Privatrecht und Umweltschutz im System des Umweltrechts [1 ed.] 9783428465828, 9783428065820


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Privatrecht und Umweltschutz im System des Umweltrechts [1 ed.]
 9783428465828, 9783428065820

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JOHANN W. GERLACH

Privatrecht und Umweltschutz im System des Umweltrechts

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Mi c h a e I Klo e p fe r. Trier

Band 11

Privatrecht und Umweltschutz im System des Umweltrechts

Von Prof. Dr. Johann W. Gerlach

Duncker & Humblot . Berlin

Untersuchung im Auftrag des Umweltbundesamtes

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Gerlach, Johann W.: Privatrecht und Umweltschutz im System des Umweltrechts: [Untersuchung im Auftrag des Umweltbundesamtes] / von Johann W. Gerlach. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Umweltrecht; Bd. 11) ISBN 3-428-06582-4 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-06582-4

Vorwort Ende 1986 habe ich diese Arbeit übernommen. Das allgemeine "Ziel des Vorhabens" geht dahin, "einen Beitrag zu der Frage zu leisten, wie das Privatrecht in größerem Umfang als bisher zur Lösung von Umweltproblemen herangezogen werden kann". Im einzelnen soll alsdann "der Umfang privater Verantwortlichkeit für Umweltschäden ein Schwerpunkt sein", wobei auch "Möglichkeiten einer Fondslösung zu behandeln" und die Entwicklungen "in vergleichbaren Rechtsordnungen" einzubeziehen sind. Die Aufgabe besteht also darin, die bisher zweifellos nicht erschöpften Entwicklungsmöglichkeiten des privaten Umweltrechts und zugleich dessen Grenzen mit dem Übergang zu einer kollektiven Ersatzregelung ("Fondslösung") zu untersuchen. Das führt zum einen in rechtsgrundsätzliehe Fragen des Zivil- und auch des Zivilprozeßrechts, zum anderen in gesamt systematische Abwägungsprobleme; denn das Privatrecht ist nur ein Teilsystem im größeren Rahmen der Rechtsordnung, die die Kontrolle von Umweltgefahren und die Reaktion bei -beeinträchtigungen auf verschiedene, nicht immer koordinierte Weise regelt. Deshalb kann das Privatrecht mit seiner Entwicklung nicht isoliert betrachtet werden. Dabei geht es vor allem um die Abgrenzung und Abstimmung im Verhältnis zum öffentlichen Recht, aber auch zum Sozial- und Arbeitsrecht, zum Versicherungsrecht, zum Strafrecht und schließlich zu der in letzter Zeit zunehmend befürworteten "zwanglosen" Steuerung durch Markt und Kooperation. Diese gesamtsystematische Ordnungsaufgabe kann einen Einzelnen und sein spezielles Wissen überfordern. Deshalb läßt sich die Gefahr inkompetenter fachlicher Grenzüberschreitungen nicht sicher ausschließen. Das wird aber vielleicht dadurch aufgewogen, daß bei einer distanziert-vergleichenden Sicht die jeweiligen Stärken und Schwächen der verschiedenen Teilsysteme eher deutlich werden. Im übrigen muß man sich damit begnügen, von den Spezialisten der anderen Teilsysteme nötigenfalls etwas Nachsicht zu erwarten. Verschiedentlich habe ich mich auch bei solchen Fachleuten der Theorie und Praxis gesprächsweise um einige Rückversicherung bemüht, was hier zugleich dankbar vermerkt sei. Die rechtsvergleichenden Betrachtungen konzentrieren sich auf neuere Entwicklungstendenzen u. a. zu einer verbesserten Gefährdungshaftung und einem kollektiven Entschädigungssystem, weil unser privates Umweltrecht im übrigen durch eine eigenartig gewachsene Mischung von besonderem Nachbarrecht und allgemeinem Haftungsrecht geprägt ist.

6

Vorwort

Bei der Breite des Themas und der Fülle des Stoffs ist es nicht möglich, alle sachlichen Verästelungen und Meinungseinzelheiten in Rechtsprechung und Literatur so vollständig zu berücksichtigen oder nur zu erwähnen, wie das bei der Behandlung eines begrenzteren Problembereichs vielleicht angebracht wäre. Deshalb beziehe ich mich auch vielfach mehr auf neuere allgemeine Zusammenfassungen und besondere Untersuchungen als auf jede spezielle und frühere Arbeit, soweit diese hier nicht (mehr) grundlegend bedeutend erscheint oder besonders in Erinnerung zu bringen ist. Das kann gelegentlich zu einer ungerechten Vernachlässigung führen, die dann aber nur in der Menge des Materials begründet liegt. Ich habe mich auch darum bemüht, keine Urheberschaft, die anderen gebührt, zu übersehen oder für mich in Anspruch zu nehmen, wenngleich ich die eigene Nachdenklichkeit nicht andauernd unter den Zwang gestellt habe, dazu doch eine Äußerung von anderer Seite zum Nachweis finden zu müssen. Neuere Entscheidungen und Literaturbeiträge konnten noch bis zum Stand von Ende Oktober 1988 berücksichtigt werden. Eine besondere Unterstützung habe ich durch die wissenschaftliche Mitarbeit von Herrn Jungnickel erhalten, der über längere Zeit intensiv - vorbereitend und gesprächsweise - zu dieser Untersuchung beigetragen hat. Für gelegentliche Unterstützung im allgemeinen Rahmen habe ich auch Herrn Helbig und Frau Wieland als Assistenten zu danken. Berlin, im November 1988

Johann W Ger/ach

Inhaltsübersicht A. Einleitung

.........................................................

13

B. Die geschichtliche Entwicklung des Umweltrechts und ihre grundlegende Bedeutung fikden heutigen Rech~tand ........................................

24

I. Vom privaten Störungsschutz zum beschränkten Entschädigungsschutz und zur systematisch gesteigerten Umweltbelastung unter Führung des öffentlichen Rechts ....................................................

24

11. Die Umkehr zu mehr Umweltschutz durch die Zivilrechtsprechung und verstärkt durch den Gesetzgeber mit Hilfe des öffentlichen Rechts ........

32

III. Die rechtspolitischen Bewertungen und Eigenheiten dieser Entwicklung

39

C. Das systematische Verhältnis zum öffentlichen Recht ......................

43

I. Die Entwicklung und der Meinungsstand zum gegenwärtigen Kompetenzkonflikt ........................................................

43

11. Die strukturellen Eigenheiten der umweltrechtlichen Konzeptionen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

I. Die zwei Seiten des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einerseits besserer präventiver Schutz und günstiger individueller Rechtsschutz .............................................. b. Andererseits strukturelle Grenzen dieses Schutzes .............. aa. Im gesetzlichen Normprogramm ......................... bb. In Verwaitungsvollzug und Rechtsprechungskontrolle c. Zusammenfassende Bewertung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . .

2. Die zwei Seiten des Privatrechts ................................ a. Einerseits strukturelle Grenzen des individuellen Rechts- und Umweltschutzes ........................................... b. Andererseits besserer Schutz bei konkreter Betroffenheit ........ c. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die geltende Wirkung des öffentlichen Rechts beim privatrechtlichen Störungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49 49 50 51 61 64 66 66 68 72 74

I. Besonders bestimmter Vorrang des öffentlichen Rechts

............

74

2. Im übrigen bleibende Eigenständigkeit des Privatrechts

... , . . . . . . . .

76

3. Speziell die Wirkung des Bebauungsplans ........................

81

8

Inhaltsübersicht IV. Die geltende Wirkung des öffentlichen Rechts beim privatrechtlichen Haftungs- und Entschädigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

1. Bei der Gefährdungshaftung und dem Entschädigungs- bzw. Aufopferungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

2. Bei der Deliktshaftung 93 a. Rechtswidrigkeit ........................................... 94 b. Verschulden .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 102 V. Das Ergebnis einer "gemischten" systematischen Ordnung von öffentlichem Recht und Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 104

D. Das systematische Verhältnis zum Strafrecht ............................. 109 I. Die "Verwaltungsakzessorietät" des Umweltstrafrechts mit ihrer Problematik ....................................................... 110

II. Die praktischen Wirkungen und Grenzen des Umweltstrafrechts ....... 112 III. Die Folgerungen für das Privatrecht

114

E. Das systematische Verhältnis zum Arbeits- und Sozialversicherungsrecht ...... 116 I. Das System des Gefahrenschutzes ................................. 117

1. Die Zuordnung der Verantwortlichkeit

.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 117

2. Das Ausmaß des Schutzes ..................................... 120 II. Das System des Entschädigungsschutzes

123

1. Die Entschädigung der Betroffenen

123

2. Die Zuordnung und Finanzierung der Entschädigungslast .......... 127 III. Die Folgerungen für das Privatrecht

129

F. Das systematische Verhältnis zur "zwanglosen" Steuerung durch Markt und Kooperation ............................................................. 135 I. Das bestehende "zwingende" Rechtssystem und seine strukturellen Schwächen beim Umweltschutz ................................... 135 II. Die Möglichkeiten einer "zwanglosen" Steuerung beim Umweltschutz .. 142 III. Die für das Privatrecht wie für den Markt systematisch wesentliche Verursacherverantwortung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 149

1. Die grundsätzlich "richtige" zwingende Zuordnung der Verantwortung beim sog. Erstverursacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 149 2. Die Konfliktregelung des nachbarrechtIichen Abwehr- und Entschädigungssystems ................................................ 152 3. Die Konfliktregelung des allgemeinen Haftungssystems ............ 155 IV. Die mögliche Koordinierung von "zwingender" und "zwangloser" Steuerung besonders mit den Folgerungen für das Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160

9

Inhaltsübersicht G. Das systematische Verhältnis zum EG- und Internationalen Recht

168

I. EG-Recht ...................................................... 168 H. Internationales Recht ............................................ 170

H. Das Ergebnis der gesamtsystematischen Einordnung des Privatrechts und die allgemeinen Perspektiven seiner Entwicklung ................................ 173

i.

Das System des Störungsschutzes ...................................... 177

I. Der privatrechtliche Störungsschutz nach § 1004 BGB und der öffentlichrechtliche Nachbarschutz ......................................... 177 H. Der Störungsschutz nach § 1004 BGB und die privatrechtliche Duldungspflicht nach §906 BGB ........................................... 178

1. Die allgemeine nachbarrechtliche Interessenabwägung ............. 178 2. Für Grundstücksrechte ........................................ 181 3. Für andere Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 186 4. Für Personenrechte ........................................... 187 III. Der Störungsschutz nach § 1004 BGB und die öffentlichrechtliche Duldungspflicht .............................. ,' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 191 IV. Der bleibende Störungsschutz im einzelnen

194

1. Der Gestörte und Anspruchsinhaber ............................ 194 2. Der Störer und Anspruchsgegner ............................... 196 3. Die Verantwortung mehrerer Störer ............................. 201 4. Die Tragweite des Beseitigungsanspruchs

........................ 203

V. Der Störungsschutz bei den sog. Altlasten .......................... 208

J. Das System des nachbarrechtlichen Entschädigungsschutzes

222

I. Die Aufopferungsentschädigung als ein besonderer unbedingter Haftungsschutz ......................................................... 222 H. Die Begründung des Entschädigungsanspruchs in einer besonderen Duldungspflicht .................................................... 223

1. Die bisherige Beschränkung auf "rechtlich unabwendbare" Beeinträchtigungen

..................................................... 224

2. Die Ausdehnung auf "tatsächlich unabwendbare" Beeinträchtigungen 225 3. Die Konsequenz einer nachbarrechtlichen Gefährdungshaftung

..... 229

III. Der geschützte Rechtskreis ....................................... 230

1. Die gesetzlich ausdrücklich "immobiliarbezogene" Begrenzung ...... 230 2. Die Ausdehnung auf "entsprechend" betroffene Rechte ............ 231 a. Die rechtssystematische Ausgangslage ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 231 b. Die historisch überlieferte und sachlich überholte positive Rechtslage ...... , ........... " ................................. 233

Inhaltsübersicht

10

c. Die entscheidende tatsächliche Dauerbeziehung zur "Nachbarschaft" der Störungsquelle ......................................... 236 d. Bei Personenrechten im besonderen .......................... 240 IV. Der Umfang des Entschädigungsschutzes ........................... 242 V. Der Nachweis des Entschädigungsanspruchs

245

1. Die Beweislage im allgemeinen ................................. 245 2. Der Nachweis der Schadensverursachung im besonderen ........... 246 a. Die Beweislast des Betroffenen und deren "Umkehr" bei Pflichtverletzung auf der Gegenseite .................................... 246 b. Die Entwicklung einer Beweislastumkehr auch beim rechtmäßigen "Regelbetrieb" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 250 VI. Der Entschädigungsanspruch bei mehreren Verursachern

............. 255

1. Die Schadensverursachung und ihr Nachweis ..................... 255 2. Das Ausmaß der Ersatzpflicht mit Teil- oder Gesamtschuld .... . . .. 258 a. Der Übergang vom nachbarrechtlichen Grundsatz der Teilschuld zu mehr Gesamtschuld ........................................ 258 b. Die weitere Entwicklung einer gesamtschuldnerischen Umwelthaftung und deren Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 262 K. Das System des detiktischen Haftungsschutzes

268 268

I. Die allgemeine Bedeutung und Einordnung

11. Die Haftungserweiterung durch Schutzgesetze und Verkehrspflichten ... 271 1. Die pflichtwidrige Gefährdung als materieller Haftungsgrund 2. Die darin begründeten Beweiserleichterungen für die Betroffenen

272 ... 273

III. Speziell die Haftung für Produktgefahren ........................... 276 1. Die allgemeine Haftung für in Verkehr gebrachte fehlerhafte Produkte 276 2. Die besondere Haftung für Arzneimittel ......................... 279 a. Nach §§84ff. AMG ........................................ 279 b. Nach §823 BGB ........................................... 280 IV. Speziell die Haftung für gefährliche Einwirkungen in und über die Umweltmedien ............................... ; ........................ 281 1. Im allgemeinen

... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 281

2. Im besonderen bei den Abfallgefahren

.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 283

V. Der Kreis der geschützten Rechtsgüter ............................. 285 1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und "sonstige" individuelle Umweltgüter ....................................................... 285 2. Die sog. ökologischen Güter ................................... 287 a. Ausmaß und Grenzen des geltenden individuellen Haftungsschutzes 287

Inhaltsübersicht

11

b. Weitergehende Ersatzmöglichkeit ............................ aa. Besondere staatliche Anspruchszuständigkeit ............... bb. Öffentlich- oder privatrechtliche Einordnunng .............. cc. Qualifizierung als Aufwendungsersatzanspruch und Verhältnis zu anderen Ansprüchen .................................

291 291 293 295

VI. Die Sicherung der Naturalrestitution bei einem besonderen öffentlichen Interesse ....................................................... 298

L. Das System der prozeß- und materiellrechtlichen Endastungen für die Betroffenen bei der Ursachenaufklärung ........................................... 300 I. Der sachliche Zusammenhang von Prozeßrecht und materiellem Recht " 301

303

11. Die prozeßrechtlichen Entlastungen

1. Mit einer angemessenen Verteilung der "Last" des Beweises ........ 303 306

2. Mit einer "Last" der Aufklärung für die Gegenseite

310

IlI. Die materiellrechtlichen Entlastungen

1. Allgemeiner Informationsanspruch .............................. 310 2. Besonderes Besichtigungsrecht nach § 809 Alt. 2 BGB

. . . . . . . . . . . .. 311

3. Weitergehender Einsichts-, Auskunfts- und Aufklärungsanspruch .... 316

4. Prozessual-beweisrechtliche Auswirkungen ....................... 320 IV. Die öffentlichrechtlichen Aufklärungsmöglichkeiten und -rechte

324

V. Die Aufgabe einer Zusammenwirkung von öffentlichem Recht und Privatrecht zugunsten der Betroffenen ................................ " 327

M. Das System der Gefährdungshaftung

329

I. Die allgemeine Rechtsentwicklung zu einer objektiven Verantwortung für die technisch-industriellen Schadensgefahren ........................ 329 11. Das bestehende System der Geflihrdungshaftung

333

III. Die Strukturen einer verbesserten umweltrechtlichen Geflihrdungshaftung 334

1. Generelle oder spezielle Regelung

.............................. 334

2. Die Haftungsursachen von Unfall bzw. Störfall und Regelbetrieb .... 335

3. Das erhöhte Gefahrenpotential ................................. 337 4. Der Ersatzpflichtige ........................................... 340 5. Der Haftungsumfang im einzelnen .............................. 340 a. Geschützter Rechtsgüterkreis ................................. 340 b. Geschützter Personenkreis .................................. 342 c. Schadensersatz, Entschädigung und Duldungspflicht ............ 344 d. Schmerzensgeld 345 346 e. Höchstsumme f. Mindestschaden 347

12

Inhaltsübersicht g. Mitverantwortung der Betroffenen

........................... 348

h. Höhere Gewalt .......................... . ................. 348 6. Der Nachweis der Schadensverursachung

........................ 349

7. Gesamt- und Teilschuld ....................................... 351 IV. Eine ergänzende staatliche Haftungsübernahme

352

N. Die weiteren systematischen Regelungsfragen für eine möglichst effektive Gewährleistung des individuellen Rechts- und Haftungsschutzes ................... 354 I. Verpflichtung der Behörden zur besseren Erfassung der Umweltbelastungen und zur gutachtlichen Beratung der Betroffenen ..................... 355

1. Verpflichtungen der Behörden zur besseren Erfassung der Umweltbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 355 2. Verpflichtung der Behörden zur Aufklärung und Beratung der Betroffenen mit Hilfe von unabhängigen Sachverständigenausschüssen ...... 355 11. Eröffnung einer "kollektiven" Rechtsverfolgung

1. Im Privatrecht

357

............................................... 357

2. Im öffentlichen Recht ......................................... 359 III. Sicherung der Haftungsleistung durch die Bestimmung eines obligatorischen Deckungsschutzes ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 360 O. Die Einrichtung eines kollektiven "Entschädigungsfonds"

364

I. Rechtfertigung, Funktion und gesamtsystematische Einordnung 11. Organisatorische Grundstrukturen

364

................................. 368

III. Bestimmung des Entschädigungsanspruchs im einzelnen .............. 369

1. Grundsätzliche Anlehnung an eine umfassende Gefährdungshaftung mit einigen Modifizierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 369 2. Einbeziehung der bereits entstandenen Schäden

.................. 371

3. Nachweis und Aufklärung der Schadensverursachung .............. 372 4. Verhältnis zur normalen Rechtsverfolgung gegen einzelne Schadensverursacher ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 374 5. Ausgleichsanspruch eines gesamtschuldnerisch in Anspruch genomme- . nen Schadensverursachers ... '.................................. 375 6. Entschädigungsanspruch des Staates

375

IV. Finanzierung

376

P. Zusammenfassung

378

Literaturveneichnis ..................................................... 385 Gesetzesregister ........................................................ 411 Sachregister ...................................................... ;.... 415

A. Einleitung Es ist evident, daß die Beeinträchtigungen der Umwelt infolge der andauernden und massenhaften Eingriffe und Einwirkungen, die mit den technischindustriellen Produktions- und Lebensverhältnissen verbunden sind, längst zu erheblichen individuellen und allgemeinen Schäden geführt haben und verstärkt noch durch Weiterungen im Naturkreislauf - bereits die elementaren Lebensgrundlagen ernsthaft bedrohen 1. Das liegt nur zu einem Teil an offen illegalen Verhaltensweisen und besonders schlimmen Unfallereignissen, auch wenn die öffentliche Aufmerksamkeit vorwiegend damit beschäftigt ist. Im übrigen beruhen die Umweltbeeinträchtigungen nämlich auf der öffentlichrechtlich erlaubten Gefahrenproduktion mit ihrem sog. Restrisiko, das sich letztlich auch in unvermeidbaren wie vermeidbaren Unfällen verwirklicht. Zwar werden seit einiger Zeit und laufend mit Hilfe des öffentlichen Rechts bessere Schutz- und Vorsorgemaßnahmen durchgesetzt, durch die inzwischen vor allem bestimmte Luft- und Wasserbelastungen deutlich reduziert worden sind. Aber das Gefahrenpotential wird dadurch nur partiell verringert und nicht etwa insgesamt sicher kontrolliert, zumal die Langzeitwirkungen aus früheren Umwelteinwirkungen praktisch unaufhaltsam hinzukommen. Das öffentliche Recht mit seinem gesamten verbesserten Instrumentarium zum Umweltschutz wirkt im wesentlichen auch nur für die Zukunft, so daß die gesamten entstandenen und trotzdem weiter entstehenden Schadensfolgen dadurch unbewältigt bleiben, sofern nicht ausnahmsweise eine öffentlichrechtliche Entschädigungsregelung in Betracht kommt.

1 Eine genaue Erfassung und Aufteilung der gesamten Umweltschäden, die auf jährlich 3 - 5 % des Bruttosozialprodukts geschätzt werden, gibt es nicht und kann es nicht geben. Zu den teils gesicherten, teils wahrscheinlichen, teils möglichen Ursachen und Folgenmit unterschiedlichen Übersichten für Gesundheits- und Sachschäden - näher Spiller, Umweltproblem und Versicherung, 1981 (mit Material aus den 70er Jahren). Zu einem Beispiel der besonders schwer zu ermittelnden Kombinationswirkungen Greim/ Dessau, Kombinationswirkungen organischer Lösungsmittel. Toxische Wirkungen auf Leber und Nervensystem, in Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz, 1986. Zum Versuch einer makroökonomischen Analyse (und eines optimistischen Lösungsvorschlags) Wicke, Die ökologischen Milliarden, 1986. Zu den Bewertungsproblemen mit einer Schätzung des Nutzens umweltpolitischer Maßnahmen im Vergleich zu verhinderbaren Schäden Schulz / Wicke ZfU 1987, 109ff. sowie näher Ewers u. a., Zur monetären Bewertung von Umweltschäden. Methodische Untersuchung am Beispiel der Waldschäden, Berichte 4/86 des Umweltbundesamtes und Leipert/Simonis, Umwelt und volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, lIUG rep 87 -6 Wissenschaftszentrum Berlin. Speziell noch der "Zweite Bericht über Schäden an Gebäuden" des zuständigen Bundesministeriums von 1988.

A. Einleitung

14

Unter diesen Umständen liegt es nur nahe, daß endlich und nachhaltiger als früher auch eine Stärkung des Privatrechts zum Umweltschutz erwogen wird. Zwar ist das Privatrecht mit seinem individuellen Rechtsschutz dabei von vorneherein weniger präventiv und breit wirksam als das öffentliche Recht zu verwenden. Aber bei konkreten Gefahren und Beeinträchtigungen kann es mit seinem Abwehrschutz nach § 1004 BGB durchaus auch unmittelbar präventiv wirken, wenngleich es dabei durch die eigenen Grenzen des § 906 BGB und dazu durch besondere privatrechtsgestaltende Bestimmungen zugunsten eines Vorrangs des öffentlichen Rechts erheblich eingeschränkt ist. Daß der bleibende und teils gegen öffentlichrechtliche Planung und Genehmigung zuerkannte private Abwehrschutz jetzt noch zunehmend gesamtsystematisch infrage gestellt wird, ist hier nur als weiteres Problem zu vermerken und später zu behandeln 2 • Die hauptsächliche Aufgabe des Privatrechts liegt allerdings beim Entschädigungsschutz, indem es praktisch allein den gerechten Schadensausgleich für die Betroffenen im Einzelfall zu besorgen hat. Daß diese Schutzfunktion nicht in erster Linie präventiv wirkt und am besten überflüssig wäre, muß man einem Privatrechtler nicht sagen. Aber die augenscheinlich unzureichende präventive Gefahrenkontrolle des öffentlichen Rechts erzwingt geradezu mehr privatrechtlichen Entschädigungsschutz. Für diese Aufgabe ist das Privatrecht gegenwärtig mit wenig GeHihrdungshaftung, einem begrenzten nachbarrechtlichen Entschädigungsschutz und im übrigen bloßer deliktischer Verschuldenshaftung eindeutig unzulänglich gerüstet. Der herrschende Rechtszustand ist im Prinzip weniger durch eine Verursacherhaftung als durch eine Verantwortungslosigkeit für Umweltschäden geprägt, die dadurch zweifellos auch befördert werden. Bei dieser Realität kann die Ungewißheit über das genaue Ausmaß der präventiven Wirkung von mehr Haftungsschutz nicht ernsthaft zum Argument gegen dessen Verbesserung verwendet werden. Inzwischen ist es allerdings vielfach gleichgültig, ob man überhaupt einen Haftungsanspruch hat oder nicht, weil jedenfalls der nötige Nachweis der konkreten Ursachen und Verursacher der Schäden zunehmend schwierig, wenn nicht unmöglich zu führen ist. Das bringt für das Privatrecht zwar zusätzliche und diesmal faktische Wirkungsgrenzen. Aber das ist kein Grund, nur eine zunehmende Belanglosigkeit des Privatrechts zu konstatieren, sondern belegt umgekehrt die dringende Aufgabe, im Rahmen der Zumutbarkeit für die möglichen Verursacher auch Erleichterungen beim Kausalitätsnachweis für die Betroffenen zu erwägen und im übrigen eine kollektive Ersatzlösung einzuführen, die vorwiegend durch Beiträge der Gefahrenproduzenten zu finanzieren ist. Eine Stärkung des Privatrechts zum Umweltschutz ist - wenngleich noch wenig bestimmt - auch schon erklärtes Anliegen der offiziellen Politik. So enthält das Programm der Bundesregierung vom 17.3.1987 die allgemeine Ankündigung, daß man "die verschuldensunabhängige Gefahrdl.mgshaftung 2

Dazu unten C 1.

A. Einleitung

15

ergänzen wird", allerdings unter besonderer Betonung einer einzuführenden "obligatorischen Haftpflichtversicherung"3. Entsprechende Gesetzesentwürfe und -anträge einzelner Bundesländer liegen auch schon vor4 . Dazu ist bereits im Dezember 1986 - in Reaktion auf erhebliche Vergiftungen des Rheins durch Schadstoffe der chemischen Industrie (u.a. infolge des Brandvorfalls im Werk der Firma Sandoz, Basel) - eine "Interministerielle Arbeitsgruppe Umwelthaftungs- und Umweltstrafrecht" gebildet worden 5 , deren Vorschläge abzuwarten bleiben und dann in die politische Diskussion gehen werden. Auch das breitere juristische Fachinteresse hat sich dem Thema mehr zugewendet. Dafür steht vor allem die Beschäftigung des 56. Deutschen Juristentages (DJT) 1986 in der Abteilung Umweltrecht mit dem "Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts"6, ergänzt durch verschiedene Literaturbeiträge vor und besonders im zeitlichen Zusammenhang mit dieser Veranstaltung 7 • Aber bereits J BT-Prot. 11/4 S. 63. Dazu mit inzwischen näheren Umrissen der zuständige Minister Töpfer Vw 1988, 466ff. Grundsätze zur Reform des Umwelthaftungsrechts enthält auch ein Entschließungsantrag von SPD-Abgeordneten des Bundestags, BT-Drucks. 11/2035. 4 BRat-Drucks. 622/3/86,100/87,105/87,217/87 mit Vorlagen der Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen, dessen Entwurf aber nach der letzten Landtagswahl durch die neue Regierung zurückgezogen worden ist. Zu den bisherigen Gesetzesinitiativen und einer allgemeinen Würdigung Salje ZRP 1988, 143 ff. und knapp auch Diederichsen, Stand und Entwicklungstendenzen des Umwelthaftungsrechts - Gefahrdungshaftung und Umweltschutz, in Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1988, S. 189ff., 199ff. 5 Dazu Umwelt 1987, 63. 6 Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, 1986, Bd. I mit dem Gutachten von Marburger C 1 ff., Bd. II mit den Referaten von Sellner zum öffentlichen Recht L 8 ff. und von Diederichsen zum Privatrecht L 48 ff. sowie der Diskussion L 107ff. und den Beschlüssen L 279 ff. 7 Etwa Köndgen UPR 1983, 345ff.; J. Hofmann ZRP 1985, 164ff.; G. v. Hippel ZRP 1986, 233ff.; G. Hager NJW 1986, 1961 ff.; Medicus JZ 1986, 778ff.; auch Hagen UPR 1985, 192ff. (speziell zur Rechtfertigung der sog. Tennisplatz-Entscheidung des BGH UPR 1983, 124ff.=WM 1983, 176ff.). Allgemein zur Funktion des Privatrechts beim Umweltschutz Th. Pfeiffer, Die Bedeutung des privatrechtlichen Immissionsschutzes, 1987. Zu einer rechtsvergleichenden Übersicht schon Lummert / Thiem, Rechte des Bürgers zur Verhütung und zum Ersatz von Umweltschäden, Berichte 3/80 des Umweltbundesamtes, S. 119 ff., 139 ff. Inzwischen beschäftigt man sich vor allem mit den rechtspolitischen Fragen der künftigen Gesetzesregelung einer Gefahrdungshaftung; vgl. etwa Diederichsen (Fn. 4) S. 197 ff.; Henseler, Grundfragen einer Umweltgefährdungshaftung, in Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1988, S. 205ff.; Knebel, Überlegungen zur Fortentwicklung des Umwelthaftungsrechts, in Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1988, S. 261 ff.; Salje (Fn.4); mehr allgemein zu den Haftungsproblemen der technischen Kontrolle Hübner NJW 1988, 441 ff.; zum Beispiel der atomrechtlichen Haftung Däubler, Haftung für gefahrliehe Technologien, 1988; mehr zum versicherungsrechtlichen Zusammenhang Schmidt-Salzer VersR 1988,424 ff. und auch Rohde-Liebenau ZfV 1988, 348ff. und Geisendörfer VersR 1988, 421 ff. Weitere Untersuchungen zu Einzelfragen bleiben später im jeweiligen Sachzusammenhang zu vermerken, so zum Ersatz von sog. ökologischen Schäden unten K V 2 und zu einem kollektiven Entschädigungssystem unten O. Zum geltenden Recht und seinen Entwicklungsmöglichkei-

16

A. Einleitung

das vorbereitende Gutachten (von Marburger) hat zuerst das öffentliche Recht breit dargestellt und dann das Privatrecht auch inhaltlich eher als Nebensache behandelt 8 • Die Tendenz des zivilrechtlichen Referats (von Diederichsen) liegt gleichfalls auf dieser Linie 9 . Das ist durchaus bezeichnend für den verhältnismäßig geringen Stellenwert, den man dem Privatrecht auch in den eigenen Reihen bei der theoretischen Diskussion um mehr Umweltschutz überwiegend beimißt. Demgemäß sind die dazu gefaßten Beschlüsse des DJT recht zurückhaltend ausgefallen und dazu noch im Verhältnis zum öffentlichen Recht "gebrochen"lo, dem man auch von privatrechtlicher Seite gern die umweltpolitische Hauptverantwortung gibt bzw. überläßt. Gleichwohl spricht alles dafür, daß es diesmal auch im Privatrecht zu Taten kommt und nicht nur bei Worten bleibt, wie das in früheren Zeiten bei ähnlichen Diskussionen, vor allem Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre, der Fall war, als sogar eine ausgesprochene Reformeuphorie in Teilen der Theorie praktisch zu nichts führte und deshalb alsbald verging l l . Heute stehen vielmehr wirkliche Rechtsfortschritte an, über deren Ausmaß lediglich zu entscheiden bleibt. Das liegt zum einen an der erklärten Aufnahme dieses Anliegens durch die ten, die offenbar weniger interessieren, Zinke NuR 1988, 1 ff. mit einem jedoch sehr allgemeinen Vertrauen in die Lösungskapazität der Rechtsprechung. 8 Marburger (Fn. 6) C 1-92 zum öffentlichen Recht und 93-125 zum Privatrecht. 9 Diederiehsen (Fn. 6) L 48ff., 70ff., nach dessen Ansicht das Privatrecht "bereits das Äußerste geleistet" hat und keine weitergehende "Sprengung" geschehen darf; wiederholt ders. (Fn.4) S. 194ff. Auch rechtsgrundsätzlich gegen eine stärkere Verwendung des individualrechtlichen Privatrechts für das mehr allgemeine Umweltinteresse Jauernig, Zum zivilrechtlichen Schutz des Grundeigentums in der neueren Rechtsentwicklung, in Richterliche Rechtsfortbildung, 1986, S.87, 94ff. (und weniger prononciert in der gekürzten Wiedergabe JZ 1986, 605ff.). Mehr praktisch skeptisch im Hinblick auf die begrenzten Wirkungsmöglichkeiten des Privatrechts Medieus (Fn. 7) S. 780ff.; 785. 10 Dazu Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages (Fn. 6) L 283 ff.; wonach etwa "an der Immobiliarbezogenheit des privatrechtlichen Immissionsschutzes grundsätzlich festzuhalten ist" (Nr. 35), "eine Gesetzesänderung mit dem Ziel eines weiteren Ausbaus des deliktsrechtlichen Individualschutzes gegen UmweItbelastungen" einschließlich einer weitergehenden "Gewährung von Beweiserleichterungen für den Geschädigten" nicht zu empfehlen ist (Nr. 36ff.), "die Gefährdungshaftung" nur "auf die Folgen von Umweltunfällen ausgedehnt werden" soll (Nr. 43ff.), "die Konkurrenz zwischen zivilrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Rechtsschutz" zwar "bestehenbleiben" soll, das Zivilrecht aber "weder zum Ersatz noch Korrektiv des öffentlichen Rechts werden darr' (Nr.48ff.), schließlich der Gesetzgeber im Hinblick auf die staatliche Haftungsverantwortung lediglich "aufgefordert wird, für die neuartigen Waldschäden ... binnen angemessener Frist eine Entschädigungsregelung zu verabschieden" (Nr. 59ff.). 11 Vgl. Forkel, Immissionsschutz und Persönlichkeitsrecht, 1968; Roth NJW 1972, 921 ff.; Bullinger VersR 1972, 599ff.; S. Similis VersR 1972, 1087ff.; Lang AcP 174 (1974), 381 ff. Schon Ende der 50er Jahre hatte es einen ersten, allerdings schwächeren und eher konventionellen Diskussionsschwung zugunsten von mehr Umweltschutz im Zusammenhang mit den gesetzlichen Verbesserungen der GewO und des § 906 BGB (n. F.) gegeben; dazu vor allem H. Westermann, WeIche gesetzlichen Maßnahmen zur Luftreinhaltung und zur Verbesserung des Nachbarrechts sind erforderlich?, 1958 und schon ZLR 1957, 259ff. sowie (mit mehr kritischem Ansatz) Hersehel JZ 1959, 76ff.

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herrschende Politik und zum anderen und vor allem an der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung. Deren rechtspolitisches Verdienst um die Verbesserung des privatrechtlichen Umweltschutzes ist - ungeachtet auch "schwächerer" Entscheidungsteile - gar nicht hoch genug anzusetzen. Das gilt um so mehr, als sie diesen Weg ohne nennenswerte konstruktive Vorarbeit und teils sogar gegen die herrschende Meinung in der Rechtswissenschaft eingeschlagen hat, die dazu nur im nachhinein Kommentare leistete. Die wichtigsten Marksteine dieser Rechtsprechung sind - neben der fortwährenden grundsätzlichen Selbstbehauptung des Privatrechts gegenüber dem öffentlichen Recht - die Entwicklung von Beweiserleichterungen bei den nachbarrechtlichen Ansprüchen und bei den Ersatzansprüchen aus Delikts- und Gefährdungshaftung, der Ausbau des nachbarrechtlichen Entschädigungssystems zu einer nunmehr uneingeschränkten Gefährdungshaftung sowie die kürzlichen Entscheidungen zu Ersatzansprüchen gegen den Staat wegen der unaufklärbaren Schadensverursachung beim sog. Waldsterben, selbst wenn die Klagen (erwartungsgemäß) abgewiesen wurden l2 . Die außerordentliche umweltrechtliche Bedeutung gerade dieser jüngsten Urteile liegt darin, daß sie die betreffenden Schäden ausdrücklich "dem Grunde nach für entschädigungswürdig und entschädigungsbedürftig" erklärt und damit von Rechts wegen die politische Aufgabe einer angemessenen Entschädigungslösung gestellt haben. Das bereitet der immer noch vorherrschenden Gleichgültigkeit gegenüber der ersatzlosen Zumutung solcher Umweltschäden ein Ende und trägt dazu bei, daß normale Gerechtigkeitsmaßstäbe endlich auch im Umweltrecht mehr zur Geltung kommen. Hier neigt man nämlich bisher im Zweifel eher zu einer Belastung der Betroffenenmit einer Inanspruchnahme der eigenen Schadensvorsorge des sozialen und privaten Versicherungssystems als zu einer angemessenen Ersatzverantwortung der Verursacher. Das liegt noch nahe bei der Haltung, die R. Leonhard vor uber hundert Jahren für die staatliche Politik seiner Zeit "grundsätzlich" erklärt hat, nämlich "daß jeder den Schaden, der aus dem Betriebe eines erlaubten Gewerbes seitens eines anderen erwächst, eben so trägt, wie dasjenige, was Wind und Wetter ihm zufügen", und daß es "der Versicherungsthätigkeit" überlassen bleibe, "ergänzend einzutreten"l3. 12 BGH III ZR 191/86 und 220/86 v. 10.12. 1987 mit Veröffentlichung der zweiten Entscheidung NJW 1988, 478ff. = JZ 1988, 453ff. m. Anm. Medicus S. 458 ff., nach dessen Ansicht "die Entscheidung auch anders hätte ausfallen können" - was aber aus rechtspolitischen Gründen unwahrscheinlich war; richtig ist allerdings, daß mit Hilfe des enteignungsgleichen bzw. enteignenden Eingriffs durchaus "normal" ein Klageerfolg zu rechtfertigen gewesen wäre, vgl. auch Krusche, Umweltrecht, 1988, S. 30ff. 13 Verhandlungen des 17. deutschen Juristentages, 1. Bd., 1884, S.337ff., 389 (im Zusammenhang mit einer Rechtfertigung der weiterhin auf das Verschulden des Geschäftsherrn bezogenen deliktischen Gehilfenhaftung "auch bei den gefährlichen Unternehmungen der Industrie"); im Hintergrund stand dabei die erklärte Vorstellung, "daß der allgemeine Nutzen, der aus der Existenz einer blühenden Industrie erwächst, die Nachtheile, welche sie für die Sicherheit von Gut und Leben nun einmal mit sich bringt, erheblich überwiegt."

2 Gerl.eh

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Damit werden auch die technisch-industriell produzierten Gefahren und Schäden als gleichsam "natürlich unabwendbares" und deshalb ersatzloses "soziales Schicksal" deklariert. Im Hintergrund stand und steht die bei uns besonders hochgehaltene Haftungsvoraussetzung der persönlichen Schuld, die in diesem Zusammenhang allein auf den praktischen Zweck gerichtet ist, die Wirtschaft und ihre Entwicklung von den Kosten einer mehr unbedingten Ersatzverantwortung zu entlasten l4 . Das ist auch noch spürbar, wenn bei der gegenwärtigen rechtspolitischen Diskussion um einen besseren Haftungsschutz mehr die Zumutbarkeit und Kalkulierbarkeit bzw. Versicherbarkeit der Haftung für die Wirtschaft als die Unzumutbarkeit ersatzloser Schadenshinnahme für die Betroffenen zum besonderen Problem gemacht wird. Immerhin zeichnet sich dabei jetzt ein gewisser Wandel der politischen Wertvorstellungen ab. Diese veränderte Anspruchshaltung für mehr Haftungsschutz bei Umweltschäden ist nicht mit der bekannten Parömie von F. Werner angemessen zu beschreiben, daß heute "Schicksal als einklagbarer Rechtsverlust" gelte 15 , und läßt sich auch nicht als Ausdruck einer "allgemeinen Versorgungsmanie" diskreditieren 16; denn hier ist erst als "Schicksal" politisch definiert und dann auch sozial empfunden worden, was sich in Wahrheit als gesellschaftlich zugelassene Verantwortungslosigkeit gegenüber den Opfern der technisch-industriellen Entwicklung darstellt. Insofern ist mehr der gegenwärtige Rechtszustand abnorm und ungerecht, während seine Korrektur mehr normal und im Interesse der Haftungsgerechtigkeit überfallig erscheint. Bei diesen Reformfragen geht es allerdings um strukturell wie finanziell bedeutende gesamtgesellschaftliche Abwägungen in der weniger harmonischen als gespannten Beziehung zwischen den Erfordernissen unserer technischindustriellen Verhältnisse und den Bedürfnissen des Umweltschutzes. Deshalb ist es unmöglich, allen Anforderungen zugleich nachzugeben. Gleichwohl bleibt die vorliegende Arbeit trotz des erklärten Anliegens einer Stärkung des bisher unterentwickelten Schutzes der Betroffenen und der Umwelt um einen Interessenkompromiß "im Rahmen unserer Ordnung" bemüht. Insofern steht auch der Begriff "Umweltschutz" sachlich nicht einseitig für alles, sondern immer im Zusammenhang mit der Gesamtheit des "Umweltrechts", das durch die dauernde Ambivalenz und Abwägung zwischen Gefahrenzulassung und -schutz geprägt ist. 14 Zu diesem offenen Geheimnis anschaulich mit Nachweisen Ogorek, Untersuchungen zur Entwicklung der Geflihrdungshaftung in 19. Jahrhundert, 1975, etwa S. 22ff.; 68ff., 87ff., 98ff.; dazu näher anschl. BI. 15 Das Problem des Richterstaates, 1960, S. 22ff. (mit Weiterverweisung). 16 So aber Esser J Z 1953, 129, der allerdings weitergehende differenzierte Geflihrdungshaftungen befürwortet und deshalb wohl die Ausweitung des deliktischen Haftungsschutzes durch die Rechtsprechung übertrieben abwertet, wenn er von der "allgemeinen Versorgungsmanie und der populären Überzeugung" spricht, "daß es keinerlei Unfallrisiko ohne Haftpflichtigen geben dürfte". Mehr und kritisch zu dieser Denkrichtung etwa Kötz AcP 170 (1970),1, 8f.

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Entsprechend bleibt die Arbeit auch rechtssystematisch im wesentlichen "auf dem Boden" unserer bisherigen Entwicklung und läßt völlig umwälzende Strukturveränderungen offen. Deshalb wird etwa der Gedanke einer "Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz" mit einer umfassend garantierten Umweltschaden-Versicherung hier nicht weiter verfolgt, den man immerhin in Anlehnung an die nötige kollektive Ersatzlösung erwägen könnte und der vor allem das Arbeitsunfallrecht schon beherrscht. Das würde zwar den Betroffenen nützen und ebenso die potentiell Verantwortlichen bei gleichzeitiger Beschränkung ihrer Regreßhaftung vor der Gefahr einer unvorhersehbaren und unkalkulierbaren Inanspruchnahme einigermaßen schützen. Aber schon frühere entsprechende Vorschläge für eine solche Regulierung der Schäden des Straßenverkehrs sind ohne größere Resonanz geblieben. Das läßt sich um so mehr für den Fall der Umweltschäden vorhersagen, bei denen die jeweiligen Gefahren und Folgen derart unterschiedlich sind, daß sie gerechterweise nicht einheitlich erfaßt werden können. Die Aufgabe, eine angemessene individuelle Zuordnung von Ansprüchen und Einstandspflichten (mit entsprechend bemessenen Finanzierungsbeiträgen) nach bestimmten Voraussetzungen zu treffen, würde sich dadurch auch keinesfalls erledigen 17. Desgleichen bleibt etwa innerhalb des Haftungsrechts der bisherige Grundsatz immer nur besonderer Gefährdungshaftungen vorausgesetzt, die allerdings bei den technisch-industriellen Umweltgefahren nicht mehr Ausnahmen bleiben dürfen. Dabei ist zugleich der bisher nur zugunsten der Immobiliarberechtigten geltende nachbarrechtliche "Aufopferungsschutz" einzubeziehen und fortzuentwickeln, der immer schon zu einem Teil und jetzt voll entfaltet die Funktion einer besonderen Gefährdungshaftung erfüllt. Gerade im Hinblick auf das geltende Nachbarrecht läßt sich allerdings die offenkundige Antiquiertheit des positiven Rechts wie der dazu immer noch herrschenden Vorstellungen im Privatrecht belegen, die so systematisch ungereimt wie einseitig voreiIlgenommen zugunsten der ersatzlosen Verursachung von Umweltschäden programmiert sind. Der "Immobiliarbezug" des Nachbarrechts, der aus einer Rechtsentwicklung in der Mitte des vorigen Jahrhunderts überliefert ist, wird nämlich ganz zwiespältig gehandhabt. Die dort bestimmte Duldungspflicht läßt man selbstverständlich auch zu Lasten aller anderen Betroffenen entsprechend gelten, denen man aber einen gleichwertigen Entschädigungsschutz im Wege eines Umkehrschlusses vorenthält und dazu noch wegen der rechtfertigenden Bedeutung der Duldungspflicht jeden deliktischen Haftungsschutz nimmt. Das kann heute nicht mehr richtig sein. Deshalb handelt es sich bei den Vorschlägen für ein entsprechendes Umdenken in Wahrheit lediglich um überfällige Berichtigungen im Rahmen des geltenden Rechts, deren 17 Dazu auch etwa v. Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, 1971, S. 5ff., 10. Gegen eine "vereinheitlichte" Betrachtung des Gefährdungsrisikos als "sinnlose Unifizierung" schon Esser (Fn.16) S.129ff. und näher Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1941,2. (unveränderte) Aufl. 1969, S. 69ff., 84ff.

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Annahme keinerlei besondere Reformbereitschaft, sondern nur die Aufgabe einer tradierten Gegenüberzeugung voraussetzt 18. Überwiegend jedoch wird es mehr um die Entfaltung einer veränderten rechtlichen Werthaltung gehen, deren Verwirklichung durch systematischdogmatische Ordnungsarbeit nur vorzubereiten und nicht "zwingend" zu begründen ist. Deshalb muß hier manches offen vorausgesetzt und der Wahrnehmung durch die geltende Autorität des Gesetzgebers und der Rechtsprechung überlassen bleiben. Allerdings läßt sich auch hier zeigen, daß das geltende Recht durchaus im Ansatz Instrumente zur Verfügung stellt, die für die neuen Zwecke des Umweltschutzes noch zu entdecken sind. Das gilt etwa für die zivilprozessual entwickelten Aufklärungslasten bzw. -pflichten der Gegenseite und das bisher praktisch übersehene außerordentliche Besichtigungsrecht nach § 809 Alt. 2 BGB. Daraus läßt sich ein systematisches Konzept zur Entlastung der Betroffenen beim Kausalitätsnachweis entwickeln, ohne daß den möglichen Verursachern das Übermaß einer pauschalen Beweislastumkehr zugemutet wird l9 . In diesem Zusammenhang wird dann auch wieder die andauernde komplexe Beziehung von Übereinstimmungen und Unterschieden im Rechtsschutz zwischen dem Privatrecht und dem öffentlichen Recht deutlich. Das öffentliche Recht kennt ausdrückliche spezielle Rechtsgrundlagen zur Informationsbeschaffung über Umweltbelastungen für die Behörden, die davon aber wenig Gebrauch machen und seitens der Betroffenen noch weniger in Anspruch genommen werden können. Demgegenüber wirkt das Privatrecht ohne diesen Umweg unmittelbar im Verhältnis zwischen den Parteien, wo aber nur unsichere allgemeine Grundlagen dafür zur Verfügung stehen und die Betroffenen mit den erheblichen Lasten und Risiken eines Zivilprozesses konfrontiert sind. Dazu ist das Privatrecht wie das öffentliche Recht bisher weniger um das Informationsinteresse der Betroffenen als um das Gegeninteresse besorgt, eine mögliche Aufklärung u.a. im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen als unzumutbar erscheinen zu lassen. Das ist wieder bezeichnend für die durchgehend schwächere Rechtsposition der Betroffenen, denen sogar bestehende Aufklärungsmöglichkeiten vorenthalten werden und die auch deshalb Haftungsschutz bei Umweltschäden so wenig effektiv wahrnehmen. Diese Realität wird noch dadurch zugleich gefördert und verdeckt, daß der verbreitete und auf Kosten der Betroffenen und teils ihrer Arbeitgeber finanzierte soziale und private Versicherungsschutz vor allem die Folgen von Körper- und Gesundheitsschäden großenteils einfacher ausgleicht und deshalb vorrangig in Anspruch genommen wird. Das führt im Ergebnis zu einer ungeheuren Subventionierung der Schadensverursacher. Deshalb haben Privatrecht und öffentliches Recht gleichermaßen eine Entwicklungsaufgabe zugunsten der Betroffenen zu leisten. 18 19

Dazu im einzelnen unten J III 2. Dazu unten L.

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Dabei geht es auch um grundlegende Strukturrefonnen, die die Entwicklungsmöglichkeiten der Rechtsprechung überfordern und deshalb in der Verantwortung des Gesetzgebers stehen. Hier ist etwa im Hinblick auf den Kausalitätsnachweis an die Einrichtung unabhängiger Sachverständigenausschüsse in Anlehnung an die Verwaltungsbehörden zu denken. Dadurch könnte den Betroffenen die nötige Informationsbeschaffung viel mehr erleichtert werden, als das mit den Mitteln des Zivil- und Zivilprozeßrechts möglich ist, die allerdings daneben ihren eigenen Wert haben und dafür auch verbessert werden müssen. Erst recht ist die Einführung einer kollektiven Ersatzlösung allein gesetzlich zu bewältigen. Nur wenn der Gesetzgeber mit seinen Problemen der politischen Kompromißlösung weiterhin nicht ernsthaft zugunsten der Betroffenen eingreift, mag der Tag kommen, da sich die Rechtsprechung auch bei uns nicht mehr damit begnügt, fehlende gesetzliche Anspruchsgrundlagen zu konstatieren und damit ersatzlose Schadenszumutungen für rechtens zu erklären. In der Sache besteht kein Zweifel, daß eine allgemeine Normierung und angemessene Interessenabwägung durch den Gesetzgeber am ehesten die gleichzeitig nötige Rechtsverbesserung und -sicherheit bewirken kann. Beim Umweltrecht handelt es sich um eine ausgesprochene "Querschnittsmaterie"20, weil praktisch alle Lebensbereiche zugleich von den Umweltbeeinträchtigungen betroffen und dafür verantwortlich sind. Deshalb sind zwangsläufig alle wesentlichen Teilsysteme der Rechtsordnung auf ihre Weise damit befaßt. Das führt zu besonderen Koordinierungsproblemen, die gegenwärtig vor allem das Verhältnis von Privatrecht und öffentlichem Recht belasten. Unser Umweltrecht ist praktisch zu einer Domäne des öffentlichen Rechts geworden, das damit zunehmend auch den Anspruch seines durchgehenden rechtlichen Vorrangs verbindet. Im Verhältnis zum Strafrecht hat der Gesetzgeber das Konkurrenzproblem eindeutig mit einer weitgehenden "Verwaltungsakzessorietät" zugunsten des öffentlichen Rechts entschieden, was allerdings erhebliche strafrechtliche Schutzlücken zur Folge hat 2l . Aus ganz anderen Gründen bestehen auch im Verhältnis des öffentlichen Rechts zum Arbeits- und Sozialversicherungsrecht keine merklichen Spannungen. Der Bereich des innerbetrieblichen Umwelt- und Arbeitsschutzes untersteht im wesentlichen einer Sonderordnung, die durch einige öffentlichrechtliche Vorschriften und im übrigen durch die Unfallverhütungsvorschriften der zuständigen Berufsgenossenschaften geprägt ist, an die sich die allgemeine öffentlichrechtliche Gefahrenkontrolle und -zulassung nur anlehnt (vgl. etwa § 6 Nr. 2 BImSchG). Die Vorschriften des Arbeitsschutzes berücksichtigen zwar die speziellen Gefahren für die Beschäftigten, denen dabei aber vielfach mehr Belastung zugemutet bleibt, als das öffentliche Umweltrecht für die Nachbarschaft und die Allgemeinheit zuläßt. Deshalb sieht sich das öffentliche Umweltrecht mit seinen 20 Vgl. Ossenbühl, Vorsorge als Rechtsprinzip im Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz, in Dokumentation zur 9. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht 1985, 1986, S. 23. 21 Dazu unten D.

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Entscheidungen auch sachlich nicht durch strengere Schutzanforderungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts infrage gestellt. Nur im Verhältnis zum allgemeinen Privatrecht ist das anders, wenn die Zivilrechtsprechung ungeachtet aller öffentlichrechtlichen Planung und Genehmigung allein nach Maßgabe der §§ 1004, 906 BGB Abwehrschutz gibt und die Schadensfolgen der öffentlichrechtlich zugelassenen Gefahrenproduktion als rechtswidrig bewertet. Hier steht das Privatrecht inzwischen unter einem erheblichen rechtspolitischen Druck aus dem öffentlichen Recht, das seine Maßstäbe und Entscheidungen möglichst durchgehend respektiert sehen will. Im Ergebnis wendet sich das zu Lasten der Betroffenen und zugunsten der Gefahrenproduzenten, die mit dem öffentlichrechtlichen Bestands- und Vertrauensschutz zugleich noch vor privatrechtlicher Inanspruchnahme abgesichert werden sollen. Dadurch gewinnt der systematische Konkurrenzkonflikt zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht eine besondere gesellschaftspolitische Bedeutung. Das rechtliche Koordinierungsproblem liegt zwar auf der Hand, aber seine sachgerechte Lösung ist viel schwieriger, als es aus der Sicht des öffentlichen Rechts mit seinem pauschalen Vorranganspruch erscheint. Für das Privatrecht und seine Aufgabe eines gerechten Interessenausgleichs zwischen den Parteien geht es dabei um eine Existenzfrage, die sich beim Umweltschutz entscheidend zuspitzt; denn bei der zwischenzeitlichen Fülle des öffentlichen Umweltrechts gibt es keinen relevanten Störungs tatbestand ohne entsprechende Regelungs- und Genehmigungsvorgaben, die bei einer bindenden Wirkung für das Privatrecht dessen Schutzfunktion praktisch zunichte machen würden. Deshalb handelt es sich bei diesem Konflikt nicht mehr um eine bloße Kontroverse zwischen Juristen verschiedener Teilsysteme, sondern um eine grundlegende gesellschaftspolitische Entscheidung, für die in erster Linie der Gesetzgeber zuständig ist. Dieser hat aber - und das ist eindeutig zu belegen - dem öffentlichen Recht gerade keinen allgemeinen Vorrang gegenüber dem Privatrecht zuerkannt, sondern dessen relative Eigenständigkeit fortwährend gelten gelassen 22 • Das ist bei der notorisch begrenzten Schutzwirkung der öffentlichrechtlichen Gefahrenkontrolle auch nur zu begründet. Sachlich bedeutet das eine ausdrückliche gesetzliche Anerkennung verschiedener Funktionen und Wertmaßstäbe des öffentlichen Rechts und des Privatrechts und damit zugleich eine Absage an eine undifferenzierte "Einheit der Rechtsordnung" zu Lasten der Betroffenen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse und die entsprechenden rechtlichen Regelungsanforderungen sind längst so komplex und unterschiedlich, daß das theoretische Ideal von einheitlichen Maßstäben in allen Bereichen des Rechts den Bedürfnissen der Wirklichkeit nicht gerecht werden kann. Deshalb kann es nur darum gehen, die im geltenden Recht selbst begründete Differenzierung sachlich soweit zu überbrücken, wie das bei angemessener Wahrung der spezifischen Regelungszwecke jedes Teilbereichs sinnvoll möglich erscheint. Gerade eine Verbesserung des Umweltschutzes erfordert den gleichzeitigen Einsatz verschiedener Instru22

Dazu unten C. (III, IV).

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mente, die einander ergänzen müssen, während eine einheitliche Ausrichtung etwa allein nach den Wertentscheidungen des öffentlichen Rechts eher dagegen wirken würde. Insofern geht es bei den anstehenden Reformen des Umwelthaftungsrechts auch um die gesamtsystematische Bewährungsprobe, ob unsere "gemischte" politisch-gesellschaftliche Ordnung auf die besonderen Herausforderungen der Umweltgefahren mehr zugunsten der Gefahrenproduzenten oder mehr zugunsten der Betroffenen "koordiniert" reagiert 23 •

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Dazu unten F IV, H.

B. Die geschichtliche Entwicklung des Umweltrechts und ihre grundlegende Bedeutung für den heutigen Rechtszustand Die gegenwärtige Rechtslage mit ihren strukturellen Schwächen zu Lasten des Umweltschutzes ist eigenartig geschichtlich gewachsen und deshalb nur mit dem Hintergrund ihrer Entwicklung zu verstehen, die dann auch eine Perspektive für die nötigen Reformmaßnahmen eröffnet. Das gilt ebenso für die differenzierte Zuständigkeit der verschiedenen Teilsysteme zur Wahrnehmung des Umweltschutzes, die eine komplexe Gesamtordnung darstellen, in der sich zwar vieles zusammenfügt, aber auch manches auseinandergeht. Dabei stehen - wie auch gegenwärtig - das Privatrecht und das öffentliche Recht in ihrer Entwicklung wie in ihrer Beziehung zueinander im Mittelpunkt. I. Vom privaten Störungsschutz zum beschränkten Entschädigungsschutz und zur systematisch gesteigerten Umweltbelastung unter Führung des öffentlichen Rechts

Historisch ist das Privatrecht in der Neuzeit zuerst und vorübergehend einmal führend beim Umweltschutz - richtig: im Rahmen des Interessenausgleichs zwischen benachbarten Grundeigentümern - in Erscheinung getreten. Das war gegen und um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, als sich auch bei uns die gewerblich-industrielle Entwicklung erheblich auszubreiten begann. Damals hat die Rechtsprechung zum Schutz (ausschließlich) des Grundeigentums gerade gegen diese außergewöhnlichen neuen Störungen und Belästigungen, die sich aus der entsprechend veränderten und nunmehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Nutzung benachbarter Grundstücke ergaben, im gemeinen Recht den Abwehrschutz der actio negatoria systematisch entwickelt und zunächst unbedingt gegeben 24 • Mit dieser Abwehr der ersten konkret greifbaren Umweltbeeinträchtigungen ließ sich das gesamte neue Gefahrenaufkornrnen von vornherein radikal unterbinden. Aber das bedeutete politisch weniger eine Großtat zum Umweltschutz als eine einseitige Reaktion zugunsten der überkommenen Strukturen des Grundeigen24 Dazu näher mit Nachweisen Ogorek, Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, bei Coing / Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. IV 1979, S. 40ff., auch zur damaligen theoretisch-dogmatischen Diskussion, die im Unterschied zur praktischen Aufgeschlossenheit der Rechtsprechung mehr in der Auseinandersetzung mit dem überlieferten System befangen blieb.

I. Vom privaten Störungsschutz zur gesteigerten Umweltbelastung

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tums. Unter dem nachhaltigen Eindruck der neuen dynamischen Entwicklung hat die Rechtsprechung ihre Position auch alsbald zu modifizieren begonnen, indem sie - ohne besondere normative Grundlage - den Abwehranspruch zunehmend durch eine Duldungspflicht mit gleichzeitig garantiertem Entschädigungsausgleich für die Grundeigentümer ersetzt hat 25 • Mit diesem neuen "Interessenausgleich" war das Privatrecht binnen kurzem von einer völligen Ablehnung zu einer grundsätzlichen Akzeptierung der gesellschaftlichen Strukturveränderungen übergegangen und hatte sich damit der politischen Grundhaltung der Zeit angepaßt, die damals eindeutig zugunsten der industriellen Entwicklung entschieden war. Die Geschichte vom großen Umweltschutz durch das Privatrecht, der zudem nur in Form eines immobiliarrechtlichen Nachbarschutzes gegeben war, ist also lediglich eine kurze Episode gewesen, die sich infolge der weiteren Entwicklung auch nicht mehr wiederholen läßt. Anschließend hat der Gesetzgeber mit der GewO von 1869 das öffentliche Recht an die Spitze der neuen Bewegung gesetzt, das zwar auch eine Gefahrenkontrolle, aber in erster Linie die Zulassung und Förderung der gewerblich-industriellen Tätigkeit leisten sollte. Für diese Hauptaufgabe des öffentlichen Rechts und seine besondere Funktion, den privaten Abwehrschutz zurückzudrängen, ist § 26 GewO markant. Dieser schränkte - ähnlich wie heute § 14 BImSchG - bei besonderer behördlicher Genehmigung einer gewerblichen Anlage private Abwehransprüche ein und ließ nur das Recht auf bestimmte Schutzvorkehrungen und sonst auf "Schadloshaltung" (wie heute "Schadensersatz") für die betroffenen Grundeigentümer und -besitzer. Das knüpfte zwar an entsprechende Entwicklungstendenzen im Privatrecht selbst an, dessen verschiedene Rechtsprechungsinstanzen dieses Ergebnis aber nicht (bundes- bzw. reichs-) einheitlich unbedingt gewährleisteten. Deshalb verfolgte diese Normierung erklärtermaßen den Zweck einer allgemeinen "Entfesselung" der gewerblich-industriellen Entwicklung von den hinderlichen Bindungen des Privatrechts 26 • Das öffentliche Recht seinerseits hatte diese politische Aufgabe nach den § 16ff. GewO zu besorgen. Zum Schutz gegen "erhebliche Gefahren, Nachtheile oder Belästigungen für das Publikum" war lediglich allgemein vorgesehen, daß die Genehmigung "unter Festsetzungen der sich als nöthig ergebenden Bedingungen" zu erteilen sei, wobei zuvor nur eine knappe Frist für Einwendungen 2S Auch zu diesem Entwicklungsvorgang näher und mit Nachweisen Ogorek (Fn. 24) S. 53ff., 56ff. 26 Dazu die Begründung für den (erst in den parlamentarischen Beratungen eingebrachten) Gesetzesantrag des § 26 GewO, Verh. des Reichstags des Norddeutschen Bundes, Steno Ber. 1869 Bd. 1, S. 273f.; 280ff. - Der Grundsatz der Duldungspflicht bei gleichzeitigem "Aufopferungsschutz" für die Immobiliarberechtigten hatte sich etwa gleichzeitig auch im Bergrecht mit dem maßgebenden Preußischen Berggesetz von 1885 durchgesetzt; dazu knapp Wolf!/ Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl. 1957, § 97 IV S. 395f. (Die §§ 114 ff. BBergG haben die Entwicklung nunmehr zu einer allgemeinen Gefährdungshaftung abgerundet).

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B. Die geschichtliche Entwicklung des Umweltrechts

und deren Präklusion blieb. Nachträgliche Maßnahmen waren nur bei veränderter "Lage oder Beschaffenheit der Betriebsstätte", nicht aber bei einer veränderten Wahrnehmung ihres Gefahrenaufkommens vorgesehen. Insofern war äußerstenfalls eine Untersagung des Betriebs mit gleichzeitiger Entschädigung möglich, was aber schon wegen der staatlichen Kostenbelastung ohne nennenswerte praktische Bedeutung blieb. Dieses öffentlichrechtliche Programm, das einseitig auf sichere Planungsverwirklichung und Bestands- bzw. Vertrauensschutz für den von der Genehmigung Begünstigten ausgerichtet war und die strukturellen Gefahren für die Betroffenen und die Umwelt vernachlässigte, ist neunzig Jahre ungebrochen maßgebend geblieben. Dabei war es nur konsequent, daß das öffentliche Recht den vornehmlich in seine Zuständigkeit gekommenen Immissionsschutz allgemein und teils gegen das Privatrecht zurückgesetzt hat. Erst durch die Reform der GewO im Jahre 1959 und verstärkt durch das BImSchG von 1974 sowie ergänzt durch den von der Verwaltungsrechtsprechung entwickelten subjektiven Nachbarschutz hat sich auch das öffentliche Recht mehr dem Umweltschutz zugewendet, ohne seine Strukturen aber völlig zu korrigieren 27 • Der damit eröffnete "ungehemmte Fortschritt" von Gewerbe und Industrie, Verkehrswesen und Energieproduktion, führte alsbald zu einer so starken Verbreitung von Umweltbelastungen, daß diese zunehmend gewöhnlich und üblich wurden. Diese tatsächliche Veränderung hatte für das Privatrecht - nach seiner rechtlichen Zurücksetzung durch § 26 GewO - noch mehr Funktionsverlust beim Abwehrschutz zur Folge, so daß ihm im wesentlichen nur die Aufgabe des nachträglichen Schadensausgleichs blieb. Dabei konzentrierte sich die Rechtsprechung aber nur auf eine Verbesserung des Entschädigungsschutzes für die Grundeigentümer und -besitzer, deren besonderes rechtliches Schutzbedürfnis von ihr selbst begründet und inzwischen auch vom Gesetzgeber mit § 26 GewO (wie schon zuvor mit §§ 148ff. des Preußischen Berggesetzes) prinzipiell anerkannt worden war. Hier ging es zunächst darum, den von Rechtswidrigkeit und Verschulden unabhängigen Ersatzanspruch auf alle und auch schon vor Klageerhebung entstandenen Schäden auszudehnen, was aber lange kontrovers blieb und erst erheblich später endgültig so entschieden wurde 28 • Im nachhinein erscheint diese Fragestellung geradezu kurios. Sie ist nur vordergründig damit zu erklären, daß der nachbarliche Entschädigungsschutz allein zum Ausgleich für den genommenen Abwehrschutz gegeben wurde und man deshalb mehr auf die Auswirkungen für die Zukunft ab Klageerhebung als auf die bisher schon angerichteten Dazu unten C II 1 b. Zu diesem Entwicklungsproblem näher Ogorek (Fn. 24) S. 69 ff. Erst die Entscheidung RGZ 139, 29, 34ff. im Jahre 1932, als die Rechtsprechung sich stärker dem Schutz der Betroffenen zuwandte (dazu näher anschl. II), hat das Thema richtig mit der Erkenntnis erledigt, daß die Rechtsprechung "keine Veranlassung" habe, "eine Beschränkung in diese Gesetzesvorschrift (sc. des § 26 GewO) hineinzutragen, die ihr weder der Entstehungsgeschichte noch dem Wortlaut noch ihrem Wesen nach innewohnt". 27

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I. Vom privaten Störungsschutz zur gesteigerten Umweltbelastung

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Schäden sah 29 • In Wahrheit beruhte diese systematisch verengte Blickrichtung auf der damaligen rechtspolitischen Grundhaltung, daß nur die schwache deliktische Verschuldenshaftung grundsätzlich angemessen und deshalb jede Ausnahme möglichst einzuschränken sei. Das erklärt auch die sogleich wie selbstverständlich angenommene Begrenzung dieses Ersatzanspruchs nach unbedingter Maßgabe der rechtlichen Duldungspflicht. Deshalb wurde der Ersatzanspruch verneint, wenn der betroffene Grundeigentümer zumutbar mögliche Schutzmaßnahmen verlangen konnte. Diese mußte er "primär" einklagen, wobei die Vollstreckung häufig noch ineffektiv blieb 30 • Das machte die Betroffenen zwischen dem möglichen "primären" Abwehranspruch und dem unsicheren "subsidiären" Ersatzanspruch häufig bei und vor Schädigungen praktisch schutzlos, was durch die bleibende deliktische Anspruchsgrundlage nur etwas verdeckt wurde 3l . Dieser Zustand ist sogar durchgehend bis in unsere Zeit allgemein als geltendes Recht betrachtet worden, bevor ihn jetzt die Rechtsprechung im Alleingang und in nunmehr ständiger Praxis durch eine "entsprechende" Anwendung der nachbarrechtlichen Ersatzregelungen endlich überwunden hat 32 • Außerdem führte die Rechtsprechung damals den einmal etablierten Entschädigungsgedanken über seine spezielle Ausprägung hinaus zu dem allgemeinen Grundsatz, daß jedem unzumutbar betroffenen Grundeigentümer, der die Beeinträchtigung aus überwiegenden Gründen des allgemeinen Wohls unabwendbar hinzunehmen habe, zum Ausgleich ein Anspruch auf Ersatz des vollen Schadens gegen den Schädiger zustehen müsse 33 • Zur Begründung für den damit schließlich entwickelten "bürgerlichrechtlichen Aufopferungsgedanken" berief sich die Rechtsprechung später noch auf den verfassungsrechtlich garantierten Eigentums- und Enteignungsschutz, wodurch sie sich auch gegenüber dem einfachen Gesetzgeber behauptete 34 • Damit hatte das Privatrecht zwar entsprechend dem Zug der Zeit und ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage weitergehende rechtliche Duldungspflichten anerkannt, dafür aber zugleich 29 Selbst BGHZ 15, 146, 150f. hat das Problem noch einmal kurz aufgeworfen und dann allerdings wie das RG erledigt. Im Zusammenhang mit der Frage nach einer entsprechenden Anwendung des nachbarrechtlichen Entschädigungsschutzes ist jedoch in BGHZ 16, 366, 373 wieder die Differenzierung zwischen dauernden und auch für die Zukunft wirkenden Beeinträchtigungen und einem einmaligen vergangenen Schadensereignis thematisiert worden, um insoweit einen Anspruch zu verneinen. Beim ausdrücklich gesetzlich bestimmten Entschädigungsanspruch für die Immobiliarberechtigten wie später auch bei § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist die abwegige Diskussion der Vergangenheit aber nicht mehr erneuert worden. 30 Dazu nähert mit Nachweisen Ogorek (Fn. 24) S. 61 ff. 31 Die später verstärkte Rechtsprechung zur Deliktshaftung baute aber wie selbstverständlich auf diesem Prinzip auf, etwa RGZ 156, 314, 320 und 162, 349, 360. 32 Dazu unten J 11 2. 33 Zur Entwicklung dieses Grundsatzes näher Ogorek (Fn. 24) S. 56ff., 69ff. 34 Zu diesem auch mit dem BGB nicht zu widerlegenden - Entschädigungsgrund und seiner Ausprägung näher Ogorek (Fn. 24) S. 73 ff.

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B. Die geschichtliche Entwicklung des Umweltrechts

wenigstens einen Entschädigungsausgleich gegeben. Das ist bis heute gültig geblieben und lediglich in der Begründung inzwischen zu einem Teil modifiziert worden 35 • Mit diesem nachbarrechtlichen "Aufopferungsschutz" war und ist für die Immobiliarberechtigten im Grundsatz ein Schadensausgleich unabhängig von Rechtswidrigkeit und Verschulden gewährleistet, der inzwischen die Funktion einer uneingeschränkten Gefährdungshaftung erreicht hat. Im übrigen aber verfügte das Privatrecht über keine allgemeine Rechtsgrundlage, um im Hinblick auf die neuen Gefahren und Beeinträchtigungen einen angemessenen Schadensausgleich für jedermann zu besorgen. Dafür blieb - wie im wesentlichen bis heute - nur die deliktische Haftung, die zu dieser Zeit noch schwächer entwickelt war und auch bewußt so belassen wurde 36 • Vor allem die herrschende Rechtswissenschaft, die schon die nachbarrechtlichen Ausgleichsbemühungen der Rechtsprechung nicht eben gefördert hatte, war hier noch mehr um die liberale Gewährleistung der individuellen Handlungsfreiheit bemüht und vernachlässigte darüber völlig die soziale Verpflichtung wenigstens eines Haftungsausgleichs für die Betroffenen. Gerade in der entscheidenden gesellschaftlichen Umbruchphase während der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts - und in Auswirkung auch in die Kodifizierung des BGB wurde das Erfordernis der persönlichen Schuld als unbedingtes ethisches Prinzip jeder individuellen Verantwortung praktisch absolut gesetzt und alles andere als "Zufall" bewertet 37 • "Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld", lautete die dafür bekannte These von R. v. Jhering 38 • Damit wurde vor allem eine weitergehende Verantwortlichkeit für Gehilfenhandeln als prinzipiell unmöglich "begründet". Das wurde noch durch die sachlich die Rechtswidrigkeit betreffende - Wertung verstärkt, daß die schädlichen Folgen "aus dem Betriebe eines erlaubten Gewerbes" ebenso zu bewerten seien, "wie dasjenige, was Wind und Wetter" mit sich bringen 39 • Das alles hatte nur den wesentlichen praktischen Zweck, Gewerbe und Industrie von den Kosten einer angemessenen Haftungsverantwortung zu entlasten. 35 Dazu BGHZ 90,17, 29ff. und 91, 20, 26ff. mit der Begründung in dem "richterrechtlich ausgeprägten Aufopferungsgedanken". Dazu und zu den Hintergründen näher unten C IV 1. 36 Dazu wie zum folgenden in einer näheren Untersuchung der Entwicklung dieser Zeit und ihrer Vorgeschichte Ogorek (Fn. 14) S. 7ff., 22ff., 48ff. 37 Auch Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefahrdungshaftung (Fn. 17) S. 69ff., hat noch den Unterschied zwischen Verschulden und Zufall überbetont, wie das bis heute mit der Abgrenzung von "Unrecht" und "Unglück" weiter wirkt; dazu näher unten F III 3. 38 Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, 1867, S. 163ff., 199. 39 Repräsentativ dafür das Gutachten von R. Leonhard für die Verhandlungen des 17. Deutschen Juristentages (Fn.13) S. 337ff. Zu weiteren Einzelheiten und Nachweisen für diese herrschende Strömung und die wenigen Gegenstimmen in der rechtswissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen Literatur Ogorek (Fn. 14) S.42ff., 48ff., 61 ff., dort S. 79f., 129ff. auch zu den Gründen und schließlich erfolgreichen Bemühungen für die stärkere vertragliche Gehilfenhaftung nach § 278 BGB.

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Die Rechtsprechung hat damals zwar gelegentlich dadurch mehr Haftungsschutz gegeben, daß sie bereits das Betreiben einer gefährlichen Anlage als "culpos" (und zugleich unausgesprochen als rechtswidrig) bewertet hat 40 • Das wurde aber als systematisch verfehlt abgetan und konnte sich rechtspolitisch nicht durchsetzen 41 , wenngleich das RG erheblich später wieder eine ähnliche Linie eingeschlagen hat 42 . Dazu kam prozessual die Belastung eines Geschädigten rnitdem Nachweis des Verschuldens, was im Zusammenhang mit den damals starren Beweisregeln vielfach den Kläger rechtlos stellte und das materielle Recht zunichte machte 43 . Dieser Zustand ist immerhin mit der gesetzlichen Bestimmung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung in § 259 CPO = § 286 ZPO alsbald zu einem Teil und allerdings erst kürzlich durch die vom BGH entschiedene Beweislastumkehr (für Rechtswidrigkeit und Verschulden) völlig behoben worden 44 , womit die Deliktshaftung aber nicht etwa zu einer sicheren Gefährdungshaftung geworden ist. Lediglich im Zusammenhang mit der damals einzigen gesetzlichen Gefährdungshaftung des Preußischen Eisenbahngesetzes (§ 25) von 1838 hat die Rechtsprechung sogleich einen entschiedeneren Haftungskurs (unter Einschluß der Haftung für alle Gehilfen) eingeschlagen 45 • Die allgemeine Zunahme von Schäden, vor allem von Arbeitsunfällen, setzte den Gesetzgeber verstärkt unter politischen Druck und führte schließlich zu dem vorläufigen Komprorniß des Reichshaftpflichtgesetzes (RHPflG) von 1871, das heute noch - mit wenigen zwischenzeitlichen Ergänzungen - in der Fassung des Haftpflichtgesetzes (HPflG) von 1978 gültig ist 46 • Damit war zwar für bestimmte besondere Gefahrenfälle eine Gefährdungshaftung bestimmt oder die Verschuldenshaftung wenigstens um die Verantwortung für das leitende Personal erweitert. Aber schon diese Differenzierung und ebenso die Ausklammerung anderer vergleichbarer Tatbestände war sachlich wenig begründet, wenn nicht willkürlich. Die 40 Bekannt dafür vor allem OAG München SeuffArch. 14 (1861), 354, 358. Zu einer ähnlichen Rechtsprechung bei Bergschäden in der Zeit vor dem preußischen Berggesetz Ogorek (Fn. 14) S. 57, 60. 41 Dagegen klar RGZ 17, 103 f. 42 RGZ 159, 68, 74ff. und RG DR 1942, 1703f.; dazu noch anseh!. II bei Fn. 65 und näher unten C IV 2a. 43 Dazu mit Wiedergabe der damals zunehmenden Kritik an der praktischen Aussichtslosigkeit eines Haftungsprozesses Ogorek (Fn. 14) S. 87ff. 44 BGHZ 92, 143, 147ff. 45 Dazu mit Nachweisen näher Ogorek (Fn. 14) S. 61 ff., 68ff.; die alsbald verbreitete Praxis vertraglicher Haftungsausschlüsse gegenüber den Reisenden und den Beschäftigten wurde jedoch von der Rechtsprechung hingenommen, so daß sie später eigens gesetzlich für unwirksam erklärt werden mußte, dazu Ogorek aaO S. 62f. Knapp dazu auch Will, Quellen erhöhter Gefahr, 1980, S. 2ff., zugleich zum Wegfall jeder Haftung bei einem eigenen (Mit-)Verschulden. 46 Zur damaligen Entwicklung näher Ogorek (Fn. 14) S. 98ff. und knapp Will (Fn. 45) S. 4ff., auch zur späteren Entwicklung der Gefahrdungshaftung für Sachschäden bis hin zur Neufassung des HPflG.

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anschließende Rechtsprechung ließ sich jedoch voll auf diese Kasuistik ein und schloß als "nothwendige Consequenz des beschränkten Inhalts des vorliegenden Specialgesetzes" jede analoge Anwendung auf noch so ähnliche Sachverhalte aus 47 • Von der Rechtswissenschaft wurde das Gesetz auch sogleich mehr wegen seiner ungleichen Behandlung vergleichbarer Sachverhalte ad absurdum kritisiert als mit seinem neuen Rechtsgrundsatz positiv aufgenommen. Vor allem die gleiche Haftung für betriebsangehörige wie betriebsfremde Personen wurde beanstandet, weil die Beschäftigten in Kenntnis des Risikos und gegen Entgelt die Arbeit übernommen hätten 48 , während für den Gesetzgeber - wie schon beim Preußischen Eisenbahngesetz - gerade der Schutz der Beschäftigten im Vordergrund stand 49 • Dieses Problem ist bis heute und inzwischen nur in einem anderen Gewande aktuell geblieben, wenn es bei Gefahrenabwehr und Entschädigungsschutz für die Arbeitnehmer um das Verhältnis der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Sonderordnung zum allgemeinen Umweltrecht geht. (Dazu unten E.) Die alsbald zunehmenden parlamentarischen Forderungen nach einer grundlegenden Gesetzesreform wurden durch die Vorlage und Verabschiedung des Unfallversicherungsgesetzes (UVG) von 1884 - im Zusammenhang mit dem Programm der neuen Sozialgesetzgebung - politisch überholt, weil damit der Haftungsschwerpunkt des betrieblichen Schadensgeschehens durch eine verschuldensunabhängige Versicherungslösung abgedeckt war 50. Diese sozialrechtliehe Versicherungsordnung vor allem in der Hand der Berufsgenossenschaften ist zunehmend ausgebaut worden und verschafft den Betroffenen bei Schäden an Gesundheit, Körper und Leben einen im wesentlichen effektiveren und sichereren Entschädigungsschutz als das allgemeine private Haftungsrecht. Zugleich sind die Berufsgenossenschaften zusammen mit den allgemeinen Gewerbeaufsichtsbehörden für den betrieblichen Arbeitsschutz zuständig SI. Im übrigen jedoch blieb die Gefährdungshaftung bei dem Stückwerk des RHPflG So ROHGE 21, 281; weitere Nachweise bei Ogorek (Fn. 14) S.113fT. Zu dieser damaligen Diskussion näher Ogorek (Fn. 14) S. 106 ff. und im Hinblick auf die Entwicklung der Sozialversicherung Gitter, Schadensausgleich im ArbeitsunfaIIrecht, 1969, S. 14ff., 21ff. 49 Dazu mit den Einzelheiten der Entstehungsgeschichte und parlamentarischen Debatten Ogorek (Fn. 14) S. 98fT. sowie zum Preußischen Eisenbahngesetz S. 61 fT., bei dem man sich noch mit dem umgekehrten Einwand einer angeblich ungerechtfertigten Haftungsausdehnung auf außenstehende Dritte befassen mußte. so Zu dieser rechtspolitischen Entwicklung im einzelnen Ogorek (Fn. 14) S. 113ff. und Gitter (Fn.48) S. 5fT., 25ff. sowie weiter und mit der nachfolgenden Rechtsprechung Barta, Kausalität im Sozialrecht Tlbd. 1, 1983, S. 64fT., 96fT., 149ff. SI Die gesetzliche Normierung ging vom UVG im wesentlichen über die RVO von 1911 und ihre Erneuerung durch das UVG von 1963 bis zum SGB X von 1981. Die Einzelheiten, besonders die Erweiterung des Versichertenkreises sowie die EigenunfaIIversicherung der öfTentlichen Hand, sind hier ohne besondere Bedeutung. Zum Gesamtsystem im einzelnen näher unten E. 47

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mit seiner Kasuistik spezieller Tatbestände, was dann zu dem allgemeinen Rechtsgrundsatz geworden ist, daß eine Gefährdungshaftung als besondere Ausnahme immer vom Gesetzgeber zu bestimmen und nicht von der Rechtsprechung entsprechend auszudehnen oder fortzubilden ist 52 • Infolge dieser Selbstbindung hat die Rechtsprechung bekanntlich den zunehmenden Haftungsbedarf mit aller Anspannung des deliktischen Haftungsrechts und des Beweisrechts - sowie mit einer systematischen Ausdehnung des vertragsrechtlichen Haftungsschutzes - zu decken versucht, was aber insgesamt nicht ausreichend und effektiv genug werden kann 53. Der Gesetzgeber hat seinen politischen Kurs im BGB fortgeführt und verfestigt. Die deliktische Verschuldenshaftung wurde mit der Entlastungsmöglichkeit für Gehilfenhandeln als allgemeiner Grundsatz in §§ 823, 831 BGB bestimmt 54. Dazu wurden im Nachbarrecht mit § 906 BGB (a.F.) alle ortsüblichen Emissionen uneingeschränkt und auch bei wesentlichen Beeinträchtigungsfolgen entschädigungslos zugelassen. Zwar ging der Gesetzgeber dabei noch von dem bisher "örtlich Hergebrachten" und einer entsprechenden "Ortsübung" aus 55 • Aber im Grundsatz hatte er das Privatrecht damit nur zur systematischen Steigerung der Umweltbelastungen geöffnet, das bei allen "ortsüblichen" Emissionen nichts mehr ausrichten konnte. Die aufgrund besonderer öffentlichrechtlicher Genehmigung unabwendbar hinzunehmenden stärkeren Emissionen wurden alsbald ortsüblich und waren damit auch privatrechtlich und zugleich entschädigungslos zu dulden. Im Schutze dieser Duldungspflicht wurde auch das Wachstum anderer Emissionen gefördert. Diese Entwicklung hat die Rechtsprechung noch durch den bis heute geltenden Grundsatz dynamisiert, daß bereits eine einzelne, die Gegend besonders prägende neue Emissionsanlage umgehend die Ortsüblichkeit entsprechend ändern kann 56 • Dadurch wurde gerade den Großemittenten die in § 26 GewO vorgesehene Schadensersatzpflicht mit ihrem repressiven Kostendruck sogleich wieder abgenommen. Die Steigerung und Ausbreitung der privatrechtlichen Duldungspflicht wirkte sich auch zu Lasten des deliktischen Haftungsschutzes aus. Im PrivatS2 So durchgehend die Rechtsprechung, etwa RGZ 78, 1958 116, 286, 287f.; 147, 353, 355f.; BHG VersR 1958, 194; BGHZ 55, 229, 233f. Zur Analyse mit weiteren Nachweisen näher Will (Fn. 45) S. 70ff. S3 Dazu unten F III 3, K I. 54 Dazu grundlegend mit Kritik v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, in Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, Bd. II 1960, S.49, 115ff., wonach sich die Regelung der Haftung für Verrichtungsgehilfen im deutschen Recht "in der Praxis als mißlungen erwiesen" hat; aber es ist bei uns auch die Rechtsprechung, die im Unterschied zu Gerichten anderer vergleichbarer Länder den Entlastungsbeweis sehr lange großzügig hingenommen hat, bevor sie sich in den letzten Jahrzehnten deutlicher umorientiert hat. ss Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd.III, 1899, S. 147; näher dazu unten. S6 Etwa RG WarnRspr. 1912 Nr. 215 sowie BGHZ 15, 146, 149 und 69,105,111.

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recht geht man - damals wie heute - systematisch davon aus, daß die immobiliarbezogene Duldungspflicht nach § 906 BG B gegenüber jedermann als durchgehender Rechtfertigungsgrund wirkt, so daß alle Schadensfolgen, die in deren Rahmen bleiben, auch keine deliktische Haftungsverantwortung begründen und deshalb ersatzlos hinzunehmen sind 57. Das ist sogar für Körper- und Gesundheitsschäden wie selbstverständlich angenommen worden 58. Mit der zunehmenden Entwicklung des nachbarrechtlichen Entschädigungsschutzes zugunsten der Immobiliarberechtigten ist dieser ungleiche Rechtszustand zu Lasten aller anderen Betroffenen unhaltbar geworden, was später im einzelnen zu belegen bleibt 59. 11. Die Umkehr zu mehr Umweltschutz durch die Zivilrechtsprechung und verstärkt durch den Gesetzgeber mit Hilfe des öffentlichen Rechts Dieses im Zusammenwirken von öffentlichem Recht und Privatrecht abgesicherte Programm einseitiger Industrieförderung mit dauernder kostenloser Emissionssteigerung hatte zur Folge, daß nach wenigen Jahrzehnten unzumutbare Belastungsverhältnisse verbreitet ortsüblich geworden und von den Betroffenen ohne jede Entschädigung hinzunehmen waren. Gegen diese verkehrten Verhältnisse ist schließlich und zuerst die höchstrichterliche Zivilrechtsprechung im Laufe der 30er Jahre eingeschritten. Das geschah besonders auffällig mit zwei rechtsfortbildenden Korrekturen an § 906 BGB (a.F.). Hier hat die Rechtsprechung zum einen mit dem Gebot der Rücksichtnahme "im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis" wenigstens bei existenzgefährdenden Beeinträchtigungen einen finanziellen Ausgleichsanspruch begründet 60 • Dieser kam zwar nur den betroffenen Grundeigentümern und lediglich zum Ausgleich 57 Dazu nur BGHZ 92,143,148 f.; zur weitergehenden öffentlichrechtlichen Duldungspflicht näher anschl. II und unten C IV 2a. 58 So RG JW 1915, 1125f. für den Fall einer möglichen besonderen individuellen Empfindlichkeit, auf die "der normale Verkehr nicht Rücksicht nehmen kann". 59 Dazu eingehend unten J III 2. 60 So erstmals RGZ 154, 161, 165ff. und dann etwa 167, 14, 25ff. Es ist für die heutige Sicht relativ gleichgültig, ob diese ab 1937 ergangenen Entscheidungen auf der nationalsozialistischen Gemeinschaftsideologie beruhen oder nicht (dazu und verneinend Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S.358ff.); denn nicht alles, was damals dadurch befördert worden sein kann, ist deshalb im nachhinein sachlich abzuwerten. Auffällig ist allerdings, daß dieser Schutz nur landwirtschaftlichen Grundeigentümern zugute kam, während in einem anderen Fall die Beeinträchtigung eines privaten Hauseigentümers durch eine wenige Meter entfernte Reichsautobahn im Namen der Verbesserung des Verkehrswesens und zur Vermeidung von Entschädigungskosten des Staates ausgleichslos zugemutet blieb, so RGZ 159, 129, 137ff. (Dagegen haUe 1931 RGZ 133, 152, 154ff. beim Betrieb einer Omnibuslinie durch eine Villengegend mehr Rücksicht auf die Straßenanwohner genommen.) Immerhin spielte sich diese Entwicklung in einer Zeit der politischen Industriebegünstigung zur Kriegsvorbereitung ab.

11. Die Umkehr zu mehr Umweltschutz

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der Nutzungsbeeinträchtigung zugute, hatte aber mit seiner Kostenwirkung zugleich die allgemein nützliche Funktion, die Emittenten zu mehr Vorsicht bei ihren Umweltbelastungen zu veranlassen. Zum anderen hat sie auch bei ortsüblichen Emissionen zumutbar mögliche Schutzvorkehrungen verlangt und die Duldungspflicht entsprechend eingeschränkt 61 . Der BGB-Gesetzgeber hatte von dieser Vorschrift noch bewußt abgesehen und ganz dem öffentlichen Recht "vertrauen" wollen 62 , was die Rechtsprechung angesichts der anderen Realität ohne ein Wort überging. Die Geschichte hat diese Rechtsprechung voll legitimiert, indem der Gesetzgeber - allerdings erst erheblich später (1959)beide Fortschritte in einer Erneuerung des § 906 BGB übernommen hat. Mit der eigenständigen Forderung nach zumutbaren Schutzvorkehrungen auch im Rahmen des § 906 BGB ma