Die Ökonomie der Umweltgüter: Regel- und Begriffsbildungen des Umweltrechts [1 ed.] 9783428508709, 9783428108701

Der Gedanke der Zukunftsverantwortung und die Postulate einer nachhaltigen Entwicklung sind bestimmende Momente der Bemü

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Die Ökonomie der Umweltgüter: Regel- und Begriffsbildungen des Umweltrechts [1 ed.]
 9783428508709, 9783428108701

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BENJAMIN BÖHLER

Die Ökonomie der Umweltgüter: Regel- und Begriffsbildungen des Umweltrechts

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 124

Die Ökonomie der Umweltgüter: Regel- und Begriffsbildungen des Umweltrechts Von

Benjamin Böhler

Duncker & Humblot . Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-10870-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Danksagung Die nachfolgende Untersuchung bewegt sich im Spannungsfeld von Umweltrecht und Umweltökonomie, von Naturbegriff und ökologischer Krise. Es wäre müßig, persönliche Motive und Anstöße für eine Auseinandersetzung mit diesen Themen zu erwähnen, denn die Fragen der Veränderung, der Gestaltung von Umwelt und der Abwägung des Unheils gehören heute zu den Grundbedingungen des politischen und juristischen Argumentierens. Gleichwohl hat das Persönliche auch hier seinen Platz. Wichtige Anregungen für die nachfolgende Untersuchung entstammen Diskussionen am Institut für Rechts- und Sozialphilosophie der Universität des Saarlandes, vor allem jenen, die ich dort mit Herrn Dr. Hartmut Wagner geführt habe. Er hat diese Arbeit ebenso mit freundschaftlicher Kritik begleitet wie die Herren Dr. Peter Wettmann-Jungblut, Dr. Paul Burgard und - last but not least - Tim Mücke sowie Frau Dr. Christiane Auras, die beide meine verschiedenen Entwürfe souverän lektoriert haben. Der die Arbeit begleitende, im besten Sinne interdisziplinäre Dialog wurde ergänzt durch Zeiten der Kontemplation bei den Schwestern der Congregation des Diaconesses du Neuenberg in Erckartswiller (Elsaß), deren Gastfreundschaft ich an dieser Stelle nicht hoch genug riihmen kann. Verschiedene Vorstudien zu dieser Arbeit konnte ich zudem bereits im Rahmen meiner Teilnahme an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkolleg Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier anstellen. Hervorheben möchte ich aus jener Zeit die fruchtbaren Gespräche mit meinem Kollegen Herrn Rechtsanwalt Axel Pottschmidt. Neben Saar und Mosel hat aber vor allem der Main seinen Anteil an dem vorliegenden Buch: Den Herren Prof. Dr. Wolf Paul und Prof. Dr. Eckard Rehbinder gebührt der größte Dank für substanzielle Kritik und großzügige Unterstützung im Promotionsverfahren an der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Berlin, im Friihjahr 2002

Benjamin Böhler

Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Erster Teil

Vorstudien: Über die ökologische Krise, die Konzeptionen nachhaltiger Entwicklung und den Begriff der UmweItgüter in UmweItpolitik und Sozialwissenschaften

22

A. Ökologische Perspektiven .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

I. Entwicklungen der Umweltgüter ...............................................

23

1. Wandlungen des ökologischen Problemverständnisses .......................

24

a) Knappheit von Ressourcen ...... . ........................... . ............

24

b) Grenzen der Belastbarkeit ................................................

26

c) Beschreibungen ökologischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

d) Vielfalt in ökologischen Systemen ........................... . ............

27

2. Beschreibungen einzelner Nutzungsobjekte ..................................

29

a) Brennstoffe...............................................................

29

b) Wasser ...................................................................

30

c) Die Atmosphäre als COz-Senke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

d) Biologische Vielfalt ......................................................

32

3. Die Problematik der Bestimmung von "Ressourcen" .........................

33

11. Nachhaltige Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

I. Wachstumskritische und quantitative Konzeptionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

2. Konsens-Strategien ..........................................................

37

3. Ambiguitäten umweltpolitischer Konzeptionen der Nachhaltigkeit ...........

38

B. Umweltgüter als Topos der Reflexion über ökologische Problemlagen in den Sozialwissenschaften ..............................................................

39

I. Umweltgüter in der ökonomischen Theorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

1. Umweltgüter als freie Güter .................................................

40

Inhaltsverzeichnis

8

2. Natürliche Ressourcen.......................................................

41

3. Modelle des Umgangs mit freien Gütern.....................................

41

4. Kritik des homo oeconomicus ............ . .......... . .......... . ..... . ......

43

5. Kritik der Darstellung der Umweltgüter .. . . . . . . .. . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .

43

6. Die Problematik des ökonomischen Naturbegriffs ..................... . ......

44

7. Neubestimmungen des Verhältnisses von Natur und Gesellschaft.............

46

11. Umweltgüter in der Umweltsoziologie .........................................

47

1. Betrachtungen des Gemeineigentums ........................................

47

2. Ökologische Kommunikationen .............................................

49

3. Funktionsbestimmungen der Wissenschaft...................................

51

Zweiter Teil

Untersuchungen über das Umweltrecht und die "Dogmatik der Umweltgüter" im Völkerrecht, im Verfassungsrecht und im Verwaltungsrecht C. Zur Ausgangslage des Umweltrechts .............................................

54 54

I. Der Verlust von Gewissheiten

55

11. Versuche der Neuorientierung

57

III. Zur Regel- und Begriffsbildung des Umweltrechts .. .. . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .

59

1. Zum Begriff der rechtlichen Regel .............................. . . . . . ........

60

2. Umweltbegriffe des Rechts ..................................................

64

D. Ökologische Einheit als Antithese staatlicher Souveränität: Umweltgüter im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

I. Zur Aktualität des Begriffs der Umweltgüter im Umweltvölkerrecht ............

66

1. Ökologisches Wissen in der Entwicklung des Umweltvölkerrechts ...........

67

2. Ökologische Zusammenhänge als Infragestellung territorialer Souveränität ..

70

3. Die Veränderung vom Koexistenzrecht zum Kooperationsrecht ..............

71

4. Umweltvertragsrecht und typische Vertragstechniken ........................

72

11. Ressourcen- und Umweltbegriffe des Umweltvölkerrechts ......................

73

1. ,,shared Natural Resources" .................................................

74

2. "Common Heritage of Mankind" ............................................

77

3. "Common Concern" ..... . ...................................................

79

Inhaltsverzeichnis

9

III. Konzeptionen zur Bewahrung von global bedeutsamen Umweltgütern . . . . . . . . . . . . . .

80

1. Nachhaltige Entwicklung als maßgebliche Konzeption des Umweltvölkerrechts .... . .. ... . .. ......... ....... .......... ....... ............. .. ..........

80

a) Intergenerationelle Gerechtigkeit .. ............. .... ........... . ..........

81

b) Entwicklungswege . . . .... ... . ..... . . .. . . . .. . .. .. . . . . . . . ..... ........ . . ...

82

2. Lokale Akteure und globale Umweltgüter .. . .... ... ... . . . .... ... ... . . . . .. .... ..

83

a) Zur Bedeutung lokaler Wirtschafts- und Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . .

83

b) Hindernisse einer Aktivierung der lokalen Ebene

84

E. Annäherungen des Verfassungsrechts .... .. . .. .. ... .. ... . .. ..... ... .... . . ....... .

86

I. "Vorökologische" Bestimmungen des Grundgesetzes und ihre Rezeption . .. ....

87

1. Art. 15 GG . ... . . . . ................ . .............. . .................. .. . . ....

87

2. Art. 74 und 75 GG . . . . . . . . . ... . . . .. . . . .. . .. . . . . . . . . .. . . . . . . ... . . . . . . . . .. .. . . .

88

3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Wasserrecht . . . . . . . . . . . .

90

a) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Naßauskiesung .....

90

b) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Wasserpfennig ....

93

11. Von der Wirtschaftsverfassung zur Umweltökonomie: Güter im Verfassungsrecht . . ..... ... .... .... ... . . ..... ....... . . ... . ..... .... . . . . . ... .. . ....... . .. . . ..

95

1. Öffentliche Sachen ........... . ... . ........... . . ... . .. ....... .. .... . . . . .... ..

96

2. Die Rezeption der Grenzen des Wachstums ........................... .... ...

97

3. Einflüsse der Umweltökonomie . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . .. . . . . .. . . . .. . .. .. . . 100 4. Umweltgüter als Sachstrukturen ... . . . . . . ... . ...... . .. .... . ..... .. . . . .... ... . 101 III. Die Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG ...................... . ..... .... ... . 103 1. Anthropozentrische und nicht-anthropozentrische Positionen ..... . . . . . . . . . .. 104 2. Interpretationen des Begriffs der natürlichen Lebensgrundlagen . . .. ... ....... 106 a) Der Rückgriff auf einfachgesetzliche Bestimmungen . . . ..... ... .. . . . . . .. . 106 b) Analogien zum Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Die natürlichen Lebensgrundlagen als deskriptiver Begriff................ 108 aa) Das ökologische Existenzminimum ... .... . . ... ... ...... .. .. . ... . . . .. 109 bb) Die Definitionen natürlicher Lebensgrundlagen . . ... ... ... . .... . . . .. . 109 IV. Grundrechte und Umweltgüter . ... . ........ . ... . .... . ... . . . ........ . . . . . .. . ... . 111 1. Das Grundrecht auf Eigentum ... . . .. ........... . ... ... .............. . . ... ... 113 a) Die Nutzung des Sacheigentums . ........ .. . . . .. . .. . .... . . . ..... ... . . . . ... 114 b) Situationsgebundenheit . ... .. . . .. . . . . . ... .. . ... . . .. .. ... .... ... . . . .. .... .. 119 c) Bestandsschutz .......... .. .. . .. . .. .. ........... ... . ... ...... .. .. . ..... .. . 120

10

Inhaltsverzeichnis 2. Umweltgüter und Sozialbindung des Eigentums

122

3. Kritik der Konfrontation von Umweltgütern und Sacheigentum ........ . ..... 124 4. Die Berufsfreiheit ........................................................... 125 a) Die Betonung der Voraussetzungen wirtschaftlicher Aktivitäten ... ... .. ... 125 b) Der Ausschluß großer Umweltrisiken aus dem Schutzbereich des Art. 12 GG ..... . .......... ... ................................ .. ...... .. .. 126 c) Restriktionen der Nutzung der Umwelt als Berufsausübungsregelungen ... 127 5. Die falsche Perspektive: Konturierungen von Umweltgütern und Schutzbereichen .......... . . ..... .......... .. ... ... ............ ........ .......... ..... ... 128 F. Umweltgüter im UmweltverwaItungsrecht .......... . . . ........ . ..... .... ..... . .. 130 I. Das Wasserrecht als Bewirtschaftungsrecht ........................... . ......... 131

1. Das behördliche Bewirtschaftungserrnessen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Vorschläge zur Ausweitung des behördlichen Bewirtschaftungserrnessens . . . . 133 11. Umweltgüter im Immissionsschutzrecht ................................... ... .. 134 1. Polizeirechtliche Elemente des Immissionsschutzrechts und ihre Kritik ...... 135 a) Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung als gebundener Verwaltungsakt .................................................................. 135 b) Schutzgüter des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ................ . ...... 136 2. Bewirtschaftung und Vorsorge im Immissionsschutzrecht .................... 138 a) Die Abwehr von Gefahren als Luftbewirtschaftung ....................... 138 b) Ressourcennutzung und Vorsorge .... ................................ ..... 139 III. Naturgüter des Naturschutzrechts ... . . ... . . . ... . . . . . .... . . ... . . . .. . .. . .. . .. . . . .. 144

1. Naturgüter als Gesetzesbegriff ............................................... 144 2. Ressourcenökonomie der Naturgüter ......................................... 145 3. Nachhaltigkeit im Naturschutzrecht .............. ...... ...................... 147 IV. Umweltgüter als Gesetzesbegriff ............................................... 149

1. Versuche einer Legaldefinition von Naturgütern und Umweltgütern . ... ...... 151 2. Eigentum und Umweltnutzung in den Entwürfen für ein Umweltgesetzbuch 152 3. Kritik der Konzeption des UGB-KomE ...................................... 154

Inhaltsverzeichnis

11

Dritter Teil

Umweltgüter als interdisziplinäres Projekt: Umweltökonomie, ökologische Ethik und Rechtstheorie

157

G. Umweltgüter als Begriff des Rechts: eine rechtstheoretische Perspektive . . . . . . .. 157

I. Inspirationen umweltrechtlicher Regel- und Begriffsbildung ... . . . . .. ... ...... . . 158

1. Öko1ogisierung und Umweltgüter ... ........... ... .............. ...... ....... 158 2. Exkurs: Zum Begriff der Naturgüter ............... . .. . . . ......... . .. .... .. . . 161 3. Umweltgüter als umweltökonomischer und umweltsoziologischer Begriff .. .. 161 4. Umweltgüter als Rechtsgüter ...... . .. .. . ......... .. ............. .. ...... . ... 165 11. Eigenschaften des Begriffs der Umweltgüter ..... . ... .. ............. .... . . ..... 167 1. Die Unterscheidung empirischer und theoretischer Begriffe ...... ......... ... 168 2. Normative und deskriptive Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 170 3. Umwe1tgüter als deskriptiver Begriff! .......... ... ... .. ............. ...... .. 173 H. Umweltgüter als Programme: Aspekte des Verhältnisses von Umweltökonomie und Umweltrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

I. Die Programmierung des Verwaltungshandelns . ....... ...... . ...... .. .... . ... . . 175 1. Die Unterscheidung von Zweckprogrammen und Konditionalprogrammen ... 176 2. Die Schwierigkeiten im Umgang mit ökologischen Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Umweltgüter als Zweckprogramme . . ..... .. ..... . .. ...... ......... .... . .. ... 178 4. Das Kriterium der Nachhaltigkeit .... ...... ....... . ... ......... .... .......... 181 a) Kritik des "Leitbildes" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Orientierungsleistungen der Umweltökonomie . .. ... .............. .. ... . .. 183 11. Die Modellierung individuellen Handeins .. .. .... . .... ..... ... . . . .... .. .. . ..... 184 1. Steuerungsmodelle .. ...... .......... ........... .. ............. ...... ....... . 185

a) Pigou-Steuern ............ ... ................... . ......................... 186 b) Property Rights ............ ... ... . ...... .. ...... . ................... .. .... 187 2. Kritik der umwe1trechtlichen Rezeption des methodo1ogischen Individualismus ..... .. .... . . ... . . ... . .... . . . ... . .. .. .... . .... .. . .. .. .. ..... .. ... . . . . . ... 188 a) Ökologische Kompetenzen individueller Akteure................. .. ...... 189 b) Deskriptive Handlungstheorien im Umweltrecht .......................... 190 3. Systematische Orientierungen des Umweltrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 194 IlI. Grenzen umwe1tökonomischer Instruktion des Umwe1trechts ..... ... ... . . ... ... 196

12

Inhaltsverzeichnis

I. Ökologische Ethik und Umweltrecht . . ..... . .... . ...... . . . ... . .... . .. . ..... .. ... . 197 I. Vorklärungen : Über nicht-anthropozentrische Konzeptionen des Umweltrechts 199

1. Umweltrecht und ökologische Ethik.............................. ..... ...... 199 2. Anthropozentrik und "Ökozentrik" ......... . ........ . . . ......... ... . .. .... .. 203 a) Antropozentrismus und Antropogenitismus ...... ... .. .. ..... . .. . ... .. .... 204 b) Nicht-anthropozentrische Konzeptionen umweltrechtlicher Regeln und Begriffe . .. . ..... ............. .... ............... . . . ......... . ... . ... . .... 205 c) Zur Konvergenz anthropozentrischen und nicht-anthropozentrischen Umweltrechts ....... . ... . .... .... .. . .. . ... . .... .... ..... .. .. .. ........ . .... . . 208 3. Rechte der Natur . .. ..... . .. ...... .. . . . .... . .. . .... .. . .. . . .. .. ... ....... .. ... 210 11. Natur als Vorgegebenheit ....... ....... . . ......... ....... . . ............ . .. .. . . .. 213 1. Der Naturhaushalt .. ........ .. . ........ ........ ......... ....... . .......... . .. 214 2. Naturalistische Fehlschlüsse .. . . . ...... ... .. .. .... . ....... ... .. ... . ... ... . . .. 216 a) Der naturalistische Fehlschluß in der Ethik .... . ..... . ... .. ... .... .. .. .. .. 217 b) Sein und Sollen in der Umweltpolitik: Das Beispiel der Umweltstandards 219 c) Die "Natur der Sache" im Umweltrecht .... . . ...... ....................... 221 III. Umweltgüter als Kollektivgüter .... ..... .. ... . .. . ... . . . . . . . . ... . .. ... ... .. ... . . 222 1. Ökologische Ethik als Anwendungsethik . .. .... .. . .... .. ... ... ... .. ...... .. . 223 2. Theorien der Güter .......... .... .. . .. .. ..... ........ ....... .. .... .. . ... . .. .. 224 3. Umweltrechtliche Konsequenzen .... . .......... . . .... ......... .. ....... ..... 225

J. Perspektiven des Umweltrechts .. ..... ... ... ... ... . .... . .. ... . ..... . . .. .. ......... 226 I. Grundlagen eines "Rechts der Nachhaltigkeit" ....... . ... . .... . .... . . .. . .. . ... .. 226

1. Der Begriff der Natur ist obsolet .................... .. ....... . ... . ........... 228 2. Umweltgüter als Quasi-Objekte des Umweltrechts .. .. ... . ... . .. . .. . ......... 229 a) Abgrenzungen zur UmweItökonomie ..... . ..... .. . . . .. ..... . .. . . ... . ..... 230 b) Der Anteil der ökologischen Ethik an der Begriindung von Umweltgütem 232 c) Die Bedeutung der Naturwissenschaft .......... . ............... . ... . ..... 232 11. Dogmatische Konsequenzen der vorgeschlagenen Konzeption der Umweltgüter

233

III. Umweltgüter als Gegenstände prozeduralen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 IV. Die Aufgabe einer Konsolidierung der Politik der Nachhaltigkeit .. . . ... . .. .. . .. 238

Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240 Stichwortverzeichnis .... .. .. ... . .... . ......... . . ..... . . .. . . .... . . .. ... . . .. .. .. ....... 262

Abkürzungsverzeichnis a.F.

alte Fassung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

ARSP

Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie

BAnz.

Bundesanzeiger

BBergG

Bundesberggesetz vom 13. 08. 1980, BGBI. I S. 1310, zuletzt geändert am 18. 06.1997, BGBI. I S. 1430

BGBI.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BImSchG

Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. 05. 1990, BGBI. I S. 880, zuletzt geändert am 03. 05. 2000, BGBI. I S. 632

BMU

Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

BNatSchG

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. 09. 1998, BGBI. I S.2994

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BUND

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.v.

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BWaldG

Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) vom 02.05. 1975, BGBI. I S. 1037, zuletzt geändert am 26.08. 1998, BGBI. I S. 2521

bzw.

beziehungsweise

CBD

Convention on Biological Diversity

ChemG

Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. 07. 1994, BGBI. I S. 1703, zuletzt geändert am 20.07.2000, BGBI. I S. 1045

CO2

Kohlendioxid

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DVBI.

Deutsches Verwaltungsblatt

14

Abkürzungsverzeichnis

Einigungsvertrag

Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. 08.1990, BGBI. II S. 889

Europa-Archiv

Europa-Archiv I Beiträge und Berichte: Zeitschrift für internationale Politik

FN

Fußnote

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 05. 1949, BGBI. S. 1, zuletzt geändert am 19. 12.2000, BGBI. I S. 1755

ggfs.

Gegebenenfalls

HStR

Handbuch des Staatsrechts

i.Y.m.

in Verbindung mit

ICLEI

Internationaler Rat für kommunale Umweltinitiativen

IUCN

International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources

Jura

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung

KJ

Kritische Justiz (Zeitschrift)

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift)

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NuR

Natur und Recht (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

0.1.

Ohne Jahresangabe

OLG

Oberlandesgericht

PflSchG

Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. 05 . 1998, BGBI. I S. 971, ber. S. 1527

RN

Randnummer

ROG

Raumordnungsgesetz vom 18. 08. 1997, BGBI. I S. 2081 , geändert am 15. 12. 1997, BGBI. I S. 2902

StGB

Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. 11. 1998, BGBI. I S. 3322, geändert am 02. 08. 2000, BGBI. I S. 1253

StrÄndG

Strafrechtsänderungsgesetz

StWG

Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 08. 06. 1967, BGBI. I S. 582, geändert durch Art. 12 Finanzanpassungsgesetz vom 30. 08. 1971, BGBI. I S. 1426; Art. 25 Zuständigkeitsanpassungsgesetz vom 18. 03. 1975, BGBI. I S. 705; Art. 38 Fünfte ZuständigkeitsanpassungsVO vom 26. 02. 1993, BGBI. I S. 278, und Art. 12 Abs. 49 Postneuordnungsgesetz vom 14. 09. 1994, BGBI. I S. 2325

Abkürzungsverzeichnis

15

UIG

Umweltinformationsgesetz vom 08. 07. 1994, BGB!. I S. 1490

UNEP

Uni ted Nations Environment Program

UPR

Umwe\t- und Planungsrecht (Zeitschrift)

UVPG

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 12. 02. 1990, BGB!. I S. 205 zuletzt geändert am 18.08. 1997, BGB!. I S. 2081

VerwArch

Verwaltungsarchiv

vg!.

Vergleiche

VR

Verwaltungsrundschau

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

WBGU

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen

WHG

Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts - Wasserhaushaltsgesetz - in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. 11. 1996, BGB!. I S. 1695, zuletzt geändert am 03. 05. 2000, BGB!. I S. 632

WUR

Wirtschafts verwaltungs- und Umweltrecht (Zeitschrift)

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

ZAU

Zeitschrift für angewandte Umweltforschung

ZfU

Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht

Einleitung Seit Beginn der neunziger Jahre wird die weltweite Diskussion um den Umweltschutz verstärkt von der Frage nach den Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung bestimmt. Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahre 1992 markiert hier einen politischen Prozeß, der zwar nicht einen Konsens über konkrete Maßnahmen hervorbrachte, aber eine allgemeine Anerkennung der Notwendigkeit eines koordinierten staatlichen Handelns in globaler Perspektive beinhaltete. Die bisherigen Ergebnisse dieses politischen Prozesses stellen große Anforderungen an die Ausgestaltung der völkerrechtlichen wie der nationalen Rechtsordnungen. Auch die Diskussionen um die Reformen des deutschen Umweltrechts stehen unter dem Eindruck der weltweiten Sorge um zukünftige Lebensbedingungen und der Suche nach Wegen, einen nachhaltigen Schutz ökologischer Verhältnisse zu erreichen. Der Gedanke der umfassenden Zukunftsverantwortung l , aber auch die einzelnen Postulate der nachhaltigen Entwicklung sind das bestimmende Moment der Bemühungen um zukünftige Gestaltungen des deutschen Umweltrechts. Der im Jahre 1994 in das Grundgesetz eingefügte Art. 20a bringt die grundsätzliche, objektivrechtliche Anerkennung der Zukunftsverantwortung des Staates nun vernehmlich zum Ausdruck2 . Art. 20a GG verpflichtet zum staatlichen Handeln unter Berücksichtigung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen 3 und legitimiert zugleich eine entsprechende Gesetzgebung. Dieser eindrücklichen Zielsetzung und klaren AufgabensteIlung stehen - auf einer nachgeordneten Ebene - die praktischen Schwierigkeiten des Umweltrechts im Umgang mit den Postulaten der nachhaltigen Entwicklung gegenüber. Nachhaltige Entwicklung verlangt zwar eine rechtliche Rahmensetzung, die der Zukunfts verantwortung gerecht wird, ebenso wie in der umweltpolitischen Diskussion ist jedoch umstritten, wie mit dieser normativen Anforderung umzugehen ist. Eine Schwierigkeit des Umweltrechts besteht bereits darin, die unterschiedlichen Konzeptionen nachhaltiger Entwicklung juristisch zu fassen: Das Umweltrecht steht auf einer ersten Ebene vor der Herausforderung, die Faktizität der nachhaltig zu entwickelnden ökologischen Verhältnisse im Hinblick auf gegenwärtige und zukünftige Zustände zu thematisieren. Vgl. Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung. "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung". 3 V gl. Kap. A.II. und Kap. 0.111. 1

2

2 Boehler

18

Einleitung

Hier scheitern vor allem klassische Annäherungen des Umweltrechts an seine Gegenstände. In vielem ist das deutsche Umweltrecht bis heute von seinen Ursprüngen als einem Recht der Gefahrenabwehr geprägt, da ökologische Veränderungen zunächst vor allem als Bedrohungen empfunden wurden. Ein Umweltrecht, das eine nachhaltige Entwicklung anstrebt, kann jedoch nicht mehr nur auf katastrophale Veränderungen abstellen. Es kann nicht mehr auf ökologische Verhältnisse als Ausdruck einer primordialen Natur, die es zu bewahren gilt, rekurrieren. Selbst die Betrachtung der Umwelt als außenstehend ist ihm verschlossen. Jene Umwelt, in der nachhaltige Entwicklung staatlich und gesellschaftlich organisiert werden muß, ist höchst komplex und keine Umwelt im eigentlichen Sinne mehr. Das Umweltrecht wird vielmehr mit den Verhältnissen der - von Beck so bezeichneten - "Innenumwelt,,4 konfrontiert. Zu ihren Charakteristika gehört, daß ökologische Verhältnisse von Menschenhand nicht mehr nur verändert, sondern umfassend und grundlegend gestaltet werdens. Zu ihren Konstituierungsbedingungen gehört der marktökonomische Rahmen einer hochspezialisierten industriellen Gesellschaft, sowie deren kulturelle und politische Verfaßtheit. Das Umweltrecht muß also über traditionelle, vom Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr geprägte Ansätze weit hinausgreifen. Denn nur dort, wo das Umweltrecht ökologische Qualitäten im Kontext einer Innenumwelt formulieren kann, wird es der Überwindung von Umweltpolitiken mit bloß "defensivem, nachsorgendem Charakter,,6 rechtliche Konturen verleihen können. Ein solches Ausgreifen und eine Überwindung von Mustern defensiver Reaktionen verlangt über die Neubestimmung des Handlungsrahmens hinaus nach einer Auseinandersetzung mit dem bei einem Recht der Gefahrenabwehr bis heute im Vordergrund stehenden Verständnis der Umwelt als einem Medium, in dem sich bestimmte Kausalitäten nachzeichnen lassen.? Ein eindrückliches Beispiel für das Scheitern dieses Verständnisses der Umwelt bietet die Debatte um den Schutz des Weltklimas. Hier ist der Mangel an allgemein anerkannten Prognosen des Klimawandels und der Streit um seine Ursachen und seinen zu erwartenden Umfang beherrschend. Ent4 Ulrich Beck, Risikogesellschaft, S. 108. Umweltprobleme, so lautet einer seiner Befunde, "sind keine Um-Weltprobleme, sondern durch und durch - in Genese und Folgen - gesellschaftliche Probleme, Probleme des Menschen, seiner Geschichte seiner Lebensbedingungen, seines Welt- und Wirklichkeitsbezuges, seiner ökonomischen, kulturellen und politischen Verfassung. Die industriell verwandelte ,Binnennatur' der zivilisatorischen Welt muß geradezu als exemplarische Nichtumwelt begriffen werden, als Innenumwelt, der gegenüber alle unsere hochgezüchteten Distanzierungs- und Ausgrenzungsmöglichkeiten versagen. " 5 Den jüngsten Beleg für diese Ubiquität menschlicher Gestaltung der Umwelt und für die Verwandlung von natürlichen Lebensgrundlagen in industrielle Risikoprodukte hat die Agrarund Lebensmittelindustrie geliefert. Sie agierte bei der Verbreitung der bovinen spongiformen Encephalopathie allerdings mit recht konventionellen Mitteln. Die Mittel zur Gestaltung solcher Binnennatur reichen viel weiter, wie die Gentechnologie lehrt. 6 Reiner Schmidt, Ethik, Recht und Umweltschutz in der Demokratie, S. 440. 7 Vgl. Ulrich K. Preuß, Risikovorsorge als Staatsaufgabe, S. 527 ff.

Einleitung

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sprechend kompliziert ist die Einbindung des Klimaschutzes in die internationale und nationale Rechtsordnung. Die Diskussion um den Klimaschutz wird von sich verändernden Einschätzungen der Gravität einzelner Probleme begleitet und von .. Gewißheitsverlusten wissenschaftlicher Erkenntnis ,,8, angesichts derer ökologische Konsequenzen unsicher sind. Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, sich mit den hier skizzierten Anforderungen an ein Umweltrecht, das eine nachhaltige Entwicklung anstrebt, auseinanderzusetzen. Generell besteht dabei die Notwendigkeit, die Gestaltung ökologischer Verhältnisse umfassend zu würdigen, die eigenen Grundlagen - seien sie naturwissenschaftlich, ökonomisch oder politisch konnotiert - offenzulegen und angestrebte Veränderungen des Umweltrechts transparent zu machen. Ein großer Teil der heute diskutierten Vorschläge für eine Reform des Umweltrechts sucht seine maßgeblichen Referenzen in der Auseinandersetzung mit theoretischen Konzeptionen der Umweltökonomie. Die nachfolgende Untersuchung wird klären, inwieweit diese bisherigen Auseinandersetzungen mit der Umweltökonomie eine - in rechtstheoretischer Sicht - überzeugende und tragfähige Grundlage für die Entwicklung eines Umweltrechts der nachhaltigen Entwicklung bieten können. Untersucht werden dabei nicht nur die verschiedenen Versuche, ressourcenökonomische Vorstellungen im Umweltrecht zu verankern9 , sondern auch jene Perspektiven des Schutzes individueller Freiheitsrechte, die einschlägige Entwicklungen des Umweltrechts unter dem Schlagwort von der Ausbildung eines .. Bewirtschaftungsrechts ,,10 kritisieren. Für diese Ansätze ist der Begriff ,Umweltgüter' von zentraler Bedeutung. Beide beziehen sich auf eine allgemeine Definition, nach der der Begriff der Umweltgüter dazu dient, .. zu verdeutlichen, daß das ehemals freie Gut (natürliche) Umwelt zu einem knappen wirtschaftlichen Gut geworden ist, das als Bestandsgut verschiedene Nutzungen (Umweltdienste) abgibt: Die Umwelt versorgt z. B. den Menschen mit lebenswichtigen Gütern wie Luft und Wasser; sie liefert Rohstoffe und stellt Boden als Standort für Produktions-, Wohn- und Konsumzwecke zur Verfügung; sie nimmt Produktions- und Konsumrückstände wie Abfälle und Emissionen auf" 11. Ökologische Verhältnisse werden dabei eher - und dies auch nur auf einer sehr abstrakten Ebene - quantifiziert, als daß die im Kontext der Innenumwelt zu klärenden Zusammenhänge ausgewiesen werden könnten. Rudolf Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 12 ff. V gl. dazu Dietrich Murswiek, Ein Schritt in Richtung auf ein ökologisches Recht, S. 421; Albert v. Mutius / Simone Lünenberger; Verfassungsrechtliche Aspekte einer umfassenden ökologischen Ressourcenwirtschaft, S. 1061 ff.; Rudolf Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 115, sowie im folgenden Kap. H.lV. IO Michael Kloepfer; Zur Rechtsumbildung durch Umweltschutz, S. 31, und Fritz Ossenbühl, Umweltschutz und Gemeinwohl in der Rechtsordnung, S. 306. 11 So die Definition des Brockhaus, 22. Auflage, Mannheim 1993, Stichwort ,Umweltgüter'. 8

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Einleitung

Die Untersuchung wird zeigen, daß dieser Begriff der Umweltgüter zu eng gefaßt ist und daß auch der juristische Umgang mit ökologischen Problemen einer breiteren Fundierung bedarf, als sie in der Auseinandersetzung mit umweltökonomischen Ansätzen gewonnen werden kann. Umwe1tgüter müssen aus einer rechtstheoretischen Perspektive als Ergebnis komplexer, kollektiver Definitionsprozesse erschlossen werden, wobei der geschichtliche Charakter dieser Definitionsprozesse zu beriicksichtigen ist und - angesichts der Zielsetzung der Zukunftsverantwortung - auch aus normativen Griinden der Aufklärung bedarf. In dieser Absicht werden in den nachfolgenden Kapiteln zunächst außerrechtliche Versuche, ökologische Verhältnisse als Umweltgüter zu kategorisieren, rekonstruiert. Im ersten Teil der Untersuchung werden Ausschnitte der Entwicklung des Umweltschutzes als Grundlagen der hier interessierenden Verrechtlichung präsentiert. Zentrale ökologische Fragen und ihre Einordnungen als Ressourcenprobleme spielen dabei ebenso ein Rolle wie die verschiedenen umweltpolitischen Konzeptionen der nachhaltigen Entwicklung, aber auch die in diesem Zusammenhang entstandenen Ansätze einer sich entwickelnden Umweltökonomie und Umweltsoziologie. In einer rechts- und argumentationstheoretischen Perspektive werden im zweiten Teil verschiedene Bereiche des Umweltrechts untersucht. Anhand einer Betrachtung völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Positionen soll geklärt werden, welche Bedeutung der Begriff der Umweltgüter in der Dogmatik des Umweltrechts bis heute erlangt hat. Die Dogmatik als systemimmanente Argumentation erfährt im Rahmen eines Querschnitt durch das öffentliche Umweltrecht 12 Beriicksichtigung. Ein erstes Kapitel ist der deutschen Rezeption der umweltvölkerrechtlichen Debatte um Umweltgüter und nachhaltige Entwicklung gewidmet. Auf der Ebene des Verfassungsrechts werden sodann Art. 15, 74 und 75 GG, Aspekte der Debatte um die Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes, die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG und das Verhältnis von Grundrechten und Umweltgütern thematisiert. Im Mittelpunkt des dritten Kapitels stehen ressourcenökonomische Ansätze des Wasser- und Immissionsschutzrechts als umweltverwaltungsrechtliche Beispiele. Dariiber hinaus werden der naturschutzrechtliche Begriff der Naturgüter sowie verschiedene Versuche, Legaldefinitionen für Umweltgüter und Naturgüter zu erarbeiten, untersucht. Im dritten Teil werden die Prozesse der Definition von Umwe1tgütem und entsprechende Veränderungen des Umweltrechts einer abschließenden rechtstheoretischen Analyse unterzogen. Hier wird die Beziehung des Umweltrechts zur Umweltökonomie kritisch diskutiert. Auch der Beitrag der ökologischen Ethik zu der Entwicklung eines an Umweltgütern orientierten Rechts wird untersucht. Den Abschluß dieser Analyse bildet die Auseinandersetzung mit dem notwendigerweise 12 Vgl. zu dessen Grenzen Bemd BenderlReinhard SparwasserlRüdiger Engel, Umweltrecht, 1/11 RN 26 und Wilfried Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen des Umweltrechts, S. 62 ff.

Einleitung

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provisorischen Charakter der Verrechtlichung nachhaltiger Entwicklung. Die Identifizierung der Umweltgüter als Objekte gesellschaftlicher Konstruktion führt hier im interdisziplinären Zusammenhang von Umweltökonomie, Umweltwissenschaften und ökologischer Ethik zu einer veränderten Bestimmung der Position des Umweltrechts. Indem das Umweltrecht die verschiedenen Begriindungszusammenhänge reflektiert, weist es den Umweltgütern als seinen ,Quasi-Objekten' eine Funktion für die nachhaltige Entwicklung zu.

Erster Teil

Vorstudien: Über die ökologische Krise, die Konzeptionen nachhaltiger Entwicklung und den Begriff der Umweltgüter in Umweltpolitik Sozialwissenschaften A. Ökologische Perspektiven Wo immer in den vergangenen Jahren in den Sozialwissenschaften und in der Umweltpolitik Strategien für den Umgang mit der ökologischen Krise! diskutiert werden, taucht der Begriff der Umweltgüter auf. Als Leitwissenschaft für Versuche, anhand dieses Begriffs die Gegenstände menschlicher Wirtschaftstätigkeit zu beschreiben, dient die Umweltökonomie: Es sind hier Unterscheidungen zwischen freien und knappen, wirtschaftlich relevanten Gütern, die Orientierungspunkte für den Umgang mit der Umwelt bieten sollen. Im Mittelpunkt der umweltökonomischen Betrachtungen stehen dabei Modelle, in denen das Verhalten von Individuen und Nutzungskonflikte hinsichtlich der einzelnen Umweltgüter erklärt werden. Für andere wissenschaftliche Kontexte und in umweltpolitischen Zusammenhängen stellt sich damit das Problem, ob in einer der Umweltökonomie vergleichbaren Weise von Umweltgütern modellhaft-abstrahierend oder gar nur im Plural gesprochen werden kann. Dieses Problem betrifft auch das Umweltrecht, sobald in juristischen Argumentationen unter Rückgriff auf ökonomische Vorstellungen einzelne Aspekte der Umwelt zu Umweltgütern deklariert werden. Die Würdigung der im nachfolgenden betrachteten Ansätze des Umweltrechts verlangt daher auch eine Betrachtung der allgemeinen Geschichte des Begriffs der Umweltgüter. Für diese ist die Entwicklung des Umweltschutzes2 seit den siebziger Jahren maßgeblich. Die Wahrnehmung der sich rapide deteriorierenden ökologischen Grundbedingungen der menschlichen Existenz führt seit den siebziger Jahren zu verschiedenen ! Der Begriff der ökologischen Krisis soll hier in einem weiten Sinne verstanden werden: Es geht nicht um eine entscheidende Situation, sondern um die Wahrnehmung ,neuer Aufgaben. Vgl. Jürgen Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, S. 9 ff., und dessen Aussage, Krisenvorgänge verdankten ihre Objektivität dem Umstand, daß sie aus ungelösten Steuerungsproblemen hervorgingen. 2 Dazu Michael Kloepfer, Umweltrecht, § 2 RN 71 ff., und Comelia Ulbert, Die Konstruktion von Umwelt, S. 112 ff.

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Schwerpunktsetzungen und zu Versuchen, einzelne ökologische Fragen zu " Weltproblemen" und zu alles entscheidenden" Überlebensproblemen der Menschheit ,,3 zu stilisieren. Die Gewichtungen einzelner Probleme verschieben sich dabei, und es ist auch zu beobachten, daß zentrale Problembeschreibungen vom wissenschaftlichen und umweltpolitischen Mainstream erheblich modifiziert werden. 4 Die "Monotonie der Teujelskreise,,5 erscheint im Laufe einer recht kurzen Zeit in verschiedenen Facetten und der Begriff der Umweltgüter wird in der allgemeinen Diskussion zum Ausdruck der wachsenden Bedeutung umweltökonomischer Lösungsvorschläge. Er bedeutet dabei zunächst einen bemerkenswerten terminologischen Wandel: Die aus der ökologischen Krise resultierenden existenziellen Bedrohungen, die Überlebensprobleme der siebziger Jahre werden spätestens in den neunziger Jahren positiv reformuliert. Nun gilt es vor allem, die globalen Umweltgüter, die als Lebensgrundlagen der Menschheit angesehen werden, zu bewahren. An die Stelle des abzuwehrenden Verhängnisses tritt so ein zu erhaltendes Gut, und die apokalyptische Drohung weicht vielerorts der Forderung nach einem verbesserten Management der Ressourcen. Es mag übertrieben wirken, die allgemeine Entwicklung anhand des Begriffs der Umweltgüter resümieren zu wollen, aber gleichwohl finden sich hier charakteristische Aspekte der allgemeinen Diskussion um ökologische Fragen.

I. Entwicklungen der Umweltgüter

Die verschiedenen Kennzeichnungen von Umweltgütern griinden auf Verallgemeinerungen ökologischer Verhältnisse, deren Zeitgebundenheit die Diskussion der vergangenen drei Jahrzehnte in verschiedener Hinsicht belegt. Das jeweilige ökologische Problemverständnis bestimmt deutlich die Wertigkeiten des einzelnen Umweltgutes. Dabei werden jedoch im Laufe der Zeit ökologische Bezüge insgesamt differenzierter entwickelt. Im Sinne einer wachsenden Wahrnehmung der Innenumwelt6 werden im Zuge dieser differenzierteren Betrachtungen Konsequenzen der Auflösung der Verhältnisse einer urspriinglichen Natur in einer vom Menschen geformten Umwelt erkennbar - die Umweltgüter der jüngeren ökologischen Debatten sind keine Unberiihrtheiten mehr, sondern Varianten der vom Menschen veränderten Zustände der Umwelt. Die Ubiquität der menschlichen Eingriffe in die Verhältnisse der Umwelt und die Vielfalt der gesellschaftlichen Zusammenhänge, die diese Eingriffe bedingen, bedeuten dabei, daß Umweltpolitik in ihrem Gegenstand nicht mehr eingrenzbar ist, wie die umweltpolitischen Konzeptionen nachHerbert Gruhl, Ein Planet wird geplündert, S. 1. Vgl. das Beispiel der Klimatologie bei Rene von Schomberg, Wertsphären, argumentative Vernunft und die gesellschaftliche Bewältigung von wissenschaftlicher und moralischethischer Unsicherheit, S. 236. 5 Joachim Radkau, Natur und Macht, S. 17. 6 Ulrich Beck, Risikogesellschaft, S. 108; vgl. Einleitung. 3

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1. Teil: Vorstudien

haiti ger Entwicklung betonen. Folgende Aspekte der Entwicklung des Begriffs der Umweltgüter verweisen auf diese Zusammenhänge: 1. Wandlungen des ökologischen Problemverständnisses

Zunächst stehen vier wiederkehrende Elemente im Mittelpunkt der sich wandelnden Betrachtungen ökologischer Verhältnisse: eine abstrakt bestimmte7 Knappheit von Ressourcen, die Problematik der ,Senken', die Darstellungen ökologischer Systeme im Sinne von Funktionszusammenhängen und die Wahrnehmung der Vielfalt ihrer Komponenten, wobei letzteres auch den Versuch einer erweiterten Bestimmung der Wertigkeit ökologischer Systeme beinhaltet. Den historischen Beginn markieren die Ressourcen und es waren die Wahrnehmungen ihrer Knappheiten, die die Diskussionen um den Umweltschutz in ihren Anfängen prägte. a) Knappheit von Ressourcen So war zu Beginn der siebziger Jahre die Endlichkeit verschiedener Substanzen das vorherrschende Thema der Umweltpolitik. Wiewohl die Behandlung dieser Thematik keine spezifisch ökologischen Dimensionen beinhaltete, prägte sie doch die nachfolgenden umweltpolitischen Diskussionen wesentlich. Entscheidend war zunächst der Gedanke der aus der Endlichkeit der verschiedenen Substanzen resultierenden Begrenzungen. Der im Jahre 1971 erschienene Bericht an den Club of Rome von Meadowi verband so die Fragen der Erschöpfung von Rohstoffen mit den Faktoren Bevölkerungszahl, Industrieproduktion, Nahrungsmittel und Umweltverschmutzung, um anhand eines Weltmodells die "Grenzen des Wachstums" aufzuzeigen. 9 Unter Fortschreibung von Verbrauchszahlen und unter Berücksichtigung bekannter Vorkommen wurden von Meadows beispielsweise Zeiträume für die Erschöpfung diverser Rohstoffe bestimmt, um einzelne, konkrete Wachstumsgrenzen zu bestimmen. \0 Diese Perspektive fand großen Nachhall. Nicht zuletzt die Energiekrise im Jahre 1973 machte der Öffentlichkeit die Plausibilität einer Argumentation deutlich, die vor allem auf eine Restriktion des Rohstoffverbrauchs, etwa des Konsums fossiler Brennstoffe zielte. 7 Die Abstraktheit der Bestimmung resultiert daraus, daß nicht auf ökologische Zusammenhänge, sondern auf wirtschaftliche Explorations- und Nutzungsmöglichkeiten abgestellt wird. Es handelt sich hierbei um eine notwendigerweise anthropozentrische Perspektive, vgl. dazu im folgenden Kap. 1.1. 8 Die deutsche Ausgabe folgte ein Jahr später: Dennis Meadows/Donella Meadows/Erich Zahn/ Peter Milling, Die Grenzen des Wachstums, 1972. 9 Vgl. zum "Denken von den Grenzen her" Herbert Gruhl, Ein Planet wird geplündert, S. 225 ff. 10 Dennis Meadows/Donella Meadows/Erich Zahn/Peter Milling, Die Grenzen des Wachstums, S. 45 ff.

A. Ökologische Perspektiven

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Die Vorstellung von starren Wachstumsgrenzen, die der Bericht von Meadows für verschiedene Rohstoffe aufzeigte, sowie deren wissenschaftliche Herleitung erfuhren in der Folge vielfach Anerkennung 11 , aber auch in eben solchem Maße Widerspruch. 12 Die Kritiker sahen sich teilweise durch die eigenen Grundlagen des Berichts bestätigt, denn schon bald ergaben sich erhebliche Veränderungen in den Einschätzungen jener Rohstoffvorräte, deren Erschöpfung der Bericht darstellte. Ein Beispiel bildeten die zur Aluminiumherstellung erforderlichen Bauxitreserven, die wenige Jahre später aufgrund verbesserter Explorationsmethoden deutlich höher eingeschätzt wurden. 13 Die Studie geriet darüber hinaus wegen unberücksichtigt gebliebener politischer und ökonomischer Zusammenhänge in die Kritik. Diese Kritik läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß jede ressourcenbezogene Grenze des Wachstums durch politisch-ökonomisch und technischwissenschaftliche Aktivitäten und durch ökonomische Selbststeuerung verschoben oder ausgedehnt werden kann. 14

Im Hinblick auf die Feststellungen einer Knappheit von Rohstoffen werden bald auch Verteilungsfragen, unter anderem die globale Aufteilung der bekannten Vorräte fossiler Brennstoffe, thematisiert. 15 Solche Verteilungsfragen werden bis heute vor allem unter zwei Gesichtspunkten diskutiert: Einerseits als Verteilung in geographischer Hinsicht, im Sinne eines Ausgleich zwischen rohstoffarrnen und rohstoffreichen Gebieten, zum anderen als Frage des zukünftigen weltweiten Bedarfs an Rohstoffen und der Möglichkeiten künftiger Generationen, noch auf Rohstoffe zurückgreifen zu können. Der Erhalt angemessener Anteile an Rohstoffen für die in Zukunft Lebenden steht etwa im Mittelpunkt des Postulats der intergenerationellen Gerechtigkeit. 16

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Erdpolitik, S. 52. Jürgen Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, S. 62, weist etwa darauf hin, daß die Schätzungen über die Grenzen des exponentiellen Wachstums auf recht schwachen empirischen Grundlagen beruhen. Die Mechanismen des Bevölkerungswachstums seien ebensowenig bekannt wie die Maximalgrenzen der Absorptionsfahigkeit der Erde für die wichtigsten Schadstoffe. Außerdem sei die technologische Entwicklung nicht hinreichend vorhersehbar, um zu wissen, welche Rohstoffe in Zukunft ersetzt oder wieder aufgearbeitet werden könnten. Eine vergleichbare Kritik äußert Gerda Zellentin, Abschied vom Leviathan, S. 48. 13 Lutz Wicke, Umweltökonomie, S. 570f. 14 So Jürgen Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, S. 62, und Lutz Wicke, Umweltökonomie, S. 572. 15 Vgl. dazu Ernst Ulrich von Weizsäcker, Erdpolitik, S. 53 f. 16 Vgl. zur Rezeption dieser Idee in der juristischen Literatur Peter Häberle, Ein Verfassungsrecht für künftige Generationen, S. 217 ff.; Carl Friedrich Gethmannl Michael KloepjerlSigrid Reinert, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat und Peter SaladinlChristoph Andreas Zenger, Rechte künftiger Generationen. 11

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1. Teil: Vorstudien

b) Grenzen der Belastbarkeit Die Wahrnehmung der Wachstums grenzen und der sie begründenden ökologischen Umstände veränderte sich in den achtziger Jahren erheblich. 17 Zu den allgemein verbreiteten Vorstellungen über versiegende Rohstoffquellen kommt eine breite Diskussion über ,Senken' hinzu. 18 Als Senken sieht man dabei Räume an, in die Abfallstoffe (in einem weiten Sinne) eingetragen werden können, wobei die Aufnahme der Abfallstoffe und deren nachfolgende biologische oder chemische Umsetzung in einer Weise erfolgen soll, die den Menschen selbst, seine verschiedenen Wirtschaftsweisen und die Umwelt als ökologisches System nicht schädigt bzw. Umsetzungsprozesse nicht stört oder nachhaltig beeinträchtigt. 19 Als Senke wird häufig die Aufnahmefähigkeit der Erdatmosphäre für bestimmte Gase beschrieben. Aufgrund der in der Mitte der achtziger Jahre erstmals festgestellten Ausdünnung der Ozonschicht über der Antarktis 20 und den von einer breiten Öffentlichkeit diskutierten Erkenntnissen über die globale Erwärmung der Erdatmosphäre infolge des Treibhauseffektes 21 gewinnt die Darstellung der Atmosphäre als Senke schnell eine exemplarische Bedeutung. Bei dieser globalen Senke lassen sich, so meint man, auch globale Begrenzungen - vergleichbar den weltweit versiegenden Rohstoffquellen - einfach darstellen. 22 c) Beschreibungen ökologischer Systeme Stärker noch als Ressourcen und Senken werden ökologische Systeme zunehmend differenzierter dargestellt. In der Umweltpolitik und auch in den umwe1trechtlichen Regelwerken steht zunächst das Bild räumlich abgrenzbarer und als statisch zu beschreibender Systeme im Vordergrund, etwa als Zusammenhang bestimmter Lebensräume und in ihnen vorkommender Arten. Doch die Vorstellung von sich in Gleichgewichtszuständen befindenden 23 und dem Einfluß des 17 Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Konzept Nachhaltigkeit - Vom Leitbild zur Umsetzung, S. 30, mit der Darstellung, daß in den siebziger Jahren entwicklungsbegrenzende Ressourcenengpässe im Vordergrund stehen und in den achtziger und neunziger Jahren die begrenzte Belastungsfahigkeit der Umwelt. 18 Donella MeadowslDennis MeadowslJfjrgen Randers. Die neuen Grenzen des Wachstums stellen sie ausführlich dar. 19 Donella MeadowslDennis MeadowslJfjrgen Randers. Die neuen Grenzen des Wachstums. S. 69. 20 Vgl. Rainer GrießluJmmer I Christian Hey I Peter Hennicke I Fritz Kalberlah. Ozonloch und Treibhauseffekt. S. 12 ff., und Ernst Ulrich von Weizsäcker, Erdpolitik. S. 56 ff. 21 Ernst Ulrich von Weizsäcker, Erdpolitik, S. 58 f. 22 Vgl. Donella Meadows I Dennis Meadows I Jfjrgen Randers. Die neuen Grenzen des Wachstums, S. 122 f. 23 Martin Gorke. Die ethische Dimension des Artensterbens, S. 54, meint, beim ökologischen Gleichgewicht handele es sich um den wohl bekanntesten ökologischen Leitbegriff. In ihm verdichteten sich in besonderem Maße die "Hoffnungen auf Harmonie und Frieden

A. Ökologische Perspektiven

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Menschen nicht unterworfenen natürlichen Ökosystemen24 wird infolge wachsender Kenntnisse über regionale und globale ökologische Zusammenhänge und ubiquitäre Wirkungen industrieller Aktivitäten korrigiert. Aussagen über dynamische Entwicklungen ökologischer Systeme25 , über Vernetzungen und Interdependenzen bestimmen nunmehr das allgemeine Verständnis. Das Bild der sich vorhersehbar verhaltenden und lineare Entwicklungen aufweisenden ökologischen Systeme wird spätestens in den neunziger Jahren breitenwirksam von der Vorstellung abgelöst, daß sich ökologische Zusammenhänge allenfalls als dynamische Systeme deuten lassen. Die dynamischen Systeme sind "auf dem Weg ins Chaos ..26 - wobei Chaos die Eigenart meint, an Verzweigungspunkten unvorhersehbare Bahnen einzuschlagen und Neues hervorzubringen. d) Vielfalt in ökologischen Systemen Mit den Veränderungen des ökologischen Systembegriffs geht eine differenziertere Betrachtung der Komponenten der Ökosysteme einher. Zunächst stellt man die einzelnen Spezien isoliert dar. Aus dieser Perspektive werden auch die frühen rechtlichen Regelungen gestaltet, die im Grunde vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts auf die Erhaltung einzelner Arten ausgerichtet werden. So stehen lange vor der allgemeinen Entwicklung des Umweltrechts im Naturschutzrecht 27 und in völkerrechtlichen Regelwerken Versuche, bestimmte Tierarten vor einer Dezimierung oder Ausrottung zu schützen. 28 Ein klassisches Beispiel für diese Bemühungen um den Schutz einzelner Arten im Völkerrecht bildet das Washingtoner Artenschutzabkommen von 1973 29 mit seinem Instrumentarium zur Regulierung des Handels mit bestimmten Tieren und Pflanzen. Seit den siebziger Jahren dokumentieren die völkerrechtlichen Vereinbarungen jedoch auch Bemühungen, gesamte Lebensräume bedrohter Arten zu schützen. Diese folgen der Erkenntnis, daß viele Arten vor allem durch die Veränderung oder Zerstörung ihrer Lebensräume ausgelöscht werden. 3o Eine neue Qualität erreicht zwischen Mensch und Natur" und er bringe ein populäres, aber gleichwohl illusionäres Ökologieverständnis zum Ausdruck. 24 Von Hermann Remmen, Ökologie, S. 215, als "naiv " verworfen. 25 Hermann Remmert, Ökologie, S. 234 ff. 26 Ulrich K. Preuß, Risikovorsorge als Staatsaufgabe, S. 533, vg!. auch Helga Nowotny, Umwelt, Zeit, Komplexität: Auf dem Weg zur Endosoziologie, S. 149 ff. 27 Vg!. zur Entwicklung des Naturschutzrechts hin zu einem Biotopschutzrecht Michael Kloepfer, Umweltrecht, § 11 RN 2. 28 Albrecht Randelzhofer, Umweltschutz im Volkerrecht, S. 3. 29 Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzabkommen) vom 03.03. 1973, BOB!. 197511, S.777. 30 Annette Schmidt-Räntschl Jürgen Schmidt-Räntsch, Leitfaden zum Artenschutzrecht, S. 19. Beispiele bieten die Berner Konvention von 1979 (Übereinkommen über die Erhaltung

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1. Teil: Vorstudien

die Berücksichtigung der Verhältnisse der Ökosysteme dann in der Folge der umweltpolitischen Diskussionen der achtziger Jahre. ,Biological diversity' oder ,Biodiversity', übersetzt als biologische Vielfalt oder Biodiversität, lautet hier das Schlagwort, das neue Erkenntnisse über ökologische Zusammenhänge zusammenfaßt. 3l Es findet seinen rechtlichen Niederschlag in dem im Jahre 1992 im Rahmen der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 32 unterzeichneten Übereinkommen über die biologische Vielfalt. 33 Biologische Vielfalt bedeutet nach der Begriffsbestimmung dieses Übereinkommens die Variabilität lebender Organismen jeglicher Herkunft, darunter aus Land-, Meeres- und sonstigen aquatischen Ökosystemen und die Variabilität der ökologischen Komplexe, denen sie angehören, womit die Vielfalt innerhalb der Arten und die Vielfalt der Ökosysteme umfaßt wird. 34 Die Tatsache, daß ein völkerrechtliches Übereinkommen bemüht ist, Interdependenzen ökologischer Systeme definitorisch zu erfassen, belegt den Stellenwert, den einschlägige Erkenntnisse über ökologische Zusammenhänge zu diesem Zeitpunkt erlangt haben. Vergleichbare Präzisierungen der Bewertungen ökologischer Verhältnisse lassen sich auch auf der Ebene des nationalen Umweltrechts beobachten. Ein Beispiel bildet hier die "Stabilitäts-Diversitäts-Hypothese ", aus der in der umweltpolitischen Diskussion lange Zeit das Argument abgeleitet wurde, es liege im Interesse des Menschen, möglichst viele Arten zu schützen, da jede Art durch ihre Wechselbeziehungen zu anderen Arten auch die menschliche Umwelt stabilisiere. 35 Die der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume vom 19.09. 1979, BGBL 198411 S. 618), die Mindeststandards für einen Artenschutz im europäischen Rahmen schuf, oder die Bonner Konvention (Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten vom 29. 06.1979, BGBL 198411 S. 571), die ein spezielles Instrumentarium für den Schutz wandernder wildlebender Tierarten entwarf. 3\ Ernst Ulrich von Weizsäcker, Erdpolitik, S. 129, spricht davon, daß die Welt manchmal ein neues Schlagwort braucht "um die Wirklichkeit wahrzunehmen" - und Biodiversity sei ein solches Schlagwort. 32 United Nations Conference on Environment and Development - UNCED, vom 03.14.06. 1992. 33 Convention on Biological Diversity (CBD), dt. Fassung u. a. im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, ABI. Nr. L 309/3 vom 13. 12. 1993 und bei Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Umweltpolitik - Dokumente der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro, S. 27. Vgl. dazu Achim Lerch, Verfügungsrechte und biologische Vielfalt, S. 95 ff., und Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung globale Umweltveränderungen (WBGU), Welt im Wandel, S. 173 ff. 34 Art. 2 CBD; Achim Lerch, Verfügungsrechte und biologische Vielfalt, S. 16, meint, daß sich diese Definition, nach der Biodiversität die Ebenen der genetischen Diversität, der Spezies-Diversität und der Ökosystem-Diversität umfasse, allgemein durchgesetzt habe. 35 Manin Gorke, Die ethische Dimension des Artensterbens, S. 132 f. Er kritisiert unter anderem, daß die Naturschutz- und Ökologiebewegung den gegenwärtigen Stand der ökologischen Theorie nicht hinreichend zur Kenntnis nehme. Hier gelte die Diversitäts-StabilitätsHypothese, die aus den Lehrbüchern der Ökologen praktisch verschwunden sei, noch immer

A. Ökologische Perspektiven

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Hypothese, nach der die Stabilität ökologischer Systeme in Relation zu der Anzahl der in ihnen vorkommenden Arten steht36 , ist bis heute Gegenstand von Erörterungen über die Auslegung naturschutzrechtlicher Normen, die § 1 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG und die von dieser Norm geforderte Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts betreffen, wobei sie allerdings zunehmend hinterfragt wird??

2. Beschreibungen einzelner Nutzungsobjekte

Das sich wandelnde allgemeine Verständnis der ökologischen Verhältnisse erlangt auch Bedeutung für die Darstellungen von Nutzungsobjekten. Veränderte Wahrnehmungen der Voraussetzungen wirtschaftlicher Aktivitäten führen hier im Sinne eines Wechselspiels von Bedürfnissen und Gütern 38 zu immer differenzierteren Bestimmungen des einzelnen Umweltgutes, womit die Veränderungen des ökologischen Problemverständnisses aus der Perspektive der Nutzenden reflektiert werden. Vier immer wiederkehrende Objekte können in diesem Zusammenhang als Prototypen der Umweltgüter angesehen werden:

a) Brennstoffe Fossile Brennstoffe wie Erdöl 39 und Kohle oder seltener auch die Ausgangsstoffe der Nuklearindustrie werden aufgrund ihrer Bedeutung für die Energieumwandlung als Umweltgüter bezeichnet. Bei diesen Stoffen, die auch eine große Bedeutung als Ausgangsstoffe chemischer Produktion haben, sind die Gesamtbestände zwar nicht bekannt, aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte ist eine Begrenzung jedoch sicher. Ihre Nutzung ist seit den siebziger Jahren ein zentrales Thema umweltpolitischer Auseinandersetzungen40 und auch Maedows Bericht über die Grenzen des Wachstums argumentiert mit ihrer Begrenztheit. 41 Regelmäßig wird ihre sparsame Verwendung eingefordert, wobei auf die Notwendigkeit einer Erhaltung zukünftiger Nutzungsmöglichkeiten hingewiesen wird. 42 als geradezu axiomatisch. Man bediene sich ihrer weiterhin als eines "Blanko-Arguments", da ökologische Nutzenargumentationen wesentlich verkompliziert würden, wenn von Fall zu Fall differenzierte Begründungen entwickelt werden müßten. 36 V gl. Edward O. Wilson, Jede Art ein Meisterstück. 37 Erich Gassner in: Gassner / Bendomir-Kahlo / Schmidt-Räntsch / Schmidt -Räntsch, Bundesnaturschutzgesetz Kommentru; § I RN 42, vgl. dazu im folgenden Kap. I.U.I. und F.I1I.2. 38 Vgl. Wilhelm Weber, Stichwort ,Gut' in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, S. 735, und dessen Zitat Hans Mayers, wonach Güter "zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse als tauglich erkannte undfürdiesen Zweck verfügbare Dinge" sind. 39 Vgl. Walter Rühl, Energiefaktor Erdöl. 40 Vgl. nur Herbert Gruhl, Ein Planet wird geplündert, S. SOff. 41 Dennis MeadowslDonelia MeadowslErich ZahnlPeter Milling, Die Grenzen des Wachstums, S. 45 ff.

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1. Teil: Vorstudien

Unter diesem Gesichtspunkt werden die fossilen Brennstoffe auch ein Thema des Umweltrechts. 43 Die Nutzung von Erdöl und Kohle wird beispielsweise in der verfassungsrechtlichen Diskussion um Art. 20 a GG als ein Anwendungsfeld verfassungsrechtlich gebotener Ressourcenschonung gehandelt. 44 b) Wasser Das Wasser repräsentiert ein weiteres klassisches Problemfeld der Umweltpolitik45 und wird von jeher als Gut angesehen. Bei seinen vielfältigen Nutzungen handelt es sich zwar nicht um die Problematik des Verbrauchens im Sinne einer stofflichen Umwandlung und es geht damit nicht um Begrenztheiten, wie sie bei fossilen Brennstoffen zu berücksichtigen sind. Gleichwohl wird auch bei diesem Umweltgut in vielerlei Hinsicht eine Knappheit konstatiert, der in Deutschland etwa die Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes und der Wassergesetze der Länder Rechnung tragen. 46 Knappheit von Wasser kann dabei ganz allgemein unter zwei Gesichtspunkten begründet werden: Zum einen hinsichtlich der Menge, zum anderen in Bezug auf seine Qualität, beispielsweise einer verbleibenden Eignung als Trinkwasser, womit auch auf die Funktion des Wassers als einer Senke (für einen möglichen Eintrag von Schadstoffen) hingewiesen wird. Im globalen Maßstab begründen so die Übernutzung wie die Verschmutzung der Süßwasservorräte eines der größten Umweltprobleme, das vielfältige internationale Konflikte hervorzubringen droht. 47 Die Beeinträchtigungen des Wassers bedrohen hier nach den Worten von Postel drei fundamentale Aspekte menschlicher Sicherheit: die 42 Einen aktuellen Beleg bietet hier der Entwurf des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform (BT-Drs. 14/40, S. 1), der am 03.03. 1999 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Er beginnt mit den Worten: "Energie ist ein knappes und endlichesGut". Diese Aussage liest sich zwar wie ein Widerspruch zum Energieerhaltungssatz der Physik, will aber nur die ,umweltpolitische Selbstverständlichkeit' des sparsamen Umgangs mit fossilen Brennstoffen und umweltökonomisches Vokabular demonstrieren. 43 Michael Kloepfer, Umweltrecht, § 5 RN 243, benennt das Beispiel der Programme zur Förderung energiesparender Investitionen. Auch die Richtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien vom 01. 08. 1995 in der ab 01. 01. 1999 geltenden Fassung (BAnz. 1999 Nr. 55, S. 4521), weisen in ihrer Zweckbestimmung ausdrücklich auf die Begrenztheit fossiler Energieressourcen hin. 44 Dietrich Murswiek in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, Art. 20 a, RN 37 f., mit dem Hinweis, daß mit Bodenschätzen wie Erdöl und Kohle sparsam umzugehen sei, damit künftige Generationen diese Güter noch nutzen können. 45 Vgl. die Darstellungen von Sebastian BüttnerlUdo E. Simonis, Wasser - ein globales Umweltproblem; Hans-Jürgen Bolle, Globaler Wandel und Wasserverfügbarkeit; Wolfgang Haber, Wasser aus ökologischer Sicht und Sandra Postei, Gestaltung einer nachhaltigen und umweltgerechten Wasserpolitik. 46 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WHG. 47 Sebastian BüttnerlUdo E. Simonis, Wasser - ein globales Umweltproblem, S. 9ff., weist u. a. auf Konflikte im Nahen Osten und in Zentralasien hin.

A. Ökologische Perspektiven

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Nahrungsmittelproduktion, den Bestand von Wasserlebensräumen und die soziale wie politische Stabilität gesamter Staaten. 48 c) Die Atmosphäre als COz-Senke Von den verschiedenen ökologischen Funktionen der Atmosphäre wird heute vor allem die einer natürlichen Senke für die Aufnahme verschiedener Gase und fester, staubförmiger Substanzen betont. Dabei steht die Aufnahmekapazität für COz-Emissionen, die mengenmäßig den größten Anteil an der Belastung der Atmosphäre haben und in ihren Wirkungen, was Veränderungen des Klimas betrifft, wohl gleichauf mit anderen Spurengasen stehen49 , im Mittelpunkt der Betrachtungen. Wird heute der grundsätzliche Beitrag der CO 2-Emissionen zu einem Treibhauseffekt der Erdatmosphäre nicht mehr angezweifelt, so sind es nunmehr die Ausmaße der weltweiten Klimaveränderungen, die aufgrund eines antropogenen Eintrags von Kohlendioxid zu erwarten sind, die ebenso kontrovers diskutiert werden 50 wie die Auswirkungen der erwarteten Temperatursteigerungen. 51 Anders als bei der Feststellung einer möglichen Erschöpfung bestimmter Rohstoffe ist es sehr schwierig, eine Obergrenze für COz-Emissionen zu bestimmen, d. h. eine Auslastung der Senke Atmosphäre zu definieren. Angesichts der prognostischen Unsicherheiten der Klimaforschung 52 tragen Grenzsetzungen hier den Charakter eines vorläufigen, von umweltpolitischen Prämissen und manchmal auch regionalen Blickwinkeln abhängigen Ergebnisses der beteiligten Wissenschaften. Dies ist möglicherweise eine Ursache dafür, daß aus den seit den achtziger Jahren sehr intensiven Auseinandersetzungen mit Notwendigkeiten und Möglichkeiten eines Schutzes der Erdatmosphäre53 bisher nur wenige bindende völkerrechtliche Sandra Postel, Gestaltung einer nachhaltigen und umweltgerechten Wasserpolitik, S. 72. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Schutz der Erdatmosphäre, S. 378 ff.; Veerabhadran Ramanathan, Spurengase, Treibhauseffekt und weltweite Erwärmung, S. 69, und Christopher Flavin, Die Gefahren des Klimawandels, S. 42. 50 Christopher Flavin, Die Gefahren des Klimawandels, S. 47, verweist darauf, daß das Klimasystem hochkomplex sei und nicht linear reagiere, weshalb sich Störungen unmöglich genau prognostizieren ließen. Es bestünde eine inhärente Unsicherheit aller diesbezüglich verbreiteten Annahmen, was eine große Herausforderung für die Umweltpolitik bedeute. Vgl. hierzu auch Comelia Vlbert, Die Konstruktion von Umwelt, S. 57. 51 Christopher Flavin, Die Gefahren des Klimawandels, S. 43, und Rainer Grießhammerl Christian HeylPeter HennickelFritz Kalberlah, Ozonloch und Treibhauseffekt, S. 91, meinen auch, daß die Klimaänderungen regional unterschiedlich sein werden. 52 Rene von Schomberg, Wertsphären, argumentative Vernunft und die gesellschaftliche Bewältigung von wissenschaftlicher und moralisch-ethischer Unsicherheit, S. 236, berichtet zur Illustration der prognostischen Schwierigkeiten über den Fall eines Klimatologen, der in den siebziger Jahren, gestützt auf einen Konsens von Teilen der Wissenschaftlergemeinschaft, einen Bestseller über eine drohende neue Eiszeit und in den achtziger Jahren einen zweiten Bestseller über den Treibhauseffekt veröffentlichte. 53 Vgl. nur Deutscher Bundestag (Hrsg.), Schutz der Erdatmosphäre; Lutz Mez, S. 137, und Comelia Vlbert, Die Konstruktion von Umwelt. 48 49

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1. Teil: Vorstudien

Regelungen resultieren. Und auch auf der Ebene des nationalen Umweltrechts ist der Stand des Klimaschutzes noch recht schwach - gemessen an der ihm zu Recht zugeschriebenen existentiellen Bedeutung. 54 d) Biologische Vielfalt Vergleichbar komplex wie die Verhältnisse des Weltklimas stellen sich die Umweltgüter der biologischen Vielfalt dar. Es handelt sich, wie oben bereits dargestellt wurde, bei der Beschäftigung mit der biologischen Vielfalt um sehr vielschichtige Versuche, Qualitäten ökologischer Verhältnisse zu bestimmen. Biologische Vielfalt wird aber auch als eine Ressource bezeichnet. 55 Entsprechende Betrachtungen stützen sich auf das wachsende Wissen über ökologische Zusammenhänge und auf die rasante Entwicklung technologischer Verfahren zur Nutzung von biologischen Substanzen bisher vielleicht nicht einmal bekannter Arten. Vor allem wegen der Fortschritte in der Bio- und Gentechnologie wird dem Erhalt der biologischen Vielfalt so seit den achtziger Jahren eine große wirtschaftliche Bedeutung beigemessen. 56 Zudem werden wachsende Abhängigkeiten von der biologischen Vielfalt aufgezeigt 57 , von denen so unterschiedliche Bereiche wie die Landwirtschaft, die Medizin und die chemische Industrie betroffen sind. Bezüglich der Medizin wird beispielsweise von der Verringerung der biologischen Vielfalt als einem Verlust einzigartiger Genquellen für zukünftige Medikamente gesprochen. 58 Einschlägige Nutzungsmöglichkeiten greift auch die Konvention über biologische Vielfalt auf, indem sie "biologische Ressourcen" umfassend definiert. 59 Ausgehend von einer Nutzungsperspektive betonen die einleitenden Erwägungen der Konvention das "Bewußtsein, daß die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt für die Befriedigung der Nahrungsmittel-, Gesundheits- und sonstigen Bedürfnisse einer wachsenden Weltbevölkerung von ausschlaggebender Bedeutung sind".6o Die Regelungen und Vorschläge der Konvention decken ein 54 Michael Kloepfer, Umweltrecht, § I RN 61, zieht beispielsweise die Schlußfolgerung, es sei unwahrscheinlich, daß sich neben dem Immissionsschutzrecht und dem Naturschutzrecht noch ein "eigenständiges Klimaschutzrecht etablieren werde. Vgl. auch Hans-Joachim Koch/ Roda Verheyen, Klimaschutz im deutschen Anlagengenehmigungsrecht und Hans-Joachim Koch/Claudia Behrend, COz-Minderungspotentiale im Bereich der Industrie(anlagen) und das Instrumentarium des BImSchG. 55 Achim Lerch, Verfügungsrechte und biologische Vielfalt, S. 33 ff. 56 Achim Lerch, Verfügungsrechte und biologische Vielfalt, S. 56 ff. 57 Vgl. die Dokumentation der Tagung des National Forum on BioDiversity vom 21.24.09.1986 in Washington bei Edward O. Wilson (Hrsg.), Ende der biologischen Vielfalt. 58 Norman R. Famsworth, Die Suche nach neuen Arzneistoffen in der Pflanzenwelt, S.118. 59 Art. 2 CBD: "Biologische Ressourcen sind genetische Ressourcen, Organismen oder Teile davon, Populationen oder andere biotische Bestandteile von Ökosystemen, die einen tatsächlichen oder potentiellen Nutzen oder Wert für die Menschheit haben 60 Präambel der CBD, 20. Erwägung H

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A. Ökologische Perspektiven

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entsprechend weites Spektrum umweltpolitischer Maßnahmen ab. Der Schutz bestimmter Naturräume mit einer besonders hohen Artenvielfalt (tropische Regenwälder bilden hier nur das bekannteste Beispiel) wird ebenso eingefordert wie die Erhaltung traditioneller Lebens- und Wirtschaftsformen zum Zwecke eines Schutzes biologischer Vielfalt durch lokale Gemeinschaften und ein Transfer von Finanzmitteln und Technologien zur Konservierung und Nutzung von Arten in Ländern mit einem besonderem Reichtum an biologischer Vielfalt. 3. Die Problematik der Bestimmung von "Ressourcen"

Die dargestellten Beispiele zeigen einen Ausschnitt der vielfältigen Möglichkeiten, Voraussetzungen und Folgen menschlichen Wirtschaftens zu thematisieren. Das zunehmende ökologische Wissen bedingt in diesem Kontext Unklarheiten der Bestimmung von Umweltgütern bzw. Ressourcen. Am deutlichsten läßt sich dies am Beispiel der biologischen Vielfalt aufzeigen, da hier kaum noch quantifizierbare oder auf eine einzelne in der natürlichen Umwelt vorkommende Spezies zurückführbare Nutzungsmöglichkeiten zur Ressource erklärt werden. Die biologische Vielfalt ist sodann nicht mehr nur die materielle Voraussetzung bestimmter Aktivitäten, sondern selbst Produkt bestimmter Wirtschaftsweisen, etwa traditioneller Formen der Land- oder Forstwirtschaft. Damit deutet sich auch die Komplexität der Maßstäbe an, die an ein wirtschaftliches Handeln herangetragen werden müssen, das den Postulaten der Erhaltung biologischer Vielfalt genügen soll. Biologische Vielfalt kann, so scheint es, nur durch vieldimensionale Strategien und diese konkretisierende Regelungen erhalten werden. Im Gegensatz dazu erscheinen die fossilen Brennstoffe als eindeutig identifizierbarer Teil jenes "Bestands an Naturprodukten ", den man traditionell mit der Bezeichnung Ressourcen verbindet. 61 Hier steht einzig die Nutzung als Energiequelle im Vordergrund. Die endlichen Vorräte an fossilen Brennstoffen stehen so stellvertretend für all jene Stoffe, die auch heute noch in den häufigsten Fällen den Ausgangspunkt industrieller Produktion bilden. 62 Betrachtet man die Nutzung der fossilen Brennstoffe allerdings in Zusammenhang mit der Problematik der COzEmrnissionen63 , so steht nicht mehr allein eine Frage von Vorräten zur Diskussion, zumal die Aufnahmef