Die Komposition des Psalters: Ein formgeschichtlicher Ansatz 3161462149, 9783161462146, 9783161578298


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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Einleitung
Teil I Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt
1. Der Psalm als Parasche des Psalters
2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges von Psalmen
2.1 Zwillingspsalmen
2.2 Reihenbildung von Psalmen an Beispielen aus dem ersten Psalmbuch
2.3 Durch Überschriften gekennzeichnete Psalmengruppen
2.3.1 Übersicht
2.3.2 Das Ägyptische Hallel
Exkurs: Zur Bezeichnung „Großes Hallel“
2.3.3 Das kleine Hallel
2.3.4 Die Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff
2.3.5 Die Korachpsalmen
2.3.6 Die zweite Sammlung von Davidpsalmen (Ps 51 ff.)
2.3.7 Die Asaphpsalmen
2.3.8 Andere Textbereiche
2.3.9 Zwischenergebnis
2.4 Weiterführung
3. Methodische Vorüberlegungen aus der Formgeschichte der Einzelpsalmen
3.1 Beschreibende und normierende Formgeschichte
3.2 Formgeschichtliche Doppelung innerhalb eines Psalms
3.3 Wechsel der Personenstruktur innerhalb eines Psalms
3.4 Der Stimmungswechsel innerhalb von Psalmen
3.4.1 Der Stimmungswechsel von der Klage zum Lob
3.4.2 Der Stimmungswechsel von Lob und Dank zur Klage
3.5 Der Wechsel der vorausgesetzten Not innerhalb eines Klageliedes des Einzelnen
3.6 Zwischenergebnis
Teil II Eine Formgeschichte der Psalmengruppen
1. Wallfahrtspsalmengruppen
1.1 Die beiden Korachpsalmgruppen
1.1.1 Wallfahrtspsalmen als Einleitung (Ps 42/43 und 84)
1.1.2 Eine Volksklage als Themenklage (Ps 44 und 85)
1.1.3 Ein Einschub im Singular (Ps 45 und 86)
1.1.4 Zionspsalmen und Hymnen als Höhepunkt (Ps 46–48 und 87)
1.1.5 Der weisheitlich-klagende Schluß (Ps 49 und 88)
1.1.6 Zusammenfassung: Die Komposition der Korachpsalmgruppen
1.2 Die Sammlung von Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff
1.3 Das Ägyptische Hallel
1.4 Gebet und Lied der Hanna (1Sam 1 f.)
1.5 Zwischenergebnis: Zur Formgeschichte der Wallfahrtspsalmengruppen
2. Eine Klagekomposition im Vergleich
2.1 Die Asaphpsalmsammlung
2.2 Exilische Psalmkompositionen außerhalb des Psalters
2.2.1 Threni
2.2.2 Jesaja 40–55
2.2.3 Historische Einordnung
2.3 Weitere Klagekompositionen über die Zerstörung Jerusalems
2.3.1 Ein scheinbar exilischer Kompositionsbogen im vierten Psalmbuch
2.3.2 Die Psalmen Salomos
2.4 Zwischenergebnis: Zur Formgeschichte der Klagekompositionen
3. Clusteranordnungen von Psalmen
3.1 Die Sammlung von Davidpsalmen im elohistischen Psalter
3.1.1 Der einleitende Klagecluster (Ps 51–64)
3.1.2 Die Hymnus-Danklied-Gruppe Ps 65 ff. im Kontext
3.1.3 Der Schluß der Sammlung (Ps 69–72)
3.2 Das erste Psalmbuch
3.2.1 Zur Abgrenzung der Sammlung
3.2.2 Der erste Kompositionsbogen
3.2.3 Der Kompositionsbogen im Zentrum des ersten Psalmbuches
3.2.4 Der Schluß des ersten Psalmbuches
3.2.5 Das erste Psalmbuch als weisheitliche Komposition
3.2.6 Vergleich der beiden großen Davidpsalmsammlungen
3.3 Die Sammlung von Davidpsalmen Ps 138 ff. und das kleine Hallel
3.3.1 Das kleine Hallel als Kompositionseinheit
3.3.2 Die Davidpsalmsammlung Ps 138 ff. vor dem kleinen Hallel
3.4 Das vierte Psalmbuch
3.5 Zur Verortung von Clustern anhand nachkanonischer Beispiele
3.5.1 Das Achtzehn-Bitten-Gebet
3.5.2 Die Hodajot von Qumran
3.6 Zwischenergebnis: Zur Formgeschichte der Cluster
4. Zusammenfassung
4.1 Eine Formgeschichte der Psalmengruppen
Tabelle 1: Die Psalmgruppen mit Pluralkern
Tabelle 2: Kompositionsbögen mit Dankliedhöhepunkt
Tabelle 3: Kompositionsbögen mit Dankelementen am Anfang
4.2 Editorische Einzelpsalmen
Tabelle 4: Übersicht über den Psalter in Kompositionsbögen
Teil III Die Entstehung des Psalters
1. Der elohistische Psalter als Vorstufe
1.1 Der Ansatzpunkt: Das Problem der Klein- und Teilpsalter
1.2 Textbeschreibung des elohistischen Psalters
1.2.1 Ps 49 und 73: Weisheitspsalmen an den Nahtstellen der umrahmenden Psalmengruppen
1.2.2 Ps 50 f.: Ein einzelner Asaphpsalm und sein Zwilling
1.2.3 Ps 68–72 als Teil der zweiten Nahtstelle
1.3 Themen und historischer Ort der Komposition
1.3.1 Die Orientierung auf Jerusalem im elohistischen Psalter
1.3.2 Trägergruppen des Psalters
1.3.3 Gott als Richter und König
1.4 Ergebnis: Der elohistische Psalter als Klagekomposition
2. Der Ausbau des Psalters in persischer Zeit
2.1 Der Ansatzpunkt: Die Neukonstitution Jerusalems als Zentrum
2.1.1 Historische Einführung
2.1.2 Die Wiedererrichtung des Tempels und das Bleiben in der Diaspora
2.1.3 Die Herausbildung kanonischer Bücher
2.2 Textbeschreibung
2.2.1 Die zweite Sammlung von Korachpsalmen als Übergang
2.2.2 Die Jhwh-König-Psalmen als Zielpunkt
2.2.3 Das Problem des literarischen Abschlusses der Ausbaustufe des Psalters
2.2.4 Der Vorbau von Davidpsalmen
2.3 Themen und historischer Ort der Komposition
2.3.1 Lob als Zielpunkt der Komposition
2.3.2 Der Lobpreis Gottes als König
2.3.3 Der Psalter als Mustergebetsbuch
2.4 Ergebnis: Der Psalter in persischer Zeit
3. Die Stabilisierungsphase des Textes des Psalters
3.1 Der Ansatzpunkt: Verschiedene vorliegende Textgestalten
3.2 Vergleichende Textbeschreibung
3.2.1 Ps 151 als erstes Fallbeispiel
3.2.2 Der Schluß der Sammlung von Wallfahrtspsalmen als zweites Fallbeispiel
3.2.3 Charakterisierung von 11QPs(a)
3.3 Themen und historischer Ort der Komposition
3.3.1 Der masoretische Psalter als nachkultisches Wallfahrtsliederbuch
3.3.2 David als Integrationsfigur
3.3.3 Gott als König
3.3.4 Die Tora als Verbindungsthema
3.4 Ergebnis: Der Psalter in der Zeit von Qumran
Ausblick Der Psalter als Teil des Kanons
1. Die Stellung des Psalters im Kanon
2. Der Psalter als häusliches Gebetsbuch und das entstehende Pflichtgebet
Anhang
1. Übersichtstabellen
Anhang-Tabelle 1: Überschriften im masoretischen Psalter
Anhang-Tabelle 2: Hallelujah in den verschiedenen Versionen
Anhang-Tabelle 3: Übersicht 11QPs(a)
Anhang-Tabelle 4: Das Achtzehn-Bitten-Gebet und verwandte Stücke
2. Literaturverzeichnis
2.1 Quellen und Übersetzungen
2.2 Hilfsmittel
2.3 Psalmenkommentare
2.4 Weitere Sekundärliteratur
3. Register
3.1 Personenregister
3.2 Sachregister
3.3 Stellenregister
3.3.1 Bibel und Septuaginta
3.3.2 Qumran
3.3.3 Frühchristliche Schriften
3.3.4 Rabbinisches Schrifttum
3.3.5 Andere Quellen
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Die Komposition des Psalters: Ein formgeschichtlicher Ansatz
 3161462149, 9783161462146, 9783161578298

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Forschungen zum Alten Testament herausgegeben von Bernd Janowski und Hermann Spieckermann

Die Komposition des Psalters Ein formgeschichtlicher Ansatz von

Matthias Miliard

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Matthias Miliard, geboren 1964; 1983-88 Studium der ev. Theologie in Wuppertal und Heidelberg; 1985—90 Studium der Judaistik an der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg; 1990—92 Vikarsassistent an der Kirchlichen Hochschule Bethel; 1992 Promotion; seit 1992 wiss. Mitarbeiter an der Kirchlichen Hochschule Bethel.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort.

Die Deutsche Bibliothek Miliard,

-

CIP-Einheitsaufnahme

Matthias:

Die Komposition des Psalters: ein formgeschichtlicher Ansatz / von Matthias Miliard. - Tübingen: Mohr, 1994 (Forschungen zum Alten Testament; 9) ISBN 3-16-146214-9 NE: GT 978-3-16-157829-8 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 1994 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen aus der Times Antiqua belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Gebr. Buhl in Ettlingen gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-4155

Vorwort Die Arbeit entstand zu weiten Teilen im Gespräch mit meinem Doktorvater R . RENDTORFF in Heidelberg. Er hat mich kontinuierlich über fast fünf Jahre als Hilfskraft gefördert, auch über Nebenziele wie dem Abschluß meines Judaistikstudiums hinweg. Wichtig für das Wachsen dieser Arbeit waren die Anregungen der Studierenden im Seminar über den Psalter in Heidelberg im WS 1989/90, aber auch in verschiedenen Veranstaltungen in Bethel. Hier erfolgte die Umarbeitung des zunächst synchronen Ansatzes in ein diachrones Modell, wie es dann im dritten Hauptteil der Arbeit entfaltet wird, nicht zuletzt auf Anregungen von F. CRÜSEMANN. Er gewährte mir nach der Emeritierung von R. Rendtorff zwei Jahre als Vikarsassistent in Bethel Unterschlupf. Die Verschriftung dieser Arbeit erfolgte also auf einer Stelle der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Dank gilt auch dem Verständnis in meiner Landeskirche für wissenschaftliche Arbeit und geht an die Person von OKR Dr. M. STIEWE. Der Dank an F. CRÜSEMANN schließt nicht zuletzt sein Verständnis dafür ein, daß die Promotion in Heidelberg erfolgte. H. P. MATHYS sei für die Übernahme des Korreferates gedankt, B. JANOWSKI sowie H. SPIECKERMANN für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Forschungen zum Alten Testament. Zahlreiche Hinweise aller Genannten, aber auch von Freunden und Kollegen, namentlich R. KESSLER, sind in die Arbeit eingeflossen. Gedankt sei auch meinen Eltern und nicht zuletzt meinem Freund und Kollegen A. R U W E sowie G . GEBUREK, die mir bei den Korrekturen und dem Erstellen der Register halfen. Bedauerlicherweise konnte der jüngst fertiggestellte Psalmenkommentar von F.-L. HOSSFELD und E. ZENGER nicht mehr eingearbeitet werden. Der dort vertretene redaktionsgeschichtliche und an Stichworten orientierte Ansatz einer Komposition des Psalters ist jedoch bereits in den vorveröffentlichten Aufsätzen insbesondere von E. Zenger erkennbar. Beide Arbeiten ergänzen sich, da ihr heuristisches Prinzip ein durchaus anderes ist, die ermittelten Strukturen aber ähnlich sind. Die Vielfalt der Modelle kann - bei allen Widersprüchen im Detail - der Texterfassung nur dienen. Die hier vorgelegte Arbeit hat größere Parallelen zum englischsprachigen Forschungsbereich. So verwundert es nicht, daß zeitgleich mit der Abgabe der Dissertation im Frühjahr 1992 das Heft 46/2 der Zeitschrift Interpretation zum Thema erschien, dessen Beiträge in größter Nähe zu dem hier Vertretenen stehen. Da die vorliegende Arbeit den Psalter primär nicht als Dichtung interpretiert, ist die Darbietung des hebräischen Textes nicht an metrische Regeln gehalten. Bielefeld-Bethel, Ostern (und Pessach) 1993

Inhaltsverzeichnis Vorwort

III

Abkürzungen

IX

Einleitung

1 Teil I D e r einzelne Psalm als Ausgangspunkt

1. Der Psalm als Parasche des Psalters 2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges von Psalmen . . 2.1 Zwillingspsalmen 2.2 Reihenbildung von Psalmen an Beispielen aus dem ersten Psalmbuch . . . 2.3 Durch Überschriften gekennzeichnete Psalmengruppen 2.3.1 Übersicht 2.3.2 Das Ägyptische Hallel Exkurs: Zur Bezeichnung „Großes Hallel" 2.3.3 Das kleine Hallel 2.3.4 Die Wallfahrtspsalmen Ps 120ff 2.3.5 Die Korachpsalmen 2.3.6 DiezweiteSammlungvonDavidpsalmen(Ps51ff.) 2.3.7 Die Asaphpsalmen 2.3.8 Andere Textbereiche 2.3.9 Zwischenergebnis 2.4 Weiterführung 3. Methodische Vorüberlegungen aus der Formgeschichte der Einzelpsalmen. . . 3.1 Beschreibende und normierende Formgeschichte 3.2 Formgeschichtliche Doppelung innerhalb eines Psalms 3.3 Wechsel der Personenstruktur innerhalb eines Psalms 3.4 Der Stimmungswechsel innerhalb von Psalmen 3.4.1 Der Stimmungswechsel von der Klage zum Lob 3.4.2 Der Stimmungswechsel von Lob und Dank zur Klage 3.5 Der Wechsel der vorausgesetzten Not innerhalb eines Klageliedes des Einzelnen 3.6 Zwischenergebnis

6 19 19 23 27 27 30 32 34 35 41 42 44 44 45 46 47 47 50 52 53 53 57 60 62

VI

Inhaltsverzeichnis

Teil II

Eine Formgeschichte der Psalmengruppen 1. Wallfahrtspsalmengruppen

63

1.1 Die beiden Korachpsalmgruppen 1.1.1 Wallfahrtspsalmen als Einleitung (Ps 42/43 und 84) 1.1.2 Eine Volksklage als Themenklage (Ps 44 und 85) 1.1.3 Ein Einschub im Singular (Ps 45 und 86) 1.1.4 Zionspsalmen und Hymnen als Höhepunkt (Ps 4 6 - 4 8 und 87) . . . . 1.1.5 Der weisheitlich-klagende Schluß (Ps 49 und 88) 1.1.6 Zusammenfassung: Die Komposition der Korachpsalmgruppen. . .

63 63 66 68 70 72 74

1.2 Die Sammlung von Wallfahrtspsalmen Ps 120ff

76

1.3 Das Ägyptische Hallel

80

1.4 Gebet und Lied der Hanna ( l S a m l f.)

84

1.5 Zwischenergebnis: Zur Formgeschichte der Wallfahrtspsalmengruppen .

87

2. Eine Klagekomposition im Vergleich 2.1 Die Asaphpsalmsammlung

89 89

2.2 Exilische Psalmkompositionen außerhalb des Psalters 2.2.1 Threni 2.2.2 Jesaja40-55 2.2.3 Historische Einordnung

104 104 105 106

2.3 Weitere Klagekompositionen über die Zerstörung Jerusalems 2.3.1 Ein scheinbar exilischer Kompositionsbogen im vierten Psalmbuch . 2.3.2 Die Psalmen Salomos

107 107 109

2.4 Zwischenergebnis: Zur Formgeschichte der Klagekompositionen

113

3. Clusteranordnungen von Psalmen

115

3.1 Die Sammlung von Davidpsalmen im elohistischen Psalter 3.1.1 Der einleitende Klagecluster (Ps 51—64) 3.1.2 Die Hymnus-Danklied-Gruppe Ps 65 ff. im Kontext. 3.1.3 Der Schluß der Sammlung (Ps 69-72)

115 116 121 123

3.2 Das erste Psalmbuch 3.2.1 Zur Abgrenzung der Sammlung 3.2.2 Der erste Kompositionsbogen 3.2.3 Der Kompositionsbogen im Zentrum des ersten Psalmbuches . . . . 3.2.4 Der Schluß des ersten Psalmbuches 3.2.5 Das erste Psalmbuch als weisheitliche Komposition 3.2.6 Vergleich der beiden großen Davidpsalmsammlungen

124 124 127 135 138 140 143

3.3 Die Sammlung von Davidpsalmen Psl38ff. und das kleine Hallel 3.3.1 Das kleine Hallel als Kompositionseinheit 3.3.2 Die Davidpsalmsammlung Psl38ff. vor dem kleinen Hallel

144 144 146

3.4 Das vierte Psalmbuch

147

Inhaltsverzeichnis

VII

3.5 Zur Verortung von Clustern anhand nachkanonischer Beispiele 3.5.1 DasAchtzehn-Bitten-Gebet 3.5.2 DieHodajotvon Qumran 3.6 Zwischenergebnis: Zur Formgeschichte der Cluster

152 152 158 161

4. Zusammenfassung 4.1 Eine Formgeschichte der Psalmengruppen Tabelle 1: Die Psalmgruppen mit Pluralkern Tabelle 2: Kompositionsbögen mit Dankliedhöhepunkt Tabelle 3: Kompositionsbögen mit D ankelementen am Anfang 4.2 Editorische Einzelpsalmen Tabelle 4: Übersicht über den Psalter in Kompositionsbögen

162 162 162 163 163 165 168

Teil III Die Entstehung des Psalters 1. Der elohistische Psalter als Vorstufe 1.1 DerAnsatzpunkt:DasProblemderKlein-undTeilpsalter 1.2 Textbeschreibung des elohistischen Psalters 1.2.1 Ps49 und 73: Weisheitspsalmen an den Nahtstellen der umrahmenden Psalmengruppen 1.2.2 Ps50f.: Ein einzelner Asaphpsalm und sein Zwilling 1.2.3 Ps 68—72 als Teil der zweiten Nahtstelle 1.3 Themen und historischer Ort der Komposition 1.3.1 Die Orientierung auf Jerusalem im elohistischen Psalter 1.3.2 Trägergruppen des Psalters 1.3.3 Gott als Richter und König 1.4 Ergebnis: Der elohistische Psalter als Klagekomposition

169 169 173

2. Der Ausbau des Psalters in persischer Zeit 2.1 Der Ansatzpunkt: Die Neukonstitution Jerusalems als Zentrum 2.1.1 Historische Einführung 2.1.2 Die Wiedererrichtung des Tempels und das Bleiben in der Diaspora. 2.1.3 Die Herausbildung kanonischer Bücher 2.2 Textbeschreibung 2.2.1 Die zweite Sammlung von Korachpsalmen als Übergang 2.2.2 Die Jhwh-König-Psalmen als Zielpunkt 2.2.3 Das Problem des literarischen Abschlusses der Ausbaustufe des Psalters 2.2.4 Der Vorbau von Davidpsalmen 2.3 Themen und historischer Ort der Komposition 2.3.1 Lob als Zielpunkt der Komposition 2.3.2 Der Lobpreis Gottes als König 2.3.3 Der Psalter als Mustergebetsbuch 2.4 Ergebnis: Der Psalter in persischer Zeit

188 188 188 192 196 199 199 200

173 173 177 180 180 184 185 187

203 204 205 205 208 208 212

VIII

Inhaltsverzeichnis

3. Die Stabilisierungsphase desTextes des Psalters 3.1 Der Ansatzpunkt: Verschiedene vorliegende Textgestalten 3.2 Vergleichende Textbeschreibung 3.2.1 Ps 151 als erstes Fallbeispiel 3.2.2 Der Schluß der Sammlung von Wallfahrtspsalmen als zweites Fallbeispiel 3.2.3 Charakterisierung von llQPs(a)

213 213 216 216 219 224

3.3 Themen und historischer Ort der Komposition 3.3.1 Der masoretische Psalter als nachkultisches Wallfahrtsliederbuch . . 3.3.2 David als Integrationsfigur 3.3.3 Gott als König 3.3.4 Die Tora als Verbindungsthema 3.4 Ergebnis: Der Psalter in der Zeit von Qumran

227 227 230 234 237 239

Ausblick D e r Psalter als Teil des K a n o n s 1. Die Stellung des Psalters im Kanon

240

2. Der Psalter als häusliches Gebetsbuch und das entstehende Pflichtgebet

245

Anhang 1. Übersichtstabellen

251

Anhang-Tabelle 1: Überschriften im masoretischen Psalter

251

Anhang-Tabelle 2: Hallelujah in den verschiedenen Versionen

255

Anhang-Tabelle 3: Übersicht 11 QPs(a)

256

Anhang-Tabelle 4: Das Achtzehn-Bitten-Gebet und verwandte Stücke

257

2. Literaturverzeichnis 2.1 2.2 2.3 2.4

Quellen und Übersetzungen Hilfsmittel Psalmenkommentare Weitere Sekundärliteratur

3. Register 3.1 Personenregister 3.2 Sachregister 3.3 Stellenregister 3.3.1 Bibel und Septuaginta 3.3.2 Qumran 3.3.3 Frühchristliche Schriften 3.3.4 Rabbinisches Schrifttum 3.3.5 Andere Quellen

259 259 261 261 262 279 279 281 283 283 296 296 297 298

Abkürzungen Die Abkürzungen richten sich nach dem Verzeichnis von: 2 S . SCHWERTNER, Theologische Realenzyklopädie. AbkürzungsVerzeichnis, Berlin u. a. 1994 Darüber hinaus sind folgende Abkürzungen verwendet: hebr.: insbes.: Ken: Ms: Ros: SBA:

hebräisch insbesondere Kennico tt, Dissertatio Handschrift de Rossi, Variae Lectiones, Vol. 4 Stuttgarter Biblische Aufsatzbände

Einleitung „Nun ist es aber ein unverbrüchlicher Grundsatz der Wissenschaft, daß nichts ohne seinen Zusammenhang verstanden werden kann. Es wird demnach die eigentliche Aufgabe der Psalmenforschung sein, die Verbindungen zwischen den einzelnen Liedern wieder aufzufinden." 1

Mit diesen Worten konnte H. Gunkel, dem die Psalmenforschung ihre wichtigste Methode, die Form- bzw. Gattungsgeschichte, verdankt, die Aufgabe seiner Psalmenerklärung zusammenfassen. Doch meint Gunkel mit dem Zusammenhang zwischen den einzelnen Psalmen keineswegs den literarischen Zusammenhang zweier textlich nebeneinanderstehender Psalmen, sondern die Rekonstruktion des gemeinsamen Hintergrundes der Psalmen derselben Gattung, des Sitzes im Leben. Eine Hypothese zur Bestimmung des historischen Ortes der Gattung von Psalmen ist in diesem Verständnis der Formgeschichte also das primäre Ziel der Auslegung. Im extremen Fall einer formgeschichtlichen Psalmenkommentierung wie der von E. König oder W. Staerk führt dieser Ansatz zu einer völligen Umordnung der zu erklärenden Psalmen gegenüber dem literarischen Kontext des Psalters, damit in der Kommentierung formgeschichtlich gleiche Psalmen zusammenstehen. Dieser konsequent die vorgegebene literarische Form verlassende Kommentargestaltung arbeitet auch J. Begrich zu, indem er in der von Gunkel konzipierten und von ihm vollendeten Einleitung in die Psalmen den literarischen Zusammenhang des Psalters folgendermaßen beurteilt: „Daß die Anordnung der Psalmen nicht aus einem sachlichen Einteilungsgrunde erfolgt ist, ist leicht einzusehen. Nach den einzelnen Gattungen sind sie jedenfalls nicht zusammengestellt worden. So stehen z.B. im ersten Buche die Hymnen (W 8.19.24I_ 2 .29.33) nicht beieinander, die Königspsalmen (W 2.18.20.21) bilden keine zusammengehörige Gruppe, auch die Klagelieder des Einzelnen, um noch diese zu nennen, stehen verstreut (W 3.5.6.7.13.17.22 usw.). Den gleichen Befund zeigen die übrigen Bücher." 2

C. Westermann bemerkt zu dieser Passage in treffender Polemik: „Man spürt an diesem kurzen Absatz, mit dem dann die Frage ein für allemal abgetan ist, daß ein echtes Interesse an der Frage kaum vorhanden war; nur so lassen sich die wenig sorgfältigen und kaum exakten Feststellungen dieses Abschnittes erklären. Es ist Einleitung 4. Einleitung 434.

1

GUNKEL (/BEGRICH),

2

GUNKEL/BEGRICH,

2

Einleitung

übersehen, daß das erste Psalmbuch fast ausschließlich Psalmen des einzelnen enthält, daß auf den ersten Blick die KE (Klage des einzelnen) im ganzen ersten Psalmbuch absolut überwiegt.. ." 3

Der zuerst 1860 erschienene Psalmenkommentar von F. Delitzsch ist so für über 130 Jahre der einzige christliche, deutschsprachige Psalmenkommentar, der Beobachtungen oder Vermutungen hinsichtlich des Zusammenhanges von Psalmen nicht ausschließlich in der Einleitung versteckt, wo sie für die weitere Auslegung folgenlos bleiben, sondern bei der Kommentierung einzelner Psalmen Überlegungen zu ihrem Zusammenhang einfließen läßt. Ähnlich sieht die Lage bei den speziell theologischen Monographien zu den Psalmen aus: So entfalten beispielsweise sowohl H.-J. Kraus 4 als auch H. Spieckermann 5 eine Theologie der Psalmen, zugespitzt formuliert: eine Theologie einzelner, vom Exegeten aus Gründen der vermuteten thematischen Wichtigkeit freigewählter Psalmen, während eine Veröffentlichung zur Theologie des Psalters fehlt. 6 Nach vereinzelten Aufsätzen in den 60 er Jahren sind seit Mitte der 70 er Jahre gehäuft Studien zu einzelnen Psalmengruppen erschienen. 7 Seit Mitte der 80er Jahre kommen nun auch spezielle Arbeiten heraus, die den Psalter als Buch betrachten. 8 Nach dem Psalmenkommentar von Delitzsch ist der Psalmenkommentar von F.L. Hossfeld und E. Zenger der erste, der intensiv den Zusammenhang der Psalmen im Psalter erörtert. 9 Dieser neue Psalmenkommentar ist damit Teil eines sich abzeichnenden exegetischen Trends. Daß die Betrachtung des Psalters insgesamt also ein Spätling der Exegese ist, hat einerseits Gründe, die speziell durch den Psalter vorgegeben sind, andererseits prinzipielle Gründe, die in der Eigenart des methodischen Neuansatzes liegen, in dem sich ein Teil der Arbeiten zum Psalter auch explizit versteht. 10 Methodisch ist in den letzten Jahren eine Neubesinnung auf den Bibeltext der vorliegenden Gestalt erfolgt, der die postulierten Vorstufen nicht als exegetisches Ziel und vorrangige Interpretationsebene sieht, sondern als Hilfsmittel zur besseren Beschreibung des vorliegenden Textes. Dabei wird der vorliegenSammlung 337f. Theologie. 5 SPIECKERMANN, Heilsgegenwart. 6 Auch E. ZENGER hat trotz offensichtlichen Interesses an der Frage des Zusammenhanges der Psalmen im Psalter unlängst eine Theologie von Psalmen für einen breiteren Leserkreis herausgebracht, die trotz breiter Berücksichtigung des Kontextes einzelner Psalmen in ihrer Anlage nicht den Psalter, sondern die Formgeschichte der Einzelpsalmen als Theologie darstellt (ZENGER, Morgenröte). Ähnliches ist zu BRUEGGEMANN, JSOT5Û, zu bemerken, der außer Rahmenpsalmen des Psalters die freigewählten Psalmen 73; 25 und 103 auslegt. 7 Vgl. GESE, Entstehung, und die Arbeiten von Goulder, Nasuti, Seybold und Wanke (dazu unten in Kapitel 1.2.3). 8 Vgl. die zahlreichen Arbeiten von WILSON, insbesondere seine 1985 erschienene Dissertation: The Editing of the Hebrew Psalter, sowie FÜGLISTER, Verwendung, sowie den älteren methodisch sehr problematischen Entwurf von ARENS, Psalmen. Zu Arens siehe unten S. 17f. 9 Der Band wurde schon für 1991 angekündigt, ist aber aus verlagstechnischen Gründe erst nach Fertigstellung der vorliegenden Arbeit erschienen. 10 So besonders ZENGER, FS Füglister. 3

WESTERMANN,

4

KRAUS,

Einleitung

3

de Text nicht nur im Kontext des gesamten Buches gesehen (holistic Interpretation), sondern auch das Buch im Kontext des Kanons {canonical approach). Im angelsächsischen Sprachraum ist letzterer Ansatz im wesentlichen mit B.S. Childs verbunden, im deutschsprachigen Forschungsbereich hat R. Rendtorff federführend diesen Ansatz aufgenommen. 11 Innerhalb dieses methodischen Neuansatzes war es konsequent, daß der Pentateuch als systematischer und zudem wahrscheinlich historischer Kernpunkt des Kanons 12 auch der Anfangspunkt des Canonical Approach war. Forschungsgeschichtlich war der Pentateuch zudem als das klassische Tummelfeld der Literarkritiker der Platz, an dem Sinn oder Unsinn eines wissenschaftlichen Paradigmenwechsels in der Exegese hin zu größeren Textzusammenhängen zu beweisen war. 13 In einem zweiten Schritt wurde insbesondere das Jesajabuch Gegenstand der holistischen Betrachtung. 14 Nach dem Kanonsteil der Tora wurde damit der Kanonsteil der Propheten exemplarisch untersucht. Doch ist es nicht nur die Position des Psalters in dem historisch späten wie wenig zusammenhängend erscheinenden Kanonsteil der Schriften (D'mro), die den Psalter zu einem schwierigen Thema innerhalb eines solchen Ansatzes werden läßt. Während bei jedem anderen biblischen Buch die Teile als Kapitel bezeichnet werden, führt der Psalm bereits umgangssprachlich ein Eigenleben, das nicht auf den Psalter als Buch verweist. Nur eine jüdische Auslegungstradition bis hin zu wenigen neueren jüdischen Exegeten verweist mit der Bezeichnung der Psalmen als Kapitel auf den Psalter als Buch, indem sie die Teile dieses Buches sprachlich eindeutig als Teile zu erkennen gibt. 15 Die bisher vorliegenden Arbeiten haben den Zusammenhang des Psalters bzw. größerer Teile aus ihm im wesentlichen mit den Methoden der Traditionsund Redaktionsgeschichte untersucht. Die für die Einzelpsalmenauslegung so erfolgreiche Methode der Formgeschichte blieb bisher nicht zuletzt wohl aufgrund ihrer eigenen Ignorierung des literarischen Zusammenhanges der Psalmen im Psalter für die Betrachtung des Zusammenhanges des Psalters nahezu 11

Einen neueren Überblick zur Forschungslage bietet JBTh 3, 1988, hier besonders der Aufsatz von MILLER. Zum Einstieg in den Anfang der Diskussion eignet sich besonders gut der Themenband JSOT16 (1980), der ausschließlich der Diskussion der damals gerade erschienenen Introduction to the Old Testament as Scripture von CHILDS gewidmet ist. 12 Vgl. jedoch STECK, Abschluß, der den prophetischen Kanon von der Tora unabhängig sieht. 13 Dazu RENDTORFF, Methode, dort der Hinweis auf KUHN, Struktur. Dorther stammt der Begriff Paradigmenwechsel. In der alttestamentlichen Debatte um synchrone und diachrone Exegese ist auch auf RICHTER, Exegese, zu verweisen. 14 Vgl. nun insbesondere den Aufsatzband von RENDTORFF, Kanon, der u. a. drei Aufsätze zum Jesajabuch vereint. Zum Ganzen siehe unten II.2.2.2 und III.2.1.3. 15 Vgl. z.B. den Midrasch zu den Psalmen (31B "im® .a^Tin erna), außerdem: HIRSCH, Psalmen, und KAUFMANN, Religion, 310. Während sich bei Hirsch des öfteren Hinweise auch zum literarischen Kontext des Einzelpsalms finden, vermag NOBEL (Libanon 1,8) einen solchen Zusammenhang nicht zu erkennen, obwohl auch er die Psalmen sowohl als Psalm wie als Kapitel einführt. Siehe unten 1.1.

4

Einleitung

ungenutzt. Hier setzt das Postulat von K. Seybold 16 nach der Anwendung der Formgeschichte auf literarische Zusammenhänge in der Psalmenexegese an, das die vorliegende Arbeit einzulösen versucht. Das setzt allerdings eine Umorientierung in der Zielsetzung der Formgeschichte voraus: Hypothesen zum historischen Ort bleiben im folgenden weitgehend zurückgestellt, um die Arbeit zu entlasten. Ein wichtiges Beispiel für die Anwendung formgeschichtlicher Methodik zur Betrachtung der Komposition waren für diese Arbeit die Heidelberger Dissertationen von E. Blum und F. Matheus. 17 Zu denken ist nicht zuletzt auch an den Ansatz von G. von Rad „Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch" und die anderen Arbeiten zum Deuteronomium 18 als Beispiel für die Anwendung formgeschichtlicher Kategorien auf Großtexte. 19 Für den Psalter ist ein solcher Ansatz bereits von C. Westermann 20 entwickelt worden. Westermann notiert Gruppen von Klageliedern insbesondere in der ersten Hälfte des Psalters und Gruppen von Hymnen insbesondere in der zweiten Hälfte des Psalters. Königs- und Torapsalmen weist er eine Rahmungsfunktion größerer literarischer Zusammenhänge zu. Als Entsprechungen zu Ps2 findet Westermann Ps72; 89 und 110, die als Königspsalmen jeweils Abschlußfunktion für Psalmgruppen bzw. Teilpsalter haben. Deswegen postuliert er insbesondere Ps2—89 und 1 — 119 als Vorstufen des Psalters, was gegenüber der üblichen literarkritischen Aussonderung des elohistischen Psalters (Ps42—83) ein alternativer und ergänzender Ansatz ist. Tora Ps Ps 1

König 2 2

Klagen (Kern) 3-88 3-109

König 89 110

Tora 119

Innerhalb dieses vermuteten Kerns des Psalters postuliert er kleinere Gruppen von formgeschichtlich gleichen Psalmen ähnlich der Sammlung der Threni. Modifizierte Ansätze dieser Art haben Gese und Wilson vorgelegt. 21 Wir werden nun im folgenden ersten Hauptteil zunächst versuchen, anhand offener Fragen der Einzelpsalmenauslegung den Gewinn des literarischen Kontextes als notwendige Aufgabe der Psalmenexegese zu begründen. Der 16

SEYBOLD, Psalmen 103.

17

B L U M , K o m p o s i t i o n , MATHEUS, S i n g t . V g l . d a z u u n t e n I I . 2 . 2 . 2 u n d I I I . 2 . 1 . 3 .

18 VON RAD, Gottesvolk, und ders., Deuteronomium-Studien. Vgl. zur Forschungsgeschichte KREUTZER, Frühgeschichte 4ff. 19ff. Zur Bedeutung für die Psalmgruppen siehe z. B. S. 123 (zu Ps 67) und S. 78 (zu Ps 134). 19 Einen singulären Versuch, die formgeschichtliche Methode auf die Bibel als Ganzes anzuwenden, hat unlängst SCHMIDT, FS Koch, vorgelegt. Schmidt sieht am Anfang und am Ende der Bibel universale Themen (vgl. dazu bereits den Ansatz von GUNKEL, Schöpfung). Schmidt geht von den vorliegenden Druckfassungen der deutschen Bibel aus (SCHMIDT, FS Koch 569), was ihn zu der These verleitet, die Psalmen als Mitte der Bibel zu verstehen (aaO. 572ff.). 20 WESTERMANN, Sammlung, leicht modifiziert aufgenommen insbesondere bei REND-

TORFF, Einführung 261. 21 GESE, Entstehung; WILSON, Editing; ders., JSOT34. Hier wird auch Psalm 41 in dieses Konzept einbezogen.

Einleitung

5

zweite Schritt wird dann der Versuch eines formgeschichtlichen Neuansatzes zur Beschreibung der Psalmengruppen sein. Als dritter Schritt schließt sich eine Skizze der Entwicklungsgeschichte des Psalters an. Abschließend soll dann noch kurz der Psalter als kanonisches Buch in seinen wirkungsgeschichtlichen Zusammenhang gestellt werden. Dieses weitgefaßte Thema hat es erfordert, Lücken bei der Aufarbeitung und Darstellung der Sekundärliteratur zu Einzelpsalmen und Motiven im Psalter zu lassen. 22 Einerseits ist es forschungsgeschichtlich wegen der beträchtlichen Anzahl von Einzeluntersuchungen zu Psalmengruppen 23 an der Zeit, einen Gesamtansatz zum Verständnis des Psalters zu wagen, andererseits stellt ein solcher Gesamtansatz Anforderungen an den Exegeten, denen nur mit einer erheblichen Einschränkung des Themas hätte Genüge getan werden können. Eine Einschränkung des Themas hätte jedoch wohl oder übel seine Aufgabe insgesamt nach sich gezogen. 24 Wenn hier ein Entwurf über das Ganze des Psalters erfolgt, hat das den Sinn einer Hypothesenbildung, die auch seine Teile, die Einzelpsalmen, Psalmengruppen und Teilpsalter, nach deren intensiver Diskussion insbesondere im angelsächsischen Sprachbereich auch in deutscher Sprache neu diskussionsfähig zu machen hofft.

22 Sprechenderweise hat PFEIFER, VT 37, bei der Darstellung des Problemes der Aufarbeitung der Sekundärliteratur ein Psalmwort gewählt: „Ich bin in tiefe Wasser g e r a t e n . . . " (Ps69,3). Es gibt kein Thema der alttestamentlichen Wissenschaft, zu dem derart viel und völlig unterschiedliche Publikationen erfolgen. Auch der monumentale Psalmenkommentar von KRAUS hat in seiner neuesten Auflage lediglich einen Literaturnachtrag von immerhin 8 Druckseiten, der aber nur einen Bruchteil der tatsächlich erschienenen Literatur wiedergibt. Allein AUFFRET hat über 30 Beiträge zu Psalmen geschrieben. Vgl. zu dem Problem der Arbeit mit der Sekundärliteratur auch die Diskussion über die Relevanz wissenschaftlicher Kommentare in BThZ 2ff., besonders: WELTEN, BThZ 4,149ff., der herausarbeitet, wie die ausschließlich im Kontext wissenschaftlicher Literaturdiskussion entstandenen Fragestellungen auch nur noch intern rezipiert werden. 23 S.u. besonders 1.2.3. 24 WILSON, Editing, hat bereits mit der Beschränkung auf die Auswertung der Handschriftenüberlieferung mit relativ wenigen, aber wichtigen theologischen Bemerkungen eine mögliche Einschränkung des Themas vorweggenommen, was hier dankbar als Vorarbeit rezipiert ist. Eine andere mögliche Einschränkung, beispielsweise die formgeschichtliche Analyse nur einer Psalmengruppe, scheitert daran, daß jede Psalmengruppe zwar in das in Teil II. vorzustellende formgeschichtliche Schema paßt, aber zugleich mindestens eine Ausnahme von der hier vorgestellten makroformgeschichtlichen Regel hat. Die Regel ist damit nur zu erkennen, wenn das gesamte Material vorgestellt wird.

Teil I

Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt 1. Der Psalm als Parasche des Psalters Wir gehen aus von einer Voraussetzung, die der üblichen Exegese von Einzelpsalmen zugrundeliegt: Der Psalter ist ein Buch, das aus Einzelpsalmen besteht. Diese Feststellung scheint der hier angestrebten kontextuellen Exegese zunächst entgegenzustehen. Gleichwohl ist sie bereits von der handschriftlichen Überlieferung des Psalters her unbestreitbar. Der Psalter, der wie alle poetischen Schriften der Hebräischen Bibel nur zweispaltig geschrieben ist, während Prosatexte dreispaltig angeordnet sind, 1 hat die Anordnung in Einzelpsalmen als festen Textbestandteil: In den masoretischen Manuskripten fällt die gegenüber anderen poetischen Texten wesentlich gegliedertere Anordnung des Psalters mit Leerzeile oder Lücke an den Stellen auf, an denen ein neuer Psalm beginnt. 2 Diese Textgliederung ist von ihrem Gewicht innerhalb des masoretischen Textes nur noch mit der doppelten Leerzeile vergleichbar, die in dem masoretischen Mustercodex Aleppo am Neuanfang eines biblischen Buches, also beispielsweise des Hiobbuches, steht. Eine solche doppelte Leerzeile markiert aber auch den Anfang der fünf Teilbücher des Psalters. 3 Das Ende der ersten vier Psalmbücher, also die Übergänge zwischen zwei Psalmbüchern, sind zudem durch eine im Detail allerdings unterschiedliche Segensformulierung markiert. Die Grenzen zwischen zwei 1 Psalter, Hiob und Sprüche gelten als poetische Bücher sowie Ex 15,1—20 und Dtn 32 als poetische Einzeltexte, die gemäß rabbinischer Vorschrift zweispaltig angeordnet sind (siehe bShab 103b; bMen 31a; Sof 1,11, vgl. als erster Überblick die Abbildung bei WÜRTHWEIN, Text 169 und 185 mit 175, sowie OESCH, Petucha 121 f.). 2 Der Kodex Aleppo hat die Psalmen durchweg mit einer Leerzeile getrennt. In seltenen Fällen wird der Wechsel eines Psalms nur durch zwei aufeinanderfolgende Halbzeilen angezeigt (vor Ps 11; 36; 38; 68; 81; 106; 116; 142; 147; 148; 149; 150), seltener auch nur durch eine Halbzeile (vor Ps97; 99; 105; 108; 114; 117; 118; 136). Auch in diesen Fällen ist jedoch die Trennung des Psalters in Einzelpsalmen deutlich markiert. Lediglich Ps 115 wird im Codex Aleppo wie in der Septuaginta mit Ps 114 zusammengeschrieben, ohne daß diese Abweichung wie in der Septuaginta beispielsweise durch die Teilung von Ps 116 ausgeglichen wird. Dazu unten S.13f. und 1.2.3.2. 3

Gegen SEYBOLD, Psalmen 13, der bei der Beschreibung des Anfanges des Psalters die leicht oberlinig geschriebene Halbzeile der Schlußmasora der Chronikbücher als volle Zeile rechnet (Kommentar zur Abbildung aus dem Kodex Aleppo).

1. Der Psalm als Parasche des Psalters

1

einzelnen Psalmen sind zumeist zusätzlich durch Psalmüberschriften deutlich markiert, die in den Handschriften zumeist von der Textgestalt her leicht zu erkennen sind, da sie als überlange oder zu kurze Halbzeilen geschrieben sind und nicht die sonst übliche Gliederung der Textzeile in zwei parallele Halbzeilen (bzw. Halbstichen) vollziehen. Der Text der Überschrift ist als einleitender Prosatext kenntlich gemacht. Nun könnte man bei vielen mittelalterlichen masoretischen Handschriften sagen, daß diese bereits späte und besonders sorgfältig edierte Texte sind, deren Untergliederung Teil ihrer Edition sei. 4 Doch ist die Edition des Psalters in einzelne Psalmen mit voranstehender Leerzeile bzw. deutlichem Neuanfang einer Zeile bereits in Qumran bezeugt. G . H . Wilson5 unterscheidet im Anschluß an M. Malachi 6 für die Qumranpsalter fünf Arten der Psalmabtrennung: Wenn die Schlußzeile eines Psalms nur wenig beschrieben ist, beginnt der neue Psalm einfach bei einer neuen Zeile (1.), wenn die Schlußzeile fast durchgehend beschrieben ist, beginnt die Anfangszeile eingerückt (2.), endet die Schlußzeile am Zeilenende, beginnt der folgende Psalm mit einer eingerückten Zeile (3.) oder es steht eine Leerzeile (4.). In wenigen Fällen sind die Psalmen nur durch eine kleine Lücke in derselben Zeile abgetrennt (5.). Dieser Befund entspricht dem, was wir in den masoretischen Bibelhandschriften als Gliederung mit Setuma und Petucha kennen: Die Fälle 1.—4. sind typische Anordnungen der offenen Abschnittsgliederung (Petucha), der seltene Fall der Gliederung in der Zeile selbst (5.) entspricht der geschlossenen Abschnittsgliederung, (Setuma). 7 Da im Psalter die übliche Paraschenuntergliederung fehlt, 8 liegt es nahe, die Untergliederung des Psalters in Psalmen mit der auch außerhalb des Pentateuch üblichen Untergliederung der Hebräischen Bibel mit Paraschen zu identifizieren. In der jüdischen Auslegungsgeschichte wird dies praktiziert, da die Einzelpsalmen als Parasche angesprochen werden. Im mittelalterlichen Kommentar Midrasch Tehillim wird beispielsweise Ps 2 Paraschat Gog genannt, Ps 3 Paraschat Ab-

4

Vgl. z . B . den Aleppo Codex. A m leichtesten greifbar ist die Wiedergabe einer solchen Handschrift bei WÜRTHWEIN, Text 185 (Tafel 25, Oxford, Bodleian Library, ein Fragment mit besonderer Punktation). Beispiel einer solchen Edition ist auch KenMs 240, wo im Hiobbuch die Dialoggänge durch Hervorhebung des IS'1 in Rotschrift gekennzeichnet sind (KENNICOTT, D i s s e r t a t i o 4 3 0 ) . 5

WILSON, Editing 93ff. Vgl. die vorsichtigere Darstellung bei OESCH, Petucha 274ff.

6

MALACHI, C h a r a k t e r .

7 Zu Petucha und Setuma vgl. zur Einführung WÜRTHWEIN, Text 24f. Unersetzlich ist für diese Fragestellung die Monographie von OESCH, Petucha. 8 So bereits GINSBURG, aaO. 17. YEIVIN, Textus 7, 7 6 - 1 0 2 , hat eine solche Liste der Abschnitte des Psalters (Bodeleian Library Oxford, Ms. Heb.d. 33, 3 v - 6 r ) veröffentlicht und mit den großen Bibelhandschriften des Codex Aleppo, Leningradensis, Cambridge u.a. verglichen. Bis auf P s l l 5 , einer Unregelmäßigkeit, wie sie für das Ägyptische Hallel typisch ist (dazu unten S. 13f. und 1.2.3.2), ist in der Liste jeweils der erste Vers der masoretischen Psalmanfänge notiert, gelegentlich auch der Schlußvers des vorhergehenden Psalms.

8

Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

schalom e t c . 9 In Qumran ist zudem auch die Einteilung des Psalters in fünf Psalmbücher präsent. 1 0 J . Oesch hat für die Paraschenuntergliederung in der Antike herausgearbeitet, daß bereits im babylonischen Talmud verboten ist, die Paraschen zu verändern. 1 1 Das setzt also bereits im frühen Mittelalter wenigstens den Versuch der Bildung einer festen Paraschentradition voraus. Der Versuch, die konkrete Paraschenabgrenzung zu ermitteln, ist bei Oeschs Analyse, die hauptsächlich Texte aus dem Jesajabuch behandelt, nicht gelungen. 1 2 Anders sieht es jedoch bei den Psalmen aus. 1 3 Selbst dort, wo die paraschenähnliche Untergliederung des Psalters wohl aus Raumgründen nicht im Text präsent ist, wird die Psalmenzählung deutlich im Text als Psalmentrenner vermerkt. 1 4 D e r Psalter ist deswegen wohl das einzige Buch der Hebräischen Bibel, in dem Chancen bestehen, die konkreten Paraschen zu ermitteln. Auch die Psalmenzählung der Septuaginta weicht bei einer Gesamtzahl von 150 Psalmen an nur wenigen Stellen von der des masoretischen Textes ab: Masoretischer Text Ps9/10 Ps 114/115 Ps 116,1-9/10-19 Ps 147,1-11/12-20

Septuaginta 9,1-21122 -39 113,1-8/9-26 U4/11515 146/147

Wenn wir uns die Stellen genauer ansehen, finden sich die wenigen Abweichungen der Septuaginta in der Psalmeinteilung an ganz speziellen Stellen: Ps 9/10 ist der Fall des Zusammenziehens eines überschriftslosen Psalms zum vorhergehenden Psalm. Die restlichen drei der vier Stellen sind im Bereich der beiden Hallel-Psalmengruppen Ps 113—118 und 145 — 150, die als einzige im Psalter überlieferte literarische Zusammenhänge von Psalmen in der Liturgie zur Zeit des Schreibens der Handschriften vorkommen. 1 6 B e i P s 9 f . reißt der masoretische Text ein Akrostichon-Fragment auseinander, der griechische Text korrigiert damit eventuell ein Problem, das - wenn Akrosticha überhaupt in der Schreibweise sichtbar gemacht wurden 17 - nur im hebräischen Text als 9 Unter Midrasch Tehillim (MShir) verstehe ich hier wie im folgenden den bekanntesten und auch wichtigsten Psalmenmidrasch Xlü "imtP. Vgl. auch oben S. 3 Anm. 15. 10 Vgl. die Bezeichnung gefünftelte Bücher (ETtran anso) in IQ 30 (DJD 1, 133), die sich wahrscheinlich auf den Psalter bezieht, sowie bQid 33 a. 11 OESCH, Petucha 91ff., mit Verweis auf bShab 103b. 12

13

OESCH, Petucha 361—365 (e silentio). Vgl. OESCH, Petucha 11.

14 Der Papyrus Bodmer (2. - 4 . Jh. n. Chr.) vertritt beispielsweise eine Tradition, in der die Psalmen als Prosa-Kontinuatext geschrieben sind (vgl. die Tafel bei SEYBOLD, Psalmen 18). Obwohl der Papyrus Bodmer keine Zwischenräume zwischen den Psalmen hat, bezeugt er doch die feste Zählung der Psalmen. 15 In der Septuaginta ist Halleluja (A?j.r|Äomci) auch beim Beginn von LXX Ps 115 Trenner. Vgl. als Überblick im Anhang Tabelle 2. 16 Siehe unten 1.2.3.2 und 1.2.3.3. 17 Die Akrosticha werden in der masoretischen Überlieferung des Textes oft nicht mit dem

1. Der Psalm als Parasche des Psalters

9

solches sichtbar ist. D i e andere Zählung der Septuaginta bei Ps 9 f . b e z e u g t also eine in d i e s e m Fall schwache hebräische Handschriftenüberlieferung. 1 8 A l l e s deutet damit darauf hin, daß die Gliederung des Psalters in einzelne Psalmen bereits der Septuaginta vorlag. Wir m ü s s e n das Problem der A b g r e n zungen v o n Psalmen also vor allem innerhalb der hebräischen Textüberlieferung betrachten. D i e Qumranüberlieferung ist dabei nur dann aufgeführt, w e n n sie die Trennung eines Psalms oder das Z u s a m m e n z i e h e n v o n zwei P s a l m e n ausdrücklich bestätigt. Fälle, die nur auf Rekonstruktionsversuchen beruhen, sind nicht a u f g e n o m m e n . 1 9 In der weitaus größten Zahl der Fälle unterstützt damit auch die Qumranüberlieferung die masoretische Psalmenabtrennung, auch w e n n in der R e i h e n f o l g e der P s a l m e n in den Q u m r a n t e x t e n erhebliche A b w e i c h u n g e n zu verzeichnen s i n d . 2 0 G e h e n wir nun zunächst die Psalmen durch, die in der Textüberlieferung gelegentlich z u s a m m e n g e f a ß t sind: Psalm 1/2 werden in verschiedenen Handschriften als ein Psalm gelesen. 2 1 Beide Psalmen haben ein gemeinsames Wortfeld insbesondere mit run (Ps 1,2; 2,1) und '"WS ( P s l , l ; 2,12) an den Rahmenstellen. Gemeinsam ist beiden Psalmen trotz des unterschiedlichen Motivfeldes von Weisheits- bzw. Königspsalmen die Gegenüberstellung des einzelnen Gottgemäßen mit den vielen Gegnern Gottes. 2 2 P s 2 ist verschiedentlich zusammen mit Ps 1 als ein Psalm angesprochen worden. Das bekannteste Beispiel ist dabei eine sogenannte westliche Variante von Apg 13,33, in der ein Zitat aus Ps 2 als aus dem ersten Psalm stammend eingeführt wird. Während diese Zählung eventuell auch mit

Buchstaben, der die Buchstabenfolge konstituiert, am Zeilenanfang geschrieben. P s l l 9 bildet hier eine Ausnahme, hier werden beispielsweise im Codex Aleppo alle Zeilen mit akrostichischem Anfang geschrieben, lediglich v.80 ist in zwei Zeilen geteilt, so daß die Strophe mit , neun Zeilen hat. Es ist daher fraglich, ob weiterhin dem Phänomen des Akrostichons in der modernen Textedition und Interpretation derart viel Rechnung getragen werden sollte. Nach SEYBOLD, Prophetie 74, ist die Beobachtung des Akrostichons erst Mitte des 19. Jh. von dem württembergischen Pfarrer Gottlieb Frohmeyer neu gemacht und F. D E L I T Z S C H mitgeteilt worden, der sie in die zweite Auflage seines Psalmenkommentares 1867 aufnahm. Dies gilt jedoch höchstens für den deutschsprachigen Bereich, da L O W T H bereits 1787 seine Vorlesungen zur hebräischen Poesie mit der Behandlung des Akrostichons als erstem Hauptstück publizierte (Lectures 55 ff.). Da jedoch akrostichische Formen auch in der mittelalterlichen jüdischen Poesie immer wieder verwendet wurden, ist anzunehmen, daß das Phänomen von Akrosticha auch in der Bibel immer wieder Einzelnen auffiel. 18 Siehe unten Anm. 29. 19 So z.B. Ps26/27, die eventuell in 4QPs r als ein Psalm geschrieben sind (dazu W I L S O N , Editing 107). 20 Dazu unten in Teil III.3.1 und 3.2 sowie im Anhang Tabelle 3. 21 KenMs 17; 37; 216; 409; 505 (Wilson, Editing 134, bietet hier irrtümlich Ms 142, was zur Tabelle zu Ps9/10 gehört), RosMs 554; 596; 782Toletano (DE Rossi, Lectiones). Zu letzterer Ms vgl. G I N S B U R G , aaO. 775. Eine gemeinsame Zählung von Ps 1 und 2 bietet KenMs 164. Diese folgenden Übersichten mögen als erste, überblicksartige Hinweise verstanden werden. Vollständigkeit ist zwar angestrebt, aber angesichts der Widersprüche in den zugrundeliegenden Darstellungen auch in einer Einzelstudie kaum erreichbar (vgl. unten Anm. 48 zu Psalm 94/95; 96/97 und 98/99). 22 Vgl. z. B . LipnisKi, R B 75, 321-367, hier 330-333, und A U F F R E T , Sagesse 173ff.

10

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

einer extrem späten A n s e t z u n g 2 3 oder der Tradition der Nicht-Zählung von Ps 1 als Überschrift zum Psalter 2 4 erklärbar ist, scheidet diese Erklärung bei den späteren Zeugnissen aus: Sowohl der palästinische Talmud (jTaan 2,2,65c; j B e r 4,3,8a) als auch der babylonische Talmud (bBer 9 b . 10a) ziehen vereinzelt P s l und 2 als einen Psalm zusammen. Doch sind dies Zeugnisse einer sehr speziellen Exegese, die das Ziel hat, d e n A n f a n g des Psalters u n d das Achtzehn-Bitten-Gebet zu parallelisieren. 2 5 N e b e n d e m gemeinsamen Wortfeld legt insbesondere die Betrachtung des Schlusses von P s 2 , der mit einem Glückwunsch das Eingangsmotiv von P s l aufnimmt, nahe, beide Psalmen auch bewußt v e r k n ü p f t zu d e n k e n . Dieser Glückwunsch ist in der literarkritischen Betrachtungsweise als vermutlich nachträgliche Z u f ü g u n g auch historisch ein Beleg f ü r die Intention, beide Psalmen zusammenzustellen. 2 6 Sie sind damit als eine unterschiedene Einheit von zwei Psalmen zu s e h e n . 2 7 Für die Sicht von P s l und 2 als inhaltlich bedingte V e r k n ü p f u n g zweier zu unterscheidender Psalmen spricht auch die Q u m r a n schrift 4QFlor, die P s 2 , l in einer Reihe weiterer Stellen in Anschluß an Ps 1,1 zitiert. 2 8 Psalm 9/10 werden, wie wir sahen, regelmäßig in der Tradition der Septuaginta als ein Psalm gezählt. N u r wenige hebräische Handschriften ziehen demgegenüber beide Psalmen z u s a m m e n . 2 9 D i e bereits am Schluß von Ps 9 brüchige A n o r d n u n g als Akrostichon wird in Ps 10 nur noch - wenn ü b e r h a u p t - sehr locker fortgesetzt. Inhaltlich führt Ps 10 den bereits innerhalb von P s 9 begonnenen U m b r u c h vom Danklied in die Klage (Ps9,20f.) weiter. E s gibt Stichwortverbindungen zwischen beiden Psalmen wie rn-S3 („in der N o t " , Ps9,10; 10,1) und m m n a i p („erhebe dich, J h w h " , Ps9,20; 10,12), aber 23 So unlängst wieder BERGER, Weisheitsschrift 78. Bergers extreme Spätdatierung von Ps 1 ist im Zusammenhang mit seiner Frühdatierung der Gnizaschrift zu sehen. Die Frühdatierung der Gnizaschrift hat Berger erneuert in: ders., NTS 36, 415-430, und ZAW 103, 113-121. Zur berechtigten Kritik dieses Ansatzes vgl. RÜGER, Weisheitsschrift 3ff., der insbes. wegen der Abhängigkeit der Gnizaschrift von Mischna Abot auf eine mittelalterliche Abfassung der Gnizaschrift schließt. Zur Datierung von Psalm 1 siehe unten III.3.3.4. 24 Siehe KenMs 168; RosMs 234; 879. Vgl. auch Anm. 21. 25 Siehe dazu unten im Ausblick Kapitel 2 (S. 245ff.). 26 Vgl. dazu insbes. ZENGER, FS Groß 495-511, der einen von der ägyptisch-altorientalischen Königsideologie beeinflußten Grundpsalm in v. 1 - 4 . 6 - 9 (aaO. 506, vgl. auch die Bilder S. 510f. aus WRESZINSKI, Atlas 118.53a) von den Versen aus der Zeit der militärischen Auseinandersetzung zwischen Ptolemäern und Seleukiden (v.5.10—12, sowie P s l ) unterscheidet (508, dgl. ZENGER, Gott 52). Zum altorientalischen Hintergrund von Ps2, der das stärkste Argument für eine frühe Ansetzung eines Kernes von Ps 2 ist, vgl. auch WIDENGREN, Psalm 110,185-216, hier 193 f. 27 So durchweg die Kommentare z. St. 28 Zwischen dem Zitat von P s l , l und 2,1 finden sich noch Jes 8,11 und Ez 37,23, vgl. MAIER, FS Gunneweg 353—365, hier 356, zu 4Q Flor siehe weiterhin BROOKE, Exegesis. WILSON (Editing 134f.) zählt nach KENNICOTT (Hg.), VetusTestamentum, 7 Codices auf, die Ps 2 mit Ps 1 zusammenschreiben. Zum Problem der Abgrenzung zwischen Ps 1 und 2 vgl. z. B. BROWNLEE, Bibl. 52, 321-336, und als Gegenposition z.B. WILLIS, ZAW 91, 381-401, der Ps 1 als abgeschlossene Einheit sieht. Nicht mehr zugänglich wurde dem Vf. die Dissertation von STENDEL, Midrasch, die 4QFlor als Anfang des Kommentares einer Ausgabe des ersten Psalmbuches sieht. 29 Von den bei KENNICOTT gesammelten Handschriften bietet nur Ms 142 und 222 (bei WILSON, Editing 134, ist die Ms 142 irrtümlich in die Spalte von Ps 1/2 geraten) Ps 9f. als einen Psalm, de Rossi ergänzt Ms 2 und 244. GINSBURG (aaO. 721) vermag für diesen Fall nur zwei Handschriften (Vienna Nr. 4 und Or 4227, Deutschland um 1300) aufzuführen.

1. Der Psalm als Parasche des Psalters

11

beides ist nicht so spezifisch für Ps9/10, daß sich damit eine besondere Beziehung zwischen beiden Psalmen begründen ließe. 30 Die Frage des Verhältnisses von Ps9 zu Ps 10 läßt sich nicht ohne weiteres lösen, eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Ps 10 zu Ps 9 als zweiter Teil desselben Psalms 31 kann also keineswegs als sicher gelten, auch wenn eine Tradition des Zusammenziehens beider Psalmen der Septuaginta bereits vorlag. 32 Ps 10 kann auch an Ps 9 als passender Psalm angefügt sein. 33 Eine einzelne Handschrift zieht Psalm 25/26 zusammen: Kennicott Ms 173. Da diese jedoch auch 17 weitere Psalmen nicht abtrennt, die in keiner anderen Handschrift zusammengezogen sind, ist dies eine Eigenart dieser Handschrift. Eine ganze Reihe von Handschriften faßt Psalm 32/33 als einen Psalm auf. 3 4 Der weisheitliche Ps 32 endet mit einer Aufforderung zu Lob und Freude, an die der imperativische Hymnus Ps33, der ebenfalls Weisheitselemente (z.B. v.4) hat, anschließt. Dennoch ist Ps 33 von der äußeren Textbezeugung recht sicher als Einzelpsalm belegt. Psalm 42/43 wird von einer erheblich größeren Zahl von hebräischen Handschriften als ein Psalm aufgefaßt. 35 Innertextlich ist die Zugehörigkeit von Ps43 zu Ps42 durch den gemeinsamen Refrain beider Psalmen Ps42,6.12; 43,5 verständlich. Jedoch ist unsicher, ob Ps42f. ursprünglich zusammengehörten, 36 oder ob Ps43 ein Nachtrag zu Ps 42 ist. Da die Mehrzahl der Handschriften Ps 43 gegenüber Ps 42 trotz der Nähe beider Psalmen als abgetrennten Psalm auffaßt und dies textkritisch gesehen die schwierigere Lesart ist, scheint mir die wahrscheinlichere Lösung zu sein, daß Ps42 gegenüber Ps43 ursprünglich selbständig war. Inwiefern Ps43 einen Nachtrag zu Ps42 darstellt, wird noch eingehend zu prüfen sein. 37 Psalm 47/48 sind Korachpsalmen. Zusammengefaßt werden sie nur in zwei Handschriften. 38 Die Zusammenstellung der beiden thematisch verwandten Psalmen 39 ist damit wahrscheinlich erst im Zuge der Handschriftenüberlieferung entstanden. 30 Beispielsweise nin' naip („erhebe dich, Jhwh") erscheint im näheren Umfeld von Ps9f. auch in Ps 3,8; 7,7; 17,13. 31 So z . B . KAISER, Einleitung 3 5 0 , sowie beispielsweise EWALD, HENGSTENBERG, GUNKEL,

D U H M , WEISER, KRAUS u n d GERSTENBERGER z. S t . 32

Zu den Bedenken, PslO mit Ps9 zusammenzuziehen, vgl. z.B. auch

KITTEL

und

DE

WETTE z . S t . 33

Dazu unten III.3.3.3. KenMs 74; 97; 133; 137; 173; 210; 245; 541 und 571 (Ms 571 fehlt bei WILSON, Editing 134), RosMs 670 und 879. 35 KenMs 2; 4; 36; 39; 73; 82; 89; 156; 158; 172; 175; 178; 188; 210; 216; 224; 227; 245; 318; 326; 355; 356; 360; 373; 377; 379; 403; 405; 409; 431; 499; 579; 587; 590; 591; 607; 625 und 639, davon sind bei WILSON, aaO. 134, nur KenMs 36; 82; 89; 156; 178; 210; 216; 245; 326; 356; 409; 499; 590; 25 cc notiert sowie irrtümlicherweise Ms 260, obwohl gerade Ms 260 durch Einfügung eines m 1 ? vor Ps33 die Psalmtrennung sichert); RosMs 31; 380; 480; 670; 782; 846; 865; 879 und 954, GINSBURG ergänzt eine Handschrift (aaO. 725: Or 4227). 36 So die Mehrzahl der Ausleger ( z . B . DE WETTE, D U H M , KITTEL, GUNKEL, WEISER, KRAUS). Zu Ps42f. siehe nun auch: P . R . R A A B E , Structures 29ff., sowie ZENGER, Morgenröte 256 ff. 37 DazusieheuntenIII.1.3.3. 38 KenMs 97 und 133. 39 Zu den thematischen Gemeinsamkeiten zwischen dem Jhwh-König-Psalm Ps 47 und dem Zionspsalm Ps48 siehe unten II.1.1.4. 34

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Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

In wenigstens einem Fall faßt eine Handschrift auch Psalm 53/54 zu einem Psalm zusammen. 40 Da hier eine Überschrift textkritisch eindeutig vorliegt, handelt es sich sicher um eine textgeschichtlich späte Variante. In der Handschriftenüberlieferung sind auch Psalm 70171 von einigen Handschriften als ein einziger Psalm überliefert. 41 Als Klagelieder mit starkem Vertrauensanteil passen beide Psalmen zusammen. Spezielle Gründe für die Vereinigung beider Psalmen außer der fehlenden Überschrift von Ps71 sind aber nicht ersichtlich. Psalm 71/72 werden nach einigen Handschriften 42 als ein Psalm zusammengefaßt, obwohl Ps72 als Salomopsalm eigentlich eine Überschrift hat. Ein möglicher Grund für die Zusammenstellung beider Psalmen kann die Vorstellung des alten David in Ps71,9—11 sein, die zum Salomopsalm überleitet. Psalm 73/74 werden in sehr wenigen Handschriften zusammengezogen. 43 Beide sind Asaphpsalmen, haben also eigentlich auch jeweils eine Überschrift. Spezielle Gemeinsamkeit zwischen beiden Psalmen ist die Verwendung von Heiligtumsbezeichnungen im Plural (Ps73,17; 74,8). 44 Dies könnte neben traditionsgeschichtlichen Gründen, den Psalmen eine gemeinsame Überlieferungsgeschichte zuzusprechen, ein Grund dafür sein, sie zusammenzuziehen. 45 Auch zu Psalm 77/78 ist eine einzelne Handschrift aufzuführen (KenMs 89). Im Fall von Psalm 90/91 ziehen einige Handschriften 46 einen überschriftslosen Psalm zum vorhergehenden Psalm. Beachtlich sind insbesondere die inhaltlichen Parallelen zwischen beiden Psalmen, die das Vertrauen des Beters gegenüber Gott ausdrücken. Sprachlich sind die Parallelen dabei aber eher geringer, als es vom Inhalt her zu erwarten gewesen wäre: Das Themenwort von Ps 90 p57ö („Aufenthalt", „Zuflucht") wird in Ps 91 nur an einer Stelle (v. 9) aufgenommen und sonst in Ps 91 durch das nahezu bedeutungsgleiche Wort nona (Ps 91,2.9) ersetzt. Die Funktion als einleitendes Themenwort wird in Ps91 von i n o (Versteck, Schutz) wahrgenommen (Ps91,l). Semantisch steigert Ps91 damit gegenüber Ps90 die Vertrauensaussagen. Auch das Motiv der „Länge der Tage" am Schluß von Ps91 (O"1»; Ps 91,16) nimmt zwar inhaltlich ein wichtiges Motiv aus Ps90 auf (v.4.9), aber die exakte sprachliche Parallele findet sich dort nicht. Da die inhaltlichen und sprachlichen Berührungspunkte über Ps90 und 91 hinausgehen, 47 haben wir auch hier den Fall von bewußt zusammengefügten Einzelpsalmen, deren Nähe 40 KenMs 173 (nur KENNICOTT, Dissertatio, s.u. Anm. 48) sowie Ms Or 4227 (nach G I N S BURG, aaO. 725). Letztere Handschrift hat zudem zu Ps42f. und Psll9 textgeschichtlich interessante Varianten. 41 KenMs 82; 93; 97; 133; 155; 156; 206; 245; 260; 590, RosMs 33; 218; 350; 367; 379; 380; 413 Hilleliano; 480; 554; 572; 596; 628; 632; 670; 847; 874; 954. GINSBURG, aaO. 7 7 6 F . , nennt Vienna Nr. 4, Deutschland 1299. Vgl. auch das Auslassen der Zählung bei Ps71 im Codex Leningradensis B 19a (BHS z. St.). 42 KenMs 36; 206 und 259. 43 KenMs 97 und 133. 44 Vgl. auch zu Ps74,4 im Apparat der BHS die Plurallesart l'lVia in 152 Handschriften (nach Kennicott und de Rossi). 45 Dazu unten 1.2.3.7 und II.2.1. 46 KenMs 74; 97; 133; 245; 326, WILSON (Editing 134) zieht unerklärlicherweise wieder Ms 260 hinzu. 47 Zu Ps 90—94 als weisheitlichem Textzusammenhang siehe unten II.3.4.

1. Der Psalm als Parasche des Psalters

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gelegentlich in der Handschriftenüberlieferung zum Zusammenziehen von Einzelpsalmen geführt hat. Die Psalmen 93—99, die bis auf Ps94 alle zur Gruppe der Jhwh-König-Psalmen gehören, haben bis auf Ps98, dessen Überschrift mit einem einfachen "YiaTB denkbar kurz ausfällt, keine Überschrift. Alle diese Psalmen, einschließlich Ps98, sind gelegentlich in der Handschriftenüberlieferung zusammengezogen worden. 4 8 Das hohe Alter dieser möglichen Psalmenverbindungen ist durch das Lesen von Ps 92/93 und Ps 94/95 als ein Psalm in 4QPs b gesichert. Das Zusammenziehen dieser Psalmen wird sowohl an der inhaltlichen Nähe dieser Psalmen als auch an den fehlenden Überschriften liegen. Besonders in diesem Textbereich, wo Psalmüberschriften fast völlig fehlen, fällt weniger auf, daß diese Psalmen gelegentlich zusammengeschrieben worden sind, als daß sie in den meisten Fällen trotz fehlender Überschrift eindeutig getrennt werden. Psalm 103/104 sind in einigen Handschriften zusammengeschrieben 4 9 und in allen über den gemeinsamen Anfang wie Schluß m r p ' n s 'Btej 'Dia („Lobe Jhwh, meine Seele") verbunden. Ps 104 ist als eigentlich überschriftsloser Psalm wieder ein typischer Fall einer möglichen Fehlerquelle derTextüberlieferung. In etlichen Handschriften wird aber diese Rahmenzeile als selbständige Halbzeile geschrieben, so daß graphisch der Eindruck einer Überschrift entsteht. Ps 103 und 104 sind damit wohl in den wenigen Handschriften, die beide Psalmen zusammenziehen, eindeutig der Fall der sekundären Verknüpfung zweier als Einzelpsalmen bewußt nebeneinandergestellten und über den Rahmenvers verbundenen Psalmen zu einem Psalm. Innerhalb des Ägyptischen Halleis wird Psalm 114/115 auch in der hebräischen Texttradition häufiger zusammengeschrieben. 5 0 Grund dafür ist einerseits die fehlende Überschrift bzw. das fehlende Hallelujah als Texttrenner. Neben der Septuaginta ist insbesondere noch 4QPs° als Textzeuge für das Zusammenschreiben von Ps 114/115 zu nennen, womit das hohe Alter dieser Tradition gesichert ist. Als weitere Zeugen dieser Psalmabtrennung nennt der Apparat der BHS den Kodex Leningradensis, die Übersetzung des Theodot und der Peschitta sowie Hieronymus. Die Trennung beider Psalmen entspricht einer Eigenart der Verwendung des Ägyptischen Hallels innerhalb der Pessachliturgie: Nach der bis heute gültigen Lehrauffassung der Schule Hillels wird die 48 Psalm 92/93: KenMs 37; 74; 82; 89; 93; 97; 133; 681; RosMs 379; 380; 596; 733. Psalm 93/94: KenMs 74; 97; 133; 173 (Ms 173 nur nach KENNICOTT, Dissertatio). Psalm 94/95: KenMs 30; 36; 37; 74; 93; 97; 133 (bei WILSON, Editing 134, fehlt Ms 30); RosMs 596 und 732. Psalm 95/96: KenMs 36 und 67; RosMs 596 und 874. Psalm 96/97: KenMs 30; 36; 74; 93; 97; 133; 141; 245 (bei WILSON, Editing 134, fehlt Ms 30, Ms 245 ist zu Ms 145 verschrieben); RosMs 379; 596; 670; 874, in exteris Ms 33 und 49. Psalm 97/98: KenMs 74; 97; 133; 173 (Ms 173 nur nach KENNICOTT, Dissertatio). Psalm 98/99: KenMs 30; 36; 74; 93; 97; 133; 173 (bei WILSON, Editing 134, fehlt Ms 30); RosMs

379; 874. 49

KenMs 37; 74; 93; 97; 133; 156; 173; 245; RosMs 380; 864. KenMs 1; 89; 94; 102; 119; 121; 131; 144; 148; 155; 192; 198; 201; 208; 217; 219; 220; 222; 300; RosMs 1; 3; 33; 35; 37; 40; 186; 187; 193; 215; 218; 224; 231; 234; 249; 263; 275; 276; 277; 50

287; 289; 304; 343; 346; 367; 369; 4 6 6 ; 480; 517; 518; 570; 579; 596; 615; 6 3 2 ; 633; 644; 677; 683;

758; 759; 775; 779; 782; 801; 824; 828; 829; 865; 873; 899; 954 (primo 553). GINSBURG, aaO. 777, fügt Vienna Nr. 4 hinzu. Dgl. neben so wichtigen Codices wie dem Codex Aleppo und Leningradensis die Übersetzungen der Septuaginta, Vulgata, Peschitta u. a.

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Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

Zitierung des Ägyptischen Halleis beim Pessachmahl nach Ps 114 unterbrochen (mPes 10,6). Die Abtrennung von Ps 114 und Ps 115 hat also mit einiger Sicherheit liturgische Gründe. Auch die restlichen Psalmen des Ägyptischen Halleis sind jeweils in wenigen Handschriften zusammengezogen: sehr wenige hebräische Handschriften ziehen Psalm 115/116 zusammen. 51 Erheblich mehr Handschriften ziehen den extrem kurzen Psalm 117 zum vorhergehenden Psalm 11652 bzw. zum nachfolgenden Psalm 11853. Wie bei Ps 103/104 wird in diesen Psalmen meist das einleitende bzw. auslautende Hallelujah halbzeilig geschrieben, so daß der Eindruck einer Überschrift entsteht. Wo das nicht geschieht, sind die Psalmen des Ägyptischen Hallels wie die überschriftslosen Psalmen besonders gefährdet, zusammengeschrieben zu werden. Immerhin 5 Handschriften ziehen selbst Psalm 119 mit P s l l 8 zusammen, 54 obwohl Ps 119 als Akrostichon 55 mit 8 Zeilen pro Buchstabe des Aleph-Bet gegenüber Ps 118 sehr auffällig ist. 56 Psalm 128/129 sind in lediglich einer Handschrift 57 als ein Psalm gezählt. Diese sekundäre Tradition wird durch die Zugehörigkeit beider Psalmen zur selben Psalmengruppe verständlich. Psalm 134/135 sind als Hymnen miteinander verwandt. Daß Ps 135 gelegentlich in der Handschriftentradition mit zu Ps 134 gezogen wird, 58 mag an der Kürze von Ps 134 und der fehlenden Überschrift in Ps 135 liegen. Daß der ebenfalls ohne Überschrift folgende Ps 136 textlich eindeutig immer von Ps 135 getrennt wird, liegt nicht zuletzt an dem für Ps 136 typischen Refrain iion D^iy1? '3 („Denn in Ewigkeit ist seine Treue")- 59 Außer51

KenMs 220; 356; RosMs 4 hispánico. Vgl. auch die griechische Tradition. KenMs 36; 37; 74; 80; 82; 93; 94; 97; 131; 133; 142; 150; 153; 178; 216; 220; 222; 260; 264; 370; 545; 664; RosMs 2; 31; 32; 244; 287; 367; 379; 380; 554; 596; 645; 846; primo 249; 632, außerdem Targumhandschriften. 53 KenMs 92; 93; 141; 150; 156; 170; 173; 205; 207; 220; 239; 356; 404; 409; 437; 454; 476; 499; 525; 531; 541; 601; RosMs 244; 367; 782; 801; 874; 1007; nunc 328. Vgl. GINSBURG, aaO. 536, zu Add. 9399. Demnach ziehen also drei Handschriften (KenMs 93; 150; 220) sowohl Ps 116 und 117 als auch Ps 117 und 118 zusammen. 54 KenMs 74; 97; 99; 133; 173. 55 Beispielsweise im Codex Aleppo werden Akrosticha nicht konsequent akrostichisch geschrieben, Ps 119 bildet hier eine Ausnahme (s.o. Seite 8f. Anm. 17). 56 Bemerkenswert ist weiterhin, daß die 22 verschiedenen Strophen zu 8 Versen von Ps 119 in sehr vielen Handschriften, u. a. dem Codex Aleppo, jeweils wie ein neuer Psalm geschrieben sind. In wenigen Handschriften werden diese einzelnen Strophen von Ps 119 sogar als jeweils ein Psalm gezählt, so z.B. Or 4227 (Deutschland, um 1300, GINSBURG, aaO. 725). Diese Handschrift zieht zusätzlich noch Ps 42f. und 53f. zusammen. Durch Teilung von Ps 118 (v. 1-25. 26-29) entstehen in dieser Handschrift 170 Psalmen. GINSBURG, aaO. 536f., beschreibt außerdem noch eine völlig ausgefallene Handschrift (Add.9939, Deutschland um 1250), die Psll9 in acht Psalmen unterteilt und dabei selbst die Strophen mit gleichem Buchstabenanfang unterbricht. Da die Handschrift neben verschiedenen Varianten im Ägyptischen Hallel ganze Psalmen ausläßt bzw. zusammenzieht (Ps57; 128f.) und teilt (Ps78; 118 nach v. 24), sowie Ps 151 überliefert, ist der textgeschichtliche Wert dieser Handschrift sicherlich gering einzuschätzen. 52

57

58

A d d . 9 3 9 9 (nach GINSBURG, a a O . 537) u n d K e n M s 173.

KenMs 74; 97; 133. Bei WILSON, Editing 134, ist KenMs 245 irrtümlicherweise aus der Spalte zu Ps 144/145 in die Spalte von Ps 134/135 geraten. 59 Eine Ausnahme bildet wieder einmal KenMs 173, die Ps 135 und 136 zusammenfaßt.

1. Der Psalm als Parasche des Psalters

15

dem ist Ps 136 als das Große Hallel 60 ein Text mit einer selbständigen, profilierten Wirkungsgeschichte. Letzter Fall von in der Handschriftentradition zusammengezogenen Psalmen ist Psalm 144/145.61 Beides sind Davidpsalmen und gehören - nach unserer noch auszuführenden Interpretation - zur Einleitung des kleinen Hallels Ps 146 ff. 6 2 Das Zusammenziehen beider Psalmen ist angesichts der wenigen Handschriften, die diese belegen, sicher sekundär. Beachtlich ist, daß die Probleme mit der Psalmabgrenzung zu einem hohen Teil in immer denselben Handschriften auftreten, die zudem aufgrund offensichtlicher Schreibfehler nicht zu den qualitativ hochwertigen Textzeugen gehören. 63 Da diese Handschriften durchweg spät sind und teilweise der christlichen polyglotten Textüberlieferung angehören, 64 bezeugen sie die Lesepraxis der Psalmen als Kontinuatext beispielsweise im Mönchtum zur Zeit der handschriftlichen Überlieferung des kanonischen Textes, 65 nicht aber eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit von zwei Psalmen als ein Psalm. Insgesamt gibt es nur in wenigen Fällen wie bei Ps 1/2,9/10,32/33,42/43 oder 114/115 Gründe dafür, eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit zweier Psalmen ernsthaft zu erwägen. In keinem Fall fanden wir jedoch zwingende Gründe für eine Annahme der ursprünglichen Zusammengehörigkeit zweier Psalmen als ein Psalm. Oft sind in den hebräischen Handschriften die Psalmabgrenzungen dort fraglich, wo keine Psalmüberschriften stehen. In wesentlich weniger Fällen entstehen die Probleme mit der Psalmabgrenzung trotz eindeutiger Überschrift in der Textüberlieferung. 66 In solchen Fällen gehören diese Psalmen aber mit einer Ausnahme zur selben durch das Überschriftensystem konstituierten Psalmgruppe. 67 Bemerkenswert ist jedoch weniger, daß gelegentlich ein Psalm, der nur durch eine Petucha bzw. Setuma vom folgenden Psalm abgegrenzt ist, als Psalm seine Selbständigkeit verliert, sondern daß er umgekehrt seine Selbständigkeit in den meisten Handschriften trotz der fehlenden Überschrift behält. Die Einteilung des Psalters in Psalmen scheint damit 60

Dazu unten S.32f. KenMs 141; 245 (Ms 245 fehlt bei WILSON, Editing 134). Dazu unten II.3.3. 63 Vgl. z. B. KenMs 74; 97; 133; 173. 64 So z.B. KenMs 36; 38; 73; 74; 97. 65 Vgl. aus der Benediktregel die Regel 17. In dieser Regel findet sich auch eine Anleitung, wie entsprechend der Kontinualesung des Psalters die Psalmgrenzen nach Bedarf neu ziehbar sind. Diese Lesepraxis macht den Psalter im griechischen Sprachbereich zum häufigst überlieferten Text (dazu RALPHS, in: Septuaginta 10. 60ff.). 66 Theoretisch mögliche Psalmenverbindungen wegen fehlender Überschrift beim zweiten Psalm: Ps 1/2,9/10, 32/33, 42/43,70/71, 90/91,92/93,93/94,94/95,95/96, 96/97,98/99,106/107, 114/115,118/119,134/135. Nur bei Ps47/48,71/72,73/74, 97/98,144/145 gibt es trotz vorhandener Überschrift Unterschiede bei der Psalmabgrenzung. In den restlichen Fällen (Ps 103/104, 106/107, 115/116, 116/117, 117/118) haben wir in der Textüberlieferung wie eine Überschrift als Halbzeile geschriebene Wendungen wie mrr nx 'IPB: 'Sia oder mVjn. 67 Ps 47/48 sind beides Korachpsalmen, Ps 73/74 sind Asaphpsalmen, Ps 97/98 sind Psalmen ohne Personenüberschrift, Ps 144/145 sind beides Davidpsalmen. Lediglich Ps71/72 fallen als überschriftsloser bzw. als Salomopsalm aus dem Rahmen. 61 62

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Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

Teil der Gestaltung des B u c h e s in der ältesten erhaltenen Überlieferung zu sein und sich damit v o n der übrigen Textüberlieferung der H e b r ä i s c h e n Bibel zu unterscheiden.68 Dies bestätigt auch die Gegenprobe weitgehend. Die Psalmen werden in der Handschriftenüberlieferung nicht nur mit Psalmen der textlichen Umgebung zusammengezogen, sondern erscheinen in selteneren Fällen auch weiter unterteilt. Beispiele dieser Art finden sich insbesondere im Ägyptischen und kleinen Hallel in Psalm 11669 und Psalm 14710, die in der Septuaginta gegenüber dem masoretischen Text geteilt werden. Innerhalb des Ägyptischen Halléis können wir in den hebräischen Handschriften auch eine Teilung von Psalm 11571 und Psalm 11872 feststellen. Eine der in den späteren masoretischen Handschriften befindlichen Teilungen von Ps 118 findet sich auch bereits in l l Q P s 3 : so stehen die Verse 25—29 eventuell als Einzelpsalm in HQPs" frag. E col. I . 7 3 Völlig singulär ist wohl eine Teilung von Psalm 78.74 Für die K o m p o s i t i o n des Psalters h a b e n wir damit v o n den E i n z e l p s a l m e n als A u s g a n g s g r ö ß e auszugehen. Für die Septuaginta ist die Zahl der P s a l m e n bereits eine feste G r ö ß e g e w e s e n , die mit der Untergliederung des Psalters in Einzelpsalmen feststand, d e n n die Septuaginta macht den auch aus anderen Q u e l l e n b e k a n n t e n Ps 151 ausdrücklich als e i n e n außerhalb der Zählung ste-

68 Der Nachweisversuch beispielsweise von Oesch, Setuma, die konkreten Paraschen des Jesajabuches zu ermitteln, ist, so das Ergebnis des Buches, nicht gelungen. 69 Teilung vor v. 11: KenMs 222; Teilung vor v. 12: KenMs 30; 76; 133; 142; 150; 156; 157; 245; RosMs 34; 244; 379; 380; 412; 551; 572; 595; 628; 632; 847; 864; 874; außerdem Add. 9399 (nach GINSBURG, aaO. 536). 70 Ps 147 ist einer der wenigen hier genannten Psalmen, dessen Teilung auch formgeschichtlich diskutabel ist (dazu unten 1.3.2). 71 KenMs 76; 97; 133; 150; 156; 264; RosMs 34; 37; 215; 244; 270; 275; 328; 412; 551; 572; 595; 640; 644; 645; 847 teilen Ps 115 vor v. 12, dgl. Add.9399 (GINSBURG, aaO. 536). 72 v. 5: KenMs 82; 150; 156; 157; 178; 198; 208; 245; 318; 499; RosMs 31; 34; 38; 187; 287; 350; 368; 369; 380; 551; 554; 572; 593; 595; 612; 628; 645; 732; 782; 801; 846; 847; 874; 879; außerdem Add 9399 und Vienna Nr. 4 (letztere nach GINSBURG, aaO. 536 bzw. 777). v. 25: KenMs 148; 157; 178; 245 (sie!); 251; 260; RosMs 2; 37; 270; 275; 368; 510; 609; 645; 829; außerdem Add 9399 (nach GINSBURG, aaO. 537). v. 26: KenMs 150; 153; 156; 198; 245 (sie!); RosMs 34; 270; 287; 368; 595; außerdem Or 4227 (nach GINSBURG, aaO. 725). Wie z. B. die angeblich doppelte Trennung am Schluß von Ps 118 in KenMs 245 (Deutschland, 1290 geschrieben, 1292 punktiert) zu verstehen ist, bleibt rätselhaft. 73 Der Text an dieser Stelle ist nur als Fragment erhalten, vgl. YADIN, Textus 5, 1 — 10. Das rr l ^ n n o n Qbivb 'D mrr1? m n in dem Abschnitt der Hauptrolle vor Psl45 (col.xi) muß nicht aus Ps 118,29 sein, da insgesamt nur 3 Verse aus P s l l 8 (Reihenfolge: v. 15f..8) sicher identifiziert werden können (gegen SANDERS, DJD 4, 37 u.ö.). Bis auf das TP lV?N, das auch am Schluß von Ps 118 im masoretischen Text nicht erscheint, ist der Vers zu geläufig (Ps 106,1; 107,1; 118,1.29; 136,1), um ihn in dem in HQPs a völlig zerlegten Ps 118 zwingend dem Schluß zuzuordnen. Beachtlich ist, daß die Probleme mit der Einteilung von Ps 118 an den Stellen mit Stimmungswechsel auftreten, dazu unten 1.3.4.2. 74 Vor v. 38: KenMs 76; 82; 178. Vgl. auch GINSBURG, aaO. 536, zu Add 9399. Es gibt auch weitere Beispiele dieser Art: so wird Ps 90 nach v. 16 von den Handschriften KenMs 36; 43; 80; 245; 249; 680; RosMs 38; 403; 441; 536; 572; 632; 645; 865; 919 geteilt bzw. abgeschlossen.

1. Der Psalm als Parasche des Psalters

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henden Psalm kenntlich. 75 Die Tradition der 150 Psalmen ist jedoch keineswegs die einzige, was angesichts der in den Handschriften immer wieder differierenden Abtrennung von Psalmen nicht verwundert. Beispielsweise der palästinische Talmud gibt die Zahl von 147 Psalmen an, die eine feste Zahl mit besonderer Symbolik ist. 76 Masoretische Codices wie Brescia (1494) und Neapel (1491—94), eventuell auch der Codex Aleppo, 7 7 teilen den Psalter in 149 Psalmen. Weit größere Zahlen entstehen durch die Zählung von P s l l 9 als mehrere Psalmen. 78 Von hierher ergibt sich eine Stellungnahme zu der wohl bekanntesten These zur Komposition des Psalters, die mit dem Namen A. Arens verknüpft ist, der die alte These, der Psalter sei eine Sammlung von Psalmen zur Begleitung der zyklischen Pentateuchlesung, aufgriff. 79 Positiv an dieser These ist einzuschätzen, daß hier die durch die Voranstellung des Torapsalms Ps 1 und die Einteilung des Psalters in fünf Bücher erfolgte Perspektive des Psalters auf den Pentateuch als Ansatz der Auslegung gewählt wird. Problematisch wird jedoch die direkte Identifikation des Psalters als eine Sammlung von Segenssprüchen zur Pentateuchvorlesung nach dem dreijährigen Zyklus, wie sie Arens nahelegt. 80 Diese These ist zudem fragwürdig, weil die sich bei Arens ergebenden 148 Segenssprüche 81 bereits zahlenmäßig nicht mit 150 Psalmen zusammen-

75 LXX Ps 151,1: Oi'Toq 6 iJjaXuög IÖIOYQACPOG EI; A a m ö xai E§CO0EV TOÜ ÖCHOHOC . . . („Dieser Psalm wird David zugeschrieben außerhalb der Z a h l . . . " ) . Zu Psalm 151 siehe auch unten III.3.1. Die Septuaginta stellt diesen Psalm also deutlich außerhalb der 150 Psalmen, auch die Überschritt ist nicht ein einfaches xrä Aamö, sondern ein distanzvermittelnder Ausdruck. Mit beiden Einleitungen überliefert die Septuaginta diesen Psalm gewissermaßen als deuterokanonischen innerhalb des Psalters. Zu Ps 151 vgl.: FABRY, FS Groß 45—67, und unten III.3.2.1. Zu hebräischen Handschriften, die 151 Psalmen zählen, siehe SARNA, EJ 13, 1303-1322, hier 1306. 76 jShab 16,1, 15c; vgl. bBer 9b,10a; Sof 16,11; MShir zu Ps22,4 (22,19; 104,2). Nach dieser Tradition ist die Zahl 147 eine Analogie zu der Zahl der Lebensjahre Jakobs. Zudem hat 147 den Zahlenwert 3 x 7 x 7 . Die Tradition von 147 Psalmen gibt es auch in Handschriften, so erzielt beispielsweise der Codex Vienna 4 147 Psalmen durch Zusammenziehen von Ps9f.; 70f. und 114f. (GINSBURG, aaO. 777). 77 Der Codex Aleppo zieht Ps 115 zu Ps 114, ohne wie die Septuaginta die Zahlendifferenz durch die Teilung von Ps 116 auszugleichen. Wegen der unvollständigen Erhaltung des Codex Aleppo bleibt die Zahl der Psalmen jedoch nur eine Vermutung. Zur Abtrennung von Ps 114 und 115 vgl. auch WILSON, Editing 179f. 78 Vgl. dazu oben Anm. 56. 79 ARENS, Psalmen, auch bereits in: ders., in: Le Psautier, 107-132. Arens These ist im

K e r n k e i n e s w e g s n e u , vgl. BÜCHLER, J Q R 5 , 4 2 0 - 4 6 8 ; KING, J T S 5 , 2 0 3 - 2 1 3 ; DAHSE, R ä t s e l ; SNAITH, Z A W 10, 3 0 2 - 3 0 7 ; GUILDING, J T S 3 , 4 1 - 5 5 . W e i t e r e L i t e r a t u r b e i WILSON, J S O T 34. 80

Beispielsweise das Problem, ob der sogenannte dreijährige Lesezyklus nicht ein 3 1/2 jähriger Zyklus war, wird von ARENS nicht ernsthaft erwogen. 81 ELBOGEN, Gottesdienst, 160.162, nennt 153 bzw. 154 (verschiedene Schlußmasora); 155 (ein ungenannter Midrasch); 167 (Schlußmasora des Codex Leningradensis nach Dtn 34) und 175 (nach Sof 16,10) Leseabschnitte der Tora nach dem dreijährigen Zyklus als belegbare Zahlen.

18

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

paßten. 82 Der Ansatz ist zudem auch als Verstehensmodell zum Psalter ungeeignet, solange nicht mehr über die Leseeinteilung des Pentateuch bekannt ist, sondern weitgehend Unbekanntes mit zu Interpretierendem verglichen wird. Andererseits ist auch die Unterteilung des Psalters in 150 Einzelpsalmen von der Textüberlieferung her keineswegs völlig eindeutig. Die gesamte Konstruktion von Arens hat eine ganze Reihe von Schwächen: Neben der oft unkritischunhistorischen Sicht der Texte 83 ist dies insbesondere die Allegorese, mit der Arens Verbindungen zwischen den Rahmentexten des Pentateuch und der Psalmbücher herstellt. Ärgerlich ist hierbei besonders, daß die vorgegebene Einteilung des Psalters in Bücher im Fall des fünften Psalmbuches entgegen seiner Vorgabe, die vorliegenden Einteilungen erklären zu wollen, nicht ernstgenommen wird. Arens Arbeit hinterläßt also einen sehr zwiespältigen Eindruck. Noch einen weiteren Ertrag nehmen wir aus der Betrachtung der Handschriften mit: Die überschriftslosen Psalmen waren wegen des fehlenden unterstützenden Texttrenners der Überschrift häufige Problemfälle bei der Psalmtrennung. Diese Psalmen sind bereits von Wilson teilweise als editorisch wichtige Psalmen erkannt worden. 84 Wilson meint an diesem Punkt differenzieren zu müssen: er zieht die überschriftslosen Psalmen der ersten drei Psalmbücher jeweils zum vorhergehenden Psalm und weist diesen keine textübergreifende Funktion zu. 85 Ob diese Unterscheidung zwischen den überschriftslosen Psalmen der ersten drei Psalmbücher und denen der letzten beiden Psalmbücher hilfreich und notwendig ist, wird im Fortgang unserer Analyse zu fragen sein. Von der textkritischen Betrachtung der Psalmgrenzen her gehen wir von der Selbständigkeit auch der überschriftslosen Psalmen der ersten drei Psalmbücher aus. In Umkehrung der Fragestellung von Wilson werden deswegen auch diese Psalmen besonders auf ihren Kontext- und Kompositionsbezug zu befragen sein. 86

82 So THIEL, JLH25,55—69, hier 64. Zur allgemeinen Kritik vgl. auch KRAUS 13 f., dort der Hinweis auf die wichtige Dissertation von NIEMEYER, Problem, der diese Vorstellungen im Detail bereits vor der Untersuchung von ARENS widerlegt hatte. 83 THIEL, aaO., führt hier eine ganze Reihe von Beispielen an. Beispielsweise rekonstruiert Arens den israelitischen Gottesdienst bis in vorsinaitische Zeit (!), indem er nicht zwischen erzählter Zeit und Zeit des Erzählers unterscheidet. 84 Diese These von WILSON wird im dritten Hauptteil der Arbeit noch eingehend untersucht werden. 85 WILSON, aaO. 173ff. Ein älterer Ansatz dieser Art, der überschriftslose Psalmen zum vorhergehenden Psalm zieht, findet sich z. B. bei Hilearius, vgl. DEISSLER, Psalm 119,42. Mit dem Modell von Zwillingspsalmen werden wir eine Methode kennenlernen, die den Aspekt der offensichtlichen Psalmtrennung mit dem der bewußten Kombination von zwei Psalmen vermittelt. Siehe dazu unten 1.2.1. 86 Zu P s l f . s.u. II.3.2.1 und 3.2.2, zu P s 9 f . s.u. II.3.2.2, zu P s 3 2 f . s.u. II.3.2.4 und zu P s 7 0 f . s.u. II.3.1.3. Zu P s l l 4 f . lassen sich vergleichbare kompositorische Beobachtungen nicht machen, hier scheint das Problem der Psalmtrennung eher eine Folge einer liturgischen Varianz zu sein (dazu unten S. 30—32). Vgl. außerdem Kap. III. passim.

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges von Psalmen

19

Die Frage, auf welcher historischen Ebene wir den Psalter als Textzusammenhang beschreiben können, stellen wir vorerst zurück. Sie wird uns im dritten Hauptteil dieser Arbeit ausführlich beschäftigen. Dort werden wir auch die Frage nach literarischen Vorstufen und Teilpsaltern behandeln. Betrachten wir zunächst exegetische Ansätze, die das Verhältnis von literarisch benachbarten Psalmen beschreiben.

2. Exegetische Ansätze

zur Beschreibung von Psalmen 2.1

des

Zusammenhanges

Zwillingspsalmen

K. Seybold notiert die gegenwärtig forschungsgeschichtlich besondere Bedeutung der kontextuellen Psalmenauslegung, wenn er in einer Rezension schreibt: „Es entspricht einem Trend der Psalmenforschung der letzten Jahre, nach gewachsenen Einheiten zu fragen und deren Gemeinsamkeiten nach Herkunft und Gestaltung zu untersuchen. Dies geschieht offenbar in der Erkenntnis, daß der Zwischenraum zwischen den individuellen Texten und ihrer Entstehung und dem mehr oder weniger im Dunkeln liegende Abschluß des Gesamtpsalters durch die Gattungsforschung mit ihren idealtypischen Modellen nicht zureichend abgedeckt werden kann. Die Sammlungen oder Einzelpsalter werden Gegenstand von Spezialuntersuchungen." 87

Als solche Teilsammlungen werden in der gegenwärtigen Forschungsdiskussion vor allem die durch die Überschriften konstituierten Psalmgruppen angesprochen. Doch beginnen wir mit der kleinsten möglichen Gruppe von Psalmen, der Kombination von zwei Psalmen und stellen die durch Überschriften ausgewiesenen, größeren Psalmgruppen zurück. Zwei gleichartige Psalmen, die in Reihe zusammenstehen, werden in Anschluß an W. Zimmerli als Zwillingspsalmen bezeichnet. 88 Zimmerli gibt in seinem kurzen Aufsatz zwei Beispiele für solche Zusammenstellungen von zwei Psalmen: die akrostichischen Weisheitspsalmen P s l l l und 112 und die Geschichtspsalmen 105 und 106. Zimmerli weist ausführlich nach, wie beide Psalmen jeweils in einer Doppelaussage Ähnliches unter anderem Aspekt entfalten: Ps 105 bietet beispielsweise die Geschichte Israels unter dem Aspekt der Heilsgeschichte, während Ps 106 fast denselben Bereich der Geschichte Israels unter dem Aspekt des Abfalls Israels wiederholt. Beide Psalmen umspielen das Thema der Tora: Ps 105 erzählt Geschichte, soweit sie im Pentateuch steht, und endet mit dem Hinweis, daß der Landbesitz Israel von Gott geschenkt sei, damit es seine „Satzungen und Weisungen" (vn'Tirn Vi?n, v.45) halte. Psl06 beurteilt die 87 SEYBOLD, ThLZ 115,102-103, hier 102. 88

ZIMMERLI, Zwillingspsalmen 105—113.

20

Teil l: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

Geschichte Israels unter dem Aspekt des „Glücklich sind die, die das Recht bewahren, und ist der, der alle Zeit Gerechtigkeit tut". 89 Ps 106 nimmt also die Tora als Maßstab für die Beurteilung von Geschichte. 90 Ähnlich eng berühren sich Ps 103 und 104 mit der gleichen Über- bzw. Unterschrift miTTlX 'tf M ' i m („Lobe Jhwh, meine Seele!") und verschiedenen Stichwort- und Motivbezügen, insbesondere zwischen Ps 103,19—22 und Ps 104,1a und dem Schluß von Psl04 und Psl03. 9 1 Ein weiteres Beispiel für einen Parallelismus von zwei Psalmen sind Ps 127 und 128: Beides sind Weisheitspsalmen, die inhaltlich sehr gut zusammenpassen. 92 Formal endet Psl27 mit einer Glücklich-Preisung ('"HPK, v. 5) und Ps 128 beginnt mit einer solchen (v. 1). Bis hin zur Versstruktur stimmen beide Psalmen überein: Beide Psalmen lassen sich in jeweils vier Zeilen untergliedern, 93 die thematisch abgrenzbar sind. Diese Zwillingspsalmen sind also sogar in sich gedoppelt. 94 Doch gibt es nicht nur Verbindungen zwischen den beiden Hälften innerhalb der Einzelpsalmen, 95 sondern auch beispielsweise zwischen den beiden Schlußhälften der Zwillingspsalmen untereinander, die über das Thema der Kinder als Zeichen von umfassendem Segen verbunden sind. Unlängst hat auch E. Zenger die Beobachtungen von ZimmerIi aufgenommen. 96 Zenger verweist auf weitere Beispiele für Zwillingspsalmen wie Ps 20 und 21 sowie Ps 135 und 136. Mit diesem Phänomen der Parallelanordnung zweier Psalmen wiederholt sich im Großkontext des Psalters etwas, das auch im Kleinkontext der Versebene poetischer Texte bekannt ist: der parallelismus membrorum. Exegeten unterscheiden seit R. Lowth 97 gemäß dem inhaltlich-logischen Verhältnis des Ausgesagten drei Arten von Parallelismen: den synthetischen, den antitheti89

Ps 106,3: risr1??? ngix ntr's ostra na'tp ntrs.

90

Zur Umspielung von Motiven der Tora im vierten Psalmbuch vgl. bes. ZENGER, FS Ehrlich 2 3 6 - 2 5 4 , und unten II.3.4 und III.3.3.4. 91 Mit ZENGER, Morgenröte 36. Ob nun Ps 103,22 und 104,1.35 redaktionell sind (so Zenger, aaO. 201) und damit ein literarkritisch ursprünglicher Psalm rekonstruierbar ist, bleibt ungewiß, desgleichen der beachtliche Versuch von SEYBOLD, ThZ 40, 1 — 11, Ps 1 0 4 , 3 1 - 3 5 für von P s l 0 3 abhängige Redaktionsarbeit zu halten. KOCH, FS Amirtham 64—69, hat demgegenüber diesen Ansatz erweitert, indem er Ps 103,19—22; 1 0 4 , 1 a . 3 3 - 3 5 und 105,1.45 für redaktionell hält. Hier tendiert, wie so oft, der Versuch, Beziehungen speziell zwischen zwei Psalmen nachweisen zu wollen, zu einer Verkettung weiterer Psalmen. Da jedoch Ps 105 und 106 als Geschichtspsalmen mit unterschiedlichem Akzent sehr deutliche Verbindungen aufweisen, sind Ps 103—106 als zwei miteinander verbundene Paare von Zwillingspsalmen zu verstehen. 92

So bereits ZIMMERLI, Zwillingspsalmen 263, und unlängst WESTERMANN, Wurzeln 119. 3 Ps 1 2 7 , l f . . 3 - 5 ; 1 2 8 , 1 - 3 . 4 - 6 . Vgl. B H S z . St. 94 Vgl. zu Ps 127 unter diesem Aspekt besonders die Auslegung von KEEL, FS Füglister 9

155-163. 95 Vgl. zur Verbindung zwischen der ersten und zweiten Hälfte von Ps 127 das Wortspiel n ' 3 HJ3 (ein Haus, den Tempel, bauen bzw. eine Dynastie gründen) in 2Sam 7. 96 Z. B. ZENGER, FS Füglister 3 9 7 - 4 1 3 . 97 LOWTH, Praelectiones, vgl. auch die übersetzte Neuausgabe: ders., Lectures. Zu Lowth

vgl. z. B . BLEEK, Einleitung 444, und BERLIN, D y n a m i c s 1 ff.

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges

von Psalmen

21

sehen und den explikativen Parallelismus. 98 Wenn wir nun alle drei Arten von Parallelismen mit der Darstellung von Zwillingspsalmen bei Zimmerli und Zenger vergleichen, bieten sie Beispiele für den synthetischen und den antithetischen, nicht aber für den explikativen Parallelismus. Dabei lassen sich bereits die beiden ersten Psalmen als Beispiel für einen solchen explikativen Parallelismus verstehen: Ps2 spezifiziert den Gerechten von P s l auf den König und die Frevler von Psalm 1 auf die feindlichen Könige, dem entspricht die Ansage von Heil für den Gerechten bzw. den König. Da Ps 1 und 2 auch in der Textüberlieferung gelegentlich als ein Psalm verstanden wurden, sehen wir, wie hier unsere Interpretation mit der in der antiken Textüberlieferungsgeschichte möglichen Tradition konvergiert." Wie ertragreich die Betrachtung von Zwillingspsalmen ist, sei noch an einigen weiteren Beispielen erläutert. In Ps51 werden gern die letzten beiden Verse als Ergänzung abgetrennt. 100 Die bedingt positive Stellung dieser Verse zum Opfer passe nicht zur schroffen Opferkritik in v. 18.101 Im Kontext von Ps51 fällt auf, daß nur Ps50 das Thema Opfer überhaupt entfaltet. Da die Haltung hier positiver als in der harten Kritik Ps 51,18 ist, läßt sich die vermutliche Ergänzung Ps 51,20 f. am besten auf dem Hintergrund der Anfügung des einzelnen Asaphpsalms Ps 50 vor den ersten Psalm der beginnenden Davidsammlung Ps51 verstehen. Obwohl wir hier die historische Einordnung dieses Themas einer systematischen Behandlung aller Opferstellen im Psalter vorbehalten wollen, 102 läßt sich doch bereits soviel sagen, daß Ps50 und Ps51 thematisch sehr eng zusammengehören und im Kontext des Phänomens der Zwillingspsalmen zu verstehen sind. 103 Auch Ps90 und 91 haben einige weisheitliche Grundelemente gemeinsam: So nimmt Ps91 aus Ps 90 das Motiv Gottes als Zufluchtstätte Cli5/a, Ps91,9) auf, obwohl Ps91 das synonyme Wort HOnS bevorzugt. 104 Auch am Schluß nimmt Ps91 das Grundmotiv von Ps90, das lange Leben und das Schauen des Eingreifens Gottes (Ps 90,16), auf. Allerdings ist auch Ps92 motivisch eng mit Ps90f. verwandt. 105 Aber nicht zuletzt durch seine Überschrift D3t?n Di,17 "riöTa (.Sabbatlied) ist Ps92 deutlicher von Ps90f. getrennt als Ps91 von Ps90. 106 Die Betrachtungsweise von Psalmen als Zwillingspsalmen ist also nicht völlig trennbar von dem allgemeineren Fall der Beziehung zwischen mehreren 98 Der sogenannte klimaktische Parallelismus, der eine steigernde Kette von wiederaufgenommenen Aussagen bezeichnet, entspricht logisch meist dem synthetischen Parallelismus. Vgl. als neuere Darstellung auch WILLIS, in: Directions 49—76. Andere Unterscheidungen hat beispielsweise PARDEE, Parallelism. 99 S.o. 1.1. 100 So z.B. KRAUS 542. Dazu unten III.1.2.3. 101

KRAUS 5 4 8 .

102

S. u. III.1.2.1,1.2.3 und 1.3.1 sowie III.3.3.1. Vgl. ZENGER, Morgenröte 292. 104 VGL z u beiden Wörtern die Einzelstudie von HUGGER, Gott. 103

105

S o b e t o n t z u e r s t REINDL, V T . S 3 2 , 3 3 3 - 3 5 6 , h i e r 3 5 0 - 3 5 4 .

106

Der Kontext dieser Psalmen ist auch noch weiter faßbar, vgl. dazu z. B. II.3.4.

22

Teil 1: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

Psalmen in einem zusammenhängenden Text, wie wir es im folgenden Kapitel erörtern werden. Auch am Beispiel von Ps 90 und 91 sehen wir, wie exegetische Beobachtungen von Zwillingspsalmen mit den Problemen der Abgrenzung von Psalmen in den Handschriften zusammenfallen können. 107 Diese in der Textüberlieferung erfolgten Vereinigungen von Psalmen sind also wenigstens teilweise als Zeugen einer exegetischen Tätigkeit verstehbar, die bestehende Verbindungen zwischen zwei literarisch zusammenstehenden Psalmen zu einer Neuabgrenzung benutzt. Das Problem des Zusammenziehens von Psalmen in der Textüberlieferung und unser Verständnis von Zwillingspsalmen decken sich aber keineswegs in allen Fällen: es gibt Zwillingspsalmen, die in der Textüberlieferung nicht als ein Psalm verstanden wurden, 108 und umgekehrt gibt es in der Textüberlieferung zusammengeschriebene Psalmen, die nicht als Zwillingspsalmen verstehbar sind. Gleichwohl kann die Bedeutung dieses von Zimmerli erkannten Phänomens insgesamt also kaum überschätzt werden, weil mit dem Ansatz von Zimmerli methodisch differenziert eine Verbindung von zwei Psalmen beschreibbar wird, die gegenüber ihrem Kontext charakteristisch verschieden sind. Von der Formgeschichte der Einzelpsalmen her fällt auf, daß insbesondere zwei Gattungen als Zwillingspsalmen greifbar sind: Weisheitspsalmen und die sogenannten Geschichtspsalmen 109 . Bei den sogenannten Geschichtspsalmen sind sogar bis auf PS 78 alle Psalmen zu den Zwillingspsalmen zu rechnen. Ps 78 hat nun innerhalb des Psalms selbst Doppelungen. So wird beispielsweise vom Exodus zweimal berichtet: zuerst am Anfang des Geschichtsrückblicks (v. 12), der als Erinnerung der Väter gegenüber den Kindern motiviert ist (v. 5 f.), und dann als Rückblick auf die Taten Gottes, die die Vätergeneration in der Wüste vergessen hat (v. 42ff.). Innerhalb eines Geschichtspsalms ist damit die in die Grundmotivik integrierte Doppelung von Ps78 110 gegeben: Geschichte ist Erinnerung der Kinder an die Erlebnisse der Eltern. Wichtiges muß zweimal gesagt werden. Diese Sonderstellung von Ps78 ist um so bemerkenswerter, als Ps 78 nach masoretischer Zählung die Mitte des Psalters ist. 111 107 Siehe oben 1.1. In diese Richtung kann auch ein Verstehensansatz zu Ps9f. und 42 f. erfolgen. 108 Beispielsweise Ps 127 und 128. 109 Nach KÜHLEWEIN, Geschichte 85, hat LAUHA (Geschichtsmotive 128) diese Gattungsbezeichnung begründet. GUNKEL rechnete diese Psalmen den Legenden (Einleitung § 8,5) bzw. der Weisheitsdichtung (§ 10) zu. 110 Es ist deshalb sachgemäß, nicht an eine literarkritische Zweiteilung von Ps78 zu denken. Auch innerhalb der Handschriftenüberlieferung teilt m.W. nach nur eine einzige Handschrift, Add. 9399 (London British Library, Deutschland 1250, nach GINSBURG, aaO. 536) Ps 78 in zwei Teile (v. 1 - 3 7 ; 3 8 - 7 2 ) . 111 Vgl. die Masora z. St. Nach den Masoreten ist Ps78,36 die Mitte des Psalters, während in der rabbinischen Tradition als Mitte Ps 78,34 (bKid 30 a) angegeben wird. Doch kann die rabbinische Tradition spezielle theologische Gründe haben: in diesem Vers steht wie im mittleren Vers der Tora die WurzelTTHT(Lev 10,16, dazu MILLARD, Gebote 6f.). Insgesamt erscheinen im Umfeld von v.34—36 etliche Begriffe, die theologische Zentralbegriffe der

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung

2.2 Reihenbildung

des Zusammenhanges

von Psalmen

von Psalmen an Beispielen aus dem ersten

23

Psalmbuch

F. Delitzsch war wohl der erste historisch-kritische Exeget, der im Psalter „den Stempel Eines ordnenden Geistes" 112 entdeckte. Delitzsch vertrat die These, daß die Psalmen nicht nur mit formalen Stich Wortverbindungen, sondern „mit gleichen Hauptgedanken" 1 1 3 aneinandergefügt seien. Die von ihm beschriebene „Verkettung" versucht er im gesamten Psalter nachzuweisen. Chr. Barth resümiert die Wirkungsgeschichte von Delitzsch lapidar: „Man kann nicht sagen, daß diese These in der Forschung viel Anklang gefunden hätte." 1 1 4 Barth selbst kann zwar eine durchgehende Stichwortverknüpfung, nicht aber einen durchgehenden Themenzusammenhang innerhalb der Psalmen im ersten Psalmbuch feststellen. Obwohl die in diesem Abschnitt vorgestellten Methoden der Verkettung von Psalmen sich auch in anderen Bereichen des Psalters anwenden lassen, 115 belassen wir es hier an Beispielen aus dem ersten Psalmbuch, weil diese Methode in diesem so schwer zugänglichen Textbereich besonders häufig angewendet wird. Bemerkenswert ist bereits für Barth die relativ wenig verbundene Anordnung der Hymnen (Ps8; 19; 33) im ersten Psalmbuch. Barth denkt sich die Arbeit des Sammlers dieser Psalmen als eine „Nachgestaltung" 116 der Texte, was seine Forderung einer „.kontextmäßigen' Psalmenerklärung" 117 als Aufforderung zur Redaktionskritik am Psalter präzisiert. Barth ist damit der erste innerhalb einer ganzen Reihe von neueren Psalmenexegeten, die den Psalter redaktionsgeschichtlich untersuchen. 118 Heute ist das Programm von Delitzsch und Barth, Stichwortverbindungen zwischen einzelnen Psalmen zu suchen, erheblich geläufiger, als es in der Mitte Hebräischen Bibel sind: so findet sich in v. 35 "IDT, was in Gen 8,1 Zentralbegriff der Noahgeschichte ist (dazu GUNKEL, Genesis 145; VON RAD, Genesis 96; SCHOTTROFF, Gedenken 186; WENHAM, V T 28, 3 3 6 - 3 4 8 , hier 340f.; RADDAY, in: Chiasmus, 5 0 - 1 1 7 , hier 99; MILLARD, Gebote 44f.; vgl. auch BLUM, Studien 284). In Ps78 stehen v. 36 mit ^¡U und v. 38 mit 1SD Pi ebenfalls theologisch gesättigte Begriffe. Wir werden auf die Zwillingspsalmen noch im Kontext der Betrachtung der Rahmen- und Mittelstücke der Psalmengruppen zurückkommen, dazu zusammenfassend II.4.2. 112 DELITZSCH ( 2 1867) 14 (der Kommentar von Delitzsch weist innerhalb der verschiedenen Auflagen große Unterschiede auf, diese Auflage ist zitiert nach BARTH, FS Rapp 30—40, hier S. 30 Anm. 2). A a O . 15. 114 BARTH, FS Rapp 30—40, hier 31. Beispielsweise aus der Fülle der Psalmkommentatoren kann Barth nur BERTHOLET und BÖHL eine eingeschränkt positive Aufnahme der These Delitzschs zusprechen. Vgl. jedoch auch die wenigen Hinweise bei ZIMMERLI, Zwillingspsalmen 262 f. 115 Vgl. dazu z . B . BECKER, Wege 117, und SCHELLING, Asafpsalmen, aber auch GROSSBERG, Structures 48ff. (zu den Wallfahrtspsalmen Ps 120ff.). 116 117

BARTH, FS R a p p 38. BARTH, FS R a p p 39.

118 Hier sind außer BARTH insbesondere die verschiedenen Arbeiten von KOCH, SEYBOLD und ZENGER zu nennen (siehe Literaturliste). ZENGER hat diesen Ansatz ausführlich reflektiert und als einziger der hier zu nennenden Autoren mit dem Ansatz einer kanonischen Exegese in Verbindung gebracht. Vgl. dazu bes.: ZENGER, Bibel und Liturgie 6 2 , 1 0 - 2 0 .

24

Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

der 70er Jahre war. 119 Einer der ersten, die ähnliche Ideen weiterverfolgten, war P. Auffret im Zusammenhang seiner Strukturanalysen von Psalmen. Mit dieser Methode nimmt Auffret gleichzeitig aber eine Sonderstellung unter den Exegeten ein, die diesem Verständnis des Psalters weiter nachgegangen sind. Auffret erleichert dem Leser nicht den Zugang zu seinen Analysen, weil das von ihm verfolgte Programm der Suche nach Stichwortverbindungen und Textstrukturen in aller Regel ohne erkennbaren Bezug zu historisch-kritischen Forschungsergebnissen anderer Exegeten praktiziert wird. 120 Auffret hat neben zahlreichen Arbeiten, die er der Struktur von Einzelpsalmen gewidmet hat, auch zwei Studien über den Zusammenhang von Psalmen verfaßt. 121 Während wir die eine Untersuchung Auffrets, die in der Anordnung von Psl5—24 einen Großchiasmus herausarbeitet, im folgenden besprechen, fällt die zweite Untersuchung über die Wallfahrtspsalmen und ihren literarischen Anhang erst in das folgende Kapitel, das die Psalmgruppe mit einheitlicher Überschrift behandelt. Auffret arbeitet mittels einer Fülle von Stichwortverbindungen heraus, daß Ps 19 Zentrum einer Komposition ist, innerhalb derer er Ps 15 mit Ps 24, Ps 16 mit Ps 23, Ps 17 mit Ps 22 und Ps 18 mit Ps 20 sowie 21 vergleicht. Für Leser, die Auffrets strukturalen Exegesestil nicht teilen, ist die Materialfülle, die er ausbreitet, eher verwirrend. Doch lassen sich die Beobachtungen, die Auffret macht, auch mit den Mitteln der klassischen Formgeschichte nach vollziehen: 122

119 Vgl. z.B. B R E N N A N , BTB 10, 25-29; SCHREINER, in: Beiträge 241-277, L O H F I N K , F S Füglister 189-204, hier 201 ff., und ders., Kul 6,115-133, hier 120ff. 120 Die Kritik von SPIECKERMANN an den „Spanischen Stiefeln", mit denen einige Exegeten Psalmenexegese betrieben, (Heilsgegenwart 19) scheint nicht zuletzt auf Auffrets strukturale Analysen zu zielen. Doch stellt sich die Frage, ob die Ausgrenzung solcher neuen Methoden, wie sie Spieckermann - und er nicht allein - praktiziert, einer wissenschaftlichen Arbeit angemessen ist. M.E. entspricht es einer solchen methodischen Herausforderung eher, sie zu verstehen und zu integrieren zu versuchen, als sie mit pauschaler Polemik zu überziehen und praktisch zu ignorieren. 121 A U F F R E T , Sagesse, dort S . 407-438 eine Studie über Ps 15-24 und S. 439-549 eine Studie über die Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. und ihre Nachschrift. 122 Hierbei greifen wir auf die üblichen formgeschichtlichen Charakterisierungen der einzelnen Psalmen zurück, d.h. beschreiben Psl5 und 24 als Einzugsliturgie ungeachtet des Problems, ob diese nun wirkliche oder literarisch nachgeahmte Gattungen sind, dazu unten S. 135f. (bes. Anm. 353 und 354) und S. 140ff. (II.3.2.5, bes. Anm. 382). Dergleichen bestimmen wir Ps23 als Vertrauenspsalm, obwohl gelegentlich Ps23 auch als Danklied aufgefaßt wird (so z . B . SCHOTTROFF, in: Traditionen 78-113, und M I T T M A N N , ZThK 7 7 , 1—23). Diese Interpretation hat bei einer Betrachtung des Gefüges von Ps22—24 ihr Recht, da Ps23 zwischen einem Klagepsalm mit Lobschluß und einer Toreinzugsliturgie steht (s.u. II.3.2.3). Doch vom Gesichtspunkt der Einzelpsalmauslegung ist die Einordnung von Ps 23 als Danklied sehr problematisch, es fehlt z.B. die für Danklieder typische Eröffnungsformel mit m 1 Hi. Ps23 ist wohl einer der vielen Psalmen, die nicht in die Schemata der klassischen Formgeschichte hineinpassen (dazu unten 1.3.1). Da die Wurzel HT in Ps 23 nicht erscheint, wohl aber Vertrauensaussagen, liegt es insgesamt nahe, Ps23 als Vertrauenspsalm aufzufassen, wenn man überhaupt eine solche Gattung unterscheiden will (dazu unten 1.3.3). Auch die Gattungsbestimmung von Ps 18 ist schwierig, vgl. dazu unten 1.3.2.

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges von Psalmen (sogenannte) Toreinzugsliturgie Vertrauenspsalm des Einzelnen Klagelied des Einzelnen Königsdanklied Schöpfungshymnus/Torapsalm

Ps15 . . . . . .Ps16 . . . . .Ps17 . . . . .Ps18

25

.Ps24 . . .Ps23 . .Ps 22 Ps 20 f. Psl9

Der Ansatz von Auffret erscheint mir damit trotz aller methodischen Probleme, die beispielsweise die Verwendung auch von sehr allgemeinen Wörtern zur Herstellung der gesuchten Stichwortverbindungen bereitet, unterstützenswert. Die methodischen Probleme der Suche nach Stichwortverbindungen teilt Auffret mit vielen anderen Vertretern des hier zu besprechenden Erklärungsmodells des Psalters. Psalmensprache ist in einem sehr hohen Grad traditionell geprägte Sprache, so daß auch jede vom Exegeten selbstgemachte Zusammenstellung von Psalmen viele solcher Stichwortverbindungen aufweisen dürfte. Methodisch zugänglicher sind historisch-kritisch geschulten Exegeten die Ansätze der Forscher, die auch die historischen Ansätze in Barths Verkettungsmodell aufnehmen. E. Zengerhat in einem jüngst erschienenen Aufsatz Barths Ansatz verallgemeinert, indem er generell fordert: „Bei kanonischer Psalmenauslegung sind die Beziehungen eines Psalms zu seinen Nachbarpsalmen zu beobachten." 123 Zenger übernimmt Barths Fragestellung einschließlich der Methode, die Entstehung des Psalters mit redaktioneller Detailarbeit erklären zu wollen. 124 Neu führt er dabei den Begriff der „kompositionellen Einheit" 125 ein. Er hat zugleich den Ansatz von Auffret weitergeführt, indem er ihn in den Kontext seiner Analyse der kompositorischen Einheiten stellt. Nach Zenger sind die Ps 3 - 1 4 ; 15 - 24; 25 - 3 4 und 42-49 j eweils um die Hymnen Ps 8; 19; 29; 46 herum chiastisch angeordnet. 126 Diese weiteren Beobachtungen von Zenger, die uns in der Detailanalyse der Kompositionseinheiten noch eingehend beschäftigen werden, führen aber über den strengen Chiasmus von Psl5—24 hinaus und konstatieren eine Tendenz innerhalb der Kompositionseinheiten von der „Sehnsucht zur Begegnung mit dem in Ps29 gefeierten Götter- und Weltenkönig, . . . während Ps30—34 Zeugnis davon ablegen wollen, wie sich im konkreten Alltag die Güte des in Ps 29 gefeierten und im Tempel gegenwärtig werdenden himmlischen Königs erweist." 127 Zenger arbeitet damit heraus, daß es weniger um die formal-ästhetische Übereinstimmung von Psalmen in ihrer Anordnung geht, als um einen kultischen oder nachkultischen 128 Prozeß, der sich in den Psalmen darstellt. Unwahrscheinlich hingegen ist m.E. ein

123

ZENGER,

vg] Anm. 26. 124 125 126 127

128

z ß

FS Füglister 3 9 9 . die verschiedenen Deutungen von Ps2 durch

FS Füglister 4 0 3 . FS Füglister 4 0 3 - 4 0 6 . ZENGER, FS Füglister 4 0 6 . Dazu STOLZ, Psalmen. ZENGER,

ZENGER,

ZENGER,

siehe dazu oben S. 10

26

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

Lösungsversuch, mit dem J. Schreiner 129 Ps22 als Mitte des ersten Psalmbuches verstehen will. Ps22 hat zwar als Klagepsalm mit sehr ausführlichem Lobschluß eine besondere Bedeutung für die kanonische und insbesondere die christliche Psalmenauslegung. 130 Doch reißt die postulierte Mittelstellung von Ps22 diesen Psalm aus der Reihe von Ps22—24 heraus, in der der klagende Beter von der Not (Ps22) über das Vertrauen (Ps23) zum Tempel (Ps24) geleitet wird. 131 Außerdem hat Ps22 keine Beziehung zur Überschrift des Psalters Ps 1 f., während in der Analyse von Auffret Ps 19 als Mittelpunkt des mittleren Kompositionsbogens mit den umgebenden Psalmen mit Königsmotiven Ps 18 und 20f. synchron als Rückbezug zur Abfolge Tora- und Königspsalm Ps 1 f. im Eingangsteil verstehbar ist. Im Gegensatz zu den Psalmengruppen, die wir im folgenden behandeln werden, sind sowohl die Beobachtung von Stichwortverbindungen als auch chiastische Konstruktionen nicht deutlich begrenzbar: Beispielsweise die Chiasmusanordnung von Psl5—24 läßt sich formgeschichtlich auch auf die umgebenden Klagelieder ausdehnen. Hierbei entsprechen Ps 14 Ps25 (jeweils weisheitliche Klagen) und P s l l —13 Ps26—28. An diese Kleingruppen von Klagepsalmen grenzen jeweils Hymnus und Danklied. 132 Beobachtungen wie die von Stichwortverbindungen und Chiasmen im Großkontext haben also eine gewisse Randunschärfe, während die im folgenden Kapitel zu untersuchenden Psalmgruppen durch ihre gemeinsamen Überschriften klar begrenzt sind. Obwohl - besser gesagt: gerade weil - sich die Beobachtungen zu Stichwortverbindungen nahezu durchgängig im Psalter finden, werden wir diesen Weg also in dieser Arbeit nicht vorrangig weiterverfolgen. Auch der vereinzelte Ansatz in einem früheren Aufsatz von M. D. Goulder, eine Psalmengruppe unter ausdrücklichem Verzicht auf die Beachtung der Überschrift zu konstruieren, bereitet diese Schwierigkeiten. 133 Goulder setzt hier die von ihm erst zu begründende Psalmgruppe des vierten Psalmbuches als zusammengehörige Herbstpsalmen voraus und stellt fest, daß dazu nicht die Überschriften passen. Daß die unpassenden Überschriften aber ein weiteres Gegenargument gegen seine höchst problematische Liturgiekonstruktion sind, in der er beispielsweise 17 Psalmen auf 8 Festtage zu jeweils 2 Gottesdiensten verteilt und deswegen noch einen besonderen Abschlußgottesdienst postulieren muß, wird bei ihm ausgeblendet. Hier ist der Ansatz von E. Zenger, der die Systematik des vierten Psalmbuches auf der Ebene des vorliegenden Textes untersucht, ohne dem vierten Psalmbuch einen gottesdienstlichen Sitz im Le-

129

SCHREINER, Stellung. Vgl. insbes. DEISSLER, in: „Ich will . . . " 9 7 - 1 2 1 , und GESE, Psalm 22. 131 Siehe dazu unten vor allem II.3.2.3. 132 Ps8/9(f.) und Ps 29/30. Zur Nicht-Invertierung der Folge von Hymnus-Danklied siehe unten S. 126 f. 133 GOULDER, JTS 2 6 , 2 6 9 - 2 8 9 , hier 269: „The headings do not suggest any sub-collection: xc is , A Prayer for Moses, the man of God', ci and ciii are ,Psalms of D a v i d ' . . . " 130

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges

von Psalmen

27

ben zuzuweisen, bescheidener und methodisch präziser. 134 Implizit hat sich Goulder, was das Übergehen der Psalmüberschriften angeht, selbst korrigiert, da er in beiden umfänglichen neueren Arbeiten Psalmengruppen behandelt, die durch ihre gemeinsame Überschrift gekennzeichnet sind. 135

2.3 Durch Überschriften gekennzeichnete 2.3.1

Psalmengruppen

Übersicht

Die Psalmenüberschriften werden oft literarkritisch behandelt. 1 3 6 Erst mit vereinzelten jüngeren Arbeiten über Psalmgruppen, die durch eine gemeinsame Personenüberschrift konstituiert werden, ist die Bedeutung der Psalmüberschriften zur Gliederung des Psalters zum Ausgangspunkt der Exegese gemacht worden. Am markantesten sind dabei die Psalmengruppen, die durch einen Hinweis auf eine gemeinsame Person zusammengehören. G. H. Wilson, der im Rahmen seiner Dissertation ausführlich über die Psalmüberschriften gearbeitet hat, 1 3 7 stellt sogar heraus, daß nicht nur die Psalmüberschriften, die einen Namen nennen, in Gruppen angeordnet sind, sondern auch die weitgehend ungeklärten anderen Überschriften. Solche Kleingruppen werden durch folgende Überschriftselemente konstituiert: 138 -riaTÖ orpö

nxiz? Voipa -HP

Ps3—6; 1 9 - 2 4 ; 2 9 - 3 1 ; 3 8 - 4 1 ; 4 7 - 5 1 ; 6 2 - 6 8 ; 7 5 - 7 7 ; 8 2 - 8 5 ; 1 0 8 - 1 1 0 ; 138-140 Ps 55—60 (insgesamt nur noch Ps 16) Ps4—6; 1 1 - 1 4 ; 1 8 - 2 2 ; 3 9 - 4 2 ; 4 4 - 4 7 ; 5 1 - 6 2 ; 6 4 - 7 0 ; 7 5 - 7 7 ; 1 3 9 - 1 4 4 Ps 5 2 - 5 5 Ps65 - 6 8 ( + n f 7 » a : P s 120-134).

Besonders an den Stellen, an denen ein neues Psalmbuch beginnt, wechselt zugleich das Überschriftensystem vollständig, während es an anderen Übergangsstellen immer teilweise gemeinsame Elemente gibt, die die unterschiedlichen Psalmgruppen verbinden. 139 Schließlich haben auch die Psalmen ohne Überschrift 140 einen markanten Schwerpunkt im vierten Psalmbuch:

134 ZENGER, FS Ehrlich. Zenger sieht das vierte Psalmbuch als kompositionell gestaltete Einheit mit Bezug auf die Tora (aaO. 245f.), dazu unten II.3.4, vgl. auch III.3.3.4. 135 GOULDER,Prayers;sowieders.,Psalms. 136 Vgl. als jüngstes Beispiel SMITH, Z A W 1 0 3 , 2 5 8 - 2 6 3 , hier 259. 137 WILSON, V T 3 4 , 3 3 7 - 3 5 2 , hier 341 ff., sowie ders., Editing, vgl. auch SEYBOLD, Psalmen 1 0 5 f. 138 Eine ausführliche Tabelle zu allen Überschriftselementen findet sich bei WILSON, Editing 2 3 8 - 2 4 4 . Vgl. auch im Anhang Tabelle 1. 139 v g l . z. B. Ps 89/90 als völligen Bruch des Überschriftensystems vom 3. zum 4,Psalmbuch (WILSON, VT 34, 348) gegenüber P s 4 9 - 5 1 , wo zwar die Personenzuordnung wechselt, aber jeweils wenigstens ein Überschriftenelement erhalten bleibt und kein Psalmbuch beginnt (aaO.345).

28

Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

Ps91; 9 3 - 9 7 ; 99. Sogar der Ausruf Hallelujah steht in der Hebräischen Bibel, w o er zumeist als Psalmeinleitung in einer selbständigen Halbzeile geschrieben ist, als Psalmtrenner, 1 4 1 also gleichsam als Überschrift, 1 4 2 in Reihe. Deutlicher noch als im hebräischen Text ist dies in der Septuaginta, w o die Neuabgrenzung von Psalmen durch die Setzung von Hallelujah gesichert wird. D i e Septuaginta bereinigt sogar die Setzung von Hallelujah, das im masoretischen Text bald als Überschrift, bald als Unterschrift erscheint, innerhalb der Psalmen M T Ps 111 —119, indem es den transliterierten Text (A/Jj-|Aoma) konsequent als Überschrift einsetzt, und zwar auch über den durch Teilung v o n M T Ps 116 neugebildeten Psalm L X X Ps 115 und vor L X X Ps 118 ( = M T Ps 119). U m g e kehrt läßt sich die Septuaginta bei der Textzusammenfügung von Ps 114 und Ps 115 eventuell v o n d e m vor Ps 115 fehlenden Hallelujah leiten. Mit einleitendem Hallelujah werden die Psalmen Ps 1 0 4 - 1 0 6 ; 111-118; 135 f. und 1 4 5 - 1 5 0 zusammengeordnet. Wir behandeln sie im folgenden wie die anderen durch eine Überschrift zusammengestellten P s a l m e n . 1 4 3 D i e Hinweise auf Personen sind zudem auch die einzigen Hinweise aus den Psalmüberschriften, für die es einen inhaltlich sicheren Hinweis zur Interpreta-

140 Der Talmud hat die Bezeichnung „Waisenpsalm" (»an' nata, bAZ 24b) für überschriftslose Psalmen geprägt. 141 Zur Ausnahme von Ps 115 siehe oben S. 13f. und unten 1.2.3.2. Die Aufforderung zum Lobpreis Hallelujah gehört auch sachlich vor den Lobpreis (vgl. z . B . Neh 9,5ff., dazu W E S T E R M A N N , Lob 99 Anm. 85, dort weitere Literatur, insbes. die Abgrenzung gegen G U N K E L , Einleitung 3 7 f., der den Ausdruck Hallelujah für die Urzelle des Hymnensingens hielt). 142 So auch bPes 117a, wo n,1t7l7n in eine Reihe mit Überschriften wie niXJ, TU3, -nata, T®, 'HPK, nVnn, n"?sn und mniil gestellt wird. Beachtlich ist auch die Nennung des Psalmanfangs 'HPK (glücklich) in dieser Reihe von sonst vermutlich technischen Psalmüberschriften. Vgl. jedoch auch die Diskussion bPes 117a, ob m^Vn als Anfang oder Ende des Psalms zu verstehen sei. Die Diskussion bleibt unentschieden, weil ein Rabbiner n'l^Vn in der Mitte eines Abschnittes (d.h. Psalms) in einer Handschrift gesehen hat (ebd.). Während letzteres Einzelproblem durch die Überlagerung zweier verschiedener Psalmtrennungen im Ägyptischen Hallel bedingt sein dürfte, liegt die Lesart, die Hallelujah als Psalmschluß versteht, auf einer anderen Ebene: Hallelujah ist in bestimmten Fällen Antwort auf die Zitierung des Halleis (mSuk 3,10). Vgl. auch die Übersicht im Anhang Tabelle 2. m1?1?;! ist auch in HQPs a deutlich als Überschrift verwendet (mit S A N D E R S , ZAW75,73-86, hier 75). Interessanterweise übersetzen die antiken Übersetzungen Hallelujah, wenn es überhaupt übersetzt wird, mit Begriffen für Danklied (aaO. 77). Zur Diskussion, ob Hallelujah ein Begriff oder mit Maqef zu trennen und damit eine Aufforderung sei, vgl. bereits die Diskussion bPes 117 a, wo beide Traditionen auf bereits in tannaitischer Zeit vorhandene unterschiedliche Schreibweisen zurückgeführt werden. Wegen der unterschiedlichen Schreibweisen (ein oder mehrere Worte) benutzen wir hier undifferenziert den deutschsprachigen Begriff. 143 vgl. auch den Ansatz von B A R R É , C B Q 45,195—200, der den Ausdruck insbesondere im Textbereich von Ps 104f. als Texttrenner versteht.

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges von Psalmen

29

tion gibt. 144 Alle anderen Textbestandteile der Psalmüberschriften sind hinsichtlich ihrer speziellen Bedeutung mehr oder weniger ungeklärt. 145 Wir interpretieren deswegen die Psalmüberschriften nur als Zuordnungsverweis innerhalb eines Textzusammenhanges und lassen die Frage des Inhaltes der Überschriftselemente offen. Auch für die personenbezogenen Überschriften ist eine solche Zurückhaltung zunächst angesagt, da es als eines der ersten Ergebnisse historisch-kritischer Erforschung des Alten Testamentes gelten kann, daß die Psalmen beispielsweise nicht davidischen Urspunges sind. 146 Ob diese Überschriften nun historisch ursprünglich zum Psalm selbst gehören oder Teil einer Redaktion sind, ist für die Feststellung unerheblich, daß sich in den Überschriften ein Zuordnungssystem der Psalmen widerspiegelt. Sie wird allerdings im Zuge der Frage, auf welcher historischen Ebene die Psalmgruppen zu verorten sind, zu verhandeln sein. Es erscheint also als der methodisch sicherste Weg, dem Verweissystem der Überschriften nachzugehen. 147 Wir gehen nun einige solcher Psalmgruppen durch, wobei deren Behandlung an dieser Stelle durch den bisher erreichten Forschungsstand vorgegeben ist. 148 Innerhalb der durch Personennamen gekennzeichneten Psalmgruppen stehen insbesondere die Davidpsalmen in zwei großen (Ps3—41; 51—70149) und mehreren kleinen Gruppen zusammen. Die erste Gruppe von Davidpsalmen bildet im wesentlichen das erste Psalmbuch, die zweite Gruppe steht im zweiten Psalmbuch, 150 wobei diese Gruppe durch die erste Sammlung von Korachpsalmen (Ps42 und 44—49) und den einzelnen Asaphpsalm Ps50 eingeleitet wird und durch einen überschriftslosen (Ps 71) und einen Salomopsalm (Ps 72) ab144 Siehe unten III.3.3.2 zu den Levitengruppen im Kontext der Vorstellung des davidischen Psalters, sowie die Überlegungen zur historischen Ebene III.1.3.2. 145 Einen der vielen unzulänglichen Versuche dieser Art hat unlängst KOENEN, ZAW 103, 109—112, vorgelegt. Koenen kann für seine neue Deutung zwar einleuchtende wortgeschichtliche Grunde anführen, doch sind die mit VsiPQ überschriebenen Psalmen vom Inhalt her weder als Wechselgedichte ausgewiesen, noch sind sie (so die üblichere Deutung) durchweg als weisheitlich zu kennzeichnen. Vgl. zur Übersicht über den Forschungsstand immer noch

KRAUS 1 4 f f . 146

GOULDER, Prayers 9, hat als einer der wenigen neueren Exegeten die Idee einer Autorenschaft Davids oder von Personen der Davidzeit bei den unter Davids Namen laufenden Psalmen wieder aufgegriffen. 147 So auch in seinem unlängst erschienenen Buch: GOULDER, Prayers 8.247. Dort kündigt GOULDER auch ein weiteres Buch über Psalmen an, die ebenfalls durch Überschriften miteinander verbunden sind: die Asaphpsalmen (mit der Ausnahme von Ps50). Vgl. auch WILSON, VT 34, der dort Psalmbuchwechsel beobachtet, wo das Überschriftensystem völlig wechselt (z.B. Ps89/90, aaO. 348), während dort, wo nur ein Teil des Überschriftensystems wechselt, kein Psalmbuch neu beginnt (z.B. P s 4 9 - 5 1 , aaO. 345). 148 Eine vollständige Übersicht über die erscheinenden Termini in den Überschriften findet sich bei WILSON, VT 34,238ff. Vgl. auch im Anhang Tabelle 1. Relevant sind in der folgenden Darstellung nur Hinweise auf einen gemeinsamen traditions- oder formgeschichtlichen Hintergrund der Psalmengruppen. 149 Ps 10 und 33 sind neben Ps 1 f. überschriftslose Psalmen, Ps 67 hat nicht das Überschriftselement Tll 1 ?. Zur Eingliederung dieser Psalmen siehe unten II.3.1 und II.3.2. 150 Ps51—70, ohne Ps67.

30

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

geschlossen wird. Da sich im dritten Psalmbuch wieder Asaphpsalmen (Ps 73—83) und Korachpsalmen (Ps84; 85; 87; 88) anschließen, kann man abgesehen von den Einzelpsalmen sagen: Die zweite Sammlung von Davidpsalmen wird durch Asaph- und Korachpsalmen gerahmt. 151 Während das erste Psalmbuch nur Davidpsalmen und einige wenige überschriftslose Psalmen enthält, sind im zweiten und dritten Psalmbuch alle Psalmen levitischer Sängergilden vertreten. Das vierte und fünfte Psalmbuch hingegen enthält alle Gruppen von überschriftslosen, Hallel- und Wallfahrtspsalmen, sowie kleinere Gruppen von Davidpsalmen. Diese Psalmgruppen sind immer wieder von einzelnen Psalmen teils ohne Überschrift, teils mit anderer Überschrift durchbrochen bzw. gerahmt. Das Verhältnis der Psalmgruppen zu diesen Einzelpsalmen wird uns noch beschäftigen müssen. 152 2.3.2 Das Ägyptische

Hallel

Wir bemerkten bereits die besonders großen Probleme mit der Psalmabgrenzung in Ps 113 —118.153 Diesem Problem der Abgrenzung der einzelnen Psalmen entspricht, daß Ps 113—118 die für Juden und Christen wohl bekannteste Psalmengruppe sind. Dort, wo die Psalmengruppe in der Wirkungsgeschichte dominant wird, schwindet offensichtlich die Wichtigkeit der Abgrenzung von Einzelpsalmen. Diese Psalmen sind in der Zeit vor 70 n. Chr. als Teil der Liturgie beim Schlachten der Pessachlämmer im Tempel und beim häuslichen Pessachmahl belegt. 154 In diesem Zusammenhang treten sie auch im Neuen Testament auf. 155 Aber auch ihre Verwendung bei den anderen Wallfahrtsfesten ist belegt. So faßt beispielsweise die Tosephta Sukkot die Verwendungen dieses Hallels zusammen: 1 5 6 151

Vgl. dazu folgende Tabelle: Korach Asaph David Salomo Asaph Korach Ps 4 2 ; 4 4 - 4 9 50 5 1 - 7 0 72 7 3 - 8 3 84f.;87f. 152 Siehe dazu unten den dritten Hauptteil, der den Aufbau des Psalters behandelt, passim. 153 Siehe oben S. 13 f. 154 mPes 5,7; 9,3; tPes 3 (4),11 (Belege für das Hallelsingen beim Pessachopfer im Tempel); 10,5—7 u.a., vgl. Mt 26,30 (Belege für das Hallelsingen beim Hausseder) (dazu z. B. SCHÄFER, in: Literatur 3 9 1 - 4 1 3 , hier 410). 155 Vgl. die Stellen Mt 26,30; Mk 14,30, nach denen das Hallel das letzte Mahl Jesu abschloß. Auf die sehr kontroverse Diskussion, ob das letzte Mahl Jesu ein Pessachmahl gewesen sei, wofür seine Datierung bei den Synoptikern spricht, kann hier nicht eingegangen werden. Auch in der seit BLINZLER, Prozeß, üblichen Bevorzugung der johanneischen Datierung der Leidensgeschichte Jesu als historisch originaler Chronologie, in der der Tod Jesu selbst dem Pessachopfer im Tempel entspricht, ist der Bezug zwischen dem letzten Mahl Jesu und dem Pessachmahl keineswegs irrelevant. Gemäß dieser Datierung rückt das Abendmahl der nachösterlichen Gemeinde allerdings mittelbar ebenfalls in den Kontext des Pessachmahles, weil es in diesem Fall im gemeindlichen Abendmahl um die Erinnerung an das Pessachopfer Christi geht. 156 tSuk 3,2. Vgl. z. B. auch mSuk 3,10f. zu Sukkot, dem Laubhüttenfest. Von der heutigen jüdischen Liturgie her ist der Monatsanfang als Zeit der Hallelzitierung hinzuzufügen (siehe

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges

von Psalmen

p I^KI y ? n n n x i n a i n a n i n s nV'Vi a v -\m

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n s u n 'B' n n a a n :mn ^

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3it3 a v

31

n o o Vw i i w i n n y m a v liwnn aio a n

An 18 Tagen und in einer Nacht spricht man das Hallet, nämlich: an den 8 Tagen des Laubhüttenfestes157 und an den 8 Tagen von Chanukka, am ersten Tag von Pessach und in (beiden) Pessach-Nächten156 und am ersten Tag des Wochenfestes. Innerhalb dieser Verwendungen des Hallels ragt die am Pessach-Abend eindeutig hervor. Das legt sich von der Verknüpfung besonders der Pessachfeier mit der Erinnerung an den Auszug aus Ägypten auch von Ps 114 her nahe. Beispielsweise in bPes 118 a findet sich folgende Aufzählung von wichtigen Motiven der Pessach-Feier und ihre Entsprechung in den Hallel-Psalmen: -

der Auszug aus Ägypten (Ps 114,1) die Spaltung des Schilfmeeres (Ps 114,2) die Gabe des Gesetzes (Ps 114,3) die Auferstehung der Toten (Ps 116,9) die Leiden der messianischen Zeit (Ps 115,1).

Der Auszug aus Ägypten steht hier an erster Stelle. Dem antiken Leser war offensichtlich der Zusammenhang dieser Psalmengruppe und ihr Bezug auf den Auszug aus Ägypten selbstverständlicher, als es modernen literarkritisch und in der Einzelpsalmexegese geschulten Exegeten erscheint. Es ist deswegen angemessen, die Bezeichnung von Psalm 113—118 als Ägyptisches Hallel (ninxa KV?n)159 aus der rabbinischen Tradition zu übernehmen. Der Bezug dieser Psalmengruppe insbesondere auf Pessach wird auch durch die Unterteilung des Großtextes Ps 113—118 in Einzelpsalmen deutlich: Hier weicht die Unterteilung nach dem psalmtrennend gebrauchten Hallelujah genau dort von der Einteilung in Einzelpsalmen ab, wo in der Pessachliturgie nach der geltenden Halacha der Hillel-Schule eine Pause beim Zitieren des Hallels gemacht wird: zwischen Ps 114 und 115.160 Hier ist also offensichtlich die Einteilung in Einzelpsalmen durch die Liturgie gegenüber der Einteilung, die durch das

n a s nst? TITO 203). Bei weniger wichtigen Festtagen werden bei der Zitierung des Hallels die Ps 115 und 116 allerdings ausgelassen (dazu ELBOGEN, Gottesdienst 125). 157 Mit absolutem Inn (das Fest) ist immer das Herbstfest gemeint, auch wenn SAFRAI, Wallfahrt 45, betont, daß alle drei großen Wallfahrtsfeste in etwa gleich viele Pilger hatten. 158 Der Plural kommt durch die Möglichkeit des Nachpassa (Num 9,6ff.) zustande, auch hier ist also Hallel zu sagen. Das ist keine Spannung zur Einleitung des Abschnittes („in einer Nacht"), da die einzelnen Teilnehmer natürlich nur einmal pro Jahr Passa feiern. 159 So z.B. bBer56a. 160 mPes 10,6 in der Auffassung der Hillelschüler (gegen die Auffassung der Schüler von Schammai). Die Septuaginta (dazu bereits oben S. 8ff.) teilt also das Ägyptische Hallel nicht der Pessachliturgie im Sinne Hilleis entsprechend.

32

Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

Hallelujah erfolgte, sekundär. 161 Der vorliegende masoretische Text ist in seiner Abgrenzung in Einzelpsalmen durch die bis heute übliche Pessachliturgie der Hillelschule geprägt. Diese Psalmengruppe wird in der rabbinischen Literatur oft auch einfach V7Hn, „Das Hallel", genannt. 1 6 2 Da diese Bezeichnung aber nicht völlig eindeutig ist, 163 weil es auch ein sogenanntes Kleines Hallel (Ps 146—150) und ein Großes Hallel (wahrscheinlich Ps 136, siehe unten) gibt, ist die geläufige Bezeichnung Ägyptisches Hallel zugleich die eindeutigste. Möglich, aber dann nur vom Kontext her eindeutig, ist weiterhin die Bezeichnung der Psalmgruppe nach dem Psalmtrenner Hallelujah.164 Exkurs: Z u r B e z e i c h u n g „Großes Hallel" Das Große Hallel ist nach bPes 118 a ein Psalm bzw. eine Psalmengruppe, die nach dem letzten Segensbecher der Pessachliturgie, also nach Ps 118, zu beten ist. 165 Von der noch zu interpretierenden Stellung im Psalter her 166 steht also der liturgische Abschluß des Ägyptischen Hallels in der Pessachliturgie durch Psll9ff. von diesem getrennt. Hinsichtlich der Abgrenzung des Großen Hallels überliefert der Talmud folgende Positionen: R.Jehuda: Psl36 R. Jochanan: Ps 120 (bzw. 134167) -136 R. Achaben Jaqob: Ps 135-136. Insbesondere H. Graetz hat dabei die Lösung favorisiert, das Große Hallel seien die Wallfahrtspsalmen Psl20ff. mit den nachfolgenden Hymnen Ps 135 f. 1 6 8 Graetz argumentiert damit, daß ein Großes Hallel umfangreicher als die anderen bekannten Hallel sein müsse. Mit diesem Argument setzt sich nun aber bereits der Talmud implizit auseinander, wenn es weiter heißt:

o^iy

Vmn V7n law s-ipj na^i prrr 'an nax i s n a aarp xm -p-o tmpnw '33B nna tt m:ua p^nai

Und warum wird es „Großes Hallel" genannt? Sagt Rabbi Jochanan: Weil der Heilige, gepriesen sei er, in seiner Höhe des Weltalls wohnt und doch allem Geschöpf Nahrung zuteilt. (bPes 118 a) 161 Von dorther erklären sich die Differenzen bei der Abgrenzung der Psalmen des Hallels in der Textüberlieferung s.o. 1.1 (S. 8f. und 13f.). 162 So etwa mPes 10,7. Ähnlich z.B. KWn in bPes 115b. Nicht ganz eindeutig ist die Stelle bSchab 118b, dazu unten 1.2.3.3 (S. 34 Anm. 181). 163 So in mTaan 4,4. 164 Soz.B. bBer 9b; bPes 117a.b (20 Stellen); bSuk 38b (5 Stellen). 165 Nach einer in bPes 118 a überlieferten Sondertradition tritt der beliebte Ps23 an diese Stelle. Siehe unten III.3.2.1 und 3.3.1. 167 Es wird nur das der Gruppe Ps 120-134 gemeinsame Überschriftselement zitiert. 168

GRAETZ, MGWJ 28,193-215.241-259, hier241f.

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges

von Psalmen

33

Bemerkenswert ist dabei, daß die inhaltliche Argumentation zur Bezeichnung Großes Hallel von R.Jochanan erfolgt, also dem, der in der Interpretation von Graetz überhaupt nicht den Ausdruck hätte begründen müssen, wenn seiner Meinung nach das G r o ß e Hallel umfangreicher als die anderen Hallel gewesen wäre. Damit scheidet also die Lösung, die Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. insgesamt zusammen mit Ps 135 und 136 f ü r das G r o ß e Hallel zu halten, aus. Inhaltlich bezieht sich die Argumentation auf die in Schöpfungshymnen geläufige R e d e von Gott als Nährer der Tiere, die beispielsweise im sogenannten kleinen Hallel 1 6 9 vorkommt, aber nicht explizit im G r o ß e n Hallel. N u n hat aber Ps 136 einen sehr ausführlichen Teil über Gott als Schöpfer, und R.Jochanan wird in seiner Argumentation, wenn er überhaupt auf einen in unserem Zusammenhang relevanten Text anspielt, Ps 136 gemeint haben. Die Deutung von Graetz, die eine Weiterinterpretation der ersten Aussage von R.Jochanan darstellt, scheidet also aus. Mit dem G r o ß e n Hallel ist mit einiger Sicherheit P s l 3 6 gemeint, 1 7 0 der auch in der heutigen Pessachliturgie nach dem Ägyptischen Hallel gesungen wird. Bestenfalls käme noch die Variante von R. Acha ben Jaqob in Frage, nach der Ps 135 und 136 zusammen das G r o ß e Hallel genannt würden. A b e r dies ist ebenfalls weder auslegungs- noch liturgiegeschichtlich weiter belegt. 1 7 1 D a ß Ps 136 ein zusätzlicher Abschlußpsalm des Ägyptischen Hallels bei der PessachLiturgie ist, ist nicht nur die mischnisch belegte Sitte, sondern hat auch eine Entsprechung in den Texten selbst: Ps 118 und 136 haben denselben A n f a n g . 1 7 2 Ps 136 ist aber auch in anderem Zusammenhang verwendet worden. Beispielsweise singt nach der Darstellung von I M a k k 4,24 das H e e r von Judas Makkabäus diesen Psalm als Siegeslied. Bemerkenswert ist auch, daß bPes 118a von P s l 3 6 als Pessach-Psalm her sogar fragt, warum zusätzlich noch die Psalmen des Ägyptischen Hallels zu beten wären.

Formgeschichtlich zeichnet sich das Ägyptische Hallel durch die ausschließliche Verwendung von Hymnen und Dankliedern aus. Zudem fällt die Doppelung der Abfolge von Hymnus-Danklied am Schluß der Sammlung ( P s l l 5 f . und 117f.) auf. 173 Gerahmt ist diese Gruppe von akrostichischen Weisheitspsalmen ( P s l l l ; 112 und 119), die aufeinander bezogen sind. 174 Gegenüber der wirkungsgeschichtlichen Zusammengehörigkeit von Ps 113—118 wird das 169

Vgl. z . B . P s 145,15 und 147,9. So z. B. auch mTaan 3,9, wo eine regelrechte Definition erfolgt, um deren Eindeutigkeit willen sogar als Psalmanfang ausnahmsweise zwei Verse zitiert werden. Vgl. mTaan 3,9; mSuk 4,1.5.8; mRH 4,7; mMeg 2,5; mSot 5,4; mBer 4,2; bPes 118a sowie die Übersicht bei CORRENS (Hg.), Taanijot 95 Anm. 109. 171 Der Anfang vermutlich von Ps 136 erscheint z. B. bereits auch in IMakk 4,24, womit auf den ganzen Psalm angespielt wird. 172 Die Formel i700 •"jis?1? '3 310 '3 mrr1? Hin erscheint auch in der Eröffnung der Ps 106f., siehe dazu unten III.3.3.1 sowie 2.1.2. 173 Beim Beten des halben Ägyptischen Hallels beispielsweise an den Neumondstagen und den meisten Mazzottagen (ab mittelalterlicher Zeit) wird die formgeschichtliche Doppelung aufgehoben, indem Ps 115f. ausgelassen werden (siehe dazu ELBOGEN, aaO. 125). 174 Ps 111 und 112 haben auch die „Überschrift" rp"lV7n. In der Septuaginta hat auch Ps 119 (LXX Ps 118) diese Überschrift. Ps 112 und 119 beginnen mit dem gleichen Wort, Zur engen Beziehung von Ps 111 und 112 vgl. ZIMMERLI, Zwillingspsalmen (s.o. 1.2.1). Zu Akrosticha wie Ps 111; 112 und 119 als späte, schriftliche Psalmen hat CRÜSEMANN, Studien 296ff., das Nötige gesagt. 170

34

Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

überschriftsartige Hallelujah also auch für den schriftlichen Rahmen 1 7 5 dieser Psalmen gebraucht. 2.3.3

Das kleine

Hallel

Wie das Ägyptische Hallel umfaßt das sogenannte kleine Hallel Lobpsalmen (Ps 146—150), die mit einem Akrostichon (Ps 145) eingeleitet werden. Formgeschichtlich sind die Psalmen des Kleinen Hallels einheitlich imperativische Hymnen. Gegenüber dem Ägyptischen Hallel fehlen die Dankpsalmen. Der Bezug der Psalmen aufeinander als Gruppe ist durch das gemeinsame überschriftsartig verwendete Element Hallelujah116 sowie durch Stichwortverbindungen 177 und Themenwiederholungen 1 7 8 gesichert. Die Themenwiederholungen sprechen für ein Wachstum dieser Gruppe insbesondere am Schluß 179 im Zuge der Komposition des Gesamtpsalters. 180 Doch im Gegensatz zum Ägyptischen Hallel ist ein originaler gottesdienstlicher Sitz im Leben dieser Psalmen als Gruppe erst talmudisch bzw. mittelalterlich nachweisbar 181 und damit für die Zeit der Formation des Psalters unwahrscheinlich. Da Ps 146,4 in IMakk 2,63 verwendet wird, scheiden eine späte makkabäische Datierung dieses Einzelpsalms sowie der Psalmgruppe oder gar eine nachmakkabäische Datierung aus. 1 8 2 Dies ist besonders interessant, weil der Schluß des kleinen Hallels gern in seiner Funktion als Abschluß des Psalters interpretiert wird. 183 Wenn die gesamte Psalmengruppe zur Zeit der Kanons175

Siehe vorherige Anmerkung. Zur Sache vgl. auch unten 1.2.4. In Ps 146,1 findet sich der Ausdruck mit Maqef (n^'l^n). Vgl. die Übersicht im Anhang Tabelle 2. 177 ZENGER, Morgenröte 47, verweist z. B. auf Ps 146,10 mit 147,12; 147,4 mit 148,3; 147,11 mit 149,4; 147,20 mit 148,14; 148,14 mit 149,1.9, sowie generell Ps 148 mit 150. 178 Beispielsweise KSELMAN, CBQ 50, 587-599, verweist auf die doppelte Aufnahme der Themen „David und Jerusalem" in Ps 146f. und 149 und „Schöpfung" in Ps 148 und 150. 176

179

180

KSELMAN, C B Q 50.

So z.B. STRAUB, Gott 14, und ZENGER, Gott 53ff. 181 Gegen GRAETZ, MGWJ 28, 253f. Graetz verweist auf die heute gängige Praxis, das kleine Hallel täglich zu beten. Doch ist die von ihm für eine Datierung dieser Praxis in der Antike angeführte Stelle aus bShab 118 b, die er zudem methodisch sehr unsicher nach dem Rabbinennamen, R. Josse, einen Tannait um 130 n. Chr., datiert und inhaltlich aus der noch späteren Stelle Sof 17,11 als auf das kleine Hallel bezogen interpretiert, sowie das noch spätere Responsum Salomo Ibn-Bergas zu spät, um als historische Quelle für die Zeit der Entstehung des Psalters zu dienen. Die von Graetz angeführten Belege sind zudem nicht völlig eindeutig. Heute werden sie oft dahingehend interpretiert, daß die tägliche Rezitation des Ägyptischen Hallel verboten sei (z.B. THOMA, in: Liturgie, 91-104, hier 98). Beachtlich ist weiterhin, daß bShab 118b von einer besonderen Gruppe spricht, die ein Hallel täglich sprechen will. Da dies eine abgewiesene Meinung ist, legt sich die auch philologisch einfachste Lösung nahe, daß in bShab 118b die Meinung abgewiesen wird, das Ägyptische Hallel täglich zu beten (dazu oben Anm. 162). 182 Gegen DUHM (Z. St.), der übersieht, daß Ps 146 in IMakk 2,63 bereits als Schrift zitiert wird, also bereits vorhanden ist, was seine Interpretation der Entstehung des Psalms aus makkabäischer Zeit widerlegt. 183 STRAUB, Gott 14, betont die Abschlußfunktion von Psl50, vgl. z.B. auch ARENS,

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges

von Psalmen

35

bildung wohl einen ausschließlich schriftlichen Sitz im Leben hat, wird zudem zu fragen sein, welche Funktion sie als Gruppe für den Psalter als Ganzen hat. 184 2.3.4

Die Wallfahrtspsalmen

Ps 120ff.

Eine weitere Gruppe von Psalmen ist durch das Überschriftselement rrfryan 185 eindeutig als zusammenhängende Gruppe von Psalmen ausgewiesen: die sogenannten Wallfahrtspsalmen. 186 Die formgeschichtliche Bezeichnung Wallfahrtspsalm wird innerhalb dieser Psalmen besonders gern auch für den einzelnen Psalm 122 verwendet. 187 Teilweise geben sich Psalmen dieser Gruppe durch das zusätzliche Überschriftselement T ] ] ) 1 8 8 als im Kontext der Davidpsalmen stehend zu erkennen. Die Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. teilen als Gruppe, wie wir noch sehen werden, mit den Sammlungen von Davidpsalmen auch deren Probleme einer höchst komplizierten, diachron mehrfach gestaffelten Struktur. 189 Bereits die Mischna überliefert einen gemeinsamen Sitz im Leben dieser Psalmgruppe: nach mMid 2,6 sangen die Leviten diese 15 Psalmen auf den 15 Treppenstufen im Tempel zwischen dem Vorhof der Frauen und dem Vorhof der jüdischen Männer. In der modernen historischen Forschung wird diesem Zeugnis der Mischna weniger Gewicht beigemessen. 190 Auch innerhalb der judaistischen Forschung ist der Quellenwert der Mischna für die Zeit vor 70

Psalmen 177, sowie SEIDEL, NedThT35, 89—100, letzterer mit der interessanten Theorie, daß die in Ps 150 genannten Musikinstrumente bestimmten Plätzen im Tempel zuzuweisen seien. Wichtig ist auch sein Hinweis, daß Ps 150 entgegen der in der exegetischen Literatur vielgeäußerten Meinung nicht als Schlußdoxologie des fünften Psalmbuches zu verstehen ist. Gleichzeitig nimmt aber auch Seidel einen ausschließlichen Sitz im Leben des Psalms in der Literatur an. Z E N G E R , Gott 53ff., erweitert die These des Abschlußcharakters von Psl50, indem er Ps 149 und 150 als Entsprechung zu dem zweifachen Eingang des Psalters mit Ps 1 f. versteht. 184 S.u. bes. III.3.3.3. 185 Nur Ps 121 hat als Überschrift nftSB1? TIP. UQPs a und andere Handschriften vereinheitlichen an dieser Stelle. 186 Zu den Bedeutungsmöglichkeiten des Begriffes n^yn (Hinaufzug, Heimkehr, Stufe, Wallfahrt, sowie im übertragenen, geistigen Sinn) vgl. die Übersichten bei SEYBOLD, Wallfahrtspsalmen 14ff.; GROSSBERG, Structures 15ff., sowie die einschlägigen Lexika. Die Bedeutungsbestimmung des Begriffes erfolgt hier vorläufig und wird inhaltlich in der Auslegung der Psalmengruppe festgelegt werden. 187 So z. B . D O N N E R , FSFensham 8 1 - 9 1 , hier 81: „Psalm 122is Apilgrim song. As far as that is concerned, nearly all scholars agree." 188 Ps 122,1; 124,1; 131,1 ergänzen die Überschrift ni^SSn Ttf („Wallfahrtspsalm") durch 1 in ? („von David"). Bis auf Ps 127,1 (na1?®1?, „von Salomo") sind alle anderen Wallfahrtspsalmen ohne Namensangabe. Der Salomopsalm Ps 127 steht wie der andere Salomopsalm Ps72 im Kontext einer davidischen Sammlung. 189 Vgl. unten II.1.2 mit II.3.2. 190 Y G I ( j e n Forschungsüberblick bei SEYBOLD, Wallfahrtspsalmen 13ff.

36

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

v. Chr. als im 2. Jh. n. Chr. redigiertes Dokument durchaus umstritten. 191 Eine Auskunft über die Zuverlässigkeit der Mischna ist daher nur in einer Einzelanalyse der Stelle möglich. Unmittelbar vor der Stelle Mischna Middot 2,6 differenziert die Mischna besonders deutlich zwischen einer Vision des zukünftigen Tempels, die sie ausdrücklich aus Ezechiel 46 herausinterpretiert, und historischen Fakten, die sie überliefert. Daß im Text von mMid 2,6 durchaus historische Fakten überliefert werden, zeigen Detailangaben, die kaum aus einer idealtypischen Sicht des Tempels verstehbar sind, sondern die wiedergeben, was an Informationen erhalten ist. 192 So wird überliefert, daß in der nordöstlichen Ecke des Vorhofes der Frauen von Priestern, die mit einem Fehler behaftet waren, das Holz für den Brandopferaltar nach Würmern durchsucht wurde (mMid 2,6). Bei der Wichtigkeit der Holzversorgung für den Tempel 193 ist dies ein Detail, das nicht in eine idealtypische Ausgestaltung des Tempels passen will. Nachdem drei Ecken des Vorhofes der Frauen in ihrer Funktion von der Mischna bestimmt sind, wird zu der vierten Ecke überliefert, daß ein Rabbi nicht wußte, was sich dort befunden habe, und dann wird außerdem noch die Meinung eines weiteren Rabbinen sehr kritisch zitiert. Die Aussage, Mischna Middot gehe auf R.Eliezer ben Jaqov zurück, 194 also einem Rabbinen, der aus einer levitischen Familie stammt 195 und zur Zeit des Tempeldienstes gelebt hat, ist also von dem inneren Befund der in der Mischna getroffenen Aussagen prinzipiell möglich und von dem Aussagegehalt, daß die Angaben in Mischna Middot Augenzeugencharakter haben, wahrscheinlich. 196 Von dorther gewinnen die in Mischna Middot getroffenen Aussagen ein wesentlich höheres Gewicht als die rein exegetischen Mutmaßungen eines Späteren wie beispielsweise Saadja Gaon (882—942), der das umstrittene Wort n^ya im Sinne einer jeweils zu erhöhenden Stimmlage interpretiert. 197 Bemerkenswerterweise haben nun unterschiedliche historisch-kritische Untersuchungen den Sitz im Leben, den die Mischna zu den Wallfahrtspsalmen überliefert, zwar nicht in jedem Detail, aber von dem prinzipiellen Verständnis der Textsammlung als Sammlung von Wallfahrtspsalmen her bestätigt. B. 191 Zur Redaktion der Mischna vgl. als einführende Standardliteratur ALBECK, Einführung 94ff. 145ff.; (Strack/) STEMBERGER, Einleitung 127ff. 192 Gegen HOLZMANN, in: Middot 71. 193 Dazu unten III.2.1.2. 194 jYom 2 , 3 , 3 9 d; bYom 16 a. 195 mMid 1,2. 196 So bereits Safrai, Wallfahrt 12. 197 Nach: R.David ben Kimhi (etwa 1160-1235, Kommentar zu Ps 120, Komm. S. l f . ) . Als weitere Bedeutungsmöglichkeit nennt bereits Kimhi das Heraufsteigen aus dem Exil (ebd.) und die dunkle allegorische Umdeutung auf 100 Stufen (zu Ps 121,1, aaO. 8f.). Eine allegorische Deutung auf einen Gedankenfortschritt innerhalb der Lieder findet sich in jüngerer Zeit

b e i GESENIUS ( n a c h SEYBOLD, W a l l f a h r t s p s a l m e n 1 4 ) u n d DELITZSCH. D e l i t z s c h i n t e r p r e t i e r t

zwar auch die Wallfahrtspsalmen von mMid 2,6 her, aber die 15 Treppenstufen dort faßt er als Analogie zum geistigen Aufstieg der Psalmen (DELITZSCH, Psalmen 5 733f., in der Einleitung z u P s 120-134).

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges

von Psalmen

37

Jacob 198 und E. J. Liebreich 199 haben sich beispielsweise in einer Untersuchung jeweils dem Sprachfeld der Wallfahrtspsalmen gewidmet. Die Häufigkeit von Segensformeln in diesen Psalmen erklären sie als Reflexe von Liturgie, besonders von Haftaren, also als Ergänzungen von Bibellesungen. Liebreich sieht die 15 Worte des aaronidischen Segens in Entsprechung zu den 15 Wallfahrtspsalmen. Doch stimmt die Binnenstruktur des aaronidischen Segens mit seiner dreigliedrigen Klimax von 3, 5 und 7 Worten 200 nicht mit der Struktur der Wallfahrtspsalmen überein: gliedernd ist dort beispielsweise die Aufforderung Vinfc^ sriDK'' („es spreche Israel") jeweils am Anfang des 5. und 10. Wallfahrtspsalms, 201 was einer Teilung der Psalmgruppe in drei gleiche Teile entspricht. Eine Anwendung des klimaktischen Schemas 3, 5 und 7 Psalmen scheidet nicht zuletzt wegen des dadurch verursachten Auseinanderreißens der Zwillingspsalmen Psl27 und 128 aus. Schließlich ist Psl32 als 13. Psalm der Sammlung für die ansonsten sehr kurzen Wallfahrtspsalmen überlang, so daß auch an dieser Stelle eine Zäsur bzw. ein Höhepunkt der Sammlung naheliegt. 202 Keine dieser Textstrukturelemente der Sammlung von Wallfahrtspsalmen entsprechen also einer möglichen Struktur des aaronidischen Segens. Auch spezielle Stichwortverbindungen führen nicht linear von einem Wort des Segens zum nächsten Psalm. Die These einer direkten Beziehung des aaronidischen Segens zu den Wallfahrtspsalmen ist daher kaum haltbar. Wahrscheinlich ist allerdings aufgrund des gemeinsamen Wortfeldes und der gemeinsamen Zahl eine weitere Verbindung beider liturgischen Elemente etwa traditionsgeschichtlicher Art. 2 0 3 Allerdings führt die Tendenz der Sammlung hin zum Segen und in den Tempel (vgl. Ps 133 und 134).204 Eine interessante narrative Deutung der Sammlung hat nun D. Grossberg vorgelegt. 205 Er versteht die Sammlung in Entsprechung zu 15 Stationen der Wallfahrt: aus einer heidnischen Umgebung (Psl20) über die Berge Israels (Ps 121) in die Nähe von Jerusalem (Ps 122 und 125). Die erste Sicht der Stadt (Psl27), die Begrüßung der Einwohner (Psl28), die erste Sicht des Tempels vom Tal her (Ps 130) und die volle Sicht des Tempels (Ps 132) sind phantasievolle Erklärungen, die die Grundstruktur der Psalmengruppe aus der Fremde 198

JACOB, Z A W 1 6 , 1 2 9 - 1 8 1 . LIEBREICH, JBL 74, 3 3 - 3 6 . Zur Kritik vgl. insbesondere SEYBOLD, Segen 58ff., und GROSSBERG, Structures 50ff. 200 vgl. dazu insbesondere SEYBOLD, Segen 18ff. 201 Ps 124,1b; 129,1b. An den 15. Psalm der Gruppe (Psl34) schließen sich dann die imperativischen Hymnen Ps 135 und 136 an. 202 Bereits DUHM (428) urteilt deshalb, daß „Psl32 wohl erst nachträglich (unter diese Pilgerlieder) geraten" sei. Vgl. SEYBOLD, ZAW 91, 247-268, hier 256; ders., Wallfahrtspsalmen 20.31 (dort weitere Literatur), für den die Sonderstellung von Ps 132 Hauptbeleg für die These einer Zionsredaktion ist. Zur Statistik der Psalmlängen siehe bes. SEYBOLD, ZAW 91, 257 Anm. 51 und 52. Zum Ganzen vgl. nun auch ausführlich GROSSBERG, Structures 15ff. 203 So auch SEYBOLD, Segen 58. 199

204

GROSSBERG, Structures 51 ff.

205

GROSSBERG, Structures 52ff.

38

Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

(Ps 120) zum Gottesdienst in den Tempel (Ps 134) eher verdunkeln. Als Erklärungsmodell für die Komposition der gesamten Gruppe ist dieses Modell daher gewiß ungeeignet, wie auch die Deutung von Ps 123 als Gebet aus der Angst vor Räubern und Ps 124 als Dank für die Rettung aus dieser Gefahr zeigt. 206 Daß der Wallfahrtspsalter besonders in liturgischer Hinsicht und in Perspektive auf den Zion hin bearbeitet worden ist, hat Seybold auch redaktionsgeschichtlich überzeugend nachgewiesen. 207 Das einheitliche Konzept der Redaktion der Wallfahrtspsalmen sieht Seybold besonders in den Segenssprüchen und der Zionsmotivik. 208 Von diesem Verständnis der Redaktion her gelingt es Seybold, den überlangen Ps 132 zu verstehen: „Ps 132 bildet das Hauptstück für die Zionsredaktion." 209 Er interpretiert die Sammlung von Wallfahrtspsalmen jedoch als ein „Vade Mecum des Zionswallfahrers, eine Sammlung zum kultischen und privaten Gebrauch, zur Einstimmung des Festpilgers auf die Segenszuwendungen, die ihn erwarteten". 210 Neben der Sicht dieser Psalmen als unmittelbar auf einer Wallfahrt gesungene Psalmen erscheint hier bei Seybold also das Moment des zusätzlichen privaten Gebrauchs der Sammlung. Die zeitliche Ansetzung der Sammlung ist in der Forschung sehr umstritten. Zwei extreme und spezielle Datierungsansätze seien hier notiert: so versteht R. Press 211 die Psalmen als exilische Hoffnung auf den Hinaufzug nach Jerusalem. Wegen der nachexilischen Ansetzung insbesondere von Ps 126212 scheidet eine exilische oder gar vorexilische Datierung der Gruppe sicherlich aus. Es spricht daher zunächst einmal viel für eine Ansetzung der Gruppe in der persischen Zeit. 213 Eine extrem späte Ansetzung der Wallfahrtspsalmen als Sammlung in der vorliegenden Gestalt wird hingegen von H. Graetz vertreten, der die 206 Gegen GROSSBERG, Structures 53. Anstelle beider Psalmen wäre in dieser Interpretation wohl Psalm 23 passender, da dieser Psalm die Perspektive auf ein Leben im Heiligtum hat. 207

SEYBOLD, ZAW91; ders., Wallfahrtspsalmen. Auf die Einzelanalyse Seybolds kann hier nur summarisch verwiesen werden. Seine differenzierte Analyse einer Redaktion, die das Individuum in den Kontext von Gesamtisrael stellt, und seine Herausarbeitung des Zusammenhanges der Wallfahrt als Kompositionschema waren ein erster Ansatzpunkt zu der hier vorgelegten Analyse. 208 Besonders SEYBOLD, Wallfahrtspsalmen 67. 209

210

SEYBOLD, Wallfahrtspsalmen 66.

SEYBOLD, Wallfahrtspsalmen 84 u.ö. Auf die nachkultische Verwendung der Wallfahrtspsalmen verweist auch die Einzelstudie von BEYERLIN, Vergewisserung. 211 PREB, ThZ 14, 401-415. Vgl. auch schon oben die Interpretation von BEN KIMHI. PREß verzeichnet auch viele Motiv- und Stichwortverbindungen innerhalb der Psalmgruppe, die hier aus Raumgründen nicht aufgeführt werden, da sie z.B. überarbeitet auch bei SEYBOLD (Wallfahrtspsalmen, und ders., ZAW91) zugänglich sind. 212 So mit Mosis, FS Reinelt 181—201, gegen BEYERLIN, „Wir sind ...", der die exilische Datierung des Psalmes zurecht wegen seines Bezuges auf das Leben im Land ablehnt, aber eine nachexilische Datierung trotz Ansetzung des Psalmes im Kontext des Joelbuches nicht ernsthaft erwägt. Die Ansetzung der gesamten Gruppe „im bäuerlichen Milieu" vertritt insbesondere auch SEYBOLD, ZAW 91, 260. Der Ansatz von KEET, Study, der die Wallfahrtspsalmen speziell als Psalmen zum Fest der Darbringung der ersten Früchte versteht, interpretiert diesen agrarischen Kontext jedoch zu speziell. 213 In diese Richtung geht auch Seybolds sehr differenzierte Analyse der Gruppe (SEYBOLD,

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges von Psalmen

39

mischnische Verortung der Wallfahrtspsalmen bereits 1879 nachdrücklich aufgenommen und spezifiziert hat. 214 Aus der genauen Angabe von Ps 134, daß der Lobgesang in den Vorhöfen des Tempels zur Nacht erfolgte, schließt Graetz, daß Ps 134—136 auf die Feier des Wasserschöpfens am Schluß von Sukkot zu beziehen ist, da die Innenhöfe des Tempels sonst über Nacht verschlossen waren. 215 Diese Zeremonie versucht Graetz aufgrund ihrer Ablehnung durch die Sadduzäer auf die Zeit der pharisäischen Herrschaft in der Regentschaft Salome Alexandras (78—69 v.Chr.) zu datieren. 216 Historisch bewegt sich Graetz mit diesem Ansatz im Kontext der Bevorzugung makkabäischer Datierungen in seiner Zeit. Heute sind auch für diese Sammlung von Wallfahrtspsalmen frühere Datierungen beispielsweise in das vierte Jahrhundert v. Chr. üblich. 217 Mittlerweile ist es zudem durch die Funde von Qumran neu fraglich geworden, ob Ps 133f. zur Zeit von Qumran bereits fester Bestandteil des Schlusses der Wallfahrtspsalmen waren. 218 Wir werden also diese extreme Spätdatierung von Graetz erneut zu prüfen haben. 219 Methodisch wichtig ist dabei, daß Graetz ein sogenanntes argumentum e silentio verwendet: Graetz schließt aus dem Fehlen früherer Hinweise darauf, daß die nächtliche Wasserschöpfliturgie erst im ersten Jahrhundert v. Chr. eingeführt worden ist. Möglich wäre aber auch, daß hier lediglich die Quellenlage unvollständig ist. Ein Ansatzpunkt für eine nächtliche Liturgie wäre beispielsweise in der Pessachnacht denkbar (Dtn 16,7). Doch fehlen dafür historische Quellen. Die rabbinischen Quellen schließen eine solche Interpetation, wie gesehen, sogar ausdrücklich aus. Hier fehlen also vor allem unterstützende Argumente für eine Spätdatierung der vorliegenden masoretischen Textform auf das pharisäische Laubhüttenfest, der wir uns mit einer Analyse des Qumranbefundes neu werden stellen müssen. 220 Graetz zieht auch die beiden nachfolgenden Psalmen 135 und 136 mit in seine Deutung hinein: enden die Wallfahrtspsalmen mit der nach Graetz levitischen Aufforderung zum Lob (Ps 134), so stimmt die Gemeinde in Ps 135 und 136 in ZAW 91, 267, mit Verweis auf Esr 7,9), sowie beispielsweise auch SEIDEL, FS Voigt 26 —40, u n d STRAUB, F S G u n n e w e g 3 9 0 - 3 9 8 . 214

GRAETZ, M G W J 2 8 .

215

GRAETZ, MGWJ 28, 243, mit Berufung auf mTam 1; 3,7; mMid 1; Josephus contra Apionem 2,9. Vgl. auch den Hinweis auf die Sinnsprüche der frommen Männer mSuk 5 (und Gemara) bei Graetz (ebd.). 216

217

GRAETZ, M G W J 2 8 , 2 4 7 .

So etwa unlängst ZENGER, Morgenröte 128. Siehe dazu unten III.3.2.2. In llQPs a cols ii-vi steht nach Ps 132 Ps 119, was angesichts der Länge dieses Psalms ein denkbar deutliches Abschlußsignal ist. Ps 133; 134; 135 und 136 sind an anderer Position erhalten (vgl. insbesondere die Übersichten DJD 4, 5 und die Photographien im Anhang; sowie WILSON, Editing 116f.). Zum Überblick über HQPs" vgl. die Tabelle 3 im Anhang. Obwohl Ps 132 gegenüber den anderen Wallfahrtspsalmen überlang ist, ist er damit doch sicherer Bestandteil der Wallfahrtspsalmen. 219 Dazu unten III.3.2, bes. S. 222ff. 220 Siehe dazu unten III.3.2.2 und 3.2.3. 218

40

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

das Lob ein. 221 Zur formgeschichtlichen Parallele von Ps 134—136 notiert Seybold bemerkenswerte Beobachtungen von K. Koch zur Kombination von imperativischen und partizipialen Hymnen in Ps 134—136, die Koch auch im Sinne einer redaktionellen Textbearbeitung meint nachweisen zu können: 2 2 2 Aufforderung: Ausführung: partizipialer Hauptteil: Schlußteil:

Ps 134,1 f. Ps 134,3a Ps 1 3 4 , 3 b Ps-

135,lf. 135,4f. 135,6ff. 135,13 ff.

136,1-3 136,4ff. ( ' 3 - H ä l f t e ) 136,4-25 136,26

Für diese Erweiterung mag auch sprechen, daß dann Ps 127 zusammen mit seinem Zwillingspsalm Ps 128 in der Mitte der Sammlung steht. 223 Doch auch Ps 137, der beklagt, daß Zionslieder 224 nicht im Exil singbar sind, wird gelegentlich als Kommentar zu den Wallfahrtspsalmen interpretiert. 225 Gerade in Kombination mit der These von Graetz zu Ps 135 f. als liturgischem Schluß der Wallfahrtspsalmen gewinnt diese These hohes Gewicht, das uns jedoch wieder in die These der Verortung der Psalmgruppe in die Exilszeit führt. Ps 136 hat in dieser Perspektive also eine mehrfache Funktion: Einerseits ist liturgiegeschichtlich der Bezug zum Ägyptischen Hallel gesichert, andererseits liegt der Bezug auch auf die Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. nahe. In dem Verständnis von Ps 137 als Nachschrift zur Sammlung von Wallfahrtspsalmen gewinnen diese Psalmen einen nachkultischen Charakter: sie sind Wallfahrtpsalmen, aber aus dem Blickwinkel von Psl37, dem Exil. 226 Die Wallfahrtspsalmen erscheinen also insgesamt nach hinten weniger deutlich als Gruppe abgegrenzt als nach vorn. Signifikant ist dafür auch die fehlende Überschrift in Ps 135—137. P. Auffret hat nun versucht, gegen den Befund des Überschriftensystems die Gruppe der Wallfahrtspsalmen bis Psl38 weiterzuverfolgen. 227 P s l 3 8 leitet vom Überschriftensystem her eine kleine Gruppe von Davidpsalmen, Ps 138—145, ein. Auffrets Argumente, die ausschließlich über Stich Wortverbindungen laufen, sind wenig stichhaltig: Sowohl den Stich Wortverbindungen zwischen Ps 135—138 als vermuteter Gruppe 2 2 8 als auch deren Verbindung zu Ps 120—134 fehlt die Signifikanz, wie die Verwendung von Allerweltswörtern wie Dtp, 7t?n, niPtf, Vnä, zur Kennzeichnung einer Stichwortverbindung 221

GRAETZ, MGWJ 28,245. KOCH mündlich, zitiert nach: SEYBOLD, Wallfahrtspsalmen 74. Koch hält Ps 134,3a; 135,14ff.; 136,23f. für redaktionelle Passagen in kontextueller Funktion. 223 Siehe oben 1.2.1 zu der Stellung der Zwillingspsalmen. 224 -pu? i s t immer das positiv gestimmte Lied. 225 Ähnlich fragt bereits BEAUCAMP, D B S 9,147: „Est-ce à cette collection que fait allusion le Psaume cxxxvii lorsqu'il parle des "cantiques de Sion,, ( w . 3—4)?". Deutlich für diese Position ist die struktural-linguistische Studie von AUFFRET, Sagesse 549, der allerdings auch Ps 138 in seine Analyse miteinbezieht, sowie FREEDMAN, FS Albright 1 8 7 - 2 0 5 , hier 192. 226 Zur Bedeutung der überschriftslosen Psalmen vgl. bereits oben S. 18 und unten III. passim. 222

227

AUFFRET, S a g e s s e 5 4 4 .

228

AUFFRET, S a g e s s e 5 4 5 f .

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges

von Psalmen

41

zeigt. 229 Nicht zuletzt paßt der Nachtrag Auffrets nicht in seine eigene eindrucksvolle Analyse von Ps 120—134, die drei Gruppen von je fünf Psalmen miteinander in Beziehung setzt. 230 Die Wallfahrtspsalmen gewinnen damit insgesamt in der gegenwärtigen Forschungslage trotz unterschiedlichen Herkommens der Einzelpsalmen ein beachtliches Profil als Gruppe, das mit dem Zeugnis der Mischna konvergiert. Auch wenn Detailinterpretationen wie die genaue Lokalisierung der Mischna und die zeitliche Einordnung offen bleiben, zeichnet sich ein gemeinsamer traditions- und wirkungsgeschichtlicher Ort dieser Psalmen als Gruppe in der Zeit des zweiten Tempels ab. Formgeschichtlich bemerkenswert ist, daß in dieser Gruppe Psalmen aller Gattungen vertreten sind, nicht aber das individuelle Danklied. 2 3 1 2.3.5 Die

Korachpsalmen

Im Unterschied zu den bisher behandelten Psalmengruppen gibt es zu den im folgenden zu behandelnden Psalmengruppen keine Bezeugung ihrer Verwendung als Gruppe in der rabbinischen Literatur. Wir sind hier also ganz auf die Methoden der modernen Exegese angewiesen. Innerhalb dieser Ansätze nimmt ein kurzer Hinweis von E. Zenger insofern eine Sonderstellung ein, als Zenger die erste Korachpsalmgruppe unter einem mehr formalen Gesichtspunkt behandelt, innerhalb dessen er Ps46 als Mitte der ersten Korachpsalmsammlung versteht. 232 Dominierend in der Forschungsdiskussion zu den Korachpsalmen sind zwei große Untersuchungen: die Monographien von G. Wanke und M . D . Goulder. 2 3 3 Wanke vertritt den Bezug der Korachpsalmen auf Jerusalem. 234 Goulder widerspricht Wanke hinsichtlich der Gestalt des vorliegenden Textes nicht, aber postuliert eine Vorstufe des Textes, in der die Korachpsalmen als Wallfahrtspsalmen dem Heiligtum in Dan zugeordnet seien. Diese These, die bei Goulder im Zusammenhang einer Gesamttheorie zur Entstehung des nachmaligen Israel aus kanaanäischen Wurzeln zu verstehen ist, 235 können wir im folgenden außer Betracht lassen, da sie in jedem Fall nicht den durch Wanke 229

Gegen AUFFRET, Sagesse 546ff. Zur Kritik s. o. 1.2.2. 230 VGL dazu insbesondere AUFFRET, Sagesse 529, und die Beobachtungen zum liturgischen 1 Element „Es spreche Israel" (ViOtZT tu "IDS , siehe oben S.37) und zur Drittelung der Sammlung von Wallfahrtspsalmen (siehe unten II.1.2). 231 So bereits GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 453. 232 ZENGER, FS Füglister 406f. Anm. 23 (s. o. S. 25). Zum kontextuellen Ansatz von Zenger vgl. die konzentrische Analyse von Ps46 als Einzelpsalm durch TSUMURA, AJBI6,29—55. 233

234

WANKE, Z i o n s t h e o l o g i e ; GOULDER, Psalms. WANKE, Z i o n s t h e o l o g i e 32:

„Eine derartige Fülle von Aussagen über Zion und Jerusalem in direkter wie in indirekter Form im Zusammenhang mit einer annähernd bekannten und auch datierbaren Personengruppe, wie es die Korachiten sind, findet sich nirgendwo im Alten Testament." 235

GOULDER, Psalms 239 ff.

42

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

bereits hinreichend charakterisierten Text der vorliegenden Gestalt berührt. Allerdings nehmen wir von Goulder den Hinweis auf, daß die Korachpsalmengruppen jeweils mit einem Wallfahrtspsalm beginnen, 236 den wir allerdings auf der Ebene der Gestalt des vorliegenden Textes als Wallfahrt nach Jerusalem zu verstehen haben. Für unsere Analyse ist Goulders Arbeit insbesondere dadurch wichtig, daß er die parallele Anordnung der beiden Gruppen von Korachpsalmen vollständig herausarbeitet, die Wanke bereits für Ps42f. und 84 angedeutet hatte:237 Ps42f. Ps44 Ps 45 f. Ps47f. Ps49

Ps84 Ps85 Ps87 Ps88

(Wallfahrt) (Volksklage) (König, Z i o n , vgl.Ps 86 als D a v i d p s a l m ) (Zion) (weisheitliche K l a g e )

Beachtlich ist die Anfangsstellung der durch die Wallfahrt motivierten Psalmen in beiden Gruppen. Von daher liegt ein Vergleich dieser Psalmengruppen mit den als solchen betitelten Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. nahe, der im folgenden formgeschichtlichen Teil anzugehen sein wird. 238 Nicht einleuchtend bei Goulders Ansatz ist mir die Zuordnung von Ps46 zu Ps45, da Ps46 als Zionslied größere Nähe zu Ps 48 hat. 2.3.6 Die zweite Sammlung von Davidpsalmen

(Ps51ff.)

M. D. Goulder hat unlängst nach seinem Aufsatz zum vierten Psalmbuch und der Arbeit über die Korachpsalmen eine weitere Arbeit vorgelegt, in der er seinen Ansatz, Psalmgruppen formgeschichtlich zu beschreiben, auf die Davidpsalmgruppe Ps51—72 239 ausgedehnt hat. Er wagt es in diesem Buch, die Psalmen in die durch die Namensüberschrift vorgegebene Zeit zu datieren: „the Prayers were i n d e e d written ,for D a v i d ' , by o n e of his d o s e s t attendents, a priest" 2 4 0 .

Obwohl sich Goulder über die dadurch erfolgende Provokation im klaren ist und sich bereits als Fundamentalist verdächtigt sieht, ist die argumentative Grundlage seiner Hypothese an dieser Stelle bemerkenswert schwach. Goul236 GOULDER, Psalms 23ff. Vgl. bereits GUNKEL/BEGRICH 309ff., sowie SEYBOLD, Wallfahrtspsalmen 16. 237 WANKE (Zionstheologie 18) sieht allerdings P s 8 4 als Lied zum Ende der Wallfahrt, während GOULDER beide Psalmen dem Beginn des Wallfahrtsfestes zuordnet. Z u m Vergleich siehe nun auch OTTO, T h W A T ö , 9 9 4 - 1 0 2 8 , hier 1014f., der ähnlich wie Goulder die Parallele zwischen beiden Korachpsalmgruppen vervollständigt. Die Themenangaben am rechten Rand der Tabelle sind von mir ergänzt. 238 S.u. II. 1. 239 GOULDER (Prayers) bezieht Ps 71 als überschriftslosen und Ps 72 als Salomopsalm in die Analyse ein. 240

GOULDER, a a O . 9 . V g l . a a O . 2 2 9 u . ö .

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges

von Psalmen

43

der konstruiert die Psalmen als Reflex einer Prozession im Kontext der dramatischen Ereignisse des Absalomaufstandes (lSam 15ff.). Er bemerkt dabei den Zusammenhang zum ersten Psalmbuch, in dessen Eröffnung Ps3,l mit der midraschartigen Überschrift auf diese Geschichte rekurriert, und setzt auch das gesamte erste Psalmbuch in Relation zu lSam 16—lKön l. 2 4 1 Ähnlich verortet er Psalm 51—72 im Kontext der sogenannten Thronfolgeerzählung, die Goulder die Leidensgeschichte Davids 242 nennt. Im Anschluß an K. McCarter 243 u.a. notiert er, daß die Flucht Davids aus Jerusalem den Charakter einer Wallfahrt hat. 244 Die Stationen dieser Wallfahrt setzt er dann in Beziehung zu den Psalmen der Gruppe Ps 51 ff. Kritik verdient Goulders Ansatz, weil er den literarischen Verweis auf David in der Psalmüberschrift für die Spiegelung einer historischen Wirklichkeit der Thronfolgegeschichte hält, dem Überschriftselement Tll 1 ? also historisch alles zutraut, die in dieser Gruppe gehäuft vorkommenden midraschartigen Überschriften aber noch nicht einmal auf der Textverweisebene interpretiert. Auch das Überschriftselement üfiDa, das Ps56—60 verbindet, ignoriert Goulder beispielsweise. 245 Er erklärt also nicht den vorliegenden Text, der durch die Psalmüberschriften eine andere Beziehung vieler dieser Psalmen der elohistischen Sammlung von Davidpsalmen auf die Samuelbücher nahelegt, 246 sondern eine von ihm postulierte Vorform. Wenn die These von Goulder einer originalen Davidpsalmsammlung anläßlich einer Prozession zutreffen würde, wäre sie also bereits von dem Redaktor, der die midraschartigen Psalmüberschriften eingefügt hätte, nicht verstanden oder bewußt übergangen worden. Selbst Goulders Hypothese, n^t? sei gegenüber den Psalmgrenzen zusätzlicher Texttrenner, führt er keineswegs konsequent durch, da er in seiner Interpretation andere Texttrennungen vorgibt. 247 Dieser Ansatz von Goulder zu der zweiten Davidpsalmgruppe läßt insgesamt also erheblich mehr Fragen offen, als er beantwortet. Er ist deshalb nicht weiterzuverfolgen. 2.3.7 Die

Asaphpsalmen

War bei den bisher behandelten Psalmgruppen in der Forschung ein Verständnis der Gruppe als kohärenter Text möglich, so bewegt sich die Forschungslage bei den Asaphpsalmen noch ausschließlich auf der Ebene der 241

GOULDER, aaO. 85f. Vgl. dagegen die unterschiedliche Behandlung der midraschartigen Psalmüberschriften in II.3.1. und II.3.2. 242 GOULDER, aaO. 40ff. Die Abkürzung „PD" bedeutet bei Goulder Passion of David. 243

MCCARTER, II S a m u e l , z. St.

244

GOULDER, a a O . 4 6 .

245 VGL

G l i e d e r u n g GOULDER, a a O . 141.

246

Der grundlegende Aufsatz von CHILDS, JSS 16, 137—150, der die Psalmüberschriften mit narrativem Element, die ihren Schwerpunkt in der Sammlung von Davidpsalmen Ps51ff. haben, als Midraschelement behandelt, erscheint bei GOULDER (aaO.) noch nicht einmal in der Literaturliste. 247

V g l . GOULDER, a a O . 162ff.

44

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

Traditions- und Formgeschichte von Einzelpsalmen, innerhalb derer dann Gemeinsamkeiten gefunden werden, ohne daß Hypothesen zu der Reihenfolge dieser Psalmen zu verzeichnen wären. 248 In einem frühen Ansatz hat bereits M. J. Buss einen Teil dieser Psalmen im Nordreich verankert. 249 In der Weiterarbeit dieses Ansatzes kommt H. Nasuti 250 zu dem Ergebnis, daß die Asaphpsalmen einen gemeinsamen traditionsgeschichtlichen Hintergrund haben, den er auf die Region Ephraims festlegt. 251 Vorsichtiger hat sich auch Seybold in dieser Richtung geäußert: Die Asaphpsalmen stammen „aus dem Traditionsstrom und Erbe des Nordens". 252 Da aber in der vorliegenden Fassung die Gruppe mit dem Zionspsalm Ps76 auf Jerusalem bezogen ist, können wir in jedem Fall die Psalmengruppe in der Endfassung hier verorten. 253 Wichtiger als die traditionsgeschichtliche Hypothese Nasutis ist für unseren Zusammenhang seine Beobachtung, daß in den Asaphpsalmen im wesentlichen zwei Gattungen vertreten sind: Klagelieder des Volkes und prophetische Psalmen. Leider verzichtet Nasuti auf eine Beschreibung der Asaphpsalmen als Gruppe in der vorliegenden Form. Von der Anordnung der Psalmen her außerhalb der Sammlung von Asaphpsalmen steht Ps50 als Einzelpsalm, dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe aber auch von den traditions- und formgeschichtlichen Untersuchungen her unbestritten ist. 2.3.8 Andere Textbereiche Auch zu anderen Psalmengruppen gibt es vereinzelt Hinweise auf literarische Bezüge. So sind oft die thematischen Gemeinsamkeiten der Jhwh-KönigPsalmen notiert worden, die - mit der eigens zu interpretierenden Ausnahme von Ps94 254 - dieselben Motivfelder variieren. 255 Daß mit der Ausnahme des Ägyptischen Hallels und der Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff. in antiker Zeit keine Psalmgruppen im jüdischen Gottesdienst zitiert wurden, gilt auch für die JhwhKönig-Psalmen Ps92f. und 95 — 100, die erst in späterer Zeit im aschkenasischen Sabbatgottesdienst nachweisbar sind. 256 248 Die von GOULDER (aaO. 8) angekündigte Arbeit über die Asaphpsalmen wird die hier bestehende Forschungslücke zu schließen versuchen. Vgl. auch die Hinweise von BECKER, Wege 117, der zahlreiche Stichwortverbindungen zwischen verschiedenen Asaphpsalmen notiert. 249 Buss, JBL 8 2 , 3 8 2 - 3 9 2 . 250

NASUTI, H i s t o r y .

251

NASUTI, a a O . 1 1 5 f .

252

SEYBOLD, P s a l m e n 1 0 4 .

253

So die traditionsgeschichtliche Analyse von SCHELLING, Asafpsalmen. Siehe dazu ZENGER, FS Ehrlich, und unten II.3.4 sowie III.2.2.2. 255 So insbesondere HOWARD, Strukture, und ohne Berücksichtigung der Frage nach dem vorliegenden Kontext JEREMIAS, Königtum 107ff., und dazu besonders die kaum weniger ausführliche Rezension von JANOWSKI, ZThK 86, 3 8 9 - 4 5 4 , bes. 396ff. 256 VGL MAIER, Verwendung 68ff. In dieser liturgischen Zitation fehlt Ps94, die Ps92f. werden nach den Ps95ff. zitiert, und beispielsweise Ps29 wird eingeschoben. Deshalb wird 254

2. Exegetische Ansätze zur Beschreibung des Zusammenhanges

von Psalmen

45

Wir brechen hier ab und sammeln hier nicht auch bereits die Forschungsergebnisse zu den nächstgrößeren Einheiten, den Kleinpsaltern wie etwa dem elohistischen Psalter, da wir die Fragen nach den literarischen Vorstufen des Psalters nach der Analyse der Psalmgruppen ohnehin stellen werden. 2 5 7 Insbesondere das erste Psalmbuch, das zwar überwiegend Davidpsalmen enthält, 2 5 8 fällt bereits rein umfangmäßig mit 37 Davidpsalmen deutlich gegenüber den anderen hier beschriebenen Psalmgruppen heraus, die etwa ein Dutzend Psalmen meist in zwei Teilgruppen umfassen. Die Gruppe von Wallfahrtspsalmen Psl20ff. mit 15 Psalmen mit gemeinsamem Überschriftselement ist hier nur scheinbar eine Ausnahme, weil es sich bis auf Ps 132 um sehr kurze Psalmen handelt. Da das erste Psalmbuch zudem mit überschriftslosen Psalmen durchbrochen ist, liegt es nahe, es als eine mehrfach untergliederte Einheit zu verstehen und nicht als eine geschlossene Psalmengruppe. Solche zusätzlichen Untergliederungen von durch Überschriften gekennzeichneten Psalmengruppen werden wir im folgenden Kompositionsbögen nennen. Nicht behandelt worden sind weiterhin die kleineren Sammlungen von Davidpsalmen (Ps 138-145, eventuell auch PslOl; 103; 108; 109; 110). Während dies in den Psalmen im Textbereich von PslOl —110 nicht zuletzt an der vereinzelten Stellung dieser Psalmen liegt, ist dies für Ps 138—145 - soweit ich sehe - ein Literaturdefizit. 2.3.9

Zwischenergebnis

Die verschiedenen hier betrachteten Psalmgruppen haben insgesamt einen unterschiedlichen nachweisbaren Sitz im Leben: Neben der Verwendung des Ägyptischen Hallels in der Tempelliturgie ist seine Verwendung in den Hallel-Einschüben im jüdischen Gottesdienst nach der Zerstörung des zweiten Tempels an den drei Wallfahrtsfesten sowie an Chanukka und am Monatsanfang belegt. 259 Das kleine Hallel fanden wir hingegen nur deutlich nach der Zerstörung des zweiten Tempels als liturgische Gruppe verwendet. 260 Für die Wallfahrtspsalmen hingegen ergab sich ein diese Psalmenzitation hier nicht als Zitierung einer Gruppe verstanden. Die Überschrift von Ps92, die diesen als Sabbatpsalm ausweist, wird auf die folgenden Psalmen abgestrahlt haben. Daß die Zitierung der Jhwh-König-Psalmen am Sabbat alte jüdische Tradition ist, ist ausgeschlossen, da Ps 93 bereits in der Antike dem Freitagabend und Ps 94 dem Mittwoch zugeordnet werden (so übereinstimmend mTam 7,4; bRHSh 31a; Sof 18,1.8 und die Überschriften der Septuaginta, vgl. Pirke Rab Eliezer 19; Psikta Rab Kahana 22,106b; Midrasch Tanchuma 1,19; GenR 22,13; LevR 110,4; Shr 4,4; bBB 14b). 257 Siehe unten III.l. 258 Überschriftslose Psalmen sind lediglich Ps 1; 2; 10 und 33. 259 Vgl. die Übersicht tSuk 3,2. Siehe oben S. 30f. 260 So im mittelalterlichen Siddur R. Saadja Gaon (Kitäb Gämi' As-salawät wat-tasäbih) und R. Amram Gaon nachweisbar. Eine Vordatierung der liturgischen Zitierung des kleinen Hallels wie auch anderer liturgischer Texte, wie ihn WEENER, Bridge, vollzieht, bleibt den historischen Nachweis schuldig.

46

Teil I: Der einzelne Psalm ah

Ausgangspunkt

möglicher Sitz im Leben als Gruppe aus den mischnischen Quellen im wesentlichen nur vor der Zerstörung des zweiten Tempels. 261 Für alle anderen Psalmengruppen fehlen Hinweise auf die Verwendung als Gruppe aus der jüdischen Liturgie völlig. 262 Wir haben damit für die verschiedenen Psalmgruppen eine ganz unterschiedliche Ausgangsposition: am weitreichendsten ist dabei die Forschungslage zu den Psalmen des Ägyptischen Hallels und zu den Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff., die sich aufgrund mischnischer Quellen und moderner Exegese als zusammengehörige Psalmgruppe mit einem gemeinsamen Sitz im Leben herausstellten. Ein den Wallfahrtspsalmen vergleichbarer Sitz im Leben zeichnet sich für die Korachpsalmen ab, wobei wir nur eine diesbezügliche Hypothese moderner Exegese vorfinden. Ein formgeschichtlicher Vergleich dieser Psalmgruppen bietet sich nach dieser ersten Übersicht an. 2 6 3 Dagegen bewegt sich die Forschung an den Asaphpsalmen weitgehend auf der traditionsgeschichtlichen Ebene, sie kann daher eine gemeinsame Herkunft der Asaphpsalmen plausibel machen, aber ein Ansatz zum Verständnis der Gruppe als zusammenhängendem Text fehlt. Offen bleibt auch, wie die anderen Psalmgruppen, insbesondere das kleine Hallel und die Davidpsalmgruppen, zu den Psalmgruppen der levitischen Sängergruppen und den Wallfahrtspsalmen stehen.

2.4

Weiterführung

Die Frage ist, was Kennzeichen einer liturgisch verwendeten Psalmengruppe wäre, wenn ihre Verwendung nicht als antike jüdische Liturgie außerhalb der Bibel belegt wäre. Machen wir deshalb ein gedankliches Experiment, indem wir die Psalmengruppe, die zweifelsfrei in antiker Zeit im jüdischen Gottesdienst verwendet wurde, das Ägyptische Hallel, nur als Text ohne die äußeren Hinweise auf ihre Verortung betrachten. Innertextlich legt sich die Zusammenordnung dieser Psalmen abgesehen von dem überschriftartig gebrauchten Hallelujah keineswegs zwingend nahe. Zudem ist das überschriftartig gebrauchte Element nicht völlig einheitlich, 264 und es geht über Ps 113—118 hinaus in die akrostichische Umgebung des Hallels. 265 Der inhaltliche Bezug auf den Auszug aus Ägypten steht nur in einem Psalm (Psll4). Die Kennzeichnung als Wallfahrtsliturgie zum Tempel paßt vom Gesichtspunkt der Einzelpsalmenexegese nur zu einem Psalm (Ps 118). Es fehlt insbesondere die Möglichkeit, von Psalm zu Psalm signifikante Stich Wortverbindungen zu notieren. Vermissen könnte 261 Die mittelalterliche Verwendung von Ps 120—134 als Teil des Sabbatgebetes bleibt zeitlich und örtlich sehr beschränkt (mit GOLDSCHMIDT, Liturgy 194f.; MAIER, in: Liturgie 5 5 - 9 0 , hier 69 Anm. 50 der Hinweis auf Goldschmidt). 262

263

Mit THOMA, P s a l m e n f r ö m m i g k e i t ; MAIER, V e r w e n d u n g und SCHÄFER, G o t t e s d i e n s t .

Siehe dazu II.l. 264 vgl. Ps 115 als Psalm ohne Hallelujah als Psalmtrenner. 265 Ps 111 und 112, zu Ps 119 siehe oben S. 33 (bes. Anm. 174).

3. Methodische Vorüberlegungen aus der Formgeschichte

47

man weiterhin den zwingenden Gedankengang von Psalm zu Psalm etc. Die rein innertextliche Betrachtung der Psalmengruppe hat also eine nicht zu unterschätzende Unsicherheit. Diese Unsicherheit begleitet denVersuch, auch andere Psalmgruppen verorten zu wollen. Aber die „Unzulänglichkeiten" dieser sicher als Gruppe zu verortenden Psalmsammlung kann ein Hinweis sein, Kriterien für andere Psalmgruppen zu bilden. Die Verortung des Ägyptischen Hallels als Teil der Pessachliturgie wäre z.B. bei einer Betrachtung nur des biblischen Textes möglich, wenn die einzeltextisolierende Wahrnehmung von Psalmen aufgegeben würde: Psll4 steht nicht nur als Einzeltext sondern auch innerhalb der durch Hallelujah gekennzeichneten Gruppe für den Bezug auf den Exodus, Ps 118 für die ursprüngliche Tempelliturgie etc. Es genügt also innerhalb der durch die Überschriften als gemeinsam ausgewiesenen Gruppe zunächst jeweils ein Psalm, um einen ersten Hinweis auf die Verortung der Gruppe zu geben, wenn die anderen Psalmen dieser Verortung nicht explizit widersprechen. Zu beachten ist dabei aber, daß sich das Überschriftensystem offensichtlich nicht nur auf die eigentlich liturgischen Teile, sondern auch auf Rahmenpsalmen wie Ps U l f . bezieht. Weiter wird zu fragen sein, ob und-wenn j a - wie liturgischer Kern und Rahmen voneinander trennbar sind. Ein solcher weitreichender Interpretationsvorgang wird jedoch sehr behutsam anzugehen sein. Formgeschichtliche Exegese der Psalmgruppen muß versuchen, diese für die Formgeschichte der Gruppe wichtigen Einzelelemente sicher und das heißt methodisch nachvollziehbar zu ermitteln, ohne den möglichen Aussagehorizont zu überschreiten. Was wir benötigen, ist - kurz gesagt - eine Formgeschichte der Psalmengruppen.

3. Methodische

Vorüberlegungen aus der der Einzelpsalmen

Formgeschichte

3.1 Beschreibende und normierende Formgeschichte Mit dem Versuch einer Formgeschichte der Psalmengruppen wagen wir uns in ein von der Forschung bisher so nicht erschlossenes Terrain. Es fragt sich, warum der Versuch einer formgeschichtlichen Beschreibung von Psalmengruppen bisher noch nicht erfolgt ist, obwohl die Zusammenordnung der Psalmen in Gruppen nach der Überschrift in fast allen Einleitungen und Psalmenkommentaren vermitteltes Grundwissen ist und die Formgeschichte die bedeutendste Methode der Psalmenexegese darstellt: Die Elemente der hier vorzustellenden Beschreibung sind wohlbekannt, die Analyse ist gleichwohl neu. Es wird daher zuerst auch nach den impliziten Voraussetzungen zu fragen sein, die einer formgeschichtlichen Beschreibung der Psalmengruppen im Wege stehen. Eines dieser Hindernisse scheint mir die Orientierung der Formgeschichte

48

Teil I: Der einzelne

Psalm als

Ausgangspunkt

auf die Frage nach der ursprünglichen reinen Form zu sein. Forschungsgeschichtlich ist der Widerspruch gegen diese literarkritisch orientierte Formgeschichte insbesondere mit dem Namen von M. Weiss266 verbunden. Weiss wendet sich gegen die sehr detaillierte und damit auch literarkritische Formgeschichte von C. Westermann. Dieser beschreibt beispielsweise einen detaillierten fünfteiligen Aufbau des Klageliedes des Volkes, den er ausdrücklich als „konstitutiv" bezeichnet: 267 „I.

Anrede Einleitende Bitte II. Klage III. Bekenntnis der Zuversicht IV. Bitte (Doppelwunsch) V. Lobwunsch"

Anschließend stellt er fest: 268 „1. Der konstanteste von allen Teilen ist die Bitte. Sie fehlt nie. 2. Deutlich wahrnehmbar ist eine Tendenz des Anwachsens der Bitte und des Schwindens (oder Ersatzes) der Klage. Diese Tendenz kann bis zur Einebnung des ganzen Psalms zur Bitte führen..."

Mit diesen Sätzen relativiert Westermann seine eigene Beschreibung der Volksklage: die Detailbeschreibung stellt einen Idealfall dar, der nur wenige Psalmen, oft sogar nur einen einzigen Psalm beschreibt. Ähnliches unterläuft Westermann bei der Beschreibung des Modellfalles eines von ihm genannten beschreibenden Lobpreises (partizipialer Hymnus), Ps 113. Nachdem Westermann v. 6b hinter v. 5 a gestellt hat, schreibt er: 269 „5b und 6a ist die Mitte des Psalms. 5b faßt 4—5 zusammen, 6a wird in 7—9 entfaltet. Der Psalm hat einen sehr einfachen und klaren Aufbau."

Die Feststellung des einfachen und klaren Aufbaus im Sinne seiner Formgeschichte betrifft noch nicht einmal den als Musterpsalm gewählten Ps 113 in der vorliegenden Textform, sondern einen Psalm, den Westermann erst durch Umstellung bzw. Entfernung von v . 6 b konstruiert hat. Er konstruiert damit aufgrund eines formgeschichtlichen Ideals einen literarkritisch als ursprünglich vermuteten Psalm. Die Formgeschichte ist hier Hilfsmittel der Literarkritik. Wenn nun aber schon die Detailbeschreibung einzelner Psalmen mit der Formgeschichte Psalmen derselben Gattung nicht vollständig erfassen kann, ohne literarkritisch zu werden, können wir erst recht bei der Beschreibung der Formgeschichte der Psalmgruppen nicht die Klärung aller Details erwarten, wenn wir auf den Notbehelf der Literarkritik verzichten wollen. 266 WEISS, VT.S 22, 88-112. Neben diesem wohl prägnantesten Aufsatz von Weiss vgl. auch: ders., Wege, und ders., Bible. 267

268 269

WESTERMANN, L o b 39.

Ebd. WESTERMANN, L o b 88.

3. Methodische Vorüberlegungen aus der Formgeschichte

49

Bei Westermann geht diese enge Normvorstellung hinsichtlich formgeschichtlich korrekter Psalmen einher mit einer Systematisierung und Reduktion formgeschichtlicher Analysekriterien: mit den Polen der negativen und positiven Stimmung (Klage und Lob) sowie der Personenzahl (Singular und Plural) blendet Westermann in diesem frühen Ansatz Psalmen, die nicht in ein solches Analyseschema passen, aus. Dies sind im wesentlichen die sogenannten kleinen Gattungen, bei denen diese bis in die kleinsten Details gehenden formgeschichtlichen Bestimmungen auch nur im Ansatz nicht greifen würden. 270 Derartige kleine Gattungen, die in der Neufassung der Gunkelschen Formgeschichte durch Westermann nicht behandelt werden, sind Segens- und Fluchworte, das Wallfahrtslied, das Siegeslied, das Danklied des Volkes, die Legende, die Tora sowie beispielsweise die Königspsalmen. Westermann selbst hat in späteren Werken sich nicht mehr auf die beiden großen Gattungen von Klage- und Lobpsalmen beschränkt und auch die kleineren Gattungen behandelt. 271 Hier werden seine Analysekriterien erheblich großzügiger. Doch in seinem sehr schematischen frühen Ansatz werden die impliziten Normen deutlich, nach denen ein Psalm einer Gattung zugeordnet wird: die Einheitlichkeit der Personen- und Stimmungsstruktur. Umgekehrt sind vom Standpunkt der deskriptiven Formgeschichte her die Ausnahmen von diesen impliziten Normen die entscheidenden Herausforderungen. Während wir in dieser Arbeit die Grenze von Einzelpsalmen in der formgeschichtlichen Beschreibung überschreiten werden, wird sie in der üblichen formgeschichtlichen Exegese oft unterschritten: Formgeschichte ist innerhalb des Postulates der ursprünglich reinen Form lediglich ein Hilfsmittel der Literarkritik. Die Grenzfälle, die wir im folgenden behandeln, betreffen also das Verhältnis von Formgeschichte und Literarkritik. Es geht um Psalmen, die von einigen Exegeten formgeschichtlich als Einheiten beschrieben werden und andererseits aufgrund formgeschichtlicher Analysen in mehrere Psalmen getrennt werden können. In allen im folgenden zu verhandelnden Beispielen bieten sich uns zwei formgeschichtliche Beschreibungsmöglichkeiten an: eine, die den Text in seiner vorliegenden Fassung formgeschichtlich beschreibt, und eine, die aufgrund der formgeschichtlichen Analyse zu literarkritischen Urteilen gelangt und einen als Einheit überlieferten Psalm in mehrere Psalmen oder Textstufen teilt. In der Formgeschichte, die die literarkritisch geteilten Psalmen als Einheit beschreibt, haben wir also in gewisser Weise einen Analogiefall zu der von uns intendierten formgeschichtlichen Beschreibung von Psalmgrup270 v g l . WESTERMANN, L o b 1 2 .

271 YGI WESTERMANN, Psalter. Ein kompositorisch besonders interessantes Ergebnis dieser Hinwendung zu den kleinen Gattungen wurde bereits referiert (s.o. S.4 zu WESTERMANN, Sammlung). Ein Gegenpol zu Westermanns Versuch der Weiterentwicklung der Gunkelschen Formgeschichte stellt der bei KRAUS ab der fünften Auflage seines Psalmenkommentars ( 5 1978) erfolgte Neuansatz dar, der die Gattungen der Psalmen eher anhand thematisch festgelegter Psalmengruppen analog zu den bei Gunkel sogenannten kleinen Gattungen bestimmt. Vgl. jedoch den ganz ähnlichen Denkansatz bei WESTERMANN, Lob 60.

50

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

pen. Wir hoffen, im Nachvollzug einiger Beispiele einer formgeschichtlichen Analyse von Einzelpsalmen, in denen normative und deskriptive Analysen gegenüberstehen, erste Kategorien zu finden, die auch Einheiten von mehreren textlich getrennt überlieferten Psalmen beschreibbar machen.

3.2 Formgeschichtliche

Doppelung innerhalb eines Psalms

Als erstes Fallbeispiel wählen wir Psl8. Während insbesondere noch H. Schmidt die Aufteilung von Ps 18 in zwei Teilpsalmen vorschlug, 272 wird heute zumeist der Psalm als Einheit von zwei Teilen angesehen. Die Gattungsbestimmungen beider Teile sind problematisch: Der Anfang des Psalms beginnt danklieduntypisch mit 'ipn'l?! (mit der Septuaginta wohl: „Ich will dich lieben") 273 , auch der breite Theophanieteil in der ersten Hälfte des Psalms ist für das Danklied untypisch. 274 Der zweite Teil stellt weder ein ausschließlich als Danklied noch als Königspsalm zu verrechnendes Stück dar, sondern eine Mischung aus beidem. 275 Da wir bei einer formgeschichtlichen Betrachtung der postulierten Teilpsalmen ohnehin besondere Mischgattungen annehmen müßten, können wir auch gleich mit der Abtrennung des vorliegenden Textes Ps 18 als ganzen Psalm einer speziellen Gattung zuweisen. Ps 18, der mit wenigen textlichen Abweichungen auch durch die Übernahme in 2Sam 22 als ein Psalm bestätigt wird, 276 ist eine einheitlich lesbare Größe, für die eine Gattungsbestimmung wie Königsdankpsalm277 als Näherungsbestimmung zutrifft, wenn wir nicht einfach in Anschluß an J. Begrich Mischungen oder F. Stolz Mischpsalm278 sagen wollen. Das Problem des Neuansatzes innerhalb von Ps 18 ist nun keineswegs singulär und auf Psalmen mit problematischer Gattungszuweisung beschränkt: Ins-

272

SCHMIDT Z. S t . u n d B A U M A N N , Z A W 6 1 , 1 3 1 - 1 3 6 ; G U N K E L (Z. S t . ) v e r w e i s t a l s w e i t e r e ,

ältere Vertreter dieser These u.a. auf BUDDE (Bücher Samuel 314 ff.) u . a . . . Vgl. auch SELLIN/ FOHRER, Einleitung 309 und distanziert CRÜSEMANN, Studien 254ff. SPOER, Z A W 27, 145—161, hier 149ff., ging gar von 2 Psalmen und einem zusätzlichen Fragment, v. 8—16, aus (so auch bereits GRAETZ z. St.). 273 Die Wurzel a m ist als Qal-Form ein Hapax Legomenon und mit Gott als Objekt auch semantisch ungewöhnlich, wird aber bereits von der Septuaginta (dyanriau)) bestätigt. Andere Lösungen wie die Konjektur ^DOIS (BHS z. St.) beseitigen zwar das semantische Problem, schaffen aber neue wie etwa die dann völlig ungewöhnliche Weiterführung ohne 'S (dazu CRÜSEMANN, Studien 269). Dieser schwierige Vers ist in der Variante 2Sam 22 weggelassen. 274

GUNKEL/BEGRICH, E i n l e i t u n g 2 6 5 f f . ; CRÜSEMANN, S t u d i e n 2 1 0 f f . , b e s . 2 5 8 ; K R A U S Z . S t .

275

CRÜSEMANN, aaO. 256f. Vgl. auch WEISER 126, der besonders in v . 4 4 f . 49 beide Themen verbunden sieht. 276 Zu dem Ergebnis, daß P s l 8 in 2Sam 22 aufgenommen wurde, gelangen neben der M o n o g r a p h i e v o n SCHMUTTERMAYR, P s a l m 1 8 , 1 6 , a u c h WEISER, KRAUS U. a . ( z . S t . ) . 277

So CRÜSEMANN, aaO. 256f., zu Ps 18B. Vgl. auch HOSSFELD, FS Groß 1 7 1 - 1 9 0 .

278

GUNKEL/BEGRICH, E i n l e i t u n g § 11 ( S . 3 9 7 f f . ) ; STOLZ, P s a l m e n . S . u . A n m . 2 9 1 .

3. Methodische

Vorüberlegungen

aus der

Formgeschichte

51

besondere Ps 30 279 als gedoppeltes Danklied, Ps 47 280 und 147281 als gedoppelte Hymnen und Ps27 282 und 102283 als gedoppeltes Klagelied weisen auch das formgeschichtliche Phänomen der Doppelung innerhalb eines Psalms ohne deutlichen Gattungswechsel auf. Die Lieddoppelung innerhalb eines überlieferten Psalms ist daher weder für bestimmte Gattungen typisch noch auf bestimmte Gattungen beschränkt. Die gedoppelten Psalmen haben kompositorisch ihre nächste Parallele in den bereits beschriebenen Zwillingspsalmen, also in den Fällen, in denen zwei gleichartige Psalmen - dann allerdings mit deutlichem Trenner - hintereinandergestellt sind. 284 Hier entspricht also ein formgeschichtliches Phänomen innerhalb von Psalmen einem Phänomen in der Reihung von Psalmen. Als formgeschichtliches Ergebnis nehmen wir also mit, daß dieselbe Form sich innerhalb eines Psalms wiederholen kann. Auch wenn zwei oder mehr gleichartige Psalmen zusammenstehen, muß deshalb nicht von einem Bruch in aus anderen Gründen als zusammengehörig ausgewiesenen Psalmengruppen ausgegangen werden. Diese Aneinanderreihung gleicher Motive wird auf der kleineren Ebene von Sprachmotiven und Formeln innerhalb eines Psalms Cluster genannt. 285 Ähnlich kann die Reihung von formgeschichtlich gleichen Sätzen oder Satzteilen innerhalb eines als textlicher Einheit überlieferten Psalms als Cluster verstanden werden. Diesem Phänomen der Reihung ähnlicher Elemente innerhalb eines Psalms werden wir auch auf der Ebene der Psalmkomposition begegnen.

279 Dazu GUNKEL 127. Zu beachten ist insbesondere die doppelte Schilderung der Klage (v. 3.9—11) und der Errettung (v. 4.12f.). v. 7 ist in diesem Verständnis Neuansatz nach der Mitte des Psalms v. 5f. Durch die Rahmenverse des Gesamtpsalms ist ein Verständnis des Psalms als Einheit jedoch gesichert. 280 Dazu JEREMIAS, Königtum 50f. Bei Hymnen ist es schwieriger, einen definitiven Neuansatz zu bestimmen, da sie ohnehin Doppelungen als Strukturelement haben. 281 p s l 4 7 setzt in v. 12 neu an. Die Abfolge ist: Lobaufruf (v. 1.12), der '3-Teil mit dem Thema Jerusalem ( v . 2 f . . l 3 f . ) , Schöpfung ( v . 4 - 9 . 1 5 - 1 8 ) und Israel (v. 1 0 f . . l 9 f . ) (so unlängst LOHFINK, Lobgesänge 117). 282 WESTERMANN, Lob 49. Vgl. die Auseinandersetzung mit der älteren Literatur, die in

P s 2 7 z w e i u r s p r ü n g l i c h e P s a l m e n s a h ( z . B . KITTELz. S t . ) , b e i BIRKELAND, Z A W 5 1 , 2 1 6 — 2 2 1 . 283

D U H M , GUNKEL U. a . z . S t . ; v g l . d i e V o r b e h a l t e b e i WEISER 4 4 6 . WESTERMANN, L o b 4 9 ,

sieht Ps 102 als einen Psalm. 284 Kompositioneil scheint in einem Fall ein gedoppelter Psalm (Ps 18) zwei Zwillingspsalmen (Ps20f.) zu entsprechen, was angesichts der Länge von Ps 18 als drittlängstem Psalm des Psalters nicht verwundert. Dazu oben 1.2.2 (S. 24f.). 285 So insbesondere AEJMELAEUS, Prayer, hier bes. 50ff. Auf der Ebene der mündlichen Texte hat dies bereits CULLEY, Language, herausgearbeitet. Die deutsche Fassung des englischen Ausdrucks Cluster (Gruppe, Traube) ist nicht in allen deutschen Wörterbüchern geläufig, aber beispielsweise von dem Bremer MACKENSEN (Wörterbuch 511) als niederdeutsches Wort verzeichnet. Der Ausdruck dürfte außerdem aus der Musikwissenschaft bekannt sein.

52

Teil I: Der einzelne Psalm als

3.3 Wechsel der Personenstruktur

Ausgangspunkt

innerhalb eines Psalms

In der Regel ist ein Psalm durch eine einheitliche Personenstruktur und Sprechrichtung gekennzeichnet. Doch auch innerhalb der Formgeschichte der Einzelpsalmen gibt es mehrere Möglichkeiten von Personenwechseln innerhalb eines Psalms. Schauen wir uns also auch hier die Ausnahmen von der Regel an, um einer Formgeschichte der Psalmengruppen vorzuarbeiten. Der erste und einfachste Fall ist der Wechsel zwischen Singular und Plural und der zweite der Wechsel des Modus von direkter und besprechender Rede derselben Person. Nehmen wir Ps66 als Beispiel für den Numeruswechsel innerhalb eines Psalms. Ps66 wird üblicherweise in zwei Teile zerlegt, weil die erste Person Plural v. 8—12, in der Israel von den Heilstaten Gottes erzählt, ab v. 13 einer ersten Person Singular weicht. Formgeschichtlich wird so der Hymnus bzw. das Danklied des Volkes vom Danklied des Einzelnen unterschieden. 286 Die strenge Trennung der Gattungen hinsichtlich der Zahl der beteiligten Personen wird jedoch bereits innerhalb des pluralischen ersten Psalmteils durchbrochen, wenn wiederholt die Völker zum Lob Gottes aufgefordert werden. Damit ist bereits innerhalb des ersten Psalmteiles eine weitere Gruppe integriert, die von der Wir-Gruppe zu unterscheiden ist, nur daß das Auftreten dieser Gruppe von der Formgeschichte in die Beschreibung der Gattung Imperativischer Hymnus integriert wird. 287 Eine Formgeschichte, die lediglich Texte beschreiben will, ohne aufgrund vereinfachender Textbeschreibung literarkritische Kriterien für einen Normaltext zu entwickeln, wird in Ps 66 also lediglich das Phänomen des Numeruswechsels feststellen und sich hinsichtlich der formgeschichtlichen Einordnung des Phänomens fragen, ob es vergleichbare Formen gibt. Der Personenwechsel zwischen einem einzelnen Sprecher und einer Sprechergruppe erscheint beispielsweise auch bei der umstrittenen Gattung des Hymnus des Einzelnen288 (Ps8; 103). Da ein beträchtlicher Teil der Hymnen des Einzelnen deutliche weisheitliche Formen hat 289 und alle sogenannten Hymnen des Einzelnen im Psalter auch Pluralelemente aufweisen oder wie P s l l l ; 145 und 146 Teil einer pluralischen Psalmengruppe bzw. deren Einleitung sind, 290 ist das Phänomen des Numeruswechsels innerhalb eines Psalms also auch ein Teil des Phänomens der Gattungsmischung. Eine andere Möglichkeit, den Numeruswechsel zu verstehen, bildet die 286 So z . B . CRÜSEMANN, aaO. 174ff. GUNKEL (z. St.) unterteilt Ps66 sogar in drei Teile (v. 1 - 7 : Hymnus; v. 8—12: Danklied des Volkes; v. 13ff.: Danklied des Einzelnen). Er sieht aber die einzelnen Teile dann doch in ihrem Zusammenhang: „Auch die Gattungsmischung führt in ein spätes Zeitalter" (278). 287 v g l . den Überblick bei CRÜSEMANN, aaO. 39ff. 288 CRÜSEMANN, aaO. 285ff., arbeitet die Nähe dieser Hymnen zum Klage- und Danklied heraus. Der Hymnus des Einzelnen ist daher als Mischgattung zu verstehen. 289

CRÜSEMANN, a a O . 2 9 6 f f .

290

S. o. 1.2.3.2 und 3 und unten II. 1.3 und II.3.3.1.

3. Methodische

Vorüberlegungen

aus der Formgeschichte

53

formgeschichtliche Kategorie der Liturgie.291 Während der Mischpsalm in aller Regel nachkultisch verstanden wird, ist die Liturgie als unmittelbarer Teil des Gottesdienstes gedacht. Solche Liturgien haben wir in der Formgeschichte der Einzelpsalmen in einigen Variationen. Deutlich ist der Personenwechsel als gattungskonstitutives Element bei den sogenannten prophetischen Liturgien (Ps50; 75; 81; 82; 95), in denen die Gottesrede mit der 1.Person Singular dem Wir der Psalmbeter gegenübersteht. Den Wechsel zwischen einzelnem Sprecher und Sprechergruppe haben wir des weiteren auch im Danklied des Einzelnen, einer Gattung, bei der die Haftung in der Liturgie sehr offensichtlich ist. 292 In diesem Fall finden wir das Phänomen, daß dieselbe Person, Gott, einmal direkt angeredet wird und dann wieder von ihr in indirekter Rede gesprochen wird. Der Wechsel von anredender und besprechender Rede ist ein gattungstypisches Phänomen im Danklied des Einzelnen. Besonders krass ist der Wechsel von besprechender und anredender Sprache in Ps 118, für den auch deswegen die Bezeichnung als Dankliturgie naheliegt, weil er eine liturgische Prozession (v. 19f.) voraussetzt und mit einem Segen schließt (v. 26f.).

3.4 Der Stimmungswechsel 3.4.1 Der Stimmungswechsel

innerhalb von Psalmen

von der Klage zum Lob

Psalmen haben oft ein Stimmungsgefälle von der Klage zu Lob und Dank. Dieses Stimmungsgefälle finden wir in zwei formgeschichtlichen Varianten wieder: zum einen blickt das Danklied im Klagebericht auf die vergangene Klage und die erfolgte Rettung zurück. Hier ist die Abfolge Klage-Dank Reflex einer konkreten Erfahrung. Das Danklied ist der sprachliche Ausdruck dieser Erfahrung. Manchmal wird im Danklied sogar die Klage in direkter Rede wieder aufgegriffen (Ps 30,10): Was für ein Gewinn ist an meinem Blut, an meinem Hinabsteigen zur Grube? Kann dich etwa der Staub preisen ? Erzählt er deine Treue?

'Ol? 27?3"na "I3J? T?1!"!

Dasselbe Stimmungsgefälle von der Klage zu Lob und Dank gibt es auch im Klagelied, an dessen Schluß wir des öfteren Elemente von Lob- und Dankliedern finden. Gehen wir einige Beispiele für solche Schlußelemente durch (Ps7,18):

291 (GUNKEL/) BEGRICH, Einleitung 397ff., faßt beide Phänomene formgeschichtlich unter dem Titel „Mischungen, Wechselgedichte und Liturgien" (§ 11) zusammen. Der Begriff des Mischpsalms kann hier nur eine vorläufige Etikette sein (vgl. STOLZ, Psalmen 27: „wieder verschleiert der Begriff mehr, als daß er klärt"). S.o. Anm. 278. 292 Dazu hat CRÜSEMANN, aaO. 210ff., das Nötige geschrieben.

54

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

ii?7?3 n w n i i s m n ' - a w nn^isn

Ich will Jhwh nach seiner Gerechtigkeit danken und den Namen Jhwhs, des Höchsten, loben. Dieser Schluß eines Klageliedes kann auch die Form von Vertrauens- oder Segensaussagen haben: . . . ^riDnn ^ay-Vs; n s i t ^ n mrr 1 ?

Bei Jhwh ist die Hilfe, über deinem Volk dein Segen...

(Ps3,9)

It^io nastf K -nir Dfttfa

neo1? rrn1? mrr nns"'? In Frieden lege ich mich zugleich nieder und schlafe ein, denn du, Jhwh, allein läßt mich sicher wohnen. (Ps4,9) Dieser Teil des Klagepsalms kann in extremen Fällen sogar fast die Hälfte des gesamten Psalms einnehmen. Ps4 wird beispielsweise verschiedentlich wegen seiner deutlichen Vertrauensaussagen auch als Vertrauenspsalm angesehen. 293 Das große Gewicht der positiven Aussagen im Klagelied ist besonders deutlich am Schluß von Ps22, der etwa ein Drittel des gesamten Psalms einnimmt und mit den typischen Kennzeichen eines Dankliedes erweitert ist: neben die direkte Rede zu Gott tritt die Anrede an die Gemeinde, in der von Gott in der 3. Person geredet wird (Ps22,23.24a): 294 Ich will meinen Brüdern deinen Namen bekanntmachen, 'nx1? rnSÖN in der Mitte der Versammlung werde ich dich loben. ^Hp Tina Jhwh-Fürchtige, lobt ihn! imV?n mn' 'KT Das ganze Geschlecht Jakobs, ehrt ihn! innas 3 ]??! yii'^S Von den Formelementen des Dankliedes am Schluß von Psalm 22 her ist es nicht verwunderlich, daß dieser Schluß von Psalm 22, der sich über die Verse 23—32 erstreckt, in der älteren Exegese als eigener Psalm betrachtet wurde. 295 Doch seit Gunkel überwiegen eindeutig die Vertreter der Einheitlichkeit von Psalm 22, die in ihm den für Klagelieder typischen positiven Schluß erweitert sehen. 296 Die Sicht, die auch den extremen und ausführlichen Stimmungswechsel innerhalb eines Psalms von der Klage zu Lob und Dank ermöglicht, ist 293

S o z . B . GUNKEL u n d WEISER ( Z . S t . ) . GERSTENBERGER ( z . S t . ) v e r w e n d e t b e i d e

Gat-

tungsbezeichnungen von Klage- und Vertrauenspsalm gleichzeitig, ähnlich WAHL, FS Groß 4 5 7 - 4 7 0 , hier 459. 294 Zur Formgeschichte des Dankliedes vgl. GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 265ff., und dessen Weiterführung gegen die Kritik durch WESTERMANN (Lob) durch CRÜSEMANN, aaO. 210 ff. 295

D U H M , KAUTSCH-BERTHOLET U. a . z . S t .

296

G U N K E L , KÖNIG, STAERK, DE WETTE, KRAUS Z. S t . N u n b e s o n d e r s : DEISSLER, i n : „ I c h w i l l

. . . " 9 7 - 1 2 1 , der wegen des Schlusses Ps22 als Musterpsalm sieht. Zu den älteren Ansätzen, Lobschlüsse aus Klagen zu entfernen, vgl. die literarkritischen Urteile der älteren Literatur beispielsweise von BALLA, Ich 16; SCHMIDT, Gebet 11.37f., aber auch noch DELEKAT, Asylie

3. Methodische Vorüberlegungen aus der Formgeschichte

55

forschungsgeschichtlich durch eine außertextliche Konjektur ermöglicht: die A n n a h m e , daß ein Heilsorakel b e i m k l a g e n d e n B e t e r e i n e n Stimmungsumschwung bewirkt. Seit F. Küchler 2 9 7 besteht die Vermutung, daß der klagende E i n z e l n e am Heiligtum den A u s g a n g seiner N o t erfährt. U n t e r d e m Begriff des Orakels wird eine Fülle v o n R e a k t i o n e n G o t t e s z u s a m m e n g e f a ß t : üblich ist in der Orakelpraxis eine Entscheidungsfrage, die durch L o s e n beantwortet werden k a n n . 2 9 8 D i e k o m p l e x e r e A n t w o r t in F o r m einer G o t t e s r e d e bildet dagegen eindeutig die A u s n a h m e . Z u d e m ist das Orakel nur für die Klagelieder des V o l k e s unbestritten, da nur hier sich regelmäßig ein Orakel in den P s a l m e n selbst f i n d e t . 2 9 9 D i e Frage nach der U r s a c h e des Stimmungswechsels bei den P s a l m e n des E i n z e l n e n ist also weiterhin o f f e n . 3 0 0 Es fällt auf, daß Begrich die ersten umfangreichen Textbelege für Heilsorakel in der Bibel in Jes 40—55 gefunden hat, also in Texten aus der Zeit des babylonischen Exils bzw. in der ersten Phase nach dem babylonischen Exil. Doch bietet beispielsweise auch Ez 20,1 als Text aus dem Jahr 591 - wenn die Datierungsangabe zutrifft - ein Orakel. 3 0 1 Zudem gibt es vereinzelte vorexilische Stellen (z.B. lSam 9,6ff.), die die Orakel als vorexilische Einrichtung sichern. Die vorexilische Orakelpraxis ist auch in der Umwelt Israels eindrücklich belegt. 3 0 2 Ebenfalls die Erzählung von der Geburt Samuels lSam l f . ist ein mit einiger Sicherheit vorexilischer Beleg für ein Orakel. 3 0 3 Unlängst hat M. Weippert 3 0 4 das Orakel auch als Ursache des Stimmungswechsels innerhalb der sogenannten Konfessionen Jeremias (Jer 11,18—20.21—23; 15,10— 18.19—21) bekräftigt. Weippert widerlegt damit eine der beiden Stellen Jer 11,18—20; 20,10—12, deretwegen Gunkel 3 0 5 offenließ, ob das Jeremiabuch einen Hinweis auf ein Orakel gibt. Doch sind die Belege für Orakel innerhalb der Klagen des Einzelnen zu selten und in offensichtlichen Ausnahmetexten, 3 0 6 als daß der Analogieschluß von RIDDERBOS, Psalmen 2 2 5 (so die Stellenübersicht bei MARKSCHIES, Z A W 103, hier 3 8 8 , zu P s 3 1 ) . 297 KÜCHLER, FS Graf von Baudissin 285 -301, hat zuerst auf die priesterlichen Orakel als Deutehorizont der Psalmen aufmerksam gemacht. BEGRICH (Heilsorakel) hat diesen Entwurf ausgebaut (vgl. GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 246ff.), besonders, indem er die ersten umfangreicheren Texte für das Heilsorakel bei Deuterojesaja ausmachte. 298 Vgl. KESSLER, W U D 2 1 , 4 3 - 5 7 , hier 5 2 . 299 So unlängst mit Nachdruck KESSLER, WuD 21,49ff. 300 Gegen BEYERLIN, Rettung, der als Psalmen mit institutionellen Rettungsaussagen Ps9f.; 12; 25; 54; 55; 56; 59; 62; 64; 86; 90; 140; 142; 143 und als Psalmen ohne institutionelle Rettungsaussagen Ps 3; 4; 5; 7; 11; 17; 23; 26; 27; 57; 63 herausarbeitet. Zur älteren kultinstitutionellen Psalmendeutung vgl. MOWINCKEL, Psalmenstudien 6, 154ff., und BIRKELAND, Feinde, sowie SCHMIDT, Gebet (dazu GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 252ff.). Viele Details der kultinstitutionellen Deutung sind sehr problematisch. Z.B. Zeph 3,5 (eine Belegstelle bei BEYERLIN, Rettung 149) ist auch so verstehbar, daß der Morgen Recht bringt, weil es hell wird und die bösen Taten sichtbar werden. Zu Ps 5,4 vgl. bereits GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 246: „diese Anspielung steht innerhalb der Klagelieder des Einzelnen völlig vereinzelt da." 101,

und

386-398,

301

302

303 304 305

306

Vgl. z. B. ZIMMERLI, Ezechiel 441. SCHMITT, Gottesbescheid. JANOWSKI, Rettungsgewißheit.

Dazu ausführlich unten II.1.4. WEIPPERT, FS Deller 287-319, bes. S. 312ff., dort weitere Literatur. GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 246.

Vgl. dazu bes. II.1.4 zu lSam l f .

56

Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

Gerstenberger 3 0 7 von der altorientalischen Orakelpraxis auf Orakel im israelitischen Bereich bei der Klage des Einzelnen sicher wäre. Sicher ist nur diese Praxis bei der Klage des Volkes. Diese weist aber eindeutig in die vorexilische Zeit. Insgesamt ahmt daher auch Jes 40ff. eine ältere, vorexilische Praxis nach.

Wenn wir von dem Extremfall eines ausführlichen Dankliedes am Schluß eines Klageliedes in Ps22 ausgehen, so fällt auf, daß in der neueren Zeit die Tendenz zu einer kultinstitutionell unabhängigen Deutung des Stimmungswechsels in Ps 22 zu beobachten ist. 308 Als textlicher Hinweis gilt beispielsweise die universale Orientierung im Schlußteil von Ps22, Ps22,23ff. Der formgeschichtliche Wechsel von der Klage zum Dank gibt in Ps22 Zeugnis eines formgeschichtlichen Prinzips, das unabhängig von einer konkreten Heilswende oder einem Heilsorakel vermittelt wird. Von der Betrachtung des regelmäßigen Wechsels von der Klage zu Vertrauen, Lob und Dank werden auch die Ansätze, die Klage-, Vertrauens- und Danklieder der gemeinsamen Großgattung der Gebetslieder zuweisen wollen, neu verständlich. 309 Bereits Gunkel sah den Vertrauenspsalm als verselbständigten Vertrauensteil der Klage des Einzelnen. 310 Auch der Zusammenhang zwischen Klage- und Danklied ist dahingehend zu verstehen, daß der Klagende vor der Wendung der Not steht und der Dankende auf sie zurückblickt. 311 Indem Kraus Klage- und Danklieder einer gemeinsamen Gattung Gebetslieder zuweist, verwischt er diesen für das individuelle Befinden gewiß nicht unerheblichen Unterschied, ob der Klagende sich bereits gleichsam als gerettet sieht oder ob er wirklich gerettet ist. 312 Auch der Verweis auf die vermutlich professionelle Fertigung der Gebete 313 vermag diesen gravierenden Unterschied nicht zu beseitigen, da der Psalmdichter sich auf die Situation des Klagenden oder Dankenden einstellen muß. Seine Aufgabe ist es, dem Klagenden zu helfen, seine Klage zu formulieren, ihn in das gottesdienstliche Geschehen der Umwandlung von der Klage zum Lob hinzuführen, und umgekehrt den Dankenden an seine Klage zu erinnern. 314 Unter dem Aspekt des Zustandes vor oder nach der Rettung rückt das Vertrauenslied in die Nähe des Klageliedes. Diese beiden Literaturgattungen zusammenzufassen, ist vom Sitz im Leben daher möglich und aufgrund der literarischen Abgrenzungsprobleme beider Gattungen auch geboten. 315 307

GERSTENBERGER, M e n s c h .

308

So besonders DEISSLER, aaO., und STOLZ, ZThK 77,129-148; ders., Psalmen 35ff. 309 So bes. in der Neubearbeitung seines Psalmenkommentares ab der 5. Auflage 1978: KRAUS 49ff. Vgl. aber auch bereits WESTERMANN, Lob 60. 310 311

GUNKEL/BEGRICH, E i n l e i t u n g 254. S o b e s . CRÜSEMANN, a a O . 3 0 9 U . ö .

312

Dazu nun auch KESSLER, WuD 21.

313

KRAUS 51, u n d GERLEMANN, V T 32, 1982, 3 3 - 4 9 , g e g e n die Vorstellung der „schlich-

tein) Privatleute" (GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 200). 314 Gleichwohl werden wir die These der Gebetslieder von KRAUS innerhalb der Betrachtung der Psalmengruppen aufnehmen (dazu unten II.4). 315

S o GUNKEL/BEGRICH, E i n l e i t u n g 2 5 3 f f . ; WESTERMANN, Psalter 59. S o auch MARKSCHIES,

3. Methodische Vorüberlegungen aus der Formgeschichte 3.4.2

Der Stimmungswechsel

von Lob und Dank zur

57

Klage

Mit der Abweichung von der normalen Folge von der Klage zu Lob und Dank ergibt sich ein anderer Fall, den wir hier zu untersuchen haben, nämlich die ungewöhnliche Folge von positiver und negativer Stimmung durch Anfügung einer Klage an ein Lob- oder Danklied. Betrachten wir Ps 40 als Beispiel. Kraus urteilt zu Ps 40 kurz: „Ps40 zerfällt in zwei verschiedene Lieder, die sich in ihrer Form und Thematik deutlich voneinander abheben. Ps 40A (2—12) gehört zur Formgruppe der Gebetslieder, die sich als „Danklieder des Einzelnen" abheben. (...) Demgegenüber ist das Gebetslied Ps40B (13—18) deutlich von der Grundform des Bittens und Flehens her geprägt." 316 Unter Verweis auf Gunkels Bestimmung von Ps 40,14—18 als selbständiges Klagelied, das aus Ps70 angefügt ist, wird bei Kraus der Gesamttext von Ps40 als solcher nicht mehr interpretiert. 317 Die Formgeschichte ist hier völlig der Literarkritik untergeordnet. Nun sind bei Ps40 die literar kritischen Verhältnisse wegen der teilweisen Doppelüberlieferung in Ps 70 relativ sicher zu bestimmen. Ps40 erweist sich dabei literarkritisch als eine Neukomposition. Ps70 entspricht nur einem Teil von Ps40, nämlich v. 14—18. Innerhalb des zu vergleichenden Abschnittes gibt es die im sogenannten elohistischen Psalter typischen Abweichungen. 318 Wie wenig damit aber über den Text selbst ausgesagt ist, wird daran deutlich, daß sich in Ps 70,2b mn 1 findet und Ps 70,6b den Gottesnamen sogar dort setzt, wo in Ps 40,18b steht. Spätestens hier sollte deutlich sein, daß die Vorstellung einer elohistischen Redaktion der Psalmen 42—83, also einer nachträglichen Eintragung von H'fftK, viel zu oberflächlich erscheint angesichts der tatsächlichen Setzung von Gottesname und Gottesbezeichnung in diesem Abschnitt des Psalters. 319 Beim Vergleich der Textvarianten fällt der andere Einstieg von Ps70 auf: Gegenüber Ps40,14 fehlt der einleitende Imperativ ns*l, dessen Funktion in Ps70,2 von dem den Vers beschließenden ntPin mit übernommen wird. Ps 40,15 a bietet nun gegenüber Ps70,3 zwei zusätzliche Wörter (7PP und nniSO1?), die verstärkende und erklärende Funktion haben, also gegenüber Ps 70 sekundär sind. Während Ps 70,4 die Ha,Ha-Rufer wegen ihres Frevels nur umkehren läßt, sagt Ps 40,16 ihren Untergang voraus. Auch hier scheint Ps 40 eher Ps 70 zu verstärken. Das in Ps 40,16 gegenüber Ps 70,4 überschießende ,l 7 wirkt wie eine Ergänzung. Damit erscheint eher Ps 40,14—18 die jüngere Variante zu Ps70 darzustellen, 320 obwohl Ps40,17 mit nywri das gegenüber Ps70,5 (nyw 1 ) seltenere Wort bietet. Da Ps70 als ein zwar blasser, aber vollständiger Psalm gelten kann und ZAW103, 74 Anm. 1. Dagegen dern zuordnet. 316

SEIDEL,

Spuren 30, der die Vertrauenspsalmen den Danklie-

KRAUS 4 5 8 .

K R A U S 459: „Doch bei näherem Zusehen ist kein Anlaß zu irgendeiner Verklammerung wahrzunehmen." „Im Folgenden beschränkt sich die Interpretation mit ihren Voruntersuchungen auf Ps40A. Zu Ps40B vgl. zu Ps70." Vgl. unten III.1.2.3. 318 Ps40,14a/70,2a; 40,17a/70,5a. 319 Dazu siehe unten III. 1, sowie als ersten Einstieg in die Kritik S E I D E L , Spuren 60—64. 320 Y G I G O U L D E R , Prayers 2 2 9 , in Anschluß an G U N K E L , W E I S E R und K R A U S Z. St. Dagegen 317

z . B . D E L I T Z S C H (Z. S t . ) .

58

Teil 1: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

sich P s 4 0 o h n e h i n als ein G e f ü g e aus unterschiedlichen Stilarten zeigt, wird vermutlich P s 7 0 in P s 4 0 sekundär eingefügt s e i n . 3 2 1 D i e Setzung der G o t t e s b e z e i c h n u n g statt d e s erwarteten G o t t e s n a m e n s m u ß aus n o c h zu untersuchenden Gründen in d e m ursprünglicheren Text selbst erfolgt sein.

Mit der diachronen Feststellung, daß Ps40 eine sekundäre Neukomposition darstellt, ist jedoch die Frage nach der Beschreibung von Ps40 als Einheit keineswegs unsinnig geworden. In der Literatur gibt es zwei Typen von Ansätzen, Ps 40 als Einheit zu verstehen. A. Weiser versucht Ps40 als Einheit und typischen Bundesfestpsalm zu verstehen. Er setzt dabei voraus, daß in dem altisraelitischen Bundesfestkult „das Opferwesen nicht die zentrale Stellung innegehabt hat wie im zweiten Tempel". 322 Dieser Ansatz der Frühdatierung von Ps40 ist durch unsere literarkritische Analyse des Psalms sehr unwahrscheinlich geworden, es sei denn, man hielte Ps70 für einen noch älteren Psalm. Einen zweiten Versuch der Gesamtinterpretation hat in Aufnahme der von Begrich stammenden Bezeichnung Mischpsalm F. Stolz unternommen. 323 Die Bezeichnung „Mischpsalm" ist für Stolz weniger der Versuch der Konstituierung einer neuen Gattung, als der Hinweis auf den nachkultischen Hintergrund ganzer Psalmen. Mit der Bestimmung von Ps 40 als nachkultischem Psalm vertritt Stolz die Gegenthese zu Weiser. Während Weiser diesen Psalm zeitlich vor den typischen Opferdienst des Tempels stellte, ordnet Stolz ihn dem Tempelgottesdienst zeitlich nach bzw. distanziert ihn räumlich. Beide Ansätze gelangen damit zu einem Gesamtverständnis des Psalms aufgrund seines speziellen Inhaltes, hier also der kritischen Stellung zum Opfer, während bei den Ansätzen der reinen Form der spezielle Inhalt dem Formschema untergeordnet wird. Wer den vorliegenden Psalm interpretieren will, wird sich also vom Postulat der reinen Form lösen müssen und stärker auf spezielle Inhalte von Psalmen Rücksicht nehmen müssen. 324 Denn während die Formgeschichte die Umwendung des Klageliedes in ein Lob- bzw. Danklied in ihr formgeschichtliches Schema hat integrieren können, fehlt eine solche Integration der umgekehrten Wende von der hohen Stimmung in die Klage. 325 Notieren wir kurz die betreffenden Psalmen: Ps 9(f.) 326 ; 19327 ; 27; 31; 40; 89; 321

Zu den Gründen der Einfügung siehe unten II.3.1 und II.3.2.6. 216. Weiser kommentiert umgekehrt Ps70 ausschließlich mit den Worten: „vgl. P s 4 0 , 1 4 - 1 8 " (WEISER337). 323 S . o . Anm. 278 und 291. 324 S . o . 1 . 3 . 1 zur Kritik von M . W E I S S an der Formgeschichte der reinen Form. 325 G U N K E L / B E G R I C H , Einleitung 135f., notiert das Problem kurz, ohne es wirklich in seine Formgeschichte zu integrieren. Bemerkenswert für die Behandlung dieses Phänomens ist auch die abwertende Sprache („In späterer Zeit schließen andersartige Erzeugnisse nicht selten mit Bitten", aaO. 135). 326 Bereits innerhalb von P s 9 wendet sich der Dank zurück in die Klage. Es ist daher für diese Frage gleichgültig, ob Ps 9 isoliert betrachtet wird oder wie in der Septuaginta mit Ps 10 zu einem Psalm verbunden wird (siehe oben S. 8 und 10f.). 327 Zu Ps 19 vgl. die neuere literarkritische Untersuchung von SPIECKERMANN (Heilsgegen322

WEISER

3. Methodische Vorüberlegungen aus der Formgeschichte

59

90; 94; 108; 118; 119; 144, so zeigt sich, daß alle Psalmen Weisheitspsalmen sind bzw. wenigstens mehr o d e r weniger deutliche weisheitliche E l e m e n t e hab e n . 3 2 8 E i n e A u s n a h m e bilden hier Ps 108, der aber wie P s 4 0 aufgrund einer D o p p e l ü b e r l i e f e r u n g innerhalb des Psalters ein sekundärer Psalm aus m e h r e ren sicher literarkritisch abtrennbaren Teilen ist, und P s l l 8 , der aber an s e i n e m U m b r u c h v o m D a n k zur Klage in der Textüberlieferung umstritten i s t . 3 2 9 D i e A n a l y s e v o n Stolz, die dieses formgeschichtliche Problem als M o t i v der Weisheit begreift, ist insgesamt als T h e s e zur Weiterarbeit eher g e e i g n e t . Ü b e r p r ü f e n wir diese T h e s e an e i n e m z w e i t e n Beispiel, der literarkritischen A n a l y s e v o n Ps 108. Ps 108 entspricht in v . 2 - 6 Ps 57,8-12 und in v . 7 - 1 4 Ps 6 0 , 7 - 1 4 . A . Weisers Kommentierung dieses Psalms sei beispielhaft für den Umgang der Exegese mit diesem Psalm vollständig zitiert: 3 3 0 „Psalm 108 ist wahrscheinlich zu liturgischen Zwecken zusammengestellt aus alten Kulttraditionen, die auch in Ps. 57,8—12 und 60,7—14 verwendet sind (vgl. die Erklärung von Ps. 57 und 60; besonders zu 60,8 —10)." Außer dem historischen Urteil, der Psalm sei sekundär, erfährt der Leser hier nur die Vermutung, der Psalm sei „zu liturgischen Zwecken" zusammengestellt worden. D a diese vermuteten liturgischen Zwecke keiner Präzisierung gewürdigt werden, zeigt der Kommentator statt einer Auslegung, daß er kein Interesse an diesem Psalm hat, was er zudem durch die NichtÜbersetzung dieses Psalms auch eindrücklich dokumentiert. Als Indiz dafür, P s l 0 8 als sekundäre Neubildung aus Stücken von Ps57 und 60 anzusprechen, gilt beispielsweise die Verwendung von DTl^S, das in v. 2.6.12 aus dem elohistischen Psalter für den Kontext von P s l 0 8 ungewöhnlich übernommen wird. 3 3 1 Etwa die Auslassung des zweiten 1133 kann als Vereinfachung in Ps 108,2 gegenüber Ps57,8 gelten. Desgleichen vereinfacht Ps 108,10 („über das Philisterland werde ich jauchzen") Ps60,10 („über mich jauchze, Philisterland"). 3 3 2 Ps 108,5 steigert D'ÖtP'lS (Ps57,ll: „bis zum Himmel") zu Q'atrH?»» („bis über den Himmel"). Ps 108,7 liest das wart 60ff.), der Psl9 nicht wie üblich in zwei Teile zerlegt, sondern das Klagelied als zu isolierende Interpretationsschicht auffaßt. Ähnlich STECK, FS Westermann 318-324. Vgl. jedoch auch die zahlreichen neueren Ansätze, die Psl9 als literarkritisch unteilbare Einheit auffassen (insbesondere G E S E , Einheit; O E S C H , BN 26,71-89). Zwar mit diachronen Überlegungen, aber mit dem Entwurf eines Konzeptes von Ps 19 in der vorliegenden Form interpretieren: D O H M E N , Bibl. 64, 501-517; FISCHER, BN 21, 16-25; G L A S S , FS Murphy 147-159; MAYS, JBL106,3-12. 328 Vg^ bei den üblicherweise nicht als Weisheitspsalmen eingeordneten Psalmen z.B. Ps27,11; 89,16; 144,15. Ps30 gehört nicht in diese Reihe von Psalmen, da die Klage v. 11 Teil der Erzählung im zweiten Durchgang des Dankliedes ist (s. o. 1.3.2). 329 S.o.I.l zur Psalmtrennung. Von unserer Betrachtung her legt sich nahe, daß die Ausnahme von Ps 118 durch seine Abschlußstellung im Ägyptischen Hallel her bedingt ist, die einen weisheitlichen Schluß verlangt (dazu unten II. 1.3) und diesen durch den Schluß von Ps 118 und die Nachordnung von Ps 119 auch außerhalb der Psalmgruppe bekommt. Der Schluß von Ps 118 ist damit möglicherweise Teil der Nachschrift des Ägyptischen Hallels. 330

331

WEISER 4 7 2 .

Vgl. auch das Einsetzen von mrp statt 'UN in Ps 108,4. 332 Vgl s s i i n s n^D- , , 7S (Ps 108,10b) als Fortführung gleichartiger Aussagen mit dem schwierigen und deswegen wohl vorgängigen 'VS^nn fit?1?? ^V (Ps60,10b).

60

Teil I: Der einzelne Psalm als Ausgangspunkt

Qere von Ps60,7 (,335?1) bereits als Ketib. 333 Ps 108 hat also die erleichternde Textfassung. Das historische Urteil, Psl08 sei aus Ps57 und 60 sekundär gebildet, hat damit alle Wahrscheinlichkeit für sich. Doch ist damit der neugeschaffene Psalm selbst noch nicht charakterisiert. Ein Verständnis der Neukomposition ist aber durchaus möglich. Insbesondere der Übergang zwischen dem Ausschnitt aus Ps 57 und 60 ist gedanklich möglich. Es ergibt sich folgende Gliederung: v. 1 Überschrift v. 2 a Vertrauensäußerung v. 2b—5 Ankündigung eines Dankliedes v. 6f Bitte mit Begründung v. 8 —10 ZitateinesOrakels v. 11—13 erneute Bitte v. 14 Vertrauensäußerung Die Disposition mit der einleitenden und abschließenden Vertrauensäußerung legt für Ps 108 insgesamt die Bezeichnung Vertrauenslied nahe. Doch ist die Nähe der Neukomposition dieses Psalms mit ihrer Lobliedankündigung in der ersten Hälfte zu den Weisheitspsalmen mit klagendem Schluß beachtlich. Von daher erklärt sich auch das Weglassen der zweiten Vershälfte in Ps 108,2a gegenüber der Vorlage: Psl08 ist keine Dichtung, sondern Prosa. Auch Ps 108 fügt sich damit in das gewonnene Bild: Die Rückwendung vom Lob in die Klage ist ein weisheitliches Motiv. Da dieses Motiv bei der Zusammenfügung von Psalmen in einem psalmübergreifenden Kontext verwendet wird, werden wir auf die Funktion dieses Motives auch innerhalb der Komposition der Psalmgruppen zu achten haben. 3 3 4

3 . 5 Der Wechsel der vorausgesetzten Not innerhalb eines des Einzelnen

Klageliedes

Das Problem der formgeschichtlichen Uneindeutigkeit der Gattung trifft insbesondere die Klagelieder. Die Kritik an dieser Gattung geht dabei allerdings in zwei gegenläufige Richtungen: einerseits beobachteten wir Versuche, die bei Gunkel vom Klagelied abgegrenzten Gattungen des Vertrauens- und des Dankliedes zu einer Großgattung Gebetslied zusammenzufassen, 335 andererseits gibt es neuere Differenzierungsversuche, innerhalb dieser Gattung Teilgattungen festzuschreiben. Der Versuch, innerhalb des Klageliedes Untergattungen zu bestimmen, ist durch die Auseinandersetzung um die Frage bestimmt, welche Not der Beter eigentlich habe. Die in den Psalmen genannten Notlagen gehen dabei erheblich auseinander. Einige der genannten Notlagen scheinen dabei unvereinbar, so 333 Schwieriger ist hingegen der Schluß von Ps 108,2: HiDS'IS („Zorn meiner Ehre") sollte angesichts der nochmals anderslautenden Übersetzungen nicht vorschnell entsprechend Ps 57,9 korrigiert werden. 334 S.u. 11.1.1.5,3.1.3,3.2.4u.ö. 335 Dazu bereits oben 1.3.4.1.

61

3. Methodische Vorüberlegungen aus der Formgeschichte

daß insbesondere W. Beyerlin und K. Seybold spezielle Untersuchungen zu den von ihnen aus den Klageliedern herausgegrenzten Feindklagen und Krankenpsalmen geschrieben haben. 336 Diese Unterscheidung verschiedener Motive der Klage ist einerseits hilfreich und bei Psalmen außerhalb des Psalters noch durch weitere spezielle Klagen zu erweitern. 337 Doch bleiben bei der Unterscheidung von Untergattungen innerhalb des Klageliedes des Einzelnen Fragen offen: es gibt sehr wenige Psalmen, bei denen sich die Unterscheidung zwischen Feindklagen und Krankenpsalmen, die Ausgangspunkt für eine solche Differenzierung ist, randscharf vollziehen läßt. Beispielsweise selbst zwei der drei von Seybold als sichere Krankenpsalmen eingestuften Psalmen haben Feindmotive: Meine Verfolger legten Schlingen, die mein Unheil suchten, redeten Verderbliches und ersinnen den ganzen Tag Trügerisches. (Ps 38,13) 7

'•©DJ 'Wpa? 1 1 Diin H31 TUTl "'ttHll : • • T T •• : : :13,rr D'Frr^a niülül

i r r r n irnatf ? nirr tfwa

:

injpirr i ?Ri

Jhwh möge ihn bewahren und leben lassen, damit er im Land glücklich werde. Und er liefere ihn nicht der Gier seiner Feinde aus. (Ps 41,3) Diese deutlichen Hinweise auf Feindmotive innerhalb der Krankenpsalmen wären nun eigentlich ein typischer Fall für die Literarkritik, wenn man streng zwischen beiden Typen von Klagen trennen wollte: der Text setzt unterschiedliche Situationen voraus, also ist er nicht einheitlich. Stattdessen haben Exegeten nach immer neuen möglichen Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Motiven gesucht. Der Extremfall einer solchen Position ist sicher der von S. Mowinckel und anderer Vertreter der skandinavischen Schule, die meinten, daß die Feinde des Beters Zauberer seien, die ihn krank machten. 338 Einen realistischen Ansatz hat F. Crüsemann vorgelegt, der auf den möglichen Zusammenhang zwischen verschiedenen Nöten hinweist. 339 Beispielsweise ein Pächter kann aufgrund von Krankheit seine Ernte nicht einbringen, er gerät BEYERLIN, Rettung, zählt Ps9f.; 12; 25; 54; 55; 56; 59; 62; 64; 86; 90; 140; 142; 143 zu den Psalmen mit Rettungsaussagen ohne Institutionsbezug, Ps3; 4; 5; 7; 11; 17; 23; 26; 27; 57; 63 zu den Psalmen mit institutionsbezogenen Rettungsaussagen. Man beachte den Schwerpunkt der Klagepsalmen mit Feindmotiven in der Davidsammlung im elohistischen Psalter (Ps54; 55; 56; 57; 59; 62; 63; 64 nach Beyerlin, vgl. jedoch auch die Feindmotive in Ps57; 61; 64). SEYBOLD, Gebet 76, bestimmt Ps38; 41; 88 als sichere Krankheits- und Heilungspsalmen, Ps30; 39; 69; 102 als relativ sichere Krankheits- und Heilungspsalmen, sowie Ps6; 13; 31; 32; 35; 51; (71;) 73; 91 als wahrscheinliche Krankheits- und Heilungspsalmen. 337 Vgl. z. B. die Leichenklage, dazu die profilierte Extremposition von JAHNOW, Leichenlied. 338

S o b e s . MOWINCKEL, P s a l m e n s t u d i e n I .

339

CRÜSEMANN, FS Westermann 139—148, dort bes. die Tabelle S. 143 zu den möglichen

62

Teil I: Der einzelne Psalm als

Ausgangspunkt

deswegen in einen Prozeß mit dem Landbesitzer, hat damit Feinde etc. Einen beachtlichen Ansatz noch anderer Art hat A. Aejmelaeus vorgelegt, in dem sie die Unterschiede in der Motivik der Klage mit Traditions- und Rezeptionsprozessen, also mit der Übernahme traditioneller Sprache erklärt. 340 Gleichgültig, ob wir nun die Motivkombination in den Klageliedern real- oder traditionsgeschichtlich erklären, um einen Begriff wie Cluster kommen wir bei der Beschreibung der Klage nicht vorbei: Die eigentliche Not gibt es auf der Ebene der vorliegenden Psalmtexte zumeist nicht. 341 Sie gibt es erst recht nicht auf der Ebene der Rezeption der kanonischen Texte, auf der jeder Leser mit seinen Nöten an Psalmen herangehen kann und sich oft genug in ihnen wiederfindet. Gemeinsam ist den Klageliedern lediglich, daß sie sich in einer Notlage an Gott wenden, ihre Not schildern und deren Wendung erhoffen und erbitten. 3.6

Zwischenergebnis

Ausgehend von dem textkritischen Ergebnis, daß der Psalter deutlich in Einzelpsalmen unterteilt ist, betrachteten wir unterschiedliche Problemfälle innerhalb der Formgeschichte der Einzelpsalmen. Weder ein Wechsel der Personenstruktur, noch ein Stimmungswechsel, noch eine Variante in der vorausgesetzten Situation sind formgeschichtlich zwingende Gründe, einen literarkritischen Bruch innerhalb eines Psalms anzunehmen. Mit der Beobachtung von Doppelungen innerhalb eines Psalms haben wir sogar Elemente in der Formgeschichte der Einzelpsalmen gefunden, die uns gehäuft auch bei der Beschreibung der Komposition der Psalmengruppen begegnen werden. Positiv haben wir insbesondere mit den Bezeichungen Liturgie und Mischpsalm bzw. nachkultischer Psalm innerhalb der Formgeschichte der Einzelpsalmen Ansatzpunkte, um den Personenwechsel innerhalb eines Psalms beschreiben zu können. Wir werden zu prüfen haben, ob sich diese Begriffe auf die Beschreibung der Psalmengruppen übertragen lassen. Doch auch weitere Gattungsanalogien bieten sich an: Während das Klagelied nur den Stimmungswechsel erklärbar macht, bietet das Danklied des Einzelnen eine Analogie, den Wechsel der Sprechrichtung innerhalb einer Psalmengruppe zu beschreiben. Die sogenannte prophetische Liturgie wiederum bietet von der Formgeschichte der Einzelpsalmen her eine Beschreibungsmöglichkeit für Orakelelemente. Wir werden versuchen, diese Ansatzpunkte bei der formgeschichtlichen Beschreibung von Psalmgruppen zu berücksichtigen. Weiterführend für unsere Untersuchung ist zunächst die Perspektive des Klageliedes auf einen Hymnus bzw. ein Danklied hin. Wir werden dies als Textverweis lesen. Verknüpfungen zwischen Krankheit, (falscher) Anklage, Isolierung, Feinden, Armut, Schuld. 340 AEJMELAEUS, Prayer. Aejmelaeus ist hier offener als GERSTENBERGER, Mensch, der die traditionellen Elemente der individuellen Klagepsalmen ausschließlich institutionell verortet. 341 Hier stimmen die Klagelieder insbesondere mit Hymnen überein, in denen beispielsweise verschiedene Aussagen über Gott oder Aufforderungen an Mitbeter gereiht werden.

Teil II

Eine Formgeschichte der Psalmengruppen 1.

Wallfahrtspsalmengruppen

1.1 Die beiden

Korachpsalmgruppen

Wir beginnen mit den Korachpsalmgruppen, weil diese leicht überschaubar und textlich eindeutig in zwei Gruppen gesammelt sind, auch wenn wir keine außertextlichen Hinweise für die Verortung dieser Psalmen als Wallfahrtspsalmen fanden. Wir gehen von folgendem gemeinsamen Schema beider Korachpsalmgruppen aus: 1 Ps42f. Ps44 Ps 45 Ps 4 6 - 4 8 Ps49

Ps 84 Ps 85 -

Ps 87 Ps 88

(Wallfahrt) (Volksklage) (König, Zion vgl.Ps 86 als Davidpsalm) (Zion, Ps 47: Gott als König) (weisheitliche Klage)

Abgesehen von Ps45 und 86, die keine direkten Gemeinsamkeiten haben, und der Erweiterung der Zionsmotive in Ps 46—48, denen nur ein Psalm in der zweiten Korachpsalmgruppe gegenübersteht, sind beide Psalmgruppen nahezu gleich aufgebaut. Gehen wir die einzelnen Positionen durch. 1.1.1 Wallfahrtspsalmen als Einleitung (Ps42/43

und84)

Am Anfang beider Korachpsalmgruppen wird das Thema der Wallfahrt deutlich angekündigt. Ps42,5 erinnert an frühere Wallfahrtsfeste in Jerusalem:

'tf sän?D®!o rnatx n^x ¡rn'Vx r r a - j ? c m s ^oa -i'njm '3

:rnn rian rnini nn-^ipa

Daran will ich denken und meine Seele in mir ausschütten, daß ich dahinzog in der Menge, (daß) ich sie leitete2 zum Hause Gottes, mit Lob- und Danklied die feiernde Schar. 1

Siehe oben 1.2.3.5 S. 42. Gegenüber dem Schema von GOULDER ist Ps46 umgesetzt, da Ps 46 als Zionspsalm zu Ps 48 gehört. 2 GUNKEL, KRAUS u.v.a. konjizieren hier TIN, da der vorliegende Text unverständlich sei.

64

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen Ps 43 3 hat auch eine gegenwärtige oder zukünftige Wallfahrt im Blick (v. 4): D ' n ' ^ naja* 1 ™ n x i a x i ^n'1?« c n V s "rispa i ^ i s i Ich will zum Altar Gottes gehen, zum Gott der Freude meines Lachens,4 5 und ich will dir auf der Harfe danken, Gott, m e i n G o t t . nnai?

Wie zentral das Motiv der Wallfahrt in P s 4 2 f . ist, wird durch die Wahl des Refrains in Ps 42,6.12; 43,5 deutlich, in der die Perspektive des D a n k e s eröffnet wird, die nach dem eben zitierten Ps 43,4 Teil der Wallfahrt ist (42,6 u . ö . ) : . . . i - n i x Iis?"'? D'H^X1? ' " r n i n Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken... A u c h in Ps 8 4 , 7 f . wird von einer Wallfahrt berichtet: imrptr

Kaan pa??a n a ' j ? :rnia niana-oj HRT "??n"l78 V'na l a ^ macht er (Jhwh) es zur Quelle,

¡lvxa Wenn sie durch das Baka-Tal wandern, ja, als Segen umhüllt der Frühregen. Sie wandern von Kraft zu Kraft, er möge erscheinen

vor Gott in Zion.

D i e s e Textpassage ist unsicher: sie wird oft konjiziert, da das Verb v o m Singular zum Plural wechselt, ohne daß deutlich wird, wer gemeint ist. D i e hier erfolgte Übersetzung von HST („er m ö g e erscheinen") stützt sich im wesentlichen auf E x 23,17, w o die Wallfahrt dreimal jährlich zu den Hauptfesten 6 mit einer fast ähnlichen Formulierung geboten wird: r m a D'ayD m n ' y-mn ^ r V T i i a r ' ? ? Dreimal jährlich soll all dein Männliches vor dem Angesicht

deines Herrn, Jhwh,

erscheinen.

3 Zur Abtrennung von Ps42 und Ps43 vgl. oben S. 11 und unten III. 1.3.3. Ps43 wird von uns insgesamt als Einzelpsalm verstanden, der Ps 42 weiterführt. 4 Die unnötige, aber von vielen Exegeten vertretene Änderung des masoretischen Textes an dieser Stelle nach der Septuaginta ist bereits von H. BARDTKE, dem Bearbeiter des Psalters in der BHS, in die Textausgabe eingearbeitet, indem er die Zeilen gegen die masoretische Akzentuierung trennt. 5 Zu den Tempora in den Psalmen sind zwei sehr bedeutende Arbeiten zu nennen: MICHEL, Tempora, und ZUBER,Tempussystem, vgl. dazu die Probeübersetzung: ders., Psalmen. Zuber arbeitet für die Präformativkonjugation eine modale bzw. futurische Bedeutung als Regel heraus. Michel betont zwar, daß die Verbalformen „nicht zum Ausdruck einer Zeitstufe" dienen (aaO. 176). Gleichwohl sind die Bedeutungen, die er für die Präformativkonjungation herausarbeitet, zumeist modal oder futurisch, aber auch beispielsweise iterativ. Als Grundbedeutung arbeitet Michel die Abhängigkeit der Handlung heraus, von der in der PK berichtet wird, z. B. ihre Beabsichtigung (ebd.). 6 Vgl. dazu CRÜSEMANN, Tora 157ff.

1. Wallfahrtspsalmengruppen

65

Fast ähnlich formulieren Ex 34,23 und D t n 16,16, doch ohne die E x 23,17 und Ps 84,8 gemeinsame Präposition Damit ist deutlich, daß der Numeruswechsel in P s 8 4 , 8 auf geprägte Wallfahrtsprache zurückzuführen ist. O b jedoch die A n g a b e n in P s 8 4 realen W e g e n entsprechen, o b also das ND3H pQJ? (v. 7) ein konkretes Tal ist und nicht ein symbolischer Begriff, 7 bleibt offen. D a der Frühregen erwähnt wird, ist das Fest, um das es in Ps 84 geht, das Herbstf e s t . 8 D o c h die Lokalisierung von Ps 42 ist schwierig: in v. 7 werden der Jordan, H e r m o n und Mizar genannt, das wohl im Quellgebiet des Jordan liegt. 9 Eine einheitliche Lokalisierung ist hier kaum möglich. 1 0 Im Unterschied zu P s 4 2 f . durchsetzen P s 8 4 verschiedene weisheitliche Redewendungen. Eine dieser Formulierungen bringt auch das Motiv der Wallfahrt zur Sprache (Ps 84,6): Glücklich ist der Mensch, dessen Stärke in dir liegt: Wege sind in seinem11 Herzen.

i]3 iV'tl!? DIN 'HtPX : D33V3 JTi'v'OH

Eine andere Formulierung preist das Vertrauen zu G o t t . 1 2 Beides ist in Ps 84 mit dem Motiv des Wohnens im Tempel verknüpft. Entsprechend lautet eine der drei Glücklichpreisungen v o n Ps 84 in v. 5: Glücklich sind die, die dein Haus bewohnen: sie werden dich noch13 loben...

^JVD 'Stfi' ... ^^rf TIS?

Ähnlich gebraucht der vorhergehende Vers ein Bild v o m Wohnen (Ps 84,4): JT3 n x x a - l i s s - a a n'n^sB nrw n1? ip -ri-ni ^nVi. niNDS Hin' i p n i n a r a - n K Auch der Vogel hat sein Haus gefunden, und die Schwalbe hat ein Nest, in das sie ihre Jungen legt, - deine Altäre, Jhwh Zebaot, mein König und mein Gott. 7 G U N K E L (Z. St.) verweist beispielsweise auf Joel 4 , 1 8 , wo ein Tal mit Namen („Akaziental") getränkt wird. Doch ist auch ein symbolischer Begriff (etwa: „Tal des Weinens") nicht ausgeschlossen. 8 So z. B. K R A U S (Z. St.). G O U L D E R (Psalms 39 u. Ö . ) hat aus den Problemen, den Frühregen bereits zur Zeit des Herbstfestes in Jerusalem zu verorten, auf die Lokalisierung des Psalms im Umfeld von Dan geschlossen. 9 Vgl. dazuinsbes. G O U L D E R , Psalms 1 3 . 10 Gegen G O U L D E R , Psalms 13 u.ö. 11 Das Suffix im Plural („seinen") ist eine constructio ad sensum zu DIN '"ItPS. Obwohl der masoretische Text korrekt ist, haben die verschiedenen antiken Übersetzungen (vgl. BHS z. St.) deshalb zurecht einen Singular übersetzt. Vgl. Ps 89,16: n s n n 'snv DSH 12 Vgl. ?|3 noa EHN nttfa („Glücklich der Mensch, der dir vertraut", Ps'84,13). Vgl. dazu insbesondere den Schluß von Psalm 2 (dort allerdings non statt nü3). 13 115? aufgrund der Septuaginta zu tV 'TO1? zu konjezieren (so BHS z. St.), bedeutet einen Eingriff nicht nur in den Text von Ps84, sondern auch in die gesamte Komposition, die zwar nicht einen Hymnenschluß hat, aber auf einen solchen mit dem Orakel (Ps85,9ff.) und dem Zionspsalm Ps87 hindrängt. 7157 kann zwar auch Dauer, immerzu etc. bedeuten, aber zusammen mit der Präformativform legt sich als erste Bedeutung ein futurischer Sinn nahe.

66

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

Die letzte Vershälfte schließt grammatisch nicht klar an die vorhergehende an. Eine spätere Ergänzung dieser Vershälfte ist nicht ausgeschlossen, 14 aber auch ohne den durch die zweite Vershälfte nahegelegten Vergleich zwischen dem Vogelnest und dem Tempel wird diese Intention des Vergleichs auch durch die Zusammenstellung von v.4a und v. 5 deutlich. Der Vergleich mit dem Vogelnest stellt das Wohnen im Tempel als etwas Selbstverständliches dar. Eine Datierung des Psalmes in der Zeit der Zerstörung des Tempels scheidet daher mit einiger Sicherheit aus. Die Eröffnungspsalmen bleiben insgesamt recht unkonkret. Es gibt nur wenige Hinweise auf die Situation, die vorausgesetzt ist. Insgesamt bestimmt der Ton der Klage die Einführung. 15 1.1.2 Eine Volksklage als Themenklage

(Ps 44 und 85)

Bei einer fortlaufenden Lektüre der Psalmengruppen erfolgt nach der Einleitung mit Wallfahrtspsalmen der Wechsel von Singular- zu Pluralpsalmen. In dem singularischen Vorspann der Komposition ist von Feinden (TIN, Ps 42,10; 43,2) des Beters die Rede, aber die Präzisierung als T'On'X1? 'iJ („untreues Volk", Ps43,l) und nnin'E^N („Lügner", ebd.) ist zu unspezifisch, als daß aus dem Vorspann etwas zur Situation der Kompositionseinheit zu entnehmen wäre. Informativer hingegen erscheint Ps44. Wie in anderen Volksklagepsalmen wird in Ps44 mit früherer Geschichte argumentiert (v. 2): i ^ - n s p irrriax uyatf i r s r a a cn?K Gott, mit unseren Ohren haben wir gehört, unsere Väter haben uns erzählt: Du hast gehandelt in ihren Tagen, in den Tagen der Vorzeit. Als Taten dieser Vorzeit werden dann die Siege über fremde Völker genannt. Schließlich berichtet Ps44 dann aber von einer militärischen Niederlage (v.10): Doch du hast uns verstoßen und geschmäht, und du ziehst nicht hinaus mit unserem Heer.

na'^arn nn5T"r|i< Nxrrx'?'!

Die geschichtliche Erfahrung der Hilfe Gottes in den Jhwh-Kriegen der Vorzeit wird hier mit konkreter Erfahrung kontrastiert. Das Bild vom Verkaufen Israels (v. 13) und noch deutlicher die Zerstreuung unter die Heiden (v. 12) verweist zusätzlich auf die Exilierung als Erfahrungshintergrund von Ps44. 16 Das Exil ist damit terminus ante quem non für den Einzelpsalm. 17 Für den 14 So z . B . B H S und KRAUS Z.St. Zu historischen Fragen hinsichtlich der Prädikation Gottes als König vgl. unten III.1.3.3, 2.3.2 und 3.3.3. 15 Vgl. den zweiten leicht variierenden Teil des Refrains Ps42,6bß.l2.bß; 43,5bß, in dem Gott als Retter angerufen wird. 16 So z. B. JANSSEN, Juda 19. 17 Vgl. dazu insbes. BEYERLIN, ZThK 73, 446—460. Beyerlin meint den doppelten Bezug

1. Wallfahrtspsalmengruppen

67

Fortgang der Komposition der ersten Korachpsalmgruppe ist die Verwendung des Königstitels für Gott in der Themenklage wichtig. 18 Entsprechend zur weisheitlichen Formung des Eingangs finden wir die Themenklage der zweiten Korachpsalmgruppe, Ps85, sehr unkonkret gehalten. Auch hier wird wieder mit geschichtlicher Erfahrung argumentiert (Ps 85,2f.): Du hast, Jhwh, dein Land begnadet, du hast das Geschick Jakobs gewendet. Du hast die Schuld deines Volkes aufgehoben und all' ihre Sünde bedeckt...

riDt?

Hin1 n1^ fTD® "|iV HNiPi

. . . DnXürr^D IVO?

Die Erlösung der Gefangenen Jakobs 19 und das Thema der Sündenvergebung als geschichtlicher Prozeß sprechen dafür, daß Ps85 die Erfahrung des gewendeten Exils voraussetzt. 20 Wieder wird die vergangene positive Erfahrung mit augenblicklich negativer Erfahrung kontrastiert, weswegen dieser Teil in eine Bitte mündet (Ps 85,5): Bringe uns wieder zurück, Gott unseres Heils, und laß ab von deinem Unmut über uns.

^USTt?^? ln'1?S IJnHP 1P5?3 "IDHl

Als Zeitansatz für Ps85 liegt daher die frühnachexilische Zeit nahe. 2 1 Die Bitte wird nun mit einem Orakel beantwortet. Das Besondere von Ps85 ist, daß die Orakelkundgabe in indirekter Rede erfolgt. Folgende Orakelelemente finden sich in Ps 85,9ff.: •?sn n a r - n a n y a t f x V T p r r ^ i o i a r ^ K o f t t ? "131? ^

Ich will hören, was der Gott Jhwh sagt: ja, er spricht von Frieden zu seinem Volk und zu seinen (v. 9a)

n w

Frommen,

Zusammen mit den anderen theologisch gesättigten Begriffen nS81—Ton und Di17tP') p l ? (v. 11) legt sich ein Verständnis des Orakels Ps85 als Bericht von einem Heilsorakel nahe. Damit wird angekündigt, die Wendung auch der gegenwärtigen Not bevorsteht. In Ps44 findet

wie von daß sich

des Psalms auf die militärischen Niederlagen Ende des 7. und Anfang des 6. Jh. und die Exilszeit zu einer Literarkritik innerhalb des Psalms nutzen zu können. Zur hier vertretenen Lösung, die den doppelten Bezug auf der Ebene des elohistischen Psalters kompositorisch vermittelt sieht, vgl. insbes. III.l. 18 Vgl. Ps45,7; 47,3.7.9. 19 3 P S ! NIAT? RQTP (Ps85,2b). Vgl. zur Redewendung B E Y E R L I N , „Wir sind . . . " 42ff., der trotz der Bezeugung des Ausdruckes im 8. Jahrhundert und entgegen seiner eigenen Tendenz der Vordatierung von Ps 126 die Hauptmasse der Belege für den Ausdruck nach 586 v. Chr. datiert. Zur Kritik vgl. Mosis, FS Reinelt, und oben 1.2.4 (S. 38 Anm. 212). 20 Vgl. die thematischen Anklänge zur Sündenvergebung in Ps85,3 an Jes 40,2 u . ö . ; Thr 4,22 u.a. 21 Zur Beschreibung der Zeit siehe unten III.2.1.

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Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

kein explizites Heilsorakel. Doch hier steht zwischen dem Teil, der die frühere Rettung Israels durch Gott beschreibt, und der gegenwärtigen Bitte die Aussage, daß Lob und Dank das normale Verhalten gegenüber Gott ist (Ps 44,9): . . . r n i j DViy1? ?iaan ova-Va u ^ a o ' r f t t q Gott loben wir jeden Tag, und deinem Namen danken wir immer ... Von daher ist für den Fall der Lösung der gegenwärtigen Not wieder die Rückkehr zu Lob und Dank zu erwarten. Dieses sahen wir in der zweiten Korachpsalmgruppe bereits in ihrer Eröffnung auch direkt angekündigt (Ps84,5). Damit wird ein deutlicher Hinweis auf den erwarteten Fortgang gegeben: Nach der Klage werden Hymnen folgen. 1.1.3 Ein Einschub im Singular (Ps 45 und 86) Der erwartete Stimmungswechsel findet sich in beiden Psalmgruppen nicht sofort. Es folgt jeweils ein Zwischenpsalm: Ps45 und 86. Bei Ps86 in der zweiten Korachpsalmgruppe ist bereits durch die Überschrift TH1? aVöfl („Gebet Davids") deutlich, daß dieser Psalm die Abfolge von Korachpsalmen durchbricht. Als Klage variiert Ps86 einerseits den vorhergehenden Ps85. 22 Andererseits eröffnet Ps86,9 eine Perspektive für den weiteren Textverlauf (Ps 86,9): wirr ivtry D'ir'js ' j t k T3?1? iin???! ^atr 1 ? n a a ' i Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und vor dir anbeten, Adonaj, und sie werden deinen Namen ehren. Das Motiv der Erschaffung aller Völker erscheint im folgenden Psalm wieder, allerdings, ohne daß der Vollzug der Anbetung Jhwhs durch die Völker eingelöst wird (Ps 87,3—6): ra^o D'rftKrj T y 'na -laia n n a ? ? , y7 v 7 "raai aan Tarn DtriV' ar «na-o? -nxi n u ^ s aaa -lair Ti's^ nv1?» aajia? xiai aa"T^ tf'Ki u r s :a"7D a t f - i ^ ar w a s airpa *iöo? aia' Herrliches erzählt man sich über dich, du Stadt Gottes. Sälah. Ich erinnere an Rahab und Babel gegenüber denen, die mich kennen. Siehe, Philisterland und Tyrus samt Kusch: Dies ist dort geboren. Und über Zion sagt man: 22 Zu der sich hier andeutenden Clusterbildung, wie sie innerhalb der Klagelieder, also vor allem bei davidischen Psalmen, üblich ist, siehe unten II.3.

1. Wallfahrtspsalmengruppen

69

„Jeder ist in ihm geboren, (denn) er hat sie gegründet, der Höchste." Jhwh zählt beim Schreiben Völker auf: „Dies ist dort geboren." Sälah. P s 8 6 kündigt also etwas an, das in der Psalmengruppe selbst nicht eingelöst wird. Wir werden untersuchen, o b in dem der Korachpsalmgruppe folgenden Textbereich H y m n e n e l e m e n t e zu finden sind, die sich auf die zweite Korachpsalmgruppe beziehen lassen. A n der Grenze zwischen dem klagenden und dem hymnischen Teil der ersten Korachpsalmgruppe steht ein im Psalter einmaliger Psalm, der eine königliche Hochzeit besingt: Ps 4 5 . 2 3 Kennzeichen dieses Königspsalms ist, daß hier Motive des menschlichen 2 4 und des göttlichen Königtums 2 5 ineinanderfließen. In der vorneuzeitlichen E x e g e s e wurde P s 4 5 überwiegend allegorisch auf das Verhältnis zwischen Jhwh und seinem Volk ausgelegt. D i e nächste Parallele zu P s 4 5 ist das Hohelied, das als Bestandteil des Kanons vor der Neuzeit nur in seiner allegorischen D e u t u n g nachweisbar ist. 2 6 D i e Interpretation v o n P s 4 5 auf das Verhältnis zwischen Jhwh und seinem Volk hat damit als kanonischer Textsinn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich. Man wird hier allerdings mit 23 Vgl. G U N K E L / B E G R I C H , Einleitung 1 5 8 : „so unterscheidet sich V 4 5 von den übrigen Liedern durch seinen weltlichen Ton". 24 Man hat hier insbesondere an Salomo gedacht: v. 13 erzählt von den Töchtern vonTyrus, die Gaben bringen. Das Motiv der Geschenke von anderen Völkern findet sich vor allem in der Salomogeschichte (lKön 5,15ff.; 10). Dort erfahren wir auch von den vielen ausländischen Frauen Salomos (lKön ll.lff.). 25 Vgl. insbesondere Ps45,7: Dein Thron, Gott, ist immer und ewig. TS] D^iS T|R03 Ein Stab der Gerechtigkeit ist der Stab deines Königtums. ^1X113^0 031? 03t£> Die übliche Ansicht, •lri'?N 1ND3 als Konstruktusverbindung aufzufassen (so insbesondere die Spezialstudie von M U L D E R , Studies 73ff.), scheitert an dem Suffix, so mit aller Entschiedenheit bereits GESENIUS/KAUTZSCH, § 128d, hier werden alle vermeintlichen Beispiele für solche Konstruktusverbindungen auf andere Phänomene wie beispielsweise Appositionen zurückgeführt, Gesenius/Kautzsch hält B'rfts in Ps45,7a für einen Zusatz. In einer Leseperspektive des kohärenten Textes legt sich jedoch ein Verständnis von D'rftK als Apposition zum Suffix nahe. Diese grammatische Auffassung des Textes ist prinzipiell unabhängig von der Frage, ob in Ps45,7a Gott oder der König auf dem Thron sitzen, da wirkungsgeschichtlich •ln'17!< auch als Bezeichnung für Menschen nachweisbar ist, siehe dazu unten in II.2 S. 97ff. Als einfache Bedeutung des Textes legt sich allerdings zunächst einmal die Deutung auf Gott nahe. 26 tSan 12,10; bSan 101a; vgl. mjad 3,5. Rabbi Akiba wendet sich gegen die profane, nicht allegorische Benutzung des Hoheliedes. Daß es eine nicht allegorische Deutung des Hoheliedes gab, ist damit sicher. Wahrscheinlich ist auch, daß die profane Deutung seinen ursprünglicheren Sinn wiedergibt. Daß das Hohelied in einer profanen Deutung Bestandteil des Kanons sein könnte, ist völlig unbewiesen (gegen die Kritik GERLEMAN, Ruth 51, u.a.). Zur allegorischen Auslegung des Hoheliedes in der christlichen Tradition vgl. die Monographie von OHLY, Hohelied-Studien. Die Parallelen zwischen Ps45 und dem Hohelied hat besonders D U K E M A , ZAW27,26-32, zusammengestellt (Ps45,9-Hld3,6; Ps45,10-Hld 6,8f.; Ps45,14 - H l d 7,1; Ps45,4a-Hld 3,7 f.; Ps 45,12-Hld 4,1—7; Ps 45,12-Hld l,15f.; Ps 45,9-Hld 4,11; Ps45,16 - Hld 1,4). Dijkema schließt genau umgekehrt von der Analogie zwischen Ps45 und dem Hohelied auch auf eine Aufnahme von Ps45 in allegorischer Interpretation in den Kanon, was m. E. wahrscheinlich ist.

70

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

einer Überarbeitung in diesem Sinn rechnen müssen. 27 Ps45 nimmt bereits Motive der Jhwh-König-Psalmen vorweg, die im Zions- und Hymnenteil, Ps46—48, ebenfalls umspielt werden. Doch da in den Wallfahrtspsalmen Psl20ff. ein Königspsalm, Psl32, 2 8 an dem Wendepunkt von der Klage zum Lob steht, ist es auch nicht völlig ausgeschlossen, daß ebenfalls Ps45 in einem früheren Kontext, insbesondere ohne Ps47, ursprünglich nicht allegorisch gemeint war. 29 1.1.4 Zionspsalmen

und Hymnen als Höhepunkt

(Ps 46—48 und 87)

Die Perspektive auf das Gotteslob in Ps 84,5 gibt das Signal für die Komposition, die auf einen Hymnenschluß hinzielt. Die Wende von der Klage zum Lob war in Ps85 bereits durch Orakelelemente weiter vorbereitet worden. Solche Orakelelemente finden sich auch in der ersten Sammlung von Korachpsalmen, hier aber am Anfang des Hymnenteils. Ein solches Orakel ist in der Gottesrede Ps 46,11 angedeutet: Gebtauf, und erkennt, daß ich Gott bin. Ich werde mich erheben unter den Völkern, ich werde mich erheben im Land.

Dlri

1S7T1 •1iJ3 üTlijt : f l i O DTIX

Diesem Orakel korrespondieren im Psalm Vertrauensaussagen der Psalmbeter, die Gottes militärische Stärke ausdrücken (v. 2ff.). Ps 46,7 führt sogar das direkte Eingreifen Gottes unter Aufnahme von Völkerkampfmotiven ein: niD'jaa 10a wn :f-iK aiari iVipa i n j Die Völker toben, es wanken die Königreiche, er greift mit seiner Stimme ein, da schwankt die Erde. Die Klage, die Ps46 inhaltlich voraussetzt, hat mit der Klage von Ps44 gemeinsam, daß sie eine Klage gegen feindliche Völker ist. Allerdings stimmt die Sicht der anderen Völker von Ps46 nicht ganz mit der von Ps44 überein: Ps46 hat größere Nähe zu Psalmen wie Ps2, die von einer Auflehnung der Völker gegen die göttliche Herrschaft ausgehen, während Ps 44 die Perspektive des Leidens Israels unter der Herrschaft der anderen Völker aufzeigt. Doch auch in der Klage ist bereits Gott als höchste Appellationsinstanz anerkannt (Ps 44,24a): Wach auf, warum schläfst du, Herr?

^ "TK UffT) na1? rni37

Gott als höchste Appellationsinstanz kann deswegen bereits in der Klage als König gepriesen werden (Ps 44,5 a): 27 28 29

Siehe oben zu D'H^X in Ps45,7a. Vgl. auch Ps 110 für das Ägyptische Hallel, dazu unten II.1.3. Zum Problem der Stellung von Ps47 und 48 vgl. unten III. 1.3.3 und 1.4.

1.

71

Wallfahrtspsalmengruppen

Du bist mein König, Gott.

D'n1?» 's1?? sin-nrix

Der theologische Hintergrund, der der Klage von Ps44 die realistische Hoffnung auf Wendung der Not gibt, deckt sich daher mit der Aussage, die im Zentrum des Zions- und Hymnenteils, in Ps47, steht und von den umgebenden Psalmen mehrfach umspielt wird (v. 9 a): Gott ist König über die Völker. Auch wenn der Gottesname Jhwh in Ps47 wie in den meisten anderen Psalmen des sogenannten elohistischen Psalters nicht konsequent vermieden wird (vgl. Ps 47,6), läßt sich doch mit dem Hinweis auf den elohistischen Psalter die singulare Wendung D,n'7X {„Gott herrscht als König")30 erklären. Die Motive der Jhwh-König-Psalmen finden sich aber auch in den Zionspsalmen, die Ps47 umgeben. So schließen Ps46 wie Ps48 universale Motive des JhwhKrieges ein (Ps46,7.9f.; 48,7f.; vgl. Ps44,2ff.). Geprägte Sprache bzw. einen festen Motivhintergrund verraten realitätsfremde Bezeichnungen für Jerusalem wie die Rede vom Fluß mit seinen Kanälen (Ps 46,5) 31 und die Anwendung des Motivs vom Gottesberg im Norden auf den Zion (Ps48,3). Ps46 und 48 zeigen so einen Vorstellungshintergrund an, der mit dem von Ps47 identisch ist. Die Umprägung des „Mythos zur (?) Geschichte" in Ps47 ist also dadurch weitergeführt, daß Ps47 durch „die Überlieferung unter die Zionspsalmen der Korachiten eingereiht" ist 32 . Zu dieser Gruppe von Jhwh-König-Psalmen ist auch Ps 45 in allegorischer Deutung zu rechnen. Wir sahen bereits, daß an einer Stelle, Ps45,7, Gott und König identifiziert werden. Besonders im Kontext von Ps45 mit dem JhwhKönig-Psalm Ps 47 legt sich damit eine allegorische Deutung von Ps 45 auf die Hochzeit Gottes mit seinem Volk nahe. 33 Der Hymnenteil nimmt nun den Klageteil nicht nur mit dem Motiv der anderen Völker auf, auch die Gestaltung des Hymnenteils mit Zionspsalmen korrespondiert dem Sehnen der Seele nach der Nähe Gottes (1157, Ps42,2f.), das Ausgangspunkt der Wallfahrt war. So steht am Schluß des Hymnenteils kein Hörensagen mehr vom Zion, sondern konkretes Sehen (Ps48,9). Die Beter ziehen um Zion herum und zählen sogar die Türme (v. 13). Der Beter von Ps42f. ist damit am Schluß des Hymnenteils am Zion angekommen. Gleichwohl ist es wohl nur textliche Fiktion, daß der Beter tatsächlich am Zion angelangt ist, da er realitätsfern beschrieben wird. Einen Hymnus, wie er in Ps84,5 angekündigt wurde, suchen wir in der 30 Ps47,9. Die nächste Parallele (dort mit mrr) findet sich in Ps93,l; 97,1; 99,1. Vgl. jedoch auch Ps 45,7. Zur Übersetzung vgl. KRAUS, Königsherrschaft. 31 Vgl. dazu in der zweiten Korachpsalmgruppe Ps87,7: ^y?" 1 ?? (alle meine Quellen sind in dir). 32

33

JEREMIAS, K ö n i g t u m 50.

Zum Traditionszusammenhang vgl. die Anspielungen auf einen Ehevertrag zwischen Gott und Israel z.B. in den prophetischen Zeichenhandlungen Hoseas (Hos 1—3: Israels Götzendienst ist Ehebruch) und den biblischen Geschichtsrückblicken Ezechiels (Ez 16; 23).

72

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

zweiten Korachpsalmgruppe vergeblich. Hymnen finden sich allerdings in großer Zahl unmittelbar nach der zweiten Korachpsalmsammlung, in Ps92f. und 95 ff. Dort wird auch das Motiv der Ehrung Gottes durch die anderen Völker aufgegriffen. 34 Stattdessen haben wir mit dem Zionspsalm Ps87 einen Vertreter der Gattung, die in der ersten Korachpsalmgruppe den Hymnus Ps 47 rahmt und auf diesen bezogen ist. Wir sahen bereits, daß auch im ersten Bogen der Asaphpsalmsammlung mit einem Zionspsalm ein Hymnenschluß angedeutet ist. Mit den Ps 46—48 hat Ps 87 auch die universale Orientierung gemeinsam (vgl. v.4ff.). Vom Fehlen des Hymnenteils innerhalb der zweiten Korachpsalmgruppe her macht diese Gruppe einen unabgeschlossenen Eindruck. Wir werden deswegen den weiteren Kontext der zweiten Korachpsalmgruppe auf Verbindungen zu ihr hin untersuchen müssen. Ps 87 korrespondiert gleichwohl Ps85. Ps85 beklagt das gegenwärtige Elend Israels, obwohl Gott seinem Volk bereits Vergebung zugesagt hat. Die Antwort nach dem Orakel ist der Zionspsalm Ps87, in dem Gottes Fürsorge für den Zion (v. 2.5) gepriesen wird. Der Inhalt paßt gut in die persische Zeit, in der Jerusalem aufgebaut wird. 35 1.1.5 Der weisheitlich-klagende

Schluß (Ps 49 und 88)

Mit Ps88 wendet sich der letzte Psalm der zweiten Korachpsalmgruppe wieder zur Klage zurück, was wir im Anschluß an unsere Beobachtungen zu Rückwendung zur Klage bei Einzelpsalmen im Kontext von Weisheit verstehen. Wie am Anfang und im Einschub finden wir auch am Schluß der Psalmengruppe jeweils Psalmen im Singular. Die Überschrift von Ps88 weist diesen Psalm aber nicht nur als Korachpsalm, sondern auch wie Ps89 als Psalm eines namentlich benannten Esrachiden aus. Da Ps 89 als Königspsalm zur Komposition des 3.Psalmbuches gerechnet werden kann, 3 6 ist ein solches Verständnis auch für Ps88 nicht ausgeschlossen: Auch am Schluß des ersten und zweiten Psalmbuches können wir die Häufung der Psalmmotive von Krankheit und Alter beobachten. 3 7 Damit läßt sich auch Ps88 im Kontext der Komposition der Psalmbücher verstehen: Die Todesbedrohung des Psalmbeters von Jugend an (v. 16) ist wohl als Krankheit zu interpretieren, aber in jedem Fall ist damit ausgeschlossen, daß der Psalmbeter gegenwärtig als jung vorzustellen ist. Von dorther ist auch die offensichtlich gegenüber der Korachpsalmnotiz ergänzte Namensbezeichnung l^'H1? („von Heman") Ps88,l zu verstehen: Heman ist nach den Chronikbüchern ein von David zum Psalmengesang bestimmter korachitischer Levit. 38 34

Dazu unten III.2.2.2. So unlängst STADELMANN, FS Füglister 333—356. Zur Verortung der zweiten Korachpsalmsammlung in der Perserzeit siehe unten III.2. 36 Vgl. WESTERMANN, Sammlung; WILSON, JSOT34, dazu oben S. 4 f. 37 S.o. II.3.1.3und3.2.6. 38 IChr 6,18ff.; 16,41f. Zur Beziehung der Personenbezeichnungen in den Psalmüberschriften auf David s.u. III.1.3.2, 2.1.1 und 3.3.2. 35

1. Wallfahrtspsalmengruppen

73

Ps 88 ist damit höchstwahrscheinlich sowohl Bestandteil der zweiten Korachpsalmsammlung als auch einer möglichen Edition des dritten Psalmbuches. Verstehbar wird auf dem Hintergrund einer auf das dritte Psalmbuch hin ausgerichteten Edition der zweiten Korachpsalmsammlung dann auch der eingeschobene Davidpsalm Ps86, in dessen Mitte - vom Duktus des Psalms eher unerwartet - Weisheits- und Dankliedelemente (v. 11 f.) stehen. Dieser Psalm deutet die für die Davidpsalmen typische Stellung in Clustern an: Ps86 variiert die in Ps85 ausgesprochene Klage, ohne den formgeschichtlichen Duktus von der Themenklage über das in Ps 85 bereits erfolgte Orakel zum Hymnus weiterzutreiben. Weisheitliche Elemente finden wir also in Ps 88 nicht ausdrücklich. Sie finden sich aber im folgenden Königspsalm Ps89, der mit Ps 88 über das in Ps 88 zusätzliche Überschriftselement einer Person verbunden ist, die als TPTNn, als „Esrachiter", eingeführt wird. 39 Ps89 formuliert Klage und Bitte auf dem Hintergrund der Davidverheißung und der Krise von 586. 40 Wir sahen bereits, daß die Rückwendung zur Klage oft weisheitliche Züge hat. 41 Wenn wir den weisheitlichen Elementen nachgehen, finden wir sie auch am Anfang der zweiten Korachpsalmgruppe, nämlich in Ps84. Mit Anfang, Mitte und Schluß sind die typischen Positionen der Edition der Psalmengruppen besetzt. Lediglich Ps85 und 87 bleiben als nicht von der Edition her zu verstehende Kernpsalmen. Mit der Anrede an alle Völker nimmt Ps49 die universale Tendenz des vorhergehenden Hymnenteils auf (v. 2): :Y?n ,3t?',-173 u'Tsn D'ayn-^B nfcnsatf Höret dies, alle Völker, und merkt auf, alle Bewohner der Welt. Auch umgekehrt ist der Schluß von Ps 48 mit einer kurzen Anspielung auf die Todesproblematik auf den folgenden Ps49 ausgerichtet (Ps 48,15 aß.b): rma-1?? l a j g r sin a^i» i r n ? x Gott ist immer und ewig. Er wird uns leiten über den Tod hinaus. Zwar ist diese Aussage für den vorhergehenden Kontext von Ps48 ungewöhnlich, aber sie leitet innerhalb der ersten Sammlung von Korachpsalmen (Ps 42-49) von Ps48 zur Vergänglichkeitsklage Ps49 über. Der Schluß der ersten Korachpsalmgruppe ist also weisheitlich gefaßt. In den Spättexten des Alten Testamentes finden sich auch an anderer Stelle Aussagen, die die Hoff39 Vgl. z . B . v. 16. D i e weisheitlichen Elemente sind in der Diskussion um Ps89, die im wesentlichen den altorientalischen Hintergrund der Vasallenverträge zu erleuchten versucht hat, kaum in den Vordergrund getreten. VEIJOLA, Z A W 9 5 , 9 - 3 1 , beispielsweise datiert zwar die zugrundeliegende Form von Ps89 in die Davidzeit (aaO. 27), setzt aber die konkrete Ausgestaltung erst in deuteronomisch/deuteronomistischer Zeit an (29). Uns interessiert hier nur der terminus post quem des vorliegenden Einzelpsalms als terminus post quem auch seiner kompositorischen Einbindung, die also auch nach Veijola exilisch-nachexilisch erfolgt sein muß. 40

JANSSEN, Juda 20.

41

Siehe oben 1.3.2.2.

74

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

nung auf ein Leben nach dem Tod zum Ausdruck bringen. 42 Ps 49 ist auch mit Ps88 über das Motiv des Sterbens verbunden, da Ps 88,4b in Todesgefahr klagt: 43 Aber mein Leben ist dem Totenreich nahe.

:15TJn ^iXtP1? ™ni

Von der Disposition der Psalmgruppe mit einem Anfang im Singular erscheint der Abschluß mit dem ebenfalls singularischen Ps49 als notwendiger Schluß der Komposition auch der ersten Korachpsalmsammlung. Während die Zionspsalmen/Hymnengruppe Ps46—48 durchweg Pluralpsalmen sind, kann auch Ps 45 im Kontext der Rahmung der Psalmgruppe verstanden werden. Die Edition der ersten Korachpsalmgruppe ist auf die Asaphpsalmsammlung inhaltlich bezogen: Ps49 und 73 sind mit der weisheitlichen Frage nach dem Geltungsbereich der Gerechtigkeit Gottes zu sehr verwandt, als daß ihre Stellung als Klammern um die Davidpsalmen Ps51ff. mit den umgebenden Einzelpsalmen Ps50 und 70f. 44 zufällig sein könnte. Die Gesamtkomposition des elohistischen Psalters (Ps42—83) ergibt sich also durch die Davidpsalmen Ps51ff. mit den umgebenden Einzelpsalmen und den Korach- und Asaphpsalmgruppen. Sie wird noch eingehend zu untersuchen sein. 45 1.1.6 Zusammenfassung:

Die Komposition der

Korachpsalmgruppen

Beide Korachpsalmgruppen bestehen aus Singular- und Pluralpsalmen. Die Pluralpsalmen bilden dabei den Kern der Sammlungen, während die Singularpsalmen die Rahmenpositionen und eine Einschubposition in der Mitte der Komposition einnehmen. Das formgeschichtliche Grundschema im pluralischen Kern beider Korachpsalmgruppen können wir analog zum Klagelied als Übergang von der Klage zum Lob verstehen. Diese Entsprechung wird besonders durch die Verwendung von Orakelmotiven an den Übergangsstellen zwischen Klage und Lob bzw. Zuversicht in beiden Psalmgruppen deutlich. Beachtlich ist allerdings die im Detail unterschiedliche Position der Orakel: In der ersten Korachpsalmgruppe beginnt mit dem Orakelelement der Zions-/Hymnenteil (Ps46,11), in der zweiten Korachpsalmgruppe endet damit die Klage (Ps85,9). Ps45 und 86 stehen damit auch makroformgeschichtlich jeweils an ungewöhnlicher Stelle: Der einzelne Davidpsalm Ps86 steht als Klagelied nach dem Orakel in Ps85, der singularische Ps45, der eher zum Zions- und Hymnenteil paßt, steht vor dem Orakel in Ps46. Auch von daher liegt es - ähnlich wie für Ps43 - nahe, diese Psalmen als im Zuge der Edition größerer Textzusammenhänge hinzugewachsen anzunehmen. Daß beide Psalmen einen Einschub darstellen, wird in 42 Jes 26,19; Ps22,30ff.; Dan 12,2; vgl. aber auch die Totenauferweckungsgeschichten l K ö n 17; 2Kön 4 und 13 sowie Ez 37. 43 Vgl. den ausführlichen Teil gleicher Motivik in Ps 88,11 ff. 44 Zur Übersicht siehe oben S. 30 die Tabelle in Anmerkung 151. 45 S.u. III. 1.

1.

Wallfahrtspsalmengruppen

75

der zweiten Korachpsalmsammlung durch den Wechsel im Überschriftensystem besonders deutlich. Fast alle Gattungen sind in den Korachpsalmen vertreten. Es fehlt allerdings ein Danklied, obwohl die Einleitung der ersten Korachpsalmgruppe die Erfahrung des Dankens voraussetzt. Das Fehlen des Dankliedes gibt nun aber zugleich einen Hinweis auf die Situation der Komposition: Die in der Themenklage geschilderte Not ist noch nicht gewendet. Die Entsprechung zum Klagelied gilt also besonders für die erste Korachpsalmgruppe, wenn wir auf den vermuteten formgeschichtlichen Kern der Gruppe, die Volksklage Ps44 und ihren Respons im Zions- und Hymnenteil, Ps 46—48, blicken. Die Gruppe als Ganzes ist offensichtlich diachron gestaffelt, 46 wobei einerseits insbesondere für Ps44 exilische Erfahrung naheliegt, andererseits für Ps42,7 die sehr präzisen Ortsangaben Jordan, Hermon und Mizar für die Lokalisierung im Quellgebiet des Jordan sprechen. Diese Beobachtungen sollten jedoch nicht voreilig in eine redaktionsgeschichtliche Hypothese zum Verhältnis zwischen pluralischem Kern und singularischem Rahmen umgewandelt werden, da insbesondere Ps46, aber auch mit Vorbehalt Ps48, als Einzelpsalmen gut als Reflex der Bewahrung Jerusalems 701 verstehbar sind. Auch der Kern der zweiten Korachpsalmgruppe, Ps85 und 87, entspricht dem Schema des Klageliedes mit seinem Übergang zur positiven Stimmung. Überlegungen, ob der Kern mit Pluralpsalmen als ursprünglich selbständige Liturgie angesehen werden kann, sind spekulativ und übergehen das Gewicht der Edition mit ihrem weisheitlichen und davidischen Interesse. Besonders bei der zweiten Korachpsalmsammlung kann also vermutet werden, daß diese von vornherein als Nachahmung der ersten angelegt ist und auch ursprünglich weisheitlich-nachkultisch zu verorten ist, auch wenn die Stichwortverbindungen zwischen beiden Gruppen zwar regelmäßig erfolgen, aber an entscheidenden Stellen nun gerade nicht auftreten. 47 Gegenüber der ersten Korachpsalmgruppe fehlt der zweiten der hymnische Schluß trotz seiner Ankündigung am Anfang der Gruppe. Die Rückwendung in die Klage am Schluß beider Gruppen ist der Rückwendung in die Klage bei den Weisheitspsalmen vergleichbar. Doch nur der Schluß der ersten Korachpsalmgruppe hat einen speziellen Weisheitspsalm, in der zweiten Korachpsalmgruppe folgt allerdings im Anschluß an das Überschriftensystem der Korachpsalmen der weisheitlich gefärbte und in der Klage endende Ps 89. 48

46

Zur diachronen Absetzung von Ps47 und eventuell auch von Ps48 siehe unten III. 1.3.2 und 1.4. 47 Vgl. z. B. die anderen Ausdrücke des Sehnens in Ps 84,3 gegenüber Ps 42,2. 48 Zu der Rückwendung in die Klage als Element weisheitlicher Psalmen siehe oben 1.3.4.2. Zur Position von Ps88 vgl. den doppelten Personenbezug in der Überschrift. Zur Darstellung siehe unten III.1.2.1,1.2.3 und III.2.2.1.

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

76 1.2

Die Sammlung

von Wallfahrtspsalmen

Ps

120ff.

D i e Sammlung beginnt mit e i n e m kurzen und allgemeinen Dankbericht (Ps 120, l ) : 4 9 :*»335T-3 ' i ^ i ? n r n s a mn , -'7i< Zu Jhwh rief ich in meiner Not, und er antwortete mir. D a n n wechselt der Psalm mit der A n r u f u n g Jhwhs und der Schilderung der N o t in die Sprache der präsentischen Klage. D i e N o t wird allerdings recht unkonkret geschildert. Konkret k o m m t eigentlich nur z u m Ausdruck, daß der B e t e r in der Diaspora lebt, aber selbst die g e n a u e Lokalisierung der O r t s n a m e n bleibt p r o b l e m a t i s c h . 5 0 In P s l 2 2 entschließt sich der B e t e r zur Wallfahrt. G e g e n ü b e r der ersten Korachpsalmsammlung sind also der Entschluß zur Wallfahrt und die Klage, die hier als Klage des E i n z e l n e n erscheint, vertauscht. G e g e n ü b e r den Korachpsalmen ist der Eingangsteil der S a m m l u n g durch Ps 121 und 123 erweitert: Ps 121 w e n d e t sich dabei g e g e n die Vorstellung, v o n außerisraelitischen Kulten k ö n n e Hilfe k o m m e n . 5 1 Ps 123 richtet den Blick des B e t e r s auf d e n G o t t im H i m m e l . Ps 121 — 123 als G a n z e s bilden daher eine Klimax: die B e r g e , Jerusalem, G o t t im H i m m e l . D i e s e Klimax wird v o n d e m ersten dankliedähnlichen P s l 2 4 a b g e s c h l o s s e n . 5 2 V o m D a n k l i e d a n f a n g in Ps 120,1 bis z u m Psalm mit D a n k l i e d e l e m e n t e n schließt sich damit nach fünf Psalmen ein erster B o g e n innerhalb der Wallfahrtspsalmsammlung. A m Schluß der durch das Überschriftselement n i ^ v a n / 1 ? "PIP verknüpften 49

So betont SEYBOLD, ZAW 9 1 , 261. Die Verbform in der Afformativkonjugation sollte also nicht der Einfachheit halber in ein zeitloses Präsens umgewandelt werden (vgl. dazu die Kritik von Z U B E R , Tempussystem 19). Auch die prinzipielle Auffassung von M I C H E L , Tempora 98 u. ö., daß auch die Afformativkonjugation nicht Ausdruck einer Zeitstufe sei, berechtigt keineswegs dazu, die unwahrscheinlichere präsentische oder futurische Auffassung der Aussage, die auch vom Kontext her nicht geboten ist, anzunehmen. 50 Vgl. SEYBOLD, Wallfahrtspsalmen 7 2 . 51 Ps 121 hat ein Metrum, das sich oft in der ugaritischen Literatur (z. B. dem Aqht-Epos) findet: die Strophen (unter Ausschluß der Überschrift, die Teil der vermutlichen Redaktion der Wallfahrtspsalmen ist) haben 12 (6 + 6, v. lf.), 11 (5 + 6, v. 3f.), 11 (6 + 5, v. 5f.) und 10 (5 + 5, v. 7f.) Hebungen nach dem akzentuierenden System. Sie entsprechen damit der Strophenmetrik, die für die Eingangsstrophe eine Hebung mehr und für die Schlußstrophe eine Hebung weniger als für die Mittelstrophen fordert (vgl. MARGALIT, Poem, zusammenfassend S. 104f.). So ist auch von der Metrik her der kanaanäische Hintergrund von Ps 121 (vgl. v. 1 a.6), gegen den sich der Psalm allerdings inhaltlich wendet, deutlich. Dieses rein kanaanäische Metrum, das innerhalb des Psalters singulär ist, verdeutlicht zugleich die unterschiedliche Vorgeschichte der einzelnen Wallfahrtspsalmen. Zu einem anderen Ergebnis gelangt L O R E T Z , Psalmen II, 242, der aufgrund seiner Konsonanten-Kolometrie zu dem Ergebnis kommt, daß mehr oder weniger alle Psalmen einem ugaritischen Versmaß entsprechen. Ohne die fragwürdige metrische Theorie von Loretz hier umfassend kritisieren zu wollen, bleibt als Besonderheit von Ps 121 jedoch festzuhalten, daß nur hier das durch das masoretische Akzentsystem vorgegebene Versmaß ohne Texteingriffe metri causa einem kolometrischen System entspricht. 52

Vgl.

CRÜSEMANN,

Studien 161 ff.

1.

Wallfahrtspsalmengruppen

11

Psalmen stehen die Beter in der Nacht im Hause Jhwhs (Ps 134,1b; vgl. Psl35,2). Die in Psl22 ins Auge gefaßte Wallfahrt ist also am Ende dieser Sammlung wie am Schluß der ersten Korachpsalmsammlung geographisch zu ihrem Ziel gekommen. Innerhalb der Wallfahrtspsalmen fällt Psl32 sowohl wegen seiner Länge als auch wegen seiner Orakelmotive aus der Reihe der anderen Psalmen heraus. Das Orakel in Ps 132 bezieht sich nun auf den Fortbestand der davidischen Dynastie (v. 11 f.). Mit diesem Orakel sind über den Kommentarsatz v. 13 die Erwählung des Zion, das Heil der Priester und der Jubel der Frommen als zweites Orakel (v. 14—18) verbunden. Diese sprachliche Gestalt von Ps 132 sieht nach einer Ergänzung am Schluß aus: K. Seybold spricht hier von einer Zionsredaktion, die den Psalm in die Sammlung von Wallfahrtspsalmen eingebunden hat. 53 Das Heilsorakel steht nun an einer sehr speziellen Stelle in der Sammlung: am Schluß vollzieht die Komposition der Wallfahrtspsalmen einen ausgeprägten Stimmungsumschwung vom Klagelied des Einzelnen (Ps 130) zum imperativischen Hymnus (Ps 134). Der Stimmungsumschwung erfolgt wie in den Asaph- und Korachpsalmsammlungen durch einen Orakelpsalm, der hier die Motive eines Königspsalms hat: Psl32. 5 4 Ps 131 fällt als Vertrauenspsalm eher auf die Seite der Klage und Ps 133 als Segenspsalm eher auf die der Hymnen. Die Sicht von Ps 132 als Stimmungsumschwung paßt also in jedem Fall für den Teilbogen der Komposition Ps 130ff. Problematisch erscheint auf den ersten Blick, Ps 132 als Wendepunkt innerhalb der gesamten Wallfahrtspsalmsammlung Ps 120ff. anzusehen, da bereits Ps 124 und 129 Dankliedmotive haben. 55 Doch sahen wir bereits, daß diese Psalmen Zwischenhöhepunkte nach jeweils fünf Psalmen darstellen. 56 Ps 124 und 129 haben für die Sammlung von Wallfahrtspsalmen gliedernde Funktion: schließt Ps 124 die einleitende Klimax ab, so leitet Ps 129 den makroformgeschichtlich „reinen" Teil von Psl30ff. ein. 57 Dazwischen stehen die Zwillingspsalmen 127 f. und die exilisch-nachexilischen Psalmen 125 und 126, die als exilisch-nachexilische Psalmen Bezug zur Nachschrift Psl37 haben. 58 Damit ist wohl das gesamte Mittelstück Ps 125 — 129 nachexilisch anzusetzen. 53

SEYBOLD, ZAW91. Dazu bereits oben 1.2.3.4. Vgl. Ps45 als Übergang zwischen Ps44 und 46 (s.o. II.1.1.3), und unten PsllO als Bindeglied zwischen Ps 107-109 und Ps 111 ff. (dazu unten II.1.3). 55 Zur engen Verbindung zwischen Psalm 124 und 129 vgl. insbes. WESTERMANN, Loben 63; CRÜSEMANN, Studien 160ff. Vgl. aber auch die präsentische Klage in P s l 2 9 , 5 f f . Mit Crüsemann ist daher nicht von einer selbständigen Gattung Danklied des Volkes auszugehen. 56 S.o. 1.2.3.4, vgl. insbesondere die Aufforderung SJ'löX 1 („es spreche Israel") mit der folgenden markanten Wiederholung jeweils eines Halbverses, die an den Schluß der Komposition mit imperativischen Hymnen Ps 134(ff.) erinnert. 57 Innerhalb des Versuches einer narrativen Exegese der Sammlung von Wallfahrtspsalmen hat GROSSBERG (Structures 52ff.) den Stimmungsumschwung im Kontext von Ps 130 als erneute Klage nach dem Erreichen des Tempels verstanden (aaO. 53). Zur Kritik s. o. S. 37f. 58 Mosis (FS Reinelt) hat unlängst für die nachexilische Deutung von Ps 126 (parallel zu Joel) geworben (so z . B . auch AEJMELAEUS, Prayer 37), während die Studie von BEYERLIN, „Wir sind . . . " 68 u. ö., den Psalm eher in exilische Zeit zu datieren sucht (50, vgl. insbes. das inschriftliche Material S.43), aber die nachexilische Deutung prinzipiell nicht ausschließen 54

78

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

Das Überschriftenelement rriVyan "PtP („Wallfahrtspsalm") endet mit dem imperativischen Hymnus Psl34. Dieser Psalm hat nun nicht nur wie viele andere Wallfahrtspsalmen Segenselemente, sondern bringt den Segen als performative Aussage (Ps 134,3): :mn'-ns lanai tznp o p r - w f o nfri; F S » mn' Erhebet eure Hände zum59 Heiligtum, und segnet Jhwh: es segne dich Jhwh vom Zion her, der Himmel und Erde gemacht hat. Der Segen erscheint damit wie in den Gesetzessammlungen als möglicher Schluß einer Großsammlung. 60 Ps 134 ist nun als Schluß einer langen Sammlung von im wesentlichen durch den Ton der Klage bestimmten Psalmen mehr als dürftig. In der vorliegenden Form des Wallfahrtspsalters sind deshalb Ps 135 und 136 an diese Sammlung herangewachsen. Der imperativische Hymnus Ps 134 markiert gewissermaßen nur den Einsatzpunkt, an dem der eigentliche Hymnus zu beginnen hat. Zwei inhaltlich eng verbundene Psalmen finden sich hier hintereinander: dabei ist Psl35 situativ enger mit der Sammlung von Wallfahrtspsalmen verknüpft als Ps 136. Nur Ps 135 setzt mit der Notiz vom Stehen im Tempel eine ähnliche Situation voraus wie Ps 134,61 außerdem sahen wir bereits, daß Ps 136 eine eigene liturgische Wirkungsgeschichte hat. 6 2 Ps 135 schließt zudem mit einem Segensspruch ab, wie er auch an anderen Stellen wie beispielsweise den Psalmbüchern kompositionsabschließende Funktion hat. 63 Umgekehrt sahen wir bereits für das Große Hallel Ps 136 eine eigene, vielfältige Wirkungsgeschichte, die durch die Verwendung von Psl36 als Schluß der Pessach-Liturgie nach vorn über den Anfang der Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff. hinaus wenigstens bis zum Ägyptischen Hallel Ps 113 ff. einen Zusammenhang herstellt. 64 Ps 136 fordert zum Dank auf. In der Gesamtkomposition findet sich nun aber kein Danklied. Erst Ps 138 bringt als Einleitungspsalm der folgenden Gruppe von Davidpsalmen individuellen und konkreten Dank vor. Auch Ps 136 selbst erzählt nicht die erfolgte eigene Rettung, sondern berichtet allgemein von Gottes Rettungstaten in der vergangenen Geschichte. Es bleibt daher offen, ob kann (z.B.41ff.). Zu Beyerlin vgl. bereits PREUSCHEN, Z A W 15, 1 - 7 4 . Vgl. auch oben S . 3 8 Anm. 212. Zu Ps 125 vgl. BEYERLIN, der diesen Psalm in der „Spätzeit des Alten Testaments, in der fortgeschrittenen Epoche der Perser oder der des Hellenismus" verortet (Vergewisserung 81). 59

60

Z u r B e g r ü n d u n g vgl. KRAUS Z. ST.

So z . B . VON RAD, Deuteronomium-Studien, für das Dtn (dazu oben S. 4). Vgl. als nächste Parallele in den Psalmgruppen unten II.3.1.2 zu Ps67. 61 Ps 134,1 konkretisiert durch ilfrVa („zur Nacht"), Ps 135,2 konkretisiert n i n x r p („in den Vorhöfen"). 62 S.o. 1.2.2ExkursS.32ff. 63 Die Nähe zu den Psalmbuchschlüssen hat gelegentlich dazu geführt, Ps 135 für einen älteren Schluß des fünften Psalmbuches zu halten, so wohl zuerst JACOB, Z A W 16,129—181. 64 Dazu oben 1.2.3.2.

1.

Wallfahrtspsalmengruppen

79

die Gesamtkomposition mit Ps 136 als Schluß eine Klage- oder eine Dankliedliturgie ist und wie deren Verhältnis zu der mit Ps 138 eingeleiteten Davidpsalmsammlung ist. Wir sahen bereits, daß Ps 137 in synchroner Hinsicht als Nachwort zu den Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. steht. 65 Von unserer Kenntnis der Psalmkomposition haben wir mit Ps49 für die erste Korachpsalmgruppe und Ps88f. für die zweite Korachpsalmkomposition bereits Beispiele, um auch großgattungsgeschichtlich die Rückwendung in die Klage wahrscheinlich zu machen. Ps 137 und wohl auch Ps 12666 sichern damit die Exilszeit als terminus ante quem non der Sammlung. Auch von den Auslegungen einzelner Wallfahrtspsalmen her hat die Beschreibung der persischen Zeit als Lebenswelt des größten Teils der Sammlung alle Wahrscheinlichkeit für sich. 67 Gleichwohl ist in 11Q Ps a die bis in die späteste Zeit hineingehende Variabilität des Schlusses von Wallfahrtspsalmen textlich belegt: dort endet die Komposition bei Psl32, d.h. der gesamte Hymnenschluß einschließlich des Segenspsalms 133 ist in Qumran, wenn auch offensichtlich sekundär, weggelassen. 68 Dies ist ein Indiz für unsere noch zu begründende Vermutung, daß bis in späte Zeit hinein neben den gattungsübergreifenden Klage-Hymnus-Kompositionen auch noch Kompositionen bestehen, die den Stimmungswechsel nur ankündigen. 69 Das individuelle Danklied, das beispielsweise in das Ägyptische Hallel integriert ist, fehlt in den Wallfahrtspsalmen Psl20ff. An seine Stelle tritt kompositorisch der imperativische Hymnus Ps 136, der zum Dank auffordert. Zusammenfassend können wir festhalten, daß die Struktur des Überganges von der Klage zum Lob, die wir als Kern beider Korachpsalmsammlungen ermittelten, sich auch in der Sammlung von Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. wiederfindet. Wie in den Korachpsalmsammlungen findet sich an der Stelle des Wechsels von der Klage zum Lob ein Psalm mit Orakelelementen. Auch der Anfang der Wallfahrtspsalmengruppe Ps 120 ff. ist mit klimaktisch aufgebauten Psalmen zur Motivation der Wallfahrt ähnlich gestaltet. Ps 137 bringt als Kommentar zu den Wallfahrtspsalmen wie die Schlußpsalmen der Korachpsalmsammlung die Rückwendung zur Klage als retardierendes Moment. Im Mittelteil ist jedoch die Sammlung Psl20ff. erheblich erweitert, was sie formgeschichtlich weniger transparent macht als die beiden Sammlungen von Korachpsalmen, die nur eine kurze „Störung" im Mittelteil aufweisen. Insgesamt fehlt auch die für die Verortung der Korachpsalmen so zentrale, einzelne Themenklage als Klagelied des Volkes. Doch finden wir Klageelemente in den 65 S . o . 1.2.3.4. Diachron gesehen ist Psalm 137 gleichwohl auch dann älter als mancher der Psalmen insbes. aus dem Schlußteil, bes. P s l 3 4 f . , wenn man mit KELLERMANN, Z A W 90, 4 3 - 5 8 , Ps 137 für nachexilisch hält. Dazu unten S. 182f. 66 Zur nachexilischen Ansetzung von Ps 126 s. o. 1.2.3.4 (S. 38 Anm. 212). 67 Siehe z. B. STRAUB, Erbbesitz, zu Ps 127, der Mitte der Sammlung bei der Beschränkung auf die durch das Überschriftselement m^san/ 1 ? T © verbundenen Psalmen. 68 Dazu s.u. III.3.2.2. 69 Vgl. dazu unten II.2.

80

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

Pluralpsalmen 124; 126 und 129.70 Aber außer daß die in diesen Psalmen vorausgesetzte Situation in die nachexilische Situation weist, erfahren wir wenig über die konkrete Situation, aus der die Komposition zu verstehen ist. Mit dem Fehlen der Themenklage, in die sich der einzelne Beter integriert, und dem weisheitlichen Mittelteil der Sammlung tendieren die Wallfahrtspsalmen Psl20ff. wie das im folgenden zu behandelnde Ägyptische Hallel zu den Clusterkompositionen, mit denen wir uns noch gesondert beschäftigen werden. 71

1.3 Das Ägyptische

Hallel

Die Zugehörigkeit dieser Psalmengruppe zur Wallfahrt geht innertextlich aus dem Schlußpsalm Ps 118,19 hervor: 72 Öffnet mir die Tore der Gerechtigkeit! Ich werde durch sie hineinkommen, umJahzuloben.

pisrnstf 'Vinns :rp nTiN

Ps 116,17—19 legt nun allerdings eher eine individuelle Wallfahrt zur Erfüllung eines Gelübdes nahe, was sich jedoch mit dem Anlaß einer Wallfahrt zu einem der drei Hauptfeste nicht auschließt, da diese Feste auch geeignete Gelegenheiten für die Darbringung von Gelübdeopfern sind (v. 17—19):73 :inj?s n w ' otrai niin nar natx-n1? riarVD1? K r r m j n i r r l ; ' :npV?n p'jtinT "osina mn1' r r a n i i s n a Dir will ich opfern ein Dankopfer und den Namen Jhwhs anrufen. Ich will mein Gelübde Jhwh erfüllen vor seinem ganzen Volk, in den Vorhöfen des Hauses Jhwhs, in deiner Mitte, Jerusalem. Hallelujah! Formgeschichtlich ist Ps 118 ein liturgieartig erweitertes Danklied, dem der Hymnus P s l l 7 vorangeht. Davor steht wieder ein Danklied (Psllö), dem Hymnen bzw. Hymnenteile (Ps 113—115) vorangehen. Der Hymnus-Danklied-Schluß, den wir noch in den Kompositionsbögen der Davidpsalmsammlungen finden werden, 74 liegt also im Ägyptischen Hallel mehrfach vor. Zudem bildet diese Form der Komposition eine Psalmengruppe ohne eine vorangehende Klage. Gegenüber den vorher besprochenen Wallfahrtspsalmgruppen fehlt 70 Vgl. auch den zweiten Bogen der Asaphpsalmsammlung, in der wir auch zwei Klagelieder des Volkes als Themenklage in Reihe finden werden (Ps 79f.). 71 S.u. II.3. 72 Zur Bezeugung des Sitzes im Leben dieser Psalmgruppe in der rabbinischen Literatur s.o. 1.2.3.2. Vgl. auch CRÜSEMANN, Studien 226, der die explizite Lokalisierung vor den Tempeltoren als Besonderheit von Ps 118 gegenüber den anderen Dankliedern herausarbeitet. Crüsemann schließt aus Ps 118, daß der berichtende Teil der Danklieder vor den Tempeltoren, der anredende im Tempel gesprochen wurde. 73 S.u. III.2.1.2. 74 S.u. II.3.1 und3.2.

1.

81

Wallfahrtspsalmengruppen

also innertextlich der Wechsel von der Klage zum Lob. Formgeschichtlich ist damit das Ägyptische Hallel ein Beispiel für einen Lob- und Danklied-Cluster. 75 Nun gibt es aber verschiedene Möglichkeiten, das Ägyptische Hallel auf eine Klage zu beziehen. Bereits die liturgische Verwendung dieser Psalmgruppe in der Pessachliturgie zeigt, daß diesem Cluster ein Klagelied vorangestellt zu denken ist: als ein Indiz für die Schlußstellung dieser Psalmengruppe kann die Gestaltung der Pessachliturgie als jährlich erneuerte Dankliturgie für die erfolgte Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft gelten, wie sie insbesondere aus dem Rettungsbericht Ps 114 deutlich wird. Die Klage der Israeliten in Ägypten wird in diesem Zusammenhang gewissermaßen außertextlich dem Ägyptischen Hallel vorgeschaltet. 76 Innertextlich ist das Vorangehen einer Klage durch die unterschiedlichen Berichte über die erfolgte Rettung (Ps 114; 116,2ff.; 118,10ff.) gesichert, wobei insbesondere P s l l 4 auf die Rettung am Meer zurückblickt. Eine andere Deutung des Ägyptischen Hallels stammt von C. Westermann, der das Ägyptische Hallel als Schlußform des gesamten vorhergehenden Psalters ansieht. 77 Westermann postuliert also eine Vorstufe des Psalters, die die Ps 1 — 119 umfaßt, und sieht damit implizit die Klagen der ersten Hälfte des Psalters in dem Ägyptischen Hallel zu einem Ziel geführt. Diese Hypothese eines Psalters, der Ps 1 — 119 umfaßt, wird aufgrund unserer Analyse nicht bestätigt werden können, 78 aber es wird deutlich, wie von ganz unterschiedlichen liturgischen und exegetischen Ansätzen her eine dem Ägyptischen Hallel vorhergehende Klage konjiziert wird. Eine weitere Deutung der Komposition, innerhalb derer das Ägyptische Hallel steht, ist durch die Beachtung des Nahkontextes, in dem diese Psalmengruppe steht, möglich. Wir sahen bereits, daß die Weisheitspsalmen U l f . und 119 das Ägyptische Hallel rahmen. 79 Vor Ps 111 finden wir nun einen Königspsalm, in dem Gott in direkter Rede David den Sieg über seine Feinde verheißt. 80 Der Königspsalm ist damit als Orakelpsalm ansprechbar und steht unmittelbar vor dem ersten nachkultisch-weisheitlichen Danklied der Kompo75 Weitere Cluster dieser Art finden sich in P s 9 5 - 1 0 0 ; 103-107; 1 4 5 - 1 5 0 (dazu unten II.3), vergleichbar ist als Häufung von Hymnen auch Ps46—48, dort allerdings mit vorhergehender Klage in demselben Überschriftensystem. 76 Vorbildlich hat BRAULIK, Leidensgedächnisfeier 95 — 121, die deuteronomische Pessachliturgie in dieser Hinsicht beschrieben. 77 WESTERMANN, Sammlung. 78 Vgl. oben S. 4 und unten III.2 und 3. 79 S . o . 1.2.3.2. 80 Ps 110,1:

ein

'its1? mrr-ONJ... rr^iris 'ra'"? nw

... Spruch Jhwhs zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde als Schemel zu deinen Füßen lege. Zum altorientalischen Hintergrund von Psalm 110 vgl. immer noch WIDENGREN, PsllO, bes. 1 9 0 .

82

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

sition, Ps 111. Vor Ps 110 müßte nach den Regeln der Komposition von Psalmgruppen ein Klagepsalm stehen. Wir finden in Ps 109 einen solchen Klagepsalm, in dem aber die Motive der Klage so intensiv gesteigert sind, daß Ps 109 als Standardbeispiel der sogenannten Fluchpsalmen gilt. 81 Ps 109 ist von seiner Stellung her als Klage zum Ägyptischen Hallel zu verstehen. In dieser Stellung vor so intensivem Lob und Dank Gottes wird der Fluchpsalm Psl09 auch hermeneutisch erträglich. 82 PsllO als Orakelpsalm ist also der Wendepunkt, an dem sich der Fluchpsalm über die Gegner (Ps 109) und der Psalm über das Glück des Gottesfürchtigen (Ps 112) spiegeln. Ps 107 wird als ein möglicher Abschluß der vorhergehenden Psalmgruppe angesehen, dieser Psalm wird damit über die Psalmbuchgrenze hinweg zur Hymnengruppe Ps 103—106 gezogen. 83 Dieses Springen über die Psalmbuchgrenze ist aber eine bei der Auslegung der Gestalt des vorliegenden Textes keineswegs unproblematische Angelegenheit, die nur dann angewendet werden sollte, wenn alle anderen Lösungen scheitern. Probeweise beziehen wir deshalb Ps 107 als Anfang des fünften Psalmbuches auf die folgende Kompositionseinheit. Dieser Psalm ist das Dank- und Wallfahrtslied schlechthin, 84 bei dem allerdings auffällt, daß der Dank lediglich angekündigt wird: Ps 107 leitet damit zu einer Wallfahrt ein, die erst im folgenden vollzogen wird. 85 Von der Parallele der Wallfahrtskompositionen her sind daher Psl07 wie Ps42f. und 120 als Psalmen zur Motivation der Wallfahrt zu verstehen. Die verschiedenen Fälle derer, die Jhwh ein Danklied sagen sollen, werden dabei in Ps 107 ausführlich aufgelistet. Gleichzeitig schließt Ps 107 als Weisheitspsalm mit einer Frage (v. 43): :mn' n p n «lian?} Wer ist weise, daß er dieses bewahrt und die Gnadenerweise

asn-'a Jhwhs

versteht?

Ps 107 ist also als Weisheitslied mit der Perspektive hin auf eine Dankfeier zu verstehen. 86 Die Perspektive, den Dank abzustatten, bildet von Psl07 einen Kompositionsbogen bis hin zu Ps 116 und 118. Gemäß letzterem Psalm durchschreitet der Psalmbeter die Tore (Ps 118,19f.). 87 Textlich wird der Bezug zwischen Ps 107 und dem Ende des Ägyptischen Halléis durch eine Fangzeile deutlich (Ps 107,1; 118,1 u.ö.): 81 Zur Konnotation dieser Klassifizierung als Untergruppe der Klagepsalmen vgl. BECKER (Wege 131), der kurz befindet: „Fluchpsalmen . . . sind einfachhin unchristlich". 82 Vgl. hingegen die hermeneutischen Überlegungen bei BECKER, Wege 134f. Der Psalm sollte nicht zuletzt von v. 28 her verstanden werden: der Beter hat den Fluch, den seine Gegner aussprechen, als Voraussetzung und bittet Gott, diesen Fluch in Segen zu verwandeln. Der Fluchpsalm ist daher eine Segensbitte in großer Not. 83 So vor allem GESE, Sammlung. 84 Ps 107 wird von GUNKEL/BEGRICH (Einleitung 281) bezeichnenderweise „Massendanklied" genannt. 85 So insbes. KRAUS (Z. St.). Vgl. auch BEYERLIN, Werden. 86

Mit BEYERLIN, W e r d e n .

87

S . o . ZitatS. 80.

1.

Wallfahrtspsalmengruppen

83

iion D^iy1? ' s aio-'? mn,17 n i n Danket Jhwh, denn er ist gut und seine Treue ist ewig.

Diese Zeile findet sich außer in Psl07 am Anfang des vorhergehenden Ps 106, verknüpft also zwei nebeneinanderstehende Psalmen, andererseits am Schluß der beiden nachfolgenden Wallfahrtskompositionen in Ps 118 und 136. Wir finden hier einen ersten Hinweis, daß der Vorbau des Ägyptischen Hallels und die Nachschrift der Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff. in Beziehung zueinander zu sehen sind. 88 Der Beter, dessen Danklied in Psl07 beginnt, wird also textlich bis in den Tempel geführt. Daß die Anlässe der Wallfahrt in Psl07 individueller Natur sind, aber die Wirkungsgeschichte des Ägyptischen Hallels auf die großen jährlichen Wallfahrten weist, wird im Zuge einer allgemeineren Betrachtung der jüdischen Wallfahrt zu vermitteln sein. 89 Wie die Sammlung von Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. in Ps 120,1 beginnt also auch der Vorbau zum Ägyptischen Hallel mit der Ankündigung von Dank. In der Spätphase der Hebräischen Bibel und dem außerkanonischen Schriftraum werden wir zudem einige Beispiele für nachkultische Kompositionen kennenlernen, die nicht nur mit der Ankündigung von Dank, sondern sogar mit einem Danklied selbst beginnen. 90 Der Anfang der Kompositionseinheit mit Ps 107 ist also nur im Vergleich zu den älteren Kompositionen auffällig und verweist die Gesamtkomposition von Ps 107—119 in die Spätphase des entstehenden Psalters, wie wir es bereits auch für Ps 120ff. vermuteten. Insofern verliert auch die Frage an Gewicht, ob Ps 107 nun primär als Neuanfang mit Ziel auf Ps 118 und 136 oder als Weiterführung von Ps 106 zu verstehen ist: auf der späten Ebene, auf der wir uns in Ps 107 f. mit der erweiterten Edition des Ägyptischen Hallels befinden, hat Ps 107beide Funktionen. Zwischen Ps 107 und der Klage Ps 109 steht nun der formgeschichtlich schwer beschreibbare Ps 108, der überwiegend aus Vertrauens- und Dankliedelementen, aber auch aus Bitten aus Ps57 und 60 kombiniert ist. 91 Wir bemerkten bereits, daß Psl08 damit den Weisheitspsalmen mit retardierender Funktion vergleichbar ist. 92 Das würde nun eher für Psl08 als Schlußpunkt eines hier endenden Kompositionsbogens sprechen. Ps 108 können wir damit innerhalb des von uns analysierten Psalmschemas nicht recht einfügen. Für Ps 108 als auszugsweisem Zitat zweier Davidpsalmen legt sich also ähnlich wie bereits für Ps40 und 70 eine buchkompositorische Stellung nahe: an zweiter Stelle 93 des insgesamt wohl nachgetragenen fünften Psalmbuches 94 steht eine Rückwendung zu den Davidpsalmen des zweiten Psalmbuches. Die Wiederholung zwei88

S.u. III.3.3.1. Dazu unten III.2.1.2. 90 So alle Kompositionsbögen des fünften Psalmbuches. Vgl. auch unten II.3.4 zu Ps 92f. 91 S . o . 1.3.4.2 ( S . 5 9 f . ) . 92 S . o . 1.3.4.2 (S. 60). 93 Vgl. Ps40 und 70 als vorletztem bzw. drittletztem Psalm der Sammlung. Dazu oben S. 57f. und unten II.3.1.3 (S. 123f.), 3.2.4 (S. 140) und 3.2.6 (S. 144). 94 Siehe dazu unten III.3. 89

84

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

er Psalmteile der Davidpsalmgruppe im elohistischen Psalter durch Ps 108 ist damit ein Textverweis zurück in eine vorhergehende Psalmengruppe, während der unmittelbar vorhergehende Ps 107 einen Vorverweis darstellt. Beide Psalmen zusammen klammern daher wohl Psalmgruppen bzw. Teilpsalter zusammen. Der Vorbau des Ägyptischen Hallels mit Davidspsalmen wirkt nicht wie genuin zu dieser Psalmengruppe gehörig. Allerdings ist der Vorbau einer Sammlung verschiedener Anlässe zur Dankwallfahrt vor einer Wallfahrtsliturgie zu den Hauptfesten inhaltlich sinnvoll. Gegen eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit des Vorbaus mit dem Hallel sprechen aber außer der Wirkungsgeschichte, die das Ägyptische Hallel isoliert hat, und dem nicht im Vorbau weitergeführten Hallelujah nicht zuletzt die fehlenden inhaltlichen Bezüge zwischen beiden Teilen. Gleichwohl ist die Voranstellung von Ps 107—110 deutliches Indiz für das Verfahren der Komposition, die offensichtlich neben Liturgien und nachgeahmten Liturgien, die den Wechsel von Klage und Lob/Dank umfaßten, auch solche vorfand, die aus nur einer der beiden Großgattungen bestand. Solche Kompositionen wurden also offensichtlich im Sinne der den formgeschichtlichen Wechsel umfassenden Großgattung ergänzt. Insgesamt ist also festzuhalten: das Ägyptische Hallel ist eine Sammlung von Hymnen und Dankliedern, die durch einen Vorbau erweitert ist. Durch den Vorbau der Davidpsalmen wird die Hymnus-Danklied-Sammlung mit einer Motivation zur Wallfahrt (Psl07) sowie Klagen und einem Orakel (PsllO) ergänzt. Der Mittelteil um das Orakel, aber auch der Anfang ist stark weisheitlich erweitert. Es fehlt eine markante Themenklage, aber durch die Reihe von konkreten Not- und Rettungssituationen, die Psl07 auflistet, ist auch eine einheitliche Situation der Komposition nicht zu erwarten. 9 5 Von den anderen Wallfahrtskompositionen her kennen wir bereits ebenfalls eine weisheitliche Rückwendung in die Klage am Schluß der Sammlung. Diese finden wir innerhalb des Kerns bereits in Ps 118,25 und außerhalb der Sammlung durch das Weisheitslied Ps 119, das am Schluß immer mehr in den Ton der Klage fällt. 96

1.4 Gebet und Lied der Hanna (lSarn 1 f.) Vergleichen wir nun die Psalmkompositionen mit einer Erzählung. Wir haben bisher nur Sammlungen kennengelernt, die weisheitliche Elemente aufwiesen. Von einer Erzählung wird vielleicht am wenigsten zu erwarten sein, daß sie weisheitlich überarbeitet ist. Zudem können wir anhand einer Erzählung die Vorgänge bei einer Wallfahrt näher kennenlernen. 95 Das Ägyptische Hallel entspricht in dieser Hinsicht noch stärker als die Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. den Clusterkompositionen, die wir in II.3 verhandeln werden. 96 So bes. GuNKEL(z.St.).

1. Wallfahrtspsalmengruppen

85

Es gibt in der Hebräischen Bibel eine Geschichte, in der die Wende von der Bitte zu Lob und Dank mit Psalmelementen erzählt wird: die Erzählung von der kinderlosen Hanna und der Geburt Samuels lSam 1 f. Eingangs schildert der Erzähler die Not der Frau. Dann berichtet er von der jährlichen 97 Wallfahrt, auf der Hanna in Schilo Gott anruft und ihn um ein Kind bittet. Diese Bitte, die ausdrücklich als Gelübde (~i!J3) eingeführt wird, hat weitere Merkmale eines Klageliedes des Einzelnen (lSam 1,11): 'arnari ^riax n i a n n*n-nx niiox mn 1 • ' u n s i n j liiös^ nnriai i n a i f n x n a ^ r r i o i r-?n ,??,-'73 m n ^ r n r m :iwicr'7y n ^ r x 1 ? rniai Jhwh Zebaot, wenn du das Elend deiner Magd ansiehst, meiner gedenkst, deine Magd nicht vergißt und deiner Magd einen männlichen Nachkommen gibst, dann werde ich ihn für Jhwh alle Tage seines Lebens geben, und ein Schermesser wird nicht über sein Haupt kommen. Das Klagelied mündet im Gelübdeteil in die Rede über Jhwh in der dritten Person. Der Priester, der hinzukommt, spricht nach einer retardierenden Zwischenszene, in die ein Mißverständnismotiv eingebracht wird, 98 ein Orakel (lSam 1,17): Di1?^1? "D? ^ r n t r n s irr '•7x7^ 'n'Vxi

:iaya Geh in Frieden! Der Gott Israels wird dir die Bitte erfüllen, die du an ihn gerichtet hast.

Im Fortgang der Erzählung erfahren wir dann auch, wie die Bitte Hannas erfüllt wird. So kommt es zu einer erneuten Wallfahrt, nun allerdings, um das Gelübde zu halten und Gott zu danken. Bei der Beschreibung dieser Wallfahrt wechselt der Erzähler erneut in die direkte Rede. Das Lied Hannas nimmt in einigen Punkten sehr exakt auf Hannas Situation Bezug und ist deshalb vom vorhergehenden Kontext kaum zu trennen. 99 Wir sehen, wie in lSam 1 f. Klage und Danklied in einem Erzählzusammenhang verknüpft sind. Der Stimmungswechsel beim Klagelied wird seit F. Küchler 100 mit dem 97 Beispielsweise Ex 23,14ff.; 34,24 gebieten drei jährliche Wallfahrtsfeste. Ob die Sitte Elkanas und Hannas, jährlich zu wallfahren, mit den großen Wallfahrtsfesten zusammenhängt, teilt uns der Erzähler nicht mit. Die jährliche Wallfahrt ist als feste Sitte in der vorexilischen Zeit wenig bezeugt (mit SAFRAI, Wallfahrt, gegen HARAN, Temples 304ff.). Zum Ganzen s.u. III.2.1.2. 98 Dieses Mißverständnismotiv paßt zu den anderen Elementen, mit denen der Erzähler diese Zeit als gottlos darstellen will, vgl. lSam 3,1b („Das Wort Jhwhs war aber selten in diesen Tagen. Keine Vision machte sich Bahn"). 99 So MACHOLZ, Untersuchungen 65, gegen die Mehrzahl der neueren Exegeten. 100 KÜCHLER, Orakel; aufgenommen insbes. von BEGRICH, Heilsorakel. Siehe zum Ganzen oben 1.3.4.1.

86

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

Heilsorakel in Verbindung gebracht. Hier in l S a m l f . haben wir einen solchen Zusammenhang v o n Klage und L o b in zwei getrennten Redeteilen und einem Erzählzusammenhang, wobei auch ein Orakel der Klage antwortet. D i e Wende von der Klage zum D a n k erfolgt bei Hanna nicht durch die priesterliche Ankündigung des Heils. A u f diese antwortet Hanna sehr verhalten ( l S a m 1,18): Deine Magd möge Gnade finden in deinen

T r y g in Augen.

Erst nach der erfolgten Geburt des Sohnes, also Gottes Antwort mit der Tat, 1 0 1 antwortet Hanna mit einem Lied. Jedoch auch die Zusammenstellung von Klage und L o b / D a n k in l S a m 1 f. hat deutlich weisheitliche E l e m e n t e , da das abschließende Lied weisheitlich geprägt ist: 1 0 2 D5 , ?a ¡?n» x r nn'rn nn'aa n r r n lanri-'?« :niV?3; « a n ? x'1?! mrr nisrc Redet nicht viel hohes Zeug, Vermessenes gehe, nicht' aus eurem Mund, denn ein Gott des Wissens istJhwh, die Taten werden,... 'geordnet. (lSam 2,3) nbtp? n ' o r j ^ r u is?? ^w'na D'SBhi ^ ' N — i a r nba s V ' ? Die Füße seines Frommen103 wird er behüten, die Frevler werden in der Dunkelheit zur Ruhe gebracht, denn nichts vermag der Mann mit (seiner eigenen) Kraft. (lSam

2,9)

Im Vergleich zu unserer Analyse der Wallfahrtspsalmgruppen fallen einige Unterschiede auf. Beispielsweise wird eine mehrfache Wallfahrt Hannas erzählt. Fassen wir die Einzelelemente des Textes zusammen: - Hanna befindet sich sowohl bei der Klage als auch beim Dank am Heiligtum, also auf einer Wallfahrt (lSam l,3.7ff.), - Ausdruck der Klage ist das Fasten (1,8), - die Klage ist mit einem Gelübde verbunden (1,11), - der Priester spricht das Orakel zu beiläufig, als daß es als fester Bestandteil einer Kultpraxis für die Klage einer Einzelnen (1,17) denkbar wäre, - die Wallfahrt bedingt erzählerisch die Übernachtung (1,19), 104 - nicht das Heilsorakel, sondern die konkrete Erfüllung der Bitte wird mit einem Lied beantwortet, 101

102

S o b e t o n t KESSLER, W U D 21.

CRÜSEMANN, Studien 299. Da die als Hymnen des Einzelnen vermuteten Texte insgesamt ein sehr buntes Bild ergeben, versteht Crüsemann den Hymnus des Einzelnen nicht als eigene Gattung, sondern als Mischgattung. 103 So mit dem masoretischen Konsonantentext als Ketiv (iTDn, als ein Singular, vgl. tt^N v. 9b) gegen das Qere (Vl'On, einer Pluralform). Die Gegenüberstellung des einzelnen Frommen und der vielen Frevler ist typisch für Weisheitspsalmen, vgl. z. B. Ps 1. 104 Zum Problem der institutionellen Deutung der Klagepsalmen s. o. 1.3.5.

1. Wallfahrtspsalmengruppen

87

- Hanna singt als Danklied einen Psalm, der formgeschichtlich am ehesten als weisheitlicher Hymnus zu bezeichnen ist (2,1 ff.), 1 0 5 - das Lied Hannas enthält Elemente zur Verallgemeinerung ihrer eigenen Situation, - Opfer (l,24f.) und Lied (2,1 ff.) stehen nebeneinander als Teile des gottesdienstlichen Ausdruckes des Dankes.

Nicht alle Elemente der Erzählung lSam l f . müssen die korrekte Praxis widerspiegeln, denn lSam 1 f. steht in einem Kontext, der von der Unterschrift des Richterbuches geprägt ist: rnfry? l ' r s a BPS 7 i o i p a ^ a v s onn c a ' a Zu der Zeit war kein König in Israel; jeder tat, was ihm recht dünkte.106 Dem entsprechen die Verzerrungen, die der vorhergehende Kontext bietet: Ri 13 — 16 karrikiert mit dem Gewaltmenschen und Einzelkämpfer Schimschon den charismatischen Volkshelden, indem Schimschon als Richter bezeichnet wird, 1 0 7 Ri 17f. beschreibt das Verkommen der priesterlichen Institutionen, Ri 19 schließlich die sittliche Verfehlung. 108 Solche verzerrende Darstellung haben wir auch am Anfang der Samuelbücher in der Schilderung, wie sich die Söhne Elis die Priesteranteile holen (lSam 2,12ff.), und in der fast komischen Szene der Samuelberufung mit ihren Mißverständnissen, wer des Nachts Samuel gerufen hat (lSam 3). Wir müssen also auch bei der Schilderung der Wallfahrten Hannas lSam l f . mit ironischen Erzählelementen rechnen. Doch auch solche Verzerrungen haben nur ihren Darstellungssinn, wenn der prinzipielle Handlungsablauf bewahrt und erkennbar bleibt. Deshalb ist es letztlich für die Grundstruktur des Zusammenhanges von Klage und Lob/Dank gleichgültig, ob Einzelzüge verzerrt sind oder nicht, in jedem Fall finden wir in lSam 1 f. die Grundstruktur der Kombination von Klage und Lob/Dank mit dem Orakel als Wendepunkt innerhalb der Redeteile des Textes als Wallfahrtsgeschehen erzählt. Die Folge der Redeteile Klage, Orakel und Lob/Dank bestätigen die Kompositionselemente der Wallfahrtspsalmengruppen in einem Erzähltext.

1.5 Zwischenergebnis: Zur Formgeschichte der Wallfahrtspsalmengruppen Es kann hier nur darum gehen, erste gemeinsame Kennzeichen dieser Psalmengruppen zu notieren. Eine Beschreibung der Psalmengruppen kann nicht jedes einzelne Element jedes Psalms aufführen. Da wir aber Einzelpsalmen als 105

Anm. 106

Zu den Problemen der Gattung des sogenannten Hymnus des Einzelnen vgl. oben 102.

Ri 2 1 , 2 5 . Vgl. zum Ganzen: CRÜSEMANN, Widerstand. 107 Zu diesen verschiedenen Elementen von Ironie im Richterbuch gibt es eine höchst bemerkenswerte Studie von KLEIN, Triumph. los YGI a ] s neueren Kommentar SOGGIN, Judges.

88

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

Ausgangsgröße des Psalters feststellten, 109 genügt es, wenn wir Merkmale einzelner Psalmen zu einer Formgeschichte der Psalmengruppen zusammenfügen. Alle Sammlungen von Wallfahrtspsalmen haben in der vorliegenden Form deutliche Kennzeichen der Verschriftung. Die verschriftenden Psalmen sind jedoch nur beim Ägyptischen Hallel wegen der externen Bezeugung von Ps 113 ff. als Liturgie deutlich von dem Kern der Gruppe abgrenzbar. Insgesamt haben die Wallfahrtspsalmgruppen folgende gemeinsame Kennzeichen, die im Einzelfall erheblich erweitert sein können: - Es gibt einen Einleitungsteil, in dem etwas über die bevorstehende Wallfahrt, die Sehnsucht nach dem Heiligtum, den Zweck der Wallfahrt etc. gesagt wird. Hier kann auch bereits ein Danklied angekündigt werden. - Es folgt bei den Psalmgruppen mit Pluralkern die Themenklage, in der ein überindividueller Grund der Klage benannt wird. Diese Klage bietet meist einen zeitlichen Orientierungspunkt für die Komposition. - Zwischen Klage- und Hymnenteil wird der Stimmungswechsel mit einem Orakelpsalm oder Orakelelementen markiert. Das Orakel muß nicht in einem eigenen Psalm stehen, es kann sich auch am Schluß der Themenklage oder am Anfang des Hymnenteils finden. - In der Umgebung des Orakelpsalms haben wir Einschübe oft weisheitlichen Inhalts. Wir vermuten hier neben dem Anfang und dem Schluß einen dritten Ansatzpunkt der Edition. - Am Ziel der Komposition liegt der Hymnenteil. Spätestens hier ist der Beter in Jerusalem angekommen, deswegen kann auch dieser Teil Zionspsalmen umfassen (Ps46; 48; 87, anders Ps 122). Hier kann der Beter auch seinen individuellen Dank (bes. Psll6; 118) formulieren. Letzteres kennzeichnet die Gruppe als Dankliedsammlung, während die Sammlungen ohne Danklied eher der Situation vor der Wendung der Not entsprechen. - Der Abschluß der Psalmengruppen erfolgt weisheitlich bzw. nachkultisch. Hier haben wir vermutlich einen Ansatzpunkt für Elemente der Komposition, die zur nächsten Kompositionseinheit überleiten. 110 Versuchen wir abschließend, grob die Grundtendenzen der Sammlungen von Wallfahrtspsalmen zu skizzieren, so ergeben sich drei Richtungen: emotional: von der Klage über ein Orakel zu Lob (und Dank), lokal: von der Fremde in den Tempel nach Jerusalem, sozial. von der Vereinzelung in die Gemeinschaft. 109 110

Siehe oben 1.1. Zur Verknüpfung der Psalmengruppen siehe unten den dritten Hauptteil.

2. Eine Klagekomposition

im Vergleich

89

Die emotionale Tendenz kann am Schluß wieder weisheitlich in die Klage zurückgeführt werden, in diesem Fall erfolgt auch der Wechsel zurück in den Singular. In dieser Hinsicht ist also ein abschließender weisheitlich-klagender Singularpsalm ein retardierendes Moment. 111 Für das Ägyptische Hallel mit den vorangestellten Psalmen kann die Bezeichnung nachkultische Dankliedliturgie als sicherer Ausgangspunkt gelten. Ob die anderen Psalmengruppen eher dem Klage- oder dem Dankliedfall zuzurechnen sind, wird nach der Behandlung weiterer Psalmengruppen zu überlegen sein. Die nächste Parallele zu den Korachpsalmgruppen sind neben den anderen Wallfahrtspsalmgruppen die Asaphpsalmen als Psalmengruppe mit einem Pluralkern bereits in der Klage. 112 Diese haben jedoch keinen Hinweis auf eine Wallfahrt. Wir werden deshalb im folgenden die Asaphpsalmen anhand eines anderen Motivs mit anderen Psalmgruppen vergleichen (siehe II.2). Umgekehrt finden sich Wallfahrtsmotive auch in anderen Psalmengruppen, deren Aufbau sich jedoch von den bereits besprochenen Psalmengruppen insbesondere dadurch unterscheidet, daß mehr Psalmen gleicher Gattung in Reihe stehen (siehe II.3).

2. Eine Klagekomposition 2.1 Die

im

Vergleich

Asaphpsalmsammlung

In den bisherigen Analysen liefen das Überschriftensystem und die formgeschichtlich bestimmten Psalmgruppen parallel. Einen Ausnahmefall haben wir bereits kennengelernt: Beim Ägyptischen Hallel und den Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff. werden die durch gemeinsame Überschrift gekennzeichneten Psalmgruppen durch einzelne Psalmen mit anderer oder fehlender Überschrift ergänzt. Bei den Asaphpsalmen 113 verschiebt sich das Bild ein wenig: halten wir unser Analysekriterium, die Konvergenz von Überschriftensystem und formgeschichtlichem Befund bei, legt sich eine vom Überschriftensystem her nicht gekennzeichnete Unterteilung der Psalmgruppe in zwei Kompositionsbögen nahe. Mit dem Begriff des Kompositionsbogens kennzeichnen wir makroformgeschichtlich bestimmte Einheiten, die die durch die Überschriften ausgewiesenen Psalmgruppen unterteilen oder zusammenfassen. Das legt sich bei der Gruppe der Asaphpsalmen nahe, weil in ihr Ps78 sowohl wegen seiner Länge, die innerhalb des gesamten Psalters nur noch von Ps 119 übertroffen wird, als auch seiner Gattung als weisheitlicher Geschichtspsalm aus der Gruppe der 111

Vgl. oben 1.3.4.2. Vgl. unten S. 162Tabelle 1. 113 Ps 50 steht als einzelner Asaphpsalm außerhalb der Gruppe von P s 7 3 - 8 3 . Zu Ps 50 s. o. 1.2.3.7 und unten III. 1.2.2. 112

90

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

Asaphpsalmen herausfällt. 114 Da Ps 119 zwischen zwei wirkungsgeschichtlich bekannten Gruppen von Psalmen steht, postulieren wir auch Ps 78 als Trenner zweier Gruppen von Asaphpsalmen. Ps74 und 79 gehören formgeschichtlich als Klagen über die Heiligtumszerstörung zusammen. Ps 75 und 76 sowie Ps 81 und 82 thematisieren die Erscheinung Gottes als Richter. Wenn wir diese Psalmen einander zuordnen, ergibt sich vorläufig folgendes Bild: Weisheit Volksklage Richterthema Klage

Ps 73 ( A n f a n g ) Ps74 Ps75;76 Ps 77 (Überleitung)

Ps 78 (Mitte) Ps79;80 Ps81;82 Ps 83 (Schluß)

Gehen wir auch in dieser Psalmgruppe die einzelnen Positionen durch. Beide Teilgruppen beginnen mit weisheitlich geprägten Psalmen. Daß sich jedoch die Sammlung von Asaphpsalmen in zwei Teilgruppen gliedern läßt, wird am deutlichsten an den jeweils folgenden Psalmen. Wir werden uns deshalb den Weisheitspsalmen in dieser Gruppe erst am Ende der folgenden Besprechung zuwenden. Für beide Kompositionsbögen bilden die Klagen über die Heiligtumszerstörung Ps74 und 79 charakteristische Anfänge. Diese Klagen sind als thematisch bestimmbare Klagen Musterbeispiele für die von uns sogenannte Themenklage, die mit den Korachpsalmsammlungen darin übereinstimmen, daß sie die ersten Pluralpsalmen nach vorhergehenden Singularpsalmen sind. Beide Themenklagen bieten nun auch gleichzeitig die beste Möglichkeit eines Zeitansatzes der Psalmengruppe, da von den anderen Psalmen der Gruppe insbesondere den schwer datierbaren Orakeln Ps 75 und 81 f. her kaum ein Zeitansatz der Komposition möglich ist. Auch allgemeine Hinweise auf Konflikte mit den anderen Völkern geben keine Datierungshinweise, besonders der Völkerkampfpsalm Ps83 entzieht sich als fiktionaler Text allen auf Eindeutigkeit bedachten Datierungsversuchen. 115 Ebenso liefert der in der Literatur geläufige Hinweis auf nordisraelitische Traditionen 116 nur erste Anhaltspunkte für die Datierung des Vorstellungshintergrundes von Einzelpsalmen. In Einzelpsalmen, die wir formgeschichtlich als Klagepsalmen beschreiben, steht die Schilderung der Not vor dem Orakel, entsprechend sollten wir auch in einer Klage114 Zu Ps78 siehe auch oben 1.2.1. Beachte jedoch die Geschichtsmotive der Klage im Umfeld von Ps78: Ps 7 7 - 8 1 . 115 Vgl. die völlig anderen Datierungen von KNAUF, Ismael 1 0 - 1 2 , der die Völkerkoalition Ps 83,7—9 meint in die spätnachexilische Zeit datieren zu können, und KRAUS (Z. St.), der für die vorexilische Zeit plädiert. Beide gehen zwar von einer als fiktiv erkannten Völkerkoalition aus, aber meinen den Text trotzdem aufgrund von Detailbeobachtungen datieren zu können. D o c h reicht zu einer Datierung des Psalms weder der Verweis auf die Schlußstellung von Assur (Kraus) aus, noch befriedigt eine ins Allegorische tendierende Deutung (Knauf). Beide Deutungen haben dabei durchaus ihr gewisses Recht, da das Schlußgewicht einer Kette ihren Zielpunkt markiert und wir in einer solchen Reihe mit Ergänzungen und Neuinterpretationen rechnen müssen. 116

So NASUTI, History 115f. u . ö . , und vorsichtiger bereits SEYBOLD, Einleitung 104.

2. Eine Klagekomposition

91

im Vergleich

komposition die Situationsschilderung am Anfang der Teilkompositionen suchen. Die markanten Themenklagen, die die Zerstörung des Heiligtums bzw. mehrerer Heiligtümer 117 beklagen, finden wir vor den Orakelpsalmen. Offensichtlich wird in Ps 79 die Zerstörung des Tempels 586 1 1 8 beklagt (v. 1 b): ^'rrns

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iD"» 1 ? p ^ a n - p - n x m i r

Gott, Heiden sind in dein Erbe eingedrungen. Sie haben den Tempel, dein Heiligtum, verunreinigt. Sie haben Jerusalem zu Trümmern gemacht. Der extrem späte Ansatzpunkt von B. Duhm, der die Tempelschändung von Antiochus Epiphanes in Ps79 widergespiegelt sieht, scheitert an der Aussage von v. 1, daß Jerusalem in Trümmer gelegt wurde. 1 1 9 Von Ps79 her legt sich auch eine exilische Deutung der folgenden Themenklage Ps 80 nahe. 1 2 0 Im Bild des aus Ägypten geholten Weinstocks (v. 9) ist das Motiv der zerbrochenen 117 Beachte jedoch den Plural ^ " ' I S i a in Ps74,8 (vgl. v. 4.7 sowie Ps73,17). Dazu unten S. 93 f. 118 Die Frage, ob die Eroberung Jerusalems und die Zerstörung des Tempels 587 oder 586 erfolgten, ist seit langem umstritten, vgl. dazu den Forschungsbericht bei ACKROYD, Exile 20 A n m . 19. Im deutschsprachigen christlichen Forschungsbereich hat sich die Jahreszahl 587 durchgesetzt, nicht zuletzt aufgrund der Beiträge von KUTSCH, ZAW71,270—274, und ders., Jahr, aber auch BICKERMAN, in: History 1, 60—69, ACKROYD, Israel 3ff., DANDAMEV, History 61. D a Kutsch jedoch bei den judäisch-babylonischen Synchronismen Jer 25,1; 32,1; 2Kön 24,12 mit einer Verschiebung von einem Jahr rechnet (Kutsch, Jahr 539 bzw. 22), ist die Alternativdatierung 586, wie sie oft im jüdischen Forschungsbereich vertreten wird, keineswegs ausgeschlossen (so etwa beiläufig TALMON, Sektenbildung 108, und mit Vorbehalt TADMOR, in: Geschichte 1, 115—228, hier 197). A m sinnvollsten erscheint es daher, die Entscheidung zwischen beiden Jahreszahlen offenzuhalten (so zuletzt SOGGIN, Einführung 182). 119 DUHM 308, folgt hier einer Septuaginta-Variante. D a ß IMakk 7,17 Ps 79 zitiert, ist kein Argument für eine Spätansetzung dieses Psalms, da er auch sekundär auf die makkabäische Zeit appliziert sein kann. TREVES, Dates, hat unlängst die Duhmsche Position mit einer makkabäischen Deutung fast aller Psalmen überboten: „In my opinion about all these poems belong to the period 170-103 B . C . Only two or three are earlier" (aaO. 9). Z u frühen Deutungen von Psalm 79 in makkabäischer Zeit vgl. BAETHGEN, Z A W 6 , 261—288; Z A W 7 , 1—60, dort S.48, mit Verweisen auf Theodor von Mopsuestia, Theodoret, Athanasius, Apollinaris und Saadja Gaon. Ps79 wird zumeist in die Zeit kurz nach 586 datiert, vgl. z.B. KRAUS 714f. in Anschluß an JANSSEN, Juda 19, sowie KAISER, Klagelieder 3 299 und Klagelieder 4 102. Wenn wir nicht 586 als in Ps79 reflektiertes Ereignis annehmen wollen und die Datierung in makkabäische Zeit ausscheidet, bleibt nur die Möglichkeit, ein anderes Ereignis gleicher Tragweite „in dem uns sonst dunkeln Jahrhundert von Esra bis auf Alexander d . G r . " anzunehmen (so GUNKEL 350). D a ß ein Ereignis derartiger Tragweite keinen sonstigen literarischen Niederschlag gefunden hätte, ist aber denkbar unwahrscheinlich. Auch NASUTI (History 94ff.) betont zwar den ephraimitischen Traditionsstrom in Ps 79, sieht dies aber nicht als Gegensatz zu einem Bezug dieses Psalms auf die Ereignisse von 587/586. Wie sehr Nasuti hierbei den ephraimitischen Traditionsstrom dehnt, wird daran deutlich, daß er z . B . auch den Zionspsalm Ps 76 als Teil dieses Traditionsstroms ansieht (History 75 ff.).

120 p s 79 u n c j so s i n ( j (jj e einzigen Psalmen, die als zusammenstehende Klagen des Volkes so

92

Teil II: Eine Formgeschichte der

Psalmengruppen

Mauer (v. 13) und des Feuers (v. 17) ein Element, das zu der Einnahme und Zerstörung Jerusalems 586 v. Chr. paßt. 121 Während die Auslegung von Ps79f. insgesamt doch problemlos ist, bereitet der parallele Ps74 erheblich mehr Schwierigkeiten: Ps 74 bietet nun im Unterschied zu Ps79 Bezeichnungen für Gotteshäuser im Plural v. 8b), viele Handschriften lesen darüber hinaus auch in v. 4.a.7a EHpO bzw. "ryiö im Plural. Duhm hat deswegen wie zu Ps79 an Synagogen in makkabäischer Zeit gedacht, 122 doch zitiert IMakk 2,29.38 bereits aus Ps 74, was für einen größeren Abstand zwischen beiden Texten spricht. Nun fällt auf, daß hinter Ps74 mit Ps76 ein Zionspsalm steht, während ein Zionspsalm hinter Ps79, der vom Heiligtum im Singular spricht und damit im Gegensatz zu Ps 74 eindeutig auf die Zerstörung des Jerusalemer Tempels zu beziehen ist, fehlt. 123 Von der Stellung von Ps76 her scheint Ps74 daher wohl nachträglich dahingehend interpretiert worden zu sein, daß es hier um die Zerstörung des Jerusalemer Tempels geht. 124 Für den kontextuellen Bezug von Ps74 auf 586 spricht auch das Motiv des Weinbechers in Ps75,9, den nach Jer 25,15f. alle Völker einschließlich Jerusalem trinken müssen. Für Jerusalem bedeutet dies im Zusammenhang von Jer 25f. die Begründung für die 70 Jahre Gefangenschaft. Doch betreffen die Überlegungen zu den Heiligtumsbegriffen im Plural nicht den vorliegenden Text. Der vorliegende Textzusammenhang ist nicht nur durch den Zionspsalm Ps76 eindeutig auf Jerusalem bezogen, sondern auch innerhalb von Ps 74 wird die Klage über die Trümmer unmißverständlich auf den Zion bezogen (Ps 74,2 f.): Gedenke deiner Gemeinde, die du in Vorzeiten gekauft hast,

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präzise Themen angeben, daß wir sie hier als Themenklagen bezeichnen, obwohl sie nicht als Klagen allein stehen. 121 Vgl. 2Kön25,4ff. 122 DUHM 286f. Ähnlich auch DONNER, FS Ziegler 2 , 4 1 - 5 0 , hier 41 ff., und TREVES, Dates 63. Donner weiß H. KEBLER als einen der ersten sogenannten Frühdatierer von Ps 74 in einer Phase der generellen Spätdatierung von Ps74 (außer Duhm noch HITZIG, REUSS, DELITZSCH, GUNKEL, BAETHGEN, KITTEL) zu nennen. Die makkabäische Psalmendeutung ist dabei keineswegs neu. Bereits Theodor von Mopsuestia hat außer Ps74 16 weitere Psalmen für makkabäisch gehalten (s. BAETHGEN II 42ff. zu Ps74). Donner selbst will die makkabäische Datierung nur als „Möglichkeit, wenn nicht Wahrscheinlichkeit" „wieder in den Horizont der Betrachtung" stellen (47). Gegen die Spätdatierung z.B. neuerdings FÜGLISTER, in: Beiträge 320. STEMBERGER (Judentum 94) resümiert: „Doch läßt sich diese Spätdatierung des Psalms ebensowenig wie die Deutung von moade el auf Synagogen beweisen." Die exilische Datierung von Psalm 74 haben hingegen z.B. JEREMIAS, Königtum 158, und KAISER, Klagelieder 3 299 (nicht mehr in Klagelieder 4 ), unlängst vertreten. 123

Die erste Asaphpsalmsammlung entspricht in der Einfügung eines Zionspsalms in den Hymnenteil den Korachpsalmsammlungen. Vgl. dazu bereits oben II.1.1 und OTTO, ThWAT 6,1015. 124 Auf die Schilderung der Tempelverbrennung 2Kön 25,9 hat unlängst auch GELSTON, VT 34,82—87, hier 83, verwiesen. Doch meint Gelston insgesamt, den Psalm auf frühe Synagogen deuten zu können, die 587 zerstört worden seien (86).

2. Eine Klagekomposition im Vergleich du hast den Stamm deines Erbbesitzes herausgelöst: der Berg Zion, der ist's, auf dem du wohnst. Erhebe deine Schritte zu den Trümmern der Vorzeit, alles hat der Feind im Heiligtum verwüstet.

93 'Ifl'jO? :13 rUDtt? nt IVS in ria^in rnNtPQ1? :t£H p3 TIN jnn'Vs

Im vorliegenden Text ist die Klage über die Zerstörung damit auf Jerusalem als heilige Stadt generell bezogen. Ein vergleichbares Problem, daß Heiligtümer (•'tznpa) im Plural erscheinen, findet sich auch im unmittelbar vorhergehenden Psalm, Ps73,17. 1 2 5 Ältere spiritualistische D e u t u n g e n dieses Ausdrucks sind zu Recht nicht mehr in der Diskussion. 1 2 6 Für die D e u t u n g , der Plural könne sich problemlos auf den Jerusalemer Tempel beziehen - schließlich besteht er aus mehreren Teilgebäuden - , 1 2 7 vermag Kraus außer Ps 68,36 und E z 21,7 nur noch Ez 28,18 anzuführen, wobei letztere Stelle als B e l e g sicher ausscheidet, da es dort ausdrücklich um die Heiligtümer des Angesprochenen, des Königs v o n Tyrus, geht. 1 2 8 In Ez 21,7 stehen die prophetische Beauftragung zum Gerichtswort gegen Jerusalem und die zwar parallel. Zwingend ist aber der Schluß, die D'ttnpö müßten deswegen in Jerusalem sein und den Jerusalemer Tempel bezeichnen, keineswegs. 1 2 9 Ps 73,17 hat w i e die Gerichtsbeauftragung Ez 21,7 das E n d e der Tempel im Blick, wobei P s 7 3 aus dem Untergang dieser Tempel auf den weisheitlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang schließt. 1 3 0 Ps 68 fällt schließlich aus der Argumentationsmöglichkeit ganz heraus, da dieser Psalm zeitgeschichtlich schwer einzuordnen ist. 1 3 1 Welche Heiligtümer hat nun aber dann der Kern von Ps74 nicht zuletzt ohne die erklärende kompositioneile Zufügung von Ps75 und 76 im Blick? Wenn Ps74 nachträglich auch durch die Positionierung von Ps76 auf die Zerstörung Jerusalems gedeutet wurde, liegt es nahe, daß der Kern von Ps 74 zeitlich diesem Ereignis vorausgeht. Dazu hat F. Crüsemann 1 3 2 einen bemerkenswerten Hinweis gegeben. Nach Crüsemann ist die Zerstörung in den Heiligtümern, wie sie Ps74 voraussetzt, im Kontext der josianischen Reform verstehbar. Ps74 wäre in diesem Verständnis die Klage von Priestern an den sogenannten Höhenheiligtümern, deren Tempel mit der josianischen Reform zerstört wurden. 1 3 3 Dies kann sowohl die Vernichtung der „Zeichen" (ninx, v. 4) als auch das 125

Die Ps73 und 74 gehören zu den Psalmen, die in der mittelalterlichen Handschriftenüberlieferung trotz einer trennenden Überschrift gelegentlich als ein Psalm zusammengeschrieben werden (WILSON, Editing 134f.). Dazu bereits oben 1.1. 126 Vgl. dazu GUNKEL 3 1 8 . 127 So z. B. IRSIGLER, Psalm 7 3 , 3 6 7 (ohne Begründung) u. ö., und KRAUS (Z. St.). 128

V g l . ZLMMERLI Z. S t .

ZIMMERLI (z. St.) beseitigt hier den Plural textkritisch, womit er allerdings den leichteren dem schwereren Text vorzieht, obwohl der Plural beispielsweise auch durch die Septuaginta gesichert ist. 130 Vgl. insbes. KOCH, Vergeltungsdogma. 131 Zur Einordnung von Ps68 in den Kompositionszusammenhang der Davidpsalmsammlung s. u. II.3.1.2. Vgl. auch den Zusammenhang des elohistischen Psalters III.1.2.3. 132 F . CRÜSEMANN (mdl.). 133 2Kön 22 f. 129

94

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

Verbrennen des Tempels (v. 7) erklären. 134 Der Erklärungsversuch von Crüsemann ist mir für den einzelnen Psalm sehr einleuchtend. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Annahme, daß ein solcher Text dann später in eine Klage über Jerusalem integrierbar gewesen wäre. Doch auch die Annahme eines nordisraelitischen Hintergrundes etlicher Asaphpsalmen 135 legt einen solchen Zusammenhang nahe. Ein Textsignal für eine derartige Vorgeschichte könnte weiterhin die Verwendung der Jhwh-König-Motivik in Ps74,12ff. sein. Auch wenn die Sprachgestalt dieses Abschnittes eine nachexilische Ausgestaltung nahelegt 136 und das Motiv sowohl Teil der Komposition des elohistischen Psalters als auch seiner Ausbaustufe in persischer Zeit ist, 137 so ist der Abschnitt Ps74,12ff. doch auch Teil von „Israels Begegnung mit dem kanaanäischen Mythos" 138 und als solcher Indiz für die Vorgeschichte des Psalms, deren vielfältige Probleme hier nur angedeutet werden können. Bemerkenswert ist weiterhin eine Passage aus Ps74, in der ausdrücklich auf die Vernichtung auch der Propheten hingewiesen wird: N 1 ?! "riypx („es gibt keinen Propheten mehr"). Diese Klage steht im Kontext unmittelbar vor dem Orakel in Ps75, was wohl als Kontrast zu interpretieren ist: obwohl keine Propheten mehr da sind, gibt es dennoch das Gotteswort. In beiden Teilgruppen der Asaphpsalmsammlung folgen der Themenklage Psalmen mit sehr markanten Orakeln.139 Sie stehen in Psalmen, bei denen man den Formgeschichtlern eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich der Gattungsbestimmung des Einzelpsalms anmerkt. So notiert H. Gunkel zum Anfang von Ps 75: „Der eigenartige, phantastisch-barocke Psalm beginnt in hymnischem Ton 2 . • • und schließt 10 gleichfalls in der Art des Hymnus . . . Eingesetzt ist 3 4 ein göttliches Orakel. Das Ganze ist also eine prophetische Liturgie'.. ." 1 4 0 Gunkel bemerkt also vereinzelte formgeschichtliche Hinweise auf einen Hymnus, die sonst besonders am Anfang und Schluß eines Psalmes sichere Gattungshinweise bilden, sowie das störende Element des Orakels, und greift schließlich zur Bestimmung der Gesamtgattung zum Hilfsbegriff der prophetischen Liturgie, die die divergierenden Elemente zusammenhalten soll. Ähnlich analysiert Gunkel Ps 81: „Der Psalm besteht aus zwei sehr verschiedenen Teilen: 1. einem kurzen Hymnus . . . und 2. einer Gottesrede.. ." 1 4 1

"4 Vgl. die Schilderung 2Kön 23,6ff. 15ff. u.ö. 135 VGL dazu NASUTI, History 115f. u.ö., und SEYBOLD, Einleitung 104, aber auch bereits Buss, JBL 82. Dazu oben 1.2.3.7. 136 So unlängst unter Aufgabe der Einheitlichkeit des Psalms JEREMIAS, Königtum 50. 137 S. u. III.1.3.3 und 2.3.2, außerdem 3.3.3. 138 So der Untertitel der Monographie von JEREMIAS, Königtum. 139 Zur Stichwortverbindung TS1Ö zwischen Ps 74,4.8 und 75,3 vgl. BECKER, Wege 117. 140 141

GUNKEL 327. GUNKEL356.

Vgl. auch BOOIJ, Bibl. 65,465 -475.

2. Eine Klagekomposition im Vergleich

95

Mit Verweis auf P s 9 5 postuliert Gunkel hier wieder eine spezielle Gattung: die prophetische Liturgie.142 D a nun aber die Psalmen mit direkter Gottesrede zwischen d e m Klageabschnitt der Komposition und d e m Hymnenteil stehen, scheint es angebracht zu sein, diese Psalmen durch ihre Funktion innerhalb der Gruppe zu bestimmen. In Entsprechung zur formgeschichtlichen Analyse des Klageliedes schlagen wir deshalb die Bezeichnung Orakelpsalm für diese Psalmen vor.143 Inhaltlich ist nun das ausführliche Orakel in Ps 7 5 , 3 f f . durch die Ankündigung eines universalen Gerichtes gegen „alle Frevler der Erde" 1 4 4 bestimmt. D i e s e s Thema wird im folgenden Zionspsalm weitergeführt ( P s 7 6 , 9 f . ) : Vom Himmel her läßt du Gericht vernehmen, die Erde gerät in Furcht und erstarrt beim Aufstehen zum Gottesgericht145, um allen Elenden der Erde zu helfen...

1,r7 nva^n D'a^a : Hüptih HXT f i x DTl'^ aV-Dipa ... THipi. JS"1?? SP^in1?

D a s T h e m a des Gerichtes bestimmt auch die Orakel, die an der parallelen Stelle in der zweiten Teilkomposition der Asaphpsalmen erscheinen. P s 8 1 beginnt wie Ps 75 hymnisch und hat die ausführliche Gottesrede in den Begründungsteil des imperativischen Hymnus eingebaut (Ps 81,5.6a): :3'psr ' n V ? Qso?a s i n p'n o n x a H s - V y i n x x a iafc i p i r r a r m ? Denn das ist eine Satzung für Israel, Recht des Gottes Jakobs. Als Zeugnis in Joseph hat er es gesetzt, als er gegen Ägyptenland auszog. In dieser Rückorientierung an der Geschichte paßt Ps 81 gut zu den vorhergehenden Psalmen 76—80, die ebenfalls mit der Geschichte argumentieren. Insbesondere der Ps 81 vorangehende Ps 80 setzt bei seiner Rückorientierung

142 GUNKEL 356. Zur Beziehung zwischen Ps 81 und 95 vgl. auch SCHMIDT, F S Ziegler 2, 91-96, und JEREMIAS, Königtum 156. Ders., Kultprophetie 125, sowie beispielsweise HOSSFELD, in: Bund 170, haben Ps50; 81; 95 als Festpsalmen zu einer Gattung zusammengestellt. Auch diese Bezeichnung kehrt also das liturgische Element hervor. Doch der anklagende Ton des Einzelpsalms (bes. Ps81) stimmt mit der Konnotation des Begriffes Fest nicht überein, wenn wir die Ausnahme, die Störung der festlichen Stimmung beispielsweise durch die prophetische Anklage, nicht zur Regel machen wollen. Hier erscheint mir der Vorschlag zur Bezeichnung der Gattung des Einzelpsalms als Orakelpsalm offener zu sein. Zur Auseinandersetzung vgl. auch oben 1.3.4.1 und 1.3.5. 143 N A S U H (History 127) hat die überragende Bedeutung der Gottesrede für die Formbestimmung dieser Psalmen ebenfalls betont, auch wenn er in der Darstellung an den üblichen Gattungsbezeichnungen festhält (S.71: Danklied des Volkes zu Ps75; S. 81: prophetische Liturgie zuPs81). 144 V3 (Ps75,9). 145 Vom Vollzug des Gottesgerichtes im Zuge der weiteren Komposition (Ps 82,1 ff.) her ist es sprachlich zunächst nicht möglich zu entscheiden, ob OTlVx („Gott") in Ps 76,10 logisches Subjekt oder Objekt von OSira („Gericht") ist. Vom Kontext Ps75 her legt sich allerdings zunächst ein Gericht mit Gott als Subjekt nahe.

96

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

beim Auszug aus Ägypten ein (Ps80,9ff.). 146 Die Gottesrede von Ps81 bietet verschiedene Anspielungen an das Sinai/Horebgeschehen, insbesondere den Dekalog, die aber nicht als Zitate gefaßt sind. 147 Auch das Motiv des Honigs aus dem Felsen (Ps 81,17) hat große Ähnlichkeit mit einer speziellen Tradition aus dem Lied des Mose (Dtn 32,13), aber auch dort stimmen die Formulierungen nicht völlig überein. 148 Es spricht daher viel dafür, in Ps81 eine Tradition zu sehen, die den Pentateuch noch nicht als autoritative zitable Schrift voraussetzt, aber seine zugrundeliegenden Traditionen kennt. Inhaltlich wird aus der Gottesoffenbarung die Monolatrieforderung herausgehoben. 149 Der Weg dieser Psalmengruppe aus dem kanaanäischen Hintergrund ist auch hier ersichtlich. Für den Fall des Gehorsams des Volkes (v. 14) wird als Höhepunkt der Gottesrede die Demütigung der Feinde (v. 15) angekündigt. Der Höhepunkt von Ps81 bestimmt daher die Anordnung der folgenden Psalmen: Ps82 greift mit dem Gericht zugunsten der Armen ein Standardthema der Tora 150 auf, in Ps 83 geht es um Israels Bedrohung durch die Völker. Ps82 ist in weiten Teilen (v. 2—4.6f.) als Gottesrede gehalten und sollte deshalb am ehesten als Orakelpsalm angesprochen werden. Aber die Gottesrede ist wohl in die Vision einer himmlischen Ratsversammlung (Ps82,l) integriert. 151 Ps82 gibt damit eine ganze Reihe von Rätseln auf. Sein Thema, das Eingreifen Gottes als Richter, erschien bereits im ersten Kompositionsbogen innerhalb des Zionspsalms Ps76. Ps 76,4—10 entfaltet eine Reihe von Aussagen über das frühere Eingreifen Gottes, die in die Ankündigung mündet. Die in Ps76 angekündigte Szene himmlischen Gerichtes erhält in Ps82 zunächst ein himmlisches Vorspiel und wird dann in Ps 83 als Bitte um Gottes Eingreifen auf der Erde erneuert. Bereits der erste Vers von Ps 82, der vermutlich eine visionär gesehene Szene darstellt, bereitet sprachlich große Schwierigkeiten (Ps 82,1): •?8"fn»3 a s j D'n>K n n p n

Gott (alohtm) hat sich hingestellt im Rat der Götter (el), inmitten von Göttern ( ^loh im) richtet er. 146 BECKER, Wege 117, verweist beispielsweise auf die gemeinsame Erwähnung Josephs in Ps 8 0 , 2 und Ps 8 1 , 6 . 147 Vgl. z . B . nnsa l"??sn Tn 1 ?« mrr •gas ( P s 8 l , l l a ) m i t trnsa T->NS ^"nsxin T-'H?« a m ' (Ex20,2/Dtn5,6). 148 ^jpviw -nxa (Ps 81,17) mit » 3 7 (Dtn 32,13). 149 Vgl. Ps 81,10 mit der Stelle im Dekalog Ex 20,3/Dtn 5,7. Die Formulierung von Ps 81,10 "II findet sich nur noch in Ps 44,21. ' " o Z . B . Lev 19,15.35. 151

JEREMIAS, K u l t p r o p h e t i e 1 2 2 , KRAUS ( z . S t . ) u n d TSEVAT, H U C A 4 0 , 1 2 3 - 1 3 7 , h i e r

131 f., haben für PS82 als Vision plädiert. Trotz sprachlicher (vgl. z . B . 3X3 PS82,l mit A m 7,7) und inhaltlicher (vgl. z . B . das Bild der Götterversammlung l K ö n 22,19) Nähe zu Visionstexten ist festzuhalten, daß PS82 nicht als Vision eingeleitet ist (zur Kritik dieser Ansätze vgl. auch HÖFFKEN, ThZ 3 9 , 1 2 9 - 1 3 7 , hier 135).

2. Eine Klagekomposition

im

Vergleich

97

Eingangs wird D'H^K als Gottesbezeichnung für Jhwh im Singular konstruiert, während am Schluß andere Götter mit DTlVx bezeichnet werden, was durch deren Anrede in der 2. Person Plural deutlich wird. 1 5 2 Üblicherweise wird nun Ps82 als himmlische Szene verstanden, in der Gott über andere Götter richtet. 1 5 3 Daß mit DTl^N in den pluralisch konstruierten Stellen Götter gemeint sind, wird zudem durch den Parallelismus von Dfii? („Götter seid ihr") mit •5*73 •p,1?$? 'ja („Söhne des Höchsten seid ihr alle", v. 6) gesichert. Doch bleiben bei dieser Auffassung von Ps 82 Fragen offen: Wie verhält sich z. B. die eigentliche Gottesrede, in der ein Richterspiegel geboten wird, zur vermuteten himmlischen Szene? Beispielsweise stellt Kraus fest: „Bemerkenswert ist es, daß in Ps82 der Gegensatz zwischen den Gerechten und den Frevlern in die Götterwelt hineingetragen wird. ... Die Ungerechtigkeit auf Erden wird demnach jenen Potenzen zugeschrieben, die zwischen Jahwe und der Welt als Machthaber und Schutzgeister von Gruppen, Völkern und Staaten ihr Wesen treiben." 154 Als Ergebnis des Psalms hält Kraus dann zu v. 7 fest: „Die Götter werden aus der himmlischen Sphäre des Lebens in die Welt des Todes herabgestürzt." 155 Die Frage, ob die am Anfang des Psalms mit DTI^K bezeichneten Richter nun wirklich Götter sind, ist also vom Schluß des Psalms her zu verneinen. Diese Verneinung ist aber gerade rhetorisches Ziel dieses Psalms: der Tod der Götter. 156 Der Psalm bewegt sich damit auf einen Monotheismus zu. 1 5 7 Eine interessante Lösung zu dem Problem, ob in Ps 82 Götter oder Menschen gemeint sind, hat unlängst H. Niehr vorgetragen. 158 Er arbeitet heraus, daß beide Lösungsmöglichkeiten unwiderlegbare Gründe für sich vorbringen können, aber daß auch beide Schwächen haben. Die Rechtswelt des Textes ordnet er der Sozialkritik der Prophetie des 8. Jahrhunderts zu. Da Niehr nun göttliches und menschliches Handeln in einem Analogiedenken verknüpft sieht, faßt er die beiden Deutungsmöglichkeiten nicht als Alternativen auf: Es geht in der Kritik um kanaanäische Beamte, die andere Götter anbeten. Nun gibt es auch innerhalb des Bundesbuches Stellen, bei denen es ebenfalls strittig ist, ob mit Q'ii^S Götter oder Menschen bezeichnet sind. So übersetzen die Septuaginta, die Peschitta und dieTargume DTI^X in Ex 21,6 so, daß der Sklave, der sich gegenüber seinem Herrn zu lebenslangem Dienst verpflichtet, nicht „vor Gott" ('"JN 152 Ähnlich auch am Schluß des Psalms: v. 6 redet in der Gottesrede andere Götter im Plural an, v. 8 bezeichnet in der Gebetsbitte Gott als D'n^X. Zur seltenen grammatischen Konstruktion von DTI^N im Plural vgl. auch Ex 32,4.8 (der Fremdkult am Gottesberg) als philologische wie typisierend historiographische Parallelstelle zu lKön 12,28 (der Jerobeamkult). 153 Vgl. z.B. GUNKEL; KRAUS u.a. z. St., NASUTI, History 131. 154

KRAUS 737. !55 KRAUS 7 3 8 . 156 So bes. JÜNGLING,

Tod, der die Textpragmatik des Psalms gut herausarbeitet (bes. S. 105-107). 157 So unlängst NIEHR, Gott 79ff. " s NIEHR, ZAW99, 94-98.

98

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

D'H'^n, so die naheliegende Übersetzung des masoretischen Textes), sondern „vor das Gericht" (tö KQITTIQIOV) bzw. „vor die Richter" (JT3J7) gebracht werden soll. Im vergleichbaren Fall des Eides des der Veruntreuung Beschuldigten Ex 22,7 übersetzen die Targume ebenfalls (Richter), während die Septuaginta an Gott als Richter denkt. Auch in Ex 22,27steht ein menschlicher Würdenträger (iOiPJ) im parallelismus membrorum zu ülri'?8 als Personen, denen man nicht fluchen soll. In Ex 22,27 denkt die Septuaginta an Götter, während die Targume wieder an menschliche Richter denken. Daß die Übersetzungen an den beiden letztgenannten Stellen voneinander abweichen, macht deutlich, daß die Targume stärker als die Septuaginta den Text bei der Übersetzung interpretierend erleichtern. Doch ist diese Fehlübersetzung Zeichen der Wirkungsgeschichte der Texte: die juristische Funktion der Heiligtümer ist in der Zeit, die die Übersetzungen vor Augen haben, offensichtlich an Gerichte übergegangen. Das heißt aber auch, daß in der späten Zeit Richter ein Teil „göttlicher" Funktionen wahrnehmen. 159 Außerdem erfordert der strenge Monotheismus der späteren Zeit die Interpretation der strittigen Stellen auf Menschen. Die wirkungsgeschichtliche Tendenz, die Gottesbezeichnung DTlVs für menschliche Richter zu gebrauchen, ist mit der Spannung von Anfang und Schluß von Ps 82 identisch. Hier stellt die Bezeichnung von Richtern als Götter oder Göttern als Richter wie in Ez 28,12ff. 160 einen Teil einer Gerichtsrede dar. Es gibt in der Hebräischen Bibel noch eine weitere Stelle, in der menschliches und göttliches Gericht sprachlich ähnlich eng zusammenstehen: Ps 58. Dieser Psalm konstruiert OTfrX bedeutungsgleich im Singular (v. 7) wie im Plural (v. 12) 161 als Bezeichung für Gott. In der Konstruktion von DTI^S im Plural am Ende des Psalms ist das Richtersein von DTI^H als Thema des Psalms gesichert. In einer textkritisch schwierigen Passage am Anfang des Psalms (v. 2) kann das Thema der Götter, die richten, erschlossen werden (Ps58,2): •pnaifl p i x D^sn :Dii< ' j a l ü s t f n o n• t fT ' » TT": : : • Wahrhaftig redet ihr, Götter'162 gerecht, als Rechtschaffene richtet ihr, Menschensöhne. Im vorliegenden Text sind die 018 '33 (Menschensöhne) als Richter angesprochen, die erste Vershälfte ist unverständlich. Die Herabsetzung der göttlichen Richter von Ps82 hat in Ps58 ihr Ziel erreicht, indem die „Götter" mit menschlichen Wesen parallelisiert und schließlich in der weiteren Textüberlieferung entfernt werden. 163 Wir 159 In diesem Sinn interpretiert auch Midrasch Tehillim Ps 82 auf ein menschliches Gericht. Zum Problem der göttlichen Gerichtsbarkeit vgl. auch die grundsätzliche Kritik durch ZENGER, FS Reinelt 377-403 160 ZumTyrosorakel vgl. auch WIDENGREN, Psalm 110201 f. 161 Die Septuaginta liest xgivcov aitotig („er richtet sie"), also auch DTlb« als Singular. Vgl. zur seltenen Konstruktion von D'H^K im Plural auch die oben Anm. 152 aufgeführten Stellen. 162 D^S (nur noch Ps56,l) ist bereits den antiken Übersetzern unverständlich. Die von Psalm 82 her naheliegende Konjektur (D'H^S) ist textkritisch möglich. So z.B. auch BEGG, EThL 64, 397 -404. Auch NIEHR, Götter 96 Änm. 96, hat die Gründe für die Konjektur •,1?S oder D'ii^K unlängst noch einmal zusammengetragen. 163 Zu der hier skizzierten wirkungsgeschichtlichen Tendenz vgl. auch die literarkritischen Überlegungen zu Ps58 von SEYBOLD, VT 30, 53-66, der in Ps58 einen Grundtext mit einem Gericht über Götter (v.2f. 8.10.12) und eine moralisierende Überarbeitung auf Frevler (v. 4.6f. 11) unterscheiden will. Mir selbst geht es hier jedoch nicht um eine literarkritische

2. Eine Klagekomposition im Vergleich

99

haben zusätzlich einen Hinweis, wie ein Element aus den Asaphpsalmen in die zweite Davidpsalmsammlung hineingetragen wurde. 1 6 4 D a s Ergebnis, auf das P s 8 2 zusteuert, die Etablierung Gottes als höchster Richter, findet sich noch nicht in Ps 82 selbst, sondern in aller Deutlichkeit erst im Erkenntnissatz 1 6 5 am Schluß der gesamten Psalmengruppe von Asaphpsalm e n (Ps 83,19): fl-r?1? m r r yav nrii?-'? rHxnWr1?? i v W ... damit sie erkennen, daß du - dein Name ist Jhwh - einzig166 bist, der Höchste über der ganzen Erde. D e r folgende Völkerkampf ist also Teil der Etablierung Gottes als Einzigem. Entsprechend wiederholt der Schluß v o n P s 8 2 die Bitte um das Eingreifen Gottes als Richter (v. 8): iD'ian-1?^

nrix"»? H S O

Erhebe dich, Gott, richte die Erde, damit167 erhältst.

naip

du unter allen Völkern

Besitz

Im Schlußvers v o n Ps 82 wird also die juristisch-irdische E b e n e angesprochen, die vorher bereits mit der Bevorzugung der D'VttH („Frevler") und der Benachteiligung der Geringen 1 6 8 angsprochen wurde. A u c h mit d e m T h e m a der Herrschaft Gottes über die Völker leitet P s 8 2 zu P s 8 3 über, der Gottes Herrschaftsantritt in einem Völkersturm erbittet. N e b e n der Bitte um ein (im Kontext von P s 8 1 f . : weiteres) Gotteswort in P s 8 3 , 2 stehen Bitten, die ein weitergehendes Eingreifen Gottes fordern (Ps 83,10): rja3 D r f r n f o y "?n33 l'a^D i n o ' o s Mach's mit ihnen wie mit Midian, wie mit Sisera, wie mitJabin am Bach

Qischon.

Scheidung mit allen Unwägbarkeiten der so isolierten Verse als ursprünglicher Textzusammenhang, sondern um den Hinweis auf eine Tendenz, die zu einer Mehrfachinterpretation des vorliegenden Textes führt. 164 Vgl. dazu unten II.3.1 und III.l. 165 Vgl. ST in Ps73,11.16.22; 74,9; 78,3.6; 79,6; 81,6; 82,5. Ps79,6 und 82,5 formulieren dabei das Nicht-Erkennen der Heiden. 166 ¡j er masoretischen Textabtrennung gegen die Abgrenzung metri causa bei mrr (so KRAUSZ. S t . u . A . ) . 167

Zum finalen ' S siehe GESENIUS/KAUTSCH § 1 6 6 , 2 . Die Sprache von Ps 82,2—4 ist so nuanciert wie kaum ein anderer Text der Hebräischen Bibel: während die D'VSH („Frevler") nur mit einem Begriff gekennzeichnet werden, wird mit den Begriffen des 1V3S („arm"), "H („gering", „gedrückt"), EliIV („Waise"), („unglücklich", „demütig") und EH („arm") jeweils ein spezieller Aspekt des Gesamtphänomens der Armut herausgehoben. Das breite Spektrum der Reihe von sozialen und körperlichen Befindlichkeiten illustriert sehr schön, was CRÜSEMANN (FS Westermann) im Begriff der Multikausalität der Klage faßt (s.o. 1.3.5). 168

100

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

Der Beter von Ps 83 fordert hier ein Eingreifen Gottes wie bei den JhwhKriegen der Vorzeit (v. 16): iO^rpn ^nsiorn T W ? ns^nn i? Verfolge sie mit deinem Sturm und erschrecke sie mit deinem Unwetter. Die Klage, auf die das Orakel reagiert, ist also am Schluß der Sammlung nicht gewendet. Die Not besteht weiter. Hymnische Formen klingen an (Ps75; 81), aber der Hymnus wird nicht durchgeführt. Erst recht erfolgt kein Rückblick auf die erfolgte Rettung, das Kennzeichen eines Dankliedes wäre. Von diesem Schluß der Sammlung her ist deshalb deutlich, daß die Gesamtkomposition der Asaphpsalmsammlung der Großgattung der Klage zuzuordnen ist. Die zweiteilige Klagekomposition Ps74—76 und 79—83 umrahmen Weisheitspsalmen. Deutlich ist dies insbesondere bei Ps73, dem einleitenden Psalm der Gesamtgruppe, und Ps78, der als Abschluß der ersten und Anfang der zweiten Teilkomposition eine Zentralstellung für die gesamte Gruppe einnimmt. Kennzeichen der weisheitlichen Edition gegenüber den Motivklageund Orakelpsalmen ist der Gebrauch des Singulars. Doch sind nicht nur Ps73 und 78 innerhalb der Asaphpsalmgruppe singularische Psalmen, sondern auch die dem Orakelteil folgenden Klagelieder sind Psalmen eines Einzelnen. Es liegt deshalb insbesondere für Ps77 nahe, diesen Psalm ähnlich wie die Klagelieder in den Buchschlüssen des 1. und 2. Psalmbuches 169 und die Einzelpsalmen, die vom Lob in die Klage zurückfallen, als retardierendes Element auf der Ebene der Komposition zu verstehen. Auch Ps 77 ist also vermutlich Teil einer weisheitlichen Edition. Innertextlich bleibt dies jedoch nur schwach belegbar. 170 Ps 73 beginnt mit einer Sentenz (v. 1 b): ¡a?1? nn 1 ? Din"?K (Nur) gut ist Gott für Israel, für die, die reinen Herzens sind.

aio

Diese Einleitung stellt die weisheitliche Klage von Ps 73 in den Horizont von Gesamtisrael. Es wird ein Diktum in den Raum geworfen, dessen Gültigkeit der Beter sofort zu bezweifeln beginnt, indem er sein individuelles Schicksal mit dem „Glück der Frevler" (D'ycn Di^ip, v. 3) vergleicht. Die weisheitliche Lehre des Psalms erfolgt in der Widerlegung dieser Erfahrung, die der Beter einem Traum (v. 20) gleichstellt. Die einleitende Sentenz wird also im Fortgang des Psalms gegen ihre Anfechtung durch individuelle Erfahrung verteidigt. Die Situation, aus der der Beter spricht, scheint dabei unverändert: Am Schluß steht weisheitliches Vertrauen, das auf Veränderung der Lage noch wartet (v. 27). Als Situation für Ps 73 hat dabei bereits E. Würthwein aus Erwägungen zum politischen Kontext von Ps 73 heraus vorsichtig eine vorexilische Deutung 169

S . o . II.3.1.3,3.2.1 und3.2.6. 170 Ygi d i e Einführung der die folgenden Psalmen 7 7 - 8 1 prägenden Geschichtsargumentation und das weisheitliche Wort run („murmeln, sinnen", v. 7).

2. Eine Klagekomposition

101

im Vergleich

vorgeschlagen, die über die sonst herrschende exegetische Ratlosigkeit über die Datierung des Psalms angesichts seiner zeitlosen Aussagen hinausführt. 171 Auch in dieser Hinsicht ist also der weisheitliche Ps73 wohl nicht von der Themenklage Ps74 trennbar. Aus der Perspektive der Komposition als Klage über die Zerstörung Jerusalems kann der Vers mit der Heiligtumsbezeichnung im Plural auch ganz anders gedeutet werden (Ps73,16f.): i ' r s n K»n Vas n'xt n$?f7 natf bki :nnnnKV n r a » ^iptz^pp-1?*? xins-is? Und ich sinne nach, um dies zu verstehen. Eine Qual ist es in meinen Augen, bis ich in die Heiligtümer Gottes kommen und ihr Ende erkennen werde.172 Dieser Psalmbeter, der den Tod im Blick hat (v. 26), sehnt sich nach Gott im Himmel (Ps 73,25): Wer ist für mich im Himmel und bei dir?173 Ich habe keinen Gefallen an der Erde.

IHSn :f"l!0

Dieser Gedanke legt eine neue Auslegung des strittigen Verses mit der Heiligtumsbezeichnung im Plural Ps73,17 nahe: Mit den Heiligtümern Gottes kann der Himmel gemeint sein. Damit entspricht der Einstieg der Sammlung von Asaphpsalmen in charakteristischer Varianz der Eröffnung der Wallfahrtspsalmen: Fanden wir in dem Einstieg in die Wallfahrtspsalmen die Sehnsucht nach dem Heiligtum ausgedrückt, so sehnt sich der Beter in der Situation des zerstörten Tempels nach Gott im Himmel. Das weisheitsübliche Lehrstück in Ps73, nämlich die Unterscheidung zwischen Gerechten und Frevlern, findet sich in etwa auch in der Mitte der Asaphpsalmsammlung. Während in Ps73 die von Gott Abgefallenen (vgl. v. 27) sich vom Ich des Beters deutlich unterscheiden, sind die, die abfallen, in Ps78 die sogenannten Väter. 174 Die Antitypik von Ps73 ist damit in der Weiterführung durch Ps74 nicht als Abgrenzung gegen andere Gruppen, sondern als Kritik an der eigenen Gruppe aufgefaßt. Thematisch ist dabei Ps 78 eng mit dem Kontext verwoben. Sein Schluß als Geschichtsrückblick mit dem Hinweis auf den Tempel und die davidische Dynastie als neue Chance für das Volk wird durch die Motivklagen über die Zerstörung des Tempels in Ps 74 und 79 kontrastiert. Von der in Ps78 beschriebenen Erfahrung her kann diese Katastrophe nur als Schuld des Volkes aufgefaßt werden. Entsprechend heißt es in Ps 79,9b in Reaktion auf die Zerstörung des Heiligtums: 171

WÜRTHWEIN, FS Bertholet 5 3 2 - 5 4 9 , hier 549. Die Übersetzung der Verbformen richten sich hier wie in der ganzen Arbeit nach der Theorie von ZUBER, Tempussystem. 173 Die Entscheidung gegen die masoretische Halbverseinteilung verhindert noch größere Texteingriffe wie die sonst übliche Einfügung etwa eines iriVlT („außer dir", B H S z. St.). 174 Mit dem Auftreten des Vätermotivs v. 3 ff. wechselt Ps78 nach der singularischen Einleitung in den Plural. So wird deutlich, daß die Väter Metapher für Gesamtisrael sind und nicht nur eine individuelle Ahnenreihe. 172

102

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

lya1? irnKtsn-1?» -ISDI u ^ ' s n i Rette uns und sühne wegen unserer Sünden, um deines Namens willen! Die geschichtliche Erfahrung von Ps78 gibt damit das für Klagelieder des Volkes typische Verstehensmuster ab, innerhalb dessen die Klage sinnvoll ist. 175 Denn Gottes Gericht umfaßt die Frevler generell (Ps75,5), es ist also auch Gericht über Israel selbst (vgl. Ps 81,9ff.). Die weisheitliche Geschichtserfahrung vermittelt aber nicht nur eine Perspektive zum Verstehen der Lage, sondern auch Hoffnung auf ein rettendes Eingreifen Gottes. In der Erwartung dieses Eingreifens sind nun die Psalmen am Schluß der Teilkompositionen verstehbar. So schließt Ps77,12f. aus den früheren Wundern Gottes auf sein nun bevorstehendes Eingreifen. Entsprechend steigert Ps83,10ff. das erwartete Eingreifen Gottes zu einem JhwhKrieg. 176 Die Klagepsalmen am Schluß der Teilkompositionen sind also als Teil der weisheitlichen Editionsebene begreifbar. Daß die weisheitliche Edition bei den Asaphpsalmen nicht von der Verwendung dieser Psalmengruppe als exilische Klagekomposition zu trennen ist, gilt also insbesondere auch für Ps78, der als weisheitlicher Geschichtspsalm mit erheblicher Überlänge am ehesten aus der Gruppe auszuscheiden wäre. Daß jedoch das Erinnern eine wesentliche Funktion des Gottesdienstes im alten Israel war, wird bereits aus der priesterlichen Erzählung des Pessach deutlich. Die Gesamterzählung steht unter dem Satz (Ex 12,24, vgl. v. 17 u. ö.): Bewahrt also dieses als Satzung für dich und deine Söhne fortwährend! Dies wird nun dadurch konkretisiert, daß die Erzählung des Auszugs aus Ägypten Teil des Pessach nach dem Einzug ins Land ist (v. 25ff.). Die Belehrung des Sohnes, die auch als Motiv der Weisheit auftritt, 177 erweist sich also auch als Teil der Historisierung der Feste. Auch wenn Ps78 sicher nicht direkt vom priesterlichen, vielleicht auch überhaupt nicht vom schriftlichen Pentateuch beeinflußt ist, 178 sind beide Texte doch deutlich Teil desselben Traditionsstromes. Die enge Verbindung zwischen der weisheitlichen Edition und dem Kern der Klagekompositionen 179 legt es nun nicht nahe, für die weisheitliche Edition eine andere Verortung als für den Kern der Klagekomposition zu suchen. Die Edition der Klagekomposition kennt keine historische Auflösung des Problems 175 VGL auch die Verbindung von Ps 77,6; 78,2 über das Thema Vorzeit (01p), dazu BECKER, Wege 117. Gleichwohl ist Ps78 sicher nicht der früheste Psalm dieser Gruppe, wie es die extrem frühe Datierung von A . F. CAMPBELL, CBQ 4 1 , 5 1 - 7 9 , nahelegen will. 176

JEREMIAS (Königtum 178) verweist auf die Motive des Jhwh-Krieges auch in Ps76,4. Prov 2,1; 3,1 u . ö . 178 Zur Beziehung von Ps78 auf die Exoduserzählung vgl. z . B . KOHATA, Jahwist 255 ff. 179 Vgl. z . B . den Plural "?>r>#7pö („Heiligtümer", Ps73,17) mit den Begriffen für die Gotteshäuser, die in Ps74,4*.7f. stehen. Umgekehrt vgl. die typisch weisheitliche Antithese der a ' y a n („Frevler") zum ¡TIS („Gerechten") in Ps 75,11. 177

2. Eine Klagekomposition

im Vergleich

103

der Zerstörung des Tempels. Weder die Rückführung der Deportierten noch der Wiederaufbau des Tempels sind in Sichtweite der Beter. Am Schluß steht die sichere, aber unkonkrete Erwartung eines Eingreifens Gottes in einem Kampf. Am Schluß der zweiten Teilgruppe der Asaphpsalmsammlung findet sich auch keine weisheitliche Rahmung, diese erfolgt erst durch den weisheitlichen Beginn der zweiten Korachpsalmsammlung mit Ps 84. Nach unserem Verständnis der Psalmengruppe 73—83 haben wir mit dieser ersten vollständig in einer für die Psalmenexegese recht frühen Zeit beschreibbaren Psalmengruppe ein höchst bedeutsames Dokument für die Frage Israels nach seiner Geschichte. 180 Für den weiteren Gang unserer Untersuchung ist festzuhalten, daß mit der Asaphpsalmkomposition das einzige klare Beispiel einer Komposition mit Klageschluß im Psalter vorliegt. Außerhalb des Psalters finden wir jedoch noch die im folgenden zu untersuchenden Threni, die zeitgeschichtlich als exilische Komposition und formgeschichtlich mit dem Fehlen von Hymnus und Danklied zu den Asaphpsalmen passen. Alle anderen nun zu behandelnden Psalmgruppen im Psalter ordnen sich makroformgeschichtlich mehr oder weniger deutlich dem Dankliturgie-Fall zu. Aber selbst die Volksklageliturgie, wie wir sie in Ps 73—83 finden, hat die Erwartung eines künftigen (Ps75,10) und sogar die Andeutung eines präsentischen Hymnus (Ps76, vgl. auch den Anfang von Ps75) nach dem Orakel (Ps75). Die Komposition hat damit Kennzeichen der Lob- bzw. Dankliturgie, wie wir sie in den Wallfahrtspsalmsammlungen fanden, nur daß diese Komposition am Schluß als offene Klage gebaut ist. Auch der Schluß der Klageliturgie ist allerdings für ein künftiges Danklied nach dem Eingreifen Gottes hin offen. 181 Die Kompositionsform mit dem Kompositionshöhepunkt in Lob oder gar Dank scheint damit in der Komposition der Psalmgruppen als der Regelfall, dessen Ausnahme spezieller Situationen wie etwa der Zerstörung des Tempels bedarf, wie wir sie in der Themenklage ausgedrückt finden. Wenn wir für die Komposition einen Namen suchen, erscheint ein Begriff wie Klageliturgie oder - unter Aufnahme einer Hypothese hinsichtlich der visionären und Orakelelemente prophetische Klageliturgie angebracht, die von ihrer weisheitlichen Gestaltung her deutlich nachkultische Züge hat. Vergleichen wir nun die Asaphpsalmen als exilische Klagekomposition mit anderen Kompositionen, die auch exilischen Urspunges (2.2) oder wenigstens formgeschichtlich als thematisch verwandte Klagekompositionen zu klassifizieren sind (2.3). Mit dem Vergleich der Sammlung von Asaphpsalmen mit zeitlich nahen Kompositionen arbeiten wir bereits dem historischen dritten Hauptteil zu, in dem die Sammlung von Asaphpsalmen den diachronen Fixpunkt für die erste Stufe der Komposition bildet.

180

So bereits SEYBOLD, ThLZ 115,102f. Vgl. dazu insbes. die Analyse in Auseinandersetzung mit einem strukturalistischen Verständnis (von T. COLLINS) in III.1.4 und 2.3.1. 181

104

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

2.2 Exilische Psalmkompositionen 2.2.1

außerhalb des Psalters

Threni

Für die Threni bedarf es kaum der Erläuterung, daß die Einzellieder nach der Zerstörung des Tempels 586 182 und - wenigstens die sehr konkreten Klagen Thr 2 und 4 und damit der Kern der Sammlung - deutlich vor dem Wiederaufbau des Tempels 520—515 zu datieren sind. 183 Eine Ausnahme bildet hier Thr 1, das gelegentlich zwischen den beiden babylonischen Eroberungen von Jerusalem, also zwischen 597 und 586, datiert wird. 184 Eine Ansetzung der gesamten Threni kurz nach 586 wird dabei meist bevorzugt. 185 Thr 1—4 sind akrostichische Klagelieder im Singular, wobei Thr 1; 2; 4 eventuell als politische Leichenlieder bezeichenbar sind. 186 Thr 5 ist hingegen ein Klagelied des Volkes. Vor diesem einzigen pluralischen Klagelied der Sammlung findet sich das einzige Klagelied mit der Andeutung eines positiven Schlusses, in dem das Ende der Schuld angekündigt wird (Thr 4,22a): 187 Gesühnt ist deine Schuld, Tochter Zion. Nicht wird er dich weiter in der Verbannung halten.

li'STia "rpiSpDri ^riiVin1? TOi' X'1?

Diesen positiven Schluß von Thr 4 und der Wechsel vom Singular zum Plural in Thr 5 können wir als zusätzliches Argument dafür betrachten, Thr 5 für eine spätere Ergänzung zu halten. 188 Die fünf Klagelieder sind aber auch mit Thr 5 als Cluster angeordnet, da der einzelne positiv gestimmte Vers für die Beurteilung des Gesamtgefüges nicht überzubewerten ist. Umstritten ist, ob die Komposition in Jerusalemer oder exilischer Perspekti182

Zum Problem der Datierung des Falls Jerusalems siehe oben S. 91 Anm. 118. Frühere Datierungen der Threni in makkabäischer Zeit werden heute nicht mehr diskutiert, vgl. BOECKER, Klagelieder 13. Lediglich KAISER, Klagelieder 3 301, datiert in seiner aus der Kommentierung von Jes 1 - 1 2 (KAISER, Jesaja 1-12 5 ) bekannten Weise Thr 1; 3 - 5 nach Thr 2 teilweise bis in das 4. Jh. herab. Kaiser hat seine Spätdatierung der Threni selbst teilweise widerrufen (EKL 2, 1295—1297), eine Mittelposition nimmt neuerdings ders., Klagelieder 4 103ff., ein). 184 So insbes. RUDOLPH, Klagelieder, WEISER, Klagelieder z. St., und GROB, Klagelieder 6, dagegen z.B. BOECKER, Klagelieder 14f. und z. St. sowie KAISER, Klagelieder 3 301. 185 So zuletzt BOECKER, Klagelieder 14f., und GROB, Klagelieder 6f. 186 WEISER, Klagelieder 299. Vgl. auch bereits JAHNOW, Leichenlied 169. Kritisch dagegen z.B. GROB, Klagelieder 5. Die Bezeichnung „Gerichtsklage des leidenden Gerechten" (so 3 BRANDSCHEIDT, Gotteszorn) für Thr 3 ist wohl zu speziell. KAISER (Klagelieder 298) hat zu Recht auf den Charakter von Thr 1—4 als Mischgattung aufmerksam gemacht, wie er nicht zuletzt durch die Form des Akrostichons bedingt ist. 187 Zu Thr 4,22 vgl. insbes. Jes 40,2. 188 VGL BOECKER, Klagelieder 14: Da in Thr 5 „neben den Bezugnahmen auf die Geschehnisse, die in unmittelbarer Verbindung mit der Zerstörung Jerusalems stehen, auch auf die ärmlichen und bedrückenden Lebensumstände der Zeit danach angespielt wird, legt es sich nahe, die Entstehung von Kap. 5 etwas später als die von Kap. 2 und 4 zu vermuten." Vgl. jedoch die Stellung von Ps 12 und 60 als Klagelieder des Volkes in den entsprechenden Klageclustern des Psalters. Dazu unten II.3. 183

2. Eine Klagekomposition

105

im Vergleich

ve erfolgte. 189 Ein Bezug auf den Tempelgottesdienst haben die Threni insofern, als der normale Gottesdienst nicht mehr stattfindet (Thr 1,4): i s i » ' s a ,s?a?2 n i ? 3 i ? i v x ' r n i D'njx; n'jn's v a ö i t f

n^yt^a

:n"7'ia K'ni n ü i a i r n ^ i n a

Die Wege nach Zion trauern, niemand kommt zum Fest, alle ihre190 Tore sind verödet, ihre Priester seufzen. Ihre Töchter wehklagen und was sie selbst angeht: Bitter ist es für sie. Das Postulat von Klagefeiern am zerstörten Heiligtum 191 ist daher nicht sehr wahrscheinlich. Wir werden dies aber im historischen Teil dieser Arbeit noch weiter untersuchen. 192 Gemeinsames Moment der Threni und der Asaphpsalmen ist der Aufweis der Schuld Israels, die zur Katastrophe geführt hat. 193 Die Threni setzen wie die Asaphpsalmen den gottesdienstlichen Vorgang des Heilsorakels als Wende der Klage zum Lob voraus (Thr 3,57), aber kompositionell erfolgt in den Threni diese Wende gerade nicht. Die Komposition hat damit die Perspektive auf die Wende der Gefangenschaft noch nicht, wie sie Jes 40—55 hat. Daß die Komposition mit der Ausnahme Thr 4,22 nicht die Perspektive des Endes der Gefangenschaft hat, gilt auch für die Datierung einzelner Lieder in der nachexilischen Zeit: In diesem Fall halten die Lieder die Stimmung der exilischen Zeit in Erinnerung. 2.2.2 Jesaja 40—55 Daß Jes 40—55 hier unter dem Gesichtspunkt der Psalmkomposition verhandelt wird, ist Ergebnis der neueren kompositionsgeschichtlichen Forschung am Jesajabuch, die die Bedeutung der Hymnen für Jes 40—55 herausgearbeitet hat. Es ist dabei der Verdienst von F. Melugin, formgeschichtliche Kategorien zur Bestimmung der Komposition von Jes 40—55 angewandt zu haben. 194 Die drei Gattungen, durch die Melugin Jes 40—55 geprägt sieht, sind dabei Gerichtsrede, Disputationswort und Heilsorakel. Den Gottesknechtsliedern spricht Melugin keine eigene Gattung zu. 195 Diese drei Hauptgattungen ordnet 189

Vgl. den Überblick bei KRAUS, Klagelieder 13f. 190 •¡•pij i s t j m Hebräischen ein weiblicher Name. 191 So bes. WEISER, Klagelieder 300, unter Berufung auf Jer 41,5f.; Sach 7 , l f . ; 8,18f. Vgl. auch JANSSEN, Juda 94ff. u. ö. 192 Zu Klageliturgien während der Zeit des zerstörten Tempels siehe unten III.1.3.1. Beispielsweise GROB, Klagelieder 6, denkt eher an ursprünglich literarische Arbeit. Vgl. dazu auch die Form als Akrostichon. 193 Thr 2,14; vgl. auch die Gerichtsdoxologie Thr 1,18. 194

MELUGIN, Formation.

195 v g l a u c h METTINGER, ASTI 11, 68—76; ders., Farewell. Dazu kritisch: HERMISSON, ThR 49, 209—222. D i e kompositorische Stellung der Hymnen bleibt in diesem Streit jedoch unberührt.

106

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

er nun Kompositionseinheiten zu, die durch den Wechsel von Gerichts-/Disputationswort und Heilsorakel gekennzeichnet sind und jeweils einen hymnischen Schluß haben. Jes 40,1 — 11 und 55,6—13 fallen als einander korrespondierender Prolog und Epilog aus dem Kompositionsschema heraus. 1 9 6 Im Anschluß an Melugin hat nun F. Matheus insbesondere die Hymnen als auch inhaltlich textstrukturierende Elemente der Komposition erarbeitet. 1 9 7 Eine beachtenswerte Neuerung in dem weitgehend analogen Ansatz bildet die Analyse des Kyros-Orakels: Matheus versteht den durch einen imperativischen Hymnus abgeschlossenen Abschnitt Jes 44,24—45,8 als eigenen Block, 198 während Melugin wegen der fehlenden Gerichts- und Disputationsworte diesen Abschnitt der folgenden Kompositionseinheit zuordnet und die originale Stellung des Hymnus 45,8 bezweifelt. 199 Damit haben wir im Kern des Jesajabuches 200 inhaltlich wie formal bestimmbare Einheiten, die ähnlich unseren Psalmkompositionen durch Orakel und Hymnenschluß gekennzeichnet sind. 201 Die Psalmkompositionen, insbesondere die nahezu zeitgleiche Asaphpsalmkomposition, enthalten demgegenüber die parallel gebaute Struktur aus der Sicht der klagenden Gemeinde: Statt der Gerichtsrede bzw. dem Disputationswort steht dort das Klagelied, das im Fall der davidischen Sammlungen und den Threni ebenfalls in Clustern auftreten kann. 2.2.3 Historische

Einordnung

Die Komposition von Jes 40—55 spiegelt mit den Hymnenschlüssen eine völlig andere Stimmung wider, als wir sie in den Threni fanden. War dort kompositioneil keine Perspektive auf die bevorstehende Wende des Geschicks Israels ersichtlich, so ist die bevorstehende Wende thematischer Kern von Jes 40—55. Dieser unmittelbar bevorstehenden Wende entsprechen die Hymnenschlüsse in der Komposition von Jes 40—55. Während die Threni damit eher der ersten Phase des Exils zuzurechnen sind, rückt die Komposition von Jes 196

MELUGIN, Formation 87. MATHEUS, Singt. Vgl. dort bes. S. 108ff. die Kritik der Kritik von Hermisson. Einen erweiterten Auszug der Dissertation stellt der Aufsatz MATHEUS, V T 37, 3 1 2 - 3 2 6 , dar. Vgl. auch (die offensichtlich von Melugin unabhängigen) Beobachtungen von WESTERMANN, Heilsworte 36ff. 41 ff., sowie HESSLER, Heilsdrama, vgl. den Überblick S. 308. 198 MATHEUS, Singt 73ff. 199 MELUGIN, Formation 125. Die Beziehung von Jes 44,28; 45,Iff. zu babylonischen Texten hat bereits KITTEL, Z A W 1 8 , 1 4 9 - 1 6 2 , herausgearbeitet. 200 vgl ciazu insbes. RENDTORFF, Komposition. Zum wichtigsten Argument des Ansatzes von Rendtorff, der Verwendung von nj?1X in Jes 56,1 vgl. die Tabellen mit der Deutungsbreite dieses Begriffs bei Tritojesaja bei CRAMER, Z A W 27,79—99, hier zwischen S. 98 und 99. 201 BUDDE, Z A W 2, 1 - 5 2 , hier 36ff., hat das Qina-Metrum in Jes 4 0 , 9 - 1 1 ; 4 4 , 2 3 - 2 8 ; 45,14 - 2 5 ; 47; 5 0 , 4 - 1 1 ; 51,9f. 1 7 - 2 0 ; 5 2 , l f . 7 - 1 1 nachweisen wollen. Obwohl Buddes Ansatz für unser Verständnis der Komposition der Psalmen sehr vorteilhaft sein könnte, weil dann auch das Klagelied in Jes 4 0 - 5 5 nachweisbar wäre, ist Buddes Argumentation mit äußerster Vorsicht zu begegnen, da sie eine Fülle von textkritischen Änderungen metri causa voraussetzt. 197

2. Eine Klagekomposition

im

107

Vergleich

40—55 zum Ende des Exils hin oder sogar in die nachexilische Zeit. Die Asaphpsalmen mit ihrer Perspektive auf einen Hymnus haben nun weder die völlig klagende Stimmung derThreni noch die hymnische Stimmung der unmittelbar bevorstehenden Befreiung von Jes 40—55. Es liegt daher zu einer ersten zeitlichen Orientierung nahe, die Komposition der Asaphpsalmen stimmungsmäßig wie zeitlich zwischen den beiden anderen hier untersuchten exilischen Kompositionen zu verorten.

2.3 Weitere Klagekompositionen

über die Zerstörung

2.3.1 Ein scheinbar exilischer Kompositionsbogen

Jerusalems

im vierten

Psalmbuch

Innerhalb des vierten Psalmbuches fällt Ps 102 als Klagelied des Einzelnen heraus. Vorher finden wir Hymnencluster (insbes. Ps93ff.) und auch nachher Psalmen mit hymnischen Anklängen, wie die Rahmenzeilen von Ps 103—106202 zeigen. Vor Ps 102 findet sich nun mit Ps 101 ein Psalm mit weisheitlichen und Toraelementen. Ps 101 —106 ist damit als eine Folge von Klage und Hymnus mit weisheitlicher Einleitung verstehbar. Allerdings fehlt das zusätzliche Element der gemeinsamen Überschrift, das bei unserer bisherigen Analyse das Kontrollzeichen war, das die Intention der Zusammengehörigkeit der Psalmen sicherte. Innerhalb von Ps 101 —106 finden sich Davidpsalmen (PslOl und 103), Psalmen ohne Namensüberschrift (Ps 104—106) und Ps 102, dessen Betitelung auf seine Applizierbarkeit zielt (Ps 102,1): i r r » 'h&bp mrr ^s5?! nto?!"'? Gebet eines Elenden, wenn er schwach wird und vor Jhwh sein Anliegen ausschüttet. Ps 102 hat nun, obwohl er von der Überschrift und von der Sprachgestalt her als individuelles Klagelied ausgewiesen ist, eine spezielle Situation, die er voraussetzt und die ihn mit den von uns als Themenklagen bezeichneten Psalmen verbindet (Ps 102,14-17): •p-'x arnri mpn nnx :i??ia sa-'? rujrf? ny-'? ¡ijjfr a n s r n x i nirr a s r n » cria i x t ' ì :?!Tia:p-nK p-isn 'aVa-^i . . . n i a a a n Tm ij •ii 1s s nirr rurr-'a TT* Du wirst dich erheben, du wirst Erbarmen mit Zion haben, denn es ist Zeit, ihm gnädig zu sein, ja, es ist die rechte Zeit gekommen. 202

mrr-ns 'tésa 'pna („Preise Jhwh, meine Seele") bzw. nnV?n („Lobet Jah").

108

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

Ja, deine Knechte haben Gefallen an seinen Steinen und sein Staub jammert sie. Die Völker werden den Namen Jhwh fürchten und alle Könige der Erde deine Herrlichkeit, wenn Jhwh Zion erbaut hat, wird seine Herrlichkeit sichtbar. Ps 102 ist wegen seiner Bitte um die Wiederherstellung von Jerusalem der exilisch-nachexilischen Zeit zugeordnet worden. 203 Der Psalm setzt als Erfahrung eine Zerstörung Jerusalems voraus, die noch nicht durch einen umfassenden Wiederaufbau beseitigt worden ist. Eine Datierung in die exilische Zeit oder die lange Zeit des Wiederaufbaus nach 538 liegt daher nahe. In jüngster Zeit hat jedoch O . H . Steck eine Datierung von Psl02 in die Zeit nach dem fünften syrischen Krieg nach 202 v. Chr. erwogen. 204 Auch wenn dies aufgrund der bereits von J. Marböck 205 herausgearbeiteten Parallele zum Sirachbuch als historisch-kritische Auffassung der Entstehungszeit des Psalms nicht unwahrscheinlich ist, liegt vom Kontext des Psalmes zunächst eine andere Lösung als fingierter Textsinn nahe: am Schluß des hier betrachteten Kompositionsbogens von Psalmen findet sich mit Ps 106 ein Psalm, der die Geschichte Israels bis zum babylonischen Exil skizziert. Die Gefangenschaft und Befreiung des Volkes Israel nach der Landnahme wird nun aber in Ps 106 nicht als ein einmaliges, sondern sich wiederholendes Ereignis dargestellt: mal D1»» S n^ nani isto-jl

Viele Male errettete er sie, tfr-X? sie widersetzten sich aber absichtlich206 und kamen durch ihre Schuld herunter. (Ps 106,43) Er ließ sie Erbarmen finden vor allen, die sie gefangen hielten. (Ps 106,46)

•"'Qrn1? DHiK 1FF! ^S1?

Die Uneindeutigkeit, innerhalb derer sich die exegetische Interpretation von Ps 102 - vom Exil bis in die makkabäische Zeit hinein - bewegt, findet vom Schluß des Kompositionsbogens her ihren Sinn: besonders dieser Kompositionsbogen, der im Hymnenteil mit Geschichtspsalmen (Ps 105f.) schließt, ist auf mehrere Situationen der Geschichte Israels hin angelegt. Die Komposition zielt damit eindeutig auf Ereignisse nach 586, die diesem Ereignis vergleichbar sind. Der Bezug der Themenklage und damit des gesamten Kompositionsbogens in der vorliegenden Form auf den fünften syrischen Krieg gewinnt damit

203 YGI JANSSEN, Juda 20, der Ps 102 in die exilische Zeit datieren will. 204 205 206

STECK, Abschluß 152ff. MARBÖCK, in: FS Sauer 9 3 - 1 1 5 . Es besteht kein Anlaß, die erleichternde Lesart i n s ? n s vorzuziehen (vgl. B H S z. St.).

2. Eine Klagekomposition

im Vergleich

109

eine hohe Wahrscheinlichkeit, wenn wir nicht auf noch spätere Ereignisse zurückgreifen wollen. 207 Ein Orakel, wenn man die Gottesrede hinsichtlich der Landverheißung (Ps 105,11) überhaupt so ansprechen darf, findet sich innerhalb des Hymnenteils erst am Anfang von Psl05, also von den bisherigen Beobachtungen her beurteilt, gewissermaßen zwei Psalmen zu spät. Doch werden wir diese Stellung noch in anderen Clusterkompositionen kennenlernen. 2 0 8 Für eine diachrone Staffelung spricht nicht zuletzt die Verwendung von Psalmen unterschiedlicher Betitelung in diesem Kompositionsbogen. Der Bogen ist außerdem keineswegs abgeschlossen, sondern hat deutliche Bezüge insbesondere auf andere Psalmen des vierten Psalmbuches. 209 2.3.2Die Psalmen

Salomos

Die Psalmen Salomos werden üblicherweise der frühpharisäischen Literatur zugeordnet. 210 Wir vergleichen sie im folgenden mit der Asaphpsalmsammlung, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zweier Klagesammlungen über die Zerstörung des Heiligtums mit großem zeitlichem Abstand zu verdeutlichen. Die Sammlung ist bereits mehrfach als „bewußt gestaltetes Werk" 2 1 1 analysiert worden. Anfang und Schluß verschiedener Psalmen der salomonischen Sammlung sind gleichförmig gestaltet: so fehlt nur in PsSal 1 die Überschrift ganz, alle anderen haben zumindest ein TCÜ 2aXo»ncüv („von Salomo") als Überschriftselement. Auch innerhalb der weiteren Elemente der Überschriften gibt es deutliche Beziehungen: beispielsweise PsSal 3 (TCEQL öixaicov, „über die Gerechten") und PsSal 4 (toi? dvOgm^aoeoxoig, „den Heuchlern") stehen

207

Das schließt eine frühere Ansetzung von Einzelpsalmen dieses Kompositionsbogens einschließlich von Ps 1 0 3 - 1 0 6 als vorgängiger Teilsammlung keineswegs aus. 208 Vgl. bes. II.3 zu Ps 12 und 60, außerdem Ps 108. 209 Vgl a i s Einzelmotiv die Verehrung Jhwhs durch die anderen Völker, die z . B . im Kontext der vorhergehenden Jhwh-König-Psalmen verstehbar sind. Dazu unten III.2.3.2 und 3.3.3. 210 So zuletzt insbesondere CAMPONOVO, Königtum 200 ff. Dort Anm. 1 ein Bericht über die Textausgaben und Handschriftenfunde. Die frühpharisäische Bildung des salomonischen Psalters war in der Gefolgschaft von WELLHAUSEN, Pharisäer, lange Zeit unbestritten. Im Gefolge der Entdeckung der Qumranfunde wurden die Psalmen Salomos intensiv mit der Qumran-Bewegung verglichen. Im Ergebnis sind die Trägerkreise der Psalmen Salomos weder eindeutig mit den Qumran-Leuten noch mit den Pharisäern zu identifizieren (so

O ' D E L L , R d Q 3 , 2 4 1 - 2 5 7 ; ä h n l i c h WRIGHT, S C S 2 , 1 3 6 - 1 5 4 , v g l . a u c h HOLM-NIELSEN,

A N R W 19,2, 172-180, HULTGARD, Eschatologie 303) denkt eher an weisheitliche Kreise. Doch ist die Bezeichnung Protopharisäer in jedem Fall so offen, daß die von diesen Autoren betonten Beziehungen zu eschatologischen bzw. weisheitlichen Kreisen und die Distanz zu späteren Positionen der Pharisäer in diesen Begriff einschließbar sind (so auch CAMPONOVO, Königtum 205). 211

CAMPONOVO, Königtum 201, verweist besonders auf SCHUEPPHAUS, Psalmen Salomos.

110

Teil II: Eine Formgeschichte der

Psalmengruppen

deutlich antithetisch nebeneinander. 212 Auch weitere Anfänge der Psalmen haben ähnliche Formulierungen. PsSal 3 und 4 beginnen mit i'va xi, die beiden messianischen Psalmen PsSal 17 und 18 haben nicht nur das Überschriftselement \|)aX.[xög („Psalm") gemeinsam, sondern auch den Anfang mit xijQie („Herr"). 213 Den beiden Dankliedern am Höhepunkt der Komposition, PsSal 15 und 16, ist der Anfang mit ev xrö und folgendem Infinitiv gemeinsam. 214 Auch die Schlußverse der Psalmensammlung sind ähnlich gestaltet: so haben PsSal 9—12 einen doxologischen Abschluß mit einem toü xuoiou („des Herrn") eingeleiteten Nominalsatz. 215 Ein anderer typischer Abschluß einzelner Psalmen Salomos sind Segensformeln: ETj^oyniög xiiQiog eig xöv aicöva evcbmov ÖOIJXCDV aiitoü (PsSal 2,37) ET)>.OYRIM-6VRL ^ Ö Ö | A X D Q I O D , Ö U atixog ßaaiXetig R|[KDV (PsSal 5,19) euÄ-oyriTÖg xiigiog 6 JIOICDV eXeog xolg dyandioiv oruxov ev dXr|0eig (PsSal 6,6) Gepriesen sei der Herr in Ewigkeit vor seinen Knechten. (PsSal2,37) Gepriesen sei die Herrlichkeit des Herrn, weil dieser unser König ist. (PsSal 5,19) Gepriesen sei der Herr, der denen Barmherzigkeit schafft, die ihn in Wahrheit lieben. (PsSal 6,6) Gelegentlich wird

aivExog

statt

¿11X0711x65

verwendet: 216

cxivExög x i i g i o g ev x o i g x o i ( x a a i v a i i x o ü ev axo^iaxi ö a i c o v , x a l ETjXoyrinEvog I a o a r j A . i m ö x i m i o u eig x ö v cacöva

Gepriesen sei der Herr in seinen Gerichten im Mund der Heiligen, und gesegnet sei Israel vom Herrn in Ewigkeit. (PsSal 8,34) aivetög wird hier über Gott ausgesagt, e^XoYnnevog über Israel. Die Differenzierung macht durchaus Sinn, zeigt aber, daß diese Formeln nicht Sprache einer auf Einheitlichkeit bedachten Redaktion sind, sondern traditionelle Elemente, die auf eine hebräische Vorlage mit -Formeln schließen lassen. 217 Vergleichbare Formulierungen begegnen uns auch in kanonischen Psalmen: so finden sich nicht nur in den Schlußpsalmen der ersten vier Psalmbücher unterschiedliche Segens-Formulierungen in den Schlußversen, sondern auch andere Psalmen meist nahe einer Schlußstellung haben solche Formeln im Schlußvers (Ps 66,20; 68,36; 135,21)218, und bei weiteren Psalmen beginnt der Schlußteil 212

Vgl. oben den Abschnitt zu den Zwillingspsalmen 1.2.1. Der Anfang mit xiipie findet sich innerhalb der Psalmen Salomos nur noch in PsSal 12. 214 Diese Figur erscheint auch in PsSal 2 und 9. 215 Eine vergleichbare Formulierung findet sich im masoretischen Psalter nur am Schluß von Ps3 (v. 9): Von Jhwh ist die Rettung, über dein Volk dein Segen. 10313las*1?» iWI® 'n mir1? 216 Vgl. PsSal 8,24. 217 Vgl. z.B CAMPONOVO, Königtum 200. 218 MORAWE, RdQ 4, 323—356, hier 327. Morawe bemerkt jedoch nicht, daß die PsSal hier mit Psalmen und Psalmgruppen der Hebräischen Bibel übereinstimmen (vgl. aaO. 343). 213

2. Eine Klagekomposition

111

im Vergleich

des Psalms mit einer solchen Formel (Ps 18,47; 28,6; 31,22; 124,6). Wirkungsgeschichtlich für die jüdische Liturgie ist dabei der mit einem Personalpronomen erweiterte Segensspruch Ps 119,12 und IChr 29,10 wichtig: Gepriesen

seist du, Jhwh...

. . . mrP HfiX

Dieser Segensspruch wird mit folgendem Nomen bzw. Partizip verwendet. Vergleichbare Formeln finden sich insbesondere aber auch in Psalmanfängen der spät- bzw. frühnachkanonischen Zeit. 219 Diese literarische Verwendung bezeugt einen Zusammenhang zur Erbauungsliteratur dieser Zeit, wie sie auch durch eine andere Formel naheliegt. Diese weitere geprägte Formel gibt es am Anfang zweier Psalmen Salomos: PsSal 6 und 10 beginnen mit nax&Qiog avf|o („Glücklich der Mann") mit folgendem Relativsatz, einer Formulierung, die aus der Septuagintaübersetzung des Anfangs von Ps 1 und der '"ltPX - Psalmen 220 bekannt ist. PsSal 10 nimmt als Weisheitspsalm in der Mitte der Komposition eine Stellung ein, die mit der Edition der Psalmen Salomos verbunden ist. 221 Unklar ist jedoch die kompositorische Stellung und Funktion von PsSal 6. Inhaltlich beschreibt PsSal 6 das morgendliche Gebet des Hausvaters. 222 Wie bei den Psalmgruppen des Psalters lassen sich die Verbindungen zwischen den Einzelpsalmen nicht nur durch Überschriften, thematische und StichWortverbindungen zwischen einzelnen Psalmen herstellen. Die Sammlung der Psalmen Salomos läßt sich auch innerhalb des formgeschichtlichen Grundschemas der Psalmgruppen verstehen. Die Sammlung beginnt wie die Teilüber die Entweisammlungen der Asaphpsalmgruppe mit der Themenklage hung des Heiligtums (PsSal 1). 223 Diese Themenklage wird im folgenden Psalm theologisch vertieft, indem die Entweihung des Heiligtums mit den Sünden der Israeliten in Verbindung gebracht wird. Bezieht sich der erste Psalm eventuell 219 L X X D a n 3,26 (Gebet Asarjas). 52 (Gebet der drei Männer); Tobias 3,11; 8 , 5 . 1 5 - 1 7 ; 11,14; Judit 13,17f.; IMakk 4,30; Luk 1,68; 2Kor 1,3; Eph 1,3; IPetr 1,3 (Zählungen richten sich im Zweifelsfall nach der LXX). 220 Ygj insbesondere Ps 112 und 119. 221 Vgl. die Mittelstellung von Ps 127f. in den Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. 222 Das ist zusammen mit den "|l"0-Formeln an gliedernder Stelle ein Element, das die Psalmen Salomos mit dem Achtzehn-Bitten-Gebet gemeinsam haben, siehe dazu unten II.3.5.1. 223 y g j bereits FRANKENBERG, Datierung. Das Problem der formgeschichtlichen Einordnung der Psalmen Salomos ist in der Forschung mit einem gewissen Recht problematisiert worden. Bereits für Gunkel/Begrich sind die Psalmen Salomos Beispiel für die „Auflösung der Formen" (GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 264). Krasser noch urteilt CAMPONOVO (Königtum 206):

„Die am atl Psalter orientierten Kriterien erweisen sich als ungeeignet." Da die Probleme einer auf reine Formen bedachten Gattungsforschung aber bei den kanonischen Psalmen nun auch nicht gerade klein sind (vgl. oben 1.3 die Kritik der Formgeschichte durch WEISS und die weiteren dort behandelten Problemfälle), sind die Probleme der Zuordnung der PsSal zu den Psalmgattungen mit denen der alttestamentlichen Gattungsforschung durchaus zu vergleichen (vgl. die von CAMPONOVO, Königtum 206 Anm. 24 genannte Literatur). Generell ist durch die weisheitliche Formung der Psalmen Salomos eine Gattungsmischung und Häufung kompositorischer Motive zu beobachten.

112

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

auch auf den Frevel in der Hasmonäerzeit, so beklagt PsSal 2 den Untergang des zweiten Tempels. 224 Die Psalmen Salomos haben mit der Thematik der Entweihung des Heiligtums durch die Sünden der Israeliten und der Anrufung Gottes als Richter und König eine enge thematische Verbindung zur Theologie der Sammlung von Asaphpsalmen (PsSal 2,30—32): 225 criköc; ßaoiXeijg em xcöv ot'oavcöv xai XQivorv ßaaiXeic xai äoyaq . . . xai vi3v i'öexe, ot iieyiaiävEg xfjg yfjg, xö xgi|ia xoü X U Q I O U , öxi neyag ßaaiXeiJc xai öixaiog xoivarv xf)v im' oioavöv. Dieser ist König im Himmel und richtet Könige und Gewalten... Und nun seht, ihr Großen der Erde, das Urteil des Herrn, weil er ein großer König ist und die unter dem Himmel gerecht richtet. Der Einleitungsteil der Psalmen Salomos wird mit der Aufforderung zum Lob (PsSal 3) abgeschlossen. Es folgen in den Psalmen PsSal 4—8 verschiedene Klagepsalmen. PsSal 9 und 10 bilden als Weisheitspsalmen die Mitte der Komposition. 226 Der Schluß der Komposition ist durch Hymnen (PsSal 11 und 14), Danklieder (PsSal 15 und 16) und Königs- bzw. messianische Psalmen PsSal 17 und 18227 geprägt. Hier am Schluß wird auch das Eingangsmotiv der Entweihung Jerusalems wieder aufgegriffen (PsSal 17,25—33). Am Anfang des Schlußteils finden sich noch je ein Klage- und Vertrauenslied (PsSal 12 und 13). 228 Die Gesamtkomposition entspricht damit dem Kompositionsschema mit seinem Gesamtgefälle von der Klage zum Lob, das wir bereits bei den Wallfahrtskompositionen im Psalter vorfanden und das in den Asaphpsalmen variiert wurde. Die kompositorischen Schwierigkeiten der Überlagerung der formgeschichtlich linearen Struktur von der Klage zum Lob und der zentralen Struktur um die Weisheitspsalmen gleichen denen bei den Wallfahrtspsalmen Psl20ff. Besonders markant ist dabei die Weiterführung der Danklieder, in denen aber auch noch Bitten stehen (PsSal 16,6ff.), durch die Jhwh-König- und Messias-Psalmen PsSal 17 und 18: Die endgültige Rettung wird erst vom Mes224 v g l . die Anspielung auf das Ende des Pompejus PsSal 2,30. Gegenüber PsSal 1 ist damit die zweite Themenklage PsSal 2 wohl erheblich später anzusetzen. 225 v g l . auch die Parallelisierung beider Ereignisse mit der Schilderung der Wegführung in die Gefangenschaft PsSal 2,6. 226 v g l . insbesondere P s l 9 ; 78 und 127f. (siehe bes. unten II.4.2). PsSal 9 hat mit seiner Reflektion über Geschichte zudem enge Beziehungen zum vorhergehenden PsSal 8. 227 PsSal 17 verbindet verschiedene Motive von der Länge des Menschenlebens (v. 2, vgl. Ps90) bis zur Geschichtsbetrachtung, insbes. die Erwählung Davids und der Abfall der Davididen (v. 5ff., vgl. insbes. Ps89, aber auch Ps78 und 106). Umfassendes Thema ist aber das Königtum Gottes (v. 1.4.51, vgl. neben Ps93 und 9 5 - 9 9 insbes. IChr 17,14, wo das davidische Königtum von Gottes Königtum abgeleitet wird). CAMPONOVO (Königtum 207—228) arbeitet deutlich das Gewicht der Gott-ist-König Thematik in der Komposition der Psalmen Salomos heraus, indem er den Anfang (PsSal 1 und 2), den schwierig einzuordnenden PsSal 5 und den Schluß aufeinander bezieht. 228 v g l . Ps 130 als Wiederaufnahme der Klage nach dem Mittelteil Ps 1 2 5 - 1 2 9 . Dazu insbesondere oben II.1.2.

2. Eine Klagekomposition

im Vergleich

113

sias erwartet. Die Gesamtkomposition erhält somit den Charakter eines ins eschatologische zielenden Lobpreises, der das Präsens der Klage überhöht. Die Komposition ist damit gleichzeitig Klage- und eschatologische Hymnenkomposition. Es fehlt die weisheitliche Rahmung der Komposition. Aber die Einzelpsalmen sind insgesamt weisheitlich geprägt, besonders im Mittelabschnitt. 229

2.4 Zwischenergebnis: Zur Formgeschichte der Klagekompositionen Eine eigene formgeschichtliche Ordnung der Klagekompositionen gegenüber den Wallfahrtspsalmsammlungen ergab sich nicht. Die einleitende Themenklage kann durch ein Orakel abgeschlossen werden. Im Fall der Asaphpsalmen schlagen wir die Bezeichnung Orakelpsalm für Ps75 und 81 vor. 230 Die Klagekompositionen sind gegenüber den Wallfahrtspsalmsammlungen um den Hymnenschluß verkürzt. Entsprechend fehlt das Danklied, das den Vollzug der Rettung anzeigen würde. Da der hymnische Schluß fehlt, ist in der Komposition eine Leerstelle angezeigt: Eine Erwartung wird geweckt, 231 aber nicht erfüllt. Vom Spannungsbogen her setzt daher die Klagekomposition das vorher beschriebene Schema der Sammlungen von Wallfahrtspsalmen voraus: Die Klage ist auf künftiges Lob und Dank offen, sie wird in Erwartung künftigen Lobes und Dankens angestimmt. Als Bezeichnung für die Gesamtkomposition legt sich damit die Bezeichnung Klageliturgie nahe, wir könnten auch mit stärkerer Betonung des Orakelelementes und belastet mit einer Hypothese hinsichtlich der Person, die die Orakel spricht, prophetische Liturgie sagen. Von der Verbindung der Themenklagen mit dem eschatologischen Schluß in PsSal 17 und 18 legt sich eine solche Bezeichnung auch für die Psalmkompositionen mit Hymnenschluß nahe, sofern dieser Hymnenschluß eschatologisch zu verstehen ist, doch sind die Psalmen Salomos sicher nachkultisch zu verorten. Die nachkultische Verortung legt sich bei den hier zusammengestellten Psalmgruppen auch insofern nahe, als sie thematisch um die Zerstörung des Tempels und Jerusalems und deren Folgen kreisen. 232 Von daher haben diese Psalmkompositionen auch nicht lokal die Bewegung von der Fremde nach Jerusalem. Die Themenklage als Klagelied des Volkes ist den Asaphpsalmgruppen mit den beiden Korachpsalmgruppen gemeinsam. Deswegen liegt trotz des unterschiedlichen Schlusses beider Typen von Sammlungen eine gemeinsame Verortung beider Gruppen in einer ähnlichen Situation nahe. Verwandt sind beide 229

Vgl. die Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. (dazu oben II.1.2). 230 v g l insbes. auch Ps95. Keine der hier zusammengestellten nachasaphitischen Klagesammlungen hatte Orakelelemente. 231 Vgl. bes. Ps75,10. 232 Als eine Klagekomposition, die nicht die Zerstörung Jerusalems zum Gegenstand hat, ist das Hiobbuch beschreibbar (vgl. dazu MILLARD, WUD 22, in Weiterarbeit von WESTERMANN, Aufbau, u.a.).

114

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

Gruppen vom Überschriftensystem her zudem als Psalmgruppen von Leviten. 233 Die Asaphpsalmen erweisen sich als eine in der Zeit des zerstörten ersten Tempels komponierte Gruppe. Der formgeschichtliche Vergleich mit den Threni als im Kern frühexilische Komposition und Jes 40—55 als im Kern spätexilische Komposition sprach für eine Ansetzung in der mittleren Phase der exilischen Zeit, nicht unmittelbar nach 586, aber vor dem Einmarsch von Kyros in Babylon 539, weil eine konkrete Wende der Not noch nicht ersichtlich ist. Diese Hinweise sind im dritten Hauptteil aufzugreifen. Bei der Asaphpsalmsammlung waren die Weisheitselemente auf die Rahmenstellen verteilt, sie fehlten allerdings ganz am Schluß der Sammlung. Vom formgeschichtlichen Vergleich mit der Sammlung der Psalmen Salomos zeigte sich deren durchgängige weisheitliche Formung und Gattungsmischung, die bei gleicher Thematik der Klage, der Zerstörung des Heiligtums, den großen zeitlichen Abstand zwischen beiden Sammlungen sicherstellten. Daß solche Trauergottesdienste immer wieder stattgefunden haben, ist auch für die makkabäische Zeit, in der wir keine solche Komposition verorten konnten, durch IMakk 3,50—54 belegt. Die nahezu durchgehenden Weisheitsmotive in den Psalmen Salomos erlauben folgendes Urteil: „Die Beschäftigung mit der deutero- und nachkanonischen Psalmenliteratur ergibt, daß die Sapientialisierung und damit der didaktisch-individualistische Trend der Psalmendichtung stetig zunimmt und mithin in der unmittelbar vor- und nachchristlichen Ära im Judentum sehr im Schwange war." 2 3 4

In den Psalmen Salomos fehlt insbesondere das Orakelmotiv. Die weisheitliche Edition setzt hier wie bei den Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff. ihre Psalmen ins Zentrum, doch sind die Psalmen Salomos insgesamt weisheitlich geformt. Auch bei den Psalmen am Schluß des vierten Psalmbuches Ps 101 ff. finden wir wohl einen weisheitlichen Anfang, die Fortführung mit einer Themenklage und die Wende hin zur hymnischen Stimmung. Gleichwohl legt sich ihr Verständnis als ursprünglich selbständige Gruppe keineswegs nahe, da das Orakel nicht vorhanden bzw. deplaziert ist und da die gemeinsame Überschrift fehlt. Wir werden auf diesen Kompositionsbogen im Zuge des folgenden Kapitels, das die Reihung von Psalmen gleicher Gattung bespricht, zurückkommen müssen.

233

Vgl. zur Übersicht Tabelle 1 unten in Kapitel II.4.1 S. 162. FÜGLISTER, in: Beiträge 319-384, hier 357. Füglister verweist bereits auf WILSON, Editing 143.207; CHILDS, Introduction 513. 234

3. Clusteranordnungen

von Psalmen

115

3. Clusteranordnungen von Psalmen 3.1 Die Sammlung von Davidpsalmen

im elohistischen

Psalter

Die beiden bisher behandelten Typen von Kompositionen von Psalmengruppen hatten ein gemeinsames Kennzeichen: Im Fortgang der Gruppe wechselte nahezu von Psalm zu Psalm die Gattung des Einzelpsalms. Gelegentlich fanden wir lediglich zwei oder gar drei 235 Psalmen, innerhalb derer der formgeschichtliche Bogen bei unserem grobrastigen und im wesentlichen synchronen Durchgang nicht weitergetragen wird. Im Fall von Ps 86, dem Davidpsalm innerhalb der zweiten Sammlung von Korachpsalmen, erweist sich eine solche Stelle bereits vom Überschriftensystem her als Eintragung, die vermutlich mit dem Ausbau am Schluß der Sammlung (Ps89) in Verbindung steht. Für weitere Stellen werden wir dies noch vermuten. 2 3 6 Mit dem Gattungswechsel von Psalm zu Psalm baut sich innerhalb der Gruppe ein Spannungsbogen auf, der die Gruppe zusammenhält. Nun gibt es aber im Psalter wie in den Threni und den Hodajot 2 3 7 auch Sammlungen von Psalmen, in denen weitgehend Psalmen gleicher Gattung zusammenstehen. Derartige Gruppen von Psalmen gleicher Gattung finden sich als Klage- bzw. Vertrauenslieder unter den Davidpsalmen (Ps 3 - 7 ; 11-14; 2 5 - 2 8 ; 5 1 - 6 4 ; 140-143) und als Loblieder zumeist unter den Psalmen ohne Personenüberschrift (Ps95-100; 103-107; 111-118; 134-136; 145 — 150; vgl. jedoch auch Ps46—48 als Korachpsalmen und Ps65—68 als Davidpsalmen). Einen Teil dieser Gruppen von Lobliedern haben wir bereits Kompositionen mit vorhergehendem Klagelied zugewiesen, so verstanden wir Ps 102 im Kontext von Ps 101 — 106, und Ps 135f. legte sich als Erweiterung der Sammlung von Wallfahrtspsalmen nahe, die vom System der Überschriften nur durch den Hymnus Ps 134 abgeschlossen sind. Gehen wir deshalb im folgenden die weiteren Cluster mit der Fragestellung durch, wie sich die Cluster zum bisher beobachteten formgeschichtlichen Grundschema der Folge Klage-Hymnus in weisheitlicher Rahmung verhalten. Wir werden schließlich nach dem Durchgang durch die verschiedenen Gruppen am Beispiel zweier nachkanonischer Psalmsammlungen Überlegungen zur situativen Verankerung von Clusterkomposition und des Klage-Hymnus-Schemas anschließen. Auch in der Davidpsalmsammlung Ps51ff. ist ihre Komposition nach der formgeschichtlichen Abfolge von Klage und Hymnus/Danklied mit retardierendem Klageschluß offensichtlich. Bei einer Übersicht über die Gattungen innerhalb dieser Sammlung ergibt sich ein deutlicher Schwerpunkt der Klagelieder des Einzelnen am Anfang der Sammlung von Davidpsalmen, der im wesentlichen nur in Ps65—68 durch eine Gruppe von Hymnen und Danklie235 Dieser Fall erscheint nur bei Hymnen (Ps 113-115; 134-136). Im Fall des Ägyptischen Halleis sind jedoch die Abgrenzungsprobleme und das Gattungsproblem von P s l l 4 als Hymnenfragment zu berücksichtigen, Ps 135 und 136 sind nachgetragen. 236 Siehe unten III.1.3.3 und 1.4 zu Ps43; 47und 48. 237 So bereits der Hinweis von WESTERMANN, Sammlung.

116

Teil II: Eine Formgeschichte der

Psalmengruppen

dem unterbrochen wird. Anschließend kehrt die Sammlung wieder in die Klage zurück. 3.1.1 Der einleitende Klagecluster (Ps 51—64) Wegen der langen Sammlung von Klageliedern (Ps 51—64) könnten wir hier am ehesten im Sinne der Westermannschen Hypothese von der ursprünglichen Zusammenordnung gleichartiger Psalmen 238 einen historischen Kern des Psalters vermuten. Doch wenn wir diesen hypothetischen Kern des Psalters näher betrachten, stellen wir fest, daß er deutliche Spuren von Überarbeitung aufweist, die das Textmaterial für eine solche vermutlich ursprüngliche Sammlung von Klageliedern erheblich schwinden läßt. Wir sahen bereits beim ersten Psalm der Sammlung, Ps 51, wie er in der vorliegenden Gestalt als Zwillingspsalm mit dem Asaphpsalm Ps50 verbunden ist. 239 Da der Bußpsalm Ps51 gegenüber den folgenden Klagepsalmen mit Feindmotiven 240 eine deutlich andere Haltung einnimmt, werden wir die Positionierung dieses Psalms eher im Kontext der asaphitischen Rahmung der Sammlung von Davidpsalmen zu verstehen haben denn als originaler Bestandteil der vermuteten Sammlung von Klageliedern. Ps52 hat nun W. Beyerlin eine eingehende Untersuchung gewidmet, in deren Ergebnis er Ps52 als Ps49 und 73 verwandten Weisheitspsalm versteht. 2 4 1 Ps49 und 73 sind nun aber die korachitischen bzw. asaphitischen Rahmenpsalmen, die die zweite Sammlung von Davidpsalmen umschließen, was uns im Kontext der Überlegungen zum elohistischen Psalter noch ausführlich beschäftigen wird. 242 Von dem Verständnis von Ps 50 und 51 als Zwillingspsalmen her wird nun deutlich, wie die Rahmung der Davidpsalmsammlung sich mit Ps 52 in die Sammlung von Davidpsalmen hinein fortsetzt. Gleichwohl ist Ps 52 mit den folgenden Psalmen bis Ps 55 durch das Überschriftselement n-SJö1? verbunden. Der folgende Ps 53 ist eine Doppelüberlieferung zu Ps 14. Es gibt Stellen, an denen P s 5 3 deutlich den gegenüber Ps 14 sekundären Text bietet. Zuerst ist die längere Überschrift von Ps53 als Erweiterung zu verstehen. Weiterhin erläutert P s 5 3 , 2 b mit Vi» das blasse ni7,,?sr aus P s l 4 , l b . 1 0 ( P s l 4 , 3 a ) wird in 10 ( P s 5 3 , 4 a ) präzisiert. D a ß P s 5 3 gegenüber P s l 4 die ungewöhnlichere Sprache bevorzugt, wird auch durch iVs ( P s 5 3 , 4 a ) gegenüber Van (Ps 14,3a) deutlich. D o c h ist auch hier wohl eher P s 5 3 gegenüber P s l 4 im Ausdruck gesteigert, als daß P s l 4 sprachlich geglättet hätte. Umgekehrt scheint jedoch Ps 14 in v. 2 die elohistische Sprache beibehal238 WESTERMANN, Sammlung 336f. 239

S. o. 1.2.1 zu den Zwillingspsalmen. BEYERLIN, Rettung 23ff. 129ff., zählt Ps54; 55; 56; 57; 59; 62; 63 und 64 zu den Feindklagepsalmen. Doch haben auch die anderen Psalmen dieser Sammlung (insbesondere Ps58 und 61) Feindmotive. Zum Problem der Differenzierung innerhalb der Gattung Klagelied des Einzelnen s.o. 1.3.5. Zu Ps58 vgl. II.2.1 (S. 98f.). 241 BEYERLIN, 52. Psalm 108ff. 242 S.u. III.1.2.1. 240

3. Clusteranordnungen

von

117

Psalmen

ten zu haben, was für Ps 53 als älteren Psalm spricht. Weiterhin gibt es andere Stellen, in denen die Richtung der Textabweichung nicht deutlich wird, insbesondere in der langen Passage Ps 14,5f./53,6: • m a n n s a t f 14,5 p ^ x n n a D , n''?s- , 3 w ' a n ' j s - n s » 14,6 :inpna m;r i n s rrn-N1? irjs-nrjs Qt? 53,6 •nj'n xriaxs? t t d n ' n ' ^ p : ? nnwag DDijn c n W " ' ? Dort haben sie sich gewaltig erschrocken, denn Gott ist im Geschlecht des Gerechten. Am Plan gegen den Armen werdet ihr scheitern, denn Jhwh ist seine Zuflucht. (Ps 14,5f.) Dort haben sie sich gewaltig erschrocken, (wie bisher) kein Schrecken war, denn Gott hat die Gebeine des Belagerers zerstreut. Mache zu Schanden, denn Gott hat sie verworfen. (Ps53,6) -

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Eine erste Sichtung dieses schwer verständlichen Textes läßt wieder Ps53 als den gegenüber Ps 14 erweiterten Text erscheinen. Insbesondere das nicht völlig verständliche "ins rPn'X1? (Ps53,a) schießt in Ps53 gegenüber Psl4 über. Der Hinweis auf den Gerechten (p'IS) und den Armen ('IS) fehlt nun in Ps 53, während in Ps 14 kein Hinweis auf einen Belagerer (T]: n) zu finden ist. Das macht deutlich, daß beide Aussagen in völlig verschiedenen Horizonten erscheinen: Spricht Psl4 in der Sprache der psalmentypischen Armentheologie, so greift Ps53 die Sprache des Krieges auf, genauer gesagt, die Sprache des Jhwh-Krieges. 243 Die Vorstellungswelt des Jhwh-Krieges gibt auch einen Hinweis auf den eingefügten Kurzsatz i n s rprrN1?, der das für den Jhwh-Krieg typische Motiv des Gottesschreckens einführt. 244 Beide Psalmen haben also einen unterschiedlichen Vorstellungshintergrund: Weist Ps53 eher auf einen militärischen Hintergrund, so hat Ps 14 den Hintergrund eines Konfliktes zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb von Israel. Von dem Kontext von Ps52 her wird nun auch deutlich, wie die Kriegsmotivik in den Psalm hineinkommt: Ps 52 und 54 sind in der Überschrift als Psalmen in der Verfolgungszeit Davids gekennzeichnet, Ps 53 reflektiert genau dies durch die Einfügung des Belagerers Cnjn). Auch innerhalb von Ps 54—64 gibt es weitere deutliche Unterschiede, die ein undifferenziertes Verständnis der Psalmensammlung ausschließen: Völlig aus dem Rahmen fällt Ps 58, der die Gerichtsthematik behandelt. 2 4 5 Ebenso eigen243

Vgl.

Heiliger Krieg; WEIPPERT, Z A W 8 4 , 4 6 0 - 4 9 3 ; vgl. auch SCHUNCK, VT und JEREMIAS, Theophanie. 244 vgl de,-, militärischen Kontext in den midraschartigen Überschriften in Ps 52ff. 245 S.o. S.98f. Zum Motiv der Zahnverletzung (Ps58,7) als normalem Bestandteil der Rechtsdurchsetzung in biblischer Zeit vgl. jetzt CRÜSEMANN, Tora 191. VON R A D ,

14,319-330,

118

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

ständig ist Ps60 als Volksklagelied, das als solches gattungstypisch explizit ein Orakel hat. 246 Zu unterscheiden sind weiterhin Klagepsalmen mit deutlichem Vertrauensteil 247 und die Psalmen mit midraschartiger Überschrift 248 , die in diesem Teil des Psalters einen deutlichen Stellenschwerpunkt haben. Doch ergeben weder die Überschriften einen durchgehenden Erzählsinn, wenn wir sie hintereinander lesen, 249 noch sind die überschriftslosen Psalmen deutlich in ein mit den midraschartigen Psalmen gegebenes Gesamtgefüge integriert. Es liegt daher nahe, daß die midraschartigen Überschriften in dieser Psalmgruppe nicht mit der Gesamtkomposition dieses Teils des Psalters in Zusammenhang stehen. 250 Diese Überschriften ergeben jedoch einen kontextuellen Sinn in Zweiergruppen. So finden sich beispielsweise Ps56f. und 59f. in der auch von den Samuelbüchern her bekannten Reihenfolge. Der Psalm dazwischen, Ps 58, hat ein deutlich anderes Gepräge 251 , so daß er aus der Kleingruppe der Psalmen mit dem Überschriftselement DflDH (Ps56—60) deutlich herausfällt. Die anderen Psalmen gruppieren sich vermutlich auch in Zweiergruppen um diese Psalmen herum. 252 Ein möglicher Sitz im Leben dieser Psalmen ergibt sich aus ihrem Thema: die Klage gegen Feinde, die in den Überschriften als militärische Bedrohung gekennzeichnet sind. 253 Das legt als Kontext zunächst einmal die staatliche Existenz Israels nahe. Doch selbst eine solche Minimalaussage ist für alle Psalmen der Gruppe keineswegs selbstverständlich. Eine andere Verortung legt sich von Ps 61 her nahe. Die Schilderung der Not des Beters ist extrem kurz und unkonkret. Der Beter befindet sich an den Enden der Erde 254 , er will 246 Ps57 und 60 sind in Auszügen zu Psl08 neu kombiniert. Zum literarkritischen Vergleich der Texte s.o. 1.3.4.2. Psl08 ist auch als Textverweis deutbar, der den Vorbau des Ägyptischen Hallels an den bereits bestehenden Psalter anbindet (dazu oben S. 82ff.). 247 Zu Ps 62 hat dies insbesondere STOLZ, Psalmen 50ff., betont. 24 » Ps51; 52; 54; 56; 57; 59; 60 und 63. 249 Beispielsweise steht der Hinweis auf die Geschichte von der Ergreifung Davids in Gath (lSam 21,11 ff. in Ps56,l) hinter dem Hinweis auf den Verrat Davids durch die Sifiter (lSam 23,19; 26,1 in Ps54,2). Die Anspielung auf lSam 19,11 (Ps59,l) folgt der auf lSam 22,1 (Ps57,l). 250 Ähnlich Ps 34 und 142. Zu Ps 3 und 7 siehe hingegen II.3.22. Zu Ps 18 siehe II.3.3. 251 S.o. II.2.1 (S.98f.). 252 Nehmen wir nun die midraschartigen Überschriften als zusätzliche Texttrenner, so ergeben sich bei den Feindklagepsalmen auch für die anderen Psalmen jeweils Zweierpaare: Ps52f.; 54f.; 63f. Die Bedeutung von Ps52f. als Einleitung der Komposition sahen wir bereits. Ps 54 f. verbindet das besonders für den Zusammenhang zu Ps 65 ff. wichtige Anfangsmotiv der Bitte um Gebetserhörung, der Parallelismus Ps54,4 ist dabei in Ps55,2a zu einem Ausdruck zusammengezogen (s.u. Anm. 266). Doch sind auch andere Zuordnungen möglich. Bei den letzten vier Psalmen lassen sich auch Ps62f. aufgrund ihrer gemeinsamen Bezeichnung von David als König zusammenordnen, was für die Zeit, in der sie sich vom Kontext her geben, der Zeit der Kämpfe Davids gegen Saul, bemerkenswert ist, und Ps61 und 64 wegen der gemeinsamen Einleitung mit einer Bitte um Erhörung. 253 Das schließt für die Betrachtung der vorliegenden Texte, d.h der Psalmen einschließlich der Überschriften, Theorien wie die beispielsweise von M O W I N C K E L (Psalmenstudien I ) , die Feinde seien Zauberer, aus. 254 i n p s T ' j s f~li13 als Eigenname verstanden und aus dessen Fehlen in den Samuelbüchern geschlossen, daß hier auf eine biblisch nicht erzählte Begebenheit verwiesen wird. 3 2 8 BH3 ist jedoch im Sprachgebrauch der Bibel Name eines Landes bzw. eines Volkes. 3 2 9 In der Völkertafel Gen 10, in der Völker genealogisch geordnet sind, und in deren Aufnahme in IChr 1 wird u. a. auch tP13 zu einer Person, die Söhne haben kann. 3 3 0 Ähnlich ist auch die Überschrift Ps 7,1 zu verstehen: es geht um einen Kuschiter ('B^S). 331 In der gesamten deuteronomistischen Davidsgeschichte wird nur an einer Stelle ein Kuschiter erwähnt: 2Sam 18,21ff. Ein Kuschiter, also ein vermutlich versklavter Neger, den die Überschrift von Ps7 dem Stamme Benjamin zuordnet, wird als Überbringer der schlechten Nachricht für David vom Tode seines Sohnes Absalom ausgewählt. 3 3 2 Daß als Bote für die Nachricht vom Tod des Königssohnes ein Negersklave gewählt wird, wird nicht zuletzt mit dem Risiko einer solchen Botschaft für den Boten zusammenhängen. Die Psalmen mit midraschartiger Überschrift Ps 3 und 7 schließen Ps 4—6 ein, die über das Überschriftensystem zu einer Kleinstgruppe verbunden sind. 3 3 3 Ps 3—6 spiegeln die 327 ijip'"!! wird üblicherweise von den Exegeten zusammengezogen. Anlaß der vorliegenden Auseinanderziehung des Namens wird ein Etymologieversuch zur Entstehung des Namens des Stammes Benjamin sein. 328 Z. B. A U G U S T I N / K E G L E R , Bibelkunde 273; G U N K E L , K R A U S und W E I S E R z. St. 329 Gen 2,13; Jes 11,11; 20,3.5; 43,3; Jer 46,9; Ez 30,4f. 9; 38,5 u. ö. 330 Gen 10,7 und IChr 1,9. 331 Vgl. BHS z. St. 332 vgl di e Wiederholung des Motivs, daß Absalom nicht sterben soll (2Sam 18,5.12ff.). 333 Ps4—6: TH1? -riara . . . nsja'?. Ps4 und 6 haben zudem das Element niJ'lJa gemeinsam.

132

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

Abfolge von Abend (Ps4,9) 3 3 4 und Morgen (Ps5,4) wider bzw. reflektieren die Situation der Nacht und des sich Niederlegens allgemein (Ps3,6; 6,7). Diese mehrfache Abfolge von Abend und Morgen paßt gut zu dem entscheidenden Motiv der deuteronomistisch überlieferten Absalomgeschichte, daß eine Nacht Zeitgewinn der entscheidende Faktor für Davids Sieg war. Das Motiv des Sich-Niederlegens und Aufstehens in Ps3—6 ist also ein zentraler Bestandteil der Interpretation des Textzusammenhanges von Ps3ff. als Midrasch zur Absalomgeschichte. Entsprechend fehlt dieses Motiv in Ps7, wo bereits auf den Sieg Davids in der Überschrift hingewiesen wird. Von der Interpretation von Ps 3ff. her betet David in dieser Nacht, die für seinen Sieg entscheidend ist. Bei dem Verständnis von P s 7 stehen wir vor dem Problem, daß dieser Psalm als Klagepsalm von einer Feindbedrohung ausgeht, die auf den ersten Blick nicht recht zur Überschrift passen will. Doch wenn wir den Duktus der Absalomgeschichten weiterverfolgen, so wird beispielsweise von erheblichen Widerständen innerhalb der Bevölkerung gegenüber David nach dessen Rückkehr berichtet (2Sam 19,10ff.). Nicht zuletzt ist in der Darstellung des deuteronomistischen Geschichtswerkes der Aufstand Schebas (2Sam 20) Folge des beschädigten Ansehens Davids. D a ß die Überschrift von P s 7 gegenüber dem restlichen Psalm nicht völlig isoliert ist, wird auch deutlich, wenn wir die ausführliche Reflektion über den verdienten Tod des Frevlers (v. 13—17) mit der Absalomgeschichte vergleichen: der Tod des aufständigen Sohnes erscheint in der Sicht der Belohnung des Frommen und des Todes der Gottlosen zwangsläufig. Mit d e m D a n k - und L o b g e l ü b d e P s 7 , 1 8 leitet die Clusterkomposition Ps3—7 zu P s 8 ü b e r . 3 3 5 Im G e g e n s a t z zu d e m Schwerpunkt der P s a l m e n mit midraschartigen Überschriften im elohistischen Psalter konstituieren also die midraschartigen Überschriften im K o m p o s i t i o n s b o g e n , der den Psalter eröffnet, e i n e n psalmübergreifenden T e x t z u s a m m e n h a n g . 3 3 6 P s 8 ist ein H y m n u s des E i n z e l n e n 3 3 7 und relativ w e n i g mit d e m Kontext verbunden. Mit P s 3 — 7 und d e m f o l g e n d e n Kontext hat Ps 8 das M o t i v der F e i n d e g e m e i n s a m . 3 3 8 D e r B e t e r reflektiert zwar nicht über e i n e n e r w a c h s e n e n S o h n , w o h l aber über Kinder (v. 3 f f . ) und über die von G o t t g e g e b e n e Macht (v. 6 f f . ) . 3 3 9 P s 8 steht damit nicht völlig außerhalb der K o m p o s i t i o n , er bleibt aber ein sperriger P s 3 - 7 sind also insgesamt vom Überschriftensystem her chiastisch gebaut. Ps5 ist hierbei Mittelpunkt. 334 Die enge Verknüpfung von Ps3 und 4 ist des öfteren in der Literatur notiert (z.B. B U D D E z . S t . , d a g e g e n KRAUS 1 6 6 ) . 335

336

ZENGER, FS Füglister.

S.o. jedoch II.1.1 den Hinweis auf Kleingruppen von jeweils zwei Psalmen in der elohistischen Davidpsalmsammlung, die ggf. einen Zusammenhang konstituieren können. Zum Problem der nicht in das chronologische System der Samuelbücher passenden Überschriften vgl. bereits bBer 10a zu Ps 3 und 57. 337 Zu den Problemen dieser Mischgattung siehe CRÜSEMANN, Studien 285 ff. 338 („deine Gegner") und TIN („Feind", Ps 8,3). Zum Suffix, das aus Davids Feinden Gottes Feinde macht, vgl. auch Ps66,3 u.ö. Ähnlich SEYBOLD, Psalmen 107. Dort finden sich insbesondere auch Hinweise auf die Schildmetapher in Ps 3; 5 und 7. 339 Ygi ¿ig Interpretation des Psalms auf den königlichen Menschen nicht nur in der skandinavischen Schule (Demokratisierung der Königstradition, ähnlich auch WEISER 65: „Die Ausdehnung der Davidsüberschriften auf andere als Königspsalmen...").

3. Clusteranordnungen von Psalmen

133

Psalm im Kontext. In Ps 9 sind nun die Feinde des Beters zurückgewichen (v. 4) und getötet (v. 7). Von daher legt sich ein neues Verständnis der Überschrift von Ps 9 nahe ( P s 9 , l ) : in 1 ? Tima ta1? mrf?» raun1? In diese wird üblicherweise die Präposition "75? eingefügt, was heißen würde: „Für den Vorsänger, nach der Weise der jungen Frauen (lllB'jtf"'??), für den Sohn, ein Lied Davids." 340 Dieses Verständnis stützt sich auf Ps 46,1, wo aber ausdrücklich ein zusätzliches im masoretischen Text steht. Ist nun ein Verständnis des masoretischen Textes auch ohne Einfügung möglich? Nun gibt es den Ausdruck mö'^S am Schluß von Ps 48 in zwei verschiedenen Bezeugungen, und zwar mit und ohne das worttrennende Maqef. 341 Die modernen Kommentare übersetzen oft, wenn sie den Ausdruck überhaupt übersetzen, 342 die Version ohne Maqef, die ma1?» als ein einziges Wort auffaßt, was aber die Zufügung eines weiteren Vs bedingt. 343 Der Text des Codex Leningradensis und des Codex Aleppo mit Maqef ist aber verständlich und es besteht kein Grund, ihn zu ändern (Ps 48,15b): Er wird uns leiten bis über den Tod hinaus.344

imH"1?^ IJjrir Hin

Zwar ist diese Aussage für den vorhergehenden Kontext von Ps 48 ungewöhnlich, aber sie leitet innerhalb der ersten Sammlung von Korachpsalmen (Ps42—49) von Ps48 zur Vergänglichkeitsklage Ps49 über. Entsprechend haben wir nun zwei Möglichkeiten, den Text von Ps9,l zu verstehen: Entweder fügen wir vor ma^S ein zusätzliches "73? ein oder wir trennen das Wort in zwei Teile. 345 Der geringere und damit zu bevorzugende Texteingriff ist gewiß die Trennung in zwei Wörter, womit sich folgendes Neuverständnis des Verses ergibt (Ps 9,1): lanfnasseah,

wegen des Sterbens, in Bezug auf den Sohn, ein Psalm

Davids.

Bei unserem Versuch, möglichst nah an der masoretischen Textüberlieferung die Überschrift von Ps9 zu lesen, stoßen wir damit wieder auf unser Verständnis von Ps3ff. als Absalom-Midrasch: der Tod Absaloms, den die Überschrift von Ps7 dem kundigen Bibelleser andeutet, wird in P s 9 , l explizit ausgedrückt. Der Tod der Feinde Davids (v. 4.7.18) konkretisiert sich über die Psalmüberschrift im Tod Absaloms. Wie am Schluß von Ps7 reflektiert der Beter dabei das Richtersein Gottes (v. 8ff.). Der durch die midraschartige 340 341

So der Vorschlag der BHS im Anschluß an verschiedene griechische Übersetzungen. Vgl. Apparat der BHS.

342 KITTEL, K R A U S , MARTI Z. S t . 343 G U N K E L (z. St.): „Nach der elamitischen", er ergänzt damit ein bv und zieht den Ausdruck als Überschrift zum folgenden Psalm, ohne jedoch konsequenterweise dies bei der Übersetzung von Ps49 zu berücksichtigen. Sachlich ähnlich K R A U S Z. St. Beachtlich auch die Lesung der Septuaginta, die nia'jS bezeugt. 344 VGL ¿ J E Übersetzungen von W E I S E R . Ähnlich, aber mit einem anderen Verständnis von ma bv die Kommentatoren K Ö N I G („trotz des Sterbens") und DE W E T T E („bis zum Tod"). Diesem Textverständnis, das sich zusätzlich auf die Übersetzung der Peschitta und Hieronymus (BHS z. St.) stützen kann, kommt inhaltlich auch die Auffassung der Septuaginta nahe. 345 Diese Lesart ist m.E. auch durch den an dieser Stelle schwer lesbaren Codex Aleppo bezeugt.

134

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

Überschrift in Ps 3 konstituierte Textzusammenhang setzt sich also bis in Ps 9 fort: Dank und Klage sind aufeinander bezogen. 346 Im Anfangs- und Schlußteil des Kompositionsbogens korrespondieren auch Ps2 und 10 durch einen seltenen Psalmanfang: Beide überschriftslose Psalmen beginnen mit dem Fragewort („warum?"). Im Schlußteil dieses Kompositionsbogens korrespondiert die weisheitliche Prägung der hinteren Begrenzung der Kompositionseinheit mit den weisheitlichen Zwillingspsalmen Ps l f . Ps l f . hat also neben den großkontextuellen Funktionen für den Psalter auch eine kleinkontextuelle Funktion als Einleitung der ersten Kompositionseinheit. Umgekehrt hat der erste Kompositionsbogen als Midrasch der Absalomerzählung auch eine großkontextuelle Funktion mit Bezug auf den bereits vorliegenden Kanon. Während wir die elohistische Sammlung von Davidpsalmen mit Vorbehalt an die Schwelle der frühvorexilischen und frühexilischen Zeit datieren können, ist der erste Kompositionsbogen des ersten Psalmbuches gewiß später anzusetzen. Beim Vergleich der Komposition von Ps3ff. mit der zweiten Davidpsalmsammlung Ps 51 ff. fällt weiterhin auf, daß „David" die Klage wie in der zweiten Davidpsalmsammlung zwar außerhalb Jerusalems ausspricht, 347 daß aber nicht gesagt wird, daß der Psalmbeter zu Lob und Dank nach Jerusalem kommt. 348 Auch der Hymnus Ps 8 im ersten Kompositionsbogen formuliert im Rahmenvers (Ps8,2a.l0): :V"isn-17D3 T i i r n a i r a l g mir Jhw'n, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen. Auch nach dem Wendepunkt des Kompositionsbogens bleibt die Komposition also in der Diaspora verortet. Dem entsprechen inhaltliche Aspekte des Klageclusters: Ps4,6 hat zwar ausdrücklich zu einem Opfermahl nat aufgefordert, aber insgesamt treten die in der zweiten Davidpsalmsammlung tragenden gottesdienstlichen Begriffe der Opferterminologie in dieser Kompositionseinheit doch deutlich zurück. 349 Die Perspektive auf den Tempel wird auch durch Ps5 weitergeführt: Nach einer Selbstprüfung des Beters, was Gott gefällt (in v. 5 - 7 ) , heißt es (Ps5,8a): ^rra xiax ^tpn a^-ia 'jki Aber ich werde in der Fülle deiner Treue in dein Haus gehen. Diese Kombination der Motive der Erinnerung an den Gotteswillen mit dem bevorstehenden Betreten des Gotteshauses erinnert an die sogenannten Tor34« vgl cjazu a u s d e r Formgeschichte der Einzelpsalmen zusammenfassend Crüsemann, Studien 309. 347 Vgl den Übergang von Ps 2 mit der Erwähnung des Zion als Ort des Königs (Ps 2,6) zu Ps3. 348 Der einzige Hinweis auf Jerusalem findet sich über den Begriff des Zion in Ps 9,12. Dort wird aber nur gesagt, daß Jhwh den Zion bewohnt, nicht aber, daß der Beter dort ist. 349 Vgl. auch unten III.1.2.2,1.2.3 und 1.3.1.

3. Clusteranordnungen

135

von Psalmen

einzugsliturgien. 350 Mit der Deutung dieses Motives als Textverweis erwarten wir also, daß wir auch im Duktus der Komposition in den Tempel geführt werden. Die Ankündigung eines Dankopfers wird also in Ps5 verstärkt. Wir haben nun zwei Möglichkeiten: Entweder sehen wir das in Ps4 angekündigte Dankopfer (Hlin) noch innerhalb des Kompositionsbogens in Ps8f. erfüllt, dann entspräche der Kompositionsbogen einer Dankliturgie ohne Opfer in Jerusalem, 351 oder aber Ps4 und 5 haben einen weiträumigeren Textverweis in sich, der erst im folgenden Kompositionsbogen aufgelöst wird. Wir erproben zuerst im Fortgang der weiteren Textbesprechung den letzteren Weg (3.2.3), um nach der Behandlung des Schlusses des ersten Psalmbuches (3.2.4) beide Möglichkeiten in einem Gesamtverständnis des ersten Psalmbuches abzuwägen (3.2.5). 3.2.3 Der Kompositionsbogen

im Zentrum des ersten

Psalmbuches

Einen ersten Hinweis auf Jerusalem finden wir in diesem um Ps 19 zentrierten Kompositionsbogen, der wieder durch Hymnus und Danklied (Ps29f.) abgeschlossen wird, in der Erwähnung des Zion (Ps 14,7): 352 nsnt^ i v s a in? ia? niatf mir a w a nafe? a]?jp Wer wird von Zion her Rettung für Israel geben? Wenn Jhwh das Geschick seines Volkes wendet, wird Jakob lachen, Israel sich freuen. Dieser Schlußvers von Ps 14 steht im Kontext als Einleitung zu Ps 15, einem Psalm, der an seinem Anfang folgende Fragen stellt (Ps 15,1): l^nsa n r - ' a mrr -ina Jhwh, wer darf als Fremdling wohnen in deinem Zelt? Wer darf wohnen auf dem Berg deiner Herrlichkeit? Mit diesen Fragen nimmt Ps 15 die am Schluß von Ps 14 eröffnete Perspektive auf Jerusalem auf: War in Ps 14 von der Rettung vom Zion her die Rede, so geht es in Ps 15 um den Einzug in Jerusalem. Formgeschichtlich wird dieser Psalm in der älteren Literatur als Einzugsliturgie 353 und in der neueren Forschung als weisheitlich nachgeahmte bzw. überarbeitete Einzugsliturgie 354 be350

Siehe unten zu Ps 15; 24 und 101. Vgl. die weisheitlichen Züge von P s 8 - 1 0 . Zum Verständnis des ganzen Textzusammenhanges als weisheitlich-nachkultischer Komposition siehe unten 1.3.2.5. 352 Ps 11 — 14 sind über das Überschriftselement ngia1? zu einer Kleingruppe verbunden. 353 So zuerst wohl MOWINCKEL, Decalogue 141 ff.; vgl. aber auch in der neueren Forschung 351

KOCH, Tempeleinlaßliturgien. 354

Für STEINGRIMSSON, Tor, ist P s l 5 die einzige Einzugsliturgie mit originalem Sitz im

136

Teil II: Eine Formgeschichte der

Psalmengruppen

bezeichnet. Wenn wir die Lokalisierung des Psalmbeters durch den Mi drasch in dem ersten Kompositionsbogen Ps3ff. aufnehmen, heißt dies, daß der Psalmbeter sich nun auf dem Weg nach Jerusalem befindet. Es geht also insgesamt um eine Wallfahrt. Von hierher erschließt sich nun auch die Erwähnung des Zion Psl4,7, die ihre nächste sprachliche Parallele in Ps 126,1 hat, 355 einem exilisch-nachexilischen356 Wallfahrtspsalm. Ähnliches können wir bei Ps24 beobachten, dem in der Chiasmuskomposition entsprechenden Gegenüber von Psl5. Der vorhergehende Psalm schließt mit dem Vertrauensspruch „ich werde bleiben im Hause Jhwhs immerdar" (Ps23,6b). Darauf folgt die Einzugsliturgie Ps24, in der im Unterschied zu Ps 15 sogar konkret von „Türen" und „Toren" (•'"IS!? und DTiriS) gesprochen wird. Während Ps 15 als allgemeine Vorbereitung einer Wallfahrt verstehbar ist, erreicht der Psalmbeter in Ps 24 Jerusalem selbst. Diese großen Linien werden durch die midraschartigen Überschriften grundsätzlich bestätigt. Gleichzeitig verläßt aber der Kompositionsbogen im Mittelteil des ersten Psalmbuches den engen Bezug auf die Absalomgeschichte: Wie im Anhang der Samuelbücher steht nach den Aufstanderzählungen in 2Sam 22 Ps 18.357 Nachdem David in Ps 24 in Jerusalem angekommen ist, kann er „das

Leben im Tempelgottesdienst. B E Y E R L I N , Heilsordnung 5 1 ff. 1 0 5 ff., hat einen solchen Sitz im Leben auch für Ps 15 mit guten Gründen verneint. Er vertritt insgesamt eine Bearbeitungshypothese, also eine literarkritische Aufteilung des Psalms mit einem Sitz im Leben der Schlußform in der nachkultischen Situation. Vgl. dazu bereits W I L L I S , in: Essays 1 4 7 — 1 6 3 , und G R O B / R E I N E L T (Z. St.) sowie den Überblick über die gesamte Diskussion bei H O S S F E L D , FS Reinelt 1 3 5 - 1 5 6 . 355 Vgl. die Parallelkonstruktion Ps 14,7:

las nía® mrr awa nair1 a'ps?

Wenn Jhwh die Gefangenschaft seines Volkes wendet, wird Jakob jubeln, Israel sich freuen. und Ps 126,1 f.:

:r¡?7n3 ir'n li's na'arns? nirp awa NN i^w1?! ir? pinip ¡^a1 TK

Wenn Jhwh die Gefangenschaft Zions wendet - wir sind wie Träumende -, dann wird Lachen unseren Mund füllen und Jubel unsere Zungen. Das syntaktische Verständnis von Ps 126,1 richtet sich nach B E Y E R L I N , Träumende 33 ff. 356 Mit Mosis (Jauchzen) gegen B E Y E R L I N (Träumende), dazu oben 1 . 2 . 3 . 4 , S . 3 8 Anm. 212. 357 Die Überschrift von Ps 18:

Tai va^'s-1?? isa irriK mrr-'rsn ova

... an dem Tag, an dem ihn Jhwh aus der Hand aller seiner Feinde gerettet hatte und aus der Hand Sauls (Ps 18,1b = 2Sam 22,1 b) wirkt in den Samuelbüchern mit der Erwähnung Sauls genauso überfüllt wie im Kontext von Ps 18. Sie rekurriert offensichtlich nicht nur auf den engeren Kontext der Davidgeschichte, sondern will den Einschnitt einer Lebensepoche markieren. Vgl. auch die Entsprechung in der Komposition von 2Sam 21—24 als Chiasmus (Binnenteil: 2 Gebete 2Sam 22,1—23,7; 1.Rahmung: Heldenlisten 2Sam 21,15—22; 23,8—39; 2.Rahmung: Erzählung mit dem Motiv der Hungersnot 2Sam 21; 24).

3. Clusteranordnungen

von Psalmen

137

Haus" (rvan) 358 (wieder) einweihen (Ps30,1). 359 In diese Linien sind wohl Kleingruppen eingefügt, wie etwa die Zwillingspsalmen Ps21f., die eine formgeschichtlich eigenständige Mischung von Danklied und Königspsalm bilden 360 , und Ps 22—24 als Kleinfolge von Klagelied, Vertrauenspsalm und Liturgiepsalm mit anfänglichen kleinen Hymnuselementen. 361 Besonders die Einheit von Ps22—24 ist als originale Einheit einer kleinen Wallfahrtsliturgie zur Einlösung eines Gelübdes (Ps22,26) denkbar. Sie stellt mit dem einleitenden Klagepsalm mit starkem Lobteil (Ps22), Vertrauenspsalm auf dem Weg zum Heiligtum (Ps23, bes. v. 6) 362 und Toreinzugsliturgie (Ps24) inhaltlich wie motivisch ein besonders eng verzahntes Gebilde dar. Demgegenüber finden sich auf der anderen Seite der Chiasmusstruktur Psalmen, die weniger kontextuell verstehbar sind. Ps 16 und 17 fallen von der Überschrift 363 her völlig aus dem Rahmen. Ihr Gefälle vom Vertrauen zur Klage erinnert an die Rückwende von Lob und Dank zur Klage und ist als chiastischer Kontrast zu Ps 22 und 23 zu verstehen. Ps 16 und 17 haben dabei deutlich weniger Kontur und Intensität als ihre Entsprechung im Chiasmus, was sich in der wesentlich größeren Wirkungsgeschichte von Ps 22, Ps 23 und auch von Ps 24 niederschlägt. Der Chiasmus im ersten Psalmbuch hat also ein deutliches Achtergewicht hin zu den makroformgeschichtlich stimmigen Psalmen der zweiten Hälfte. Der ersten Hälfte (Ps 15 — 19) kommt umgekehrt als Ganzer wie Ps 19 als Einzelpsalm ein retardierendes Moment zu. 364 Ein Verständnis von Ps 1 —19 als Einheit scheint hier also wenigstens als zweite Verstehensmöglichkeit angelegt. Es ist zudem auslegungsgeschichtlich als Analogie zum Achtzehn-Bitten-Gebet nachweisbar. 365

Gebete 2Sam 22 + 2 3 , 1 - 7 Heldenlisten 2Sam 2 1 , 1 5 - 2 2 2Sam 2 3 , 8 - 3 9 Erzählung um Hungersnot 2 S a m 2 1 , l —14 2Sam24 358 Normalerweise wird die Überschrift auf den Tempel gedeutet. Zum Problem siehe unten III.3.3.2, bes. S. 231 Anm. 289. 359 Ps 18 und 30 sind auch formgeschichtlich als zweigliedrige Psalmen mit Dankmotiven sehr eng zusammenzusehen (vgl. oben 1.3.2). Zu Ps29 s.u. 3.2.5. 360

361

GUNKELZ. St. S . o . 1.2.1.

P s 2 4 , l f . Vgl. dazu bereits insbes. GUNKEL 101f., sowie trotz seines berechtigten formgeschichtlichen Vorbehaltes auch WEISER (157). 362 Gelegentlich wird Ps23 sogar als Danklied angesprochen (so z . B . SCHOTTROFF, in: Traditionen, u. a.). Dazu oben S. 24f. Anm. 122. 363 Drpa(Ps 16,1) erscheint nur noch in den Überschriften vonPs 56—60, n^' Dp findet sich als Überschrift nur noch in P s 8 6 , l ; 90,1; 102,1; 142,1, also jeweils in Einzelpsalmen mit spezieller kompositorischer Funktion, die in Psalmgruppen eingelagert sind. 364 S . o . die Betrachtungen zu weisheitlichen Psalmen 1.3.4.2. 365 bBer 9b. 10a mit dem Hinweis, daß P s l und 2 als ein Psalm aufzufassen seien. Die weiteren Stellen dieser breitgestreuten und wohl bereits tannaitischen Auslegung s. u. im Ausblick Kapitel 2 (S. 245ff.).

138

Teil II: Eine Formgeschichte der

3.2.4 Der Schluß des ersten

Psalmengruppen

Psalmbuches

Die letzten Psalmen des ersten Psalmbuches sind, wie wir bereits sahen, 366 in Entsprechung zum Anfang des ersten und des Schlusses des zweiten Psalmbuches gestaltet. Wo beginnt nun aber dieser Schlußteil des ersten Psalmbuches? Aufgrund unserer Hypothese der Abfolge Hymnus-Danklied-weisheitlicher Psalm bestimmten wir Ps 29—31 als Schluß des Mittelteils des ersten Psalmbuches, wobei Ps 31 Schluß- und Überleitungsfunktion zukommt. 367 Zur Illustration der Schlußfunktion von Ps31 ist auf seine Parallelen zu Ps71, dem überschriftslosen Psalm am Schluß der elohistischen Davidpsalmsammlung, hinzuweisen. 368 Dieses formgeschichtliche Postulat läßt sich nun durch eine Detailbetrachtung von Ps 31 und 32 unterstützen. Ps 31 endet mit der Aufforderung: mn,17 D^q^n-Vs n??3? p a i n nprn Stärkt und befestigt eure Herzen, alle, die auf den Herrn warten. (Ps 31,25) In Ps 32 finden sich nun eine ganze Reihe von Parallelen zu Ps 1: beachtlich sind der Anfang mit "Hffi'K (glücklich), die Redewendung n^1?! Dav (Tag und Nacht, v.4) und der Ausdruck ^ n (einen Weg gehen) als Inhalt der Unterweisung (v. 8). Diese Ausdrücke sind zwar auch allgemeine weisheitliche Stilformen, doch ihre Häufung spricht insgesamt für einen auch literarischen Bezug zwischen Ps32 und Ps l. 3 6 9 Auf diesem Hintergrund ist nun auch der Schlußvers von Ps31 neu zu verstehen. Die Verwendung der Verben ptn (Q) und f a x (Q) als Imperative ist am Schluß des Pentateuch und Anfang des Josuabuches ein sehr hervorgehobenes Mittel deuteronomistischer Paränese: Sie sind geprägt als Abschiedsmahnung von Mose und Aufforderung Gottes an Josua. 370 Kontextuell stehen diese Imperative damit in dem Zusammenhang, auf den Ps 1 mit dem Bild des Tag und Nacht bibellesenden Frommen ebenfalls anspielt. Damit befindet sich der Übergang von Ps 31 zu Ps 32 in einem kanonischen Zusammenhang, wie er bei einer fortlaufenden Lektüre des Psalters von Ps 1 konstituiert ist. Für die Komposition des ersten Psalmbuches ergibt sich damit, daß vermutlich vor Ps32 eine Zäsur ist. Vom Überschriftensystem her legt sich die Zäsur in Analogie zu Ps 10 allerdings erst bei dem mit Ps 32 eng verbundenen überschriftslosen Ps 33 nahe. 371 Hier deckt sich unsere Forderung einer Übereinstimmung von Inhalt und Überschriftensystem also nicht ganz, aber die Abweichung von einem Psalm sollte angesichts des vermutlich mehrfachen Wachstums des ersten Psalmbuches gewiß kein Anlaß sein, diese Unge366 S.O. II.3.2.1. 367 p s 29—31 sind über das Überschriftselement TiniQ verbunden. 368 Zu den Ähnlichkeiten von Ps31 und 71 besonders am Psalmanfang vgl. z.B. AEMELAEUS, Prayer 95. 369 Vgl. dazu z.B. AUFFRET, VT38, 257 - 2 8 5 , dort weitere Literatur. 370 Beachtlich ist die Häufung in Dtn 31,6.7.23; Jos 1,6.7.9. Zur Weiterverwendung der Formel nach deren deuteronomistischer Prägung und chronistischer Aufnahme (vgl. IChr 22,13; 28,20; 2Chr 32,7) im militärischen Zusammenhang vgl. z. B. 1QM 15,7. 371 Vgl. zur Verbindung von Ps32 und 33 bereits 1.1.

3. Clusteranordnungen von Psalmen

139

nauigkeit für ein prinzipielles Argument gegen unsere Komposition zu halten. Von dem Neuansatz bei Ps 32 oder 33 her ist nun auch die Überschrift von Ps 34 verständlich (Ps34,l): •^»'ag 'JDV inyg-nx iniatra i n ? ^ül wtriri Von David, als er seinen Verstand wechselte vor Abimelech, da vertrieb er ihn, und er ging. Diese auch sprachlich nicht ganz einfache Überschrift 372 ist kontextuell nicht in den von der Überschrift von Ps 3 konstituierten Zusammenhang integrierbar, der bereits im mittleren Bereich des ersten Psalmbuches - wenn überhaupt vorhanden - sehr locker scheint. Dieser Zusammenhang ist in Ps34 insofern deutlich unterbrochen, als seine Überschrift im Kontext der Samuelbücher zeitlich vor der Überschrift von Ps3 zu stehen kommt. 373 Diese Nichtentsprechung zwischen Reihenfolge des Psalms und Chronologie der Überschrift konnten wir bereits in der elohistischen Davidpsalmsammlung beobachten. 374 Doch ist damit m.E. die spezielle Funktion von Ps34 noch nicht erfaßt: Die Psalmen mit der midraschartigen Überschrift Ps51ff. stehen in einer deutlich begrenzten Gruppe von Klageliedern. Ps34 ist aber ein akrostichischer Weisheitspsalm, der Züge eines nachkultischen Dankliedes hat. Die nächste Entsprechung zur midraschartigen Überschrift von Ps 34 ist bei den beiden Psalmen zu suchen, die ebenfalls als Einzelpsalmen mit wenig Kontextbezug midraschartige Überschriften haben: Psl42 und sogar als Psalm außerhalb des kanonischen Psalters die Nachschrift Ps 151.375 Die midraschartige Überschrift von Ps 142 ist nun sehr pauschal und am ehesten als Nachahmung einer anderen midraschartigen Überschrift, vielleicht der von Ps57, zu begreifen. Ps 151 hat nun als außerkanonischer Psalm einen offensichtlichen Nachtragscharakter, der in der Überschrift der Septuaginta sogar explizit hervorgehoben wird. Auch in 11Q Ps a hat dieser Psalm Abschlußfunktion. 376 Da nun das textliche Umfeld von Ps 34 ebenfalls nur in der Betrachtung der Komposition des ersten und zweiten Psalmbuches zu verstehen ist, legt sich ein Verständnis von Ps34 als Teil eines Abschlusses des ersten Psalmbuches ebenfalls nahe. Die gesamte Komposition von Ps 32—41 ist damit wohl nicht als selbständige Einheit begreifbar, sondern nur im Kontext der entstehenden Sammlungen auf dem Weg zum Psalter. Sie stellt aber auch in dieser Abschlußfunktion ein keineswegs in einem Wurf entstandenes Gebilde dar, da die unterschied372 Vgl. insbesondere den hier mit KRAUS (z.St.) u.a. angenommenen Subjektwechsel zwischen beiden Narrativen: Abimelech vertreibt David, David geht. 373

Ps34 bezieht sich auf lSam 21,12ff., während die literarisch im Psalter vorgeordneten Ps3ff. die Beziehung zum in den Samuelbüchern nachgestellten und im Handlungsablauf späteren Text 2Sam 15 ff. herstellen. 374 S.o. II.3.1.1. 375 Zu den Versionen von Ps 151 siehe unten III. 3.2.1. 37 Zu llQPs" vgl. III.3.2.2 und 3.2.3.

140

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

lichsten Kompositionsformen von überschriftslosen Psalmen (Ps 33), weisheitlicher Formung im weiteren Umfeld von Ps 1 (Ps32; 33; 40; 41), Parallelordnung der beiden ersten Psalmbücher (Ps37—41) in dem Kompositionsbogen Ps32—41 nebeneinanderstehen. 3 7 7 Auffällig im Schlußteil ist dabei insbesondere auch die Häufung von Selbstzitaten in Ps 38 — 41, 378 auch dies ist wohl ein Teilaspekt einer Schlußform. Der Schluß des ersten Psalmbuches ist uns damit nicht völlig erklärbar. Er scheint mehrfach auf den Schluß der zweiten Sammlung von Davidpsalmen bzw. das zweite Psalmbuch bezogen zu sein. Formgeschichtlich fällt die Umkehrung des üblichen Stimmungsgefälles in der Komposition auf: Ps32 setzt mit Weisheitsmotiven ein, der Lobteil (Ps33f.) steht am Anfang dieses Kompositionsbogens, es folgt die Klage (Ps35ff.). Entsprechend zu unserer Beobachtung, daß die Umkehrung des Stimmungsgefälles Teil der weisheitlichen Psalmenbearbeitung ist, sind Ps 32—41 als weisheitliche Komposition zu verstehen, die wohl bereits mit Ps 19 als Zentrum der Gesamtkomposition den einleitenden Kompositionsbogen spiegelt. 3.2.5 Das erste Psalmbuch als weisheitliche

Komposition

Zum Gesamtverständnis der Komposition des ersten Psalmbuches dürfte das Zentrum des mittleren Kompositionsbogens und damit der gesamten Komposition des ersten Psalmbuches, Ps 19, nicht unwesentlich sein. Das Verständnis von Ps 19 als gefügter Einheit aus formgeschichtlich zwar unterscheidbaren, aber in unserem Zusammenhang einheitlich zu interpretierenden Teilen setzen wir hier voraus. 379 Die nächste Analogie zu Ps 19 als formgeschichtlicher Mittelpunkt des ersten Psalmbuches haben wir bereits in Ps78 als Trenner der beiden Kompositionsbogen erkannt. 3 8 0 Die Ps78 einleitende Tora-Ankündigung wird in einem Geschichtspsalm eingelöst: Tora ist Geschichte. 381 Wir erkannten als tragende Hauptpfeiler der Komposition des ersten Psalmbuches Toramotive am Anfang (Ps 1), in der Mitte (Ps 19) und am Schluß des ersten Psalmbuches. 382 Nun sahen wir bereits, wie Ps 1 und 2 als Einheit von Tora- und messianischem Psalm 383 verbunden sind. Entsprechend stehen in der Komposi377 378

Zum Parallelaufbau zwischen Ps 41 und 88 vgl. AEMJELAEUS, Prayer 91 f. Ps38,17; 39,2; 40,8; 41,5. Vgl. auch 30,7; 31,15.22; 32,5. Dazu bereits BECKER, Wege

117. 379 S. o. S. 58 Anm. 327. Vgl. zum folgenden besonders MAYS, J B L 1 0 6 , 2 - 1 3 , der darstellt, wie bei den großen Torapsalmen Ps 1 ; 19 und 119 jeweils ein weiteres Thema zum Grundthema der Tora hinzugefügt wird (in Aufnahme von Mays nun auch MCCANN, Interp. 46,119ff.). Für Mays ist ein solches zweites Thema besonders die Eschatologie (so in Interpretation von Ps 18 und 118). 380 Beachte jedoch, daß Ps78 zwei linear parallele Kompositionsbogen trennt, während Ps 19 Mittelpunkt einer chiastischen Ordnung ist. 381 Dazu bereits oben II.2.1. 382 v g l a u c h die Rahmung von Ps 1 5 - 2 4 durch Weisheitpsalmen Ps 14 und 25. 383 rrwa erscheint in den Psalmen in Ps2,2; 18,51; 20,7; 28,8; 84,10; 89,39.52; 105,15; 132,10.17.'

3. Clusteranordnungen

von

141

Psalmen

tion der Mitte des ersten Psalmbuches königliche Psalmen (Ps 18,51; 20,7) als erster Rahmen um Psl9 herum. 384 Doch die erwartete Entsprechung am Schluß des ersten Psalmbuches finden wir bereits in Ps 28,8, also in der Vorbereitung des Hymnus-Danklied-Schlusses des Mittelteils des ersten Psalmbuches. Die sogenannten Toreinzugspsalmen 385 mit ihren konkreten Torafragen stellen einen wichtigen Nebenpfeiler der Komposition neben dem Zentrum Ps 19 dar. Wichtig für das Verständnis der Gesamtkomposition ist die Beobachtung, daß auch die Weisheitspsalmen an den kompositorischen Nahtstellen stehen und von einer zur nächsten Psalmengruppe überleiten: genauso ist es in Ps 9f., am Höhepunkt des Chiasmus Ps 19 und in Ps 31, aber auch in Ps 14 und 25. 386 Genauso ist in mehrfacher Hinsicht der Schluß des ersten Psalmbuches gestaltet, 387 wobei durch mehrere Psalmen das erste und zweite Psalmbuch verknüpft sind. Die formgeschichtliche Eigenart einzelner Weisheitspsalmen, die Rückwendung von Lob und Dank zur Klage, 388 ist also ein kompositorisch bewußt eingesetztes retardierendes Moment. Unser erster Blick über das erste Psalmbuch 389 ergab zwei Wendepunkte der Komposition von der Klage zu Lob und Dank. Wir konnten aber bei unserem ersten Durchgang keine Hinweise auf Orakel an den Wendepunkten von der Klage zum Lob entdecken. In beiden Hymnen an diesen Wendepunkten finden sich jedoch Hinweise auf eine Antwort Gottes, die in den Psalmen vorher erbeten wurde. So beginnt P s 2 8 ( v . l f . ) : Zu dir, Jhwh, rufe ich, mein Fels, sei nicht still vor mir. Sei nicht still vor mir, damit ich nicht denen gleich werde, die in die Grube hinabgehen. Höre die Stimme meines Flehens, wenn ich zu dir um Hilfe rufe, wenn ich meine Hände aufhebe zum Inneren deines Heiligtums.

'"IIS iOpN mrP '3B!p ttnnfl'^X 'IM n#nR"J£D Hin ,l"li,"DV 'JHOfl 5lisw 'iHt?? '"P '¡WJ? T3rT17X

In höchster Not betet der Psalmist mit erhobenen Händen. Daß diese nicht nach Jerusalem gerichtet sind, zeigt sich im folgenden Psalm: Ps 29 umspielt mit dem Hinweis auf die Stimme Gottes ein Orakelmotiv, das als ein Gewitter geschildert wird (v. 3ff. 390 ). Der Beter reagiert mit dem Dank für die erfolgte Rettung aus der vorher geschilderten Todesnot (Ps 30,2—4):

384 385 386 387 388 389 390

So bereits A L L E N , Bib. 67, 544-546, hier 545. S.o. Anm.353f. Zu P S 2 5 vgl. bes. RUPPERT, ZAW84, 5 7 6 - 5 8 2 . Vgl. Ps 34 und 37. S.o. 1.3.4.2. S.o. II.3.1. Vgl. dazu auch MILLARD, W U D 22.

142

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen •'irr'77 '3 mrr

'wsj SiK^'ia rc'^yn aia' :-iia n n v a ' a n ^ n Ich erhebe dich, Jhwh, denn du hast mich hinaufgezogen. Und du hast meine Feinde sich nicht über mich freuen lassen. Jhwh, mein Gott, ich rief zu dir um Hilfe und du heiltest mich. Jhwh, du hast mein Leben aus dem Totenreich emporgeholt, du hast mich lebendig gemacht aus der Schar derer, die zur Grube fahren. Entsprechend der Klage von Ps 28 dankt der Beter hier über die Rettung aus dem Machtbereich des Totenreiches. Im Unterschied zu Ps28 wird die Not allerdings in der ersten Hälfte von Ps30 als Krankheit geschildert, die Schlußhälfte von Ps30 ist jedoch offener formuliert. 391 Die scheinbar so sicher unterscheidbaren Krankenpsalmen und Feindklagen sind also nicht nur als Klagelieder oft nicht unterscheidbar, auch verschiedene Dankpsalmen sind vieldeutig angelegt. 3 9 2 Eine ähnlich deutliche Wendung von der Klage zum Lob erfolgt nach Ps 7, der mit der Ankündigung endet (v. 18): Ich will Jhwh gemäß seiner Gerechtigkeit danken ipTSD mrp aiiX und den Namen Jhwh, des Höchsten, bejubeln. :'|i,'?5? a W D I P rnaTX] Entsprechend beginnt Ps 9 (v. 2f.): , , 1 Ich will Jhwh mit meinem ganzen Herzen danken, 3 ?" 7D3 aia 1 a"pX , ich will alle seine Wunder erzählen. :1 riiX,7D5"173 rnSON Ich will mich freuen und seinetwegen fröhlich sein, HS1?!?^'] ich will den Namen des Höchsten bejubeln. Hi'"?? nn/pT^

In Ps8,2 ist nun ein Heilsorakel in einem textkritisch schweren Text erschließbar: Hsa- 1 ???

T78*aa i r i i i ? aia' i i i a aan -itfi?

Während nun die erste Vershälfte problemlos übersetzbar ist, 393 gilt die zweite als nur mit einer Konjektur übersetzbar. Gegen die üblichen textkritisch sehr schwierigen Konjekturvorschläge, die aus rian die Wurzel 1113 herauslesen wollen, hat F . C R Ü S E M A N N unlängst eine Variante vorgeschlagen, die im wesentlichen nur eine neue Worttrennung liest und v. 2b als hymnische Anrufung der Aschera in Parallele zur Anrufung Jhwhs in v. 2a auffaßt. 394 Diese Lesung erklärt zudem auch die poetisch ungewöhnliche Relativpartikel Der Grund, weswegen der so rekonstruierte Text zerstört wurde, liegt auf 391 392 393 394

Zur Doppelung innerhalb von Ps 30 s. o. 1.3.2. S.o. 1.3.5. „Jhwh, unser Herr, wie mächtig ist dein Name auf der Erde." liniWK, unsere Aschera. CRÜSEMANN, FS Wolff 48-60.

3. Clusteranordnungen von Psalmen

143

der Hand. Doch bleibt die Frage, ob ein bedeutungsloser Text bei diesem Eingriff hergestellt wurde. Ein Versuch, den bisher ungeklärten vorliegenden Text zu verstehen, kann auf der Ebene des vorliegenden Textes über das Aramäische erfolgen, was zusätzlich zu unserer Analyse des ersten Kompositionsbogens als Midrasch auf einen späten Text weist. Hier gibt es die Wurzel ¡un/njn, die wiederholen, erzählen, lehren395 heißt. Ps8,2 lautet also in der masoretischenTextfassung übersetzt:

Jhwh, unser Herr, wie mächtig ist dein Name auf der Erde, die396 deine Herrlichkeit, die über dem Himmel ist, erzählt. Daß die Himmel die Ehre Gottes erzählen, ist ein übliches Hymnenmotiv, 397 wie die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes aus der Schöpfung. 398 Die Aussage von Ps 8 fügt sich also in das hymnentypische Aussagefeld. Hier übernimmt die Erde die Aufgabe, von Gott zu reden. Die enge Verknüpfung von Schöpfung und Tora in Ps 19 erstreckt sich damit bis in die Orakelmotive der Kompositionsbögen. 3.2.6 Vergleich der beiden großen

Davidpsalmsammlungen

Im ersten Psalmbuch müssen wir das Überschriftensystem als Hilfslinie zur Abgrenzung der Psalmengruppen durch weitere Abgrenzungen in Kompositionsbögen unterstützen. Dieses Problem hatten wir bereits auch bei den Asaphpsalmen, die mit 11 Psalmen eine der größten bisher betrachteten Psalmgruppen bilden. Die Notwendigkeit zur weiteren Unterteilung in Kompositionsbögen ist also wohl von der Menge der Psalmen, die mit ähnlicher Überschrift zusammenstehen, abhängig. Als zusätzliche Hinweise zur Bildung dieser Kompositionsbögen können wir uns auf die überschriftslosen Psalmen und die Psalmen mit midraschartigen Überschriftselementen stützen. Die Folge Klagelied-Hymnus-Danklied, die wir als Grundschema der Dankliedkomposition abgesehen von ihrer weisheitlichen Edition herausarbeiteten, 399 finden wir auch als Grundschema der Davidpsalmgruppen. Der erste Hauptteil, das Klagelied, ist jedoch erheblich erweitert. Die Bündelung individueller Anliegen in einer kollektiven Themenklage fehlt. Diese Clusterbildung von Klagepsalmen ist ein Phänomen, das nur innerhalb der Davidpsalmen auftaucht. In der elohistischen Davidpsalmgruppe gibt es jedoch keinen Hinweis auf ein Orakel am Übergang von der Klage zum Lob. Das Orakel in den Klageliedern des Volkes Ps60,8ff. steht vom Gesichtspunkt der hier versuchten formgeschichtlichen Analyse an nicht erklärbarer Stelle. Zu den formgeschichtlich nicht befriedigend gelösten Problemen dieser Klagelieder gehört 395

So z. B. DALMAN, Handwörterbuch. Der Relativsatz bezieht sich auf das nächste Nomen. (Erde) ist hier wie in Jos 17,8 und Ri 11,3.5 maskulin konstruiert. 397 Vgl. z.B. Ps 19,2 sowie Ps29. 398 Vgl. z.B. Ps 104. 399 Das Danklied fand sich in den unter II.l verhandelten Gruppen insbesondere im Ägyptischen Hallel, dieses hat aber die Klage wohl nachträglich vorangeschaltet (Ps 108f.). 396

144

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

damit die Einbettung der Volksklagen in die von Klageliedern des Einzelnen dominierten Clustern. 400 Im ersten Psalmbuch fanden sich Hinweise auf ein Reden Gottes am Übergang von der Klage zum Lob, doch waren dies keineswegs Orakel im genuinen Sinn, sondern - wenn überhaupt - Variationen dieses Motivs. Gegenüber der elohistischen fallen in der ersten Davidpsalmsammlung die Tora- und Königspsalmen als Gliederungs- und Rahmenbestandteile ins Gewicht. Das erste Psalmbuch hat mit diesen Gattungen und der größeren Motivvarianz in den Klageclustern ein größeres Themenspektrum als die zweite Sammlung von Davidpsalmen, in der beispielsweise Krankenmotive erst in der parallel zum ersten Psalmbuch erfolgten Buchredaktion erscheinen (Ps69ff.). Seine Komposition scheint damit mit der Gesamtkomposition der Bucheinteilung des Psalters und besonders im ersten Kompositionsbogen mit dem Kanon als Kontext in engem Zusammenhang zu stehen. 401 Nicht behandelt haben wir bisher die letzte Sammlung von Davidpsalmen, Ps 138ff. Diese ist, wie wir sehen werden, über den Brückenpsalm Ps 145 und die umgebenden Psalmen mit dem folgenden kleinen Hallel verbunden.

3.3 Die Sammlung von Davidpsalmen Ps 138ff. und das kleine Hallel 3.3.1 Das kleine Hallel als

Kompositionseinheit

Das kleine Hallel (Ps 146—150) war uns als historische Psalmsammlung mit einem gottesdienstlichen Sitz im Leben erst nachbiblisch nachweisbar. 402 Wir bemerkten zusätzlich bereits den parallelen Aufbau zum Ägyptischen Hallel. Insbesondere die Einleitung mit einem akrostichischen Psalm (Ps 145) ist dafür ein deutliches Zeichen. Am Schluß des vorhergehenden Psalms finden wir zwei "Ht^N-Formeln (Ps 144,15), wie sie auch am Anfang der das Ägyptische Hallel rahmenden Psalmen stehen (Ps 112,1; 119,lf.). Formgeschichtlich fällt am kleinen Hallel gegenüber dem Ägyptischen Hallel das Fehlen eines Dankliedes auf. Thematisch sind Ps 145 — 150 eine Sammlung aus verschiedenen Motiven, die wir auch an anderer Stelle finden. Besonders fällt die Parallele zwischen Ps 148 und 150 auf. Beide sind zusätzlich zu dem wie in Ps 111 — 118 überschriftartig gebrauchten Halleluja als imperativische Hymnen eingeleitet. Inhaltlich fordern beide Psalmen den gesamten Kosmos zum Lob Gottes auf, wobei Ps 148 außerdem die Gabe des p'n (Satzung) hervorhebt. Ps 148 erinnert hier in seiner listenartigen Aufreihung an die Einleitung der Tora, Gen 1. Der implizite Hinweis auf die Tora verbindet Ps 148 mit Ps 147, der mit dem ausführlichen Lobpreis Gottes als Stifter der Tora endet (Ps 147,15.18-20). Zwischen Ps 148 und 150 steht mit Psl49 ein Psalm, der zentral das Motiv des Königtum 400 401 402

Vgl. neben Ps 60 vor allem Ps 12. Dazu unten III.3.3.3 und 3.3.4. S.o. 1.2.3.3.

3. Clusteranordnungen

von Psalmen

145

Gottes 403 verwendet. E. Zenger hat diesen Psalm überzeugend als vorletzten Psalm des Psalters in einer Rahmenfunktion für den masoretischen Psalter der vorliegenden Gestalt interpretiert. 404 Im Vergleich zu Ps2 fällt auf, daß bei gleicher Motivik des Streites Israels mit den anderen Völkern und des Eingreifens Gottes der davidische König, der in Ps 2 noch eine Zentralstellung innehatte, völlig fehlt. Dafür steht gewissermaßen als Ersatz der Lobpreis Gottes als König. 405 Dieser findet sich außerdem im kleinen Hallel, am Ende des zweiten Psalms der Lobliedkomposition (Ps 146,10). Psl46 formuliert gewissermaßen das Programm, das den Unterschied zwischen Ps2 und 149 ausmacht (Ps 146,3): D'n'ija »nonir'?}* :nywn i1? dis-IM Verlaßt euch nicht auf Fürsten, auf einen Menschensohn, bei dem es keine Hilfe gibt. Dieses Programm ist am ehesten aus der Erfahrung des Scheiterns der davididischen Dynastie verständlich. Eine exilisch-nachexilische Datierung dieses Psalms liegt also auch von daher nahe. Ps 146 gehört zusammen mit dem Akrostichon Psl45, das ausdrücklich als „Lobpsalm" (n^HFi) Davids überschrieben ist, zu der Einleitung in die Psalmengruppe im Singular, während die folgenden Psalmen pluralische Psalmen sind. Ps 146 hat mit Ps 145 auch Weisheitselemente gemeinsam. So findet sich in ihm wie in dem dem kleinen Hallel vorhergehenden Psalm ein '"HPK-Satz. Ps 144, der mit der Weisheitsformel zudem betont aufhört, hat als Psalm mit einer Segens-Einleitung (TH3) deutliche Verwandtschaft zur folgenden Hymnengruppe. Mit der Betrachtung von Ps 144 und 145 als Einleitung zum kleinen Hallel gelangen wir wie bei unserer Betrachtung des Ägyptischen Hallels 406 in die vorhergehende Sammlung von Davidpsalmen. Bemerkenswert ist bei dem kleinen Hallel die Häufung kompositorischer Motive. Weisheits-, Tora- und Gott-König-Motive steigern die Gruppe hin zum großen Finale des universalen Gotteslobes. Der Gesamteindruck der Gruppe, ihr relativ spätes Alter und die fehlenden Nachrichten über ihre Verwendung als Gruppe im antiken Gottesdienst lassen den Schluß zu, daß nicht nur einzelne Psalmen am Schluß des Psalters, sondern das kleine Hallel insgesamt als Abschluß des Psalters komponiert sind. 407

403 Die Freude der Söhne Zions „über ihren König" (DS1???, Ps 149,2), muß sich wegen des Parallelismus zur ersten Vershälfte, der Freude Israels „über seinen Schöpfer" (TiTS??), auf Gott als König und nicht auf ein menschliches Königtum beziehen. 404

ZENGER, G o t t 53 ff.

405

S.u. III.2.3.2und3.3.3. S.o. II.1.3. So beispielsweise auch BECKER, Wege 115.

406 407

146

Teil II: Eine Formgeschichte

3.3.2 Die Davidpsalmsammlung

der

Psalmengruppen

Ps 138ff. vor dem kleinen Hallel

Wie vor dem Ägyptischen Hallel steht auch vor dem kleinen eine kleinere Sammlung von Davidpsalmen, die im wesentlichen Klagepsalmen dem Hallel vorschalten. Der Aufbau dieser Psalmengruppe weist ähnliche Probleme auf, wie wir sie bei der Betrachtung des Anfanges des fünften Psalmbuches fanden: am Anfang der Sammlung steht ein Danklied (Ps 138). Mit seiner Perspektive auf den Tempel (v. 2) würde dieses Danklied auch noch als Anhang zur Sammlung von Wallfahrtspsalmen passen. 408 Da Psl20 als Anfang der Sammlung von Wallfahrtspsalmen mit einem kurzen Hinweis auf den Dank beginnt (Ps 120,1) und auch der Vorbau des Ägyptischen Hallels mit der Ankündigung von Dank beginnt (Psl07), beginnen also alle Psalmgruppen des fünften Psalmbuches von einem Standpunkt des Dankliedes her und tragen dann die Klage nach. Diese makroformgeschichtliche Sonderregel, daß bei den Psalmgruppen des fünften Psalmbuches der Hinweis auf den Dank der Psalmengruppe vorangeht, bestätigt umgekehrt wieder unsere Auffassung, Ps 138 entsprechend seiner Personenüberschrift zur nachfolgenden Psalmgruppe zu ziehen. Der folgende Ps 139 ist wie die Psalmkomposition Ps 108409 ein Weisheitspsalm. Der Psalmgruppe Ps 138ff. fehlt eine markante Klage, wie sie Ps 109 für die Komposition des Großen Hallels darstellt. Auch hat der Übergang zwischen der letzten Davidpsalmsammlung und dem kleinen Hallel keinen Orakelpsalm, obwohl Ps 143,1.7 eine Antwort Gottes fordert. Als Nahtstelle zwischen Klage und Lob würden wir ein Orakel am ehesten in dem auch formgeschichtlich sehr eigenständigen Ps 144 erwarten, doch findet sich kein Hinweis. Mit der Wendung t n n TW („neues Lied") hat Ps 144,9 einen Bezug zu Ps 149,1. Da jedoch auch die Orakel in der elohistischen Sammlung von Davidpsalmen ganz fehlten und im ersten Psalmbuch nur in einer speziellen Textinterpretation erschließbar waren, scheint das Fehlen eigentlicher Orakel an der Übergangsstelle zwischen Klage und Lob eine Eigentümlichkeit der Davidpsalmkompositionen zu sein, die mit der anderen Eigentümlichkeit der Davidpsalmen, der Bildung von Klageclustern von Singularpsalmen, zusammenhängen wird. Insgesamt wirkt die Sammlung von Davidpsalmen wie ein Nachtrag, in dem verschiedene Themen wie z.B. das Opfer (Ps 141,2ff.) 410 , der Bezug auf David (Ps 142,l) 411 und Vergebung (Ps 143) noch einmal in einem Cluster von Psalmen ohne einen erkennbaren Zusammenhang zusammengebracht werden. Am ehesten ist diese Komposition deshalb im Zuge der Davidisierung auch des kleinen Hallels (Ps 145,1) zu verstehen. Wie beim Ägyptischen Hallel sind die Klagen jedoch ohne inneren Bezug zum Hallel. Inhaltlich wird durch diese 408

So AUFFRET, Sagesse 544. Dazu bereits oben S. 40f. Für die Abtrennung von Ps 138 von beiden Psalmgruppen läßt sich als zusätzliches Argument einführen, daß Ps 139—144 mit dem Überschriftselement nsja 1 ? eingeleitet werden. 409 Dazu oben 1.3.4.2. 410 Dazu unten III.3.3.1. 411 Dazu unten III.3.3.2.

3. Clusteranordnungen

von Psalmen

147

Sammlung ein Bezug zu den Clustern von Davidpsalmen im ersten und zweiten Psalmbuch geschlagen. Wir bewegen uns hier, wie wir sehen werden, 412 auch historisch auf der letzten Ebene der Komposition des Psalters. Deswegen geht die Frage, ob Ps 138 und 139 nun als Abschluß der Sammlung von Wallfahrtspsalmen Psl20ff. oder als Einleitung zum kleinen Hallel zu verstehen seien, an den Texten vorbei. Sie ist zwar für die Betrachtung von Psalmgruppen mit vermutlicher Selbständigkeit vor Einbindung in Großsammlungen sinnvoll. Aber da wir keinen Anlaß haben, eine Selbständigkeit von Psl38ff. zu vermuten, verbinden wohl Ps 138 f. auf der Ebene der Edition des Gesamtpsalters die vorhergehende Sammlung von Wallfahrtspsalmen, die offensichtlich als Gruppe vorlag, mit den nachfolgenden Psalmen.

3.4 Das vierte Psalmbuch Nur einen Textbereich des Psalters haben wir innerhalb unseres formgeschichtlichen Ganges durch den Psalter noch nicht behandelt: Anfang und Mitte des vierten Psalmbuches (Ps90ff.). Innerhalb des vierten Psalmbuches beschrieben wir bereits Ps 101 — 106 als Komposition einer Gruppe von Hymnen und Geschichtspsalmen, die durch den Klagepsalm Ps 102 und den Torapsalm Ps 101 eingeleitet wird. Ähnlich wie beim ersten Psalmbuch und bei der Sammlung von Asaphpsalmen müssen wir also auch das vierte Psalmbuch als eine Zusammenstellung mehrerer Kompositionsbögen verstehen. PslOl ist nun aber auch im Kontext der vorhergehenden Psalmgruppe verstehbar: nach der Toreinzugsliturgie Ps 100 folgt also das Toragelöbnis 413 „Davids", der hier im Verlauf des vierten Psalmbuches zum ersten Mal erscheint. Die Zusammenstellung von Ps 100 und 101 erfolgte damit nach dem Prinzip der Toreinzugsliturgien, in denen Toreinzug und Rechtsverpflichtung verknüpft sind. Das Spezielle dieser durch die Zusammenstellung zweier Psalmen entstandenen Toreinzugsliturgie ist, daß der König hier sich selbst den Rechtsspiegel vorhält. Ps 101 handelt von den königlichen „Pflichten, die er zu erfüllen gelobt". 414 Die Verbindung der Motive von König und Recht ist zudem innerhalb der Psalmen des vierten Psalmbuches nicht neu (Ps 99,4): Und ein Starker ist König, er liebt das Recht. Du hast Aufrichtigkeit gegründet und in Jakob Recht und Gerechtigkeit geschaffen. 412

^Va Ti?1 anXüDWft Dn^a 03113 nriX nriS njftXI üDtyp

Vgl. unten III.3. Vgl. STEINGRIMSSON, Tor 1 3 8 , der wie viele andere die Nähe von Ps 1 0 1 zur sogenannten Eingangsliturgie herausarbeitet, die Steingrimsson selbst für Ps 101 als nachkultische Gattung versteht. S.o. Anm. 353f. 414 GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 140. 413

148

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

Daß „David" sich den Rechtsspiegel vorhält, ergibt sich im Duktus der Psalmen des vierten Psalmbuches aus dem Anspruch Gottes, der das Recht liebt. Die Jhwh-König-Psalmen zielen jedoch nicht nur auf die Vorstellung von Gott als Begründer des Rechtes, auch am Anfang der Komposition findet sich die Verbindung beider Motive durch den Hinweis auf den Tempel (Ps 93,5): •fxa u a t e TiH5? •qn'x1? mrr unp-niio i n n ' ? Deine Satzungen sind überaus fest, deinem Haus gebührt Heiligkeit, Jhwh, immerdar. Gegenüber der literarkritischen Analyse, die Ps93 von dem Toraelement meint befreien zu müssen, 415 ist festzuhalten, daß auch Ps 93 in den weisheitlichen Zusammenhang, der mit dem Mosepsalm Ps90 beginnt, integriert ist. 416 Es endet sowohl Ps 92 mit dem Hinweis, daß Gott gerecht ist (vgl. "itP v. 16), als auch die Gruppe der Jhwh-König-Psalmen insgesamt mit Ps99, der Gottes Gerechtigkeit preist. Da auch die Geschichtspsalmen Psl05f. dort, wo sie konkret werden, sich auf die Wiedergabe der in der Tora erzählten Geschichte beschränken, erschließt sich der gesamte Zusammenhang des vierten Psalmbuches von der Tora her. Die Binnenstruktur des vierten Psalmbuches ist auch dort von der Abfolge Klage-Hymnus bestimmt, wo wir dies bisher nicht sahen. Wenn wir uns bei der Gliederung des vierten Psalmbuches wieder von dem Wechsel von der Klage zum Lob leiten lassen, zeichnen sich drei Kompositionsbögen ab: Klagelieder bzw. Motive davon finden sich in den Psalmen Ps90f.; 94; 102, es folgen jeweils Lobpsalmen (Ps92f.; 95 — 100; 103—106). Der erste Kompositionsbogen beginnt makroformgeschichtlich ungewöhnlich mit einem Volksklagelied (Ps 90), das zudem Vertrauens- und Reflexionsteile hat, sodaß der Psalm auch als weisheitliche Mischgattung bezeichenbar ist. Der folgende Ps91 hat mit dem Eingangssmotiv des Wohnens in der Gegenwart Gottes Ähnlichkeit mit der Eröffnung der zweiten Korachpsalmgruppe, Ps84. Da Ps90 auch von seiner Überschrift als Mosepsalm innerhalb von Ps91 —100, die sonst ohne personenbezogene Überschriften auskommen, singulär ist, ist fraglich, ob Ps 91 nicht der ursprünglichere Anfang dieser Gruppe ist. Das Motiv des Wohnens im Tempel verbindet Ps91 mit dem folgenden Psalm. In der formgeschichtlichen Analyse des ersten Kompositionsbogens fällt die ungewöhnliche Stellung von Hymnus und Danklied auf: das weisheitliche Danklied Ps 92 steht vor dem mit Toraformen endenden Hymnus Ps 93. Wir haben hier eine Abweichung von der Folge Hymnus-Danklied, die durch weisheitliche Prägung des gesamten ersten Kompositionsbogens bedingt sein wird. Da vom Überschriftensystem her Ps92 als Psalm mit Überschrift eine Einleitung zu den folgenden Psalmen ohne Über415 So unlängst wieder JEREMIAS, Königtum 25f., zu v. 5 a im Kontext einer Frühdatierung des Kerns von Ps93. Zur synchronen Betrachtung von Ps93 einschließlich v. 5 vgl. unlängst

AUFFRET, Z A W 1 0 3 , 1 0 1 - 1 0 9 . 416

Gegen REINDL, VT.S 32, vgl. ZENGER, FS Ehrlich.

3. Clusteranordnungen von Psalmen

149

schritt darstellt, ist diese Sonderstellung von Ps 92 auch im Kontext der Voranstellungen von Dankliedern oder Dankversen in den Kompositionseinheiten des fünften Psalmbuches zu verstehen. 417 Daß das formgeschichtliche Muster des Übergangs von der Klage zu Lob bzw. Dank das Formprinzip dieser Gruppe darstellt, wird besonders deutlich, wenn wir das Orakel in diesen Psalmen betrachten. Die erste direkte Gottesrede im vierten Psalmbuch steht in Ps 91,14 ff. Hier wird explizit die Rettung des Klagenden in einem Orakel angekündigt (Ps91,14ff.): Weil er an mir hängt, werde ich ihn erretten. Ich will ihn schützen, denn er kennt meinen Namen. Erruftmich, und ich antworte ihm. Mit ihm bin ich in der Not. Ich reiße ihn heraus und bringe ihn zu Ehren. Mit einer Länge von Tagen sättige ich ihn, und ich lasse ihn mein Heil sehen.

IHt?1??^ pt?n 'S i'ÖW ST",?!in33liP8 ^357X1 'INni?' 7nX3 '3'Jipas :Trn33iO insVili? inyauw ^"iK THNIN')

Die Gottesrede erfolgt innerhalb eines weisheitlichen Vertrauenspsalms. Vor diesem Psalm steht ein weisheitliches Klagelied, ihm folgt ein weisheitliches Danklied. 418 Der Orakelpsalm steht also makroformgeschichtlich an der Umbruchstelle von der Klage zu Lob bzw. Dank, wie wir es von den levitischen Psalmgruppen her kennen. Das Nachklappen des Lobpsalms Ps93 könnte mit der ursprünglichen Zugehörigkeit dieses Psalms zu einem Cluster von JhwhKönig-Psalmen (Ps95ff.) zusammenhängen. In diesem Fall wäre der Hinweis auf die n n y („Rechtszeugnisse") Ps93,5 Zeichen einer toraorientierten Redaktion. Auch der nächste Orakelpsalm, Ps95, bietet deutliche Hinweise auf die Tora. In einem Stil, der der deuteronomisch/deuteronomistischen Aktualisierung und Wiederholung der Tora vergleichbar ist, erinnert Ps 95,8 an Meriba und Massa: Verhärtet eure Herzen nicht wie in Meriba, wie am Tage von Massa in der Wüste.

n31"lS3 03331? Itt'prr1?^ : "137733 HDÖ • i , 3

Die Tora scheint hier bereits eine Größe zu sein, auf die angespielt werden kann. 419 Die Gottesrede, die die Stelle des Orakels eingenommen hat, ist als Toraerinnerung gestaltet. Makroformgeschichtlich steht vor Ps95 wieder ein Klagepsalm in weisheitlicher Gestalt, nach Ps95 folgt eine ganze Reihe von Hymnen. Auch thematisch ist nun der zweite Kompositionsbogen von den beiden anderen durch das Thema geschieden, das in der Klage Ps94 angeschnitten wird: das Kommen Gottes als Richter (Ps94,2). Die Gewißheit, daß 417 Insofern ist diese Anfangsstellung von Ps 92 als Sabbatpsalm auch mit dem Gebrauch der folgenden Jhwh-König-Psalmen als Sabbatpsalmen ab dem Mittelalter in Verbindung zu bringen (s. o. S. 44f., bes. Anm. 256), doch ist diese Verwendung nur als liturgische Exegese nachweisbar, nicht als Tradition in biblischer Zeit. 418 Zur Verknüpfung von Ps 9 0 - 9 2 vgl. REINDL, VT.S 32. 419 Vgl. bes. Ex 17,7.

150

Teil II: Eine Formgeschichte der

Psalmengruppen

Gott sein Recht durchsetzen wird (Ps 94,15), entfalten die folgenden Psalmen hymnisch. 420 Da Ps94 als einzelne Klage vor dem Hymnencluster zu stehen kommt, hat sie die Stellung der Themenklage, wie wir sie für Psl02 sahen. Doch setzt Ps94 nicht die Zerstörung Jerusalems oder des Tempels voraus. Ps94 klagt allerdings über Unrecht in der Justiz, was ihn in die Nähe des Schlusses der Sammlung von Asaphpsalmen bringt (Ps 94,5 f.): Hin' :135T llftöil iirnn? D'airn i j } nia^s Dein Volk, Jhwh, zerschlagen sie und dein Erbe unterdrücken sie. Witwe und Fremden töten sie, Waisen morden sie. Das Unrecht in der Justiz hat wohl etwas mit dem Unrecht an der politischen Spitze zu tun (Ps 94,20): niin so? T??n?3 Hat etwa der Thron des Verderbens Gemeinschaft mit dir, der Unheil statt Recht schafft? Es ist unklar, aufweiche politische Situation hier angespielt wird. Aber in der Situation der Zeit war hier in uns heute nicht mehr zugänglichen Metaphern vermutlich sehr konkret geklagt, bevor das Thema Gottes als König und Richter in den folgenden Psalmen hymnisch entfaltet wird. In den folgenden Hymnen wird die Erscheinung Gottes als Richter thematisiert, die ebenfalls von der Asaphpsalmgruppe her bekannt, 421 aber gegenüber dem vorhergehenden Jhwh-König-Psalm Ps 93 neu ist. Das durchgehende Thema der Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit macht es aber unwahrscheinlich, daß eine Toraredaktion diese Psalmen überarbeitet hat, da sie insgesamt von diesem Thema bestimmt sind. 422 Modus der Darstellung ist dabei die Sprache der Wallfahrt (Ps96,8): iat? l i n s mrpV ian rvrri-ixn^ iKii nma-isfo Bringet Jhwh dar die Ehre seines Namens, tragt eine Gabe herbei und kommt zu seinen Vorhöfen. Auch im nachkultischen Dankpsalm Ps 92 war bereits das Leben im Tempel gepriesen worden (v. 14), was dort das Leben in der Zuflucht und Nähe Gottes (bes. Ps91,lf.) konkretisierte. Wenigstens in der Sprach weit von Ps 100,4 befindet sich nun der Beter vor den Toren des Tempels: 42

° Vgl. Ps96,10.13; 97,2.6; 98,2.9; 99,4. S.o. II.2.1. Auch NASUTI hat bereits die Wirkungsgeschichte der Asaphpsalmen in das vierte Psalmbuch hinein zu Psl05f. beschrieben, die mit Ps96 in IChr 16 als Asaphpsalm neugestaltet werden (NASUTI, History 174ff.). 422 Vgl. beispielsweise Ps 99,4. 421

3. Clusteranordnungen von Psalmen

151

nVnna v r n s n nrina i n s t r Uta irna ft-nin Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben, danket ihm, lobet seinen Namen. Hier am Schluß des zweiten Kompositionsbogens wird also das Thema des Dankens, das auch am Anfang des Hymnenteils stand (Ps95,2) 423 , aufgegriffen. 424 Bemerkenswert ist ebenfalls die Verbindung der ersten beiden Kompositionsbögen des vierten Psalmbuches mit dem Gesamtpsalter: so endet der Psalter insgesamt wie die Jhwh-König-Psalmen Ps95ff. mit imperativischen Hymnen. Auch motivisch werden wir zwischen dem Schluß des Gesamtpsalters und dem zweiten Kompositionsbogen des vierten Psalmbuches Verbindungen finden. 425 Die Toraelemente insbesondere im ersten Kompositionsbogen, die dann im zweiten Bogen durch den Lobpreis von Gottes Gerechtigkeit aufgenommen werden, erinnern wiederum an den Anfang des Psalters, P s l . Beispielsweise Ps 92 hat mit Ps 1 das Bild von dem Gerechten als wachsendem Baum gemeinsam (Ps92,13ff.). Mit der Einführung Davids wechselt auch der in der Psalmengruppe verwendete Numerus: der in seiner Überschrift als überindividuell gekennzeichnete 426 Klagepsalm Ps 102 wird im Singular formuliert. Bemerkenswert ist, daß Ps 102 in der Klage mit Motiven des Königtums Gottes argumentiert (v. 13). Dieses Motiv erhält dadurch besonderes Gewicht, daß es an der Nahtstelle des Psalms die Wende der Klage in die Zuversicht markiert. Ps 102 rekurriert an dieser zentralen Stelle die Jhwh-König-Psalmen. Im Gegensatz zu den durch ihre Orakel klar ausgewiesenen ersten beiden Kompositionsbogen des vierten Psalmbuches hat der bereits beschriebene dritte Kompositionsbogen kein an der Nahtstelle zwischen Klage und Lob plaziertes Orakel. 427 Dieser über Ps 102 sehr spät verortete Kompositionsbogen ist ähnlich wie der dritte Kompositionsbogen des ersten Psalmbuches formgeschichtlich nicht völlig erklärbar. Insgesamt legt sich für ihn allerdings die Funktion eines Neubeginns nach den JhwhKönig-Psalmen nahe. 428 Im vierten Psalmbuch haben wir ähnlich wie im fünften Psalmbuch Cluster von Hymnen. Doch auch im vierten Psalmbuch finden wir die formgeschichtliche Zusammenstellung des Überganges von der Klage zum Lob gewahrt, indem Psalmen wie Ps 94 und 102 den Hymnenclustern vorgeordnet werden. Es fehlt bemerkenswerterweise im vierten Psalmbuch das Danklied, das den 423

:f7 yn: niian rning r:s na^p?

Laßt uns seinem Angesicht begegnen mit Dank, mit Liedern ihm jauchzen! (Ps 95,2) 424 Vgl. auch die Überschrift Ps 100,1: niin1? IIOTQ („Danklied"). 425 Vgl. Ps 92ff. mit dem Schluß des Psalters, dazu III.3.3.3. 426 Das ist in der Literatur immer wieder hervorgehoben worden, vgl. insbesondere BRANDSCHEIDT, TThZ 9 6 , 5 1 - 7 5 . 427 S.o.II.2.3.1 zu Ps 105,11. 428 Ygi dazu die Analyse im dritten Hauptteil.

152

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

Vollzug der Rettung anzeigt. 429 Dieses haben die Psalmgruppen des vierten Psalmbuches mit den levitischen Psalmgruppen gemeinsam. Einen formgeschichtlich einheitlichen Cluster fanden wir nur in den Threni, dort allerdings von Klageliedern. Damit scheint der Übergang von der Klage zum Lob das Kennzeichen der formgeschichtlichen Komposition der Psalmengruppen des Psalters zu sein. Bemerkenswert ist weiterhin, daß alle Hymnencluster am Schluß gedoppelt wirken: Ps98f. scheinen Ps96f. zu wiederholen, Psll7f. Ps 115 f. und Ps 149 f. Ps 147 f. Daß alle Hymnencluster diese Doppelung haben, sollte als Argument gegen eine literarkritische Abtrennung der Doppelung erwogen werden.

3.5 Zur Verortung von Clustern anhand nachkanonischer 3.5.1 Das

Beispiele

Achtzehn-Bitten-Gebet

Bei der Formgeschichte der Psalmengruppen ergaben sich Hinweise auf den historischen Ort der Komposition regelmäßig bei den Klagekompositionen, aber auch bei vielen Wallfahrtspsalmengruppen aus den Themenklagen. Da in den Clusterkompositionen zwar auch ein Hymnenschluß, aber keine Themenklage zu finden ist und Hinweise auf die vorausgesetzte Situation sich eher zufällig ergaben, benötigen wir ein neues Modell zu einer Annäherung an den historischen Ort der Clusterkompositionen. Wir betrachten dazu nachkanonische Psalmengruppen, deren Verortung wir aufgrund externer Quellen mit dem Ergebnis ihrer formgeschichtlichen Untersuchung vergleichen können. Die bedeutendste Gebetssammlung der nachkanonischen Zeit ist das Achtzehn-Bitten-Gebet, hebräisch genannt Schmoneh Esreh (MT?5I N3HU>), Tephila (n'TDn, Gebet) oder auch Amida (HTay), weil es im Stehen gebetet wird. Die Amida wird bereits in der Mischna (mBer 4f.) als Teil des täglichen Gebetes vorausgesetzt und hat in der ältesten Überlieferung im Rahmen des Talmuds eine differierende babylonische und palästinische Rezension. 4 3 0 Da die Redaktion der Mischna in der vorliegenden Form im wesentlichen im 2. Jahrhundert n. Chr. erfolgt e , 4 3 1 ist die Amida älter. Im Talmud wird erzählt, daß ca. 90 n. Chr. bereits eine Textveränderung der Amida erfolgte, die berühmte Einfügung des Ketzerfluches, der Birkat Hamminim ( D T ö n rD"D). 4 3 2 Dies setzt eine frühere Entstehung einer Grundform der Amida voraus, was im folgenden zu überprüfen ist. Die verschiedenen Überlie429

Ps 92 hat zuviele weisheitliche Motive, um als reines Danklied gelten zu können. Zu weiteren Einzelvarianten, z.B. in der Kairoer Gniza, vgl. HOLTZMANN (Hg.), Berachot 12. 430

431

432

ALBECK, E i n f ü h r u n g 1 4 5 f f . ; (STRACK/)STEMBERGER, E i n l e i t u n g 127ff.

jBer 4,3, 8a; bBer 28b; bMeg 17b. Zur Diskussion über die Einfügung der Birkat Hamminim und die vermeintliche Synode von Jamnia vgl. auch unten im Anhang Kapitel 2., dort weitere Literatur. bMeg 17b scheint dabei von einer bloßen Neugruppierung der Bitten auszugehen, während der ältere Bericht jBer 4,3, 8a ausdrücklich von einer Hinzufügung einer weiteren Bitte ausgeht. Mit jBer 4,3, 8a kann dafür ein 17-Bitten-Gebet als Vorform des

3. Clusteranordnungen von Psalmen

153

ferungen der Amida unterscheiden sich zum Teil erheblich voneinander. Die verschiedenen Versionen haben jedoch gleiche Anfänge 4 3 3 und insbesondere Schlußteile 434 der einzelnen Segensbitten. Man wird diese Variation mit dem Schreibverbot für Gebete in frührabbinischer Zeit 4 3 5 sowie dem Ziel, jeden Tag ein anderes Gebet sprechen zu wollen, 4 3 6 in Verbindung bringen können. Ziel dieser Variation war es, die Intensität des Gebetes trotz der Verpflichtung zu festen Gebetszeiten aufrecht zu erhalten. 4 3 7 Die Schlußabschnitte der einzelnen Bitten sind mit der Formel „Gepriesen seist du, Jhwh" (mrp nnx 'nna) und folgender nominaler Aussage zur Begründung des Lobes analog gestaltet. Nur die erste Bitte hat nach der Eröffnungsformel („Herr, tue meine Lippen auf, daß mein Mund deinen Ruhm verkünde" 4 3 8 ) eine solche Formel auch am Anfang der Segensbitte. Diese gleichen Anfänge und insbesondere Schlußteile bei innertextlicher Varianz sind Zeichen eines Textwachstums innerhalb eines Grundbestandes, wie wir es aus den mittelalterlichen Gebetserweiterungen (Pijjüt) 4 3 9 kennen. Die Ergänzungen betreffen nun durchweg die babylonische Rezension, die insbesondere die 11. und 13. Segensbitte palästinischer Rezension erweitert und die 14. Bitte palästinischer Rezension geteilt und erheblich erweitert hat. 4 4 0 Diese Teilung der 14. Segensbitte palästinischer Rezension bringt inhaltlich für die babylonische Rezension eine Unterscheidung zwischen der Bitte um Jerusalem und der Bitte um den davidischen Messias. 4 4 1 Im Gegensatz zu den Kompositionen, bei denen die Bitte für Jerusalem bzw. den Wiederaufbau des Tempels die markante Position als Themenklage einnehmen, 4 4 2 ist im Achtzehn-Bitten-Gebet die Jerusalem-Bitte Teil eines größeren Zusammenhanges. 4 4 3 Die Textdifferenz am Anfang der 4. Segensbitte ist anderer Art als die in der JerusalemBitte: während die palästinische Rezension eine Bitte um Erkenntnis formuliert, setzt die babylonische Variante den Stil des einleitenden hymnischen Gotteslobes mit dem Achtzehn-Bitten-Gebetes vermutet werden. Vgl. auch jBer 2,4, 5a und 4,3, 7d.8a, wo u. a. 17,18 und 19 Segensbitten diskutiert werden. 433 Eine Ausnahme bildet hier lediglich die 4. Bitte, dazu unten S. 161, und die eingefügte 15. Bitte der babylonischen Rezension, die durch Teilung der 14. Bitte der palästinischen Rezension in zwei Bitten neu geschaffen wurde, wodurch der alte Name Achtzehn-BittenGebet in der babylonischen Rezension zu einem historischen Relikt wurde (mit Holtzmann, Berachot 25). 434 Die Schlußteile sind in der 11. und 13. Bitte in der babylonischen Rezension ergänzt. 435 jShab 16,1, 15c; bShab 115b. Man wird aus diesen Stellen nicht schließen dürfen, daß keine Gebete in frührabbinischer Zeit schriftlich fixiert wurden. Umgekehrt bezeugen diese Stellen gerade, daß es immer wieder Tendenzen gegeben hat, Gebete aufzuschreiben, da sonst die Polemik überflüssig wäre. 436 jBer 4,4, 8a. Vgl. auch bereits mBer 4,3. 437 jBer 4,4, 8a/b. 438 TnVnn Tl? 'Sl nnsn '£)Sii> mrr (die babylonische Rezension korrigiert die Eröffnung Ps 51,17 entsprechend 'JTS). 439 Ygi a [ s e r s te Einführung zum Pijjut als Erweiterung der überlieferten Gebete Elbogen, Gottesdienst 280ff.; Maier, in: Liturgie 89—102; Yahalom, in: Synagogue 111 — 126. Zur Zählung s. u.S. 154. 441 Vgl. dazu bereits tBer 3,25, wo die Fassung, die die Davids- und Messiasbitte zusammenzieht, bevorzugt, aber auch die Teilung in zwei Bitten akzeptiert wird. Beide Varianten sind also recht alt und lassen sich auch nicht ohne weiteres nur lokal differenzieren. 442 Siehe oben II. 1.1.2 und 2.1 sowie unten 11.4.1. 443 Die Jerusalem-Bitte kann jedoch auch allein oder in vielen anderen Segensgebeten beispielsweise beim Tischgebet oder Hochzeitssegen stehen, vgl. die Übersicht bei Heinemann, Prayer 70 ff.

154

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

Lobpreis Gottes als Verleiher der Erkenntnis f o r t . 4 4 4 Doch gibt auch diese Variante zu erkennen, daß hier bei der Gestaltung der einzelnen Segensbitten ein formgeschichtliches Prinzip am Werk war. Insgesamt wirkt die palästinische Rezension älter als die babylonische. Die Textvarianten der Amida haben ein gemeinsames formgeschichtliches Grundmuster: Funktion Einleitung: Hauptteil: Ziel: Abschluß:

Form Lobpreis Gottes Bitten 4 4 6 Dank Segen

palästinische 1.—3. 4.-16. 17. 18.

babylonische Version 4 4 5 1.—4. Segensbitte 5.—17. Segensbitte 18. Segensbitte 19. Segensbitte

D e r A u f b a u der A m i d a gleicht i m Kern d e m K l a g e l i e d - D a n k l i e d - S c h e m a der biblischen Psalmkomposition. D i e s e s Grundschema wird b e s o n d e r s deutlich in einer späteren Kurzfassung der A m i d a aus d e m 3. Jahrhundert n. Chr., d e m H a b i n e n u 4 4 7 , das b e i m Bitteteil (4.Bitte palästinischer R e z e n s i o n ) einsetzt, die e i n z e l n e n B i t t e n extrem kurz streift und d e n D a n k t e i l deutlich an den Schluß setzt. D o r t ist die Tl"D-Formel Schluß der G e s a m t k o m p o s i t i o n , w i e wir es bei der K o m p o s i t i o n verschiedener Buchschlüsse, Psalmgruppen u n d Einzelpsalmen im Psalter f i n d e n . 4 4 8 D i e s e s Grundschema ist in der Vollfassung der A m i d a 4 4 9 v o n e i n e m Einleitungs- und Schlußteil u m g e b e n . D e r Einleitungsteil motiviert das G e b e t mit d e m L o b G o t t e s , w o m i t der B e t e r sein Zutrauen z u m Ausdruck bringt. 4 5 0 W i e in d e n P s a l m k o m p o s i t i o n e n des f ü n f t e n Psalmbuches 444

Der Text der babylonischen Rezension läßt bei der Erweiterung der eigentlichen Bitten durch die neugeschaffene 15.Bitte die Zahl der Bitten unverändert. Die Zahl 13 ("tns = 13, babylonische Rezension) scheint gegenüber der Zahl 12 (palästinische Fassung) sekundär, da sie auf das Schma Jisrael anspielt. Wegen der abweichenden Zählung entsprechen die 16. —19. Segensbitte babylonischer Rezension der 15. —18. Segensbitte palästinischer Rezension. 445 Diese Unterscheidung in den Siddurtraditionen ist seit D A L M A N , Worte, üblich. Dort S. 298ff. die Texte. 446 Aus dem Hauptteil fällt sprachlich wie inhaltlich die 12. Segensbitte heraus, die sogenannte Birkat Hamminim, die als einzige negativ formuliert ist. Sprachlich läßt sich damit die talmudische Erzählung von der späteren Einfügung dieser Bitte (jBer 4,3, 8a) unterstützen. 447 jBer 4,3, 8 a sowie in gebräuchlicherer Variation bBer 29 b. Der Text ist auch zugänglich bei D A L M A N , Worte 62f. Das Habinenu setzt (auch in seiner babylonischen Rezension) die palästinische Rezension der Amida voraus, da es mit der Bitte um Einsicht beginnt. Zur möglichen Zufügung von Hymnenelementen im Rahmen vgl. auch den hymnischen Abschluß durch die spätere, bis heute liturgisch gebräuchliche Schlußvariante zum Text des Unser Vater in Mt 6,13. Gerade diese Schlußvariante des Unser Vater entspricht sehr genau rabbinischen Gebetsvorschriften (vgl. mYom 2,1; 4,2, dazu T H O M A , in: Liturgie 97). 448 In Ps66,20; 68,36; 135,21 stehen diese Bitten am Anfang des Schlußverses des Psalms, in Ps 18,47; 28,6; 31,22; 124,6 leiten sie den Schlußteil ein. Wenigstens in den Psalmbuchschlüssen Ps41,14; 72,18f.; 89,53; 106,48 sind sie zudem als Schlüsse von Psalmsammlungen eingesetzt. Vgl. aber auch IChr 16,36, wo der Schluß von Ps 106 als Schluß der Zusammenstellung einer Psalmneukomposition aus Psalmen des vierten Psalmbuches benutzt wird. 449 Zu den rabbinischen Bedenken, daß das Achtzehn-Bitten-Gebet als tägliches Gebet zu lang sei, vgl. bereits mBer 4,3. Selbst am Versöhnungstag setzt bPes 3a einen Auszug aus dem Achtzehn-Bitten-Gebet für das Abendgebet voraus. 450 Ygj (j a s Schöpfungsmotiv in der ersten und das Totenerweckungsmotiv in der zweiten

3. Clusteranordnungen von Psalmen

155

formuliert der Beter hier zuerst zwar nicht den Dank, aber das Lob Gottes und trägt dann die Klage nach. Den Schlußteil bildet die eigentliche Bitte um Segen, die in den Schlußversen der einzelnen Bitten bereits vorbereitet ist. 451 Die Kurzfassung des Mittelteils mit den konkreten Bitten der A m i d a im Habinenu verdeutlicht zusammen mit der Einfügung bzw. wahrscheinlichen Umgestaltung der Ketzerbitte, daß der Anfangsteil mit den ersten drei Bitten und der Schlußteil mit der E r h ö r u n g s - , Dank- und Segensbitte relativ früh inhaltlich feststanden, während insbesondere der Mittelteil mit den inhaltlich konkreten Bitten lange Zeit noch o f f e n s t a n d . 4 5 2 Das wird besonders deutlich bei einer anderen N e b e n f o r m der A m i d a , die nur am Sabbat verwendet wird: dem Sieben-Bitten-Gebet, das die ersten drei und die letzten drei Bitten der Amida Schmoneh Esreh umfaßt und dazwischen eine spezielle SabbatBitte einfügt. In dieser Fassung, die gelegentlich sogar dem Achtzehn-Bitten-Gebet zeitlich vorgeordnet w i r d , 4 5 3 sind also alle anderen konkreten Gebetsanliegen zugunsten des Sabbats zurückgestellt. 4 5 4 Entsprechend gibt es Variationen, die in die 6 Rahmenbitten Bitten für andere Feiertage einfügen. 4 5 5 In m R H 4,5 hat diese Grundform mit den sechs Rahmenbitten bereits feste Namen, die anzeigen, daß sich der Inhalt des Achtzehn-Bitten-Gebetes seit der Zeit der Mischna nur in Formulierungen verändert haben k a n n : 1. 2. 3. 16.

Bitte: Bitte: Bitte: Bitte:

mas nmai Dwnwnp HTDy

(Väter) (Stärke) (Heiligung des Namens) (Dienst)

Bitte. Später ist der hymnische Einleitungsteil insbesondere durch ein eigenes Eingangsgebet mit dem Lobpreis des Schöpfers (das Gebet ISV, vgl. mBer 5,4, dazu ELBOGEN, Gottesdienst 1 7 . 2 4 8 ) erweitert worden. Vgl. auch den Einleitungsteil PsSal 1 - 3 . 451 Bereits der erste erhaltene, frühmittelalterliche Siddur, Seder R. Amram Gaon (n1?) bringt dies deutlich zur Sprache: Tioi n^nn n i m m s-nai Man beugt sich beim Dank, am Anfang und am Ende. Anfangs- und Schlußteil des Achtzehn-Bitten-Gebetes werden also gleichermaßen als HSlin, als Dank, bezeichnet, vgl. die Dankliedkompositionen S. 163. 452 vgl. z.B. die Diskussion über die Einschaltung einer zusätzlichen Bitte am Gedenktag der Tempelzerstörung (9. Ab) in jBer 4,3,8 a. 453 So SCHÄFER, in: Literatur 3 9 1 - 4 1 3 , hier S . 4 0 8 . tBer 3 , 1 5 kennt bereits ein SiebenBitten-Gebet für den Sabbat, aber die Textrekonstruktion bleibt an ein kompliziertes Hypothesengebäude geknüpft. Vgl. auch VON DER OSTEN-SACKEN, Katechismus 197. 454 Eine Variante des Sieben-Bitten-Gebetes, das die Christenheit des vierten Jahrhunderts als jüdisches Gebet in ihren Katechumenenunterricht aufgenommen hat und das ein Zeugnis einer jüdisch-christlichen Symbiose darstellt, überliefern die Apostolischen Konstitutionen 7, 33ff. (so VON DER OSTEN-SACKEN, Katechismus 228, vgl. bereits BOUSSET, Gebetsammlung, und WERNER, Bridge 283, der auf KOHLER, H U C A 1,1924, 401f., und ders., Art. Didascalia: The Jewish Encyclopedie 4 , 588-594, verweist. Text bei: DE LAGARDE [Hg.], Constitutiones 212ff.; METZGER, Constitutions, in Auszügen nun auch bei TREPP, Gottesdienst 286 f.). 455 Ygi ¿ig Diskussion m R H 4,11 zwischen der Hallel- und Schammaischule, ob bei einem Festtag, der auf einen Sabbat fällt, sowohl die Sabbatbitte als auch die Bitte für den Festtag eingefügt werden. Bei Rosch Haschanah geht der Streit zwischen beiden Schulen, ob drei oder vier Bitten diesen Tag betreffend in die Grundform eingeschaltet werden.

156 17. Bitte: 18. Bitte:

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen nxnn Dtrn fD"n

(Dank) (Segnung des Namens)

Mit den sechs Rahmenbitten ist aber auch das formgeschichtliche Grundschema der A m i d a bereits deutlich vorchristlich anzusetzen. D a z u d e m nach mTaan 5,1 die Priester im Tempel bereits eine Gebetsform verrichtet haben, die der A m i d a in der 1., 3. und 16. Bitte entspricht, können wir den Grundbestand der A m i d a im Tempelgottesdienst verorten. 4 5 6 Bemerkenswert ist, daß die Jerusalem-Bitte für den Tempelgottesdienst damit entgegen d e m formgeschichtlichen B e f u n d zum ältesten Bestandteil dieses G e b e t e s , d e m R a h m e n , gehört. D i e s e Zugehörigkeit der Jerusalembitte zum festen Teil des G e b e t e s scheint offensichtlich inhaltliche Gründe zu haben: kein rechtes G e b e t kann in e i n e m noch so speziellen Fall ohne sie auskommen. A m A n f a n g der A m i d a steht ein Zitat aus Ps 51,17. 4 5 7 Dieser Vers steht im Schlußteil eines Psalms, d e m wir bei unserer kompositioneilen A n a l y s e einen Platz an einer Nahtstelle des Psalter z u w i e s e n . 4 5 8 Insbesondere ist Ps 51 A n f a n g der folgenden Sammlung von Davidpsalmen, die nach d e m Schema von Klage, L o b und D a n k aufgebaut ist und damit prinzipiell dem Kompositionsschema der A m i d a verwandt ist. Innerhalb der Amida gibt es nun eine ganze Reihe von Formulierungen, die der Bibel entnommen sind: beispielsweise innerhalb der ersten Bitte wird deutlich auf Gen 15 angespielt. 459 Die dritte Bitte ist mit zentralen Worten aus dem Jesajabuch gestaltet. 4 6 0 Doch überwiegen insgesamt die Traditionen aus dem Psalter: so ist die einzige menschliche Person, die erwähnt wird, David 4 6 1 , und zahlreiche Formulierungen sind der Psalmensprache entnommen. 4 6 2 Besonders die Gliederungselemente der Amida, die Abschlußbitten, entstammen der Psalmensprache: die exakte Formulierung „Gepriesen seist du, Jhwh" (nirp nriK findet sich innerhalb der Hebräischen Bibel zwar nur zweimal und dort nicht in Schlußstellung, 463 aber ähnliche Bitten sind im Psalter am Schluß der ersten vier Psalmbücher 4 6 4 und am Schluß zahlreicher weiterer Psalmen 4 6 5 anzutreffen. In dieser Schlußposition beziehen sich diese Formeln im Psalter wie in der

456 vgl z u diesen Vorformen im weiteren Sinn, die nicht das formgeschichtliche Grundmuster der sechs Rahmenbitten der Amida, aber Wort- und Formparallelen im weiteren Sinn haben, die 8 Bitten des Hohepriesters am Versöhnungstag jYom 7,1,44b. 457 Zum Text s.o. Anm. 438. 458 Siehe unten III.1.2.2. 459 Dnnail p a („Schild Abrahams") ist eine Formulierung, die an Gottes Selbstvorstellung gegenüber Abraham in Gen 15,1 U? 'SIS, „Ich bin dein Schild") erinnert. ^o Vgl. Jes 6,3; 45,21. 461 14. Bitte palästinischer Rezension. Die Bedeutung des Davidsprosses wird in der babylonischen Rezension durch die Abtrennung der 15. Bitte noch eher verstärkt. 462 Vgl. beispielsweise 1111 nil (1. Bitte) mit Ps90,l; die Bitte um Gebetserhörung (16. Bitte palästinischer Rezension, 17. Bitte babylonischer Rezension) mit Psl7,6; 27,7; 28,2; 30,11; 54,4; 64,2; 143,1. 463 Ps 119,12; IChr 29,10. 464 S.o. Anm.448. 465 S.o. Anm.448.

3. Clusteranordnungen von Psalmen

157

Amida immer auf Gott. 4 6 6 Daß die Amida hier keine Sonderbildung verfolgt, sondern die Sprache der Zeit spricht, zeigt die Variante von Ps 145 in 11Q Ps a , in der innerhalb eines Akrostichons jeweils eine Segensbitte nach jedem Vers eingefügt ist. Wie sehr Psalmen und Segensbitten ineinandergefügt werden können, wird auch an einer speziellen Erweiterung der Amida für Fastentage wegen Trockenheit, dem 24Bitten-Gebet, deutlich: hier werden dem 18-Bitten-Gebet zwei Sammlungen von Bibelzitaten 467 und vier Psalmen angefügt. Drei dieser Psalmen sind dabei aus den Wallfahrtspsalmen, Ps 120; 121 und 130, der vierte und abschließende Psalm ist wie Ps 130 ein aus der kirchlichen Tradition bekannter Bußpsalm, Ps 102. 468 Dieser Zusatzteil ist in sich äußerst unterschiedlich: Die beiden zu Gebeten umgestalteten Bibelstellensammlungen stammen aus der Liturgie des Großen Versöhnungstages 469 , eine Stelle innerhalb dieser Sammlung ist sogar ein ganzer Psalm, während die kleineren Wallfahrtspsalmen als ganze Bitte gezählt sind. 470 Jeder dieser Zusatzteile wird mit einer eigenen Bitte abgeschlossen. 471 Diese Abschlußbitten passen besser zum Vorhergehenden als die Bibelverse selbst. Es liegt daher nahe, auch hier die Bibelstellen als nachträgliche Ausschmückungen der älteren Bitten anzusehen. 472 Mit den Psalmen teilt das Achtzehn-Bitten-Gebet den Wechsel zwischen Klage und Lob und Dank, wobei die Einleitung allerdings im Achtzehn-Bitten-Gebet hymnisch formuliert ist. Doch in allen Varianten wie der erschlossenen Vorstufe ist das formgeschichtliche Grundschema Lob, Klage, Dank und Segen deutlich ersichtlich. Inhaltlich notwendig und deswegen Bestandteil des Rahmens ist dabei offensichtlich die Bitte für Jerusalem, die in keiner Variante wegfällt. Der Cluster von Klagen wird also von einem formgeschichtlichen Grundschema eingeschlossen, das enge Parallelen mit der von uns skizzierten Formgeschichte der Psalmgruppen hat. Neue Klagen sind in den Klagecluster im Mittelteil je nach Situation einfügbar, ohne daß das formgeschichtliche Grundschema verändert wird. Dasselbe Schema ist auch mit nur einer Bitte für eine spezielle Situation verstehbar, wie wir an der Variante des Grundschemas als 466 In Ps 115,15 (dort Plural) und 118,26 finden sich die beiden einzigen Stellen innerhalb des Psalters, in denen auf Menschen bezogen ist. Dort haben die Formeln jeweils keine Schlußstellung. 467 Bei den Gedenkstücken (nUTDT) werden 10 Bibelstellen mit "IDT („gedenken") zu einem Gebet zusammengestellt (3Torastellen, Gen 8,1; Ex 2,24; Lev 26,42, drei Psalmstellen, Ps 111,4; 111,5; 106,45, und drei Prophetenstellen, Jer 2,2; Ez 16,60; Jer 31,19, sowie eine abschließende Torastelle, Lev 26, 45), während in den Schofarstücken (nilDW) 10 Stellen mit "1SW („Schofar") zusammengestellt sind (3 Torastellen, Ex 19,16; Ex 19,19; Ex 20,18, 4 Psalmenstellen, Ps47,6; 98,6; 81,4; 150, und 3 Prophetenstellen, Jes 18,3; Jes 27,13; Sach 9,14). Die konkreten Stellenangaben sind in anderem Zusammenhang belegt (mYom 4,6, dort mit 10 ms^a-Stellen für die Liturgie des Großen Versöhnungstages). Beachte die Verwendung nur von Psalmen für die Repräsentation des Kanonteils der Ketübim (vgl. dazu die Diskussion um die Psalmen als Kern des Kanonteils der Schriften unten im Ausblick Kapitel 2.), sowie die Anordnung der Psalmen vor den Prophetenstellen. 468 Die Fastenstellen nach mTaan 2,1 ff. 469 S.o. Anm.467. 470 vgl. Ps 150 innerhalb der Schofarot-Stellen. R.Jehuda schlägt wohl deshalb lKön 8,37ff. und Jer 14,lff. anstelle der Gedenk- und Schofargebete vor (mTaan 2,3). 471 mTaan 2,4. So aber auch die Variante von R.Jehuda (siehe vorherige Anm.). 472 vgl. auch die Varianten tTaan 1,12—14 und bTaan 16b.

158

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

Sieben-Bitten-Gebet für den Sabbat sahen. Alle anderen Bitten entfallen dann. Der feste Rahmen und das formgeschichtliche Grundschema geben damit dem Gebet den Rahmen, innerhalb dessen verschiedene Anlässe mit Bitten bedenkbar sind.

3.5.2 Die Hodajot von Qumran Wir haben bei unserem Durchgang durch den Psalter und bei der Behandlung der Amida nur solche Psalmgruppen kennengelernt, in denen Klagecluster wenigstens ansatzweise durch einen Hinweis auf einen Hymnus durchbrochen waren oder Hymenclustern Klagelieder kompositioneil vorgeordnet waren. Innerhalb der Hebräischen Bibel ist an die Threni als Beispiel für einen reinen Klagecluster zu denken, doch sahen wir, wie diese Gruppe von Psalmen in der sehr speziellen Situation der aktuellen Tempelzerstörung wurzelt und wahrscheinlich auch nur als liturgisches Stück für den besonderen Gedenktag der Tempelzerstörung erhalten blieb. Außerdem haben sogar die Threni einen kleinen Hinweis auf heilvolle Perspektive, die an die Botschaft Deuterojesajas erinnert (Thr 4,22a). Daß wir zur Betrachtung eines reinen Klageclusters den Psalter verlassen müssen, kennzeichnet den Psalter, der bereits mit seiner Überschrift D'^nri auf die Perspektive des Gotteslobes hinweist. Daß aber auch der einzige selbständige Klagecluster, dessen erste Form in der speziellen Situation der Tempelzerstörung entstand und der als Erinnerung an diese Zerstörung in den Kanon gekommen ist, innerhalb der Hebräischen Bibel die Andeutung einer heilvollen Perspektive hat, kennzeichnet den Kanon. Neben den Threni wählte Westermann in seiner Hypothese, daß dem Psalter Sammlungen gleichartiger Psalmen vorangegangen wären, 473 die Hodajot von Qumran als Beispiel. Betrachten wir deswegen auch diese Sammlung kurz. Die Danklieder von Qumran (Hodajot) leben aus der Sprache der Psalmen. 4 7 4 Formgeschichtlich werden die Hodajot im Anschluß an G. Morawe 4 7 5 in Lehrer- und Gemeindelieder unterteilt. Den Lehrerliedern wird gemäß diesem Ansatz der Reflex individueller Erfahrung zugesprochen, die auf den Lehrer der Gerechtigkeit zurückgeht. Dafür sprechen die „Motive des Offenbarungsmittlers" 476 , die Kennzeichen der Lehrerlieder sind. Ein Beispiel für ein solches Mittlermotiv findet sich in 1QH 2,8:

Via1? xo-iai D'wid 1 ? na rrnxi

Ich wurde zur Falle für die Übeltäter und zur Heilung für alle.

473

WESTERMANN, Sammlung.

So unlängst LOHFINK, Lobgesänge 41. Aus der älteren Literatur vgl. bes. MORAWE, RdQ 4 , 3 2 3 - 3 5 6 , hier 323 f. 4 7 5 MORAWE, Aufbau. Zur frühen Wirkungsgeschichte von Morawe siehe: JEREMIAS, Leh474

rer 171; BECKER, Heil 53; KUHN, Enderwartung 23, und STEGEMANN, Rekonstruktion. 4 7 6 So z. B . KUHN, Enderwartung 24.

3. Clusteranordnungen von Psalmen

159

Diese sehr unterschiedlichen Notizen für ein individuelles Erlebnis, das für andere stellvertretende Bedeutung hat, ist nun Teil der Schilderung der Not, wie wir sie auch in den sogenannten Gemeindeliedern finden. 4 7 7 Der für die Bestimmung der Gattung charakteristische Anfang der Lieder lautet nun jeweils gleich ' H S rDTIK („ich will dich loben, Herr, denn .. .") 4 7 8 oder ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied für den weiteren Kontext ^"13 („gepriesen") mit folgenden nominalen Aussagen. 4 7 9 Die erstere Formel mit m 1 (Hi) ist aus der Hebräischen Bibel als Dankliedformel bekannt. Sie steht außerdem in den späten nachkultischen Dankliedern Jes 12,1; Ps 9,2; 111,l 4 8 0 und 138,1 sowie in den Qumrantexten als Eröffnungsformel. 4 8 1 Sie erfreut sich zudem in griechischer Übersetzung in der apokryphen und neutestamentlichen Literatur größter Beliebtheit. 4 8 2 Es ist nicht erkennbar, daß bei diesen zwei Sprachformen mit Tp-Q oder 'S 'JUS H371X eine unterschiedliche Gattung beginnt oder auch nur eine andere Person als Sprecher vorgestellt ist. Desgleichen ist die Unterscheidung zwischen Lehrer- und Gemeindeliedern nur für die historische Analyse der Entstehung der Qumrangemeinde wichtig, 4 8 3 aber für die Betrachtung der Hodajot als Psalmsammlung kann sie außer acht bleiben. 4 8 4 D i e H o d a j o t sind in der Perspektive der alttestamentlichen Formgeschichte durchweg stark mit weisheitlichen und eschatologischen M o t i v e n angereicherte D a n k l i e d e r des E i n z e l n e n . 4 8 5 D o c h wird gerade im Vergleich zur K o m p o s i t i o n des Psalters die theologische Eigenart der H o d a j o t v o n Q u m r a n deutlich: ist den Lob- und D a n k l i e d e r n im Psalter kompositioneil stets wenigstens ein eigenständiges Klagelied v o r g e o r d n e t , 4 8 6 so fehlt das Klagelied in der S a m m lung der H o d a j o t völlig. D i e s e Klage macht nun selbst in den Hymnenclustern des vierten Psalmbuches das E l e m e n t der B o d e n h a f t u n g aus, das d e n eschatologischen H y m n e n - bzw. D a n k l i e d k o m p o s i t i o n e n i m Psalter e i n e n B e z u g zur

477 1QH 2,4ff. Vgl. als Beispiel einer typischen psalmennahen Formulierung aus den sogenannten Gemeindeliedern 1QH 3,19: ' i n s nDTiN Inns ^IKWOI nrwa n m s '3 Ich danke dir, Herr, denn du hast meine Seele aus der Grube und der Unterwelt des Verderbens erlöst. 478 1QH 2,20.31; 3,19.37; 4,5; 5,5; 7,6; 11,3.15, wahrscheinlich auch 7,26.34; 8,4; 9,37; 17,17.26 sowie 14,23 (ohne 'S). Die Textkonjekturen beziehen sich auf LOHSE, Texte 112ff. 479 1QH 5,20; 10,14. 480 Ps 111 ist ein Weisheitslied mit Dankliedelementen, das wie Ps9 (dort nur teilweise) die Form eines Akrostichons hat. 481

482

CRÜSEMANN, Studien 267f. u . ö . . . Vgl. MORAWE, Vergleich 326.

JesSir 51,lf.; Mt 11,25/Lk 10,21 (E^o|ioXoYoi3|iaL ooi); Jh 11,41 (eir/aoiaTdj aoi); weitere Stellen siehe ROBINSON, FS Haenchen 194-235, und CRÜSEMANN, Studien 211t.). 483

484

S o b e s . STEGEMANN, E n t s t e h u n g .

Zu den Problemen der Unterteilung in Lehrer- und Gemeindelieder vgl. z.B. KUHN, Enderwartung 24, zu 1QH 2,20-30. 485 Formgeschichtlich haben die Hodajot von Qumran große Ähnlichkeit mit den weisheitlich-eschatologischen Varianten von Hymnus und Danklied im vierten Psalmbuch. Vgl. insbesondere Ps 95 und 99, aber auch Jes 12. 486 Vgl. z.B. die Vorordnung von Ps94 vor den Hymnencluster Ps95ff. oder die Vorordnung von Ps 102 vor Ps 103 ff.

160

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

Klage gibt. H.-W. Kuhn 487 hat demgegenüber das Selbstbewußtsein der Qumrangemeinde treffend in der Spannung zwischen futurischer und präsentischer Eschatologie beschrieben. Diese Spannung wird dadurch gelöst, daß das Heil mit dem Eintritt in die Gemeinde präsentisch verstanden wird, da das Unheil „nie als Möglichkeit für die Beter" gedacht ist. 488 Entsprechend fehlt in 1QH das Klagelied als selbständige Form. Das Fehlen einer präsentischen Klage ist also in Qumran keineswegs Zufall, sondern die formgeschichtliche Eigenart zeigt das theologische Profil dieser Gruppe an. Das wird auch an der Verwendung der ^TD-Formel in Qumran außerhalb der Hodajot-Literatur deutlich. In 1QM 13,2f., in der sogenannten Kriegsrolle, sprechen ,,,Mose' 4 8 9 , seine Brüder, die Priester, die Leviten und alle Ältesten der Schlachtordnung": 4 9 0

•7XHP "7X •qna 'ws/ai "wnj? naama "7133 "713 D'31["l]ai :nn»xa V27TP pixa i ' m [ m ] Gepriesen sei der Gott Israels in seinem gesamten heiligen Plan und dem Wirken seiner Wahrheit, und gepriesen seien alle, die ihm in Gerechtigkeit dienen, die ihn in Treue erkennen.491 Hier bildet die Segensformel die Einleitung eines Psalms, der in der Gewißheit der Rettung als vorweggenommenes Danklied bereits vor Beginn der großen Schlacht angestimmt wird. 4 9 2

Die ^n3-Formel findet sich im Psalter nur in Ps 144,1 als Eröffnungsformel. Dieser Psalm hat mit dem Lobpreis Gottes als Kriegsheld auch inhaltlich große Ähnlichkeiten mit den Lobliedern aus Qumran. Aber auch in anderen Psalmen außerhalb des masoretischen Kanons leiten Segensformeln einen Psalm ein. 493 Üblicher als die Anfangsstellung ist für beide Formeln im Psalter die Schlußstellung: so leitet IIIS („Ich will dir danken") bzw. n w ' rniN („Ich will Jhwh danken") im Psalter zumeist einen Dankliedschluß im Klagelied, seltener auch ein Danklied selbst ein. 494 Auch die ^na-Formel findet sich am häufigsten in der Schlußstellung. 495 Für eine Verortung der ^na-Formel im Kontext des 487 488

489 490

KUHN, Enderwartung. KUHN, Enderwartung 179.

Dies ist wohl in der Textlücke zu ergänzen. Dieser einleitende Text lautet nach LOHSE, Texte

208:

ias? -pon 'apt "73i D^ftm cnnDDjn vroo

491 Übersetzung und Punktation nach LOHSE, Texte 209. Zu den Einleitungsfragen zu 1QM vgl. z.B. aaO. 109f. und CAMPONOVO, Königtum 292ff. 492 vgl. dazu insbesondere MORAWE, Vergleich 336, und Ps 144,1. 493 S.o. Anm.479. 494 Ps7,18; 18,50; 30,13 (dort sogar als letztes Wort im Psalm); 42,6.12; 43,4; 52,11; 54,8; 57,10; 71,22; 118,21.28; vgl. auch Gen 29,35. 495 S.o. Anm.448.

3. Clusteranordnungen

von Psalmen

161

Dankliedes spricht nicht zuletzt der in dieser Formel typische Wechsel der Rede von Gott und zu Gott. 4 9 6 Wenn nun die eine Formel sicher im Wirkungskreis des Dankliedes verortbar ist, legt sich dies auch für die parallel verwendete ^nn-Formel nahe. Da diese beim Abschluß von Großsammlungen und insbesondere von Psalmbüchern 497 verwendet wurde, haben wir also ein erstes Indiz dafür, daß Sammlungen bis hin zur Bucheinteilung des Psalters im Kontext der Vorstellung eines nachkultischen Dankes erfolgte, die aber der Klage ihr Gewicht als eigenem Psalm läßt.

3.6 Zwischenergebnis:

Zur Formgeschichte der Cluster

Auch die untersuchten Clusterkompositionen erweisen sich in ihrer vorliegenden Form mit Ausnahme der Hodajot als Variationen des formgeschichtlichen Schemas, das wir anhand der Wallfahrtspsalmgruppen erarbeiteten. Die Klage- und Lobcluster sind so miteinander kombiniert bzw. durch Einzelpsalmen so unterbrochen, daß die Abfolge Klage - Lob/Dank zu erkennen ist. Die Kombination wird hierbei wie der Vorbau des Ägyptischen Hallels durchweg erst im Zusammenhang der Komposition des Psalters erfolgt sein, wie beispielsweise die relativ lockere Anknüpfung der Hymnen im ersten Psalmbuch zeigt. Typisch für die Davidpsalmen sind Cluster von Klagen des Einzelnen, während Psalmen ohne personenbezogene Überschrift Hymnencluster bilden. Eine Besonderheit der Hymnencluster sind offensichtlich ihre Doppelungen am Schluß. Als Sonderfall der Kompositionsbögen des vierten und fünften Psalmbuches zeichnet sich die Einleitung mit dankliedartigen Elementen ab. Die Orakel fehlen entweder in den Clusterkompositionen oder sind durch orakelartige Elemente ersetzt. Die Verortung der Cluster ist schwer, weil das sichere Zeichen der Verortung anderer Psalmkompositionen, die Themenklage, fehlt. Dieses Fehlen einer Themenklage deutet auf die Tendenz hin zur Verallgemeinerung der Gebetsanliegen. Die Verallgemeinerung der Klage, wie sie für die Cluster typisch ist, ist aber auch Teil der Anwendung des Formschemas auf individuelle Klagen: Die Clusterbildung bei den Klagen ist die formgeschichtliche Entsprechung zur Verallgemeinerung der Klage für die vielen unterschiedlichen Nöte der Einzelnen.

496

Vgl. dazu bes. HEINEMANN, Prayer 104ff. 497 Vgl. die Schlußverse von Ps 41; 72; 89 und 106, aber auch das Ende von Ps 135 und JesSir 51. Dazu oben Anm. 448.

162

Teil II: Eine Formgeschichte

4.

der

Psalmengruppen

Zusammenfassung

4.1 Eine Formgeschichte der

Psalmengruppen

Wir versuchten, die durch Überschriften konstituierten Psalmengruppen formgeschichtlich in Anschluß an die in der Formgeschichte der Einzelpsalmauslegung verwendeten Kategorien zu beschreiben. Dabei zeichnete sich die Folge von Klage-Orakel-Hymnus/Danklied als Anordnungsprinzip ab, wobei ein Element von Fall zu Fall fehlen, aber auch erheblich erweitert sein kann. Oft wurde diese Folge offensichtlich erst durch die Zufügung von Einzelpsalmen zu den Gruppen auf der Ebene der Edition des Psalters erreicht. Einen sicheren Fall dieser Art haben wir allerdings nur dadurch, daß wir beim Ägyptischen Hallel den überlieferten Sitz im Leben mit der Reichweite der Komposition in der Fassung im Psalter vergleichen können. Die Beschreibung der durch personenbezogene Überschriften markierten Psalmgruppen war besonders leicht bei den Psalmen der levitischen Sängergruppen, den Asaph- und Korachpsalmen. In diesen Psalmgruppen unterscheiden wir einen Rahmen mit Singularpsalmen von einem Kern mit Pluralpsalmen. Der Kern ist durch die Tendenz von der Klage zum Lob gekennzeichnet, die jedoch in diesen Psalmen - wohl bedingt durch die exilische Situation - nur in einem Fall durch Lobpsalmen in der Psalmgruppe selbst an ihr Ziel kommt. Tabelle 1: Die Psalmgruppen mit Pluralkern Einltg. SgAsaph Ps73 Ps78 Korach Ps42f. Ps84

Themenklage PI. Ps74 Ps79f. Ps44 Ps 85

Orakel (Einschub) PI. SgPs75 Ps81 Ps45 (Davidps: 86) Ps85

Zionsps/Hymnus PI. Ps 76 Sonderps: Ps82 Ps 46/47/48 Ps 87

Schluß SgPs77 Ps 83 Ps 49 Ps 88

Mußten wir bereits bei den Asaphpsalmen eine Trennung in zwei Kompositionsbögen vornehmen, so wurde dies bei den umfangreicheren Psalmengruppen insbesondere im ersten und vierten Psalmbuch zum Regelfall. Doch in diesen Fällen fanden wir vom System der Überschriften als auch vom Inhalt der Psalmen her unterstützende Kriterien für die Einteilung in diese Kompositionsbögen, die auf größere Einheiten bezogen sind. Die in drei Analysegängen erarbeiteten Kompositionstypen von Wallfahrts-, Klage- und Clusterkompositionen erweisen sich als Varianten eines Grundtyps: Im Kern der Psalmgruppen finden wir durchweg den Übergang von der Klage zum Lob, im Fall verschiedener Clusterkompositionen, genauer gesagt der verschiedenen Davidpsalmengruppen und des Ägyptischen Hallels, auch den Übergang von der Klage über das Lob zum Dank. 498 Letztere Fälle sind wegen ihres Achtergewichtes als Dankliedkompositionen zu bezeichnen, 498

Vgl. dazu die Übersicht S. 168 Tabelle 4.

4. Zusammenfassung

163

der klagende Schlußpsalm ist ein retardierendes Moment mit Überleitungsfunktion. Tabelle 2: Kompositionsbögen mit Ps Ps Ps Ps

Einltg. lf. 25 51-53 107

Klage 3-7 25-28 51-65 108 f.

Orakel (8) 29 110 117

Dankliedhöhepunkt

Lob 8 29 65 f. 113 ff. 118

Dank 9 30 66 f. 116 119

Klageschluß 10 31 68 ff.

Eine Spezialität der Psalmgruppen des vierten und fünften Psalmbuches ist die mögliche Vorwegnahme des Dankliedes ganz am Anfang der Gruppe, so daß der Dankliedcharakter der Komposition bereits am Anfang der Gruppe deutlich hervortritt. Tabelle 3: Kompositionsbögen mit Dankelementen am Anfang Ps 92—100 Ps 1 0 7 - 1 1 9 (Ps 1 2 0 - 1 3 7 Ps 1 3 8 - 1 5 0

Dankelement 92 (93 Hymnus) 107 120,1b 138 (139 Weisheitsps)

Klage 94 108 f 121-131 [... ] 140-143

Orakel 95 110 132 [ . . . ]

Hymnus 95-100 113-115 + 117 134-136) 145-150

Bei den Fällen, in denen der Hymnenschluß lediglich angedeutet war, bezeichneten wir die Kompositionen als Klagekompositionen. Den einzigen eindeutigen Fall für eine solche Komposition, die Asaphpsalmen, deuteten wir von der speziellen Situation der Tempelzerstörung her. Doch auch die als Klagekompositionen gekennzeichneten Gruppen haben nicht im Zuge der Gruppe selbst eingelöste Textverweise auf einen Hymnenschluß: die Klage ist in der Erwartung künftigen Lobens und Dankens formuliert. Deswegen kann der Schluß dieser Kompositionen auch mit einem eschatologischen Hymnus gestaltet sein. Damit weisen wir die in einem Hymnus gipfelnden Psalmengruppen ohne Danklied insgesamt der Situation der Klage zu. Psalmgruppen, die als Klage- oder Hymnencluster diesem Schema nicht entsprechen, erwiesen sich als kontextuell durch Einzelpsalmen oder Psalmgruppen in dieses Schema eingepaßt. 499 Die Westermannsche Vorstellung von Gruppen formgeschichtlich gleicher Psalmen als Basis der Komposition des Psalters bestreiten wir als mögliche Vorstufe des Psalters keineswegs, aber als Basis der Komposition der Psalmgruppen im vorliegenden Psalter zeichnet sich der beschriebene formgeschichtliche Wechsel ab, der als solcher in die Zeit des ersten Tempels weist. Klage- und Hymnenteile sind teilweise getrennt überliefert und sekundär neukombiniert worden, so vermutlich in der Vorordnung 499 v g l bes. die Voranstellung der Kleingruppen von Davidpsalmen vor das Ägyptische und kleine Hallel.

164

Teil II: Eine Formgeschichte

der

Psalmengruppen

von Psl02 vor den Hymnencluster Psl03ff. Anschauliches Beispiel für eine solche Neukombination ist die Auswechslung der Bitten innerhalb des hymnischen Rahmens der Amida, die mit ihrem hymnischen Anfang und dem Dankliedschluß die nächste Parallele zu den Dankliedkompositionen des vierten und fünften Psalmbuches darstellt. Obwohl wir die ersten Kompositionen von Psalmgruppen erst in der Zeit kurz vor dem Exil bzw. als durchgehender Textzusammenhang erst im Exil verorten konnten, 500 legt sich in verschiedenen Fällen nicht nur ein älterer traditionsgeschichtlicher Hintergrund der Einzelpsalmen, sondern auch des formgeschichtlichen Schemas der Kompositionen von Psalmgruppen nahe. Das formgeschichtliche Grundschema des Überganges von der Klage zu Lob und Dank, das Grundbestand sowohl der Klage- als auch der Danklieder ist, wird nicht zuletzt deswegen vorexilisch zu datieren sein. 501 Die These von H.-J. Kraus, Klage- und Danklieder zu einer Gattung zusammenzufassen, 502 ist also aufgrund unserer Betrachtung der Psalmgruppen zu modifizieren: Klage- und Danklieder entstammen zwar beide der Erfahrung der Rettung. Doch diese Erfahrung wird dadurch vermittelt, daß die Situation der Klage und der bestehenden Not innerhalb dieser Psalmgruppen ihren eigenen Psalm behält. Der Übergang von der Klage zu Lob und Dank ist eine textpragmatische Funktion der Psalmgruppen, die nur leistbar ist, wenn die Klage ihr Eigengewicht behält. In etlichen Fällen von Psalmengruppen ist der Übergang von der Klage zum Lob deutlich durch ein Orakel markiert. Doch finden sich weitere Orakel sowohl in Klageclustern (Ps 60; 108) als auch in durch das Überschriftensystem als Einzelpsalmen markierten Psalmen. So steht Ps50 als Psalm mit einem Orakel (v.7ff., vgl. aber auch v. 3a) 503 nicht an einem Übergang zwischen Klage und Lob, wie es von unserer makroformgeschichtlichen Regel her zu erwarten wäre. Er ist aber auch von dem System der Namensüberschriften her isoliert. Ps 50 teilt diese makroformgeschichtliche Sonderstellung mit Ps 89, der als einzelner Psalm ebenfalls nach der anderen Korachpsalmgruppe steht. Beide Psalmen sind von ihrer Stellung an einer Nahtstelle zwischen Psalmgruppen her zu verstehen, wir werden also diese und andere Einzelpsalmen im folgenden Teil dieser Arbeit im Kontext der Edition der Großsammlungen zu untersuchen haben.

500 v g l . II.3.1 zu den Davidpsalmen im elohistischen Psalter und II.2.1 zu den Asaphpsalmen. 501 502 503

Vgl. auch oben zu lSam 1 f. S . o . S.56. In Ps 50 ist das Element der Rettung nur in v. 15b.

4. Zusammenfassung

4.2 Editorische

165

Einzelpsalmen

Bereits innerhalb der Psalmgruppen fanden wir Hinweise auf einen zumeist weisheitlichen Rahmen, der oft in die Struktur der Gruppe selbst hinein verwoben und deswegen meist nicht vom Kern der Psalmgruppen abtrennbar war. Wir kennzeichnen deshalb die im Psalter vorliegenden Formen der Komposition durchweg als nachkultisch. Diese Rahmenteile werden wir im folgenden besonders auf ihre Hinweise auf literarisch selbständige Sammlungen untersuchen. Doch tragen wir zuerst die bereits gefundenen Hinweise zusammen. An den Anfangs- und Schlußpositionen der Psalmengruppen fanden wir durchweg Weisheitspsalmen oder Psalmen zur Motivation einer Wallfahrt bzw. Zions-/Königspsalmen. Beide Psalmtypen können aber auch die Mittelposition in einer Psalmgruppe einnehmen, und zwar sowohl eine Mittelposition, was die Zahl der Psalmen der Gruppe angeht (z. B. Ps 127f. in den Wallfahrtspsalmen Psl20ff.), als auch eine formgeschichtliche Mittelposition am Wendepunkt zwischen Klage und Lob (z.B. Ps 110—112 im Kompositionsbogen Ps 107—118). Im fünften Psalmbuch notierten wir jeweils den Sonderfall, daß sich am Anfang der Gruppen regelmäßig Hinweise auf ein Danklied finden. Diese Rahmenpsalmen sind teilweise integrale Bestandteile der Psalmengruppen, teilweise sind sie aber durch Psalmen anderer Überschriften außerhalb der Psalmgruppen angefügt. Dabei erscheinen die Tora- und Weisheitsmotive wie die Zions- und Königsmotive jeweils besonders häufig auch in einem Psalm gemeinsam. Wir fassen deshalb im folgenden Tora- und Weisheitspsalmen zum Weisheitspsalm zusammen, die Zions- und Königspsalmen nennen wir im folgenden Zionspsalmen. Wenn Weisheits- und Zionspsalmen zusammen auftreten, so hat der Zionspsalm stets die innere und der Weisheitspsalm stets die äußere Position. Diese makroformgeschichtliche Regel weist etliche Sonderfälle auf, die wir im folgenden durchgehen. So werden die Asaphpsalmen zwar von einem Weisheitspsalm eingeleitet (Ps 73) und von einem Weisheitspsalm in zwei Kompositionseinheiten untergliedert (Ps 78), aber ein weisheitlicher Schluß fehlt. Erst außerhalb des Überschriftensystems, in dem Korachpsalm Ps84, wird dieser weisheitliche Schluß nachgetragen. Doch ist der fehlende weisheitliche Ausgang der Psalmgruppe wie die Form, in der das Zionsmotiv auftritt, Zeichen der Situativität der Psalmengruppe: der Zionspsalm am Anfang hat die Form einer Klage über die Zerstörung des Heiligtums (Ps74 und 79). 5 0 4 Hier erscheint das Zionsmotiv wohl situativ bedingt in die Klage eingebunden. Auch der Schluß Psalm 83 hat die Form der offenen Klage, die nicht weisheitlich überformt ist, spielt aber mit der Völkerkampfmotivik auf ein Motivfeld an, das auch im Kontext der rahmenden Zionspsalmen erscheint (vgl Ps2; 48; 149). Die erste Korachpsalmgruppe hat zwar einen weisheitlichen Schluß (Ps49), aber keinen weisheitlichen Anfang. Dieser wird erst außerhalb der Gruppe durch den Davidpsalm am Schluß des ersten Psalmbuches (Ps 41) vorgebaut. Das Zionsmotiv ist am Schluß der Gruppe breit belegt (Ps 46 und 48) und am Anfang durch das Wallfahrtsthema präsent (Ps 42f.). In der zweiten Korachpsalmgruppe 504

S.o. II.2.1.

166

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

mit den angegliederten Psalmen (Ps86; 89) sind Weisheits- und Zionsmotive in den Rahmenpsalmen Ps84 und 89 miteinander verbunden. In den Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. findet sich die Zionsthematik ähnlich wie in der ersten Korachpsalmgruppe als nahezu durchgehendes Motiv. Wie in diesen Psalmen steht jedoch am Anfang insbesondere die Motivik zur Wallfahrt (Ps 120—122) und am Schluß der überlange Zionspsalm Ps 132. Die weisheitliche Rahmung erfolgt extern durch den vorangestellten Ps 119. Am Schluß wird die nachkultische Nachschrift Psl37 die Funktion des Weisheitspsalms übernommen haben, eventuell ist aber auch an die weisheitliche Formung am Anfang der letzten Davidpsalmsammlung (insbes. Ps 139) zu denken. 505 Innerhalb dieser Psalmengruppe sind die Weisheitsmotive konzentriert in den Zwillingspsalmen in der Mitte der Kompositionseinheit (Psl27f.). Das Ägyptische Hallel hat als Rahmenpsalmen Weisheitspsalmen (Pslllf.; 119).506 Zionsmotive erscheinen nicht explizit. Auch das kleine Hallel beginnt mit einem Weisheitspsalm (Ps 145). Es folgt ein Psalm, der in den Lobpreis Gottes als König endet (Ps 146,10). Als vorletzter Psalm steht wieder ein Jhwh-KönigPsalm, der in der Motivik deutlich auf den Königs- und Zionspsalm Ps 2 anspielt. 507 Statt eines weisheitlichen Ausklangs findet sich in Ps 150 eine Aufforderung zum Lobpreis. 508 Immer wieder begegnen wir Zwillingspsalmen an den Stellen, an denen das Klage-Lob(/Dank)-Schema des Kompositionskerns editorisch umrahmt bzw. zentriert wurde. Als Beispiele seien Ps l f . als Anfang des Psalters, Ps20f. als Anfang der zweiten Hälfte der Chiasmusstruktur im ersten Psalmbuch, Ps90f. als Anfang und Ps 105 f. als Abschluß der Komposition des vierten Psalmbuches, Ps U l f . als Anfang des Ägyptischen Hallels, Ps 127f. als Mitte und Ps 135f. als Abschluß der Wallfahrtspsalmen genannt. 5 0 9 Wir haben also alle Zwillingspsalmen nicht nur mit wenigen Gattungen vertreten, sondern zugleich fast durchweg in Anfangs- und Schlußpositionen, also an den Nahtstellen der Psalmkomposition oder in der editorisch ebenfalls wichtigen Mittelposition. 510 Etliche dieser Psalmen werden üblicherweise so spät angesetzt, daß ihre Entstehung mit der Edition in Verbindung gebracht werden kann. Beispielsweise Ps 111 f. sind nicht nur synchron als Einleitung in das Ägyptische Hallel betrachtbar, sondern diachron sind auch der nachkultische weisheitliche Dankpsalm Ps 111 und das weisheitliche Vertrauenslied Ps 112 als Einleitung zum Ägyptischen Hallel zu sehen, das durch seine weisheitliche Edition auch gerade den Sitz im Leben von Ps l l l f . adaptiert und so Teil des Psalters ist. 505 Zu der Rückwendung in die Klage als Motiv der Weisheit vgl. oben 1.3.4.2. Zur Auseinandersetzung mit Ps 138f. vgl. oben II.3.3.2. 506 S.o. II.1.3. 507 Zu Ps 149 siehe bes. ZENGER, Gott 53ff. Dazu oben auch unten III.3.3.3. 508 Die Davidpsalmen sind komplizierter gebaut. Die Analyse oben II.3.1—3, die sich in die hier gebotene Skizze einfügt, soll hier nicht wiederholt werden. 509 Siehe oben 1.2.1. 510 Eine Ausnahme bilden hier Ps 50f., bei denen auch die Stellung als Zwillingspsalmen am wenigsten deutlich ist. Hier ist Ps51 deutlicher der Anfangspunkt der folgenden Davidpsalmsammlung, aber Ps50 ist zugleich Abschluß der vorhergehenden Korachpsalmgruppe und Parallele zum Schluß von Ps51 (siehe unten III.1.2.2). Ps79f. sind wohl die einzigen Zwillingspsalmen ohne Rahmenstellung. Sie haben als Klagelieder des Volkes zudem eine für Zwillingspsalmen untypische Gattung.

4.

Zusammenfassung

167

Die Ergebnisse bei unserem Versuch einer Formgeschichte der Psalmgruppen lassen auch begrenzt Rückschlüsse auf die Formgeschichte der Einzelpsalmen zu. Beispielsweise die These, daß die aus Gründen der Symmetrie vermutete Gattung Hymnus des Einzelnen eine nachkultische Mischgattung aus Einzelelementen ist, 511 läßt sich von der Beobachtung der Stellung der für diese Gattung in Anspruch genommenen Psalmen her bekräftigen: Die deutlichsten Beispiele der sogenannten Hymnen des Einzelnen finden sich wie in Ps 111 und 145 f. in besonders markanten Rahmenpositionen oder wie Ps8 in einem Kontext, der durch einen Midraschzusammenhang geprägt ist. Nachdem wir zur formgeschichtlichen Beschreibung der Psalmgruppen besonders die Kerne der Psalmgruppen betrachteten, werden wir im folgenden schwerpunktmäßig diese editorischen Einzelpsalmen und die Nahtstellen der Psalmgruppen ansehen, um Rückschlüsse auf die literarische Verknüpfung der Psalmgruppen ziehen zu können. Wir werden zudem die vereinzelten diachronen Beobachtungen zusammenfassen und versuchsweise in einen historischen Ansatz überführen. Mit dieser Beschreibung der Entwicklung des Psalters wird nicht zuletzt die Tragfähigkeit des kompositorischen Ansatzes bei einer Formgeschichte der Psalmgruppen zu überprüfen sein.

511

CRÜSEMANN, S t u d i e n 304.

168

Teil II: Eine Formgeschichte der Psalmengruppen

• CS o*\ «' co

CS tj- s—• r—

P 4 2 - 4 9 allein umfaßt habe?"). 142 Siehe dazu oben II. 1.1. 143 Ps 89 ist wie Ps 88 als Psalm eines Ezrachiters betitelt. Ps 88 hat diese Überschrift jedoch als zweite, wohl sekundäre Überschrift zu der Angabe, daß es sich um einen Psalm der Söhne Korachs handelt. Diese Ergänzung der Überschrift von Ps 88 sowie die Überschrift von Ps 89 weisen damit in eine spätere persische Zeit. 144 Siehe oben II.l. 1.3. 141

145

GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 451; GESE, E n t s t e h u n g 163; u. v. a.

200

Teil III: Die Entstehung des Psalters

dem auch ein Teilpsalter, der die ersten drei Psalmbücher umfaßt hat. 1 4 6 In diesem Fall wäre Ps 89 als Abschluß des dritten Psalmbuches auch das Ende einer Großsammlung von Psalmgruppen gewesen. Ps89 endet insgesamt im Ton der Klage. Thema ist hier die Klage über die Rücknahme der Davidverheißung durch Gott. Dies ist nun vor allem auch als Problem der nachexilischen Zeit zu begreifen: Zwar war der Tempel restauriert, aber das davidische Königshaus, das mit dem Tempel in vorexilischer Zeit auf das Engste verbunden war, bestand nicht mehr. 1 4 7 Der Schluß des dritten Psalmbuches ist nicht als Abschluß eines ursprünglich selbständigen Buches aufzufassen, sondern als retardierendes Moment innerhalb eines größeren Duktus. Gleichzeitig markiert Ps 89 mit seinem Davidsorakel den Wendepunkt von der Dominanz der Klage im gesamten Psalter hin zum eher durch Hymnen geprägten Teil. 148 Die Erwartung eines Hymnus 1 4 9 wird aus der Asaphpsalmsammlung über die zweite Korachpsalmsammlung auf den weiteren Text hin gesteigert. 2.2.2 Die Jhwh-König-Psalmen

als Zielpunkt

Auch die folgenden Psalmengruppen gehen im Gesamtduktus ihrer Komposition von der Existenz des Tempels aus. So steht in der weisheitlichen Anfangsgruppe des vierten Psalmbuches eine kurze Notiz, die das Vorhandensein des Tempels bzw. seine unmittelbar bevorstehende Wiedereinweihung voraussetzt (Ps 92,14 f.): 1 5 0 Die gepflanzt sind im Hause Jhwhs, werden in den Vorhöfen unseres Gottes blühen. Sogar im Alter werden sie noch gedeihen, fett und saftig werden sie sein.

mrP rP33 ü'ViritP :irP"lD? irn1?^ niixna na'tPa 1T3U1 "715? rvn? ü,?t?1T

Auch der andere Psalm, der die Jhwh-König-Psalmen umgibt, die Toreinzugsliturgie Ps 100, setzt die Existenz eines funktionierenden Tempels voraus. 151 Wir bemerkten bereits, daß die Asaphpsalmen zwar einen Hymnus ankündigen, ihn aber nicht innerhalb der Psalmengruppe selbst bieten. Desgleichen hat die zweite Korachpsalmsammlung keinen Hymnus. Die Erwartung des Umschwunges zum Lob wird damit bei einer Lektüre des Psalters von den Asaph146

GUNKEL/BEGRICH, Einleitung 454; WESTERMANN, S a m m l u n g , GESE, E n t s t e h u n g 165.

Zum Problem des ersten Psalmbuches siehe unten II.2.2.4. 147 Das Verständnis von Ps89 aus der nachexilischen Zeit scheint plausibler zu sein als beispielsweise die Ansetzung von Ps 89 in die exilische Zeit, die TOURNAY (Voir 162) unlängst vorgeschlagen hat. Er bringt Ps 89 mit der Begnadigung Jojachins in Verbindung. 148 v g l dazu auch die Beobachtungen von SHEPPARD, Future 75ff., zur Mittelstellung von Ps89 und besonders Ps90. Dazu unten III.3.3.4. 14 « Vgl. Ps 84,3; 86,12; 89,17. 150 Vgl. dazu auch Ps 93,5. 151 Zur Verknüpfung von Ps 100 auch mit dem nachfolgenden Kompositionsbogen s. o. II.3.4.

2. Der Ausbau des Psalters in persischer

Zeit

201

psalmen über die zweite Korachpsalmsammlung zur folgenden Psalmengruppe hin weitergeleitet. Hier findet sich dann gleich ein großer Cluster von Hymnen, die Jhwh-König-Psalmen. Die Erwartung des Eingreifens Gottes als Richter findet ihre formgeschichtliche Auflösung in der Prädikation Gottes als König. Besonders deutlich ist dieser Bezug bei Ps 96. Hier wird die einleitende Aufforderung zum Lob Gottes mit seiner Prädikation als höchstem Gott begründet (Ps 96,4): :D,n'?Kr173"'75? Kin i n ü itta y?n?i mrr V m Denn groß ist Jhwh und sehr gepriesen, furchtbar ist er über alle Götter. Das Motiv der Erhabenheit Gottes über die Götter findet sich in diesen Psalmen wie im Jesajabuch häufiger. 152 Es folgt in Ps 96 wie im Jesajabuch eine Aufforderung der Völker zur Wallfahrt. 153 Erbittet der Schluß der Asaphpsalmen (Ps83) das Eingreifen Gottes bei den Fremdvölkern, so preist Ps96 sein Eingreifen als Richter (Ps96,10): Sagt unter den Heiden: Gott ist König. Ja, die Erde steht fest, sie wankt nicht. Er wird die Völker richten in Gerechtigkeit.

mn' Q'iJ? QiHfi'^a ^ari liSfrii? : D,"ltP,aa O'HS? I1!^

Von der Verbform her ist an ein künftiges Eingreifen Gottes als Richter zu denken, die Ursache der Klage über die fremden Völker wird also noch nicht beseitigt sein. Ähnlich wie Ps96 preisen auch insbesondere Ps97—99 Gott als gerechten König. So schließen Ps96 und 98 mit dem gleichen Vers (Ps 96,13, leicht variiert in Ps 98,9): (Man jubele) vor Jhwh, denn er kommt. Ja, er kommt154, um die Erde zu richten. Er wird den Erdkreis richten in Gerechtigkeit und die Völker mit seiner Treue.

mn' ^S1? ... 13-n1. flXH ü'EW1? X3 •>? N3 '3 p"Jl!3 ^njlQK?

Das Thema der Verehrung Gottes als König (vgl. Ps 96,10; 98,6) mündet hier direkt in die Ankündigung seines Gerichtes. So können auch die Aussagen über Gott als Richter unmittelbar in die Königsprädikationen eingebaut werden: Jhwh ist König, die Erde jubelt, flXH ^ r i mrr die vielen Inseln freuen sich. D13T nnipty? Wolke und Dunkelheit sind um ihn, VS"1?n Gerechtigkeit und Recht die Basis seines Thrones. :iN03 T13H ÖStPÖI (Ps97,lf.)

152 Ps97,9. Vgl. im Jesajabuch z . B . die Götzenpolemikstellen Jes 40,19ff.; 41,6f.; 44,6ff.; 46,1 ff. 153 Jes2,lff.;60,3. 154 Die Doppelung von K3 '3 („Ja [bzw.: denn], er kommt") ist in Ps98,9 entfallen.

202

Teil III: Die Entstehung des Psalters

ans est?» Tin a n ^ ' a riajis nnx •.rywv nrix a ' p r a nj^xi aswa Aber eine Macht ist König, der das Recht liebt, du hast die Rechtsordnung begründet, Recht und Gerechtigkeit hast du in Jakob gemacht. (Ps 99,4) Die beiden kompositorischen Motive des elohistischen Psalters werden also in der Erweiterung dieses Kerns verbunden. Außerdem erscheint in Ps96,l und 98,1 das Stichwort 2nn Tt? {„neues Lied"), das wir bereits aus der Tempeleinweihungsszene Esra 3 erschlossen. Allerdings zeigt es innerhalb der Psalmengruppe auch an, daß mit Ps96f. und 98f. gegenüber den vorhergehenden Jhwh-König-Psalmen eine Wiederholung erfolgt. Außerdem kommt es auch in Ps33,3 und 149,1 vor. Es wurde damit auch in der Schlußphase der Komposition des Psalters verwendet. In Ps 97 sind wie in der Asaphpsalmgruppe das Motiv Gottes als höchstem Gott und die Erwartung seines Eingreifens auf der Erde unmittelbar verknüpft. 155 Wie in der Asaphpsalmgruppe, aber auch in anderen Klageliedern des Volkes, finden sich Aussagen, daß Gott Israel in der Vergangenheit geholfen hat. 156 Der Bericht der Wendung der augenblicklichen Not fehlt aber, da in der konkreten Bericht-Form hymnentypisch nur Ereignisse der Vergangenheit erzählt werden. 157 Der Hymnencluster der Jhwh-König-Psalmen hat also einige Ähnlichkeit besonders mit den Asaphpsalmen. Explizit wird die Klage der Asaphpsalmen um das Erscheinen Gottes als Richter durch die Themenklage vor dem Hymnencluster, Ps94, aufgegriffen (v. lf.): :jpöin niap; 'n? mrr niaprVx aa;n i n s n ostf xipan Gott der Rache, Jhwh, Gott der Rache, erscheine! Erhebe dich, Richter der Erde, kehre die Tat auf die Hochmütigen zurück! Da auch die Geschichtsmotivik Verbindungen zur Theologie der Asaphpsalmen hat, 158 verwundert es nicht, daß in IChr 16,7 die Zusammenstellung aus Psalmen des vierten Psalmbuches (in Reihenfolge: Ps 105; 96 und 106) mit der Sängergilde der Asaphiten verbunden wird, hier allerdings in der chronistischen Erzählung in davidischer Zeit. Es legt sich daher nicht nahe, zwischen den Asaphpsalmen und den Jhwh-König-Psalmen einen weiteren Abschluß im Sinn der Literarkritik anzunehmen, vielmehr sind die Psalmen vom Anfang der zweiten Korachpsalmsammlung (Ps 84) bis hin zum Anfang des vierten Psalmbuches (Ps 90ff.) als nahezu durchweg weisheitlich geformte Psalmen im weiteren Sinn als Nahtstellen anzusehen. Mit den Jhwh-König-Psalmen im vierten 155 156 157 158

Ps 97,7 ff. So besonders Ps 98 im 'S-Teil. So bes. Ps 99,8. S.o. S. 95f. und lOOf.

2. Der Ausbau des Psalters in persischer

Zeit

203

Psalmbuch wird in der Ausbaustufe des elohistischen Psalters die in den Asaphpsalmen beobachtete Spannung auf einen Hymnus hin aufgelöst. Die Schlußstellung der Jhwh-König-Psalmen zur Klagekomposition der Asaphpsalmen entspricht dem hymnischen Abschluß der ersten Korachpsalmsammlung mit einem Jhwh-König-Psalm (Ps 47) und dessen Umfeld. 2.2.3 Das Problem des literarischen Abschlusses der Ausbaustufe des Psalters Es ist nicht ganz deutlich, ob wir mit der Beschreibung der Komposition über Ps97 hinaus nicht schon die Grenze des Faßbaren überschritten haben. Ps97 wird beispielsweise von J. Jeremias erst in die hellenistische Zeit datiert. 159 Doch urteilt Jeremias sicher zu vorsichtig, wenn er nach einer ganzen Reihe von Beobachtungen zur Verknüpfung von Ps 97 mit Ps 96 und 98 feststellt: „Deutlich wird in V.9 . . . auf die Abschlußverse der Psalmen 96 und 98 angespielt, was für ihren Bekanntheitsgrad spricht." 1 6 0

Da dieser Bereich des Psalters noch in den Textbereich gehört, der in Qumran bereits als textstabil vorausgesetzt wird, 161 ist Ps97, wenn er tatsächlich so spät zu datieren sein sollte, ein Psalm, der bereits in seinen Kontext hineingedichtet worden ist: ein kompositorischer Psalm, der zentrale Themen wie Gottes Herrschaft und Monolatrie hymnisch neu formuliert. Es ist deutlich, daß zur Zeit der Entstehung von IChr 16 wegen des erhaltenen Schlusses von Ps 106 Ps 105 f. und 96 als Buchzusammenhang vorgelegen haben müssen. 162 Gleichwohl erreichen wir auf dem Wege der kohärenten Textbeschreibung keineswegs das in IChr 16 bereits weiterverarbeitete Ende des vierten Psalmbuches in spätpersischer Zeit, da wir Ps 102 deutlich später ansetzen mußten. 163 Das bedeutet, daß wir die Wendung D1?'i5?,7"'3 3iü '3 1 7lCliP,"1?J? iion („Ja gut ist er, denn in Ewigkeit währt seine Treue über Israel"), die zwar wörtlich in den Psalmen nicht erscheint, aber bis auf die Wendung 1 ?lOi?,-,?S? („über Israel") in Ps 106; 107; 118 und 136 erscheint, nicht als kohärenten Textzusammenhang einfach aus dem Ausbau des elohistischen Psalters ableiten können. Deshalb ist ein einfacher Anbau der großen Wallfahrtsliturgien des Ägyptischen Halleis und der Wallfahrtspsalmen Psl20ff. - letztere zudem mit einem zusätzlichen Vorbehalt hinsichtlich des Schlusses die gut in die persische Zeit passen würden, ausgeschlossen. Wir müssen hier neben dem 159

JEREMIAS, Königtum 136ff.

160

JEREMIAS, K ö n i g t u m 143f.

161 VGL DIE Übersicht WILSON, Editing 93ff. Ps93 bildet hier nur scheinbar eine Ausnahme: dieser Psalm ist zwar in HQPs a (col. 22f.) in nicht kanonischer Reihenfolge überliefert, aber in 4QPs b (col.5) wird die kanonische Reihenfolge bezeugt. Zum Schluß des Psalters ausführlich unten III.3, dort auch eine Charakterisierung des Schlusses von l l Q P s 3 (III.3.2.3). S.u. S.215. S . o . II.2.3.1.

204

Teil III: Die Entstehung des Psalters

Ausbau des elohistischen Psalters mit von diesem Kernpsalter unabhängigen Quellen rechnen. Solche Teilsammlungen legen sich besonders für die auch durch die mischnischen Quellen belegten Liturgien des Ägyptischen Hallels und der Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. nahe. Für eine vom Psalter zuerst isolierte literarische Überlieferung speziell des Ägyptischen Hallels spricht weiterhin die Verwendung des überschriftsartig gebrauchten Hallelujah auch für dessen editorischen Vorbau durch Ps 111 f., aber nicht für den makroformgeschichtlich im Kontext des Psalters offensichtlich zwingenden Klage-Orakel-Teil der Davidpsalmen (bes. Ps 109 und 110). 2.2.4 Der Vorbau von

Davidpsalmen

Der Textbereich des ersten Psalmbuches ist teilweise erst in der Schlußphase der Komposition des Psalters als dessen Vorbau ausgestaltet. Dieses ist für Ps 1 und 2 Konsens der Forschung. Gleichwohl müssen wir den Grundbestand des ersten Psalmbuches, das bis auf wenige überschriftslose Psalmen nur aus Davidpsalmen besteht, deutlich früher ansetzen. Ziehen wir deswegen hier die Betrachtung des ersten Psalmbuches, das in der vorliegenden Form zur Spätphase des Psalters gehört, vor. Der Textbereich des ersten Psalmbuches (Ps 1—41) ist in Qumran nur bruchstückhaft überliefert. Der Bereich der ersten zwei Drittel des Psalters bildet bereits in Qumran einen festen Textzusammenhang, auch wenn diese Aussage wegen der in diesem Textbereich nur sehr kleinen Handschriftenfragmente einen Unsicherheitsfaktor hat. 1 6 4 Der erste Bruch des Kontinuum des masoretischen Textes ist die Auslassung von Ps32 in 4QPs a (frag.c.d) und 4QPs q (col.l). 1 6 5 Diesen Psalm brachten wir bereits mit der Komposition des ersten Psalmbuches in Verbindung. 166 Außerdem wird Ps38 in 4QPs a (frag, g) mit Ps71 zusammengezogen. 167 Hier sind wohl aus Gründen der inhaltlichen und sprachlichen Übereinstimmung zwei Psalmen zusammengefügt worden. 1 6 8 Gegen diese beiden 169 Stellungsprobleme im Textbereich der ersten zwei Drittel haben die 30 Zeugnisse für auch kanonisch überlieferte Zusammenstellungen von Psalmen großes Gewicht. Wir müssen also davon ausgehen, daß auch der Textbereich des ersten Psalmbuches deutlich vor der Stabilisierungsphase des Textes des Psalters in der Zeit von Qumran bereits komponiert worden ist. Hinweise auf das hier beschriebene Themenfeld dürfte die Verwendung der 164

Vgl. die Zusammenstellung bei WILSON, Editing 93ff. Siehe WILSON, Editing 96f. 107, und die Zusammenfassung aaO. 117 166 Siehe oben II.3.2.4, dort besonders die Unsicherheit, ob der letzte Kompositionsbogen mit Ps 32 oder 33 anzusetzen war. 167 Siehe WILSON, Editing 97, und die Zusammenfassung aaO. 117. 165

168

W I L S O N , E d i t i n g 1 3 2 , v e r w e i s t a u f P s 3 8 , 2 3 u n d 7 1 , 1 2 FN?F5F? NANN b z w . NUNN 'RNT? 1 ?.

jeweils: „eile zur Hilfe") und Ps 38,12 und 71,13.24 ' » p a ? bzw. ' n s n 'tfpaa, „die meine Seele verfolgen" bzw. „die meinen Schaden verfolgen"). Beachtlich sind auch die Hinweise auf die gemeinsamen Elemente von Ps38; 70 und 71, dazu bes. oben S. 123 f. Zu Ps93 s . o . II.3.4.

2. Der Ausbau des Psalters in persischer

Zeit

205

nachkultischen Toreinzugsliturgien Ps 15 und 24 als Umgebung des Zentrums der Komposition in Ps 19 bilden. Da dieser Textzusammenhang gewiß nicht als Wallfahrtsliturgie anzusprechen ist, kann die Komposition wohl nur im Kontext eines literarischen Ersatzes für eine Wallfahrt angesprochen werden. Doch dies ist eher als Thema der Komposition anzusprechen. Eine literarische Beschreibung des Textprofils kann hier mangels Kriterien nicht über das hinaus gehen, was wir bereits bemerkten. 170 Als Denkansatz ist lediglich zu notieren, daß diese vermutliche Vorstufe des ersten Psalmbuches in persischer Zeit durch die Doppelüberlieferungen Ps 14/53 und 40/70 angedeutet wird, die in der elohistischen Sammlung von Davidpsalmen Rahmenfunktionen haben. Für eine solche Begrenzung der Vorstufe des ersten Psalmbuches spricht auch die midraschartige Konstruktion des ersten Kompositionsbogens (Ps 1 —10), so daß an einen Anfang im Bereich von Ps 11 — 13 zu denken wäre. Mit unserer Analyse ist auf jeden Fall gegenüber dem bei Wilson erreichten Forschungsstand nachgewiesen, daß auch die überschriftslosen Psalmen in den ersten Psalmbüchern als Nahtstellen von Kompositionsbögen großkontextuelle Funktion haben. 171 Inhaltlich bietet das erste Psalmbuch mit seinen Klageclustern das Identifikationsfeld, mit dem der Einstieg in die Sprachbewegung des Psalters von der Klage zum Lob in einer Zeit gelingen kann, in der der Anlaß zur Klage vorrangig individuell und damit unterschiedlich ist.

2.3 Themen und historischer Ort der 2.3.1 Lob als Zielpunkt der

Komposition

Komposition

Den elohistischen Psalter charakterisierten wir ähnlich wie die Asaphpsalmen als Klagekomposition. Demgegenüber ist der Grundton der Komposition des Psalters in persischer Zeit freudiger: die Klage über die Tempelzerstörung wird nicht aus dem Psalter entfernt, aber über die zweite Korachpsalmsammlung durch die Jhwh-König-Psalmen des vierten Psalmbuches in den Ton des Hymnus überführt. Auch die von uns als eigenständig postulierten Wallfahrtsliturgien haben diese positive Grundstimmung des Hymnen- oder gar Dankliedschlusses. War der Psalter in der Zeit des Abschlusses der elohistischen Davidpsalmsammlung durch den Begriff niVsfi („Klagegebete", so Ps72,20) kennzeichenbar, so ist ab der persischen Zeit der Oberbegriff der D'Vrifi („Lobgesänge") gerechtfertigt, der bis heute die gängige Bezeichnung des Psalters im hebräischen Sprachraum darstellt. Diese Bezeichnung ist nur von dem Schlußgewicht der Hymnen her verständlich, das der Psalter seit persischer Zeit hat. Dieses Schlußgewicht der Hymnencluster nimmt in der vorliegenden Text170

S . o . II.3.2. So in jedem Fall zu Ps 10, mit dem oben II.3.2.4 geschilderten Vorbehalt auch zu Ps 33 (gegen WILSON, Editing 173ff.) Zu Ps71 s. o. II.3.1.3. 171

206

Teil III: Die Entstehung des Psalters

form, die gegenüber der persischen Zeit besonders am Schluß noch einmal erheblich gewachsen ist, das kleine Hallel ein. Vom Schlußgewicht der Hymnen her zeigt sich, daß die Vielfalt der Klage, wie sie insbesondere im ersten Psalmbuch zum Ausdruck kommt, auf den hymnischen Schluß der Komposition des Psalters in persischer Zeit hin ausgerichtet ist. Umgekehrt löst der Hymnus nicht wie das Danklied die Klage völlig auf: er bleibt hinsichtlich der Realitität des Eingreifens Gottes in der selbst erfahrenen Geschichte vieldeutigEs spricht nun sehr viel dafür, daß diese Orientierung Israels auf das Gotteslob mit dem Tempelgottesdienst und vor allem mit den Wallfahrtsgottesdiensten verbunden war. Die persische Zeit ermöglicht die Wallfahrt nicht nur als Fiktion der Exilierten, sondern als Praxis, die gemäß den Festgesetzen des Pentateuch wie in vorexilischer Zeit jährlich mehrfach zu unternehmen war. 172 Vergegenwärtigen wir uns, was an den großen Festen Israels geschieht. Der Jude, der sich auf die Wallfahrt begibt, wird in ihrem Vollzug eine Identität vermittelt, die durch die Geschichte seines Volkes konstituiert wird. Der Anlaß der jährlichen Wallfahrtsfeste ist jeweils ein Ereignis im agrarischen Kalender, zu dem ein anderes Ereignis aus der Heilsgeschichte Israels gestellt wird. Dtn 26 illustriert dieses Geschehen recht anschaulich, dieser Text sei deswegen in Erinnerung gerufen (Dtn 26,1—5): Wenn du in das Land kommst, ... dann nimm vom Ersten jeder Frucht des Bodens, die du einbringst aus deinem Land, ... lege sie in einen Korb und gehe zu dem Ort, den Jhwh ... erwählen wird ..., und komme vor den Priester... und sage zu ihm: ,Ich erzähle heute Jhwh, deinem Gott, daß ich an den Ort gekommen bin, den Jhwh unseren Vätern geschworen hat, uns zu geben.' Dann soll der Priester den Korb aus deiner Hand nehmen und vor dem Altar Jhwhs, deines Gottes, hinlegen. Und du sollst antworten und vor Jhwh, deinem Gott, sprechen: ,Ein umherziehender Aramäer war mein Vater. Er zog nach Ägypten herab und wohnte dort als Fremdling Dieser Text, der für G. von Rad die Keimzelle der israelititschen Geschichtstheologie in frühester Zeit war, wird heute als deuteronomistischer Text angesehen. 173 Das Heute der Tora-Predigt des Deuteronomiums ist auf dem Hintergrund dieses Textes als Integration des Wallfahrers in die Geschichte seines Volkes zu verstehen. Die Wallfahrt mündet in ein Bekenntnis zur Geschichte 172

Das trifft bereits für das vorexilische Bundesbuch Ex 23,17 zu und wird - im literarischen Verlauf der Texte gesehen - von dem schwierig zu datierenden Text Ex 34 (hier Ex 34,23) wiederholt (zur Interpretationsdifferenz zwischen Ex 34 als recht frühem Text oder spätem Nachtrag bis in jüngste Zeit vgl. die unterschiedlichen Ansätze von BLUM, Studien, CRÜSEMANN, EvTh 49). Auch das Deuteronomium (Dtn 16,11.15) läßt darin, daß Schabuot und Sukkot als Wallfahrtsfeste zu feiern sind, nicht an Deutlichkeit zu wünschen übrig. 173 So in der seit ROST, Credo 11—25, geläufigen Kritik an VON RAD, Problem, u . ö .

2. Der Ausbau des Psalters in persischer

Zeit

207

seines Volkes. Besonders deutlich wird dies innerhalb der Komposition von Psalmen in der Erweiterung der Wallfahrtspsalmen Psl20ff., deren Schluß allerdings wohl aus nachpersischer Zeit stammt: 174 nachdem der Beter im Tempel angekommen ist (Psl34), schließen sich zwei Geschichtspsalmen an (Psl35f.). Der Wallfahrer legt ein Bekenntnis zur Geschichte seines Volkes ab. Ähnlich münden der Kompositionsbogen Ps 102ff. und das vierte Psalmbuch in zwei Geschichtspsalmen (Ps 105f.). Wie paßt nun dies zur Charakterisierung der Psalmkompositionen als Dankliedsammlungen? Einerseits haben wir eine Verbindung in der historischen Dimension: der Dank, der Gott abgestattet wird, ist als Erinnerung an die Klage und Dank für vergangene Hilfe an den Vätern (und Müttern) Israels zu verstehen. 175 Der Beter vollzieht diese Integration auch, indem er Gebete spricht, die Ereignisse behandeln, die in seiner Vergangenheit liegen. Die Ambivalenz zwischen Klage und Dank, die wir insbesondere bei den auf einen Hymnus zielenden Kompositionen ohne Danklied beobachteten, spiegelt die Situation zwischen dem Vertrauen auf das Eingreifen Gottes wider: Dieses Vertrauen wirkt das Nachsprechen vergangener Rettung beim Beter, und dies erleichtert die Hoffnung auf die Wendung der gegenwärtigen Not. Der Beter kennt Gott als Helfer in der Geschichte und kann deswegen schon jetzt auf seine eigene Rettung hoffen. Diese Doppelung des historischen und des präsentisch-futurischen Aspektes des Nachsprechens der Gebete der Vergangenheit drückt sich sprachlich in dem Doppelsinn des Wortes Hllfi aus, das über seine Verwendung in der Überschrift von Ps 100 ein wahrscheinlicher Zielpunkt der Komposition des Psalters in persischer Zeit ist: einerseits ist es auf das Erzählen der Wendung der eigenen Not bezogen, was durch die Bedeutung Dank zu fassen ist, 176 andererseits bedeutet es Bekenntnis zur vergangenen Geschichte. 177 Was die Bezogenheit auf Jerusalem vollbringt, ist zuerst und vor allem die Integration des Beters auch auf der Ebene der literarischen Textrezeption in den Jerusalemer Gottesdienst. Das, was der Gottesdienst mit dem Beter in Jerusalem vollzieht, die Integration in die religiöse Gemeinschaft und das Erlebnis der Wende von der Klage zum Lob, ist als Textfunktion der Psalmen auch unabhängig von der Wallfahrt zu verstehen. Kurz: Der Dank ist auch nachkultisch das Bekenntnis zu Gott als dem Retter. Diese Textfunktion auch auf der rein schriftlichen Ebene läßt sich aus der durchgehenden Verwendung weisheitlicher Formen an der langen Nahtstelle zwischen dem elohistischen Psalter und dem formgeschichtlich erwarteten Hymnencluster in den Jhwh-König-Psalmen erkennen. 174 Zu den diachronen Verhältnissen am Schluß der Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. vgl. unten III.3.2.2. 175 Das hat in jüngerer Zeit besonders BRAULIK, Freude 161—218, für die Spätphase des ersten Tempels betont. Vgl. auch ders., Leidensgedächnisfeier. 176 So betont CRÜSEMANN, Studien 279ff., gegen WESTERMANN, Lob 21 ff. 177 So insbesondere die Septuaginta, und WESTERMANN, Lob 20ff.

208

Teil III: Die Entstehung des Psalters

2.3.2 Der Lobpreis Gottes als König Wir beschrieben die Ausbaustufe des Psalters in persischer Zeit als eine an das Motivfeld der Wallfahrt angelehnte Komposition, die in die Jhwh-KönigPsalmen mündet. Nun fanden wir aber auch bereits Jhwh-König-Psalmen und Einzelverse im Hymnenteil der ersten Korachpsalmsammlung (Ps 47 und Umgebung) und in der ersten Motivklage der Asaphpsalmsammlung (Ps74,12ff.). Der Höhepunkt der Ausbaustufe des Psalters in persischer Zeit führt also ein älteres Motivfeld weiter. Dazu paßt, daß auch formgeschichtlich die von den Asaphpsalmen her bestehende Erwartung wenigstens eines Hymnus erst durch die Jhwh-König-Psalmen eingelöst wird. Forschungsgeschichtlich sind die Jhwh-König-Psalmen oft mit der Herbstfestliturgie in Verbindung gebracht worden, die in Babylon als Proklamation des Königtums gestaltet ist. 178 Bereits in der Einzelpsalmauslegung wurden in neuerer Zeit die Beziehungen auf das Herbstfest bestritten. 179 Auch von der kontextuellen Deutung dieser Psalmen legt sich ein viel umfassenderer Bezug dieser Psalmen nahe: sie stehen zwischen dem einzigen Sabbatlied des Psalters (Ps 92) und dem einzigen von der Überschrift als Danklied bezeichneten Psalm (Ps 100). Mit dem Hinweis auf den zyklischen Festtag des Sabbats und dem besonderen Anlaß des Dankes ist der Lobpreis Gottes als König von der nachkultischen Verortung dieser Psalmen im Kontext des Psalters als ein Vorgang aufzufassen, der auf das gesamte religiöse Leben Israels zu beziehen ist. 180 2.3.3 Der Psalter als

Mustergebetsbuch

Die historische Erfahrung von Rettung, die Vertrauen zu Jhwh als Retter weckt und in dem Lobpreis Gottes als König gipfelt, hat zugleich ein normierendes Element. Dieses findet sich nun aber auch schon in den exilischen Volksklagen (Ps44; 74 und 79f.), die mit der Geschichte als Grund der Hoffnung auf Rettung argumentieren. Bereits die Wallfahrt als solche stellt eine Eingliederung des frommen Juden in einen religiösen Zusammenhang dar, der normative Züge hat. Aufgrund der nachkultischen Elemente in zahlreichen Einzelpsalmen, besonders in den weisheitlichen Rahmenpartien der Psalmengruppen, ist nun eine direkte Normierung, wie sie die Wallfahrt am Beter vollzieht, als Textfunktion des Psalters ausgeschlossen. Wir müssen hier die Beobachtungen aufnehmen, daß die distanzierten Stellungnahmen zum Opfer 178

So bes. MOWINCKEL, Thronbesteigungsfest, der betont, das Jhwh im Herbstfest immer neu König wird. Gegen die Vorstellung, daß Jhwh zwischen den Festen nicht auch als König angesehen werde, hat KRAUS, Königsherrschaft, und ders. (Komm. 47) Widerspruch angemeldet. Zur neueren Diskussion vgl bes. JEREMIAS, Königtum (dort S . 7 f f . ein ausführlicher Forschungsüberblick), und JANOWSKI, ZThK 86. 179 So vor allem JEREMIAS, Königtum, der diese Psalmen jedoch allgemein den Jerusalemer Festgottesdiensten zuordnet. 180 Zur Verbindung der Zuordnung Davids zur Klage und des Königtums Gottes zum Hymnus in dieser persischen Zeit vgl. zusammenfassend unten III.3.3.3.

2. Der Ausbau des Psalters in persischer

Zeit

209

sich nicht nur auf die Nahstellen der Komposition des elohistischen Psalters beschränkten, sondern darüber hinaus bis in das erste und fünfte Psalmbuch gingen. 181 Einerseits nimmt also der Psalter offensichtlich die Normvorstellungen des Tempelgottesdienstes auf, andererseits vertritt er sie in einer Sphäre, die diesem Gottesdienst nicht selbst zugänglich ist. Der Hintergrund eines derartigen Vorganges dürfte nicht zuletzt in den bereits beschriebenen Schwierigkeiten liegen, die besonders Juden in der Diaspora mit einer auch nur jährlichen Wallfahrt hatten. Unsere Betrachtung des Textes sprach dagegen, die sicher als Wallfahrtsliturgien zu verortenden Texte bereits in persischer Zeit mit dem Psalter verknüpft zu denken. Der Psalter ist in persischer Zeit nicht einfach als Edition von Wallfahrtsliturgien zu denken. Vielmehr werden Themen der Wallfahrtsliturgie in einem nachkultischen Zusammenhang umspielt. Der Psalter ist also einerseits in persischer Zeit Ersatz für die Wallfahrt, doch andererseits wirkt er mit der Umspielung der Wallfahrtsthemen wie ein Propagandabuch der Wallfahrt. Er tritt an die Stelle des Gottesdienstes, 182 aber weckt auch die Sehnsucht nach ihm. 183 Bereits den elohistischen Psalter kennzeichneten wir durch seine Orientierung auf den Zion. Daß die Orientierung auf Jerusalem als normatives Element der Gebete zu verstehen ist, zeigt sich besonders in dem nachkanonischen normativen Gebet schlechthin, dem Achtzehn-Bitten-Gebet, in dem die Bitte um den Opferdienst in Jerusalem zum ältesten Kern dieses Gebetes gehört. 184 Von daher erschließt sich auch die Verwendung einer Jerusalem-Bitte bei so unterschiedlichen Anlässen in späterer Zeit wie Tischgebeten, Haftara-Gebeten und Hochzeitssegen. 185 Sie verdeutlicht, daß der Beter zu der Gruppe gehört, die wesentlich auf Jerusalem bezogen ist. Von der Kennzeichnung der Orientierung der Komposition auf Jerusalem erschließt sich auch die Verwendung von Davidpsalmen in der Zeit des zweiten Tempels neu: Sind die Davidpsalmen aus der Zeit des ersten Tempels noch - in welcher Form auch immer - als Psalmen eines Davididen verstehbar, so muß die Dichtung und Verwendung von Psalmen als Davidpsalmen in der Zeit des Zweiten Tempels eine andere Bedeutung haben. Es liegt nahe, David als Eroberer von Jerusalem und Begründer Jerusalems als Hauptstadt beider Teilreiche und des zentralen Tempels zu verstehen. Der Aufstieg Davids zur zentralen religiösen Persönlichkeit in der Zeit des Zweiten Tempels, wie er etwa durch den Vergleich der deuteronomistischen und chronistischen Davidüberlieferung zu gewinnen ist, ist eine Funktion der Orientierung auf Jerusalem 181

S . o . III.2.2.3 und4. 182 v g l . die opferkritischen Passagen, die aus dem elohistischen Psalter übernommen werden (dazu oben III. 1.2.2 und 1.2.3). 183 Vgl. das Eingangsmotiv der korachitischen Psalmengruppen (dazu oben II.1.1.1). 184 Siehe dazu oben II.3.5.1. 185 Vgl. das umfängliche Material aus Mischna, Talmudim, den Siddurim von R.Amram und Saadja Gaon, bei Maimonides und den heutigen Gebetsbüchern, das HEINEMANN, Prayer 70ff., gesammelt hat (dazu bereits oben II.3.5.1).

210

Teil III: Die Entstehung des Psalters

als religiöses Zentrum. 186 Insofern stellt beispielsweise die Einfügung des Davidpsalms Psalm 86 in die zweite Korachpsalmsammlung ein kanonisches Zeichen dar. Für die Funktion Davids als Kanonssignal, das dem Kanonssignal Jerusalem zuzuordnen ist, spricht auch die Verknüpfung des Themas vom irdischen König und Zion in der Überschrift des Psalters, in Psalm 2, sowie an weiteren Nahtstellen der Komposition. 187 Auffällig ist weiterhin, daß außer dem Block von Davidpsalmen mitten im elohistischen Psalter die Sammlungen von Davidpsalmen im ersten Psalmbuch und in der letzten Kompositionseinheit des Psalters erscheinen. Die normative Funktion des Psalters wird nicht nur durch die positive Orientierung des Beters ersichtlich, sondern auch durch die Abgrenzung gegen andere Möglichkeiten des Gottesdienstes. Daß beispielsweise die Hinwendung zu anderen Göttern eine mögliche Antwort auf die Krise des babylonischen Exils darstellt, haben wir bereits anhand der in Jer 44 bekämpften Rückwendung zur Himmelskönigin beschrieben. 188 Der Psalter hat demgegenüber eine Theologie, wie sie Gen 14,18ff. narrativ mit der Tributzahlung Melchisedeks an Abraham ausdrückt: Er bindet „kanaanäische" Elemente in den JhwhGlauben ein, aber ordnet sie dem jüdischen, streng auf den einen Gott bezogenen Geschichtsdenken unter. Beispielsweise wird trotz des vermutlich ugaritischen Versmaßes 189 und des „kanaanäischen" Hintergrundes Psalm 121 durch die Redaktion des Wallfahrtspsalters als einleitende Klimax auf dem Weg zum Zion verwendet. 190 Desgleichen ist die Variation des ägyptischen Schöpfungspsalms 191 in Psalm 104 Einleitung zu zwei toraorientierten Geschichtspsalmen, Psl05f., die auch zahlreiche Berührungspunkte mit dem Psalm vor Psl04, Ps 103, haben. 192 So ist der Gewitterpsalm Psalm 29 mit seinem außerisraelitischen Hintergrund 193 dadurch eingebunden, daß er im Kontext des ersten 186

Auch das Jesajabuch zeichnet einen Davididen, Hiskia, als klagenden Psalmbeter (Jes

38). 187 Neben den Psalmbuchschlüssen P s 7 2 und 89 als Königspsalmen ist hier an die rein literarisch geschaffenen Übergänge von Klage- zu Hymnengruppen Ps 110 und 144 zu denken. Insofern als Ps 89 den Übergang zwischen den Klagekompositionen vorher und dem Hymnencluster nachher bildet, ist auch Ps 89 als ein solcher literarischer Übergang ansprechbar. 188 S . o . III.1.3.3. Vgl. auch ACKROYD, Exile40ff. 189 Dazu oben S. 76 Anm. 51. 190 S.o. S.76f. 191 YGI dazu auch die jüngste doppelte Hintergrundsreflexion von DION, Z A W 103, 43—71, sowie UEHLINGER, Bib.71, 4 9 9 - 5 2 6 , der einen phönizischen Hintergrund von v. 25f. annimmt. Aus der älteren Literatur sei die umsichtige Analyse von VON NORDHEIM, Hymnus 227—251, hervorgehoben, der - ausgehend von den oft beobachteten Parallelen von P s l 0 4 mit dem Echnatonhymnus - unägyptische und typisch israelitische Züge in v. 1 — 19.31 ff. herausarbeitet. 192 y g i die Erwähnung des Mose Ps 103,7, aber auch die Anspielungen auf die Vergänglichkeitsklage Ps 103,14ff., die an den Mosepsalm Ps90 erinnert. KOCH, FS Amirtham, hat versucht, die Beziehung zwischen Ps 103—105 redaktionell zu erklären (Ps 103,19—22; 1 0 4 , 1 a . 3 3 - 3 5 ; 105,1.45), ähnlich SEYBOLD, ThZ 40, der Ps 1 0 4 , 3 1 - 3 5 für von Ps 103 abhängig hält. S . o . 1.2.1 ( S . 2 0 A n m . 4 ) . 193

MALAMAT, Z A W 100 Suppl. 1 5 6 - 1 6 0 , hat unlängst eine Präzisierung des Hintergrundes

2. Der Ausbau des Psalters in persischer

211

Zeit

Psalmbuches als formgeschichtlicher Ersatz für das Orakel steht, das von der Klage über das Schweigen Gottes (Ps28,l) zum Danklied im Tempel (Ps30) überleitet. Ähnlich ist, wenn man einen ursprünglichen altorientalischen Hintergrund in Psalm 19 als Quelle vermuten will, dieser durch die Verbindung mit dem Toralob israelisiert. 194 Von dieser strengen Orientierung der Psalmkomposition an dem Prinzip der Monolatrie fällt auch ein neues Licht auf den Lobpreis Gottes als König, das Gott als Höchsten preist (Ps 97,9). Die Tendenz der Sammlung von Asaphpsalmen und damit des elohistischen Psalters wird in diesen Psalmen also aufgenommen und verstärkt. Die Kompromißtheologie des Psalters ist also nur insofern tolerant und offen, als die Prinzipien der Orientierung auf den Gott des Zions und der Tora, also das Prinzip der Monolatrie, gewahrt bleiben. Dieses war bereits im elohistischen Psalter als Zielpunkt der Gerichtssitzung Gottes über andere Götter anvisiert. Die Orientierung an der Tora und dem Zion geben den Maßstab vor, innerhalb dessen Psalmen Teil kanonischer Kompositionen sein können. Die Art der Einbindung außerisraelitischer Motive zeigt also, daß die Komposition des Psalters implizit nach Kriterien erfolgt, die in der Überschrift Ps 1 und 2 wohl erst nachträglich offengelegt sind. 195 Wenigstens implizit finden wir die Orientierung auf die Tora auch bereits deutlich in persischer Zeit. Neben dem schon erwähnten Ps 19 sprechen dafür die Umspielung der Tora mit dem Mosepsalm Ps 90 an der Nahtstelle zwischen Klage und Lob als Grundton der Psalmengruppen und die Beschränkung der Geschichte auf das in der Tora Erzählte im - für die persische Zeit allerdings historisch als Textkorpus fraglichen - vierten Psalmbuch (Ps 105f.). Doch bereits im elohistischen Psalter findet sich mit Ps 78 ein Psalm, der Geschichte als Unterweisung, als rnifl (v. 1), erzählt und dabei mit dem Lehreröffnungsruf deutliche Parallelen zu kanonischen Rahmenstellen aufweist. 196 Die gewichtigste der Vermittlung dieser Normelemente ist die nachkultische Einzugsliturgie (Ps 15; 24; 118, vgl. aber auch Ps5 und 101), die das Thema der Wallfahrt und der Tora verbindet. Das Leben in der Fremde wird in diesen Texten auf einen gedachten Einzug in Jerusalem ausgerichtet: So muß der sein, der würdig ist, von Ps29 versucht. Einen jebusitischen Hymnus nimmt demgegenüber MACHOLZ, FS Westermann 3 2 5 - 3 3 3 , an. Vgl. zum Ganzen auch SEYBOLD, ThZ 3 6 , 2 0 8 - 2 1 9 . 194 So z . B . DOHMEN, Bib. 64. Weitere Literatur s.o. S. 58f. Anm. 327. 195 Siehe dazu auch die umsichtige hermeneutische Reflexion der Wechselbeziehung von Überschrift und Inhalt bei MAIER, FS Gunneweg 353—365. Jetzt auch MCCANN, Interp. 46. 196 Vgl. den Anfang von Ps 78 als Mitte des Psalters (Ps 78,1 b):

:'D--':s1?

icn 'rnin 's? nrmn

Hört, mein Volk, meine Tora, neigt eure Ohren zu den Worten meines und den Anfang des Moseliedes (Dtn 32,1):

¡'B-nas p-isn

Mundes.

rnaixi D?S®3 irisn

Merkt auf, Himmel, ich will reden, und höre, Erde, die Worte meines sowie den Anfang des Jesajabuches (Jes l , 2 a a ) :

Mundes.

f i s Tmni DW ivw

Vernehmt, Himmel, und höre,

Erde!

212

Teil III: Die Entstehung

des

Psalters

nach Jerusalem zu kommen. 1 9 7 Die von H. Gese anvisierte Möglichkeit, den Bezug des Psalters auf das kanonische Buch der Tora ausschließlich der spätesten Entwicklungsstufe des Psalters zuzuweisen, scheidet daher eindeutig aus. Gleichwohl sind die markantesten Bezüge des Psalters auf die Tora - neben der Voranstellung von P s l ist an die Ordnung des Psalters in fünf Bücher zu denken, die zumindest über Ps41 und 90 mit der Toraorientierung des Psalters zusammenhängt, 198 sowie die Positionierung von Ps78 als Mitte des Psalters in der vorliegenden Form 1 9 9 - erst der spätesten, nachpersischen Phase der Komposition des Psalters zuzurechnen.

2.4 Ergebnis: Der Psalter in persischer

Zeit

Wir haben in unserer Analyse auf die literarkritische Abgrenzung des Psalters in persischer Zeit verzichtet, da wir zwar Hinweise auf Psalmen haben, die in persischer Zeit gewiß noch nicht Teil des Psalters waren, aber sich eine solche Ausbaustufe nicht literarkritisch genau festlegen läßt. Von der Art und Weise des Ausbaus her legt sich aber ein Hymnen-Schluß im Bereich von Ps 96 bis 100 nahe. Den vermuteten Hymnenschluß, der sich auch durch die größere Varianz der Psalmen im Psalter etwa ab Ps 100 nahelegt, finden wir damit in den Jhwh-König-Psalmen, die eng an das bereits im elohistischen Psalter vorhandene Kompositionsmotiv von Gott als Richter und König anknüpfen. 2 0 0 Mit der Fortführung des elohistischen Psalters über die zweite Korachpsalmgruppe hinweg zu den Jhwh-König-Psalmen erfolgt die Komposition des Schlusses der Ausbaustufe des Psalters analog zur ersten Korachpsalmgruppe, bei der der Jhwh-König-Hymnus bereits in der Psalmgruppe selbst zu finden war (Ps47). Den Psalter kennzeichnen in seiner Ausbaustufe in persischer Zeit folgende Tendenzen: die emotionale Tendenz der Umwandlung von Klage in Lob und die soziale Tendenz der Integration des Beters in das gemeinsame Gebet Israels. 201 Gegenüber den Kompositionstendenzen der Wallfahrtspsalmgruppen ist die lokale Tendenz der Wendung von der Fremde nach Jerusalem weniger deutlich. 202 Der letzteren Tendenz widerspricht sogar zumindest partiell die große universale Tendenz, die dem Lobpreis Gottes als König inne197 v g l . dazu bes. WILLIS, in: Essays. 198 Zur Interpretation v o n P s 9 0 als M o s e p s a l m am Wendepunkt des Psalters zwischen Klage und L o b vgl. bereits SHEPPARD, Future 7 5 f f . Z u Ps 1 und 41 vgl. o b e n S. 125f. 199 D a z u o b e n S. 22. 2IKI S o o b e n III.1.3.3. 201 D i e hier vorgelegten Ü b e r l e g u n g e n treffen sich mit verschiedenen A n s ä t z e n , wie sie im T h e m e n h e f t Interpretation 46 vorgestellt sind. So arbeitet beispielsweise WILSON (aaO. 138f.) die soziale und emotionale Tendenz des Psalters heraus. 202 VGL dazu die optimistischere T h e s e v o n SMITH (Interp. 46), der mit e i n e m direkteren B e z u g auf die Wallfahrt rechnet. Innerhalb des T h e m e n h e f t e s Interpretation 46 m u ß sich Smith j e d o c h mit d e m A n s a t z v o n MCCANN ( a a O . ) auseinandersetzen, der mit den Psalmen

3. Die Stabilisierungsphase

213

des Textes des Psalters

wohnt. Doch fanden wir bereits auch in der vorliegenden Form der Wallfahrtspsalmgruppen nachkultische Elemente. Analoges können wir für den Psalter in persischer Zeit annehmen. Die Umgestaltung des elohistischen Psalters in persischer Zeit zu einer nachkultischen Wallfahrtsliturgie finden wir in der vermutlichen Ergänzung zum elohistischen Psalter, Ps 43, bereits angelegt. Wir beschreiben damit den Psalter sowohl als Propagandabuch zur Wallfahrt als auch als Ersatz für die Wallfahrt. Ausgehend von der oft geäußerten These, der Psalter sei das Mustergebetsbuch der nachexilischen Gemeinde, können wir den Psalter als normierende Größe analog zu Ereignissen der Wallfahrt für das Privatgebet verstehen. Diese normierenden Elemente machen zugleich wahrscheinlich, daß der Psalter spätestens seit seinem Ausbau in persischer Zeit als kanonisches Buch angelegt war. 2 0 3 Mangels anderer eindeutiger diachroner Hinweise auf weitere Vorstufen des Psalters betrachten wir nun die Ebene der vorliegenden Texte, auf der vielleicht noch der eine oder andere diachrone und inhaltliche Trend kurz vor der Fixierung der Sammlung von Psalmen zu verfolgen ist.

3. Die Stabilisierungsphase 3.1 Der Ansatzpunkt:

des Textes des

Verschiedene vorliegende

Psalters Textgestalten

Fanden wir im ersten Kapitel des dritten Hauptteils dieser Arbeit den Wiederaufbau des Tempels als terminus ante quem der Komposition einer Vorstufe des Psalters, so geht es nun um eine Bestimmung des terminus post quem der Komposition, die wir in die persische Zeit datierten. Während wir für die Spätphase des Exils bzw. die Frühphase der persischen Herrschaft eine literarkritisch ermittelbare Vorstufe des Psalters beschrieben, haben wir für den Ausbau des Psalters in persischer Zeit im wesentlichen nur die Rahmenbedingungen bereitgestellt und mit der vorhandenen Komposition verglichen, ohne eine literarkritische Detailbeschreibung der Ausbaustufen zu wagen. Während E. Blum als Summe seiner Beschäftigung mit dem Pentateuch zu dem Ergebnis kommt, daß „die Existenz ,der Endgestalt' ein notwendiges Postulat der exegetischen Vernunft" ist, 204 steht es für eine solche Hypothese hinsichtlich des Psalters zunächst ungünstiger, da im Psalter wesentlich mehr Abweichungen in der Überlieferung auftreten. Die drei Hauptgruppen der Textüberlieferung, der masoretischeText, die Qumranüberlieferung und die Septuaginta, werden deswegen im folgenden verglichen. 205 Neben der sprachlichen Differenzierung als Lehre rechnet. Der hier vertretene Ansatz nimmt damit eine Mittelposition in dem Spektrum dieses Themenheftes ein. 203 Zum Psalter als Zentrum des entstehenden dritten Kanonteils s. u. Ausblick, Kapitel 1. 204 BLUM, VT.S 4 3 , 4 6 - 5 7 , hier S. 57. 205 D i e weiteren Übersetzungen können hier unberücksichtigt bleiben, da sie von der Septuaginta abhängig sind (so z. B. HIEBERT, Psalter 1).

214

Teil III: Die Entstehung des Psalters

durch die Verwendung der hebräischen Sprache und ihrer Übersetzungen haben wir auch lokale und soziale Unterschiede, die sich möglicherweise in der Textüberlieferung widerspiegeln: die Bibelüberlieferung von Qumran ist von der Verbreitung der Gruppe her zunächst auf den syrisch-palästinischen Raum beschränkt, gleichzeitig repräsentiert dieser Trägerkreis eine von den Kreisen am Jerusalemer Tempel abgesonderte Gruppe. 206 Relativ einfach sind die Textvariationen zwischen dem masoretischen Psalter und der ältesten griechischen Übersetzung, der Septuaginta, zu fassen: was die Reihenfolge der Psalmen anbetrifft, steht die Septuaginta auf der Seite der Textzeugen des masoretischen Textes. Außer Einzelvarianten im Bereich der Einzelpsalm- und Einzelversauslegung überliefert sie darüber hinaus zusätzliches Material mit weiteren Überschriften und einem weiteren Psalm am Schluß des Psalters, Psl51. Da Psl51 auch in Qumran in anderer Variation überliefert ist, werden wir diesen Textbereich speziell untersuchen müssen. 207 Leichter sind die gegenüber dem masoretischen Text zusätzlichen Überschriften der Septuaginta zu beurteilen: überschriftslose Psalmen oder Psalmen ohne Namensbestandteil in der Überschrift werden mit neuen Überschriften oder zusätzlichen Überschriftselementen ergänzt. Dabei erscheinen im Psalter auch Namen wie die von Haggai und Sacharja (Ps 146ff.) oder zusätzliche Situationsangaben wie die Angabe, Psl43 sei in der Verfolgung Davids durch seinen Sohn oder Ps 144 im Kampf gegen Goliat zu verorten. Hier werden offensichtlich Tendenzen des masoretischen Psalters ausgeweitet. Gleichzeitig wird aber die für den masoretischen Psalter bis auf den Mosepsalm Ps90 charakteristische Beschränkung auf David und sein Tempelpersonal durch die Hinzunahme weiterer biblischer Gestalten aufgehoben. 208 Erheblich komplizierter ist die Textüberlieferung in Qumran zu beurteilen. Der Psalter war in Qumran eine beliebte Schrift. Beispielsweise wird das Motto des Psalters, das Gesetzesstudium Tag und Nacht, 209 in 1QS VI,6 Teil der Gemeinderegel. Ps 1 ist in den Psalmrollen von Qumran selbst nicht überliefert. Daß dies wohl ein überlieferungstechnisch bedingter Zufall ist, zeigt z.B. der Kommentar zu P s l f . in 4Q Flor. Der Psalter als Buch wird hingegen in Qumran in einer vom masoretischen Text nicht nur in der Orthographie, sondern auch von der Reihenfolge her erheblich abweichenden Gestalt überliefert, so daß wir uns zur Bestimmung der Endphase der Entstehung des Psalters besonders mit den Textfunden bei Qumran auseinandersetzen müssen. Die dort gefundenen Psalmrollen aus der Zeit des 2. Jh. v. Chr. bis 70 n. Chr. weisen insbesondere im letzten Drittel des Psalters eine deutlich andere Gestalt als der masoretische Text und die bekannten Über206 v g l . dazu auch die Überlegungen zur Formgeschichte des Dankliedclusters in Qumran (II.3.5.2). 207 208 209

S.u.III.3.2.1. Dazu unten III.3.3.2. Ps 1,2, vgl. Jos 1,8.

3. Die Stabilisierungsphase

des Textes des Psalters

215

Setzungen des Psalters auf. Außerdem gibt es in Qumran apokryphe Psalmen, die nicht als solche kenntlich sind. 210 Von den Psalmen, die im masoretischen Text vor Ps 103 stehen, ist außer Ps32, 38 und 71 nur noch Ps93 in Qumran gegenüber dem masoretischen Zusammenhang im Psalter an anderer Stelle überliefert: er steht in HQPs a (col.22f.) zwischen einem apokryphen Zionspsalm und Ps 141.211 Da dieser Schluß von HQPs a jedoch den Charakter eines Nachtrages hat 212 und Ps 93 in 4QPs b (col.5) in der vom kanonischen Text her bekannten Reihenfolge steht, ist die Position von Ps93 auch in Qumran bekannt. Angesichts der 30 teilweise mehrfach belegten Anordnungen von Psalmen in der Reihenfolge des masoretischen Textes im Textbereich bis Ps 103 kann innerhalb des ersten Drittels des Psalters von einer der Qumrangemeinde bereits bekannten und von ihr übernommenen Reihenfolge der Psalmen ausgegangen werden. Die Psalmen im letzten Drittel des masoretischen Psalters geben ein anderes Bild wieder: hier stehen 26 Abweichungen von der Reihenfolge des masoretischen Textes gegen nur 24 Bestätigungen dieser Reihenfolge. 213 In diesem Textbereich finden sich in den Qumranpsalmenhandschriften auch etliche nicht-kanonische Psalmen. Dieser hintere Textbereich scheint also zur Zeit der Qumrangemeinde wesentlich weniger abgeschlossen gewesen zu sein als die vorderen und mittleren Teile des Psalters. Nun muß die Tatsache, daß Psalmen außerhalb des Psalters nicht in der im masoretischen Psalter überlieferten Reihenfolge erscheinen, nicht dagegen sprechen, daß die Reihenfolge der Psalmen im Psalter bereits feststeht. So gibt es neben den Psalmen im Psalter bereits innerbiblisch eine Reihe von Psalmen, die auch außerhalb ihres im Psalter überlieferten literarischen Kontextes zu finden sind: neben P s l 8 in 2Sam 22 214 gilt dies für die Aufnahme von Psalmen des vierten Psalmbuches in IChr 16. Hier weicht die Zitation in IChr 16 von der Reihenfolge im Psalter ab. Gleichwohl gibt es zahlreiche Hinweise, daß IChr 16 gegenüber den Einzelpsalmen sekundär ist. 215 Deutlich ist vor allem anhand 210 v g l P s l 5 1 A / B , die auch im syrischen Psalter erhaltenen Psalmen II und III, Sir 51,13ff. u.a. in 11Q Ps a . Siehe bes. D J D 4, 53ff. Zur Rekonstruktion der fünf syrischen Psalmen durch NOTH ( Z A W 48) vergleiche die wichtigen Nachbemerkungen von SANDERS, Z A W 75, 7 3 - 8 6 , hier S . 7 3 f . , der herausarbeitet, daß man keineswegs von einer ursprünglich selbständigen Gruppe dieser Psalmen ausgehen kann. Leider sind die Textvarianten der Qumranschriften in den kritischen Apparat der B H S nicht eingearbeitet, obwohl zum Zeitpunkt der Edition der Psalmen in der BHS, 1967, das wichtigste Material zugänglich war. 211

WILSON, Editing, 113.117, und ders., CBQ 4 7 , 5 2 4 - 5 4 2 . Zur Beschreibung und Charakteristik von HQPs a siehe unten III.3.2.3. 213 Vgl. die Übersicht bei WILSON, Editing 116f. Man sollte jedoch nicht wie Wilson den weitgehend konstanten und den stärker variablen Textbereich nach den Psalmbüchern abgrenzen, also mit dem 1. bis 3. Psalmbuch (Psl—89) und dem 4. und 5. Psalmbuch (Ps90—150) identifizieren (so leider auch in seinen gewichtigen Nachträgen zu Wilson mit neuem Material aus 4Q FLINT, Psalms Scrolls 8). 214 Vgl. dazu bes. SCHMUTTERMAYR, Psalm 18. 215 Beispielsweise IChr 16,28.35f. sind sekundär ergänzt, IChr 16,15.19.35 wirkt gegen212

216

Teil III: Die Entstehung des Psalters

des Segensspruches am Schluß von Ps 106, der zur Einteilung des Psalters in fünf Bücher mit einem variierenden Segensspruch und p S als Buchtrenner innerhalb des Psalters gehört, 216 daß diese Psalmen hier aus ihrem Kontext gerissen und in einen neuen Zusammenhang gestellt sind. Noch in mittelalterlichen Handschriften tauchen sekundäre Neukombinationen immer wieder auf: beispielsweise wird Ps 137 in einigen Handschriften inhaltlich durchaus passend als Abschluß der Threni verwendet. 217 Die Einzelüberlieferung von Psalmen ist also kein zwingendes Argument gegen die feste Textkohärenz im Psalter, sondern möglicherweise lediglich ein Zeichen einer weiteren Verwendung dieser Texte. Die Komposition der ersten zwei Drittel des Psalters ist bis auf wenige Nachträge mit einiger Sicherheit weit vor dem ersten Jahrhundert v. Chr. abgeschlossen. Wir werden in der folgenden Textbeschreibung deshalb im wesentlichen das letzte Drittel des Psalters, also die Psalmen etwa ab Ps 101, zu behandeln haben. 218 Wir gehen bei dem anstehenden Vergleich von den Textformen aus, die vom masoretischen Text abweichen, da wir die Form des masoretischen Textes nun bereits mehrfach durchgegangen sind.

3.2 Vergleichende

Textbeschreibung

3.2.1 Psl51 als erstes Fallbeispiel Gegenüber dem masoretischen Psalter fällt in der Septuaginta insbesondere die Zufügung eines weiteren Psalms auf, der auch in Qumran überliefert ist. Da hier ausnahmsweise das Zeugnis der Septuaginta mit dem aus Qumran übereinstimmt, nehmen wir Ps 151 als erstes Fallbeispiel. In Qumran ist Ps 151 wie der Schluß des masoretischen Textes mit einem m^Vn eingeleitet, das wie in der Septuaginta als Psalmüberschrift verstanden wird. 219 Ein weiterer Bedeutungsaspekt erschließt sich durch die syrische Übersetzung, die Hallelujah mit einem Begriff der Bedeutung „Danklied" 220 wiedergibt. Dabei fällt nun auf, daß der über den entsprechenden Psalmversen geglättet. D a ß aus dem Abrahamsbund Ps 105,6 ein Israelbund wird (IChr 16,13), scheint eine Weiterinterpretation des Chronisten zu sein, rnin (IChr 16,27) ist spätbiblische Sprache (ni7n erscheint in der Hebräischen Bibel nur noch Neh 8,10). Diese Tendenz notiert beispielsweise auch BECKER, IChronik 72ff. 216 Dazu unten III.3.3.4. 217 KenMs 108 (nach Ps 137 folgt in dieser Handschrift noch Ps79) und Ms 111. D a ß diese Zusammenstellungen thematisch-liturgischen Sinn haben, wird durch die Zusammenstellung von Pentateuch, Haftaren und Megillot mit einigen Ergänzungen in diesen Handschriften deutlich. 218 So der Streit zwischen SANDERS (Z.B. in: Directions 113-130 und ders., in: Language 79—99) auf der einen Seite als Vertreter von HQPs a als Bibelhandschrift und GOSHENGOTTSTEIN ( S c r o l l

22-33)

und

TALMON

(Z.B.

Entstehung)

sowie

(LEHMANN,

RdQ

2 3 9 - 2 5 1 ) auf der anderen Seite als Vertreter von l l Q P s a als liturgischer Sondersammlung. 219 Zum Hallelujah als Psalmüberschrift in der Septuaginta s . o . S. 13f. 220 N o r a , Z A W 4 8 , 8 ; SANDERS, Z A W 7 5 , 7 7 .

11,

3. Die Stabilisierungsphase

des Textes des Psalters

217

Inhalt Ps 151A mit der Bezeichnung Hallelujah keineswegs gedeckt ist: Ps 151A ist kein Lob- oder Dankpsalm, sondern ein formgeschichtlich schwer einzuordnender Psalm, der das Königtum Davids anhand der Nacherzählung seiner Erwählung reflektiert. Er ist daher am ehesten durch Begriffe wie nachkultisch oder weisheitlich zu kennzeichnen. Wie kommt es aber zu der Überschrift Hallelujah? Wir sahen bereits, daß Hallel- bzw. Lobpsalmen im Psalter notwendiger Schlußpunkt einer Komposition sind, sofern sie nicht aus besonderen Gründen in der Klage abbricht. 221 Ps 151A steht in der Fassung von 11Q Psa zwar nicht an letzter, aber an vorletzter Stelle der Sammlung, wobei er nur durch die Teilung von Ps 151 in zwei Teile von dieser letzten Stelle weggerückt ist. Die Überschrift, die Ps 151 in Qumran in zwei Psalmen, Ps 151A und 151B teilt, ist ausschließlich in 11Q Psa überliefert. Auch die noch zu skizzierenden formgeschichtlichen Überlegungen zu 11Q Psa sprechen dafür, sie für eingefügt zu halten. 222 Nun verweist Ps 151B, dessen Inhalt wir wegen des Textverlustes am unteren Drittel der Rolle aus der Septuaginta und dem syrischen apokryphen Ps I ergänzen müssen, auf Davids Kampf gegen Goliat. Die Überschrift von Ps 151B teilt also Ps 151 an einem Punkt, an dem der Inhalt von Ps 151 ein anderes Thema anschneidet: war vorher von der Erwählung Davids die Rede, geht es nun um seine erste Bewährung. Genau das reflektiert die eingefügte Überschrift von Ps 151B (llQPs a col. 28): r f n ] 1 ? m[i]aa nVnn D'mVx K'33 m u w a Der Anfang des Heldentums Davids, nachdem er von einem Propheten Gottes gesalbt worden war. Die Überschrift von Ps 151B setzt also die Verbindung zu Ps 151A voraus. Als neues Element tritt in der Überschrift gegenüber der Fassung von Ps 151 als Gesamttext nur das Verständnis der Heldentat Davids als Anfang, nVnn, hinzu. Dieser Anfang steht aber in 11Q Psa am Schluß der Psalmrolle. Es wäre möglich, sich vorzustellen, daß der Schreiber von 11Q Psa nach Ps 151B weitere Psalmen hätte anfügen wollen - es wäre noch wenigstens eine Seite freier Platz gewesen - , doch bleibt dieses Verständnis höchst ungewiß, da dann die Überschrift von Ps 151A als Nachahmung eines Hallel-Schlusses immer weiter vom Ende der Sammlung wegrücken würde. Versuchen wir also, den Text zu verstehen, so wie er ist. Kontextuell gesehen erfolgt hier ein Verweis zuerst auf den vorhergehenden Psalm, aber Ps 151A entfaltet zudem ein Geschehen, das der bibelkundige Leser bereits aus den Samuelbüchern kennt. Auch Ps 151B spielt auf ein Geschehen an, das aus den Samuelbüchern bekannt ist. Mit dem Begriff des Anfanges vollzieht nun die Überschrift ebenfalls einen Verweis auf 221 S. o. einen Teil der Sonderfälle der Komposition, wie sie unter dem Aspekt der Klage in II.2 zusammengestellt sind, bes. die Asaphpsalmen und die Threni. 222 S.u. III.3.2.3.

218

Teil III: Die Entstehung des Psalters

etwas, das aus den Samuelbüchern oder anderen Psalmen zu ergänzen ist. 223 Das Ende ist auf einen neuen, anderen Anfang hin offen gestaltet. 224 Von daher erklärt sich auch die Ergänzung von Ps 151 durch weitere Psalmen, die der textüberliefernden Gemeinde entstammen, in einigen syrischen Handschriften. Diese Erweiterung ist lediglich die Einlösung des durch Ps 151 nach hinten hin offenen Schlusses des Psalters. Da auch die kleine Sammlung von Davidpsalmen Psl38ff. wie die nur im syrischen Psalter überlieferten zusätzlichen Psalmen eine Auswahl verschiedenster Motive, Überschriftenelemente und Kleingattungen darstellt, legt sich eine abschließende summarische Funktion nicht nur für die zusätzlichen syrischen Psalmen, sondern auch für die letzte Sammlung von Davidpsalmen nahe. Auch etliche Septuagintahandschriften haben nach Ps 151 eine Reihe von Psalmen gesammelt, die außerhalb des Psalters in anderen kanonischen Schriften stehen. Daß diese Sammlung textgeschichtlich sehr jung ist, wird durch die Aufnahme des Lobgesanges Simeons und einer Passage aus den Apostolischen Konstitutionen deutlich. Daß solche Erweiterungen möglich waren, zeigt aber, daß Ps 151 auch in der von der griechischen Texttradition abhängigen Überlieferung als offener Schluß für weitere Psalmen verstanden wurde. Inhaltlich ist Psl51 verschiedentlich als antihellenistische Tendenzschrift betrachtet worden. 225 Dafür sprechen eindeutig die gegenüber der griechischen Übersetzung und den davon abhängigen Übersetzungen in der hebräischen Fassung zusätzlichen Verse (Ps 151,3f. nach llQPs 3 col. 28): ' » S 3 3 ' m a n l i n s mrr 1 ? n a ' w x i i r r xi 1 ? m s n x m f ? t p » ' xi 1 ? o n n n ' w o n x i x i x m n s i n x D ' s s n V727 •a/.|AÖ5 iöiöyQacpog eig A a m ö eloiOev TOÜ äpiönoü . . . Dieser Psalm wird David zugeschrieben außerhalb der Zahl... 257 So unlängst sehr betont Fabry, FS Groß 54. 258 S . o . 1.1 (S. 8f. Anm. 17). 259 Durch den Textfund von Fragment E (Dokumentation bei YADIN, Textus 5, 1 — 10) hat sich gegenüber Sanders Darstellung in D J D 4 die Zahl der Psalmen in der ersten Hälfte der Rolle erhöht. Wegen der großen Textlücken ist unklar, ob alle Psalmen wirklich als Einzelpsalmen präsent sind, oder ob nicht beispielsweise P s l 0 3 oder das eventuell aus P s l l 8 stammende Fragment lediglich als Zusatz an einen anderen Psalm angefügt wurde. Besonders bei dem eventuellen Fragment aus Ps 118 spricht alles gegen eine Wertung als Einzelpsalm. 260 Es bleibt insbesondere wegen des Textverlustes im unteren Drittel der Rolle unklar, ob dem Halbvers von 2Sam 23,7 weitere Verse aus den letzten Worten Davids voranstanden und ob diese Verse wie ein Psalm gezählt wurden. 261 S . o . beispielsweise zu Ps78 als Zentrum der Asaphpsalmsammlung oder P s l 2 7 f . als Zentrum der Sammlung von Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. Auch im masoretischen Psalter hat Ps 119 als Texttrenner zwischen den beiden mischnisch zu verortenden Psalmkompositionen des Ägyptischen Hallels und der Wallfahrtspsalmen ebenfalls eine Mittelstellung. 262 Ps 101 —103 gehören auch im masoretischen Psalter zusammen. P s l 0 9 nimmt die Anfangsstellung der Motivklage vor der freien Zusammenstellung von Lobliedern Ps 118 i . A . ; 104; 147; 105; 146; 148 ein. Es folgt die oben beschriebene Sammlung von Wallfahrtspsalmen, bei der der Hymnus-Danklied-Schluß weggebrochen ist.

226

Teil III: Die Entstehung des Psalters

11Q Psa erweist sich als Sammlung mit mehrfachem Schluß. Ausgehend von der Beobachtung der Mittelstellung von Ps 119 in der Sammlung können wir nun auch andere, diachrone Beobachtungen wagen. So fällt beispielsweise auf, daß nur in der ersten Hälfte mit Ps 120—132 ein Block auch im masoretischen Text zusammenhängender Psalmen überliefert ist. Umgekehrt finden sich nur nach Ps 119 apokryphe Psalmen. Auch der mehrfach gestaffelte Anhang spricht für ein Wachstum der Textsammlung besonders im hinteren Teil. 263 Auch bei einer Gesamtbetrachtung von 11Q Psa scheint der Kern der Sammlung daher in der Tat der Wallfahrtspsalter Ps 120ff. zu sein, der nach Ps 119 als weisheitlichem und toraorientierten Wendepunkt mit einem Hymnenblock und Zionspsalmen fortgeführt ist. Von der Betrachtung der Samlung von Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff. als Kern von llQPs 3 gewinnt die Interpretationsdifferenz dieser Rolle zwischen J . A . Sanders auf der einen und M.H. Goshen-Gottstein und Sh. Talmon auf der anderen Seite eine neue Dimension. Hält Sanders HQPs a für eine Teilsammlung des Psalters als kanonischem Buch, so betonen Goshen-Gottstein und Talmon, daß HQPs a eine Sammlung zu eigenen liturgischen Zwecken darstellt, also einen vorkanonischen Text repräsentiert. 264 Für Goshen-Gottsteins und Talmons Auffassung lassen sich textlich gewichtige Gründe anführen, beispielsweise die Umgestaltung von Ps 145 in HQPs a mit einer Segensformel als Refrain. Aber auch Sanders hat mit seiner Betrachtung von llQPs 3 als Zeuge des masoretischen Psalters teilweise recht. Neben der Übernahme von Ps 120—132 in der Reihenfolge des masoretischen Textes spricht insbesondere der Anfang von llQPs 3 mit den Brückenpsalmen, die auch im masoretischen Psalter eine Nahtstelle von der Ausbaustufe des Psalters in persischer Zeit hin zu Ps 102 als Themenklage im Kontext des fünften syrischen Krieges bilden, für llQPs 3 als Teil des masoretischen Psalters. Die Frage, ob llQPs a älter als die Ausbaustufe des Psalters ist, die die heutige Form des masoretischen Textes (Ps 1 — 150) umfaßt, 265 ist in dieser Form nicht beantwortbar: Als Vorform von llQPs 3 zeichnen sich die Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. als selbständiger Teilpsalter ab. Diesen haben wir in Qumran in einer verschrifteten und qumranspezifischen Variante überliefert, gegenüber der die masoretische Textform als eine speziell pharisäische Variante erscheint. Die Rolle llQPs 3 ist jedoch in der vorliegenden Form mit ihrem mehrfachen Schluß jünger als der masoretische Text des Psalters Ps 1 — 150. Daß der entscheidende Übergang von den Jhwh263

SKEHAN, BEThL 4 6 , 1 6 3 - 1 8 2 , hier 169. S. o. S. 216 Anm. 218. Vgl. auch die gewichtigen Gründe von FABRY, FS Groß 54, gegen diese Alternative, weil gerade liturgische Bücher Kern des Kanons waren. Leider ist SANDERS Position zu HQPs a auch Prinzip seiner Edition in D J D 4 geworden. Dieser Band bietet zwar die photographische Wiedergabe der Rolle, aber in Sanders Wiedergabe und Kommentierung des Textes meint er zwischen „Text" und „The Apokryphal Compositions" trennen zu können, was etwa angesichts des Textzustandes von Ps 145 (dazu oben S. 223 A n m . 247) sehr fraglich ist. 264

265

Dazu bes. WILSON, Editing 90ff.

3. Die Stabilisierungsphase

des Textes des Psalters

227

König-Psalmen Ps93ff. als Zielpunkt der Komposition des Psalters in persischer Zeit zur Themenklage Ps 102 in Qumran bereits vorausgesetzt wird, ist nicht zuletzt durch die Handschrift 4QPs b belegt. 266 Der Psalter ist damit in der Zeit von Qumran zwar als Textzusammenhang bis weit in das letzte Drittel des Psalters belegt, gleichzeitig zeigt aber seine Variabilität in dieser Spätphase, daß die kanonische Autorität, die der Psalter zu dieser Zeit bereits wenigstens in anderen jüdischen Gruppen genoß, 267 nicht die Stabilität des Textes als solchem garantierte. Daß das kanonische Ansehen von Texten nicht die Weiterarbeit an ihnen verhinderte, ist aber eine aus der Textkritik altbekannte Tatsache. Insbesondere aus der Überlieferung der Septuaginta kennen wir genügend Beispiele, daß auch ganze Kapitel nach der Phase der Formation des Kanons 268 variiert werden konnten. 269

3.3 Themen und historischer Ort der 3.3.1 Der masoretische Psalter als nachkultisches

Komposition Wallfahrtsliederbuch

Als Neuansatz der Komposition legt sich die Themenklage Ps 102 nahe, die wenigstens auf der Ebene der kompositorisch angelegten Applikation, vermutlich auch auf der Ebene der Psalmbildung selbst, in die Zeit des fünften syrischen Krieges, also um 202 v. Chr., zu datieren war. 270 Wenn wir von dort ausgehend den Schluß des Psalters betrachten, stellen wir fest, daß zwei der dort gesammelten Psalmengruppen den Wallfahrtspsalmen zuzurechnen waren, das Ägyptische Hallel und die Wallfahrtspsalmen Psl20ff. Wir sahen bereits, wie das Ägyptische Hallel bis Ps 107 nach vorn literarisch ausgeweitet ist, umgekehrt faßten wir die Wallfahrtspsalmen Psl20ff. bis hin zur Nachschrift Ps 137. Bis auf die letzte Kompositionseinheit, der Zusammenstellung der Davidpsalmen Ps 138ff. und des kleinen Hallels, und den Kompositionsbogen mit der Klage über die Zerstörung Jerusalems Ps 102—106 ist der gesamte Textbereich von diesem Gedanken geprägt. Scheinbar bildet Ps 119 hier eine Ausnahme. Dieser Psalm überragt mit 176 Versen selbst die umgebenden Psalmengruppen, da das Ägyptische Hallel nur 85 Verse und die Wallfahrtspsalmen Ps 120ff. 95 Verse erreichen. 271 Das Ägyptische Hallel ist, wie wir sahen, auf alle Wallfahrtsfeste zu beziehen, aber seinen speziellen Sitz im 266 WILSON, Editing 100, verweist auf Vorbehalte hinsichtlich der Identifikation von Ps 101 in der Lücke zwischen Ps 100 und 102, da das Fragment an dieser Stelle stark beschädigt ist. Die Textlücke hat aber genau die Größe, in die Ps 101 passen würde. 267

Philo, D e Vita Contemplativa 25 (zitiert unten S. 243 Anm. 17). Zu den historischen Rahmendaten s. u. S. 243f. 269 Vgl, etwa die Zusätze zum Danielbuch oder die unterschiedliche Anordnung des Buches Jeremia. 270 Siehe dazu oben II.2.3.1. 271 D i e Versangaben beziehen sich jeweils auf die Minimalfassung der masoretischen Textform, d. h. Ps 113-118 und 120-134. In den Handschriften einschließlich HQPs" sind die 268

228

Teil III: Die Entstehung des Psalters

Leben hat es nicht zuletzt wegen des Berichtes vom Auszug P s l l 4 in der Pessachfeier. Ähnlich haben die Wallfahrtspsalmen Psl20ff. in der Fassung des vorliegenden masoretischen Textes ihren speziellen Sitz im Leben in der Sukkotliturgie. Dazwischen steht nun Psll9. Wenn wir von den drei großen Wallfahrtsfesten Pessach/Mazzot, Schabuot und Sukkot ausgehen, liegt es nahe, Ps 119 Schabuot, dem Wochenfest, zuzuordnen, da dieses im Festkalender zwischen den beiden anderen Festen liegt. Da spezieller Inhalt des Wochenfestes der Dank für die Gabe der Tora ist, paßt Ps 119 mit seinem akrostichischen Toralob hervorragend. 272 Für Ps 119 kann nun wohl kaum ein Sitz im Leben als Liturgie vermutet werden, umgekehrt bestätigt also Ps 119, daß auch die umgebenden Liturgien im Psalter in einer schriftlichen Fassung mit schriftlichem Sitz im Leben erhalten sind, wie wir es bereits anhand der weisheitlichen und nachkultischen Edition beider Psalmgruppen mit Einzelpsalmen nahelegten. Für einen schriftlichen Sitz im Leben der Edition der Liturgien im letzten Psalmbuch spricht auch, daß die Theologie des Opferersatzes durch Gebete im letzten Teil des Psalters in ihrer wohl reflektiertesten und systematischsten Art vorgebracht wird (Ps 141,2): Tis"? r n ü p 'n^pn insn :any-nnaa 's? nxfra Mögest du mein Gebet vor dir als Räucherwerk hinstellen, das Aufheben meiner Hände als Abendopfer. Hier wird das Gebet um seine Anerkennung als Opfer nicht in Verbindung mit der Bitte um die Erbauung Jerusalems vorgebracht, was uns veranlaßte, vergleichbare Stellen in den Nahtstellen des elohistischen Psalters für exilisch oder frühnachexilisch zu halten. Ps 141 hat in dieser Theologie seine nächste Entsprechung in Ps40, der ebenfalls nicht erkennbar durch eine spezielle Situation wie die Tempelzerstörung motiviert Opferkritik übt. 273 Hier drückt sich vielmehr ein Verständnis des Gebetes als Ersatz für Opferhandlungen aus. 274 Die Charakterisierung des letzten Drittels des Psalters als literarische Nachahmung der Wallfahrtsliturgien ist im Kontext der Ausweitung der Wallfahrt zu sehen. Daß sich die Institution der Wallfahrt in der Spätphase des Zweiten Tempels ausweitete, hat insbesondere S. Safrai eindrücklich gezeigt. 275 Neben den in herodianischer Zeit erforderlichen Erweiterungsbauten ist hier auf die akrostichischen Strophen von P s l l 9 meist wie Einzelpsalmen geschrieben, s . o . S . 8 f . Anm. 17. 272 v g [ a i s Überblicksdarstellung zu den Festen MAIER, Testamenten 230. Vgl. zum Bezug zwischen Ps 119 und dem Wochenfest bereits BERGLER, V T 29, 2 5 7 - 2 8 8 , dessen in der Überschrift seines Aufsatzes gestellte Alternativfrage („Anthologie oder Liturgie"?) nicht beantwortbar ist: Ps 119 ist keine eigentliche, sondern - wenn überhaupt - eine nachkultische Liturgie. 273 Gegen B R A U L I K , Psalm 40. 274 Vgl. bBer 26b. SAFRAI, Wallfahrt.

3. Die Stabilisierungsphase

des Textes des Psalters

229

Zunahme von Wallfahrtsberichten ab der Hasmonäerzeit zu verweisen. 276 Gleichwohl können wir auch in dieser späten Zeit nicht von einer regelmäßigen Wallfahrt aller ausgehen. Von vorbildlichen Gerechten wie Tobias wird berichtet, daß er als einziger oft nach Jerusalem zog. 277 Die Theologie im Umfeld von Jochanan ben Zakkai, die Wohltaten und Gebet als möglichen Ersatz für Opfer ansieht und damit die Überlebensgrundlage des Judentums als religiöser Gemeinschaft nach der Zweiten Tempelzerstörung 70 n.Chr bildet, 278 ist also im Judentum vorher bereits angelegt. Als eine dieser Ersatzfunktionen für den wirklichen Gottesdienstbesuch im Tempel können wir das Lesen des Psalters annehmen, da, so die Theologie etwa von Ps 141, Gebete Opfer ersetzen. So beschreibt Ps 40 die Applikation des geschriebenen Gotteswortes auf der Basis eines opferlosen Gottesdienstes (v. 8f.): 'nsa-nan ' r n a x TX aina i s p - n ^ j a a 'nssn ,n',?x ^ix-rnitzm'? ^ina ?|n"Tini Da sprach ich: Siehe, ich bin gekommen. In der Schriftrolle ist von mir geschrieben. Ich habe Gefallen daran, deinen Willen, mein Gott, zu tun. Und deine Tora ist mitten in mir. Beide Verse sind im Kontext zu sehen, Spekulationen über eine spezielle Klageliedrolle für den einzelnen Beter erübrigen sich damit. 279 Die Verse haben das deuteronomistische Motiv der Tora im Herzen 280 durch das ebenfalls deuteronomistische Motiv, daß die Tora jeder Generation offenbart wurde. 281 Wegen der deutlichen Tempelkritik unmittelbar vorher (v. 7) ist auch die Gemeinde, in der der „David" des Psalms spricht, wohl als Synagogengemeinde zu verstehen (Ps40,10f.): an ^npa p i s 'rnfea nnx mir x ^ x x'1? 'riato nan 'a1? "qina ' i v o a - x ^ n i m ' f n a s ijnywrn inaiax Vni?1? ^nagi TJPO ^Top-x^ Ich verkündige Gerechtigkeit in großer Gemeinde, siehe, meine Lippen halte ich nicht zurück. Jhwh, du weißt es. 276

SAFRAI, Wallfahrt 8ff. Tobias 1,6. 278 bBer 26b. Ähnlich auch in Qumran, vgl. die Zweckangaben der Psalmen für bestimmte Opfer im Werkverzeichnis Davids in llQPs". 279 Gegen HERMISSON, Sprache 45. 280 y g i neben den zahlreichen Stellen, in denen im Dtn die Tora mit dem Herzen verbun277

den ist, Jer 31,33.

281 Vgl. z . B . das Verschmelzen des angeredeten D u in den verschiedenen Generationen der Wüstenwanderer bis hin zu der Generation der „letzten Tage" (D'S^ri r i ' i n s a , Dtn 4,30).

230

Teil III: Die Entstehung des Psalters

Deine Gerechtigkeit verberge ich nicht in der Mitte meines Herzens, deine Glaubwürdigkeit und Hilfe erzähle ich, deine Treue und deine Wahrhaftigkeit verstecke ich nicht vor großer Gemeinde. Wie im Danklied finden wir den Dankbericht, allerdings in einem nachkultischen Psalm. Der „David" dieser Zeit hat also eine Gemeinde, die nicht direkt auf den Opfergottesdienst im Tempel bezogen ist. Von diesem nachkultischen Sitz im Leben des Psalters her ist auch Ps 4 zu verstehen, der im ersten Kompositionsbogen des Psalters das Thema der Opfer anspricht (v. 6): 282 imn'-^K int??5! pjüpnriT inat Opfert Jhwh gerechte Opfer, vertraut auf Jhwh! Der für die Opferterminologie ungewöhnliche Begriff der „Opfer der Gerechtigkeit" 283 kann deswegen auch im Kontext der nachbiblisch dominanten Theologie als Ersatz der Opfer durch mpTX (Almosen) verstanden werden. 284 3.3.2 David als

Integrationsfigur

Wer ist der David der Psalmen? Wir haben in den verschiedenen Phasen der Komposition des Psalters unterschiedliche Lösungen angeboten: Während wir in unserer Analyse der ersten Phase der Komposition des Psalters noch meinten, einige Psalmen zeitlich in der Zeit eines Davididen verorten zu können, 285 fanden wir bereits in der exilischen Zeit neben David levitische Sängergilden als Psalmautoren und in der persischen Zeit neben Psalmen mit David als Psalmautor vor allem überschriftslose Psalmen. Daß David als Gewährsmann der Psalmen auch in der spätesten Zeit der Komposition des Psalters geführt wird, ist nicht nur durch die Zitation des Psalters als Davids Buch, 286 sondern auch durch die Bibliographie Davids im Schluß von llQPs 3 belegt. Die beliebte 282 So auch WAHL, FS Groß, und vor allem ZENGER, FS Reinelt 3 7 7 - 4 0 3 , dort S. 378ff. ein umfassender Forschungsüberblick und eine ausführliche Auseinandersetzung mit der kultinstitutionellen Psalmendeutung. Zenger bestreitet vor allem eine spezielle Tempelgerichtsbarkeit und damit die große Bedeutung von Asylie für das tägliche Leben, wie sie Delekat annimmt. 283 KRAUS (Z. St.) etwa versteht den Begriff im Kontext der Rechtsprechung. 284 m A v 1,2 legt bereits einem Rabbinen der Großen Synagoge (der Zeit nach Esra), Schimschon dem Gerechten, die Worte in den Mund:

TOI» OVISN C N R

n'ion niV'aj

NA^SR 1 ?»

miasn Vsn nun •?»

Auf drei Dingen steht die Welt: auf Weisung (Tora), auf dem Opferdienst und auf Wohltaten der Frommen. Mit dem Wegfall des Opferdienstes bleiben also auch nach m A v 1,2 zwei Säulen der Welt bestehen. 285 v g l bes. die Analyse der elohistischen Sammlung von Davidpsalmen (II.3.1.1). 286 So z . B . mAv 6,9.

3. Die Stabilisierungsphase

231

des Textes des Psalters

Lösung der messianischen Interpretation von Psalmen sollte nicht zu schnell befürwortet werden, da der weitaus größte Teil der David zugeschriebenen Psalmen Klagepsalmen sind. 287 Näher liegt es, den David der Psalmen als einen Chiffre-Begriff zu verstehen. Der Talmud gibt innerhalb der Möglichkeiten der Exegese seiner Zeit eine solche Dechiffrierung (bPes 117 a): m n a t i n r n n i T ® Va l i m u n

•'Vnn nsoa i n - m w p a x l a x y raa n a i x -ITST^N ' m Tiax -n:rx u a s naix »wirr ' a i ma's u m p a w a n a i s a'aam •ms? u «

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i a x » *nja r r r iiti^a m - n - i a s n n a ' x u i a a ' a i iitrVa m - n a x n

Die Rabbanan lehrten: Von allen Liedern und Lobgesängen, die David im Buch der Psalmen gesagt hat, gilt: Rabbi Eliezer sagte: Er hat sie auf sich selbst hin gesagt. Rabbi Jehoschua sagte: Er hat sie auf die Gemeinschaft hin gesagt. Die Weisen sagen: Einige hat er auf die Gemeinschaft hin gesagt, einige hat er auf sich selbst hin gesagt. Die, die er im Singular formuliert hat, hat er auf sich selbst hin gesagt, die, die er im Plural formuliert hat, hat er auf die Gemeinschaft hin gesagt. Die geltende Lehre der Weisen ist also durch einen Streit zweier Meinungen entstanden, ob die Psalmen nur auf David und seine Person zu beziehen seien oder von David für die Gemeinde formuliert seien. Die kollektive Interpretation aller Davidpsalmen wird in rabbinischer Zeit wenigstens diskutiert. Wenn der Name David als Personenchiffre zu verstehen ist, legt sich zunächst einmal die Deutung nahe, daß David den Bezug auf ganz Israel andeuten soll. 288 Das gilt einerseits lokal und sozial: für ein Israel, das - im Duktus der biblischen Geschichtsdarstellung - noch nicht in Nord- und Südreich, geschweige denn in verschiedene Diasporagruppen aufgespalten ist. Das hat andererseits aber auch eine Bedeutung in Bezug auf den Tempel: David betet zu Gott in einer Zeit, in der es den Jerusalemer Tempel als Gebäude noch nicht gibt. 289 Die 287 Gegen die hier ansonsten weitgehend vorbildliche Darstellung von FÜGLISTER (in: Beiträge 371ff.). 288 VGL z u r symbolischen Interpretation bereits ALLEN, Bib. 67, in der Weiterarbeit eines Ansatzes von WILSON, Editing. In dem Zusammenhang der Deutung auf Gesamtisrael ist wohl auch die symbolische Zahl von 3600 Psalmen in der Nachschrift v o n l l Q P s 3 zu verstehen (dazu oben S. 224 Anm. 250). 289 Die umfangreichen Vorbereitungen, mit denen die Chronikbücher David mit dem Tempelbau befaßt sein lassen, werden in Psalm 30,1 dahingehend gesteigert, daß David sogar den Psalm zur Einweihung gedichtet haben soll (vgl. MEYERS, FS Cross 357—376). Doch die historische Grenze, die durch die Überlieferung der Deuteronomisten gesetzt wird, daß der Tempel erst unter Salomo erbaut und eingeweiht wurde, wird weder in IChr 17 noch in den Psalmen überschritten.

232

Teil III: Die Entstehung des Psalters

lokale wie teilweise auch inhaltliche Differenz zum Tempelgottesdienst wird in der Wahl Davids als Trägergestalt der Psalmen dadurch überwunden, daß die Psalmen dem Tempelgottesdienst vorgeordnet werden. Der Gottesdienst ohne Tempel zu Davids Zeit gibt das Vorbild ab für die Wendung zu Gott in der Situation, in der der Tempel zwar als Zentralheiligtum anerkannt ist, aber faktisch unerreichbar ist. Diese situative Analogie eröffnet dem Beter, der sich mit David identifiziert, aber nicht einfach nur die Möglichkeit der gegenwärtigen Begegnung mit Gott außerhalb des Tempels, sondern zugleich die Hoffnung auf eine künftige Begegnung mit Gott im Tempel. Die Orientierung auf David ist innerhalb des masoretischen Textes am deutlichsten: Fast die Hälfte der Psalmen sind Davidpsalmen, die Psalmen der levitischen Sängergilden sind innerhalb der Welt der biblischen Texte Werke des von David eingesetzten Tempelpersonals: in IChr 16,5.7 tritt explizit Asaph als Sänger von Davidpsalmen auf, wobei die dann in IChr 16 gebotene Auswahl von Psalmen im masoretischen Text des Psalters ohne Überschrift gehalten ist. Daß die Auswahl der Psalmautoren im masoretischen Text auf David bezogen ist, zeigt auch die Namensverwendung von Heman Ps88: nach IChr 15,17.19; 16,41f.; 25,4—6 ist auch Heman, der einzige im Psalter konkret genannte Korachite, von David eingesetzter Tempelsänger. Asaph, Heman und Jedutun 290 sind nach 2Chr 5,12 auch noch unter SalomoTempelsänger, sie wirken bei der Einweihung des Tempels (2Chr 5) mit. Insofern kann auch Jedutun im Psalter als Sänger Davids vermutet werden, obwohl Ps62,l (•pniT"1??) personenuntypisch formuliert und Ps 62 zusätzlich als Davidpsalm eingeführt wird. 291 Auch in Esra 3 loben die Asaphiten ausdrücklich Gott im Auftrag Davids (Esra 3,10b): r r m x n a ü,w3>?k ü ^ r p n T r a i n t r r ^ x a a nos-^a a ^ n i T H ,T-'727 m;r-nx y?n'7 Da traten die Priester in ihren Gewändern mit Trompeten und die Leviten, die Söhne Asaphs, mit Zimbeln herzu, um Jhwh zu loben im Auftrag von David, dem König Israels. Der Talmud überliefert eine vermutlich ältere Interpretation, die eine bereits biblisch vorhandene Tendenz aufnimmt, das Singen von Psalmen auf David zu beziehen, wenn der Talmud mit einem "HpTl bs eine Stelle in den Psalmen variiert (bPes 117 a): m i x Tita m rrn x'jn naiow p a x t t t i^ia a ^ n n noon n m m x n mnaunn "?3 in i n irfrsn fts •to n p ' n "78 I^X "73 x^x 290 291

Jedutun erscheint als Tempelsänger Davids in IChr 16,41 f. Ähnlich P s 3 9 , l und 77,1 im Qere, hier innerhalb eines David- bzw. Asaphpsalms.

3. Die Stabilisierungsphase

des Textes des Psalters

233

Es wird gelehrt: Rabbi Meir sagt: Alle Lobgesänge, die im Buch der Psalmen stehen, hat David gesprochen, wie es heißt: ,Zu Ende sind die Gebete Davids, des Sohnes Isais' (Ps 72,20). Lies nicht: 1*73 (källü), „zu Ende sind", sondern V3 (köVelü), „alles dies sind". Von der Dominanz Davids und des von ihm eingesetzten Tempelpersonals her ist auch die David-Bibliographie am Schluß von HQPs a zu verstehen. Hier wird wie im masoretischen Text David als Psalmist schlechthin angesehen. Das Verständnis Davids als des Verfassers des Buches der Psalmen schließt durchaus ein, daß nicht alle Psalmen von David selbst gedichtet sind. So zählt der babylonische Talmud bBB 14b. 15 a eine Reihe von zehn anderen Autoren von Psalmen im Psalter auf und läßt damit David nicht nur als Autor, sondern auch als Herausgeber erscheinen (bBB 14b. 15 a):

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D'jpr maw \,3/ D'^nn nso ana m pnx -oVa ' t ^ liwx-in mx

rpX 'V "7571IIDTT' '"VI p T l , V "7571 nttfB '"Sl m p 'an n t i f t w ' r "?2n

David schrieb das Buch der Psalmen mit Hilfe von zehn Älteren: mit Hilfe des ersten Adam, Melchisedeks, Abrahams, Moses, Hemans, Jedutuns, Asaphs und drei Söhnen Korachs. Von den bereits im masoretischen Psalter genannten Autoren ist hier der Davidsohn Salomo (vgl. Ps72,l und 127,1) ausgelassen, so daß die davidische Autoren- und Herausgeberschaft über den ganzen Psalter nahegelegt wird. 292 Gleichwohl gibt es auch im masoretischen Text in der Spätphase der Komposition Tendenzen, David und sein Tempelpersonal als Psalmbeter zurückzudrängen. Dafür sprechen die ab der persischen Zeit eingefügten überschriftslosen Psalmen, aber auch die Überschrift von Psalm 102, den wir als Themenklage zur nachfolgenden Gruppe von Lobliedern aus dem Kontext des fünften syrischen Krieges verstanden (Ps 102,1): Gebet eines Elenden, wenn er schwach wird und vorJhwh sein Anliegen ausschüttet.

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Als Gebet im Stil der Armenpsalmen gehört dieser Psalm, dessen Überschrift auf umfassende Applikationsfähigkeit zielt, in die Wirkungsgeschichte

292 Diese Tradition der zehn von David redigierten Psalmautoren findet sich auch in MShir 1,6 sowie Shr 8,9. Abweichend ist dagegen die Überlieferung Shr 4,4, die statt Melchisedek Esra als Psalmautor einführt. Mit der Benennung von Esra als Psalmautor schließt dieser Midrasch das Verständnis Davids als Herausgeber des Psalters aus, David ist in diesem Verständnis nur noch wichtiger Autor von Psalmen.

234

Teil III: Die Entstehung des Psalters

der Davidpsalmen. 293 Die Charakterisierung des größten israelitischen Königs als Armen gehört jedoch auch in einen theologischen Zusammenhang: Durch die Bezeichnung Davids als Armen wird die Prädikation Gott als König um so herrlicher und notwendiger. 3.3.3 Gott als König Wir haben das Motiv Gottes als König bereits als Rahmenmotiv im elohistischen Psalter betrachtet, wir bemerkten den Ausbau dieses Motives auch auf der Ebene des Psalters in persischer Zeit. Bei der Weiterverfolgung des Motivs gelangen wir nun zu den Rahmenstücken des Psalters als Ganzem, dem ersten (Psl —10) und dem letzten Kompositionsbogen (Ps 138—150). Wir stellten bereits fest, daß der Klagecluster, um den sich der erste Kompositionsbogen herum konstituiert, Ps 5 als Zentrum hat. 294 Dieser ist ein so treffendes Beispiel der Konzentration der hier als kompositorisch verstandenen Motive, daß sich von seiner Stellung als Mitte des ersten Kompositionsbogens sein Verständnis als speziell für diese Stelle geschaffenen Psalms aufdrängt. Der Psalm beginnt klageliedtypisch mit einer Anrufung Gottes. Untypisch besonders für das Klagelied des Einzelnen ist die Anrufung Gottes als 'H^KI 'S^S, „mein König und mein Gott" (v. 3). Im Stil der Toreinzugsliturgie erfolgt eine Selbstprüfung des Beters (v. 5 ff.), wie in den wenigstens teilweise nachkultischen Toreinzugsliturgien Ps 15; 24 und 101 werden also Toraelemente mit der Orientierung auf den Tempel verbunden. Der Abschluß erfolgt in der Erwartung von Lob (v. 12) und Segen (v. 13). Die Rahmung des Klageclusters Ps 3—7 einschließlich seines Hymnus-Danklied-Schlusses Ps8f. hat nun ebenfalls das Motiv Gottes als König (Ps 10,16-18): •nn a ^ i s ^ a mrr D'ü n r i s nw a ' i j ? nixn •qli Dirr HS?1?trpi,-,73 Jhwh ist König immer und ewig, die Heiden sind aus seinem Land verschwunden. Das Flehen der Elenden hast du gehört, Jhwh, 293 Einen Überblick über die weitverzweigte Diskussion, ob die Armen im Psalter eine besondere Gruppe seien, bietet LOHFINK, Bib. 67, 153—176. Wir gehen hier nicht auf diese weitverzweigte Diskussion ein, obwohl die Berührungspunkte mit dieser vom Inhalt der Psalmen her argumentierenden Position mit der hier vertretenen wesentlich über die Psalmüberschriften argumentierenden Position sicher sehr interessant wären. Unsere Auffassung geht hier dahin, daß mit den Armen keine eigene Gruppe gemeint ist, sondern ein Kollektivbegriff gebraucht wird: Der David der Psalmentheologie ist der „Arme". 294 S . o . S. 132 den Hinweis auf die in P s 3 - 7 verwendeten Überschriften, innerhalb derer Ps 3 und 7 (mit Ps 9) sowie Ps 4 und 6 einander zuzuordnen sind.

3. Die Stabilisierungsphase des Textes des Psalters

235

du wirst ihr Herz festigen, du wirst deine Ohren merken lassen, auf daß du dem Waisen und Gedrückten Recht schaffst, es soll kein Mensch von der Erde mehr Schrecken verbreiten. In dem überschriftslosen Ps 1029S wird das Königtum Gottes eng mit dem Verschwinden der Heiden aus dem Land verknüpft. Gemeint sein kann hier in dieser spätesten Zeit der Komposition des Psalters die staatliche Unabhängigkeit Judas, wie sie unter der persischen Oberherrschaft mit ihrer Achtung lokaler Autonomie aufkam, in der zweiten Phase der persischen Herrschaft mit der Bildung der selbständigen Provinz Juda wuchs und in makkabäischer Zeit Wirklichkeit wurde. Thematisch ist dieses Motiv in engster Verbindung zur Bevorzugung der Person Davids als klagendem Einzelnen zu sehen: Der Gründer der Jerusalemer Dynastie ist ein „Armer", Gott selbst ist König. Die Verbindung beider Motive wird wohl in keiner Zusammenstellung von Psalmen deutlicher als in der Kombination von Ps2 und 3. Ps2 beschreibt den im Himmel thronenden Gott, der über die Könige, die den König in Jerusalem bekämpfen wollen, lacht und mit einem Orakel sein Eingreifen zugunsten des Jerusalemer Königs ankündigt. Die Situation des Königs auf dem Zion wird in der Interpretation oft ausschließlich aus himmlischer Perspektive gesehen: Der König in Jerusalem kann gewissermaßen mitlachen, die prekäre Situation ist schon vorbei. Nun sahen wir von der formgeschichtlichen Exegese her, daß das Orakel zumeist vor der Wende zur Rettung steht. Auch Ps2 nimmt daher eine erst zukünftige Rettung vorweg. Insofern hat Ps2 wie die folgenden Klagepsalmen als vorausgesetzte Situation die des klagenden David. Exemplarisch führt Ps3 deshalb die Klage Davids über seinen Sohn Absalom ein. Beachtlich ist weiterhin, daß im Kontext zu Ps2 gerade diese Psalmüberschrift gewählt wird: Kann Ps2 als eine Legitimation einer Dynastie gelesen werden, so scheidet eine solche Interpretation auf dem Hintergrund des Verständnisses von Ps3 aus. Absalom, der Sohn Davids, der gegen seinen eigenen Vater einen Aufstand unternimmt, ist sicherlich kein passender König im Sinn von Ps2. Da der Aufstand gegen den Vater gewiß nicht im Sinn der Tora ist, 296 wird - in der Sprache von Ps 1 formuliert - der Weg des Gottlosen vergehen (Ps 1,6). 297 Den von der Einleitung des Psalters zu erwartenden Ausgang der Geschichte führt nun der erste Kompositionsbogen P s l —10 nicht nur bis zum Tod Absaloms durch (Ps 7; 9), 298 sondern weiter bis hin zum Preis Gottes als König (Ps 10,16, vgl. auch bereits Ps5,3), der dieses Hymnenmotiv allerdings im Kontext der Klage vorbringt. Demgegenüber fehlt in der letzten Kompositionseinheit, den Davidpsalmen 295 Zur These von Ps 10 als Einzelpsalm mit seiner Beziehung auf Ps9 vgl. oben 1.1 (S. 8. lOf. 15). 296 Man denke an das Gebot der Ehrung speziell der alten Eltern (Ex 20,12 u. ö.). 297 :1?n'n Epyah t i t („der Weg des Gottlosen vergeht", Ps 1,6b). 29 ® Vgl. oben U.3.2.2.

236

Teil III: Die Entstehung des Psalters

Ps 138ff. und dem kleinen Hallel, das Motiv der Tora. 299 Sehr durchdacht ist hingegen das Königsmotiv aufgenommen: Aufschlußreich sind dafür die Nahtstellen zwischen den beiden Teilen der letzten Komposition und der Schluß. Die Nahtstelle beider Kompositionsteile ist im engeren Sinn Ps 145, der einerseits als Davidpsalm eingeführt ist, andererseits mit dem Überschriftselement rffnn („Loblied"), das im Schlußvers wiederholt wird, zu der Sammlung der Hallelujah-Psalmen überleitet. Doch auch der vorhergehende und der nachfolgende Psalm sind von ihrer Nahtstellenfunktion her zu verstehen: so leitet Psl44 mit einem sonst meist an einer Schlußposition zu findenden Segensspruch ein (Ps 144,1). Sowohl Psl44 als auch Psl46 haben darüber hinaus weisheitliche Elemente. 300 Ps 146 enthält außerdem Jhwh-König-Formulierungen. 301 Die Kombination der Davidpsalmen und des kleinen Hallels erscheint deswegen zusätzlich zentriert. 302 Sehr eindrücklich ist insbesondere die Aufnahme von Ps2 in Ps 149.303 Der vorletzte Psalm des masoretischen Psalters ist mit Ps 144 durch die Wendung tihn Tt? („neues Lied") verbunden. 304 Gegenüber Ps2 fehlt in der Vorstellungswelt von Ps 149 allerdings der davidische König. Entsprechend wird Gott selbst als König gepriesen (Ps 149,2): ¡M 1 ??:!

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Es freue sich Israel über seinen Schöpfer, die Söhne des Zion sollen frohlocken über ihren König.305 Der Vergleich beider Kompositionseinheiten legt nahe, daß beim Abschluß der Komposition des Psalters nicht nur die Gestaltung seines letzten Drittels erfolgte, sondern auch am Anfang, besonders durch die Ergänzung von P s l und 10, Detailarbeit geleistet wurde.

299 Bestenfalls kann man es aus der Reihung der Gegenstände der Schöpfung (Gen 1) in Ps 148,lff. herauslesen, die bemerkenswerterweise in der Wiederholung von Ps 148 in Ps 150 nicht aufgegriffen wird, obwohl in P s l 5 0 als Abschluß des masoretischen Psalters eine Verbindung mit Ps 1 zu erwarten wäre. 300 Vgl. die Glückwünsche ( n » 8 ) Ps 144,15 und Ps 146,5; zu Ps 144,3 vgl. Ps 8,5, zu Ps 144,4 Ps90. 301 Ps 146,10: •'jis'? mrr ^fja' („Jhwh wird als König herrschen für immer"). Eine vergleichbare Formulierung findet sich in Ex 15,18. 302 Vgl. die in Ps 144,12ff. parallelen Gedanken zur Mitte der Wallfahrtspsalmen Ps 120ff., P s l 2 7 f . Vgl. dort bes. die Verbindung beider Psalmen mit 1-ltt>i< („glücklich") und den Abschluß von Ps 144 mit einem '"WN-Satz. 303 S . o . I I . 3 . 3 . 1 ( S . 145). 304 Weitere Stellen: Ps33,3; 96,1; 98,1; 144,9. Neben den beiden Stellen am Höhepunkt der Komposition in den Jhwh-König-Psalmen findet sich die Wendung nur noch in Ps33, dem außer PslO einzigen überschriftslosen Psalm mitten im ersten Psalmbuch, und P s l 4 4 , also jeweils an Nahtstellen der Komposition. 305 Der Parallelismus zwischen VtP!73 („über seinen Schöpfer") und DSVni („über ihren König") legt die Deutung auf Gott zwingend nahe.

3. Die Stabilisierungsphase

3.3.4 Die Tora als

des Textes des Psalters

237

Verbindungsthema

Betrachtet man die Überschriften des masoretischen Psalters unter dem Gesichtspunkt ihrer inhaltlichen Gewichtung, innerhalb derer David wohl als der Bedeutendste gedacht ist, fällt eine Überschrift heraus, die nicht in dieses System paßt: Ps 90 ist ein Mosepsalm. Mose ist die einzige Person des Psalters, die es mit David an Dignität aufnehmen kann. Wenn man den Namen Mose als innerbiblischen Verweis liest, ist zunächst an das Werk des Mose, die Tora, zu denken. Wie wir bereits sahen, steht Ps90 an der Stelle des Psalters, wo das Übergewicht der Klage zugunsten der Hymnen im Psalter umbricht. 306 Ps 90 ist zudem eine der Übergangsstellen, an denen das Überschriftensystem in allen Bestandteilen wechselt und an denen deswegen die Möglichkeit bestand, als zusätzliche Grenzen in der Textsammlung des Psalters die Abtrennung einzelner Psalmbücher einzuziehen. 307 Die Abgrenzung in Psalmbücher erachten wir damit wie H. Gese als spät. 308 Doch haben die Psalmbücher ein durchaus eigenes Profil: So zeichnet sich der Vorbau des ersten Psalmbuches mit Klageclustern von überwiegend Singularpsalmen verschiedenster Themen aus. Die erste Erweiterung des elohistischen Psalters mit der zweiten Sammlung von Korachpsalmen ist so abgeteilt, daß die inhaltlich wie kompositioneil zentrale Sammlung von Asaphpsalmen in das mittlere Psalmbuch gelangt. Das vierte Psalmbuch hat mit seiner Umspielung der Tora besonders am Anfang und Schluß in Verbindung mit den Jhwh-KönigPsalmen ein eigenes Profil. Das fünfte Psalmbuch schließlich enthält alle nachkultisch gebrauchten Liturgien und überliefert sie in einem weisheitlichen Rahmen. 3 0 9 Wir haben die Orientierung auf die Tora bereits in Verbindung mit einer ganzen Reihe von Themen kennengelernt: so ist das Lob der Tora in Ps 19 mit dem Lob der Schöpfung verbunden, 3 1 0 Ps78 und 103—106 preisen die Geschichte, soweit sie in der Tora erzählt wird. Ps 119 trennt als Tora-Psalm die beiden ausschließlich wirkungsgeschichtlich als Liturgien belegten Texte und ist vermutlich im Kontext des vorliegenden masoretischen Textes dem Wochenfest zuzuordnen. 311 Ps l f . schließlich, die Einleitung zum Psalter, verbindet die Themen von Tora und Königtum. Wir können den Psalter als kanonischen Text wesentlich durch die Verbindung seiner Themen mit der Tora

306

So sehr prägnant SHEPPARD, Future 75. S. o. S. 200 Anm. 148.

307

S o b e s . WILSON, V T 3 4 .

308

GESE, Entstehung. Hier ist auch der Sonderfall des vierten und fünften Psalmbuches mit der Voranstellung des Dankes zu nennen. Zu den Dankelementen als Gliederungszeichen im fünften Psalmbuch vgl. auch KRATZ, ZThK 8 9 , 1 - 4 0 , hier S. 37 Anm. 106. 310 S . o . S. 58f. Anm. 327. Vgl. auch bereits S. 140 Anm. 379. 311 S . o . III.3.3.1. S. 27f. 309

238

Teil III: Die Entstehung des Psalters

gekennzeichnet sehen. In diesem Sinn ist Maier zuzustimmen, der zur Einleitung des Psalters mit Ps 1 schreibt: 312 „nicht nur der Psalter wird durch seine „Einleitung" hermeneutisch determiniert, zunächst dürfte w o h l eine b e s t i m m t e A u f f a s s u n g v o m Psalter zur Vorschaltung der „Einleitung" geführt haben."

Mit der Voranstellung von Ps 1 ist die bereits ältere Orientierung des Psalters auf die Tora noch einmal betont an den Anfang gestellt worden. Die Weisheit, die der Psalter vermittelt, 313 wird mit Ps 1 in Beziehung zur Tora gesetzt. Ps 1 ist nun mit seiner Lehre der zwei Wege ein überaus polemischer Text. Bei dem Versuch, die Gegner, gegen die sich Ps 1 wendet, zu bestimmen, ist wie bei Ps 151 an die hellenisierenden Kreise gedacht worden, gegen die sich die Makkabäer wenden. 314 Diesem Versuch des Verständnisses von Ps 1 als vorangestellter Überschrift des Psalters entspricht die Deutung von Ps 151 als makkabäischer Nachschrift, 315 nur daß Ps 1 in den masoretischen Text aufgenommen wurde, Ps 151 aber nicht zuletzt aus Gründen des jungen Alters dieses Psalms nur in der Septuaginta und in Qumran erhalten ist. Auch hier zeigt sich, wie fließend einerseits die Abgrenzung des Psalters an seinem Rand in dieser Zeit noch war und wie hart andererseits um das Verständnis von rechtem Judentum gerungen wurde. Die Vorschaltung von Ps 1 ist in jedem Fall im Kontext von Normierungsversuchen zu verstehen, die wir in allen Kompositionsstufen des Psalters feststellten. Daß beim Psalter solche Normierungsversuche besonders nötig waren, zeigt ein Blick in die Wirkungsgeschichte dieses Buches: es ist für die Trägerkreise des Psalters mit ihrem Versuch, die Randgemeinde an Jerusalem zu binden, ein kaum erträgliches Unterfangen, wenn eine Sondergemeinde wie die Qumranleute den Eingang des Psalters in eigenem Sinn interpretiert, wie sie es in 4QFlor tut: dieser Midrasch kündigt für die bevorstehende Endzeit die Ankunft eines davidischen Messias und priesterlichen Toraerklärers an. 316 Er appliziert damit die Antithesen von Ps 1 für die eigene Gruppe als die Gerechten. 317 Auch in der weiteren Wirkungsgeschichte finden wir insbesondere jüdische 312

MAIER, FS Gunneweg 354. Vgl. nun auch die ähnlich hermeneutisch reflektierten Überlegungen von MCCANN, Interp. 46. Zur Kritik an Gese vgl. oben S. 211 f. 313 Vgl. dazu auch MILLARD, WUD 22. 314 MAIER, FS Gunneweg. Maiers Interpretation ist von der rabbinischen Deutung des Psalms her zu unterstützen: beispielsweise jBer 1,7,40a deutet die Orte der Spötter, gegen die sich Ps 1 wendet, auf die hellenistischen Vergnügungen wie Theater, Rennbahn und Zirkus. Oft wird Ps 1 so gedeutet, daß sich der Mensch nur mit der überlieferten Gotteslehre beschäftigen solle ( b A Z 19b: ein Drittel Schrift, ein Drittel Mischna, ein Drittel Talmud), also nicht etwa mit der griechischen Literatur. ANDR£, V T 32, 327, hat die Deutung von Ps 1 auf das Zitieren des Schma Jisrael in jüngster Zeit wiederholt, allerdings ohne zu erwähnen, daß dies eine in der mittelalterlich jüdischen Kommentarliteratur geläufige Auslegung ist. 315

FABRY, F S G r o ß . S . o . I I I . 3 . 2 . 1 .

316

Vgl. zum Folgenden: MARBÖCK, FS Groß 207 - 2 2 2 , hier 218. MARBÖCK (FS Groß) hat weitere derartige Umdeutungen von Ps 1 zusammengestellt.

317

3. Die Stabilisierungsphase

des Textes des Psalters

239

Sondergruppen, innerhalb derer der Psalter überliefert wird. 318 Beispielsweise im entstehenden Christentum wie in Qumran wird der Psalter zur meistzitierten Schrift. 319 Die Applikation des Textes ist damit auch außerhalb der Trägergruppe möglich. Wirkungsgeschichtlich sind damit die Versuche, mit der Textedition Elemente einzubringen, die die Leser nicht nur auf Jerusalem, sondern auch auf den vermutlichen Trägerkreis des Psalters orientieren, letztlich gescheitert: Textapplikation ist ein historisch offener Prozeß. 320

3.4 Ergebnis: Der Psalter in der Zeit von Qumran Der Psalter erweist sich in der Zeit von Qumran als vorher bereits weitgehend abgeschlossene Schrift. 321 Fest ist der Text dort, wo wir ihn bereits in persischer Zeit als komponiert beschreiben können, offen dort, wo wir mit späteren Nachträgen rechnen müssen, also im ersten Kompositionsbogen und im Bereich des Psalters ab Ps 101. Völlig neue kompositorische Aspekte ergaben sich in dieser Ausbaustufe des Psalters nicht. Unserer Analyse nach werden die in persischer Zeit angelegten Tendenzen durch den Ausbau des Psalters ausgeweitet und präzisiert. Der masoretische Psalter erweist sich gegenüber der in Qumran vorliegenden Version als durchweg älter. Auch der Schluß der Sammlung von Wallfahrtspsalmen bildet hier keine Ausnahme. Diese späteste Variation eines weitgehend bereits zugrundeliegenden Textzusammenhanges finden wir am Schluß der Sammlung von Wallfahrtspsalmen, den wir in seiner vorliegenden masoretischen Form kompositioneil für in frühpharisäischer Zeit abgeschlossen halten. 3 2 2 Vom Befund in dieser spätesten Zeit her zeigt sich damit aber auch, daß die außerbiblisch bezeugten Liturgien des Ägyptischen Halleis (wohl in der Fassung P s l l l f f . ) und der Wallfahrtspsalmen Ps 120 ff. als Quellen in diese späteste Komposition eingearbeitet wurden.

Die christlich interessanteste Umdeutung bietet dabei wohl der Barnabasbrief (11,6—8), der in einer Reihe prophetischer Stellen in Ps 1 Wasser und Kreuz verbunden sieht. 318 So betont FÜGLISTER, in: Beiträge 344ff. mit zahlreichen Belegen aus dem Gottesdienst von Sondergruppen wie den Qumranleuten, den ägyptischen Therapeuten (Philo, D e Vita Contemplativa 25) und neutestamentlichen Stellen. 319 YGI (JAZU DIE stellen bei Nestle/Aland 2 6 752ff., und als Interpretation KRAUS, Theologie 223, und die Weiterführung durch WALKENHORST, ZKTh 104, 25 - 4 7 , sowie FABRY, FS Groß 51 für Qumran. 320 VGL DAS Plädoyer von BERGER, Hermeneutik. 321 S. o. S. 203f. (insbes. Anm. 161) zu 4QPs b als Textzeugen für den fraglichen Übergang um Ps 100. 322 Mit FÜGLISTER, in: Beiträge 380ff., der allerdings den Psalter auch weitgehend inhaltlich in diese Zeit hineinversetzt.

Ausblick Der Psalter als Teil des Kanons 1. Die Stellung des Psalters im Kanon Wir betrachteten die Auslegungsebenen der Einzelpsalmen, der Psalmgruppen und der diachron erkennbaren Stufen des Psalters. Statt einer Zusammenfassung wollen wir nun noch die Erträge der Arbeit mit der umfassendsten Ebene der Auslegung in Beziehung setzen, mit dem Kanon in seiner vorliegenden Form. Der literarische Ort des Psalters ist in der Textausgabe der Biblia Hebraica Stuttgartensia (BHS) der Anfang des dritten Kanonteils der Hebräischen Bibel, der Schriften (B'airD). Diese Stellung des Psalters ist zwar in anderen Traditionen gut bezeugt, 1 aber mit dieser Positionierung des Psalters in der kritischen Bibelausgabe weichen die Herausgeber von der Stellung ab, die der Psalter in dem Codex Leningradensis B 19A einnimmt, nach dessen Text die BHS gehalten ist. Dieser Codex stellt die Chronikbücher vor den Psalter an die Spitze des dritten Kanonteils, der Schriften. 2 Diese Stellung ist eine inhaltlich sehr gewichtige Position, da mit ihr eine Verknüpfung der verschiedenen Kanonteile erreicht wird: die Chronik erzählt die Geschichte von David bis zur Zerstörung des ersten Tempels neu. In Listen und kurzen Andeutungen reicht die Chronik sogar von der Schöpfung bis zum Kyrosedikt. Von der Reichweite der in den Chronikbüchern erzählten Geschichte ist daher der gesamte Erzählzusammenhang von Gen 1 bis 2Kön 25 zum Vergleich heranzuziehen. Die 1 BECKWITH, Canon 452 ff., zählt über 20 Handschriften und außerbiblische Kanontraditionen auf. Ähnlich ist auch die Stellung des Psalters in der griechischen Tradition, innerhalb derer der Psalter an der Spitze des Blockes von Schriften steht, der in der hebräischen Tradition der dritte Kanonteil ist (aaO. 194). Der Psalmenkommentar von KRAUS ist seit seiner Neubearbeitung zur fünften Auflage einer der wenigen Psalmenkommentare, in dem sich ein Hinweis auf die kanonische Stellung des Psalters findet (KRAUS 2). 2 Im Vorwort der BHS (S.III) erfährt der Leser nur, wohin die Herausgeber die Chronikbücher in der Edition gestellt haben (was ohnehin aus dem Inhaltsverzeichnis hervorgeht), nicht aber, wo die Chronikbücher im Codex Leningradensis selbst stehen. Hier zeigt sich einmal mehr, daß eine photographische Wiedergabe eines Mustercodex mit kritischem Apparat als wissenschaftlicher Standardtext ein durch nichts ersetzbares Desiderat ist. BECKWITH, Canon 455ff., führt neben der ältesten vollständigen Bibelhandschrift, dem Codex Leningradensis 19a (11. Jh.), und dem vermutlich bereits von Maimonides benutzten Mustercodex, dem Codex Aleppo (10. Jh.), noch 12 weitere, teilweise gewichtige Handschriften mit der Voranstellung der Chronik an. Vgl. auch GINSBURG, Introduction 7.

1. Die Stellung des Psalters im Kanon

241

Rekapitulation dieses Erzählzusammenhanges, der etwa die Hälfte der Hebräischen Bibel umfaßt, wird in den Chronikbüchern auf den ersten Tempel konzentriert: von seiner Planung und zur Einteilung des Tempeldienstes unter David bis zu seiner Zerstörung. Von dem Inhalt der Chronikbücher her ist seine Vorordnung zum Psalter als Teil einer umfassenden literarischen Fiktion erkennbar: Wird in den Chronikbüchern die äußere Geschichte des ersten Tempels erzählt und an zentralen Stellen mit Psalmen ausgeschmückt, so geht es im Psalter um die inneren Vorgänge, die Lieder des Tempelgründers David 3 und seines Kultpersonals, die gelegentlich durch ihre Überschriften auf eine konkrete Situation zurückbezogen werden. 4 Dies ist aber nur die Deutung der kanonischen Reihenfolge einer von vielen Handschriftentraditionen im Bereich des dritten Kanonteils. Neben der für die Septuaginta typischen Nachordnung der Chronik hinter die Königsbücher 5 gibt es eine weitere bevorzugte Stellung für die Chronikbücher: der Schluß des dritten Kanonteils. 6 In dieser Stellung ist die Chronik die Summe des Kanons schlechthin. Inhaltlich verwandt mit der Voranstellung der Chronikbücher vor den Psalter ist die Spitzenstellung des Buches Rut im Kanonteil der Schriften: 7 hier steht mit dem sogenannten kanonischen Schluß des Buches Rut 8 der Stammbaum von Rut bis David vor dem Beginn des Psalters. 9 Hier ist von der Buchstellung her deutlich, daß der Psalter wie beispielsweise in Qumran und der rabbinischen Tradition als Davids Buch aufgefaßt wird. Mit der Voranstellung des Buches Rut vor den Psalter ist die seltenere Tradition in Verbindung 3

Vgl. die Überschrift Ps 30,1: in 1 ? rran n s j r r v w -riaia. Ein Gesang. Ein Lied zur Einweihung des Hauses, von David. Dort, wo die Chronik noch stärker an die deuteronomistische Tradition gebunden ist, daß Salomo den Tempel gegründet hat (vgl. die chronistische Aufnahme des deuteronomistischen Kapitels 2Sam 7 in IChr 17 ohne die Begründung, warum David das Haus Gottes nicht selbst bauen darf), scheint der Psalter mit der Überschrift von Ps30 auch diese Grenzen zu überspringen, allerdings mit der philologischen Doppeldeutigkeit, daß nicht ganz klar ist, ob Davids eigenes Haus oder der Tempel gemeint ist. Vgl. insgesamt die Darstellung bei MEYERS, David. 4 D i e Chronikbücher kennzeichnen David als denjenigen, der die levitischen Dienste ordnet und fördert. So trägt David selbst den levitischen Mantel (IChr 15,27) und ordnet den levitischen Dienst, der im weiteren Textverlauf mit einer Psalmenzusammenstellung aus dem vierten Psalmbuch vorgestellt wird (IChr 16,4ff.). 5 Vgl. die Übersicht bei BECKWITH, Canon 194 (mit den Septuagintahandschriften Codex Vaticanus, Sinaiticus und Alexandrinus). 6 Neben bBB 14b und Ben Uziel (Kitab al-Khilaf) über 60 Handschriften, die BECKWITH, Testament 452ff., aufführt. 7 bBB 14b; Ms Ec 1 (ca. 680) + 19 (13./14. Jh.), sowie viele Handschriften des 1 2 . - 1 5 . Jh. und die Abhandlungen Kitab al Khilaf und Adat Deborim. Diese Handschriftentradition stellt also nicht die fünf Megillot zusammen. 8 Rut 4 , 1 8 - 2 2 . 9 Ms Schwarz 3 (BECKWITH, Canon 455) bietet eine Mischvariante: Rut, Chronik, Psalter. Vgl. aber auch 4 Handschriften (Beckwith, Canon 463) und Vienna Nr. 4 (GINSBURG, Introduction 777), in denen fünf Megillot beginnend mit dem Buch Rut als Gruppe vor dem Psalter stehen.

242

Ausblick:

Der Psalter als Teil des Kanons

zu bringen, nach der die sogenannten Megillot im Block vor dem Psalter als Einleitung des dritten Kanonteils stehen. 10 Die Zusammenstellung von fünf Festrollen ist jedoch sehr spät, erst seit dem Mittelalter wird jede dieser Rollen zu einem der jüdischen Hauptfeste gelesen. 11 Neben der Stellung des Psalters im Kontext zu David betreffenden Schriften und zu anderen liturgisch geprägten Büchern ist der Bezug des Psalters zu den anderen weisheitlichen Schriften im dritten Kanonteil zu beachten. Eine feste Beziehung in der kanonischen Stellung des Psalters besteht insbesondere zu dem Hiobbuch und den Sprüchen. 12 Bemerkenswert ist innerhalb dieser Schriften die Stellung des Buches Hiob zum Psalter: wird das Buch Hiob dem Psalter vorgeordnet, 13 so wird die Tendenz innerhalb des Psalters von der Klage zum Lob verstärkt. Die Vorordnung des Psalters vor das Buch Hiob ist hingegen wohl eher historisch durch den Psalter als Kristallisationskern dieses Kanonteils bedingt, diese Stellung entspricht aber auch der weisheitlichen Rückwendung von Lob und Dank in die Klage im Psalter selbst. 14 Wir werden durch den Zusammenhang des Psalters mit dem Hiobbuch und den Sprüchen auf den weisheitlichen Editionszusammenhang im Psalter selbst verwiesen, den wir bereits bei den Rahmenstücken der Psalmbücher, aber auch in der Einleitung des Psalters durch Ps 1 kennenlernten. Bemerkenswert ist auch, daß die Septuaginta keine gegenüber den hebräischen Handschriften durchgehend abweichende Stellung der Psalmen hat, wie sie durch die Editionen der Septuaginta und der von ihr abhängigen Übersetzungen wie etwa den deutschsprachigen Ausgaben vermittelt wird: beispielsweise zwei der drei großen alten griechischen Bibelhandschriften, der Codex Sinaiticus und Alexandrinus, haben einen durch die septuagintatypischen Zusätze leicht variierten dreiteiligen Kanon der Hebräischen Bibel und stellen den Psalter an den Anfang des dritten Kanonteils. 15 Die durch die BHS vermittelte Anfangsstellung des Psalters entstammt weniger dem äußeren Befund der Handschriften als der vermutlichen historischen Stellung des Psalters als Kri10 Insgesamt führen BECKWITH, Canon 463f., und GINSBURG, Introduction 777, 8 Handschriften diesen Typs auf. 11 Hohelied (Pessach), Rut (Schabuot), Threni (9.Av), Prediger (Sukkot) und Ester (Chanukka). Einzelne Rollen, insbesondere die zu den kleinen Festen, Threni und Ester, sind gewiß früher zu den Festen gelesen worden. Beim Buch Ester geht dieses aus Eigenarten der Textüberlieferung „Der Rolle" ( n ^ i n n ) hervor, bei den Threni haben wir dies anhand der Liturgieentwicklung vermuten können (s.o. S. 184 und 190f.). 12 Dazu nun ausführlich MILLARD, WUD 22. 13 So z . B . Hieronymus, Prologus Galeatus (am leichtesten zugänglich in: Weber u.a. [Hg.], Biblia Sacra Iuxta Vulgatam Versionem, Bd. 1, Stuttgart 1969, 364ff.) (dazu BECKWITH, Canon 457) und Epiphanius, Panarion 8 , 6 , 1 - 3 (GCS 25 S. 191 Z.9 - S. 192 Z.9) (dazu BECKWITH, Canon 189). Diese Stellung gehört zur Tradition der griechischen Übersetzung der Hebräischen Bibel, sofern diese nicht wie die frühen Handschriften durch den dreiteiligen hebräischen Kanon geprägt ist. 14 Siehe dazu oben 1.3.4.2 die Zusammenstellung der Psalmen, die die Dominanz der Rückwendung in die Klage als weisheitliche Figur belegen. 15

BECKWITH, C a n o n 1 9 4 .

1. Die Stellung des Psalters im Kanon

243

stallisationskern des entstehenden dritten Kanonteils, der Schriften.16 So haben wir bei Philo 17 , Josephus 18 und dem Evangelium nach Lukas 19 die Psalmen als Grundbestand des entstehenden dritten Kanonteiles. 20 Diese im Detail unterschiedlichen Stellungen des Psalters lassen historisch nur den Schluß zu, daß innerhalb der Schriften die Bücher als solche, nicht aber ihre Stellung innerhalb des dritten Kanonteils kanonisiert wurden. Die Kanonisierung der Schriften ist also nicht so durchgearbeitet wie die der Tora und größtenteils auch der Propheten. 2 1 Wenn beispielsweise J. Maier feststellt, daß es den Kanon streng genommen erst gibt, „nachdem eine jüdische Richtung, die pharisäisch-rabbinische, ihre Auffassung durchgesetzt hatte, nämlich im 3./ 4. Jahrhundert n. Chr." 2 2 , so ist selbst diese Spätansetzung für die Etablierung einer Reihenfolge der Schriften noch zu früh, wie die im Detail unterschiedliche Überlieferung auch in gewichtigen Handschriften zeigt. Eine ähnliche systematische Abstufung hinsichtlich der Kanonizität von der Tora als Kern des Kanons der Hebräischen Bibel über die Propheten bis zu den Schriften gibt es damit sowohl hinsichtlich der Reihenfolge als auch ihres Gebrauchs im Gottesdienst: 23 während die Tora im Gottesdienst ganz gelesen wird, was ihre Fixierung hinsichtlich der Reihenfolge unbedingt erfordert, variieren bereits die Prophetenbücher, aus denen nur Einzelabschnitte im Gottesdienst gelesen werden. Die Überlieferung der Schriften, die mit der Ausnahme der Megillot keine Lesetexte des Gottesdienstes sind, lassen bis auf feste Teilgruppen von Schriften und inhaltlich bestimmten Zusammenstellungen keine durchgängige Ordnung erkennen. Von daher scheint es auch kein Bedürfnis gegeben zu haben, die Stellung der Bücher im Kanonteil der Schriften festzulegen. Während wir im 2. Jahrhundert im Prolog des Jesus Sirach bereits ein erstes Zeugnis für einen dreiteiligen Kanon vorfinden, 24 bezeugen beispielsweise die 16

Zum dreiteiligen Kanon vgl. insbesondere SirProl 1.3. Philo, D e Vita Contemplativa 25, bezeugt die Reihenfolge Gesetz, Propheten, Psalmen und die anderen (Schriften): vö|iovic x a i /.övia 0eamo0evTa ö i ä itpocpriTcöv x a i i)(ivoii5 x a i rix aXka oiq emcrainTi x a i etSaeßeLa CRUVAT'covTai x a i TE/.EIOCVTCU. 18 Josephus, Contra Apionem l , 7 f . : Psalmen, Sprüche, Klagelieder, Hohelied als Beispiel für „Schriften". 19 Lk 24,44: Tora, Propheten und Psalmen. 20 Die Psalmen als Kern der Schriften betont auch MAIER, JBTh 3, hier 144f. Ähnlich beispielsweise FABRY, FS Groß. 21 Zu unterschiedlichen Positionierungen innerhalb der Prophetenbücher vgl. z . B . b B B 14b (Jeremia; Jesaja; Ezechiel; Dodekapropheton), sowie den allgemeinen Überblick bei Beckwith, Canon 194 (die alten großen Septuaginta-Handschriften des Vaticanus und Sinaiticus stellen das Dodekapropheton vor die großen Prophetenbücher). 206f. u . Ö . , und S A R N A , EJ 4 , 8 1 4 - 8 3 6 . 22 MAIER, JBTh 3,146. 23 Vgl. die Übersicht bei MAIER, Testamenten 16, der deutlich macht, daß der erste Kanonteil, die Tora, vollständig im Gottesdienst gelesen wird, der zweite Kanonteil, die Propheten, auszugsweise in den Kommentarperikopen zur Toralesung, und der dritte Kanonteil, die Schriften, außer den fünf Festrollen nicht. 24 Jesus Sirach (2. Jh.), Prolog (l.Satz): JTO/.XÜIV x a i [¿EYctXcav f)|xiv bia xoü vö|ioi! x a i TMV jioo(pt|T(Iiv 17

244

Ausblick: Der Psalter als Teil des Kanons

jüngeren Quellen des Neuen Testaments noch die Zweiteilung in Tora und Propheten. 25 Besonders die Durchsetzung des dritten Kanonteils 26 ist also offensichtlich ein langwieriger Prozeß gewesen. 27 Die Frage nach dem Abschluß des Kanons der Hebräischen Bibel wurde früher üblicherweise mit dem Hinweis auf die Synode von Jamnia etwa 80 n. Chr. in Verbindung gebracht. 28 Nun wurde besonders durch die Arbeiten von P. Schäfer und G. Stemberger 29 deutlich, daß das Postulat einer solchen Synode eine rein christliche Analogiebildung ist, die nicht der Praxis rabbinischer Diskussion und Entscheidungsfindung entspricht. Es hat demnach keine solche Entscheidung über den Kanon im rabbinischen Lehrzentrum in Jamnia stattgefunden. Die Kanonsgeschichte spiegelt die lange Geschichte der Selbstdefinition einer Gemeinschaft wider im geschichtlichen Prozeß über eigene, z.B. auch regionale und sozial unterschiedliche Entwicklungen und Differenzierungen hinweg. Kennzeichen für die Kanonsgeschichte ist dabei offensichtlich die Verwendung im Gottesdienst, wobei die Problematik des dritten Kanonteils sowohl die Verwendung im Gottesdienst als auch seine Kanonisierung ausmacht. Wir können hier nicht auf die Detailfragen dieses zur Zeit sehr intensiv diskutierten Themas eingehen, aber die beiden Extrempositionen lassen sich allerdings ausschließen: Die Entscheidung über den Kanon ist wohl weder ein bereits im 2. Jh.v. Chr. im Prinzip abgeschlossener Vorgang 30 noch ein in christlicher Zeit völlig offener Prozeß. 31 Daß der Psalter der Kern des entstehenden dritten Kanonteils war, verdeutlicht, daß unsere innere Beschreibung des Psalters als Text mit seiner äußeren Überlieferung konvergiert: als Text mit normierendem Interesse beschrieben wir bereits die Anlage des Psalters in >cai xröv aXKurv xöjv x a x ' ATITOTIG ^HOXODOTIKÖTCOV 8E8O|J.EVCÜV.

Vieles und Großes ist uns nun durch das Gesetz, die Propheten und die anderen (Schriften), die sich diesen anschließen, gegeben. 25 Vgl. Mt 7,12; 11,13; 22,40; Lk 16,16; 24,44; Jh 1,45; Apg 13,15; 24,14; 28,23; Rom 3,21. 26 Es spricht einiges dafür, von einer langsamen Abtrennung einzelner Bücher aus dem Kanonteil der Propheten und Ergänzung dieser Schriften durch weitere auszugehen, da beispielsweise die Psalmen immer wieder als prophetische Schrift zitiert werden, so etwa noch Barn 11,6—8 in der Einleitung eines Zitates aus P s l . Die Autorität der Bücher des dritten Kanonteils hängt also noch in dieser späten Zeit an ihrer Verbindung zum älteren Kanonteil. 27

28

Mit STECK, F S P a n n e n b e r g 241 f.

So im Prinzip noch EISSFELDT, Einleitung 769f. 29 SCHÄFER, Jud. 31, 54-64.116-124; STEMBERGER, Kairos 19, 14-21; ders., Judentum 18 u. ö.; ders., JBTh 3 , 1 6 0 - 1 7 1 . Unlängst hat STECK, FS Pannenberg 234, auf H. GRAETZ als den Begründer der Theorie von der Synode von Jamnia verwiesen (Graetz, Kohelet, Leipzig 1871, dort der Anhang I: Der alttestamentliche Kanon und sein Abschluß, 147—173). Vgl.als neuere Überblicke über die Diskussion HENNINGS, Briefwechsel, bes. 107, und VELTRI, JSJ 21,210-226. 30 So LEIMAN, Canonization, hier z. B. 135, noch früher datiert BECKWITH, Canon, vgl. dazu die treffende Kritk von MILLER, JBTh 3, 217-239, bes. 224 Anm. 19, dort weitere Literatur. 31 So mit Verweis auf die Zitierung kanonischer und apokrypher Schriften in den Werken der neutestamentlichen Zeit DIEBNER, D B A T 21, 139-199, hier 159. Zur zeitlich unteren Grenze des Textes des Psalters anhand eines Vergleiches des masoretischen Textes mit den Qumranschriften s.o. III.3.

2. Der Psalter als häusliches Gebetsbuch und das entstehende

Pflichtgebet

245

exilischer Zeit. Spätestens seit der persischen Zeit haben wir mit dem Psalter als kanonischem Buch neben den parallel entstandenen Großsammlungen wie dem Pentateuch, dem deuteronomistischen Geschichtswerk und dem Jesajabuch zu rechnen. Gleichwohl war die konkrete Ausgestaltung des Psalters bis in die Zeit des ersten Jahrhunderts v. Chr. noch im Detail länger variabel, als wir es mit der Ausnahme des Danielbuches für die parallel entstandene Literatur annehmen können. 32

2. Der Psalter als häusliches Gebetsbuch Pflichtgebet

und das

entstehende

Von der Geschichte des Psalters nach der letzten Phase seiner Komposition her sind unsere Beobachtungen von normativen Elementen in der Komposition des Psalters zu relativieren: das normative Gebet in der Zeit der Wirkungsgeschichte des Psalters ist für alle Trägerkreise des Psalters jeweils nicht der Psalter geworden, sondern das Achtzehn-Bitten-Gebet. Dieses mag mit der Benutzung des Psalters durch sehr viele jüdische Sekten zusammenhängen, ist aber auch durch seinen Umfang bedingt. 33 Führen wir deshalb noch den Vergleich des Psalters mit dem zentralen täglichen Pflichtgebet des rabbinischen Judentums weiter, dessen formgeschichtliche Parallelen zur Komposition von Psalmgruppen wir bereits herausarbeiteten. 34 Wirkungsgeschichtlich finden wir mehrere Applikationen des Psalters auf das Achtzehn-Bitten-Gebet: so deutet z.B. eine ab amoräischer Zeit (3./4. Jh.) breit belegte Auslegung Ps 29 mit seinen 18 Erwähnungen des Gottesnamens Jhwh auf das Achtzehn-Bitten-Gebet. 35 Am Anfang des Psalters haben wir einen weiteren Hinweis auf eine Analogie zum Achtzehn-Bitten-Gebet: in 32 Zur historischen Parallele des Danielbuches mit seinem Anfang in persischer und seinem Abschluß in makkabäischer Zeit vgl. nun bes. KRATZ, Translatio. 33 Wir betrachten hier nicht die Geschichte eines normativen Gebetes im Christentum. Als solches wäre im wesentlichen an das Unser Vater zu denken, das gemäß Didache 8,3 dreimal täglich zu beten war, was eine beachtliche Parallele zur im folgenden nachzuzeichnenden Entwicklung des jüdischen Gottesdienstes sein könnte. Formgeschichtlich ist das Unser Vater eine Gruppe von Bitten mit nachträglichem (vgl. Mt 6,13 Apparat im NTG z. St.) doxologischem Abschluß. 34 S.o. II.3.5.1. 35 Die Belegstellen sind ab amoräischer Zeit so breit gestreut (jBer 4,3,7d.8a; bBer 9b.28; GenR 69 zu 18,13; LevR 1 zu 1,1; Tanhuma B zu Gen 18,1; MidraschTehillim zu Ps29), daß diese Vorstellung in jedem Fall bereits tannaitisch (1. Jh.v. bis 2. Jh.n. Chr.) anzusetzen ist. TOURNAY, Voir 103 (dort nur ein geringer Teil der rabbinischen Stellen), hat diese Interpretation mit dem Hinweis auf die Segensformel in Ps28 (v.6) unlängst neu in die Diskussion gebracht. Obwohl wir hier bereits Erwägungen zum Vorbau des ersten Kompositionsbogens anstellten und Ps 29 auch von der Interpretation seiner Stellung im ersten Psalmbuch als ein kontextuell eingefügtes Elemente erscheint (dazu bereits oben II.3.2.3 und 5), halten wir die Notiz von Midrasch Tehillim zu dieser Stelle für eine exegetische Eintragung in nachbiblischer Zeit.

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Ausblick: Der Psalter als Teil des Kanons

bBer 9 b. 10 a wird das Zusammenziehen von Ps 1 und 2 damit begründet, daß der Torapsalm Ps 19 so als Entsprechung zum Schluß des Achtzehn-Bitten-Gebetes zu stehen komme. Diese Exegese aus spätantiker Zeit läßt sich noch insofern plausibel machen, als wir im Bereich des ersten Kompositionsbogens mit Ps 1 f. und P s 9 f . zwei in der Textgeschichte nicht ganz eindeutig getrennte Psalmen vorfinden, 36 und diese Abgrenzungsprobleme mit der gesuchten Analogie in Verbindung zu bringen wären. 3 7 Doch ist in der mehrheitlichen in der hebräischen Texttradition bezeugten und von uns als wahrscheinlich ursprünglich herausgearbeiteten Psalmtrennung die Abgrenzung als ursprünglich erachtet worden, die diese Analogie nicht hat. Dafür, daß die Deutung der Beziehung zwischen Ps 1 und 19 eine nachträgliche Eintragung ist, spricht weiterhin, daß zwischen den einzelnen Psalmen und den einzelnen Segensbitten keine speziellen Entsprechungen ersichtlich sind. Auch hier strahlt die Dignität des Achtzehn-Bitten-Gebetes in rabbinischer Zeit eher auf den Psalter aus, als daß umgekehrt die Gestalt des Psalters auf das Achtzehn-Bitten-Gebet Einfluß genommen hätte. Gleichwohl stammen der normative jüdische Gottesdienst, dessen Kernbestand neben dem dreiteiligen Schma Jisrael 38 das AchtzehnBitten-Gebet ist, und der Psalter aus einer gemeinsamen Kommunikationssituation. Beide Gebetssammlungen haben zu unterschiedlicher Zeit parallele Funktionen wahrgenommen: die Normierung von Gebet außerhalb des Tempels. Die Hauptbestandteile des heutigen jüdischen Gottesdienstes finden wir bereits in Text und Aufbau von mBer: mBer 1—3 behandelt das Schma Jisrael, mBer 4—5 das AchtzehnBitten-Gebet. Doch geht diese Grundform des jüdischen Gottesdienstes damit keineswegs erst auf die Phase der Redaktion der Mischna im 2. Jh. zurück. Die rabbinischen Quellen selbst gehen sogar von einer Entstehung des Achtzehn-Bitten-Gebetes beispielsweise durch die Männer der Großen Synagoge oder durch noch frühere Autoritäten aus. 39 Es spricht in der Tat einiges dafür, die Grundform des jüdischen Gottesdienstes bereits in die Zeit vor der Zerstörung des 2.Tempels anzusiedeln. Neben den schon erwähnten Hinweisen auf die Ordnung von Zahl, Inhalt und Abgrenzung der Berachot in Jamnia und insbesondere die Einfügung der Bitte gegen die Häretiker 40 spricht dafür hauptsächlich die in Mischna Tamid überlieferte Form des Morgengebetes der Priester im Tempel. Bestandteile sind hier das dreiteilige Schma Jisrael, dem ein Segensspruch und der Dekalog vorgeordnet und drei weitere Segenssprüche nachgeordnet sind. Die Verbindung zwischen Dekalog und Schma Jisrael ist auch aus dem Papyrus Nash 36

Vgl. oben die Auseinandersetzung 1.1. So z. B. jBer 4,3,7 d und bBer 9 b mit dem Hinweis auf die unterschiedliche Zählweisen des Achtzehn-Bitten-Gebetes in Babylon und Israel. 38 Dtn 6,4ff.; 11,13ff.; Num 15,37ff. sind bereits in mTam 5,1 als dreiteiliges Bekenntnis zusammengefaßt. Eine Nachdatierung des dritten Teils des Schma Jisrael legt sich nicht nahe (mit SCHÄFER, in: Literatur 402 u.a., beispielsweise gegen das anregende Buch von VON DER OSTEN-SACKEN, Katechismus 144). 39 bBer 33a, vgl. jBer 2,4,4dund bMeg 17b (120 Älteste), Sifra Dtn § 343 („frühere Weise", D1 JTON1 Caan), jBer 7,4,11c sieht gar Mose und bBer 26 b die Väter als Verfasser des AchtzehnBitten-Gebetes. Vgl. zur Übersicht H E I N E M A N N , Prayer 13. 40 bMeg 17b, zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Traditionen vgl. die ausführliche Behandlung oben II.3.5.1. 37

2. Der Psalter als häusliches Gebetsbuch und das entstehende Pflichtgebet

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(2. Jh. v. Chr.) 4 1 sowie Mezuzot und Tefillin aus Qumran bekannt. 4 2 D e r Wegfall des Dekaloges beim Zitieren des Schma Jisrael wird in jBer 1,5, 3 c ausdrücklich damit begründet, daß man den Häretikern keinen Anlaß geben wolle, nur den Dekalog für Gottes Offenbarung am Sinai halten zu können. 4 3 Diese Segenssprüche im täglichen Gottesdienst der Priester nach dem Dekalog sind nun teilweise aus dem späteren Gebet der Laien bekannt: r r r i n»N („wahr und fest"), rn'3Si („Dienst") und D ' j r p nana („Priestersegen"). 4 4 D e n Priestersegen kennen wir als Schlußsegen des Gottesdienstes beispielsweise aus dem Sabbatgottesdienst. 4 5 Der Segensspruch Wahr und fest entspricht nach jBer 1,5, 3c dem in rabbinischer Zeit gebräuchlichen 3. Segensspruch des Schma Jisrael vor dem Achtzehn-Bitten-Gebet, der im Laiengebet erste Segensspruch über Gott als Schöpfer des Lichtes ( I i s ISV) ist beim täglichen Gottesdienst der Priester nicht sinnvoll, weil dieser vor Sonnenaufgang stattfand. 4 6 Desgleichen entspricht die 3. Segensbitte des Gottesdienstes der Priester dem 2. Segensspruch vor dem AchtzehnBitten-Gebet des Laientamids. 4 7 Mit diesen beiden Segenssprüchen, die im Gottesdienst der Priester nach dem Schma Jisrael und im Laientamid zwischen Schma Jisrael und dem Achtzehn-Bitten-Gebet stehen, ist auch ein weiterer Hinweis auf die Kontinuität zwischen Priester- und Laientamid gegeben. Als Träger dieser Kontinuität sind die levitischen Tempeldienstmannschaften anzusehen, die speziell zu ihrem Priesterdienst nach Jerusalem kamen und sonst in den verschiedenen Bezirken Israels wohnten. 4 8 Wir haben mit dem Wegfall des Dekaloges und der Einfügung des Fluches gegen Häretiker auf dem Weg vom Tempelgottesdienst zur Gestalt des Taggebetes in rabbinischer Zeit zwei Entscheidungen, die die Abgrenzung im jüdischen Gottesdienstes der Zeitenwende gegen Häretiker verdeutlichen. 4 9 Das Achtzehn-Bitten-Gebet ist also ein neuer Bestandteil des täglichen Gottesdienstes der Laien gegenüber dem Gottesdienst der Priester. Es würde bei einer direkten Beziehung zwischen dem Priester- und dem Laientamid dem täglichen Rauchopfer 41 Am leichtesten ist der Text als Photographie und Druck greifbar bei WÜRTHWEIN, Text 146 (Tafel 6). Vgl. auch jBer 1,5, 3c, wo der Dekalog im Kontext des Morgengebetes diskutiert wird. Als neuere Darstellung des Problems vgl. STEMBERGER, JBTh 4 , 9 1 - 1 0 3 . 42 Dazu bes. STEMBERGER, JBTh 4,95. 43 Es ist unwahrscheinlich, daß in dieser frühen Zeit bereits an das entstehende Christentum gedacht ist. Da, wo ausdrücklich Christen gemeint sind, ist dies auch wie beispielsweise bTaan 27b bei der Diskussion des Verbotes des Sonntagsfastens kenntlich gemacht. Das behandelte Problem entsteht aber auch bei einer Lektüre von Ex 20 ff., da Gott nach Verkündigung des Dekaloges an das Volk für die weitere Gebotsoffenbarung auf Wunsch des Volkes Mose als Mittler einsetzt. Vgl. auch VERMEZ, in: In Memoriam Kahle 232-240, der neben Christen vor allem an hellenistische Juden denkt. 44 mTam5,l. 45 Der Priestersegen erfolgt bei der Segensbitte in der Wiederholung des Achtzehn-BittenGebetes beim Sabbat-Mussaf (ELBOGEN, Gottesdienst 117). 46 So ausdrücklich jBer 1,5, 3c. Vgl. auch Jos, Ant 14,65. Die Argumentation ebenso bei

HEINEMANN, Prayer 230. 47 SCHÄFER, in: Liturgie 403.

48 Vgl. als Darstellung SAFRAI, Wallfahrt 264ff. Die These, daß die priesterliche Andacht über die levitischen Standmannschaften popularisiert wurden, ist durchaus geläufig, vgl. als neuere Darstellung z.B. MAIER, Testamenten 235. 49 Die Diskussion ist an diesen Punkten sehr umstritten, vgl. dazu als neueren zusammenfassenden Beitrag zum Verhältnis speziell zwischen Juden und dem entstehenden Christentum als jüdischer Sekte SCHMITHALS, FS Gunneweg 3 6 6 - 3 8 4 , sowie MAIER, Auseinandersetzung 130 ff.

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Ausblick: Der Psalter als Teil des Kanons

entsprechen (mTam 5,4ff.)- Doch bleiben solche direkten Verbindungen über gemeinsame Liturgieelemente immer problematisch, weil dieselben Gebetsanliegen in vom Anlaß her völlig unterschiedlichen Gebeten vorkommen können. Das Kernopfer, das Opferlamm für den Morgen (Ex 29,3; Num 28,3ff.), das vor dem Rauchopfer erfolgt, 50 wird vor dem Morgenopfergebet der Priester geschlachtet. Aus dem Brauchtum rings um dieses Opfer entwickelt sich also ein neuer gottesdienstlicher Kern. Das Zentrum selbst, das tägliche Brandopfer, bleibt unersetzt bzw. anderes, wie z.B. Almosen, wird Ersatz für Opfer. Das tägliche Gebet ist damit nicht einfach Ersatz für das Opfer, sondern zugleich Hinweis auf sein Fehlen. 51 Deutlich wird dies besonders in der Bitte um die Erneuerung des Opfergottesdienstes im Achtzehn-Bitten-Gebet. 52 Wie das Tamidopfer findet nun das tägliche Bekenntnis der Laien mit dem Schma Jisrael zweimal statt: morgens und abends. 53 Die Zeit des Abendgebetes ist dabei umstritten: Jos, Ant 4,212 geht wie der Aristeasbrief (160) von der Zeit des Schlafengehens als besonderer Gebetszeit aus. Das kann wohl kaum mit der Sitte des abendlichen Speisopfers zusammenhängen (2Kön 16,15; lKön 18,29; Esra 9,4; Dan 9,21). Dann belegen Dan 6,10; Ps 55,17f.; Achtzehn-Bitten-Gebet 18. Segensbitte der babylonischen Rezension und Epiphanius (haer. 29,9) ein dreimaliges Gebet am Tag. 54 Das Abendgebet findet nach der rabbinischen Anordnung zu der Zeit statt, in der die Priester im Tempel ihr Hebopfer aßen bis zum Ende der ersten Nachtwache (mBer 1,1), also zu einer Zeit, in der der Tempel geschlossen war und kein eigentliches Opfer stattfand. Auch hier scheint ein direkter Bezug zwischen Gebet und Opfer daher ausgeschlossen zu sein. Das Gebet in seiner Gestalt nach 70 n. Chr. erinnert vor allem an Tempelgebräuche und das Fehlen des Opfers. 55 Der Psalter wie das Achtzehn-Bitten-Gebet als Sammlung normativer Pflichtgebete entstammen damit einer Kommunikationssituation, die aus der Spannung zwischen dem Jerusalemer Tempelgottesdienst und Gebet in der Diaspora entstanden ist. Den Psalter beschrieben wir als eine exilische Sammlung von Gebeten, die vom formgeschichtlichen Schema her und teilweise auch als Texte aus dem vorexilischen Gottesdienst stammen und so zur Bewältigung der exilischen Krise dienten, die aber auch halfen, die Diaspora auf das Zentrum in der Zeit nach dem Wiederaufbau des Tempels zu orientieren. Das Achtzehn-Bitten-Gebet ist in seinem von uns beschriebenen formgeschichtli50

Vgl. Ex 30,7f. im Textduktus. Gegen die spätere Interpretation in bBer 26b, wo eine direkte Korrespondenz zwischen Opfern und Gebet vorausgesetzt wird, als alleinige Bestimmung des Verhältnisses zwischen Opfer und Gebet. 52 14. und 16. Bitte palästinischer Rezension, deutlicher noch in der 17. Bitte babylonischer Rezension. Vgl. auf dem Hintergrund der in mischnischer Zeit futurischen AK "T3S2 („wir wollen dienen") der 16. Bitte pal. Rezension die Deutung des Schlusses von Ps51 oben III.1.2.1. 53 Ex 29,39; 30,7f.; Jos, Ant 4,212; 14,65; mBer l,lf. und bes. 1,4, vgl. auch den Aristeasbrief (160), der Aufwachen und Zu-Bett-Gehen als besondere Gebetszeiten erwähnt. Vgl. aber die unterschiedlichen umschließenden Gebete im Abendgebet (mBer 1,4) gegenüber dem Morgengebet. 54 Vgl. auch slav.Henoch 51,4 und Apg 10,9 (6.Stunde); 3,1; 10,3f. (9.Stunde). Stellen nach Holtzmann, Berachot 30. 55 Vgl. die Jerusalem-Bitte im Achtzehn-Bitten-Gebet. 51

2. Der Psalter als häusliches Gebetsbuch und das entstehende Pflichtgebet

249

chen Kern 56 und der Mehrzahl der Bitten mit einiger Sicherheit vor 70 v. Chr. entstanden, hat aber auch dazu geführt, daß das Judentum nach der Zerstörung des Zweiten Tempels auf ein religöses Zentrum mit einem gemeinsamen Gottesdienst bezogen blieb. Während das Achtzehn-Bitten-Gebet Teil des öffentlichen Gebetes wurde, ist der Psalter erst mittelalterlich mit Psalmgruppen in größerem Umfang überregional in das tägliche Gebet eingedrungen. 57 Wenn der Psalter trotz seiner Normierungselemente im wesentlichen nicht Teil des öffentlichen Gebetes geworden ist, stellt sich die Frage um so dringlicher, welchen Sitz im Leben der Psalter in der Zeit seiner Überlieferung als kanonischer Text gehabt hat. Die Lektüre des Psalters als Buch, wie wir es prinzipiell beispielsweise im Mönchtum als öffentliches und Pflichtgebet finden, bildet in der Wirkungsgeschichte des Psalters die Ausnahme. Wir werden von einem Verwendungszusammenhang im häuslichen Gebet auszugehen haben. Typisch ist also der Verwendungszusammenhang, von dem wir in bGit 35 a im Zuge eines Scheidungsverfahrens beiläufig erfahren: Eine arme Frau hat zur Hochzeit außer einer Decke nur einen Psalter, 58 Hiob und die Sprüche geschenkt bekommen. Eine derart arme Frau wird in aller Regel nicht die Zeit gehabt haben, den Psalter im Kontext zu lesen. Selbst am Sabbat 59 in der häuslichen Feier am Sabbat-Nachmittag ist der Psalter als Buch gewiß zu lang, um als Ganzes gelesen zu werden. Der Psalter ist in jedem Fall als Textzusammenhang überdimensioniert. Auch die sich wiederholende Wendung von der Klage zum Lob könnte redundant wirken. Doch wird dieser zu große Umfang des Psalters Teil seiner Funktion gewesen sein: Er sichert die Variabilität des Gebetes in einer Zeit, in der die Rabbinen ein Schreibverbot für Gebete durchzusetzen versuchten, um die Spontanität des Gebetes zu sichern. 60 Noch merkwürdiger wird anmuten, daß die arme Frau, wie in bGit 35 a zu lesen ist, zur Hochzeit das Buch Hiob geschenkt bekam, das mit seiner düsteren Stimmung so gar nicht zum Ton einer Hochzeit passen will. Während bei einer Hochzeit eine Familie gegründet wird, geht es im Hiobbuch um den extremen Fall des Verlustes von Familie, Gesundheit und Besitz. Mit dem Hiobbuch als Hochzeitsgeschenk erfährt gewissermaßen der extreme Fall der möglichen Geschichte der Familie vorweg eine theologische Bearbeitung: Es geht um den Erhalt des Gottesverhältnisses auch in solchen extremen Situationen. An dieser Verwendung des Buches Hiob wird auch die Funktion des Psalters deutlich: 56

Vgl. die Darstellung II.3.5.1 zum festen Rahmen des Achtzehn-Bitten-Gebetes. Vgl. dazu bereits die ausführliche Darstellung zum kleinen Hallel 1.2.3.3 (S. 34 Anm. 181) und zu den Jhwh-König-Psalmen 1.2.3.8. (S. 45f. Anm. 256). 58 Der Ausdruck in bGit 35 a ("WH •,17',n "ISO, „ein Buch der Psalmen") schließt die Möglichkeit ein, daß es sich um eine Teilsammlung des Vollpsalters im Sinne der Einteilung des Psalters in fünf Bücher gehandelt haben kann (Hinweis auf diese Stelle von: FÜGLISTER, in: Beiträge). 59 Vgl. die Überschrift von Ps 92. 60 Vgl. die Forderung mBer 4,3 und jBer 4,4, 8 a, nach der jeden Tag ein anderes Gebet zu sprechen sei, mit dem Schreibverbot tShab 16,1; jShab 16,1,15c; bShab 115b. 57

250

Ausblick: Der Psalter als Teil des Kanons

Er ist eine Lehre der Wendung zu Gott auch in den extremen Situationen, wie sie das Buch Hiob in seiner Rahmenhandlung schildert. 61 Um in viele der möglichen Situationen sprechen zu können, sind jedoch innerhalb des Psalters besonders die Clusterkompositionen geeignet. Insbesondere Cluster sichern die Offenheit der Applikation. 62 Von dieser Verwendung des Psalters her erschließt sich die Funktion des Psalters als Teil der Bibel, der nicht zum kontinuierlichen Vortrag im jüdischen Gottesdienst bestimmt war: Der Psalter als Lehrbuch des Gebetes hat eine textpragmatische Funktion, wie wir sie in unserer Beschreibung der Wallfahrtspsalmen als nachkultische Liturgien bereits herausgearbeitet haben: Er hilft dem klagenden Einzelnen zur Anrede Gottes in seiner Not, er erinnert an die Nöte anderer und die vergangene Hilfe Gottes, er weckt damit die Hoffnung auf die Wendung auch der eigenen Not und führt den Beter schließlich zum Gotteslob der Gemeinde. Diese Reintegration des klagenden Einzelnen in das Gotteslob der auf Jerusalem bezogenen Gemeinde ist von unserem formgeschichtlichen Zugang her als die wesentliche Funktion der Kompositionsbögen und des Psalters als Ganzem anzusehen.

61 62

Dazu nun auch MILLARD, WuD Dazu oben II.3.

22.

Anhang 1.

Übersichtstabellen

Anhang-Tabelle 1: Überschriften im masoretischen Psalter Situation in der Biographie Davids gemäß den Überschriften

Psalmüberschrift

- :Psl - :Ps2 Flucht vor Absalom(2Sam 15; 16) 133 DlVB>3S 'JSSimaa m 1 ? Tiara :Ps3 mV nara m r u a nsaaV :Ps4 mV n a î a nYrmrrVx nx:aV :Ps 5 mV mar» n»rawn-Vï mriaa nxjaV :Ps 6 Benjaminiter Kusch ' j ' 8 ' - p wo-'-arVy mrrV HP"WS mV ypïW :Ps7 (Saul: lSam 18-27; oder Schimi: 2Sam 16,5-14) mV Tiara rrmrrVy nxjaV :Ps 8 mV mata pV niaVs nxjaV :Ps 9 - :PslO mVnxaaV :Psll mV -nara rrraœn-V» nxjaV :Ps 12 mV Tiara nsaaV :Psl3 mVnsaaV :Psl4 mV nara :Psi5 mVonaa :Psl6 mVnVsn :Psl7 Rettung vor allen nxtn rrvwn n s r n x mrrV i m UPS mV mrr ias?V nsiaV :Ps 18 Feinden und Saul (par. 2Sam 22) Vis® Tai va'S'Va 13a lniS mrP'V'ïn m'a mV Tiara rixaaV :Psi9 mV n a î a rixaaV :Ps20 mV-naranxjaV :Ps2i mV mata -irron nV's-V» nsaaV :Ps 22 m V n a r a :Ps23 n a î a mV :Ps24 mV :Ps25 mV :Ps26 mV :Ps27 mV :Ps28 mV Tiara :Ps29 [ZurTempelweihe, vgl. das Davidsbild der Chronik] mV rran n3Jn"l'W nara :Ps 30 mVnaranxjaV :Ps3l

252

Wahnsinnig vor Abimelech (lSam21)

Anhang

VOttaTlf? :Ps 32 - :Ps 33 ^Vl lattnri "fja'OK 'JD1? laSTQ-flX inutP3 in1? :Ps 34

in1? :Ps 35 in1? mn'-ia»1? ns:»1? :Ps 36 III1? :Ps37 Tara1? m1?-nata :Ps38 m1? naia yinn''1? axja1? :Ps39 nata in1? nxaa1? :Ps40 m1? nata axja1? :Ps4i mp-^a1? 'ratta nsaa1? :Ps 42 - :Ps43 V'awa mp-'aa1? nsaaV :Ps44 n r r t » V'atra mp-'aa'? o-wtrr1?» nsaaV :Ps 45 tb> rna1?»-1?» mp-'n1? nx^a1? :Ps46 -naia mp-'n1? nxja1? :Ps47 mp-^a1? naia Ttr :Ps48 •nata aip-'n1? nxjB1? :Ps49 IDK^nata :Ps50 Natan nach der Verfehlung mit Batseba im1? TiaTB nXiB1? :Ps51 (2Sam 12) satp-m-'?« sa-iiMO x'3an in: v^x-xiaa HnWatPBnXJB1? :Ps52 EdomiterDoeg bei Saul mit der Nachricht über den Aufenthalt Davids -^BTIK n'a-Vs i n X3 1*7 "löK1! ^IStr1? II1! 'BisaJX11X"I33 (lSam 22,9f.) in1? Voira ri^na-1?» nxja1? :Ps53 Die Sifiter melden Saul Davids Aufenthalt :1h1? ^awa nri:a nXJB1? :Ps 54 (lSam23,19; 26,1) 138» -innoa i n s^a Vixtr1? tibs'i D'S'Tn siaa in1? "7'awa n r u a nxüB1? :Ps55 Philister bei Gat DfDB in1? D'pm D^S n3T'"1?5? nSJB1? :Ps56 (iSam2i;27) maaviB^Diniuroa Flucht vor Saul (lSam 17-28) nns?aa1?iKip-'3Baim3a anaa in1? rsntrn-^ii nsaa1? :Ps57 •riaa nf? nnerr1?« nsaa1? :Ps58 Flucht vor Saul (vgl. Ps 57) DnaB nf? nnttTI"1?« nXJB1? :Ps 59 irraa1? rraa-nx n a a n ^ikw rftwa Kampf mit Aramäern und Edomitern :1a1?1? in1? Dnaa im» Ittnizr1?» riXJB1? :Ps 60 asv 3üh nais o-18-nsi nnaj ans m irnxaa (2 Sam 8) I1?« -itr» wiv n^a-s'ia murns -p m1? nrir 1 ?» nsaa1? :Ps61 1 in ? mata pmr-1?» nsaa1? :Ps62 ana' i3iB3 invn3 in1? nata :Ps63 m1? niBTa nsaa1? :Ps64 tip in1? -naia nxaa1? :Ps 65 -nata t b nsjB1? :Ps66 T® TIBTB nj'133 nXJB1? :Ps 67 t w -nata m1? nsia1? :Ps 68 m1? D'wittr1?» nsja1? :Ps 69 Tara1? in1? nsaa1? :Ps70

Tabelle 1

253

- :Ps71 nn^1? :Ps72 qoiònata :Ps73 HON1? V'awa :Ps74 TW io»1' naia nmrrr^x nxaa1? :Ps75 nw ids'? nata n r m nsaa"? :Ps76 nata nox1? iutt*1?!? nsja1? :Ps 77 noiò^awa :Ps78 l e s i n a t a :Ps79 nata ion1? im» o'WW-'jn nsaa^ :Ps 80 los1? rrmn-1?» nsja1? :Ps 81 «los1? nata :Ps82 los"? nata TW :Ps83 nata mp-'aa'? rrmn-1?» nsaa^ :Ps 84 nata nip'^a1? nsja1? :Ps85 m^n^an :Ps86 [ünp-'-nna inno'] T® nata mp-^a1? :Ps 87 m t s n p'nV Vawa rn:»1? n'jna-1?» nsaaS mp 'la1? nata TW :Ps 88 'mtsn irr-s1? "rawa :Ps89 d ^ s w - w x nwa1? rftsn :Ps 90 - :Ps91 nawn dv1? t i p nata :Ps92 - :Ps93 - :Ps94 - :Ps95 - :Ps 96 - :Ps97 nata :Ps98 - :Ps99 mm^nata :PslOO nata in1? :Psl0l 1 1 [Gebet eines Elenden] irrw 1DW HIT ^D ?! nban :Psl02 n f ? :Ps 103 - :Ps104 - :Ps105 n'l^n :Ps 106 - :Ps 107 m a n a t a TW :Psl08 nata nY? nwa1? :Psl09 natanY? :PsllO a ' t t n :Ps ill rrVrtn :Ps 112 T l ^ n :Ps 113 - :Ps 114 - :Ps 115 - :Ps 116 - :Ps 117 - :Psll8

254

David in der Höhle (lSam 24?)

Anhang

nV7»an-pw ni^sra"? t b TIT1? m^san TW rrftsranTw rn 1 ? rvfrsan t ® rròs/anT® rvftyariTW na1?«?1? r i p i a n t w rvfrsanTw m'jsran T B mVïam'w •m"? nVjsan t u m'jsanT» n f ? nV?»an TW ni^yanTW tiVm Tlf? n a i a rn 1 ? mua1? irr 1 ?-nata nwa1? nfi-nata n^DnrnsaainvnainWawa manara in 1 ? rn'rrònn rrnV?n mV?n mV?n n'Wn mV7n

:Ps 119 :Psi20 :Psl2l :Psl22 :Psi23 :Psl24 :Psi25 :Psl26 :Psl27 :Psi28 :Psl29 :Psi30 :Psl3l :Psl32 :Psi33 :Psl34 :Ps 135 :Ps 136 :Ps 137 :Ps 138 :Psi39 :Psl40 :Psl4i :Psl42 :Psl43 :Ps 144 :Psi45 :Ps 146 :Psi47 :Psl48 :Ps 149 :Ps 150

Tabelle 2 Anhang-Tabelle Psalm 105 106 107

2: Hallelujah in den verschiedenen

MT-Überschrift -

MT-Unterschrift mVrn anV?a



111 112 113 114 115 116,1-9 116,10 ff. 117 118 119

a^Vra anV?a n:iV?ri

135 136

anV?a





anV?a

145 146 147,1-11 147,12 ff. 148 149 150

255

-

-

-

— -

-

rr-i^n

•m1? a1? ^nri rp-iy?n a? i ^ a -

anVja a 1 ^Sn an^a

LXX-Überschrift V104 A U r ^ o m a V105 AXXriXouia V106 AXkr\Xoma «P110 AUriXoma V i l i AMr)Xoma V112 AXXT)Xoina V113 AXXriXoma

-

rr/i^n -

anV?a



Versionen



_ -

a;-iV?a -

a'-^a anV?a a"iV?a

V I 14 AXXriXoma W115 AXXr)Xoma VI 16 AXXriXoma V117 AXXriXoma V118 AUriXouia V134 AXXr|Xoma VI 35 AXXriXoma V144 AivECTig tip Aainö V145 AXXr)Xoma Ayy. xai Z a / . V146 AXXr|Xoma Ayy. xaì Z a / . V147 AXXr|Xoma Ayy. xaì Z a / . V148 AXXriXoma Ayy. xai Za.%. V149 AXXriXoma V150 AXXrjXoma

In den Handschriften ist oft nicht zu erkennen, ob die Version ohne Maqef, PP lV?a, als ein oder zwei Worte geschrieben ist.

256

Anhang Anhang-Tabelle

Frag.A,B,CI: Frag.C II Frag.D: Frag.E 1

col.l: col.2: col.3:

Rolle

col.l: col.2: col.3:

col.4:

col.5:

col.6: col.7: col.8: col.9: col.10: col.ll: col.12: col.13: col.14:

1

Ps 101,1-8 Ps 102,1 f. Ps 102,18-29 Ps 103 (? 104) Ps 109,21-31 Ps 118,24-29 Ps 104,1-6 Ps 104,22-35 Ps 147,1 f. Ps 147,18-20 Ps 105,1(7). 2-12 Ps 105,25-45 Ps 146,9(7). 10 Ps 121,1-8 Ps 122,1-9 Ps 123,1 f. Psl24,7f. Ps 125,1-5 Ps 126,1-6 Ps 127,1 Ps 128,4-6 Ps 129,1-8 Ps 130,1-8 Ps 131,1 Ps 132,8-18 Ps 119,1-6 Ps 119,15-28 Ps 119,37-49 Ps 119,59-73 Ps 119,82-96 Ps 119,105-120 Ps 119,128-142 Ps 119,150-164 Ps 119,171-176 Ps 135,1-9

Nach YADiN,Textus 5.

3: Übersicht 11 QPs(a) col.15: col.16:

col.17: col.18: col.19: col.20: col.21:

col.22:

col.23:

col.24: col.25: col.26:

col.27:

col.28:

Ps 135,17-21 Ps 136,1-16 Ps 136,26b (?) Ps 118,1.15 f. 8f.(?).29(?) Ps 145,1-7 Psl45,13—21+(?) = syrischer Psalm 2 Bitte um Befreiung Ps 139,8-24 Ps 137,1 Ps 137,9 Ps 138,1-8 Sir 51,13 ff. Sir 51,30 Wendung zum Zion Ps93,l—3 Ps 141,5-10 Ps 133,1-3 Ps 144,1-7 Ps144,15 = syrischer Psalm 3 Ps 142,4-8 Ps 143,1-8 Ps 149,7-9 Ps 150,1-6 Schöpferhymnus 2Sam23,7 Verzeichnis der Werke Davids Ps 140,1-5 Ps 134,1-3 Ps151A Ps 151B

Tabelle 4 Tabelle 4: Das Achtzehn-Bitten-Gebet 18-Bitten-Gebet 1 feste Einleitung variabler Bittenteil

fester Schluß

1. Schild Abrahams 2. Erwecker d. Toten 3. Heiliger Gott 4. Erkenntnis 5. Umkehr 6. Vergebung 7. Erlöser 8. Kranke 9. Ernte (Jahre) 10. Sammig. d. Volkes 11. Richter 12. Ketzer 13. Gerechte 14. Aufbau Jerusalem (Davidteil) 15. Gebetserhörung 16. Dienst in Jerusal. 17. Dank 18. Segen

257 und verwandte

Stücke (Teil 1)

9 bzw. 10-2 Bitten-Gebet

7-Bitten-Gebet

rnax n-nai Dtpn unip

Schild Abrah. Erweck, d. Tot. Heiliger Gott

drei oder vier Bitten speziell zu Rosch HaSchanah

nrnv nsTiri atrn nana

eine Bitte speziell zum Sabbat

Habinu 3

Erkenntnis Umkehr Vergebung Erlösung Krankheit Jahre Sammlung Richter Frevler Vertrauende Jerusalem David Erhörung

Dienst Dank Segen

Die Anordnung zeigt, daß die Rahmenstücke fest sind und der Mittelteil situativ veränderbar ist.

1 Die frühesten vollständigen und eindeutigen Belegstellen finden sich in den Siddurim. Die Gebete sind aber bereits in tannaitischer Zeit vorausgesetzt, vgl. oben II.3.5.1 und ELBOGEN, Gottesdienst 28-30 und passim. 2 mRH 4,5. Die Bitten sind hier erstmalig mit Namen belegt. 3 Apostolische Konstitutionen 7,33 ff.

258

Anhang Tabelle 4: Das Achtzehn-Bitten-Gebet 19-Bitten-Gebet

feste Einleitung variabler Bittenteil

fester Schluß

und verwandte

18-Bitten-Gebet

Stücke (Teil 2)

24-Bitten-Gebet

1. Schild Abrahams 2. Erwecker d. Toten 3. Heiliger Gott

1. Schild Abrahams 2. Erwecker d. Toten 3. Heiliger Gott

1. Schild Abrahams 2. Erwecker d. Toten 3. Heiliger Gott

4. Erkenntnis 5. Umkehr 6. Vergebung 7. Erlöser 8. Kranke 9. Ernte (Jahre) 10. Sammig. d. Volkes 11. Richter 12. Ketzer 13. Gerechte 14. Aufbau Jerusalem 15. David 16. Gebetserhörung

4. Erkenntnis 5. Umkehr 6. Vergebung 7. Erlöser 8. Kranke 9. Ernte (Jahre) 10. Sammig. d. Volkes 11. Richter 12. Ketzer 13. Gerechte 14. Aufbau Jerusalem (in Jerusalembitte) 15. Gebetserhörung

4. Erkenntnis 5. Umkehr 6. Vergebung 7. Erlöser 8. Kranke 9. Ernte (Jahre) 10. Sammig. d. Volkes 11. Richter 12. Ketzer 13. Gerechte 14. Aufbau Jerusalem 15. Gebetserhörung

17. Dienst in Jerusal. 18. Dank 19. Segen

16. Dienst in Jerusal. 17. Dank 18. Segen

16. Dienst in Jerusal. 17. Dank 18. Segen 19. m r r o U l O x n a T ) 1 20. i m s w ( l O x n s u p ) 2 21. Ps 120 22. Ps 121 23. Ps 130 24. Ps 102

1 niJVWT sind 10 Bibelstellen: drei Torastellen (Gen 8,1; Ex 2,24; Lev 26,42), drei Psalmstellen (Ps 111,4; 111,5; 106,45) und drei Prophetenstellen (Jer 2,2; Ez 16,60; Jer 31,19) sowie eine abschließende Torastelle (Lev 26,45). 2 nHBTW sind ebenfalls 10 Bibelstellen: drei Torastellen (Ex 19,16; Ex 19,19; Ex 20,18), vier Psalmstellen (Ps 47,6; 98,6; 81,4; 150) und drei Prophetenstellen (Jes 18,3; Jes 27,13; Sach 9,14). Die Stellenangaben sind auch an anderer Stelle belegt, etwa mJoma 4,6, dort mit zusätzlich 10 ms'ra-Stellen für den Großen Versöhnungstag.

2. Literaturverzeichnis Die Bibliographie richtet sich nach d e r T R E .

1. Quellen

und

Übersetzungen

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260

Anhang

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Hier Vermißtes bitte unter „1. Quellen und Übersetzungen" nachschlagen. Die Zitierung richtet sich nach dem ersten selbständigen Substantiv des Buches. Aufsätze werden nach ihrem Ort zitiert mit Ausnahme der Aufsatz, die in Sammelbänden des Verfassers greifbar sind. Diese Aufsätze sind wie selbständige Veröffentlichungen behandelt. ACKROYD, P. R., A Note On Isaiah 2,: ZAW75 (1963) 320f. - , Exile and Restauration. A Study of Hebrew Thought of the Sixth Century B.C., Philadelphia 1968 - , Israel under Babylonia and Persia, Oxford 1970 - , Isaiah I - X I I : Presentation of a Prophet: VT.S 29 (1978) 16-48 - , Isaiah 36—39: Structure and Function: J. R. Nelis u. a. (Hg.), Von Kanaan bis Kerala. FS J.P.M. Ploeg, Kevalaer/Neukirchen 1982 (AOAT221), 3 - 2 1 - , The Jewish community in Palestine in the Persian Period: W. D. Davies/L. Finkelstein (Hg.), The Cambridge History of Judaism, Bd. 1, Cambridge u. a. 1984,130-161 - , The Chronicler in his Age, Sheffield 1991 (JSOT.S 101) AEJMELAEUS, A., The Traditional Prayer in the Psalms, Berlin u.a. 1986 (BZAW 167), 1-117.301-306 ALBECK, Ch., Einführung in die Mischna, Berlin u. a. 1971 (StJ 6) ALBERTZ, R., Das Deuterojesaja-Buch als Fortschreibung der Jesaja-Prophetie: E.Blum u. a., Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte. FS R. Rendtorff, Neukirchen 1990, 241-256 ALBRIGHT, W.F., Yahweh and the Gods of Canaan. A Historical Analysis of Two Contrasting Faiths, London 1968 ALLEN, L . C . , David as Exemplar of Spirituality: The Redactional Function of Psalm 19: Bib. 67 (1986) 5 4 4 - 5 4 6

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278

Anhang

- , Der Text des Alten Testaments. Eine Einführung in die Biblia Hebraica, Stuttgart (1952.) 5 1988 YADIN, Y., Another Fragment (E) of the Psalms Scroll from Qumran Cave 11 (HQPs a ) with five plates: Textus 5 (1966) 1 - 1 0 YAHALOM, J., PiyyCit as Poetry: L.I. Levine (Hg.),The Synagogue in Late Antiquity, Philadelphia 1987,111-126 YEIVIN, I., The Divisions into Sections in the Book of Psalms: Textus 7 (1969) 76-102 ZENGER, E., „Wozu tosen die Völker ...?". Beobachtungen zu Entstehung und Theologie des 2. Psalms: E. Haag/F.-L. Hossfeld (Hg.), Freude an der Weisung des Herrn. Beiträge zur Theologie der Psalmen. FS H. Groß, Stuttgart 1986 (SBB 13), 495-511 - , Mit meinem Gott überspringe ich Mauern. Einführung in das Psalmenbuch, Freiburg u. a. 2

1988

- , Von der Unverzichtbarkeit der historisch-kritischen Exegese. Am Beispiel des 46. Psalms: BiLi 62 (1989) 10-20 - , „Gib mir Antwort, Gott meiner Gerechtigkeit" (Ps4,2). Zur Theologie des 4. Psalms: J. Zmijewski (Hg.), Die alttestamentliche Botschaft als Wegweisung. FS H. Reinelt, Stuttgart 1990,377 - 4 0 3 - , Ich will die Morgenröte wecken. Psalmenauslegungen, Freiburg u. a. 1991 - , Israel und die Kirche im gemeinsamen Gottesbund. Beobachtungen zum theologischen Programm des 4. Psalmbuchs: M. Marcus u. a. (Hg.), Israel und die Kirche heute. FS E. L. Ehrlich, Freiburg u. a. 1991,236-254 - , Was wird anders bei kanonischer Psalmenauslegung: F. V. Reiterer (Hg.), Ein Gott, eine Offenbarung. FS N. Füglister, Würzburg 1991, 397-413 ZIMMERLI, W., Ezechiel. 2 Bde., Neukirchen (1969.) 21979 (BK 13,1 + 2) - , Zwillingspsalmen: J. Schreiner (Hg.), Wort, Lied und Gottesspruch. Beiträge zu Psalmen und Propheten. FS J. Ziegler, Würzburg 1972, 105-113 (= W. Zimmerli, Studien zur alttestamentlichen Theologie und Prophetie. Gesammelte Aufsätze Band II, München 1974,261-271 [ThB 51]) ZUBER, B., Das Tempussystem des biblischen Hebräisch. Eine Untersuchung am Text, Berlin u.a. 1986 (BZAW164)

3. Register 3.1

Personenregister

Es sind alle Zitatstellen verzeichnet und weiterhin vor allem solche Fundstellen, an denen eine Forschungsposition zur Anordnung von Psalmen behandelt wird. AchabenJaqob 32 f. Ackroyd, P. R. 196f. Aejmalaeus, A. 51,62 AmramGaon 45 Allen, L.C. 141 Arens, A. 17 f., 34 Auffret,P. 24f.,40f., 146 Barth, Chr. 23,25,127 Barré, L.M. 28 Beaucamp,E. 40 Becker, J. 44,96,140 Beglich, J. 1,50,53,125,199f. Braulik, G. 175 Brennan, J.P. 24 Budde, K. 132 Buss, M.J. 44 Calvin, J. 129 Childs, B.S. 43,114,129f. Crüsemann,F. 61 f.,99,207 Culley,R.C. 51 Delitzsch, F. 2,23,36 Freedman,D.N. 40 Füglister, N. 239 Gese, H. 2,4,124,170,184f., 199,200, 211 f., 237 Goldschmidt, D. 46 Goulder,M.D. 2,26f.,29,41-43,63,65 Graetz, H. 32-34,38-40,221 f. Grossberg, D. 35,37f.,77 Gunkel, H. 1,94f., 124f., 199f. Hillel(Schule) 31 f., 155

Hirsch, S.R. 3 Hossfeld, F.-L. 111,2 Jacob, B. 36f., 78 Jeremias, J. 44,203 Jochanan ben Zakkai 32 f. Kaufmann, Y. 3 Kimhi, David ben 36 Koch, K. 23,40,210 Kraus, H.-J. 2,49,97,125,129-131,164 Kselman,J.S. 34 Küchler, F. 55,85f. Liebreich, E.J. 37 Lohfink, N. 24 Lowth, R. 20 f. Macholz, Chr. 86 Maier,J. 45f., 128,211,238,243 Matheus, F. 4,106 Mays, J.L. 140 Melugin, F. 105 f., 196 Michel, D. 64 Miliard, M. 113,238,242,250 Nasuti,H. 2,44,90f.,94f., 150 Nobel, J. 3 Otto, E. 42,92 von Rad, G. 4,78,123 SaadjaGaon 36,45,46 Sarna,N.M. 125 Schäfer, P. 46 Schammai (Schule) 31,155

280 Schelling, P. 44 Schreiner,J. 24,26,128 Seidel, H. 35,39,169 Seybold, K. 2,4,19,23,35-38,40,44,76, 77,90,94,132,169,210 Sheppard, G. H. 127,128,200,212 Smend, R. 124,127f. Spieckermann, H. 2 Steck, O.H. 128 Stolz, F. 50,53 Strauß, H. 34,39 Thoma, C. 34,46

Anhang

Wanke, G. 2,41 f. Weiser, A. 124,132 Weiss, M. 48 Westermann,C. l,4,48f.,81,106, 113-116,123-125,127,158,163,200,207 Wilson, G. H. 2,4-19,27,29,114,123,125, 172,203-205,215,227,237 Zenger, E. III, 2,20,23,25-27,35,39,41, 44,126,128,132,145,166 Zimmerli, W. 19,23 Zuber, B. 64,101,122,182

3.2

Sachregister

Es sind vor allem solche Begriffe ausgewählt, die geeignet erscheinen, die methodische Begrifflichkeit der vorliegenden Studie zu erschießen. Grund für die Nennung ist nicht das ausdrückliche Vorkommen des Begriffes auf der genannten Seite, sondern seine sachliche Zugehörigkeit. Stellen, an denen Definitionen erfolgen, sind kursiv gedruckt. Chiasmus 2 4 - 2 6 , 2 9 f . , 131f., 135-137, 140,141,172,205 Cluster (Definition) 51, 62,99 Clusterkompositionen 2 6 , 3 3 f . , 7 9 - 8 1 , 8 4 , 104,107,109f., 115,116-161,163f., 187, 201-205,207,221-223,234,250 Danklied 33,53f., 56f., 6 2 , 7 6 , 7 8 - 8 0 , 82-84,87,89,103,112,115,120-122, 126 f., 133-135,138 f., 141-143,146, 150 f., 159-165,176,197,206,207,230 Diaspora (s.a. Exil) 88,119,123,134,182f., 185,188-196,211 Doppelung, kompositionelle (s. a.: Zwillingspsalmen) 24f., 3 3 , 4 0 , 8 0 , 9 0 - 9 3 ,

115,121,152,201 f. Doppelung, innerhalb eines Psalms 22,24 f.,

50f.

Exil 37,40,55,66 f., 77 f., 92,103 -107,119, 164,173,176f., 179-184,187-190,213, 244-246. Geschichtsrückblick 22,46,67,81,95f., 101-103,105,108,140,148-150, 206-208,210 Hymnus 1,23,25,40,48f., 6 6 , 7 0 - 7 2 , 8 1 , 103,105-107,112-115,120-124,126f., 132,134,140f., 143,147,149,151 f., 155, 158,163 f., 181,200,203,205f., 223,237

144 f., 148,150 f., 165 f., 179f., 187,200, 202 f., 208,212,219f., 226f., 234,236 Kompositionbogen 89,90-103,109, 124-140,143,147-152,162,165,230, 234,239,250 Liturgie 8 , 1 3 - 1 5 , 1 7 , 2 6 , 3 0 - 3 9 , 4 4 - 4 7 , 5 3 , 5 9 , 6 2 , 8 0 - 8 4 , 8 8 f., 94f., 102 f., 113, 121 f., 144,149,181,183,190,206-209, 222,228,239 Makroformgeschichte 4,47,84,148f. Midraschelemente 43,118,120,128-134, 136,139,205 Mischpsalm 50,53,58,62,125 Mittelstellung 22 - 2 6 , 4 0 f . , 6 8 - 7 0 , 8 9 f . ,

140,165 f., 211 f., 225 f.

Nahtstelle 165-167,172,173-180,207, 209-211,226,236 Normelement 4,17,168,208-213, 245-249,255 f. Numeruswechsel 4 9 , 5 2 f , 62,66,74,80,88, 90,100f., 104,120,123,143 Orakel 55 f., 67,77,81,85 - 8 7 , 9 0 - 9 4 , 9 5 , 96,100,105f., 109,113 f., 141-143,146, 149,162f.,200,211 Psalm (Definition) 6-19 Psalmbücher, Einteilung in 29,237 Psalmgruppen 27—45

Kettenbildung 2,23f.40f.,44

Klagepsalm 1 f., 4,48,53-56,60-62,85, 89,149,237 Klagepsalm eines alten Menschen 123,126 Klagekomposition 89-114,103,104f., 109, 113,162 f., 187 f. (JHWH)Königspsalm und -motive 4,67,69, 71,77,81,94,112,119,123,127f., 132,

Richterthema 90,96-99,117,147-150, 179 f., 201 Segen 37,78,110f., 121-123,152-161, 178,216,221,236

282

Anhang

Themenklage 66-68,79f., 84,88,90-93, 107 f., 111,113,143,161,162,183,227 Tora-und Weisheitspsalm 4,25,59,127f., 140,145,165 f., 211 f., 226,228,237 f. Toreinzugsliturgie 25,134-137,205,211 Überschriften, fehlende (6—19passim,) 8, 18,27-29,45,125,138,140,235 f. Überschriften ohne Personenangaben 13, 27,33,144,204,216,255 Wallfahrt 30f.,35f.,39,63-66,78, 135-137,180-184,187,194f., 197 f., 206f.,212,228f.

Wallfahrtspsalm 35,42,63-66,76,82, 84-88,211 Wallfahrtspsalmgruppe 30-42,46,63 -89, 135-137,225-228,239 weisheitliche Edition 30,42,57-60,72-75, 79,81,84,90,100,102,113-116,123 f., 127,133,135,137-143,145,148,150, l()2i., 165-167,173,177,200,239,242 Zionspsalm/Jerusalemelemente 38, IQ—12, 92 f., 153,162,165 f., 174 f., 209 Zwillingspsalmen (s.a.: Doppelung) 9f., 15, 19-22,24f., 32f., 40,51,77,134,140,166

3.3

Stellenregister

Kursive Seitenangaben bezeichnen Mehrfachnennungen.

3.3.1 3.3.1.1 Genesis 236 131 23,157 131 131 210 156 177 171 171 160 176 193 193

Exodus 2,24 12,17.24ff. 15,1-20 15,18 17,7 19,16.19 20 ff. 20,2f. 20,12 20,18 21,2 21,6 22,7 22,27 23,14 ff. 23,17 24,4ff. 29,3 29,39 30,7 f. 32,4.8

Septuaginta 34 34.23 34.24

Tora

1 2,13 8,1 10 10,7 14,18 ff. 15,1 15,10,17 22 22,11 f. 29,35 31,54 50 50,5

Bibel und

157 102 6 236 149 157 247 96 235 157 177 97 98 98 85,195 64 f., 206 176 248 248

248 97

Leviticus 10,16 10,34-36 12 15 19,15.35 22,18 23 25,39-41 26 26,42.45

206 65,206 85

22 22 183 183 96 122 195 177 123 157

Numeri 9,6 ff. 10.36 15.37 ff. 28 f. 28,3 ff.

31 131 246 123,195 248

Deuteronomium 5,6f. 6,4ff. 11,13 ff. 12 15,12 16 16,7 16,11.15 16,16 26,1-5 27 f. 31,6.7.23 32 32,1 32,13

96 246 246 222 177 195 39,222 206 65 206 123 138 6 211 96

284 3.3.1.2

Anhang Die vorderen

Propheten

Josua l,6f.9 1,7 f. 17,8

138 128 143

Kicnter 11,3.5 13-16 17 f. 19 21,25

143 87 87 87 87

1./2. Samuel 1.Samuel lf. 1,3.7ff. 1,11.17 1,18 1,19 l,24f. 2,1 ff. 2,3.9 2,12 ff. 3 3,1b 9,6ff. 15 ff. 16—l.Kön 1 19,11 21,11 ff. 21,12 ff. 22,1 23,19 26,1 2.Samuel 7 7,13 f. 8,3 12,24 15 ff. 15-18 15,13 15,14 ff. 15,31 ff. 16,5-13.18f. 17,1 ff. 17,8 ff. 18,5 18,12 ff. 18,21 ff. 19,10 ff. 20

55,84-87 85 85 86 85 87 87 86 87 87 85 55 43 43 118 118 139 118 118 118 20,241 128 120 172 131,139 129 130 130 130 130 130 130 131 131 131 132 132

21-24 21 21,1-14 21,15-22 22 22,1-23,7 23,1-7 22,1b 23,7 23,8-39 24

136 136 137 136 f. 50,136f., 215 136 137 136 224,225 136 f. 136 f.

1./2. Könige 1. Könige 5,15 ff. 8 8,37 ff. 8,47-49 8,48 10 11,1 ff. 12,28 17 18,29 22,19 2.Könige 4; 13 16,15 22 f. 23,6ff.,15ff. 24,12 25 25,4 ff. 25,9 25,27 - 3 0

3.3.1.3

Die hinteren

69 193 f. 157 193 194 69 69 97 74 248 96 74 248 93,176 94 91 120 92 92 185

Propheten

Jesaja 1-12 1 1,2a 1,11 ff. 2,1 ff. 2,1-5 2,1 2,2-5 2,2-4 2,5 6,3 8,11 11,11 12

194,196-1% 196 211 174 177,196 f., 20 198 196 184 196 196 156 10 131 159,197

Stellenregister 12,1 12,5 f. 13-23 18,3 20,3,5 26,19 27,13 36-39 38 40-55 40,1 ff. 40,1-11 40,2 40,9-11 40,19 ff. 41,6f. 43,3 44,6ff. 44,23-28 44,24-45,8 45 45,1 45,8.14-25 45,21 46,1 ff. 47 50,4-11 51,9f., 1 7 - 2 0 52,lf.,7-11 55,6-13 56-66 56,1 60-62 60,3

159 197 197 f. 157 131 74 157 196 210 55,105-107,114, 196,198 197 106 67,104 106 201 201 131 201 106 106 197 106,194,198 106 156 201 106 106 106 106 106 196 f. 106 196 201

Jeremia 2,21 11,18-23 14, Iff. 15,10-21 17,5-8 20,10-12 25 f. 25,1 25,11-13 25,15 f. 29 29,10 31,19 32,1 33,11 34 34,10.14.17-22

57 55 157 55 127 55 92 91 190 92 192 190 157 91 192 177 177

41,4 f. 41,5f. 44 44,2 44,3,18 46,9

181 105 185,210 181 185 131

Ezechiel 4,4-6 7,12.14.21.25f. 16 16,60 20,1 21,7 23 28,12 ff. 28,18 30,4f.9 37 38,5 46

190 171 71 157 55 93 71 98 93 131 74,221 131 36

Dodekapropheton Hosea 1-3 2,18 6,6 Joel 1-4 4,18 Amos 7,7 Micha 4,1-3 7,2 Zephania 3,5 Haggai 1,4 2,3 2,20-23 Sachada 4,6-10 4,10 6,11 f. 7,1 f. 7,2 ff., 9b 8,18f. 8,19 9,14 Maleachi 3,22

71 170 174 77 65 96 196 177 55 190 191 194 194 191 194 105 191 105 184 157 128

286 3.3.1.4

Anhang 4,6 4.9

Schriften

Psalter Das l.Buch(Ps 1 - 4 1 ) 1-150 1-119 1-103 1-89 1-41 1-19 1-10 lf.

1

1,1 1,2 1,3 1,6 2-89 2

2,1-4 2,2 2,5,6-9 2,6 2,7f. 2,10-12 2,12 3 ff. 3-109 3-88 3-41 3-14 3-7 3-6 3

3,1 3,2 3,6 3,8 3,9 4-6 4

5 168,226 4,81 215 215 43,45,170,204 137 727,163,168,205, 234f. 9,15,21,26,29,35, 727,134,137,163, 166,214,237,246 4,9,70,45,86,111, 124,125,128,138, 140,151,204,212, 214,235,235,239, 242,244 9f., 125,727 9,125,127,214 127 125,235 4 1,4,7,9.70,25,45, 70,124,725,128,134, 145,165 f., 204,210, 235,236 10 140 10 134 125,128 10 9,65,127 132-134,136 4 4 29,124 25 115,127,732, 234 27,131 f. 1,7,55,61,118, 130-132,134,139, 234f. 43,128,129 130 132 11,131 54,110 27,54,131 55,61,135,234

5.3 5.4 5,5—7.8a 6 6.6 6.7 7 7.1

1,1 7,18 8-10 8f. 8 8.2 8.3 ff. 8.5 8,6ff. 8.10 9f. 9 9.1 9,2f. 9.2 9,10 9,12 9,20f. 10

10,1

10,12 10,16-18 10,16 11-14 11-13 11 12 13 14 14,5 f. 14,7 15 - 2 4 15-19

134 54,61,127, 132 1,55,61,132,134, 135,211,234 235 55,132 134 1,61,234 127 132 1,55,61,118,757/, 133,234 f. 131 11 53 f., 127,132,142, 160 26,127,135 26,126f., 135,234 1,23,25,52,126,132, 134,167 134,142 f. 132 236 132 134 8-11,15,22,55,58, 61,141,246 10,11,753,134,159, 235 133 127 159 10 127,134 10 1 0 f . , 2 9 , 1 2 4 f . , 134, 138,205,235,236

10

10 234f. 235 27,115,135 26,205 6,55,61 55,61,104,109,120, 144 1,61 26,776/., 140f., 169, 172,205 117 735/. 24f, 26,140 137

287

Stellenregister 15

24f., 135,136,205, 211,234

15,1 16 16,1 17 17,6 17,13 18-22 18

135 24 f . , 137 137 l,24f.,55,61,137 156 11 27 1,24-26,50f.,i36, 137,140,215

18,1b 18,15 18,47 18.50 18.51 19-24 19

136 127 111,154 160 140 f. 27

19,2 20 f.

20

20,7 2 1 f. 21 22-24 22 22,23-32 2 2 , 2 3 f. 2 2 , 3 0 ff. 23 23,6b 24 24,lf. 25-34 25-31 25-28 25 f. 25 26-28 26 f. 26 27 27.6 27.7 27,11

28 28,lf. 28,1

1,23f.,25,26,58f., 112,126,135,137, 140f., 1 4 3 , 2 0 5 , 2 1 1 , 246 143 2 0 , 2 5 f., 51,166 1,24 140f. 137 1,24 26,137 1 , 2 4 f . , 26,54f., 124, 137 54 54 74 2 4 - 2 6 , 3 2 , 5 4 f . , 61, 137 136 24—26,54,136,205, 211,234 1,137 25 163 115 11 26,55,61,140,141 26 9 55,61 51,55,58,61 127 156 59 141,742,245 141 211

28,2 28,6 28.7 28.8 29-31 29 f. 29 30-34 30 30.1 30,2-4 30,5.13 30.4 30.10 30.11 30,13 31 31,15 31,22 32-41 32 f. 32 32.5 33 f. 33 33.2 33.3 34 34,1 35-36 35 35,18 36 37-41 37 37,25a 38-41 38 3 8 , 7 ff. 38,13 38,17 39-42 39 39.1 39.2 39,5 40

40,3 40,7-11 40,7

156 111,154,245 127 140 f. 21,138 2 6 , 1 2 6 f . , 135 I,25,44,126,137, 141,143,210f.,245 25 51,61,137,142,211 137,241 141 f. 127 140 53 156 127,160 58,61,138,141 140 111,140,154 139,140 II,15 61,138,140,204,215 127,140 140 1,11,23,29,45,124f., 126,138,140,205,236 127 202,236 118,139,141 139 140 61 127 6 126,140 141,173 126 27,140 6,61,123,204,215 126 61 140 27 61 232 140 126 57/, 8 3 , 1 2 3 , 1 2 5 , 1 2 6 , 140,169,172,179, 205,228 175 174 174

288 40,8 40,14-18 40,18 41

140 57 171 4,61,125,140,165, 212 41,2 125 41,3 61 41,5 140 41,6 125 41,12 125 41,14 154,161 Das2.Buch(Ps42--72) 42-83 4,57,74,169-188 42-49 25,73,133,162,199 42 f. llf.,14f.,22,42,63, 64f. ,82,165,186f. 42 29 f. 42,2-3 71 42,2 75 42,5 63 42,6 160 42,7 65,75 42,10 66 42,12 160 43 64,74,115,188, 213 43,lf. 66 43,1 186 f. 43,4 160 44-49 29 f. 44-47 27 44 42,63,66,70,71,75, 77,208 44,2 ff. 71 44,5 70 f. 44,9 68 44,19 186 44,21 96 44,24a 70 45-48 187 45 f. 42 45 63,68/, 70f., 74,77 45,4 69 45,7 67,69,71 45,9f., 12,14,16 69 46-48 63,70,72,74f., 81, 115 46 41,05,70/., 74 f., 77, 88,165,181 46,1 133 46,5 71,181 46,7 70,71 46,9 71 46,11 70,74

Anhang 47-51 47 f. 47 47,3.7 47,6 47,9 48 48,3 48,7f. 48,9 48,15 49-51 49 49,2 50 f. 50 50,3 50,5 50,7 ff. 50,8 50,14 f. 50,14,23 51-72 51-70 51-65 51-64 51-62 51-53 51 ff. 51 51,17 51,18 51,20 f. 52 ff. 52-55 52 f. 52 52,10 52,11 53 f. 53 53,2,4 53,6 54-64 54 f.

27 11,15,42 11,51,70,77,72,75, 115,187,203,208,212 67 157,171 67,71 11,42,63,77,73,75, 88,115,133,165,173, 187 71,181 71 171 73,133 27,29 42,63,72-74,79, 116,753,165,172, 773,177,187 73 119,120,166,773 21,29f., 44,53,74,89 95,116,764,166,170, 173,174,176f. 164 176 164 176 174 176 42,43 29,30,119 163 115,776 27,43 120,163 74,115,134,139 27,61,776,118 f., 124, 156,766,172,773, 776,179,248 153,156 21 21,774 117 27 118 116,117 f., 173 173 120,160 12,14 776/, 169,172,205 116 117 117 118,120

Stellenregister 54 54,2 54,4 54,8 55-60 55 55,2 55,17 f. 55,17 56-60 56 f. 56 56,1 56,11 56,13 57 57,1 57,8-12 57,8 57,9 57,10 58 58,2-4,6f. 58,7 58,8,10-12 59-60 59 59,1 59,6 59,18 60 60,7-14 60,7 60,8-10 60,8ff. 60,10 61 61,6,9 61,7 62-68 62f. 62 62,1 63 f. 63 63,12 64-70 64 65-68 65 ff. 65 f. 65

55,61,116-118,120 118 118,120,156 120,160 27,118 55,61,116,120 118,120 248 171 43,118,137 118 55,61,118,120 98,116,118 171 120 14,55,59,60,61,83, 116,118,132,169 118 59 120 60 120,160 98,116-118,179,168 98 117,171 98 118 55,61,116,118 118 171 120 60,83,104,109,118, 120,144,169 59 60 59 143 59 116,118 f., 120,123 120 119 27 118 55,61,116,118,232 232 118 55,61,116,118,119 119 27 55,61,116,118,120 115,120 120,722,126 118,163 120,121

289

122 52,121,122,176 123 176 122 110,154 4,29,119,121f.,725 123 177 163 6,93.122,186 122 177 171 177 176 122 122 178 171 122 93,110,154 123 122 144 124,178f. 5,124 171 171 124 174 12,15,74 57,55,83,123,125, 126,169,172,179,205 70,2 171 70,6 171 71 f. 12,15 71 29,61,123,124,138, 204,215 71,5 171 71,22 160 72 4,30,35,42,123,124, 125,126,170,179f., 210,220 72,1 233 154 72,18 f. 72,20 124,161,169,205,233 Das 3.Buch (Ps 73--89) 73-83 30,89,705,162 73 f. 12,15,93 73 61,74,93,700/., 116, 165,172,775,187 73,1 100 1 73,11.16 99 65,2 66 66,Iff. 66,13 66,19 66,20 67 67,8 68-72 68 ff. 68 68,2 68,9 68,17 68,18 68,20-22 68,21 f. 68,23 68,25 f. 68,27 68,29,31 68,36 69-72 69-71 69 ff. 69 69,3 69,7 69,14 69,31 69,32 70 f. 70

290 73,16 f. 73,17 73,22 73,25 74-76 74 74,2f. 74,4 74,7 74,8 74,9 74,12 ff. 75-77 75 75,3 ff. 75,3 75,5 75,9 75,10 75,11 76-80 76 76,4-10 76,4 76,9f. 77-81 77 f. 77 77,1 77,6 77,12 f. 78 78,1 78,2 78,3,6 78,34,36 79-83 79 f. 79 79,1 79,6 79,9 80 80,2 80,5,8 80,9 ff. 80,15,20 81 f.

Anhang 101 12,91,95,100-102 99 101 100 90,92-94,101,165, 187,208 92 f. 12,91,94,102 91,102 12,91,94 99 94,187,208 27 53,90,93,94,95,100, 705,113 95 94 102 92,95 103,113 102 95 44,90,91,92/., 96, 103 96 102 95 90,100 12 90,100 232 102 102 14,22,89,90, 100-102,112,140, 165,211,212,225,237 211 102 99 22 100 80,92,166, 208 91f. ,101,165 91 99 101 f. 91,95 96 171 96 171 90,99

81 81,4 81,5 f. 81,6 81,9ff. 81,10f. 81,17 82-85 82 82,1 ff. 82,1-3 82,1 82,2-4 82,5 82,6f. 82,8 83 83,2 83,7-9 83,10 83,16 83,19 84-150 84-88 84f. 84 84,3 84,4 84,5 84,6 84,7f. 84,8 84,10 84,13 85 85,2 f. 85,9 ff. 85,9 86 86,1 86,9 86,12 87-88 87 87,3-6 87,7 88 f. 88

6,53,90,95f., 100, 113 157 95 96,99 102 96 96 27 53,90,96-99,186 95 186 96 96,99 99 96 99 90,96,100,186,201 99 90 99,102 100 99 170 162,199 30 30,42,65,65,103, 165 f., 170,199,202 75,200 65 65,68,70f. 65 64f. 65 140 65 30,42,63,66-68, 72-75 67 65 74 55,61,68,69,73f., 115,166,170,210 137,199 68 200 30 30,42,63,70,72,75, 88 68 71 79 30,42,61,63,72/.,75 126,140,199,232

Stellenregister 88,4, U f f . 89 f. 89

74 27 4,58,72f.,75,112, 115,125,164,166, 199f.,210,220 89,16 59 89,17 200 140 89,39,52 89,53 154,161 D a s 4 . B u c h ( P s 9 0 - 106) 90 ff. 202 90-106 147 90-94 12 90-92 149 148,166 90 f. 12,15,21f., 90 12,21,55,59,61,148, 200,210-212,214, 237 90,1 137,156 90,4,9 12 90,16 16 91-100 148 91 12,21,28,61,148 91,lf. 150 91,1 12 21 91,9 91,14ff. 149 91,16 12 92 ff. 151 92-100 163 92 f. 12f., 1 5 , 4 4 , 7 2 , 1 2 0 , 148 92 45,148,149-152, 208,249 92,13 ff. 151 92,14f. 200 93 ff. 107,227 93-99 13 93-97 28 93 45,112,745,149f., 203,215 93,1 71 93,5 148 f . , 200 94 f. 9,13,15 94 13,44 f., 5 9 , 1 4 8 f . , 750,151,159,202 94,1 f. 202 94,2 149 94,5 f., 15,20 150 95 ff. 72,149,151,159 95-100 44,81,115,148 95-99 112 95 f. 13,15 95 53,95,113,149,159

95,2 96 f. 96 96,1 96,4 96,8 96,10 96,13 97 f. 97 97,1 97,2,6 97,7 ff. 97,9 98 f. 98 98,1 98,2,9 98,6 98,9 99 99,1 99,4 99,8 100 100,1 100,4 101 101-110 101-106 101-103 101 102 ff. 102-106 102

102,1 102,14-17 103 ff. 103-107 103-106 103-105 103 f. 103 103,7,14 ff. 103,19-22 103,22 104-106

291 151 9,13,15,152,202 150,201-203 202,236 201 150 150,201 150 13,15 6,202,203 71,201 150 202 211 9,13,15,152,202 13,207,202/. 202,236 150 157 201 6,28,148,159 71 147,750,202 202 147,200,207 f., 212, 227 151 127,150f. 114 45 707,115,147 225 45,107,147,211,216, 227,234,239 207 227 51,61,107,70S, 115, 124,147f., 150,757, 157,159,164,203, 226,227 107,137,233 107 f. 159,164 81,115 20,82,107,109,148, 237 21 13,15,20 2,20,45,52,107,210, 275,225 210 20 20 28

292 104 f. 104 104,1 104,31-35 105 f.

Anhang

28 13,20,143,270,225 20 20 19f., 108,148,166, 203,207,210 f. 105 6,19,109,202,225 105,1 20 105,6 216 105,11 109 105,15 140 105,45 20 106 f. 15,33 106 6,19f., 83,108,112, 154,202f.,216 106,1 16,83 106,3 20 106,21 170 106,43 108 106,45 157 106,46 108 106,48 154,161 Das 5.Buch (Ps 107- 150) 107-119 83,163 107-118 165 107-110 84 107-109 77 107 f. 8 107 82 —84,146,203, 227 107,1 16,82f„ 146 108-110 27 108 f. 143 108 6 , 4 5 , 5 9 f , 83,84,109, 118,146,169,172 108,2 59 f. 108,2-6,7-14 59 109 45,52,83,146,204, 225 109,28 82 110-112 165 110 4,45,70,77,81,52, 84,204 110,1 81,210 111 ff. 77,204,239 111-119 28 111-118 28,115,144 Ulf. 19,33,47,81,766 111 33,52,81 f., 159,167 111,1 159 111,4f. 157 112 19,33,46,82,111,166 112,1 144 113 ff. 78,88

113-118 113-115 113 1 1 3 , 1 - 8 , 9 - 26 113,4f.,6,7--9 114 f. 114f. (LXX) 114 114,1-3 115 f. 115 115,15 115 (LXX) 116 f. 116 116,1-9,10--19 116,2ff. 116,9 116,17-19 117 f. 117 118 f. 118 118,1 118,10 ff. 118,19f. 118,21 118,25 118,26 118,26 f. 118,28 118,29 118 (LXX) 119 ff. 119

119,1 f. 119,12 120 ff.

120-137 120-136 120-134

8,16,30f., 33,46, 227 80,115 48 8 48 8,13-15,17,31 8,28 6,14,17,31,46f.,Si, 115,228 31 14f.,31,33,152 6 - 8 , 1 6 f., 31,46 157 28 14 f. 6,8,14,16,28,80,82, ßß OO

8 81 31 80 14 f., 33,152 6,14,80 14 f. 6,14,16,32,46f., 53, 59,80,82,83,88,140, 203,211,223,225 16,82 81 53,82 160 84 157 53 160 16 28 32 4,9,12,14,18,33,39, 46,59,81,84,90,111, 140,166,219,223, 225-228,237 144 111,156 32f., 35,40,42, 44-46,70,76-80,55, 84,89, Ulf., 114,123, 165 f., 203 f., 223, 225-228,236,239 163 32 27,32,36,40f.,46, 997

Stellenregister 120-132 120-122 120 120,1 121-132 121-123 121 122 122,1 123 124 124,1 124,6 125-129 125 126 126,1 127 f. 127 127,1 f. 127,1 127,3-5 127,5 128 f. 128 128,1 128,1-3,4-6 129 129,1 129,5 130 ff. 130 131,1 132 132,7 132,10,17 133 f. 133 133,3 134 ff. 134-136 134 f. 134 134,1 f. 134,1 134,3 135 ff. 135-138 135-137 135 f.

226 166 36-38,82,157,219 76,146,219,221 219 76 35 -37,76,157,210 35,37,76 f., 88 35,220 38,76 38,76,77,80 35,37 111,154 77,112 37,77 f., 221 38,67,77,79,80 136 20,22,37,77, l l l f . , 165,266,225 20,57,40,79,123,236 20 35,233 20 222 14 37,40,221 222 20 77,80 37 77 77 37,112,157 35,77 37,38f., 45,70,77,79, 166,219,220,223 220 140 39,123 37,39,77,79,123, 219-221 221 77,79 39,40,115 14 f. 4,37-39,77,75,115, 219,220,222,224 40 40,77 f. 40 123 40 40 20,28,32f.,39f.,175,

135 135,lf. 135,2 135,4f., 13 ff. 135,6ff., 14ff. 135,21 136 136,1-3 136,1 136,4-25 136,23 f. 136,26 137 137,1 138 ff. 138-150 138-145 138-140 138 f. 138 138,1 138,2 139-144 139 140-143 140 141 141,2 ff. 141,2 142 142,1 143 143,1 143,7 144 f. 144 144,1 144,3f. 144,9 144,12 ff. 144,15 145-150 145 f. 145 145,1 145,15 146-150

293 166,207,222 f., 225 14,20,32f., 37,39,78, 115 40 III. 40 40 110,154,161 6,14f.,32,33,37, 39f., 78,79,53,203 40 16 40 40 40,79 40,11,79,166,182f, 216,227 182 144,146,147,218, 227,236 163,234 40,45,225 27 166 40,78,146,147 159 146 27,146 146 f. 115 55,61,219,224 215,279,228 146 228 6,55,61,118,139 137,146 55,61,146,214 146,156 146 15 59,145,146,210,214, 219,221,236 160,236 236 146,236 236 144,236 8,28,81,115,144 167 16,34,52,144f., 157, 166,223,226,236 146 33 32,34,144

294

Anhang

151A/B 151A 151B

15,214 8,34 34,52,745,225,236 34 145 34 236 34,145,166,236 152 6,8.16,51,144 34 33 34 144 34 6,34,144,219,225, 236 236 34 35,152,224 6,34,144f., 165f., 224,236 34,146,202 145,236 34 6,34,35,144,157, 224,236 14,17,139,214,276, 218f., 224,238 215,224 217,219,224 224

Hiob 1-42

113,242,249f.

Proverbia 1-31 2,1 3,1

249 102 102

146 ff. 146 f. 146 146,1 146,3 146,4 146,5 146,10 147 f. 147 147,4 147,9 147,llf 147,15,18-20 147,20 148 148,1 ff. 148,3,14 149 f. 149 149,1 149,2 149,4,9 150 151

Rut 4,18-22

241

Hohelied 1-8 1,4,15 3,6-8 4,1-7.11 6,8f. 7,1

69,242 69 69 69 69 69

Kohelet 1-12

242

Threni 1-5 1-4 1,4 2 2,14 3-5 3,57 4,22 5

242 104 105 104 105 104 105,120 104f., 158 104,120

Ester 1-10

242

Daniel 1 3 3,26,52 (LXX) 6 6,6 6,10 6,11 9 9,2 9,21 12,2 12,3

190 189 111 189 171 248 193 f. 194 190 248 74 221

Esra/Nehemia Esra lf. 1 l,lff. 1,1 1,2 ff. 1,2 f. 1,3 ff. 1,5 2,41 3 3,lff. 3,10-13 3.10 3.11 6 6,3ff. 7 7,1 ff. 7,12 ff. 8 9 9,4

192 189 190 182,190 189 190 182 183 184 202,232 181 191 232 192 182,189 189 189 183 189 192 194 248

Stellenregister Nehemia l,lff. 2 8,10 9 9,2 9,5 ff.

183 192 216 194 194 28

1./2. Chronik 1. Chronik 1 1,9 6,18 ff. 15,17.19 15,27 16 16,4ff. 16,5.7 16,7 16,13 16,15,19 16,27 16,28,35 f. 16,36 16,41 f. 17 17,14 22,13 25,4-6 28,20 29,10 2. Chronik 5 5,12 5,13 7,3 32,7 36,21,22 ff.

3.3.1.5

131 131 72 232 241 150,203,215,232

241 232 202 216 215 216 215

154 12,232

231,241 112 138 232 138 111,156 232 232 192 192 138 190

Septuaginta

3.Esra 4,58

194

l.Makkabäer 2,63 2,29.38 3,50-54 4,24 4,30 7,17

34

92 114 33

111 91

Jesus Sirach Prolog 1.3 51 51, lf. 51,13 ff. 51,51

243 161 159 215 126

Psalmen Salomos 1-3 1 2 2,6,30-32 2,37 3 4-8 4 5,19 6 6,6 8 8,24 8,34 9-12 9-10 9 10 11 12 13 14 15 16 16,6 ff. 17 f. 17 17,25-33 18

155 109,772 110,772 112 HO 109 f., 112 112 109 f. 110,112 777 110 112 HO 110 110 112 110,112 777 112 110,112 112 112 110,112 110,112 112 220 110,772,113 112 110,772,113

Judit 13,17 f.

111

Tobias 3,11 8,5,15-17 11,14

111,194 111 111

3.3.1.6

Neues Testament

Matthäus 6,13 7,12 11,13 11,25

154,245 244 244 159

296

Anhang

22,40 26,30

244 30

Markus 14,30

30

Lukas 1,68 10,21 16,16 24,44

111 159 244 243 f.

Johannes 1,45 11,41

244 159

Apostelgeschichte 3,1 10,3 10,9

248 248 194,248

3.3.2 IQ 30 4QFlor 1QH Iff. 2,4 ff. 2,8 2,20-30,31 3,19 4,5 5,5 5,20 7,6 7,26,34 8,4 9,37 10,14 11,3,15 14,23

13,15 13,33 24,14 28,23

244 9 244 244

Römerbrief 3,21

244

2. Korinther 1,3

111

Galater 6,16

221

Epheser 1,3

111

1. Petrus 1,3

111

Qumran 17,17,26 1QM 13,2 f. 15,7 1QS VI,6 4QPsa (frag.c.d.) 4QPsa (frag.g) 4QPs b 4QPs b (col,5) 4QPsq (col, 1) 4QPsr llQPs 3

8 io,: 224 159 158 159 159 159 159 159 159 159 159 159 159 159 159

llQPs b

3.3.3

Frühchristliches

159 221 160 138 214 204 123,204 227 203 204 9 28,39,79,139,157, 203,215,220f., 223—226,231,233, 256 221

Schrifttum

Barnabasbrief 11,6-8

239,244

Epiphanius, Contra hacreses 29,9 248

Didache 8,3

245

Regel Benedicts 17

15

Stellenregister 3.3.4 3.3.4.1 mAv 1,2 6.9 mBer 1-3 l,lf.,4 4f. 4.2 4.3 5.4 mMeg 2.5 mMid 1 2.6 mPes 5 5,7 9.3 10,6 10,7 mRH 4,5 4,7 4,11 mSot 5.4 mSuk 3,10f. 3.10 4,1,5,8 mTaan 1,1

2,1 ff. 2,3f. 3,9 4,1 4,4 5,1 mTam 1 3,7 5,1 5,4ff. 7,4 mYom 2,1

Rabbinisches

297

Schrifttum

4,2 4,6

Mischna 230 230 246 248 152,246 33 153 f., 249 155 33 39 35 f. 222 30 30 31 32 155 33 155 33 30 28 33 222 157 157 33 222 32 156 39 39 246 248 45 154

3.3.4.2

154 157

Tosephta

tBer 3,15 3,25 tPes 3,11 10,5-7 tSan 12,10 tShab 16,1 tSuk 3,2 4,2 tTaan 1,12-14

3.3.4.3

155 153 30 30 69 249 30/., 45 222 157

Jerusalemer Talmud

jBer 1,5,3c 1,7,40a 2,4,5a 4,1,7c 4,3,7d.8a 4,3,7d 4,3,8a 4,4,8a.b 4,4,8a jKet 12,35a jK.il 9,32b jShab 16,1,15c jSuk 5,3,55b. 56ff. jTaan 2,2,65c jYom 2,3,39d 7,1,44b

247 238 153 222 153,245 246 10,152,154 f. 153 153,249 193 193 17,153,249 222 10 36 156

298 3.3.4.4

Anhang Babylonischer

bAZ 19b bBB 14b 14b,15a bBer 9b 9b,10a 10a 26b 28b 29b 56a bGit 35a bMeg 17b 29a bMen 31a bPes 3a 115b 117a 118a bQid 33a bRHSh 31a bSan 101a bShab 103b 115b 118b bSuk 20a 38b

238 241 233

222 157 247 36

3.3.4.5 Midraschim und andere rabbinische Schriften

32,246 10,17,137,246 132 248 152 154 31

GenR 22,13 LevR 110.4

45 45

MShir (Midrasch Tehillim) lff. 3,8 1,6 233 22,4 17 22,19 17 29 245 104,2 17 Sem 10 193

249 152 183

154 32 28,32,231 f. 31-33

ShrR (Hohelied Rabba) 4,4 45,233 8,9 233 SifraDtn 343 246 Tanchuma 1,19 45

45

Pesikta Rab Kahana 22,106b 45

69

Pirqe Rab Eliezer 19 Sof 1,11 16,11 17,11 18,1,8

6 153,249 34 193 32

3.3.5

Andere

45 6 17 34 45

Quellen Josephus

Cicero, Pro Fiacco 28

53a bTaan 16b 27b bYom 16a

Talmud

195

Antiquitates 4,212 14,7,2 14,10

248 195 195

299

Stellenregister 14,65 16,6

247 f. 195

Philo, De vita 25

Contra Apionem 11105,119

222

slav.

De bello Judaico VI 293

Henoch

51 222

syrische II.III

Koran Sure 2,142-152

contemplativa 227

194

248 Psalmen 215