal Investigations, S. 322; im Ergebnis so auch Diller, in: DB 2004, 313, 318. 124 Vgl. Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 297 f.; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792 f. 125 Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 813. 126 Siehe dazu unten unter Teil E. 127 Vgl. zur sog. Rechtskreistheorie BGH, NJW 1994, 3364, 3366; vgl. auch Monka, in: BeckOK StPO, § 136 Rn. 24. 128 Hefendehl, in: wistra 2003, 1, 5 zum Insolvenzrecht; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 211 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 161; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 227; vgl. Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 41; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 256. 129 Die Staatsanwaltschaft ist „Herrin des Ermittlungsverfahrens“, vgl. BGH, NJW 2017, 2037, 2038.

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

eine Trennung dieser kaum möglich ist.130 Daneben kann es dem Unternehmen nicht verwehrt werden, gegen straffällig gewordene Mitarbeiter Strafanzeige zu erstatten.131 Zudem ist fraglich, ob eine Rechtsgrundlage für ein Offenbarungsverbot besteht, welches dem Arbeitgeber die Herausgabe von Unterlagen untersagen würde.132 Dogmatisch scheidet das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Form des Abwehrrechts als unmittelbare Grundlage des Offenbarungsverbots aus, da die Grundrechte im Privatrecht nur mittelbar wirken.133 Auch auf die grundsätzlich im Arbeitsverhältnis in Betracht kommende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird man das Offenbarungsverbot nicht stützen können, da sich der Umfang der Fürsorgepflicht nach einer Interessenabwägung richtet,134 welche regelmäßig zu Gunsten des Arbeitgebers ausgeht135. Hinzukommen auch weitere Argumente gegen ein Offenbarungsverbot. Nach Münkel ist die Auffassung von Richter Heußner abzulehnen, weil sie nur auf ein Misstrauen gestützt werden könne, dass die unverwertbaren Beweise doch zur Überführung des Beschuldigten beitragen könnten.136 Außerdem können bei einem parallelen Verfahren in den USA die US-amerikanischen Behörden die erhaltenen Unterlagen an die deutschen Strafverfolgungsbehörden weitergeben, sodass der bezweckte Schutz des Mitarbeiters erfolglos wäre.137 Ein Offenbarungsverbot für die selbstbelastenden Auskünfte stellt demnach kein gleich geeignetes, milderes Mittel dar.

130 Vgl. Hefendehl, in: wistra 2003, 1, 5; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 256. 131 Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 211; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 227; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 231; vgl. Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 41, nach dem ein Verbot der Weitergabe auch einer gesetzlichen Grundlage bedürfte. 132 Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 101; vgl. Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 41; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 256; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 227. 133 Nothhelfer, Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 101; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 227. 134 Edenfeld, in: NZA 2009, 938, 940; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 91 f. 135 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 92. 136 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 226; vgl. Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 40. 137 Siehe dazu oben unter B.I.

III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen

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b) Anonymisierung von Unterlagen Daneben wird als mildere, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter weniger eingreifende Maßnahme eine Anonymisierung der Unterlagen vor Herausgabe vertreten.138 Bei Herausgabe anonymisierter Unterlagen ließe sich vertreten, dass das Unternehmen mit den Ermittlungsbehörden nur in dem Maße kooperiert, wie diese die Unterlagen, bei unterstelltem Beweisverwertungsverbot für alle selbstbelastenden Unterlagen, auch im Verfahren gegen den Mitarbeiter verwerten dürften139. Folgeermittlungen wären dann nicht ausgeschlossen und der Mitarbeiter würde nicht an die Ermittlungsbehörden „ausgeliefert“. Zudem wäre dem Unternehmen bei der Sachverhaltsaufklärung geholfen, wenn der Mitarbeiter – im Vertrauen auf den Schutz seiner Angaben vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden – umfassend wahrheitsgemäß aussagt, anstatt sich auf vermeintliche Erinnerungslücken zu berufen.140 Die Problematik der „Mauer des Schweigens“ und fehlender Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter könnte dadurch abgemildert werden. Für diese Möglichkeit könnte auch sprechen, dass nach der herrschenden Meinung im Rahmen einer Anknüpfungstat nach § 130 OWiG nicht konkret feststehen muss, welche Person die Zuwiderhandlung begangen hat.141 Ausreichend ist, dass ein äußerer Geschehensablauf einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die von einem Betriebsangehörigen begangen wurde, festgestellt werden kann.142 Dies dürfte jedoch ohne Identifizierung des Täters in der Praxis äußerst schwierig sein.143 Auch im Übrigen lässt sich eine generell nicht notwendige Individualisierung der Täter für die Verhängung der Geldbuße nur schwer begründen. Zur vollständigen Darlegung des dem Unternehmen zurechenbaren Wissens muss das Unternehmen, ähnlich der kartellrechtlichen Bonusregelung,144 vielmehr auch die Individualtäter im Verband/Unternehmen bezeichnen, soweit sich das Wissen darauf erstreckt, da sonst wesentliche Fakten für die Aufklärung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit fehlen. Insoweit fehlt es auch bei einer Aufklärungshilfe gemäß § 31 BtMG an dem erforderlichen Aufklärungserfolg, wenn anhand des Aufklärungsbeitrags keine Identifizierung des Täters möglich ist.145 Die Übergabe anonymisierter Unterlagen 138

Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 291. So u. a. vertreten von Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 304 ff. 140 Vgl. Abweichende Meinung des Richters Heußner zum Beschluss des BVerfG vom 13. 01. 1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 53 f. 141 Beck, in: BeckOK OWiG, § 130 Rn. 89 m.w.N.; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 110 m.w.N.; Hohnel, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Teil P Rn. 11; Niesler, in: GJW Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 130 Rn. 61. 142 Beck, in: BeckOK OWiG, § 130 Rn. 80, 88; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 79, 108. 143 Beck, in: BeckOK OWiG, § 130 Rn. 90; Niesler, in: GJW Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 130 Rn. 61; vgl. auch Heile, in: WiJ 2014, 228, 240. 144 Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006, Randnummer 10. 145 BGH, NStZ-RR 1998, 25; Dann, in: CCZ 2010, 30, 31. 139

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

würde zudem gerade wieder zu Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden führen, was den Interessen des Unternehmens zuwiderliefe. Da in der Regel auch bei anonymisierten Untersuchungsberichten oder Interviewprotokollen zumindest die Position oder der Arbeitsbereich des betroffenen Mitarbeiters ersichtlich oder erschließbar ist, lässt sich der Schutz auch diesbezüglich nicht hinreichend realisieren. Die Strafverfolgungsbehörden können aufgrund des Legalitätsprinzips aus § 152 StPO zudem nicht einfach auf Ermittlungen gegen einen Individualtäter verzichten.146 Eine „Verschleierung“ der Täter durch das Unternehmen führt auch nicht zur Wiederherstellung von Vertrauen und Reputation in der Öffentlichkeit. Daneben müsste das Unternehmen bei dieser Lösung ebenfalls die Bewertung vornehmen, welcher Mitarbeiter strafrechtlich relevante Angaben gemacht hat, bei wem die Unterlagen also zu anonymisieren sind, was wiederum eine Kompetenzverschiebung bedeuten würde.147 Daher lässt sich die Annahme eines milderen und vor allem gleich geeigneten Mittels durch Anonymisierung (insbesondere) der Interviewprotokolle ebenfalls nicht begründen.148 2. Angemessenheit der Herausgabe von Unterlagen Die Preisgabe der Unterlagen darf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters nicht unangemessen beeinträchtigen. Ob das Interesse des Arbeitgebers an der Möglichkeit umfassend zu kooperieren oder das Interesse des Mitarbeiters an der Nichtherausgabe der selbstbelastenden Unterlagen überwiegt, ist umstritten.149 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters tritt bei vernünftigem Interesse des Arbeitgebers an der Weitergabe der Unterlagen an Dritte oder Ermittlungsbehörden zurück.150 Als vernünftiges Interesse lässt sich für das Unternehmen wiederum vorbringen, dass diesem nicht verwehrt werden kann, gegen straffällig gewordene Mitarbeiter Strafanzeige zu erstatten.151 Außerdem wird für die Zulässigkeit der Herausgabe argumentiert, dass jeder die Folgen seines Fehlverhaltens selbst zu tragen habe,152 sodass der straffällig gewordene Mitarbeiter insoweit nicht 146 Peters, in: MüKo StPO, § 152 Rn. 26; Weimann, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 227, 241. 147 Siehe dazu bereits oben unter D.III.1.a). 148 Im Ergebnis so auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 303. 149 Für ein grds. Überwiegen der Arbeitgeberinteressen: Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 92; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 212; wohl auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 303. 150 Diller, in: DB 2004, 313, 318; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 91 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 237. 151 Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 211; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 227. 152 Diller, in: DB 2004, 313, 318; Wewerka, Internal Investigations, S. 238. Angedeutet wird dieses Argument auch in BGHZ 41, 318, 324, 327.

III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen

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schutzwürdig sei. Daneben bestehen gewichtige Vorteile, die ein Unternehmen bei der Kooperation mit Ermittlungsbehörden erlangen kann (mildere oder erlassene Sanktionen,153 Vermeidung einer Insolvenz, Vermeidung von imageschädigenden, eingriffsintensiven und öffentlichkeitsträchtigen staatlichen Ermittlungen,154 ein schnellerer Abschluss eines Verfahrens155 sowie wirtschaftliche Schäden durch Betriebseinschränkungen156).157 Dürfte das Unternehmen im Rahmen dieser Kooperation gewisse Unterlagen, wie beispielsweise selbstbelastende Unterlagen, nicht herausgeben, würde erneut die zuvor aufgezeigte Problematik der Kompetenzverschiebung entstehen158. Daneben können die Ermittlungsbehörden die Informationen aus den Internal Investigations auch auf anderem Weg erlangen.159 Unterlagen, die im Rahmen der Kooperation (insbesondere) mit US-amerikanischen Behörden herausgegeben wurden, können beispielsweise durch diese Behörden auch an die deutschen Ermittlungsbehörden weitergegeben werden.160 Dieses Risiko besteht auch für Fälle mit Bezug zu Großbritannien, da nach englischem Recht die Interviewprotokolle, sollten sie nur die Aussage wiedergeben, beschlagnahmefähig sind.161 Außerdem besteht – was im Folgenden gezeigt wird – das Risiko der Beschlagnahme der Beweismittel durch die Staatsanwaltschaft. 3. Risiko der Beschlagnahme von Unterlagen durch Ermittlungsbehörden Die soeben dargestellte Zulässigkeit der Herausgabe der Unterlagen lässt sich auch mit dem Risiko von ansonsten drohenden Durchsuchungen und Beschlagnahmen durch die Staatsanwaltschaft begründen. Haben die Ermittlungsbehörden Kenntnis von den Internal Investigations, beispielsweise durch Koordinierungsge153

OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. 05. 2014 – VI-4 Kart 8/10 OWi – juris, Rn. 310; Behrens, in: RIW 2009, 22, 31; Anders, in: wistra 2014, 329; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Wewerka, Internal Investigations, S. 30 f., 238; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 49 f. 154 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 48 f.; Taschke, in: NZWiSt 2012, 89, 91 f. 155 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 703; Leipold, in: FS Schiller, 418, 427; Nolte/ Noll, in: KSzW 2016, 261, 262. 156 Vgl. Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 48. 157 Vgl. insbesondere oben unter B.II.3. 158 Siehe dazu oben unter D.III.1.a). 159 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 91 f.; Reeb, Internal Investigations, S. 140 ff. erläutert des unter dem Aspekt der Hypothesenbildung. 160 Siehe dazu oben unter B.I. 161 Potocˇ ic´/Frank, in: CCZ 2017, 199, 203; vgl. zum sog. Legal Privilege („Litigation Privilege“ und „Legal Advice Privilege“) Nolte/Rosenstock, in: jurisPR-Compl 4/2017 Anm. 4 und Nolte/Sieren, in: jurisPR-Compl 6/2018 Anm. 2.

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

spräche mit dem Unternehmen,162 und haben sie bereits einen Verdacht auf Straftaten im Unternehmen, können sie sich gemäß § 161a StPO zum einen mit Anfragen zu Auskünften und Informationen an das Unternehmen wenden163 oder bestimmte Beweismittel nach §§ 95, 94 StPO herausverlangen oder – bei fehlender freiwilliger Herausgabe – beschlagnahmen164. Gegenstände, die einem Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO unterliegen, können jedoch nicht herausverlangt werden.165 Ebenso nicht der Beschlagnahme unterliegen unverwertbare Beweismittel,166 wobei an dieser Stelle noch nicht auf eine etwaige Unverwertbarkeit und die Unterscheidung, ob diese im Verfahren gegen das Unternehmen oder gegen die Individualperson besteht, eingegangen werden soll167. In Anbetracht des Schwerpunkts dieser Arbeit auf der Kooperation von Unternehmen soll an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick über die Problematiken bei der Beschlagnahme von Unterlagen und insbesondere Interviewprotokollen bzw. schriftlichen „Geständnissen“ im Gewahrsam der Rechtsanwaltskanzlei und im Gewahrsam des Unternehmens gegeben werden. Sollte § 18 VerbSG-E im Rahmen der geplanten Reformierungen als Gesetz verabschiedet werden,168 wäre die Beschlagnahmefreiheit von Aufzeichnungen über interne Untersuchungen gesetzlich normiert (§ 18 Abs. 2 VerbSG-E), sodass das Risiko einer Beschlagnahme nicht weiter bestünde. Die Regelung im Entwurf unterscheidet dabei bei der Beschlagnahmefreiheit nicht zwischen einer Beschlagnahme beim Unternehmen und der bei Rechtsanwälten. Auch die „Frankfurter Thesen“, die einen Impuls zur Reform des Rechts der Sanktionen gegenüber Unternehmen geben wollen, sprechen sich für ein Beschlagnahmeverbot der Ergebnisse interner Aufklärungen aus, ohne zwischen den Gewahrsamsinhabern zu unterscheiden.169 Dies dürfte sich damit erklären lassen, dass sowohl der VerbSG-E, als auch die „Frankfurter Thesen“ von der Möglichkeit ausgehen, dass sich das Unternehmen auf den nemo-tenetur-Grundsatz berufen kann und die Erfüllung einer etwaigen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nicht zur Umgehung des nemo-teneturGrundsatzes führen soll.170 Da in der bisherigen Diskussion aber zwischen der Beschlagnahme beim Unternehmen und der bei einem Rechtsanwalt bzw. einer Kanzlei 162

So im Fall Siemens, vgl. Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 234. Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 657; Kopp/Pfisterer, in: CCZ 2015, 98, 99 f. 164 Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 561; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655, 657 ff.; Kopp/Pfisterer, in: CCZ 2015, 98, 99 f.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 97 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 78. 165 Greven, in: KK-StPO, § 95 Rn. 2; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 2326c; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 98 f. 166 Greven, in: KK-StPO, § 94 Rn. 19; Hauschild, in: MüKo StPO, § 94 Rn. 36. 167 Siehe dazu unten unter Teil E. 168 Siehe dazu oben unter B.III.2. 169 Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop, in: wistra 2018, 27, 30. 170 Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop, in: wistra 2018, 27, 30; vgl. zur Geltung des nemotenetur-Grundsatzes nach dem VerbSG-E Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, in: NZWiSt 2018, 1, 10. 163

III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen

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differenziert wurde, wird an dieser Stelle ebenfalls zwischen diesen Alternativen differenziert. a) Beschlagnahme von Unterlagen im Gewahrsam eines Rechtsanwalts Zur Beschlagnahme von Unterlagen (insbesondere Interviewprotokollen) im Gewahrsam eines Rechtsanwalts, dessen Kanzlei mit den internen Ermittlungen betraut war, sind bisher nur wenige gerichtliche Entscheidungen ergangen. Das LG Hamburg verneinte im Jahr 2010 ein Beschlagnahmeverbot aus § 97 Abs. 1 StPO für Unterlagen (Interviewprotokolle) aus unternehmensinternen Ermittlungen, die sich im Gewahrsam der ermittelnden Kanzlei befanden.171 Demgegenüber bejahte das LG Mannheim im Jahr 2012 ein Beschlagnahmeverbot hinsichtlich eines Untersuchungsberichts unter Berufung auf § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO und hilfsweise wegen der zwischenzeitlich ergangenen Neuregelung des § 160a Abs. 1 StPO.172 Das LG Braunschweig bejahte ein Beschlagnahmeverbot für Unterlagen aus internen Ermittlungen, weil diese zur Aufarbeitung des Sachverhalts dienen und daher ein Element der Unternehmensverteidigung in einem möglichen Ordnungswidrigkeitenverfahren darstellen würden.173 Mit Spannung erwartet wurde eine Entscheidung des BVerfG über die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung von Unterlangen aus Internal Investigations bei der Anwaltskanzlei Jones Day im Rahmen des Diesel-Skandals. Sichergestellt wurden von der Staatsanwaltschaft München II unter anderem Aktenordner aus dem Rechtsanwaltsbüro, kanzleiinterner mandatsbezogener E-Mail-Verkehr und ein umfangreicher Datenbestand vom Server der Kanzlei.174 Das LG München I175 ordnete auf Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss an, dass die von dem Server heruntergeladenen Dateien an die Kanzlei Jones Day herauszugeben und davon gefertigte Kopien zu vernichten seien; im Übrigen verwarf es die Beschwerde als unbegründet, da die Durchsuchungsanordnung rechtmäßig sei.176 Auf die danach eingelegte Verfassungsbeschwerde erließ das BVerfG am 25. Juli 2017 zugunsten der Beschwerdeführer eine einstweilige Anordnung, nach welcher der Staatsanwaltschaft die Auswertung der Unterlagen zunächst untersagt wurde177. Diese Anordnung wurde im Januar 2018 um weitere 6 Monate verlängert.178 Schließlich ergingen am 27. Juni 2018 auf die drei eingelegten Verfassungsbeschwerden jeweils 171

LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris. LG Mannheim, Beschl. v. 03. 07. 2012 – 24 Qs 1/12, 2/12 – juris, zur Begründung vgl. Rn. 114. 173 LG Braunschweig, NStZ 2016, 308, 309. 174 BVerfG, Einstweilige Anordnung v. 25. 07. 2017 – 2 BvR 1562/17 – juris, Rn. 5. 175 LG München I, Beschl. v. 07. 06. 2017 – 6 Qs 9/17, 6 Qs 10/17, 6 Qs 11/17; LG München I, Beschl. v. 08. 05. 2017 und 06. 06. 2017 – 6 Qs 5/17. 176 BVerfG, Einstweilige Anordnung v. 25. 07. 2017 – 2 BvR 1562/17 – juris, Rn. 7. 177 BVerfG, Einstweilige Anordnung v. 25. 07. 2017 – 2 BvR 1287/17 – juris. 178 BVerfG, Einstweilige Anordnung v. 09. 01. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris. 172

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

Nichtannahmebeschlüsse. Die Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwaltskanzlei Jones Day nahm das BVerfG wegen fehlender Beschwerdeberechtigung nicht zur Entscheidung an.179 Die von mehreren Rechtsanwälten der Kanzlei eingelegte Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG wegen der fehlenden Beschwerdebefugnis der Rechtsanwälte nicht zur Entscheidung an.180 Hinsichtlich der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde der Volkswagen AG entschied das BVerfG, dass die Entscheidungen des AG und LG München, mit denen die Sicherstellung von Unterlagen und Daten bei der Durchsuchung bestätigt wurden, zwar in das auch juristischen Personen zustehende Grundrecht auf informatorische Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) der Volkswagen AG eingreife, dieser Eingriff jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei.181 Die Rechtsgrundlage der Sicherstellung sei § 110 StPO.182 Zudem sei es im Rahmen der nur möglichen Willkürprüfung nicht zu beanstanden, dass § 160a Abs. 1 S. 1 StPO von den Fachgerichten für nicht anwendbar erklärt worden sei.183 Die Fachgerichte seien der herrschenden Meinung184 in Rechtsprechung und Literatur gefolgt, nach der § 97 StPO den § 160a Abs. 1 S. 1 StPO als Spezialregelung verdränge (§ 160 Abs. 5 StPO).185 Für diese Ansicht führte das BVerfG den Wortlaut, die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte von § 160a StPO an.186 Auch von Verfassungs wegen sei es nicht geboten, den absoluten Schutz des § 160a Abs. 1 S. 1 StPO auf Durchsuchungen, Beschlagnahmen oder Sicherstellungen von Mandatsunterlagen auszudehnen. Dem Schutz des Verhältnisses zwischen Verteidiger und Beschuldigtem trage § 97 StPO hinreichend Rechnung; im Übrigen sei „eine Ausdehnung des absoluten Schutzes des § 160a Abs. 1 S. 1 StPO auch auf sonstige anwaltliche Tätigkeiten nicht geboten“.187 Im Ergebnis hat sich das BVerfG damit der herrschenden Meinung zum Verhältnis von § 97 StPO und § 160a Abs. 1 S. 1 StPO 179 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1287/17 – juris; vgl. zur vom BVerfG angenommenen fehlenden Möglichkeit der Berufung auf materielle Grundrechte aufgrund des Sitzes der Kanzlei in den USA auch Hippeli, in: GWR 2018, 383, 384 f. 180 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1562/17 – juris. 181 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 60 f. 182 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 72. 183 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 73. 184 LG Mannheim, Beschl. v. 03. 07. 2012 – 24 Qs 1/12, 2/12 – juris, Rn. 148; Park, Durchsuchung und Beschlagnahme, Rn. 633; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 97 Rn. 10b, § 160a Rn. 17; Haefcke, in: CCZ 2014, 39, 41 f.; Jahn/Kirsch, in: NStZ 2012, 718, 719; Wolter/ Greco, in: SK-StPO, § 160a Rn. 48a; Siegrist, in: wistra 2010, 427, 430, der zu diesem Ergebnis aber nur über eine einschränkende Auslegung des § 160a StPO gelangt; Bauer, in: StV 2012, 277; Galle, in: BB 2018, 564, 570; Kölbel, in: MüKo StPO, § 160a Rn. 7 ff.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 160. Die Autoren, die sich auf den gesetzgeberischen Willen oder die Historie berufen, berufen sich dabei auf BR-Drucks. 229/10, S. 2, BT-Drucks. 17/2637, S. 6, BT-Drucks. 16/5846, S. 34 ff. 185 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 74. 186 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 75. 187 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 78.

III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen

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angeschlossen und damit die Gegenansicht, dass aus § 160a StPO ein über § 97 StPO hinausgehendes Beschlagnahmeverbot im Sinne einer „Meistbegünstigungsklausel“188 folgt189, abgelehnt. Auch die durch die Fachgerichte erfolgte Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO in der Weise, dass nur ein Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger und dem in dem konkreten Ermittlungs-/Strafverfahren Beschuldigten geschützt sei, ist laut BVerfG nicht willkürlich, sondern entspreche der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur.190 Für diese spreche nach dem BVerfG der Regelungszusammenhang, die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Vorschrift. Es sei zudem vom Gesetzgeber kein strikter Gleichlauf von Zeugnisverweigerungsrechten (§ 52, 53 StPO) und § 97 StPO gewollt. Darüberhinaus sei eine erweiternde Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO verfassungsrechtlich nicht geboten.191 Dagegen spreche insbesondere das Gebot einer effektiven Strafverfolgung, das öffentliche Interesse an einer vollständigen Ermittlung der Wahrheit und das Missbrauchspotential durch mögliche Verlagerung von Beweismitteln in die Sphäre des Rechtsanwalts. Des Weiteren sei auch die Annahme der Fachgerichte, die Volkswagen AG habe keine beschuldigtenähnliche Stellung im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO, nicht willkürlich.192 Diesbezüglich sei die Beurteilung, dass eine juristische Person eine solche Stellung auch haben kann, wenn eine künftige Nebenbeteiligung nach objektiven Gesichtspunkten in Betracht komme, was wiederum „einen ,hinreichenden‘ Verdacht“ für eine Tat einer Leitungsperson (§ 130 OWiG) voraussetze, nicht zu beanstanden.193 Für nicht ausreichend befunden hatten die Fachgerichte die beschuldigtenähnliche Stellung der Volkswagen AG im Verfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig.194 Das BVerfG hielt diesbezüglich fest, dass die Erkenntnisse, die aus der Beschlagnahme der Unterlagen folgen, jedenfalls nicht gegen die Volkswagen AG verwendet werden dürfen.195 Unbedenklich sei laut BVerfG auch die Einschätzung der Fachgerichte, dass die beschuldigtenähnliche Stellung der AUDI 188 Vgl. zum Wort „Meistbegünstigungsklausel“: Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 160a Rn. 17; Jahn/Kirsch, in: NStZ 2012, 718, 719. 189 So v. Galen, in: NJW 2011, 945; Knierim, in: FD-StrafR 2011, 314177; Raum, in: StraFo 2012, 395, 399; Mark, in: ZWH 2012, 311, 313; Ballo, in: NZWiSt 2013, 46, 50; wohl auch LG Saarbrücken, NStZ-RR 2013, 183. 190 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 80 ff. 191 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 88 ff. 192 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 92 ff. 193 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 93. 194 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 96. Dieses ist zudem seit Mitte Juni 2018 durch den rechtskräftigen Bußgeldbescheid beendet, vgl. Tagesschau-Artikel „Dieselskandal: VW zahlt Milliarden-Bußgeld“ vom 13. 06. 2018, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/volkswagen-bussgeld-101.html (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 195 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 111.

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

AG im Verfahren der Staatsanwaltschaft München II unerheblich sei, da sich das Mandatsverhältnis der Muttergesellschaft (Volkswagen AG) nicht auf die Tochtergesellschaft (AUDI AG) erstrecke.196 Zuletzt sei nach dem BVerfG auch die Verhältnismäßigkeit von den Fachgerichten nicht fehlerhaft angenommen worden.197 Insoweit habe das LG nachvollziehbar dargelegt, dass großes Interesse an den Protokollen aus Mitarbeiterinterviews bestehe, um die Beurteilung späterer Zeugenaussagen der Mitarbeiter zu erleichtern. Ob eine Verwertung zulasten von beschuldigten Mitarbeitern zulässig ist, hat das BVerfG nicht entschieden. Im Ergebnis durfte die Staatsanwaltschaft die beschlagnahmten Unterlagen daher im Verfahren gegen die AUDI AG verwenden. Nicht verkannt werden sollte jedoch die bei dieser Entscheidung bestehende Sondersituation, dass die Volkswagen AG als Muttergesellschaft Auftraggeberin der Internal Investigations durch Jones Day war, die Sicherstellung/Beschlagnahme aber Erkenntnisse im Verfahren gegen die AUDI AG als Tochtergesellschaft betraf, zu der Jones Day kein Mandatsverhältnis hatte. Die Frage, ob eine Sicherstellung/Beschlagnahme auch zulässig gewesen wäre, wenn die Beauftragung von Jones Day durch die AUDI AG erfolgt wäre und somit eine Mandatsbeziehung bestanden hätte, stellte sich dem BVerfG nicht. Für einen dann bestehenden Beschlagnahmeschutz dürfte jedoch nach den Ausführungen des BVerfG sprechen, dass dann ein Mandats- und Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger (Kanzlei) und einem Unternehmen mit beschuldigtenähnlicher Stellung (AUDI AG) im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO bestanden hätte, was das BVerfG als Voraussetzungen für den Beschlagnahmeschutz forderte198. Diese Stellung hatte die AUDI AG spätestens seit Mitte 2017 mit Einleitung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens199. Ob davor schon ein „hinreichender“ Tatverdacht bezüglich einer Tat einer Leitungsperson bestand und somit die beschuldigtenähnliche Stellung zum Zeitpunkt der Durchsuchung bereits objektiv in Betracht kam, lässt sich an dieser Stelle nicht beurteilen. Es dürfte zudem fraglich sein, was das BVerfG mit dem „hinreichenden“ Verdacht ausdrücken wollte. Entgegen des gewählten – aber vom Gericht in Anführungszeichen gesetzten – Wortlauts wäre es wohl verfehlt, den strafprozessualen hinreichenden Tatverdacht zu fordern, da für die Einleitung eines Verfahrens bereits ein Anfangsverdacht ausreicht (§ 152 Abs. 2 StPO). Es wäre widersprüchlich, für den Beginn der beschuldigtenähnlichen Stellung der juristischen Person mehr zu fordern. Generell dürfte jedoch kein Beschlagnahmeschutz für Unterlagen gelten, die im Rahmen einer anfänglichen Beratung des Unternehmens erstellt werden.200 Bei internen Untersuchungen dürfte es auf deren Zeitpunkt ankommen; sicher geschützt 196 197 198 199 200

BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 102 ff. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 106 ff. So auch Rieder/Menne, in: CCZ 2018, 203, 204. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. 06. 2018 – 2 BvR 1405/17 – juris, Rn. 8. Rieder/Menne, in: CCZ 2018, 203, 205.

III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen

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dürften diese erst ab Einleitung eines Verfahrens gegen die juristische Person sein. Wann hingegen davor ein „hinreichender“ Tatverdacht gegen Leitungspersonen besteht, lässt sich nach der Entscheidung des BVerfG noch nicht klar beurteilen. Aus dem Urteil des BVerfG lässt sich jedenfalls nicht schließen, dass Beschlagnahmen von Unterlagen aus Internal Investigations bei Rechtsanwaltskanzleien regelmäßig zulässig sind. Die Zulässigkeit einer solchen richtet sich nun vielmehr nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO, wonach es auf das Bestehen eines Mandatsverhältnisses zu dem im konkreten Verfahren Beschuldigten ankommt. b) Beschlagnahme von Unterlagen im Gewahrsam des Unternehmens Von der Beschlagnahme von Unterlagen im Gewahrsam eines Rechtsanwalts ist die von Unterlagen im Gewahrsam des betroffenen Unternehmens zu unterscheiden. Eine solche fällt gemäß § 97 Abs. 2 StPO grundsätzlich nicht unter das Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO. Im Hinblick auf Unterlagen aus unternehmensinternen Ermittlungen hat dies auch das Landgericht Mannheim entschieden.201 Verteidigungsunterlagen und Verteidigerpost sind aber nach h.M. auch beim Beschuldigten geschützt.202 Das Gleiche gilt für ein betroffenes Unternehmen als Nebenbeteiligte (§§ 444 Abs. 2 S. 2, 432 Abs. 2, 434 Abs. 2 S. 2 StPO).203 Unter Verteidigungsunterlagen können auch die anwaltlichen Unterlagen fallen, die im Rahmen einer internen Ermittlung zur Verteidigung in einem befürchteten Bußgeldverfahren nach § 30 OWiG erstellt wurden.204 Diese Frage ist jedoch immer einzelfallabhängig.205 Im Übrigen sind die Unterlagen im Gewahrsam des Unternehmens jedoch nicht vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden geschützt.206 Es besteht demnach zumindest die Gefahr der Beschlagnahme von Unterlagen aus Internal Investigations im Besitz des Unternehmens.207 Auch im Hinblick auf die Beschlagnahme bei den ermittelnden Rechtsanwälten besteht nach dem oben Ausgeführten ein entsprechendes Risiko, wenn das Unternehmen noch keine beschuldigtenähnliche Stellung hat oder eine Mandatsbeziehung fehlt. Folge einer Beschlagnahme wäre, dass der beabsichtigte Schutz des Mitarbeiters durch Nichtherausgabe der Unterlagen ins Leere laufen würde. Besteht also die Gefahr, dass sich die Ermittlungsbehörden die Unterlagen auch ohne oder gegen den Willen des Unter201

LG Mannheim, Beschl. v. 03. 07. 2012 – 24 Qs 1/12, 2/12 – juris, Rn. 161 ff. BGH, NStZ 1998, 309; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 97 Rn. 37; Gerhold, in: BeckOK StPO, § 97 Rn. 32, 6a; Park, Durchsuchung und Beschlagnahme, § 3 Rn. 586; Wimmer, in: NK 2016, 356, 360; Galle, in: BB 2018, 564, 570; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 79. 203 Wimmer, in: NK 2016, 356, 360; vgl. Rogall, in: KK-OWiG, § 30 Rn. 209. 204 LG Braunschweig, NStZ 2016, 308, 309; Stelten, in: GWR 2015, 476; ausführlich dazu auch Wimmer, in: NK 2016, 356, 360 f. 205 Wimmer, in: NK 2016, 356, 361. 206 Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 561; Wettner/Mann, in: DStR 2014, 655. 207 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 78. 202

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D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen i.R.d. Kooperation

nehmens verschaffen, spricht dies umso mehr für das Überwiegen der Interessen des Unternehmens an einer „freiwilligen“ Herausgabe. Die Interessen des Mitarbeiters lassen sich demnach durch eine Untersagung der Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen/den Arbeitgeber nicht ausreichend schützen.

IV. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass die sich in der Praxis zeigende Tendenz, dass Unternehmen Erkenntnisse und Unterlagen aus der Internal Investigation an die Ermittlungsbehörden weitergeben, mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter zulässig ist. Die Rechte des Mitarbeiters lassen sich durch die Lösung der Unterbindung des Beweistransfers nicht ausreichend schützen. Ein Offenbarungsverbot oder eine Anonymisierung der Unterlagen lassen sich nicht überzeugend begründen. Das Unternehmen muss demnach – möchte es vollen „Bonus“ für die Aufklärungshilfe erhalten – sowohl nach aktueller Rechtslage, als auch nach den vorgeschlagenen Neuregelungen des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VerbSG-E oder des § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW, alle zur Sanktionierung erforderlichen und dem Unternehmen zurechenbaren Erkenntnisse, also auch Erkenntnisse über die Individualtäter im Unternehmen, herausgeben. Durch den Transfer der Ermittlungsergebnisse ins Strafverfahren vermischen sich die arbeitsrechtliche und die straf- und strafprozessrechtliche Situation des Mitarbeiters. Es muss daher im Folgenden untersucht werden, ob zum Schutz des Mitarbeiters vor der Umgehung seiner Selbstbelastungsfreiheit ein Beweisverwertungsverbot greift. Für diese Frage wird die Kooperation des Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden und der damit einhergehende Transfer der Ermittlungsergebnisse unterstellt.

E. Beweisverwertungsverbot zugunsten selbstbelastender Aussagen des Mitarbeiters? Nachdem die Auskunftspflicht des Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen, die für den wichtigsten Bereich des unmittelbaren Arbeitsbereichs auch die Selbstbelastung umfasst, festgestellt und herausgearbeitet wurde, dass diese Pflicht zwangsweise durchsetzbar und arbeitsrechtlich sanktionierbar ist und, dass das Unternehmen grundsätzlich nicht gehindert ist, die Erkenntnisse aus der Internal Investigation Ermittlungsbehörden zu offenbaren, stellt sich die Frage, wie der Mitarbeiter vor einer Umgehung seiner Selbstbelastungsfreiheit im Strafprozess geschützt werden kann. Durch die Übergabe von Informationen im Rahmen der Kooperation verbinden sich die privaten mit den staatlichen Ermittlungen.1 Daher sind bei der Beantwortung dieser Frage neben den Interessen des Mitarbeiters und des Unternehmens auch das Interesse an einer effektiven Strafverfolgung zu berücksichtigen.2 Das Aufklärungsinteresse des Unternehmens ist zwar bei der Frage des Umfangs der Auskunftserteilung und Informationsgewinnung im Rahmen der privaten Ermittlung vorrangig zu berücksichtigen, jedoch ist dieses Interesse bei der Frage der Beweisverwertung im Strafverfahren nicht von entscheidender Bedeutung; maßgebend sind hier vielmehr die Interessen des Beschuldigten und des Staates.3 Hinsichtlich der unterschiedlichen zu berücksichtigenden Interessen kann es daher durchaus gerechtfertigt sein, dass die Berührung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Privatrecht anders gewürdigt wird als im Strafprozessrecht.4 Für den Mitarbeiter können sich aus der Informationsübergabe erhebliche Nachteile in strafrechtlicher Hinsicht ergeben. Die übergebenen Informationen können von den Ermittlungsbehörden als Beweise für die Begründung eines Anfangsverdachts und – solange kein Verwertungsverbot angenommen wird – im Strafverfahren verwendet werden. In einem Strafverfahren stünde dem Mitarbeiter zwar ein Schweigerecht nach §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1 oder 55 StPO zu, jedoch würde dieses Recht ausgehöhlt, wenn die selbstbelastende Auskunft des Mitarbeiters aus der internen Untersuchung für die Ermittlungsbehörden aus den 1

Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 102. Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 118. 3 Theile, in: StV 2011, 381, 385. 4 Theile, in: StV 2011, 381, 385. So auch im Rahmen des Gemeinschuldner-Beschlusses, vgl. BVerfGE 56, 37. 2

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E. Beweisverwertungsverbot

Unterlagen heraus ersichtlich und verwertbar wäre.5 Das Schweigerecht wäre entkernt, bevor es tatsächlich entstehen würde.6 Zur Verhinderung der Aushöhlung strafprozessualer Rechte im Strafverfahren verlangt die Literatur daher teilweise – wie bereits dargestellt – ein Schweige- bzw. Auskunftsverweigerungsrecht des Mitarbeiters.7 Einen solchen Weg hat teilweise auch der Gesetzgeber bei ähnlichen Konflikten eingeschlagen.8 Diejenigen, die ein Auskunftsverweigerungsrecht entsprechend der hier vertretenen Ansicht ablehnen und eine umfassende Auskunftspflicht des Mitarbeiters annehmen, vertreten zum Schutz des Mitarbeiters dagegen hauptsächlich das Eingreifen eines Beweisverwertungsverbotes.9 Insoweit haben Teile der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ebenfalls bereits ein Verwertungsverbot für eine Selbstbelastung aufgrund arbeitsrechtlicher Auskunftspflicht angenommen.10 Auch der Gesetzgeber hat diesen Weg der Konfliktlösung bereits beschritten.11 Mit der Konfliktlage des Mitarbeiters im Rahmen der Internal Investigation hat sich der Gesetzgeber bislang jedoch noch nicht befasst.12 Der im Rahmen der Reformbestrebungen im Dezember 2017 veröffent5 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1926; Theile, in: StV 2011, 381, 384 f.; Theile, in: ZIS 2013, 378; Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 196 f.; Böhm, NonCompliance und Arbeitsrecht, S. 160; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 271 f.; ähnlich Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 106; Fritz, in: CCZ 2011, 156, 160; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 116; Kottek, Kooperation, S. 119; Wewerka, Internal Investigations, S. 323. 6 Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1926; Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 272 m.w.N.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 86. 7 Siehe dazu oben unter C.IV.1. 8 Ein Auskunftsverweigerungsrecht bei Selbstbelastung enthalten z. B. die Regelungen § 52 Abs. 5 BImSchG; § 21 Abs. 3 S. 3 SGB X; § 4 Abs. 9 WpHG; §§ 59 Abs. 5, 81b Abs. 3 GWB; § 29 Abs. 3 GewO. 9 Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 375 ff.; Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Dann/ Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1855; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1926 ff.; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 73 ff.; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392 f.; Theile, in: StV 2011, 381, 384 f.; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 22 f.; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 530; Zerbes, in: ZStW 2013, 551, 570; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 173; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 454; Kottek, in: wistra 2017, 9, 12 ff.; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 548 f.; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 754 f.; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 481; Gössel, in: LR-StPO, Einl. Abschn. L Rn. 94; Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 103, 127; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 300; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 173 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 223; Kottek, Kooperation, S. 124. Eingeschränkt auch Anders, in: wistra 2014, 329, 332 ff.; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 9 ff.; vgl. auch Kölbel, in: MüKo StPO, § 160 Rn. 28. 10 LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris, Rn. 34; ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364. 11 Ein Beweisverwertungsverbot bei einer umfassenden Auskunftspflicht statuieren z. B. § 630c Abs. 2 S. 3 BGB; § 97 Abs. 1 S. 3 InsO; § 393 Abs. 2 S. 1 AO; § 101 Abs. 8 UrhG; § 140b Abs. 8 PatG; vgl. Kottek, Kooperation, S. 119. 12 Kottek, Kooperation, S. 119.

E. Beweisverwertungsverbot

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lichte VerbSG-E statuiert aber ein solches Beweisverwertungsverbot in § 18 Abs. 3.13 Danach sind Angaben, die ein Zeuge bei einer Befragung im Rahmen einer internen Untersuchung gegenüber den beauftragten internen Ermittlern macht, in einem Strafverfahren gegen ihn ohne seine Zustimmung nicht verwertbar. In diesem Teil wird daher der Frage nachgegangen, ob sich ein Beweisverwertungsverbot zum Schutz des Mitarbeiters dogmatisch begründen lässt. Die bisherigen Begründungen und Herleitungen eines solchen sind innerhalb der Vertreter eines Beweisverwertungsverbotes jedoch alles andere als einheitlich. Vertreten werden dabei insbesondere Beweisverwertungsverbote im Zusammenhang mit der Berührung des nemo-tenetur-Grundsatzes.14 Zur Begründung werden dabei hauptsächlich die Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses des BVerfG15 herangezogen.16 Andere stützen sich auf einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren.17 Umstritten ist auch, ob einem Beweisverwertungsverbot eine Fort- und/oder Fernwirkung zukommt.18 Teilweise wird auch vertreten, dass die Erkenntnisse aus den Internal Investigations uneingeschränkt verwertbar sind.19 Neben diesen Fragen zum 13

Das VerbSG-E ist abgedruckt in Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, in: NZWiSt 2018, 1 (s. auch Kap. A. Fn. 45). 14 LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris; ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364; Gössel, in: LR-StPO, Einl. Abschn. L Rn. 94; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 301; Theile, in: StV 2011, 381, 385; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 530; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 453 vertritt, dass die Strafverfolgungsbehörden die Aussagefreiheit auch bei Entgegennahme der Beweismittel zu beachten hätten; Veit, in: ZRFC 2017, 171, 174; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 300, die auf die Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses abstellt; Kottek, Kooperation, S. 124, 149 der maßgeblich auf den nemo-tenetur-Grundsatz bzw. § 97 Abs. 1 S. 3 InsO analog abstellt und für eine Erweiterung des Schutzbereichs des nemo-tenetur-Grundsatzes eintritt; vgl. auch Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928. 15 BVerfGE 37, 56. 16 So unter anderem Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 273 ff.; 280; Bittmann/ Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377 f.; v. Galen, in: NJW 2011, 945; Theile, in: StV 2011, 381, 385; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; Wehnert, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, 137, 143; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 109; wohl auch Kasiske, in: JuS 2014, 15, 19; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 214 lehnt das Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zumindest an den Gemeinschuldner-Beschluss an. A.A. u. a. Anders, in: wistra 2014, 329, 331; Wimmer, in: Leitner/ Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 Rn. 23, 28; vgl. auch Kap. E. Fn. 17. 17 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392 f.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 292 f.; einschränkend auch Wimmer, in: NK 2016, 356, 364; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 Rn. 28. 18 Bejahend: Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 308 ff.; Kottek, Kooperation, S. 177 ff., wobei er die Fortwirkung auf die Beseitigung der bislang bestehenden wirtschaftlichen Drucksituation durch den Arbeitgeber stützt; Gerst, in: CCZ 2012, 1, 3. A.A. Bittmann/ Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 378; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 455; Wewerka, Internal Investigations, S. 318 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 230; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 294 f. 19 LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris, Rn. 83 hielt die Anwendung des nemo-tenetur-Grundsatzes für fernliegend; Diller, in: DB 2004, 313, 319; Wimmer, in: FS I.

170

E. Beweisverwertungsverbot

Beweisverwertungsverbot wird auch die Ausgestaltung dessen, insbesondere mit Blick auf § 18 Abs. 3 VerbSG-E, untersucht. Anknüpfungspunkt aller diesbezüglich folgenden Erörterungen ist dabei vor allem die bestehende umfassende arbeitsrechtliche Auskunftspflicht20 und die freiwillige Offenbarung der gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der Kooperation mit den Ermittlungsbehörden, also der Transfer ins Strafverfahren. Dabei kann ein Beweisverwertungsverbot aber immer nur angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer nicht freiwillig selbstbelastend aussagt, da es sonst bereits an einer Konfliktlage fehlt.21 Wann eine freiwillige Auskunftserteilung vorliegt22 und welche Auswirkungen ein Irrtum oder eine Täuschung über das Bestehen oder den Umfang der Auskunftspflicht haben,23 wird noch erörtert. Zur Annäherung an das Thema der Beweisverwertungsverbote wird zunächst dargestellt, wie Erkenntnisse aus dem Mitarbeiterinterview überhaupt als Beweise in die Hauptverhandlung eingeführt werden können, wenn der Mitarbeiter sich auf sein Schweigerecht beruft. Im Anschluss folgt die Erörterung, ob sich Beweisverwertungsverbote zugunsten des Mitarbeiters wegen Verstoßes der umfassenden Auskunftspflicht gegen den nemo-tenetur-Grundsatz ergeben können, wobei dies insbesondere unter dem Aspekt der Zurechnung thematisiert wird. Danach wird auf die Thematik eines selbstständigen Beweisverwertungsverbotes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG aufgrund der zweckwidrigen Verwendung der selbstbelastenden Auskunft im Strafverfahren eingegangen, wobei insbesondere die Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses24 untersucht wird.

Roxin, 537, 549 f.; Raum, in: StraFo 2012, 395, 398 nimmt aber ein Auskunftsverweigerungsrecht des Mitarbeiters gegenüber seinem Arbeitgeber an, ein Beweisverwertungsverbot soll nur gegeben sein, wenn die internen Ermittler bei der Ermittlung gegen Strafgesetze verstoßen; Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 15. Teil Rn. 179 nehmen kein Beweisverwertungsverbot aufgrund einer fehlenden Pflicht zur Auskunftserteilung an; Reinhardt/Kaindl, in: CB 2017, 210, 213; Matula, Private Ermittlungen, S. 220 ff. nimmt eine Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Siemens-Affäre nach Abwägung an. 20 Siehe dazu ausführlich unten unter E.II. 21 Diversy, in: ZInsO 2005, 180, 184; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1855; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140 m.w.N.; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 144; vgl. Böhm, in: WM 2009, 1923, 1927; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 11; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 454; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 280, 307; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 236; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 293; vgl. Wewerka, Internal Investigations, S. 318; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 205, 258; vgl. auch Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 182 f. 22 Siehe dazu unten unter E.III.3.a). 23 Siehe dazu unten unter E.III.2.b)ee). 24 BVerfGE 56, 37.

I. Einführung der Beweise in die Hauptverhandlung

171

I. Einführung der Beweise in die Hauptverhandlung Die im Rahmen von Internal Investigations gewonnenen Erkenntnisse und Informationen zur Begehung von Straftaten/Ordnungswidrigkeiten können auf unterschiedliche Weise auch dann in die Hauptverhandlung als Beweismittel eingeführt werden, wenn sich die beschuldigten Mitarbeiter auf ihr Schweigerecht berufen. Ein pauschaler Hinweis auf die Zulässigkeit der Verlesung der Interviewprotokolle, wie ihn einige Autoren geben,25 genügt aber im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO) nicht. Zunächst stellt sich vielmehr die Frage, ob die Aussage des Angeklagten durch Verlesung des Interviewprotokolls ergänzt oder ersetzt werden kann. Daneben kommt auch die Vernehmung der internen Ermittler über die Aussage des Mitarbeiters (der jetzt beschuldigt/angeklagt ist) im Rahmen des Interviews in Betracht, soweit das Unternehmen den internen Ermittler von seiner Schweigepflicht entbunden hat. Auch hier stellt sich die Frage der Ergänzungs- oder Ersetzungsmöglichkeit durch Verlesung des Interviewprotokolls. Waren weitere Personen, z. B. (Mitarbeiter-)Zeugen beim Interview anwesend, kommt auch deren Vernehmung in Betracht. 1. Verlesung des Interviewprotokolls als Ersetzung oder Ergänzung der Aussage des Angeklagten Beruft sich der angeklagte Mitarbeiter in der Hauptverhandlung (teilweise) auf sein Schweigerecht, ist fraglich, ob ergänzend oder ersetzend das Interviewprotokoll verlesen werden darf. Nach § 254 StPO dürfen Erklärungen des Angeklagten aus einer richterlichen Vernehmung zum Zwecke der Beweisaufnahme über ein Geständnis oder zur Aufklärung von Widersprüchen zu früheren Aussagen verlesen werden. Nichtrichterliche Vernehmungsprotokolle, also solche der Polizei und Staatsanwaltschaft, dürfen hingegen nicht verlesen werden.26 In der Literatur wird vereinzelt vertreten, dass eine Verlesung von Interviewprotokollen über selbstbelastende Angaben des Angeklagten gegen § 254 Abs. 1 StPO (analog) verstoße27. Nach anderer Ansicht sind die Niederschriften, die eine Privatperson – also auch ein interner Ermittler – über eine Äußerung des Angeklagten verfasst hat, jedoch nicht von § 254 StPO erfasst.28 Dies ist in Anbetracht der Existenz der Regelungen der §§ 250 ff. StPO überzeugender. Ob private Niederschriften, die Wahrnehmungen einer (als Zeuge in Betracht kommenden) Privatperson enthalten, verlesbar sind, 25

So unter anderem Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 374; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 31. 26 Kreicker, in: MüKo StPO, § 254 Rn. 2; Diemer, in: KK-StPO, § 254 Rn. 1; Ganter, in: BeckOK StPO, § 254 Rn. 1. 27 Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 96 f.; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 267 vertritt dies jedenfalls für solche Internal Investigations, die den Ermittlungsbehörden zuzurechnen sind. Für nicht substitutive Ermittlungen sei die Anwendung des § 254 StPO jedenfalls dann angezeigt, wenn die das Interview vernehmungsähnlichen Charakter habe. 28 Mosbacher, in: LR-StPO, § 254 Rn. 8; Kottek, in: wistra 2017, 9, 12.

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E. Beweisverwertungsverbot

regeln insbesondere die §§ 250 bis 252 StPO (dazu sogleich), sodass entgegen Kruses Annahme keine Regelungslücke vorliegt. Auch weil sich die StPO generell nicht an Privatpersonen richtet, lässt sich nur schwer eine planwidrige Regelungslücke begründen.29 Gegen die Annahme von Kasiske, der § 254 StPO auch anwenden will, wenn das private Interview vernehmungsähnlichen Charakter habe,30 spricht, dass das Interview nicht einer polizeilichen oder staatsanwaltlichen Vernehmung gleichgestellt werden kann31 und es sich um private schriftliche Erklärungen handelt, die ohne staatliche Beteiligung abgegeben werden. Beim Interview ist der Betroffene gerade keiner staatlichen Autorität ausgesetzt, sodass eine vergleichbare Situation nicht vorliegt.32 Anders dürfte dies nur sein, wenn das Interview dem Staat zurechenbar ist,33 da das Interview dann einer Vernehmung durch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft gleichzustellen wäre34. 2. Aussage der internen Ermittler und Ergänzungsoder Ersetzungsmöglichkeit dieser durch Verlesung der Interviewprotokolle/Untersuchungsberichte Besondere Bedeutung kommt der Aussage der internen Ermittler über den Inhalt des Interviews mit dem Beschuldigten/Angeklagten zu, insbesondere sofern dieser darin selbstbelastende Angaben gemacht hat.35 Da den internen Ermittlern ein berufsbezogenes Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO nur im Verhältnis zum Unternehmen zusteht,36 ist der betroffene Mitarbeiter dadurch nicht geschützt.37 Für eine Aussage müsste das Unternehmen die internen Ermittler gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 StPO aber (zumindest partiell) von ihrer Schweigepflicht entbinden.38 Sollte sich das Unternehmen von einer Aussage der internen Ermittler Vorteile 29

Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 127; ähnlich Stoffer, Privatisierung, S. 256; Kottek, Kooperation, S. 118. 30 Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 267 f. 31 Siehe dazu unten unter E.II. 32 Vgl. dazu auch die Ausführungen unter C.III.1. 33 Für welche Fälle eine Zurechnung in Betracht kommt, vgl. unten unter E.II. 34 Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 267. 35 Vgl. Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 752. 36 Kottek, Kooperation, S. 72; Theile, in: StV 2011, 381, 384; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 204; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120 nimmt das Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund der Unteilbarkeit auch gegenüber den Interviewten an. 37 Theile, in: StV 2011, 381, 384; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 165; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 204. 38 OLG Zweibrücken, NZWiSt 2017, 226 f.; Knierim/Schröder, in: Knierim/Rübenstahl/ Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 16 Rn. 167 ff.; Theile, in: StV 2011, 381, 384; Diller, in: DB 2004, 313, 318 m.w.N.; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 268 lässt diese Möglichkeit an § 254 StPO scheitern, der nach seiner Ansicht ein über die Verlesung hinaus gehendes umfassendes Verwertungsverbot enthält; Kottek, in: wistra 2017, 9, 11; Gatter, Aus-

I. Einführung der Beweise in die Hauptverhandlung

173

versprechen (z. B. um eine umfassende Kooperationsbereitschaft zu signalisieren), wird es diese Entbindung in der Regel vornehmen.39 In diesem Fall dürfen die internen Ermittler das Zeugnis nach § 53 Abs. 2 S. 1 StPO nicht mehr verweigern. Die Vernehmung der internen Ermittler als Zeugen vom Hörensagen verstößt auch nicht gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz nach § 250 StPO,40 der nur den Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundenbeweis festlegt, nicht aber einen Grundsatz des Vorrangs des sachnächsten Beweismittels (hier der Angeklagte) statuiert41. Angaben vom Hörensagen haben jedoch einen geringeren Beweiswert.42 Der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 S. 2 StPO könnte jedoch einer – nach § 249 Abs. 1 StPO grundsätzlich zulässigen – Verlesung etwaiger Interviewprotokolle bzw. diesbezüglicher Notizen entgegenstehen. Hierbei handelt es sich nicht um schriftliche Erklärungen des Beschuldigten/Angeklagten, sondern um verschriftlichte Wahrnehmungen von Zeugen.43 Nach § 250 S. 2 StPO darf der Personalbeweis und die Vernehmung des Zeugen aber nicht durch die Verlesung eines früheren Vernehmungsprotokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden (S. 2). Ausnahmen statuiert § 251 StPO. Ausgeschlossen wäre die Verlesung nach § 250 S. 2 StPO, wenn es sich bei den Interviewprotokollen bzw. Notizen oder Untersuchungsberichten um ein Protokoll einer früheren Vernehmung oder eine schriftliche Erklärung handelt und deren Verlesung die Vernehmung ersetzen soll. Protokolle über frühere Vernehmungen sind dabei allerdings nur amtliche Niederschriften von Gerichten, der Staatsanwaltschaft, der Polizei oder anderen Behörden.44 Private Protokolle aus privaten Befragungen fallen nicht darunter.45

gestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 80; Kottek, Kooperation, S. 73, 146; Wewerka, Internal Investigations, S. 229; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 165. 39 Kottek, Kooperation, S. 73; Theile, in: StV 2011, 381, 384. 40 BGHSt 1, 373, 376; BGHSt 17, 382, 383 f.; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 250 Rn. 4; Sander/Cirener, in: LR-StPO, § 250 Rn. 25; Kreicker, in: MüKo StPO, § 250 Rn. 42; Diemer, in: KK-StPO, § 250 Rn. 10; Ganter, in: BeckOK StPO, § 250 Rn. 2; Kottek, Kooperation, S. 103 m.w.N.; Kottek, in: wistra 2017, 9, 11; kritisch aber Knierim, in: StV 2009, 324, 330. 41 BGH, NStZ-RR 2014, 152; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 250 Rn. 3; Kreicker, in: MüKo StPO, § 250 Rn. 42. 42 Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 29a. 43 BGHSt 39, 305 zu Schriftstücken vom Verteidiger über Äußerungen vom Angeklagten; OLG Koblenz, StV 2017, 166 f.; Sander/Cirener, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 250 Rn. 4. 44 Sander/Cirener, in: LR-StPO, § 250 Rn. 6; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 250 Rn. 7; Velten, in: Sk-StPO, § 250 Rn. 24; ähnlich Kreicker, in: MüKo StPO, § 250 Rn. 15; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 94. 45 A.A. Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 173, nach dem sich aus der Skepsis des Gesetzgebers gegenüber amtlichen Protokollen, die sich sowohl in § 250 S. 2 StPO als auch in § 252 StPO zeige, ergebe, dass erst recht Unterlagen aus privaten „Vernehmungen“ von § 250 S. 2 StPO erfasst seien.

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E. Beweisverwertungsverbot

Die Verlesung der Interviewprotokolle und sonstiger Untersuchungsberichte wäre außerdem unzulässig, wenn es sich dabei um schriftliche Erklärungen im Sinne des § 250 S. 2 StPO handeln würde. Was schriftliche Erklärungen in diesem Sinne sind, ist umstritten. Nach dem BGH und der herrschenden Lehre müssen die Erklärungen jedenfalls zu Beweiszwecken im Verfahren verfasst worden sein.46 Darüber hinaus wurde vom 1. Strafsenat des BGH gefordert, dass diese Erklärung für Beweiszwecke in demselben Strafverfahren angefertigt worden sein muss.47 Der 5. Strafsenat forderte, dass die Erklärungen gegenüber einer mit der Strafverfolgung befassten Behörde abgegeben wurden.48 Nach diesen beiden Einschränkungen würden die im Rahmen der Internal Investigation zugunsten des Unternehmens angefertigten Interviewprotokolle und Untersuchungsberichte nicht unter § 250 S. 2 StPO fallen.49 Gegen diese Einschränkungen wird jedoch vorgebracht, dass diese den Anwendungsbereichs des § 250 S. 2 StPO zu stark verengen und dem verfolgten Zweck der Sicherung einer bestmöglichen Sachaufklärung nicht entsprechen würden.50 Lehnt man diese Einschränkung damit ab, stellt sich die Frage, ob die Untersuchungsberichte und die Interviewprotokolle zu Beweiszwecken im Verfahren angefertigt wurden. Für Untersuchungsberichte ließe sich vertreten, dass diese zu Beweiszecken im Verfahren – wenn auch für ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen das Unternehmen – angefertigt wurden.51 Für Interviewprotokolle ließe sich zum einen vertreten, dass diese nur Grundlage des Untersuchungsberichts sein sollten und daher nicht zu Beweiszwecken angefertigt wurden. Zum anderen könnte eine Anfertigung zu Beweiszwecken jedenfalls dann angenommen werden, wenn Ziel der Internal Investigation von Anfang an die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden war.52 Je nach Auslegung könnten die Interviewprotokolle also als schriftliche Erklärungen nach § 250 S. 2 StPO angesehen werden oder nicht. Selbst wenn danach eine Verlesung gegebenenfalls ausgeschlossen wäre, können – neben der Möglichkeit der Protokollverlesung zur Gedächtnisunterstützung nach § 253 StPO – Vorhalte aus einem Interviewprotokoll oder Untersuchungsbericht

46 BGHSt 6, 141, 143; BGHSt 6, 209, 212; BGH, Urt. v. 07. 01. 1964 – 5 StR 549/63 – jurion, Rn. 4; BGHSt 20, 160, 161; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 250 Rn. 8; Sander/Cirener, in: LR-StPO, § 250 Rn. 8; Kreicker, in: MüKo StPO, § 250 Rn. 16; Velten, in: SK-StPO, § 250 Rn. 24; Diemer, in: KK-StPO, § 250 Rn. 8; Kottek, Kooperation, S. 103. 47 BGH, NStZ 1982, 79; offen gelassen von BGH, NStZ 1988, 36; a.A. Kreicker, in: MüKo StPO, § 250 Rn. 16; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 250 Rn. 8; Sander/Cirener, in: LRStPO, § 250 Rn. 8; Velten, in: SK-StPO, § 250 Rn. 24; Diemer, in: KK-StPO, § 250 Rn. 8; jedenfalls kritisch BGHSt 20, 160, 161. 48 BGH, Urt. v. 07. 01. 1964 – 5 StR 549/63 – jurion, Rn. 4. 49 So auch Kottek, in: wistra 2017, 9, 11. 50 So auch Sander/Cirener, in: LR-StPO, § 250 Rn. 8; ähnlich Kottek, Kooperation, S. 103. 51 Kottek, Kooperation, S. 103; Kottek, in: wistra 2017, 9, 11. 52 Im Ergebnis auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 96.

I. Einführung der Beweise in die Hauptverhandlung

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gemacht werden53. Zudem verbietet § 250 StPO nach allgemeiner Ansicht nicht die Ergänzung der Zeugenvernehmung, sondern nur deren Ersetzung, sodass zusätzlich zu der Vernehmung der internen Ermittler auch ein Interviewprotokoll und der Untersuchungsbericht nach § 249 StPO verlesen werden können, beispielsweise um eine Aussagekonstanz zu beweisen.54 Wurden die internen Ermittler nicht von der Schweigepflicht entbunden – was von einigen Ermittlungsbehörden bereits als unzureichende Kooperation angesehen werden könnte – kann das im Rahmen der Kooperation übergebene Protokoll als Ergänzung verlesen werden, solange der interne Ermittler als Zeuge irgendwelche Angaben zum Protokoll oder zum Untersuchungsbericht macht.55 Macht der interne Ermittler als Zeuge jedoch nur allgemeine Angaben und verweigert ansonsten das Zeugnis, läge bei Verlesung des übergebenen Protokolls/Untersuchungsberichts eine unzulässige Ersetzung und damit ein Verstoß gegen § 250 S. 2 StPO vor.56 Eine berechtigte Zeugnisverweigerung fällt als rechtliches Hindernis auch nicht unter § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO, der eine Ausnahme vom Verlesungsverbot macht, wenn der Zeuge in absehbarer Zeit nicht vernehmbar ist.57 Für den Fall, dass der interne Ermittler bei seiner ersten Vernehmung vor der Staatsanwaltschaft oder der Polizei von der Schweigepflicht entbunden war, bei der Vernehmung in der Hauptverhandlung jedoch nicht mehr, gilt auch § 252 StPO nicht, sodass die damalige Vernehmungsperson in der Hauptverhandlung über die gewonnenen Erkenntnisse vernommen werden kann.58 Neben den Schwierigkeiten, die sich insbesondere aus § 250 S. 2 StPO ergeben, wird in der Literatur vereinzelt vertreten, dass eine Vernehmung der internen Ermittler gegen § 254 StPO verstoße, der entgegen seines Wortlauts als reines Verlesungsverbot ein umfassendes Verwertungsverbot statuiere59. Die Verwendung getätigter Aussagen im Rahmen von nichtrichterlichen Vernehmungen müsse in jeglicher Form, also auch durch die Vernehmung der Verhörspersonen verboten sein.60 Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre verbietet § 254 StPO hingegen nur die Verlesung eines früheren Geständnisses des Angeklagten in einem nichtrichterlichen 53

Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 250 Rn. 14; Sander/Cirener, in: LR-StPO, § 250 Rn. 15; Diemer, in: KK-StPO, § 250 Rn. 2; Ganter, in: BeckOK, § 250 Rn. 7; Kottek, in: wistra 2017, 9, 11; Kottek, Kooperation, S. 103. 54 BGHSt 20, 160, 161 f.; BGH, NStZ 1988, 36; BGHSt 51, 325, 330; Kreicker, in: MüKo StPO, § 250 Rn. 22; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 250 Rn. 12; Sander/Cirener, in: LRStPO, § 250 Rn. 17; Diemer, in: KK-StPO, § 250 Rn. 2; Ganter, in: BeckOK, § 250 Rn. 3; Kottek, Kooperation, S. 103. 55 So wohl Kottek, in: wistra 2017, 9, 12. 56 BGH, NStZ 2016, 428 (für einen zeugnisverweigernden Arzt). 57 Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 251 Rn. 11. 58 BGHSt 18, 146, 149 f.; BGH, StV 1997, 233; BGH, NStZ 2012, 281 (mit kritischer Anmerkung von Geppert); Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 252 Rn. 3; Sander/Cirener, in: LR-StPO, § 252 Rn. 4; Ellbogen, in: MüKo StPO, § 252 Rn. 12; Diemer, in: KK-StPO, § 252 Rn. 6; Ganter, in: BeckOK StPO, § 252 Rn. 6. 59 Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 268. 60 Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 268.

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E. Beweisverwertungsverbot

Protokoll und nicht jegliche Verwertung beispielsweise eines polizeilichen Protokolls durch Vernehmung der Verhörsperson.61 3. Beweisgewinnung über Mitarbeiter als Zeugen Neben den internen Ermittlern können auch andere Zeugen (z. B. untergeordnete Mitarbeiter) zu dem Fehlverhalten des Angeklagten oder sonstigen beweisrelevanten Tatsachen (z. B. bestimmte Abläufe im Unternehmen) in der mündlichen Verhandlung vernommen werden. Ein Aussageverweigerungsrecht steht den Zeugen dabei nur bei Selbstbezichtigung (§ 55 StPO) oder nach § 52 StPO zu, wenn (ausnahmsweise) ein Angehörigenverhältnis zum Angeklagten bestehen sollte. Im Übrigen unterliegen Zeugen der Wahrheitspflicht nach § 57 S. 1 StPO, weshalb sie etwaiges Wissen über Taten des Angeklagten offenbaren müssen. Nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit nach § 250 S. 1 StPO sind die Mitarbeiter grundsätzlich persönlich zu vernehmen, jedoch würde das Verbot der ersetzenden Verlesung nur greifen, wenn es sich um Protokolle über frühere Vernehmungen oder schriftliche Erklärungen des Mitarbeiters über eigene Wahrnehmungen handeln würde62. Das ist bei etwaigen Interviewprotokollen nicht der Fall, da diese die Wahrnehmung der internen Ermittler schriftlich festhalten.63 Bei sonstigen schriftlichen Erklärungen des Mitarbeiterzeugen würden allerdings §§ 250 S. 2, 251 StPO eingreifen.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot aufgrund einer dem Staat zurechenbaren Internal Investigation Nach diesem Überblick über die Einführung der Erkenntnisse in die Hauptverhandlung ist nun die Frage der Vereinbarkeit der Internal Investigations mit dem nemo-tenetur-Grundsatz des Mitarbeiters zu beurteilen, die den Kern dieser Arbeit bildet. Anknüpfungspunkt für diese Frage ist die bestehende umfassende arbeitsrechtliche Auskunftspflicht des Mitarbeiters64. Mit der allgemeinen Ansicht sind dabei unselbstständige Beweisverwertungsverbote, die an eine rechtswidrige Beweiserhebung anknüpfen,65 und selbstständige Beweisverwertungsverbote, nach 61

BGHSt 3, 149, 150; BGHSt 14, 310, 312; Diemer, in: KK-StPO, § 254 Rn. 1; Ganter, in: BeckOK StPO, § 254 Rn. 2. 62 Es muss sich bei den schriftlichen Erklärungen im Rahmen von § 250 S. 2 StPO um die Erklärungen zu Wahrnehmungen von dem befragten Zeugen handeln, vgl. Kreicker, in: MüKo StPO, § 250 Rn. 16; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 250 Rn. 1, 9. 63 Anders wohl Kottek, in: wistra 2017, 9, 11. 64 Siehe dazu oben unter C.IV.2. und C.IV.3. 65 Vgl. dazu nur Kölbel, in: MüKo StPO, § 160 Rn. 37; Gössel, in: LR-StPO, Einl. Abschn. L Rn. 194; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 363; Finger, in: JA 2006, 529, 530; Jäger, in: GA 2008, 473, 474.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

177

denen die Verwertung unabhängig von einem Verstoß gegen eine Beweiserhebungsnorm unzulässig ist und die sich z. B. unmittelbar aus der Verfassung ergeben können,66 zu unterscheiden. Erstere werden in diesem Kapitel erläutert, letztere im nächsten (III.). Wie bereits festgestellt, verpflichtet der nemo-tenetur-Grundsatz Private nicht unmittelbar.67 Daraus folgt zugleich, dass eine privatrechtliche Auskunftspflicht, bei deren Umfang der mittelbar wirkende nemo-tenetur-Grundsatz bereits berücksichtigt wurde, keine Grundlage für ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot bilden kann. Bei der Frage nach einem Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz ist vielmehr der Akt der Verwertung mit zu berücksichtigen,68 bei dem die Grundrechte anders als bei der privaten Informationsbeschaffung direkt und unmittelbar gelten, da es sich bei der Verwertung um einen staatlichen Akt handelt69. Der nemo-tenetur-Grundsatz und/oder dessen einfachgesetzlichen Ausprägungen (§§ 136, 136a StPO) könnten jedoch greifen, wenn die private Ermittlungstätigkeit dem Staat zuzurechnen ist70. Wann eine solche Zurechnung anzunehmen ist, wird jedoch nicht einheitlich beurteilt. Literatur und Rechtsprechung diskutieren eine Zurechnung dabei hauptsächlich im Rahmen einer rechtswidrigen privaten Beweiserhebung.71 Da die Internal Investigations aber regelmäßig rechtmäßig72 und als private Ermittlung zulässig73 sind, kommt ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot, das an eine rechtswidrige Beweiserhebung anknüpft,74 grundsätzlich nicht in Betracht.75 Anders könnte dies 66 BGHSt 19, 325, 331 (Beweisverwertungsverbot, weil die Verwertung eine erneute Rechtsverletzung durch die Strafverfolgungsbehörden darstellte); Gössel, in: GA 1991, 483, 496; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 457; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 362; Jäger, in: GA 2008, 473, 483; ähnlich Küpper, in: JZ 1990, 416, 417; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 182. 67 Siehe dazu oben unter C.III.2.c)bb). 68 Matula, Private Ermittlungen, S. 207; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 402; Wewerka, Internal Investigations, S. 244; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 91; Reeb, Internal Investigations, S. 131 f. Siehe dazu unten unter E.III. 69 Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257. 70 Dazu Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12 f. 71 Vgl. dazu nur LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 10; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3. 72 So unter anderem auch Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Theile, in: StV 2011, 381, 385; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 253; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 170. 73 BGH, Beschl. v. 08. 08. 1979 – 2 ARs 231/79 – juris, Rn. 14; BGHSt 46, 1, 4; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 742; ausführlich auch Stoffer, Privatisierung, S.142 ff.; Reeb, Internal Investigations, S. 28 ff.; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 32 ff.; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 374; Jahn, in: StV 2009, 41, 43; Knauer/ Gaul, in: NStZ 2013, 192; Wewerka, Internal Investigations, S. 111 ff.; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 7 ff. 74 Vgl. Kap. E. Fn. 65.

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E. Beweisverwertungsverbot

jedoch bei einer Zurechnung des privaten Handelns an den Staat aussehen, wenn die Ermittlungshandlung nur für Private rechtmäßig ist, sie für den Staat aber bei gleichem Vorgehen rechtswidrig wäre, weil sie z. B. gegen den nemo-teneturGrundsatz oder die Vorschriften der StPO verstößt oder diese umgangen werden. Da sich, wie bereits ausgeführt, die Vorschriften der StPO nur an den Staat und nicht an das Unternehmen richten, muss das Unternehmen die Mitarbeiter vor der Befragung z. B. nicht nach §§ 136 Abs. 1 S. 2, 55 Abs. 2 StPO belehren.76 Ob dies bei einer Zurechnung anders beurteilt werden muss und ob ein Beweisverwertungsverbot eingreift, hängt dabei auch von der Qualität der Ermittlungsmaßnahme – bei der Internal Investigation hauptsächlich das Mitarbeiterinterview – ab77. In diesem Zusammenhang ist zudem die Frage zu klären, wie eine Kooperation des Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden ausgestaltet sein muss, um eine Zurechnung zu bejahen. 1. Ausgangspunkt der Zurechnung: formales privates Handeln Der Ausgangspunkt einer Zurechnung von Handlungen an den Staat ist immer das Vorliegen eines formalen privaten Handelns. Nur dann kann sich die Frage stellen, ob dieses private Handeln aufgrund staatlicher Beteiligung ausnahmsweise als staatliches Handeln zu qualifizieren ist. Eine damit verbundene Änderung des Charakters der Handlung ist dabei – wie soeben aufgezeigt – relevant für die rechtliche Bewertung.78 Formal betrachtet gelangt man bei der Internal Investigation zu einer privaten Ermittlungstätigkeit, da die internen Ermittler (also i. d. R. die vom Unternehmen beauftragten externen Berater) als Privatpersonen privates Datenmaterial sichten und/oder andere Privatpersonen (Mitarbeiter) befragen.79 Daran ändert auch der 75 So auch Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Theile, in: StV 2011, 381, 385; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 253 f.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 170; Wewerka, Internal Investigations, S. 257. 76 Siehe dazu oben unter C.III.1. und C.IV.4.; so auch Dencker, in: StV 1994, 667, 671. 77 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 88. 78 Vgl. auch Reeb, Internal Investigations, S. 8; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 87. 79 Jahn, in: StV 2009, 41, 42 f.; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Theile, in: StV 2011, 381, 383; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 554; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 235; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 104; ähnlich Kottek, Kooperation, S. 97; vgl. zur generellen Qualifikation als Privathandeln auch: Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 374; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70 ff.; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389 f.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 510; Raum, in: StraFo 2012, 395, 397; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; Mansdörfer, in: jM 2014, 167, 168; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262; Süße/Eckstein, in: Newsdienst Compliance 2014, 71009; Sarhan, in: wistra 2015, 449 ff.; Kottek, in: wistra 2017, 9; Leitner, in: FS Schiller, 430, 437; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 33; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 88 ff., 93; Wewerka, Internal Investigations, S. 5; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 97.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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mögliche Einfluss US-amerikanischer Behörden auf die Auswahl der Ermittlungspersonen80 nichts. Die (privatrechtliche) vertragliche Beziehung81 besteht nur zwischen dem Unternehmen und der Rechtsanwaltskanzlei/Beratungsgesellschaft82 und wird durch den Einfluss etwaiger Behörden nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Vertrag. Die formale Betrachtung allein kann aber jedenfalls nicht ausschlaggebend für den (tatsächlichen) Charakter der Handlung sein.83 Bei einer konsequenten Anwendung könnte dies nämlich zu einer Umgehung der StPO und zu einer nicht zulässigen „Flucht ins Privatrecht“ führen.84 Bei staatlicher Beteiligung an einer formal privaten Ermittlungsmaßnahme stellt sich dann die Frage, wie gewichtig diese Beteiligung sein muss, um die Ermittlungshandlung insgesamt als staatliche zu qualifizieren und nach welchen Kriterien man diese Beteiligung bemisst. Im Folgenden wird daher zunächst untersucht, unter welchen Voraussetzungen die bisher ergangene Rechtsprechung eine Zurechnung angenommen hat, für welche Fälle eine solche verneint wurde, welche Kriterien und Zurechnungsmodelle die Literatur vertritt und wie die möglichen Ausgestaltungen der Internal Investigations einzuordnen sind. Dabei wird sich zeigen, dass sich die Kriterien in obligatorische, konstitutive und hilfsweise heranzuziehende Kriterien kategorisieren lassen, die zur Klärung der Zurechnungsfrage bei unklaren Fälle herangezogen werden können.85 Im Anschluss daran werden die Folgen einer Zurechnung erörtert.86 2. Die Zurechnung in der strafprozessualen Rechtsprechung Die Zurechnung von privaten Ermittlungshandlungen an den Staat wird in der Rechtsprechung selten ausdrücklich thematisiert. Die Vielzahl von Entscheidungen zu verdeckt ermittelnden Privatpersonen (Mithör-Fälle87, V-Männer88, Aushorchen 80 Die SEC kann beispielsweise die Zuerkennung milderer Sanktionen davon abhängig machen, ob die Ermittlungen durch Anwälte ihres Vertrauens durchgeführt wurden, vgl. Wastl/ Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 69; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373; Jahn, in: StV 2009, 41, 43; Theile, in: StV 2011, 381; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 235. 81 Dies ist in der Regel ein Dienst- bzw. Werkvertrag (§§ 611, 631 BGB), jedenfalls aber immer ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), vgl. Busche, in: MüKo BGB, § 631 Rn. 160 ff.; Fischer, in: BeckOK BGB, § 675 Rn. 6; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1796. 82 Vgl. Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 706. 83 Reeb, Internal Investigations, S. 9; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 92. 84 Die Strafverfolgungsbehörden können Privatpersonen (z. B. verdeckte Ermittler, § 110a StPO) einsetzen, ohne das dieser Einsatz die Ermittlung zu einer privaten macht, vgl. Reeb, Internal Investigations, S. 9; ähnlich Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262. 85 Siehe dazu unten unter E.II.3.a)dd). 86 Siehe dazu unten unter E.II.4. 87 BGHSt 31, 304, 306 ff. (auf Tonträger aufgezeichnetes Telefongespräch zwischen VMann und Beschuldigtem); BGHSt 39, 335, 346 ff. (heimliches Mithören eines privaten Telefongesprächs über die Tat durch einen Polzisten).

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E. Beweisverwertungsverbot

in U-Haft89) betrifft Fälle, in denen das private Handeln durch die staatlichen Behörden „veranlasst“ wurde. Staatliche Veranlassung wird dabei insbesondere für Fälle bejaht, in denen eine Privatperson durch aktive Einwirkung der Ermittlungsbehörden gezielt zur Informationsgewinnung für das Strafverfahren eingesetzt wurde.90 Dabei erfolgte in der Regel eine unmittelbare Beauftragung der Privatpersonen durch die Strafverfolgungsbehörden. a) Die Zurechnung (konkludent) bejahende Rechtsprechung Konkretere Ausführungen zur Zurechnung machte der BGH im Jahr 1998, nach denen sich die Zurechnung sowohl aus der „Art des Zusammenwirkens zwischen den Ermittlungsbehörden und der Privatperson […] als auch aus den Umständen, unter denen die Privatperson zu beweiserheblichen Angaben eines Tatverdächtigen gelangt“ ergeben könne.91 In dem gegebenen Fall hatte eine „Wahrsagerin“ aus eigenem Antrieb in der Untersuchungshaft andere Häftlinge unter Anwendung von gegen § 136a Abs. 1 StPO verstoßenden Methoden ausgehorcht, was den Ermittlungsbehörden bekannt gewesen sein soll, welches sie in Kauf genommen und nicht verhindert haben sollen. Für eine ebenfalls in der U-Haft stattfindende Aushorchung des Beschuldigten, bei der ein V-Mann in die Zelle des Beschuldigten verlegt wurde und ihm taktische Anweisungen für die Aushorchung des Beschuldigten gegeben wurden, bejahte der BGH auch zuvor bereits konkludent eine Zurechnung und ein Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen § 136a StPO analog.92

88 BVerfG, NStZ 2000, 489, 490 (heimliches Befragen einer angehörigen Zeugin durch VMann im Auftrag der Polizei); dieser Entscheidung vorhergehend BGHSt 40, 211, 215 ff. (Einsatz einer V-Person im Umfeld des Beschuldigten und nachträgliche Berufung der Zeugin aus dem Umfeld auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 StPO); BGHSt 31, 304, 307 (Aufzeichnung eines Telefonats zwischen einem V-Mann und dem Beschuldigten im Polizeipräsidium). 89 BGHSt 34, 362, 363 (analoge Anwendung des § 136a StPO, wenn die Polizei einen Mitgefangenen in die Zelle des Beschuldigten verlegt, damit dieser ihn über das Tatgeschehen aushorcht); BGHSt 44, 129, 134 (analoge Anwendung des § 136a StPO auf Vorgehen einer „Wahrsagerin“, die Mitgefangene bespitzelte und die aus eigenem Antrieb der Polizei half, was diese jedoch in Kauf nahmen und sie, trotz Kenntnis von den unter § 136a Abs. 1 StPO fallenden Methoden, gewähren ließen); BGH, NJW 1989, 843, 844 f. (keine Anwendung des § 136a StPO auf eine Situation, in der ein Beschuldigter einem Mithäftling ohne seine Veranlassung Einzelheiten über die Tat berichtete und dieser die Informationen aus eigenem Antrieb an die Polizei weitergab). 90 BVerfG, NStZ 2000, 489, 490; BGHSt 31, 304, 306 ff.; BGHSt 34, 362, 363; BGHSt 39, 335, 341 ff.; BGHSt 40, 211, 215 ff.; BGH, NStZ 1996, 200; BGHSt 42, 139; vgl. zur Tatprovokation auch BGHSt 45, 321; BGHSt 47, 44. 91 BGHSt 44, 129, 134; in der Literatur ziehen diese Kriterien ebenfalls heran: PauckstadtMaihold, in: KMR-StPO, § 136a Rn. 5; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 166; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 240; Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 15 bejaht für diese Fälle das Vorliegen einer Vernehmung und wendet in der Folge § 136a StPO direkt an. 92 BGHSt 34, 362 ff.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

181

Die Anwendbarkeit der §§ 100a f. StPO und damit konkludent eine Zurechnung des privaten Handelns nahm der 4. Senat des BGH93 im Rahmen einer HörfalleEntscheidung für einen Fall an, in dem der Beschuldigte eine Privatperson kontaktierte, die seit mehreren Jahren als V-Mann der Polizei aktiv war und die die Anfrage des Beschuldigten, Drogen zu schmuggeln und abzusetzen, direkt den Polizeibehörden meldete. Daraufhin gab die Polizei dem V-Mann den Auftrag, zum Schein als Komplize aufzutreten. Im weiteren Verlauf rief der V-Mann den Beschuldigten zwei Mal aus dem Polizeipräsidium an, wobei beide Gespräche aufgezeichnet wurden. Diese Aufzeichnungen waren nach dem BGH wegen Verstoßes gegen § 201 StGB und § 100b StPO rechtswidrig und (in dem Fall auch) unverwertbar. Der 2. Senat des BGH nahm daneben eine polizeiliche Veranlassung des privaten Handelns für den Fall an, in dem ein Polizeibeamter eine Zeugin aufforderte, den Beschuldigten vom polizeilichen Diensttelefon anzurufen und ihn auf die in Rede stehende Tat anzusprechen, während der Polizeibeamte an einem Zweithörer das Gespräch heimlich mithörte94. Dieses Verhalten wertete der BGH als Ausübung des dem Polizisten anvertrauten Amtes und als Akt der öffentlichen Gewalt.95 Dennoch nahm er für diese „polizeiliche[n] Initiative und Beteiligung“96 kein Beweisverwertungsverbot an, da rechtsstaatliche Grundsätze, insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren, der Rechtsgedanke des § 136a StPO oder das Schweigerecht nicht verletzt seien.97 Der Große Senat nahm daneben eine polizeiliche Veranlassung für eine Konstellation an, in der die Polizei eine Privatperson zu einem Telefongespräch mit dem Angeklagten veranlasste und dieses durch einen Dolmetscher mithören ließ.98 Während der 5. Senat in dem betreffenden Vorlagebeschluss beabsichtigte, aus der Beeinträchtigung der Grundsätze der Entschließungsfreiheit des Beschuldigten bzw. seines Schweigerechts, welche sinngemäß auch beim gezielten Einsatz von V-Personen zur Befragung des Beschuldigten gelten würden, ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen,99 lehnte der Große Senat ein Beweisverwertungsverbot ab. Dieser führte aus, dass die Vorschriften der §§ 163a, 136 Abs. 1, 136a StPO weder unmittelbar, noch entsprechend anwendbar seien und auch eine Umgehung dieser 93

BGHSt 31, 304, 306 ff. BGHSt 39, 335, 346 ff. 95 BGHSt 39, 335, 341. 96 BGHSt 39, 335, 348. 97 BGHSt 39, 335, 346. Eine gegen diese Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG wegen nicht ausreichender Begründung nicht zur Entscheidung an. Ein Beweisverwertungsverbot aus der Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht ausreichend dargelegt und im Übrigen gebe es auch keinen Grundsatz, dass aus jeder rechtswidrigen Beweiserhebung ein Verwertungsverbot folge, vgl. BVerfG, NStZ 2000, 489. 98 BGHSt 42, 139, 140, 145. 99 BGH, NStZ 1996, 200 f. 94

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E. Beweisverwertungsverbot

Vorschriften oder ein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz nicht vorliege.100 Der Einsatz von Privatpersonen unterliege aber allgemeinen Grenzen, welche jedoch einer Abwägung mit dem Interesse des Staates an der effektiven Rechtsverfolgung und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterlägen.101 Eine Zurechnung nahm das BVerfG daneben für einen Fall an, in dem V-Leute gezielt auf den Angeklagten und dessen Umfeld angesetzt und polizeilich eng geführt wurden.102 Da die Verfassungsbeschwerde mangels ausreichender Begründung nicht zur Entscheidung angenommen wurde, blieb offen, ob sich aus einem vom BVerfG angenommenen Verstoß gegen das Prinzip des fairen Verfahrens ein Beweisverwertungsverbot hätte ergeben müssen. Der BGH hatte ein solches in der vorangegangenen Entscheidung mangels direkter oder entsprechender Anwendung des § 252 StPO aufgrund des Nichtvorliegens einer (förmlichen) Vernehmung und mangels Verletzung von allgemeinen Rechts- und Verfassungssätzen abgelehnt.103 Im Hinblick auf die Tätigkeit einer V-Person als Lockspitzel entschied der 1. Senat des BGH in zwei Fällen, dass die Tatprovokation dem Staat im Hinblick auf die Gewährung eines fairen Verfahrens dann zuzurechnen sei, wenn die „Provokation mit Wissen eines für die Anleitung der VP verantwortlichen Amtsträgers geschieht oder dieser sie jedenfalls hätte unterbinden können“.104 Erteile die Polizei einer VPerson einen Auftrag, habe diese die Möglichkeit und die Pflicht, die V-Person zu überwachen. Ausnahmsweise sei eine Zurechnung aber zu verneinen, wenn die Polizei mit dem Handeln der V-Person nicht hätte rechnen können, z. B. weil das Verhalten einen Exzess darstelle oder aus privaten Motiven erfolgt sei105. Der BGH hielt dabei ausdrücklich fest, dass es bei der Beurteilung des Verstoßes gegen Art. 6 EMRK auf das Handeln staatlicher Organe ankomme, da die dem Schutz des Staates unterliegenden Rechtsgüter und das von ihm zu gewährleistende faire Verfahren ansonsten zur Disposition einer Privatperson stünde.106 Im Hinblick auf diese Zurechnungsgrundsätze bejahte der BGH in dem zunächst entschiedenen Fall die Zurechnung, obwohl der V-Person die Tatprovokation durch die Polizei untersagt worden war.107 In der folgenden Entscheidung wurde die Zurechnung für die Situation bejaht, in der die V-Person eng geführt und die Treffen mit dem Beschuldigten überwacht wurden.108 Folge des Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen 100

BGHSt 42, 139, 145 ff. BGHSt 42, 139, 155 ff., wonach der heimliche Einsatz von Privatpersonen aber jedenfalls dann zulässig sei, wenn es um die Aufklärung von Straftaten erheblicher Bedeutung gehe und andere Ermittlungsmaßnahmen weniger erfolgversprechend wären. 102 BVerfG, NStZ 2000, 489, 490; vorhergehend BGHSt 40, 211, 212 ff. 103 BGHSt 40, 211, 212 ff., 217. 104 BGHSt 45, 321, 336; BGHSt 47, 44, 48. 105 BGHSt 45, 321, 331; BGHSt 47, 44, 48; vgl. auch Stoffer, Privatisierung, S. 323 ff. 106 BGHSt 45, 321, 336. 107 BGHSt 45, 321, 336. 108 BGHSt 47, 44, 48. 101

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Verfahrens war in beiden Fällen eine Berücksichtigung dessen bei der Strafzumessung. Eine Zurechnung bejahte der BGH konkludent daneben für einen Fall, in dem sich eine Zeugin von sich aus anbot, einen der Beschuldigten zur Rede zu stellen und das Gespräch heimlich aufzuzeichnen.109 Dafür stellte die Polizei der Zeugin die technische Ausrüstung zur Verfügung. Ein Beweisverwertungsverbot für die Aufzeichnung der selbstbelastenden Äußerung verneinte die Rechtsprechung aber mangels Anwendbarkeit des § 136 Abs. 1 StPO und aufgrund des Nichtvorliegens einer Täuschung nach dem unmittelbar oder entsprechend heranzuziehenden § 136a Abs. 1 StPO. Auch die Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes wurde verneint. Nach der Rechtsprechung des EGMR wird einem Staat ein privates Handeln zugerechnet, wenn von staatlicher Seite ein „maßgeblicher Beitrag“ geleistet wurde.110 Der EGMR hat einen solchen Beitrag im Jahr 1993 für den Fall bejaht, in dem ein Zeuge das Telefonat und die Aufzeichnung zwar von sich aus anbot, der Polizist daraufhin aber sein Tonbandgerät und sein Telefon in seinem Büro zur Verfügung stellte,111 im Jahr 2002 für einen Fall, in dem ein Informant gezielt in die Zelle des Beschuldigten gebracht und instruiert wurde, um Informationen von diesem zu entlocken,112 sowie im Jahr 2003 beim von der Polizei stammenden Vorschlag zur Aufzeichnung eines Telefonats unter Zurverfügungstellung eines Tonbandgeräts und Einweisung diesbezüglich113. Dabei stellte der EGMR im Jahr 2002 ausdrücklich auf das Vorliegen der privaten Handlung als „funktionales Äquivalent einer staatlichen Vernehmung“ ab.114 Der EGMR bejahte des Weiteren im Jahr 2008 eine Zurechnung beim zuvor behördlich nicht genehmigten Tätigwerden eines V-Manns als Lockspitzel, dessen weiteres Vorgehen dann aber legitimiert, Geldmittel zur Verfügung gestellt und dessen gewonnene Ergebnisse ausgenutzt wurden115.

109

BGH, NStZ 2011, 596, 597. EGMR, Urt. v. 23. 11. 1993 – 14838/89, 40/1992/385/463 (Fall A. v. Frankreich); EGMR, StV 2004, 1 f. (Fall M.M. v. Niederlande); so auch Gaede, in: StV 2004, 46, 47; Anders, in: wistra 2014, 329, 333; Wewerka, Internal Investigations, S. 252. 111 EGMR, Urt. v. 23. 11. 1993 – 14838/89, 40/1992/385/463, nach dem ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK angenommen wurde. 112 EGMR, StV 2003, 257, 259 f. (Fall Allan v. Großbritannien), nach dem ein verstoß gegen Art. 6 EMRK angenommen wurde. 113 EGMR, StV 2004, 1, 2, nach dem ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK angenommen wurde. 114 EGMR, StV 2003, 257, 259; so auch BGHSt 52, 11, 22; OLG Zweibrücken, NStZ 2011, 113, 114. 115 EGMR, NJW 2009, 3565, 3567 (Fall Ramanauskas v. Litauen), nach dem ein Verstoß gegen Art. 6 EMRK vorlag. 110

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E. Beweisverwertungsverbot

b) Die Zurechnung ablehnende Rechtsprechung Der BGH lehnte eine Zurechnung konkludent für ein Vorgehen in der Untersuchungshaft ab, in dem eine Privatperson, die bis zur eigenen Inhaftierung als V-Mann tätig war, aus eigenem Antrieb und somit ohne staatliche Veranlassung einen Mithäftling aushorchte und diese Ergebnisse an die Ermittlungsbehörden weitergab.116 Einen Verstoß gegen § 136a StPO sah der BGH hierin nicht. Eine andere Beurteilung ergab sich für den BGH auch nicht daraus, dass die Ermittlungsbehörden dieses rechtmäßige Vorgehen nach Kenntnis nicht unterbunden, sondern ausgenutzt haben. In eine ähnliche Richtung entschied der BGH auch im Jahr 2016, als er eine Zurechnung verneinte, weil nicht ersichtlich sei, dass die Ermittlungsbehörden die Zeugen/Privatpersonen „in irgendeiner Weise zu deren Vorgehen veranlasst, sie dabei gefördert, unterstützt, bestärkt oder sonst beeinflusst hätten“.117 Zugrunde lag eine Fallkonstellation, in der ein Zeuge (in Zusammenarbeit mit einem weiteren Inhaftierten) eigeninitiativ und in der Hoffnung auf eine Haftverkürzung versuchte, Informationen von dem mitinhaftierten Angeklagten zum Tatgeschehen zu erlangen. Nachdem die Polizei durch Zufall von dem Zeugen erfuhr, suchte ein Beamter diesen auf. Der Zeuge habe dabei sein Motiv offenbart und berichtetet, er habe den Angeklagten fast „geknackt“. Außerdem soll er um gemeinsame Zellenumschlüsse oder gemeinsame Essen zur Vertiefung des Vertrauensverhältnisses gebeten haben, welche es jedoch trotz entsprechender Bitte nicht gegeben habe. In weiteren Gesprächen habe der Zeuge seinen wahrheitsgemäßen und umfassenden Bericht über ein Geständnis des Angeklagten von der Zusage positiver Auswirkungen seiner Mithilfe auf die Entscheidung über die Restaussetzung seiner Haftstrafe zur Bewährung abhängig gemacht. Eine solche Zusage soll der Staatsanwalt mangels Zuständigkeit aber nicht gegeben haben. In der Hoffnung auf eine vorzeitige Haftentlassung habe der Zeuge die Informationen dann nur häppchenweise an die Polizeibeamten weitergegeben. Beide Zeugen sollen im Anschluss noch einmal bestätigt haben, selbst auf die Idee gekommen zu sein, den Angeklagten auszuhorchen; sie seien nicht von der Polizei um Mithilfe gebeten worden und hätten keine Informationen von dieser erhalten. Da in diesem Fall die Initiative von den Privatpersonen ausging, die Strafverfolgungsbehörden diesen auch kein weiteres Motiv gaben oder sie um Hilfe bei der Aufklärung baten, schied eine Zurechnung nach dem BGH aus. Daneben führe allein eine Entgegennahme von belastenden Informationen, die eine Privatperson mit Kenntnis der Behörden beschafft habe, zu keinem Beweisverwertungsverbot.118 Auch im Jahr 1983 entscheid der BGH bereits, dass eine Zurechnung bei eigeninitiativem Handeln eines Lockspitzels aus eigennützigen Motiven ohne Auftrag der Ermittlungsbehörden und vor deren Kenntnis nicht in Betracht komme.119 Ebenfalls nicht ausreichend sei es nach dem BGH, wenn die 116 117 118 119

BGH, NJW 1989, 843, 844 f. BGH, NJW 2017, 1828, 1830. BGH, NJW 2017, 1828, 1831. BGH, NStZ 1983, 80.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Polizei sich ein Verhalten einer Privatperson zu Nutze mache, mit dem sie zwar gerechnet, welches sie jedoch nicht konkret angestoßen bzw. um welches sie die Privatperson nicht gebeten habe.120 Auch in den jüngeren Entscheidungen zu Ankäufen von Steuer-CDs durch eine Behörde, die eine Privatperson gegebenenfalls strafrechtswidrig erlangt hat, wurde den Behörden das Verhalten des Privaten nicht zugerechnet, da sie die Daten nur angekauft und entgegengenommen haben, es jedoch keine aktive Beteiligung oder sonstige Beeinflussung des Privathandelns gegeben habe.121 Die Frage, ob auch die Schaffung eines Anreizes durch den Staat für eine Zurechnung ausreicht, hat insbesondere durch ein obiter dictum des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz122 an Bedeutung gewonnen. Obwohl die Zurechnung für den Ankauf einer Steuer-CD abgelehnt wurde, führte das Gericht aus, dass eine Zurechnung zukünftig auch dann möglich und geboten sein kann, wenn durch den Staat eine Anreizwirkung zur Beschaffung der Beweismittel ausgeht.123 Im Hinblick auf den Ankauf von SteuerCDs könne es zu „mosaikartig[en]“ Strukturen kommen, nach denen es gerechtfertigt erscheint, das – und darauf kommt es an dieser Stelle an – rechtswidrige oder strafrechtswidrige Beschaffen dieser Daten den Behörden zuzurechnen.124 c) Sich aus der Rechtsprechung ergebende Kriterien Anhand der soeben dargestellten Rechtsprechung lässt sich die staatliche Aktivität/Einflussnahme im Wesentlichen in vier Bereiche einteilen: die staatliche Beauftragung, die staatliche Initiative, die „Begleitung“ der privaten Handlung durch staatliche Organe (z. B. durch Instruktionen, enge Absprachen oder die Zurverfügungstellung technischer Geräte) und die Kenntnis vom privaten Handeln. In den meisten Fällen, in denen die Zurechnung von der Rechtsprechung bejaht wurde, lagen alle vier Kriterien vor.125 Daneben bejahte die Rechtsprechung die Zurechnung für (wenigstens) fünf Sachverhalte, in denen zwar die Initiative zur Zusammenarbeit bzw. zur konkreten Handlung nicht vom Staat ausging, der Vorschlag zur privaten Beweisbeschaffung also von der Privatperson kam, die Maßnahme aber staatlich begleitet wurde (z. B. Zurverfügungstellung des technischen Geräts, Erteilung von

120

BGHSt 33, 217, 224. VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; anklingend auch in BVerfG, NStZ 2011, 103, 106; so auch Jäger, in: Klein, AO, § 399 Rn. 69; Kaspar, in: GA 2013, 206, 219 f. 122 VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776. 123 VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; dazu auch Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3b; Pfisterer, in: JR 2015, 314, 323. 124 VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776. 125 EGMR, StV 2003, 257; EGMR, StV 2004, 1; BVerfG, NStZ 2000, 489 (vorhergehend BGHSt 40, 211); BGHSt 34, 362; BGHSt 39, 335; BGHSt 42, 139 (vorhergehender Vorlagebeschluss BGH, NStZ 1996, 200); BGHSt 47, 44. 121

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E. Beweisverwertungsverbot

Instruktionen).126 Danach ist für eine Zurechnung jedenfalls nicht zwingend erforderlich, dass eine staatliche Initiative zur privaten Handlung vorliegt.127 Dementsprechend verlangte der BGH auch in seiner jüngsten Entscheidung für die Zurechnung nur alternativ eine Veranlassung, Förderung, Unterstützung, Bestärkung oder Beeinflussung des privaten Handelns.128 Nur die Veranlassung impliziert dabei das Erfordernis einer staatlichen Initiative, alle anderen Formen beziehen sich hingegen auf eine aktive Mitwirkung zeitlich nach dem von der Privatperson gefassten Entschluss, tätig zu werden. Im „Wahrsagerinnen-Fall“129, der insoweit eine Ausnahme darstellt, rechnete der BGH das Verhalten der Privatperson zu, obwohl die Privatperson nicht beauftragt, vermutlich130 eigeninitiativ und nicht staatlich „begleitet“ – aber im staatlichen Rahmen der U-Haft – tätig wurde. Die Zurechnung erfolgte, weil die Ermittlungsbehörden das Verhalten in Kenntnis dessen nicht unterbunden hatten, dieses gegen § 136a StPO verstieß (unter anderem Konsum von Haschisch und Marihuana in unbekannter Konzentration vor der Auskunftserteilung) und die Beschuldigte inhaftiert war. Nach dieser Rechtsprechung ließ sich eine Zurechnung demnach auch durch die „Umstände, unter denen die Privatperson zu beweiserheblichen Angaben eines Tatverdächtigen gelangt“131 ist und für die eine besondere Unterbindungspflicht des Staates besteht132 begründen. Eine Tendenz zur Zurechnung beim staatlichen Unterlassen ergibt sich auch aus der späteren Rechtsprechung133 zum Lockspitzeleinsatz. Die diesbezüglich angenommene Überwachungspflicht der Polizei erinnert dabei an eine Überwachergarantenstellung, was eine Zurechnung durch Unterlassen stützen würde.134 Jedoch bezog sich die Überwachungspflicht in den höchstrichterlich entschiedenen Fällen auf Situationen, in denen die V-Personen auch von der Polizei beauftragt worden waren,135 sodass bereits deswegen eine

126

EGMR, Urt. v. 23. 11. 1993 – 14838/89, 40/1992/385/463; EGMR, NJW 1989, 654; BGHSt 31, 304; BGHSt 45, 321; BGH, NStZ 2011, 596, 597. 127 A.A. wohl Matula, Private Ermittlungen, S. 186 f., die eine Zurechnung nach den Kriterien der Anstiftung bei staatlicher Initiative im Sinne einer Anregung und Impulssetzung durch den Staat bejaht. Ein Impuls soll aber auch durch bloßes Dulden bekannter privater Verhaltensweisen gesetzt werden können (S. 193 f.). Erforderlich soll danach aber immer ein gewisser kommunikativer Akt zwischen der Strafverfolgungsbehörde und der Privatperson sein. 128 BGH, NJW 2017, 1828, 1830. 129 BGHSt 44, 129. 130 Insoweit war der Sachverhalt dem Gericht nicht hinreichend bekannt. 131 BGHSt 44, 129, 134. 132 Stoffer, Privatisierung, S. 287. 133 BGHSt 45, 321, 336; BGHSt 47, 44, 48. 134 Ähnlich Mahlstedt, Verdeckte Befragung des Beschuldigten, S. 160. 135 BGHSt 45, 321, 336; BGHSt 47, 44, 48.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

187

Zurechnung bejaht werden konnte und sich daraus keine wesentlichen Erkenntnisse zur Zurechnung bei staatlichem Unterlassen136 gewinnen lassen. Im Übrigen erfolgte keine Zurechnung in den Fällen, in denen die Privatperson eigeninitiativ tätig, sie nicht beauftragt und die Handlung nicht staatlich begleitet wurde, sondern nur die Erkenntnisse entgegengenommen wurden.137 Da die Ermittlungsbehörden in zwei von diesen Fällen Kenntnis von dem privaten Tätigwerden hatten und sie dieses Vorgehen nicht unterbunden, sondern vielmehr ausgenutzt haben,138 kann eine Kenntnis der Ermittlungsbehörden insofern für eine Zurechnung nicht konstitutiv sein. Indes dürfte jedenfalls erforderlich sein, dass die staatlichen Organe in Grundzügen eine Vorstellung von der formalen privaten Ermittlungshandlung haben und die Durchführung in ihrem Interesse liegt.139 Eine Unterbindung des Vorgehens der Privatperson ist nach der Rechtsprechung aber grundsätzlich nicht erforderlich,140 sodass eine bloße Entgegennahme der Erkenntnisse auch bei abwartender Haltung der Ermittlungsbehörden nicht für eine Zurechnung ausreicht. Anders sah das hingegen der BGH im „Wahrsagerinnen-Fall“, bei dem über eine Schutzpflichtverletzung des Staates gegenüber dem Beschuldigten zugerechnet wurde.141 Mit Ausnahme des „Wahrsagerinnen-Falls“ lag einer angenommenen Zurechnung immer ein aktives Einwirken auf die Privatperson von staatlicher Seite zugrunde. Auch wenn die Privatperson die konkrete Handlung allein ausführte, z. B. den Beschuldigten anrief oder sich sein Vertrauen in der U-Haft erschlich, hatten die Ermittlungsbehörden zum einen eine Vorstellung von der privaten Handlung, entweder weil die Privatperson beauftragt und instruiert wurde oder weil Ermittlungsbeamte bei der Handlung (insbesondere in den Mithör-Fällen) anwesend waren. Außerdem wurde die private Handlung durch die staatlichen Organe in gewisser Weise begleitet, indem z. B. technische Hilfsmittel zur Verfügung gestellt wurden und eine Einweisung stattfand, die V-Personen straff geführt, überwacht oder instruiert wurden. Insoweit kann festgehalten werden, dass eine Zurechnung dann zu bejahen ist, wenn eine konkrete Beauftragung – aus der sich dann auch eine Überwachungspflicht mit der Folge der Zurechnung aller nicht unvorhersehbaren Handlungen ergibt142 – oder zumindest ein staatlich begleitetes bzw. beeinflusstes 136

Siehe dazu noch unten unter E.II.3.b)cc). BGH, NStZ 1983, 80; BGH, NJW 1989, 843; BGH, NJW 2017, 1828; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84. 138 BGH, NJW 1989, 843, 844 f.; BGH, NJW 2017, 1828, 1830 f. 139 So auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 106 f. 140 So auch Schneider, in: NStZ 2001, 8, 11. 141 Dazu auch Stoffer, Privatisierung, S. 287; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 126 f.; kritisch insoweit Schneider, in: NStZ 2001, 8, 13; vgl. auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 104, 110. 142 BGHSt 45, 321, 336; BGHSt 47, 44, 48. 137

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privates Verhalten143 vorliegt. Der mit Blick auf die Rechtsprechung des EGMR144 geforderte „maßgebliche Beitrag“ muss danach nicht kumulativ bei der Initiative und Planung und bei der Ausführung des Geschehens vorliegen, sondern es reicht vielmehr ein maßgeblicher Beitrag bei der Ausführung aus.145 Ob es sich um alternative Beiträge handelt, die jeweils allein einen maßgeblichen Beitrag des Staates begründen können, also ob auch nur ein maßgeblicher Beitrag bei der Initiative oder der Planung die Zurechnung begründen könnte, wurde vom EGMR nicht beantwortet.146 Auch in der deutschen Rechtsprechung ging die staatliche Initiative in der Regel zumindest mit Anweisungen durch die staatlichen Organe einher. Zudem hatte der Staat in allen Fällen ein Interesse an der privaten Beweiserlangung,147 da die Zurechnungsfälle immer mit einer „Beweismittelübergabe“ an die Ermittlungsbehörden einhergingen. Da die Strafverfolgungsbehörden zur umfassenden und objektiven Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet sind,148 dürfte es dabei entscheidend darauf ankommen, dass die Ermittlungsbehörden ein unbeschränktes Zugriffsrecht auf die wesentlichen gewonnenen Erkenntnisse haben bzw. die Privatperson diese ungefiltert mitteilt149. Ansonsten lässt sich das private Handeln nicht – wie von Teilen der Rechtsprechung150 gefordert – als „Äquivalent“ des staatlichen ansehen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nach der Rechtsprechung grundsätzlich eine Zurechnung des privaten Handels vorgenommen wird, wenn staatliche Organe einen aktiven Beitrag zur Beweiserhebung leisten bzw. die Privatperson gezielt zur Beweisgewinnung ausnutzen und ihnen die gewonnenen Erkenntnisse vollumfänglich weitergegeben werden.

143

Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 117 ff., 129, fordert einen Einfluss auf die Ausführung der Tätigkeit, bloße Veranlassung sei nicht ausreichend; ähnlich Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 96, der insoweit von einem erforderlichen steuernden Einfluss des Staates bei der Ausführung der Maßnahme spricht; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 129 f. spricht von staatlicher „Assistenz“. 144 EGMR, Urt. v. 23. 11. 1993 – 14838/89, 40/1992/385/463; EGMR, StV 2004, 1, 2. 145 Demko, in: HRRS 2004, 382, 385. 146 Demko, in: HRRS 2004, 382, 385. 147 So auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 106. 148 Vgl. nur Sackreuther, in: BeckOK StPO, § 160 Rn. 1, 9. 149 So auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 109. 150 EGMR, StV 2003, 257, 259; so auch BGHSt 52, 11, 22; OLG Zweibrücken, NStZ 2011, 113, 114.

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d) Einordnung der Interviewsituation im Rahmen der Internal Investigation Bei den Internal Investigations dürfte nach den soeben dargestellten Kriterien nur in absoluten Ausnahmefällen eine Zurechnung anzunehmen sein.151 Diese werden nur selten durch die staatlichen Behörden beauftragt und auch eine konkrete Mitwirkung der staatlichen Behörden in der Ausführungsphase (z. B. durch Auswahl der internen Ermittler, der zu befragenden Mitarbeiter oder durch Beeinflussung der zu stellenden Fragen152) sowie eine Übergabe aller wesentlicher Erkenntnisse dürften selten sein.153 Für die praxisrelevanten Ausgestaltungen der Kooperation des Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden, in denen die Ermittlungsbehörden Interesse an den Erkenntnissen bekunden, in denen die Übergabe der Erkenntnisse zugesagt wird und dafür Sanktionsrabatte in Aussicht gestellt werden, in denen Koordinierungen bzw. Zwischengespräche stattfinden und die Ermittlungsbehörden die eigenen Ermittlungen zurückschrauben oder aussetzen,154 ließe sich danach in aller Regel keine Zurechnung begründen. Die Rechtsprechung hat zur Zurechnung in diesen Fällen, soweit ersichtlich, noch nicht Stellung genommen. In der Literatur wird die Zurechnungsthematik gerade hinsichtlich unternehmensinterner Ermittlungen viel diskutiert. Dabei sind zum einen die Anforderungen an die Mitwirkung der staatlichen Organe in der Ausführungsphase umstritten,155 als auch die Frage, ob für die Fälle der Internal Investigation, die auf eine Beweismittelübergabe durch Kooperation mit der Staatsanwaltschaft angelegt sind, auch nach anderen Kriterien zugerechnet werden kann und sollte.

151 Siehe zum Ablauf der Kooperation in der Praxis oben unter D.I.; so im Ergebnis auch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 211 ff.; ohne Begründung so auch Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 198. 152 Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 126; die genauen Anforderungen sind jedoch umstritten: nach Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 10 ist jede staatlich veranlasste oder geförderte Informationssammlung durch Private dem Staat zurechenbar; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 565 f. fordert eine Instrumentalisierung und Steuerung der ermittelnden Rechtsanwälte durch die Staatsanwaltschaft; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 108 f. fordert zusätzlich eine uneingeschränkte Zugriffsmöglichkeit ohne vorherige Selektion der Interviewprotokolle; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 241 bejaht daneben eine Zurechnung, wenn das Unternehmen mit den Ermittlungsbehörden eine Vereinbarung zur Unterstützung der Überführung von Einzeltätern abschließt, sodass eine ausdrückliche Beauftragung zur Sammlung von Beweisen durch das Unternehmen vorliegt; Anders, in: wistra 2014, 329, 333 fordert für die Einflussnahme einen bestehenden Anfangsverdacht, da dann durch die Internal Investigations die Ermittlungspflicht des Staates ausgelagert werde. 153 Ähnlich Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 107 ff. 154 Siehe dazu oben unter D.I. 155 Vgl. dazu Kap. E. Fn. 152.

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E. Beweisverwertungsverbot

3. Die Zurechnung in der Literatur Die überwiegende Literatur bejaht eine Zurechnung bei aktiver Verursachung bzw. Veranlassung der privaten Ermittlung durch staatliche Behörden, der gezielten Ausnutzung der beauftragten Privatperson zur Beweisgewinnung oder der Beteiligung der Ermittlungsbehörden an der privaten Handlung.156 Insoweit ergeben sich nur marginale Unterschiede zu den sich aus der Rechtsprechung ergebenden Anforderungen. Auch der Ablehnung einer Zurechnung bei bloßer Entgegennahme der Beweismittel, bei eigeninitiativem und freiwilligem Handeln der Privatperson, stimmt die überwiegende Literatur zu.157 Dies ist überzeugend, weil eine zeitlich nachfolgende Beweismittelübernahme durch die Strafverfolgungsbehörden, die nach der abgeschlossenen privaten Ermittlung erfolgt, keine Ursache mehr für diese setzen kann.158 Durch eine rein passive Entgegennahme durch die Ermittlungsbehörden lässt sich ein Zurechnungsgrund159 nicht ohne Weiteres begründen.160 156

Kramer, in: Jura 1988, 520, 522; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 11 fordert einen „Einsatz“ der Privatperson, wobei stimulierender oder steuernder Einfluss auf das Vorgehen ausreichen soll; Gaede, in: StV 2004, 41, 51; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Meurer, in: FS Roxin, 1281, 1289 f.; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 18 f. in Bezug auf § 136a StPO; Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 10; Eschelbach, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, § 136 Rn. 27; Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 13 fordern eine aktive Einwirkung auf die Willensbildung des Unternehmens; ähnlich Kölbel, in: NStZ 2008, 241, 242, der gezieltes Auslösen des privaten Handelns verlangt; Stoffer, Privatisierung, S. 276 f., 321; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 214 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 268, 273 f.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 176 m.w.N.; Matula, Private Ermittlungen, S. 187; kritisch Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70. 157 Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3a; Lagodny, in: StV 1996, 167, 170; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 10 f.; Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 565 f., die eine Zurechnung nur bei faktischem Kooperationszwang bei Internal Investigations im Zusammenhang mit der SEC bejaht; so auch Stoffer, Privatisierung, S. 334; Kottek, in: wistra 2017, 9, 15; Reeb, Internal Investigations, S. 128; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 116; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 243; Kottek, Kooperation, S. 161; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 215; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 30; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 107; einschränkend auch Mahlstedt, Verdeckte Befragung des Beschuldigten, S. 159, der eine Zurechnung aber bei Billigung des Privathandelns durch die Behörden annimmt und bei rechtmäßigen Ermittlungshandlungen über die Verwertung zurechnen will. A.A. wohl Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 13 (im Hinblick auf die analoge Anwendung des § 136a StPO); Rogall, in: NStZ 1989, 288 sieht die Pflichtwidrigkeit des Staates darin, dass eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine privat erzwungene Selbstbelastung nicht vom Staat für die Strafverfolgung ausgenutzt werden dürfe; diesbezüglich kritisch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 114, nach der Rogall die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur behaupte. 158 Kaspar, in: GA 2013, 206, 214; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 243; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 29; ähnlich Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 109; angedeutet auch durch BGH, NStZ 1983, 80. 159 BGH, NJW 2017, 1828, 1831; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Theile, in: StV 2011, 381, 385.

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Im Hinblick auf die nicht so eindeutig gelagerten Fälle der systematischen Sachverhaltsaufklärung im Rahmen von Internal Investigations und aufgrund des Fehlens von eindeutigen Zurechnungskriterien in der Strafprozessordnung vertreten Teile der Literatur vermehrt die Übertragung von Zurechnungskonstruktionen aus anderen Rechtsgebieten. Diese sollen im Folgenden beleuchtet und in Zusammenhang zu der ergangenen Rechtsprechung gesetzt werden. Zudem diskutiert die Literatur die Zurechnung speziell für unternehmensinterne Ermittlungen im Hinblick auf die praxisrelevanten Ausgestaltungen der Kooperation des Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden. Dabei wird die Zurechnung insbesondere für die Fälle der Entgegennahme der Beweismittel aufgrund pflichtwidrigen staatlichen Unterlassens und der Duldung der internen Ermittlungen, aufgrund der Absprache einzelner Ermittlungshandlungen oder bei Bestehen eines staatlichen Ermittlungsanreizes diskutiert. a) Übertragung von Zurechnungskonstruktionen In der Literatur wird hinsichtlich der strafprozessualen Zurechnung zum einen die Übertragung der verwaltungsrechtlichen Kriterien zur Zurechnung der Tätigkeit des Verwaltungshelfers, mit dem Fokus auf der Formel keine „Flucht ins Privatrecht“, vertreten.161 Daneben gibt es Meinungen, welche die Zurechnungsmodelle aus dem materiellen Strafrecht, insbesondere der Kausalität162, der objektiven Zurechnung163 oder aus dem Bereich der Täterschaft und Teilnahme164 übertragen möchten. Auf diese soll im Folgenden eingegangen werden. 160 Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 566; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 243; Kottek, Kooperation, S. 161; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 30; Wewerka, Internal Investigations, S. 253. 161 Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 214 ff.; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 87 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 246 f.; Stoffer, Privatisierung, S. 270 ff.; vgl. Kramer, in: Jura 1988, 520, 522; Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Lagodny, in: StV 1996, 167, 170; vgl. allgemein zur verwaltungsrechtlichen Zurechnung Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 99 ff.; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 63 ff. 162 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 13; Stoffer, Privatisierung, S. 320. 163 Schneider, in: NStZ 2001, 8, 12 f.; Stoffer, Privatisierung, S. 268 f., 320; vgl. Matula, Private Ermittlungen, S. 178 f.; Gaede, in: StV 2004, 46, 52 sieht dieses Zurechnungsmodell als Grundlage der Rechtsprechung des EGMR an, indem er für einen maßgeblichen Beitrag des Staates die Setzung eines missbilligenden Risikos durch den Mitwirkungsbeitrag fordert. 164 Reeb, Internal Investigations, S. 11 ff.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 273; Kottek, Kooperation, S. 146 zu SEC-Ermittlungen und S. 160 ff. bzgl. der Kooperation mit der deutschen Staatsanwaltschaft; Matula, Private Ermittlungen, S. 181 f.; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 119 ff. Zur Zurechnung nach den Kriterien der mittelbaren Täterschaft: Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19; Bernsmann, in: StV 1997, 116, 117; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 242, die eine Zurechnung der Internal Investigations aufgrund mangelnder Organisationsherrschaft aber ablehnt; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 68 f.; kritisch Stoffer, Privatisierung, S. 268. Zur Zurechnung nach den Kriterien der Anstiftung: Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Bosch, Aspekte des nemo-

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aa) Verwaltungshelfer Soweit die Übertragung der verwaltungsrechtlichen Kriterien für Handlungszurechnungen eines Verwaltungshelfers vertreten wird,165 dürfte sich daraus bereits kein Mehrwert zu den Kriterien der Rechtsprechung zum Strafprozessrecht ergeben.166 Die Tätigkeit eines Verwaltungshelfers wird zugerechnet, wenn die übertragene Tätigkeit, unabhängig von der Rechtsnatur der Beauftragung, eine Sachnähe zur wahrgenommenen öffentlichen Aufgabe aufweist und der Private durch die Einbindung in den behördlichen Pflichtenkreis als Erfüllungsgehilfe angesehen werden kann.167 Der Verwaltungshelfer übt also im Auftrag und nach Weisung der Behörde Hilfstätigkeiten für diese aus.168 Er wird final durch den Staat zur Aufgabenwahrnehmung eingesetzt.169 Die Tätigkeit des Verwaltungshelfers zeichnet sich daneben dadurch aus, dass der vollständige Profit bzw. Nutzen aus der wahrgenommenen Aufgabe dem Staat zukommt. Ob es sich bei der konkreten Handlung um eine zuzurechnende Tätigkeit eines Verwaltungshelfers handelt, wird dabei von der Rechtsprechung funktional betrachtet, also nicht nach der Person des Handelnden, sondern nach der Aufgabe, der die Handlung dient.170 Für Fälle der Beauftragung und der vollständigen Abschöpfung des Nutzens wird aber unstreitig auch eine Zurechnung in der strafprozessualen Rechtsprechung bejaht. Im Hinblick auf die praxisrelevanten Kooperationsmodelle der Unternehmen mit den Ermittlungsbehörden führt die Anknüpfung an die verwaltungsrechtlichen Kriterien daher nicht weiter. Die Internal Investigations werden nur selten durch die Strafverfolgungsbehörden beauftragt und es fehlt in der Regel auch an einer Weisungsgebundenheit der internen Ermittler, da diese vom Unternehmen mandatiert sind.171 Die internen Ermittler sind in der Praxis auch nicht in den behördlichen Pflichtenkreis eingebunden, sondern ermitteln im (eigennützigen) Interesse des tenetur-Prinzips, S. 216; angedeutet auch von Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 69; Kottek, Kooperation, S. 161; ausführlich dazu auch Matula, Private Ermittlungen, S. 183 ff. 165 Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 87 ff.; Bosch, Aspekte des nemotenetur-Prinzips, S. 215 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 246 f.; Stoffer, Privatisierung, S. 270 ff.; vgl. auch Kramer, in: Jura 1988, 520, 522; Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Lagodny, in: StV 1996, 167, 170; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 130. 166 Ähnlich Wewerka, Internal Investigations, S. 246. 167 So jedenfalls die neuere Rechtsprechung, die Abstand von der „Werkzeugtheorie“ (vgl. dazu Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 111 ff.) genommen hat: BGHZ 121, 161, 165; BGHZ 200, 188, 190 ff.; vgl. dazu auch Stoffer, Privatisierung, S. 274; auch auf den Werkzeugbegriff abgestellt hat wiederum BGH, NJW 2014, 3580, 3581. 168 Bosch, in: Jura 1998, 236, 239; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 216; ähnlich Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 88. 169 Stoffer, Privatisierung, S. 275. 170 Statt aller BGHZ 181, 65, 67; BGHZ 191, 71, 75 f.; BGHZ 200, 253, 260; BGH, NJW 2014, 3580, 3581. 171 Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 213. Siehe dazu oben unter E.II.1.

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Unternehmens172. Eine solche (gegebenenfalls auch nur zusätzliche) Einbindung in den behördlichen Pflichtenkreis würde für die tätigen Rechtsanwälte auch das Risiko eines Parteiverrats nach § 356 StGB begründen und insgesamt zu einer Rollenambivalenz der internen Ermittler führen173. Im Hinblick auf den fehlenden Mehrwert kann daher offen bleiben, ob sich die Kriterien des Verwaltungsrechts auf das Strafprozessrecht übertragen lassen.174 Dies erscheint jedoch hinsichtlich des Kriteriums der Vergleichbarkeit der Situation fraglich. Das intern ermittelnde Unternehmen nimmt im Gegensatz zum Verwaltungshelfer nicht nur eine Aufgabe der Staatsanwaltschaft wahr, sondern verfolgt hauptsächlich eigene Ziele und Interessen, während der Verwaltungshelfer in der Regel kein besonderes Eigeninteresse, abgesehen vom wirtschaftlichen Verdienstinteresse, an der Ausführung der Tätigkeit hat.175 bb) Kausalität und objektive Zurechnung Nach der Kausalität im Sinne der conditio sine qua non-Formel bzw. Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.176 Diese Äquivalenztheorie wird aufgrund ihrer Weite jedoch bereits im materiellen Strafrecht durch die Lehre von der objektiven Zurechnung begrenzt,177 sodass der alleinigen Übertragung der Kausalitätskriterien als Zurechnungsgrund im Strafprozessrecht Bedenken entgegenstehen178. Allein mit der Kausalität sollte man eine Zurechnung eines Handelns an den Staat mit der Folge einer anderen rechtlichen Bewertung dieses Handelns daher nicht rechtfertigen können. Zuzustimmen ist jedoch der Forderung, dass eine (aktive) Einwirkung der Staatsanwaltschaft für einzelne Untersuchungshandlungen bzw. für

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Vgl. Sarhan, in: wistra 2017, 336, 337; vgl. zu den Interessen des Unternehmens auch oben unter B.II.3. 173 Sarhan, in: wistra 2017, 336, 338. 174 Für eine Übertragung: Stoffer, Privatisierung, S. 275; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 88 f., der sich auf einen Erst-Recht-Schluss stützt. Ablehnend: Matula, Private Ermittlungen, S. 142 f., 174; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 272 führt gegen die Zurechnung die unterschiedlichen Situationen an, da das Unternehmen mit der Internal Investigation auch andere/eigene Interessen verfolgt und nicht ausschließlich für die Strafverfolgungsbehörde tätig werde; Wewerka, Internal Investigations, S. 248 f. 175 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 272 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 101. 176 Vgl. dazu nur Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorb. zu §§ 13 ff. Rn. 73a; Frister, Strafrecht AT, 9. Kap. Rn. 5; Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 275. 177 Fischer, StGB, Vor § 13 Rn. 24; Freund, in: MüKo StGB, Vorb. zu § 13 Rn. 350; Matula, Private Ermittlungen, S. 178; Stoffer, Privatisierung, S. 269. 178 So auch Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 118; Matula, Private Ermittlungen, S. 178.

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die Durchführung der Internal Investigation mindestens kausal sein muss.179 Ohne einen solchen mindestens kausalen Zusammenhang ließen sich eine Erweiterung des Pflichtenkreises der Privatperson und die daraus folgenden Auswirkungen auf den Staat nicht rechtfertigen. Stoffer vertritt aufgrund der Weite der Äquivalenztheorie eine Zurechnung durch Verbindung der Kausalität mit der objektiven Zurechnung, „wenn die staatlichen Ermittlungsbehörden für eine private Informationserhebung (äquivalent) kausal werden, indem sie im Hinblick auf die konkrete Informationserhebung ein rechtlich relevantes Risiko setzen, welches sich in der Form der Verwirklichung der Informationserhebung auch realisiert“.180 Gegen die Übertragung der objektiven Zurechnung könnte man zunächst einwenden, dass diese gerade als haftungsbegrenzendes Korrektiv und nicht zur Erweiterung einer Verantwortlichkeit herangezogen wird.181 Zudem müsste diese Lehre modifiziert werden, um trotz des den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden eigenverantwortlichen Handelns182 der privaten Ermittler, die regelmäßig einen eigenständigen Entschluss treffen, zu einer Zurechnung zu gelangen183. Da die objektive Zurechnung aber gerade auch der Klärung der Verantwortlichkeit für eine Handlung dienen soll,184 ist eine solche Einschränkung auf dieser Ebene mit dem Ziel der besseren Eignung bzw. der besseren Übertragbarkeit auf das Strafprozessrecht fragwürdig. Außerdem ist es problematisch, dass die objektive Zurechnung die Setzung eines rechtlich missbilligten Risikos fordert,185 sodass sich dieses Zurechnungsmodell nur auf rechtswidrige private Ermittlungen und nicht auf die grundsätzlich rechtmäßigen Internal Investigations übertragen lassen würde.186 Möglich erscheint es jedoch, die objektive Zurechnung als äußerste Grenze anzusehen, sodass der Staat zumindest ein Risiko für die private Beweisgewinnung unter Umgehung der Beschuldigtenrechte geschaffen haben muss.187 Ein solches wird man regelmäßig jedenfalls für Fälle aktiver 179 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 13; Reeb, Internal Investigations, S. 14; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 118; ähnlich Gaede, in: StV 2004, 46, 51; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 177; Matula, Private Ermittlungen, S. 188; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 176. 180 Stoffer, Privatisierung, S. 320; ähnlich Matula, Private Ermittlungen, S. 178. 181 Vgl. zur haftungsbegrenzenden Funktion Heuchemer, in: BeckOK StGB, § 13 Rn. 23 m.w.N.; Kretschmer, in: NStZ 2012, 177; keinen Widerspruch sieht Stoffer, Privatisierung, S. 268 f. 182 Vgl. zum eigenverantwortlichen Dazwischentreten eines Dritten Fischer, StGB, Vor § 13 Rn. 27. 183 Matula, Private Ermittlungen, S. 179 f. 184 Vgl. Eschelbach, in: BeckOK StGB, § 222 Rn. 26. 185 Statt aller Frister, Strafrecht AT, 10. Kap. Rn. 1 ff.; Freund, in: MüKo StGB, Vorb. zu § 13 Rn. 350. 186 Ähnliche Einschränkungen macht auch Stoffer, Privatisierung, S. 340, nach der es für rechtmäßiges privates Handeln keine Veranlassung für eine staatliche Zurechnung gebe. 187 Ähnlich Matula, Private Ermittlungen, S. 180, die sich (fälschlicherweise) auf Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 118 beruft, der dies jedoch für die Kausalität vertritt.

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staatlicher Beteiligung annehmen können, aber auch ein Unterlassen kann ein Risiko begründen188. cc) Täterschaft und Teilnahme Übertragbar erscheinen daneben die Kriterien der Täterschaft und Teilnahme.189 Vertreten wird dabei zum einen die Übertragung der Kriterien zur Mittäterschaft.190 Insbesondere der nach dem EGMR191 erforderliche „maßgebliche Beitrag“ erinnert dabei stark an den für die Mittäterschaft erforderlichen wesentlichen Tatbeitrag192. Für eine Zurechnung von Handlungen im Rahmen einer Mittäterschaft ist dabei im allgemeinen ein gemeinsamer Tatplan bzw. Tatentschluss193 und eine gemeinschaftliche Ausführungshandlung bzw. Tatbestandsverwirklichung194 erforderlich. Die Ermittlungsbehörden und die Privatperson müssten also gemeinsam bzw. arbeitsteilig handeln, sodass sich deren Handlungen als einheitliches Ganzes darstellen.195 Erforderlich wäre grundsätzlich ein wesentlicher Tatbeitrag im Ausführungsstadium.196 Die staatliche Beteiligung müsste zudem notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung der Maßnahme sein.197 Problematisch an der Übertragung dieser Zurechnungskriterien dürfte aber sein, dass es bei der Zurechnung privater Ermittlungen, im Gegensatz zur mittäter-

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Vgl. Frister, Strafrecht AT, 22. Kap. Rn. 26. So auch Bernsmann, in: StV 1997, 116, 117; Reeb, Internal Investigations, S. 11; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 273; vgl. auch Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19; a.A. Matula, Private Ermittlungen, S. 182 f.; Stoffer, Privatisierung, S. 268. 190 Kottek, Kooperation, S. 160 f.; teilweise auch Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 119 ff. 191 EGMR, Urt. v. 23. 11. 1993 – 14838/89, 40/1992/385/463; EGMR, StV 2004, 1 f.; so auch Gaede, in: StV 2004, 46, 47; Anders, in: wistra 2014, 329, 333; Wewerka, Internal Investigations, S. 252; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 106. 192 BGH, StV 2017, 308, 309; BGH, NStZ-RR 2017, 246, 247; Heine/Weißer, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 25 Rn. 64. Umstritten ist aber, ob auch ein wesentlicher Beitrag im Vorfeld der Tatausführung ausreicht, was die h.M. bejaht, vgl. dazu nur Heine/Weißer, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 25 Rn. 67. 193 Statt aller BGHSt 8, 393, 396; BGHSt 24, 286, 288; Frister, Strafrecht AT, 26. Kap. Rn. 1, nach dem nicht notwendig sei, dass der Tatplan gemeinsam gefasst wurde; Wessels/ Beulke/Satzger, Strafrecht AT, § 16 Rn. 811, 815 ff.; Fischer, StGB, § 25 Rn. 33. 194 Statt aller BGHSt 8, 393, 396; BGHSt 24, 286, 288; Frister, Strafrecht AT, 26. Kap. Rn. 7 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, § 16 Rn. 811, 819 ff.; Fischer, StGB, § 25 Rn. 31 f. 195 Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 119 ff.; vgl. Matula, Private Ermittlungen, S. 183; Kottek, Kooperation, S. 161; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 107 nimmt eine solche für die enge Zusammenarbeit mit der SEC an. 196 Reeb, Internal Investigations, S. 12. 197 Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 119. 189

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schaftlichen Zurechnung, nur um eine einseitige Zurechnung geht.198 Zudem ist es für die klassischen zugerechneten privaten Ermittlungen gerade charakteristisch, dass sich der Staat bei der Ausführungshandlung im Hintergrund hält, sodass die staatliche Beteiligung ein hohes Maß in der Vorbereitungsphase erfordern würde.199 Auch bei den neuartigen Erscheinungen der Internal Investigations nimmt die Staatsanwaltschaft eher eine passive Rolle ein, weswegen bereits die Vergleichbarkeit mit der Mittäterschaft fraglich ist. Ein über die Beauftragung und Anweisung hinausgehender Beitrag der Ermittlungsbehörden war in der bisherigen Praxis dazu eher selten. Liegt „nur“ eine Beauftragung oder Anweisung vor, entspräche dies eher einer Anstiftung. Als mittäterschaftlichen Beitrag könnte man jedoch einen vom EGMR200 entschiedenen Fall werten, in dem sich die Privatperson von sich aus angeboten hat und der involvierte Polizist für das geführte Telefonat den Raum, das Telefon und das Aufnahmegerät zur Verfügung stellte und zudem bei dem Gespräch anwesend war. Andererseits reichte nach der Rechtsprechung für einen „maßgeblichen Beitrag“, dass bei privater Initiative die staatlichen Organe der Privatperson z. B. die technischen Hilfsmittel zur Verfügung stellten, bei der Ausforschungshandlung aber allein die Privatperson anwesend war201. Ein solcher Beitrag könnte aber auch eine Beihilfe darstellen,202 welche gerade auch die Zurverfügungstellung von Hilfsmitteln umfasst203. Übertragen auf die strafprozessuale Ermittlungssituation liegt eine Beihilfehandlung (§ 27 StGB) vor, wenn die staatlichen Organe bei der konkreten Ausführungshandlung Hilfe geleistet haben. Im Hinblick auf die Bestimmung des Verantwortlichen für die Handlung, um welche es bei der Zurechnung geht,204 erscheint die Übertragung der Beihilfevoraussetzungen aber bereits im Grunde problematisch, da der Beihilfeleistende durch einen eigenen Tatbeitrag eine fremde Tat fördert und ihm keine Handlung zugerechnet wird. Für eine Zurechnung wäre hier vielmehr gerade erforderlich, dass sich der Charakter der Handlung trotz der Ausführung durch einen Privaten insgesamt als staatlich darstellt205. Insoweit läge eine staatliche Handlung eher dann vor, wenn sich die Lage andersherum darstellt, also die Privatperson (als Hilfeleistender) die staatliche Ermittlung (als „Haupttat“) unterstützt. Im Hinblick auf die für die Mittäterschaft grundsätzlich erforderliche ge198 Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 121; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 102. 199 Matula, Private Ermittlungen, S 183. Umstritten ist aber, ob auch ein wesentlicher Beitrag im Vorfeld der Tatausführung ausreicht, was die h.M. aber bejaht, vgl. dazu nur Heine/ Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 25 Rn. 67. 200 EGMR, Urt. v. 23. 11. 1993 – 14838/89, 40/1992/385/463. 201 So z. B. EGMR, NJW 1989, 654, 655 ff. 202 Ähnlich Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 129. 203 Vgl. Kudlich, in: BeckOK StGB, § 27 Rn. 3. 204 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 172 f.; ähnlich Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 239; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 88. 205 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 106.

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meinschaftliche Tatausführung und die geringen Anforderungen an die Beihilfe, nach denen eine fremde Tat lediglich gefördert oder erleichtert werden muss, aber nicht mal ein kausaler Beitrag erforderlich ist,206 dürften sich beide Konstellationen ohne Modifizierung nicht für die Zurechnung im Strafprozessrecht eignen. Das Erfordernis mittäterschaftlicher Beiträge würde das nach der Rechtsprechung erforderliche Maß eher überschreiten und höhere Anforderungen an eine Zurechnung stellen, wohingegen das Ausreichenlassen jeglicher nicht kausaler Beihilfehandlungen die Anforderungen eher unterschreiten würde. Im Hinblick auf den regelmäßig fehlenden Beitrag in der Ausführungsphase spricht vieles dafür, einen wesentlichen Beitrag in der Vorbereitung nur ausreichen zu lassen, wenn dieser für die private Handlung obligatorisch ist, was z. B. bei der Zurverfügungstellung eines Aufnahmegeräts oder des dienstlichen Telefonanschlusses mit Mithörfunktion der Fall ist. Nicht ausreichend dürften jedoch Beiträge sein, die die private Handlung nur erleichtern und welche die Privatperson auch selbst unproblematisch hätte erbringen können (z. B. das Heraussuchen der Telefonnummer des Beschuldigten). Das Vorliegen eines wesentlichen Beitrags wird dabei aber auch immer von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Dabei dürfte es darauf ankommen, wie sich die konkrete Handlung der Privatperson in Zusammenhang mit der staatlichen Beteiligung darstellt. Bei allen Beiträgen sind zudem die Mindestanforderungen der Kausalität und der objektiven Zurechnung erforderlich.207 Ebenfalls vertreten wird die Anwendung der Kriterien der mittelbaren Täterschaft.208 Im Rahmen einer mittelbaren Täterschaft werden Handlungen im Allgemeinen zugerechnet, wenn der Ausführende einen Strafbarkeits- bzw. Willensmangel209 aufweist und der Hintermann die Tat- bzw. Willensherrschaft210 über die Begehung der Tat hat. Vielfach bejaht wird die mittelbare Täterschaft, wenn der Vordermann als „Werkzeug“ des Hintermannes handelt.211 Angewendet auf die strafprozessuale Situation, müsste der Staat die Privatperson wie ein Werkzeug lenken oder sie instrumentalisieren. Sollte das der Fall sein, wird das Verhalten auch

206

Statt aller BGHSt 2, 129, 130 f.; BGHSt 46, 107, 109; BGH, NStZ 2008, 284. Siehe dazu oben unter E.II.3.a)bb). 208 Bernsmann, in: StV 1997, 116, 117; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 242, die eine Zurechnung der deutschen Internal Investigations aufgrund mangelnder Organisationsherrschaft aber ablehnt; vgl. Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 68 f.; kritisch Stoffer, Privatisierung, S. 268. 209 Statt aller Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, § 16 Rn. 842 ff., die eine „aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unterlegene Stellung des Tatmittlers (sog. Defekt)“ fordern; Fischer, StGB, § 25 Rn. 5. 210 Statt aller Frister, Strafrecht AT, 27. Kap. Rn. 1; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 142. 211 Statt aller BGHSt 35, 347, 351 f.; BGH, NStZ 1994, 35; BGH, NStZ 2013, 103, 104; Frister, Strafrecht AT, 27. Kap. Rn. 6; Fischer, StGB, § 25 Rn. 5; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, § 16 Rn. 840. 207

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nach einhelliger Ansicht zugerechnet.212 Daher ist im Hinblick auf die Übertragung dieser Kriterien ebenfalls der Mehrwert fraglich. Im Übrigen wird das Verhältnis zwischen Ermittlungsbehörden und der Privatperson, insbesondere wenn es sich dabei um unternehmensinterne Ermittler handelt, selten so ausgestaltet sein, dass die Ermittlungsbehörden die Tätigkeit der Privatpersonen beherrscht, lenkt und steuert.213 Vertreten wird auch die Übertragung der Figur der Anstiftung.214 Bei der Anstiftung ist auch derjenige für die Handlung des Haupttäters strafrechtlich verantwortlich, der den anderen zur Tat bestimmt hat (§ 26 StGB). Nach der herrschenden Ansicht ist für das Bestimmen, also das Hervorrufen des Tatenschlusses,215 ein (schlüssiger oder konkludenter) kommunikativer Akt zwischen dem Anstifter und dem Angestifteten erforderlich216. Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn lediglich die Möglichkeit zur Tatbegehung eröffnet wird, also eine zur Tat anreizende Situation geschaffen bzw. objektive Tatanreize gesetzt werden.217 Die Ermittlungsbehörden müssten danach also den Entschluss zur Beweiserhebung in der Privatperson hervorrufen. Ausreichend für eine erforderliche kausale Verursachung des Tatentschlusses ist nach überwiegender Ansicht eine Mitursächlichkeit.218 Für den erforderlichen Vorsatz müssten sie jedoch bereits die konkrete Handlung der Privatperson in den wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen vor Augen haben.219 Nicht ausreichend wäre also eine allgemeine Aufforderung zur privaten Ermittlungstätigkeit,220 wie sie auch bereits von der Staatsanwaltschaft gegenüber Unternehmen ergangen sein soll221. Die Staatsanwaltschaft müsste vielmehr eine konkrete Vorstellung von den einzelnen Maßnahmen haben, was in der Regel nur bei Absprachen zwischen Unternehmensangehörigen bzw. deren Rechtsanwälten und dem zustän212 Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 122 ff.; ähnlich Reeb, Internal Investigations, S. 12 f.; vgl. BGH, NJW 2017, 1828, 1831. 213 So auch Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 216; Matula, Private Ermittlungen, S. 182. 214 Matula, Private Ermittlungen, S. 183 ff.; vgl. Dencker, in: StV 1994, 667, 671. 215 Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 26 Rn. 2; Frister, Strafrecht AT, 28. Kap. Rn. 12. 216 BGH, NStZ 2009, 393; Fischer, StGB, § 26 Rn. 3; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 26 Rn. 3; Frister, Strafrecht AT, 28. Kap. Rn. 22, wobei er in Abgrenzung zur Beihilfe fordert, dass der Täter in Abhängigkeit eines Rates des Anstifters handelt; Matula, Private Ermittlungen, S. 184. 217 BGHSt 45, 373, 374; BGH, NStZ 2009, 393; Fischer, StGB, § 26 Rn. 3; Matula, Private Ermittlungen, S. 184. 218 Statt aller BGH, NStZ 1994, 29, 30; BGH, NStZ 2000, 421, 422; Joecks, in: MüKo StGB, § 26 Rn. 26. 219 BGHSt 34, 63, 66 m.w.N.; Joecks, in: MüKo StGB, § 26 Rn. 58; Matula, Private Ermittlungen, S. 185. 220 Matula, Private Ermittlungen, S. 185. 221 Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 815 f.; Leipold, in: FS Schiller, 418, 425.

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digen Staatsanwalt der Fall sein dürfte. Auch solche soll es aber in der Praxis schon gegeben haben.222 Indes führen die Kriterien der Anstiftung nur dazu, dass die unproblematischen Fälle, die auch nach der Rechtsprechung zur Zurechnung führen223, in denen die Initiative vom Staat ausgeht und der Private in der Regel beauftragt wird, zugerechnet werden.224 Aus den Anstiftungskriterien lässt sich jedoch das Erfordernis entnehmen, dass der Angestiftete, also die Privatperson, noch nicht bereits zur Tat, also zur privaten Ermittlung, entschlossen gewesen sein darf, da ansonsten ein kausales Hervorrufen des Tatentschlusses fehlt.225 Sollten die staatlichen Organe den eigeninitiativen Entschluss der Privatperson nur bestärken und fördern, würde nach den Kriterien der Anstiftung eine Zurechnung ausscheiden. Da nach der Rechtsprechung226 jedoch auch Handlungen zugerechnet wurden, bei denen die Initiative von der Privatperson ausging, die Maßnahme aber staatlich begleitet wurde (z. B. Zurverfügungstellung des technischen Geräts, Erteilung von Instruktion), kann es sich auch bei dem für die Anstiftung erforderlichen Hervorrufen des Entschlusses nicht um ein obligatorisches Kriterium handeln. Zur Beurteilung, ob sich eine Handlung als staatlich oder privat darstellt, könnte man auch das Kriterium der Herrschaft über die konkrete Handlung – angelehnt an das bei der Abgrenzung der Täterschaft zur Teilnahme (zumindest auch) angewendete Tatherrschaftsprinzip227 – nutzbar machen.228 An das Kriterium der Tatherrschaft knüpft insoweit die herrschende Literatur229 bei der Abgrenzung der Täterschaft zur Teilnahme an. Die Rechtsprechung230 hingegen stellt maßgeblich auf den Täterwillen ab, wobei aber auch die Rechtsprechung das Kriterium der Tatherrschaft berücksichtigt. Als Kriterien zur Bestimmung der Tatherrschaft lassen sich – jedenfalls unter anderem – der Wille des Handelnden und die verfolgten Interessen, die tatsächliche Ausführung der Handlung und die Entscheidungszustän222

Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 815 f. Siehe dazu oben unter E.II.2.a) und E.II.2.c). 224 Matula, Private Ermittlungen, S. 185; vgl. auch Kottek, Kooperation, S. 161. 225 Vgl. Kudlich, in: BeckOK StGB, § 26 Rn. 15; Joecks, in: MüKo StGB, § 26 Rn. 28 ff. 226 EGMR, Urt. v. 23. 11. 1993 – 14838/89, 40/1992/385/463; EGMR, NJW 1989, 654; BGHSt 31, 304; BGHSt 45, 321; BGH, NStZ 2011, 596, 597. 227 So nach der h.M. in der Literatur, vgl. nur Schild, in: Kindhäuser, NK-StGB, § 25 Rn. 23 m.w.N.; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorb. zu §§ 25 ff. Rn. 57 m.w.N. Die Rechtsprechung grenzt die Täterschaft von der Teilnahme nach dem Täterwillen ab, berücksichtigt das Kriterium der Tatherrschaft jedoch dabei, vgl. nur BGHSt 28, 346, 348 f.; BGH, NStZ 2012, 379, 380. 228 So auch Reeb, Internal Investigations, S. 8 ff.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 273 f.; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262; ähnlich auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 107, der von „Herrschaftsmomenten“ spricht; a.A. Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 130. 229 Statt aller Schild, in: Kindhäuser, NK-StGB, § 25 Rn. 23 m.w.N.; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorb. zu §§ 25 ff. Rn. 57 m.w.N. 230 Statt aller BGHSt 28, 346, 348 f.; BGH, NStZ 2012, 379, 380. 223

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digkeit heranziehen.231 Bezogen auf die strafprozessuale Zurechnung käme es also darauf an, ob die Privatperson im staatlichen Interesse handeln will, wer die Handlung ausführt und ob die Entscheidungszuständigkeit bei den Strafverfolgungsbehörden oder bei der Privatperson liegt. Jedoch eignen sich auch von diesen Merkmalen nicht alle als ausschlaggebende Kriterien zur Begründung einer Zurechnung. Das gilt zunächst für den Willen des Privaten und dessen Intention. Könnte die Privatperson durch den verfolgten Zweck die Qualität der Maßnahme bestimmen/ beeinflussen, läge die Qualifikation der Maßnahme „in der Hand“ des Privaten. Weiter gedacht müsste damit die Ermittlungstätigkeit eines altruistisch tätigen Privaten, der sich anmaßt, die staatliche Aufklärung zu unterstützen, als staatliche Ermittlungsmaßnahme qualifiziert werden mit der Folge der staatlichen Verantwortung für diese Handlung. Eine solche Möglichkeit würde in eklatanter Weise gegen das Offizialprinzip verstoßen, nach dem der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung obliegt (§ 152 Abs. 1 StPO). Zur Vermeidung dieses subjektiven Elements,232 also ob die Privatperson im Sinne der Strafverfolgungsbehörden handeln will, erscheint es sinnvoller, den Willen zur Zusammenarbeit aus objektiver Perspektive eines vernünftigen Beobachters zu bestimmen, also danach, ob es sich nach den äußeren Anzeichen so darstellt, dass die Privatperson mit den Strafverfolgungsorganen zusammenarbeiten will. Anhaltspunkte können dabei z. B. Kontaktaufnahmen oder Gespräche zwischen der Privatperson und einem staatlichen Organ sein. Die tatsächliche Ausführung durch eine Privatperson als formales Kriterium kann ebenfalls nicht ausschlaggebend sein, da ohne dieses formale private Handeln der Ausgangspunkt der Zurechnungsfrage schon nicht gegeben wäre.233 Auch die Entscheidungszuständigkeit über die ausgeführte Handlung kann nach der hier vertretenen Ansicht nur als eine Art wertendes Hilfskriterium für die Frage der Verantwortlichkeit bei unklaren Fällen dienen. Zwar ist es gerechtfertigt, die Ermittlungsbehörde in die Verantwortung zu nehmen, wenn diese in der Weise in die private Handlung (also vorliegend die interne Ermittlung) eingreift, dass sie als Herrschaftsfigur angesehen werden kann. Da die staatlichen Organe bei der Internal Investigation und auch bei sonstigen Privatermittlungen aber nur in den seltensten Fällen bei der konkreten Durchführung tätig werden, käme eine Herrschaftsstellung wiederum der eines mittelbaren Täters gleich, die nur äußerst selten gegeben sein dürfte. Die staatlichen Organe zeigten sich vielmehr in den bisher von der Rechtsprechung234 entschiedenen Fällen eher als „Anstifter“. Die Privatpersonen werden häufig mit der eigenständigen Ausführung der Handlung beauftragt, damit sich die Strafverfolgungsbehörden gerade hinter dem Deckmantel der Privatperson „verstecken“ können. Insoweit kann eine Herrschaft über die konkrete Handlung nicht 231

Vgl. Frister, Strafrecht AT, 26. Kap. Rn. 14 ff.; Fischer, StGB, Vor § 25 Rn. 1 ff. Ein solches subjektives Element fordert Matula, Private Ermittlungen, S. 188 f. 233 Siehe dazu oben unter E.II.1. 234 EGMR, StV 2003, 257; EGMR, StV 2004, 1; BGHSt 31, 304; BGHSt 34, 362; BGHSt 39, 335; BGHSt 40, 211; BGH, NStZ 1996, 200; BGHSt 42, 139; BGHSt 47, 44. 232

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ausschlaggebend sein235. Die Entscheidungszuständigkeit wird (ausgenommen der Fälle der mittelbaren Täterschaft) zudem immer bei demjenigen liegen, der handelt. Das gilt insbesondere für die Interviewsituation im Rahmen der Internal Investigation, in der sich der interne Ermittler nicht steif an einen Fragenkatalog halten kann, sondern vielmehr auf die individuelle Situation eingehen und entscheiden muss, wie und ob er die Entscheidungsfreiheit des Mitarbeiters beeinflusst.236 Zudem ist Stoffer237 zuzustimmen, dass der Staat seine Tatherrschaft im Ermittlungsverfahren schon von Verfassung wegen garantieren muss. Die Staatsanwaltschaft ist „Herrin des Ermittlungsverfahrens“,238 was sich unter anderem in §§ 152 Abs. 1, 160, 161 Abs. 1 StPO zeigt239. Sie hat die Sachleitungskompetenz und trifft die Entscheidungen, auch wenn die Polizisten als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft nach § 152 Abs. 1 GVG hauptsächlich tätig werden.240 Unterstützt die Staatsanwaltschaft die Internal Investigation geht es ihr aber eher darum, eigene personelle und finanzielle Ressourcen zu schonen, indem sie die eigenständig vom Unternehmen über beauftragte Anwälte ermittelten Ergebnisse übernimmt. Daher wandelt sich die Herrschaftsstellung der Staatsanwaltschaft vielmehr in eine abwartende Haltung um. Eine reines Nutznießen begründet aber keine Tatherrschaft.241 Ob auch beim Unterlassen eigener Ermittlungen zugerechnet werden sollte, wird nachfolgend noch erörtert.242 dd) Zwischenergebnis und Kategorisierung der Kriterien Den zuvor dargestellten Zurechnungskriterien aus dem Verwaltungs- und Strafrecht lassen sich zwar Anhaltspunkte für die strafprozessuale Zurechnung entnehmen, sie gehen jedoch oft nicht über die Kriterien der Rechtsprechung zur Zurechnung hinaus und bringen daher keinen wesentlichen Mehrwert. Das gilt insbesondere für die Kriterien für Handlungen des Verwaltungshelfers, die der mittelbaren Täterschaft und der Anstiftung. Wendet man diese Kriterien auf strafprozessuale Situationen an, gelangt man zu den gleichen Ergebnissen wie die Rechtsprechung. Private Handlungen, die aufgrund eines staatlichen Auftrags bzw. auf staatliche Initiative hin erfolgen oder staatlicherseits so gelenkt werden, dass man 235

Ähnlich Stoffer, Privatisierung, S. 268. Vgl. Veit, in: ZRFC 2017, 171, nach der sich die internen Ermittler als Vorbereitung nur einen Leitfaden für die Befragung machen könnten, weil das Gespräch eine Eigendynamik entwickeln könne und solle. 237 Stoffer, Privatisierung, S. 268. 238 Sackreuther, in: BeckOK StPO, § 160 Rn. 10; Böhm/Werner, in: MüKo StPO, § 125 Rn. 15; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 744; Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 243; vgl. BGH, NJW 2017, 2037, 2038. 239 Reeb, Internal Investigations, S. 10. 240 Vgl. Sackreuther, in: BeckOK StPO, § 160 Rn. 10. 241 Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop, in: wistra 2018, 27, 28. 242 Siehe dazu unten unter E.II.3.b)cc). 236

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die Privatperson als bloßes Werkzeug oder als „verlängerten Arm“243 der Ermittlungsbehörden ansieht, führen insoweit auch nach der Rechtsprechung zur Zurechnung. Im Hinblick auf die von der Rechtsprechung zugrunde gelegte funktionale Betrachtung bei der Frage der Zurechnung der Tätigkeit eines Verwaltungshelfers spricht aber einiges dafür, eine solche auch bei der strafprozessualen Zurechnungsfrage zugrunde zu legen244. Dementsprechend lässt sich der Herangehensweise ein Mehrwert abgewinnen. Die Kausalität und die objektive Zurechnung dürften, wie bereits erörtert, zumindest die äußere Grenzen der Zurechnung feststecken. Der Beitrag der Ermittlungsbehörden muss danach also zumindest mitursächlich für die private Ermittlung sein und ein Risiko im Hinblick auf die Umgehung der Beschuldigtenrechte setzen. Im Hinblick auf die Anforderungen an eine etwaige Beteiligungshandlung der staatlichen Organe helfen weder die Kriterien der Mittäterschaft noch die der Beihilfe wesentlich weiter. Ob es sich um einen nach der Rechtsprechung geforderten wesentlichen Tatbeitrag handelt, muss im Einzelfall bestimmt werden. Anhaltspunkte dürften sich daraus ergeben, in welcher Phase die staatliche Beteiligung stattfindet (Planungsphase oder Durchführungsphase)245 und ob der Beitrag die private Handlung wesentlich fördert oder er zur Durchführung erforderlich ist. Dabei muss es sich jedenfalls um einen kausalen und wesentlichen Beitrag handeln, da die formale private Handlung sonst regelmäßig keinen staatlichen Charakter aufweist. Die Kriterien zur Abgrenzung der Täterschaft und Teilnahme und zur Begründung der Tatherrschaft eignen sich daneben nach der hier vertretenen Ansicht eher als untergeordnete, aber nicht maßgebliche Kriterien zur Klärung der Zurechnungsfrage. Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass es weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur ein Zurechnungsmodell gibt, mit der sich die vielgestaltigen Fälle der privaten Ermittlungen mit staatlicher Beteiligung sinnvoll lösen lassen. Es ist daher nach der hier vertretenen Auffassung überzeugender, die Kriterien nach ihrer Wesentlichkeit und Erforderlichkeit zu kategorisieren und dadurch Anhaltspunkte für die Beantwortung der Zurechnungsfrage zu schaffen. Dabei lassen sich die Kriterien in drei Fallgruppen einteilen, solche die obligatorisch sind, solche die konstitutiv sind und solche, die sich hilfsweise heranziehen lassen. Zu den obligatorischen Kriterien, die für eine Zurechnung vorliegen müssen, die aber allein keine Zurechnung begründen können, gehören wie bereits ausgeführt die Kausalität und die Risikosetzung. Die staatliche Maßnahme muss eine Auswirkung

243

Vgl. zum Begriff VG Düsseldorf, ZD 2012, 188, 189; Miebach, in: MüKo StPO, § 261 Rn. 155; Lagodny, in: StV 1996, 167, 170, Fn. 49; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 106. 244 So auch Kottek, Kooperation, S. 163; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 106. 245 Ähnlich Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 108 f.

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auf die Rechtsbeeinträchtigung haben.246 Zudem müssen die Ermittlungsbehörden ein Interesse an der formalen privaten Ermittlungshandlung und eine Vorstellung von den Grundzügen der „ausgelagerten“ Handlung haben.247 Auch die handelnden Privatpersonen müssen nach einem objektiven Beobachter im Sinne der Ermittlungsbehörden handeln wollen. Des Weiteren ist erforderlich, dass der Nutzen der formalen privaten Handlung den Ermittlungsbehörden zugutekommt, also die gewonnenen Erkenntnisse von der Privatperson jedenfalls im Wesentlichen und ungefiltert weitergegeben werden.248 Daneben können durch die Auswertung der Rechtsprechung und der Literatur eine Reihe von konstitutiven Kriterien aufgestellt werden, die beim Vorliegen eine Zurechnung begründen, die allerdings fakultativ sind. Dazu gehört jedenfalls im Hinblick auf V-Personen, Informanten und verdeckte Ermittler die staatliche Initiative bzw. das Hervorrufen des Entschlusses durch konkludente oder ausdrückliche Beauftragung des Privaten. Daneben gilt dies auch für den gezielten Einsatz der Privatperson, bei der die Privatperson als staatliches Werkzeug bzw. als „verlängerter Arm“ der Ermittlungsbehörden auftritt, sie also staatlich gelenkt, gesteuert bzw. instrumentalisiert wird. Ebenfalls konstitutiv ist eine wesentliche staatliche Begleitung der konkreten Handlung, die sich als staatliche Umrahmung der Maßnahme darstellt, also beispielsweise der überwachte Einsatz einer V-Person oder die Zurverfügungstellung eines notwendigen Geräts oder eines Raumes gegebenenfalls in Verbindung mit der Anleitung der Privatperson. Für die danach nicht zuzuordnenden Fälle lassen sich des Weiteren Hilfskriterien aufstellen. Das gilt zum einen für die Entscheidungszuständigkeit über die konkrete Handlung und eine etwaige Herrschaftsstellung des Staates oder des Privaten. Außerdem ist der Grad der staatlichen Beteiligung sowie dessen Verhältnis zum privaten Beitrag relevant. Zu berücksichtigen ist dabei auch die zeitliche Phase, in der sich der staatliche Beitrag abspielt.249 Umso näher sich dieser an der Durchführungsphase befindet und umso mehr sich der Beitrag als gemeinsame Ausführung darstellt, desto mehr spricht für eine Zurechnung. Außerdem kann einbezogen werde, ob aus funktionaler Betrachtung die formale private Handlung als Aufgabenverlagerung anzusehen ist, also ob die Handlung funktional als staatliche anzusehen ist250 und ob sie der Informationsgewinnung im Strafverfahren dient251. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, ob die Ermittlungsbehörden Anreize für den Privaten geschaffen haben, z. B. eine Belohnung oder die Gewährung von Vorteilen für das 246 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 13; vgl. Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 176 m.w.N.; Stoffer, Privatisierung, S. 320. 247 So auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 106 f.; ähnlich Stoffer, Privatisierung, S. 277, 333. 248 Siehe dazu zudem oben unter E.II.2.c); vgl. auch Zerbes, in: ZStW 2013, 551, 565 f. 249 Vgl. Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 108 f. 250 Zur funktionalen Betrachtungsweise: Kottek, Kooperation, S. 163; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 106. 251 Vgl. Wewerka, Internal Investigations, S. 247.

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eigene Strafverfahren.252 Ebenfalls zu berücksichtigen ist, ob bereits ein Anfangsverdacht vorliegt.253 Auch der Grad der Notwendigkeit der staatlichen Beteiligung, also inwieweit die Ermittlungsbehörden zur Aufklärung auf das formal private Tätigwerden angewiesen sind, und der Grad der Unterstützung können als Hilfskriterien herangezogen werden. Berücksichtigung finden sollte daneben, inwieweit der Private bereits zur eigenen Ermittlung entschlossen war254 und ob er zumindest auch dem Rat bzw. der Empfehlung der Strafverfolgungsbehörden folgt255. Insgesamt dürfte es darauf ankommen, ob die Handlung von einem objektiven Dritten bei wertender Betrachtung und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als staatliche angesehen werden kann. b) Einordnung der Konstellationen der Internal Investigations Wie bereits angedeutet, diskutiert die Literatur die Zurechnung bei speziellen Kooperationskonstellationen mit Blick auf das noch recht junge Phänomen der Internal Investigation und der bislang fehlenden Rechtsprechung zur Zurechnung dieser intensiv. Die Konstellationen lassen sich dabei in aktive Beeinflussungen der Internal Investigations, Koordinierungs- und Kooperationsgespräche, Zurechnungen aufgrund unterlassener staatlicher Ermittlungen sowie einer tatsächlichen oder normativen Anreizschaffung unterteilen. Die Literaturansichten werden im Folgenden beleuchtet und die Konstellationen unter Berücksichtigung der zuvor aufgestellten Kriterien untersucht. aa) Aktive Beeinflussung der Internal Investigation Im Hinblick auf die unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Kooperation im Rahmen von Internal Investigations vertritt die Literatur diverse Anforderungen an eine zurechnungsbegründende aktive Beteiligung der Ermittlungsbehörden. Neben der Veranlassung durch gezielte Beauftragung256 wird eine aktive 252

Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 117; Stoffer, Privatisierung, S. 335; nach Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 274 sollen selbst starke Anreize im Sanktionssystem nicht ausreichen. 253 Vgl. dazu auch Anders, in: wistra 2014, 329, 333; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 14. 254 Ähnlich Matula, Private Ermittlungen, S. 190. 255 Vgl. insoweit zur Anstiftung Frister, Strafrecht AT, 28. Kap. Rn. 22; zustimmend Matula, Private Ermittlungen, S. 190. 256 Kölbel, in: NStZ 2008, 241, 242 verlangt ein gezieltes Auslösen des privaten Handelns; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Anders, in: wistra 2014, 329, 333; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 13 fordern eine aktive Einwirkung auf die Willensbildung des Unternehmens; nach Gleß, in: LRStPO, § 136a Rn. 10 ist jede staatlich veranlasste oder geförderte Informationssammlung durch Private dem Staat zurechenbar; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 241 bejaht eine Zurechnung, wenn das Unternehmen mit den Ermittlungsbehörden eine Vereinbarung zur Unterstützung der Überführung von Einzeltätern abschließt, sodass eine ausdrückliche Be-

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Beeinflussung der Durchführungsphase bzw. der konkreten Untersuchung, also insbesondere der Interviews, gefordert257. Eine solche Beeinflussung lässt sich, wenn überhaupt, für den – unwahrscheinlichen – Fall annehmen, dass die internen Ermittler ausgewählt und die zu stellenden Fragen und die zu befragenden Personen vorgegeben werden.258 Sollte damit eine Übergabe der Erkenntnisse aus der internen Ermittlung an die Ermittlungsbehörden einhergehen, z. B. durch Zurverfügungstellung des Interviewprotokolls oder eine ausführliche und umfängliche mündliche Berichterstattung, lägen alle oben aufgezählten obligatorischen Voraussetzungen einer Zurechnung vor259. Durch die konkrete Einflussnahme auf die Durchführungshandlung erlangen die Ermittlungsbehörden eine gewisse Herrschaftsstellung, jedenfalls solange die Privaten den Vorgaben entsprechend handeln. Da sich die staatliche Beteiligung als gezielte Informationsgewinnung für das Strafverfahren darstellt und die Maßnahme insgesamt als staatliche angesehen werden kann, wäre eine Zurechnung für diesen Fall nach den in dieser Arbeit aufgestellten Kriterien zu bejahen. Es kann dabei auch nicht darauf ankommen, von wem die Initiative zur Zusammenarbeit ausging.260 Eine Zurechnung dürfte hingegen zu verneinen sein, wenn die Ermittlungsbehörde beispielsweise nur die zu befragenden Personen vorgibt, die Ausgestaltung der konkreten Befragung aber allein den internen Ermittlern obliegt oder diese sich nicht an die vorgeschlagene Vorgehensweise halten. Denn für diesen Fall wäre die staatliche Beeinflussung der Befragung als gering einzuschätzen. Für einen wesentlichen Beitrag ausreichen dürfte es, wenn die Ermittlungsbehörden im Rahmen der Kooperation bestimmte Unterlagen oder Erkenntnisse anfordern, die die internen Ermittler heraussuchen, zusammenstellen und auf ihre strafrechtliche Relevanz werten müssen. Dann werden die internen Ermittler gewissermaßen durch die Erauftragung zur Sammlung von Beweisen durch das Unternehmen vorliegt; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 214 f.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 127, 176 fordert eine verpflichtende Abrede oder eine staatliche Beauftragung; Matula, Private Ermittlungen, S. 187; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 268. 257 Schneider, in: NStZ 2001, 8, 11 verlangt eine stimulierende oder steuernde Einwirkung auf den Prozess der privaten Informationsgewinnung; Anders, in: wistra 2014, 329, 333 rechnet aber auch zu, wenn sich die Staatsanwaltschaft den privaten Plan der Beweisbeschaffung durch Billigung zu eigen mache; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262 fordert einen Einfluss des Staates auf den Gang der Untersuchung z. B. durch Auswahl der internen Ermittler, der zu befragenden Mitarbeiter und der zu stellenden Fragen; so auch Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 118, 126; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 273 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 248; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 108 f., fordert zusätzlich zum Einfluss der Strafverfolgungsbehörden in der Planungsphase eine uneingeschränkte Zugriffsmöglichkeit ohne vorherige Selektion der Interviewprotokolle. 258 Vgl. Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 126; ähnlich Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 565 f. fordert eine Instrumentalisierung und Steuerung der ermittelnden Rechtsanwälte durch die Staatsanwaltschaft; kritisch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 214. 259 Vgl. dazu oben unter E.II.3.a)dd). 260 Stoffer, Privatisierung, S. 322.

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mittlungsbehörde gelenkt und gezielt zur Informationsgewinnung eingesetzt. Eine solche Aufgabenauslagerung lässt sich funktional als staatliche Maßnahme betrachten. Eine Zurechnung dürfte aber ebenfalls fraglich sein, wenn die Staatsanwaltschaft – wie es in der Praxis bereits vorgekommen sein soll – zur Durchführung von Internal Investigations auffordert und ansonsten mit hohen Sanktionen droht.261 Zwar lässt sich dies als konkludente Beauftragung auffassen, die grundsätzlich für eine Zurechnung ausreichen dürfte, jedoch ist aufgrund der nicht vergleichbaren Situation mit der Beauftragung in den Rechtsprechungsfällen (insbesondere V-Person, verdeckter Ermittler) eine andere Beurteilung erforderlich. Die privaten Ermittler werden im Gegensatz zu V-Personen immer im Auftrag des Unternehmens tätig und nicht auf direkte Veranlassung der Staatsanwaltschaft.262 Die bei der Beauftragung einer V-Person gegebene Zweier-Konstellation ist der internen Ermittlung fremd, da die letztendliche Entscheidung über die konkreten Maßnahmen der internen Ermittler das Unternehmen trifft. Insofern kann sich ein Beitrag der Staatsanwaltschaft immer nur mittelbar auswirken. Weil ein finaler Einsatz der handelnden privaten Ermittler gerade nicht vorliegen kann, erscheint es sinnvoller für die Zurechnung eine aktive Beeinflussung der Durchführung der Ermittlung zu fordern263. Die Internal Investigation dürfte daher qualitativ als private Maßnahme anzusehen sein, da es auch an einer engen und beeinflussten Zusammenarbeit fehlt264. Zudem dürfte es einen Ausnahmefall darstellen, dass alle wesentlichen Erkenntnisse ohne vorherige Filterung oder Bearbeitung an die Ermittlungsbehörden weitergegeben werden.265 Im Gegensatz zu den Internal Investigations in den USA, bei denen jedenfalls bis vor kurzem eine Schweigepflichtentbindung der Anwälte durch das Unternehmen gefordert wurde,266 ist diese in Deutschland selten, auch wenn sie bei der MAN Nutzfahrzeuge AG stattgefunden haben soll267. Gerade die recht aktuellen Fälle des DFB-Skandals und der Diesel-Affäre zeigen, dass die Übergabe aller wesentlichen 261

Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 814 f.; Leipold, in: FS Schiller, 418, 425; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 211 f. Anm.: Bejaht man die umstrittene Frage der Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes für Unternehmen, dürfte bei oben geschildertem Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden ein Verstoß gegen diesen Grundsatz äußerst nahe liegen. 262 Momsen, in: ZIS 2011, 508, 512 f.; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 451; Wewerka, Internal Investigations, S. 248. 263 Vgl. Schneider, in: NStZ 2001, 8, 11; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 272; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 118, 126; Wewerka, Internal Investigations, S. 248; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 108 f. 264 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 272 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 107, 109; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 119; Wewerka, Internal Investigations, S. 248, 252. 265 Siehe zu den Kooperationsausgestaltungen in der Praxis oben unter D.I. 266 Siehe dazu oben unter B.I. 267 LG München I, Beschl. v. 10. 12. 2009 – 6 Kls 570 Js 50263/09, openJur 2016, 154.

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Erkenntnisse nicht der Regelfall ist. In beiden Fällen wurden die Erkenntnisse der internen Ermittlung nur eingeschränkt herausgegeben.268 Das führte wiederum zu Durchsuchungen durch die Staatsanwaltschaft. bb) Koordinierung und Absprache der Internal Investigations In der Regel beginnt das Unternehmen aus eigener Initiative mit internen Ermittlungen und teilt dies der Staatsanwaltschaft mit, sollte diese bereits parallel ermitteln, um sich über eine etwaige Kooperation und die Übergabe/Offenbarung von gewonnenen Informationen abzustimmen.269 Ob insofern auch die Koordinierung bzw. Absprache der internen Ermittlung mit der Erstattung von Zwischenberichten und der Übergabe der Erkenntnisse, also ein Beitrag in der Vorbereitungsphase, ausreichend ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nach Godenzi soll auch bei einer solchen Kooperation eine private Ermittlung vorliegen, solange keine verpflichtende Abrede oder staatliche Beauftragung vorliegt.270 Demgegenüber vertritt Stoffer eine Zurechnung bei Kooperation des Unternehmens mit der Staatsanwaltschaft, wenn der Staat dem Unternehmen Vorteile für die Aufklärungshilfe in Aussicht gestellt hat oder über einen längeren Zeitraum Ermittlungshandlungen inhaltlich abgesprochen wurden.271 Dass die Staatsanwaltschaft das Unternehmen gewähren lasse und mit eigenen Ermittlungen abwarte, dürfte ihr keinesfalls Vorteile verschaffen.272 Ein alleiniges Gewährenlassen der privaten Ermittlungen reiche aber für eine Zurechnung nicht, eine damit zusammentreffende kooperative Kommunikation bzw. Absprache soll jedoch reichen.273 Kottek nimmt ebenfalls eine Zurechnung an, wenn ein regelmäßiger Informationsaustausch und eine konkrete Aufgabenverteilung mit einem Vorsatz zur gezielten Umgehung der StPO der Strafverfolgungsbehörden zusammentreffe.274 Nach der hier vertretenen Ansicht kann ein Beitrag in der Vorbereitungsphase nur ausreichen, wenn er so wesentlich ist, dass die Durchführung der Internal Investigation davon abhängt. Denn im Übrigen würde sich die staatliche Beteiligung immer nur als untergeordneter Beitrag zeigen, der keine Zurechnung im Sinne einer Verantwortung begründen kann. Auch wenn tatsächlich einmal konkrete Aufgaben verteilt werden sollten, die Staatsanwaltschaft die Maßnahme also mittelbar durch die Sanktionsanreize beeinflusst, dürfte dies für eine Zurechnung nicht reichen, 268

Siehe dazu oben unter D.I. Vgl. Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 263; zur Siemens-Korruptionsaffäre vgl. Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 233 f.; ähnlich Wewerka, Internal Investigations, S. 248. Siehe dazu auch oben unter D.I. 270 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 127; ähnlich Wimmer, in: NK 2016, 356, 363 f. 271 Stoffer, Privatisierung, S. 335. 272 Stoffer, Privatisierung, S. 337. 273 Stoffer, Privatisierung, S. 338 f.; a.A. Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 113. 274 Kottek, Kooperation, S. 161 f. 269

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solange sich das Unternehmen nicht der Staatsanwaltschaft „unterwirft“, sondern nur eigene, freiverantwortliche Entscheidungen trifft. Bloße Koordinierungsgespräche, die die staatliche und die private Ermittlung erleichtern sollen, dürften jedoch nicht geeignet sein, verantwortungsbegründend zu wirken.275 Die Unternehmen sind vielmehr frei in der Ausgestaltung der Ermittlungen und haben eine weite Einschätzungsprärogative.276 Zwar handelt es sich um einen staatlichen Beitrag, der einen Bezug zur Durchführung der internen Ermittlung hat, jedoch stellt sich der staatliche Beitrag im Verhältnis zum privaten Beitrag, der die gesamte Durchführung umfasst, als zu gering dar, um bei einer wertenden Betrachtung von einer staatlichen Maßnahme zu sprechen. Es ist im Hinblick auf die sehr zurückhaltende Rechtsprechung zur Zurechnung auch nicht zu erwarten, dass diese eine Zurechnung bejaht. cc) Zurechnung aufgrund des Unterlassens eigener Ermittlungen Neben den Koordinierungs- und Kooperationsgesprächen steht ein weiterer Punkt im Fokus der Zurechnungsdebatte: Die Zurechnung durch Unterlassen eigener Ermittlungen. Im Laufe der Zeit scheint es üblich geworden zu sein, dass Staatsanwaltschaften, die vom Unternehmen über die Durchführung der Internal Investigations in Kenntnis gesetzt wurden, die Berichterstattungen und die Übergabe der gewonnenen Erkenntnisse zur Schonung eigener Ressourcen abwarten, um diese anschließend eigenen Ermittlungen zugrunde zu legen.277 Teilweise soll die Staatsanwaltschaft dabei für relevant befundene Unterlagen (z. B. Interviewprotokolle, gefilterter E-Mail-Verkehr oder Abschlussberichte) angefordert haben.278 Ob ein solches Vorgehen eine Zurechnung begründen kann, ist umstritten279. Überwiegende Einigkeit besteht in Literatur und Rechtsprechung, dass die bloße Entgegennahme der Erkenntnisse keine Zurechnung begründen kann.280 Vereinzelt 275 So auch Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Wimmer, in: NK 2016, 356, 363 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 248; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 212. 276 Jahn, in: StV 2009, 41, 45; ähnlich Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 212. 277 Greeve, in: StraFo 2013, 89; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 289; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 741; Leipold, in: FS Schiller, 418, 427; eine rechtstatsächliche Untersuchung zeichnete dieses Bild ebenfalls, vgl. Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 812 ff.; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 215. 278 So z. B. in den Fällen Siemens, DFB und Volkswagen, siehe oben unter D.I. 279 Verneinend Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 168; a.A. Stoffer, Privatisierung, S. 335, die aber zusätzlich eine Kommunikation/Koordination fordert. 280 BGH, NJW 1989, 843, 844 f.; BGH, NJW 2017, 1828, 1830 f.; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3a; Lagodny, in: StV 1996, 167, 170; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 10 f.; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 565 f., die eine Zurechnung nur bei faktischem Kooperationszwang bei Internal Investigations im Zusammenhang

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wird jedoch vertreten, dass sich ein Beweisverwertungsverbot auch ergibt, wenn der Staat die rechtswidrige Ermittlungshandlung eines Privaten ausnutzt.281 Dabei wird teilweise der Gedanke der Beweismittelhehlerei herangezogen.282 Nach Rogall283 soll es den staatlichen Organen hingegen schlicht untersagt sein, Verletzungen des auch im Privatrecht mittelbar geltenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts auszunutzen. Im Hinblick auf das Ausnutzen der privaten Ermittlungen ist Greco/Caracas284 zuzustimmen, die zwischen einer nicht zurechenbaren unerwarteten Übergabe von Beweismitteln und der Situation unterscheiden, in der die Ermittlungsbehörden Kenntnis vom privaten Tätigwerden haben und trotz Anfangsverdachts nicht einschreiten. Für letzteres vertreten auch einige andere Autoren eine Zurechnung aufgrund pflichtwidrigen Unterlassens eigener Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden und der damit einhergehenden abwartenden Haltung zur Übernahme und Verwertung der privaten Erkenntnisse.285 Das Unterlassen stellt zwar kein klassisches mit der SEC bejaht; so auch Stoffer, Privatisierung, S. 334; Kottek, in: wistra 2017, 9, 15; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 116; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 243; Kottek, Kooperation, S. 161; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 215; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 30; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 211; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 107; einschränkend auch Mahlstedt, Verdeckte Befragung des Beschuldigten, S. 159, der eine Zurechnung aber bei Billigung des Privathandelns durch die Behörden annimmt und bei rechtmäßigen Ermittlungshandlungen über die Verwertung zurechnen will. 281 Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 13; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 755 f.; Rogall, in: NStZ 1989, 288; Kaspar, in: GA 2013, 206, 219 bei Kenntnis und Billigung; a.A. I. Roxin, in: StV 2012, 116, 119; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 271. 282 Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 13; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 204 f. Kritisch: Kottek, Kooperation, S. 166 f.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 195 ff., die überzeugend anführt, dass Folge dieser Ansicht eine Machtposition der Privatperson wäre, den staatlichen Strafverfolgungsanspruch mittels eigener strafrechtswidriger Beweiserhebung zu durchkreuzen, sodass es in der Hand der Privatperson liegen könne, ob ein Beweismittel durch eine Straftat unbrauchbar gemacht werde. 283 Rogall, in: NStZ 1989, 288; diesbezüglich kritisch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 114. 284 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 14; auch Kaspar, in: GA 2013, 206, 219 fordert Kenntnis uns Billigung der privaten Ermittlung. 285 Keller, in: FS Grünwald, 267, 278 zweifelt jedoch an einem Beweisverwertungsverbot; Stoffer, Privatisierung, S. 337 f.; Kottek, Kooperation, S. 144 ff., 176, der sich auf die Ähnlichkeit zur Konstruktion einer Mittäterschaft oder mittelbaren Täterschaft stützt und neben dem pflichtwidrigen Unterlassen das Rechtsstaatsprinzip und staatliche Schutzpflichten, insbesondere die staatsanwaltschaftlichen Fürsorgepflicht, heranzieht; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 755 f. vertritt eine Zurechnung, wenn der Ermittlungsdrang des Unternehmens durch die Strafverfolgungsbehörde ausgenutzt werde und die eigenen Ermittlungen zurückgeschraubt würden, um die internen Ergebnisse zu übernehmen („Outsourcing von Ermittlungshandlungen“); Jahn, in: StV 2009, 41, 45 rechnet zu, wenn sich der Staat vollständig oder amtspflichtwidrig der Ermittlungsverantwortung entzieht und diese Privatpersonen überlässt, die intendiert und systematisch verbotene Methoden des § 136a Abs. 1

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Zurechnungsmodell dar, aber auch durch Unterlassen wird unter gewissen Voraussetzungen eine (strafrechtliche) Verantwortung begründet286. Erforderlich für eine Strafbarkeit durch Unterlassen (§ 13 StGB) ist zum einen die Verpflichtung, die Rechtsgutsbeeinträchtigung zu verhindern (Garantenstellung), die physisch-reale Möglichkeit den Erfolgseintritt zu verhindern und die Zumutbarkeit einer solchen erfolgsverhindernden Handlung.287 Übertragen auf die strafprozessuale Situation müsste die Strafverfolgungsbehörden also eine Art Garantenpflicht treffen, private Ermittlungen zu unterbinden, was zunächst Kenntnis vom Vorgehen der Privatperson voraussetzen würde. Eine solche Kenntnis der Ermittlungsbehörden von dem privaten Vorgehen dürfte insbesondere zu Beginn einer internen Untersuchung fraglich sein. Sollte eine solche vorliegen, wäre im Hinblick auf die Garantenpflicht der Ermittlungsbehörden zum einen eine Überwachergarantenstellung denkbar. Die Stellung eines Überwachergaranten ergibt sich allgemein aus einer „Organisationsgewalt über einen bestimmten Herrschaftsbereich“, sodass die Person zur Abwendung von Gefahren aus diesem Bereich gegenüber anderen verpflichtet ist.288 In Anbetracht der grundsätzlichen zivil- und strafrechtlichen Rechtmäßigkeit der Internal Investigation ist eine Gefahr für die Umgehung der strafprozessualen Rechte des betroffenen Mitarbeiters erst gegeben, wenn die Ermittlungsbehörden die Beweise für das Strafverfahren übernehmen und verwerten wollen, sodass ein Eingreifen zuvor nicht geboten wäre. Zudem dürfte entschieden gegen eine Überwachungspflicht die fehlende Möglichkeit, die unternehmensinternen Maßnahmen zu überwachen, sprechen. Die „Organisationsgewalt“ über das Unternehmen steht nicht dem Staat, sondern den Führungsorganen zu. Daneben könnte man eine Pflicht, die Rechtsbeeinträchtigung zu verhindern, auch auf etwaige Schutzpflichten des Staates im Sinne einer Beschützergarantenstellung stützen, wie es für die besondere Situation der Untersuchungshaft angenommen wurde289. Im Hinblick auf diese staatlichen Schutzpflichten dürfte es jedoch überzeugend sein, sie auf Sonderrechtsverhältnisse zu beschränken.290 Dafür lässt

StPO anwenden und damit strafrechtswidrig handeln; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 206 ff. stützt sich auf eine Ingerenzhaftung; einschränkend auch Anders, in: wistra 2014, 329, 333. 286 Vgl. Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 13 Rn. 13. 287 Fischer, StGB, § 13 Rn. 7, 8; Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 13 Rn. 8, 13; Frister, Strafrecht AT, 22. Kap. Rn. 2, 18; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, § 19 Rn. 1168, 1174 ff. 288 Frister, Strafrecht AT, 22. Kap. Rn. 27; so auch Kraft/Winkler, in: CCZ 2009, 29, 30. 289 So anklingend im „Wahrsagerinnen-Fall“, vgl. BGHSt 44, 129; dazu auch Eschelbach, in: StV 2000, 390, 392; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 126 f.; Stoffer, Privatisierung, S. 285; kritisch insoweit Schneider, in: NStZ 2001, 8, 13; Anders, in: wistra 2014, 329, 333; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 104, 110. 290 Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 126 f.

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sich insbesondere anführen, dass der BGH291 die Schutzpflichten als Pendant zu der Beschränkung der physischen und psychischen Freiheit (Haftsituation) angenommen hat.292 Nur in solchen Situationen, in denen der Betroffene einem staatlichen Umfeld nicht entfliehen kann oder er Teil eines staatlichen Systems ist, dürfte er auch besonderem staatlichen Schutz unterstehen. Andere Stimmen in der Literatur begründen eine Zurechnung daneben mit einer Ingerenzhaftung des Staates, wenn dieser die Privatpersonen bei der rechtswidrigen Beweisgewinnung gewähren lasse, dadurch eine Sondergefahr für die Rechte des Beschuldigten schaffe und die Beweismittel anschließend übernehme.293 Mende294 stützt sich im Hinblick auf die geschaffene Gefahr zudem auf ein legislatives Unterlassen hinsichtlich einer Regelung über die Beweisverwertung privat erlangter Erkenntnisse. Problematisch an einer Zurechnung durch Ingerenz ist jedoch, dass sich diese nicht auf rechtmäßige Ermittlungshandlungen übertragen lässt,295 und die Frage der Rechtmäßigkeit des formalen privaten Handelns im Hinblick auf den anzuwendenden Maßstab gerade auch eine Folgefrage der Zurechnung ist296. Anders dürfte dies nur bei strafrechtswidriger Beweisgewinnung durch einen Privaten sein, da die Handlung dann sowohl nach privatem als auch nach öffentlichem Recht rechtswidrig ist. Ein solches Verhalten liegt bei der Internal Investigation aber regelmäßig nicht vor. Nach wohl überwiegender Ansicht soll ein pflichtwidriges Unterlassen und eine Pflicht zum Einschreiten (Garantenpflicht) bereits mit Bestehen eines Anfangsverdachts bestehen, weil damit die Legalitätspflicht ausgelöst werde (§ 152 Abs. 2 StPO).297 Nach Wehnert298 soll das Legalitätsprinzip auch verletzt sein, wenn das Unternehmen parallel zur Staatsanwaltschaft ermittelt, letztere aber die Ermittlungen dem Unternehmen wie einem Beliehenen überlässt oder wenn persönliche oder sachliche Beweismittel durch die Internal Investigation getrübt werden (z. B. durch eine Befragung durch den Arbeitgeber kurz vor der polizeilichen/staatsanwaltschaftlichen Vernehmung). Gegen eine Zurechnung bei pflichtwidrigem Unterlassen der Ermittlungen im Zusammenhang mit Internal Investigations sprechen jedoch einige Gründe. Ein 291

BGHSt 44, 129, 136. Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 127. 293 Keller, in: FS Grünwald, 267, 277 f.; nach Mahlstedt, Verdeckte Befragung des Beschuldigten, S. 158 f. soll die Gefahr durch § 136a StPO begründet sein, aber nur bei Billigung des Privathandelns durch die Strafverfolgungsbehörden. Kritisch dazu Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 182 ff.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 269 f.; ablehnend auch Reeb, Internal Investigations, S. 129. 294 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 206 f. 295 Anders, in: wistra 2014, 329, 333; so auch Keller, in: FS Grünwald, 267, 278. 296 Siehe dazu noch unten unter E.II.4.a). 297 Anders, in: wistra 2014, 329, 333; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 14; Keller, in: FS Grünwald, 267, 278; Kottek, Kooperation, S. 134 ff., 145. 298 Wehnert, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, 137, 139 f. 292

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solches Anknüpfen an ein Unterlassen trotz bestehenden Anfangsverdachts ist insbesondere im Hinblick auf den weiten Entscheidungsspielraum und die weite Einschätzungsprärogative der Staatsanwaltschaft, die es auch rechtfertigen kann, die internen Untersuchungen abzuwarten, kritisch zu betrachten.299 Selbst wenn die Staatsanwaltschaft eigene Ermittlungen zurückschraubt, darf sie deswegen privat und rechtmäßig beschaffte Erkenntnisse nicht zurückweisen.300 Eine solche Zurückweisung der Erkenntnisse würde vielmehr zur Aufgabe des Legalitätsprinzips und zum Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz führen.301 Daneben kann einer Pflichtwidrigkeit im Hinblick auf die Übernahme der Beweismittel auch mit dem Argument entgegengetreten werden, dass es keine Pflicht des Staates (ähnlich einer Garantenpflicht) gibt, die eine Zurückweisung der Beweismittel oder eine Nichtübernahme dieser begründen könnte.302 An dieses Verhalten lässt sich also nur schwer ein pflichtwidriges Unterlassen knüpfen. Zudem kann das Verhalten des Staates nicht automatisch als rechtswidriges Unterlassen mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots angesehen werden, solange sich der Private rechtmäßig verhält.303 Außerdem können sich die Strafverfolgungsbehörden aufgrund des geringeren Maßes der Objektivität bei den Internal Investigations auch nicht allein auf die privaten Ermittlungsergebnisse stützen, sondern müssen diese hinterfragen und mit eigenen Ermittlungen verifizieren.304 Die Internal Investigations ersetzen somit das Strafverfahren und die Sachverhaltsaufklärung nicht, sondern ergänzen diese.305 Die insoweit von einigen Autoren vertretene Pflicht des Staates, die privaten Internal Investigations oder einzelne Maßnahmen zu unterbinden, sobald sie Kenntnis davon erlangen,306 kann auch aus weiteren Gründen nicht überzeugen. Zum einen steht es dem Unternehmen aufgrund der Zulässigkeit privater Ermittlungen im Rahmen der geltenden Rechtsnormen frei, privat zu ermitteln oder ermitteln zu

299 Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 551 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 249; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 211 f. 300 Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 551; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 114; ähnlich auch Stoffer, Privatisierung, S. 340. 301 Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 551; Wimmer, in: NK 2016, 356, 358; ähnlich Sarhan, in: wistra 2017, 336, 340 f.; Mahlstedt, Verdeckte Befragung des Beschuldigten, S. 159. 302 BGH, NJW 2017, 1828, 1831; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 243; ähnlich Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 178. 303 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 114. 304 Knierim, in: StV 2009, 324, 325; Raum, in: StraFo 2012, 395, 399; Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 381; Kölbel, Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 294; Wewerka, Internal Investigations, S. 149 f. und 207 ff., wobei sie zudem von der Gefahr einer Beweismitteltrübung spricht. 305 Leipold, in: FS Schiller, 418, 425. 306 Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 755; Kottek, Kooperation, S. 146; ähnlich Mahlstedt, Verdeckte Befragung des Beschuldigten, S. 158; für rechtswidrige Ermittlungen auch Stoffer, Privatisierung, S. 340.

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lassen.307 Zum anderen besteht, wie bereits mehrfach ausgeführt, eine gesetzliche Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts im Unternehmen beim Verdacht auf Straftaten. Außerdem kann dem Unternehmen durch die Unterbindung der internen Aufklärung nicht die Möglichkeit genommen werden, eigene Maßnahmen zu verfolgen, z. B. Lücken im Compliance-System aufzudecken, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, involvierte Mitarbeiter zu kündigen oder gegen diese Strafanzeige zu stellen.308 Die Staatsanwaltschaft könnte vielmehr lediglich die Annahme der Erkenntnisse im Rahmen der Kooperation unterbinden, was jedoch regelmäßig nicht in ihrem Interesse sein wird. Außerdem wird gegen das Anknüpfen an ein Unterlassen von Buchert309 eingewandt, dass das Unterlassen einer gebotenen Handlung durch den Staat nicht zu einer Änderung des Charakters der Beweiserhebungsmaßnahme durch den Privaten führen könne. Ein bloßes Gewährenlassen des Unternehmens bei Kenntnis von den internen Ermittlungen könne keine Herrschaft der Staatsanwaltschaft begründen.310 In eine ähnliche Richtung wird gegen ein Anknüpfen an ein Unterlassen im Hinblick auf die Folgen überzeugend von Gatter311 argumentiert, dass ein pflichtwidriges Verhalten der Staatsanwaltschaft nicht dazu führen kann, dass das Unternehmen verpflichtet sei, Beschuldigtenrechte zu gewähren und die StPO zu wahren,312 da das Unternehmen dafür keine Garantenpflicht habe. Für eine solche Annahme der Erweiterung des Pflichtenkreises des Unternehmens müsste dieses Kenntnis von der Untätigkeit der Staatsanwaltschaft haben, was aber nicht notwendigerweise der Fall sei. Außerdem bezwecke das Unternehmen nicht, etwaige Strafverfolgungsdefizite der staatlichen Behörden auszugleichen, sondern handele im eigennützigen unternehmerischen Interesse.313 Die Durchführung der Internal Investigation dient zudem nicht allein dazu, der Staatsanwaltschaft entgegen zu kommen, sondern ist für die ordnungsgemäße Erfüllung der gesellschaftlichen Pflichten beim Verdacht auf Compliance-Verstöße erforderlich.314 Eine Zurechnung aufgrund Unterlassens eigener Ermittlungen überzeugt daher nicht.

307

Wessing, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 46 Rn. 170. Vgl dazu auch Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 270; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 114. 309 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 110, der ein pflichtwidriges Unterlassen des Staates aber möglicherwiese bei der Frage nach einem Beweisverwertungsverbot berücksichtigen will. 310 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 112. 311 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 271; ähnlich Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 110. 312 Zu dieser Frage siehe auch unten unter E.II.4. 313 Sarhan, in: wistra 2015, 449, 452. 314 Leipold, in: FS Schiller, 418, 425. 308

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dd) Zurechnung durch tatsächliche oder gesetzliche Anreizschaffung Abschließend kann man sich auch die Frage stellen, ob sich eine Zurechnung auch durch staatliche Anreize in tatsächlicher oder normativer Hinsicht begründen lässt, gegebenenfalls kumulativ zu den beiden zuvor ausgeführten Konstellationen. Insbesondere in den USA besteht ein starker Anreiz – wenn nicht sogar ein faktischer Zwang315 – zur Durchführung von Internal Investigations innerhalb eines Unternehmens zum Zwecke der Kooperation mit Ermittlungsbehörden316. Durch die mittlerweile auch in Deutschland etablierte Praxis der Belohnung der Kooperation durch mildere Sanktionen,317 wächst auch hier die Tendenz und der Anreiz zur Kooperation der Unternehmen mit den Strafverfolgungsbehörden. Das deutsche Sanktionssystem für Unternehmen enthält jedoch bislang keine ausdrücklich festgelegte Sanktionsmilderung bei Aufklärungshilfe und schafft diesbezüglich auch keine der US-amerikanischen Strafverfolgungspraxis vergleichbare faktische Zwangslage.318 Im Rahmen der Bußgeldzumessung wird Aufklärungshilfe in der Praxis de lege lata aber als Nachtatverhalten gemäß § 17 Abs. 3 OWiG berücksichtigt, sodass dadurch Anreize geschaffen werden.319 Ein normativer Anreiz zur Durchführung interner Ermittlungen dürfte aber in Zukunft im Rahmen der geplanten Reformierung des Rechts der Sanktionierung von Unternehmen implementiert werden. Dieses Ziel ist ausdrücklich im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode festgelegt.320 Insoweit nicht überraschend ist eine solche Anreizregelung zur Kooperation und Herausgabe der Informationen in den Gesetzesentwürfen im Gegenzug zum Sanktionserlass (so § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW), zur Verfahrenseinstellung (so § 14 Abs. 1 VerbSG-E) oder zur Milderung der Geldzahlung (so § 4 Abs. 3 e) VerbSG-E) enthalten. 315 Einen faktischen Zwang zur Kooperation kann man zumindest in den USA dadurch annehmen, dass die Vorteile, die dem Unternehmen dadurch gewährt werden, Einfluss auf dessen Existenz und wirtschaftliche Tätigkeit (z. B. durch die Versagung von Genehmigungen oder der Registrierung an der US-amerikanischen Wertpapierbörse) haben und diese somit teilweise nicht „ausgeschlagen“ werden können ohne die unternehmerische Existenz zu vernichten, vgl. auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 241; Wewerka, Internal Investigations, S. 37 f.; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71. 316 Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390; Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 262; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 79; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 222; Wewerka, Internal Investigations, S. 38. 317 Im Fall Siemens wurde beispielsweise im Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München I ausdrücklich die Kooperation der Siemens AG mit den Ermittlungsbehörden berücksichtigt (Staatsanwaltschaft München I, Bußgeldbescheid, S. 12, (s. Kap. A. Fn. 12)). 318 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S 242. 319 Siehe dazu oben unter D.II.1. 320 Nach dem Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode sollen im Rahmen der Reformierung „Anreize zur Aufklärungshilfe durch „Internal Investigations“ und zur anschließenden Offenlegung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse“ geschaffen werden, vgl. Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD der 19. Legislaturperiode, S. 126 (s. Kap. B. Fn. 174). Siehe dazu auch oben unter B.III.2.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Ein solcher in Aussicht gestellter Sanktionserlass bzw. eine Verfahrenseinstellung liefern ein starkes Motiv zur internen Ermittlung und Kooperation für das Unternehmen.321 Auch diesbezüglich wird teilweise von einem faktischen Zwang gesprochen.322 Dies gilt insbesondere hinsichtlich der in § 4 Abs. 2 VerbSG-E geregelten flexiblen Maximalhöhe der Geldzahlung (15 Prozent des durchschnittlichen Gesamtumsatzes der letzten drei Jahre). Dadurch dürfte sich die Empfindlichkeit der Sanktionshöhe insbesondere für große Konzerne deutlich steigern,323 sodass auch die Motivation zur Abwendung dieser steigen dürfte. Dennoch ist bei der Motivlage auch immer zu berücksichtigen, dass das Unternehmen in aller Regel eine Vielzahl von Interessen bei der Entscheidung zur Durchführung interner Ermittlungen verfolgt324 und beim bestehenden Verdacht von Compliance-Verstößen zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet ist325. Daher ist bei der Motivlage auch die private unternehmerische Entscheidung zu berücksichtigen,326 im Einklang mit der Rechtsordnung zu agieren, sich in etwaigen staatlichen Verfahren zu verteidigen, Ansprüche gegen Schädiger geltend zu machen und wirtschaftliche Risiken einzudämmen, die gegebenenfalls zu Reputationsschäden und einer Insolvenz führen können. Insofern gelangt man regelmäßig zu einer gemischten privaten und staatlichen Motivationslage. Ob ein starker Anreiz im Sanktionssystem gewissermaßen als „staatliche Veranlassung“ geeignet ist, die Zurechnung zu begründen, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt.327 Für Internal Investigations mit US- und SEC-Bezug, welche mit dem deutschen System nicht vergleichbar sind,328 wird dies teilweise vertreten329. Gatter hingegen hält starke Anreize im Sanktionssystem für nicht ausreichend, da die Ausgestaltung der Ermittlung allein in der Hand des Unternehmens liegt.330 Auch Wimmer lehnt eine Zurechnung aufgrund der Gewährung einer Sanktionsmilderung 321 Hoven/Wimmer/Schwarz/Schumann, in: NZWiSt 2014, 201, 208; vgl. Poepping, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 333, 343; Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 379, der wegen der nur fakultativen Möglichkeit eines Straferlasses an der Anreizwirkung zweifelt. 322 Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 213. 323 Vgl. dazu die Begründung des VerbSG-E, Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, in: NZWiSt 2018, 1, 5. 324 Siehe zu den Interessen oben unter B.II.3. 325 Siehe oben unter B.II.1. 326 Zu den Vorteilen einer Internal Investigation vgl. auch oben unter B.II.3. 327 Bejahend Sarhan, in: wistra 2015, 449, 451; Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 223; a.A. Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 274; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 211 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 108. 328 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 242. 329 Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 565 f.; angedeutet auch von Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 14; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 241 f.; a.A. Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390 nach denen auch für Fälle mit SEC-Bezug keine staatliche Veranlassung der Internal Investigations vorliege, da es nur einen faktischen und keinen rechtlichen Kooperationszwang gebe. 330 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 274.

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E. Beweisverwertungsverbot

ab, da die Ermittlungsbehörden das Nachtatverhalten bereits de lege lata mildernd berücksichtigen müssen und nicht jedes im Rahmen der Sanktionszumessung zu berücksichtigende Nachtatverhalten zu einer Zurechnung führen könne.331 Sarhan meint, dass eine staatliche Veranlassung bei einer von Anfang an bezweckten Kooperation im Gegenzug für eine Sanktionsmilderung gegeben ist.332 Auch Matula bejaht eine Zurechnung nach den Kriterien der Anstiftung bei staatlicher Initiative im Sinne einer Anregung und Impulssetzung durch den Staat.333 Buchert hingegen fordert zusätzlich zur Impulssetzung einen steuernden Einfluss in der Planungs-, Durchführungs- oder Verwertungsphase.334 In Anbetracht dessen, dass das Unternehmen in seiner Entscheidung zur Kooperation im Grundsatz frei ist, ein Anreiz gerade keine staatliche Beauftragung darstellt und das Unternehmen dadurch regelmäßig auch nicht als Werkzeug der Behörden tätig wird, lässt sich diese Fallgestaltung nicht ohne Berücksichtigung weiterer Kriterien beurteilen. Daher soll diese Konstellation zunächst auf das Vorliegen der oben aufgestellten Kriterien335 untersucht werden. Für eine Zurechnung wäre danach erforderlich, dass Repräsentanten des Unternehmens in Kenntnis des § 14 Abs. 1 VerbSG-E bzw. des § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW oder in Folge einer Inaussichtstellung einer Sanktionsmilderung durch die Ermittlungsbehörden die Entscheidung zur Durchführung der Internal Investigation und Kooperation treffen und dadurch motiviert werden. Der staatliche Anreiz muss insoweit jedenfalls mitursächlich für die Entscheidung zur Durchführung der Internal Investigation sein. Das ist nicht der Fall, wenn die unternehmerische Entscheidung zur internen Ermittlung bereits getroffen wurde und erst später mit den Ermittlungsbehörden über eine Kooperation „verhandelt“ wird. Zu Beginn der Internal Investigations muss eine Kooperation nämlich noch gar nicht bezweckt sein.336 In Anbetracht der aufsehenerregenden Fälle insbesondere von Siemens, dem DFB-Skandal und der DieselThematik im Volkswagen Konzern dürfte anwaltlich beratenen Unternehmen eine Kenntnis der sanktionsmildernden Wirkung einer Kooperation aber nicht unbekannt bleiben und daher in die unternehmerische Entscheidung jedenfalls mit einfließen. Das gilt insbesondere für den wahrscheinlichen Fall, dass eine normative Verankerung eines Sanktionserlasses in Kraft tritt. Wird eine Sanktionsmilderung für eine umfassende Sachverhaltsaufklärung in Aussicht gestellt, ist daneben auch ein Risiko für die Befragung der verdächtigten Mitarbeiter unter Hinweis auf die umfassende Aussagepflicht gesetzt. Zudem besteht 331

Wimmer, in: NK 2016, 356, 363 f. Sarhan, in: wistra 2015, 449, 452. 333 Matula, Private Ermittlungen, S. 186 f. Dabei kann nach ihrer Ansicht ein Impuls aber auch durch bloßes Dulden bekannter privater Verhaltensweisen gesetzt werden, (S. 193 f.). Erforderlich soll danach aber immer ein gewisser kommunikativer Akt zwischen der Strafverfolgungsbehörde und der Privatperson sein. 334 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 108. 335 Siehe dazu oben unter E.II.3.a)dd). 336 Sarhan, in: wistra 2015, 449, 451. 332

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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bei einer Inaussichtstellung einer Sanktionsmilderung durch die Strafverfolgungsbehörden und einer Entscheidung zur Kooperation durch das Unternehmen ein beiderseitiges Interesse an der Sachverhaltsaufklärung. Da die Sanktionsmilderung und damit der Anreiz zur Kooperation von der Offenbarung des wesentlichen Sachverhalts abhängt, dürfte das Unternehmen die Erkenntnisse regelmäßig an die Staatsanwaltschaft übergeben. Fraglich ist jedoch die staatliche Vorhersehbarkeit der Maßnahmen in ihren Grundzügen. Eine solche wird man wohl nur annehmen können, wenn im Rahmen von Kooperationsgesprächen über die konkrete Ausgestaltung der Investigation gesprochen wird. Für den Fall des Erlasses einer normativen Verankerung der Sanktionsmilderung bzw. des Sanktionserlasses dürfte aber generell fraglich sein, inwieweit eine abstrakte und generelle Norm eine Zurechnung begründen soll, wenn der Staat nicht vorhersehen kann, ob das Unternehmen überhaupt und geschweige denn wie es ermittelt, zumal die Aufklärungshilfe immer freiwillig erfolgt. Die Situation ist eher mit der einer Ausschreibung einer Belohnung für Hinweise auf eine Straftat zu vergleichen, für die man eine Zurechnung mangels konkretem Adressaten und mangels Vorhersehbarkeit etwaiger Ermittlungen nicht begründen kann337. Außerdem ist auch das Argument von Wimmer überzeugend, dass Aufklärungshilfe als Nachtatverhalten im Rahmen des § 17 Abs. 3 OWiG bei der Bußgeldzumessung berücksichtigt werden muss und sich nicht aus jedem Nachtatverhalten eine Zurechnung ergeben kann.338 Insoweit müsste eine Zurechnung ansonsten auch bei einer Aufklärungshilfe nach § 46b StGB angenommen werden, was jedoch fernliegend ist. Demnach kann nach Wimmer auch bei Schaffung des § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW keine Zurechnung begründet werden.339 Daneben ist im Hinblick auf die gebotene wertende Betrachtung, ob die Maßnahmen insgesamt als staatliche anzusehen sind, äußerst fraglich, ob dafür ein teilweiser staatlicher Anreiz bzw. eine Unterstützung des Entschlusses zur Durchführung der Internal Investigations ausreicht.340 Es existiert weder in Deutschland noch in den USA ein Kooperationszwang in rechtlicher Hinsicht.341 Ein lediglich faktischer Druck oder starker Anreiz lässt die erforderlichen Internal Investigations aber nicht zu einer staatlich geleiteten Ermittlung werden,342 nur weil hinter diesen gegebenenfalls eine staatlich veranlasste Motivation zu erkennen ist.

337

Stoffer, Privatisierung, S. 333. Wimmer, in: NK 2016, 356, 364. 339 Wimmer, in: NK 2016, 356, 364. 340 Verneinend Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 109; a.A. wohl Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 554, 556. 341 Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1852; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 79; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 222. 342 So auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 108. 338

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E. Beweisverwertungsverbot

Zudem spricht wiederum generell gegen eine Zurechnung aufgrund eines staatlichen Anreizes, dass die konkrete Ausgestaltung der Ermittlungen in der Hand des Unternehmens verbleibt.343 Ein Anreiz wirkt sich nämlich nur in der Entschlussphase aus, also noch vor einer etwaigen Planungs- oder Durchführungsphase. Die Internal Investigations werden durch die vom Unternehmen – und nicht vom Staat – beauftragten externen Berater durchgeführt und durch das Unternehmen als Auftraggeber der Ermittlungen gesteuert. Das Unternehmen legt (in der Regel im Rahmen des Mandatsvertrags) den Umfang344 der internen Untersuchung fest,345 welcher auch nachträglich noch erweitert oder verkürzt werden kann. Es stellt des Weiteren die zu sichtenden Dokumente und Ähnliches zur Verfügung. Die „Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens“ ist daher bei der Internal Investigation das Unternehmen.346 Die Strafverfolgungsbehörden haben in aller Regel keinen Einfluss auf die Ausgestaltung und die Durchführung der internen Ermittlung. Ein solcher dürfte jedoch für die Einordnung als staatliche Maßnahme gerade deswegen erforderlich sein, weil es sich bei den Internal Investigations nicht um eine überschaubare Handlung wie bei einer auf einen Beschuldigten angesetzten V-Person handelt, sondern um eine zeitintensive systematische Ermittlung mit vielen einzelnen Maßnahmen und vielen Verdächtigen. Von einer Herrschaftsstellung über die Maßnahmen sind die Ermittlungsbehörden jedenfalls weit entfernt. Auch das starke eigene Interesse des Unternehmens an der Internal Investigation und der sich daraus gegebenenfalls ergebenen Verteidigungsmöglichkeiten gegen Vorwürfe gebieten eine andere Beurteilung, als die Situationen des polizeilichen Informanten oder einer V-Person. Daher spricht vieles dafür, eine Unterstützung oder Bestärkung des Entschlusses zur Durchführung von Internal Investigations für eine Zurechnung nicht ausreichen zu lassen.347 Auch bei einer Übertragung der grundsätzlich passend er343

Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 274; Reeb, Internal Investigations, S. 11 f.; Anders, in: wistra 2014, 329, 330; ähnlich Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 238, 242. 344 Dieser Umfang wird bei Internal Investigations, die durch US-amerikanische Behörden beeinflusst sind, zwar ebenfalls durch diese (insbesondere SEC) beeinflusst, da davon die Anerkennung der Kooperationsbereitschaft abhängen kann, jedoch liegt die tatsächliche Ausgestaltung der Ermittlung in den Händen des Unternehmens bzw. der von diesen beauftragten Rechtsanwälten/Berater. Der Einfluss der SEC beschränkt sich vielmehr auf das „Vorbereitungsstadium und wird vom Unternehmen regelmäßig im Rahmen der Entscheidung über die Durchführung berücksichtigt. 345 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 238; ähnlich Wagner, in: CCZ 2009, 8, 17; Wisskirchen/Glaser, in: DB 2011, 1392, 1395. 346 Zitat aus Reeb, Internal Investigations, S. 11 f. So auch Anders, in: wistra 2014, 329, 330, der das Unternehmen als „,Herr‘ der Untersuchungen“ ansieht; Leipold, in: FS Schiller, 418, 425 f.; ähnlich Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 238, 242; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 111; Kottek, Kooperation, S. 161 f. nimmt dagegen anhand der Kriterien der Mittäterschaft (Tatplan, gemeinschaftliche Ausführung) eine dem Staat zuzurechnende Ermittlung für die im Rahmen einer Kooperation erfolgende Beweismittelübergabe an. 347 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 273.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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scheinenden Kriterien der Anstiftung auf diese Situation würde eine Zurechnung ausscheiden. Für das Hervorrufen eines Tatentschlusses reicht es nicht aus, dass lediglich die Möglichkeit zur Tatbegehung eröffnet wird, also die Schaffung einer zur Tat anreizenden Situation bzw. objektiver Tatanreize.348 Im Übrigen ist auch die Rechtsprechung äußerst zurückhaltend, wenn es um die Zurechnung aufgrund eines staatlichen Anreizes geht. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat in einer Entscheidung zu einem Ankauf einer Steuer-CD allerdings ausgeführt, dass eine Zurechnung zukünftig auch dann möglich und geboten sein kann, wenn durch den Staat eine Anreizwirkung zur Beschaffung der Beweismittel ausgeht.349 Käme es zu „mosaikartig[en]“ Strukturen im Hinblick auf die Übernahme rechtswidrig oder strafrechtswidrig beschaffter Daten, könne es zu einer Zurechnung kommen.350 Genau ein solches (straf-)rechtswidriges Handeln ist jedoch bei der Internal Investigation gerade nicht der Regelfall. Es handelt sich gerade nicht um eine Situation, in der Privatpersonen Geld für die gegebenenfalls (straf-) rechtswidrige Beschaffung von Daten geboten wird. Der in dem Ankauf liegende „Makel auf dem Schild des Rechtsstaats“351 ist bei rechtmäßigen Internal Investigations grundsätzlich nicht gegeben. Es erscheint daher nicht geboten, einen Anreiz zu einer Compliance-rechtlich gebotenen internen Ermittlung ähnlich zu behandeln. c) Zwischenergebnis Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass eine Zurechnung bei einer Internal Investigation aufgrund der eigenständigen Ausführung durch die vom Unternehmen beauftragten Berater und des sich immer nur mittelbar auswirkenden Einflusses der Ermittlungsbehörden nur in den seltensten Fällen zu bejahen ist. Das liegt daneben auch daran, dass eine ungefilterte Übergabe der wesentlichen Erkenntnisse oder ein unbeschränkter Zugriff auf diese in der Praxis selten ist. Sollten die Ermittlungsbehörden die Durchführung der konkreten Maßnahmen aber aktiv beeinflussen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse übergeben werden, hätte die Maßnahme nach wertender Betrachtung staatliche Qualität und wäre daher zuzurechnen. Die übrigen relevanten Kooperationskonstellationen aus der Praxis sind nach der hier vertretenen Ansicht aufgrund des fehlenden staatlichen Charakters aber nicht zuzurechnen. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft den Entschluss zur Internal Investigation und zur Kooperation dadurch beeinflusst, dass sie Sanktionsmilderungen oder ähnliche Vorteile in Aussicht stellt, Kooperationsgespräche stattfinden, private und staatliche Ermittlungen in zeitlicher Hinsicht koordiniert werden oder die Staatsanwaltschaft zunächst eigene Ermittlungen unterlässt, um die 348

BGHSt 45, 373, 374; BGH, NStZ 2009, 393; Fischer, StGB, § 26 Rn. 3; Matula, Private Ermittlungen, S. 184. 349 VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; dazu auch Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3b; Pfisterer, in: JR 2015, 314, 323. 350 VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776. 351 Pawlik, in: JZ 2010, 693, 702; vgl. auch Pfisterer, in: JZ 2015, 314, 323 m.w.N.

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E. Beweisverwertungsverbot

private Ermittlung auszunutzen. Auch eine gegebenenfalls zukünftig normativ geregelte Verfahrenseinstellungsmöglichkeit, eine Sanktionsmilderung oder ein Sanktionserlass bei umfassender Aufklärungshilfe, wie sie nach den Reformbestrebungen zur Sanktionierung von Wirtschaftskriminalität gefordert werden,352 ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht geeignet, zurechnungsbegründend zu wirken. 4. Folgen der Zurechnung Aufgrund der hier vertretenen engen Zurechnungsvoraussetzungen lässt sich eine solche nur im Einzelfall bei dominierender Stellung der Strafverfolgungsbehörden bejahen. Sollten diese Voraussetzungen vorliegen oder sollte man die Situation der Internal Investigation anders bzw. „großzügiger“ beurteilen, stellt sich die Frage der Zurechnungsfolgen, insbesondere des Eingreifens eines Beweisverwertungsverbots. Die Zurechenbarkeit sagt insoweit nichts über die Verwertbarkeit des Beweismittels aus.353 Die Rechtsprechung führt dabei zu keinen einheitlichen Folgen im Hinblick auf Beweisverwertungsverbote oder die Anwendbarkeit der einschlägigen StPO-Regelungen (§§ 136 Abs. 1 S. 2, 136a Abs. 1 StPO). Zwar lässt sich die generelle Anwendbarkeit der StPO auf zuzurechnendes privates Handeln aus den meisten Entscheidungen herauslesen.354 Die für die Aushorchungsfälle entscheidenden Vorschriften der §§ 136 Abs. 1 S. 2, 136a StPO werden jedoch in der Regel weder direkt noch analog angewandt, auch nicht bei einer vernehmungsähnlichen Lage355. Der Einsatz von Privatpersonen unterliege aber rechtsstaatlichen Grenzen,356sodass die Rechtsprechung zu einer einzelfallbezogenen Abwägungsentscheidung (mal) unter Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips, des Grundsatzes des fairen Verfahrens und/oder des nemo-tenetur-Grundsatzes tendiert.357 Dabei nahm die Rechtsprechung 352

Siehe dazu oben unter B.III.2. Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 115. 354 BVerfG, NStZ 2000, 489, 490; BGHSt 31, 304, 306; BGHSt 39, 335, 346 ff.; BGH, NStZ 1996, 200 f. 355 BGHSt 52, 11, 15 f.; BGH, NStZ 2011, 596, 597. A.A. Wewerka, Internal Investigations, S. 247 m.w.N. 356 BGHSt 42, 139, 156; BGHSt 44, 129, 134; BGHSt 52, 11, 20. 357 BGHSt 39, 335, 346 ff. nahm für einen Mithör-Fall kein Beweisverwertungsverbot an; BGHSt 40, 211, 212 ff. nahm für einen gezielten V-Mann Einsatz im Umfeld des Beschuldigten kein Verwertungsverbot an (einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens bejahte des BVerfG aber in dem dieser Entscheidung nachfolgenden Nichtannahmebeschluss, vgl. BVerfG, NStZ 2000, 489, 490); BGHSt 42, 139, 145 ff. nahm für den Mithör-Fall kein Beweisverwertungsverbot an; BGHSt 44, 129; BGHSt 52, 11, 15 ff.; BGHSt 55, 138, 144 ff.; BGH, NStZ 2011, 596, 597 f.; angedeutet auch in BGH, NJW 2017, 1828, 1830, nach dem sich aufgrund einer Zurechnung nur möglicherweise ein Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen die Selbstbelastungsfreiheit ergeben könne; vgl. auch Jäger, in: JA 2017, 715, 716 f.; 353

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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ein Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz für Situationen an, in denen der verdeckte Ermittler den Beschuldigten zu einer selbstbelastenden Aussage gedrängt358 bzw. ihm eine solche durch gezielte Befragung, die sich als „funktionales Äquivalent einer staatlichen Vernehmung“ darstellte, entlockt hatte359. Im Übrigen nahm die Rechtsprechung ein Beweisverwertungsverbot für Fälle an, in denen verbotswidrig das Wort des Beschuldigten fixiert wurde360 und für Ausforschungen in der Untersuchungshaft361. Ansonsten verneinte der BGH beim Einsatz von Privatpersonen in der Regel ein Beweisverwertungsverbot, insbesondere in Fällen, in denen ein nicht inhaftierter Beschuldigter von einer Privatperson oder einem verdeckten Ermittler im Auftrag des Staates ausgehorcht wurde.362 Auch in der Literatur besteht keine Einigkeit zu den im Mittelpunkt der Diskussion stehenden Fragen der Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes bzw. dessen einfachgesetzlichen Ausprägungen (§§ 136, 136a StPO).363 Die insoweit von der Rechtsprechung angenommenen Beweisverwertungsverbote betreffen dabei hauptsächlich Fallkonstellationen, die mit der Internal Investigation nicht oder nur wenig vergleichbar sind. Die Vorgehensweise bei der

Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 108; Meurer, in: FS Roxin, 1281; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 100 ff. 358 BGHSt 55, 138, 145; so auch BGHSt 52, 11, 15. 359 BGHSt 52, 11, 15, 22 unter Berufung auf die Rechtsprechung des EGMR (EGMR, StV 2003, 257, 259). 360 BGHSt 31, 304, 306 ff. (aufgezeichnetes Telefonat zwischen V-Mann und Verdächtigem unter Verstoß gegen §§ 100a, 100b StPO, § 201 Abs. 1 StGB); BGHSt 34, 39, 52 (durch heimliches Abhören erlangte Stimmprobe); BGHSt 53, 294, 304 ff. (heimliche akustische Überwachung eines Gesprächs mit einem Ehegatten in der Untersuchungshaft). 361 BGHSt 34, 362, 363 ff. (Polizeispitzel in Untersuchungshaft); BGHSt 44, 129, 134 („Wahrsagerin“, die Mitgefangene bespitzelte); BGHSt 53, 294, 304 ff. (heimliche akustische Überwachung eines Gesprächs mit einem Ehegatten in der Untersuchungshaft, Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens mit Berücksichtigung des nemo-tenetur-Grundsatzes); BGHSt 55, 138, 144 ff. (verdecktes Verhör in Strafhaft, Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens mit Berücksichtigung des nemo-tenetur-Grundsatzes). 362 BGHSt 33, 217, 222 ff. (Ausnutzen von Erkenntnissen aus rechtmäßiger Telefonüberwachung); BGHSt 39, 335, 337 ff. (Mithören eines Telefonats durch einen Polizeibeamten, wobei die Begründung fragwürdig erscheint); BGHSt 40, 66, 70 ff. (keine grundsätzliche Unverwertbarkeit eines heimlichen Stimmenvergleichs); BGHSt 40, 211, 212 ff. (Einsatz einer V-Person im Umfeld des Beschuldigten und nachträgliche Berufung der Zeugin aus dem Umfeld auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 StPO; im Nichtannahmebeschluss BVerfG, NStZ 2000, 489, 490 hinsichtlich einer Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil des BGH, wies das BVerfG auf die Rechtswidrigkeit der Informationserlangung mangels Ermächtigungsgrundlage hin, führte aber ebenfalls aus, dass daraus nicht zwangsläufig ein Beweisverwertungsverbot resultieren müsse); BGHSt 41, 42, 43 ff. (Einsatz von V-Personen); BGH, NStZ 2007, 713 f. (Einsatz ausländischer verdeckter Ermittler/V-Männer); BGH, NStZ 2011, 596, 597 (Aufzeichnung eines verdeckten Gesprächs zwischen einem Informanten und dem Beschuldigten); Jäger, in: JA 2017, 715, 716 m.w.N. zur Literatur. 363 Vgl. Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 29 ff., 43.

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E. Beweisverwertungsverbot

Mitarbeiterbefragung ist in den überwiegenden Fällen zum einen nicht heimlich.364 Außerdem dürften Maßnahmen gegen Inhaftierte äußerst selten sein. Fälle, in denen der Staat eine Privatperson beauftragt, die offen ermittelt und gegebenenfalls sogar den Betroffenen über die Weitergabe der Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden belehrt365, wurden – soweit ersichtlich – bislang nicht von der Rechtsprechung mit der Zurechnung in Verbindung gebracht. Eine Ähnlichkeit hinsichtlich der Vorgehensweise – lässt man die fehlende Heimlichkeit außen vor – ist aber für die Situation zu erkennen, in der ein Beschuldigter außerhalb der Haft zu einer selbstbelastenden Aussage gedrängt und in dem ein Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz angenommen wurde,366 da auch in den Interviews teilweise massiver Druck auf den verdächtigten Mitarbeiter ausgeübt wird. Auf die Frage, wann bei zuzurechnendem Verhalten ein Verstoß gegen den nemotenetur-Grundsatz mit der Folge eines Verwertungsverbots angenommen werden kann, soll im Folgenden noch genauer eingegangen werden. Außerdem wird zunächst auf die grundsätzliche Frage eingegangen, welcher Maßstab für zurechenbares Verhalten gilt. Da die sachliche Anwendbarkeit der StPO-Normen in der Literatur vor allem hinsichtlich des formalen Vernehmungsbegriffs umstritten und viel diskutiert ist, werden die unterschiedlichen Ansichten diesbezüglich der Vollständigkeit halber dargestellt. Mit Blick auf die – nach der hier vertretenen Ansicht – nur selten gegebene Zurechnung bei Internal Investigations unterbleiben an dieser Stelle vertiefte Ausführungen bzw. Stellungnahmen. a) Maßstab für zuzurechnendes Handeln Für die Frage des geltenden Maßstabes für zurechenbares Handeln hilft das Wesen der Zurechnung weiter. Betrachtet man die Zurechnung und ihre Folgen in anderen Rechtsordnungen, insbesondere beim Verwaltungshelfer367, im Strafrecht368 und im bürgerlichen Recht369, zeigt sich, dass durch eine Zurechnung die volle Verant364

Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Theile, in: StV 2011, 381, 385. Siehe dazu oben unter C.V. 366 BGHSt 55, 138, 145. 367 Die Folge einer Tätigkeit als Verwaltungshelfer ist unter anderem, dass er im Rahmen von § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn angesehen wird (BGH, NJW 2014, 3580, 3581; OLG Karlsruhe, NZBau 2017, 553; Papier/Shirvani, in: MüKo BGB, § 839 Rn. 135; Stoffer, Privatisierung, S. 273 f.). Der Staat muss sich die Tätigkeit demnach wie eine eigene zurechnen lassen und trägt auch haftungsrechtlich die Verantwortung (BGH, NJW 2014, 3580, 3581 f.; vgl. auch BGHZ 161, 6, 10; BGHZ 181, 65, 76; BGHZ 191, 71, 83). 368 Die Folge einer Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB ist die Zurechnung fremden Handelns als eigenes Handeln (BGH, NStZ 2016, 400, 401), also die strafrechtliche Verantwortlichkeit für das gesamte mittäterschaftliche Handeln, unabhängig davon, ob man an allen Tathandlungen beteiligt war. 369 Bedient sich jemand bei Tätigkeiten in seinem Pflichtenkreis beispielsweise eines Erfüllungsgehilfen, muss er sich das Verschulden des Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen, als hätte er selbst schuldhaft gehandelt (§ 278 BGB). 365

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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wortlichkeit auch im haftungsrechtlichen Sinn auf denjenigen übergeht, der sich der Hilfsperson bedient. Die Zurechnung begründet die Verantwortung bzw. die Urheberschaft für das „ausgelagerte“ Verhalten einer anderen Person.370 Aus dieser begründeten Verantwortung einer Person oder des Staates für das Handeln einer anderen Person und aus dem Umstand, dass sich derjenige, dem das Verhalten zugerechnet wird, so behandeln lassen muss, als hätte er selbst gehandelt, muss als Folge einer Zurechnung der personelle Anwendungsbereich der §§ 136, 136a StPO eröffnet sein371. Durch die Einschaltung einer Privatperson ändert sich der öffentlichrechtliche Charakter des Handelns nicht,372 weswegen es hier auch nicht auf die Frage einer Drittwirkung für private Beweiserhebungen dieser Normen ankommt373. Für zurechenbares Handeln müssen demnach auch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der StPO gelten.374 Die Strafverfolgungsbehörden müssen sich dabei das private Verhalten auch als etwaigen Grundrechtseingriff zurechnen lassen.375 Eine „Flucht ins Privatrecht“, die insbesondere für die Eingriffsverwaltung im Verwaltungsrecht für unzulässig befunden wird,376 darf im eingriffsintensiven Strafprozessrecht erst recht nicht möglich sein377.

370 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 172 f.; ähnlich Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 239. 371 EGMR, StV 2004, 1; BGHSt 44, 129, 134; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 10; Deckers, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 45 Rn. 99; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3; Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 12; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 401; Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 13; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 755; Grünwald, in: JZ 1966, 489, 497 Fn. 75; Kramer, in: Jura 1988, 520, 522; Joerden, in: JuS 1993, 927, 928; Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19; Stoffer, Privatisierung, S. 264 ff.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 174 f.; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 179, 203 ff.; Kottek, Kooperation, S. 140. 372 Kramer, in: Jura 1988, 520, 522; Dencker, in: StV 1994, 667, 671; vgl. Grünwald, in: StV 1987, 470, 471; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 215; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 89. 373 Vgl. zu dieser Frage nur Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3 und unten unter E.IV.1. 374 Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 174 f.; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 89 f.; vgl. Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 215. 375 Lagodny, in: StV 1996, 167, 170. 376 BGHZ 121, 161, 165 f.; BGHZ 161, 6, 10 f.; BGH, NJW 2014, 3580, 3581; vgl. Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 88. 377 Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 88; Dencker, in: StV 1994, 667, 671; Lagodny, in: StV 1996, 167, 170; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19; vgl. auch Bosch, in: Jura 1998, 236, 239; Wewerka, Internal Investigations, S. 246; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 90.

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b) Voraussetzungen der §§ 136, 136a StPO Eine vom personellen Anwendungsbereich zu unterscheidende Frage ist jedoch die der Vorlage der sachlichen Voraussetzungen der §§ 136, 136a StPO bei zuzurechnendem formal privaten Handeln.378 Wie bereits dargelegt, sollen die Diskussionen nur kurz dargestellt und Denkanstöße gegeben werden. aa) Vernehmungsbegriff Die herrschende Meinung in Rechtsprechung379 und Literatur380 verneint bei zuzurechnendem privaten Tätigwerden gegen den Beschuldigten einen Verstoß gegen § 136 Abs. 1 S. 2 StPO mangels Vorliegen einer Vernehmung. Grund dafür ist, dass ein formaler Vernehmungsbegriff zugrunde gelegt wird, nach dem der Vernehmende dem Zeugen/Beschuldigten in amtlicher Funktion gegenübertreten und in dieser Eigenschaft Auskunft verlangen müsse381. § 136 StPO sei auf offene Vernehmungen zugeschnitten, sodass sowohl die analoge Anwendung, als auch die Annahme einer Umgehung dieser Vorschrift bei heimlicher Vernehmung durch einen Privaten ausscheide.382 Gegen die entsprechende Anwendung führt insbesondere der Große Senat des BGH an, dass Ziel der Belehrungspflichten nicht die Offenbarung der Stellung der fragenden Person sei, da eine Belehrung dann bei einer Befragung durch einen uniformierten Polizeibeamten oder einen Richter keinen Sinn hätte, sondern dem Beschuldigten klar gemacht werden solle, dass es ihm freisteht auszusagen, obwohl ihm eine Amtsperson gegenübersteht.383 Der Beschuldigte solle vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht geschützt werden.384 Als Folge dieses formalen Vernehmungsbegriffs und dem davon nicht erfassten privaten Handeln nimmt die Rechtsprechung hinsichtlich der Verwertbarkeitsfrage eine Abwägung der Interessen der Strafverfolgung und des Beschuldigten vor.385 Die Rechtsprechung des Großen Senats erscheint insoweit widersprüchlich, als der 378

So auch Kramer, in: Jura 1988, 520, 522; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19. 379 BGHSt 40, 211, 212 ff. (bezogen auf § 252 StPO); BGHSt 42, 139, 145 ff.; BGH, NStZ 2011, 596, 597; vgl. auch BGHSt 55, 138, 143 für ein verdecktes Verhör durch einen sich als Privatperson ausgebenden Polizisten; a.A. BGH, NStZ 1996, 200, 201. 380 Kramer, in: Jura 1988, 520, 523; Roxin, in: NStZ 1995, 465; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 9; Ranft, in: NJW 2001, 1305, 1306, Fn. 14; Kölbel, in: MüKo StPO, § 163a Rn. 7 f.; Rogall, in: SK-StPO, § 136 Rn. 15 ff.; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 115, 481d; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 4; Diemer, in: KK-StPO, § 136 Rn. 3. 381 BGHSt 40, 211, 213; BGHSt 42, 139, 145; BGHSt 46, 1, 4; BGH, NStZ 2011, 596, 597; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 4 m.w.N.; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 9; Raum, in: StraFo 2012, 395, 398; ausführlich auch Stoffer, Privatisierung, S. 237 ff. 382 BGHSt 42, 139, 145 ff.; BGHSt 55, 138, 143; vgl. Schneider, in: NStZ 2001, 8, 9. 383 BGHSt 42, 139, 147. 384 Kritisch Roxin, in: NStZ 1995, 465, 466 f. 385 BGHSt 42, 139, 154 ff.; kritisch Roxin, in: NStZ 1997, 18.

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Einsatz von Privatpersonen zur Strafverfolgung für rechtmäßig gehalten wird,386 eine Abwägungsentscheidung über die Verwertbarkeit aber regelmäßig bei rechtswidriger staatlicher Beweiserhebung erfolgt387. Eine Untermeinung zum formalen Vernehmungsbegriff vertritt (insbesondere) Roxin, nach dem – trotz des formalen Vernehmungsbegriffs – bei zuzurechnendem Handeln eine analoge Anwendung geboten ist.388 Dieser Ansicht liegt eine andere Auffassung vom Zweck des § 136 StPO zugrunde; dieser wolle den Beschuldigten vor staatlich veranlasster irrtumsbedingter Selbstbelastung schützen, also sowohl bei fehlender Belehrung durch einen Ermittlungsbeamten als auch bei staatlich veranlasstem Vorgehen eines Privaten.389 Jede andere Auslegung sei eine Umgehung des § 136 StPO und nur eine weite Auslegung werde dem verfassungsrechtlichen nemotenetur-Grundsatz gerecht. Der Schutz vor irrtumsbedingter Selbstbelastung werde auch in dem Hinweis auf das Recht zur Verteidigerkonsultation nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO deutlich, welches den Beschuldigten genau vor einer solchen sichern soll.390 Insofern nimmt Roxin ein Verwertungsverbot für irrtumsbedingte Selbstbelastungen an. Teilweise sprechen Rechtsprechung und Literatur beim gezielten Einsatz einer Privatperson zur Befragung des Beschuldigten ausdrücklich auch von einer „vernehmungsähnlichen“ Lage.391 In der Literatur ist dabei bereits die Definition einer solchen umstritten.392 Nach der Rechtsprechung393 führt das Vorliegen einer

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BGHSt 42, 139, 155 m.w.N. Statt aller Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 458 ff.; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 364 ff. 388 Roxin, in: NStZ 1995, 465; im Ergebnis so auch Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 223. 389 Roxin, in: NStZ 1995, 465, 466; Roxin, in: NStZ 1997, 18; Jahn, in: Heghmanns/ Scheffler, Handbuch zum Strafverfahren, II. Kap. Rn. 70. 390 Roxin, in: NStZ 1997, 18 f. 391 EGMR, StV 2003, 257, 259 (gezielte Befragung durch polizeilichen Informanten); BGH, NStZ 1996, 200, 201 (gezielte Befragung durch V-Person); BGHSt 52, 11, 13 ff. (drängende Befragung durch verdeckten Ermittler unter Ausnutzung einer Vertrauensstellung); BGH, NStZ 2009, 343, 344 (drängende Befragung durch verdeckten Ermittler unter Ausnutzung einer Vertrauensstellung); BGH, NStZ 2011, 596, 597 (gezielte Befragung durch Informantin der Polizei); OLG Zweibrücken, NStZ 2011, 113, 114 (gezielte Befragung durch verdeckten Ermittler); Rogall, in: SK-StPO, § 136a StPO Rn. 25; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 638; Kudlich, in: JuS 1997, 696, 698; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 9; Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 565; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 227; vgl. auch BGHSt 39, 335, 347; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 38 ff. 392 Nach Schneider, in: NStZ 2001, 8, 9 muss auch bei einer vernehmungsähnlichen Lage die amtliche Befragung erkennbar sein, weswegen alle heimlichen Befragungen nicht dazu zählen sollen. Nach wohl überwiegender Ansicht sind vernehmungsähnliche Befragungen solche, bei denen sich der Beschuldigte dem ausgesetzten faktischen Zwang einer Kommunikation mit einer Privatperson nicht entziehen kann, vgl. Kudlich, in: JuS 1997, 696, 698; Rogall, in: SK-StPO, § 136a StPO Rn. 21; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 227. 387

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vernehmungsähnlichen Befragung – entgegen einer Auffassung in der Literatur394, nach der auf eine solche Situation §§ 136, 136a StPO analog anzuwenden sind – ebenfalls nicht zu einer analogen Anwendung des § 136 StPO. Begründet wird dies mit dem bereits oben geschilderten Zweck der Vorschrift.395 Großzügiger sind Rechtsprechung und Literatur bei der analogen Anwendung des § 136a StPO396 und einem Verwertungsverbot aufgrund eines Verstoßes gegen den nemo-teneturGrundsatz397. Daher hat auch die Annahme einer vernehmungsähnlichen Befragung keine einheitliche Rechtsfolge und ein Rückgriff darauf ist wenig gewinnbringend398. Selbst wenn man für die Mitarbeiterinterviews, die sich durch gezielte Befragung zum strafrechtlich relevanten Sachverhalt durch überlegene Akteure auszeichnen, eine vernehmungsähnliche Situation annimmt,399 führt dies also nicht zu mehr Klarheit. Im Gegensatz zum formalen Vernehmungsbegriff wird von der anderen Ansicht, der insbesondere der 5. Senat des BGH400 und ein Teil der Literatur401 folgt, der Vernehmungsbegriff materiell bzw. funktional bestimmt. Danach liege eine Vernehmung auch bei einer staatlich gelenkten und gezielten Befragung durch eine Privatperson vor, woraus die direkte oder analoge Anwendung des § 136 StPO folge. Der formale Vernehmungsbegriff wird dabei vor allem mit der sich daraus ergebenden Gefahr der „Flucht ins Privatrecht“402 und der Umgehung der den Be-

393 BGHSt 42, 139, 147 f.; BGHSt 52, 11, 15 f.; BGH, NStZ 2011, 596, 597. A.A. wohl BGH, NStZ 1996, 200, 201 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 247 m.w.N. 394 So Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 565; ohne den Begriff der vernehmungsähnlichen Lage zu nutzen auch Wewerka, Internal Investigations, S. 247. 395 BGHSt 42, 139, 147 f. 396 BGHSt 33, 217, 224; Rogall, in: SK-StPO, § 136a StPO Rn. 25; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 638; Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 15; vgl. auch BGHSt 34, 362, 363 f. 397 BGHSt 52, 11, 19 ff.; BGH, NStZ 2009, 343, 344; so auch im Vorlagebeschluss BGH, NStZ 1996, 200, 201 f. bezweckt; vgl. auch BGHSt 40, 66, 72. 398 Vgl. Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 15. 399 So Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71; so auch Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 565 ff., die dafür mit der systematischen Vorgehensweise der internen Ermittler im Gegensatz zur punktuellen Beweissammlung durch eine V-Person argumentiert; Kottek, Kooperation, S. 114. 400 BGH, NStZ 1996, 200, 201; so auch LG Stuttgart, NStZ 1985, 568, 569. 401 Dencker, in: StV 1994, 667, 669 Fn. 19, 675; Fezer, in: NStZ 1996, 289, 290; Bernsmann, in: StV 1997, 116, 117 f.; Bosch, in: JZ 1998, 236, 238; Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Jahn, in: Heghmanns/Scheffler, Handbuch zum Strafverfahren, II. Kap. Rn. 70; Gleß, in: LR-StPO, § 136 Rn. 12 m.w.N.; Eschelbach, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, § 136 Rn. 23 ff.; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 217; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 92 ff.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 89 ff.; a.A. Kramer, in: Jura 1988, 520, 523; Kölbel, in: MüKo StPO, § 163a Rn. 7 f.; Rogall, in: SK-StPO, § 136 Rn. 15 ff. 402 So auch Lagodny, in: StV 1996, 167, 170; Bosch, in: Jura 1998, 236, 239; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 90.

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schuldigten schützenden strafprozessualen Vorschriften403 kritisiert. Daneben ließe sich für die funktionale Bestimmung anführen, dass eine solche auch bei der Einordnung der Tätigkeit des Verwaltungshelfers zugrunde gelegt wird404. Des Weiteren dürfte es im Hinblick auf das Wesen der Zurechnung, also der Verantwortungsbegründung, des staatlichen Maßstabes für zuzurechnendes Handeln und der Fiktion staatlichen Verhaltens405 fraglich erscheinen, an einer formalen Bestimmung festzuhalten. Zudem wird angeführt, dass das nach dem formalen Vernehmungsbegriff erforderliche Handeln eines Amtsträgers für die Handlung eines von den Ermittlungsbehörden beauftragten Privaten gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2c) StGB vorliege.406 Die Vertreter des formalen Vernehmungsbegriffs halten dieser Begriffsbestimmung entgegen, dass sie nicht mit den §§ 110a ff. StPO vereinbar sei.407 Demgegenüber werden diese Vorschriften teilweise als Ausnahme vom Grundsatz der Offenheit der Vernehmung408, also als ausnahmsweise zulässige verdeckte Vernehmung aufgefasst.409 Qualifiziert man nach dieser Ansicht das zuzurechnende Handeln des Privaten als Vernehmung, wird teilweise angenommen, dass aufgrund des fehlenden offenen Handelns keine dem § 136 Abs. 1 StPO entsprechende Vernehmung und damit bei verdeckten Vernehmungen ein rechtswidriges staatliches Handeln vorliege410. Für eine solche wäre abzuwägen, ob daraus ein Beweisverwertungsverbot folgt.411 Andere vertreten hingegen die direkte Anwendung des § 136 StPO mit der Folge eines Verstoßes gegen die Belehrungspflichten,412 was nach der ganz herrschenden Meinung zu einem Verwertungsverbot führt, es sei denn der Betroffene kannte sein Recht

403

BGHSt 34, 362, 363 f.; Kudlich, in: JuS 1997, 696, 700; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19; vgl. auch Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 480a; kritisch Seitz, in: NStZ 1995, 519 f. 404 Statt aller BGHZ 181, 65, 67; BGHZ 191, 71, 75 f.; BGHZ 200, 253, 260; BGH, NJW 2014, 3580, 3581. 405 Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 88. 406 Meurer, in: FS Roxin, 1281, 1289 f.; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 90. Ziemlich eindeutig verneinen müsste man aber wohl die Frage etwaiger hoheitlicher Befugnisse, vgl. Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 220, der das Verhalten aber dennoch als Vernehmung und als Handeln der Strafverfolgungsbehörden qualifiziert. 407 BGHSt 42, 139, 146; Kramer, in: Jura 1988, 520, 523. 408 BGHSt 42, 139, 146; BGHSt 52, 11, 16; BGHSt 55, 138, 143; Rogall, in: SK-StPO, § 136 Rn. 15. 409 So auch Jahn, in: Heghmanns/Scheffler, Handbuch zum Strafverfahren, II. Kap. Rn. 71; Lagodny, in: StV 1996, 167; Dencker, in: StV 1994, 667, 681; angedeutet auch bei Kudlich, in: JuS 1997, 696, 700; die verdeckten Ermittlungen als Sonderkonstellation bezeichnend auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 92. 410 Dencker, in: StV 1994, 667, 674 f.; Bernsmann, in: StV 1997, 116, 117. 411 Statt aller Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 458 ff.; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 364 ff. 412 Grünwald, in: StV 1987, 470, 471; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 217.

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E. Beweisverwertungsverbot

zu schweigen auch ohne Belehrung, der verteidigte Betroffene stimmte der Verwertung ausdrücklich zu oder widersprach der Verwertung nicht413. Bezüglich der Offenheit der Vernehmung ist im Hinblick auf die Interviews im Rahmen der Internal Investigations noch anzumerken, dass es sich nicht um heimliche Befragungen unter Verdeckung der Stellung der Ermittler und der möglichen Kooperation mit Ermittlungsbehörden handelt, sondern dies in der Praxis regelmäßig gegenüber dem Mitarbeiter offengelegt wird und – nach der hier vertretenen Ansicht wegen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers – auch offenzulegen ist414. Daher könnte bei Verfolgung eines funktionalen Vernehmungsbegriffs die Anwendung des § 136 Abs. 1 StPO unproblematischer bejaht werden. Insoweit ist das Argument des BGH, dass der Beschuldigte nur bei offener Konfrontation mit der Amtsautorität vor der Annahme einer Aussagepflicht geschützt werden müsse,415 bei der Internal Investigation mit dem dort ebenfalls gegebenen Über-Unterordnungsverhältnis weit besser zu entkräften, als bei einer Aushorchung durch eine „einfache“ Privatperson, gegenüber der der Beschuldigte grundsätzlich keinerlei Aussagezwängen unterliegt. Das Gleiche gilt für das Argument, dass ein Verwertungsverbot bereits bei mangelnder Belehrung aber bei Kenntnis des Beschuldigten vom Schweigerecht nicht angenommen wird und dies erst recht gegenüber Befragungen von Privatpersonen gelten müsse, weil jeder Beschuldigte wisse, dass er sich gegenüber einer Privatperson nicht äußern müsse416. Dieses Argument mag zwar bei Aussagen gegenüber aushorchenden V-Personen greifen, jedoch nicht bei der auch die Selbstbelastung umfassenden Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber im Mitarbeiterinterview und der Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung dieser. Selbstverständlich können diese Ausführungen aber nur bei einer zurechenbaren Internal Investigation greifen.

413 BVerfG, StV 2016, 586, 587 f.; BGHSt 38, 214, 220; BGH, NJW 2006, 707; BGHSt 51, 367, 370, 376; BGHSt 58, 301, 304 f.; BGH, NStZ 2015, 291, 293; LG Zwickau, Beschl. v. 10. 08. 2015 – 1 Qs 147/15 – juris, Rn. 5; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 373; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136 Rn. 20; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 175 ff. und § 136 Rn. 77 ff.; Gleß, in: LR-StPO, § 136 Rn. 77 ff.; Dingeldey, in: JA 1984, 407, 414; Roxin, in: NStZ 1995, 465, 467; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 269; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 122; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 41; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 129. 414 Siehe dazu oben unter C.II. und C.V. 415 BGHSt 42, 139, 147; BGH, NStZ 2011, 596, 597. 416 Seitz, in: NStZ 1995, 519; vgl. auch Kudlich, in: JuS 1997, 696, 699.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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bb) (Analoge) Anwendung und verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO Im Hinblick auf § 136a StPO vertritt die herrschende Ansicht in der Literatur die (analoge) Anwendung für zuzurechnendes Handeln einer Privatperson.417 Auch die Rechtsprechung418 zeigt sich eher geneigt, diesen (analog) anzuwenden, wobei dies insbesondere für Fälle angenommen wurde, in denen der Beschuldigte durch zuzurechnendes Verhalten einer Privatperson in der U-Haft ausgehorcht wurde419. Im Hinblick darauf, dass auch § 136a StPO nach seiner systematischen Stellung im 10. Abschnitt „Vernehmung des Beschuldigten“ nur auf Vernehmungen anwendbar ist,420 wird die Rechtsprechung dabei zum Teil von der Literatur aufgrund der Widersprüchlichkeit zur Anwendung des § 136 StPO kritisiert421. In Fällen, in denen eine staatlich beauftragte Privatperson den inhaftierten Beschuldigten aushorchte, nahm die Rechtsprechung dabei einen unerlaubten Zwang nach § 136a StPO (analog) an.422 Dabei stellte sie ausdrücklich auf den von der Untersuchungshaft ausgehenden Zwang ab, der zu einem prozessordnungswidrigen Zweck, der Ausforschung, ausgenutzt würde.423 Dem halten Teile der Literatur entgegen, dass von der U-Haft zwar Zwangswirkungen ausgingen, der Beschuldigte dadurch aber nicht zur Aussage gezwungen werde, sondern vielmehr eine Täuschung

417 Grünwald, in: StV 1987, 470 f., der eine unmittelbare Anwendung des § 136a StPO annimmt; Wagner, in: NStZ 1989, 34; Joerden, in: JuS 1993, 927, 928; Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 10; Deckers, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 45 Rn. 99; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3; Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 15. Teil Rn. 179; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 401; Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 13; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 755 f.; Woodsen, in: ZRFC 2010, 269, 270; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 18; Stoffer, Privatisierung, S. 264 ff.; vgl. Grünwald, in: JZ 1966, 489, 497; vgl. Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 481e; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 171 ff. grundsätzlich zur Zurechnung bei strafrechtswidriger Beweisgewinnung (ohne Bezug auf § 136a StPO analog); Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 75, 179, 203 ff. tendiert zu einer unmittelbaren Anwendung des § 136a StPO; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; vgl. auch Kottek, Kooperation, S. 140. A.A. Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Kramer, in: Jura 1988, 520, 523. 418 EGMR, StV 2004, 1; BGHSt 34, 362 ff.; BGHSt 44, 129, 134; BGHSt 55, 138, 144 ff.; BGH, NStZ 2011, 596, 597; LG Darmstadt, StV 1990, 104; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84. 419 BGHSt 34, 362 ff.; BGHSt 44, 129, 134; BGHSt 55, 138, 144 ff. 420 Kramer, in: Jura 1988, 520, 521; Lagodny, in: StV 1996, 167, 168; Schuhr, in: MüKo StPO, § 136a Rn. 12; Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 22; Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 6; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 4; vgl. Woodsen, in: ZRFC 2010, 269, 270; Wewerka, Internal Investigations, S. 259. 421 Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 218 f.; ähnlich Schneider, in: NStZ 2001, 8, 9. 422 BGHSt 34, 362, 363 f.; BGHSt 44, 129, 135. 423 BGHSt 34, 362, 364; BGHSt 44, 129, 135.

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E. Beweisverwertungsverbot

und kein Zwang vorliege.424 Durch die U-Haft werde nicht jede gegen § 136a StPO verstoßende Methode zu unerlaubtem Zwang, es sei vielmehr auch in der U-Haft nach den einzelnen verbotenen Methoden zu differenzieren.425 In diese Richtung ging auch eine Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH, der über eine heimliche akustische Überwachung in der U-Haft zu entscheiden hatte und nach dem allein aus der Situation der U-Haft nicht auf einen Zwang zur Selbstbezichtigung geschlossen werden konnte.426 In den Hörfalle-Fällen verneinte die Rechtsprechung im Übrigen regelmäßig das Merkmal der Täuschung.427 Der von § 136a StPO bezweckte Schutz der Willensentschließungsfreiheit sei nur tangiert, wenn der Beschuldigte nicht mehr frei über seine Aussage entscheiden könne, was bei Äußerungen gegenüber einer Privatperson nicht der Fall sei.428 Außerdem falle kriminalistische List nicht unter das Täuschungsverbot des § 136a Abs. 1 StPO.429 Auch ein Verschweigen von Tatsachen könne keine Täuschung begründen430. Diese Einschränkungen vertritt in gleicher Weise die wohl überwiegende Literatur.431 Die Auslegung des Täuschungsmerkmals ist in der Literatur aber ebenfalls auf Kritik gestoßen.432 Da § 136a StPO mit dem Täuschungsverbot das allgemeine Persönlichkeitsrecht konkretisiere, dürfe die Befragung durch V-Personen und verdeckte Ermittler nicht „hinausdefiniert“ werden.433 Zudem könne ein Verschweigen von Tatsachen sehr wohl eine konkludente Täuschung begründen.434 Dem Angeklagten dürfe daher nur verschwiegen werden, welche Schlüsse aus seinen Äußerungen gezogen würden und gegebenenfalls welche weiteren Beweise vorliegen.435 Roxin stellt für die Mithör-Fälle darauf ab, dass bereits mit dem Anruf die irrige Vorstellung des Beschuldigten, ein Privatgespräch zu führen, hervorgerufen

424

Grünwald, in: StV 1987, 470, 471; Kramer, in: Jura 1988, 520, 523 f.; Roxin, in: NStZ 1997, 18, 19; kritisch auch Wagner, in: NStZ 1989, 34. 425 Grünwald, in: StV 1987, 470, 471. 426 BGHSt 53, 294, 308. 427 BGHSt 39, 335, 348; BGHSt 42, 139, 149; BGH, NStZ 2011, 596, 597. 428 BGHSt 42, 139, 149; Roxin, in: NStZ 1995, 465 f.; Kudlich, in: JuS 1997, 696, 698. 429 BGHSt 39, 335, 348, wonach die Ausnutzung eines bestehenden Irrtums unter die erlaubte List falle; BGHSt 55, 138, 142 f. 430 BGHSt 39, 335, 348; vgl. Grünwald, in: StV 1987, 470, 471. 431 Kramer, in: Jura 1988, 520, 523; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 15 f.; Monka, in: BeckOK StPO, § 136a Rn. 17, 19; Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 20 f.; vgl. Woodsen, in: ZRFC 2010, 269, 271. 432 Dencker, in: StV 1994, 667, 672 ff.; Lagodny, in: StV 1996, 167, 169 ff.; Bernsmann, in: StV 1997, 116, 117 f.; a.A. im Ergebnis wohl Roxin, in: NStZ 1995, 465 f.; Roxin, in: NStZ 1997, 18, 20. 433 Lagodny, in: StV 1996, 167, 172. 434 Dencker, in: StV 1994, 667, 672 ff. 435 Dencker, in: StV 1994, 667, 676.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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wurde, jedoch müsse für § 136a StPO die Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit betroffen sein, was regelmäßig nicht der Fall sei.436 Da der Mitarbeiter nach der hier vertretenen Ansicht darüber belehrt werden muss, dass die internen Ermittler im Auftrag des Unternehmens handeln, sie die gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise an die Staatsanwaltschaft weitergeben und der Mitarbeiter arbeitsrechtlich zur Aussage verpflichtet ist, dürfte eine Täuschung nur in den seltensten Fällen vorliegen. Ein Zwang zur Aussage ist im Hinblick auf teilweise massiven Einwirkungen auf den Mitarbeiter hingegen deutlich praxisrelevanter. Für vernehmungsähnliche Situationen, in denen der Beschuldigte zur Aussage gedrängt wurde, nahm der BGH aber ein Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz und nicht nach § 136a Abs. 3 S. 2 StPO an.437 cc) Beschuldigtenstellung Mit Blick auf die Interviews im Rahmen der Internal Investigation stellt sich neben den zuvor aufgezeigten Problematiken auch noch die Frage einer Beschuldigtenstellung zum Zeitpunkt des Interviews. Diese dürfte zu verneinen sein, wenn die Ermittlungsbehörden keine fundierten Kenntnisse über das Geschehen und konkrete Verdächtige haben. Dann dürfte aber auch eine konkrete Einflussnahme auf die Durchführungsphase der internen Ermittlungen und damit eine Zurechnung fehlen. Sollte man aber beispielsweise eine Zurechnung bei Untätigkeit der Ermittlungsbehörden bejahen, wird vertreten, dass dem Betroffenen der Beschuldigtenstatus vorenthalten würde, dadurch staatliche Schutzpflichten ausgelöst und ohne ein Verwertungsverbot analog § 136a Abs. 3 S. 2 StPO das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten verletzt sei.438 Ist ein Beschuldigtenstatus nicht gegeben, bittet die Staatsanwaltschaft aber bei Bestehen eines Anlasses das Unternehmen um Ermittlungen und Lieferung von Anhaltspunkten zur Begründung des Anfangsverdachts nach § 152 Abs. 2 StPO, ist nach Wehnert daneben das Legalitätsprinzip verletzt, da die Staatsanwaltschaft in dieser Phase noch keine grundrechtsrelevanten Ermittlungen durchführen (lassen) dürfe.439 Insoweit dürfte eine rechtswidrige Beweiserhebung mit der Folge der Abwägung über das Eingreifen eines Verwertungsverbots vorliegen.

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Roxin, in: NStZ 1995, 465 f. BGHSt 55, 138, 145; ähnlich auch BGHSt 52, 11, 15; BGH, NStZ 2009, 343, 344. 438 Kottek, Kooperation, S. 149. 439 Wehnert, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, 137, 141; Weßlau/Deiters, in: SKStPO, §§ 151 ff. Rn. 6a. 437

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E. Beweisverwertungsverbot

c) Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz Als Folge einer Zurechnung kommt zudem ein Verstoß gegen den nemo-teneturGrundsatz in Betracht. aa) Rechtsprechung und Literatur Der Anwendung des nemo-tenetur-Grundsatzes auf eine formale private Beweisgewinnung scheinen nach der Rechtsprechung keine grundsätzlichen Bedenken entgegenzustehen. Nach dem 4. Strafsenat des BGH soll dieser Grundsatz vielmehr ausdrücklich auch für vernehmungsähnliche Befragungen gelten.440 Wegen Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz wurde von der Rechtsprechung ein Beweisverwertungsverbot für Fälle bejaht, in denen der verdeckte Ermittler den Beschuldigten zu einer selbstbelastenden Aussage gedrängt441 bzw. ihm eine solche durch gezielte Befragung, die sich als „funktionales Äquivalent einer staatlichen Vernehmung“ darstellte, entlockt hatte442. Die gezielte Befragung durch den verdeckten Ermittler sei ein in den Kernbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes eingreifender Aussagezwang.443 In den beiden anderen Fällen stellte der BGH maßgeblich darauf ab, dass sich der Beschuldigte bereits auf sein Schweigerecht berufen hatte, die Ermittlungsbehörden diese Entscheidung nicht respektiert hatten und ein besonderes Vertrauensverhältnis ausgenutzt worden sei.444 Wenige Jahre später lehnte der BGH für den umgekehrten Fall, in dem der Beschuldigte sich zuvor nicht auf sein Schweigerecht berufen hatte, einen Verstoß gegen den nemo-teneturGrundsatz ab, weil eine Umgehung dessen nicht vorliege und der Beschuldigte nicht inhaftiert war.445 Die Verheimlichung der Zusammenarbeit der Zeugin mit der Polizei und die Aufzeichnung des Gesprächs sei weder Zwang, noch eine einem psychologischen Druck gleichkommende Täuschung. Der nicht unter Druck stehende Beschuldigte hätte sich den Fragen vielmehr entziehen können. Mit einer ähnlichen Begründung hatte der BGH zuvor eine Berührung des Schweigerechts verneint, bei dem sich der Beschuldigte gegenüber einer Privatperson geäußert hatte und dieses Telefonat von einem Polizeibeamten mitgehört wurde.446 Die Äußerung gegenüber der Privatperson sei freiwillig erfolgt, verbotene Mittel zur Beeinträchtigung der Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit seien nicht verwendet worden. Vertritt man daher, wie die Rechtsprechung, dass bei einem „nur“ heimlichen 440

BGHSt 40, 66, 72. BGHSt 55, 138, 145; so auch BGHSt 52, 11, 15. 442 BGHSt 52, 11, 15, 22 unter Berufung auf ein Urteil des EGMR (EGMR, StV 2003, 257, 259); BGH, NStZ 2009, 343, 344. 443 BGHSt 55, 138, 146. 444 BGHSt 52, 11, 15 f., 19 ff.; BGH, NStZ 2009, 343, 344; so auch im Vorlagebeschluss BGH, NStZ 1996, 200, 201 f. bezweckt. 445 BGH, NStZ 2011, 596, 598. 446 BGHSt 39, 335, 346 ff. 441

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Vorgehen keine Täuschung vorliegt, lässt sich erklären, warum für die Mithör-Fälle kein Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz angenommen wurde.447 Aus der Gesamtschau dieser Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass ein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz mit der Folge eines Beweisverwertungsverbotes durch eine dem Staat zuzurechnende Handlung einer Privatperson nur angenommen wird, wenn zur Heimlichkeit des Vorgehens – also der verheimlichten Zusammenarbeit mit der Polizei – ein von der Rechtsordnung missbilligtes Mittel hinzukommt448. Ein solches Mittel wurde dabei vor allem für gezielte Befragungen trotz vorheriger Berufung auf das Schweigerecht449 und bei Drängung des Beschuldigten zur selbstbelastenden Äußerung450 angenommen. Für Ausforschungen in der Untersuchungshaft bejahte die Rechtsprechung in zwei Fällen ein Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens mit Berücksichtigung des nemo-tenetur-Grundsatzes.451. Auch diese Entscheidungen zum nemo-tenetur-Grundsatz sind in der Literatur auf Kritik gestoßen.452 Roxin stimmt der Rechtsprechung zwar insoweit zu, dass aus der bloßen Heimlichkeit des Vorgehens kein Verwertungsverbot folge, jedoch seien die Täuschung des Beschuldigten und die staatlich initiierte irrtumsbedingte Selbstbelastung nicht nur Heimlichkeit, weshalb darauf ein Beweisverwertungsverbot wegen Umgehung des § 136 StPO und des Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz folgen müsse.453 Das heimliche Ausforschen des Beschuldigten sei daher klar von § 136 StPO verboten. Daher sei auch – entgegen der Rechtsprechung – ein noch nicht vernommener Beschuldigter genauso schutzwürdig, wie ein Beschuldigter, der bereits die Aussage verweigert hat.454 Bosch nimmt an, dass alle Informationen, die eine Privatperson durch eine dem Staat zurechenbare Handlungen erlangt hat, wegen Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz unverwertbar seien.455 Nach Eidam 447

Vgl. dazu BGHSt 39, 335, 337 ff.; BGHSt 40, 66, 70 ff.; BGHSt 41, 42, 43 ff.; BGH, NStZ 2007, 713 f.; BGH, NStZ 2011, 596, 597. 448 So auch ausdrücklich BGHSt 39, 335, 347; ähnlich Schneider, in: NStZ 2001, 8, 10; vgl. auch Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 209. 449 BGHSt 52, 11, 15 f.; angedeutet auch in BGH, NStZ 2011, 596, 598, wobei sich der Beschuldigte in dem Fall nicht zuvor auf sein Schweigerecht berufen hatte, sodass das Schweigerecht nicht unterlaufen sei. 450 BGHSt 55, 138, 145. 451 BGHSt 53, 294, 304 ff. (heimliche akustische Überwachung eines Gesprächs mit einem Ehegatten in der Untersuchungshaft); BGHSt 55, 138, 144 ff. (verdecktes Verhör in Strafhaft). Für Spitzel in Haftanstalten wurde das Verwertungsverbot aber auch zweimal aus § 136a Abs. 3 S. 2 StPO analog hergeleitet, vgl. BGHSt 34, 362, 363 ff.; BGHSt 44, 129, 134. 452 Roxin, in: NStZ 1997, 18, 19; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 220 f.; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 98. 453 Roxin, in: NStZ 1997, 18, 19. 454 Roxin, in: NStZ 1997, 18, 20. 455 Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 220 f.

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E. Beweisverwertungsverbot

soll ebenfalls generell bei Hörfallen ein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz vorliegen.456 bb) Stellungnahme Die Frage, wann bei einem dem Staat zuzurechnenden privaten Handeln ein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz vorliegt, lässt sich nach der hier vertretenen Ansicht unter Rückgriff auf den geltenden Maßstab für zuzurechnendes Handeln beantworten. Wie bereits erörtert, ändert sich der öffentlich-rechtliche Charakter des Handelns nicht, sodass für zurechenbares Handeln das öffentliche Recht gelten muss.457 Die Zurechnung fingiert staatliches Verhalten,458 privates Verhalten wird mit anderen Worten als staatliches gewertet. Daher ist es überzeugend, einen Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz immer dann anzunehmen, wenn ein solcher für originäres staatliches Handeln beispielsweise eines Polizisten oder eines Staatsanwaltes bejaht werden müsste.459 Nur dann lässt sich dem Staat eine „Flucht ins Privatrecht“ wirksam untersagen.460 Die Problematik verschiebt sich also zu der Frage des ebenfalls nicht unstreitigen Anwendungsbereichs des Grundsatzes.461 Insoweit besteht jedoch Einigkeit, dass der nemo-tenetur-Grundsatz jedenfalls dann verletzt ist, wenn der Betroffene gezwungen wird, sich selbst zu belasten.462 Dass ein unzulässiger staatlich bewirkter Druck nur vorliegt, wenn der Beschuldigte inhaftiert ist, ist nicht überzeugend,463 da der nemotenetur-Grundsatz nicht auf Haftsituationen begrenzt ist. Da die Täuschung des Mitarbeiters im Rahmen des Interviews nur wenig praxisrelevant ist, wird auf diese streitige Frage nicht näher eingegangen464. Auch wenn sich die Rechtsprechung bislang noch nicht klar und eindeutig geäußert hat, lässt sich ihr aber jedenfalls ein Beweisverwertungsverbot entnehmen, wenn durch die Privatperson Zwang oder Druck auf den Beschuldigten ausgeübt wurde.465 456 Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 98, der zudem einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens bejaht, weil der nemo-tenetur-Grundsatz auch Ausdruck dieses Grundsatzes sei und man diesen als „kleinste[n] gemeinsamen Nenner“ der Hörfallenproblematik bezeichnen könne. 457 Siehe dazu oben unter E.II.4.a). 458 Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 88. 459 Ähnlich Jahn, in: Heghmanns/Scheffler, Handbuch zum Strafverfahren, II. Kap. Rn. 70; Roxin, in: NStZ 1995, 465, 466; Roxin, in: NStZ 1997, 18; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71; Kottek, Kooperation, S. 127 f.; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 227. 460 Ähnlich Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 87 f. 461 Siehe zum Inhalt des nemo-tenetur-Grundsatzes oben unter C.III.2.b). 462 Siehe dazu oben unter C.III.2.b). 463 A.A. Schneider, in: NStZ 2001, 8, 10. 464 Ausführungen dazu finden sich u. a. bei Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 139 ff.; Satzger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 46 f. 465 BGHSt 52, 11, 15 f.; BGH, NStZ 2009, 343, 344; BGHSt 55, 138, 145.

II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Ist die Internal Investigation dem Staat zurechenbar und üben die internen Ermittler Druck auf den Mitarbeiter aus, drohen ihm mit arbeitsrechtlichen Sanktionen oder mit der gerichtlichen Durchsetzung oder beeinflussen sie seine Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit durch die Inaussichtstellung einer arbeitsrechtlichen Amnestie bei vollständiger Mitwirkung,466 liegt nach der hier vertretenen Auffassung in diesem staatlichen Zwang oder Druck eine Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots, wenn diese Informationen zur Grundlage einer strafrechtlichen Verurteilung gemacht werden sollen. In diesen Situationen kann der Mitarbeiter gegen seinen Willen zur selbstbelastenden Aussage gezielt gedrängt werden, sodass der Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes bei zuzurechnendem Handeln unmittelbar betroffen ist. d) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass für zuzurechnende Internal Investigations die öffentlich-rechtlichen Vorschriften gelten, da sich der Charakter des öffentlich-rechtlichen Handelns bei einer Einschaltung einer Privatperson durch den Staat nicht ändert. Daher ist für diese Fälle jedenfalls der personelle Anwendungsbereich der §§ 136, 136a StPO eröffnet. Das Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen dieser Normen ist jedoch in Rechtsprechung und Literatur höchst umstritten. Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen den nemo-teneturGrundsatz ist nach der hier vertretenen Ansicht aber bei einem dem Staat zuzurechnenden Handeln gegeben, wenn der Betroffene durch die internen Ermittler zur Selbstbelastung gezwungen bzw. gedrängt wird und diese Aussage als Grundlage einer strafrechtlichen Sanktionierung dienen soll. 5. Ergebnis zu den unselbstständigen Beweisverwertungsverboten (Zurechnung) Als Ergebnis kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass sich ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot aufgrund einer dem Staat zurechenbaren Internal Investigation nach der hier vertretenen Ansicht nur in Ausnahmefällen begründen lässt. Zunächst lässt sich eine Zurechnung schon nicht generell für die Internal Investigations begründen, da die Kooperation in der Praxis vielgestaltig ist und die Zurechnungsfrage eine Beurteilung im Einzelfall erfordert. Die für eine Zurechnung von der Rechtsprechung hauptsächlich geforderte Beauftragung der Privatperson bzw. ein gezielter Einsatz dieser zur Informationssammlung ist bei der Internal Investigation in der Praxis regelmäßig nicht gegeben. Auch nach den hier aufgestellten Kriterien lässt sich eine Zurechnung nur für die Fälle vertreten, in denen 466 Vgl. bezüglich des Vorgehens oben unter C.II.; vgl. auch Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 565.

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E. Beweisverwertungsverbot

die Staatsanwaltschaft konkreten Einfluss auf die Art und Weise der Internal Investigation nimmt und das Unternehmen die wesentlichen Erkenntnisse ungefiltert übergibt. Die interne Ermittlung muss dabei insgesamt nach wertender Betrachtung als staatliche Ermittlung anzusehen sein, was in der Praxis jedoch nur selten der Fall sein wird. Für den Regelfall der Zusage einer umfänglichen Kooperationsbereitschaft, der Berichterstattung, etwaiger Koordinierungsgespräche und der am Ende der Investigation erfolgenden Übergabe des Untersuchungsberichts und etwaiger weiterer Unterlagen lässt sich eine Zurechnung jedenfalls nicht überzeugend begründen. Daran würde auch das Inkrafttreten eines normativen Anreizes zur Aufklärungshilfe, wie beispielsweise in §§ 4 Abs. 3 e), 14 Abs. 1 VerbSG-E oder § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW vorgesehen, nichts ändern. Eine überzeugende Lösung zum Schutz der Umgehung des strafprozessualen Schweigerechts des Mitarbeiters kann daher nur über ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot gefunden werden.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG Nachdem ein (unselbstständiges) Beweisverwertungsverbot nur in Ausnahmefällen hergeleitet werden kann, wird nun untersucht, ob ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot in Betracht kommt, dass auch an die Einführung und Verwertung der Beweise im Strafverfahren anknüpft467. Selbstständige Beweisverwertungsverbote zeichnen sich dadurch aus, dass die Beweise zwar rechtmäßig erhoben wurden, die Verwertung aber unzulässig ist.468 Da es sich bei der Verwertung um einen staatlichen Akt handelt, gelten die Grundrechte anders als bei der privaten Informationsbeschaffung direkt und unmittelbar.469 Es kommt also nicht darauf an, ob das Beweismittel privat oder staatlich beschafft wurde.470 Selbstständige Beweisverwertungsverbote können dabei insbesondere aus einem Verstoß gegen das Grundgesetz folgen, hauptsächlich dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Menschenwürde.471 467 So unter anderem Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 402; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 254; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 117 f.; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 173 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 253. 468 BGHSt 19, 325, 331 (Beweisverwertungsverbot, weil die Verwertung eine erneute Rechtsverletzung durch die Strafverfolgungsbehörden darstellte); Gössel, in: GA 1991, 483, 496; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 457; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 362; ähnlich Küpper, in: JZ 1990, 416, 417; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 182; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 296. 469 Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257. 470 Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 116 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 263; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 174. 471 Küpper, in: JZ 1990, 416, 417; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 385 ff.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Für die Frage, ob ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vorliegt, tendiert die herrschende Meinung zur Lösung dieser Frage über die sogenannte Dreistufen- bzw. Sphärentheorie472, also über eine Abwägung473. Daneben lassen sich zur Begründung eines Beweisverwertungsverbots bei außerstrafrechtlich geschuldeten selbstbelastenden Auskünften gegebenenfalls auch die zu übertragenden Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses474 heranziehen.475 1. Dreistufen- bzw. Sphärentheorie Bei einem Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist im Hinblick auf die Zulässigkeit des Eingriffs und damit der Verwertbarkeit des Beweismittels nach der sogenannten Dreistufen- bzw. Sphärentheorie zwischen drei Bereichen zu differenzieren: einem absolut geschützten bzw. unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung, einem übrigen Bereich des privaten Lebens und einem nicht besonders geschützten Sozial- bzw. Öffentlichkeitsbereich.476 Greift die Beweisverwertung in den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein, ist immer und ohne Abwägung ein Beweisverwertungsverbot gegeben.477 Nach dem BVerfG gehört zum Kernbereich privater Lebensgestaltung „die Möglichkeit, innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen, und zwar ohne Angst, dass staatliche Stellen dies überwachen“.478 Ein Tangieren dieses Kernbereichs wurde von den Gerichten, soweit ersichtlich, aber bislang nur in den Ausnahmefällen des 472 BVerfGE 32, 373, 378 f.; BVerfGE 33, 367, 376 f.; BVerfGE 34, 238, 245 ff. Siehe dazu unten unter E.III.1. 473 Beulke, in: ZStW 103 (1991), 657, 679; Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C79; Park, Durchsuchung und Beschlagnahme, § 2 Rn. 395; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 269, 305; Wewerka, Internal Investigations, S. 265; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 231. 474 BVerfGE 56, 37. 475 Siehe dazu unten unter E.III.2. 476 BVerfGE 32, 373, 378 f.; BVerfGE 33, 367, 376 f.; BVerfGE 34, 238, 245 ff.; LG Frankenthal, NJOZ 2016, 1195, 1197; Hanau/Wall, in: Boecken, Gesamtes Arbeitsrecht, Art. 2 GG Rn. 21 ff.; Schmidt, in: ErfK ArbR, Art. 2 GG Rn. 56 ff.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 158 ff.; Küpper, in: JZ 1990, 416, 418. Die Sphärentheorie ist seit jüngster Zeit vermehrter Kritik ausgesetzt, vgl.: Kudlich, in: MüKo StPO, Einl. Rn. 475; Gössel, in: LRStPO, Einl. Abschn. L Rn. 112 ff.; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 388 f. 477 BVerfGE 6, 32, 41; BVerfGE 32, 373, 378; BVerfGE 34, 238, 245; BVerfGE 80, 367, 373; BVerfGE 109, 279, 313 f.; BVerfG, NJW 2011, 2783, 2784; BGHSt 19, 325, 326 ff.; BGHSt 50, 206, 210; BGHSt 57, 71, 74 f.; Küpper, in: JZ 1990, 416, 418; Jäger, in: GA 2008, 473, 483; Hombrecher, in: JA 2016, 457, 462; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 224; Wewerka, Internal Investigations, S. 264; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 175. 478 BVerfGE 109, 279, 313.

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E. Beweisverwertungsverbot

nichtöffentlich geführten (heimlich aufgezeichneten) Selbstgesprächs des Beschuldigten479 angenommen. Grundsätzlich können nach dem BVerfG aber auch schriftliche Aufzeichnungen oder Kommunikationen unter den Kernbereichsschutz fallen.480 Diese Fälle sind aber mit der Selbstbelastung des Mitarbeiters im Interview im Rahmen der Internal Investigation, in dem es um Vorgänge im Arbeitsbereich geht, keineswegs vergleichbar. Für die übrigen Fälle der Verletzung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist ein Beweisverwertungsverbot nur nach Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und den Belangen der Strafrechtspflege (funktionsfähige Rechtspflege und Gerechtigkeit) gegeben.481 Zu diesen Fällen zählen teilweise z. B. Tagebuchaufzeichnungen482.483 Sonstige Eingriffe in die Sozialsphäre bedürfen der geringsten Rechtfertigung.484 Eine Verwertung ist grundsätzlich zulässig.485 Eingriffe in diese Sphäre liegen beispielsweise bei Aufzeichnungen einer Dash-Cam im Straßenverkehr486 und einer Videoüberwachung von Beschäftigten am Arbeitsplatz487 vor. Dementsprechend dürfte auch die Erteilung von Auskünften im Rahmen des Mitarbeiterinterviews in der Regel die soziale Sphäre betreffen.488 Es ist jedoch ein Unterschied, ob das Verhalten einer Person im öffentlichen Raum „lediglich“ überwacht wird und dadurch mehr oder weniger zufällig Straftaten aufgedeckt werden oder ob eine Person im privaten oder sozialen Bereich gezwungen wird, sich 479

BGHSt 50, 206, 210 (Krankenzimmer); BGHSt 57, 71, 74 f. (Auto) m.w.N. BVerfGE 120, 274, 335 f.; anders aber BVerfGE 80, 367, 376 (durch Verschriftlichung würden Gedanken der Kenntnisnahme preisgegeben und damit aus dem Kernbereich entlassen, vgl. dazu auch Kudlich, in: MüKo StPO, Einl. Rn. 475). 481 BVerfGE 34, 238, 246 ff.; BVerfGE 80, 367, 375; BGHSt 34, 397, 401; BGHSt 36, 167, 173 f.; BGHSt 19, 325, 331 ff.; LG Zweibrücken, NJW 2004, 85 f.; Schmidt, in: ErfK ArbR, Art. 2 GG Rn. 57 f.; Hanau/Wall, in: Boecken, Gesamtes Arbeitsrecht, Art. 2 GG Rn. 24 i.V.m. Rn. 8; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 387 f.; Gropp, in: StV 1989, 216, 222 ff.; Jäger, in: GA 2008, 473, 483; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 224; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 174 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 264. Zum Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege vgl. BVerfGE 51, 324, 343. 482 BVerfGE 80, 367, 374 f.; vgl. dazu auch Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 390 ff. 483 Eine Aufzählung weiterer Beispiele findet man bei Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 158 f. 484 LG Frankenthal, NJOZ 2016, 1195, 1198; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 388; Kottek, in: wistra 2017, 9, 15. 485 Kottek, in: wistra 2017, 9, 15; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 224; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 174. 486 BVerfG, NJW 2011, 2783, 2785 m.w.N.; LG Frankenthal, NJOZ 2016, 1195, 1197 f. 487 ArbG Düsseldorf, ZD 2011, 185, 187; das LG Zweibrücken, NJW 2004, 85 ordnet die Videoüberwachung dem Bereich des Privatlebens zu, grenzt aber nicht zu dritten Sphäre ab. 488 Kottek, in: wistra 2017, 9, 15; Theile, in: StV 2011, 381, 384; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 219; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 303. 480

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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selbst strafrechtlich zu belasten, um diese Aussagen bzw. die gewonnenen Erkenntnisse an die Ermittlungsbehörden weiterzugeben. Selbst wenn die privatrechtliche Gewinnung dieser selbstbelastenden Aussage zulässig und rechtmäßig war, betrifft die Verwertung dieser Auskünfte im Strafverfahren das dort geltende Recht zur freien Entschließung über eine Selbstbelastung, also den nemo-teneturGrundsatz.489 Die selbstbelastende Aussage verlässt das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter und kann zur Grundlage einer strafrechtlichen Verurteilung werden. Durch die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden verschiebt sich demnach die Interessenlage:490 das Recht, sich nicht selbst belasten und aktiv an der eigenen Überführung mitwirken zu müssen, tritt noch deutlicher hervor und das Interesse des Arbeitgebers tritt mit der Gewinnung der Information im Interview und der Offenbarung dieser zurück491. Dagegen erlangt nun das Strafverfolgungsinteresse des Staates an Bedeutung, welches zumindest bei unmittelbarem staatlichen Zwang zur Selbstbezichtigung hinter das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurücktritt.492 Ob das auch für die in privatrechtlich rechtmäßiger Weise erzwungene Selbstbelastung im Rahmen des Mitarbeiterinterviews gilt, ist noch nicht abschließend geklärt. Für eine mit dieser Situation vergleichbare Konstellation, in der die privatrechtlich erzwungene Selbstbelastung zulässig war, die Angaben dann jedoch in einem Strafverfahren verwertet werden sollten, hat aber das BVerfG in seinem Gemeinschuldner-Beschluss Stellung genommen und zum Schutz des Betroffenen ein Beweisverwertungsverbot angenommen.493 2. Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses? Die Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses494 auf andere ähnlich gelagerte Fälle wird sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur diskutiert.495 Diskutiert wird dabei insbesondere auch, ob eine Übertragung auf die 489

Ähnlich Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 175. Vgl. auch Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 169 ff. 491 Es ist kein Interesse des Arbeitgebers ersichtlich, dass die Aussagen gegen den Arbeitnehmer auch im Strafprozess verwertet wird. Das Interesse eines Privaten an der Strafverfolgung ist nur in den Ausnahmefällen des § 374 Abs. 1 StPO durch das Institut der Privatklage geschützt. 492 Siehe oben unter C.III.2.b). 493 BVerfGE 56, 37, 50. 494 BVerfGE 56, 37. 495 Vgl. an dieser Stelle nur BVerfG, NStZ 1995, 599 ff. (Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben gegenüber der Kfz-Haftpflichtversicherung); BGHSt 36, 328 ff. (selbstbelastende Aussagen im Asylverfahren); BGHSt 37, 340 ff. (Offenbarungspflicht in der Zwangsvollstreckung nach § 807 ZPO); Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 300; Theile, in: StV 2011, 381, 385. 490

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E. Beweisverwertungsverbot

Situation des Mitarbeiterinterviews und der Offenbarung der Unterlagen im Rahmen der Kooperation mit der Folge eines Beweisverwertungsverbotes möglich ist.496 Für diese Frage werden zunächst die vom BVerfG zugrunde gelegten Kriterien herausgearbeitet, aufgrund derer das Beweisverwertungsverbot zum Schutz vor der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angenommen wurde. Grundlage dieses Beschlusses war die Frage, ob sich ein Gemeinschuldner im Rahmen seiner Auskunftspflichten nach dem damaligen § 100 der Konkursordnung (heute § 97 Abs. 1 InsO) auf ein Auskunftsverweigerungsrecht hinsichtlich solcher Fragen, durch deren Beantwortung er sich selbst belasten würde, berufen kann.497 Das BVerfG stellte dabei zunächst fest, dass eine umfassende und durch Beugemittel erzwingbare Auskunftspflicht in die Handlungsfreiheit und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG des Gemeinschuldners eingreife.498 Zudem berühre eine Pflicht zur Selbstbezichtigung die Würde des Menschen. Die Reichweite des Art. 2 Abs. 1 GG hänge jedoch auch von Rechten Dritter ab, also davon, ob Dritte auf die gegebenenfalls selbstbelastenden Informationen angewiesen sind und ob „die Auskunft Teil eines durch eigenen Willensentschluß übernommenen Pflichtenkreises ist“.499 Die Interessen des Auskunftsverpflichteten an einem Schutz gegen Selbstbezichtigung müssten dort zurücktreten, wo andere auf die umfassende Auskunft zur Durchsetzung ihrer Rechte angewiesen seien und wo durch die Auskunft ein berechtigtes Interesse erfüllt werde.500 Daher stehe dem Gemeinschuldner kein Aussageverweigerungsrecht zu. Eine Verwertung dieser Aussage im Strafverfahren sei jedoch nicht mehr durch die Interessen der Gläubiger gerechtfertigt, weshalb die Auskunftspflicht zum Schutz des Persönlichkeitsrechts durch ein strafrechtliches Verwertungsverbot ergänzt werden müsse.501 Eine sachliche Rechtfertigung für eine Verwertung im Strafverfahren sei aufgrund des dem Beschuldigten im Strafverfahren zustehenden Schweigerechts gerade nicht gegeben. Da es eigentlich dem Gesetzgeber obliege, Verwertungsverbote auszugestalten, könne nur eine vorkonstitutionelle Regelung durch den Richter aus verfassungsrechtlichen Gründen um ein Verwertungsverbot ergänzt werden. Im Ergebnis hat das BVerfG damit außerhalb des Strafverfahrens keinen absoluten Schutz durch den nemo-tenetur-Grundsatz gewährt, sondern ihn einer Abwägung mit Interessen Dritter unterstellt. Für den Fall des Überwiegens der Auskunftsinteressen des Dritten hat das BVerfG zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Auskunftspflichtigen diese Auskunftspflicht um ein straf496 Vgl. hier nur Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 300; Theile, in: StV 2011, 381, 385; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 529; Zerbes, in: ZStW 2013, 551, 563; Anders, wistra 2104, 331; Zimmermann, in: Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 12. Teil Rn. 36. 497 Vgl. zum Sachverhalt BVerfGE 56, 37, 39 f. 498 BVerfGE 56, 37, 41 f. 499 BVerfGE 56, 37, 42. 500 BVerfGE 56, 37, 45, 49. 501 BVerfGE 56, 37, 50.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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prozessuales Beweisverwertungsverbot ergänzt und dieses direkt aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet.502 Als Kriterium lässt sich daher zunächst das Erfordernis einer mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Auskunftspflicht, die auch die Selbstbelastung umfasst, festhalten. Die Selbstbelastung muss aufgrund überwiegender Interessen Dritter gerechtfertigt sein. Zudem muss das Beweisverwertungsverbot dem Schutz des Schweigerechts des Betroffenen dienen. Im Übrigen muss es sich für die Möglichkeit eines verfassungsrechtlichen Verwertungsverbots durch den Richter um vorkonstitutionelles ergänzungsbedürftiges Recht handeln, was beim BGB der Fall ist503. Inwieweit diese Rechtsprechung geeignet ist, generelle Aussagen zu selbstständigen Beweisverwertungsverboten zu treffen und allgemeine Kriterien für ein solches aufzustellen, ist jedoch umstritten.504 Zudem ist umstritten, welche Qualität der Zwang zur Selbstbelastung haben muss, insbesondere ob faktischer Zwang ausreicht oder rechtlicher Zwang erforderlich ist.505 Im Hinblick auf diese Fragen wird zunächst die nach dem Gemeinschuldner-Beschluss ergangene Rechtsprechung untersucht. Im Anschluss daran werden die Kriterien im Hinblick auf ihre Übertragbarkeit unter Berücksichtigung der Streitpunkte in Literatur (und Rechtsprechung) auf das Mitarbeiterinterview erörtert.506 Abschließend wird das Erfordernis einer Kompensation durch ein Verwertungsverbot und dessen dogmatische Grundlage erläutert.507 a) Rechtsprechung zur Übertragbarkeit der Kriterien für ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot Im Anschluss an den Gemeinschuldner-Beschluss und unter Rückgriff darauf haben auch weitere Gerichte über vergleichbare Konstellationen entschieden. Diese Rechtsprechung wird im Folgenden kategorisiert und mit dem Ziel untersucht, die Kriterien für eine Übertragbarkeit der aufgestellten Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses mit der Folge eines selbstständigen Beweisverwertungsverbots zu präzisieren. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage nach der 502

Vgl. Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 275. Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 30 wirft insoweit die Frage auf, ob es sich bei den Auskunftspflichten im BGB durch die vielen Gesetzesreformen nun um nachkonstitutionelles Rechts handele, welches nach dem Gemeinschuldner-Beschluss – sollte dieser übertragen werden können – mangels einer Ergänzungsmöglichkeit verfassungswidrig wäre. Benz kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass die verfassungskonforme Ergänzung nicht auf vorkonstitutionelle Gesetze beschränkt, dort aber in der Regel in höherem Maße zulässig sei, vgl. Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 37. 504 Ablehnend insoweit Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12, nach denen die Gemeinschuldner-Entscheidung eine abwägende bzw. verhältnismäßigkeitsorientierte Billigkeitsentscheidung sein, aus der sich keine Kriterien für andere Konstellationen herleiten ließen. 505 Siehe dazu unten unter E.III.2.b)dd). 506 Siehe dazu unten unter E.III.2.b). 507 Siehe dazu unten unter E.III.2.c) und E.III.2.d). 503

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E. Beweisverwertungsverbot

Qualität des erforderlichen Zwangs zur Selbstbelastung. Vereinzelt wird dabei auch bereits Bezug zur Literatur genommen. aa) Rechtsprechung zu arbeitsrechtlichen Auskunftsansprüchen Thematisch passend zur Interviewsituation im Rahmen der Internal Investigation ergingen (wenigstens) vier Entscheidungen zu arbeitsrechtlichen Auskunftspflichten des Arbeitnehmers, die zunächst ausgewertet werden. Die Entscheidungen unterscheiden sich dabei hinsichtlich des Umfangs der angenommenen Auskunftspflicht. (1) Erfordernis einer umfassenden Auskunftspflicht Parallel zum Gemeinschuldner-Beschluss besteht Einigkeit im Hinblick auf das Erfordernis einer umfassenden Auskunftspflicht, von der auch selbstbelastende Angaben umfasst sind.508 Ansonsten mangelt es bereits an dem auflösungsbedürftigen Konflikt zwischen der Auskunftspflicht und der Selbstbelastungsfreiheit im Strafprozess.509 Diesbezüglich ergingen zwei Entscheidungen aus dem Bereich des Arbeitsrechts, in denen jeweils eine Pflicht zu selbstbelastenden Angaben des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber verneint und daher auch keine Vergleichbarkeit zur Situation des Gemeinschuldners angenommen wurde,510 was in der Konsequenz auch überzeugt. Nach dem LG Hamburg511 war für eine Umgehung des Schweigerechts eines Beschuldigten nicht ausreichend, dass der Arbeitnehmer bei der Auskunftserteilung gegenüber dem Arbeitgeber unter gewissem Druck gestanden habe, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, da ihm für den Fall einer Selbstbelastung ein Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden habe. Eine selbstbelastende Aussage könne „in aller Regel“ durch den Arbeitgeber nicht erzwungen werden, sodass der Gemeinschuldner-Beschluss mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots mangels vergleichbarer Situation nicht übertragbar sei.512 Ob ein Rückschluss dahingehend möglich ist, dass für den Fall einer umfassenden Auskunftspflicht die Konsequenzen

508 BGHSt 38, 214, 221 (im Rahmen eines obiter dictum führte der BGH unter Berufung auf den Gemeinschuldner-Beschluss aus, dass jemand, der „durch eine Vorschrift, die außerhalb des Straf- und Strafprozeßrechts liegt, zu einer Erklärung verpflichtet ist, mit der er sich eines strafbaren Verhaltens bezichtigt, […] im Strafprozeß mit Rücksicht auf den genannten Grundsatz [Anm. der Verf.: gemeint ist der nemo-tenetur-Grundsatz] dadurch geschützt [wird], daß seine Angaben nicht gegen seinen Willen verwertet werden dürfen“); OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287; LG Hamburg, MDR 1984, 867 f.; so auch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 162 f.; vgl. auch Verrel, in: NStZ 1997, 361, 362; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928. 509 LG Hamburg, MDR 1984, 867, 868. 510 OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287; LG Hamburg, MDR 1984, 867 f. 511 LG Hamburg, MDR 1984, 867 f. 512 LG Hamburg, MDR 1984, 867, 868.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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des Gemeinschuldner-Beschlusses übertragbar sind, hat das Landgericht nicht ausgeführt. Nach der ein paar Jahr später ergangenen Entscheidung des OLG Karlsruhe513 sind die Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses ebenfalls nicht auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar. Die psychologische Situation, in der sich der Arbeitnehmer bei einer Befragung durch den Arbeitgeber befinde, sei nicht mit der eines Gemeinschuldners vergleichbar, der durch ein Gesetz auch zu selbstbelastenden Auskünften gezwungen werde. Es fehle an einer vergleichbaren Zwangssituation. Diesen Ausführungen lag jedoch ebenfalls die Annahme zugrunde, dass sich die Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber aufgrund der Schadensabwendungspflicht nicht habe selbst belasten müssen. Der Arbeitnehmerin habe es mangels einer gesetzlich festgelegten Auskunftspflicht frei gestanden, Angaben zu machen, weshalb sie auch die Verantwortung für gemachte Angaben (bzw. in dem Fall für ihr Verhalten während der Befragung, in der die Betroffene weiß geworden sei und sich habe setzen müssen) tragen müsse, wozu auch eine Verwertung der Aussage im Strafverfahren gehöre. In dieser Entscheidung klingt an, dass das Gericht für die Übertragung der Kriterien eine gesetzlich festgelegte Auskunftspflicht fordert. Aus diesen Entscheidungen folgt, dass eine Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses mangels einer auflösungsbedürftigen Konfliktlage jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn der Mitarbeiter nicht verpflichtet war, sich im Rahmen der geschuldeten Auskunft auch selbst zu belasten. Das gilt grundsätzlich für Fragen mit nur mittelbarem Bezug zum Arbeitsbereich.514 Für die dann erfolgende freiwillige Selbstbelastung scheidet ein Beweisverwertungsverbot aus.515 Kann der Mitarbeiter die Auskunft verweigern, entsteht der auflösungsbedürftige Konflikt nicht. Für die bei der Internal Investigation weitaus häufigeren Fragen zum unmittelbaren Arbeitsbereich nach § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) und einer auch die Selbstbelastung umfassenden Auskunftspflicht,516 lassen sich aus diesen Entscheidungen jedoch keine allgemeingültigen Erkenntnisse ziehen.517 Insoweit geht die Annahme fehl, die Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses seien aufgrund dieser Rechtsprechung generell nicht auf das Arbeitsver-

513

OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287. Siehe dazu oben unter C.IV.3. 515 Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1855; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140 m.w.N.; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 144. 516 Siehe dazu oben unter C.I.2. und C.IV.2. 517 So auch Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschaftsund Steuerstrafrecht, § 152 Rn. 21; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 141; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 278; Kottek, Kooperation, S. 116; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 288. 514

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E. Beweisverwertungsverbot

hältnis übertragbar518. Es existieren vielmehr auch zwei arbeitsgerichtliche Entscheidungen für umfassende Auskunftspflichten, die ein Beweisverwertungsverbot nach den Grundsätzen des Gemeinschuldner-Beschlusses in Aussicht stellen (dazu sogleich). (2) Übertragung auf umfassende arbeitsrechtliche Auskunftspflichten Im Gegensatz zu den soeben dargestellten Entscheidungen, nahmen das ArbG Saarlouis519 und das LAG Hamm520 eine Auskunftspflicht auch für den Fall an, dass sich der Arbeitnehmer bei der Beantwortung der Fragen selbst einer Straftat bezichtigen muss. Zum Schutz des Arbeitnehmers nahmen beide Gerichte ein Beweisverwertungsverbot nach den Grundsätzen des Gemeinschuldner-Beschlusses an. Während das LAG Hamm dies ohne genauere Begründung annahm und dessen Reichweite der Entscheidung der Strafgerichte überließ521, führte das ArbG Saarlouis aus, dass das Grundrecht des Arbeitnehmers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, sich nicht selbst belasten zu müssen, seine Grenze am Informationsinteresse des Geschädigten finde, aber durch „ein vom BVerfG in richterlicher Rechtsfortbildung entwickeltes strafprozessuales Verwertungsverbot“ geschützt werden müsse und insoweit das Strafverfolgungsinteresse zurücktrete. Auf die Frage, ob der Auskunftsanspruch auch zwangsweise durchgesetzt werden kann, gingen die Gerichte nicht ein. Nach dieser Rechtsprechung ist auch für die Situation der nicht freiwilligen Selbstbelastung im Rahmen des Mitarbeiterinterviews aufgrund umfassender Auskunftspflicht zum unmittelbaren Arbeitsbereich, ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG für diese Angaben im Strafverfahren gegen den Mitarbeiter möglich. bb) Rechtsprechung zu Auskunftsobliegenheiten Neben dem Erfordernis einer auch die Selbstbelastung umfassenden Auskunftspflicht ergeben sich weitere Erkenntnisse zur Übertragbarkeit der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses aus Rechtsprechungskonstellationen, in denen die selbstbelastende Auskunft nur eine Obliegenheit darstellte. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob für ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot grundsätzlich auch eine bloße Auskunftsobliegenheit ausreicht, die nicht zwangsweise durchsetzbar ist und die nur zu Nachteilen für den Betroffenen führt. Zudem wirft die Rechtsprechung die Frage auf, ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn dem Betroffenen bei Verweigerung der umfassenden Auskunft existenzbedrohende oder 518

So aber Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 753 f.; Jahn, in: StV 2009, 41,

519

ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364 f. LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris. LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris, Rn. 34.

44. 520 521

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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-vernichtende Nachteile drohen. Die den Entscheidungen zugrundeliegenden Fälle betrafen dabei die Auskunftspflichten eines Versicherungsnehmers gegenüber der Kfz-Haftpflichtversicherung522 und selbstbelastende Angaben eines Asylbewerbers gegenüber der Ausländerbehörde gemäß § 8 Abs. 2 AsylVfG523. (1) Grundsätzlich keine Übertragbarkeit auf bloße Auskunftsobliegenheiten In der Rechtsprechung besteht seit der Entscheidung des 3. Strafsenats des OLG Celle524 im Jahr 1984 überwiegende Einigkeit, dass ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot zum Schutz des strafprozessualen Schweigerechts jedenfalls grundsätzlich nicht in Betracht kommt, wenn es sich um eine bloße Auskunftsobliegenheit handelt, die nicht zwangsweise durchsetzbar ist525. Bei einer bloßen Obliegenheit fehle die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung mangels gesetzlich vorgesehener Zwangsmittel.526 Die Pflicht des Versicherungsnehmers an der Sachaufklärung nach versicherungsrechtlichen Vorschriften mitzuwirken, bei der auch eine Selbstbelastung zumutbar sei, sei weder mit staatlichen Sanktionen bewehrt, noch zwangsweise durchsetzbar.527 Nach dem BVerfG war die Versicherungsnehmerin frei in ihrer Entscheidung, auch wenn diese Entscheidung gegebenenfalls finanzielle Konsequenzen gehabt habe.528 Auch die Mitwirkungspflicht des Asylbewerbers ist nach dem BGH eine bloße, nicht sanktionsbewehrte, Obliegenheit des Asylbewerbers, dessen Nichtvorliegen gegebenenfalls nur den Erfolg des Asylantrags gefährden könne, aber keinen Zwang zur Selbstbelastung darstelle.529 Mangels staatlicher Sanktionierungsmöglichkeiten fehle es also an einem staatlichen Zwang zur Selbstbelastung, der für ein Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz erforderlich sei.530 Sowohl in der versicherungsrechtlichen als auch in der asylrechtlichen Fallgestaltung wurde daneben ein weiterer Unterschied zur Gemeinschuldner-Entscheidung von den Gerichten hervorgehoben. Es fehle an der Betroffenheit von Drittin-

522 BVerfG, NStZ 1995, 599 (vorhergehend KG, NStZ 1995, 146); OLG Celle, NStZ 1982, 393; OLG Celle, NJW 1985, 640. 523 BGHSt 36, 328; ebenso in der vorhergehenden Entscheidung OLG Köln, Beschl. v. 28. 02. 1989 – Ss 9/89 – juris; vgl. auch OLG Hamm, NStZ 1989, 187, 188. 524 OLG Celle, NJW 1985, 640. 525 BVerfG, NStZ 1995, 599 (vorhergehend KG, NStZ 1995, 146); BGHSt 36, 328; OLG Celle, NJW 1985, 640; a.A. OLG Hamburg, NJW 1985, 2541; wohl LG Dortmund, Beschl. v. 06. 12. 2007 – 2 O 379/07 – juris, dazu sogleich. 526 BGHSt 36, 328, 332 f.; OLG Celle, NJW 1985, 640; KG, NStZ 1995, 146 f. (Entscheidung bestätigt durch BVerfG, NStZ 1995, 599). 527 OLG Celle, NJW 1985, 640, 641; KG, NStZ 1995, 146, 147 (Entscheidung bestätigt durch BVerfG, NStZ 1995, 599). 528 BVerfG, NStZ 1995, 599, 600 (vorgehend KG, NStZ 1995, 146 f.). 529 BGHSt 36, 328, 333. 530 BVerfG, NStZ 1995, 599, 600; BGHSt 36, 328, 332 f.; KG, NStZ 1995, 146 f.

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E. Beweisverwertungsverbot

teressen.531 Insoweit bestehe der Interessenkonflikt des Versicherungsnehmers, umfassend und selbstbelastend auszusagen oder durch ein Schweigen finanzielle Nachteile im Sinne einer fehlenden Versicherungsleistung zu erleiden, allein in dessen Person.532 Auch beim Asylbewerber bestehe der Interessenkonflikt allein in dessen Person, auch dort seien keine Drittinteressen im Spiel.533 Interessenkonflikte einer solchen Art seien nach dem BGH dabei ausdrücklich nicht geeignet, ein strafprozessuales Beweisverwertungsverbot zu rechtfertigen.534 Dies ergebe sich auch daraus, dass die Folge der Nichtoffenbarung von belastenden Angaben nicht zwangsläufig die Ablehnung des Asylantrags sei. Zwar sei ein Schweigen des Asylbewerbers bei der Entscheidung nach §§ 8 Abs. 3 S. 2, 12 Abs. 4 S. 3 AsylVfG zu berücksichtigen, was dazu führen könnte, dass das Vorbringen zum Vorliegen einer politischen Verfolgung als unglaubhaft angesehen werde, jedoch werde immer eine einzelfallabhängige Entscheidung getroffen. Ein Alternativverhältnis zwischen Straftatoffenbarung und Asylrechtsanerkennung bestehe jedenfalls nicht und eine bloße Verminderung der Erfolgsaussichten des verfahrensrechtlichen Asylantrags genüge für ein strafrechtliches Verwertungsverbot nicht.535 Aus diesen Entscheidungen lässt sich für die Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses herleiten, dass dafür zumindest grundsätzlich eine mit Zwangsmitteln durchsetzbare Auskunftspflicht erforderlich ist, die auch selbstbelastende Angaben nicht ausnimmt. Auskunftsobliegenheiten reichen in Übereinstimmung mit der Literatur536 hingegen grundsätzlich nicht aus. Außerdem muss sich der Interessenkonflikt des Betroffenen zur Selbstbelastung aus dem Vorhandensein von Drittinteressen ergeben und darf nicht nur die eigenen Interessen berühren.

531

BGHSt 36, 328, 333 f.; KG, NStZ 1995, 146, 147. KG, NStZ 1995, 146, 147. 533 BGHSt 36, 328, 333. 534 BGHSt 36, 328, 334. 535 BGHSt 36, 328, 336. 536 Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1759 f.; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 533 f.; Bittmann/ Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 548 f.; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 144 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 171 ff.; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 24; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 279; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 218; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 212. Bittmann/Molkenbur grenzen dabei die Obliegenheiten und prozessualen Lasten, die nicht zu einem Verwertungsverbot führen, über das Kriterium der „fehlenden Entscheidungsfreiheit“ ein (zustimmend Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 178). Nur bei bindenden und erzwingbaren Pflichten, die also nicht durch die Inkaufnahme anderer Nachteile abgewendet werden können, bestehe ein strafprozessuales Verwertungsverbot. Diese Einschränkung wird auch durch die Rechtsprechung vorgenommen, indem Auskunftspflichten, die nicht sanktionsbewehrt und nicht zwangsweise durchsetzbar sind, nicht unter die erzwingbaren Auskunftspflichten fallen (BVerfG, NStZ 1995, 599 f.; BGHSt 36, 328, 333; OLG Celle, NJW 1985, 640; KG, NStZ 1995, 146 f.; a.A. OLG Celle, NStZ 1982, 393). 532

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Hinsichtlich des Erfordernisses einer mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Auskunftspflicht sei an dieser Stelle noch auf eine zweifelhafte Andeutung des LG Dortmund537 im Jahr 2007 verwiesen, nach der auch „einfache“ zivilrechtliche Auskunftspflichten zu einem selbstständigen Beweisverwertungsverbot führen könnten. In der ablehnenden Entscheidung über die Aussetzung eines Zivilverfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens gegen den Beklagten führte das Gericht aus, dass der Beklagte, der sich gegebenenfalls aufgrund der Wahrheitspflicht im Zivilverfahren selbst belasten müsse, durch ein Verwertungsverbot im Strafverfahren geschützt werden könne. Dies sei durch den Gemeinschuldner-Beschluss anerkannt. Es läge kein Unterschied darin, dass im Zivilprozessrecht eine dem § 97 Abs. 1 S. 3 InsO vergleichbare Regelung fehle. Die Prinzipien des Gemeinschuldner-Beschlusses hätten „einen über das Insolvenzverfahren verallgemeinerungsfähigen Inhalt“.538 Da die Wahrheitspflicht im Zivilverfahren nicht zwangsweise durchsetzbar ist, sondern bei Nichteinhaltung nur das Risiko des Prozessverlustes für die schweigende Partei besteht,539 ist diese Erweiterung des Anwendungsbereichs der Kriterien des Gemeinschuldner-Beschlusses zweifelhaft und abzulehnen. Eine Vergleichbarkeit zur Partei im Zivilverfahren, bei der die unterlassene Mitwirkung nur zu den eigenen Lasten gehen würde, lehnte das BVerfG im GemeinschuldnerBeschluss auch gerade ab.540 Zudem greife nur eine erzwingbare Auskunftspflicht bzw. ein Zwang zur Selbstbelastung in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein.541 Gegen die Entscheidung des LG Dortmund spricht zudem, dass die Verfassung nicht garantiert, dass „ein Tatverdächtiger sich einerseits der Gefahr einer Bestrafung entziehen, andererseits aber auch zugleich private Rechte voll durchsetzen kann“.542 Dementsprechend verbleibt der Partei im Zivilprozess die freie Wahl. (2) Ausnahmsweise ausreichender existenzvernichtender Nachteil? Obwohl auch der 1. Strafsenat des OLG Celle543 in der Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers gegenüber seiner Kfz-Haftpflichtversicherung einen Unterschied zur Situation des Gemeinschuldners erkannte, nahm er eine Übertragbarkeit der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses an. Die Konfliktsituation des Gemeinschuldners unterscheide sich nicht wesentlich von der des Versicherungsnehmers, da auch letzterer verpflichtet sei, an der Sachaufklärung mitzuwirken und Auskünfte auch zu eigenem strafbaren Verhalten zu geben. Die Pflichten seien auch trotz der privatrechtlichen Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers und der 537

LG Dortmund, Beschl. v. 06. 12. 2007 – 2 O 379/07 – juris. LG Dortmund, Beschl. v. 06. 12. 2007 – 2 O 379/07 – juris, Rn. 6. 539 Siehe dazu oben unter C.III.2.c)aa). 540 BVerfGE 56, 37, 48. 541 BVerfGE 56, 37, 41, 50. 542 BVerfG, NStZ 1995, 599, 600; so auch Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1759; Verrel, in: NStZ 1997, 415. 543 OLG Celle, NStZ 1982, 393. 538

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E. Beweisverwertungsverbot

bloßen Obliegenheit vergleichbar, da § 34 VVG seinen „,zwingenden‘ Charakter […] nicht erst durch die Androhung von Beugemitteln“ erhalte, sondern durch die möglichen existenzvernichtenden vermögensrechtlichen Auswirkungen für den Versicherungsnehmer.544 Ob sich daraus aber ein Beweisverwertungsverbot ergebe, müsse nach den Grundsätzen zur Sphären- bzw. Dreistufentheorie nach Abwägung entscheiden werden. In allen weiteren Entscheidungen, die sich mit der Übertragbarkeit der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses für den Fall einer Auskunftsobliegenheit befassten, wurde diese – wie zuvor dargestellt – abgelehnt. Die Frage, ob bei besonders gewichtigen oder existenzvernichtenden Nachteilen ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot wegen einer faktischen Zwangs- oder Drucksituation anzunehmen wäre, ließen sowohl der BGH, als auch das KG mangels Vorliegens einer solchen offen.545 Dem BGH erschien eine solche Ausnahme „zweifelhaft“.546 Der 3. Strafsenat des OLG Celle547, der entgegen des 1. Strafsenats des OLG Celle548 einen existenzbedrohlichen oder -vernichtenden vermögensrechtlichen Nachteil beim Schweigen des Versicherungsnehmers verneinte, schien aber eher geneigt, eine solche Ausnahme grundsätzlich anzuerkennen. cc) (Steuerrechtliche) Rechtsprechung zum Erfordernis eines rechtlichen Zwangs Einem ausnahmsweise ausreichenden existenzbedrohlichen oder existenzvernichtenden Nachteil lässt sich eine Entscheidung des BVerfG549 im Jahr 2004 entgegenhalten, nach der ausdrücklich ein faktischer Zwang oder Druck für ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht ausreiche. Nach Ausführungen zum Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Auskunftspflichtigen durch eine auch die Selbstbelastung umfassende steuerrechtliche Auskunftspflicht, die durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt sei, folgte die seit dem Gemeinschuldner-Beschluss bekannte Einschränkung im Hinblick auf die Verwertbarkeit dieser Auskunft im Strafverfahren. Es sei nicht zumutbar, dass der Auskunftspflichtige zugleich zu seiner strafrechtlichen Verurteilung beitragen müsse. Ansonsten wäre das verfassungsrechtlich gebotene Schweigerecht im Strafverfahren „illusorisch, wenn eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung gegen seinen Willen strafrechtlich gegen ihn verwendet werden dürfte. Eine zwangsweise herbeigeführte Selbstbezichtigung ist daher verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn sie mit einem 544 545 546 547 548 549

OLG Celle, NStZ 1982, 393. BGHSt 36, 328, 334; KG, NStZ 1995, 146, 147. BGHSt 36, 328, 334. OLG Celle, NJW 1985, 640. OLG Celle, NStZ 1982, 393. BVerfG, NJW 2005, 352.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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strafrechtlichen Verwertungsverbot einhergeht.“550 Dabei berief sich das BVerfG auf den Gemeinschuldner-Beschluss. Es führte weiterhin aus, dass aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein Beweisverwertungsverbot aber nur folge, wenn Tatsachen aufgrund einer erzwingbaren Auskunftspflicht offenbart wurden, was aber gemäß § 393 Abs. 1 S. 2, 3 AO nicht der Fall sei, da gegen den Steuerpflichtigen keine Zwangsmittel bei Selbstbezichtigung angewendet werden können. Die erforderliche rechtlich erzwungene Selbstbezichtigung sei nicht gegeben. Wenn jedoch keine Zwangsmaßnahmen im Falle der Nichterfüllung der umfassenden Auskunftspflicht drohten, ließe sich verfassungsrechtlich kein Verwertungsverbot begründen. Ausdrücklich für nicht ausreichend befand das BVerfG die faktische Zwangslage durch die ansonsten fehlschlagende Selbstanzeige (§ 371 AO), auch wenn das Gericht darin ein starkes Motiv sah. Nur vor einem rechtlichen Zwang zur Selbstbelastung und einer darauf folgenden strafrechtlichen Verurteilung schütze das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde. Ähnlich wie in vorherigen Entscheidungen stellte das BVerfG für ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot das Kriterium des rechtlichen Zwangs zur Selbstbelastung auf. Dabei lässt sich aus dieser Entscheidung nach dem Wortlaut („drohen“) schließen, dass die rechtlich existente Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Auskunftspflicht – inklusive Selbstbelastung – genügt. Neue Erkenntnisse bringt die Entscheidung dadurch, dass lediglich faktischer Zwang durch starke Anreize oder Motive ausdrücklich für nicht ausreichend befunden wurde. Insoweit dürfte das BVerfG dem Ausreichen eines existenzbedrohlichen Nachteils eine Absage erteilt haben. Übernommen wurde diese Rechtsprechung durch das OLG Frankfurt551, nach dem der Druck, der auf einem Steuerschuldner aufgrund mehrfacher Aufforderungen des Finanzamts zur Abgabe der Steuererklärung lastete, nicht für ein Verwertungsverbot aufgrund eines Zwangs zur Selbstbelastung ausreiche. Ein solches sei nur beim Einsatz von Zwangsmitteln im Hinblick auf die Abgabe der Erklärung gegeben, also bei rechtlichem Zwang zur Selbstbelastung. Die Möglichkeit dessen ist jedoch gemäß § 393 Abs. 1 S. 2 AO ausgeschlossen, wodurch dem nemo-teneturGrundsatz Rechnung getragen sei. Auch der BGH552 entschied im Jahr 2005 mit gleichem Ergebnis wie das BVerfG553 über einen steuerstrafrechtlichen Fall. Dabei führte er aus, dass die Pflicht zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Steuererklärung nicht gegen den nemo-teneturGrundsatz verstoße. Ein Konflikt mit dem nemo-tenetur-Grundsatz bestehe nur, wenn die „steuerrechtliche Pflicht zur umfassenden Auskunft mit Zwangsmitteln durchsetzbar wäre“, also ein rechtlicher Zwang zur Selbstbelastung vorliege.554 Die 550 551 552 553 554

BVerfG, NJW 2005, 352. OLG Frankfurt, wistra 2006, 198. BGHSt 50, 299. BVerfG, NJW 2005, 352. BGHSt 50, 299, 317 f.

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E. Beweisverwertungsverbot

Grundrechte seien jedoch gewahrt, wenn sich die zwangsweise durchsetzbare steuerrechtliche Erklärungspflicht nicht auf die Angabe der deliktischen Herkunft von Einnahmen beziehe. dd) Rechtsprechung zur Übertragbarkeit auf bußgeld- und strafbewehrte umfassende Auskunftspflichten Zum Schutz des Auskunftsverpflichteten nahm die Rechtsprechung ein Beweisverwertungsverbot nach den Grundsätzen des Gemeinschuldner-Beschlusses auch für Fälle an, in denen die umfassende und wahrheitsgemäße Auskunftspflicht für den Fall der Nichterfüllung als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bedroht555 oder strafbewehrt556 ist. Insoweit ist nicht nur die „klassische“ zwangsweise Durchsetzbarkeit der Auskunftspflicht erforderlich. Das LG Mannheim557 hat dabei im Jahr 2007 ein Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren für Angaben im Rahmen einer Meldung zur Außenhandelsstatistik (§ 1 AHStatG, § 5 BStatG) angenommen, die nach § 15 BStatG wahrheitsgemäß und vollständig zu erstatten waren. Ein Auskunftsverweigerungsrecht ist dabei im Gesetz nicht vorgesehen und ein Verstoß gegen die Vorschrift ist nach § 23 Abs. 1 BStatG als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt. Das LG stützte sich zur Begründung des Beweisverwertungsverbots auf den Gemeinschuldner-Beschluss. Eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbelastung dürfe nicht gegen den Willen des Betroffenen verwertet werden. Die Geheimhaltungspflicht des § 16 BStatG sei daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse gegen den Willen des Betroffenen nicht in einem Strafverfahren verwertet werden können. Das OVG Lüneburg558 wandte die Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses mit der Folge eines Beweisverwertungsverbots daneben für selbstbelastende Auskünfte eines Seelotsen zur Erfüllung seiner Auskunftspflicht aus § 26 Abs. 1 S. 2 SeeLG an, welche bei Zuwiderhandlung nach § 47 Abs. 1 Nr. 5 SeeLG als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bewehrt ist. Die auch die Offenbarung von Straftaten umfassende Auskunftspflicht greife zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Auskunftspflichtigen ein, sei jedoch aufgrund überwiegender öffentlicher Belange gerechtfertigt. Die Verwertung der Angaben in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren sei aber ausgeschlossen. Die Beschlagnahme könne dabei durch eine Sperrerklärung nach § 96 StPO verhindert werden. Wenn dennoch Erkenntnisse den Strafverfolgungsbehörden bekannt würden, seien diese nach den Grundsätzen des Gemeinschuldner-Beschlusses aus Verfassungsgründen unverwertbar. 555 556 557 558

LG Mannheim, BeckRS 2008, 11528; OVG Lüneburg, BeckRS 2012, 49160. BGH, NJW 2005, 763. LG Mannheim, BeckRS 2008, 11528. OVG Lüneburg, BeckRS 2012, 49160.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

251

Der BGH559 entschied 2005 daneben eine steuerrechtliche Fallgestaltung zum Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 AO. Dieses könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in bestimmten Fällen die Strafbewehrung der Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten suspendieren, wenn wegen derselben Steuerart und für denselben Zeitraum bereits ein Strafverfahren anhängig ist. Dieses Zwangsmittelverbot gelte jedoch nur für bereits begangenes steuerliches Fehlverhalten des Betroffenen, für das ein Steuerstrafverfahren bereits eingeleitet ist. Erklärungspflichten zu anderen Steuerarten oder anderen Besteuerungszeiträumen fielen hingegen nicht unter das Zwangsmittelverbot und seien weiterhin bei Nichterfüllung strafbewehrt (§ 370 Abs. 1 AO). Dabei können sich aus der wahrheitsgemäßen Erklärung insbesondere zu späteren Besteuerungszeiträumen aber auch Hinweise für das anhängige Strafverfahren ergeben.560 Dann wäre der Steuerpflichtige durch § 370 AO gezwungen, durch die Angaben mittelbar auch Anhaltspunkte für das anhängige Strafverfahren zu geben. Für diese Angaben nahm der BGH allerdings – unter Zitierung des Gemeinschuldner-Beschlusses – ein Beweisverwendungsverbot für ein Strafverfahren aufgrund der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts an, wegen der unter Zwang herbeigeführten mittelbaren Selbstbezichtigung.561 Die gemachten Angaben sollen daher allein im Besteuerungsverfahren verwendet werden dürfen. Nach dieser Rechtsprechung reichen also auch mittelbare Selbstbezichtigungen im Rahmen von Auskunfts- bzw. Erklärungspflichten für ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot aus, dessen Nichterfüllung zwar nicht erzwungen werden kann, die aber strafbewehrt ist.562 Mittelbar meint dabei, dass der Betroffene diese Auskünfte nicht direkt in dem anhängigen Verfahren preisgeben muss, der Erkenntnisgewinn aber mittelbar über fortbestehende Erklärungspflichten zu anderen Zeiträumen oder Steuerarten erfolgen kann. ee) Übertragbarkeit auf Offenbarungspflichten nach § 807 ZPO und auf zwangsweise durchsetzbare Auskunftspflichten Im Jahr 1991 hatte der BGH563 einen Fall zu entscheiden, in dem ein Makler im Rahmen seiner Offenbarungspflicht nach § 807 ZPO gezwungen gewesen wäre, auch Umstände zu offenbaren, die eine von ihm begangene Straftat enthielten. Da der Makler die falsche Vermögensauskunft an Eides statt versicherte, machte er sich gemäß § 156 StGB strafbar. Hätte der Makler im Rahmen seiner Offenbarungspflicht wahrheitsgemäße Angaben gemacht, hätte sich daraus ein Vergehen nach § 148 Nr. 1 GewO ergeben. Dennoch sei der Makler aber nicht berechtigt, Angaben bei der Vermögensauskunft zu verschweigen oder diesbezüglich zu lügen. Dies ergebe sich 559

BGH, NJW 2005, 763. Vgl. dazu auch Rogall, in: NStZ 2006, 41, 43. 561 BGH, NJW 2005, 763, 765. 562 Der 1. Senat des BGH bestätigte diese Rechtsprechung im Jahr 2012, vgl. BGH, NStZRR 2012, 372. 563 BGHSt 37, 340. 560

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E. Beweisverwertungsverbot

insbesondere daraus, dass – wie bereits im Gemeinschuldner-Beschluss ausgeführt wurde – die Rechtsordnung und die Grundrechte keinen lückenlosen Schutz gegen Selbstbezichtigung gewähren, ohne Interessen Dritter zu berücksichtigen564. Das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, finde seine Grenze an den Rechten anderer. Die Interessen der Gläubiger seien dabei im Zwangsvollstreckungsverfahren vorrangig vor dem Interesse des Schuldners. Für die Angaben des Schuldners nach § 807 ZPO sei dann jedoch ein strafverfahrensrechtliches Verwertungsverbot anzunehmen, wobei sich der BGH unmittelbar auf den Gemeinschuldner-Beschluss des BVerfG stützte.565 Den Grundrechten des Schuldners, sich mit Bedeutung für ein Strafverfahren nicht selbst belasten zu müssen, sei dadurch hinreichend Rechnung getragen. Das Verwertungsverbot musste der BGH für seinen Fall jedoch nicht annehmen, da dieses nur für den hypothetischen Fall der wahrheitsgemäßen und selbstbelastenden Angaben des Schuldners und einem sich daraus ergebenden Verfahren wegen eines Vergehen nach § 148 Nr. 1 GewO bestanden hätte. Ob die Auskunft zwangsweise (trotz Vorliegens einer Auskunft im Zwangsvollstreckungsverfahren) nach § 802g ZPO hätte durchgesetzt werden müssen, oder ob für die Annahme eines Verwertungsverbotes die bestehende Möglichkeit ausreichen würde, hat der BGH nicht thematisiert. Mit gleicher Argumentation führte das BVerfG566 im Rahmen eines Nichtannahmebeschlusses aus, dass die Würdigung des Landgerichts567, die Auskunftspflicht des Schuldners nach § 807 ZPO umfasse auch die Offenbarung von strafbaren Handlungen, diese Angaben unterlägen aber einem strafprozessualen Verwertungsverbot, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Ohne ein solches Verwertungsverbot sei das strafprozessuale Schweigerecht illusorisch. Der BGH und das BVerfG haben damit erneut eine Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses in Aussicht gestellt und sich für ein strafrechtliches Verwertungsverbot ausgesprochen. Für ein selbstständiges Verwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG reicht danach auch die zwangsweise Durchsetzung einer zivilrechtlichen Pflicht. Mit Blick auf § 802g ZPO, der eine Erzwingungshaft für die Offenbarungspflicht nach § 807 ZPO ermöglicht, die jedoch – soweit ersichtlich – in keinem der Fälle betrieben wurde, dürfte auch die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung ausreichen. Offen ließ das BVerfG568 im Jahr 2004, ob im Hinblick auf den GemeinschuldnerBeschluss ein strafrechtliches Beweisverwertungsverbot in verfassungskonformer Auslegung für eine Auskunftspflicht gelten müsse, bei der aufgrund der überwiegenden Interessen eines Dritten auch die Selbstbelastung zumutbar und die Auskunft 564 565 566 567 568

BVerfGE 56, 37, 42. BGHSt 37, 340, 342 f. BVerfG, BeckRS 2008, 35240. LG Hamburg, BeckRS 2009, 21150. BVerfG, BeckRS 2004, 22491.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

253

nach § 888 Abs. 1 ZPO vollstreckbar sei. Das BVerfG führte lediglich aus, dass ein Zwang, durch die eigene Aussage die Voraussetzung einer strafrechtlichen Verurteilung zu liefern, unzumutbar sei. Wenn jedoch ein berechtigtes Informationsbedürfnis eines Dritten an der selbstbelastenden Auskunft bestehe, begegne auch das Vollstreckungsverfahren nach § 888 Abs. 1 ZPO keinen Bedenken, da dies letztlich nur die prozessuale Konsequenz des Erkenntnisverfahrens sei. Insofern sei ein Verwertungsverbot aber „gegebenenfalls“ erforderlich.569 Diesbezüglich bejahte das OLG Stuttgart570 im Jahr 2015 ebenfalls einen Auskunftsanspruch, durch dessen Erfüllung der Beklagte eine von ihm begangene Straftat offenbaren musste (Verrat von Geschäftsgeheimnissen), aufgrund überwiegender Interessen der Klägerin sowie dessen zwangsweiser Durchsetzung. Der zivilrechtliche Auskunftsanspruch aus § 242 BGB stehe weit entfernt vom Strafprozess und stehe außerhalb staatlicher Gewalt und eines staatlichen Verfahrens dem Privatrechtssubjekt zu. Auch eine zwangsweise Durchsetzung dieses Anspruchs sei grundsätzlich gerechtfertigt, da die Durchsetzung mit staatlicher Gewalt nicht dem staatlichen Strafverfahren diene, sondern der Rechtsdurchsetzung des Rechtsinhabers. Im Ausnahmefall könnte eine zwangsweise Durchsetzung im Hinblick auf die Selbstbelastung jedoch unverhältnismäßig sein. Dann sei jedoch zum Schutz der Grundrechte des Betroffenen nur eine Beschränkung der Zwangsanwendung im Verhältnis des Betroffenen zum Staat geboten, entweder durch Beschränkung der gesetzlichen Mittel im Zwangsvollstreckungsverfahren oder durch ein Beweisverwertungsverbot der Angaben im Strafverfahren. Über ein solches hatte das OLG jedoch nicht zu entscheiden. Aus dieser Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass auch ein vom Privatrecht ausgehender Zwang zu einem Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren führen kann, wenn dieses im Einzelfall zum Schutz der Grundrechte des Betroffenen im Hinblick auf sein strafprozessuales Schweigerecht erforderlich ist. b) Herausarbeitung der Kriterien und Übertragbarkeit auf Mitarbeiterinterviews Im Hinblick auf die oben dargestellte, dem Gemeinschuldner-Beschluss nachfolgende Rechtsprechung, werden die Ergebnisse im Hinblick auf diverse Diskussionen und Problematiken bezüglich der Übertragbarkeit der Grundsätze auf die Situation des Mitarbeiterinterviews im Folgenden erläutert. Dabei ist zunächst auf die Frage einzugehen, ob sich die Grundsätze überhaupt auf andere Fallkonstellationen übertragen lassen, was teilweise bezweifelt wird571. Viel diskutiert wird zudem die privatrechtliche Ausgangslage, aufgrund derer das LG Hamburg572 ein 569 570 571 572

BVerfG, BeckRS 2004, 22491. OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613. Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12; Verrel, in: NStZ 1997, 361, 362 ff. LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris.

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E. Beweisverwertungsverbot

Beweisverwertungsverbot zugunsten des Mitarbeiters für fernliegend erachtete.573 Da – wie bereits ausgeführt – eine Zwangsvollstreckung der Auskunft des Mitarbeiters in der Praxis äußerst selten ist,574 stellt sich daneben die Frage, ob auch die Möglichkeit dessen für den erforderlichen (staatlichen) Zwang ausreicht. Darüber hinaus diskutiert die Literatur, ob sich auch bei nur faktischem Zwang ein Beweisverwertungsverbot begründen lässt.575 aa) Übertragbarkeit bzw. Verallgemeinerungsfähigkeit der Kriterien des Gemeinschuldner-Beschlusses Nach der soeben dargestellten Rechtsprechung lassen sich die Kriterien des Gemeinschuldner-Beschlusses grundsätzlich auch auf andere Fallgestaltungen übertragen.576 Ausdrücklich nahm insoweit das LG Dortmund für den Gemeinschuldner-Beschluss „einen über das Insolvenzverfahren verallgemeinerungsfähigen Inhalt“ an.577 Außerdem übertrug die höchstrichterliche Rechtsprechung578 die Kriterien auf einen auskunftspflichtigen Zwangsvollstreckungsschuldner (§ 807 ZPO) und auch das BVerfG579 deutete eine Übertragbarkeit auf eine zwangsweise Durchsetzung der Auskunftspflicht nach § 888 Abs. 1 ZPO an. Die Rechtsprechung zog die Kriterien und Folgen des Gemeinschuldner-Beschlusses zudem diverse Male bei Fragen um steuerrechtliche Auskunftspflichten heran.580 Auch der Gesetzgeber hat unter Bezugnahme auf den Gemeinschuldner-Beschluss die darin für den verfassungsrechtlichen nemo-tenetur-Grundsatz getroffene „Kollisionsregelung“ im Rahmen des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Produktpiraterie auf andere Rechtsgebiete als das Insolvenzrecht übertragen.581 Mit Erwägungen, die 573

Siehe dazu unten unter E.III.2.b)bb)(1). Siehe dazu oben unter C.VI.2. 575 Siehe dazu unten unter E.III.2.b)dd)(3). 576 So insbesondere im Rahmen der folgenden Entscheidungen: BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BGHSt 37, 340, 342 f.; BGH, NJW 2005, 763, 765; OVG Lüneburg, BeckRS 2012, 49160; OLG Celle, NStZ 1982, 393; LG Dortmund, Beschl. v. 06. 12. 2007 – 2 O 379/07 – juris, Rn. 6; LG Mannheim, BeckRS 2008, 11528; LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris; ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364 f.; vgl. auch BVerfG, BeckRS 2008, 35240; BGHSt 38, 214, 221; OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 53 f.; zur Existenz des § 393 Abs. 2 AO vgl. OLG Frankfurt, wistra 2006, 198 ff.; BGHSt 50, 299, 317. Ausdrücklich offengelassen wurde die Übertragbarkeit auf vergleichbare Konstellationen durch BGHSt 36, 328, 332. Die Möglichkeit einer Übertragung unter Ablehnung dieser für die zu entscheidende Fallgestaltung nahmen an: LG Hamburg, MDR 1984, 867 f.; OLG Celle, NJW 1985, 640; OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287; KG, NStZ 1995, 146 f.; BVerfG, NStZ 1995, 599, 600; BVerfG, NJW 2005, 352. 577 LG Dortmund, Beschl. v. 06. 12. 2007 – 2 O 379/07 – juris, Rn. 6. 578 BVerfG, BeckRS 2008, 35240; BGHSt 37, 340, 342 f. 579 BVerfG, BeckRS 2004, 22491. 580 BVerfG, NJW 2005, 352; BGH, NJW 2005, 763, 765; BGHSt 50, 299, 317. 581 Ein strafprozessuales Beweisverwertungsverbot für Auskunftspflichten, die eine Selbstbelastung umfassen, wurde dabei unter anderem im Patentgesetze (§ 140b Abs. 5 PatG), 574

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

255

denen des BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss entsprechen, hat der Gesetzgeber daneben die Regelung des § 630c Abs. 2 S. 3 BGB geschaffen, die ein Beweisverwertungsverbot für die Angaben des Behandelnden bei der verpflichtenden Offenbarung eines Behandlungsfehlers enthält.582 In der Literatur bejaht die überwiegende Ansicht ebenfalls die grundsätzliche Übertragbarkeit.583 Einige Autoren betrachten diese jedoch kritisch.584 Verrel585 kritisiert insbesondere in Bezug auf Entscheidungen, die ein Beweisverwertungsverbot nach dem Gemeinschuldner-Beschluss auch für Auskunftsobliegenheiten angenommen haben,586 die Relativierung des Zwangselements des nemo-teneturGrundsatzes und die damit einhergehende Expansion. Da beide Entscheidungen mittlerweile durch Entscheidungen des BVerfG587 und des BGH588 überholt sind und nach allgemeiner Meinung nur für erzwingbare Auskunftspflichten ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nach den Grundsätzen des Gemeinschuldner-Beschlusses in Betracht kommt, dürfte die Kritik von Verrel jedenfalls dann überholt sein, wenn bei der Übertragung am Zwangserfordernis des BVerfG festgehalten wird589. Sind die vom BVerfG aufgestellten Kriterien erfüllt, dürfte eine Verwässerung des nemo-tenetur-Grundsatzes nicht drohen.590 Kritik an der Verallgemeinerungsfähigkeit der Grundsätze üben zudem Greco und Caracas, nach denen die Entscheidung eine „verhältnismäßigkeitsorientierte […] im Warenzeichengesetz (§ 25b Abs. 5 WZG) und im Urheberrechtsgesetz (§ 101a Abs. 5 UrhG) angenommen, vgl. BT-Drucks. 11/4792, S. 32, 39, 43, 45, 46; vgl. auch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 187. 582 BT-Drucks. 17/10488, S. 21 f. 583 Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1759 f.; Dingeldey, in: NStZ 1984, 529, 531 f.; Michalke, in: NJW 1990, 417, 418; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377 f.; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1927 ff.; v. Galen, in: NJW 2011, 945; Theile, in: StV 2011, 381, 385; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 119 f.; Kett-Straub/Sipos-Lay, in: MedR 2014, 867, 872; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 451; Schäfer, in: FS Dünnebier, 11, 40; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 109; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 275 ff.; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 98; Reeb, Internal Investigations, S. 100 f.; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 290; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 182 ff.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 160 f., 201 ff. nimmt zumindest eine teilweise Übertragung an; Kottek, Kooperation, S. 114 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 315 ff.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 211 ff.; wohl auch Kasiske, in: JuS 2014, 15, 19 f. 584 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12; kritisch auch Verrel, in: NStZ 1997, 361, 362 ff., der von einer Relativierung des Zwangselements spricht. 585 Verrel, in: NStZ 1997, 361, 362 ff. 586 So OLG Celle, NStZ 1982, 393; OLG Hamburg, NJW 1985, 2541. 587 BVerfG, NStZ 1995, 599. 588 BGHSt 36, 328. 589 Siehe dazu unten unter E.III.2.b)dd). 590 So auch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 190.

256

E. Beweisverwertungsverbot

Billgkeitsrechtsprechung“ sei591. Der Gemeinschuldner-Beschluss gehe ohne Herleitung von einer „Korrelation zwischen gesetzlicher Selbstbelastungspflicht und strafprozessualem Verwertungsverbot“ aus, die es nicht gebe und leite das Beweisverwertungserbot aus einer Abwägung ohne klare Faktoren ab.592 Hinsichtlich der fehlenden Korrelation berufen sich die Autoren dabei auf ein äußerst fraglich erscheinendes Beispiel. Die Selbstbelastungsfreiheit soll danach einem Entführer nicht gestatten, der Polizei das Versteck des Opfers vorzuenthalten, da die Offenbarung des Verstecks zu seiner Rettungspflicht gehöre.593 Als Folge dieser Auskunftspflicht würde nach den Autoren aber niemand auf die Idee kommen, ein Beweisverwertungsverbot für die Auskunft anzunehmen. Dass dieses Beispiel bereits im Ansatz nicht durchdacht ist, zeigen z. B. die Fälle „Gäfgen“ bzw. „Daschner“594, in denen der Entführer nicht zu einer Preisgabe des Verstecks zum Zwecke der Rettung des Lebens eines Kindes genötigt werden durfte. Ein Beschuldigter, wie ein Entführer, kann ferner sehr wohl zu den Vorwürfen schweigen, er muss nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO gerade nicht zur Sache aussagen, wozu auch das Versteck seines Opfers gehört. Zudem geht die Kritik an der Sache vorbei, da das BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss das Beweisverwertungsverbot gerade nicht an die gesetzliche Auskunftspflicht anknüpft, sondern an die Erzwingbarkeit dessen und die zweckwidrige Weiterleitung ins Strafverfahren595. Wie bereits gezeigt und wie im Folgenden noch konkretisiert wird, lassen sich dem Gemeinschuldner-Beschluss Kriterien zur Annahme eines Beweisverwertungsverbots entnehmen. Warum Kriterien einer Entscheidung zum inhaltlich nicht klar bestimmten nemo-tenetur-Grundsatz, die zur Konkretisierung des Inhalts sogar beitragen, nicht auf vergleichbare Konstellationen übertragbar sein sollen, wo doch jede andere Entscheidung zum nemo-tenetur-Grundsatz erschöpfend ausgewertet wird, erscheint fraglich. Das BVerfG leitete seine Begründung zum Beweisverwertungsverbot zudem aus der Verfassung ab und – auch wenn der Beschluss keine Ausführungen zur Übertragbarkeit auf ähnliche Konstellationen enthält – nannte keine spezifischen Argumente für Gemeinschuldner.596 Für eine Übertragbarkeit spricht zudem die nach § 31 Abs. 1 BVerfGG bestehende Bindungswirkung von Entscheidung des BVerfG für Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie für alle Gerichte und Behörden.597 Insoweit ist mit der Rechtsprechung und der

591

Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12. Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12. 593 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 9. 594 EGMR, NJW 2010, 3145; vgl. auch LG Frankfurt, NJW 2005, 692 (Fall Daschner – Androhung unmittelbaren Zwangs bei polizeilicher Vernehmung als strafbare Nötigung). 595 BVerfGE 56, 37, 41, 50 f. 596 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 190; vgl. Schäfer, in: FS Dünnebier, 11, 40. 597 Schäfer, in: FS Dünnebier, 11, 40; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 190. 592

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

257

überwiegenden Literatur von einer Übertragbarkeit auf vergleichbare Konstellationen auszugehen. bb) Erfordernis einer umfassenden Auskunftspflicht Zunächst kann im Hinblick auf vereinzelt ergangene arbeitsrechtliche Entscheidungen festgehalten werden, dass nach der Rechtsprechung eine Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses abgelehnt wird, wenn der Betroffene das Recht gehabt hätte, die Antwort auf solche Fragen zu verweigern, durch deren Beantwortung er sich selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen würde.598 Dem ist auch zuzustimmen. Besteht keine umfassende Auskunftspflicht, besteht auch der Konflikt mit der Selbstbelastungsfreiheit nicht in einer auflösungsbedürftigen Weise.599 Die Entscheidungsfreiheit des Betroffenen ist dann in aller Regel nicht unmittelbar beeinträchtigt. Eine umfassende Auskunftspflicht, die auch eine Selbstbelastung nicht ausnimmt, besteht für den Mitarbeiter jedenfalls für den unmittelbaren Arbeitsbereich nach § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB).600 Gibt er im Rahmen dieser Pflicht Auskünfte, die ihn selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen, läge insoweit eine dem Gemeinschuldner vergleichbare Situation vor.601 Eine umfassende Auskunftspflicht fehlt jedoch regelmäßig, wenn es um Auskünfte mit nur mittelbarem Bezug zum Arbeitsverhältnis geht.602 Ist der Mitarbeiter in diesem Rahmen nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten, gibt er jedoch trotzdem selbstbelastende Auskünfte, ist ein Beweisverwertungsverbot nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu verneinen.603

598 OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287; LG Hamburg, MDR 1984, 867, 868; so auch Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1855; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 98. 599 Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1855; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140 m.w.N.; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 144; vgl. Böhm, in: WM 2009, 1923, 1927; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 11; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 454; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 280, 307. A.A. wohl Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 754; Wastl/Litzka/ Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71 zumindest für SEC-veranlasste Internal Investigations. 600 Siehe dazu oben unter C.IV.2. 601 Ebenso Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 171. 602 Siehe dazu oben unter C.IV.3. 603 Zur Frage, was im Hinblick auf nicht freiwillig gegebene Auskünfte z. B. aufgrund eines Irrtums oder einer Täuschung gilt, siehe unten unter E.III.2.b)ee).

258

E. Beweisverwertungsverbot

(1) Problematik der privaten vertraglichen Pflicht Teile der Rechtsprechung604 und der Literatur605 wenden gegen die Übertragbarkeit der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses auf die Situation der Mitarbeiterbefragung die privatrechtliche und vertragliche Ausgangslage ein. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass unter den oben untersuchten Urteilen nur wenige sind, die eine privatrechtliche Ausgangslage zur Grundlage der Auskunftspflicht haben. Das LG Dortmund hielt insoweit eine Übertragbarkeit der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses auch für eine im Zivilverfahren getätigte selbstbelastende Auskunft wegen der dort geltenden Wahrheitspflicht für möglich.606 Privatrechtliche Ausgangslagen lagen zudem den Entscheidungen zu § 807 ZPO und § 888 ZPO zugrunde, bei denen der Rechtsstreit jedoch bereits in die hoheitliche Zwangsvollstreckungsphase eingetreten war.607 Für das Arbeitsrecht bejahten außerdem das LAG Hamm608 und das ArbG Saarlouis609 einen Schutz des Arbeitnehmers, der sich gegenüber dem Arbeitgeber selbst belasten müsse, durch ein Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren. Demgegenüber nahm das LG Hamburg610 im Rahmen einer Entscheidung über die Beschlagnahmefreiheit von Unterlagen aus Internal Investigations in einer kurzen Stellungnahme zur Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus Interviews mit Mitarbeitern kein Beweisverwertungsverbot an. Ein Beweisverwertungsverbot in Anwendung des § 97 Abs. 1 InsO sei „eher fernliegend“, da der „Gedanke, dass die Staatsgewalt den Gesetzesunterworfenen nicht durch sanktionsbewehrte Mitwirkungs- und Auskunftspflichten zur Selbstbelastung zwingen“ dürfe, also der nemotenetur-Grundsatz, ersichtlich nicht auf Situationen anwendbar sei, „in dem sich Privatpersonen in (arbeits-)vertragliche Bindungen begeben haben, die sie zur Offenbarung möglicherweise auch strafbaren Verhaltens verpflichten“.611 Dabei komme es nicht darauf an, dass für den Betroffenen auch die Einhaltung arbeitsvertraglicher Pflichten erhebliche, mitunter existenzielle Bedeutung haben könne. Entscheidend sei vielmehr, dass die entstehende Konfliktlage nicht von einer gegen 604

LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris. Vgl. u. a. Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 198; Rogall in SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 Rn. 23, 28; Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 15. Teil Rn. 175; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Anders, in: wistra 2014, 329, 331; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12; Wimmer, in: NK 2016, 356, 363; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 248. 606 LG Dortmund, Beschl. v. 06. 12. 2007 – 2 O 379/07 – juris, Rn. 6. 607 Vgl. BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BVerfG, BeckRS 2008, 35240; BGHSt 37, 340. 608 LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris, Rn. 34. 609 ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364. 610 LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris. 611 LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris, Rn. 83; zustimmend Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 549 f.; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 Rn. 28. 605

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

259

den nemo-tenetur-Grundsatz verstoßenden „gesetzlichen Auskunftsverpflichtung, sondern von einer vom Betroffenen freiwillig eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zur möglichen Selbstbelastung“ ausgehe.612 Dieser Beschluss hat insbesondere in der einschlägigen Literatur viel Beachtung erfahren, was dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass es sich dabei um die bislang einzige Rechtsprechung zu Beweisverwertungsverboten bei der Internal Investigation handelt. Ein Teil der Literatur stimmt dieser, ein Verwertungsverbot ablehnenden Auffassung zu, weil es sich bei den arbeitsvertraglichen Auskunftspflichten um vertragliche und nicht um die erforderlichen hoheitlichen oder gesetzlichen Pflichten handele.613 Auch wenn die Auskunftsverpflichtung auf die gesetzlichen Regelungen der §§ 666, 675, 242 BGB gestützt werden könne, habe sie dispositiven Charakter und gesetzlich geregeltes, dispositives Vertragsrecht gehöre nicht zu den klassischen gesetzlichen Pflichten.614 Der gesetzlichen Norm komme neben dem Arbeitsvertrag nur deklaratorische Wirkung zu.615 Dass eine gesetzliche Pflicht erforderlich ist, klingt daneben in zwei Urteilen mit Bezug auf den Gemeinschuldner-Beschluss an.616 Teile der Literatur stimmen außerdem der Auffassung des LG Hamburg über die Freiwilligkeit der vertraglichen Verpflichtung zu.617

612

LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris, Rn. 83. Taschke/Zapf, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, 181, 198; Rogall in SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140 leitet ein Verwertungsverbot aus den staatlichen Pflichten zum Schutz des Persönlichkeitsrechts ab; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 Rn. 23, 28; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Bauer, in: StV 2012, 277, 278; Raum, in: StraFo 2012, 395, 397; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12, nach denen der Gemeinschuldner-Beschluss keine Begründung dafür biete, dass auch ein vertraglich eingegangener Zwang ein Verwertungsverbot auslöse; Wimmer, in: NK 2016, 356, 363; ähnlich Jahn, in: StV 2009, 41, 44, nach dem nur eine faktische Zwangslage des Mitarbeiters vorliege und der erforderliche rechtliche Zwang durch ein hoheitliches Verfahren fehle; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 203 f.; vgl. auch Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136 Rn. 7a, der ein Beweisverwertungsverbot bereits deswegen ablehnt, weil er dem Arbeitnehmer im Rahmen der Auskunftspflicht ein Schweigerecht bei Selbstbelastung gewährt; vgl. dazu auch Anders, in: wistra 2014, 329, 331. 614 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389. 615 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; zustimmend Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 284; a.A. Kottek, in: wistra 2017, 9, 12 f., nach dem im Arbeitsvertrag gerade keine Auskunftspflichten für Befragungen begründet werden, sodass §§ 666, 675 BGB konstitutiver Natur und nicht nur deklaratorischer Natur seien; ähnlich auch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 194, nach der sich die Auskunftspflicht im Normalfall gerade nicht aus dem Arbeitsvertrag ergebe, sondern eine vom Gesetzgeber gewünschte Folge sei. 616 Nach einem obiter dictum des BGH ist für ein Beweisverwertungsverbot eine „Vorschrift, […] die zu einer Erklärung verpflichtet“ erforderlich, vgl. BGHSt 38, 214, 221; auch das OLG Karlsruhe forderte eine gesetzlich festgelegte Auskunftspflicht, vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287. 613

260

E. Beweisverwertungsverbot

Die Ausführungen des LG Hamburgs sind bei weiten Teilen der Literatur jedoch auch auf erhebliche Kritik gestoßen.618 Die Freiwilligkeit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses könne insbesondere nicht mit einer freiwilligen Verpflichtung zum Verzicht auf die Selbstbelastungsfreiheit gleichgesetzt werden.619 Das Arbeitsverhältnis diene der Sicherung des Lebensunterhalts und könne daher nur bedingt als freiwillig angesehen werden.620 Wäre mit dem Abschluss eines Arbeitsverhältnisses der Verzicht auf die grundrechtlich geschützte Position der Selbstbelastungsfreiheit verbunden, sei zudem die ebenfalls grundrechtlich verbürgte Berufsfreiheit (Art. 12 GG) entleert.621 Im Ergebnis nimmt diese Auffassung eine Vergleichbarkeit der Situationen des auskunftspflichtigen Mitarbeiters und des Gemeinschuldners an und fordert daher ein Beweisverwertungsverbot.622 (2) Stellungnahme Die letztere Auffassung ist überzeugender. Formal betrachtet liegt zwar eine Auskunftspflicht aus einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag vor, eine solche formale Argumentation kann jedoch im Hinblick auf den im Raume stehenden Grund617

Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 549 f.; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 Rn. 28; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 175; Anders, in: wistra 2014, 329, 331. 618 Fritz, in: CCZ 2011, 156, 159; v. Galen, in: NJW 2011, 945; Fritz, in: CCZ 2011, 156, 157 ff.; Sidhu/v. Saucken/Ruhmannseder, NJW 2011, 881, 883; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 530; Kottek, in: wistra 2017, 9, 12 f.; Dann, in: Esser/Rübenstahl u. a., Wirtschaftsstrafrecht, § 136 StPO Rn. 86; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 164 ff.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 155 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 213 ff.; vgl. auch Bock/Gerhold, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 5 Rn. 41. 619 Sidhu/v. Saucken/Ruhmannseder, NJW 2011, 881, 883; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 530; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 11; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 152 f., 207; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 185; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 155; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 214.; nach Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377 f. soll es hinsichtlich der Freiwilligkeit auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Straftat ankommen, sodass der Betroffene keine freie Wahl habe, ob er aussage oder nicht, wenn das zur umfassenden Auskunft verpflichtende Rechtsverhältnis bereits bei Begehung der Straftat bestehe; zustimmend Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 178 f. 620 So auch Fritz, in: CCZ 2011, 156, 160; Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257; Kottek, in: wistra 2017, 9, 13; Kottek, Kooperation, S. 120; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 214; vgl. Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 266. 621 I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 215; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 185; vgl. auch Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257, die ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken erhebt. 622 Dingeldey, in: NStZ 1984, 529, 532 f.; Rogall, in: StV 1996, 68, 69; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377 f.; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928 f.; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 278; Kottek, Kooperation, S. 117; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 290; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 213; vgl. auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 188; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 214.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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rechtseingriff nicht überzeugen623. Entscheidend muss doch vielmehr sein, dass es für den Betroffenen keinerlei Unterschied macht, ob die Pflicht zur selbstbelastenden Aussage vertraglich hergeleitet wird oder ob die Pflicht aus einem Gesetz folgt,624 zumal die arbeitsvertragliche Pflicht in § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) kodifiziert und regelmäßig nicht individualvertraglich vereinbart ist625. Bei folgenorientierter Betrachtung ergibt sich vielmehr das gleiche Ergebnis für den Betroffenen: er ist rechtlich verpflichtet, umfassend Auskunft zu erteilen und sich dabei gegebenenfalls selbst zu belasten. Sowohl bei einer gesetzlichen als auch bei einer vertraglich begründeten Pflicht steht es dem betroffenen Mitarbeiter nicht frei, sich zu äußern oder nicht. Denn als Folge einer (gesetzlichen oder vertraglichen) rechtlich vorgeschriebenen Auskunftspflicht kann der betroffene Mitarbeiter – wie auch der Gemeinschuldner – in die Konfliktsituation geraten, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder wegen Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden.626 Durch die Möglichkeit der Vollstreckbarkeit wird dem Mitarbeiter die freie Entscheidungsmöglichkeit genommen, sodass eine erzwungene Selbstbelastung gegeben ist.627 Der fehlenden Vergleichbarkeit der Situationen wegen der einerseits gesetzlichen und andererseits vertraglichen Auskunftspflichten stehen insoweit auch die Ausführungen des BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss entgegen, das explizit sowohl rechtsgeschäftliche als auch gesetzliche Auskunftsverpflichtungen aus besonderen Rechtsgründen als Beispiel für die Interessenkollision mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht herangezogen hat628. Das maßgebliche Argument des BVerfG ist zudem an keiner Stelle die gesetzliche Auskunftspflicht,629 sondern die Konfliktsituation des Betroffenen, die sich aus einer erzwingbaren umfassenden Auskunftspflicht ergibt. Diese Konfliktsituation hängt, wie zuvor bereits ausgeführt, aber nicht von dem Bestehen einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung ab.630 Die notwendige staatliche Komponente für das Beweisverwertungsverbot ergibt sich nicht aus der gesetzlichen Verankerung der Auskunftspflicht, sondern aus der Er623

So auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 214 ff. So auch Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 266. 625 Kottek, in: wistra 2017, 9, 13; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 168, 194. 626 So ausdrücklich BVerfGE 56, 37, 41; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 277. 627 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 213; im Ergebnis so auch Wastl/Litzka/ Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120, 121; Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 453 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 276; vgl. auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 204 ff. 628 BVerfGE 56, 37, 45; so auch v. Galen, in: NJW 2011, 945; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 266; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 277; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 164; vgl. auch Kottek, Kooperation, S. 115. 629 So auch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 165, 193. 630 Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 266. 624

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E. Beweisverwertungsverbot

zwingbarkeit der Pflicht durch staatliche Mittel. Auch die Auskunftspflichten des Gemeinschuldners haben daneben einen privatrechtlichen Ursprung, nämlich den Abschluss von Verträgen mit den späteren Insolvenzgläubigern.631 Außerdem zielt das Insolvenzrecht ebenfalls auf die Durchsetzung privater Interessen.632 Es ist darüber hinaus fernliegend, mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags einen freiwilligen Verzicht auf eine Selbstbelastungsfreiheit zu begründen. Die überwiegende Masse von Mitarbeitern dürfte sich beim Abschluss des Arbeitsvertrags nicht darüber bewusst sein, dass sie infolgedessen Auskunftspflichten eingehen, geschweige denn, dass sie auf eine verfassungsrechtlich geschützte Position verzichten sollen.633 Insofern ließe sich zudem behaupten, dass der Insolvenzschuldner freiwillig Rechtsgeschäfte abgeschlossen habe, deren Nichterfüllung ihn in die Gefahr der Insolvenz und der damit zusammenhängenden Auskunftspflichten gebracht habe.634 Auch nach dem Gesetzgeber geht demnach mit einem „freiwillig“ abgeschlossenen Vertrag kein Verzicht auf die Selbstbelastungsfreiheit einher. Das zeigt die Regelung des § 630c Abs. 2 S. 3 BGB zum Beweisverwertungsverbot für Auskünfte des Behandelnden, die zur Erfüllung der Informationspflicht über Behandlungsfehler (§ 630c Abs. 2 S. 2 BGB) erteilt wurden. Kommt der Behandelnde seiner Pflicht nach und informiert den Patienten über einen Behandlungsfehler, darf diese Auskunft nicht zu Beweiszwecken in einem Strafverfahren gegen ihn verwendet werden. Nach der Gesetzesbegründung soll „unter Beachtung des nemo-teneturGrundsatzes gewährleistet werden, dass dem Behandelnden aus der Offenbarung eigener Fehler, die gegebenenfalls strafrechtlich oder aus der Sicht des Ordnungswidrigkeitenrechts relevant sein können, keine unmittelbaren strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Nachteile erwachsen“.635 Beim Behandlungsvertrag handelt es sich, wie beim Arbeitsvertrag, um einen vom Behandelnden zumindest grundsätzlich „freiwillig“ geschlossenen Vertrag.636 Doch auch für Auskunftspflichten, die sich aus dieser privatrechtlichen Lage ergeben, hat der Gesetzgeber zum Schutz vor Aushöhlung des nemo-tenetur-Grundsatzes des Behandelnden ein Beweisverwertungsverbot angenommen. 631 Ausführlich dazu Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 166 f.; vgl. Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 203. 632 BVerfGE 116, 1, 13; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 277; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 158 f.; vgl. Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 171. Dieses Ziel lässt sich auch aus § 1 S. 1 InsO herauslesen. 633 Vgl. Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 214. 634 Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 266; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 214 Fn. 428; Kottek, in: wistra 2017, 9, 13 führt daneben an, dass auch das Insolvenzverfahren freiwillig gewählt sei. 635 BT-Drucks. 17/10488, S. 22. 636 Kett-Straub/Sipos-Lay, in: MedR 2014, 867, 869; Ausnahmen davon gelten teilweise bei Krankenhausbehandlungsverträgen (Kontrahierungszwang), vgl. Rehborn, in: Huster/Kaltenborn, Krankenhausrecht, § 14 Rn. 27.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Insofern steht die privatrechtliche Ausgangslage der Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses auf die Situation des Mitarbeiterinterviews nicht entgegen. cc) Auskunft durch private Interessen Dritter gerechtfertigt Ebenfalls weit überwiegend wird gefordert, dass sich der Betroffene in einer Konfliktsituation aufgrund vorhandener schutzwürdiger und berechtigter Interessen von Dritten an der Erteilung der umfassenden Auskunft befindet und nicht lediglich die eigenen Interessen durch die Entscheidung betroffen sind.637 Dabei lässt sich aus dem Gemeinschuldner-Beschluss herauslesen, dass es nicht allein um staatliche oder öffentliche Informationsinteressen gehen darf, bei denen der Konfliktlage in neueren Gesetzen auch bereits durch Auskunftsverweigerungsrechte Rechnung getragen wurde.638 Die umfassende Auskunftspflicht muss daher zumindest auch im privaten Interesse bestehen.639 Dies spricht ebenfalls für die zuvor angenommene ausreichende private Ausgangslage. Für die umfassende Auskunftspflicht des Mitarbeiters zum unmittelbaren Arbeitsbereich besteht aufgrund der überwiegenden Interessen des Arbeitgebers bzw. des Unternehmens, also eines Dritten, kein Auskunftsverweigerungsrecht. Insoweit ist das Recht des Mitarbeiters aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, sich nicht selbst zu belasten, durch das Informationsinteresse eingeschränkt,640 da der Arbeitgeber den Sachverhalt ansonsten nicht aufklären könnte641. Folglich liegt auch dieses Kriterium beim Mitarbeiterinterview vor. dd) Erfordernis einer erzwingbaren Auskunftspflicht Daneben ist für ein Beweisverwertungsverbot nach dem BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss erforderlich, dass es sich um eine mit Zwangsmitteln durchsetzbare, also um eine erzwingbare Auskunftspflicht handelt.642 Eine solche Erzwingbarkeit mittels Zwangsgeld oder Zwangshaft ergibt sich beim Mitarbeiterinterview für die Auskunftspflicht aus § 888 Abs. 1 ZPO.643 Die ar637

BGHSt 36, 328, 333 f.; KG, NStZ 1995, 147; Dingeldey, in: NStZ 1984, 529, 534; vgl. BVerfG, BeckRS 2004, 22491; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 24 ff. 638 BVerfGE 56, 37, 50; vgl. Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 26. 639 Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 26. 640 Siehe dazu oben unter C.IV.2.a). 641 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 192 f. 642 BVerfGE 56, 37, 41 f. 643 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 276; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 185; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 212 f.; ähnlich Kottek, Kooperation, S. 118; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120, 121. Siehe dazu oben unter C.VI.2.

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E. Beweisverwertungsverbot

beitsrechtliche Auskunftspflicht ist wegen dieser Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten auch keine Obliegenheit,644 für welche die Übertragung der Kriterien ausscheiden würde. Bei dieser erzwingbaren Auskunftspflicht, stellt sich im Hinblick auf die in der Praxis sehr unübliche zwangsweise Durchsetzung der Auskunftspflicht,645 zunächst die Frage, ob die Möglichkeit dieser zwangsweisen Durchsetzung bzw. das Vorhandensein von Zwangsmitteln für ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot genügt,646 oder ob die Selbstbelastung unmittelbar auf der Zwangsanwendung oder der Androhung dessen beruhen muss647. Außerdem wird erörtert, ob nur rechtlicher oder auch faktischer Zwang ein Beweisverwertungsverbot auslösen kann und ob staatlicher Zwang vorliegt. (1) Ausreichen der Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung und Einschränkungskriterien Im Hinblick auf die Frage des Ausreichens einer nur bestehenden Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung dürfte zunächst wegen der erforderlichen Konfliktlage zumindest notwendig sein, dass der Betroffene Kenntnis von der Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung hat – was im Hinblick auf die regelmäßig stattfindenden Belehrungen in der Regel der Fall sein dürfte648 – und dass diese entscheidungsleitend ist. Im Übrigen ist diese Frage umstritten. Die Rechtsprechung äußert sich insoweit nicht eindeutig. (a) Positionen in Rechtsprechung und Literatur Aus der oben dargestellten Rechtsprechung ergeben sich lediglich Anhaltspunkte für eine ausreichende Möglichkeit der Zwangsvollstreckung. Insbesondere aus dem Wortlaut einiger Entscheidungen lässt sich auf eine ausreichende Erzwingbarkeit schließen. So nimmt die höchstrichterliche Rechtsprechung in mehreren Entscheidungen an, dass Zwangsmaßnahmen „drohen“ müssen, um ein Beweisverwertungsverbot herzuleiten.649 Das LG Potsdam forderte ebenfalls für einen Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit eine Auskunftserteilung aufgrund eines rechtli-

644

So auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 152; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 279; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 185. 645 Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 24; Anders, in: wistra 2014, 329, 331; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 108 f.; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 139. 646 So Dingeldey, in: NStZ 1984, 529, 532; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 276. 647 So Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 172. 648 Wewerka, Internal Investigations, S. 98 f. m.w.N.; vgl. auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 232. 649 BVerfG, NStZ 1995, 599, 600; BVerfG, NJW 2005, 352, 353; vgl. BGHSt 36, 328, 333.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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chen Zwangs im Sinne „drohender Zwangsmaßnahmen“.650 Wie konkret die Zwangsmaßnahmen drohen müssen hat die Rechtsprechung aber nicht thematisiert. Für das Ausreichen einer bestehenden Möglichkeit spricht daneben auch der Wortlaut des Gemeinschuldner-Beschlusses und einer weiteren Entscheidung des BVerfG, wonach ein Eingriff in die Handlungsfreiheit bereits bei einer „erzwingbare[n] Auskunftspflicht“ vorliegen soll.651 Demgegenüber ist nach dem Wortlaut der Entscheidung des OLG Frankfurt erforderlich, dass der „Angeklagte durch Einsatz von Zwangsmitteln“ zur Abgabe der selbstbelastenden Erklärung veranlasst wurde.652 Eine mehrfache Aufforderung zur Abgabe der Auskunft soll dafür jedenfalls nicht ausreichen. Der tatsächliche Einsatz von Zwangsmitteln war in dem Fall jedoch durch § 393 Abs. 1 AO untersagt, sodass es auch an der Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung gefehlt hätte. Insoweit lassen sich der überwiegenden Rechtsprechung zumindest Anhaltspunkte entnehmen, die auf das Ausreichen einer möglichen zwangsweisen Durchsetzung schließen lassen. Eine ausdrückliche Aussage wird jedoch nicht getroffen. In der Literatur wird daher ebenfalls überwiegend vertreten, dass die Erzwingbarkeit für ein Verwertungsverbot im Strafverfahren ausreichen müsse.653 Nach Diversy sollen alle Auskünfte, die nur in Erfüllung der Auskunftspflicht erteilt werden, unverwertbar und alle freiwilligen Angaben, die der Schuldner unaufgefordert erteilt, verwertbar sein.654 Insoweit fordert Diversy nicht mal eine erzwungene Auskunft und schränkt die Unverwertbarkeit nahezu nicht ein. Auch nach Schäfer soll genügen, dass der Auskunftsverpflichtete zur Vermeidung sonst drohender Zwangsmittel aussagt, eine Androhung oder Anordnung von Zwangsmitteln sei nicht erforderlich.655 Nach Buchert soll der Schutzbereich des nemo-teneturGrundsatzes bereits berührt sein, sobald die Gefahr besteht, dass die selbstbelas650

LG Potsdam, StV 2014, 407, 410. BVerfGE 56, 38, 41 f.; BVerfG, BeckRS 2008, 35240. 652 OLG Frankfurt, wistra 2006, 198, 200. 653 Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 144; Rogall in SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140; Schäfer, in: FS Dünnebier, 11, 42; Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 548 (Beweisverwertungsverbot nur, wenn Auskunftspflicht „nötigenfalls durch gesetzliche Zwangsmittel vollstreckt werden kann“); Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1758; Reiß, in: NJW 1982, 2540, 2541; Dingeldey, in: NStZ 1984, 529, 532; Verrel, in: NStZ 1997, 415; Diversy, in: ZInsO 2005, 180, 184; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377; Fritz, in: CCZ 2011, 156, 159; Reeb, Internal Investigations, S. 101 hält ausdrücklich die zivilrechtliche Verpflichtung zur selbstbelastenden Aussage für ausreichend; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 204; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 276; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 184 ff.; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 247; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 213 nimmt ausdrücklich für die „Möglichkeit der Vollstreckbarkeit“ einen Zwang im Sinne des nemotenetur-Grundsatzes an; vgl. auch Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; nach Wewerka, Internal Investigations, S. 267 dürfte die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung nach einem Umkehrschluss ihrer Ausführungen ebenfalls ausreichen. 654 Diversy, in: ZInsO 2005, 180, 184. 655 Schäfer, in: FS Dünnebier, 11, 42. 651

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E. Beweisverwertungsverbot

tenden Informationen aus der außerstrafrechtlichen Auskunftspflicht Eingang ins Strafverfahren finden.656 Ranft verlangt hingegen, „dringende, vornehmlich gesetzliche, Pflichten“.657 Die überwiegende Meinung in der Literatur und (wohl auch in der) Rechtsprechung, die eine Erzwingbarkeit durch das Vorhandensein von Zwangsmitteln ausreichen lassen, ist überzeugend. Dafür spricht im Hinblick auf interne Ermittlungen, dass ansonsten jede Befragung des Mitarbeiters aufgrund der Verfahrenslänge sinnlos werden würde.658 Betrachtet man die beträchtliche Zahl der Mitarbeiterbefragungen, die es beispielsweise im Rahmen der internen Ermittlung zur DieselThematik der Volkswagen AG gegeben haben soll – laut Presse sollen ungefähr 700 Mitarbeiter befragt worden sein659 – hätte die Annahme eines Schutzes des Mitarbeiters im Strafverfahren nur bei zwangsweiser Durchsetzung des Auskunftsanspruchs einen erheblichen Anstieg der Gerichts- und Zwangsvollstreckungsverfahren zur Folge. Dies würde die internen Ermittlungen erheblich in die Länge ziehen, was weder im Interesse des Unternehmens, noch der Strafverfolgungsbehörden ist.660 Außerdem könnte das Unternehmen dann nur schwerlich der Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung im Rahmen der Compliance nachkommen. Daneben lässt sich für diese Ansicht vorbringen, dass die Konfliktsituation des Betroffenen mit der Erzwingbarkeit der Auskunft entsteht, nicht erst durch Anwendung oder Androhung der Zwangsmittel.661 Abgesehen davon, dass eine Androhung nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht stattfindet, stellt das BVerfG ausdrücklich darauf ab, dass der Betroffene in eine Konfliktsituation geraten könne, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder wegen Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden662. Der Konflikt für die Entscheidungsfreiheit besteht demnach schon, wenn nur die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung besteht. Ebenfalls gegen das Erfordernis eines tatsächlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens sprechen die Nachteile für den Auskunftsschuldner, die sich daraus – neben der sowieso schon bestehenden umfassenden Auskunftspflicht – ergeben würden. Er hätte zum Zwecke des Schutzes vor einer Aushöhlung seiner Rechte im Strafverfahren mit erheblichen Prozesskosten zu rechnen, wenn er zu einer umfassenden Auskunft verpflichtet ist, da er als unterliegende Partei nach § 91 Abs. 1 ZPO 656

Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 203. Ranft, Strafprozeßrecht, Rn. 357; ähnlich Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1855 („gesetzlich festgelegte Auskunftspflicht“). 658 Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 144. 659 Süddeutsche-Artikel „Abgasskandal: VW lässt Mitarbeiter erneut befragen“ vom 31. 08. 2017, abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vw-abgasskandal-vw-laesst-mitar beiter-erneut-befragen-1.3647723 (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019). 660 Ähnlich Gerst, in: CCZ 2012, 1, 3, nach dem ein zeitaufwändiger Rechtsstreit dem Ziel des Unternehmens einer öffentlichkeitswirksamen und schnellen Aufklärung entgegenliefe. 661 Dingeldey, in: NStZ 1984, 529, 532. 662 So ausdrücklich BVerfGE 56, 37, 41; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 277. 657

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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grundsätzlich die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hätte. Zudem erscheint es insbesondere im Hinblick auf die belohnenswerte Rechtstreue und die Rechtsstaatlichkeit äußerst fragwürdig, die Person, die über das Zwangsvollstreckungsverfahren zur Auskunftserteilung angehalten werden muss, gegenüber der Person, die das Auskunftsrecht der anderen Partei anerkennt und die Auskunft schon bei der vorprozessualen privatrechtlichen Auskunftsanfrage erteilt, durch ein Verwertungsverbot zu privilegieren. (b) Einschränkungsforderungen der Literatur bei ausreichender Erzwingbarkeit Im Hinblick auf die Konsequenz eines Ausreichens einer Zwangsvollstreckungsmöglichkeit werden aber diverse Einschränkungserfordernisse vertreten. Ließe man nämlich jede Möglichkeit der Zwangsvollstreckung zur Erfüllung des Kriteriums einer mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Auskunftspflicht ausreichen, müssten nahezu alle Auskünfte, die zur Erfüllung materiell-rechtlicher Auskunftspflichten erteilt werden (z. B. §§ 402, 1214, 1379, 2218 BGB, §§ 74c Abs. 2, 86 Abs. 2 HBG) und für die kein Auskunftsverweigerungsrecht bei Selbstbezichtigung besteht, nach den Kriterien des Gemeinschuldner-Beschlusses mit einem Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren kompensiert werden, da grundsätzlich alle Auskunftspflichten nach § 888 Abs. 1 ZPO vollstreckbar sind.663 Dass das BVerfG die Folge eines Beweisverwertungsverbots aber auf alle materiell-rechtlichen Auskunftspflichten erstrecken wollte, ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grund wird zu Recht eine weitere Einschränkung des Kriteriums der erzwingbaren Pflicht gefordert, mit der Folge, dass nicht bei allen Auskunftspflichten die bloße Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung für eine Übertragbarkeit der Kriterien des Gemeinschuldner-Beschlusses ausreicht.664 Zunächst werden in dieser Konsequenz Auskunftsobliegenheiten des Betroffenen oder solche Pflichten, die lediglich Prozessnachteile für den Schweigenden auslösen (z. B. Aufklärungsverweigerung einer Partei im Zivilprozess), – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung665 – von dem Kriterium einer mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Auskunftspflicht ausgenommen.666 Dass es sich bei der Auskunftspflicht des Mitarbeiters nicht um eine Obliegenheit handelt, wurde bereits festgestellt.

663

Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1759 f.; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 107 ff.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 175. 664 Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1759 f.; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 175 ff., 181; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 108 ff. 665 Siehe dazu oben unter E.III.2.a)bb)(1). 666 Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1759 f.; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 532 ff.; Bittmann/ Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 172; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 139.

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E. Beweisverwertungsverbot

Darüber hinaus werden diverse weitere Einschränkungskriterien vertreten. Stürner667 verneint eine für ein Verwertungsverbot ausreichende erzwingbare Auskunftspflicht, wenn der Betroffene dem Informationsanspruch durch Erfüllung der Hauptforderung ausweichen könne, was bei allen ausschließlich einen Schadensersatzanspruch vorbereitenden Informationsansprüchen denkbar sei. Außerdem liege kein Verwertungsverbot vor, wenn allein Verteidigungsinteressen gegen einen Anspruch die Selbstbelastung erfordern, weil der Betroffene die Verurteilung dann hinnehmen kann.668 Immer wenn der Rechtsschutzanspruch der Gegenseite aber die Offenlegung der selbstbelastenden Information erfordere oder ein „selbstständiger“ Informationsanspruch (z. B. § 666 BGB) gegeben sei, trete das öffentliche Strafverfolgungsinteresse zurück und es müsse ein Beweisverwertungsverbot eingreifen.669 Benz möchte das Kriterium der erzwingbaren Auskunftspflicht in zeitlicher Hinsicht einschränken, indem er zwischen dem rein privaten Rechtsverkehr, dem Erkenntnisverfahren und dem Zwangsvollstreckungsverfahren unterscheidet.670 Im außergerichtlichen Rechtsverkehr sei kein staatlicher Zwang vorhanden; privater Zwang reiche für ein Verwertungsverbot aber nicht. Mit der Klageerhebung gehe die private Rechtsangelegenheit zwar in den öffentlich-rechtlichen Bereich über, doch auch damit würden die Zwangsmittel noch nicht zur unmittelbaren Folge einer Nichtauskunft. Das sei erst mit dem Ergehen eines Urteils der Fall. Benz korrigiert dieses Ergebnis dann jedoch aufgrund einer Unzumutbarkeit für den Betroffenen, wenn dieser erst ein Erkenntnisverfahren durchlaufen müsse, um sich im Strafverfahren schützen zu können, und verlagert den Schutzzeitpunkt auf die Rechtshängigkeit einer Auskunftsklage vor.671 Dann habe sich die Erzwingbarkeit so verdichtet, dass eine erzwingbare Auskunftspflicht gegeben sei. Nach Münkel672 soll eine rein hypothetische Möglichkeit der Zwangsvollstreckung nicht ausreichen, sodass auch eine Aufforderung des Auskunftsgläubigers nicht ausreiche. Je näher ein Auskunftsverpflichteter dem Risiko einer zwangsweisen Durchsetzung komme und je mehr sich der staatliche Zwang verdichte, desto eher soll eine erzwingbare Auskunftspflicht für ein Beweisverwertungsverbot ausreichen. Eine allein im außerprozessualen privatrechtlichen Rechtsverkehr stehende Auskunftspflicht solle in diesem vorprozessualen Stadium für das Erfordernis eines staatlichen Zwangs aber nicht ausreichen.673 667 Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1760; zustimmend Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 107 f. 668 Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1759 f.; zustimmend Dingeldey, NStZ 1984, 529, 532. 669 Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1760. 670 Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 108 f. 671 Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 110. 672 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 180. 673 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 180. So auch Schäfer, in: FS Dünnebier, 11, 12; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 174.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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(c) Stellungnahme Die von Stürner vorgenommene Differenzierung ist überzeugend, da der Betroffene bei der Möglichkeit der Erfüllung der Hauptforderung anstelle einer Selbstbelastung die Wahl hat zwischen zivilrechtlicher Anspruchsverwirklichung oder einem Schutz vor Selbstbelastung.674 Das Gleiche gilt, wenn sich der Betroffene nur mit einer Selbstbelastung gegen einen Anspruch verteidigen kann.675 Durch diese Entscheidungen wird die Entscheidungsfreiheit des Betroffenen nicht unzumutbar beeinträchtigt. Sollte es dem Arbeitgeber also ausschließlich um Schadensersatz gehen, wäre die Verwertung einer selbstbelastenden Auskunft des Mitarbeiters zulässig. Da der Arbeitgeber aber regelmäßig ein darüber hinaus gehendes generelles und regelmäßig Compliance bedingtes Aufklärungsinteresse hat, dürfte dieser Fall selten sein. Gegen das von Benz vertretene Erfordernis einer Klageerhebung kann man mit Münkel zu Recht einwenden, dass es sich um einen willkürlich gewählten Zeitpunkt für eine Einschränkung handelt, der sich dogmatisch nicht begründen lässt und nicht zu praktikablen Ergebnissen führt.676 Ein gewichtigeres Gegenargument ist jedoch, dass es nicht sein kann, dass der strafprozessuale Schutz durch ein Beweisverwertungsverbot in der Hand des Auskunftsberechtigten – durch dessen Möglichkeit Klage zu erheben – liegt, da dies dem Zweck der Strafprozessordnung entgegenläuft.677 Rödiger wendet daneben zu Recht ein, dass es nicht erklärlich sei, warum es dem Mitarbeiter unzumutbar sein soll, für den Schutz durch ein Beweisverwertungsverbot eine zivilgerichtliche Verurteilung hinnehmen zu müssen, eine Klageerhebung jedoch zumutbar und für ein Beweisverwertungsverbot erforderlich sein soll.678 Maßgebend sei vielmehr, dass der Mitarbeiter unter dem Druck der möglichen zwangsweisen Durchsetzung aussage.679 Auf den Richterspruch komme es für die Zwangslage hingegen nicht an.680 Außerdem wäre diese Differenzierung auch nicht prozessökonomisch. Würde sich diese Einschränkung durchsetzen, würde sich daraus vermutlich die Konsequenz für die Praxis ergeben, dass die Mitarbeiter bis zur Klageerhebung schweigen und erst nach diesem Zeitpunkt umfassend aussagen würden, weil erst dann strafprozessualer Schutz bestehen würde. Das würde nicht nur zu unnötigen Prozessen und Prozesskosten führen,681 sondern auch den rechtlich beratenen und über diese Differenzierung Kenntnis habenden Mitarbeiter gegenüber 674

So auch Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 107 f. Ebenso Dingeldey, NStZ 1984, 529, 532. 676 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 179. 677 So auch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 179. 678 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 280; zustimmend Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 186. 679 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 280; ähnlich Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 186; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 213 (Fn. 420). 680 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 213. 681 Mit vergleichbarer Argumentation Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 186. 675

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E. Beweisverwertungsverbot

dem rechtlich nicht beratenen und unwissenden Mitarbeiter privilegieren. Eine solche Privilegierung ist aber nicht zu rechtfertigen. Trotz Münkels Kritik an der Eingrenzung von Benz, lassen sich die gleichen Argumente auch gegen das von ihr vertretene Einschränkungskriterium einwenden. Eine Handhabe über das Risiko der zwangsweisen Durchsetzung haben in der Regel nur der Auskunftsgläubiger und -schuldner, sodass das Eingreifen eines Beweisverwertungsverbots auch nach Münkels Ansicht in der Hand einer der Parteien läge. Nach dem BVerfG gilt im Strafprozess als Amtsprozess aber das Prinzip der materiellen Wahrheitserforschung, dem es widerspricht, wenn die Verfahrensbeteiligten über den Prozessstoff oder ein vorzeitiges Ende des Prozesses verfügen könnten.682 Bezogen auf den Mitarbeiter im Mitarbeiterinterview, müsste der Mitarbeiter außerdem zusätzliche Nachteile im Sinne von zivil- und arbeitsrechtlichen Sanktionen683 erleiden, um in den Genuss des strafprozessualen Beweisverwertungsverbotes zu gelangen, wenn er sich der ersten Auskunftsanfrage des Arbeitgebers nicht beugen dürfte und er nur durch Zurückhaltung seiner Aussage das Risiko der zwangsweisen Durchsetzung erhöhen könnte. Diese Lage hat jedoch auch Münkel684 zuvor als „unglückliche Situation“ für den Mitarbeiter eingestuft. Sie wird durch ihr Erfordernis einer verdichteten Gefahr der Zwangsvollstreckung aber ebenso herbeigeführt, wie durch die von Benz geforderte rechtshängige Klage. Des Weiteren steht die Auskunft im Mitarbeiterinterview aufgrund der in der Praxis regelmäßig erfolgenden Kooperation des Unternehmens mit den Strafverfolgungsbehörden auch nicht „allein im außerprozessualen Privatrechtsverkehr“685. Vielmehr ist der Weg in den Strafprozess schon bei der Auskunftserteilung angelegt, worüber der Mitarbeiter regelmäßig belehrt wird. Im Ergebnis ist daher für die Mitarbeiterauskunft im Rahmen der regelmäßig repressiven Internal Investigation eine unter die Kriterien des GemeinschuldnerBeschlusses fallende erzwingbare Auskunftsflicht anzunehmen. Man muss daher bereits einen unzulässigen Zwang zur Selbstbelastung annehmen, wenn sich der Mitarbeiter in Kenntnis der Auskunftspflicht nicht freiwillig selbstbelastend äußert. Dabei muss als Motiv ausreichen, dass er durch die Auskunftserteilung ein Zivilverfahren bzw. sonst drohende Zwangsmittel vermeiden will.686 Der Mitarbeiter unterliegt damit auch bei einer Auskunftserteilung ohne rechtliche Durchsetzung einem rechtlichen staatlichen und nicht nur einem faktischen Zwang,687 da die 682

BVerfGE 57, 250, 279. Siehe dazu oben unter C.VI.1. 684 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 179. 685 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 180; ähnlich auch Zerbes, in: ZStW 125 (2013), 551, 558 f.; Ignor, in: CCZ 2011, 143; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 109. 686 So auch Schäfer, in: FS Dünnebier, 11, 42. 687 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 185 f.; ähnlich Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120, 121; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 276 f., nach der durch die Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung durch den 683

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

271

Möglichkeit eines rechtlichen Zwangs in ihrer Wirkung auf die Entscheidungsfreiheit einem rechtlichen Zwang gleichzustellen ist. (2) Staatlich vermittelter Zwang Insoweit kann es auch nicht überzeugen, aufgrund der privatrechtlichen Ausgangslage das Vorliegen staatlichen Zwangs abzulehnen. Teile der Literatur wenden diesbezüglich im Hinblick auf die Zwangsvollstreckungsmöglichkeit nach § 888 Abs. 1 ZPO688 ein, dass die Auskunftspflicht dadurch nicht zu einem staatlichen Zwang werde.689 Vom Staat angeordnete Zwangsmaßnahmen nach § 888 Abs. 1 ZPO würden keinen staatlich veranlassten Zwang zur Selbstbelastung darstellen, der den nemo-tenetur-Grundsatz tangiere, da damit nicht die Strafverfolgung, sondern die private Rechtsdurchsetzung bezweckt sei.690 Der Staat stelle vielmehr nur ein „Instrumentarium von Zwangsmitteln“ zur Verfügung, die durchsetzbare Pflicht bleibe strukturell aber eine privatrechtliche.691 Wie bereits ausgeführt, hindert die privatrechtliche Ausgangslage die Übertragbarkeit der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses nicht.692 Formal betrachtet ist der Annahme einer Auskunftspflicht aus einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag, die auch bei einer Zwangsvollstreckung strukturell eine privatrechtliche Pflicht bleibe, zwar durchaus zuzustimmen. Auch an dieser Stelle kann jedoch eine solche formale Argumentation im Hinblick auf den im Raum stehenden Grundrechtseingriff

Gesetzgeber staatlicher Zwang vermittelt wird; nach Kottek, Kooperation, S. 118 könne der private Zwang jederzeit in staatlichen übergehen; nach Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 247 ff., 254, bestehen wegen der Vollstreckbarkeit Eingriffe durch die „deutsche Staatsgewalt“, weshalb der Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes eröffnet sei; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 212 f. 688 Siehe dazu oben unter C.VI.2. 689 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 389; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1795; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 151; vgl. Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 549 f.; a.A. Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 247 ff., 254, nach der wegen der Vollstreckbarkeit Eingriffe durch die „deutsche Staatsgewalt“ bestehen und daher der Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes eröffnet sei; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 215; ähnlich auch Kottek, Kooperation, S. 119 f. 690 Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 151. 691 Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1795; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 247; Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 103, 114; ähnlich BVerfG, BeckRS 2004, 22491, wonach der Zwang zur Selbstbelastung im Zwangsvollstreckungsverfahren nur die prozessuale Konsequenz des Erkenntnisverfahrens sei; ähnlich auch OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 55; vgl. auch BVerfGE 73, 261, 268, wonach privatrechtlichen Vereinbarungen kein öffentlich-rechtlicher Charakter zukomme, wenn ein Richter sie im Streitfall interpretiere und anwende; vgl. auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 203; im Ergebnis auch Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12. 692 Siehe dazu oben unter E.III.2.b)bb)(1) und E.III.2.b)bb)(2).

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E. Beweisverwertungsverbot

nicht überzeugen693. Betrachtet man die Ausgangslage im Insolvenzrecht, fällt auf, dass das staatliche Verfahren dort ebenfalls auf die Durchsetzung privater Interessen gerichtet ist.694 Daneben soll nach einer Entscheidung des OLG Stuttgart ein vom Privatrecht ausgehender Zwang durch zwangsweise Durchsetzung der Auskunftspflicht zu einem Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren führen können, wenn dieses im Einzelfall zum Schutz der Grundrechte wegen Unverhältnismäßigkeit erforderlich sei.695 Privatrechtliche Ausgangslagen lagen zudem den Entscheidungen zu § 807 ZPO und § 888 ZPO zugrunde, bei denen der Rechtsstreit bereits in die hoheitliche Zwangsvollstreckungsphase eingetreten war und für die ein Beweisverwertungsverbot für erforderlich gehalten wurde.696 Demnach kann also auch ein vom Privatrecht ausgehender Zwang zu einem Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren führen, wenn ein solches im Einzelfall zum Schutz der Grundrechte des Betroffenen im Hinblick auf sein strafprozessuales Schweigerecht erforderlich ist. Durch die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung wird daher rechtlicher und staatlicher Zwang vermittelt.697 Denn als Folge der rechtlich vorgeschriebenen Auskunftspflicht kann der betroffene Mitarbeiter gerade in die Konfliktsituation geraten, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder wegen Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden.698 Die staatlichen Zwangsmittel können also mittelbare Folge der Verletzung der Auskunftspflicht sein. Durch die Möglichkeit der Vollstreckbarkeit wird dem Mitarbeiter die freie Entscheidungsmöglichkeit genommen, sodass ein Zwang zur Selbstbelastung angenommen werden kann.699 Daher unterliegt der Mitarbeiter durch die – wie bereits festgestellte700 – ausreichende Möglichkeit der Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO sowohl rechtlichem als auch staatlichem Zwang701. 693

So auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 214 ff. BVerfGE 116, 1, 13; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 277; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 158 f.; dieses Ziel lässt sich auch aus § 1 S. 1 InsO herauslesen. 695 OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 59 ff. 696 Vgl. BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BVerfG, BeckRS 2008, 35240; BGHSt 37, 340. 697 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 276 f.; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 290; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 247 ff., 254. 698 So ausdrücklich BVerfGE 56, 37, 41; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 277. 699 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 213; im Ergebnis so auch Wastl/Litzka/ Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120, 121; Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 453 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 276; vgl. auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 204 ff. 700 Siehe dazu oben unter E.III.2.b)dd)(1). 701 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 185 f.; ähnlich Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120, 121; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 276 f., nach der durch die Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung durch den Gesetzgeber staatlicher Zwang vermittelt wird; nach Kottek, Kooperation, S. 118 könne der private Zwang jederzeit in staatlichen übergehen; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, 694

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

273

(3) Rechtlicher oder faktischer Zwang? Lehnt man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – die Zwangsvollstreckungsmöglichkeit als solche z. B. wegen § 888 Abs. 3 ZPO702 oder das Ausreichen einer solchen Möglichkeit ab, stellt sich die Frage, ob für ein Beweisverwertungsverbot immer rechtlicher Zwang erforderlich ist, oder ob auch ein faktischer Zwang, insbesondere beim Drohen besonders gewichtiger oder gar existenzgefährdender Nachteile, ausreicht. Dieser Frage kommt nach der hier vertretenen Ansicht auch Bedeutung für den Fall der unfreiwilligen Auskunft zum mittelbaren Arbeitsbereich zu, da im Übrigen für den unmittelbaren Arbeitsbereich eine umfassende und erzwingbare Auskunftspflicht besteht und sich das Erfordernis nach einem faktischen Zwang nicht stellt. Die auf den Gemeinschuldner-Beschluss folgende Rechtsprechung hat diese Frage teilweise thematisiert, aber überwiegend nicht entschieden.703 Bejaht hat diese Frage nur der 1. Strafsenat des OLG Celle.704 Nach dem BGH erschien eine solche Ausnahme aber „zweifelhaft“.705 Das LG Hamburg maß den erheblichen, mitunter existenziellen Auswirkungen der Einhaltung arbeitsvertraglicher Pflichten für den Mitarbeiter keine Bedeutung zu.706 Mit der Rechtsprechung des BVerfG707 im Jahr 2004 und des BGH708 im Jahr 2005 dürfte die Frage, ob faktischer privater Zwang zur Auskunftserteilung für ein Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ausreicht, jedoch grundsätzlich in negativer Weise geklärt sein. Das BVerfG forderte für ein Beweisverwertungsverbot insoweit ausdrücklich eine rechtlich erzwingbare Auskunftspflicht durch Zwangsmittel bzw. Zwangsmaßnahmen und hielt eine faktische Zwangslage – vorliegend das starke Motiv einer bei einem Verschweigen der selbstbelastenden Angaben fehlgehenden Selbstanzeige (§ 371 AO) – ausdrücklich für nicht ausreichend.709 Auch im Übrigen fordert die Rechtsprechung rechtlichen Zwang zur Selbstbelastung im Sinne einer zwangsweisen Durchsetzung der Auskunftspflicht, einer Möglichkeit der Zwangsvollstreckung bzw. einem Vorhanden-

S. 212 f.; nach Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 247 ff., 254, bestehen wegen der Vollstreckbarkeit Eingriffe durch die „deutsche Staatsgewalt“, weshalb der Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes eröffnet sei. 702 So Rieble, in: ZIP 2003, 1273, 1279; Anders, in: wistra 2014, 329, 331; Wewerka, Internal Investigations, S. 240. 703 BGHSt 36, 328, 334; OLG Celle, NJW 1985, 640; KG, NStZ 1995, 146, 147; vgl. im Übrigen zur Rechtsprechung oben unter E.III.2.a)bb)(2). 704 OLG Celle, NStZ 1982, 393. 705 BGHSt 36, 328, 334. 706 LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris, Rn. 83. 707 BVerfG, NJW 2005, 352 f. 708 BGHSt 50, 299, 318. 709 BVerfG, NJW 2005, 352, 353.

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E. Beweisverwertungsverbot

sein von Zwangsmitteln.710 Da nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung nur rechtlicher Auskunftszwang ausreichend ist, dürfte damit grundsätzlich auch die Frage beantwortet sein, ob faktische existenzbedrohende Nachteile für ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot ausreichen. Dies wäre aufgrund des fehlenden rechtlichen Zwangs, den die höchstrichterliche Rechtsprechung fordert, also zu verneinen. In der Literatur wird diese Frage hingegen teilweise bejaht.711 Hinter dieser Ansicht steht dabei vor allem der Wunsch nach einem Schutz des Mitarbeiters, welcher ohne das Ausreichen faktischen Zwangs bei einer Ablehnung der umfassenden Auskunftspflicht ansonsten nur schwer begründet werden könnte.712 Begründen lässt sich diese Ansicht damit, dass insbesondere durch arbeitsrechtliche Amnestie-Regelungen und der damit verbundenen „talk or walk“-Strategie erheblicher Druck bzw. faktischer Zwang auf den Mitarbeiter ausgeübt und seine Willensentschließungsfreiheit beeinträchtigt werde.713 Wegen der möglichen existenzgefährdenden Intensität greife dieser Druck in gleicher Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters ein, wie bei einem auskunftspflichtigen Insolvenzschuldner.714 Dabei ist zunächst anzumerken, dass die arbeits- bzw. zivilrechtlichen Sanktionen (insbesondere Kündigung und Schadensersatz) aber nicht immer existenzgefährdend für den Mitarbeiter sind, sondern dies immer anhand einer Einzelfallbetrachtung festgestellt werden muss.715 Im Übrigen ist diesem Ansatz insoweit zuzustimmen, als dass der Mitarbeiter durch die internen Ermittler 710 BVerfG, NStZ 1995, 599, 600; BVerfG, NJW 2005, 352, 353; BGHSt 36, 328, 333; BGH, NJW 2005, 763, 765, nach dem auch die Strafandrohung als rechtlicher Zwang ausreicht; BGHSt 50, 299, 317; OLG Frankfurt, wistra 2006, 198, 200; OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 54; LG Potsdam, StV 2014, 407, 410; vgl. auch BGHSt 37, 340, 342 f.; BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BVerfG, BeckRS 2008, 35240. 711 Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 754; Jäger, in: GA 2008, 473, 489; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71 zumindest für SEC-veranlasste Internal Investigations; Kottek, Kooperation, S. 118; vgl. auch Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 269, die zwar eine Pflicht des Mitarbeiters auch zur Selbstbelastung unterstellen, aber dennoch faktischen Zwang annehmen und sich mit der Frage der Erzwingbarkeit (§ 888 Abs. 1 ZPO) nicht auseinandersetzen. vgl. auch Reeb, Internal Investigations, S. 103, der in der Problematik um die faktische Mitwirkungspflicht eher ein Plädoyer für einen adäquaten Beschäftigtenschutz sieht, als ein neben dem rechtlichen Zwang anzuerkennendes Konstrukt. 712 So auch Reeb, Internal Investigations, S. 103; nach Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 754 ff. können die Kriterien des Gemeinschuldner-Beschlusses zwar nicht übertragen werden, aber aufgrund eines „Outsourcings von Ermittlungshandlungen“ solle jedenfalls § 136a StPO mittelbar gelten; nach Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71 soll aufgrund der Beeinträchtigung der Willensfreiheit durch faktischen Zwang ebenfalls eine Berührung des nemo-tenetur-Grundsatzes vorliegen. 713 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 388; Kottek, in: wistra 2017, 9, 10; Reeb, Internal Investigations, S. 103. 714 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Kottek, Kooperation, S. 118. 715 Ähnlich auch Reeb, Internal Investigations, S. 103; a.A. wohl Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 216, der jedenfalls in der Regel existenzbedrohende Sanktionen annimmt.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

275

durch arbeitsrechtliche oder zivilrechtliche Konsequenzen unter großen Druck gesetzt werden kann.716 Für den Mitarbeiter besteht daher wohl auch kein oder nur ein geringer Unterschied zwischen einem staatlichen Verfahren bzw. einer strafprozessualen Beschuldigtenvernehmung und dem arbeitsrechtlichen Interview.717 In beiden Situationen ist er in der Regel untergeordnet, entweder als Beschuldigter oder als Arbeitnehmer/Mitarbeiter. Außerdem muss richtigerweise auch faktischer Zwang – soweit er von Staatsseite ausgeübt wird – für einen Verstoß gegen den nemotenetur-Grundsatz ausreichen, da beispielsweise Folter keinen rechtlichen Zwang darstellt, aber dennoch eindeutig gegen die einfachgesetzliche Ausprägung des nemo-tenetur-Grundsatzes in § 136a StPO verstößt.718 In diesem letzten Argument zeigt sich jedoch der berechtigte und wesentliche Kritikpunkt der Gegenansicht, nach der eine faktische Zwangslage nicht einem rechtlichen Zwang, wie ihn das BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss fordert, gleichgesetzt werden kann.719 Die erforderliche staatliche Komponente fehlt bei faktischem privaten Zwang. Eine gleichwertige oder ähnliche Intensität des Zwangs kann eine fehlende staatliche Komponente aber nicht ersetzen.720 Daher soll ein faktischer Zwang bzw. wirtschaftlicher Druck nach dieser Ansicht, die sich insbesondere auch bei einer Abstimmung auf dem 67. Deutschen Juristentag durchgesetzt hat, nicht für ein Beweisverwertungsverbot ausreichen.721 Es ist mithin überzeugend, dass das selbstständige Beweisverwertungsverbot nach den Grundsätzen des Gemeinschuldner-Beschlusses nur bei staatlich sanktionsbewehrter Auskunftspflicht eingreifen kann.722 Bei vorliegendem faktischen Zwang und gegebenenfalls exis-

716

Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 11; Wewerka, Internal Investigations, S. 241; vgl. Jahn, in: StV 2009, 41, 44. 717 Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17; Wewerka, Internal Investigations, S. 242; ähnlich Wastl/ Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 71; Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 825; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 452; Spehl, in: CCZ 2017, 204. 718 Greco/Caracas in NStZ 2015, 7, 11; vgl. auch Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Rust/ Abel, in: ZWeR 2012, 521, 530; gegen das Ausreichen eines faktischen Zwangs bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vgl. BGH, NJW 2005, 352, 353; so auch Dann/ Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1855. 719 Jahn, in: StV 2009, 41, 44; vgl. auch Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 173 f. 720 BVerfG, NJW 2005, 352, 353; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 12; Beschluss der Abteilung Strafrecht des 67. Deutschen Juristentages, vgl. Verhandlungen des 67. DJT, Band II/ 1, S. L70; Jahn, in: StV 2009, 41, 44; Wewerka, Internal Investigations, S. 242 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 115 ff.; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 250; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 173; vgl. Anders, in: wistra 2014, 329, 332. 721 Jahn, in: StV 2009, 41, 44; in dem Beschluss der Abteilung Strafrecht des 67. Deutschen Juristentages wurde wirtschaftlicher Druck mit 20:31:8 Stimmen als nicht ausreichend für ein Beweisverwertungsverbot befunden, vgl. Verhandlungen des 67. DJT, Band II/1, S. L70. 722 BGHSt 36, 328, 333; BGH, NJW 2005, 763, 765; KG, NStZ 1995, 146, 147; OVG Lüneburg, BeckRS 2012, 49160; LG Mannheim, BeckRS 2008, 11528.

276

E. Beweisverwertungsverbot

tenzbedrohenden Belastungen für den Mitarbeiter ist hingegen ein Beweisverwertungsverbot nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens zu prüfen.723 ee) Ausreichen einer nur subjektiv bestehenden umfassenden und erzwingbaren Auskunftspflicht? Vergleichbar mit der Situation eines nur faktischen Zwangs ist auch die Problematik einer nur subjektiv (aus Sicht des Mitarbeiters) bestehenden, umfassenden und erzwingbaren Auskunftspflicht. Insoweit sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden: Es ist zum einen möglich, dass sich der Mitarbeiter über das Bestehen einer Auskunftspflicht irrt, er also beispielsweise davon ausgeht, dass es sich um eine Auskunft mit unmittelbarem Bezug zum Arbeitsbereich handelt, obwohl nur ein mittelbarer Bezug besteht oder er diese Differenzierung kennt, aber annimmt, auch bei letzterer zu selbstbelastenden Angaben verpflichtet zu sein. Dann sagt der Mitarbeiter also in Unkenntnis der Rechtslage aus. Zum anderen sind Fallkonstellationen denkbar, in denen die internen Ermittler oder die Unternehmensvertreter dem Mitarbeiter bewusst vorspiegeln, dass er umfassend aussagen muss, obwohl eine solche Pflicht tatsächlich nicht besteht. Der Mitarbeiter wird also getäuscht. (1) Irrtum über das Bestehen oder die Reichweite der Auskunftspflicht Für die erste Situation wird überwiegend vertreten, dass die Rechtsordnung vor einem solchen Irrtum in der Sphäre des Betroffenen nicht schützt, sodass ein Beweisverwertungsverbot nicht bestehe.724 Die Gegenansicht, die auf die subjektive Sichtweise des Mitarbeiters abstellt, begründet dies mit einem Erst-Recht-Schluss.725 Das Beweisverwertungsverbot, das bei einer umfassenden Auskunftspflicht wegen überwiegender Arbeitgeberinteressen greife, müsse erst recht greifen, wenn der Mitarbeiter eigentlich aufgrund eigener überwiegender Interessen ein Auskunftsverweigerungsrecht gehabt hätte. Außerdem zeige schon der § 136 StPO, dass es auf das Vorstellungsbild des Betroffenen ankomme, da die Belehrung gerade eine irrtümliche Vorstellung vermeiden wolle.726 Diese Ansicht dürfte demnach von Schutzgedanken zugunsten des Mitarbeiters geleitet sein, der regelmäßig juristischer Laie sein dürfte. Ein Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG lässt sich für diese Konstellation jedoch nicht ableiten. Objektiv betrachtet fehlt in dieser Situation sowohl die erforderliche umfassende Auskunftspflicht, als auch 723

E.IV.2.

Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390 ff. Siehe dazu im Einzelnen unten unter

724 Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 111; Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1855; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1929; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Wewerka, Internal Investigations, S. 268; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 205, 259; a.A. Sarhan, in: wistra 2015, 449, 455; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 306. 725 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 306. 726 Sarhan, in: wistra 2015, 449, 455.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

277

die für die Zwangslage erforderliche rechtliche Erzwingbarkeit.727 Die erforderliche Ausgangslage für den auflösungsbedürftigen Konflikt durch das subjektive Vorstellungsbild zu ersetzen, ist mithin nicht überzeugend. Ohne objektiv bestehende Konfliktlage kann ein Beweisverwertungsverbot nach den Grundsätzen des Gemeinschuldner-Beschlusses daher nicht angenommen werden. Nichts anderes kann gelten, wenn der Irrtum des Mitarbeiters unbewusst durch den Arbeitgeber hervorgerufen wurde, da es auch in dem Fall an der erforderlichen Konfliktlage fehlt.728 Insoweit dürfte aber sowohl bei autonomer Fehlvorstellung als auch bei einem heteronom hervorgerufenen Irrtum unter gewissen hinzutretenden Umständen ein Beweisverwertungsverbot aus einem Verstoß gegen den fair-trialGrundsatz zu prüfen sein.729 (2) Täuschung über die Auskunftspflicht Im Hinblick auf die zweite Konstellation der bewussten Täuschung des Mitarbeiters über das Bestehen oder den Umfang der Auskunftspflicht kommt der Gedanke der Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters in der Literatur verständlicherweise deutlicher zum Vorschein. Deswegen wird vermehrt ein Beweisverwertungsverbot gefordert.730 Argumentiert wird diesbezüglich insbesondere mit rechtsstaatlichen Gesichtspunkten.731 Die mit Täuschungen einhergehenden, gewichtigen und menschenwürderelevanten Verstöße dürften nicht sanktionslos im späteren Strafverfahren verwertet werden.732 Problematisch ist jedoch auch hier, dass objektiv keine umfassende und erzwingbare Auskunftspflicht gegeben ist, sodass ein Verwertungsverbot nach den Grundsätzen des Gemeinschuldner-Beschlusses ausscheiden muss.733 Insoweit tendiert die Literatur zu einer Lösung über § 136a StPO analog734 oder den fair-trial-

727 So auch Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 266; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 259. 728 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 259 f. 729 Siehe zu den Beweisverwertungsverboten wegen eines Verstoßes gegen den fair-trialGrundsatz unten unter E.IV.2. 730 Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 111; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 144; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 260 ff.; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270 ziehen ein solches zumindest in Betracht; angedeutet auch von Rogall, in: NStZ 1989, 288; vgl. auch Knierim, in: StV 2009, 324, 330. 731 Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 111. 732 Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 111. 733 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 261. 734 Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 481; Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270.

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E. Beweisverwertungsverbot

Grundsatz735. Die genauere Erörterung dieser beiden Lösungswege erfolgt aus systematischen Gründen an späterer Stelle.736 Hinsichtlich der Berufsethik der Rechtsanwälte dürften bewusste Täuschungen des Mitarbeiters in der Praxis aber eher selten vorkommen.737 ff) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses verallgemeinerungsfähig sind und sich auf vergleichbare Fallkonstellationen übertragen lassen. Eine solche vergleichbare Konstellation liegt auch bei der Mitarbeiterbefragung im Rahmen der Internal Investigation vor. Jedenfalls für Fragen zum unmittelbaren Arbeitsbereich besteht eine umfassende und erzwingbare Auskunftspflicht (§ 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB), § 888 Abs. 1 ZPO), die im Interesse des Arbeitgebers bzw. des Unternehmens gerechtfertigt ist. Für die Vergleichbarkeit der Konstellationen kommt es zudem nicht darauf an, dass es sich bei dieser Auskunftspflicht um eine private vertragliche Pflicht handelt, da die auflösungsbedürftige Konfliktlage des Betroffenen nicht nur bei einer gesetzlichen Auskunftspflicht besteht. Außerdem reicht die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung für das Beweisverwertungsverbot aus. Aufgrund dieser Zwangsvollstreckungsmöglichkeit liegt rechtlicher und staatlich vermittelter Zwang vor. Faktischer Zwang reicht hingegen für ein Verwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht aus. Ein Verwertungsverbot kann zudem nicht für die Fälle angenommen werden, in denen der Mitarbeiter irrig von einer Auskunftspflicht ausgeht, unabhängig davon, ob der Irrtum allein seiner Sphäre entspringt oder der Mitarbeiter bewusst oder unbewusst getäuscht wurde, da dann objektiv keine erzwingbare Auskunftspflicht gegeben ist. Für diese Fälle kommt ein Beweisverwertungsverbot zum Schutz des Mitarbeiters aber über § 136 StPO (analog) oder den fair-trial-Grundsatz in Betracht.738 c) Kompensation des Eingriffs in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG durch ein Beweisverwertungsverbot Nachdem nun festgestellt werden konnte, dass die Kriterien des Gemeinschuldner-Beschlusses auf die Situation des Mitarbeiterinterviews bei einer umfassenden und erzwingbaren Auskunftspflicht übertragbar sind, wird im Folgenden begründet, warum dieser zwar durch die Interessen Dritter gerechtfertigte Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen durch ein Beweisverwertungsverbot im 735 Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 111; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 264. 736 Siehe dazu unten unter E.IV. 737 So auch Wewerka, Internal Investigations, S. 135 f., 146 m.w.N. 738 Siehe dazu unten unter E.IV.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Strafverfahren kompensiert werden muss. Da selbstständige Beweisverwertungsverbote immer von einer Abwägung des Strafverfolgungsinteresses und der Interessen des Beschuldigten abhängen,739 wird erörtert, warum ein Zurücktreten der Strafverfolgungsinteressen überzeugt. aa) Keine Beeinträchtigung der Strafverfolgungsinteressen Das Interesse des Staates an einer effektiven und wirksamen Strafverfolgung ist wie das Interesse des Beschuldigten, sich nicht selbst belasten zu müssen, verfassungsrechtlich anerkannt740. Es folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip741 und nimmt einen hohen Stellenwert ein. Das Strafverfolgungsinteresse des Staates wird jedoch durch das Verwertungsverbot im vorliegenden Fall nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, da dem Beschuldigten im „normalen“ Strafverfahren ein Schweigerecht zustehen würde (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO), sodass sich die Position der Strafverfolgungsbehörden gegenüber einem „normalen“ Strafverfahren nicht verschlechtert742. Die Strafverfolgungsbehörden würden hier mehr bekommen, als sie selbst in einem Strafverfahren erlangen könnten.743 Die Erlangung „weitergehende[r] Möglichkeiten […] als in anderen Fällen der Strafverfolgung“ ist jedoch auch nach dem BVerfG nicht gerechtfertigt.744 Diese Besserstellung folgt dabei auch nicht nur aus der Umgehung des Schweigerechts des Beschuldigten, sondern auch aus den weiteren Unterschieden zwischen Mitarbeiterinterview und Beschuldigtenvernehmung. Im Gegensatz zur polizeilichen Vernehmung können die internen Ermittler mittels der Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen massiven Druck auf den Mitarbeiter ausüben, was regelmäßig weder dem § 240 StGB noch dem § 136a StPO unterfällt. 739 Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C79; Park, Durchsuchung und Beschlagnahme, § 2 Rn. 395; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 269, 305; Wewerka, Internal Investigations, S. 265; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 231. 740 BVerfGE 46, 214, 222 f.; BVerfGE 49, 24, 54; BVerfGE 51, 324, 343 f.; BVerfGE 124, 43, 64; Wolter, in: NStZ 1984, 276. 741 BVerfGE 46, 214, 222 f.; BVerfGE 49, 24, 54; BVerfGE 51, 324, 343 f. 742 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 278; ähnlich Reeb, Internal Investigations, S. 101 f., 151 f.; vgl. auch Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 303, nach dem alle Ergebnisse überschießender zivilrechtlicher Ermittlungsbefugnisse unverwertbar sind, also all diejenigen Beweise, die die Staatsanwaltschaft nicht auch selbst hätte erlangen können; vgl. Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 259; a.A. Matula, Private Ermittlungen, S. 221 f., nach der die Strafverfolgungsinteressen das Individualinteresse des Mitarbeiters jedenfalls in der Siemens-Affäre überwogen haben, da die erhebliche Erleichterung der Sachverhaltsaufklärung gerade bei wirtschaftsstrafrechtlichen Verfahren und Straftaten aus dem Katalog des § 100a StPO (Straftaten gegen den Wettbewerb) wichtig sei. Im Ergebnis nimmt Matula daher kein Beweisverwertungsverbot an. 743 Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 251. 744 BVerfGE 56, 37, 51.

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E. Beweisverwertungsverbot

Diese Besserstellung der Strafverfolgungsbehörden, die aus der Umgehung des § 136 Abs. 1 S. 2 StPO und der damit einhergehenden Schlechterstellung des betroffenen Mitarbeiters folgt, ist nicht gerechtfertigt und durch ein Beweisverwertungsverbot zu verhindern.745 Ansonsten wäre das Schweigerecht des Beschuldigten „illusorisch“.746 Der insoweit gewährte Schutz des Mitarbeiters durch ein Verwertungsverbot soll nicht darüber hinweg täuschen, dass Unternehmen nicht handeln können, sondern natürliche Personen die Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten begehen und darin ein höherer Unrechtsgehalt liegt747. Das Verwertungsverbot soll indes nicht dazu dienen, den Mitarbeiter aus der Verantwortung zu befreien, die er für die begangene Straftat trägt. Es soll nur die im Rahmen der Kooperation angelegte Umgehung der Selbstbelastungsfreiheit verhindern und die Strafverfolgungsbehörden nicht besser stellen, als in anderen Strafverfahren. bb) Mittelbare staatliche Veranlassung des Beweistransfers und der Umgehung von Mitarbeiterrechten Für ein Beweisverwertungsverbot spricht daneben die in der Kooperation des Unternehmens mit der Staatsanwaltschaft angelegte Umgehung des nemo-teneturGrundsatzes. Nach dem BGH liegt eine Gesetzesumgehung vor, wenn ein nicht ausdrücklich verbotener Weg gewählt wird, dieser Weg aber zu einem vom Gesetz missbilligten Ergebnis führt.748 Das Umgehungsargument ist der Rechtsprechung dabei insbesondere im Hinblick auf den nemo-tenetur-Grundsatz nicht fremd.749 Im Hinblick auf die Mitarbeiterinterviews wurde bereits festgestellt, dass diese nicht den Vorschriften der StPO unterliegen, sodass kein unmittelbarer Schutz der Selbstbelastungsfreiheit gewährleistet ist, sondern gerade im Gegenteil eine auch die Selbstbelastung umfassende Auskunftspflicht besteht. Soll diese Auskunft jedoch später gezielt als Beweis gegen den Mitarbeiter verwendet werden, müssen indes andere Maßstäbe gelten, denn für den staatlichen Akt der Verwertung gelten die Grundrechte unmittelbar (Art. 1 Abs. 3 GG),750 also auch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Der Staat ist darüber hinaus verpflichtet, dem Schutz des Persönlich745 Reeb, Internal Investigations, S. 101 f.; vgl. Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 251; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 278, 305. Im Ergebnis so auch BVerfGE 56, 37, 51. 746 BVerfGE 56, 37, 51; BVerfG, NJW 2005, 352; BVerfG, BeckRS 2008, 35240. 747 Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 380. 748 BGHSt 42, 139, 148. 749 BGHSt 34, 39, 46; BGHSt 40, 66, 71 f.; BGH, NStZ 1995, 410, 411; BGHSt 52, 11, 16, 18 f.; LG Hamburg, MDR 1984, 867, 868; vgl. auch Roxin, in: NStZ 1995, 465, 466. 750 Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 257; Schuhr, in: MüKo StPO, Vorb. zu §§ 133 ff. Rn. 115; nach Reeb, Internal Investigations, S. 131 f. greift ebenfalls die bloße Weiterleitung oder Verwertung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein; nach Sarhan, in: wistra 2015, 449, 453 müssen die Strafverfolgungsorgane die Aussagefreiheit auch bei der Entgegennahme der Erkenntnisse und der geplanten Verwertung beachten, da auch dieser Teil zur staatlichen Strafverfolgung gehöre.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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keitsrechts Sorge zu tragen.751 Das gilt insbesondere für den mit Menschenwürde ausgestatteten absolut geschützten Kernbereich dieses Grundrechts752. Der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts ist bei einem Zwang betroffen, durch die eigene Aussage die Voraussetzung für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen schaffen zu müssen; dies ist unzumutbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar.753 Als Abwehrrecht gewährt Art. 2 Abs. 1 GG insoweit einen Schutz gegen staatliche Eingriffe, der alter und bewährter Rechtstradition entspricht.754 Durch die Kooperation des Unternehmens mit der Staatsanwaltschaft und der Entgegennahme der auf der erzwingbaren Selbstbelastung beruhenden Erkenntnisse (insbesondere Interviewprotokolle) läuft dieser Schutz gerade leer. Hat das Unternehmen bereits Kooperationsbereitschaft angezeigt oder steht eine Kontaktaufnahme zwischen den Strafverfolgungsbehörden und dem Unternehmen unmittelbar bevor, bei der die unternehmerische Anzeige einer Kooperationsbereitschaft nach derzeitigem Erfahrungsstand überwiegend wahrscheinlich sein dürfte, ist die Grundlage für den Transfer der gewonnenen Erkenntnisse ins Strafverfahren gelegt. Belastet sich der Mitarbeiter im Rahmen eines Interviews unfreiwillig selbst, legt er damit zumindest den ersten Stein für eine strafrechtliche Verurteilung. Besonderes Gewicht erlangt diese Argumentation bei der Berücksichtigung der oft gegebenen abwartenden Haltung der Ermittlungsbehörden, die sich die privaten Erkenntnisse gerade zunutze machen möchten.755 Auch wenn noch keine Kontaktaufnahme zwischen Staatsanwaltschaft und Unternehmen stattgefunden hat, schwebt über dem Mitarbeiter bei selbstbelastender Auskunft das „Damoklesschwert“ eines staatlichen Strafverfahrens756. Wie das Unternehmen mit dieser Information weiter verfährt, hat der Mitarbeiter nämlich nicht mehr in der Hand. 751 Zu grundrechtlichen Schutzpflichten vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 135. 752 BVerfGE 6, 32, 41; BVerfGE 32, 373, 378; BVerfGE 34, 238, 245; BVerfGE 80, 367, 373; BVerfGE 109, 279, 313 f., 324; BVerfG, NJW 2011, 2783, 2784; BGHSt 19, 325, 326 ff.; BGHSt 50, 206, 210; BGHSt 57, 71, 74 f. 753 BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, wistra 1988, 302; BVerfG, NJW 1993, 3315, 3316; BVerfG, NJW 2002, 1411, 1412; BVerfG, BeckRS 2004, 22491; BVerfG, NJW 2005, 352; BVerfG, BeckRS 2008, 35240; BVerfG, BeckRS 2009, 38641; BVerfG, wistra 2010, 341, 344; BVerfG, NJOZ 2016, 1879, 1882; BGHSt 52, 11, 17 f.; OLG Stuttgart, BeckRS 2016, 07613, Rn. 54; Eschelbach, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 30 Rn. 162; Jäger, in: Klein, AO, § 393 Rn. 26; Rogall, in: NStZ 2006, 41; Fritz/Nolden, in: CCZ 2010, 170, 173; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 147; vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 188; Stürner, in: NJW 1981, 1757 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 201 f.; vgl. auch BVerfGE 133, 168, 201; BGHSt 34, 39, 46. 754 BVerfGE 56, 37, 49; BVerfG, wistra 1988, 302. 755 Vgl. Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 207; Gössel, in: LR-StPO, Einl. Abschn. L Rn. 94; siehe dazu auch oben unter E.II.3.b)cc). 756 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Kottek, Kooperation, S. 118; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 205; Buchert Unternehmensinterne Befragung, S. 216.

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E. Beweisverwertungsverbot

Der Transfer der selbstbelastenden Erkenntnisse ins staatliche Strafverfahren lässt sich daher als maßgeblicher Anknüpfungspunkt für das Eingreifen des Schutzes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vor der Umgehung des nemo-teneturGrundsatzes des Betroffenen begreifen.757 Durch die sich daran unmittelbar anschließende Verwertungsmöglichkeit für die Strafverfolgungsbehörden entsteht ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters, bei dem die staatlichen Informationsinteressen zurückzutreten haben.758 Ansonsten würde das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen „unverhältnismäßig beeinträchtigt, wenn seine unter Zwang herbeigeführten Selbstbezichtigungen gegen seinen Willen zweckentfremdet und der Verwertung für eine Strafverfolgung zugeführt würden“.759 Die erzwingbare Auskunftspflicht, die durch überwiegende Interessen des Unternehmens bzw. des Arbeitgebers gerechtfertigt ist, kann aufgrund des Transfers der Erkenntnisse ins Strafverfahren nur dann verfassungsgemäß sein, wenn durch ein Verwertungsverbot ausgeschlossen ist, dass die Aussage zur Voraussetzung für eine strafgerichtliche Verurteilung oder der Verhängung vergleichbarer Sanktionen wird760. Dem Grundrecht des Betroffenen, sich mit Bedeutung für ein Strafverfahren nicht selbst belasten zu müssen, muss durch ein Beweisverwertungsverbot Rechnung getragen werden.761 Insoweit wird der Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes nicht auf das Privatrecht ausgedehnt, sondern dessen intradisziplinäre Bedeutung im Strafverfahren gesichert,762 wodurch eine gezielte Umgehung vermieden wird.

757 Vgl. Theile, in: StV 2011, 381, 385; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 453; nach Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 305 stellt der Transfer die Zweckentfremdung des Auskunftsanspruchs dar, die den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bewirke; nach Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 308 ändere sich die rechtliche Beurteilung durch die Weitergabe und Verwertung der Erkenntnisse; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 203 sieht den Schutzbereich bereits als berührt an, wenn eine Gefahr besteht, dass die selbstbelastenden Auskünfte Eingang ins Strafverfahren finden. Ähnlich auch Kottek, Kooperation, S. 149 f.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 206. 758 Vgl. Theile, in: StV 2011, 381, 385; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 160; Reeb, Internal Investigations, S. 131 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 305; Kottek, Kooperation, S. 119; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 187; im Ergebnis wohl auch Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 400; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 755; Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 15. 759 BVerfGE 56, 37, 50; ähnlich BVerfG, BeckRS 2008, 35240. 760 BVerfGE 56, 37, 49; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 188; Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 109; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 160, nach dem der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zwar zivilrechtlich gerechtfertigt ist, strafprozessual aber nicht; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 254 f.; vgl. BVerfG, BeckRS 2008, 35240; Theile, in: StV 2011, 381, 385. 761 BGHSt 37, 340, 343. 762 Ähnlich Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 159 f., der von einer „Fernwirkung“ des nemo-tenetur-Grundsatzes spricht.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

283

Diese gezielte Umgehung ergibt sich daraus, dass hinter dem Transfer der Erkenntnisse ins Strafverfahren aufgrund der erheblichen Kooperationsanreize bzw. dem faktischen Druck auf das Unternehmen zur Kooperation eine mittelbare staatliche Veranlassung steht. Das gilt insbesondere, wenn Staatsanwaltschaften die Unternehmen zur internen Sachverhaltsaufklärung auffordern oder mit Nachteilen bei fehlender Kooperation drohen, was in der Praxis schon vorgekommen sein soll.763 Auch wenn ein solches Vorgehen der Ermittlungsbehörden allein regelmäßig nicht ausreicht, um eine Zurechnung der Internal Investigations an den Staat zu begründen,764 verstärkt dieser Einfluss auf das Unternehmen unmittelbar die Gefahr für den Mitarbeiter hinsichtlich der Umgehung seiner Selbstbelastungsfreiheit durch die Übergabe der Ermittlungsergebnisse in die Hand der abwartenden Staatsanwaltschaft765. Sieht sich das Unternehmen vermehrtem Kooperationsdruck ausgesetzt, um Sanktionsfreiheit zu erlangen, liegt es nahe, dass damit auch der Druck, der in Interviews auf die Mitarbeiter ausgeübt wird, ansteigt.766 Das gilt umso mehr, wenn in Zukunft ein gesetzlich geschaffener Anreiz zur Aufklärungshilfe kodifiziert würde, wie ihn beispielsweise §§ 4 Abs. 3 e), 14 Abs. 1 VerbSG-E oder § 5 Abs. 2 VerbStrG-E NRW enthalten. Durch den Erlass einer solchen Anreizregelung würde der Staat die Gefahr der Umgehung von Mitarbeiterrechten erhöhen.767 Das gilt gerade auch deswegen, weil nicht festgelegt ist, welche Informationen das Unternehmen zur Aufklärung offenbaren muss, um den Kooperationsbonus zu erlangen, sodass Unternehmen im Zweifel alles herausgeben werden, was ex ante zur Erlangung des Kooperationsbonus geeignet erscheint.768 Insofern dürfte das Unternehmen insbesondere bereit sein, Informationen zu offenbaren, die den Verdacht von Zuwiderhandlungen durch Mitarbeiter begründen, entweder um eine Zuwiderhandlung im Sinne des § 130 Abs. 1 OWiG (bzw. des § 2 Abs. 2 VerbStrG-E NRW oder des § 3 Abs. 2 VerbSG-E) darzulegen, oder um die Verantwortung generell auf den Mitarbeiter zu lenken um selbst als Opfer zu erscheinen769. Letzteres wird dabei durch den Einfluss des Unternehmens auf die Ermittlungsergebnisse erleichtert.770 763 Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 255; vgl. Theile/Gatter/Wiesenack, in: ZStW 126 (2014), 803, 815 f.; Leipold, in: FS Schiller, 418, 425. 764 Siehe dazu oben unter E.II.3.b)dd). 765 Ähnlich Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 297 f. 766 Vgl. Witte/Wagner, in: BB 2014, 643, 646; Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 381. 767 Witte/Wagner, in: BB 2014, 643, 646; Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 381; Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 212 f.; Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 103, 113. 768 Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 213. 769 Vgl. Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 192 ff.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 60. 770 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 60, die zudem darauf hinweist, dass dieser Umstand auch bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist.

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E. Beweisverwertungsverbot

Der mit der Übernahme der Erkenntnisse ins Strafverfahren ansonsten einhergehenden Umgehung des verfassungsrechtlich verankerten nemo-tenetur-Grundsatzes muss daher durch ein strafprozessuales selbstständiges Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als Abwehrrecht entgegengetreten werden.771 Deshalb ist die Regelung des Beweisverwertungsverbots in § 18 Abs. 3 VerbSG-E sehr zu begrüßen.772 Der mittels eines normierten Kooperationsanreizes gesteigerten Gefahr der Umgehung von Mitarbeiterrechten kann mittels eines gesetzlich geregelten Verwertungsverbots entgegengetreten werden. d) Dogmatische Grundlage des Beweisverwertungsverbots Wie bereits im Vorstehenden deutlich geworden ist, ist nach der hier vertretenen Ansicht Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG die dogmatische Grundlage des Beweisverwertungsverbots für die selbstbelastenden erzwungenen Auskünfte des Mitarbeiters. Ebenfalls mit der Begründung der übertragbaren Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses stützen sich jedoch einige Autoren auf § 97 Abs. 1 S. 3 InsO analog als Rechtsgrundlage.773 Gegen eine solche Analogie spricht dabei bereits der Ausnahmecharakter dieser Einzelfall- und Spezialregelung, weshalb bereits die Analogiefähigkeit stark bezweifelt werden kann.774 Ungeachtet dessen ließe sich die erforderliche Regelungslücke wegen der fehlenden gesetzlichen Regelung eines Beweisverwertungsverbotes für die erzwungenen selbstbelastenden Aussagen der Mitarbeiter aber bejahen.775 Schwieriger erscheint jedoch die Begründung einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage. Die Planwidrigkeit wird damit begründet, dass sich der Gesetzgeber zu der Situation der Mitarbeiterauskunft im Rahmen der Internal Investigation noch keine Gedanken gemacht habe.776 Dagegen lässt sich aber 771 So auch Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 530; Kottek, Kooperation, S. 119; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 178 f.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 242; vgl. auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 214 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 308, der sich jedoch auf einen Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit als Teil des fair-trial-Prinzips stützt. 772 Zu vertieften Ausführungen zu dieser Regelung siehe unten unter Teil F. 773 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1926 ff.; Kasiske, in: JuS 2014, 15, 19; Kottek, in: wistra 2017, 9, 12 f.; nach Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 175 könne man über eine analoge Anwendung des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO für präventive Mitarbeiterbefragungen nachdenken; zustimmend Fritz, in: CCZ 2011, 156, 159; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 160; Kottek, Kooperation, S. 118 ff.; so wohl auch Jahn/Kirsch, in: StV 2011, 151, 152. 774 Theile, in: StV 2011, 381, 385; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 275; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 214; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 165; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 335. 775 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Fritz, in: CCZ 2011, 156, 160. 776 Fritz, in: CCZ 2011, 156, 160; Kottek, Kooperation, S. 119.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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vorbringen, dass Internal Investigations zumindest in Deutschland ein noch recht junges Phänomen sind und eine „planwidrige Unvollständigkeit“, die an der eigenen Regelungsabsicht des Gesetzes zu messen ist,777 daher weder für die InsO, noch für die StPO oder das BGB angenommen werden kann. Sollte man eine planwidrige Regelungslücke annehmen, ließe sich eine vergleichbare Interessenlage zwischen Gemeinschuldner und Mitarbeiter zumindest aufgrund des parallel verlaufenden Konflikts zwischen zivilrechtlicher Auskunftspflicht und Selbstbelastung begründen.778 Gegen die Vergleichbarkeit der Interessenlage wird aber eingewandt, dass die arbeitsrechtliche Auskunftspflicht dem von Privatautonomie geprägten Zivilrecht entspringe und das Insolvenzrecht eine Verfahrensordnung darstelle.779 Insoweit wurde bereits aufgezeigt, dass der Unterschied zwischen gesetzlicher und vertraglicher Pflicht zwar existiert, das Beweisverwertungsverbot jedoch an die bestehende Konfliktlage anknüpft.780 Da diese Konfliktlage die Selbstbelastungsfreiheit des Betroffenen und daher sein Persönlichkeitsrecht betrifft und das Verwertungsverbot zum Schutz vor einer intradisziplinären zweckfremden Verwertung der erzwungenen Auskunft im Strafverfahren erforderlich ist,781 ist es überzeugender, das Verwertungsverbot an den verfassungsrechtlichen Kernbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) anzuknüpfen, statt an eine analoge Anwendung des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO.782 e) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass die Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses auf die Situation des Mitarbeiterinterviews im Rahmen der Internal Investigation übertragbar sind. Die erzwingbare Auskunftspflicht im Privatrecht ist durch ein Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG wegen der mittelbaren staatlichen Veranlassung des Transfers der Erkenntnisse ins Strafverfahren unter Umgehung des nemo-tenetur-Grundsatzes des Mitarbeiters zu kompensieren. Darüber hinaus wird die Reichweite und die Ausgestaltung des Beweisverwertungsverbots im Folgenden erörtert.

777

BGHZ 149, 165, 174. Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Fritz, in: CCZ 2011, 156, 160; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; Kasiske, in: JuS 2014, 15, 20; Kottek, in: wistra 2017, 9, 12; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 214; Kottek, Kooperation, S. 118 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 317; vgl. auch Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 266. 779 Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 165; ähnlich Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 214; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 294. 780 Siehe dazu oben unter E.III.2.b)bb)(2). 781 BVerfGE 56, 37, 49 ff. 782 So auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 215. 778

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E. Beweisverwertungsverbot

3. Reichweite und Ausgestaltung des Beweisverwertungsverbots Nachdem sich nun ein Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG begründen lässt, stellt sich die Frage der Reichweite und der Ausgestaltung eines solchen. Zunächst müssen im Hinblick auf die nicht gebotene Umgehung des Beweisverwertungsverbots damit zugleich alle mit der selbstbelastenden Auskunft entstandenen Beweismittel unverwertbar sein, also insbesondere das Interviewprotokoll und die Vernehmung der internen Ermittler als Zeugen sowie sonstiger Zeugen vom Hörensagen.783 Folge eines Beweisverwertungsverbots ist, dass das Beweisergebnis vom Gericht nicht für die Beweiswürdigung nach § 261 StPO genutzt werden darf.784 Das Beweisergebnis ist vorliegend die selbstbelastende Auskunft, sodass mit ihr auch die Verschriftlichung dieser und die Vernehmung der internen Ermittler oder sonstiger Zeugen über diese Auskunft untersagt sein muss. Dürfte das Interviewprotokoll verlesen oder Zeugen vernommen werden, liefe das Beweisverwertungsverbot leer. Eine mittelbare Beweiserhebung darf ein Beweisverwertungsverbot jedoch nicht umgehen.785 Für eine unverwertbare Tagebuchaufzeichnung786, eine unverwertbare Tonbandaufnahme787 sowie für eine unverwertbare Videoaufzeichnung am Arbeitsplatz788 hat die Rechtsprechung ausdrücklich entschieden, dass auch nicht in anderer Weise Beweis darüber erhoben werden darf, beispielsweise durch die Vernehmung von Zeugen, die Kenntnis vom Inhalt haben. Auch im Hinblick auf das 783 Sarhan, in: wistra 2015, 449, 455; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 216; Wewerka, Internal Investigations, S. 298; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 215; Schäfer, in: FS Dünnebier, 11, 42; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 291; hinsichtlich der Protokolle auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 314, nach der auch alle vom Unternehmen übergebenen Erkenntnisse, die auf der erzwingbaren selbstbelastenden Auskunft des Mitarbeiters beruhen, unverwertbar sein sollen, wobei Zweifel nicht zulasten des Mitarbeiters gehen sollen; nach Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 266 soll die erlangte Information als Ganzes dem Beweisverwertungsverbot unterfallen; vgl. auch Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, § 23 Rn. 455; Greve/Tsambikakis, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 18 Rn. 26; Schuhr, in: MüKo StPO, § 136 Rn. 82; Diemer, in: KK-StPO, § 250 Rn. 12; v. Heintschel-Heinegg, in: JA 2011, 312, 313; Schelling/Warntjen, in: MedR 2012, 506, 509; Kett-Straub/Sipos-Lay, in: MedR 2014, 867, 873; Thomä, Auskunfts- und Betriebsprüfungsrecht der Verwaltung, S. 72. 784 Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 34; Miebach, in: MüKo StPO, § 261 Rn. 139; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 109; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 296. 785 BVerfG, NZA 2002, 284; BGHSt 19, 325, 334; BAGE 145, 278, 283; BAGE 156, 370, 375; BAGE 157, 69, 74; BayObLG, NJW 1990, 197, 198; LAG Hamm, NZA-RR 2018, 13, 15; v. Heintschel-Heinegg, in: JA 2011, 312, 313; Greve/Tsambikakis, in: Knierim/Rübenstahl/ Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 18 Rn. 26; Schuhr, in: MüKo StPO, § 136 Rn. 82; Laumen/Prütting, in: Baumgärtel u. a., Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 6 Rn. 9; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, § 23 Rn. 455; vgl. Schelling/Warntjen, in: MedR 2012, 506, 509; Kett-Straub/Sipos-Lay, in: MedR 2014, 867, 873. 786 BGHSt 19, 325, 334. 787 BVerfG, NZA 2002, 284; BayObLG, NJW 1990, 197, 198. 788 BAGE 157, 69, 74; LAG Hamm, NZA-RR 2018, 13, 15.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Beweisverwertungsverbot aus § 630c Abs. 2 S. 3 BGB besteht Einigkeit, dass nicht nur die Auskunft nicht verwertet, sondern auch der Patient nicht befragt werden darf, da sonst die Funktion des Verwertungsverbots völlig leer liefe.789 Im Hinblick auf die Reichweite des Beweisverwertungsverbots gilt zunächst, dass freiwillig erteilte Auskünfte verwertbar sind (dazu sogleich). Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das Verwertungsverbot so ausgestaltet sein sollte, dass die Wirkung für den Betroffenen disponibel ist. Des Weiteren wird über die Reichweite von Verwertungsverboten diskutiert, also über die Fragen, ob dem Verwertungsverbot eine Fern-, Fort- und/oder Vorauswirkung zukommt. a) Freie Verwertbarkeit freiwilliger Auskünfte Ein Beweisverwertungsverbot kann nicht greifen, wenn die Aussage freiwillig war, da sonst bereits die Konfliktlage fehlt.790 Eine denkbare Konstellation wäre beispielsweise, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter ein Schweigerecht zubilligt, der Mitarbeiter aber dennoch umfassend aussagt.791 Eine freiwillige Aussage liegt zudem vor, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht auf seine Aussagepflicht hinweist, dem Mitarbeiter diese auch nicht bekannt ist, er aber dennoch umfassend aussagt.792 Dem Wort „freiwillig“ ist dabei bereits inbegriffen, dass es bei der Beurteilung der Freiwilligkeit auf die subjektive Sicht des Betroffenen ankommen muss. Daher ist eine Freiwilligkeit bereits zu verneinen, wenn der Mitarbeiter in Erfüllung der Auskunftspflicht handelte.793 Auch erheblicher psychologischer Druck auf den Betroffenen in der Befragung schließt eine freiwillige Auskunft aus.794 Da auch trotz Kenntnis von der Auskunftspflicht eine freiwillige Aussage vorliegen kann, wenn der Mitarbeiter ohnehin ausgesagt hätte, ist dem Mitarbeiter, der sich gezwungen fühlt, zu raten, vor Auskunftserteilung darauf hinzuweisen und dies in ein 789 Schelling/Warntjen, in: MedR 2012, 506, 509; Kett-Straub/Sipos-Lay, in: MedR 2014, 867, 873. 790 Diversy, in: ZInsO 2005, 180, 184; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377; Dann/Schmidt, in: NJW 2009, 1851, 1855; Dann/Zülch, in: ZRFC 2011, 267, 270; Beulke/ Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 481; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140 m.w.N.; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 144; vgl. Böhm, in: WM 2009, 1923, 1927; Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 11; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 454; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 280, 307; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 236; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 293; vgl. Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 182 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 318; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 103, 114; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 205, 258. 791 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1929. 792 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1929. 793 Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1929; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 481; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 182. 794 EGMR, StV 2003, 257, 260; Gaede, in: JR 2009, 493, 497; vgl. Gaede, in: StV 2003, 260, 261.

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E. Beweisverwertungsverbot

etwaiges Protokoll aufnehmen zu lassen, dass er nur aufgrund der bestehenden erzwingbaren Auskunftspflicht aussagt795. Bestehende Zweifel hinsichtlich der Freiwilligkeit der Auskunft sollten im Übrigen nicht zu Lasten des Aussagenden gehen.796 Auch eine arbeitsrechtliche Amnestiegewährung wirkt sich nicht auf die Freiwilligkeit der Auskunftserteilung aus.797 Eine arbeitsrechtliche Amnestie kann den Konflikt zwischen der Aussagepflicht und der Selbstbelastung nicht lösen. Eine zur Lösung dieses Konflikts erforderliche Freistellung von der Strafverfolgung kann das Unternehmen nicht gewähren, es kann vielmehr nur arbeits- bzw. zivilrechtlich auf Maßnahmen oder Ansprüche verzichten. Zudem erteilen Unternehmen arbeitsrechtliche Amnestien nur unter der Bedingung, dass eine vollständige und wahrheitsgemäße Aussage erfolgt,798 sodass die Konfliktlage trotz der arbeitsrechtlichen Amnestie bestehen bleibt. Sogenannte „Generalamnestien“, die dem Adressaten unabhängig von einer Auskunft zugute kämen,799 wären auch insbesondere mit Blick auf § 266 StGB bedenklich, da eine Amnestiegewährung ohne Gegenleistung nicht dem Wohle der Gesellschaft dient.800 Wird dem Mitarbeiter also zu Beginn des Interviews eine arbeitsrechtliche Amnestie gegen vollständige Auskunft in Aussicht gestellt, ist eine dann erfolgende selbstbelastende Auskunft nicht freiwillig. b) Dispositionsmöglichkeit des Mitarbeiters über Verwertbarkeit Im Hinblick auf den mit dem selbstständigen Beweisverwertungsverbot bezweckten Schutz der Entscheidungsfreiheit des Mitarbeiters, ist es überzeugend, dass Beweisverwertungsverbot zur Disposition des Betroffenen zu stellen.801 Willigt 795 Böhm, in: WM 2009, 1923, 1929; Dann, in: CCZ 2010, 239, 240; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 307. 796 Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 377. 797 So auch Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 293; a.A. Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 182 f., nach dem die Auskunft zumindest dann freiwillig ist, wenn der Mitarbeiter ein echtes Wahlrecht habe; vgl. auch Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 481. 798 Eßwein, in: CCZ 2018, 73, 77; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 241 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 364; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 206 f.; vgl. auch Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 51; Lützeler/ Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 25. 799 Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 50; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 241 f. 800 Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 254; Göpfert/Merten/Siegrist, in: NJW 2008, 1703, 1704; Schürrle/Olbers, in: CCZ 2010, 178, 181 f.; Krull, in: Bay, Handbuch Internal Investigations, Kap. 3 Rn. 46; ähnlich Maschmann, in: Corporate Compliance und Arbeitsrecht, 149, 179 f.; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 151; vgl. auch Lützeler/Müller-Sartori, in: CCZ 2011, 19, 25; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 364. 801 So auch BGHSt 19, 325, 329; BGHSt 34, 39, 52 f.; BGHSt 51, 1, 3; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 378; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 268; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 163; Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C114; Frister/Brinkmann, in: Grundfragen eines

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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dieser in die Verwertung trotz Kenntnis der eigentlichen Unverwertbarkeit ein, ist seine Entscheidungsfreiheit über das Erklärungsverhalten ausreichend geschützt. Obwohl grundsätzlich ein Grundrechtsverzicht nicht möglich ist, da Art. 1 Abs. 2 GG von unveräußerlichen Rechten spricht, ist nach heute herrschender Ansicht ein Verzicht auf die Grundrechtsausübung möglich.802 Diesbezüglich ist auch die Freiheit anerkannt, sein strafrechtliches Schicksal eigenverantwortlich zu gestalten.803 Daneben stellte auch das BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss auf den Willen des Betroffenen ab.804 Andere gesetzliche Ausformungen von Beweisverwertungsverboten gehen ebenfalls von einer Dispositionsmöglichkeit aus. § 97 Abs. 1 S. 3 InsO lässt eine Verwertung nur „mit Zustimmung des Schuldners“ zu. Nach § 630c Abs. 2 S. 3 BGB darf die Erkenntnis ebenfalls „nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet“ werden. Gleiche Aussagen treffen unter anderem die § 101 Abs. 8 UrhG und § 140b Abs. 8 PatG. Auch im Übrigen ist kein Grund ersichtlich, dem Mitarbeiter die Disposition nicht zu ermöglichen. Dass Beweisverwertungsverbote grundsätzlich disponibel sind, zeigt auch die von der Rechtsprechung überwiegend vertretene Widerspruchslösung805. Das BVerfG hat insoweit ausdrücklich klargestellt, dass die Widerspruchslösung keinen Bedenken begegne, da diese „dem Interesse des Angeklagten an einer möglichst weitreichenden Dispositionsbefugnis Rechnung“ trage.806 Bei der, soweit ersichtlich, einzigen Vorschrift mit einer Zustimmungssperre, also einer ausdrücklichen Unbeachtlichkeit einer Zustimmung des Betroffenen, dem § 136a Abs. 3 S. 2 StPO, handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift807. Außerdem könnte der betroffene Mitarbeiter auch gestehen, was der Wirkung einer Zustimmung gleichkäme. Stimmt der Mitarbeiter einer Verwertung zu oder sagt er erneut selbstbelastend vor Gericht aus und gesteht somit seine Tat, ist dies als positives Nachtatverhalten gemäß § 46 Abs. 2 StGB bei der Strafzumessung zu würdigen.808 Auch sonstige modernen Verbandsstrafrechts, 103, 127; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 307; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 233; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 182 f.; für eine ohne eine Belehrung nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO zustande gekommene Aussage vgl. BGHSt 38, 214, 225 f.; vgl. auch BVerfGE 130, 1, 31; BGHSt 50, 206, 215. 802 Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1 Rn. 74; Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C113 m.w.N. 803 Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C113; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 233; vgl. BVerfGE 49, 286, 298; BGHSt 50, 206, 215. 804 BVerfGE 56, 37, 51. 805 Statt aller BGHSt 38, 214, 225 f.; BGH, NJW 2017, 1332, 1333. 806 BVerfGE 130, 1, 31. 807 Vgl. Monka, in: BeckOK StPO, § 136a Rn. 29. 808 Streng, in: Kindhäuser, NK-StGB, § 46 Rn. 78; Miebach/Maier, in: MüKo StGB, § 46 Rn. 255, 257; Fischer, StGB, § 46 Rn. 50 ff.; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 46 Rn. 39; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 303;

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E. Beweisverwertungsverbot

Aufklärungshilfe bzw. Kooperation durch den Mitarbeiter kann im Rahmen der Strafzumessung positiv berücksichtigt werden,809 was die §§ 46 Abs. 2, 46b StGB verdeutlichen.810 Liegen die Voraussetzungen der Kronzeugenregelung des § 46b StGB vor, kann die Strafe gegen den Mitarbeiter gemildert oder unter Umständen auf eine Sanktion verzichtet werden. Eine Sanktionsmilderung kann daneben gewährt werden, wenn der Mitarbeiter zum Wohle des Unternehmens gehandelt und dieses und nicht sich selbst bereichert hat.811 c) Fernwirkung Bezüglich der Reichweite von Beweisverwertungsverboten ist umstritten, ob weitere Beweismittel, die erst aufgrund der Informationen aus dem unverwertbaren Beweismittel gewonnen wurden, ebenfalls einem Verwertungsverbot unterfallen (sogenannte Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten).812 Zu der Frage der Fernwirkung hat das BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss nicht Stellung genommen, sondern die Ausgestaltung dem Gesetzgeber überlassen.813 Damit hat das BVerfG deutlich gemacht, dass bei einem Verstoß gegen die Verfassung nicht strikt eine Fernwirkung angenommen werden muss.814 Dem deutschen Rechtssystem ist eine solche Fernwirkung im Gegensatz zur amerikanischen „fruit of the poisonous tree doctrine“ zudem fremd.815 Die Rechtsprechung steht einer Fernwirkung ebenfalls überwiegend ablehnend gegenüber, was insbesondere mit kriminalpolitischen Bedenken begründet wird, dass ein Verwertungsverbot nicht zur Lahmlegung des gesamten Strafverfahrens führen soll und vielmehr Gänswein/Hiéramente, in: NZKart 2017, 502, 506; vgl. auch Knierim/Schröder, in: Knierim/ Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 16 Rn. 174. 809 LG Essen, Urt. v. 21. 12. 2016 – 35 KLs 35 Js 162/13 – 26/16 – juris, Rn. 426 ff., 434; Zimmer, in: ZRFC 2011, 259, 260; ähnlich I. Roxin, in: StV 2012, 116, 118; Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 708 f. zur Siemens-Affäre; für Kartellverfahren vgl. auch Gänswein/Hiéramente, in: NZKart 2017, 502, 504. 810 Gänswein/Hiéramente, in: NZKart 2017, 502, 506. 811 I. Roxin, in: StV 2012, 116, 118. 812 Statt aller Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 403. 813 BVerfGE 56, 37, 51; vgl. Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1758; Dingeldey, in: NStZ 1984, 529, 530 f.; Verrel, in: NStZ 1997, 361, 365; Schäfer, in: FS Dünnebier, 11, 42 f.; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 182; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 308; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 264 f. 814 Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1758. 815 Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 265; Gehrlein, in: VersR 2011, 1350; vgl. Peters, in: MüKo StPO § 152 Rn. 46; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 57; Gössel, in: LR-StPO, Einl. Abschn. L Rn. 177; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 309; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 310; diese Ablehnung spiegelt sich auch deutlich in einem Beschluss der Abteilung Strafrecht des 67. Deutschen Juristentages wieder, bei dem eine generelle Fernwirkung mit 1:65:11 Stimmen eindeutig abgelehnt wurde, vgl. Verhandlungen des 67. DJT, Band II/1, S. L67.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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eine wirksame Verbrechensbekämpfung erforderlich sei.816 In einem Fall hat der BGH817 allerdings eine Fernwirkung für ein Beweisverwertungsverbot angenommen; das Urteil betraf das Verwertungsverbot aus § 7 Abs. 3 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13. 08. 1968 (G-10). Die sehr umstrittene Frage der Fernwirkung wird dabei hauptsächlich für unselbstständige Beweisverwertungsverbote, also als Folge einer rechtswidrigen Beweiserhebung, diskutiert.818 Dabei wird zum einen, wegen der soeben geschilderten kriminalpolitischen Bedenken, eine Fernwirkung generell abgelehnt.819 Eine andere Auffassung bejaht hingegen generell eine Fernwirkung.820 Im Vordringen befindet sich die Meinung, die auch bei der Fernwirkung eine Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und der Schwere des Verfahrensverstoßes vornehmen will.821 Eine Fernwirkung soll danach immer dann zu bejahen sein, wenn eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung vorliegt, insbesondere auch beim Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz.822 Problematisch erscheint jedoch, dass die Argumentation, die zwischen Rechtsverstoß und Strafverfolgungsinteresse abwägt, nicht auf selbstständige Verwertungsverbote übertragbar ist, weil dort gerade ein Rechtsverstoß bei der Beweiserhebung fehlt.823 Die wohl überwiegende Ansicht fordert für die Frage der Fernwirkung bei selbstständigen Beweisverwertungsverboten aber ebenfalls eine Abwägung, weil das Verwertungsverbot selbst auf einer Abwägung beruht.824 Ob für das 816 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 08. 12. 2005 – 2 BvR 1686/04 – juris, Rn. 8 f.; BGHSt 27, 355, 358; BGHSt 32, 68, 71; BGHSt 34, 362, 364; BGHSt 35, 32, 34; BGHSt 51, 1, 8; vgl. BVerfG, NStZ 2011, 103, 104; vgl. Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 404 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 309. 817 BGHSt 29, 244, 247 ff. 818 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 308; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 257; vgl. dazu auch Beulke, in: ZStW 103 (1991), 657, 678 f. 819 Siehe dazu Kap. E. Fn. 816. 820 LG Stuttgart, NStZ 1985, 568, 569; vgl. mit zahlreichen Nachweisen Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C94; Nachweise auch bei Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 407. 821 BGHSt 27, 355, 357; BGHSt 29, 244, 249 ff.; Rogall, in: NStZ 1988, 385, 392; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 136a Rn. 109; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 180; vgl. Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C94 f.; auch in einem Beschluss der Abteilung Strafrecht des 67. Deutschen Juristentages wurde die Berücksichtigung des Zwecks der verletzten Norm bei der Frage der Fernwirkung mit 48:15:10 Stimmen angenommen, vgl. Verhandlungen des 67. DJT, Band II/1, S. L67. 822 Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 408 m.w.N.; vgl. zur Annahme einer Fernwirkung beim unmittelbaren Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz auch Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 73. 823 Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 258. 824 Beulke, in: ZStW 103 (1991), 657, 669; Rogall, in: JZ 1996, 944, 948 f.; Beulke, in: LRStPO, § 152 Rn. 27; Greve/Tsambikakis, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 18 Rn. 26; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, § 23 Rn. 482; Rödiger,

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E. Beweisverwertungsverbot

Beweisverwertungsverbot zum Schutz des Mitarbeiters eine Fernwirkung anzunehmen ist, ist dabei umstritten. aa) Annahme einer Fernwirkung Zum einen wird vertreten, dass für den Fall einer erzwingbaren Auskunftspflicht, wie sie im Mitarbeiterinterview vorliegen kann, eine Fernwirkung bestehen müsse, da sonst kein effektiver Schutz der Selbstbelastungsfreiheit erreicht werden könne.825 Ohne Fernwirkung habe der nemo-tenetur-Grundsatz keine Chance, ein unverfügbarer Grundsatz des Strafverfahrens zu sein.826 Außerdem dürften die Strafverfolgungsbehörden aufgrund der arbeitsrechtlichen Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber keine weitergehenden Möglichkeiten erlangen als in „normalen“ Ermittlungsverfahren.827 Der Betroffene solle durch die außerstrafrechtliche Auskunftspflicht nicht schlechter gestellt werden.828 Die Fernwirkung sei daher bei Addition von privaten und staatlichen Ermittlungen zum Schutz des Verbots erzwungener Selbstbelastung gerechtfertigt.829 bb) Ablehnung einer Fernwirkung Dagegen lehnen andere eine Fernwirkung ab.830 Der Mitarbeiter sei durch die verbotene Verwertung der Auskunft an sich sowie des Interviewprotokolls und der Strafverfolgung von Unternehmen, S. 310; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 265; vgl. Wewerka, Internal Investigations, S. 300; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 314. 825 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 310; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 180 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 221; Dann, in: CCZ 2010, 239, 240; Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 267; Greco/ Caracas, in: NStZ 2015, 7, 15; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 266; ähnlich Gerst, in: CCZ 2012, 1, 3, der sich jedoch skeptisch gegenüber einer tatsächlichen Annahme einer Fernwirkung durch die Gerichte zeigt. Im Ergebnis so auch Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 110; Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928 nimmt ein Verwertungsverbot wegen analoger Anwendung des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO an; Wastl/Litzka/ Pusch, in: NStZ 2009, 68, 73; Theile, in: StV 2011, 381, 385 f.; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140, 164; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 160; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 216 f.; Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 185 ff. spricht sich im Hinblick auf § 393 Abs. 2 AO ebenfalls für eine Fernwirkung aus. 826 Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 187. 827 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 311; ähnlich Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 15; so ohne Bezug zur Fernwirkung auch BVerfGE 56, 37, 51. 828 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 310; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 216; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 259. 829 Theile, in: StV 2011, 381, 386; ähnlich Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 267. 830 Dingeldey, in: NStZ 1984, 529, 532; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 378; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 455; Wewerka, Internal Investigations, S. 318 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 230; Scharnberg, Illegale Internal Investigations,

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Vernehmung der internen Ermittler als Zeugen ausreichend geschützt.831 Die Argumentation des BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss bewirke zudem nur, dass die selbstbelastenden Auskünfte keine unmittelbare Grundlage einer Verurteilung sein, sie aber als Anlass für weitere Ermittlungen dienen dürften.832 Diese Ansicht stützt sich außerdem auf die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege.833 cc) Stellungnahme unter Berücksichtigung hypothetischer Erwägungen Zur Lösung der Problematik lassen sich – entgegen einer Ansicht834 – zunächst keine schlagenden Argumente für eine Fernwirkung aus der Betrachtung anderer normativer Beweisverwertungsverbote für außerstrafrechtliche Auskunftspflichten herleiten. Der Gesetzgeber hat sich zwar vom Wortlaut häufig für ein Verwendungsverbot entschieden, jedoch ist es umstritten, ob die Nutzung des Worts „verwenden“ ein Redaktionsversehen sei und eigentlich ein Verwertungsverbot vorliege. Für § 97 Abs. 1 S. 3 InsO wird dabei nach überwiegender Ansicht eine Fernwirkung angenommen.835 Dieser bildet aber, wie gezeigt, in analoger Anwendung nicht die dogmatische Grundlage des vorliegenden Verwertungsverbots.836 § 630c Abs. 2 S. 3 BGB enthält daneben zwar ebenfalls das Wort „verwenden“, jedoch sollen dem Behandelnden nach der Gesetzesbegründung nur keine „unmittelbaren strafrechtlichen Nachteile“ entstehen.837 Daraus folgert eine Ansicht, dass mittelbare strafrechtliche Nachteile hinzunehmen seien, also ein Verwertungsverbot ohne Fernwirkung statuiert sei.838 Die andere Ansicht nimmt mit dem Wortlaut und dem Vergleich zu § 97 InsO ein Verwendungsverbot, also ein Verwertungsverbot mit Fernwirkung, an.839 Auch für § 393 Abs. 2 S. 1 AO, der ebenfalls das Wort „verwenden“ enthält, ist es umstritten, ob daraus eine Fernwirkung folgt oder nicht.840 S. 294 f.; vgl. auch Bauer, in: StV 2012, 277, 279, der jedoch bereits eine umfassende Auskunftspflicht ablehnt. 831 Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 294 f. 832 Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 378; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 455. 833 Sarhan, in: wistra 2015, 449, 455; Wewerka, Internal Investigations, S. 318 f. 834 Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 311; vgl. auch Böhm, in: WM 2009, 1923, 1928; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 216 f.; Potocˇ ic´, Korruption, amerikanische Börsenaufsicht und Ermittlungen durch Private, S. 258 f.; kritisch Gössel, in: LR-StPO, Einl. Abschn. L Rn. 173. 835 BT-Drucks. 12/2443, S. 142; LG Stattgart, NStZ-RR 2001, 282 f.; Werner, in: BeckOK InsO, § 97 Rn. 17. 836 Siehe dazu oben unter E.III.2.d). 837 BT-Drucks. 17/10488, S. 22. 838 Schelling/Warntjen, in: MedR 2012, 506, 509; Kett-Straub/Sipos-Lay, in: MedR 2014, 867, 872 f. 839 Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 630c BGB Rn. 24; Wagner, in: MüKo BGB, § 630c Rn. 51. 840 Eine Fernwirkung ablehnend: Hademitzky/Senge, in: Erbs/Kohlhaas, § 393 AO Rn. 9; Jäger, in: Klein, AO, § 393 Rn. 51. A.A. Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 393

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E. Beweisverwertungsverbot

Insoweit lässt sich aus anderen Vorschriften nur schwerlich ein Indiz für ein Verwendungsverbot herleiten.841 Überzeugend erscheint jedoch zunächst das für eine Fernwirkung vorgebrachte Argument, dass das Aufklärungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden in gleicher Weise beschränkt wäre, wenn man anstelle des Beweisverwertungsverbots ein Auskunftsverweigerungsrecht zur Konfliktlösung annähme, wie es auch vom Gesetzgeber teilweise in Konfliktfällen angenommen wurde und wie es auch ein Teil der Literatur842 für die Internal Investigations vertritt.843 Dass ein Auskunftsverweigerungsrecht bei der Mitarbeiterauskunft (und auch in anderen Fällen) aber wegen entgegenstehender gewichtiger Interessen Dritter nicht überzeugen kann, sollte tatsächlich nicht dazu führen, dass der Schutz des Betroffenen reduziert wird. Problematisch an dieser Argumentation ist jedoch, dass weitere Erkenntnisse, die aus der selbstbelastenden Auskunft gewonnen werden, regelmäßig unternehmensinterne Unterlagen oder Ähnliches sind, die vom Unternehmen im Rahmen der Kooperation an die Ermittlungsbehörden übergeben werden können.844 Eine Fernwirkung würde dem Zweck der Kooperation, also der Aufklärungshilfe, zuwiderlaufen. Im Hinblick darauf wäre es wenig sinnvoll, andere Unterlagen aus denen sich strafrechtlich relevante Tatsachen ergeben, z. B. belastende E-Mails, von der Verwertung auszunehmen, insbesondere wenn diese bereits an die Strafverfolgungsbehörden übergeben wurden. Dafür spricht vor allem, dass die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels ansonsten nur von dem Zufall abhängen würde, ob z. B. zuerst die belastende E-Mail oder zuerst das unverwertbare Interviewprotokoll, in dem auf die E-Mail Bezug genommen wurde, gefunden wurde. Außerdem kann das Beweisverwertungsverbot auch nicht dazu führen, dass weitere Nachforschungen des Unternehmens unzulässig würden, sodass weitere auf der Auskunft beruhende Beweise mangels Offenbarungsverbot an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden könnten.845 Hat die Staatsanwaltschaft bereits Kenntnis von der internen Ermittlung, hat das Unternehmen bereits Kooperationsbereitschaft signalisiert und wartet die Staatsanwaltschaft nur deswegen mit Durchsuchungen oder anderen Beweiserhebungen ab, ist eine Fernwirkung ebenfalls nicht überzeugend. Der Mitarbeiter wäre anAO Rn. 90 ff.; Sprenger, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 393 AO Rn. 39. 841 Im Ergebnis so auch Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 550, nach der die gesetzgeberische Entscheidung zum Beweisverwendungsverbot in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO nicht zwingend dazu führe, dass in jedem Fall ein Verwendungsverbot zur Lösung des Konflikts angenommen werden müsse. 842 Siehe dazu oben unter C.IV.1., insbesondere Kap. C. Fn. 234. 843 Vgl. Eidam, Strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit, S. 188, nach dem das Auskunftsverweigerungsrecht der „unbestrittene[n] Normalfall der praktischen Umsetzung von nemo tenetur“ ist. 844 Ähnlich auch Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 297. 845 Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1758.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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sonsten durch ein Verwertungsverbot mit Fernwirkung weitreichender geschützt, als durch ein Auskunftsverweigerungsrecht.846 Denn auch bei Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts wären die vom Unternehmen oder von der Staatsanwaltschaft unabhängig davon gefundenen belastenden Unterlagen verwertbar. Mit dem Verbot der Verwertung der Aussage, des Interviewprotokolls und der internen Ermittler als Zeugen ist der Mitarbeiter also ausreichend geschützt.847 Die so gewissermaßen erfolgte Berücksichtigung hypothetischer Erwägungen ist bei der Frage der Fernwirkung nicht unzulässig.848 Der BGH argumentierte insofern gegen eine Fernwirkung mit der Erwägung, dass die „Möglichkeit nicht fern [liege], dass weitere Ermittlungen der deutschen Polizei auch ohne die Telefonüberwachung auf die Spur der Angekl. und zur Aufklärung des Sachverhalts geführt hätten“.849 Auch das BAG lehnte eine Fernwirkung ab, weil das Beweismittel dem Arbeitgeber auch so zugänglich und ein Auffinden möglich war.850 Zudem ist die Berücksichtigung hypothetischer Erwägungen mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege überzeugend.851 d) Fortwirkung Nach überzeugender Auffassung kommt dem Beweisverwertungsverbot aber eine Fortwirkung zu, sodass eine weitere Aussage unverwertbar ist, wenn der Beschuldigte nicht zuvor qualifiziert im Hinblick auf die Unverwertbarkeit der ersten

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Ähnlich Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 230. So auch Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 294 f. 848 BGHSt 24, 125, 130; BGHSt 32, 68, 71; BGHSt 44, 243, 248 ff.; BGHSt 48, 240, 249 f.; BGH, NJW 2003, 2034, 2035 f.; Rogall, in: NStZ 1988, 385, 391; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 409 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 312; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 230; Wewerka, Internal Investigations, S. 298; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 225 ff., 229; Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 393 AO Rn. 92; nach Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 57c sind diese Erwägungen zumindest vertretbar; vgl. auch Grünwald, in: JZ 1966, 489, 495; Wolter, in: NStZ 1984, 276, 277. A.A. Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C94 Fn. 430; Sprenger, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 393 AO Rn. 39; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 221 f. 849 BGHSt 32, 68, 71. 850 BAG, NZA 2011, 571, 574 f. 851 Im Ergebnis so auch Rogall, in: NStZ 1988, 385, 391; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 312; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 230; Wewerka, Internal Investigations, S. 298; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 225 ff., 229; Joecks, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 393 AO Rn. 92; nach Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 57c sind diese Erwägungen zumindest vertretbar; vgl. auch Grünwald, in: JZ 1966, 489, 495; Wolter, in: NStZ 1984, 276, 277. A.A. Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C94 Fn. 430; Sprenger, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 393 AO Rn. 39; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 221 f. 847

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E. Beweisverwertungsverbot

Aussage belehrt wurde.852 Insoweit ist die Situation des Mitarbeiters mit der eines Verstoßes gegen §§ 136, 136a StPO, für den auch die ständige Rechtsprechung des BGH853 und die Literatur854 eine Fortwirkung annimmt, durchaus vergleichbar. Hat der Mitarbeiter wegen des arbeitsrechtlichen Aussagezwangs Selbstbelastendes offenbart und geht er davon aus, dass diese Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden, kann dieser Umstand bei Vernehmung durch die staatlichen Behörden fortwirken.855 Der Mitarbeiter soll nicht glauben, an die erste arbeitsrechtliche Auskunft gebunden zu sein.856 e) Vorauswirkung Eine Vorauswirkung des Beweisverwertungsverbots, also die Frage einer zulässigen Verwertung des Beweises zur Begründung des Anfangsverdachts, wird, wie die Fernwirkung, zu der diese Frage thematisch gehört,857 überwiegend abgelehnt.858 Würde man eine Vorauswirkung generell bejahen, wäre zu befürchten, dass ein einziger Verfahrensverstoß das gesamte Strafverfahren lähmen könnte.859 Daher scheint es sinnvoll, bei der Frage der Vorauswirkung zu differenzieren. Geht es um die Begründung des Anfangsverdachts, sollte grundsätzlich keine Vorauswirkung bestehen, weil ansonsten jede weitere Ermittlung und damit die Strafverfolgung unmöglich wäre. Ausnahmen dürften aber bei einem besonders schweren Rechtsverstoß geboten sein.860 Eine Vorauswirkung ist daneben nach der herrschenden 852 Kottek, Kooperation, S. 177; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 308; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 215. 853 Statt aller BGHSt 32, 68, 70 f.; BGHSt 35, 32, 34 f.; BGHSt 37, 48, 53 f.; BGHSt 52, 11, 23 f. 854 Statt aller Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136 Rn. 9, § 136a Rn. 30; Gleß, in: LRStPO, § 136 Rn. 106, § 136a Rn. 74; Schuhr, in: MüKo StPO, § 136a Rn. 97; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, § 23 Rn. 483; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 577. 855 Kottek, Kooperation, S. 177 f.; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 308. 856 Vgl. Kottek, Kooperation, S. 178. 857 BVerfG, NStZ 2011, 103, 104; Beulke, in: LR-StPO, § 152 Rn. 27; Schöch, in: AKStPO, § 152 Rn. 11; vgl. Weßlau/Deiters, in: SK-StPO, § 152 Rn. 15 f.; Peters, in: MüKo StPO, § 152 Rn. 46. 858 Peters, in: MüKo StPO, § 152 Rn. 46 ff. m.w.N.; Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 375; Theile, in: StV 2011, 381, 386; so auch nach dem Beschluss der Abteilung Strafrecht des 67. Deutschen Juristentages, nach dem mit 39:31:5 Stimmen die Begründung des Anfangsverdachts durch unverwertbare Beweismittel angenommen wurde und nach 48:12:17 Stimmen unverwertbare Beweismittel als Ermittlungsansatz genutzt werden dürfen, vgl. Verhandlungen des 67. DJT, Band II/1, S. L67; a.A. Kasiske, in: NZWiSt 2014, 262, 267 für Erkenntnisse aus einer Mitarbeiterauskunft. 859 Peters, in: MüKo StPO, § 152 Rn. 47. 860 Insoweit verlangt eine Ansicht generell eine Abwägung zwischen der Schwere des Verstoßes und der aufzuklärenden Tat, vgl. BGHSt 27, 355, 357; Peters, in: MüKo StPO, § 152 Rn. 48; Schöch, in: AK-StPO, § 152 Rn. 11 m.w.N.; vgl. dazu auch Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 4; Beulke, in: LR-StPO, § 152 Rn. 27 m.w.N.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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Meinung abzulehnen, wenn ein gesetzliches Beweisverwertungsverbot nur die Verwertung „zu Beweiszwecken“861 verbietet.862 Mit dem BGH und der herrschenden Literatur sollten Verwertungsverbote aber grundsätzlich Vorauswirkung entfalten, wenn es um die Begründung eines hinreichenden863 oder dringenden864 Tatverdachts geht. Dafür spricht, dass die Staatsanwaltschaft sowohl beim hinreichenden als auch beim dringenden Tatverdacht die Verurteilungswahrscheinlichkeit prognostizieren muss.865 Unverwertbare Beweismittel können jedoch nicht zur Verurteilung herangezogen werden,866 sodass es überzeugend ist, diese bei der Prognose nicht zu berücksichtigen. Da eine solche Prognoseentscheidung beim Anfangsverdacht nicht erforderlich ist, erscheint eine Differenzierung zwischen den Verdachtsgraden sinnvoll. Darüber hinaus greifen Maßnahmen, die einen hinreichenden oder dringenden Tatverdacht erfordern, in der Regel in grundrechtlich geschützte Positionen ein, sodass die Annahme einer Vorauswirkung für diese Fälle zum Schutz des Beschuldigten sinnvoll erscheint. Im Hinblick auf Beweisverwertungsverbote, die einen Widerspruch in der Hauptverhandlung erfordern (sogenannte Widerspruchslösung867), dürfte es überzeugend sein, auch diese Beweismittel als unverwertbare Beweismittel anzusehen.868 Insofern würde für die Prognose der Widerspruch zum Schutz des Beschuldigten unterstellt.869

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So z. B. in § 161 Abs. 2 S. 1 StPO, § 630c Abs. 2 S. 3 BGB. Weßlau/Deiters, in: SK-StPO, § 152 Rn. 15; Peters, in: MüKo StPO, § 152 Rn. 47; a.A. Wohlers/Albrecht, in: SK-StPO, § 161 Rn. 55 m.w.N. 863 BGH, NJW 2017, 1828, 1830; so auch Wenske, in: MüKo StPO, § 203 Rn. 30; Gorf, in: BeckOK StPO, § 170 Rn. 5; Kölbel, in: MüKo StPO, § 170 Rn. 15. 864 BGHSt 36, 396, 398; BGHSt 38, 276, 278; so auch Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 112 Rn. 5; Krauß, in: BeckOK StPO, § 112 Rn. 16; Deckers, in: AK-StPO, § 112 Rn. 12; Graf, in: KK-StPO, § 112 Rn. 8; Böhm/Werner, in: MüKo StPO, § 112 Rn. 29. 865 Gorf, in: BeckOK StPO, § 170 Rn. 2 (zum hinreichenden Tatverdacht); Achenbach, in: AK-StPO, § 170 Rn. 9 (zum hinreichenden Tatverdacht); Graf, in: KK-StPO, § 112 Rn. 3 (zum dringenden Tatverdacht); Krauß, in: BeckOK StPO, § 112 Rn. 9 (zum dringenden Tatverdacht); Kölbel, in: MüKo StPO, § 170 Rn. 14. 866 Kudlich, in: MüKo, Einl. Rn. 486; Wenske, in: MüKo StPO, § 203 Rn. 30; angedeutet auch in BGH, NJW 2017, 1828, 1829. 867 Vgl. dazu nur BGHSt 38, 214, 225 f.; BGH, NJW 2017, 1332, 1333. 868 BGH, NJW 2017, 1828, 1829 m.w.N.; Kudlich, in: MüKo, Einl. Rn. 486; a.A. Gorf, in: BeckOK StPO, § 170 Rn. 5. 869 Die Problematik, die Beulke bei der Vorauswirkung von Verwertungsverboten mit erforderlichem Widerspruch sieht, weil es nahezu unmöglich wäre, dass die Staatsanwaltschaft die Einlegung des Widerspruchs zuverlässig prognostiziert (vgl. Beulke, in: LR-StPO, § 152 Rn. 26), dürfte damit umgangen sein. 862

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E. Beweisverwertungsverbot

f) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass eine mittelbare Beweiserhebung ein Beweisverwertungsverbot nicht umgehen darf, sodass alle mit der selbstbelastenden Auskunft entstandenen Beweismittel unverwertbar sind, also insbesondere das Interviewprotokoll und die Vernehmung von Zeugen über die Auskunft (z. B. die internen Ermittler). Dieses Verwertungsverbot greift nicht, wenn der Mitarbeiter freiwillig gegenüber den internen Ermittlern bzw. dem Arbeitgeber umfassend ausgesagt hat. Des Weiteren ist es für den Mitarbeiter disponibel, sodass er in eine Verwertung einwilligen kann. Die Reichweite von Beweisverwertungsverboten ist im Übrigen höchst umstritten. Nach der hier vertretenen Ansicht ist eine Fernwirkung abzulehnen, weil diese dem Zweck der Kooperation und der damit einhergehenden Hilfe bei der Sachverhaltsaufklärung entgegenlaufen würde und das Unternehmen nicht gehindert ist, weitere, auf der Auskunft beruhende Erkenntnisse, zu übergeben. Der Mitarbeiter ist durch das Verbot der Verwertung seiner selbstbelastenden Auskunft, des Interviewprotokolls und etwaiger Zeugenvernehmungen hinreichend geschützt. Das Verwertungsverbot entfaltet aber nach hier vertretener Ansicht eine Fortwirkung, sodass eine weitere Aussage des betroffenen Mitarbeiters unverwertbar ist, wenn er nicht zuvor qualifiziert hinsichtlich der Unverwertbarkeit der ersten Aussage belehrt wurde. Eine Vorauswirkung scheidet nach der hier vertretenen Ansicht im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Strafverfolgung grundsätzlich aus, wenn es um die Begründung des Anfangsverdachts geht. Bei der Begründung eines hinreichenden oder dringenden Tatverdachts sollten Beweisverwertungsverbote jedoch eine Vorauswirkung entfalten. 4. Beweisverwertungsverbot auch im Kündigungsschutzprozess Im Rahmen der Erörterung der Grenzen der Auskunftspflicht wurde bereits die Problematik der Beweislastumgehung bezüglich § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG diskutiert,870 welche im Folgenden näher dargelegt wird. a) Rekapitulation der Problemstellung Der Arbeitgeber trägt nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG (und den allgemeinen Beweislastregelungen) die Darlegungs- und Beweislast für Kündigungsgründe. Daher ist der Mitarbeiter im Rahmen der erforderlichen Anhörung vor einer Verdachtskündigung nicht verpflichtet, Kündigungsgründe zu offenbaren.871 Hat der Arbeit870

Siehe dazu oben unter C.IV.2.b). BAGE 81, 15, 22; BAG, NJW 2009, 1897, 1898; Niemann, in: ErfK ArbR, § 626 BGB Rn. 178c; Kempter/Steinat, in: NZA 2017, 1505, 1511. 871

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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geber hingegen – wie regelmäßig im Rahmen einer großangelegten Internal Investigation – andere oder darüber hinausgehende Interessen, z. B. Compliance-rechtliche Aufklärungsinteressen, ist dies, wie bereits gezeigt, anders.872 Stellt sich im Rahmen der weiteren Aufklärung heraus, dass die Ahndung des vom Mitarbeiter offenbarten Fehlverhaltens im Rahmen der Umsetzung der Compliance oder einer dabei propagierten Zero-Tolerance-Politik erforderlich ist,873 wurde dem Mitarbeiter also insbesondere keine arbeitsrechtliche Amnestie gewährt, ist fraglich, ob die selbstbelastende Auskunft als Beweismittel für die verhaltensbedingte Kündigung herangezogen werden darf.874 Dabei besteht das Dilemma, dass der umfassende materiell-rechtliche Auskunftsanspruch entweder zur Umgehung der Darlegungsund Beweislast führt oder, würde man die Umgehung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG bzw. der allgemeinen Grundsätze zur Beweislastverteilung um jeden Preis verhindern wollen, die interne Aufklärung von Compliance-Verstößen unmöglich wäre. Auflösen ließe sich dieser Konflikt über ein Beweisverwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess. b) Beweisverwertungsverbote im Zivil-/Arbeitsrecht Beweisverwertungsverbote sind in der Zivilprozessordnung, auf welche der § 46 Abs. 2 ArbGG für das Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten verweist, nicht ausdrücklich geregelt. Das Gericht entscheidet vielmehr gemäß (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m.) § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO nach freier Überzeugung, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr zu erachten ist. Aufgrund des im arbeits- und zivilgerichtlichen Verfahren geltenden Dispositions- und Beibringungsgrundsatzes, des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) darf das Gericht nur die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen verwerten, ist zugleich an den Vortrag der Parteien gebunden und darf diesen nicht ohne gesetzlichen Grund unberücksichtigt bzw. „unverwertet“ lassen.875 Die Nichtverwertung vorgetragener Tatsachen kommt nur in Betracht, wenn der Vortrag unschlüssig oder unbewiesen ist.876 Ein Verwertungsverbot existiert jedenfalls grundsätzlich nicht, insbesondere nicht bei unstreitigem Sachvortrag.877 Die 872

Siehe dazu oben unter C.IV.2.a). Vgl. dazu LG München I, AG 2014, 332, 334; Eufinger, in: RdA 2017, 223, 226. 874 Vgl. zu der Problematik auch Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1271, der dem Mitarbeiter jedoch ein Auskunftsverweigerungsrecht im Rahmen des Interviews zugesteht und sich insoweit die hier erörterte Problematik nicht stellt. Ein Beweisverwertungsverbot nimmt Eufinger jedoch für den Fall an, dass der Mitarbeiter nicht über das Auskunftsverweigerungsrecht belehrt wird. 875 BAG, NZA 2008, 1008, 1010; BAG, NZA 2011, 571, 573; BAGE 145, 278, 283; BAGE 156, 370, 373; BAGE 157, 69, 72; Greger, in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 15a; Gieseler, in: Gallner u. a., NK-KSchR, § 626 BGB Rn. 176; vgl. BVerfGE 106, 28, 49; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1268; vgl. zu den Grundsätzen im Zivilprozess Greger, in: Zöller, ZPO, Vorb. § 128 Rn. 9 ff. 876 BAG, NZA 2008, 1008, 1010; BAG, NZA 2011, 571, 573. 877 BAG, NZA 2008, 1008, 1010; BAG, NZA 2011, 571, 573. 873

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E. Beweisverwertungsverbot

Annahme oder Prüfung eines Verwertungsverbots ist dabei im Zivil- bzw. Arbeitsgerichtsverfahren auch deswegen problematisch, weil der Sachverhalt bei fehlendem Bestreiten als unstreitig gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO) und sich die Frage eines Verwertungsverbots dann gar nicht stellt; das Bestreiten eines wahrheitsgemäßen Vortrags ist aber wegen der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO problematisch.878 Die jüngere Rechtsprechung des BAG löst diese Problematik über die Anerkennung eines sogenannten Sachvortragsverwertungsverbots, welches aus einer verfassungskonformen Auslegung des Verfahrensrechts (insbesondere der §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1, 286 ZPO) hergeleitet wird.879 Insoweit stellt zusätzlich (auch die ältere) Rechtsprechung darauf ab, dass der Richter bei der Urteilsfindung zum einen nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden und zum anderen zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet ist.880 Außerdem ist das Gericht nach dem Rechtsstaatsprinzip zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts, insbesondere der Beweislastregelungen, verpflichtet.881 Ein solches Verwertungsverbot aus der Grundrechtsbindung der Gerichte ist dabei unabhängig eines etwaigen Bestreitens durch eine Partei vom Gericht zu beachten.882 Sind bei der Beweisaufnahme und -verwertung Grundrechte einer Partei betroffen, können sich daraus also Beweisverwertungsverbote auch im Zivil-/Arbeitsgerichtsprozess ergeben. Ein solches Verwertungsverbot zog die Rechtsprechung insbesondere bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht.883 Dabei ist zu prüfen, ob die gerichtliche Verwertung des Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift,884 was unabhängig von einer rechtswidrigen Informationsgewinnung der Fall sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist durch die verfassungsmäßige Ordnung einschränkbar, zu der 878

Vgl. zu dieser Problematik Reitz, in: NZA 2017, 273, 274 ff., der insoweit ein „Recht zur Lüge“ aber ablehnt; BAGE 156, 370, 376; BAGE 157, 69, 74; angedeutet wird die Problematik auch in BAG, NZA 2011, 571, 574, wobei zudem auf das Risiko der Verwirklichung eines Prozessbetruges abgestellt wird, wenn die Partei mit unwahrem Vortrag bestreitet. 879 BAG, NZA 2011, 571, 573; BAGE 156, 370, 373; BAGE 157, 69, 72; BAG, NZA 2017, 1327, 1328; vgl. Reitz, in: NZA 2017, 273, 275. 880 BVerfGE 52, 203, 207; BVerfGE 106, 28, 48; BVerfGE 117, 202, 240; BAG, NZA 2008, 1008, 1010; BAGE 130, 347, 356; BAG, NZA 2011, 571, 573; BAGE 142, 176, 182; BAGE 145, 278, 283; BAGE 156, 370, 374; BAGE 157, 69, 73; BAG, NZA 2017, 1327, 1328 f.; so auch Gieseler, in: Gallner u. a., NK-KSchR, § 626 BGB Rn. 176; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1268; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 294; ähnlich Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 227. 881 BVerfGE 52, 131, 145; BVerfGE 106, 28, 48; BVerfGE 117, 202, 240. 882 BAGE 156, 370, 376; BAGE 157, 69, 74. 883 BVerfGE 117, 202, 240 f.; BAG, NZA 2008, 1008, 1011 f.; BAGE 130, 347, 353 ff.; BAG, NZA 2011, 571, 574 ff.; BAGE 142, 176, 182 ff.; BAGE 145, 278, 282 ff.; BAGE 156, 370, 373 ff.; BAGE 157, 69, 72 ff.; BAG, NZA 2017, 1327, 1328 f.; so auch Tscherwinka, in: FS I. Roxin, 521, 534; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 26; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 220. 884 Gieseler, in: Gallner u. a., NK-KSchR, § 626 BGB Rn. 177; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 226.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

301

auch die prozessualen Normen über die Vernehmung von Zeugen (§§ 373 ff. ZPO) oder die richterliche Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) gehören.885 Ein Beweismittel ist dann möglicherweise unverwertbar, wenn mit der gerichtlichen Verwertung erneut in die rechtlich geschützte Position eingegriffen oder der Eingriff perpetuiert wird.886 Ob ein Verwertungsverbot besteht, richtet sich dann nach einer Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mitarbeiters mit den für die Verwertung streitenden schutzwürdigen Belangen des Arbeitgebers und dem bedeutsamen Grundsatz wirksamer und funktionstüchtiger Rechtspflege (Art. 20 Abs. 3 GG).887 Das Beweissicherungsinteresse und das Interesse an einer funktionsfähigen Rechtspflege können aber allein nicht ausreichen, um das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu überwiegen.888 Es sind vielmehr weitere Aspekte erforderlich, welche die Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als schutzwürdig qualifizieren.889 Dem Interesse an der Beweiserhebung muss „besondere Bedeutung für die Rechtsverwirklichung einer Partei“ zukommen.890 Als Beispiel wird dabei im Zivilrecht vor allem eine Notwehr oder notwehrähnliche Lage angeführt.891 Der Schutzzweck der verletzten Norm kann der Verwertung unstreitigen Sachverhalts wiederum entge-

885

BVerfGE 106, 28, 48. BAG, NZA 2008, 1008, 1010 f.; BAG, NZA 2011, 571, 573; BAGE 156, 370, 376; BAG, NZA 2017, 1327, 1329; so auch Thüsing/Pötters, in: Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 11 Rn. 57; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1268. 887 BVerfGE 106, 28, 49; BVerfGE 117, 202, 241; BGHZ 27, 284, 290; BGH, NJW 1982, 277 f.; BGH, NJW 1991, 1180; BGH, NJW 1998, 155; BAG, NZA 2008, 1008, 1011 f.; BAG, NZA 2011, 571, 574; BAGE 142, 176, 182; BAGE 145, 278, 287; BAGE 156, 370, 375; BAGE 157, 69, 73 f.; so auch Reitz, in: NZA 2017, 273, 277; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 226; vgl. auch Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1268; Böhm, Non-Compliance und Arbeitsrecht, S. 155; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 133. 888 BVerfGE 106, 28, 49; BVerfGE 117, 202, 241; BGHZ 27, 284, 290; BGH, NJW 1982, 277 f.; BGH, NJW 1988, 1016, 1018; BAGE 105, 356, 361; BAG, NZA 2008, 1008, 1012; BAGE 142, 176, 182; BAGE 145, 278, 287; BAGE 156, 370, 375; BAGE 157, 69, 73 f.; Greger, in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 15a; Gieseler, in: Gallner u. a., NK-KSchR, § 626 BGB Rn. 177; Thüsing/Pötters, in: Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 11 Rn. 57; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1268; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 227; vgl. auch BAG, NZA 2011, 571, 574. 889 BVerfGE 106, 28, 49; BVerfGE 117, 202, 241; BAGE 105, 356, 361; BAG, NZA 2008, 1008, 1012; BAG, NZA 2011, 571, 574; BAGE 142, 176, 182 f.; BAGE 145, 278, 288; BAGE 156, 370, 375; BAGE 157, 69, 74; BAG, NZA 2017, 1327, 1332; so auch Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, § 286 Rn. 63; Gieseler, in: Gallner u. a., NK-KSchR, § 626 BGB Rn. 177; Thüsing/ Pötters, in: Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 11 Rn. 57; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1268; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 227; vgl. auch BAGE 130, 347, 356. 890 BAGE 105, 356, 361; so auch Thüsing/Pötters, in: Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 11 Rn. 57. 891 BVerfGE 106, 28, 50; BGHZ 27, 284, 289 f.; BAGE 105, 356, 361; BAG, NZA 2008, 1008, 1012; BAGE 145, 278, 288; BAG, NZA 2017, 1327, 1332; so auch Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, § 286 Rn. 63; Gieseler, in: Gallner u. a., NK-KSchR, § 626 BGB Rn. 177; Klengel/ Mückenberger, in: CCZ 2009, 81, 82; Vogt, in: NJOZ 2009, 4206, 4217; Eufinger, in: DB 2017, 1266, 1268; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 227. 886

302

E. Beweisverwertungsverbot

genstehen.892 Dies setzt voraus, dass es dem Schutzzweck des „allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag […] zur Entscheidungsgrundlage zu machen“.893 Die Rechtsprechung trifft insoweit bei der Frage eines Verwertungsverbots immer eine Einzelfallentscheidung. Daher lässt sich die Beurteilung der zuvor erörterten Fallkonstellation nicht vorhersehen. Soweit ersichtlich, existiert auch bislang keine Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Fall. In der Regel wird zudem bei rechtmäßiger Informationserlangung kein Verwertungsverbot angenommen.894 Die von Rübenstahl895 herangezogene Rechtsprechung896, nach der Protokolle einer Anhörung im Rahmen einer Verdachtskündigung verwertet werden können, lässt keine Rückschlüsse auf die Interviewsituation zu, da sich der Mitarbeiter bei der Anhörung im Rahmen der Verdachtskündigung gerade nicht selbst belasten muss897. c) Problematik eines Beweisverwertungsverbots für rechtmäßig gewonnene Informationen Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots für Auskünfte im Mitarbeiterinterview unterliegt jedoch zusätzlich einer besonderen Problematik: Die umfassende Auskunftspflicht im Rahmen des Mitarbeiterinterviews ist jedenfalls nach § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) rechtmäßig. Die damit einhergehende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist in privatrechtlicher Hinsicht aufgrund der überwiegenden Interessen des Arbeitgebers an der Aufklärung des Sachverhalts trotz der Existenz des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG gerechtfertigt. Den Verwertungsverboten nach der Rechtsprechung lagen demgegenüber regelmäßig Fälle zugrunde, in denen bereits bei der Informationsbeschaffung ein nicht gerechtfertigter Eingriff durch den Arbeitgeber in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorlag und für den Fall der Rechtfertigung des Eingriffs das Verwertungsverbot abgelehnt wurde.898 Auch die Literatur diskutiert Beweisverwertungsverbote 892

BAGE 156, 370, 375 f.; BAGE 157, 69, 74; Laumen/Prütting, in: Baumgärtel u. a., Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 6 Rn. 5; Tscherwinka, in: FS I. Roxin, 521, 534; Vogt, in: NJOZ 2009, 4206, 4216; Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 26; Aldenhoff/Schultheis, in: ZRFC 2015, 214, 220; vgl. auch Maschmann, in: NZA 2002, 13, 21. 893 BAGE 156, 370, 375 f.; BAGE 157, 69, 74. 894 Vgl. Greve/Tsambikakis, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 18 Rn. 26, die eine Annahme eines Beweisverwertungsverbots aufgrund der bestehenden zivilrechtlichen Auskunftspflicht in der Praxis für zweifelhaft halten. 895 Rübenstahl, in: WiJ 2012, 17, 25. 896 BAG, NJOZ 2003, 2259; LAG Köln, NZA-RR 1998, 297, 299. 897 BAGE 81, 15, 22; BAG, NJW 2009, 1897, 1898; Niemann, in: ErfK ArbR, § 626 BGB Rn. 178c; Kempter/Steinat, in: NZA 2017, 1505, 1511. 898 BAG, NZA 2008, 1008, 1011 f. (Spindkontrolle); BAG, NZA 2011, 571, 574 ff. (verdeckte Videoüberwachung); BAGE 142, 176, 182 ff. (verdeckte Videoüberwachung); BAGE 145, 278, 282 ff. (Spindkontrolle); BAGE 156, 370, 373 ff. (verdeckte Videoüberwachung);

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

303

hauptsächlich bei rechtswidriger Erlangung der Beweismittel.899 In den Fällen, in denen die Rechtsprechung auf den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch gerichtliche Erhebung und Verwertung des Beweises in den Ausgangsverfahren abgestellt hat, knüpften die Gerichte ebenfalls an eine Perpetuierung oder Wiederholung des bei der Informationserhebung erfolgten Eingriffs im Verfahren, also an eine rechtswidrige Beweiserhebung, an.900 Demnach besteht zwischen der Frage des prozessualen Verwertungsverbots und der materiell-rechtlichen Frage der rechtswidrigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Privatverhältnis ein innerer Zusammenhang.901 Daher kann nach Auffassung in der Literatur (zumindest regelmäßig) kein Verwertungsverbot angenommen werden, wenn die Informationsbeschaffung unter Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Zivilrecht rechtmäßig war.902 Vorliegend müsste ein Verwertungsverbot jedoch gerade für ein rechtmäßig erlangtes, aber „zweckwidrig“ und unter Umgehung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG als Beweis für eine Kündigung verwendetes Beweismittel begründet werden können. Diesbezüglich ist wiederum problematisch, dass gegen Beweislastregelungen nicht wie gegen Verhaltensvorschriften verstoßen werden kann, sondern allenfalls eine Umgehung möglich ist. Da auch für den Fall eines rechtswidrig erlangten Beweismittels eine Abwägung der Interessen vorgenommen wird,903 dürfte eine Abwägung auch für den vorliegenden Fall zu überzeugenden Ergebnissen führen. d) Stellungnahme Der Widerspruch, dass der Mitarbeiter im Rahmen einer Anhörung vor einer Verdachtskündigung nicht verpflichtet ist, etwaige Kündigungsgründe preiszugeben,904 eine diesbezügliche Pflicht im Compliance-rechtlichen Mitarbeiterinterview aber besteht und danach eine Kündigung wegen einer Pflichtverletzung möglich ist, lässt sich nur durch ein Verwertungsverbot auch im Kündigungsschutzprozess auflösen. Nur dann wäre einerseits dem Erfordernis Rechnung getragen, dass der materiell-rechtliche Auskunftsanspruch die Beweislastregelungen nicht unzulässig

BAGE 157, 69, 72 ff. (verdeckte Videoüberwachung); BAG, NZA 2017, 1327, 1328 f. (Überwachung mittels Keylogger). 899 Vgl. Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 15. Teil Rn. 77; Laumen/Prütting, in: Baumgärtel u. a., Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 6 Rn. 1 ff.; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 224 ff.; Tiedemann, in: ZD 2017, 343. 900 So u. a. BVerfGE 106, 28, 39; BAGE 145, 278, 282 f. 901 Otto, in: AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36. 902 Maschmann, in: NZA 2002, 13, 21 m.w.N.; Otto, in: AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36; Tiedemann, in: ZD 2017, 343. 903 Siehe dazu Kap. E. Fn. 887. 904 BAGE 81, 15, 22; BAG, NJW 2009, 1897, 1898; Niemann, in: ErfK ArbR, § 626 BGB Rn. 178c; Kempter/Steinat, in: NZA 2017, 1505, 1511.

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E. Beweisverwertungsverbot

verändert,905 und andererseits das Interesse an einer gesetzlich vorgeschriebenen Sachverhaltsaufklärung gewahrt, deren Zweck das Interview dient. Das im Rahmen des Interviews vorrangige Aufklärungsinteresse wäre dann durch ein Verwertungsverbot der Angaben im Kündigungsschutzprozess ausgeglichen. Die Umgehung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG ließe sich dadurch verhindern. Eine Verwertung von Erkenntnissen aus einem materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch, der Beweislastregelungen umgeht, lässt sich auch nicht durch ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Beweisverwertung legitimieren. Eine solche Verwertung dürfte zudem einer fairen Handhabung des Beweisrechts, insbesondere der Beweislastregelungen, zu der das Gericht nach dem Rechtsstaatsprinzip verpflichtet ist,906 entgegenwirken. Für diese Lösung spricht des Weiteren, dass das Interviewprotokoll nach der hier vertretenen Ansicht auch im Strafverfahren nicht verwertbar ist907 und zumindest Vernehmungsprotokolle, die aufgrund eines Verfahrensfehlers (z. B. fehlende Belehrung nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO) im Strafprozess nicht verwertet werden dürfen, auch nicht als Urkundsbeweis in den Zivilprozess eingeführt werden dürfen908. Daneben ließe sich damit der „Mauer des Schweigens“ entgegenwirken, wenn der Mitarbeiter aus seiner Auskunft keine unmittelbaren Nachteile zu befürchten hätte. Ein Verwertungsverbot würde den Arbeitgeber bei der Beweisbeschaffung auch nicht unzumutbar beeinträchtigen, da dem Interview regelmäßig die Auswertung und Sichtung aller relevanten Dokumente und E-Mails vorausgeht und sich daraus in der Regel bereits ein Verdacht ableiten lässt, der für eine Verdachtskündigung ausreicht, solange er dringend und durch objektive Umstände belegt ist909. Insofern wäre es dem Arbeitgeber nicht unzumutbar erschwert, die Kündigung und damit eine Reaktionen auf etwaiges Fehlverhalten durchzusetzen. In der Praxis dürfte es zudem äußerst selten sein, dass der Mitarbeiter im Rahmen einer Anhörung bei einer Verdachtskündigung gesteht, sodass die Unverwertbarkeit der Auskunft den Arbeitgeber regelmäßig nicht schlechter stellen würde. Der Mitarbeiter würde hingegen nachträglich so gestellt, als hätte das Gespräch ausschließlich seiner Kündigung gedient, 905

BAGE 81, 15, 22; so auch BAGE 113, 55, 59 f., wobei in dem entschiedenen Fall keine unzulässige Verschiebung der Beweis- und Darlegungslast angenommen wurde (S. 62 f.); BGH, NJW 1990, 1358; BGH, NJW 1990, 3151; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17. 09. 2008 – 9 Ta 169/08 – juris, Rn. 11, welches den Auskunftsanspruch deswegen verneint hat; so auch Laumen, in: Baumgärtel u. a., Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 15 Rn. 16; Joussen, Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, S. 148. 906 BVerfGE 52, 131, 145; BVerfGE 106, 28, 48; BVerfGE 117, 202, 240. 907 Nach Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 Rn. 20 sei im Sinne der Einheit der Rechtsordnung eine gleiche Behandlung wünschenswert, obwohl die strafrechtliche Argumentation nicht ohne weiteres auf den Kündigungsschutzprozess übertragbar sei. 908 BGH, NJW 1985, 1470, 1471; zustimmend Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, § 286 Rn. 78; Greger, in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 15i. 909 Zu den Voraussetzungen der Verdachtskündigung Henssler, in: MüKo BGB, § 626 Rn. 242.

III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot

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in welchem er die Auskunft grundsätzlich hätte verweigern können. Insoweit würde den unterschiedlichen verfolgten Interessen Rechnung getragen. Die generelle Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ist des Weiteren ein tragendes Prinzip im Arbeitsrecht.910 Der Mitarbeiter ist dem Arbeitgeber regelmäßig unterlegen und auf die Arbeitsstelle als Existenzgrundlage angewiesen. Insbesondere das Kündigungsschutzrecht dient, durch die Erschwerung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, dem Schutz des Arbeitnehmers.911 Daher gelten im Arbeitsgerichtsverfahren strengere Anforderungen an eine Verwertung von Beweismitteln, die in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen, als im Zivilgerichtsverfahren.912 Ein Sachvortragsverwertungsverbot ließe sich daher zum Schutz des Mitarbeiters gut begründen, es ist jedoch immer eine Abwägung im Einzelfall erforderlich. 5. Ergebnis zum selbstständigen Beweisverwertungsverbot Im Gegensatz zu den unselbstständigen Beweisverwertungsverboten kann über die Anerkennung eines selbstständigen Beweisverwertungsverbots aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nach den Grundsätzen des Gemeinschuldner-Beschlusses eine überzeugende Lösung zum Schutz des Mitarbeiters vor der Umgehung seines strafprozessualen Schweigerechts entwickelt werden, wenn er aufgrund der zwangsweise durchsetzbaren Auskunftspflicht selbstbelastende Angaben gegenüber dem Arbeitgeber macht. Dieses Beweisverwertungsverbot entfaltet nach hier vertretener Ansicht keine Fernwirkung, aber eine Fortwirkung. Für die Begründung eines hinreichenden oder dringenden Tatverdachts ist grundsätzlich auch eine Vorauswirkung überzeugend. In einem etwaigen Kündigungsschutzprozess ist ein Verwertungsverbot aufgrund einer Abwägung der Interessen im Einzelfall zu bestimmen. Dabei spricht die durch den materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch veränderte Beweislastverteilung bezüglich § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG grundsätzlich für ein Verwertungsverbot zugunsten des Mitarbeiters. Da aufgrund der objektiv nicht bestehenden erzwingbaren Auskunftspflicht kein Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG angenommen werden kann, wenn sich der Mitarbeiter über das Bestehen oder die Reichweite der Auskunftspflicht irrt, sind für diese Konstellationen weitere Lösungswege in Betracht zu ziehen.

910 Vgl. BAG, NJW 1993, 2458, 2459; Mansel, in: Jauernig BGB, Vorb. §§ 611 ff. Rn. 41; Henssler, in: MüKo BGB, § 626 Rn. 242; Weidenkaff, in: Palandt BGB, Einf. v. § 611 Rn. 3; Klengel/Mückenberger, in: CCZ 2009, 81, 82. 911 Mansel, in: Jauernig BGB, Vorb. §§ 611 ff. Rn. 41, 44. 912 Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 15. Teil Rn. 77; Klengel/Mückenberger, in: CCZ 2009, 81, 82.

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E. Beweisverwertungsverbot

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten Neben der hier vertretenen dogmatischen Grundlage des Beweisverwertungsverbots zum Schutz des Mitarbeiters in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG werden in der Literatur auch weitere Lösungsmöglichkeiten für ein Beweisverwertungsverbot vertreten, insbesondere § 136a StPO (analog) und das fair-trial-Prinzip. 1. Beweisverwertungsverbot aus § 136a StPO (analog) Teile der Literatur stützen ein Beweisverwertungsverbot für die Auskünfte des Mitarbeiters im Rahmen der Internal Investigation auf § 136a StPO analog.913 Begründet wird dies zum einen mit der Fürsorgepflicht der Staatsanwaltschaft und zum anderen mit der Zurechenbarkeit der Internal Investigations an den Staat aufgrund des bewussten Ausnutzens der Kooperation und einem bewussten Unterlassen eigener Ermittlungen.914 Das rechtsstaatliche Bedürfnis verstärke die Forderung nach einer mittelbaren Drittwirkung des § 136a StPO.915 Bei (analoger) Anwendung des § 136a StPO würde ein Beweisverwertungsverbot sowohl bei Zwang als auch bei Täuschungen eingreifen. a) Analoge Anwendung bei menschenrechtswidrigem Vorgehen oder bei Zurechnung Nach der überwiegenden Ansicht ist anerkannt, dass § 136a StPO (analog) anzuwenden ist, wenn sich die Strafverfolgungsbehörden das Verhalten des Privaten, das gegen § 136a StPO verstößt, zurechnen lassen müssen.916 Die Voraussetzungen 913

Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 756; Kottek, Kooperation, S. 139 ff., 175 ff.; Jahn, in: StV 2009, 41, 45 für Täuschungen des Mitarbeiters oder einem sonstigen Einsatz unzulässiger Vernehmungsmethoden; Fritz, in: CCZ 2011, 156, 159 für repressive Befragungen; für Täuschungen auch Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, § 23 Rn. 481. 914 Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 755 f.; Kottek, Kooperation, S. 143 ff. 915 Kottek, Kooperation, S. 146; ähnlich Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 756, nach dem sich die „mittelbare Wirkung des § 136a StPO als rechtsstaatlicher Grundgedanke“ auswirke. 916 EGMR, StV 2004, 1; BGHSt 44, 129, 134; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 10; Deckers, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 45 Rn. 99; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3; Roxin/ Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 401; Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 13; Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 15. Teil Rn. 179; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 755; Woodsen, in: ZRFC 2010, 269, 270; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 18; Stoffer, Privatisierung, S. 264 ff.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 171 ff. grundsätzlich zur Zurechnung bei strafrechtswidriger Beweisgewinnung (ohne Bezug auf § 136a StPO analog); Joerden, in: JuS 1993, 927, 928; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 274; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 179, 203 ff., nach dem § 136a StPO unmittelbar anzuwenden ist; vgl. auch Kottek, Kooperation, S. 140. A.A. Jahn, in: StV 2009, 41, 45.

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten

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der Zurechnung, die nach der hier vertretenen Ansicht nur in Ausnahmefällen bei der Internal Investigation vorliegen,917 und die Auswirkungen der Zurechnung für die Frage der Anwendbarkeit des § 136a StPO (analog)918 wurden bereits thematisiert. Insoweit eignet sich die – insbesondere von Pfordte und Kottek vorgeschlagene – Lösung zum Beweisverwertungsverbot nach § 136a StPO (analog) für Internal Investigations nach der hier vertretenen zurückhaltenden Annahme einer Zurechnung nicht zur allgemeinen Lösung des Konflikts. Bezüglich der Rechtsfolgen einer ausnahmsweise gegebenen Zurechnung, insbesondere hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 136, 136a StPO und des nemo-tenetur-Grundsatzes, kann auf obige Ausführungen verwiesen werden.919 Neben dem Fall der Zurechnung entfaltet § 136a StPO nach Rechtsprechung und herrschender Literatur eine Drittwirkung für privat gewonnene Erkenntnisse, wenn bei der Informationsgewinnung durch den Privaten in besonders krasser Weise gegen die Menschenwürde verstoßen wurde.920 Demnach überschneidet sich die Problematik der Verwertbarkeit einer privat rechtswidrigen Beweisbeschaffung mit der Problematik der Drittwirkung des § 136a StPO.921 Solche Verstöße dürfte es jedoch bei den normal ablaufenden Internal Investigations nicht geben.922 b) Keine (horizontale) Drittwirkung des § 136a StPO in sonstigen Fällen Im Übrigen vertreten Teile der Literatur außerdem, dass § 136a StPO bei jeder rechtswidrigen Beweisgewinnung durch Private analog gilt (horizontale Drittwirkung).923 Andere wiederum fordern eine Strafrechtswidrigkeit des privaten Handelns 917

Siehe dazu oben unter E.II. Siehe dazu oben unter E.II.4.b)bb). 919 Siehe dazu oben unter E.II.4. 920 OLG Hamburg, NJW 2005, 2326, 2329; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3 m.w.N.; Pauckstadt-Maihold, in: KMR-StPO, § 136a Rn. 5; Deckers, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 45 Rn. 99; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 479; ähnlich Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 12; Klengel/Mückenberger, in: CCZ 2009, 81; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 167. Allgemein zu Unverwertbarkeit privater Ermittlungen bei Menschenrechtswidrigkeit, ohne konkreten Bezug zu § 136a StPO: OLG Celle, NJW 1985, 640, 641; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Nüse, in: JR 1966, 281, 285; Gössel, in: GA 1991, 483, 496; Rogall, in: JZ 1996, 944, 949; Matula, Private Ermittlungen, S. 196 f.; vgl. auch Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 3 m.w.N.; Rogall, in: SKStPO, § 136a Rn. 11, 15; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 12. 921 Siehe dazu unten unter E.V.; diese Überschneidung wird u. a. angedeutet von Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 10. 922 So auch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 99 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 263. 923 Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 13 f., der aber nicht von einem generellen Beweisverwertungsverbot ausgeht, sondern eine Abwägung fordert; Joerden, in: JuS 1993, 927, 928; Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 13; damals auch noch Jahn, in: JuS 2000, 441, 444 (im 918

308

E. Beweisverwertungsverbot

für die analoge Anwendung des § 136a StPO.924 Begründet wird dies teilweise mit dem Argument verbotener Beweismittelhehlerei.925 In Anbetracht der zumindest zum unmittelbaren Arbeitsbereich bestehenden Pflicht des Mitarbeiters, umfassend und gegebenenfalls selbstbelastend auszusagen,926 der Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung dieser Pflicht927 und des grundsätzlich fehlenden strafbaren Vorgehens in Mitarbeiterinterviews928 kommt eine analoge Anwendung – unabhängig davon, ob man dieser Ansicht grundsätzlich zustimmt und welche Qualität der Rechtswidrigkeit man fordert – im Regelfall der rechtmäßigen Internal InvesGegensatz zu Jahn, in: JuS 2005, 1057, 1058 und Jahn, in: StV 2009, 41, 45, wo er Strafrechtswidrigkeit fordert); ohne Begründung wohl auch Stürner, in: NJW 1981, 1757, 1760; jedenfalls für §§ 163a, 136 StPO auch Wastl/Litzka/Pusch, in: NStZ 2009, 68, 70; Gaede, in: StV 2004, 46, 52, der die analoge Anwendung „jedenfalls für die rechtswidrige Geständniserlangung“ annimmt; Szesny, in: BB 2011, VI, VII; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 176 m.w.N.; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 210 f.; Kottek, Kooperation, S. 143 f., 176, wobei seine Ausführungen auf Internal Investigations in Kooperation mit der SEC bezogen sind; Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 755. A.A. Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Brockhaus, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 29 Rn. 125; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 170 f., nach der wenn überhaupt eine strafrechtswidrige Beweisgewinnung ein Verwertungsverbot zur Folge haben könne, da eine zivilrechtliche Rechtswidrigkeit nur inter partes wirke und der Staat nicht mittels eines strafprozessualen Verwertungsverbotes die (Miss-)Billigung eines Zivilrechtsverstoßes ausspreche; kritisch ist Godenzi aber auch hinsichtlich der analogen Anwendung des § 136a StPO, vgl. S. 186 ff.; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 167 kritisiert Pfordte dafür, dass er die mittelbare Wirkung des § 136a StPO auf eine nicht begründete Belehrungspflicht der internen Ermittler gegenüber den Mitarbeitern stützt und daraus den notwendigen Verstoß gegen elementare Rechte des Mitarbeiters herleitet; Jahn, Diskussion zum 67. DJT, Band II/2, S. L142; Reeb, Internal Investigations, S. 122 f., der die Planwidrigkeit der fehlenden Regelungslücke und die nicht vergleichbare Interessenlage anführt. 924 Jahn, in: JuS 2005, 1057, 1058; Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Jahn, Gutachten für den 67. DJT, S. C102; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 200; Wewerka, Internal Investigations, S. 260. A.A. EGMR, NJW 1989, 654, 655 f.; BVerfGE 34, 238, 248 f.; BVerfG, NStZ 2011, 103, 105; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 478; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 193 f.; Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 17; Rogall, in: JZ 2008, 818, 828, nach dem materielles Strafrecht und Verfahrensrecht streng zu unterscheiden seien, sodass privates Verhalten niemals der Grund für ein Verwertungsverbot sein könne, sondern nur selbstständige Verwertungsverbote in Betracht kämen; kritisch äußert sich auch Matula, Private Ermittlungen, S. 166. 925 Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 13; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 204 f. Kritisch: Kottek, Kooperation, S. 166 f.; Reeb, Internal Investigations, S. 129 f.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 195 ff., die überzeugend anführt, dass Folge dieser Ansicht eine Machtposition der Privatperson wäre, den staatlichen Strafverfolgungsanspruch mittels eigener strafrechtswidriger Beweiserhebung zu durchkreuzen, sodass es in der Hand der Privatperson liegen könne, ob ein Beweismittel durch eine Straftat unbrauchbar gemacht werde. 926 Siehe dazu oben unter C.I. und C.IV. 927 Siehe dazu oben unter C.V. 928 Siehe dazu oben unter C.VI.3.

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten

309

tigation nicht in Betracht. Ohne eine tiefergreifende Auseinandersetzung mit dieser Problematik erscheinen diesbezüglich die Ansichten überzeugend, die eine generelle analoge Anwendung des § 136a StPO auf Private ablehnen.929 Grundsätzlich stelle das materielle Strafrecht die Grenze privaten Handelns dar, weshalb bereits das Vorliegen einer Regelungslücke zweifelhaft sei.930 Zudem bestehe auch deswegen keine planwidrige Regelungslücke, da sich die Strafprozessordnung bewusst nicht an Private richtet.931 Außerdem liege aufgrund des bestehenden Machtgefälles zwischen Staat und Bürger keine vergleichbare Interessenlage vor; die unterschiedliche Rechtsstellung von Privaten und Strafverfolgungsorganen erfordere einen unterschiedlichen Bewertungsmaßstab.932 Im Übrigen wäre eine analoge Anwendung aufgrund des Fehlens einer Regelungslücke abzulehnen, weil für die auf der umfassenden (zur Selbstbelastung zwingenden) Auskunftspflicht beruhenden Erkenntnisse ein Beweisverwertungsverbot aus der Verfassung abgeleitet werden kann.933 2. Beweisverwertungsverbot aus einer Verletzung des fair-trial-Grundsatzes Autoren, die eine Übertragbarkeit der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses und ein Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ablehnen, stützen ein Verwertungsverbot zugunsten des Mitarbeiters überwiegend auf einen Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz.934 Bevor auf dessen mögliche Verletzung im Rahmen der Internal Investigation eingegangen wird, erfolgt zunächst ein Überblick über die rechtliche Verankerung und die inhaltliche Ausgestaltung des Grundsatzes.

929 Stoffer, Privatisierung, S. 256 f.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 188 ff.; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 213 f. 930 Stoffer, Privatisierung, S. 256; so auch Rogall, in: JZ 2008, 818, 828; Rogall, in: SKStPO, § 136a Rn. 10; ähnlich auch Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 249. 931 Vgl. Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 127; Stoffer, Privatisierung, S. 256; Kottek, Kooperation, S. 118; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 213. 932 Stoffer, Privatisierung, S. 256; ausführlich Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 189 f. 933 So Matula, Private Ermittlungen, S. 172. Siehe zu der Frage eines selbstständigen Beweisverwertungsverbots oben unter E.III. 934 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390 f.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513 ff.; Wimmer, in: NK 2016, 356, 364; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 Rn. 28; Wewerka, Internal Investigations, S. 292 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 290 ff.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 174, 249; vgl. auch I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 140.

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E. Beweisverwertungsverbot

a) Rechtliche Verankerung und inhaltliche Ausgestaltung Das fair-trial-Prinzip ist wie der nemo-tenetur-Grundsatz zwar anerkannt, aber im deutschen Recht nicht normiert. Überwiegend wird der Grundsatz aus dem Rechtsstaatsprinzip, den allgemeinen Freiheitsgrundrechten (insbesondere Art. 2 Abs. 1, 2 S. 2 GG) und der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) hergeleitet.935 Einfachgesetzlich ist er in Art. 6 EMRK normiert.936 Da für die EMRK seit der „Görgülü-Entscheidung“ des BVerfG937 der Rang eines einfachen Bundesgesetzes anerkannt ist, gilt Art. 6 EMRK auch für den Strafrichter938. Dieser muss, wie die übrigen deutschen Gerichte, die EMRK wie anderes Bundesrecht bei der Auslegung des Rechts beachten.939 Dies gilt auch für die Auslegung der Grundrechte und der rechtsstaatlichen Grundsätze, soweit dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes in Deutschland führt.940 Inhaltlicher Kern dieses Rechts ist das Verbot, den Menschen zum bloßen Objekt eines staatlichen Verfahrens herabzuwürdigen941 und es verpflichtet den Staat zu einem korrekten und

935 BVerfGE 89, 120, 129; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 14; BVerfGE 130, 1, 25; BVerfG, NJW 2015, 1083; BGHSt 53, 294, 304; BGH, NStZ 2017, 59, 61; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 134; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 19; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig u. a., NK-EMRK, Art. 6 Rn. 89; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 13; Jahn/Kirsch, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 33 Rn. 22; Frister, in: ZStW 106 (1994), 303, 323; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193; Paul, in: NStZ 2013, 489, 494; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 120; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 290; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 255. 936 EKMR, NJW 1963, 2247, 2247; BGHSt 24, 125, 131; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 19 und Anh. 4, Art. 6 EMRK Rn. 4; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 134; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 177; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 101; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 105; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 291; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 156; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 120. 937 BVerfGE 111, 307, 315 f. 938 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 120; vgl. auch Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 291. 939 BVerfGE 111, 307, 317. 940 BVerfGE 111, 307, 317. 941 BVerfGE 26, 66, 71; BVerfGE 46, 202, 210; BVerfGE 57, 250, 274 f.; BVerfGE 63, 45, 61; BVerfGE 66, 313, 318; BVerfG, NStZ 1995, 555; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 14; BGHSt 37, 10, 14; BGHSt 53, 294, 304; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 9; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 201; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 134; Meyer-Ladewig/ Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig u. a., NK-EMRK, Art. 6 Rn. 87; Schädler/Jakobs, in: KK-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 20; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 120; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 290 f.

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten

311

fairen Verfahren942. Damit der Betroffene nicht bloßes Objekt des Verfahrens wird, muss er die Möglichkeit haben, zur Wahrung seiner materiellen Rechte den Verfahrensgang zu beeinflussen.943 Die Ausgestaltung des Strafverfahrensrechts in einer das fair-trial-Prinzip wahrenden Weise ist zunächst Sache des Gesetzgebers und erst dann durch die Rechtsanwendung und -auslegung die der Gerichte.944 Da der Gesetzgeber bei der Schaffung der StPO das fair-trial-Prinzip bereits berücksichtigt hat, wirkt dieses im Strafverfahren bei Konflikten des Strafverfolgungsinteresses des Staates mit den Beschuldigtenrechten nur im Falle einer Regelungslücke, also bei Konflikten, die nicht durch die StPO geregelt sind945. Im Übrigen wirkt der fair-trial-Grundsatz als prozessuales Recht mit Auffangcharakter.946 Als übergeordnetes Wertungsprinzip gilt der Grundsatz dabei für das Verfahren in seiner Gesamtheit.947 Es muss immer geprüft werden, ob das Verfahren insgesamt fair war.948 Ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren ist also immer nach der Gesamtschau der Umstände mit Blick auf das Verfahrensrecht (z. B. Vorgehen der Ermittlungsbehörden, Situation des Angeklagten, Erlangung des Beweismittels, Berührung rechtsstaatlicher Grundsätze) zu beurteilen.949 Im Rahmen der Gesamt942 BVerfGE 38, 105, 111 ff.; BVerfGE 57, 250, 274 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 14; BVerfG, NJW 2015, 1083; BGHSt 53, 294, 304; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776. 943 BVerfGE 26, 66, 71; BVerfGE 46, 202, 210; BVerfGE 63, 45, 61; BVerfGE 66, 313, 318; BGHSt 37, 10, 14; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 74; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 291 f. 944 BVerfGE 63, 45, 61; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 15; BGHSt 53, 294, 304; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 19; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 103. 945 BGHSt 36, 305, 311; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 192; Schmitt, in: MeyerGoßner, StPO, Einl. Rn. 19; Schädler/Jakobs, in: KK-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 22 f.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 73; Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390 ff.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 125 f.; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 156; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 159. 946 Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 101; Wewerka, Internal Investigations, S. 271; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 261; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 159. 947 Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 188; Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 13. 948 EGMR, StV 2003, 257, 258; EGMR, NJW 2003, 2893, 2894; EGMR, NJW 2006, 3117, 3122; EGMR, NJW 2015, 3631, 3632; BVerfG, NJW 2001, 2245, 2247; BGHSt 46, 93, 95; BGHSt 51, 150, 154; BGHSt 55, 70, 75; BGH, NStZ 2017, 602, 603; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 136; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 195; Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 16; Schädler/Jakobs, in: KK-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 35; Wewerka, Internal Investigations, S. 273; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 263; vgl. zur Rechtsprechung des EGMR auch Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, § 24 Rn. 66 ff. 949 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 15; BVerfGE 130, 1, 25; BVerfG, NJW 2015, 1083, 1084; BGHSt 53, 294, 304; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 19; vgl. EGMR, NJW 2006,

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E. Beweisverwertungsverbot

schau sind – zur Verwirklichung der im fair-trial-Prinzip enthaltenen Idee der Gerechtigkeit – auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und das Gebot einer bestmöglichen Sachaufklärung zu berücksichtigen.950 Ein Verstoß kann dabei auch dann vorliegen, wenn einzelne rechtsstaatliche Grundsätze noch nicht in der Schwere tangiert sind, dass sich allein daraus schon ein Verwertungsverbot ergeben würde, sich aber aus der Gesamtsituation ein anderes Bild ergibt.951 Insoweit hat die Rechtsprechung bereits mehrfach bei der Ablehnung eines Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz geprüft, ob ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren gegeben ist.952 Andererseits liegt auch nicht mit jedem Verstoß gegen ein Verfahrensrecht auch gleich ein Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz vor.953 Ist das Verfahren aber insgesamt fair und rechtsstaatlich verlaufen, liegt jedenfalls kein Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz vor.954 Bereits bei der Frage des Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, also vor der Frage der Folge eines solchen Verstoßes, ist daher eine Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls und der betroffenen Interessen erforderlich.955 Zu den speziellen Ausprägungen des fair-trial-Grundsatzes gehört zum einen der Gedanke der Waffengleichheit zwischen dem Beschuldigten/Angeklagten und den Strafverfolgungsorganen.956 Der Beschuldigte muss also z. B. die Möglichkeit haben, prozessuale Rechte und Möglichkeiten im Verfahren wahrzunehmen und Übergriffe 3117, 3122; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 190; Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 14; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig u. a., NK-EMRK, Art. 6 Rn. 92. 950 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 16 ff.; BGHSt 53, 294, 304 f.; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776. 951 BGHSt 42, 139, 156 f.; BGH, NJW 2001, 237, 238; BGHSt 53, 294, 304 ff.; Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 16; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 199; Gaede, in: JR 2009, 493, 494 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 277; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 291, 315. 952 BGHSt 42, 139, 156 f.; BGHSt 53, 294, 306 ff.; OLG Celle, NJW 1985, 640, 641; OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287 f.; KG, NStZ 1995, 146, 147; so auch Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86 m.w.N. 953 Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 16. 954 EGMR, NJW 2006, 3117, 3122; Wewerka, Internal Investigations, S. 279 f.; Scharnberg, Illegale Internal Investigations, S. 297. 955 EGMR, StV 2003, 257, 259; EGMR, NJW 2006, 3117, 3122; BVerfGE 130, 1, 26; BGHSt 53, 294, 305 ff.; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194; Paul, in: NStZ 2013, 489, 495. 956 BVerfGE 38, 105, 111; BVerfGE 63, 45, 61; BGHSt 36, 305, 309; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, § 24 Rn. 66; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 140; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 197, 202 ff.; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 106 ff.; Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 10; Schädler/Jakobs, in: KK-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 19 f.; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 113; Wewerka, Internal Investigations, S. 273; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 291; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 264 ff.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 163.

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten

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von Seiten des Staates oder anderen Verfahrensbeteiligten abzuwehren.957 Er muss nach Art. 6 Abs. 3 d) EMRK insbesondere das Recht haben, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen.958 Außerdem muss dem Beschuldigten für ein faires Verfahren das Recht gewährt werden, sich effektiv zu verteidigen (Art. 6 Abs. 3 b), c) EMRK).959 Auch die Belehrungs- und Fürsorgepflichten gehören zu den Ausprägungen des Grundsatzes eines fairen Verfahrens.960 Darunter fallen insbesondere die Belehrungen nach §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1, 52 f., 55 StPO. Darüber hinaus ist das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten, also der nemo-tenetur-Grundsatz, ein Kernstück des Rechts auf ein faires Verfahren.961 b) Folgen eines Verstoßes Die Folgen eines Verstoßes hängen von der Art der Ausprägung ab, gegen die verstoßen wurde und wie diese kompensiert werden kann. In Betracht kommt regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot.962 Beim unzulässigen Lockspitzeleinsatz bzw. unzulässiger Tatprovokation gab der 2. Strafsenat des BGH vor Kurzem die bisherige ständige Rechtsprechung (Annahme einer Strafzumessungs- bzw. Straf-

957 BVerfGE 38, 105, 111; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 18. 03. 2009 – 2 BvR 2025/07 – juris, Rn. 15; vgl. BVerfGE 26, 66, 71. 958 Vgl. dazu BGHSt 46, 93, 94 f.; BGHSt 51, 150, 154; BGHSt 55, 70, 74. 959 BVerfGE 46, 202, 210; BGHSt 36, 305, 308 ff.; BGHSt 42, 15, 21; BGH, NJW 2001, 237 f.; BGH, NStZ 2017, 59, 61; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 136; Valerius, in: BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 42 ff.; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 103; Schädler/Jakobs, in: KK-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 60 ff.; Gaede, in: JR 2009, 493, 494; Bosch, Aspekte des nemotenetur-Prinzips, S. 75; Wewerka, Internal Investigations, S. 274. 960 Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 197; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 110 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 274; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 268. 961 EGMR, NJW 2002, 499, 501; EGMR, StV 2003, 257, 259; EGMR, NJW 2006, 3117, 3122; EGMR, NJW 2010, 213, 215; BVerfGE 38, 105, 112 f.; BVerfG, NStZ 1995, 555; BVerfG, NJW 2009, 1061, 1062; BVerfG, NStZ-RR 2013, 315; BVerfG, NJW 2014, 3506; BVerfG, StV 2016, 586, 587; BVerfG, NJOZ 2016, 1879, 1882 f.; BGHSt 38, 214, 220; BGHSt 52, 11, 17; BGHSt 53, 294, 305; BGHSt 55, 138, 144 ff; BGH, NStZ 2011, 596, 597; BGHSt 58, 301, 304; Schmitz/Wulf, in: MüKo StGB, § 370 AO Rn. 338; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, Anh. 4, Art. 6 MRK Rn. 4; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 136; Stürner, in: NJW 1981, 1757 f.; Schaefer, in: NJW-Spezial 2010, 120; Paul, in: NStZ 2013, 489, 494; Zerbes/El-Ghazi, in: NZWiSt 2018, 425, 428; Stalinski, Aussagefreiheit und Geständnisbonus, S. 27; Benz, Selbstbelastungen in außerstrafrechtlichen Zwangslagen, S. 18; Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 114; Kottek, Kooperation, S. 113; Wewerka, Internal Investigations, S. 275; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 267 ff.; vgl. Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 74 ff. 962 EGMR, NStZ 2015, 412, 415 f.; BGHSt 24, 125, 131 f.; BGHSt 29, 109, 111; BGHSt 53, 294, 299, 304; BGHSt 42, 15, 21 f.; BGHSt 52, 11, 19 ff.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 269; vgl. BGHSt 42, 191, 193; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 105; vgl. auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 164 f.

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E. Beweisverwertungsverbot

milderungslösung)963 auf und folgte nunmehr der Rechtsprechung des EGMR964, wonach der Verstoß gegen Art. 6 EMRK mit einem Verfahrenshindernis kompensiert wurde.965 Zudem kann ein Verstoß dazu führen, dass an die Beweiswürdigung besonders hohe Anforderungen gestellt werden müssen, sodass die Verurteilung nicht allein auf dem Beweis beruhen darf.966 Diese Beweiswürdigungslösung wurde insbesondere bei der Verletzung des Konfrontationsrechts angenommen.967 Insofern folgt aus dem Verstoß gegen Art. 6 EMRK nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot.968 Geht es – wie bei Internal Investigations – aber um die Frage der Informationsgewinnung und deren Umstände, also um die Beweiserhebung, dürfte sich als Rechtsfolge eines unfairen Verfahrens ein Beweisverwertungsverbot am ehesten eignen.969 Die für die Frage des Verwertungsverbots erforderliche Abwägung der Interessen wird teilweise bereits bei der Frage nach einem Verstoß gegen den fair-trialGrundsatz und der dort erforderlichen Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen. Liegt eine Verletzung des rechtsstaatlichen Grundsatzes des fairen Verfahrens vor, dürfte regelmäßig auch ein Verwertungsverbot gegeben sein.970 Wewerka wägt hingegen erneut die Interessen des Beschuldigten mit den Interessen der Strafverfolgungsbehörden ab, kommt jedoch ebenfalls zum Zurücktreten der staatlichen Interessen aufgrund der besonders wichtigen Verfahrensgarantie des fair-trial-Grundsatzes.971 Dabei fällt auf, dass Verstöße gegen den fair-trial-Grundsatz regelmäßig zu unselbstständigen Beweisverwertungsverboten führen.972 Auch selbstständige Ver-

963 BGHSt 32, 345, 355; BGHSt 45, 321, 339; BGHSt 47, 44, 47; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 138; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 265; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 105; vgl. auch BVerfG, NJW 2015, 1083, 1084; BGHSt 37, 10, 13 (nicht eingehaltene Zusage durch die Staatsanwaltschaft). 964 EGMR, NJW 2015, 3631. 965 BGHSt 60, 276, 290 f. 966 BGHSt 46, 93, 103 ff.; BGHSt 55, 70, 75; vgl. BGHSt 51, 150, 155 f. 967 BGHSt 46, 93, 94 f.; BGHSt 51, 150, 155 f.; BGHSt 55, 70, 74; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 105. 968 BVerfG, NStZ 2000, 489, 490; BGHSt 46, 93, 103; BGHSt 55, 70, 74 f.; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 105; vgl. auch BGHSt 53, 294, 299, nach dem der Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz im „vorliegenden Fall durch ein Beweisverwertungsverbot zu kompensieren“ ist. 969 Im Ergebnis so auch Wewerka, Internal Investigations, S. 293 f. 970 Ähnlich Paul, in: NStZ 2013, 489, 495; vgl. auch Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194; nach dem VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776 wird die überlappende Abwägung deutlich; im Ergebnis so auch Wewerka, Internal Investigations, S. 297. 971 Wewerka, Internal Investigations, S. 295 f. 972 BVerfG, NStZ 2000, 489, 490; BGHSt 53, 294, Rn. 33; Paul, in: NStZ 2013, 489, 494; Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 295.

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten

315

wertungsverbote wegen eines Verfassungsverstoßes kommen jedoch in Betracht.973 Letzteres muss insbesondere dann angenommen werden, wenn rechtsstaatliche Grundsätze oder strafprozessuale Vorschriften bei der Beweiserhebung nur berührt, aber nicht verletzt wurden, sich aus den Gesamtumständen jedoch ein Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz ergibt.974 c) Anwendung des fair-trial-Grundsatzes auf die Mitarbeiterbefragung Ob der fair-trial-Grundsatz auf die Mitarbeiterbefragung anwendbar ist und für welche Konstellationen sich daraus ein Beweisverwertungsverbot ergibt, ist im Einzelnen umstritten. Insofern erfolgt zunächst eine Darstellung der sich gegenüberstehenden Positionen. Anschließend werden eigene Bedenken formuliert und Stellung genommen. aa) Annahme eines Verstoßes gegen den fair-trial-Grundsatz beim Mitarbeiterinterview Die einen Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz bejahende Literatur nimmt zunächst die erforderliche nicht geregelte Konfliktlage für die Situation der Mitarbeiterbefragung und der Weitergabe der Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden an, weil die StPO für die privaten unternehmensinternen Ermittlungen nicht gilt.975 Ob ein Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz mit der Folge eines Verwertungsverbots für die selbstbelastenden Auskünfte des Mitarbeiters vorliegt, ist aber auch nach dieser Ansicht immer von den Umständen des Einzelfalls beim Interview abhängig.976 Aufgrund der dem fair-trial-Prinzip innewohnenden Flexibilität bzw.

973 BVerfG, NStZ 2000, 489, 490; BVerfGE 130, 1, 27 f.; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; im Ergebnis so Wewerka, Internal Investigations, S. 294; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 165; vgl. auch Esser, in: LR-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 294; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 119. 974 So im Ergebnis Wewerka, Internal Investigations, S. 294; vgl. auch Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 119. 975 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390 f.; zustimmend Momsen, in: ZIS 2011, 508, 513 f., der jedoch auch die Regelungslücke vom konkreten Vorgehen des Arbeitgebers abhängig macht, weil z. B. bei Täuschungen auch § 136a StPO greifen könne; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193; Wewerka, Internal Investigations, S. 280 f.; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 292; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 256 f., 264; so auch Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 159 f. 976 Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194; Wewerka, Internal Investigations, S. 281 ff., 295 ff.; weniger ausdrücklich auch Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390 ff.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514 f.; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 StPO Rn. 29; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 308, 315 ff.

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E. Beweisverwertungsverbot

dessen Abwägungsoffenheit halten die Vertreter diesen Lösungsweg für vorzugswürdig.977 Für den Fall, dass der Mitarbeiter unter massiven Druck (mittels Androhung einer Kündigung oder Schadensersatzforderung) gesetzt bzw. faktisch zur (selbstbelastenden) Auskunft gezwungen wird, diese Erkenntnisse an die Ermittlungsbehörden weitergegeben werden und der Mitarbeiter darüber nicht einmal belehrt wird, nehmen Knauer, Buhlmann, Gaul und Momsen ein Verwertungsverbot aufgrund eines Verstoßes gegen den fair-trial-Grundsatz an.978 Die Gesamtumstände der Beweisgewinnung seien insbesondere dann unfair, wenn dem Mitarbeiter ein Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden hätte, er sich aber aufgrund des faktischen Zwangs selbst belaste.979 Bei einer Verwertung der Erkenntnisse seien regelmäßig der nemotenetur-Grundsatz und § 136a StPO als strafprozessuale bzw. rechtsstaatliche Kerngarantien tangiert.980 Nichts anderes ergebe sich dabei aus einer arbeitsrechtlichen Amnestiegewährung, da die Inaussichtstellung ebenfalls eine erhebliche Nähe zu § 136a StPO aufweise und gerade keine Straffreiheit garantiert werden könne.981 Aufgrund des Über-Unterordnungsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter sei das Prinzip der Waffengleichheit verletzt, insbesondere wenn der Mitarbeiter nicht umfassend belehrt, ihm die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts versagt werde und die daraus gewonnenen Beweise im Strafverfahren ausgenutzt würden.982 Außerdem liege in der Regel nur ein geringer Verdachtsgrad gegen den Mitarbeiter vor, weshalb strafprozessuale Maßnahmen nur beschränkt zulässig wären, was ebenfalls gegen eine Verwertbarkeit spreche.983 Dass die Beweiserhebung bei rechtlich isolierter Betrachtung nicht zu beanstanden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis, da die Gesamtumstände, insbesondere die faktische Gesamtzwangslage, in der sich der Mitarbeiter befinde, gegen eine Verwertbarkeit sprechen würden.984 Insoweit berufen sich zumindest Knauer/Buhlmann985 auf Entscheidungen des BGH zur Hörfalle986 und zur heimlichen Überwachung eines Gesprächs in einem Besuchsraum in der U-Haft987.

977

Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 249 f. Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 388 ff.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 512 ff.; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 193 f.; ähnlich Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86. 979 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514 (Fn. 35). 980 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514. 981 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 515; Knauer/ Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194. 982 Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194. 983 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 393; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 515 f. 984 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391 f.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514. 985 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391. 986 BGHSt 42, 139. 987 BGHSt 53, 294. 978

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten

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Wewerka988 begründet die Verletzung des fair-trial-Grundsatzes im Fall Siemens mit den in der Interviewsituation vorliegenden „Beinaheverstöße[n]“ gegen geltendes Strafprozessrecht. Zunächst seien die „Mindestanforderungen für eine zuverlässige Wahrheitserforschung“ nicht beachtet worden, welche nach dem BVerfG989 Maßstäbe für eine Sachverhaltsaufklärung als hinreichende tatsächliche Grundlage der Entscheidung setzen. Die interne Ermittlung habe nicht den Formerfordernissen der StPO entsprochen, sodass keine ausreichende Grundlage für die Wahrheitsfindung vorliege. Zudem fehle es an der Unparteilichkeit der Ermittlung (§ 160 Abs. 2 StPO) und an der Verschriftlichung bzw. Dokumentation des Verfahrens, sodass kein transparentes und nachvollziehbares Strafverfahren vorliege, wenn diese Beweise verwertet würden. Daneben sei auch das Recht auf Verteidigung beeinträchtigt, wenn dem Mitarbeiter die Hinzuziehung eines eigenen Rechtsanwalts versagt werde, wobei sich die Rechtsverkürzung durch die Weitergabe der Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden zum Nachteil des Mitarbeiters auch im Strafverfahren auswirke. Auch das bei der internen Ermittlung fehlende Recht auf Zugang zu Informationen, welches im Strafprozess nach § 147 StPO besteht, beeinträchtige die Verteidigungsmöglichkeiten des Mitarbeiters. Des Weiteren werde der Betroffene gegen seinen Willen als Beweismittel gegen sich selbst missbraucht und das Kriterium des Anfangsverdachts umgangen. Die Problematik der Verkürzung des nemo-tenetur-Grundsatzes und der Ausnutzung der Erkenntnisübergabe durch die Strafverfolgungsbehörden wird von Wewerka ebenfalls zur Begründung herangezogen.990 Im Ergebnis seien die Verfahrensrechte des Beschuldigten auf vielfache Weise verkürzt, was bei Kooperation und Weitergabe der so erlangten Erkenntnisse in der Gesamtschau dazu führe, dass das Recht auf ein faires Verfahren verletzt und ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sei.991 Gatter992 stützt sich in ihrer Argumentation für einen Verstoß gegen das fair-trialPrinzip maßgeblich auf die drohende Beeinträchtigung der Verteidigungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten des Beschuldigten. Durch die selbstbelastenden Auskünfte in der Mitarbeiterbefragung werde die Chance des Mitarbeiters, sich im Strafverfahren wirksam auf ein Schweigerecht zu berufen, erheblich eingeschränkt. Zur Beurteilung, ob das Verfahren daher insgesamt unfair gewesen sei, müsse jedoch jeder Einzelfall untersucht werden. Zu berücksichtigen sei dabei vor allem, ob der Mitarbeiter in der Entscheidung über die Auskunft im Interview frei war und wie groß sein Informationsdefizit (z. B. bezüglich Folgen) sei. Wenn dem Mitarbeiter keine realistischen Mitwirkungsmöglichkeiten im Strafverfahren verblieben, sei von einem unfairen Verfahren auszugehen. Die von Gatter aufgezählten Konstellationen, in denen ein Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz vorliege, umfassen insbesondere 988 Wewerka, Internal Investigations, S. 281 ff.; kritisch diesbezüglich Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 295 f. 989 BVerfGE 70, 297, 308. 990 Wewerka, Internal Investigations, S. 287 ff. 991 Wewerka, Internal Investigations, S. 292 ff. 992 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 292 ff.

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E. Beweisverwertungsverbot

die bewusste Umgehung der Rechte des Mitarbeiters durch die Strafverfolgungsbehörden, die Vortäuschung einer Auskunftspflicht durch die internen Ermittler oder z. B. extreme Drucksituationen.993 Wimmer hält ein Beweisverwertungsverbot wegen grober Missachtung des Grundsatzes des fairen Verfahrens ebenfalls für möglich, wenn der Mitarbeiter unzulässig getäuscht oder zur Aussage gezwungen werde.994 Die Abgrenzung, wann ein unfaires Verfahren vorliege und wann nicht, sei jedoch schwierig.995 bb) Ablehnung dieses Lösungswegs Insbesondere Münkel996 kritisiert die Annahme eines fair-trial-Verstoßes, weil der (von Knauer/Buhlmann) angewandte Prüfungsmaßstab des fair-trial-Grundsatzes fragwürdig sei, da zunächst das deutsche Strafprozessrecht im Lichte der EMRK ausgelegt werden müsse und erst bei einer Lücke ein Rückgriff auf Art. 6 EMRK möglich sei. Die StPO sei jedoch gerade auf staatliche Ermittlungen ausgelegt, weshalb das Fehlen von Regelungen für private Ermittlungen schwer als Lücke angesehen werden könne. Zudem könne die Berufung auf den fair-trial-Grundsatz im Hinblick auf die vorgenommene Übertragung der von der Rechtsprechung des EGMR und der deutschen Gerichte entwickelten Gesamtbetrachtung auf private Ermittlungen nicht überzeugen. Im Hinblick auf die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus privaten Ermittlungen gebe es vielmehr keine Rechtsprechung bezüglich des fair-trial-Grundsatzes. Die für die Hörfallen-Problematik entwickelte Rechtsprechung sei nicht auf die Mitarbeiterbefragung übertragbar, da es dort um die Problematik der Täuschung gehe. Daneben wenden einige Autoren gegen diesen Lösungsweg ein, dass der fairtrial-Grundsatz aufgrund der zu treffenden Einzelfallentscheidung und der erforderlichen Abwägung nicht zu klaren Ergebnissen führe.997 Das gelte insbesondere mit Blick auf das mit dem rechtsstaatlichen fair-trial-Grundsatz zusammenhängende Gegenargument der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege.998 Außerdem seien auch die Kriterien der Abwägung bei der Mitarbeiterbefragung unsicher, da bereits die einzuhaltenden Mindeststandards vage seien.999 Verfehlt sei zudem der Vergleich

993

Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 294 f. jeweils m.w.N. Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 StPO Rn. 28; Wimmer, in: NK 2016, 356, 364. 995 Wimmer, in: NK 2016, 356, 364. 996 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 124 ff. 997 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 10; Sarhan, in: wistra 2015, 449, 452; angedeutet auch von Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 381. 998 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 10. 999 Sarhan, in: wistra 2015, 449, 452. 994

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten

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zur Hörfallen-Rechtsprechung, weil die Informationsbeschaffung dort heimlich erfolge und sich gegen einen bereits Beschuldigten richte.1000 cc) Eigene Bedenken gegen diesen Lösungsweg Neben diesen Bedenken bestehen auch weitere Einwände gegen die Lösung über das fair-trial-Prinzip. Die folgende Thematik, die den Prüfungsmaßstab des fair-trialGrundsatzes betrifft, wurde in gewisser Weise auch von Münkel tangiert. Denn unabhängig von der nicht vergleichbaren Hörfallen-Entscheidung, betrafen die meisten Urteile, die aufgrund von „Beinaheverstößen“ z. B. gegen den nemo-teneturGrundsatz über die Gesamtabwägung zu einem unfairen Verfahren gelangten, Situationen, in denen eine staatlich veranlasste (zurechenbare)1001 oder sogar eine staatliche1002 Beweiserhebung stattfand, welche jedoch bei den Internal Investigations regelmäßig nicht gegeben ist1003.1004 Diese Bedenken klingen auch bei Knauer/ Buhlmann an, werden jedoch sogleich auf die weitere Problematik der rechtmäßigen Informationserhebung bei der Internal Investigation reduziert, welcher mittels der Entscheidung des BGH1005 zur heimlichen akustischen Überwachung in der U-Haft begegnet wird.1006 Zwar passt diese Entscheidung insoweit, dass auch dort die Beweiserhebung anhand der StPO-Vorschriften rechtmäßig war, jedoch handelte es sich dabei um eine vom Ermittlungsrichter angeordnete staatliche Überwachungsmaßnahme nach § 100f StPO.1007 Es handelte sich demnach um eine an der StPO zu messende staatliche Maßnahme im staatlichen Umfeld der U-Haft. Eine private Maßnahme, bei der sich die staatliche „Beteiligung“ auf die Entgegennahme der Erkenntnisse beschränkt, vergleichbar der Mitarbeiterbefragung, lag nicht vor. Auch in dem vom Großen Senat in ähnlicher Weise entschiedenen Fall ging es um ein staatlich veranlasstes Telefongespräch mit dem Beschuldigten.1008 Den von der Rechtsprechung aufgrund einer Gesamtbetrachtung angenommenen fair-trial-Verstößen bei der Berührung mehrerer rechtsstaatlicher Grundsätze lag also zum einen die Situation zugrunde, dass auf Veranlassung der Strafverfolgungsbehörden heimlich gegen den Beschuldigten ermittelt wurde und aufgrund des for1000 Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7, 10; Kottek, Kooperation, S. 133; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 162. 1001 BGHSt 42, 139; vgl. auch BVerfG, NStZ 2000, 489, 490, nach dem für eine zuzurechnende verdeckte Befragung durch eine V-Person ein Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz bejaht wurde. 1002 BGHSt 53, 294. 1003 Siehe dazu oben unter E.II.3.b). 1004 Ähnliche Kritik übt Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 162 f. 1005 BGHSt 53, 294. 1006 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 391; kritisch Kottek, Kooperation, S. 133. 1007 BGHSt 53, 294, 299 ff. 1008 BGHSt 42, 139 ff.

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E. Beweisverwertungsverbot

malen privaten Handelns sowohl die §§ 136, 136a StPO als auch ein staatlicher Zwang für den nemo-tenetur-Grundsatz abgelehnt wurden.1009 Zum anderen handelte es sich um eine staatliche Maßnahme nach § 100f StPO, die an sich rechtmäßig war, bei der jedoch die Umstände unfair waren.1010 Auch Urteile des EGMR1011 zum fairtrial-Verstoß betreffen – soweit ersichtlich – nur staatlich veranlasste funktionale Vernehmungen durch Informanten bzw. V-Personen.1012 Zudem ist bei der Rechtsprechung des EGMR zum Lockspitzel-Einsatz maßgebliche Voraussetzung, dass das Handeln den Behörden zurechenbar ist.1013 Das Gleiche gilt für geprüfte Verletzungen des Art. 8 EMRK.1014 Rechtsprechung zur Verwertbarkeit privat erlangter Erkenntnisse im Hinblick auf den fair-trial-Grundsatz existiert jedoch zu den Steuer-CD-Fällen, denen die Frage der Verwertbarkeit rechtswidrig oder strafbar erlangter Beweismittel durch eine Privatperson zugrunde lag.1015 Dabei rügten die Beschwerdeführer (und prüften die Gerichte) unter anderem einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren, weil die Daten auf der Steuer-CD nicht hätten verwertet werden dürfen.1016 Das Recht auf ein faires Verfahren gebiete ein verfassungsunmittelbares Verwertungsverbot bei „schwerwiegenden, bewussten oder objektiven willkürlichen Rechtsverstößen, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind“.1017 Ein solches Verwertungsverbot folgt nach der ständigen Rechtsprechung aber nicht zwingend aus jeder rechtswidrigen oder strafrechtswidrigen Beweiserlangung.1018 Vielmehr bedarf es in jedem Einzelfall der Abwägung.1019 Aufgrund des Bezugs zur rechtswidrigen Beweiserhebung ist auch diese Rechtsprechung nicht unmittelbar auf die Interviewsituation übertragbar, da die Erkenntnisse aus der Internal Investigation regelmäßig rechtmäßig erlangt wurden.

1009

BGHSt 42, 139, 145 ff. BGHSt 53, 294, 299, 304 ff. 1011 So u. a. EGMR, StV 2003, 257. 1012 So Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 127; vgl. auch Gaede, in: StV 2003, 260, nach dem der EGMR für die Verletzung der Selbstbelastungsfreiheit eine dem Staat zurechenbare Handlung verlange. 1013 So u. a. EGMR, NJW 2009, 3565, 3567 f. 1014 EGMR, Urt. v. 23. 11. 1993 – 14838/89, 40/1992/385/463; EGMR, StV 2004, 1, 2. 1015 BVerfG, NStZ 2011, 103; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776. 1016 VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776. 1017 BVerfGE 130, 1, 28; ähnliche Formulierungen enthalten BVerfGE 113, 29, 61; BVerfG, NStZ 2011, 103, 105. 1018 EGMR, NJW 1989, 654, 655 f.; BVerfGE 34, 238, 248 f.; BVerfG, NStZ 2011, 103, 105; VerfGH Rheinland-Pfalz, BeckRS 2014, 47776; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84. 1019 BVerfGE 130, 1, 29; BGHSt 31, 304, 307 f.; BGHSt 38, 214, 219 f.; BGHSt 44, 243, 249. 1010

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten

321

Entgegen dem Eindruck, den Münkel1020 hinterlässt, ist es der Rechtsprechung nicht völlig fremd, bei außerstrafprozessualen Selbstbelastungen gegenüber Privaten – nach einer Ablehnung der Anwendung der Grundsätze des GemeinschuldnerBeschlusses – einen Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens zu prüfen.1021 Das OLG Celle1022 berief sich insoweit darauf, dass der Betroffene, der selbstbelastende Angaben gegenüber einer Kfz-Haftpflichtversicherung gemacht hatte, „nicht in seiner Prozeßrolle als selbständiges und selbstverantwortlich-freies Prozeßsubjekt mißachtet und gewissermaßen nur als Mittel zum Zweck gegen sich selbst eingesetzt worden“ sei. Zudem sei die Zwangslage des Betroffenen nicht so schwerwiegend gewesen, dass sie das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung überwiege und auch eine Gefährdung seiner menschlichen Existenz liege nicht vor. Das Übermaßverbot sei ebenfalls nicht verletzt. Mit gleicher Argumentation lehnte auch das KG1023 einen fair-trial-Verstoß für die Verwertung von selbstbelastenden Auskünften gegenüber einer Kfz-Haftpflichtversicherung ab. Das OLG Karlsruhe1024 lehnte eine Ausdehnung des Schweigerechts auf selbstbelastende außerstrafprozessuale Erklärungen des Betroffenen gegenüber dem Arbeitgeber ab. Eine solche könne aufgrund des öffentlichen Strafverfolgungsinteresses auch nicht durch den fair-trial-Grundsatz gerechtfertigt werden. dd) Stellungnahme Zunächst dürfte die Argumentation zur fehlenden auszufüllenden Lücke der StPO bei privaten Ermittlungen zwar bei einer bezweckten Analogie gegen die Planwidrigkeit einer Regelungslücke eingewandt werden können,1025 jedoch nicht gegen die Lücke selbst. Aufgrund des Auffangcharakters des fair-trial-Grundsatzes dürfte an dieser Stelle – im Gegensatz zur Begründung einer Analogie – von einer nicht geregelten Konfliktlage ausgegangen werden können. Darüber hinaus lassen sich zwar die Entscheidungen, die bei einem fehlenden konkreten Verstoß gegen strafprozessuale Grundsätze auf eine Gesamtbetrachtung und gegebene „Beinaheverstöße“ abstellen, sowie die Rechtsprechung zur (straf-) rechtswidrigen privaten Beweiserhebung nicht auf Internal Investigations übertragen. Jedoch stellte insbesondere das OLG Celle1026 auf interessante Aspekte des fairtrial-Prinzips ab, die sich auch für die Situation des Mitarbeiterinterviews für einen fair-trial-Verstoß fruchtbar machen lassen. Insoweit ist ein wesentlicher Teil des 1020

Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 127. So OLG Celle, NJW 1985, 640, 641; OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287 f.; KG, NStZ 1995, 146, 147. Alle Gerichte haben einen Verstoß im Ergebnis aber abgelehnt. 1022 OLG Celle, NJW 1985, 640, 641. 1023 KG, NStZ 1995, 146, 147. 1024 OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 287 f. 1025 So Stoffer, Privatisierung, S. 256; Kottek, Kooperation, S. 118; vgl. Kruse, Compliance und Rechtsstaat, S. 213. 1026 OLG Celle, NJW 1985, 640, 641. 1021

322

E. Beweisverwertungsverbot

Grundsatzes eines fairen Verfahrens, dass der Beschuldigte nicht seine Stellung als selbstverantwortliches und freies Prozesssubjekt verliert, er also nicht als Mittel gegen sich selbst eingesetzt und zum bloßen Objekt des Strafverfahrens gemacht wird1027. Diese Stellung könnte jedoch – wie das OLG Celle zutreffend erkannt hat – dadurch beeinträchtigt sein, dass außerstrafprozessuale Auskünfte im Strafverfahren gegen den Beschuldigten verwertet werden. Da es in dem dortigen Fall um die freie Entscheidung des Betroffenen ging, selbstbelastende Angaben gegenüber der KfzHaftpflichtversicherung zu machen, um seine privatrechtlichen Ansprüche nicht zu verlieren, war die freie Subjektstellung des Betroffenen gewahrt. Anders dürfte dies aber für den Mitarbeiter sein, der gegenüber dem Arbeitgeber zu selbstbelastenden Angaben verpflichtet ist.1028 Werden die gesammelten Erkenntnisse gegen den Mitarbeiter an die Strafverfolgungsbehörden übergeben und verwerten diese die Erkenntnisse gegen den Mitarbeiter, dürfte das Beweisergebnis zulasten des Mitarbeiters derart vorgezeichnet sein, dass eine Berufung auf die strafprozessuale Selbstbezichtigungsfreiheit keine Auswirkungen mehr hätte.1029 Daher würde die Gefahr bestehen, dass er zum Objekt des Verfahrens wird. Da bei einer solchen umfassenden Auskunftspflicht auch eine erzwingbare Selbstbelastung vorliegt, ist jedoch in diesen Fällen bereits ein Verwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gegeben. Anders ist dies jedoch bei nur faktischem Zwang zur Selbstbelastung, den der Arbeitgeber insbesondere durch die Androhung von Schadensersatzforderungen oder Kündigungen aufbauen kann. Da ein solcher Zwang für eine Lösung über die Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses nicht ausreicht,1030 stellt sich die Frage, ob in der Verwertung der daraufhin erfolgenden selbstbelastenden Auskunft gegenüber dem Arbeitgeber ein Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz vorliegen kann1031. Ebenso liegt die Situation bei einem Irrtum über die Auskunftspflicht. Insoweit müssen zur Beantwortung dieser Fragen immer die Umstände des Einzelfalls untersucht werden.1032 Dabei dürften zum einen die Nachteile, die dem Mitarbeiter bei Verweigerung der Auskunft drohen, sowie die Frage einer etwaigen Existenzgefährdung eine Rolle spielen1033. Ein fair-trial-Verstoß dürfte daher anzunehmen sein, wenn massiver Druck auf den Mitarbeiter ausgeübt wird und sonst

1027

Siehe Kap. E. Fn. 941. So auch Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 292. 1029 Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 292. 1030 Siehe dazu oben unter E.III.2.b)dd)(3). 1031 Dies bejahend Wewerka, Internal Investigations, S. 287 f. 1032 Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194; Wewerka, Internal Investigations, S. 281 ff., 295 ff.; weniger ausdrücklich auch Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390 ff.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514 f.; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 StPO Rn. 29. 1033 OLG Celle, NJW 1985, 640, 641; vgl. Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 515; Wewerka, Internal Investigations, S. 288 f. 1028

IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten

323

mit einer Verdachtskündigung gedroht wird.1034 Bei einem Irrtum dürfte es zudem maßgeblich darauf ankommen, ob dieser allein in der Sphäre des Mitarbeiters, also ohne äußeren Einfluss, entstanden ist, oder ob die internen Ermittler bzw. der Arbeitgeber diesen hervorgerufen haben.1035 Bei Vortäuschung einer umfassenden Auskunftspflicht dürfte ein fair-trial-Verstoß zu bejahen sein.1036 Demnach wirkt sich die Nähe des Vorgehens zu § 136a StPO, welcher dem Schutz der Menschenwürde und rechtsstaatlicher Grundsätze dient,1037 auch auf die Beurteilung des fairen Verfahrens aus1038. Das Gleiche dürfte auch gelten, wenn der Mitarbeiter nicht darüber in Kenntnis gesetzt wird, dass die Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden können, jedenfalls aber dann, wenn die Nichtweitergabe der Informationen vom Unternehmen zugesagt wird, aber dennoch eine Herausgabe erfolgt. Im Hinblick auf die auf Kooperation mit den Ermittlungsbehörden angelegte Internal Investigation dürfte ein fair-trial-Verstoß daneben zu bejahen sein, wenn systematisch und bewusst, also von den Strafverfolgungsbehörden bezweckt, der nemo-tenetur-Grundsatz der Mitarbeiter umgangen wird.1039 Dies dürfte insbesondere der Fall sein, wenn die Staatsanwaltschaft bewusst mit eigenen Ermittlungen abwartet, um die Beweismittel des Unternehmens entgegen zu nehmen.1040 Die auf diesem Weg gezielt hergestellte Verbindung zwischen privaten Ermittlungen und Strafverfahren führt – nach hier vertretener Ansicht – zwar regelmäßig nicht zu einer Zurechnung,1041 jedoch sollte dies nicht dazu führen, dass rechtsstaatliche Grundsätze missachtet werden können. Insoweit ist das Verbot der Umgehung von Beschuldigtenrechten auch typische Ausprägung des fair-trial-Prinzips.1042 1034

Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86; wohl auch Momsen, in: ZIS 2011, 508, 515; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194. 1035 Vgl. Park, in: Volk, MAH Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, § 11 Rn. 111. 1036 So auch Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 163; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 294; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 260 ff., 264. 1037 BGHSt 5, 332, 333 f.; BGHSt 14, 358, 364; Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 3; Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 3. 1038 Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 392; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514 f.; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 317; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 264. 1039 Ähnlich I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; Kottek, Kooperation, S. 133 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 288; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 294 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 318; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 162, 262, 264. 1040 Ähnlich Kottek, Kooperation, S. 133 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 288; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 295; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 262 ff. 1041 Siehe dazu oben unter E.II.3.b). 1042 Wewerka, Internal Investigations, S. 273, 275, 288; Gatter, Ausgestaltung von Mitarbeiterbefragungen, S. 295; nicht ausdrücklich, aber im Ergebnis wohl auch BGHSt 52, 11, 14 ff.; BGHSt 53, 294, 304 ff.

324

E. Beweisverwertungsverbot

d) Ergebnis zum fair-trial-Grundsatz Als Ergebnis zum Beweisverwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen den fair-trial-Grundsatz kann festgehalten werden, dass ein solches immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt, also den Umständen bei der Vernehmung durch die Arbeitgeberseite.1043 Obwohl Konstellationen aufgezeigt werden konnten, in denen die Annahme eines unfairen Verfahrens naheliegt, kann eine generelle Aussage zur Verletzung des fairen Verfahrens und einem daraus resultierenden Verwertungsverbot nicht getroffen werden. Daher würde es zu wenig Rechtssicherheit führen, den fair-trial-Grundsatz als alleinigen Lösungsweg anzusehen. Da nach der hier vertretenen Ansicht aber für die umfassende und erzwingbare Auskunftspflicht nach § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) bereits ein Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG besteht, bietet es sich an, den fair-trialGrundsatz als weiteren Begründungsansatz zu nutzen, sollte ein Verwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht greifen oder abgelehnt werden. Dies betrifft insbesondere die Fälle eines faktischen Zwangs zur Auskunft.

V. Beweisverwertungsverbote bei rechtswidriger privater Beweiserhebung Trotz der generellen Rechtmäßigkeit privater Ermittlungen und der grundsätzlich bestehenden arbeitsrechtlichen umfassenden Aussagepflicht des Mitarbeiters können einzelne Ermittlungshandlungen rechtswidrig sein, wenn z. B. ein berechtigtes Interesse des Unternehmens abzulehnen ist oder die Informationen auf andere Weise erlangt werden können und deswegen keine Auskunftspflicht des Mitarbeiters besteht.1044 Drohen die internen Ermittler in diesem Fall unberechtigt mit Schadensersatzforderungen oder Kündigungen, kommt zudem eine Nötigung (§ 240 StGB) in Betracht, sodass etwaige Auskünfte strafrechtswidrig erlangt würden. Fraglich ist dann, ob die rechtswidrige private Ermittlung ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.1045 Da in dieser Arbeit der Schwerpunkt bei der rechtmäßigen privaten Ermittlung liegt, erfolgt nur ein kurzer Überblick über die vertretenen Grundpositionen.

1043 Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86; Knauer/Gaul, in: NStZ 2013, 192, 194; Wewerka, Internal Investigations, S. 281 ff., 295 ff.; weniger ausdrücklich auch Knauer/Buhlmann, in: AnwBl 2010, 387, 390 ff.; Momsen, in: ZIS 2011, 508, 514 f.; Wimmer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 152 StPO Rn. 29. 1044 Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 89. 1045 Jahn, in: StV 2009, 41, 45; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 89 ff.; Reeb, Internal Investigations, S. 109 ff.; Kaspar, in: GA 2013, 206 ff.

V. Beweisverwertungsverbote bei rechtswidriger privater Beweiserhebung

325

Nach der herrschenden Meinung führt eine private rechtswidrige Beweiserlangung nicht grundsätzlich zu einem Beweisverwertungsverbot.1046 Vielmehr sind durch Private (straf-)rechtswidrig erlangte Beweismittel grundsätzlich verwertbar.1047 Ausnahmen sind jedoch für Fälle extremer Menschenrechtswidrigkeit anerkannt.1048 Außerdem kommen selbstständige Verwertungsverbote in Betracht, wenn die Verwertung gegen die Verfassung verstoßen würde,1049 wobei wiederum eine Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen und der Strafverfolgungsinteressen erforderlich ist1050. Daneben gibt es Auffassungen, die – wie bereits oben dargestellt – eine (analoge) Anwendung des § 136a StPO auf rechtswidrige private Beweiserhebungen bejahen.1051

1046 EGMR, NJW 1989, 654, 655 f.; BVerfG, NJW 2000, 3557; BVerfG, NStZ 2011, 103, 105; BGHSt 27, 355, 357; BGHSt 34, 39, 52; BGHSt 36, 167, 173; OLG Oldenburg, NJW 1953, 1237, wonach lediglich eine Berücksichtigung bei der Beweiswürdigung erforderlich sei; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; Brockhaus, in: Knierim/ Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 29 Rn. 125; vgl. auch Nachweise bei Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 397; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 478 ff.; Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 3; Nüse, in: JR 1966, 281, 285; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 12; Finger, in: JA 2006, 529, 537; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 251. 1047 BVerfG, NStZ 2011, 103, 105; BGHSt 27, 355, 357; BGHSt 34, 39, 52; OLG Celle, NJW 1985, 640, 641; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 478; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 3; Finger, in: JA 2006, 529, 537; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 274. 1048 OLG Celle, NJW 1985, 640, 641; OLG Hamburg, NJW 2005, 2326, 2329; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, § 136a Rn. 3 m.w.N.; Pauckstadt-Maihold, in: KMR-StPO, § 136a Rn. 5; Dann, in: Esser/Rübenstahl u. a., Wirtschaftsstrafrecht, § 136a StPO Rn. 46; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Deckers, in: Widmaier, MAH Strafverteidigung, § 45 Rn. 98; Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 3 m.w.N.; Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 15; Beulke/ Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 479; Nüse, in: JR 1966, 281, 285; Gössel, in: GA 1991, 483, 496; Rogall, in: JZ 1996, 944, 949; Schneider, in: NStZ 2001, 8, 12; Finger, in: JA 2006, 529, 537; Klengel/Mückenberger, in: CCZ 2009, 81; El Mourabit, in: NWB 2018, 269, 274; Jahn, Diskussion zum 67. DJT, Band II/2, S. L142; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 125 f.; Münkel, Mitarbeiteroffenbarungen im Strafprozess, S. 106; Lenze, Compliance, Internal Investigations und Beschuldigtenrechte, S. 167; Matula, Private Ermittlungen, S. 196 f.; Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 300; wohl auch Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 12. A.A. Gundlach, in: AK-StPO, § 136a Rn. 13; Joerden, in: JuS 1993, 927, 928. 1049 BVerfGE 34, 238, 245 ff.; BVerfG, NJW 2000, 3557; BGHSt 19, 325, 326 ff.; LG Düsseldorf, BeckRS 2010, 25621; LG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 84; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 397 m.w.N.; Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 12; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 480; Dann, in: Esser/Rübenstahl u. a., Wirtschaftsstrafrecht, § 136a StPO Rn. 46; Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 251, 254 f.; vgl. auch BVerfG, NStZ 2011, 103, 105. 1050 Statt aller BVerfGE 34, 238, 248 ff.; BGHSt 19, 325, 329 ff.; Finger, in: JA 2006, 529, 537. 1051 Siehe dazu oben unter E.IV.1.b).

326

E. Beweisverwertungsverbot

Nach einer vermittelnden Ansicht hängt die Zulässigkeit der Verwertung von der Abwägung der Individualinteressen und der staatlichen Strafverfolgungsinteressen im Einzelfall ab.1052 Zu berücksichtigen seien dabei insbesondere die staatlichen Pflichten zur Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes unter Einhaltung des fair-trial-Prinzips und das Interesse an effektiver Strafverfolgung.1053

VI. Zusammenfassung der Erkenntnisse zu den Beweisverwertungsverboten Da es sich bei den Mitarbeiterinterviews im Rahmen der Internal Investigations grundsätzlich um eine private rechtmäßige Informationsgewinnung handelt, scheiden unselbstständige Beweisverwertungsverbote für die dabei gewonnenen Erkenntnisse regelmäßig aus. Es fehlt ein direkter Verstoß gegen den nemo-teneturGrundsatz, da dieser im Privatrecht nur mittelbar gilt und die Interessen des Arbeitgebers das Interesse des Mitarbeiters, sich nicht selbst zu belasten, überwiegen.1054 Daneben kommt ein Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften (insbesondere §§ 136, 136a StPO) und den nemo-tenetur-Grundsatz auch nur in Ausnahmefällen aufgrund einer dem Staat zurechenbaren Internal Investigation in Betracht, wenn die Staatsanwaltschaft konkreten Einfluss auf die Art und Weise der Internal Investigation ausübt, das Unternehmen die wesentlichen Erkenntnisse ungefiltert übergibt und die interne Ermittlung insgesamt nach wertender Betrachtung als staatliche Ermittlung anzusehen ist. Dies dürfte in der Praxis jedoch nur selten der Fall sein. Für den Regelfall der Zusage einer umfänglichen Kooperationsbereitschaft, der Berichterstattung, etwaiger Koordinierungsgespräche und der Übergabe etwaiger Untersuchungsberichte und gegebenenfalls weiterer Unterlagen, lässt sich eine Zurechnung nicht überzeugend begründen. Eine überzeugende Lösung zum Schutz vor der Umgehung der strafprozessualen Selbstbelastungsfreiheit des Mitarbeiters bietet ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. In Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses muss die intradisziplinäre Verwertung der privatrechtlich erzwingbaren selbstbelastenden Auskunft des Mitarbeiters zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch ein Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren verhindert werden. Ansonsten würde der Transfer der 1052 BGHSt 36, 167, 173; Gössel, in: GA 1991, 483, 496; Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 14; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 399; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 126 f.; wohl auch Gleß, in: LR-StPO, § 136a Rn. 12, die sich auf die „allgemeinen, umstrittenen Grundsätze[n] über Beweisverbote“ beruft und ein Beweisverwertungsverbot bei einem ungerechtfertigten Eingriff in den Kernbereich eines Grundrechts annimmt; wohl auch Gropp, in: StV 1989, 216, 222 ff.; Rogall, in: JZ 1996, 944, 949; vgl. auch BVerfG, NStZ 2011, 103, 106. 1053 Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 399 m.w.N. 1054 Siehe dazu oben unter C.IV.

VI. Zusammenfassung der Erkenntnisse zu den Beweisverwertungsverboten

327

Erkenntnisse ins Strafverfahren zu einer Umgehung des nemo-tenetur-Grundsatzes des Mitarbeiters führen. Aufgrund der mit der Kooperation bezweckten Aufklärungshilfe und der Zulässigkeit der unternehmensseitigen Herausgabe von Erkenntnissen aus Internal Investigations ist eine Fernwirkung des Verwertungsverbots nicht überzeugend. Um eine Umgehung des Verwertungsverbots zu verhindern, ist aber jede mittelbare Beweisgewinnung unzulässig, also insbesondere die Verlesung der Interviewprotokolle und die Vernehmung der internen Ermittler als Zeugen sowie sonstiger Zeugen vom Hörensagen. Das darüber hinaus vertretene Beweisverwertungsverbot aus § 136a StPO (analog) kann nur bei einer Zurechnung oder bei menschenrechtswidrigem Vorgehen überzeugen. In Ergänzung des selbstständigen verfassungsrechtlichen Verwertungsverbots kann für nicht erfasste Konstellationen in Einzelfällen ein Beweisverwertungsverbot aus der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens hergeleitet werden. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen der Mitarbeiter irrtümlich vom Bestehen einer umfassenden Auskunftspflicht ausgeht, z. B. weil er von der Arbeitgeberseite getäuscht wurde. Ein Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz ist aber immer von den Umständen im Einzelfall abhängig. Für die Strafverfolgung von Mitarbeitern, die nicht Leitungspersonen bzw. Entscheidungsträger sind, sind die Erkenntnisse aus den Internal Investigations, die aus einem Mitarbeiterinterview gewonnen werden, aufgrund deren Unverwertbarkeit überwiegend wertlos,1055 jedenfalls soweit die Auskunft auf Grundlage einer erzwingbaren umfassenden Auskunftspflicht erteilt wurde. Die Kooperation, für die das Unternehmen eine Sanktionsmilderung – oder nach einer möglichen Umsetzung des VerbStrG-E NRW oder des VerbSG-E einen Sanktionserlass oder die Verfahrenseinstellung – erlangen kann, erweist sich demnach aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden weniger sinnvoll, wenn es um die Verfolgung einzelner Mitarbeiter geht. Allerdings können die Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse durch sonstige belastende Unterlagen, Daten oder Ähnliches gewinnen, die vom Unternehmen übergeben werden. Soweit auch die Interviewprotokolle übergeben werden, dürfen diese auch als Ansatz für weitere Ermittlungen genutzt werden. Insofern ist die Kooperation für die Verfolgung von Mitarbeitern nicht völlig wertlos für die Strafverfolgungsbehörden. Zudem können die aus dem Mitarbeiterinterview gewonnenen Erkenntnisse auch im Verfahren gegen das Unternehmen bzw. die Entscheidungsträger verwertet werden, was insbesondere im Falle des § 130 Abs. 1 OWiG als Anknüpfungstat der Geldbuße relevant ist, bei der es um unterlassene Aufsichtsmaßnahmen und dadurch ermöglichte Zuwiderhandlungen geht. Damit lassen sich für die Sanktionierung erforderliche wesentliche Erkenntnisse gewinnen. Insoweit sind Verfahren gegen Mitarbeiter, die nicht Entscheidungsträger sind oder sonst Täter der Anknüpfungstat sein können, auch nicht mit dem Verfahren gegen das Unternehmen verbunden, was 1055 Ähnlich Rödiger, Strafverfolgung von Unternehmen, S. 317 f., die eine „Verschmutzung“ der Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden annimmt.

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E. Beweisverwertungsverbot

gegen eine Verwertbarkeit sprechen könnte, da sich der Grundsatz verbundener Verfahren auf den Täter der Anknüpfungstat, also regelmäßig Entscheidungsträger, bezieht.1056 Demnach lässt sich das Bestrafungsrisiko des Mitarbeiters durch ein Beweisverwertungsverbot zur Verhinderung der Umgehung seiner Selbstbelastungsfreiheit wirksam eindämmen, während die Verfolgung des Unternehmens möglich bleibt.1057

1056

Vgl. zu verbundenen und selbstständigen Verfahren Rogall, in: KK-OWiG, § 30 Rn. 162 ff. 1057 So auch Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 300.

F. Reformbedarf und Erörterung des Beweisverwertungsverbots im VerbSG-E Die bestehenden Reformbestrebungen im Hinblick auf das Recht der Sanktionierung von Unternehmen wurden bereits am Anfang dieser Arbeit erläutert.1 Der Wunsch eines stärker auf Prävention ausgerichteten Sanktionsrechts2 zielt insbesondere auf die Implementierung von Regelungen zur Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen3 und von Kooperation bzw. Aufklärungshilfe4, was in den oben dargestellten Reformvorschlägen umgesetzt wurde5. Für eine Regelung zur Berücksichtigung der Kooperation spricht insbesondere, dass diese in der Praxis bisher nicht einheitlich erfolgt und neben den praktischen auch rechtliche Schwierigkeiten bestehen.6 Wünschenswert erscheinen diesbezüglich jedoch weitere Regelungen über genauere Vorgaben für Kooperationen (z. B. dass eine Kontaktperson auf beiden Seiten bestimmt werden muss7 oder Regelungen über erforderliche Absprachen bei parallelen staatlichen Ermittlungen8).9 Insoweit 1

Siehe dazu oben unter B.III.2. Vgl. Abschlussbericht der Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, 2000, 12.2.1., abrufbar unter: https://www.bib.uni-mannheim.de/fileadmin/pdf/fachinfo/ jura/abschlussber-der-komm-strafreform.pdf (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); Gesetzesantrag des Landes NRW (VerbStrG-E), S. 2, 21 ff. (s. Kap. A. Fn. 47); Gesetzgebungsvorschlag für eine Änderung der §§ 30, 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), S. 5, (s. Kap. B. Fn. 166); Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, in: NZWiSt 2018, 1, 5, 9. 3 Stellungnahme des DAV durch den Ausschuss Strafrecht zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden des Landes Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme Nr. 54/2013, S. 26 f., abrufbar unter: https:// anwaltverein.de/de/newsroom/id-2013-54 (zuletzt abgerufen am 14. 01. 2019); Moosmayer, in: NJW 2012, 3013, 3017; Heuking/von Coelln, in: BB 2014, 3016, 3021 f.; Blumhoff/Kahlke, in: ZRFC 2018, 228, 230 f.; Trüg, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 307, 326 ff. 4 Stellungnahme Nr. 54/2013, S. 27 (s. Kap. F. Fn. 3); Moosmayer, in: NJW 2012, 3013, 3017; Engelhart, in: NZWiSt 2015, 201, 208; Utz, in: NZWiSt 2015, 377, 381; Momsen/ Grützner, in: CCZ 2017, 242, 243, 252 f.; Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281, 293; vgl. Heuking/von Coelln, in: BB 2014, 3016, 3019; Fischer/ Hoven, in: ZIS 2015, 32, 35 ff.; Kubiciel/Hoven, in: jurisPR-StrafR 23/2017 Anm. 1; Süße/ Püschel, in: Newsdienst Compliance 2018, 71002; Blumhoff/Kahlke, in: ZRFC 2018, 228, 230; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 14 Rn. 33. 5 Siehe dazu oben unter B.III.2. 6 Siehe dazu oben unter D.I. 7 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 714. 8 Kremer, in: FS Uwe H. Schneider, 701, 710; Moosmayer, Compliance, Rn. 351; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 76. 2

330

F. Reformbedarf u. Erörterung des Beweisverwertungsverbots im VerbSG-E

scheint auch eine Regelung sinnvoll, nach der die Unternehmen den Strafverfolgungsbehörden nur die Namen der verdächtigten Mitarbeiter nennen, sodass die Strafverfolgungsbehörden die Vernehmung vor der Befragung durch das Unternehmen durchführen können, um belastbare Beweismittel zu erhalten.10 Daneben bestehen erhebliche rechtliche Unklarheiten im Hinblick auf die Verwertung von Auskünften in einem Mitarbeiterinterview.11 In Rechtsprechung12 und Literatur13 gibt es bislang keine klare Linie zum Bestehen eines Beweisverwertungsverbots. Die unterschiedlichen Meinungen und Lösungswege wurden dazu bereits ausführlich dargestellt.14 Daher erweist sich auch diesbezüglich eine gesetzliche Regelung zum Schutz der Umgehung der Rechte der Mitarbeiter als dringend notwendig.15 Dass diese Aufgabe grundsätzlich dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten obliegt, hat insofern bereits das BVerfG im Gemeinschuldner-Beschluss ausgeführt.16 Für das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung sprechen auch die Konsequenzen einer Verwertbarkeit bzw. die Unsicherheit darüber: Müssen Mitarbeiter mit einer Verwertung ihrer Angaben in einem späteren Strafverfahren gegen sie rechnen, werden die internen Ermittler in Zukunft vermehrt auf eine „Mauer des Schweigens“ stoßen.17 Kundige oder rechtlich beratene Mitarbeiter dürften es daneben zunehmend auf eine zwangsweise Durchsetzung ihrer arbeitsrechtlichen Auskunftspflicht an9 Dazu ausführlich Kölbel, in: Wider die wildwüchsige Entwicklung des Ermittlungsverfahrens, 281 ff.; eine gesetzliche Regelung zur Ausgestaltung der Kooperationen halten auch Nolte/Noll, in: KSzW 2016, 261, 268 für wünschenswert. 10 Vgl. Wimmer, in: FS I. Roxin, 537, 550 f. 11 Siehe dazu oben unter Teil E. 12 Für ein Verwertungsverbot vgl. LAG Hamm, Urt. v. 03. 03. 2009 – 14 Sa 1689/08 – juris; ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364; dagegen insbesondere LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris. 13 Für ein Verwertungsverbot vgl. Bittmann/Molkenbur, in: wistra 2009, 373, 378; I. Roxin, in: StV 2012, 116, 120; dagegen Greco/Caracas, in: NStZ 2015, 7 m.w.N. 14 Siehe dazu oben unter Teil E. 15 Auch die einschlägige Literatur fordert überwiegend eine gesetzliche Regelung zur Klärung der Rechtslage, so insbesondere Pfordte, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, 740, 756; Knauer, in: ZWH 2012, 81, 86; v. Galen, in: NJW 2011, 945; Fritz, in: CCZ 2011, 156, 160; Sidhu/von Saucken/Ruhmannseder, in: NJW 2011, 881, 883; Wehnert, in: StraFo 2012, 253, 258 f.; Wimmer, in: NK 2016, 356, 364; Momsen/Grützner, in: CCZ 2017, 242, 248, 251; Greve/Tsambikakis, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, Kap. 18 Rn. 41; Adick, in: Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 211, 216, 223; Minoggio, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, Kap. 18 Rn. 133; Wewerka, Internal Investigations, S. 323 ff.; Buchert, Unternehmensinterne Befragung, S. 257; ähnlich Greeve, in: StraFo 2013, 89, 95; Süße/Püschel, in: Newsdienst Compliance 2018, 71002; Momsen/Laudien, in: BeckOK StGB, § 14 Rn. 31 ff. A.A. Kraus, Selbstbelastungsfreiheit, S. 335 ff., der eine Kodifizierung nicht für erforderlich und zweckmäßig hält. 16 BVerfGE 56, 37, 51. 17 Fritz, in: CCZ 2011, 156, 157 m.w.N; ähnlich Bauer, in: StV 2012, 277, 280; Reinhardt/ Kaindl, in: CB 2017, 210.

I. Allgemeine Ausführungen zu § 18 Abs. 3 VerbSG-E

331

kommen lassen.18 Als Folge wäre zu befürchten, dass die Sachverhaltsaufklärung im Rahmen der internen Ermittlung erheblich erschwert wäre.19 Damit wäre dem Unternehmen ein wesentliches präventives Element zur Sicherstellung, Prüfung oder Verbesserung der Compliance versagt. Insoweit ist die Regelung des § 18 Abs. 3 VerbSG-E grundsätzlich sehr zu begrüßen. Unter Zugrundelegung der gewonnenen Erkenntnisse zum Beweisverwertungsverbot für selbstbelastende Angaben, die ein Mitarbeiter im Interview macht, soll nun abschließend zu der Ausgestaltung des § 18 Abs. 3 VerbSG-E Stellung genommen werden.

I. Allgemeine Ausführungen zum Beweisverwertungsverbot in § 18 Abs. 3 VerbSG-E Systematisch befindet sich das Beweisverwertungsverbot im verfahrensrechtlichen Teil des Kölner Entwurfs in § 18 „Interne Untersuchungen“. Diese werden in Abs. 1 S. 1 zunächst als „Maßnahmen zur Aufklärung verbandsbezogener Zuwiderhandlungen, die im Auftrag des Verbandes durchgeführt werden“ definiert. Abs. 1 S. 2 enthält ein Zeugnisverweigerungsrecht für Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte des Verbandes über den Ablauf und die Ergebnisse interner Untersuchungen.20 Aufzeichnungen über die interne Untersuchung sind nach Abs. 2 daneben nicht beschlagnahmefähig.21 In Abs. 3 ist schließlich das Beweisverwertungsverbot geregelt, welches wie folgt lautet: „Angaben, die ein Zeuge bei einer Befragung im Rahmen einer internen Untersuchung gegenüber einem Beauftragten des Verbandes gemacht hat, dürfen in einem Strafverfahren gegen den Zeugen ohne dessen Zustimmung nicht als Beweismittel verwertet werden.“

Zunächst dürften mit „Zeugen“ all diejenigen Mitarbeiter des Verbandes gemeint sein, die nicht Vertreter des Verbandes sind, da für diese gesonderte Regelungen in §§ 16, 17 VerbSG-E getroffen wurden, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Zudem ist fraglich, ob das Beweisverwertungsverbot tatsächlich nur greifen soll, wenn die Angaben gegenüber einem „Beauftragten des Verbandes“ erfolgen, oder ob es nicht vielmehr auch dann greifen muss, wenn beispielsweise im Rahmen kleinerer Verdachtsfälle (zunächst) nur die betriebsinterne Revision ermittelt und die Mitarbeiter befragt. Da die arbeitsrechtlichen Auskunftspflichten des Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen bestehen und die beauftragten Rechtsanwälte die Interviews nur aufgrund einer Aufgabendelegation vornehmen, müssen unterneh18

Rust/Abel, in: ZWeR 2012, 521, 532. Fritz, in: CCZ 2011, 156, 159. 20 Kritisch zu dieser Eingrenzung und zur Nichterfassung anderer Berufsgruppen wie z. B. Wirtschaftsprüfer Zerbes/El-Ghazi, in: NZWiSt 2018, 425, 430. 21 Kritisch zu der fehlenden Bezugnahme auf das Zeugnisverweigerungsrecht Zerbes/ElGhazi, in: NZWiSt 2018, 425, 430. 19

332

F. Reformbedarf u. Erörterung des Beweisverwertungsverbots im VerbSG-E

menseigene Personen ebenfalls als Beauftragte angesehen werden. Dass das Wort „Beauftragter“ nur solche Personen meint, die einen Auftrag nach § 662 BGB für den Verband besorgen, ist jedenfalls auszuschließen, da auch Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer, die eine interne Untersuchung regelmäßig vornehmen – wovon im Übrigen auch § 18 Abs. 1 S. 2 VerbSG-E ausgeht – nicht unentgeltlich, also im Rahmen eines Auftragsverhältnisses, tätig werden, sondern regelmäßig auf Grundlage eines Dienst- bzw. Werkvertrag (§§ 611, 631 BGB), oder jedenfalls eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 675 BGB)22. Teleologisch sollten mit den „Beauftragten des Verbandes“ demnach nicht nur Rechtsanwälte oder sonstige unternehmensexterne Ermittler gemeint sein, sondern auch betriebsinterne Personen, zu denen ein Arbeits- bzw. Dienstverhältnis besteht. Im Hinblick auf den Umfang des Verwertungsverbotes in § 18 Abs. 3 VerbSG-E ist es auch nach der hier vertretenen Ansicht überzeugend, dieses von der Zustimmung des Zeugen abhängig zu machen23 und die Verwertung nur im Verfahren gegen den Zeugen, nicht aber gegen den Verband oder andere Mitarbeiter zu unterbinden. Zudem ist die sprachliche Ausgestaltung mittels des Wortes „verwertet“, statt wie beispielsweise in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO oder § 630c Abs. 2 S. 3 BGB, wo dem Wortlaut nach ein „verwenden“ verboten ist, überzeugend, da nach der hier vertretenen Ansicht keine Fernwirkung besteht, was durch die Formulierung eines Verwendungsverbots aber signalisiert würde.24

II. Anknüpfungspunkt des Beweisverwertungsverbots Problematisch an der Regelung – ebenfalls im Hinblick auf die Reichweite – ist jedoch, dass dem Beweisverwertungsverbot ein tragfähiger Anknüpfungspunkt fehlt.25 Dazu findet sich auch nichts in der Begründung. Das Verwertungsverbot knüpft allein an „Angaben, die […] bei einer Befragung im Rahmen einer internen Untersuchung“ gemacht werden, an. Wie bereits festgestellt, lässt sich ein Verwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG aber nur für eine umfassende und erzwingbare Auskunftspflicht begründen.26 Bei nur faktischem Zwang kommt hingegen nur ein Beweisverwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen den fair-trial-Grundsatz in Betracht, wobei immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind,27 sodass sich allein darauf eine rechtlich fundierte gesetzliche Regelung nur schwer stützen kann. Dies gilt auch, wenn man – entgegen der hier vertretenen 22 Busche, in: MüKo BGB, § 631 Rn. 160 ff.; Fischer, in: BeckOK BGB, § 675 Rn. 6; Momsen/Grützner, in: DB 2011, 1792, 1796. 23 Siehe dazu oben unter E.III.3.b). 24 Siehe dazu oben unter E.III.3.c). 25 Ähnlich auch die Kritik von Zerbes/El-Ghazi, in: NZWiSt 2018, 425, 430 f. 26 Siehe dazu oben unter E.III.2.b). 27 Siehe dazu oben unter E.IV.2.

II. Anknüpfungspunkt des Beweisverwertungsverbots

333

Ansicht – den Lösungsweg über den fair-trial-Grundsatz wählt, da auch nach diesen Vertretern immer die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Zudem fordern die Vertreter dieser Ansicht regelmäßig ebenfalls entweder eine umfassende Auskunftspflicht oder einen faktischen Zwang zur Aussage. Das VerbSG-E enthält jedoch keine Regelung zu der Frage der Auskunftspflicht des Mitarbeiters. Allein dem Wortlaut nach wären von § 18 Abs. 3 VerbSG-E alle Angaben des Zeugen erfasst, also auch freiwillige Angaben. Diese unterliegen jedoch nach allgemeiner Ansicht gerade keinem Verwertungsverbot, weil die auflösungsbedürftige Konfliktlage fehlt.28 Der Anknüpfungspunkt des in § 18 Abs. 3 VerbSG-E geregelten Verwertungsverbots ist daher allein bezogen auf „Angaben, die […] bei einer Befragung im Rahmen einer internen Untersuchung“ gemacht werden, zu weit. Die im Folgenden vorgeschlagene Ergänzung versteht sich selbstverständlich als nicht zwingend. Der Gesetzgeber kann sich natürlich auch für ein solch umfassendes Verwertungsverbot entscheiden. Im Hinblick auf die mit einem Beweisverwertungsverbot immer einhergehende Beschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege,29 dürfte dies jedoch fraglich sein. Bevor ein Vorschlag zur Ergänzung des § 18 VerbSG-E gemacht wird, sollen nun zunächst ähnliche Regelungen im Vergleich betrachtet werden, um sich der Erforderlichkeit eines spezielleren Anknüpfungspunktes zu nähern. 1. Anknüpfungspunkte vergleichbarer Beweisverwertungsverbote Als vergleichbare Beweisverwertungsverbote kommen insbesondere § 97 Abs. 1 S. 3 InsO und § 630c Abs. 2 S. 3 BGB in Betracht. Da für § 393 Abs. 2 S. 1 AO die Besonderheit besteht, dass nach Abs. 1 S. 2 Zwangsmittel gegen den Steuerpflichtigen unzulässig sind, wenn er zu einer Selbstbelastung gezwungen würde, und das Beweisverwertungsverbot wegen seiner partiellen Geltung nur für Allgemeinstraftaten (also nicht Steuerstraftaten) und der weiteren Einschränkung in Abs. 2 S. 3 weitere Besonderheiten aufweist, unterbleibt ein Vergleich mit dieser Regelung. Nach § 97 Abs. 1 S. 1 und 2 InsO ist der Schuldner verpflichtet, über alle das Verfahren betreffende Verhältnisse Auskunft zu geben, wobei er auch selbstbelastende Tatsachen zu offenbaren hat. Auf diese „Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt“, bezieht sich dann das in Abs. 1 S. 3 geregelte Verwertungsverbot. Anknüpfungspunkt ist also eine gesetzlich geregelte, auch die Selbstbelastung umfassende, Auskunftspflicht. Nach § 630c Abs. 2 S. 2 BGB muss der Behandelnde, für den Umstände eines Behandlungsfehlers erkennbar sind, den Patienten auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren über diese Umstände informieren. Auf diese In28 29

Siehe dazu oben unter E.III.3.a). Statt aller Miebach, in: MüKo StPO, § 261 Rn. 136; vgl. Paul, in: NStZ 2013, 489.

334

F. Reformbedarf u. Erörterung des Beweisverwertungsverbots im VerbSG-E

formation bezieht sich das Verwertungsverbot in Abs. 2 S. 3. Auch dieses Beweisverwertungsverbot knüpft also an die zuvor geregelte Auskunftspflicht an. Das Gleiche gilt für die Verwertungsverbote in § 101 Abs. 8 UrhG und § 140b Abs. 8 PatG. Alle vergleichbaren Verwertungsverbote beziehen sich demnach auf eine zuvor geregelte Auskunftspflicht. 2. Vorschlag zur Ergänzung einer Auskunftspflicht in § 18 VerbSG-E Eine zuvor geregelte Auskunftspflicht des Mitarbeiters enthält der VerbSG-E nicht. Eine solche könnte sich als nicht notwendig erweisen, weil es für das Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ausreichend ist, dass eine durch Eingehen eines Vertrages entstehende Auskunftspflicht besteht, die in § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) kodifiziert ist. Für die Konfliktsituation kommt es nur auf das Bestehen einer umfassenden (erzwingbaren) Auskunftspflicht an.30 In Anbetracht der dann unklaren Reichweite des Verwertungsverbots, insbesondere hinsichtlich freiwillig getätigter Auskünfte, erscheint eine Regelung aber erforderlich. Für die Regelung einer Auskunftspflicht spricht zudem, dass damit die Streitigkeiten um das Erfordernis einer gesetzlichen Auskunftspflicht beendet werden könnten.31 Für die Frage eines Verwertungsverbots bei nur faktischem Aussagezwang oder bei Täuschung bzw. Irrtum über die Auskunftspflicht kann daneben eine geeignete Lösung im Einzelfall über den fair-trial-Grundsatz gefunden werden. Der ebenfalls möglichen Ergänzung des § 18 Abs. 3 VerbSG-E um das Wort „unfreiwillig“ in dem Sinne, dass danach Angaben, die ein Zeuge unfreiwillig im Rahmen der Befragung macht, unverwertbar wären, stehen Bedenken entgegen. Zum einen gehen mit dem Wort „unfreiwillig“ erhebliche Auslegungsschwierigkeiten einher, solange keine Begriffsdefinition integriert würde. Mit der Ergänzung würde daher wenig Rechtssicherheit einhergehen, wodurch wiederum Umgehungsmöglichkeiten geschaffen würden. Die außerdem bestehende Gefahr, dass sich Gerichte der Auffassung des Landgerichts Hamburg anschließen, welches Auskünfte im Arbeitsrecht aufgrund des freiwillig geschlossenen Arbeitsvertrags generell für freiwillig hält,32 dürfte angesichts des Regelungszusammenhangs zwar sehr gering, aber nicht ausgeschlossen sein.

30

Siehe dazu oben unter E.III.2.b)bb). Insoweit hielten auch die Teilnehmer der Tagung „Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts“ am 8. April 2016 in Köln die arbeitsrechtlichen Bezüge interner Ermittlungen für grundsätzlich regelungsbedüftig (so Gräbener, in: Grundfragen eines modernen Verbandsstrafrechts, 139, 142). 32 LG Hamburg, Beschl. v. 15. 10. 2010 – 608 Qs 18/10 – juris, Rn. 83. 31

II. Anknüpfungspunkt des Beweisverwertungsverbots

335

Die Regelung einer umfassenden Auskunftspflicht ist daher vorzugswürdig. Da diese nach der wohl überwiegenden und auch hier vertretenen Ansicht nur für Auskünfte zum unmittelbaren Arbeitsbereich besteht,33 erfolgt der Ergänzungsvorschlag unter dieser Prämisse. Eine Ergänzung des § 18 Abs. 3 VerbSG-E um einen S. 1 könnte daher wie folgt lauten: „Mitarbeiter des Verbandes sind verpflichtet, an einer Befragung im Rahmen einer internen Untersuchung durch Beauftragte des Verbandes teilzunehmen und Fragen zu ihrem unmittelbaren Arbeitsbereich wahrheitsgemäß zu beantworten, selbst wenn die zu offenbarenden Tatsachen geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit herbeizuführen.“

Der jetzige Wortlaut des § 18 Abs. 3 VerbSG-E könnte dann nach erforderlichen Anpassungen bezüglich S. 1 wie folgt als zukünftiger S. 2 gefasst werden: „Auskünfte, die ein Mitarbeiter gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt hat, dürfen in einem Strafverfahren gegen den Mitarbeiter ohne dessen Zustimmung nicht als Beweismittel verwertet werden.“

33

Siehe dazu oben unter C.IV.2. und C.IV.3.

G. Ergebnis Abschließend erfolgen ein Fazit und eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse.

I. Abschließendes Fazit Die aufgeworfene Frage der Gefahr der Umgehung des nemo-tenetur-Grundsatzes des Mitarbeiters durch die Kooperation von Unternehmen mit Ermittlungsbehörden hat sich bestätigt. Der Mitarbeiter ist im Interview im Rahmen einer Internal Investigation zur Aufklärung von Zuwiderhandlungen im oder aus dem Unternehmen heraus zumindest bezüglich seines unmittelbaren Arbeitsbereichs umfassend auskunftspflichtig und kann auch die Beantwortung solcher Fragen nicht verweigern, durch die er sich selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen würde. Um diese Erkenntnisse zu erlangen, können interne Ermittler erheblichen Druck auf den Mitarbeiter ausüben, indem sie ihm mit einer Kündigung oder mit hohen Schadensersatzforderungen drohen. Zudem kann die Auskunft eingeklagt und zwangsweise durchgesetzt werden. Die daneben mögliche Gewährung einer arbeitsrechtlichen Amnestie hängt grundsätzlich von der Bedingung einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Auskunft ab, sodass auch diese die Situation des Mitarbeiters hinsichtlich seiner Selbstbelastungsfreiheit nicht wesentlich verbessert. Der hier untersuchte Konflikt entsteht für den Mitarbeiter aber erst mit der Weitergabe der selbstbelastenden Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden. Möchten diese die Erkenntnisse zur Verfahrenseinleitung gegen den Mitarbeiter und darüber hinaus nutzen, droht eine Umgehung des Rechts auf Selbstbelastungsfreiheit. Nach bisheriger Erfahrung haben alle Unternehmen größerer Verdachtsfälle Kooperationsbereitschaft gegenüber den Strafverfolgungsbehörden signalisiert und waren mit der Herausgabe von Erkenntnissen nur wenig zögerlich. Als Ursache dieses Kooperationsdrangs konnten insbesondere mögliche Sanktionsmilderungen, schnellere Verfahrensabschlüsse, Druck durch Strafverfolgungsbehörden und geringere Reputationsschäden ausgemacht werden. In Zukunft dürfte der Kooperationsanreiz im Rahmen geplanter Reformierungen des Rechts der Sanktionierung von Unternehmen zudem eine gesetzliche Normierung erfahren. Im Hinblick auf die bislang in der Praxis nicht einheitlich erfolgende Berücksichtigung von Kooperation dürfte der Anreiz für das Unternehmen dadurch noch einmal deutlich zunehmen.

I. Abschließendes Fazit

337

Die für den Mitarbeiter bestehende Konfliktlage lässt sich nach derzeitigem Meinungsstand und nach derzeitiger Gesetzeslage auf verschiedene Weise lösen. Diskutiert werden insbesondere ein Auskunftsverweigerungsrecht, ein Offenbarungsverbot bzgl. der selbstbelastenden Erkenntnisse oder Beweisverwertungsverbote. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Interessenlagen eignet sich nach der hier vertretenen Ansicht am besten ein Beweisverwertungsverbot zum Schutz des Mitarbeiters vor Umgehung des nemo-tenetur-Grundsatzes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Die Gewährung eines generellen Auskunftsverweigerungsrechts oder die Anerkennung eines Offenbarungsverbots überzeugen mangels dogmatischer Grundlage und aufgrund der erheblichen rechtlich geschützten Interessen des Unternehmens an der Sachverhaltsaufklärung und der Leistung von Aufklärungshilfe nicht. Der beste Nutzen lässt sich aus der Kooperation sowohl für das Unternehmen als auch für die Strafverfolgungsbehörden ziehen, wenn zugunsten des Mitarbeiters ein Beweisverwertungsverbot angenommen wird. Über diesen Lösungsweg lassen sich auch die Rechte des Mitarbeiters hinreichend schützen, da seine selbstbelastende Aussage gegenüber dem Unternehmen im Strafverfahren gegen den Mitarbeiter dann nicht verwertet werden kann. Die Kooperationsauswirkungen zwischen Strafverfolgungsbehörden und dem Unternehmen lassen sich dadurch auf die Erleichterung der Verfolgung des Unternehmens reduzieren, da in einem Verfahren gegen das Unternehmen wegen unterlassener Aufsicht die Erkenntnisse zur Zuwiderhandlung von unterrangigen Mitarbeitern verwertet werden können. Im Gegensatz dazu nützt die Kooperation, aus der regelmäßig nur das Unternehmen Vorteile zieht, den Strafverfolgungsbehörden nur in dem Umfang zur Verfolgung von Mitarbeitern, in dem auch durch sonstige Ermittlungsmaßnahmen (z. B. eine Beschlagnahme) Erkenntnisse gewonnen werden könnten. Dass die Mitarbeiter von der Kooperation und der Auskunft gegenüber dem Unternehmen auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden im Sinne einer Strafmilderung profitieren, lässt sich über die Ausgestaltung des Beweisverwertungsverbots handhaben. Insoweit ist es überzeugend, dessen Eingreifen zur Disposition des Mitarbeiters zu stellen. Stimmt der Mitarbeiter einer Verwertung zu oder sagt er erneut selbstbelastend aus (Geständnis), ist dies ebenfalls als positives Nachtatveralten bei der Sanktionszumessung zu würdigen. Der damit gewährte Schutz des Mitarbeiters durch ein Beweisverwertungsverbot soll nicht darüber hinweg täuschen, dass Unternehmen nicht handeln können, sondern natürliche Personen Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten begehen. Das Verwertungsverbot soll indes nicht dazu dienen, den Mitarbeiter aus der Verantwortung zu befreien, die er für die begangene Tat trägt. Es soll nur die im Rahmen der Kooperation angelegte Umgehung der Selbstbelastungsfreiheit verhindern und die Strafverfolgungsbehörden nicht besser stellen als in anderen Strafverfahren.

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G. Ergebnis

II. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Internal Investigations sind private unternehmensinterne Untersuchungen, die der Aufklärung eines Verdachts von Zuwiderhandlungen im Unternehmen dienen. Sie werden im Auftrag des Unternehmens regelmäßig durch externe Berater (Anwälte und/oder Wirtschaftsprüfer) durchgeführt und stehen früher oder später im Zusammenhang zu staatlichen Verfahren (Verwaltungs-, Straf- und/oder Ordnungswidrigkeitenverfahren). Besteht der Verdacht von Rechtsverstößen innerhalb des Unternehmens, besteht eine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung, wobei es keine konkrete Pflicht zur Durchführung von Internal Investigations gibt. Beim Verdacht auf schwerwiegende, systematische Verstöße und bei Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden bzw. der Öffentlichkeit, ist die Durchführung einer internen Untersuchung aber regelmäßig im Interesse des Unternehmens.1 Wesentlicher Teil der Internal Investigations sind Mitarbeiterinterviews. Auf diese ist die StPO weder direkt noch analog anwendbar, da es sich um private Ermittlungen handelt und keine Vernehmung vorliegt. Auch der nemo tenetur se ipsum accusare-Grundsatz gilt im Privatrechtsverhältnis nur mittelbar. Als verfassungsrechtliche Grundlage des nemo-tenetur-Grundsatzes beeinflusst der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) im Wege der mittelbaren Drittwirkung die zivilrechtlichen Auskunftsansprüche, deren auslegungsfähigen Rechtsnormen und -begriffe (§§ 242, 275 Abs. 3 BGB) grundrechtskonform ausgelegt werden müssen.2 Auskunftspflichten ergeben sich für den Mitarbeiter zum unmittelbaren Arbeitsbereich aus § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) und für Fragen mit nur mittelbarem Bezug zum Arbeitsbereich aus §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB. Diese Pflichten sind abhängig von ihrer Grundlage unterschiedlich stark durch die mittelbare Drittwirkung des nemo-tenetur-Grundsatzes begrenzt. Bei der Auskunftspflicht nach § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) zum direkten Arbeitsbereich ist der Mitarbeiter nach ganz herrschender Ansicht grundsätzlich verpflichtet auch selbstbelastende Tatsachen zu offenbaren. Bei dem Auskunftsanspruch aus §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB ist dem Mitarbeiter eine solche Selbstbelastung in der Regel unzumutbar. Ein generelles Auskunftsverweigerungsrecht wird in der Literatur vermehrt vertreten, kann nach der hier vertretenen Ansicht – insbesondere mangels dogmatischer Grundlage – aber nicht überzeugen.3 Die Auskunftspflichten sind einklagbar und können zwangsweise nach § 888 Abs. 1 ZPO durchgesetzt werden. Diese Vorgehensweise ist in der Praxis aufgrund der langen Verfahrensdauer aber unüblich. Dem Arbeitgeber bzw. dem Unternehmen stehen indes eine Reihe von arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten zu, wenn der Mitarbeiter die Auskunft unberechtigt verweigert. Insoweit kann erheblicher fakti1 2 3

Siehe dazu unter B.II. Siehe dazu unter C.III. Siehe dazu unter C.I. und C.IV.

II. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

339

scher Druck auf den Mitarbeiter ausgeübt werden.4 Die dem Mitarbeiter verbleibende Wahlmöglichkeit „talk or walk“ wird dabei durch arbeitsrechtliche Amnestieangebote noch verstärkt. Ist mit der Internal Investigation die Leistung von Aufklärungshilfe durch eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden bezweckt, offenbart das Unternehmen regelmäßig alle wesentlichen Erkenntnisse aus der internen Untersuchung (z. B. Abschlussberichte, belastende Dokumente/Aufzeichnungen, Interviewprotokolle). An diesen Unterlagen haben die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig aufgrund knapper eigener finanzieller und personeller Ressourcen ein großes Interesse. Anreize für das Unternehmen zur Kooperation bestehen insbesondere durch die Möglichkeit, Sanktionsmilderungen zu erlangen. Mangels bisheriger gesetzlicher Reglungen diesbezüglich liegt die Berücksichtigung der Kooperation und die darauf folgende Bußgeldreduzierung aber im freien Ermessen der Behörden bzw. der Gerichte. Dies könnte sich im Rahmen der geplanten Reformierung des Rechts der Sanktionierung von Unternehmen zukünftig ändern. Die bisherigen Entwürfe sehen insoweit Sanktionsmilderungen, einen Sanktionserlass oder die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung vor, wenn das Unternehmen umfänglich kooperiert und weitere Voraussetzungen, wie die Implementierung eines Compliance-Systems, erfüllt.5 Daher wäre ein deutlicher Anstieg von kooperativ ausgerichteten Internal Investigations zu erwarten. Ist der Vorwurf gegen Leitungspersonen des Unternehmens aufgrund unterlassener Aufsichtsmaßnahmen und dadurch ermöglichte Zuwiderhandlungen durch Betriebsangehörige gerichtet, wie in der Praxis häufig, gehört zu einer umfassenden Aufklärungshilfe auch die Offenbarung von Zuwiderhandlungen durch unterrangige Mitarbeiter. Haben diese gegenüber dem Unternehmen selbstbelastend ausgesagt, kann diese Auskunft über die Kooperation ins staatliche Strafverfahren transferiert werden und als Grundlage einer strafrechtlichen Verfolgung des betroffenen Mitarbeiters dienen. Die damit einhergehende Gefahr der Umgehung des nemo-teneturGrundsatzes des Mitarbeiters, der in einem Strafverfahren nicht zur Sache aussagen muss, kann (insbesondere) mangels dogmatischer Grundlage nicht über ein Offenbarungsverbot gelöst werden.6 Der Konflikt für den Mitarbeiter und die drohende Umgehung seiner Selbstbelastungsfreiheit kann jedoch mittels eines Beweisverwertungsverbots aufgelöst werden.7 Da die Informationserlangung bei den Mitarbeiterinterviews grundsätzlich privatrechtlich und rechtmäßig erfolgt, scheiden unselbstständige Beweisverwertungsverbote für die dabei gewonnenen Erkenntnisse regelmäßig aus. Zum einen 4 5 6 7

Siehe dazu unter C.VI. Siehe dazu unter Teil D. Siehe dazu unter D.II. und D.III. Siehe dazu unter Teil E.

340

G. Ergebnis

liegt aufgrund der nur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht kein direkter Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz mit der Folge eines Verwertungsverbots vor. Daneben kommt auch eine dem Staat zurechenbare Internal Investigation nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die Staatsanwaltschaft konkreten Einfluss auf die Art und Weise der Internal Investigation ausübt, das Unternehmen die wesentlichen Erkenntnisse ungefiltert übergibt und die interne Ermittlung insgesamt nach wertender Betrachtung als staatliche Ermittlung anzusehen ist. Dies dürfte in der Praxis nur selten der Fall sein. Für den Regelfall der Zusage einer umfänglichen Kooperationsbereitschaft, der Berichterstattung, etwaiger Koordinierungsgespräche und der Übergabe etwaiger Untersuchungsberichte und gegebenenfalls weiterer Unterlagen lässt sich eine Zurechnung nicht überzeugend begründen. Sollte ausnahmsweise eine zurechenbare interne Untersuchung gegeben sein, kommt aufgrund der dann nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben zu beurteilenden Maßnahmen insbesondere ein Beweisverwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz in Betracht.8 Eine überzeugende Lösung zum Schutz vor der Umgehung der strafprozessualen Selbstbelastungsfreiheit des Mitarbeiters bietet ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. In Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses muss die intradisziplinäre Verwertung der privatrechtlich erzwingbaren selbstbelastenden Auskunft des Mitarbeiters zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch ein Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren verhindert werden. Ansonsten wäre mit dem Transfer der Erkenntnisse ins Strafverfahren eine Umgehung des nemo-tenetur-Grundsatzes des Mitarbeiters verbunden. Aufgrund der mit der Kooperation bezweckten Aufklärungshilfe und der Zulässigkeit der unternehmensseitigen Herausgabe von Erkenntnissen aus Internal Investigations ist eine Fernwirkung des Verwertungsverbots nicht überzeugend. Um eine Umgehung des Verwertungsverbots zu verhindern, ist aber jede mittelbare Beweisgewinnung unzulässig, also insbesondere die Verlesung der Interviewprotokolle und die Vernehmung der internen Ermittler als Zeugen sowie sonstiger Zeugen vom Hörensagen.9 Das ebenfalls vertretene Beweisverwertungsverbot aus § 136a StPO (analog) überzeugt nur bei einem – im Rahmen von internen Untersuchungen nicht zu erwartenden – menschenrechtswidrigen Vorgehen oder bei Zurechnung der privaten Ermittlung.10 Für Auskünfte, die ohne bestehende Auskunftspflicht getätigt werden, z. B. aufgrund einer Täuschung durch die internen Ermittler über die Auskunftspflicht, oder bei nur faktischem Zwang zur Auskunft kommt daneben nach den Umständen

8

Siehe dazu unter E.II. Siehe dazu unter E.III. 10 Siehe dazu unter E.IV.1. 9

II. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

341

des Einzelfalls ein Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den fair-trialGrundsatz in Betracht.11 Da das Eingreifen eines Beweisverwertungsverbots umstritten ist und die Rechtsprechung solche nur restriktiv bejaht, besteht ein erhebliches Bedürfnis für eine gesetzliche Regelung. Insoweit ist § 18 Abs. 3 VerbSG-E grundsätzlich sehr zu begrüßen. Der Anknüpfungspunkt dieses Verwertungsverbots („Angaben, die ein Zeuge bei einer Befragung im Rahmen einer internen Untersuchung gegenüber einem Beauftragten des Verbandes gemacht hat“) erscheint jedoch im Hinblick auf die mit einem Verwertungsverbot immer einhergehende Beschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege bedenklich weit. Insbesondere mit dem Ziel, freiwillige Auskünfte und solche, die ohne eine umfassende und erzwingbare Auskunftspflicht getätigt wurden, von dem Anwendungsbereich des Verwertungsverbotes auszunehmen, erfolgte der Vorschlag der Ergänzung des § 18 Abs. 3 VerbSG-E um eine Auskunftspflicht zum unmittelbaren Arbeitsbereich.12

11 12

Siehe dazu unter E.IV.2. Siehe dazu unter Teil F.

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Stichwortverzeichnis Abmahnung 127 Anonymisierung von Unterlagen 157 Aufklärungshilfe 49, 139, 143, 148 Auskunftsanspruch 63, 66, 100, 109 – Mittelbarer Arbeitsbereich 66, 109 – Unmittelbarer Arbeitsbereich 63, 100 Auskunftsverweigerungsrecht 97 Belehrung 71, 117, 123 Beschlagnahme von Unterlagen 159 – Gewahrsam Rechtsanwalt 161 – Gewahrsam Unternehmen 165 Betriebsrente, Kürzung oder Versagung 128 Beweisverwertungsverbot 167, 331 – § 136a StPO 306 – Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG 236 – Fair-trial-Grundsatz 309 – Fernwirkung 290 – Fortwirkung 296 – im Zivil-/Arbeitsgerichtsprozess 299 – Nemo-tenetur-Grundsatz 88 – Rechtswidrige private Beweiserhebung 324 – Reichweite 286 – Selbstständiges 236 – Unselbstständiges 176 – Vorauswirkung 296 Compliance – Begriff 34 – Gesetzliche Grundlagen

Fair-trial-Grundsatz 95, 309 Fürsorgepflicht des Arbeitgebers 125, 152 Gemeinschuldner-Beschluss 153, 239 Internal Investigation 29 – Begriff 36 – Gesetzliche Grundlagen – Herkunft 29 – Vor- und Nachteile 42 Interviews 60, 70, 117

Dreistufentheorie 237 Drittwirkung (mittelbar) – § 136 StPO 306 – Grundrechte 92 Eidesstattliche Versicherung durch Mitarbeiter 125

92, 96, 132,

38

Jones Day-Entscheidung (BVerfG)

161

Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes 56, 331 Kooperation 42, 137 – Anforderungen 143 – Ausgestaltungen in Praxis 139 – De lege ferenda 147 – De lege lata 143 – des Mitarbeiters 71 – Herausgabe von Unterlagen 137, 151 – Umfang 149 – USA 31 Kündigung 127 Legalitätspflicht

38

98, 119,

39

Mitarbeiterbefragungen 60 – Ablauf 70 – Arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten 125 – Begleitung durch einen Rechtsanwalt 72, 120 – Belehrung 71, 117, 123 – Einsichtnahme ins Protokoll 122 – Protokollierung 73, 121

Stichwortverzeichnis – Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten 124 – Teilnahmepflicht 60 – Zwangsweise Durchsetzung 129 Nemo-tenetur-se-ipsum-accusare-Grundsatz 78 – Geltung bei Mitarbeiterbefragungen 91 – Inhalt 85 – Mittelbare Drittwirkung 92 – Verfassungsrechtliche Grundlagen 78 Nötigung 133 Offenbarungsverbot

153

Schadensersatzanspruch gegen Mitarbeiter 126 Sphärentheorie 237 Verbandsstrafgesetzbuch-Entwurf NRW 54 Vernehmung 76, 173, 224 Vertragsstrafe 126

Weisungsrecht des Arbeitgebers

371 61

Zurechnung 177 – Ausgangspunkt 178 – Folgen 220 – Internal Investigation 189, 204 – Kausalität 193 – Kriterien Rechtsprechung 185 – Objektive Zurechnung 194 – Täterschaft und Teilnahme 195 – Verwaltungshelfer 192 Zurückbehaltungsrecht (Gehalt) 125 Zwang – § 136a StPO 229 – Faktischer 214, 273 – Rechtlicher 248, 273 – Staatlich vermittelter 271 – Staatlicher 235