Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit und ihre Ausnahmetatbestände: Rechtfertigungsnotstand oder Nichtöffentlichkeit aus der Natur der Sache? [1 ed.] 9783428586134, 9783428186136

Die Öffentlichkeit herrschaftlichen Handelns ist ein Kernelement des demokratischen Systems in Deutschland. Die Autorin

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German Pages 528 Year 2023

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Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit und ihre Ausnahmetatbestände: Rechtfertigungsnotstand oder Nichtöffentlichkeit aus der Natur der Sache? [1 ed.]
 9783428586134, 9783428186136

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1487

Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit und ihre Ausnahmetatbestände Rechtfertigungsnotstand oder Nichtöffentlichkeit aus der Natur der Sache?

Von

Lisa Pientak

Duncker & Humblot · Berlin

LISA PIENTAK

Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit und ihre Ausnahmetatbestände

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1487

Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit und ihre Ausnahmetatbestände Rechtfertigungsnotstand oder Nichtöffentlichkeit aus der Natur der Sache?

Von

Lisa Pientak

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 61 Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18613-6 (Print) ISBN 978-3-428-58613-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Mutter Karin und Jens, Fiona und Claire und in Erinnerung an meinen Vater Karl-Heinz Ich wäre nicht die, die ich bin, ohne Euch.

Vorwort Die Abhandlung beruht auf einer Dissertation, die im Frühjahr 2019 der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vorgelegen hat. Die inhaltliche Ausarbeitung des Werks wurde im Wesentlichen bereits Ende September 2016 abgeschlossen. Literatur, die nach diesem Zeitpunkt veröffentlicht wurde, konnte vereinzelt noch berücksichtigt werden. Die mündliche Prüfung durfte ich am 1. Oktober 2020 ablegen und dabei „Die Exklusivität des Wahlprüfungsverfahrens in Bezug auf die Einteilung von Kommunalwahlbezirken in NRW“ beleuchten. Ich danke meinem Doktorvater, Prof. Dr. Martin Morlok, für seinen stetigen Zuspruch. Sein Hinweis, wer nach Vollständigkeit und Perfektion strebe, finde nie ein Ende, gab mir den Mut, einen Schlusspunkt unter die Ausarbeitung zu setzen – wissend, dass das Thema an vielen Stellen eine weitere Vertiefung zulassen würde. Meinem Zweitkorrektor, Prof. Dr. Johannes Dietlein, bin ich für die schnelle Korrektur und Bewertung des umfangreichen Werks verbunden. Für die unzähligen Stunden der Literaturrecherche gilt mein Dank Lydia Hannawald und Joris Schüller. Ohne Eure tatkräftige Unterstützung hätte ich in mancher Stunde den Glauben daran, die Arbeit fertigstellen zu können, verloren. Meiner Mutter, Daniel Zimmermann und Dr. Christoph Osiander bin ich für das wiederholte Korrekturlesen dankbar. Dr. Jochen Heide danke ich für die vielen fachlichen Gespräche, die mir immer wieder neue Perspektiven auf das Thema eröffnet haben. Monheim am Rhein, Februar 2022

Lisa Pientak

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung der Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sitzungsöffentlichkeit in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangssituation England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Französische Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exkurs: Philosophische Entwicklung der Öffentlichkeit . . . . . . . e) Die französische Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sitzungsöffentlichkeit in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentlichkeitsregelungen in Deutschland bis 1871 . . . . . . . . . . . b) § 36 Geschäftsordnung des Reichstags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sitzungsöffentlichkeit in Weimarer Republik und BRD . . . . . . . . 3. Entwicklung auf Gemeindeebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aktuelle Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes . . . . . . . . . . 1. Demokratieprinzip und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Demokratieelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Volkssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regeln der Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorkehrungen zur Sicherung der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schlussfolgerung: Notwendigkeit von Öffentlichkeit . . . . . . b) Informationszugang und freie Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot der staatlichen Einflussnahme auf die Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Generelle Öffentlichkeit als neutraler Informationszugang . . c) (Wahl-)Freiheit durch Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kontroll- und Integrationsfunktion der Öffentlichkeit . . . . . . . . . aa) Prinzipal-Agenten-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verantwortlichkeit des freien Mandats durch Kontrolle . . . . cc) Begründungs- und Rechtfertigungsdruck regelmäßiger Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Integrationsfunktion der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Partizipation und Mobilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Wahrheitsfindung durch Öffentlichkeit?  . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vertrauen und Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 38 38 39 41 41 42 43 44 45 46 47 48 50 51 54 54 54 55 56 56 57 59 61 63 65 65 66 68 70 72 73 75

10 Inhaltsverzeichnis f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Rechtsstaatliche Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Verfassungsrechtliche Verankerung und Inhalt des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Rechtsstaatlichkeit und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Republik und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Verfassungsrechtliche Öffentlichkeit als Prinzip   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Öffentlichkeit – ein verfassungsrechtliches Organisationsprinzip . . . 91 2. Der Prinzipiencharakter verfassungsrechtlicher Öffentlichkeit . . . . . 95 IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips . . . . . 97 1. Vertikale Wirkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Der Bund und die Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG und die kommunalen Volksvertretungen . 99 2. Horizontale Wirkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Der Bundestag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Landesparlamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) Bundesrat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 dd) Sonderfall: Öffentlichkeit politischer Parteien . . . . . . . . . . . . 105 b) Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Ablehnung einer verfassungsrechtlichen Verankerung . . . . . 108 bb) Verfassungsrechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (1) Maßstab der Volkssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (2) Legitimationsbedürfnis der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . 112 (3) Öffentlichkeit als republikanische und rechtsstaatliche Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (4) Konkretisierungsnotwendigkeit nicht als Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (5) Schutz von höherrangigen Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Zusammenfassung: Öffentlichkeit der Exekutive . . . . . . . . . 118 d) Kommunale Volksvertretungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Rechtliche Einordnung kommunaler Volksvertretungen . . . . 118 bb) Wirkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips . 120 3. Fazit: grundsätzliche Geltung des Öffentlichkeitsprinzips . . . . . . . . . 121 V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses . . . . . . . . . . . 123 1. Bedeutung formeller Ausschlusskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Rechtsrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Richtigkeitsgewähr durch formelle Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Kein Zwang zur inhaltlichen Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Inhaltsverzeichnis11 bb) Missbrauchsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schutz der Autonomie des Bundestags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Schutz des Geheimhaltungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigungsanforderungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein Ersatz durch formelle Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechtsdimension der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen durch kollidierendes Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . d) Abstrakt-generelle Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung: verfassungsrechtliche Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . .

129 130 130 132 132 133 134 134 135 136 137 138 139

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Grundgesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Landesrechtliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Tatsächliche Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit . . 147 1. Sitzungsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Begriff der Einberufung und der Sitzung  . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Abstimmungsnotwendigkeit bei der Aufstellung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 cc) Ermessensspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 dd) Abgrenzung zur Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Form und Verfahren der Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . 155 (1) Festlegung von Form und Verfahren der Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (2) Mindestanforderungen der verschiedenen Bekanntmachungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (3) Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Keine Verzichtbarkeit der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . 161 (2) Bekanntmachungspflicht nicht öffentlicher Sitzungen . . 163 (3) Fortsetzungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Ausnahme: Dringlichkeitssitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 dd) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (1) Ausdrückliche Fristenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Unverzügliche Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (3) Rechtzeitige Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

12 Inhaltsverzeichnis ee) Bindungswirkung der Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . 176 c) Terminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Sitzungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Sitzungstag und -beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (1) Wahl des Sitzungstags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Festlegung des Sitzungsbeginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (3) Zulässige Sitzungszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (4) Keine Bindung durch jahrelange Übung . . . . . . . . . . . . . 185 d) Sitzungsort und -raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) Örtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (1) Sitzungen am Rand des Gemeindegebiets  . . . . . . . . . . . 186 (2) Sitzungen außerhalb der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (3) Wechselnde Sitzungsorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (4) Mobile Sitzungsorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (5) Maßstab: tatsächliche Erreichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Angemessener Sitzungsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 cc) Barrierefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (1) Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (2) Physikalische Barrierefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 e) Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Nachträgliche Änderungen der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . 201 (1) Absetzen von Tagesordnungspunkten . . . . . . . . . . . . . . . 201 (2) Erweiterung der Tagesordnung nach Bekanntmachung . 204 (3) Grundsatz der Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit . . . 205 (4) Rechtslage ohne ausdrückliche Normierung . . . . . . . . . . 210 (5) Erweiterung der nicht öffentlichen Tagesordnung . . . . . 212 (6) Nachversand von Tagesordnungspunkten . . . . . . . . . . . . 214 (7) Verschiebung eines Tagesordnungspunkts vom nicht öffentlichen in den öffentlichen Teil einer Sitzung . . . . . 215 (8) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Sitzungsdurchführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Kommunikative Barrierefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 aa) Lippenlesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 bb) Gebärdendolmetscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 cc) Fazit: passives Zugangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Sitzungsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Sitzungsnachbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Protokolleinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Nachträgliche Veröffentlichung nicht öffentlicher Beschlüsse . . . 228

Inhaltsverzeichnis13 aa) Inhalt der nachträglichen Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . 229 (1) Beschränkung auf das Beratungsergebnis? . . . . . . . . . . . 229 (2) Bekanntmachung redigierter Beschlussergebnisse . . . . . 231 bb) Erledigung durch Zeitablauf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (1) Keine abstrakte Beurteilung möglich . . . . . . . . . . . . . . . 233 (2) Gefahr der Aushöhlung der Bekanntmachungspflicht . . 234 (3) Legalitäts- und Rechtmäßigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . 234 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 cc) Form, Verfahren und Rechtsfolge der Bekanntmachungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4. Bedeutung digitaler Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Obligatorische Anforderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Fakultative Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Maxime der Verhandlungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Abstimmungsöffentlichkeit?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Kein Ersatz durch Erklärungs- oder reine Berichterstatteröffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Das Recht der Sitzungsteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Saalöffentlichkeit – Keine aktive Sitzungsteilnahme . . . . . . . . . . 248 b) Medienöffentlichkeit – Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 aa) Gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . 253 (1) Schutz von Persönlichkeitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (2) Schutz der Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (1) Verfassungsrechtliche Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (2) Keine Rechtfertigung durch die Verletzung von Persönlichkeitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (3) Keine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit . . . . . . . 261 (4) Regelvermutung: Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 c) Zugänglichkeit von Sitzungsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Jedermanns-Recht der Zugänglichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Qualitative Beschränkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Ausschluss Minderjähriger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Ausschluss auf Grund des persönlichen Zustands . . . . . . . . . 270 cc) Zulässigkeit von Einlasskontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (1) Schutzgut der Einlasskontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (2) Rechtsgrundlage für die Anordnung von Einlasskon­ trollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

14 Inhaltsverzeichnis (3) Verfassungsrechtliche Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 b) Quantitative Beschränkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 aa) Grenze der örtlichen Kapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 bb) Rechtfertigungsmöglichkeit einer Zugangsregelung . . . . . . . 279 cc) Rechtfertigungsgründe für Zugangsregelungen . . . . . . . . . . . 280 dd) Zulässige Zugangsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (1) Grundsatz der Gleichbehandlung und der Willkürfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (2) Bevorzugung ortsansässiger Zuschauer . . . . . . . . . . . . . . 282 (3) Präferierung von Medienvertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Ausschussöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 a) Ausgestaltung in den Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 b) Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 aa) Zulässigkeit genereller Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 286 bb) Zulässigkeit nicht öffentlicher Vorberatungen . . . . . . . . . . . . 288 2. Interne Entscheidungsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3. Öffentlichkeit kommunaler Aufsichtsräte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Keine Flucht ins Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 b) Obligatorische Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 aa) Aktienrechtliche Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb) Verhältnis zum kommunalverfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 c) Fakultative Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 aa) Anwendbarkeit des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit . . . 303 bb) Disponibilität der Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 cc) Schutz des gesellschaftsrechtlichen Kernbereichs . . . . . . . . . 308 dd) Gesellschaftsinteresse kommunaler Eigengesellschaften . . . . 309 (1) Öffentlicher Zweck als Unternehmensinteresse . . . . . . . 309 (2) Demokratisches und rechtsstaatliches Interesse der Gesellschafterin „Kommune“ an Öffentlichkeit . . . . . . . 312 (3) Keine entgegenstehenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (4) Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . 314 (5) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (6) Schutz vertraulicher Informationen auch bei grundsätzlicher S ­ itzungsöffentlichkeit durch Öffentlichkeitsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (7) Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 d) Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 e) Mögliche Transparenzregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

Inhaltsverzeichnis15 V. Formelle und materielle Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition der Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche und tatsächliche Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkung auf die Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

324 324 326 326 327 328

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 I. Notwendigkeit einer verfassungsrechtlich geschützten Position . . . . . . . . 330 II. Notwendige Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 III. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 1. Einzelfallentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 a) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 b) Sonderfall Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 c) Ausschluss durch abstrakt-generelle, ortsrechtliche Regelungen . 335 2. Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 a) Einwilligungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 b) Pflicht zur Einholung einer Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 c) Konkludente Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 3. Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 4. Praktische Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 5. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 a) Erforderlichkeit: Teilungs- oder Trennungsge- oder -verbot? . . . . 345 b) Angemessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 IV. Gebundene Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 V. Rechtsfolgen gerechtfertigter, kommunaler Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . 354 1. Beschränkung des Zutrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 a) Materielle Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 b) Allgemein-formelle Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 c) Individuell-formelle Nichtöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Nichtöffentlichkeit, Vertraulichkeit und Geheimhaltung . . . . . . . . . . 356 3. Diskretionsstufen kommunaler Nichtöffentlichkeitsarten . . . . . . . . . . 357 a) Materiell oder individuell-formell nicht öffentliche Sitzungen . . 358 b) Allgemein-formell nicht öffentliche Sitzungen  . . . . . . . . . . . . . . 358 c) Bindungswirkung der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . 359 aa) Keine Durchbrechung wegen Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . 360 bb) Ende der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 4. Umfang der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausdrückliche Formulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

365 365 366 366 368

16 Inhaltsverzeichnis II. Kollidierende Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 1. Gründe des öffentlichen Wohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 a) Das freie Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 b) Bestand und Funktionsfähigkeit des Staats und der Kommunen . 372 aa) Schutzwürdige kommunale Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 bb) Mangelnde Effizienz als Funktionsbeeinträchtigung . . . . . . . 373 cc) Staatssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 c) Kommunale Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 d) Rechtsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 2. Berechtigte Interessen Einzelner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 a) Persönliche Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 aa) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 bb) Begriff der Persönlichen Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 cc) Geschützte Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 dd) Mögliche Eingriffe durch Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 385 ee) Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 b) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 3. Natur des Beratungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 III. Typische Praxisfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 1. Militärische Geheimnisse/zivile Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 2. Vertragsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 a) Kommunale Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 b) Vergabeentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 3. Grundstücksangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 a) Verkauf kommunaler Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 aa) Bekanntgabe des Namens des Vertragspartners . . . . . . . . . . . 401 bb) Schutzwürdigkeit des Kaufpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 cc) Bekanntgabe gewährter Zuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 b) Grundstückskäufe durch die Kommune . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 aa) Schutzbedürftigkeit der kommunalen Verhandlungsposition . 403 bb) Gefahr einer Bodenspekulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 c) Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 404 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 bb) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 cc) Belange des öffentlichen Wohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 dd) Berechtigte Interessen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 ee) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 d) Allgemeine Verkaufs- oder Ansiedlungskriterien . . . . . . . . . . . . . 408 e) Die kommunale Bauleitplanung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 aa) Gefahr der Bodenspekulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 bb) Umgang mit Anregungen und Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . 410

Inhaltsverzeichnis17 f) Die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens . . . . . . . . . . . . . g) Entscheidungen über Bauvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beratungen über prozesstaktisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechnungsprüfungsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beratung von Sparkassenangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die kommunale Rechtssetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Behandlung von Personalangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Beratung des Stellen- und Sollstellenplans . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsatz zur Beratung von Personalangelegenheiten . . . . . . . . . c) Herausgehobene Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Vorbereitung von Schöffenwahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Behandlung von Steuerangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Individuelle Finanzangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Eingaben aus der Bürgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Befangenheit und Ordnungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Übertragene Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Definition: Rechtfertigungs- und Ausschlussgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . .

410 410 411 412 413 414 414 415 416 417 420 420 421 422 425 425 425

F. Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit . 427 I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 1. Fehlerfolge: Rechtswidrigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 a) Rechtsnormcharakter der Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 b) Rechtswidrigkeitsfolge der Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 c) Keine Verantwortungsabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 d) Keine Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen Vorschriften der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 aa) Keine Unbeachtlichkeit von Bekanntmachungsmängeln . . . . 434 bb) Keine Entbehrlichkeit der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 437 cc) Keine Nachreichbarkeit fehlender oder ungenauer Ortsoder Zeitangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 dd) Keine Unbeachtlichkeit durch Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . 439 e) Keine Heilungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 aa) Genehmigungsvorbehalt – Art. 52 Abs. 1 S. 2 GO BY . . . . . 440 bb) Präklusion durch rügeloses Einlassen – § 34 Abs. 4 GemO RP  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 2. Sanktion: Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 a) Beschlüsse mit unmittelbarer Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 443 aa) Schwerwiegender Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 bb) Offensichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 cc) Ergebnis: keine offensichtliche Fehlerhaftigkeit . . . . . . . . . . 447 b) Sonstige Beschlüsse im Innenverhältnis: Grundsatz der Bindungswirkung im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

18 Inhaltsverzeichnis aa) Rechtsrichtigkeit vs.. Rechtssicherheit – Problemdarstellung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 bb) Entscheidungskompetenz des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . 451 cc) Öffentlich-rechtliche Fehlerfolgensystematik . . . . . . . . . . . . . 453 (1) § 43 VwVfG als Ausnahme oder beispielhafte Normierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (2) Keine Normierung der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (3) Feststellungsnotwendigkeit der Unwirksamkeit . . . . . . . 454 (4) Gesetzessystematische Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . 455 (5) Keine Durchbrechung der Bindungswirkung durch einfache ­Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 (6) Keine abschließende Sanktionslosigkeit . . . . . . . . . . . . . 457 (7) Ergebnis: Grundsätzliche Bindungswirkung auch bei Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 dd) Schlichter Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 c) Umsetzungsakte im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 aa) Normsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 (2) Bindungswirkung im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . 463 bb) Öffentlich-rechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 cc) Realakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 dd) Privatrechtliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 ee) Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 3. Schadensersatzpflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 II. Die unzulässige öffentliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 1. Fehlerfolge: Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 2. Sanktion: Schadensersatz und strafrechtliche Konsequenzen  . . . . . . 471 III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 1. Privatpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 a) Außergerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 aa) Widerspruchsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 bb) Aufsichtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 b) Gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 aa) Primäre Ebene: Teilnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 (1) Bekanntmachungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 (2) Nachwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 (3) Statthafte Klageart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 bb) Sekundäre Ebene: Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 (1) Beschluss mit unmittelbarer Außenwirkung . . . . . . . . . . 480 (2) Inzidente Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 2. Verwaltungsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

Inhaltsverzeichnis19 a) Widerspruchs- bzw. Beanstandungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgenbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwaltungsmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Datenschutzbeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Mandatsträger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verletzung mandatschaftlicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Statthafte Klageart im Kommunalverfassungsstreit . . . . . . . . . . . 7. Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

482 484 485 485 486 488 488 488 489 495 498

G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524

Abkürzungsverzeichnis AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des am 01.12.1999 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon

AfP

Archiv für Presserecht – Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht

AG

Die Aktiengesellschaft – Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, für deutsches, europäisches und internationales Kapitalmarktrecht

AktG

Aktiengesetz in der Fassung vom 06.09.1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2446)

AO

Abgabenordnung in der Fassung vom 01.10.2002 (BGBl. I S. 3866, ber. 2003 S. 61), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2017 (BGBl. I S. 2745)

AöR

Archiv für öffentliches Recht

AS RP-SL

Amtliche Sammlung von Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Rheinland-Pfalz und Saarland

BAGE

Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BauGB

Baugesetzbuch in der Fassung vom 23.09.2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.07.2017 (BGBl. I S. 2808)

BayObLGSt

Sammlung des Bayerischen Oberlandesgerichts in Strafsachen

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter

BB

Der Betriebsberater

BB Brandenburg BbgKVerf

Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) in der Fassung vom 18.12.2007 (GVBl. I/07, [Nr. 19], S. 286), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.06.2018 (­GVBl. I/18, [Nr. 15])

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung vom 27.01.1977 (BGBl. I S. 201), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 30.06.2017 (BGBl. I S. 2097)

BDSG a. F.

Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung vom 27.01.1977 (­ BGBl.  I S.  201), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.10.2017 (BGBl. I S. 3618), außer Kraft getreten am 25.05.2018

Abkürzungsverzeichnis21 BE Berlin BeamtStG

Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz) in der Fassung vom 17.06.2008 (BGBl. I S. 1010), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.06.2017 (BGBl. I S. 1570)

BeckRS Beck-Rechtsprechnung BekanntmVO BB

Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen und sonstigen ortsrechtlichen Vorschriften in den Gemeinden, Ämtern und Landkreisen (Bekanntmachungsverordnung – BekanntmV) Brandenburg in der Fassung vom 01.12.2000 (GVBl. II/00, [Nr. 24], S.435), zuletzt geändert durch Art.l 4 des Gesetzes vom 20.04.2006 (GVBl. I/06, [Nr. 04], S. 46, 48)

BekanntmVO NRW

Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von kommunalem Ortsrecht (Bekanntmachungsverordnung Bekanntm­ VO) Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 11.06.1950 (GV. NRW S. 127), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 25.10.2016 (GV. NRW S. 860)

BekanntVO SH

Landesverordnung über die örtliche Bekanntmachung und Verkündung (Bekanntmachungsverordnung – BekanntVO) Schleswig-Holstein in der Fassung vom 11.11.2005 (GVOBl. SH S.  527), zuletzt geändert durch Verordnung vom 08.11.2013 (GVOBl. SH S. 439)

BekVO HE

Verordnung über öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinden und Landkreise Hessen in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.10.1977 (GVBl. I S. 409), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 16.12.2011 (GVBl. I S. 786)

BekVO SL

Verordnung über die öffentlichen Bekanntmachungen der Gemeinden und Gemeindeverbände (Bekanntmachungsverordnung – BekVO) Saarland in der Fassung vom 15.10.1981 (Amtsbl. S. 828), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 15.11.2017 (Amtsbl. I S. 1007)

BezVG BE

Bezirksverwaltungsgesetz Berlin in der Fassung vom 10.11.2011 (GVBl. 2011, S. 692), zuletzt geändert durch Art. 22 des Gesetzes vom 02.02.2018 (GVBl. S. 160)

BezVG HH

Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) Hamburg in der Fassung vom 06.12.2006 (HmbGVBl. S. 404, Artikel 1 des Zweiten Gesetzes zur Reform der Bezirksverwaltung), zuletzt geändert am 30.10.2012 (HmbGVBl. S. 449, 452)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 02.01.2002 (­BGBl. I S. 42, ber. S. 2909, 2003 S. 738), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2018 (BGBl. I S. 1151)

BGG

Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) in der Fassung vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467, 1468), zuletzt geändert

22 Abkürzungsverzeichnis durch Artikel 3 des Gesetzes vom 10. Juli 2018 (BGBl. I S. 1117) BGHSt

Sammlung der Entscheidungen des BGH in Strafsachen

BGHZ

Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen

BK GG

Friauf, Karl Heinrich/Höfling, Wolfram (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, Lfg. Juni 2020. Berlin

BLNVerf

Verfassung von Berlin in der Fassung vom 23.11.1995, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.03.2016 (GVBl. S. 114)

BRS Baurechtssammlung BRV

Bismarcksche Reichsverfassung

BSGE

Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts

Buchholz

Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

BVerfGE

Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts

BVerwGE

Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts

BW Baden-Württemberg BWGZ

Zeitschrift für die Städte und Gemeinden, Stadträte, Gemeinderäte und Ortschaftsräte; Organ des Gemeindetags BadenWürttemberg – Die Gemeinde

BWVPr.

Baden-Württembergische Verwaltungspraxis

BY Bayern CRPD

Convention on the Rights of Persons with Disabilities/UNBehindertenrechtskonvention

DB

Der Betrieb

DEMO

Demokratische Gemeinde

Denkschriften der   Kaiserlichen   Akademie der   Wissenschaften VI

Kaiserliche Akademie der Wissenschaften PhilosophischHistorische Classe (Hrsg.), Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften – Philosophisch-Historische Classe. Sechster Band, Wien 1855

Der Staat

Der Staat – Zeitschrift für Staatslehre, öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte

Die Fundstelle

Die Fundstelle für die Kommunalverwaltung in Niedersachsen

Die Gemeinde

Die Gemeinde – Zeitschrift für die kommunale Selbstverwaltung in Schleswig-Holstein

Die Verwaltung

Die Verwaltung: Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaften

DNG

Die Niedersächsische Gemeinde

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

Abkürzungsverzeichnis23 DRiK

Datenbank zur Rechtsprechung im Kommunalrecht unter ­http://drik.de

DrittelbG

Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat – Drittelbeteiligungsgesetz in der Fassung vom 18.05.2004 (BGBl. I S. 974), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.04.2015 (BGBl. I S. 642)

DSGVO

Verordnung Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien ­Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) Amtsblatt L  119 vom 04.05.2016, S. 1, ber. Amtsblatt L 314 vom 22.11.2016, S. 72, Amtsblatt L 127 vom 23.05.2018, S. 2

DStR

Deutsches Steuerrecht

DStT

Deutscher Städtetag

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt

DVP

Deutsche Verwaltungspraxis

DVP/RP

Deutsche Verwaltungspraxis Ausgabe Rheinland-Pfalz Fachzeitschrift für Wissenschaft und Praxis in der öffentlichen Verwaltung

ESVGH

Entscheidungssammlung des Verwaltungsgerichtshofes Hessen und Baden-Württemberg

EzKommR

Entscheidungssammlung zum Kommunalrecht

FG Herzfeld

Berges, Wilhelm (Hrsg.), Zur Geschichte und Problematik der Demokratie, Festgabe für Hans Herzfeld anläßlich seines fünfundsechzigsten Geburtstages am 22. Juni 1957, Berlin, 1958

FS 50 J. BVerfG

Badura, Peter/Dreier, Horst (Hrsg.), Festschrift – 50 Jahre Bundesverfassungsgericht – zweiter Band – Klärung und Fortbildung des Verfassungsrechts, Tübingen 2001

FS Arndt

Ehmke, Horst/Schmidt, Carlo/Scharoun, Hans (Hrsg.), Festschrift für Adolf Arndt zum 65. Geburtstag, Frankfurt am Main 1969

FS Hoppe

Erbguth, Wilfried (Hrsg.), Planung – Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, München 2000

FS Stein

Faber, Heiko/Frank, Götz/Stein, Ekkehart (Hrsg.), Demokratie in Staat und Wirtschaft – Festschrift für Ekkehart Stein zum 70. Geburtstag am 24.09.2002, Tübingen 2002

GemHH

der gemeindehaushalt [sic!]: Fachzeitschrift für das kommunale Haushalts- und Wirtschaftsrecht, das Kassen-, Rechnungs- und Prüfungswesen sowie das gesamte kommunale Abgabenrecht

24 Abkürzungsverzeichnis GemO BW

Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.07.2000 (GBl. S. 582, ber. S. 698), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.06.2018 (GBl. S. 221) m. W. v. 30.06.2018

GemO RP

Gemeindeordnung (GemO) Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 31.01.1994 (GVBl. S. 153), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.03.2017 (GVBl. 21)

GemO-VV zu   § X GemO RP

Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Gemeindeordnung (GemO-VV) Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 03.05.1979 (MinBl. S. 179), zuletzt geändert durch Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 09.12.2016 (MinBl. S. 278–280)

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der Fassung vom 23.05.1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.07.2017 (BGBl. I S. 2347)

GKWG SH

Gesetz über die Wahlen in den Gemeinden und Kreisen in Schleswig-Holstein (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz – ­GKWG) in der Fassung vom 19.03.1997 (GVOBl. SH S. 151), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.11.2017 (GVOBl. SH S. 492)

GLKrWG BY

Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG) Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 07.11.2016 (GVBl. S. 834), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 22.03.2018 (GVBl. S. 145)

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter ­ aftung (GmbH-Gesetz) in der Fassung vom 20.04.1892 H (­ RGBl. I S.  477), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2446)

GmbHR GmbH-Rundschau GO BY

Gemeindeordnung (GO) Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. 08.1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020-1-1I), zuletzt geändert durch § 2 Abs. 3 des Gesetzes vom 15.05.2018 (GVBl. S. 260)

GO  NRW

Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in der Fassung vom 14.07.1994 (GV. NRW. S. 666), zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 23.01.2017 (GV. NRW. S. 90)

GO SH

Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung vom 28.02.2003 (GVOBl. SH S. 57), zuletzt geändert durch Gesetz vom 04.01.2018 (GVOBl. SH S. 6)

GOEP

Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments

GORT

Geschäftsordnung des Reichstags

Abkürzungsverzeichnis25 GOStVV Brhv GS Jellinek

GV

Geschäftsordnung für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven (GOStVV) in der Fassung vom 16.12.1971 Bachof, Otto/Drath, Martin/Gönnewein, Otto/Walz, Ernst (Hrsg.), Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek 12. Juli 1885 – 9. Juni 1955, München 1955 Die Gemeindeverwaltung in Rheinland-Pfalz: Fachzeitschrift für die kommunale Praxis.

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2018 (BGBl. I S. 1151)

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 15.07.2005 (BGBl. I S. 2114, ber. 2009 S. 3850), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2018 (BGBl. I S. 1151)

HB

Hansestadt Bremen

HE Hessen Helmreich, GO BY

Widtmann, Julius (Hrsg.). Bayerische Gemeindeordnung, 4. Aufl., München 1980

Helmreich/Grasser   GO BY

Widtmann, Julius/Grasser, Walter/Helmreich, Karl/Glaser, Erhard (Hrsg.), Bayerische Gemeindeordnung – Kommentar, Loseblattsammlung, 22. Lfg. Dez. 2014, München 1986/1987

HessVGRspr

Rechtsprechung der hessischen Verwaltungsgerichte

HFR

Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung

HGO

Hessische Gemeindeordnung (HGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 07.03.2005 (GVBl. I S. 142), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 21.06.2018 (GVBl. S. 291)

HGrsG

Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG) in der Fassung vom 19.08.1969 (BGBl. I S. 1273) zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 14.08.2017 (BGBl. I S. 3122, 3139)

HH

Hansestadt Hamburg

HRR

Höchstrichterliche Rechtsprechung

HSGZ

Hessische Städte- und Gemeindezeitung

JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart JöR 1 (1951) herausgegeben von Häberle, Peter, JöR 26 (1977) herausgegeben von Leibholz, Gerhard

JR

Juristische Rundschau

JURA

Juristische Ausbildung

JurionRS

digitale Rechtsbibliothek, betrieben durch die Wolters Kluwer Deutschland GmbH unter der Domain https://www.­ jurion.de, Stand 24.11.2018

26 Abkürzungsverzeichnis Juris

juris – Das Rechtsportal, betrieben durch die juris GmbH unter der Domain www. juris.de, Stand 23.11.2018 JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung KommJur Kommunal Jurist KommP By KommunalPraxis Bayern KommP MO KommunalPraxis – Ausgabe für Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen: Zeitschrift für Verwaltung, Organisation und Recht KommP N Kommunalpraxis – Ausgabe für Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen KommWirtsch Kommunalwirtschaft Kopp/Ramsauer, Ramsauer, Ulrich (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz –   VwVfG Kommentar, 22. Aufl., München 2021 KPBl. Kommunalpolitische Blätter KStZ Kommunale Steuerzeitschrift KSVG SL Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG) Saarland in der Fassung vom 27.06.1997 (Amtsbl. S. 682), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 15.06.2016 (Amtsbl. I S. 840) KV M-V Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunalverfassung – KV M-V) in der Fassung vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 777) KVG LSA Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (Kommunalverfassungsgesetz – KVG LSA) in der Fassung vom 17.06.2014 (GVBl. LSA S. 288), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.06.2018 (GVBl. LSA S. 166) KVR HE n. n. (Hrsg.), Kommunalverfassungsrecht Hessen – Hessische Gemeindeordnung (HGO), Hessische Landkreisordnung (HKO), Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit (KGG), Gesetz über die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main (Me­ tropolG), Hessisches Kommunalwahlgesetz (KWG), Loseblattsammlung, 39. Lfg. April 2015, Wiesbaden 1999 KVR RP n. n. (Hrsg.), Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz – Gemeindeordnung (GemO), Landkreisordnung (LKO), Bezirksordnung (BezO), Zweckverbandsgesetz (ZwVG), Kommunalwahlgesetz (KWG); Kommentare, Texte, Loseblattsammlung, 38. Lfg. Nov. 2014, Wiesbaden 1994 KWG HE Hessisches Kommunalwahlgesetz (KWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 07.03.2005 (GVBl. I S. 197), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 20.12.2015 (GVBl. S. 618) Lehné/Weirich, Weirich, Rainer (Hrsg.), Saarländisches Kommunalrecht –   Saarländisches Ein Ratgeber für Politik und Verwaltung, Loseblattsamm  Kommunalrecht lung, 21. Lfg. Juni 2014, St. Ingbert 1987

Abkürzungsverzeichnis27 LKRZ

Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen – Rheinland-Pfalz – Saarland

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung

LMK

Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring

LSAVerf

Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt in der Fassung vom 16.07.1992 (GVBl. LSA S. 600), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.01.2005 (GVBl. LSA S. 44)

LStatG BW

Landesstatistikgesetz Baden-Wurttemberg in der Fassung vom 24.04.1991 (GBl. 1991, 215), zuletzt geändert durch Art. 15 der Verordnung vom 25.01.2012 (Gbl. S. 65, 66)

LVerf BB

Verfassung des Landes Brandenburg in der Fassung vom 20.08.1992 (GVBl. I/92, S. 298), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.03.2015 (GVBl.I/15, [Nr. 6])

LVerf BW

Verfassung des Landes Baden-Württemberg in der Fassung vom 11.11.1953 (GBl. S. 173), zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.12.2015 (GBl. S. 1030, 1032)

LVerf BY

Verfassung des Freistaates Bayern in der Fassung vom 02.12.1946, zuletzt geändert durch Gesetze vom 11.11.2013 (GVBl. S. 638–642)

LVerf HB

Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen in der Fassug vom 21.10.1947 (Brem.GBl. S. 251), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.01.2015 (Brem.GBl. S. 23)

LVerf  HE

Verfassung des Landes Hessen in der Fassung vom 01.12.1946 (GVBl. S. 229), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.10.2002 (GVBl. S. 626–628)

LVerf HH

Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg in der Fassung vom 06.06.1952 (HmBL I 100-a), zuletzt geändert durch Gesetz vom 03.06.2012 (HmbGVBl. S. 253)

LVerf M-V

Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der Fassung vom 15.11.1994, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 30.06.2011 (GVOBl. M-V S. 375)

LVerf NRW

Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 11.06.1950 (GV. NRW. S. 127), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 25.10.2016 (GV. NRW S. 860)

LVerfGE Bb

Entscheidungssammlung Brandenburg

LVerfGE HB

Entscheidungssammlung des Landesverfassungsgerichts Bremen

LVerfGE LSA

Entscheidungssammlung des Landesverfassungsgerichts Sach­ sen-Anhalt

LVerfGE MV

Entscheidungssammlung des Mecklenburg-Vorpommern

des

Landesverfassungsgerichts

Landesverfassungsgerichts

28 Abkürzungsverzeichnis MitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz – MitbestG) in der Fassung vom 04.05.1976 (BGBl. I S. 1153), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 24.04.2015 (BGBl. I S. 642) Mitt. NWStGB Mitteilungen Nordrhein-Westfälischer Städte- und Gemeindebund MV Mecklenburg-Vorpommern Nds Niedersachsen Nds Verf Niedersächsische Verfassung in der Fassung vom 01.06.1993, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 30.06.2011 (NdS. GVBl. S. 210) NdsVBl. Niedersächsische Verwaltungsblätter NJW Neue Juristische Wochenschrift NKomVG Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) in der Fassung vom 17.12.2010 (NdS. GVBl. S. 576), zuletzt geändert durch Art.  2 des Gesetzes vom 20.06.2018 (NdS. GVBl. S. 113) n. n. Name/n war/en nicht ermittelbar NRW Nordrhein-Westfalen NRWE Rechtsprechungsdatenbank der Gerichte in Nordrhein-Westfalen NST-N Nachrichten für kreisfreie und kreisangehörige Städte, Gemeinden und Samtgemeinden/Niedersächsischer Städtetag NStVb SH Nachrichten des Städteverbandes Schleswig-Holstein NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht RechtsprechnungsReport NWVBl. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht openJur digitale Rechtsprechungsdatenbank, betrieben durch den openJur  e. V. unter der Domain https://openjur.de, Stand 23.11.2018 OVGE BE Entscheidungssammlung des Oberverwaltungsgerichts Berlin OVGE MüLü Entscheidungssammlung der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg Publikationen KFS Publikationen Kommunalpolitisches Forum Sachsen e. V. PUBLIZISTIK PUBLIZISTIK – Zeitschrift für Wissenschaft von Presse, Rundfunk, Film, Rhetorik, Wertung und Meinungsbildung PVS Politische Vierteljahresschrift – Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft R&R Rathaus und Recht

Abkürzungsverzeichnis29 RbHb

Rechtsboard Handelsblatt

RDV

Recht der Datenverarbeitung

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RhPfVerf

Verfassung für Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 18.05.1947 (VOBl. S. 209), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.05.2015 (GVBl. S. 35)

RP Rheinland-Pfalz RspDb VerfGH TH

digitale Rechtsprechungsdatenbank des Thüringer Verfassungsgerichtshofes

SächsGemO

Sächsische Gemeindeordnung (SächsGemO) in der Fassung vom 09.03.2014 (SächsGVBl. S. 146), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 13.12.2017 (SächsGVBl. S. 626)

SächsVerf

Verfassung des Freistaates Sachsen in der Fassung vom 27.05.1992 (SächsGVBl. S. 243), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 11.07.2013 (SächsGVBl. S. 502)

Schmidt-Bleibtreu, GG Hofmann, Hans/Hopfauf, Axel (Hrsg.), GG – Kommentar zum Grundgesetz, 14. Aufl., Köln 2018 SGB I

Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil in der Fassung vom 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.08.2017 (BGBl. I S. 3214)

SGB X

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in der Fassung der ­Bekanntmachung vom 18.01.2001 (BGBl. I S. 130), zuletzt geändert durch Artikel 1a des Gesetzes vom 10.07.2018 (­BGBl. I S. 1117)

SH Schleswig-Holstein SKV

Staats- und Kommunalverwaltung

SKZ

Saarländische Kommunalzeitschrift

SL Saarland SLK Sachsenlandkurier SN Sachsen ST Sachsen-Anhalt StädtT

Der Städtetag

StGB

Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.10.2017 (BGBl. I S. 3618)

Studium Generale

Studium Generale: Zeitschrift für interdisziplinäre Studien

StuGe

Stadt und Gemeinde

StuGeR

Städte- und Gemeinderat

30 Abkürzungsverzeichnis SVerf

Verfassung des Saarlandes in der Fassung vom 15.12.1947 (Amtsbl. S. 1077), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 15.06.2011 (Amtsbl. S. 236)

Tagesspiegel

Der Tagesspiegel

TH Thüringen ThürBekVO

Thüringer Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen der Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreise (Thüringer Bekanntmachungsverordnung – ThürBekVO) in der Fassung vom 22.08.1994 (GVBl. S. 1045) ThürKO Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung – ThürKO) in der Fassung vom 28.01.2003 (GVBl. S. 41), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10.04.2018 (GVBl. S. 74) ThürKWG Thüringer Gesetz über die Wahlen in den Landkreisen und Gemeinden (Thüringer Kommunalwahlgesetz – ThürKWG) in der Fassung vom 16.08.1993 (GVBl. S. 530), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 06.06.2018 (GVBl. S. 229) ThürVBl. Thüringer Verwaltungsblätter ThürVerf Verfassung des Freistaats Thüringen in der Fassung vom 25.10.1993 (GVBl. S. 625), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 11.10.2004 (GVBl. S. 745) Überblick Der Überblick – Verbandszeitschrift des Städte- und Gemeindetags Mecklenburg-Vorpommern VBlBW Verwaltungsblätter Baden-Württemberg Verf SH Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung vom 02.12.2014 (GVOBl. SH S. 334), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.12.2016 (GVOBl. SH 1008) VerfBrhv Verfassung für die Stadt Bremerhaven (VerfBrhv) in der Fassung vom 03.12.2015 (Brem. GBl. S. 670) VerwArch Verwaltungsarchiv VerwRspr. Sammlung oberstrichterlicher Entscheidungen aus dem Verfassungs- und dem Verwaltungsrecht VGHE BY Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs …, Teil 1: Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs VgV Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung) in der Fassung des Artikels 1 der Verordnung vom 12.04.2016 (BGBl. I S. 624), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.07.2018 (BGBl. I S. 1117) von Mangoldt/Klein/ Mangoldt/Klein/Starck, Christian (Hrsg.), Kommentar   Starck zum Grundgesetz, 7. Aufl., München 2018

Abkürzungsverzeichnis31 von Münch/Kunig, GG Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar – Band 1: Präambel bis Art. 69, 6. Aufl., München 2012 VR Vergleichende Rechtswissenschaft VR Verwaltungsrundschau – Zeitschrift für Verwaltung und Praxis VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VwRR N Verwaltungsrechtsreport N – Beilage der KommP N VwV GemO BW zu § X Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in der Fassung vom 01.12.1985 (GABl. S. 1113), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschriften vom 24.11.1989 (GABl. S. 1276 Az.: IV 3/728I) WissR Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschafts­ förderung WiVerw. Wirtschaft und Verwaltung ZBVR online Rechtsprechungsdienst der Zeitschrift für Betriebsverfassungsrecht ZfP Zeitschrift für Politik ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis ZJS Zeitschrift für das Juristische Studium ZLR Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht ZMR Zeitschrift für Miet- und Raumrecht ZParl Zeitschrift für Parlamentsfragen ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik

A. Einleitung Die Öffentlichkeit gewählter Volksvertretungen ist ein zentraler Baustein unserer Demokratie. Bereits im 14. Jahrhundert formulierte Heinrich der Teich­ner: „Wan die êre treit man offentlîchen, lafter fiht man in winkel flîchen.“1

* Erst die Öffentlichkeit menschlichen Handelns ermöglicht deren Beurteilung2. Klein führt mit den Worten, „Gute Obrigkeit scheut nicht das Licht“,

in die Kommentierung zur Öffentlichkeit der Sitzungen des Bundestags ein3. Gemein ist diesen Aussprüchen die Grundannahme, dass die Akzeptanz von Politik und Staatsführung durch das Volk Transparenz braucht. Für die repräsentative Demokratie folgt daraus, dass die Nichtöffentlichkeit von Entscheidungen gewählter Volksvertretungen ein Fremdkörper ist4. Vielfach wird die Sitzungsöffentlichkeit heutzutage als Selbstverständlichkeit hingenommen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass sie das auch heute noch nicht ist. So stehen in dem Zeitraum des Bestehens des Deutschen Bundestags von 1949 bis 1999 unter Berücksichtigung der Sitzungen des Plenums und seiner Ausschüsse 7.700 öffentliche Sitzungen 57.547 nicht öffentlichen Sitzungen gegenüber5. Ungeachtet des langen Prozesses, welcher der Etablierung der Sitzungs­ öffentlichkeit in den Bereichen, in denen sie heute praktiziert wird, zu Grunde liegt, sind zunehmende Bestrebungen festzustellen, die Öffentlichkeit – insbesondere zugunsten des Datenschutzes – zurückzudrängen. Be1  von Karajan, in: Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wisschenschaften VI, S. 85, 149 Fn. 217. 2  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (416). 3  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 5. 4  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 131 spricht von einer Anomalie. 5  Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 40.

34

A. Einleitung

günstigt wird dies dadurch, dass Inhalt und Umfang des Öffentlichkeitsbegriffs nach wie vor umstritten sind. Deutlich zeigt sich beispielhaft an der Diskussion ob und ggf. inwieweit Sitzungsöffentlichkeit auch Medienöffentlichkeit, das heißt das Recht Bild- und Tonaufnahmen in Sitzungen anzufertigen, umfasst. Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen ist auch immer wieder die Frage, wann die Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Volksvertretungen ausgeschlossen werden darf. Dem kommt auf kommunaler Ebene eine besondere Bedeutung zu, denn der Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen kommunaler Volksvertretungen ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Zwar gelten in allen Bundesländern Publizitätsbestimmungen für die kommunalen Volksvertretungen6, die Regelungen erwecken jedoch den Eindruck, „die Öffentlichkeit könne nach Belieben und quasi gleichwertig ausgeschlossen oder zugelassen werden“7, denn Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen der kommunalen Volksvertretung sind nicht in allen Bundesländern normiert8. Sofern materiell-rechtliche Voraussetzungen für eine Einschränkung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit gemacht werden, erfolgt dies durch auslegungsbedürftige Begriffe, wie dem „öffent­ lichen Wohl“9, dem „Wohl der Allgemeinheit“10, dem „Gemeinwohl“, den „berechtigte[n] Interesse[n] Einzelner“11 oder der „Natur des Beratungsgegen­ stands“12, die einen sehr weiten Interpretationsspielraum lassen.

6  § 35 Abs. 1 S. 1 GemO  BW; Art. 52 Abs. 2 S. 1 GO  BY; § 8 Abs. 6 S. 1 BezVG BE; § 44 S. 1 BB; Art. 91 i. V. m. § 148 Abs. 1 S. 2 LVerf HB; § 31 VerfBrhv; § 14 Abs. 1 HH; § 52 Abs. 1 S. 1 HGO; § 29 Abs. 5 S. 1 KV  M-V; § 64 Abs. 1 S. 1 NKomVG; § 48 Abs. 2 S. 1 GO NRW; § 35 Abs. 1 S. 1 GemO RP; § 40 Abs. 1 KSVG SL; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; § 50 Abs. 1 LSA; § 35 Abs. 1 S. 1 GO SH; § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO. 7  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 22. 8  Wie Art. 42 GG verlangen auch § 8 Abs. 6 S. 6 BezVerwG Berlin, Art. 148 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 91 LVerfG Bremen, § 31 S. 2 VerfBrhv und § 52 Abs. 2 S. 2 HGO nach ihrem Wortlaut lediglich die Einhaltung von Formalien. § 48 Abs. 2 S. 2 GO NRW schreibt die Spezifizierung durch eine ortsrechtliche abstrakt-generelle Regelung vor. 9  § 35 Abs. 1 S. 2 GemO BW; § 44 S. 2 GO BB; § 14 Abs. 2 S. 2 BezVG HH, § 29 Abs. 5 S. 2 KV M-V; § 64 Abs. 1 S. 1 NKomVG; § 40 Abs. 1 KSVG SL; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; § 52 Abs. 2 S. 1 KVG LSA; § 35 Abs. 1 S. 2 GO SH. 10  Art. 52 Abs. 2 2. Hs. GO BY; § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO. 11  § 35 Abs. 1 S. 2 GemO BW; Art. 52 Abs. 2 2. Hs. GO BY, § 44 S. 2 GO BB; § 14 Abs. 2 S. 2 BezVG HH; § 29 Abs. 5 S. 2 KV M-V; § 64 Abs. 1 S. 1 NKomVG; § 40 Abs. 1 KSVG SL; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; § 52 Abs. 2 S. 1 KVG LSA; § 35 Abs. 1 S. 2 GO SH; § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO. 12  § 35 Abs. 1 S. 1 GemO RP.



A. Einleitung35

Besondere Brisanz erhält dies dadurch, dass Kommunalpolitik überwiegend von Laienpolitikern13 geleistet wird, die dem Mandat neben ihrem eigentlichen Beruf nachkommen. Kommunale Politik wird überwiegend ehrenamtlich, unentgeltlich in der Freizeit quasi als Hobby betrieben. Aus der Ehrenamtlichkeit kommunalpolitischer Tätigkeit folgt ein strukturelles Wissensgefälle zwischen den hauptberuflichen Mitarbeitern der Kommunalverwaltung und den gewählten, ehrenamtlichen Mandatsträgern. Dies ermöglicht den Missbrauch eines Öffentlichkeitsausschlusses zu politischen Zwecken. Kommunalpolitikern steht zur Erfüllung ihrer Gestaltungs- und Kontrollfunktion in der Kommune kein eigenes Personal, wie dies für Landtags- oder Bundestagsabgeordnete üblich ist, zur Verfügung. Angesichts der vielfältigen Angelegenheiten, die in kommunalen Volksvertretungen zu entscheiden sind und dem Umstand, dass das kommunale Mandat nebenberuflich ausgeübt werden muss, ist es den Mitgliedern kommunaler Volksvertretungen rein tatsächlich nicht möglich sich in allen Fragen eine eigene, umfassende Expertise anzueignen. Sie müssen sich oftmals, insbesondere bei rechtlichen Fragestellungen, auf die Einschätzungen der Kommunalverwaltung verlassen. Es besteht damit die Gefahr, dass die Mandatsträger mittels der Verschwiegenheitspflicht, die eine nicht öffentliche Sitzung auslöst, „mundtot“ gemacht werden, indem seitens der Kommunalverwaltung auf einen Öffentlichkeitsausschluss hingewirkt wird. Eine politische Dimension erhält diese Situation dadurch, dass die Verwaltungsleitung, in Person des Bürgermeisters, auf Zeit gewählt ist. Dadurch kann das Eigeninteresse der Verwaltung, Informationen geheim zu halten, einer objektiven Beratung der Mandatsträger im Wege stehen. Unabhängig davon ist alleine die Verlockung, unpopuläre oder unliebsame Themen aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, wenn deren Brisanz erahnt wird, groß. Der Verfasserin ist der Zwiespalt zwischen Verschwiegenheitspflicht und politischer Verantwortung aus ihrer kommualpolitischen Erfahrung aus 14 Jahren Mitgliedschaft im Rat der Stadt Monheim am Rhein, einer kreisangehörigen Gemeinde in Nordrhein-Westfahlen mit rund 43.000 Einwohnern, aus ihrer persönlichen Erfahrung bekannt. Beispielhaft ist der in nicht öffentlicher Sitzung gefasste Beschluss des Rats der Stadt Monheim am Rhein aus dem Jahr 2009, ein Schrottverwertungsunternehmen in einem zentralen Gewerbegebiet anzusiedeln14. Dabei wurde die Nichtöffentlichkeit von Seiten 13  Soweit im Text nur die männliche Form verwendet wird, geschah dies alleine aus Gründen der Lesbarkeit. Nichtdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehöriger aller Geschlechter. 14  Siehe zum Vorhaben die öffentlich beratende Vorabbeteiligung der Stadt Monheim am Rhein im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung zum BImSch-Verfahren der

36

A. Einleitung

des Bürgermeisters mit dem zu Grunde liegenden Grundstücksgeschäft begründet. Die Ratsmitglieder schenkten dieser Beurteilung glauben. Nach Beschlussfassung wurde das Vorhaben öffentlich bekannt. In der Bevölkerung entstand die Befürchtung massiver Lärm- und Vibrationsimmissionen für die Umgebung. Während sich Bürgermeister und Verwaltung mit Verweis auf die Nichtöffentlichkeit weitestgehend weigerten inhaltliche Stellungnahmen abzugeben, durften die in der öffentlichen Kritik stehenden Ratsmitglieder auf Grund der Nichtöffentlichkeit keine Angaben machen. In der Praxis wird eine Vielzahl von Angelegenheiten nicht öffentlich behandelt15. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist auf kommunaler Ebene üblich. Während Art. 42 GG für den Bundestag ebenfalls eine Ausschlussmöglichkeit vorsieht, von der jedoch bisher noch kein Gebrauch gemacht wurde16, wird auf kommunaler Ebene fast jede Sitzung von vornherein in einen öffentlichen und einen nicht öffentlichen Teil gegliedert17. In der Folge beraten und entscheiden die kommunalen Volksvertreter regelmäßig hinter verschlossenen Türen. Oft werden weder Beratungsgegenstand, Diskussionsverlauf noch Abstimmungsergebnis nach der Sitzung öffentlich bekannt gegeben. Die Mandatsträger sind vielmehr bei Androhung von Strafe oder Ordnungsgeld zur Verschwiegenheit verpflichtet18. Dies stellt insbesondere für die Arbeit der Opposition ein Problem dar, die unter dem Siegel der Verschwiegenheit in der Wählerschaft keine inhaltliche Überzeugungsarbeit mehr leisten kann. IMR durch die Bezirksregierung Düsseldorf am 08.04.2009 – VII/1869, abrufbar unter https://session.monheim.de/session/bi/vo0050.php?__kvonr=1870, zuletzt geprüft am 28.01.2018; Anträge der SPD- und der PETO-Fraktion auf Durchführung eines BImSch-Verfahrens der Firma IMR, beraten am 23.01.2009 – VII/1791, abrufbar unter https://session.monheim.de/session/bi/vo0050.php?__kvonr=1792, zuletzt geprüft am 28.01.2018. 15  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 24. 16  Der Grund dafür ist jedoch weniger, dass es keinen Bedarf für nicht öffentliche Beratungen gibt, sondern dass die Ausschüsse des Bundestags grundsätzlich nicht öffentlich beraten, auf Ebene des Bundestags mithin nur noch die dort gefundenen Ergebnisse präsentiert werden – s. zum Funktionswandel der Parlamente vom disputierenden Gremium zum präsentierenden Organ Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. 17  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 160; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 7 S. 9; etwas anderes gilt seit der Gesetzesnovelle 2012 lediglich in Schleswig-Holstein. Dort ist eine präventive Gliederung der Sitzung in einen öffentlichen und nicht öffentlichen Teil nicht mehr zulässig. Die Gemeindevertretung muss stattdessen im Einzelfall über den Öffentlichkeitsausschluss entscheiden. Notwendig ist dafür ein Beschluss mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Gemeindevertreter: § 35 Abs. 2 GO SH; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 38; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 8 S. 315. 18  Siehe dazu Kapitel 3. Diskretionsstufen kommunaler Nichtöffentlichkeitsarten, S. 357 ff.



A. Einleitung37

Trotz der gängigen Praxis, die Öffentlichkeit zumindest von Teilen der Sitzungen kommunaler Volksvertretung auszuschließen, und der strukturell angelegten Missbrauchsgefahr bestehen für die Bürgerschaft und Mandatsträger nur eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Entscheidungen der kommunalen Volksvertretung können nicht alleine unter Hinweis darauf, dass gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit verstoßen wurde, angegriffen werden19. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, ob die kommunale Sitzungsöffentlichkeit tatsächlich beliebig eingeschränkt werden darf oder ob gerichtlich überprüfbare Anforderungen einzuhalten sind, welche dies gegebenenfalls sind und ob diese in ausreichender Weise geregelt sind. Dafür wird zunächst geklärt, wo die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ihre Wurzeln hat und was das für ihre Einschränkbarkeit bedeutet20. Im Anschluss daran wird eine Definition kommunaler Sitzungsöffentlichkeit entwickelt. Dafür werden die Rechte und Pflichten, die aus der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit folgen, betrachtet. Dazu zählen insbesondere die von den Kommunalverwaltungen einzuhaltenden organisatorischen Anfor­ derungen und der Umfang der Teilnahmemöglichkeiten der Bürgerschaft an öffentlichen Sitzungen21. Um die durch die Bundesstaatlichkeit ohnehin zu beachtende Vielzahl von Bestimmungen nicht ins Unüberschaubare an­ wachsen zu lassen, werden die gemeindeinternen Gliederungen in Bezirke22 ebenso wie die kommunalen Zusammenschlüsse zu Kreisen23 und Landschaftsverbänden24 nicht separat dargestellt. Darauf aufbauend wird herausgearbeitet, unter welchen Umständen ein Ausschluss der Öffentlichkeit besteht25 und ob und wann ein solcher Öffentlichkeitsausschluss legitim ist26. Abschließend werden die Rechtsfolgen und die Rechtsschutzmöglichkeiten bei Verstößen gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit betrachtet27. 19  Dazu ausführlich in Kapitel III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz, S. 472 ff., insb. S. 481. 20  Kapitel B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit, S. 38 ff. 21  Kapitel C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit, S. 140. 22  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 49. 23  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 338. 24  In NRW sind dies der Landschaftsverband „Rheinland“ mit Sitz in Köln und der Landschaftsverband „Westfalen-Lippe“ mit Sitz in Münster, Hellermann, in: Dietlein/ Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 355. 25  Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff. 26  Kapitel E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 27  Kapitel F. Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit, S. 427 ff.

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit I. Historische Entwicklung der Sitzungsöffentlichkeit „Die Zulassung der Öffentlichkeit (bürgerliche Öffentlichkeit) in den Sitzungen der Volksvertretungen ist historisch gewachsen und war nicht immer selbstverständlich.“1 Zum Verständnis des heutigen Begriffs der Sitzungsöffentlichkeit ist ein Blick in die Vergangenheit unumgänglich. Der historische Hintergrund ermöglicht es die Bedeutung der Sitzungsöffentlichkeit für das heutige Staatsgefüge zu erfassen. Mancher Meinungsstreit wird durch den geschichtlichen Kontext verständlicher und lösbar. 1. Sitzungsöffentlichkeit in Europa Der heutige Begriff der „Öffentlichkeit“ im Sinne eines die Allgemeinheit angehenden und ihr zugänglichen Sachverhalts existierte vor dem 18. Jahrhundert nicht2. Die „Öffentlichkeit [galt] schon im Mittelalter als Ausweis von Tugend, Rechtschaffenheit [und] Rechtmäßigkeit“3. Und auch im germanischen Rechts­wesen hatte die Öffentlichkeit bis ins 17. Jahrhundert die Funktion, „das Böse“ ans „Licht der Öffentlichkeit“ zu bringen4. Die Gerichtsöffentlichkeit des Mittelalters wurde mit dem Fortschreiten der Inquisition aber seiner Bedeutung und Funktion beraubt5. Die „öffentliche Sache“ war unbekannt6. „Öffentlich“ meinte im 17. Jahrhundert allgemein „staatlich“7. Dementsprechend bestand die Öffentlichkeit 1  Teschke,

in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 1. in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413

2  Hölscher,

(413 ff.). 3  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 5. 4  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S.  413 (417). 5  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (419). 6  Hölscher, Öffentlichkeit und Geheimnis, S. 9.



I. Historische Entwicklung39

aus dem staatlichen Hof8. Öffentliches stand folglich nicht jedermann offen9. Ausgehend von diesem Verständnis bestimmten im Zeitalter des Absolutismus Monarchen und „Geheimräte“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit über das gemeine Wohl10. a) Ausgangssituation England Die Sitzungsöffentlichkeit hielt nicht automatisch mit der Einführung des Parlamentarismus Einzug in die Staatsverfassungen. Obwohl das englische Parlament als „Mutter der Parlamente“ gilt, hatte es in dieser Hinsicht nur eine sehr eingeschränkte Vorbildfunktion11. So waren auch die englischen Parlamente bis ins 19. Jahrhundert „Geheimparlamente“12. Öffentlichkeit galt als Privileg des Parlaments13, über welche dieses entscheiden konnte. Als pro­blematisch wurde nicht nur die Anwesenheit von Frauen erachtet14. Bis 1845 war allen Nichtangehörigen und Nichtmitarbeitern des Parlaments eine Teilnahme generell untersagt15. 1681 autorisierte die britische Krone die erste Publikation16, in der einige Ergebnisse von Parlamentsdebatten zusammengefasst wurden. Das Parlament bestand dabei auf dem Verbot, diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Berichterstattungen durch andere Zeitungen verliefen dementsprechend zurückhaltend. Inhaltlich wurde zudem die Regierungsposition bevorzugt, so dass weder eine vollständige noch eine objektive Darstellung gewährleistet war.

7  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (413). 8  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S 91. 9  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (426). 10  Schmitt, Die Diktatur, S. 13 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 5. 11  Steiger, Studium Generale 1970, 710 (710). 12  Kißler, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S. 993 Rn. 3; Linck, DÖV 1973, 513 (514); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 16 m. w. N. 13  Hatschek/Kurtzig, Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 564. 14  Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes und der Bundesstaaten, S.  457 f.; Hatschek, Englisches Staatsrecht, S. 418 ff. 15  von Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, S. 305 Fn. 1; Redlich, Recht und Technik des englischen Parlamentarismus, S. 280 ff.; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 5. 16  „Votes“ genannt.

40

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Mit dem Erscheinen regelmäßiger Publikationen wurde die „stetige Kommentierung und Kritik von Maßnahmen der Krone und von Beschlüssen des Parlaments“ zur „Institution“ erhoben und „veränderten die nun vor das Forum der Öffentlichkeit zitierte öffentliche Gewalt. Zur ‚öffentlichen‘ wird sie dadurch in einer doppelten Bedeutung.“17 Zum einen, weil sie vor den Augen der Öffentlichkeit ausgeübt wird, zum anderen, weil sie sich nach und nach zur Gewalt der Öffentlichkeit wandelt. Als Reaktion auf weitere Publikationen verschärfte das Parlament das Verbot der Berichterstattungen. Veröffentlichungen aus den Parlamentsverhandlungen wurden von 1738 bis 1771 als „breach of privilege“ strafrechtlich verfolgt18. Auch wenn die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts nicht formell aufgehoben wurde, so dachte seitdem zumindest niemand mehr daran, die Öffentlichkeit tatsächlich immer und generell auszuschließen19. Erst die Wendung des Parlaments zum Volk mittels der Öffnung der Parlamentsverhandlung für die allgemeine Öffentlichkeit machte den Wechsel von der Monarchie hin zur Demokratie tatsächlich möglich und ist Grundlage für die „volle Publizität der parlamentarischen Verhandlung“20. Grundlage dafür war weniger die Bill of Rights, die den vormals souveränen König zum „King in Parliament“ herabsetzte, sondern vielmehr die „neue Beziehung des Parlaments zur Öffentlichkeit, die am Ende zur vollen Publizität der parlamentarischen Verhandlung führt.“21 Diese beinhaltet den schrittweisen Wandel vom „Parlamentsabsolutismus“ zur Souveränität des Volkes22.

Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 126. gesamten Veröffentlichungsentwicklung in England Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 126 f.; zum „breach of privilege“ Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 16; Steiger, Studium Generale 1970, 710 (710); Hatschek, Englisches Staatsrecht, S. 419. 19  Zur Entwicklung in England s. auch Redlich, Recht und Technik des englischen Parlamentarismus, S. 281; Hatschek, Englisches Staatsrecht, S. 418 f.; Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (458); Dieterich, Die Funktion der Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen im Strukturwandel des Parlamentarismus, S. 50. 20  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 129. 21  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 129. 22  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 132. 17  Habermas, 18  Zur



I. Historische Entwicklung41

b) Exkurs USA Auch die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika brach nicht gänzlich mit dem Prinzip des Mutterlands, Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen. Im Gegensatz zu Großbritannien statuierte die amerikanische Verfassung den Ausschluss der Öffentlichkeit jedoch nicht ausdrücklich23. Sitzungsöffentlichkeit wurde in den USA nur nicht vorgeschrieben24. Faktisch bestand sie dort seit 179425. Lediglich die Verfassung von Texas statuierte bereits 1860 ausdrücklich die Öffentlichkeit des Parlaments26. c) Die Französische Revolution Der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit erhielt Einzug durch die Forderungen der Französischen Revolution, das Politische sichtbar zu machen: „Öffentlichkeit wurde zu einem zentralen Punkt des liberalen Verfassungs­ programms.“27 Seit dem 18. Jahrhundert umfasst der Begriff des Öffentlichen neben dem Geltungsbereich staatlicher Autorität auch den geistigen und sozialen Raum, in dem sich der Staat legitimieren und kritisieren lassen muss28. „Mit der Aufklärung wandelte sich die Stellung des Volks von der Kulisse für die höfische Öffentlichkeit hin zur Bedeutung als Öffentlichkeit. Es entstand (erstmals) eine bürgerliche Öffentlichkeit, von derer die Privatheit der Bürger zu trennen war.“29 Öffentlichkeit meint seitdem nicht mehr den königlichen Hof30, sondern allgemein den „öffentliche[n] Vollzug von Handlungen“31, vor allem gesellschaftlicher, rechtlicher und politischer Art.  Dieses Öffentlichkeitsverständnis veränderte Herrschaft als solche. Sie entwickelte sich von einer Ablehnung einer Herrschaft von Gottes Gnaden zu in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 17. in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 5. 25  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 17. 26  von Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, S. 305 Fn. 1; Klein, in: Maunz/ Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 17. 27  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 5; so auch Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 50 ff.; Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, S. 135. 28  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (438). 29  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S 21 ff. 30  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 91. 31  Brandt, Enklaven – Exklaven, S. 128. 23  Klein,

24  Morlok,

42

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

einer Herrschaft des Volkes. Die Forderung nach Publizität in der Französischen Revolution war daher mehr als nur eine „Auswechslung der Legitimationsbasis einer im Prinzip aufrechterhaltenen Herrschaft.“ Sie führte das Prinzip der Kontrolle durch das bürgerliche Publikum ein.32 In Form der Sitzungsöffentlichkeit stellt Öffentlichkeit ein soziales Ordnungsprinzip dar33. Als solches wurde sie im 18. Jahrhundert im Rahmen der Aufklärung entdeckt34. Der Zusammenschluss von Einzelmeinungen und -empfindungen wurde als Öffentliches zu einer Autorität gegenüber dem Staat35. d) Exkurs: Philosophische Entwicklung der Öffentlichkeit Die rechtliche und gesellschaftliche Entwicklung des Öffentlichkeitsverständnisses wurde durch gesellschaftsphilosophische Ansätze gefördert und begleitet. Zu nennen sind hier insbesondere die beiden deutschen Philosophen Kant und Fichte. Kant fasste 1795 die besondere Bedeutung der Öffentlichkeit im Rahmen der Gesetzgebung in seinen transzendentalen Formeln des öffentlichen Rechts zusammen: 1) „Alle auf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.“36 2) „Alle Maximen, die der Publizität bedürfen (um ihren Zweck nicht zu verfehlen), stimmen mit Recht und Politik vereinigt zusammen.“37

Öffentlichkeit soll danach „als Prinzip der Rechtsordnung“38 eine entscheidende Rolle im Vorfeld und während der Gesetzgebung tragen. Nach Kant kann Öffentlichkeit für „Einhelligkeit von Politik und Moral“ sorgen39. Sie ist Basis für die Befreiung des Volkes aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, woraus sich „das Postulat der Öffentlichkeit als Prinzip“ ergibt40. Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 87. in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (414), der von einer „Kategorie des politisch-sozial Lebens“ spricht. 34  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (450 ff.); a. A. Brandt, Enklaven – Exklaven, S. 127 f. 35  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (444). 36  Kant, Zum ewigen Frieden, S 53. 37  Kant, Zum ewigen Frieden, S 60. 38  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 180. 39  Kant, Zum ewigen Frieden, S. 52 ff. 40  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 180 ff. 32  Habermas, 33  Hölscher,



I. Historische Entwicklung43

Fichte geht in den „Grundlagen des Naturrechts“ 1796 auf die (nachträg­ liche) Kontrollfunktion der Öffentlichkeit ein: „Damit diese Beurteilung [gemeint ist, die Frage, ob die regierende Gewalt den aufgestellten Prinzipien folgt] möglich sei, müssen alle Verhandlungen der Staatsgewalt, mit allen Umständen und Gründen der Entscheidung, ohne Ausnahme die höchste Publizität haben.“41 e) Die französische Sitzungsöffentlichkeit Entgegen der englischen Annahme, „[…] jede Sitzung ist, theoretisch betrachtet, de jure geheim“42, entstand in Frankreich ein Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit43. Dementsprechend setzten die Generalstände die Öffentlichkeit ihrer Verhandlungen durch44. Seit 1789 ging man in Frankreich davon aus, dass die Gewährung der Sitzungsöffentlichkeit kein Privileg des Parlaments darstellte, wie das britische Recht dies vorsah45. Die Parlaments­ öffentlichkeit umfasste nicht nur die Verhandlungs-, sondern auch die Berichtsöffentlichkeit46. Das bis dahin weitestgehend philosophisch erörterte Prinzip der Volkssouveränität, wurde in der französischen Verfassung von 1791 mit dem des parlamentarischen Rechtsstaats verschränkt, „der die politisch fungierende Öffentlichkeit grundrechtlich verbürgt“47. Damit erlangte auch der Grundsatz der Öffentlichkeit parlamentarischer Sitzungen Verfassungsrang48. Die Öffentlichkeit konnte auf Antrag und unter Einhaltung eines Quorums aus­ geschlossen werden49. Ausnahmen mussten jedoch verfassungsrechtlichen Bestimmungen entsprechen. Das dann „geheime Parlament“ war außerdem nicht befugt Beschlüsse zu fassen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit durfte

41  Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, S. 165 f, insb. S. 167 f. 42  Redlich, Recht und Technik des englischen Parlamentarismus, S. 280. 43  Hatschek/Kurtzig, Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 564 f. 44  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 137; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 5; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 2. 45  Hatschek/Kurtzig, Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 564, Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 18. 46  Hatschek/Kurtzig, Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 572 ff. 47  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 173. 48  Art. 1 Abschnitt II, Kapitel 3, Titel 3 französische Verfassung 1791; vgl. Franz (Hrsg.), Staatsverfassungen, S. 341; Art. 45, 46 Konventsverfassung 1793; Franz (Hrsg.), Staatsverfassungen, S. 385; Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 137. 49  Franz (Hrsg.), Staatsverfassungen, S. 341 Fn. 4.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

lediglich beraten werden50. Flankiert wurde die Öffentlichkeit durch die Gewährleistung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, die jedoch bei Inkrafttreten der Verfassung 1793 noch keine tatsächliche Wirkung entfalteten51. 2. Sitzungsöffentlichkeit in Deutschland Von Frankreich aus verbreitete sich die Idee der Öffentlichkeit über ­Europa52. Auch die süddeutschen Verfassungen orientierten sich an dem französischen Modell53. Durch zahlreiche Abweichungen wurde jedoch die „Privilegiennatur“54 der Öffentlichkeit hervorgehoben. Insgesamt dauerte die verfassungsrechtliche Verankerung der Sitzungsöffentlichkeit in Deutschland rund 60 Jahre länger als in Frankreich. Verhandlungsöffentlichkeit spielte für Legitimation, Wahrheitsfindung und Kontrolle der Regierung Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland zunächst keine Rolle. Dementsprechend galt die öffentliche Meinung bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts lediglich als betrachtenswertes, aber manipulierbares Stimmungsbarometer55. Die Öffentlichkeit der landständischen Verhandlungen erfolgte in Deutschland daher seit dem Vormärz nur zögerlich. Dabei wurden die Sitzungsprotokolle zumindest teilweise veröffentlicht und eine, wenn auch beschränkte, Zahl an Zuhörern zugelassen. Die Öffentlichkeit der württembergischen Landstände 1805 stellte daher nicht nur gegenüber der englischen Gepflogenheit, die Öffentlichkeit zwar zu dulden, jedoch nicht gesetzlich zu verankern, auch innerhalb Deutschlands einen qualitativ neuen Schritt dar.56 Hardenberg scheiterte noch 1819 mit seinem Versuch, die Öffentlichkeit der Gerichts- und Parlamentsverhandlungen in der landständischen Verfassung Preußens zu verankern57. Erstmals wurde die Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlungen in der Wiener Schlussakte vom 15. Mai 1820 in Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 565. Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 138. 52  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 137. 53  Daher kommt „Publizität“ als Begriff für „Öffentlichkeit“, der zunächst in deutschen Spottversen über die Französische Revolution kursierte, vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 137. 54  Hatschek/Kurtzig, Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 566; Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (459). 55  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (455). 56  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (458 f.). 57  Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 – 1. Reform und Restauration 1789 bis 1830, S. 308. 50  Hatschek/Kurtzig, 51  Habermas,



I. Historische Entwicklung45

Art. 59 für die so genannten landständischen Verhandlungen kodifiziert58. Wie umstritten die Regelung war, zeigt der Sachverhalt, dass 1824 ein Beschluss im Zusammenhang mit der Verlängerung der Karlsbader Beschlüsse die Abschaffung der Verhandlungsöffentlichkeit der Landstände forderte59. a) Öffentlichkeitsregelungen in Deutschland bis 1871 „Eine ‚Politisierung des gesellschaftlichen Lebens‘, der Aufstieg der Meinungspresse, der Kampf gegen Zensur und für Meinungsfreiheit kennzeichneten den Funktionswandel des expandierenden Netzes öffentlicher Kommunikation bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.“60 In der Folge wandelte sich im Vormärz die Öffentlichkeit nicht nur zu einem zentralen Punkt des liberalen Verfassungsprogramms, sondern auch zur Voraussetzung jedweder redlichen Gesinnung61. Kritiker machten die doppelte Wortbedeutung von öffentlich (staatlich und allgemein zugänglich) für sich nutzbar, indem sie den Widerspruch „öffentliche Angelegenheiten heimlich beraten zu wollen“ anprangerten62. 1848 sah § 111 Paulskirchenverfassung63 den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit vor64. Entsprechendes war in der Preußischen Verfassung von 1850 normiert65. Bezeichnend für die deutschen Vorschriften der Sitzungs­ öffentlichkeit waren die weitreichenden Ausnahmetatbestände66. Art. 22 Abs. 1 Reichsverfassung von 1871 (Bismarcksche Reichsverfassung, im Folgenden: BRV) bestimmt: „Die Verhandlungen des Reichstages sind öffentlich.“ Aufgrund des zuvor geltenden Regel-Ausnahmeverhältnisses, 58  Linck, DÖV 1973, 513 (514); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 104. 59  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 139; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 – 1. Reform und Restauration 1789 bis 1830, S. 765 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 19. 60  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 14. 61  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (457); Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, S. 135. 62  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (457). 63  Von der Frankfurter Nationalversammlung, die vom 18.05.1848 bis zum 31.05.1849 in der Frankfurter Paulskirche tagte, erarbeitet. Auch unter dem Namen Frankfurter Reichsverfassung bekannt. Als Verfassung des Deutschen Reiches beschlossen, aber (durch Weigerung des Königs Friedrich Wilhelm IV.) gescheitert. 64  „Die Sitzungen beider Häuser sind öffentlich. Die Geschäftsordnung eines jeden Hauses bestimmt, unter welchen Bedingungen vertrauliche Sitzungen stattfinden können.“ 65  Art. 79 Preußische Verfassung 1850. 66  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 7 mit Einzelheiten zu den historischen Verfassungsformulierungen in Fn. 13.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

welches dem englischen System entsprach, kommt Hatschek zu der Schlussfolgerung, dass auch das deutsche Öffentlichkeitsgebot „nicht ein Schutz der Nation [wie in Frankreich], sondern ein Privileg des Parlaments“ darstellt67. b) § 36 Geschäftsordnung des Reichstags Dementsprechend sah die Geschäftsordnung des Reichstags (GORT) die Möglichkeit vor, die Öffentlichkeit auf Antrag auszuschließen68. Der Reichstag machte von dieser Möglichkeit, die Öffentlichkeit auszuschließen, nur einmal, am 19.03.1900 bei der Verhandlung über die so genannte Lex Heinze69, Gebrauch70. Die Rechtsgültigkeit des § 36 GORT war jedoch umstritten71. Auf Grund der Öffentlichkeitsvorschrift des Art. 22 BRV wurde die Regelung der Geschäftsordnung mitunter als verfassungswidrig und nichtig eingestuft72. Gemäß der dogmatischen Einordnung der Sitzungsöffentlichkeit als Privileg des Parlaments handelt es sich nach Huber bei Art. 22 BRV nur um ein Recht des Reichstags auf Öffentlichkeit, nicht um eine Pflicht zur Öffentlichkeit. Huber geht davon aus, dass die Normierung einer Öffentlichkeitspflicht überflüssig sei, weil auch in dem grundlosen Nichtgebrauch eines Rechts eine Pflichtverletzung liege. Außerdem hätte das gesetzliche Verbot geheimer Sitzungen das Parlament in eine Pflichtenkollision gestürzt, wenn ein sach­ licher Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit bestanden hätte.73 Auf der anderen Seite wird mit dem Verhältnis der Geschäftsordnung des Reichstags zur Reichsverfassung gegen die Gültigkeit der Ausschlussoption Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 567. Abs. 2 GORT, Güth, Die Geschäftsordnungen deutscher Parlamente seit

67  Hatschek/Kurtzig, 68  § 36

1848. 69  Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, S. 347 Fn. 3. 70  Merg, Die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlung, S. 22 f.; Klein, in: Maunz/ Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 20; Perels, AöR 1900, 548 (549 f.) nennt lediglich den 17. März 1900, an dem der Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit in den Reichstag eingebracht wurde; die geheime Sitzung fand dann zwei Tage später statt. 71  Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, S. 346; Perels, AöR 1900, 548 (552 ff.); Meyer/Anschütz, Georg Meyers Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 515; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 20. 72  Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 – 3. Bismarck und das Reich, S. 887; Folkerts, Die Verfassungswidrigkeit des § 36 der revid. Geschäftsordnung des deutschen Reichstages vom 10. Februar 1876, S. 14; Perels, AöR 1900, 548 (552); Perels, Das autonome Reichstagsrecht, S. 33 ff.; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, S. 346 f. 73  Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 – 3. Bismarck und das Reich, S. 887.



I. Historische Entwicklung47

argumentiert74. Danach umfasse die Autorisierung des Reichstags in Art. 27 BRV, sich eine Geschäftsordnung zu geben, nicht die Befugnis, dabei von Verfassungsregelungen abzuweichen75. Zutreffend stellt Folkerts in diesem Zusammenhang fest: „In der Verfassung selber muß [sic!] der Reichstag bezüglich seines Autonomierechts eine unbedingte Grenze finden […].“76 Folkerts widerspricht auch der Einordnung der Sitzungsöffentlichkeit als „allgemeine Regel“, von der Ausnahmen zulässig sein sollen, ausdrücklich. Seiner Meinung nach wurde die „Öffentlichkeit der Verhandlungen erschöpfend geregelt“.77 c) Sitzungsöffentlichkeit in Weimarer Republik und BRD Für den Bundesrat fehlte eine entsprechende Öffentlichkeitsvorschrift78. Auf Grund seiner Nichtöffentlichkeit war der Bundesrat weitestgehend unbekannt und ohne Autorität79. In der Weimarer Reichsverfassung (WRV) sah Art. 29 die Sitzungsöffentlichkeit des Reichstags vor und eröffnete zugleich die Möglichkeit die Öffentlichkeit auf Antrag von 50 Mitgliedern mit einer Zweidrittelmehrheit auszuschließen80. Art. 66 Abs. 3 WRV übertrug diesen Grundsatz auch auf die Vollsitzungen des Reichstags81. Mit der Weimarer Reichsverfassung folgte die Anerkennung der Parlamentsöffentlichkeit als ein aus den Grundsätzen der Demokratie folgender „prinzipieller Dauerzustand, der deshalb verfassungsmäßig vorgeschrieben ist und von der Geschäftsordnung nicht geändert werden darf“.82

Die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlung, S. 23 m. w. N. Die Verfassungswidrigkeit des § 36 der revid. Geschäftsordnung des deutschen Reichstages vom 10. Februar 1876, S. 15. 76  Folkerts, Die Verfassungswidrigkeit des § 36 der revid. Geschäftsordnung des deutschen Reichstages vom 10. Februar 1876, S. 15. 77  Folkerts, Die Verfassungswidrigkeit des § 36 der revid. Geschäftsordnung des deutschen Reichstages vom 10. Februar 1876, S. 16. 78  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 20. 79  Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 – 3. Bismarck und das Reich, S.  852 ff. 80  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 21; Kluth, in: SchmidtBleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 2. 81  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 21. 82  Hatschek/Kurtzig, Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 569. 74  Merg,

75  Folkerts,

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Der heutige Art. 42 GG geht auf Art. 53 und 54 HChE zurück und wurde ohne Debatte in das Grundgesetz übernommen83. 3. Entwicklung auf Gemeindeebene Kommunale Sitzungsöffentlichkeit wurde nicht erst unter Geltung des Grundgesetzes normiert. Schon 1849 galt nach der Verfassung des Deutschen Reichs für die Gemeinden die „Öffentlichkeit der Verhandlung als Regel“84. Diese kommunale Sitzungsöffentlichkeit erschien der Frankfurter Nationalversammlung im Hinblick auf die Gemeindeautonomie so bedeutsam, dass sie unter den Grundrechten jeder Gemeinde aufgeführt wurde85. Die Städte- bzw. Gemeindeordnungen von Preußen86, des Rheinlands87 und von Schleswig-Holstein88 statuierten Sitzungsöffentlichkeit als Grundsatz, gestatteten jedoch auch Ausnahmen, welche in der folgenden Zeit immer weiter ausgedehnt wurden89. Auch die Hannoversche Städteordnung von 1851 kannte die Sitzungsöffentlichkeit. § 113 Hannoversche Städteordnung 1851 lautete: „Zu den Versammlungen […] können Zuhörer zugelassen werden.“90 Folglich handelte es sich im Gegensatz zu den Regelungen der anderen genannten Städteordnungen nicht um eine zwingende Regelung. Auf Antrag konnte die Öffentlichkeit in Hannover zudem ausgeschlossen werden, ohne dass hierfür besondere Voraussetzungen erfüllt sein mussten91. „Erst unter der Weimarer Reichsverfassung wurde dem Rechtsstaatsgebot mittels einer durchgehenden Normierung der Ausschlussgründe Rechnung getragen.“92 83  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 1; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 2; Füsslein, in: JöR 1 (1951), S. 363 (363); Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 9. 84  Art. XI § 184 d) Reichsverfassung 1849, vgl. Franz (Hrsg.), Staatsverfassungen, S. 165. 85  Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 283. 86  § 45 Preußische Städteordnung von 1853, vgl. Engeli/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, S. 373, 385; s. auch § 120 Preußische Kreisordnung von 1872, vgl. Engeli/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, S. 470, 496. 87  § 42 Rheinische Städteordnung von 1856, vgl. Engeli/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, S. 399, 409. 88  §  56 Schleswig-Holsteinische Städteordnung von 1869, vgl. Engeli/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland S. 425, 438. 89  Gramlich, DÖV 1982, 139 (139). 90  Engeli/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland S. 348, 366 – Hervorhebung diesseits. 91  § 114 Hannoversche Städteordnung von 1851, vgl. Engeli/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland S. 348, 366. 92  Gramlich, DÖV 1982, 139 (140).



I. Historische Entwicklung49

Während des Dritten Reichs wurden bei Durchsetzung des Führerprinzips diese Regelungen teilweise durch das preußische Gemeindeverfassungsgesetz vom 15.12.1933 und dann endgültig durch die Deutsche Gemeindeordnung (DGO) vom 30.01.1935 aufgehoben93. In § 44 preußisches Gemeindeverfassungsgesetz wurde zunächst nur das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt94. Die DGO übertrug dann die Entscheidung über „die Möglichkeit freien Zutritts für jedermann“ auf die Bürgermeister95. In der Rechtswissenschaft erfolgte die Interpretation weiter anhand der WRV. Das heißt, es wurde daran festgehalten, dass die Öffentlichkeit der Sitzungen die Regel sei, da diese „eines der wichtigsten Mittel, um das Interesse der Bürgerschaft an der Stadtverwaltung zu wecken, zu erhalten und zu fordern und die Volksverbundenheit der Verwaltung zu gewährleisten“ sei96. Die Liberalisierung der Gemeindeordnungen erfolgt nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes nur langsam97. Zwischenzeitlich konnten beispielsweise Minderjährige am Zugang gehindert werden98. Nach und nach wurde der Begriff der Sitzungsöffentlichkeit so weit aus­ gedehnt, dass er nicht nur die Beratung, sondern auch die Abstimmung ­be­inhaltete99. In allen nachkonstitutionellen Kommunalgesetzen stellt die Öffentlichkeit der Sitzungen kommunaler Volksvertretungen einen festen Grundsatz dar100.

93  RGBl. I S. 49 (§ 56 Abs. 2); Kiefer/Schmid, in: Kiefer/Schmid, DGO 1935, S.  6 f.; Gramlich, DÖV 1982, 139 (140); zur Aufhebung der kommunalen Selbstverwaltung durch die DGO s. auch Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 12 f. 94  Gramlich, DÖV 1982, 139 (140). 95  Kiefer/Schmid, in: Kiefer/Schmid, DGO 1935, § 56 S. 355 Rn. 2a; Gramlich, DÖV 1982, 139 (140). 96  Kunze/Schmid, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 S. 244 Ziff. I. 1.; Kiefer/ Schmid, in: Kiefer/Schmid, DGO 1935, § 56 S. 355, Rn. 2a; Gramlich, DÖV 1982, 139 (140). 97  Gramlich, DÖV 1982, 139 (140). 98  Art. 57 Abs. 1 abgeänderte Deutsche Gemeindeordnung von 1946, vgl. Engeli/ Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland S. 702, 714 f.; Schmid, Der Gemeinderat, S. 61; Gramlich, DÖV 1982, 139 (140). 99  § 40 Gemeindeordnungs-Entwurf von 1947, vgl. Engeli/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland S. 743, 761; Gramlich, DÖV 1982, 139 (140). 100  Gramlich, DÖV 1982, 139 (140).

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

4. Aktuelle Rechtslage Parlamentarische Sitzungsöffentlichkeit stellt heute einen gemeineuropäischen Rechtsgrundsatz dar101. Öffentlichkeitsregelungen finden sich grundsätzlich in allen europäischen Verfassungen, die eine parlamentarische Volksvertretung vorsehen. Lediglich in Slowenien und Litauen beinhalten die Verfassungen keine Publizitätsbestimmungen102. Auch auf europäischer Ebene finden sich entsprechende Regelungen. So tagen das europäische Parlament und seine Ausschüsse öffentlich. Art. 233 AEUV schreibt zwar nur die öffentliche Beratung des von der Kommission vorgelegten Gesamtberichts vor, aus Art. 115 Nr. 2, 3 Geschäftsordnung des europäischen Parlaments – GOEP von 2015 ergibt sich aber die Öffentlichkeit aller Sitzungen. Die Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlungen kann daher als „Standardrepertoire parlamentarischer Verfassungen“103 in Europa bezeichnet werden. Unterschiede existieren jedoch in den Anforderungen für einen Öffentlichkeitsausschluss. Dies gilt in Deutschland hinsichtlich der Kommunen sogar innerhalb der Bundesrepublik. Zur Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen schweigen die meisten Verfassungen. Daraus wird (e contrario) überwiegend gefolgert, dass die Verfassungen für die Ausschusssitzungen grundsätzlich Nichtöffentlichkeit vorsehen104. Dieser Gedankengang zeigt, dass Sitzungsöffentlichkeit auch heute nicht als selbstverständlicher Ausfluss einer demokratischen Staatsordnung gesehen wird. Andernfalls würde aus dem Fehlen der entsprechenden Ausschussregelungen lediglich der Schluss gezogen werden, dass die Normierung der Sitzungsöffentlichkeit für die Parlamente exemplarische Konkretisierungen darstellt, die der Bedeutung dieses Staatsorgans geschuldet sind105. Dieser Befund ist beispielhaft für das bestehende „verfassungstheoretische Öffentlichkeitsdefizit“106. Dabei gilt es zu beachten, dass Verfassung und 101  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 22; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 4; Steiger, Studium Generale 1970, 710 (710). 102  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 15. 103  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 14. 104  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 22, inbs. auch Fn. 63; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 15 f. 105  Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 134; so auch der Ansatz bei Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 148, wo es heißt: „Die Öffentlichkeit der Verhandlung des Bundestags gemäß Art. 42 Abs. 2 GG hat also beispielhaften Charakter.“. 106  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 226 f.; mit Kritik an der Zurückhaltung der Öffentlichkeit größere Bedeutung beizumessen auch Smend, in: GS Jellinek, S. 11, 11.



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 51

Öffentlichkeit historisch insoweit verbunden sind, als dass „die deutsche Verfassungsbewegung Stück für Stück dem monarchischen Arkanstaat Öffentlichkeit abtrotzen wollte und teilweise konnte: Im Bereich der Gesetzgebung, Rechtsprechung, und Verwaltung (insbesondere in der Selbstverwal­ tung).“107 Öffentlichkeit kann also als „das Gesetz, unter dem ‚Verfassung‘ angetreten ist“ oder auch als „öffentlicher Prozess, als normative öffentliche Gesamtordnung, als öffentliche Gestalt“ bezeichnet werden108. Öffentlichkeit ist „das Organisationsprinzip der bürgerlichen Rechtsstaaten mit parlamentarischer Regierungsform.“109

II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes Das Grundgesetz schreibt Sitzungsöffentlichkeit, insbesondere in den Kommunen, nicht ausdrücklich für alle gewählten Volksvertretungen vor. Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG normiert zwar ein Öffentlichkeitsgebot für den Bundestag, Art. 52 Abs. 3 S. 3 GG gibt gleiches für den Bundesrat vor110. Auf Grund der Begrenzung der Regelungen auf diese beiden Bundesorgane lässt sich aus ihnen jedoch weder unmittelbar ein allgemeines verfassungsrecht­ liches Prinzip entnehmen, noch sind die Regelungen auf andere Repräsentationsorgane des Staates übertragbar. So ist es bereits umstritten, ob das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsgebot des Bundestags nach Art. 42 GG auf seine Ausschüsse anwendbar ist111. Auch aus den Grundrechten folgt kein direkter Anspruch auf Öffentlichkeit. Grundrechte sind als Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat streng von Leistungsrechten zu trennen112. Deshalb kann insbesondere aus der Meinungs- und Informationsfreiheit gem. Art. 5 GG kein unmittelbarer Anspruch des Volkes auf Sitzungsöffentlichkeit hergeleitet werden. Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist nur eröffnet, soweit die Informationen bereits öffentlich sind113. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um allgemein zugängliche Quellen handelt. Allgemein zugänglich soll eine Quelle dann sein, „wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 227. Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 226 f. 109  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 142. 110  Zu weiteren verfahrensrechtlichen Öffentlichkeitsanforderungen im Grundgesetz s. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 364 ff. 111  Siehe ausführlicher zu diesem Meinungsstreit Kapitel C. 1.  Ausschussöffentlichkeit, S. 285 ff. 112  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 567. 113  OVG Saarlouis, Beschluss vom 30.08.2010 – 3 B 203/10, Juris, Rn. 17. 107  Häberle, 108  Häberle,

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu beschaffen“114. Öffentlichkeit ist damit Voraussetzung für die Anwendbarkeit einiger Grundrechte, insbesondere der in Art. 5 GG, soll sich aus diesen jedoch nicht herleiten lassen115. Ließe man es dabei bewenden, ergäbe sich die paradoxe Situation, dass der Staat durch die Festlegung, welche Informationen für die Allgemeinheit bestimmt sein sollen, die Reichweite der Informationsrechte der Bürger vorgeben könnte. Er würde mithin über den Umfang des verfassungsrechtlich verbürgten Informations- und Kontrollrechts der Bürger frei entscheiden. Dem Staat wäre es beispielsweise möglich, im Hinblick auf die Akten der staatlichen Verwaltung, das Informationsrecht aus Art.  5 Abs.  2 S.  1 2. Hs. GG gänzlich auszuschließen, indem er festlegt, dass diese Akten nicht für die Allgemeinheit bestimmt sind116. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG soll nach dieser verbreiteten Ansicht nicht mehr als ein „Gebot zu grundsätzlicher staatlicher Publizitätsbereitschaft“117 zu entnehmen sein118. Mit der gleichen Argumentation könnten dem Volk auch Informationen über Beratungen und Entscheidungen gewählter Repräsentationsorgane vorenthalten werden. Damit würde das in den Grundrechten verbürgte Informationsrecht der Bürger gänzlich ins Leere laufen. Dies mutet insbesondere deshalb seltsam an, da Verfassung und Grundrechte den Kompetenzen des Staats klare Grenzen setzen sollen. Dementsprechend wird die letze These tatsächlich auch nicht vertreten. Eine demokratische Meinungsbildung und damit auch effektive Kontrolle durch das Volk kann nur dann stattfinden, wenn die Informationsfreiheit durch den Staat nicht nach Belieben eingeschränkt werden kann. Die Kommunikationsrechte aus Art. 5 GG und die demokratische Öffentlichkeit stehen in einer Wechselbeziehung. Die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG brauchen ein Mindestmaß an Öffentlichkeit, um effektiv genutzt werden zu können. Zugleich sind die gewährleisteten Kommunikationsrechte Voraussetzung für

114  BVerfG, Beschluss vom 03.10.1969 – 1 BvR 46/65, BVerfGE 27, 71 (83); dem folgend BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (60); BVerfG, Beschluss vom 09.02.1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27 (32); BVerfG, Beschluss vom 25.04.1972 – 1 BvL 13/67, BVerfGE 33, 52 (65). 115  OVG Saarlouis, Beschluss vom 30.08.2010 – 3 B 203/10, Juris, Rn. 18; a. A. Gramlich, der die Grundrechte aus Art. 5 GG als Basis für den demokratischen Prozess einer freien und offenen Meinungs- und Willensbildung hält, s. Gramlich, DÖV 1982, 139 (145). 116  So klammert beispielsweise Kunig den „behördlichen Bereich“ vom Anwendungsbereich der Informationsfreiheit aus, Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 367 m. w. N. für diese Auffassung. 117  Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 64 – Unterstreichung diesseits. 118  Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 367 f.



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 53

Demokratie. Wenn Öffentlichkeit aus Art. 5 GG nicht herzuleiten ist, so setzt dieses Grundrecht staatliche Öffentlichkeit zumindest voraus.119 Bereits aus der geschichtlichen Entwicklung ergibt sich, dass Sitzungs­ öffentlichkeit gewählter Volksvertretungen ein aus den Grundsätzen der Demokratie folgender „prinzipieller Dauerzustand [ist], der deshalb verfassungsmäßig vorgeschrieben ist.“120 Daraus und aus den Vorüberlegungen ergibt sich, dass Öffentlichkeit eine Basisfunktion des Grundgesetzes erfüllt121. Sie kann daher nicht im Belieben des Staates stehen. Die Öffentlichkeit des Grundgesetzes ergibt sich vielmehr aus den Verfassungsprinzipien. Maßgeblich ist Art. 20 GG. Dort heißt es: „(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer […] Bundesstaat.   (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“

Der Verfassungsgeber hat die Grundstruktur Deutschlands damit als demokratische und rechtsstaatliche Republik vorgegeben. Durch die so genannte „Ewigkeitsklausel“ Art. 79 Abs. 3 GG können diese Grundsätze auch mittels einer Verfassungsänderung nicht abgeschafft werden. Art. 20 GG wird daher auch als Staatsfundamentalnorm bezeichnet122. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und das Republikprinzip binden den Gesetzgeber bis zum Erlass einer neuen Verfassung. Durch diese Prinzipien ist auch die grundsätzliche Öffentlichkeit des staatlichen Handelns unumgänglich im Grundgesetz verankert, denn Öffentlichkeit ist Funktionsvoraussetzung für Demokratie (1.), Rechtsstaatlichkeit (2.) und das Republikprinzip (3.).

119  So

auch Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 66. Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 569; zur historischen Entwicklung der Sitzungsöffentlichkeit s. Kapitel I. Historische Entwicklung der Sitzungsöffentlichkeit, S. 38 ff. 121  In der Gesamtschau ergibt sich aus dem Grundgesetz daher ein allgemeines verfassungsrechtliches Prinzip der Öffentlichkeit (s. Kapitel III. Verfassungsrechtliche Öffentlichkeit als Prinzip, S. 91 ff. und IV.  Die Reichweite des verfassungsrecht­ lichen Öffentlichkeitsprinzips, S. 97 ff.), das die Rechtfertigung jedes Öffentlichkeitsausschluss notwendig macht, vgl. dazu Kapitel V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses, S. 123 ff. 122  Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 20 – I Rn. 7 ff. 120  Hatschek/Kurtzig,

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

1. Demokratieprinzip und Öffentlichkeit a) Demokratieelemente Das verfassungsrechtliche Demokratieprinzip des Grundgesetzes basiert auf drei wesentlichen Elementen: der Volkssouveränität, Regelungen zur Entscheidungsfindung und Vorkehrungen zur Sicherung der Freiheit des Volkes123. aa) Volkssouveränität Demokratie heißt wörtlich übersetzt „Herrschaft des Volkes“ (altgr. Δημοκρατία „Herrschaft des Volkes“, von δῆμος, dēmos ‚Volk‘ und -kratie [κρατία, kratía ‚Herrschaft‘])124. Demokratie fordert damit die kollektive Selbstbestimmung des Volkes125. Das Volk soll der einzige Souverän sein. Dementsprechend ist nach dem Grundgesetz die Volkssouveränität Grundlage für die demokratische Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland126. Zum Ausdruck kommt dies in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, wo es heißt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.“ Andere Legitimationsquellen als das Volk kennt die Verfassung nicht. Kraft Art. 79 Abs. 3 GG ist auch der Verfassungsgesetzgeber dauerhaft an das Prinzip der Volkssouveränität gebunden127. Grundgehalt des Demokratieprinzips ist folglich eine „bestimmte Form der Herrschaftsausübung“128, mithin eine bestimmte Staatsorganisation. Diese tritt auch gegenüber anderen Verfassungsgütern nicht zurück, da das Demokratieprinzip durch kollidierendes Verfassungsrecht zwar modifiziert, nicht aber aufgegeben werden kann129. Volkssouveränität wird daher zutreffend als das „Fundamentalprinzip“130 bezeichnet. Die genaue Ausformung des Demokratieprinzips lässt das Grundgesetz offen. Konkretisierungen erfolgen zum Teil durch andere Grundgesetzbestimmungen oder bleiben dem einfachen Gesetzgeber vorbehalten. „DemoStaatsorganisationsrecht, Rn. 128. Entstehung des Begriffs ‚Demokratie‘, S. 8 f.; Bien, in: Ritter u. a., Historisches Wörterbuch der Philosophie, S. 50 (50 f.). 125  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 127, 131. 126  Vgl. zum Meinungsstreit über den volks- und partizipationsbezogenen Demokratiebegriff Kapitel 1. Öffentlichkeit – ein verfassungsrechtliches Organisationsprinzip, S. 91 ff. 127  Dreier, JURA 1997, 249 (252); Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 79 – III Rn. 37; Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 563 f. 128  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 124. 129  Ehlers, in: FS Stein, S. 125, 141. 130  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 560. 123  Morlok/Michael, 124  Meier,



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kratie“ ist ein „wertaufgeladener Begriff“131. Damit ist auch die „Volkssouveränität […] eine variable Größe der Ausgestaltung der politischen Ordnung“132. Als Prinzip ist Volkssouveränität spezifizierungsbedürftig, abwägungsoffen und zu optimieren133. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Inhalt der Volkssouveränität beliebig ist. Konkrete verfassungsrechtliche Vorgaben sowie der elementare Kern dürfen trotz aller Auslegungsoffenheit der Verfassung nicht negiert oder ins Gegenteil verkehrt werden. Maßgeblich für die Auslegung des Demokratieprinzips ist der „Rechtsbegriff der Demo­ kratie“134. Das Demokratieprinzip ist folglich trotz seiner Auslegungsoffenheit losgelöst von idealphilosophischen Anforderungen zu interpretieren. Entscheidend sind die gesetzlichen Vorgaben der Verfassung135. bb) Regeln der Entscheidungsfindung Eine unabdingbare Vorgabe der Verfassung zur Ausgestaltung des Demokratieprinzips findet sich in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. Dort heißt es, dass das Volk seine Staatsgewalt „in Wahlen und Abstimmungen […]“ ausübt. Diese kurze Formulierung ist die demokratische Regel des Grundgesetzes zur staatlichen Entscheidungsfindung. In ihr kommt zugleich die zeitliche Dimension der Volkssouveränität zum Ausdruck136. Das Grundgesetz schreibt damit eine parlamentarische, repräsentative Demokratie verbindlich vor. „Das Demokratieprinzip und die Wahlrechtsgrundsätze bilden die zentralen Elemente des Grundgesetzes.“137 Demokratische Wahlen und Abstimmungen sind daher die entscheidende Form der politischen Teilhabe und der Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk138. Die Wahlrechtsgrundsätze nach Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG sichern als objektive Rechtsprinzipien diese unabdingbare Konsequenz des Demokratieprinzips139. Die Wahl stellt das verbindende Element zwischen Volk und Staatsorganen dar. Volkssouveränität, repräsentative Demokratie und Wahlen sind damit untrennbar verbunden, „denn im Kontext des GG kann Art. 20 nicht ohne Art. 21 und Art. 38 GG gelesen werden“140. Staatsorganisationsrecht, Rn. 122. in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 564. 133  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 133. 134  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 122. 135  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 123, die dabei zwischen der sachlichen, der personellen und der zeitlichen Dimension der Volkssouveränität unterscheiden, Rn. 132. 136  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 140. 137  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 559. 138  Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 12. 139  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 589. 140  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 530. 131  Morlok/Michael, 132  Morlok,

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

cc) Vorkehrungen zur Sicherung der Freiheit Zentraler Bestandteil der Demokratie ist die Begrenztheit der Herrschaft141. In zeitlicher Sicht kommt dies in der verfassungsrechtlichen Vorgabe regelmäßiger Wahlen zum Ausdruck. Demokratische Repräsentation setzt aber auch über den Wahlakt hinaus den Verbleib der Herrschaft beim Volk voraus. Es erfolgt keine absorptive Repräsentation142. Das Volk muss einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt haben143, denn es nimmt die Staatsgewalt gem. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nicht nur durch die Wahl, sondern auch durch die besonderen Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung wahr144. Wird das Volk von der repräsentativen Herrschaft ausgeschlossen, ist es nicht Souverän, sondern Kulisse145. Das Bundesverfassungsgericht geht daher davon aus, dass es zum gem. Art. 79 Abs. 3 GG unantastbaren Gehalt des Demokratieprinzips gehört, dass die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber zu verantworten sind146. Notwendig ist folglich nicht nur die Legitimierung der Herrschenden durch Wahlen, sondern auch die Präsentation, Erklärung und Rechtfertigung ihrer Entscheidungen vor dem Volk. Diese Kopplung zwischen Staat und Volk hat jedoch nur dann eine legitimierende Wirkung, wenn das Volk frei ist. Nur unter der Voraussetzung der Freiheit kann das Instrument der Entscheidungsfindung wirksam genutzt werden147. dd) Schlussfolgerung: Notwendigkeit von Öffentlichkeit Freie Entscheidungsfindung setzt Öffentlichkeit voraus. Die Öffentlichkeit staatlicher Verfahren und Entscheidungen ist folglich unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Herrschaft durch das Volk. Dementsprechend war Öffentlichkeit schon in den ersten Demokratien der Geschichte von besonderer Bedeutung148. Staatsorganisationsrecht, Rn. 125. Staatsorganisationsrecht, vor Rn. 121 ff. 143  s. auch BVerfG, Beschluss vom 24.05.1995 – 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37 (66). 144  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 63; Ehlers, in: FS Stein, S. 125, 133. 145  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 17. 146  BVerfG, Urteil vom 12.10.1993 – 1 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155 (182). 147  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 128. 148  Bleicken, Die athenische Demokratie, S. 344 ff., insbesondere mit Blick auf die freie Rede; ähnlich Brunkhorst, Demokratie und Differenz, S. 143 ff., der betont, dass 141  Morlok/Michael, 142  Morlok/Michael,



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Öffentlichkeit schafft den für eine freie Willensbildung des Volkes notwendigen, ungehinderten und unzensierten Informationszugang (dazu unter b)). Öffentlichkeit gewährleistet damit eine – aus demokratischer Sicht unverzichtbare – freie Wahlentscheidung (c)). Der durch die Öffentlichkeit entstehende Begründungs- und Rechtfertigungsdruck ermöglicht die Kontrolle der Repräsentanten; zugleich bewirkt Öffentlichkeit eine faktische Bindung der Mandatsträger an den Volkswillen und damit auch die Willensbildung vom Volk zum Staat (d)). Öffentlichkeit schafft außerdem Vertrauen zwischen Regierten und Regierenden und ist daher Basis für die Legitimation der Gewählten (e)). b) Informationszugang und freie Willensbildung Basis für Demokratie ist eine freie, offene und unreglementierte Willensbildung im Volk149. Durch diese Mindestanforderung der Demokratie an die politische Willensbildung150 entsteht eine „öffentliche Meinung“151, deren Inhalt als Gemeinwohl bezeichnet werden kann152. „[…]: das Gemeinwohl ist im demokratischen Verfassungsstaat nicht fixe und vorgegebene Größe, sondern Produkt des pluralen, nicht interessenfreien Prozesses politischer Willensbildung.“153 „Im demokratischen Verfassungsstaat, in der grundgesetzlichen res publica gibt es aber keine materielle und keine ‚allgemeine‘ Offenbarungsgrundlage für das öffentliche Interesse als Emanation einer ‚höchsten‘ öffentlichen Gewalt.“154 „Öffentliche Interessen“, wie Häberle das Gemeinwohl nennt, „leiden“ an einer abstrakten Unbestimmbarkeit: „fiat salus publica ne pereat res publica, und das dictum die Freiheit der Rede zu dieser Zeit „kein Recht, sondern ein Privileg […] der Athener Bürger“ darstellte; Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 1. 149  BVerfG vom 03.02.1959 – 1 BvR 419/54, BVerfGE 9, 162 (165); BVerfG, Urteil vom 19.07.1966 – 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56 (97 f.); BVerfG, Urteil vom 15.01.1985 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 208, (219); Teschke, in: Bennemann/ Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 1. 150  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 15. 151  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 52, der „öffentliche Meinung“ als Ergebnis der Öffentlichkeit als Diskurs darstellt, m. w. N. zum Begriff „öffentliche Meinung“ in der politischen Ideengeschichte. 152  Der Begriff des Gemeinwohls ist in diesem Zusammenhang nicht als gesellschaftliches Optimum zu verstehen, denn aus der Zusammenfassung vieler individueller Interessen kann nicht automatisch auf die Entstehung eines solchen geschlossen werden – zumal unter Umständen nicht einmal bekannt ist, wie ein gesellschaftliches Optimum „objektiv“ aussieht. 153  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Republik Rn. 20. 154  Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 17.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Ciceros (De re publica 1, 25): est autem res publica res populi.“155 Diese Unbestimmbarkeit des Gemeinwohls spiegelt sich in den vielfältigen Definitionen der „öffentliche[n] Meinung“ wider, welche über die Jahrhunderte entwickelt worden sind. Beispielsweise unterschied Zachariä 1820 noch klar zwischen der öffent­ lichen Meinung und der Meinung der Mehrheit: „Man verwechsle nicht die öffentliche Meinung mit der Meinung der Mehrheit. Die Erstere ist die präsumtive (oder mutmaßliche), die Letztere ist die wirkliche Meinung der Mehrheit. Die Meinung der Mehrheit lässt sich nur durch das Zählen der Stimmen ausmitteln, auf die öffentliche Meinung schließt man aus den Meinungen, die von einzelnen geäußert werden. Die Meinung der Mehrheit hat (voraussetzungsweise) eine entscheidende, die öffentliche Meinung nur eine beratende Stimme.“156 Zum Ausdruck kommt dieses Gemeinwohlverständnis, das von einer Trennung mehrheitlicher Entscheidungen und des Rechts ausgeht, auch in Schillers Drama Maria Stuart. Auf die Klage Elisabeths, dass Staatsrat, Parlament und Richterhöfe des Landes irrten, als sie ihr das Recht einstimmig verliehen, von Talbot entgegnet wird: „Nicht Stimmenmehrheit ist des Rechts Problem, […]“157. Mit der Demokratisierung änderte sich auch das Verständnis des Gemeinwohls. Wenn Fraenkel 1958 den Begriff nicht auf die Mehrheit des Parlaments begrenzt, bindet er ihn aber an das Parlament, indem er unter der öffentlichen Meinung das Substrat des Volkswillens, das mittels der gesamten Parlamentsdebatte an die Regierung weitergegeben wird, versteht. Zugleich hält er die öffentliche Meinung für den „Raum“, dem die Regierung ihre Politik vermittelt158. 1967 geht Leibholz davon aus, dass es sich bei der öffentlichen Meinung in einer Demokratie um den Willen der Mehrheit handelt159. Ende des 20. Jahrhunderts wird die „öffentliche Meinung“ auch als „staatsrechtliche Fiktion“ untersucht160. Eine abschließende Definition des Begriffs der öffentlichen Meinung kann und soll hier nicht geleistet werden. Sie berührt nicht nur den Fachbereich des Rechts, sondern auch der Sozialwissenschaften und der Psychologie und würde damit den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. 155  „Öffentliche Interessen lassen sich nicht ‚definieren‘, sie lassen sich nur der jeweiligen materiell-, funktionell-, kompetenz- und verfahrensrechtlichen Problemlage entsprechend besonders und partiell konkretisieren. Sie sind nicht aus sich he­ raus bestimmbar.“, so Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 31. 156  von Lingenthal, Karl Salomo Zachariä’s vierzig Bücher vom Staate, S. 208*). 157  Schiller, Maria Stuart, 2. Aufzug, 3. Auftritt, Rn. 1320, 1330. 158  Fraenkel, in: FG Herzfeld, S. 156, 182. 159  Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, S. 94. 160  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 234.



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Festgestellt werden kann aber, dass genauso wenig, wie es das Gemeinwohl oder das öffentliche Interesse gibt, es nicht den Volkswillen geben kann. Willensbildung im Volk ist ein offener Prozess der Meinungsbildung und -kommunikation. Gleich ob die öffentliche Meinung als mehrheitlicher Volkswille oder Einzelansicht definiert werden kann, sie ist jedenfalls Grundlage für die im Wahlakt gipfelnde politische Meinung jedes einzelnen Staatsbürgers.161 Sie kann daher auch als „Medium des wahren Volkswillens und damit Widerschein des ungebändigten Souveräns“162 bezeichnet werden. Die „öffentliche Meinung“ und die Grundlage ihrer Entstehung sind damit unerlässliche Voraussetzungen für Demokratie. „Meinungsfreiheit ist ohne Demokratie denkbar, nicht aber Demokratie ohne Meinungs­ freiheit.“163 Freie politische Willensbildung und offene Kommunikation sind zwingende Voraussetzungen für Demokratie164. Ein demokratischer Staat kann nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen165. Diese Willensbildung des Volkes kann nicht durch die gewählten Volksvertreter ersetzt werden. Abgeordnete haben kein imperatives Mandat. Sie sind „nicht ‚Volksbote‘, die den Willen ihrer Wähler wie ein altständischer Ab­ geordneter zu überbringen haben, sondern Mann oder Frau des Vertrauens, die mithelfen sollen, im ständigen Austausch mit dem Volk, den staatlichen Willen zu bilden166. aa) Verbot der staatlichen Einflussnahme auf die Willensbildung Daraus folgt, dass die Willensbildung des Volkes von der des Staates zu unterscheiden ist167. Es obliegt dem Volk einen Willen zu bilden, den die Staatsorgane umzusetzen haben. Der Staat ist auf den Meinungsaustausch mit dem Volk angewiesen, da er nicht um seiner selbst willen existiert, son-

161  Dementsprechend stellt Klein fest „[…], denn ohne sie [die Öffentlichkeit des Prozesses der parlamentarischen Entscheidungsfindung] vermag der Bürger die ihm zukommende, in der Ausübung seines Wahlrechts gipfelnde (sich darin aber nicht erschöpfende) Kontrollfunktion nicht wahrzunehmen“ Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 27. 162  Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 48. 163  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 78. 164  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 76; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 21. 165  BVerfG, Beschluss vom 03.10.1969 – 1 BvR 46/65, BVerfGE 27, 71 (82). 166  Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, S. 135. 167  BVerfG, Urteil vom 19.07.1966 – 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56 (98).

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

dern nur auf Grund des Bestrebens der Menschen168. Die Willensbildung hat sich vom Volk zu den Staatsorganen zu vollziehen169. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Wahlwerbung der Regierung170 ausdrücklich klargestellt, dass „Ungeachtet der natürlich bestehenden Wechselwirkung zwischen Staat und Volk“171 der Staat in den Prozess der Willensbildung des Volkes nicht mittels seiner Organe eingreifen darf172. „Der Bürger ist […] nicht als Objekt staatlicher Öffentlichkeitsarbeit zu konzipieren.“173 So darf durch regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit die freie, pluralistische Öffentlichkeit des Grundgesetzes nicht zur „staatlichen Öffentlichkeit“ pervertiert werden174. Vielmehr sind die Voraussetzungen für eine „Aktivbürgerschaft“175 zu schaffen, mithin eine „verantwortliche Teilhabe der Bürger“176 zu ermöglichen. Dies setzt die demokratische Öffentlichkeit staatlicher Verfahren voraus. Rösch spricht insofern von einem „Gebot inhaltlich-qualitativ gleicher Informationsstandards“ für Staatsorgane und

in: FS Stein, S. 125, 141. Urteil vom 19.07.1966 – 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56 (99); BVerfG, Urteil vom 02.03.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 (140); BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 – 1 BvR 233, 341/81, BVerfGE 69, 315 (346); Richter/Schuppert/ Bumke, Casebook Verfassungsrecht, S. 406 f., die darauf hinweisen, dass Aufgaben durch Delegation nicht der Regierungsverantwortung entzogen werden dürfen, da andernfalls „unkontrollierte und niemand verantwortliche Stellen Einfluß auf die Staatsverwaltung gewinnen würden“; Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 229 § 38 Rn. 34; Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 76; kritisch zur Praktikabilität Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn.  62 ff. 170  BVerfG, Urteil vom 02.03.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 (125). 171  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 530 f.; zur Wechselwirkung zwischen Volk und Staat s. auch BVerfG, Urteil vom 02.03.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 (139 f.); BVerfG, Urteil vom 09.04.1992 – 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (285); Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 76; Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389; Schneider, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 103 Rn. 22 ff.; bzgl. des Rückkopplungsverhältnisses Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 229 Rn. 35 ff., insb. 38. 172  BVerfG, Urteil vom 19.07.1966 – 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56 (99); Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 530 f. 173  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 542. 174  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 541. 175  BVerfG, Urteil vom 02.03.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 (148); Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 542. 176  BVerfG, Urteil vom 02.03.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 (147); Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 542. 168  Ehlers,

169  BVerfG,



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Volk177. Das bedeutet, die Staatsorgane haben „in, an der und für die Öffent­ lichkeit“178 zu arbeiten. „Staatliches Handeln und staatliches Recht sind für den Bürger transparent zu machen.“179 bb) Generelle Öffentlichkeit als neutraler Informationszugang Der Zugang zu Informationen spielt für die Meinungs- und Willensbildung eine bedeutende Rolle. Freie Willensbildung und Kommunikation setzten einen freien, ungehinderten und unzensierten Zugang zu Informationen vo­ raus180. Geheime Vorgänge sind der gesellschaftlichen Erörterung entzogen181. Sie können von den Bürgern weder erfahren noch bewertet werden. Durch fehlende Informationen wird der „Meinungsbildungsprozeß [sic!] a priori lückenhaft“182. Nur durch Öffentlichkeit kann eine sachgerechte Bildung einer öffentlichen Meinung ermöglicht werden183. In einer Demokratie gilt daher: „Das Volk soll wissen, was es [das Volk durch die Volksvertretungen] gesagt und beschlossen hat […].“184 Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend festgestellt: „[Zur Demokratie] gehört auch, dass die Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt ausübenden Organe und die jeweils verfolgten politischen Zielvorstellungen allgemein sichtbar und verstehbar sind.“185 Die „Öffentlichkeit staatlicher Beratungs- und Entscheidungsprozesse [ist] prinzipielle Voraussetzung für eine freie und offene Meinungsund Willensbildung.“186 Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 61. Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 541. 179  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 541. 180  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 1. 181  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 99 f. 182  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 56. 183  BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (65); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 1; Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 144 ff. 184  Perels, AöR 1900, 548 (548). 185  BVerfG, Beschluss vom 31.03.1998 – 2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155 (185). 186  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 21, so auch BVerfG, Beschluss vom 28.10.1975 – 2 BvR 883/73, 2 BvR 379/74, 2 BvR 497/74, 2 BvR 526/74, BVerfGE 40, 237 (249); BVerfG, Urteil vom 05.11.1975 – 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296 (327); BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (355, 358); BVerfG, Urteil vom 16.07.1991 – 2 BvE 1/91, BVerfGE 84, 304 (329); BVerfG, Beschluss vom 31.03.1998 – 2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155 (189); BVerfG vom 31.03.1998 – 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98, BVerfGE 97, 350 (369); BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (63). 177  Rösch,

178  Häberle,

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Auch (willkürliche) Entscheidungen über die Zugänglichkeit von Informationen stellen eine Einflussnahme auf die Meinungs- und Willensbildung dar. Jede Möglichkeit staatlicher Organe zu entscheiden, welche Informationen herausgegeben werden, stellt die Gefahr einer Beeinflussung der Willensbildung im Volk dar187. Erst die (generelle) demokratische Öffentlichkeit staatlicher Verfahren stellt einen allgemeinen und ungefilterten Informationszugang und damit Transparenz sicher188. Durch die Öffentlichkeit politischer Prozesse wird das Volk in die Lage versetzt, sich durch Meinungsbildung und Wahlen zu beteiligen189. Die so entstehende öffentliche Meinung ist „Medium des wahren Volkswillens und damit Widerschein des ungebändigten Souveräns.“190 Die Öffentlichkeit „macht den Staat zu einem Gemeinwesen des ganzen Volks, indem sie es zur Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt befähigt.“191 Die demokratische Öffentlichkeit gibt den Staatsbürgern die Möglichkeit, ihre Interessen gegenüber dem Staat so zur Geltung zu bringen, dass sich „die Staatsgewalt zum Medium einer Selbstorganisation der Gesellschaft ver­ flüssigt“192. Die demokratische Öffentlichkeit staatlicher Verfahren eröffnet den für eine Willens- und Meinungsbildung im Volk notwendigen Informationszugang, ist damit Basis für die Kommunikation zwischen Volk und Repräsentanten und gewährleistet zugleich die „staatliche Neutralität des Informa­ tionszugangs“193. 187  Siehe zur Unzulässigkeit des Ersatzes der Sitzungsöffentlichkeit kommunaler Volksvertretungen durch Erklärungs- oder reine Berichterstatteröffentlichkeit in Kapitel b). Kein Ersatz durch Erklärungs- oder reine Berichterstatteröffentlichkeit, S. 245 ff. 188  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 20; Menke, in: Menke/Arens, Sächs GemO, § 37 Rn. 1; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 1; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 671. 189  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 9. 190  Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 48. 191  Welcker, in: Rotteck/Welcker, Das Staats-Lexikon, S. 744, 747, zit. nach Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 15. 192  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 22. 193  OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (9 f.); OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (160); VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); BVerwG, Beschluss vom 15.03.1995 – 4 B 33/95, NVwZ 1995, 897 (897); OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (171); OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); OVG Schleswig, Beschluss vom 23.05.2003 – 1 MR 10/03, NVwZ-RR 2003, 774 (774); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 305 Rn. 465; Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 22; Holznagel, VVDStRL 2009, 381 (383 f.); Horn, VVDStRL 2009, 413 (435 ff.); Kühling, DVBl. 2008, 1098 (1099 ff.); Linck,



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 63

Die demokratisch notwendige Öffentlichkeit wird durch die Gewährleistung der Kommunikationsrechte abgesichert und flankiert194. c) (Wahl-)Freiheit durch Öffentlichkeit Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes hat nicht die „Negierung oder Auflösung von Herrschaft“ zum Ziel, sondern verlangt nur eine besondere, freiheitliche Organisation derselben.195 Es kann damit auch als „Ordnungs­ prinzip“196 bezeichnet werden. Demokratie setzt voraus, dass die freie Meinungs- und Willensbildung des Volkes in einer vom Staat unbeeinflussten Entscheidungsfindung und Wahlentscheidung münden kann197. Entscheidungen müssen in einem freien Prozess der Meinungsbildung entstehen198. Voraussetzung für Demokratie ist mithin „die politische Freiheit“199 der Bürger. Schon Aristoteles befand, dass die Grundlage der demokratischen Staatsform die Freiheit ist200. Die Freiheit gewährleistet das Recht der Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung und die Möglichkeit, eigene Interessen gegenüber dem Staat zu vertreten, beispielsweise an ihn heranzutragen201. Die politische Freiheit drückt sich zum einen in der Entscheidungs-

DVBl. 2005, 793 (794 f.); Pieroth, in: FS Hoppe, S. 195 (195 f.); Rabeling, NVwZ 2010, 411 (411); durch Öffentlichkeit zumindest eine Förderung der Meinungs- und Willensbildung anerkennend, Wegener, Der geheime Staat, S. 391 ff. insb. ab S. 424 ff. 194  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 45; zum Verhältnis von Öffentlichkeit und Art. 5 GG siehe Einleitung zu Kapitel II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51 ff. 195  Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR II, Rn. 9; Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 62, 65; mit anderer Tendenz Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S.  317 ff.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 20; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn.  133 f.; Volkmann, in: BK GG, Art. 20 C Rn. 50; Wahl, in: Reifferscheid, Ergänzbares Lexikon des Rechts, Nr. 5/170, S. 1. 196  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 62. 197  „münden kann“ und nicht „mündet“, da letztes einen Wahlzwang voraussetzen würde. 198  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 76. 199  BVerfG, Urteil vom 02.03.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 (142); Scheuner, in: Scheuner 1978 – Staatstheorie und Staatsrecht,, S. 246; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR II, Rn. 35 ff.; Dreier, JZ 1994, 741 (741 f.); Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 61; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 16. 200  Aristoteles, Politik 6. Buch, S. 234 Rn. 1317b b15. 201  Ehlers, in: FS Stein, S. 125, 141.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

freiheit des Volks, zum anderen in der „demokratischen Öffentlichkeit staatlicher Verfahren“ aus202. Zur Freiheit des Volkes bei Entscheidungen gehört also auch die Freiheit des Entscheidungsprozesses203. Freie Entscheidung setzt freie Entscheidungsfindung voraus. Im Hinblick auf eine demokratische Wahl ist damit nicht nur gemeint, dass der Staat keine Begrenzung der zur Auswahl stehenden Möglichkeiten, zum Beispiel durch überhöhte Anforderungen an eine Wahlzu­ lassung von Parteien, vornehmen darf. Entscheidungsfreiheit setzt vor allem voraus, dass der Staat keinen Einfluss auf die Entscheidungsgrundlage der Wähler nimmt204. „Die Stimmabgabe war [im bürgerlichen Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts] der Idee nach nur der abschließende Akt eines kontinuierlichen, öffentlich ausgetragenen Streits von Argument und Gegenargument.“205 Das Volk muss für Wahlfreiheit vor der Wahl die Möglichkeit einer freien und unbeeinflussten Meinungs- und Willensbildung haben. Voraussetzung für eine solche ist ein unbeeinflusster, ungehinderter und unzensierter Informationszugang. Dieser Informationszugang ist Basis für eine freie Meinungs- und Willensbildung des Volkes206. Er kann nur durch die „demokratische Öffentlichkeit staatlicher Verfahren“207 sichergestellt werden. Sie eröffnet einen Informationszugang über staatliche Maßnahmen und Entscheidungen, sowie deren Begründung. So fasst Hatschek zutreffend zusammen: „In einer vom Volk erwählten und von Zeit zu Zeit erneuerten Versammlung ist Öffentlichkeit absolut notwendig, um den Wahlherren die Möglichkeit zu verleihen, mit Sachkenntnis zu verfahren. Wozu nützt es Versammlungen zu erneuern, wenn das Volk immer gezwungen ist, unter Männern zu wählen, die es nicht imstande war zu beurteilen.“208 Gerade die Existenz des staatlichen Gewaltmonopols macht zur Wahrung der bürgerlichen Freiheit die Transparenz öffentlicher Machtausübung notwendig209. Erst Öffentlichkeit ermöglicht die Information und eine freie Meinungs- und Willensbildung, auf deren Grundlage eine Wahlentscheidung getroffen werden kann210. in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 16. in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 17. 204  Zur Freiheit der Wahl s. Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn.  220 ff. 205  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 314. 206  s. Kapitel b) Informationszugang und freie Willensbildung, S. 57 ff. 207  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S.  225 ff.; Smend, in: GS Jellinek, S. 11 (16). 208  Hatschek/Kurtzig, Deutsches und preußisches Staatsrecht, S. 565. 209  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 233. 210  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (120, 122); VGH Mannheim, Beschluss vom 12.01.1971 – II 141/68, ESVGH 22, 17 (19); 202  Grzeszick, 203  Sachs,



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 65

Die „demokratische Öffentlichkeit staatlicher Verfahren“ ist damit Voraussetzung für die Entscheidungsfreiheit des Volkes. Im Ergebnis ist Öffentlichkeit daher zwingende Voraussetzung für die Wahrnehmung der Staatsgewalt durch das Volk mittels Wahlen und Abstimmungen.211 d) Kontroll- und Integrationsfunktion der Öffentlichkeit Öffentlichkeit ist Voraussetzung für die demokratische Kontrolle der Gewählten durch das Volk212 und stellt nicht nur eine Willensbildung im Volk (zum Zweck der Wahl)213, sondern auch vom Volk zum Staat sicher und gewährleistet dadurch die Berücksichtigung und Umsetzung des Volkswillens. aa) Prinzipal-Agenten-Theorie Die Übertragung staatlicher Macht vom Volk auf die Repräsentanten ist vergleichbar mit dem zwischen einem Auftraggeber und einem Beauftragten. Aus diesem Grund wird der Vertretungsauftrag des Wählers an den Gewählten auch als Mandat bezeichnet. Der Begriff Mandat stammt vom lateinischen „mandare“ ab und bedeutet „aus der Hand geben“, „beauftragen“ oder „befehlen“. Das politische Mandat stellt einen Auftrag des Volks dar. Inhalt des Auftrags ist die Repräsentation und Interessenvertretung des Volks. In der Rechtswissenschaft wird das Verhältnis zwischen Wähler (Geschäftsherr/ Prinzipal) und gewählten Repräsentanten (Vertreter) in Anlehnung an die Institutionenökonomik unter dem Begriff der Prinzipal-Agenten-Theorie behandelt.214 Das Verhältnis zwischen Wähler und Gewählten leidet unter den gleichen Problemen wie das zwischen Geschäftsherrn und Beauftragten215. OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (10); OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (160); OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.10.1986 – 2 OVG B 91/86, OVGE MüLü 39, 489 (490). 211  Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389 Rn. 53; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1969 – 1 BvR 46/65, BVerfGE 27, 71 (80 ff.). 212  OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (10); Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 1; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 1; Rabeling, NVwZ 2010, 411 (411); Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 1; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 2. m. w. N. 213  s. Kapitel b) Informationszugang und freie Willensbildung, S. 57 ff. 214  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 143; Nicklisch/Petersen, in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, S. 117, 117, 122; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 225 ff. 215  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 143.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Zum einen ist der Auftrag des Wählers an den Mandatsträger nicht abschließend und eindeutig beschrieben. Der Wille des Volks wird durch die Wahl nicht eindeutig mitgeteilt. Der Wähler nimmt durch sein Votum keine Stellung zu einzelnen politischen Fragen. Er kann lediglich das Gesamtkonzept der zur Wahl Stehenden beurteilen. Welche Punkte vom Volk unterstützt werden und welche abgelehnt werden, unterliegt der Interpretation durch die Gewählten. Darüber hinaus kann eine Wahl keine Vorgaben für zukünftige bei der Wahl noch nicht bekannte oder noch nicht aktuelle Fragestellungen beinhalten. Zum anderen leidet das Prinzipal-Vertreter-Verhältnis unter einer Informationsasymmetrie. Dass Volk kann sich sowohl aus praktischen, als auch aus rechtlichen Gründen nicht so umfassend über ein Thema informieren und sich in dieses einarbeiten, wie dies den Repräsentanten möglich ist. Schon aus zeitlichen Gesichtspunkten ist dies für das Volk nur punktuell möglich. Darüber hinaus bestehen vielfältige Ausschluss- und Geheimhaltungsvorschriften, die bereits den Informationszugang unterbinden. Zu denken ist hier nicht nur an die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit der parlamentarischen Ausschüsse216, sondern auch an die Geheimhaltung aus Gründen der Staatssicherheit, beispielsweise im Bereich der Waffenexporte217. Das Volk kann bei Bildung seines „Willens“ folglich nicht alle maßgeblichen Informationen berücksichtigen. Insofern ist es nur folgerichtig, dass Regierung und Parlament nicht an den tatsächlichen Volkswillen gebunden sind218. Das freie Mandat verpflichtet Sie nur gegenüber der Verfassung und ihrem Gewissen. Das Volk muss seinen Repräsentanten vertrauen. Die Wahlentscheidung ist ein Vertrauensbeweis oder -vorschuss219. Zur Kompensation des beschriebenen Informationsdefizits und der daraus folgenden Entscheidungsfreiheit der Gewählten stehen dem Volk Kontrollrechte zu220. bb) Verantwortlichkeit des freien Mandats durch Kontrolle Trotz des freien Mandats haben sich die Gewählten gegenüber dem wählenden Volk „als Beauftragte“ zu verantworten221. „Diese Verantwortlich216  Wohl herrschende Meinung, s. zum Meinungsstreit mit Blick auf die kommunale Ebene ausführlicher im Kapitel 1. Ausschussöffentlichkeit, S. 285 ff. 217  Zu weiteren Geheimhaltungsnormen siehe im Kapitel über den Ausschluss der Öffentlichkeit auf Grund gesetzlicher Vorschriften, Kapitel d) Rechtsstaatlichkeit, S. 378 ff. 218  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 67 ff. 219  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 2. 220  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, S. 143.



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 67

keit222 schlägt sich greifbar nieder in der Kontrollunterworfenheit223 der Amtsausübung.“224 Erst die Kontrolle der Mandatsträger durch das Volk bewirkt eine faktische Bindung an den Volkswillen, denn die „fiktive Anwesenheit des ganzen Volks“ macht den Volksvertretern ihre Verantwortung bewusst und beugt Entscheidungen aus „unsachgemäßen Motiven“ vor225. Gemäß dem Erfahrungssatz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“226 ist die Kontrolle der Gewählten durch das Volk für die Demokratie von zentraler Bedeutung. „Dies gilt umso mehr, wenn die Vertreter ein freies Mandat innehaben und das gesamte Volk, nicht nur einen Teil repräsentieren.“227 Demokratische Macht muss im Sinne des Gemeinwohls von den Amtswaltern fremdnützig ausgeübt werden228. Bei der Ausgestaltung von Entscheidungsfreiräumen kommt ihnen dabei zunächst ein großes Maß an Vertrauen entgegen229. Doch auch diese Bereiche unterliegen der demokratischen Kontrolle. Es gibt „in der verfassungsstaatlichen Demokratie keine kontrollfreien Räume.“230 „Die Kontrollbefugnis des Volks gegenüber dem Staat ist unmittelbarer Ausdruck der Volkssouveränität.“231 Das Volk übt die Kontrolle über die Repräsentanten im Wesentlichen auf zwei Wegen aus: zum einen durch regelmäßige Wahlen (siehe dazu Kapitel cc)), zum anderen durch einen offenen Prozess der Kommunikation und Meinungsbildung (siehe Kapitel dd) und ee)).

221  Siehe zur Bezeichnung der gewählten Repräsentanten als „Beauftrage“ Kapitel (1) Prinzipal-Agenten-Theorie, S. 65 ff. 222  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 150. 223  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 54; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, S. 147. 224  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 573. 225  OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (10 f.); VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (120 f.); VGH Mannheim, Beschluss vom 12.01.1971 – II 141/68, ESVGH 22, 17 (19); VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); Gramlich, DÖV 1982, 139 (145 f.); Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 2. 226  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 58. 227  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 2. 228  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 146. 229  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 146. 230  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 147. 231  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 54.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

cc) Begründungs- und Rechtfertigungsdruck regelmäßiger Wahlen Die Kontrolle durch das Volk erfolgt in erster Linie durch Wahlen. Das Wahlrecht wurde vom Bundesverfassungsgericht daher auch zutreffend als das „vornehmste Recht des Bürgers im demokratischen Staat“232 bezeichnet. Die Verfassung schreibt vor, dass diese regelmäßig stattfinden müssen. Die darin zum Ausdruck kommende temporäre Befristung der Mandatierung hat eine reglementierende Wirkung auf die Gewählten. Denn die einmal getroffene Wahlentscheidung wird in Form von Kontrolle und Kritik weiterbegleitet; diese Fortsetzung des freien Meinungs- und Willensbildungsprozess kann auch zur Revision der Wahlentscheidung bei der nächsten Wahl führen233. Öffentlichkeit gibt den Bürgern folglich eine Entscheidungshilfe für künftige Wahlen234. Die Repräsentanten müssen daher immer wieder um die Stimmen der Wähler werben. Es entsteht eine „Wahlangst“235 der Gewählten, die der mächtigste Bestimmungsfaktor der demokratischen Politik ist236. Die Volksrepräsentanten stehen folglich unter einem Begründungs- und Rechtfertigungsdruck237. Der Begründungs- und Rechtfertigungsdruck regelmäßiger Wahlen entsteht jedoch nur dann, wenn sich das Volk eine Meinung über die Leistungen der Repräsentanten bilden kann. Regelmäßige Wahlen implizieren folglich die Informationsfreiheit des Wahlvolks238. Aussreichende Information als Entscheidungsgrundlage sind daher Basis für eine sinnvolle und effektive Ausübung des Wahlrechts239. Dies ist nicht der Fall, wenn Beratungen und Entscheidungsprozesse hinter verschlossenen Türen stattfinden. Funktion der Volksvertretungen ist auch die dafür notwendige Verhandlung von Argumenten und Gegenargumenten in öffentlicher Debatte240. Kontrolle setzt daher voraus, dass das Volk „über die Ausübung der politischen Herrschaft infor-

232  BVerfG,

Urteil vom 23.10.1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (33). in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 77. 234  OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 34; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 1. 235  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559 (585). 236  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 140. 237  Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 235. 238  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 148. 239  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 152; Rubbert, Saal- und Medienöffentlichkeit mündlicher Verhandlungen zwischen Verwaltung und Bürgern, S. 187; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaat­lichen Demokratie, S. 55. 240  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 109 mit Hinweis auf die kritische Würdigung Habermas’ zum Funktionswandel der Parlamente. 233  Dreier,



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 69

miert ist“.241 Die so genannte „Vor- und Nachwirkung der Wahl“ erfordert mithin andauernde Publizität242. Aus der Kontrollunterworfenheit der gewählten Repräsentanten folgt somit „das Gebot der Öffentlichkeit des staat­ lichen Agierens“.243 Die Öffentlichkeit dient der unmittelbaren, ungefilterten Information der Bevölkerung über aktuelle Themen und Beschlüsse244. Politische Vorgänge werden durch Öffentlichkeit transparent und nachvollziehbar245. So befähigt die Teilnahme als Zuhörer an der Sitzung eines gewählten Gremiums, zum Beispiel des Bundestags, sich ein eigenes Bild über Beratungsgegenstände, Informationsniveau, Diskussionsstandpunkte und Abstimmungsverhalten der Mandatsträger zu bilden. Öffentlichkeit beugt dem Anschein, dass „hinter verschlossenen Türen“ unsachliche Motive erwogen werden, vor246. Im Rahmen einer öffentlichen Debatte müssen Positionen begründet werden. So kann sich das Volk ein „Urteil über die entscheidenden Fragen und die Amtsführung der politischen Führung bilden, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können.“247 Oder direkter formuliert, um zu entscheiden, „wer es verdient, wieder gewählt zu werden und wer nicht.“248 Öffentlichkeit vermittelt somit die „Oberaufsicht des Publikums“ und macht das Wahlvolk zu einem „Gericht, das mehr wert ist, als alle Tribunale zusammengenommen. […]“249. Öffentlichkeit ermöglicht folglich Kontrolle250 und schafft Verantwortlichkeit der Repräsentanten251. Diese Verantwortlichkeit führt zu einer 241  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 573; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 49. 242  Jerschke, ZParl 1972, 516 (518); Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 66; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 56. 243  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 148. 244  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 20; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 671; siehe auch Kapitel b) Informationszugang und freie Willensbildung, S. 57 ff. 245  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 106. 246  Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 S. 1; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 1. 247  BVerfG, Urteil vom 02.03.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 (147); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 55. 248  Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, S. 135. 249  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 174. 250  Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 312. 251  BVerfG, Urteil vom 05.11.1975 – 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296 (327); BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (355); BVerfG, Urteil vom 16.07.1991 – 2 BvE 1/91, BVerfGE 84, 304 (329); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 9 f.; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 4.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Rationalisierung politischer Entscheidungsprozesse, denn öffentlich vertreten werden kann nur, was auch nachvollziehbar und verständlich dargelegt werden kann252. dd) Integrationsfunktion der Öffentlichkeit Der Einfluss des Volks auf den Staat erschöpft sich nicht in der (sanktionierenden) Wahlentscheidung. „Demokratie heißt Beeinflussbarkeit.“253 Wähler und Gewählter gestalten auf Basis des Begründungs- und Rechtfertigungsdrucks der Repräsentanten einen „ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung“254. „Der Staat (als öffentliche Gewalt) verdankt das Attribut der Öffentlichkeit seiner Aufgabe, für das öffentliche, das gemeinsame Wohl aller Rechtsgenossen zu sorgen.“255 Erst das Wissen der Abgeordneten um ihre Beobachtung durch die Bevölkerung führt zu einer Bindung an den Volkswillen. Ihre Ohren werden für die Wünsche der Wähler geöffnet256. Die Wahlangst erhöht die Bereitschaft des Gewählten, sich für diese (öffentlichen) Interessen der Wähler einzusetzen. Sie ist damit „der wichtigste Bestimmungsfaktor der Politik“257 und zugleich Basis für die vom Bundesverfassungsgericht geforderte „Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen“258. Die den Repräsentanten in Form des freien Mandats übertragene unbeschränkte Macht wird auf diese Weise durch die Öffentlichkeit faktisch gebunden. Die öffentliche Meinung kann insoweit sogar als „Gewaltenschranke“259 bezeichnet werden. Öffentlichkeit schafft damit (plurale, gesellschaftliche260) Kommunikation zwischen den Entscheidungsträgern und den Regierten261; sie sorgt für einen „bipolaren, auf Austausch gerichteten Kommunikationsprozeß [sic!] zwischen Volk und Parlament“262. Sie dient damit der Vermittlung zwischen Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 107. Staatsorganisationsrecht, Rn. 126. 254  BVerfG, Urteil vom 19.07.1966 – 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56 (98); BVerfG, Urteil vom 02.03.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125 (139 f.). 255  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 241. 256  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 585. 257  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 585 m. w. N.; kritisch zur demokratischen Bedeutung des Ideals der Mitwirkung in einer Demokratie, Sartori, Demokratietheorie, S. 166 ff., 170, 172. 258  BVerfG, Urteil vom 19.07.1966 – 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56 (99). 259  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 216. 260  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 77. 261  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 20. 262  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 28 m. w. N. 252  Rösch,

253  Morlok/Michael,



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 71

Staat und Gesellschaft263. Auf diese Weise hat Öffentlichkeit auch beeinflussenden Charakter264. Die Öffentlichkeit kann daher auch als „strukturelle Kopplung zwischen politischem System als Teil der Gesellschaft und den personalen Systemen, die die Gesellschaft über den Ausschnitt des Politischen nach ihren Präferenzen beobachten“265 verstanden werden. Die primäre Funktion der Öffentlichkeit als „Prinzip der Kritik“266 (an der Ausübung hoheitlicher Gewalt durch das Publikum), ist durch eine Integrationswirkung erweitert worden267. Die demokratische Öffentlichkeit ist eine grundrecht­ liche Erscheinungsform des Einflusses auf politische Mächte268. Dabei kommt der Öffentlichkeit auch eine bildende Funktion zu269. Die politische Bildung beugt der Entfremdung von Parlament und Bürgern vor. „Die Öffentlichkeit fungiert insofern als Formalbedingung der inhaltlichen Verallgemeinerungsfähigkeit von Entscheidungen, die Öffentlichkeit ist eine prozedurale Voraussetzung der Gemeinwohlproduktion.“270 „Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parla­ mentarismus.“271 Denn „ohne Publizität gibt es keine Repräsentation“272. Diese Kommunikation zwischen Wähler und Gewähltem stellt die zweite Ebene der Kontrolle durch das Volk dar. „Ohne kontrollierende – aber auch beeinflussende! – Öffentlichkeit gibt es keine von der Volkssouveränität geprägte Demokratie.“273 Erst der durch die demokratische Öffentlichkeit staat-

Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 236 f. Staatsorganisationsrecht, Rn. 148. 265  Di Fabio, Das Recht offener Staaten, S. 47; zur Rückkopplungsfunktion der Öffentlichkeit auch Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 25; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 109. 266  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 307. 267  Habermas geht von einer Umfunktionierung der Öffentlichkeit von einem „Prinzip der Kritik“ hin zu einem „Prinzip der Integration“ aus – spricht der aktuellen Öffentlichkeit mithin seine Kritikfähigkeit ab, Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 307; diese ist bei näherer Betrachtung aber Teil der Integrationsfunktion. Daher wird vorliegend von einer „Erweiterung“, nicht von einer „Umfunktionierung“ gesprochen; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 29. 268  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 126. 269  Kißler, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S. 993 Rn. 9; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 109. 270  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 148. 271  BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (355); Linck, ZParl 1992, 673 (674). 272  Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 – 3. Bismarck und das Reich, S. 887; Schmitt, Verfassungslehre, S.  208 ff. 273  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 574. 263  Häberle,

264  Morlok/Michael,

72

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

licher Verfahren gewährleistete Informationszugang ermöglicht eine Kon­ trolle der Repräsentanten durch das Volk. ee) Partizipation und Mobilisierung Die Öffentlichkeit hat eine mobilisierende Wirkung. Selbstherrschaft des Volkes und Freiheit von Unterdrückung wird nicht allein durch die rechtliche Möglichkeit auf Teilhabe an demokratischen Wahlen geschaffen274. Freie Meinungsbildung setzt freie Meinungsäußerung und -bildung voraus. Die Gewährung der Kommunikationsgrundrechte ist daher konstitutiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung275. Um von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, ist aber die Einsicht in die politischen Vorgänge notwendig. Mit anderen Worten: Es kann sich nur beteiligen, „wer weiß, wozu und woran er partizipiert und wer die Entscheidungsgrundlagen kennt.“276 Die Einsicht in die staatlichen Abläufe und die Möglichkeit diese zu bewerten schaffen somit erst das Interesse der Bürgerschaft, sich politisch zu engagieren. Auch kann Öffentlichkeit „ein Stimulans für die (noch) nicht interessierte Öffentlichkeit [sein], zur interessierten Öffentlichkeit zu wer­ den“277. Öffentlichkeit weckt, fördert und erhält folglich das politische Interesse der Bevölkerung278. Insbesondere auf kommunaler Ebene wird darauf hingewiesen, dass die Partizipation als Zuhörer und Zuschauer das allgemeine Interesse an der Stadtverwaltung wecke und dadurch den Gedanken der Selbstverwaltung im Bewusstsein der Bürger festige279. Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 108. Urteil vom 15.01.1985 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (208); BVerfG, Beschluss vom 25.01.1961 – 1 BvR 9/57, BVerfGE 12, 113 (125); BVerfG, Urteil vom 19.07.1966 – 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56 (97); BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 – 1 BvR 233, 341/81, BVerfGE 69, 315 (344 f.); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 108. 276  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 108. 277  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 237. 278  Rabeling, NVwZ 2010, 411 (411). 279  VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); VG Freiburg, Urteil vom 11.10.1973 – VS III 88/72, NJW 1974, 762 (763) mit Hinweis darauf, dass „Im Vordergrund [der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit] steht vielmehr die Funktion, dem Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaft und ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und dadurch eine auf eigener Kenntnis und Beurteilung beruhende Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie für die Willensbildung bei künftigen Wahlen zu schaffen.“; OVG Münster, Urteil vom 24.04.2001 – 15 A 3021/97, NVwZ-RR 2002, 135 (136); OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (160); OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.10.1986 – 2 OVG B 91/86, OVGE MüLü 39, 489 (490); VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (120); VGH Mann274  Rösch,

275  BVerfG,



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 73

ff) Wahrheitsfindung durch Öffentlichkeit? Mittels der Integrationsfunktion280 führt Öffentlichkeit Entscheidungsverfahren Erkenntnisse und Argumente zu281. Statt still und leise entsprechend der eigenen Auffassung zu votieren, verlangt die öffentliche Debatte, die Begründung des persönlichen Standpunkts sowie die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen. Öffentlichkeit fördert dadurch die sachliche Auseinandersetzung mit einem Thema282. Öffentlichkeit ermöglicht so eine transparente Auseinandersetzung und Entscheidungssuche283. „Die Öffentlichkeit der politischen Entscheidungsfindung eröffnet die Möglichkeit der Kritik, der sachlichen Ergänzung und sie schafft Raum für die Artikulation anderer Vorschläge zur Regelung des anstehenden Problems.“284 Das trägt dazu bei, dass die Beteiligten eine fundiertere Sachkenntnis erlangen und die Gefahr gemindert wird, wesentliche Gesichtspunkte zu übersehen285. So können Widersprüche des Regierungshandelns vermieden und Gerechtigkeit gesichert werden286. Die Publizität der Entscheidungsfindung ermöglicht ein „höheres Maß an Sachgerechtigkeit“287. Dementsprechend kommt C. Schmitt zu dem Fazit: „Gesetz ist nicht der Wille eines oder vieler Menschen, sondern etwas Vernünftig-Allgemeines; nicht voluntas, sondern ratio.“288 Morlok hält das „vorgeschriebene Gesetzgebungsverfahren“ dementsprechend für einen „Garant möglichster Ratio­ heim, Beschluss vom 12.01.1971 – II 141/68, ESVGH 22, 17 (19); Blum, in: Blum/ Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, §  64 Rn.  2; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 1; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 1 n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 S. 144; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 19; Paal, in: Rehn/Cron­ auge, GO NRW, § 48 Rn. 16; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 1; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 312; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 1; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. II. 1. S. 2; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 1; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 671. 280  Vgl. Kapitel (4) Integrationsfunktion der Öffentlichkeit, S. 70 ff. 281  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 10. 282  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146); Marcic, in: FS Arndt, S. 267 (290). 283  Möllers, Die drei Gewalten, S. 106; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 4. 284  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559 (574). 285  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 6; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 20. 286  Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, S.  165, 167 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 7. 287  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 6. 288  Schmitt, Verfassungslehre, S. 139.

74

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

nalität“289. Smend bezeichnet Publizität als „Vehikel und Gewähr der Wahrheit, der Sauberkeit, der Richtigkeit der Ergebnisse, die in öffentlicher Auseinandersetzung, in öffentlichen Verfahren gewonnen werden“290. Aus der idealistischen Philosophie stammt die darüber hinausgehende Annahme, dass Öffentlichkeit die Richtigkeit parlamentarischer Entscheidungen gewähre291. „Wie die Arkana einer Aufrechterhaltung der auf voluntas gegründeten Herrschaft, so soll Publizität der Durchsetzung einer auf ratio gegründeten Gesetzgebung dienen.“292 Gesetze seien demnach eine aus logischer Folgerung stammende rationale Übereinkunft293. Tatsächlich vermag Öffentlichkeit dies aber nicht zu leisten294. Wenngleich Mehrheitsentscheidungen mitunter eine Richtigkeitsvermutung zugesprochen wird295, ist zu beachten, dass die öffentliche Wahrnehmung manipulationsanfällig ist. Hierbei ist zum einen die unvermeidliche und mitunter unbewusste Beeinflussung der Repräsentanten durch ihre „Wahlangst“ zu beachten, zum anderen die gezielte Einflussnahme, insbesondere durch Interessenverbände. Beide Aspekte sind geeignet eine rationale Entscheidung zu verhindern und nehmen in der Praxis eine nicht zu vernachlässigende Rolle ein. So wird kritisiert, dass von der öffentlichen Darstellung getriebener politischer Aktionismus langfristige Planungen ersetze296. Unter einer ähnlichen Beeinflussung „leidet“ auch die Meinungsbildung im Volk. Zielgerichtet greifen dabei nicht nur der Staat und seine Organe in die öffentliche Meinungsbildung ein, sondern auch Einzelne sowie Interessengruppen297. Dementsprechend wird „die Verbindung von manipulativer Beeinflussung und kritischer Teilhabe der Öffentlichkeit“ bereits als „signi­ fikantes Merkmal demokratischer Regierungssysteme“ bezeichnet298. Auch 289  Morlok,

S. 57.

Was heisst und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?,

in: GS Jellinek, S. 11, 14. in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 9; Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, S. 135; zum Verständnis des Öffentlichen als dem Wahren, vgl. Marcic, in: FS Arndt, S. 267, 275. 292  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 118. 293  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 152. 294  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 8; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S.  54 f.; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 108; 295  Leisner, Der unsichtbare Staat, S. 63; Müller, ThürVBl. 1994, 176 (180). 296  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 12. 297  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 12. 298  Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 413 (465). 290  Smend, 291  Klein,



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 75

wird unter dem Begriff der Lobbykratie die Frage der Funktionsfähigkeit der Demokratie trotz zunehmender gezielter Einflussnahme von Interessenverbänden erörtert. Öffentlichkeit kann die Richtigkeit von Entscheidungen nur fördern, aber nicht verbürgen299. Sie ist mithin eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung zur Wahrheitsfindung300. e) Vertrauen und Legitimation „Herrschaft bedarf der Legitimation.“301 Die demokratische Öffentlichkeit staatlicher Verfahren dient der Legitimierung des staatlichen Machtmonopols302. Legitimation ist die Rechtfertigung des Staats für sein (hoheitliches) Handeln.303 Der verfassungsrechtliche Fundamentalsatz „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus“ stellt keine „Zuständigkeitsregelung, sondern ein Legitimations- und Verantwortungsprinzip dar.“304 Zentrale Voraussetzung ist die Rückführbarkeit aller staatlichen Gewalt auf den Volkswillen305. In einer Demokratie ist es grundsätzlich notwendig, dass staatliches Handeln durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Volk zurückgeführt werden kann306. Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass in dem hoheitlichen Handeln die Souveränität des Volks zum Ausdruck kommt307. Das Grundgesetz sichert dies durch Art. 79 Abs. 3 ab, der vorgibt, dass zum „nicht antastbaren Gehalt des Demokratieprinzips gehört, dass die Wahrneh299  von Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 509; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 8. 300  Ähnlich Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 232 ff. 301  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 35, 121. 302  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 53 f. 303  Ehlers, in: FS Stein, S. 125, 133 Fn. 133; zur Mehrdeutigkeit des Legitimationsbegriffs s. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 26 ff.; zu den Problemen der Legitimation Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S.  323 ff. 304  Grawert, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR II, Rn. 30; Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 83. 305  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 83. 306  Zur Notwenigkeit einer ununterbrochenen Legitimationskette s. Ehlers, in: FS Stein, S. 125, 134; kritisch gegenüber der reinen Lehre von der ununterbrochenen Legitimationskette mit Hinweis auf Vorteile alternativer Beteiligungsmodelle Morlok/ Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 138. 307  Zur Verkennung der Bedeutung von Legitimation durch den Begriff des „Legitimationskettenfetischismus“ s. Ehlers, in: FS Stein, S. 125, 142; Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 114.

76

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

mung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden.“308 Die Notwendigkeit einer ununterbrochenen Legitima­ tionskette kann als Ausprägung der personellen Dimension der Volkssouveränität verstanden werden309. Das Grundgesetz definiert den Begriff der „Legitimation“ nicht. Auch sind die Voraussetzungen für ausreichende Legitimation nicht ausdrücklich normiert. Die Auslegungsoffenheit des Grundgesetzes eröffnet vielmehr die Möglichkeit, den „notwendigen Zurechnungszusammenhang“ zwischen Volk und Ausübung staatlicher Macht auf verschiedene Weisen sicherzustellen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt jedoch, dass „ein bestimmtes Legitimationsniveau erreicht wird“310. Differenziert werden kann zwischen Input- und Output-Legitimation. Mit Ersterem wird die „Begründung der Herrschaft in ihrer demokratischen Ausübungsform“ bezeichnet; unter Zweiterem versteht man die Rechtfertigung der Herrschaft durch den Beweis „der Leistungsfähigkeit des Staats bei der Bewältigung der sich ihm stellenden Aufgaben“311. In einer repräsentativen Demokratie wird die Legitimation durch den Wahlakt vermittelt. „Dem demokratisch gewählten Gesetzgeber und dem verfassungsgemäß vorgeschriebenen Gesetzgebungsverfahren kommt ein Höchstmaß an Legitimation zu“312. Die Wahl ist „ein Akt des Vertrauens: ein Vertrauensbeweis in der Wiederwahl, ein Vertrauensvorschuß [sic!] in der Neuwahl.“313 Grundlage für die Legitimierung eines Abgeordneten durch die Wahl des Wählers ist daher das Vertrauen zwischen Wähler und Gewähltem. Demokratische Staatsgewalt kann Legitimität folglich nur dann beanspruchen, „wenn diejenigen, die sie ausüben, grundsätzlich das Vertrauen des Volks besitzen“314. Jerschke fasst zutreffend zusammen, dass „die Delegation der Staatsgewalt vom souverä308  BVerfG,

(182).

Urteil vom 12.10.1993 – 1 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155 Staatsorganisationsrecht, Rn. 135. Urteil vom 12.10.1993 – 1 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155

309  Morlok/Michael, 310  BVerfG,

(182).

Staatsorganisationsrecht, Rn. 334. Was heisst und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?,

311  Morlok/Michael, 312  Morlok,

S. 57.

313  Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse S. 69 f.; so auch Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 55, 108. 314  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 10.



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 77

nen, aber repräsentierten Volk zum repräsentierenden Parlament Vertrauen zur Voraussetzung und Kontrolle zur Bedingung hat“315. Vertrauen wird durch Öffentlichkeit geschaffen316. Wer nichts zu verbergen hat, wirkt glaubwürdig und verlässlich. Transparenz ist damit Voraussetzung für das demokratisch zwingend notwenige Vertrauen zwischen Wähler und Gewähltem. Das Vertrauen des Volks setzt die Öffentlichkeit staatlichen Handelns voraus. Dementsprechend kommt beispielsweise der Veröffent­ lichung von Nebeneinkünften der gewählten Repräsentanten eine bedeutende Rolle für die Beurteilung ihrer Integrität zu. Zugleich kann die Öffentlichkeit Rationalität politischer Verfahren schaffen317. Rationalität macht Prozesse berechenbar. Dadurch wird dem Eindruck der Willkür vorgebeugt und Vertrauen in die politische Arbeit erzeugt. Ratio­ nalität dient folglich dem Vertrauen zwischen Wähler und Gewählten. Rationalität ist Basis für die staatliche Legitimität318. Öffentlichkeit ermöglicht außerdem einen bipolaren, „auf Austausch gerichteten Kommunikationsprozeß [sic!] zwischen Volk und Parlament“319. Die auf dieser Grundlage mögliche Bildung einer öffentlichen Meinung ist – wie auch immer man sie definieren mag320 – „Basis der Legitimation politischer Herrschaft“321. Der ständige Kommunikationsprozess zwischen Volk und Repräsentanten begründet „neben der Wahl den demokratischen Legitimationszusammenhang“322. „Der beständige Dialog zwischen Parlament und gesellschaftlichen Kräften erweist sich daher für die Legitimität demokratischer Ordnung als genauso wichtig, wie der Wahlakt selbst.“323

315  Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse S. 70; so inhaltlich auch Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 S. 1 Ziff. 1.1 mit Verweis auf Amtliche Begründung zu Art. 2 GO BY, S. 36. 316  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 59, sieht als Grundlage für das Vertrauen die Kommunikation (als Zwischenschritt vor der Öffentlichkeit) an. 317  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 107 m.  w. N.; siehe ausführlicher zur Rationalisierung durch Öffentlichkeit Kapitel ff) Wahrheitsfindung durch Öffentlichkeit?, S. 73 ff. 318  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 107 m. w. N. 319  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 28; siehe dazu ausführlicher auch im Kapitel d) Kontroll- und Integrationsfunktion der Öffentlichkeit, S. 65 ff. 320  Zur Frage, was unter dem Begriff der öffentlichen Meinung verstanden wird siehe Kapitel b) Informationszugang und freie Willensbildung, S. 57 ff. 321  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 344. 322  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 28. 323  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 77.

78

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Legitimation durch Wahl oder mittels der öffentlichen Meinung setzt die demokratische Öffentlichkeit staatlicher Verfahren voraus. Umgekehrt lässt sich also sagen, dass nur durch demokratische Öffentlichkeit der staatliche Entscheidungsprozess legitimiert werden kann324. Die demokratische Öffentlichkeit staatlicher Verfahren ist für die Legitimierung der gewählten Repräsentanten, wie für die gesamte staatliche Tätigkeit, elementar325. f) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass die demokratische Öffentlichkeit staatlicher Verfahren in einer „Wechselbeziehung zur parlamentarischen Repräsentation, Partizipation, Kommunikation, Integration, Information, Legitimation und Kontrolle“ steht326. Diese lassen sich nur sinnvoll unter Voraussetzung parlamentarischer Öffentlichkeit verwirklichen327. Sie erfüllt im Kern damit drei für die repräsentative Demokratie wesentliche Funktionen: 1. Öffentlichkeit eröffnet dem Volk einen Informationszugang. Dieser ist Grundlage für die Willensbildung im Volk328, eine freie und bewusste Wahlentscheidung329 und damit für die Kontrolle der Gewählten durch das Volk330 und die Legitimation staatlicher Machtausübung. 2. Öffentlichkeit schafft Vertrauen zwischen Gewählten und Wählern und ist damit Basis für die Legitimation der Repräsentanten. 3. Öffentlichkeit ermöglicht Kommunikation. Diese Transparenz gewährleistet die Willensbildung vom Volk zum Staat. Ohne Öffentlichkeit ist weder demokratische Kontrolle noch Legitimation möglich331. Öffentlichkeit ermöglicht es dem Volk, die „Staatsgewalt zum Medium einer Selbstorganisation der Gesellschaft [zu] verflüssigen“332. in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 20. Der unsichtbare Staat, S. 63. 326  Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 4; so auch Achterberg, Parlamentsrecht S. 565; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 26; Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389 Rn. 54; Schneider, in: Denninger, AK-GG, Rn. 2. 327  OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (9) m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 15.03.1995 – 4 B 33/95, NVwZ 1995, 897 (897); OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (172 f.). 328  Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 18. 329  Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 2. 330  Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 4. 331  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 20; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 671; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 16. 324  Morlok,

325  Leisner,



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 79

Die Begründung von Öffentlichkeit kann also institutionell von Seiten der „Staatsorganfunktionen als öffentlichen Gemeinwohlfunktionen und grundrechtlich von der Meinungsfreiheit und vom Informationsinteresse des Aktivbürgers her“333 betrachtet werden. Im Demokratieprinzip werden beide „Begründungs-Schienen“ verbunden, wodurch das „Prinzip Öffentlichkeit“ unverzichtbar wird.334 Diese Bedeutung der Öffentlichkeit für die repräsentative Demokratie des Grundgesetzes geht auch aus dem Begriff der „Repräsentation“ hervor. Wörtlich kann „Repräsentation“ mit „Wieder-Darbieten“ übersetzt werden. Auf die demokratischen Abläufe übertragen, ist die Darbietung der Volksvertreter in der politischen Entscheidungsfindung und -begründung zu erkennen. Diese muss vorgestellt, erklärt und verteidigt werden. Inhaltlich präsentieren die Volksvertreter dabei nicht die eigene Macht und Meinung, sondern geben, gemäß dem Grundsatz der Volkssouveränität, den Volkswillen wieder. Darbietung, das heißt Präsentation, ist ohne Öffentlichkeit nicht möglich. Zugleich macht erst die Öffentlichkeit die Bildung eines Volkswillens möglich. Diese Wechselwirkung bezeichnet C. Schmitt als „spezifische Dialektik“, die „ein unsichtbares Sein durch ein öffentlich anwesendes Sein sichtbar“ macht und vergegenwärtigt335. „Erst durch Publizität wird Repräsentation mög­lich.“336 „Die Repräsentation kann nur in der Sphäre der Öffentlichkeit vor sich gehen. Es gibt keine Repräsentation, die sich im geheimen und unter vier Augen abspielt, keine Repräsentation, die ‚Privatsache‘ wäre.“337 Öffentlichkeit ist damit wesentliche Bedingung legitimer, demokratischer, staatlicher Tätigkeit338. Sie ist als „notwendige Funktionsvoraussetzung der Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 22. Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 541. 334  Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 541. 335  Schmitt, Verfassungslehre, S. 209; so auch Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, S. 26; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 59 f. 336  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 27 m. w. N.; zur Bedeutung von Öffentlichkeit für Repräsentation s. auch Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 226; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 107. 337  Schmitt, Verfassungslehre, S. 208; Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 61; zum Zusammenhang von Öffentlichkeit und Repräsentation s. auch Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess – ein Pluralismuskonzept, S. 226. 338  BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (355); BVerfG, Urteil vom 16.07.1991 – 2 BvE 1/91, BVerfGE 84, 304 (329); BVerfG, Beschluss vom 08.10.2009 – 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, 104 (123 f.); OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (9 f.); Gramlich, DÖV 1982, 139 (145); Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit; Hä332  Habermas, 333  Häberle,

80

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Demokratie“339 oder „notwendiges Begleitelement der repräsentativen Regierungsform“340 unverzichtbarer Teil des verfassungsrechtlichen Demokratieprinzips341. Öffentlichkeit stellt damit selber ein verfassungsrechtliches Prinzip dar. Als solches ist es spezifizierungsbedürftig, abwägungsoffen und beinhaltet ein Optimierungsgebot342. Bei der Ausgestaltung des Demokratieprinzips durch einfach gesetzliche Vorschriften oder staatliche Maßnahmen ist auf die Wahrung der demokratischen Öffentlichkeit staatlicher Verfahren zu achten. So wie die Verfassung so auszulegen ist, dass eine wirksame parlamentarische Kontrolle möglich ist343, so ist sie auch so auszulegen, dass eine wirksame Kontrolle des Parlaments durch das Volk erfolgen kann344. Aus dem Grundgesetz folgt daher ein „allgemeines Öffentlichkeitsprinzip der Demo­ kratie“345. 2. Rechtsstaatliche Öffentlichkeit Öffentlichkeit ist eine notwenige Voraussetzung des Rechtsstaatsprinzips. Theoretisch könnte Rechtsstaatlichkeit zwar auch ohne Öffentlichkeit funktionieren, tatsächlich gewinnt Rechtsstaatlichkeit durch Öffentlichkeit aber Wirksamkeit und Legitimität346.

berle, Die Verfassung des Pluralismus: Studien zur Verfassungstheorie der offenen Gesellschaft, S. 130; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 148; Hesse, VVDStRL 1959, 11 (39 ff.); Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 4; Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 188; Marcic, in: FS Arndt, S. 267 (272); Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559 (573 f.); Smend, in: GS Jellinek, S. 11. 339  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 9. 340  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 20. 341  BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (358); BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (63); Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 11. 342  Morlok, in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, 563. 343  BVerfG, Urteil vom 17.07.1984 – 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BVerfGE 67, 100 (130). 344  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 60. 345  BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (358); Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 366 m. w. N. 346  Gramlich, DÖV 1982, 139 (145); Kißler, in: JöR 26 (1977), S. 39 (116 ff.).



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 81

a) Verfassungsrechtliche Verankerung und Inhalt des Rechtsstaatsprinzips Das Rechtsstaatsprinzip stellt einen „allgemeinen Rechtsgrundsatz“347 dar und ist „eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes“348. Es ist in Art. 20 Abs. 3 GG (exemplarisch) verankert349 und beinhaltet im Kern die Bindung des staatlichen Gewaltenmonopols an die gesetzlichen Grenzen350. Der Staat kann von den ihm mittels Wahl vom Volk übertragenen Kompetenzen nur innerhalb der Grenzen der Verfassung und aller anderen gesetzlichen Bestimmungen Gebrauch machen. Bestandteil der Rechtsstaatlichkeit ist auch ein „gegliederter, durchsichtiger, nach Verantwortlichkeiten geordneter Staatsaufbau, ein System von Funktionstrennung und -hemmung.“351 Das Rechtsstaatsprinzip entfaltet insofern in allen Staatsbereichen Wirkung352. Während Exekutive und Judikative in erster Linie an einfach gesetzliche Bestimmungen gebunden sind, besteht bei der Legislative die Besonderheit, dass diese die Rechtsordnung selber gestaltet. Dementsprechend bindet Art. 20 Abs. 3 1. Halbsatz GG die Gesetzgebung (nur) an die verfassungsmäßige Ordnung. Äußerer Rahmen der legislativen Tätigkeit sind somit die Schranken der Verfassung353. Außerdem ist auch die Legislative an die 347  BVerfG, Beschluss vom 24.07.1957 – 1 BvL 23/52, BVerfGE 7, 89 (92 f.); BVerfG, Urteil vom 21.06.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187 (246); BVerfG, Beschluss vom 27.07.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131 (144 f.); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – VII Rn. 33; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 29. 348  BVerfG, Beschluss vom 25.10.1966 – 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323 (331). 349  BVerfG, Urteil vom 15.12.1970 – 2 BvF 1/69, 2BvR 629/68, 2 BvR 308/69, BVerfGE 30, 1 (24 f.); BVerfG, Beschluss vom 22.01.1975 – 2 BvL 51/71, 2 BvL 10/73, 2 BvL 14/73, BVerfGE 39, 128 (143); BVerfG, Urteil vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 (180); BVerwG, Urteil vom 20.09.1984 – 7 C 57/83, BVerwGE 70, 143 (144); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 20 – I Rn. 34; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 336 mit weiteren Beispielen für die verfassungsrechtliche Verankerung; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 62 m. w. N.; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 29; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn. 38. 350  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 335; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 29; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 62; von Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 476, 480, 490 aber kritisch bezüglich der Qualifizierung der „Limitierung der Staatsmacht“ als rechtsstaatliches Element S. 474; kritisch zur inhaltlichen Definition Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.  457 ff. 351  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146). 352  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn. 223. 353  Auch die Landesgesetzgeber werden durch das Rechtsstaatsprinzip gebunden BVerfG, Urteil vom 01.07.1953 – 1 BvL 23/51, BVerfGE 2, 380 (403).

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

von ihr erlassenen Bestimmungen gebunden, bis sie sie durch ein formell und materiell rechtmäßiges Verfahren aufhebt oder modifiziert. Zusammenfassend wirkt das Rechtsstaatsprinzip durch die Manifestierung eines „material-verfahrensmäßigen Formprinzips“354, „durch das im Ergebnis eine Beschränkung staatlicher Macht erzielt werden soll“355. Als Prinzip hat die Rechtsstaatlichkeit zahlreiche Konkretisierungen – auch im Grundgesetz – erfahren356. Kernforderungen des Rechtsstaatsprinzips sind unter anderem die Gewaltenteilung357, der Vorrang von Verfassung und Gesetz, wie er in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommt358, der Gesetzesvorbehalt359, der Vertrauensschutz360, die Grundsätze der Rechtssicherheit361 und der Verhältnismäßigkeit362, das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung363, das Recht auf ein faires Verfahren364. Ergänzt werden diese in: Isensee/Kirchhof, HbdStR II, Rn. 83. Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 63; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 20 I 1 S. 767. 356  Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 28. 357  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn.  67 ff. 358  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn.  81 ff.; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 32 ff. 359  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn.  105 ff.; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 44 ff. 360  BVerfG, Beschluss vom 23.03.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392 (403); BVerfG, Urteil vom 08.02.1977 – 1 BvR 79/70, 1 BvR 278/70, 1 BvR 282/70, BVerfGE 43, 242 (286); BVerfG, Beschluss vom 26.09.1978 – 1 BvR 525/77, BVerfGE 49, 168 (185); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 185. 361  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn.  146 ff.; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 60 ff. 362  BVerfG, Beschluss vom 15.12.1965 – 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, 342 (348 f.); BVerfG, Beschluss vom 18.07.1973 – 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73, BVerfGE 35, 382 (400 f.); BVerfG, Beschluss vom 19.10.1982 – 1 BvL 34/80, 1 BvL 55/80, BVerfGE 61, 126 (134); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 185; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 80 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn.  179 ff. 363  Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 91. 364  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 185; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 225; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 31a; für das Strafverfahren: BVerfG, Beschluss vom 08.10.1974 – 2 BvR 747/73, 2 BvR 748/73, 2 BvR 749/73, 2 BvR 750/73, 2 BvR 751/73, 2 BvR 752/73, 2 BvR 753/73, BVerfGE 38, 105 (111); BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977 – 2 BvR 462/77, BVerfGE 46, 202 (210); BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250 (274 f.); BVerfG, Beschluss vom 12.01.1983 – 2 BvR 864/81, BVerfGE 63, 45 (60 f.); BVerfG, Urteil vom 28.03.1984 – 2 BvR 275/83, BVerfGE 66, 313 (318 f.); BVerfG, Beschluss vom 26.04.1988 – 1 BvR 669/87, 1 BvR 686/87, 1 BvR 687/87, BVerfGE 78, 123 (126 m. w. N.); zum Verfassungsrang der damit in 354  Böckenförde, 355  Rösch,



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 83

rechtsstaatlichen Grundsätze durch spezifische Organisations- und Verfahrensanforderungen365. Das Rechtsstaatsprinzip ist in seiner Wirkung aber nicht auf den Staat beschränkt. Konkludent wird auch vom Volk rechtsstaatliches Handeln, das heißt die Einhaltung von Gesetz und Recht, gefordert. Das Rechtsstaatsprinzip beinhaltet den Auftrag an den Staat für Gerechtigkeit zu sorgen und „die Willkür des Einen mit der Willkür des Anderen unter einem allgemeinen Gesetz der Freiheit“366 zu vereinen367. Zum Ausdruck kommt dies beispielhaft in dem Auftrag des Staats für die Gewährung von Rechtsschutz im Privatrecht368 sowie die Bereithaltung rechtsstaatlicher Strafverfahren369 zu sorgen. Da das Rechtsstaatsprinzip nicht in allen seinen Facetten im Grundgesetz niedergelegt ist, sondern von diesem vorausgesetzt wird370, ist bei seiner Ausgestaltung und Interpretation eine präzise Bezugnahme auf das rechtsstaatliche Verständnis des Grundgesetzes zu wahren371. Das Bundesverfassungsgericht mahnt sogar zu einer behutsamen Präzisierung372.

engem Zusammenhang stehenden Unschuldsvermutung: BVerfG, Beschluss vom 26.03.1987 – 2 BvR 589/79, 2 BvR 750/81, 2 BvR 284/85, BVerfGE 74, 358 (369 ff.); BVerfG, Beschluss vom 29.05.1990 – 2 BvR 254/88, 2 BvR 1343/88, BVerfGE 82, 106 (114 ff. m. w. N.); für den Zivilprozess: BVerfG, Beschluss vom 11.10.1994 – 1 BvR 1398/93, BVerfGE 91, 176 (180 ff.). 365  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn. 199; eine Übersicht über die verschiedensten Aspekte des Rechtsstaatsprinzips findet sich bei von Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 253 ff.; beachte auch die kritische Würdigung der Klassifizierung ab S. 444 ff.; zum Charakter und Inhalt des Rechtsstaatsprinzip s. außerdem Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, insb. ab S. 292 ff. 366  Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, S. 38. 367  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn.  326 ff. 368  Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 60 ff. 369  Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 98 ff. 370  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 336. 371  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 61; SchmidtAßmann, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR I, S. 988 Rn. 17 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 20 Ziff. III. 2 S. 782. 372  BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250 (276); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 64; kritisch zu dieser Zurückhaltung mit Hinweis auf die Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn.  329 ff.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

b) Rechtsstaatlichkeit und Öffentlichkeit Die Öffentlichkeit staatlicher Verfahren und Entscheidungen ist keine unmittelbare Kernforderung des Rechtsstaatsprinzips373. Dennoch ist „die Idee, dass [sic!] sich die Ausübung staatlicher Gewalt vor einem Publikum abzuspielen hat, für den Rechtsstaat fundamental.“374 Diese elementare Bedeutung der Öffentlichkeit für die Rechtsstaatlichkeit lässt sich in zwei Aspekte aufspalten: Zum einen muss die Möglichkeit bestehen, sich von der geltenden Rechtsordnung Kenntnis zu verschaffen. Dies ist sowohl Voraussetzung, um rechtsstaatliches Verhalten vom Staat und seinen Bediensteten, als auch vom Volk, verlangen zu können375. Öffentlichkeit trägt insoweit zur Normenklarheit bei376. Dementsprechend kommen sowohl formelle, als auch materielle Gesetze in öffentlichen Verfahren zu Stande und müssen veröffentlicht/bekannt gemacht werden377. Durch die Vorgabe, dass auch die Verfassung nur durch ein Gesetz geändert werden kann, Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG, wird auch eine Verfassungsänderung dem öffentlichen Gesetzgebungsverfahren unterworfen378. Die den Staat rechtsstaatlich bindende Grundlage ist folglich eine öffentliche. Deshalb sollen die Staatsgewalten „ ‚wegen des Rechtsstaatsprinzips‘ […] ‚Öffentlichkeit‘ gewähren.“379 Zum anderen muss sich das Volk von der Einhaltung der Rechtsordnung durch den Staat überzeugen können. Staatliches Handeln muss sich „vor den Augen des Bürgers“ abspielen380. Nur so kann staatliche Willkür abgewehrt381 und die Rechtsstaatlichkeit des Staats tatsächlich sichergestellt werden. So stellte bereits Kant fest: „Alle auf das Recht anderer Menschen be373  So kommt Kunig zu dem Ergebnis, dass die normativen Öffentlichkeitsbestimmungen des Grundgesetzes nicht durch das Rechtsstaatsprinzip zu ergänzen sind, Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 372, 460 f. 374  von Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 498. 375  Zum Meinungsstand über die Notwendigkeit der Veröffentlichung förmlicher und materieller Rechtsnormen s. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.  212 ff. m. w. N., S.  395 f. 376  Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 405. 377  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 64 f. mit Hinweis darauf, dass auch beim Erlass materieller Gesetze Transparenzgebote gelten. 378  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 66. 379  Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 225. 380  Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 364; von Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 140. 381  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 2.



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 85

zogenen Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.“382 In den durch die Legislative erlassenen Gesetzen – gleich ob es sich dabei um Verfassungsbestimmungen oder einfache Normen handelt – kommen die Gemeinwohlziele des Volks zum Ausdruck383. Rechtsstaatlichkeit bedeutet daher zugleich Bindung an den Volkswillen. Die rechtsstaatliche Bindung aller Staatsorgane stellt somit eine Verpflichtung dar, „nicht fremd- oder eigennützige Ziele zu verfolgen“384, sondern die Ziele der Gemeinschaft. Rechtsstaatlichkeit sorgt mit anderen Worten dafür, dass „dem ganzen Volk, nicht einer Partei“ gedient wird385. Öffentlichkeit macht insoweit Gerechtigkeit zur Zielvorgabe staatlichen Handelns386. Aus dieser Verflechtung von Gemeinwohlverpflichtung, Rechtsstaatlichkeit und Öffentlichkeit folgert Habermas sogar, dass „der Rechtsstaat […] die politisch fungierende Öffentlichkeit als Staatsorgan [etabliert], um den Zusammenhang von Gesetz und öffentlicher Meinung institutionell zu sichern.“387 Aus der Rechtsstaatlichkeit folgt somit als unverzichtbare Forderung ein allgemeines Transparenzgebot388. Ehlers stellt zutreffend fest, dass die alleinige Bindung an das Gesetz nicht genügt, um das Handeln von „Amtswaltern“ ausreichend zu lenken389. Dementsprechend genügt das Vertrauen auf das rechtsstaatliche Verhalten der Staatsorgane nicht, um Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen. Im Fall eines Machtmissbrauchs würde ein auf blindem Vertrauen basierendes System ein Gegensteuern unmöglich machen. Mithin hinge die Existenz des Rechtsstaats allein von der Redlichkeit jedes einzelnen Staatsbediensteten ab. Ein Kernelement des Staatsaufbaus, die Rechtsstaatlichkeit, kann aber unzweifelhaft nicht von der Willkür Einzelner abhängen. Notwendig ist eine faktische Bindung der staatlichen Organe an die Rechtsordnung. Diese faktische Bindung entsteht durch „die Schaffung von Auditorien, vor denen sich die rechtlichen Konstruktionen in ihrer SprachZum ewigen Frieden, S. 53; dazu auch Smend, in: GS Jellinek, S. 11, 14. Einfluss des Volks auf die gewählten Repräsentanten s. Kapitel d)  Kon­ troll- und Integrationsfunktion der Öffentlichkeit, S. 65 ff. 384  Ehlers, in: FS Stein, S. 125, 134. 385  Ehlers, in: FS Stein, S. 125, 134. 386  Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 364. 387  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 151. 388  von Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 140 – wobei Transparenz nach von Schlieffen keinen Rechtsbegriff darstellt, S. 499, nach hiesigem Verständnis ist Transparenz der Zustand, der durch Öffentlichkeit erzeugt wird, so dass die Begriffe trotz der nachvollziehbaren Kritik von von Schlieffen synonym verwendet werden. 389  „Die alleinige Bindung an das Gesetz vermag das Handeln der Amtswalter in der Regel nicht ausreichend zu steuern.“ Ehlers, in: FS Stein, S. 125, 134. 382  Kant, 383  Zum

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

lichkeit als überzeugend bewähren müssen.“390 Rechtsstaatliche Öffentlichkeit steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Kontrollmöglichkeit staatlichen Handelns391. Rechtsstaatlichkeit kann nur dann funktionieren, wenn das Verhalten aller Staatsgewalten der Kontrolle des Volks obliegt. Die Kontrollierbarkeit allen staatlichen Handelns stellt folglich ein rechtsstaatliches Erfordernis dar392. Kontrolle setzt einen (grundsätzlich) unbeschränkten und ungefilterten Zugang zu Informationen voraus. So kann beispielsweise die Rechtsprechung „nur dann sinnvoll tätig sein, wenn jedermann Gelegenheit hat, sich von der Korrektheit ihres Vorgehens zu überzeugen.“393 Deshalt sind Gerichtsverfahren grundsätzlich auf die Kontrolle durch die Öffentlichkeit angelegt394. Dieser Informationszugang kann nur durch Öffentlichkeit gewährleistet werden395. Das Rechtsstaatsprinzip ist insoweit mit dem Demokratieprinzip verschränkt396. Rechtsstaatliche Entscheidungen sind daher öffentlich bekannt zu geben397. Dementsprechend gehört zu den Organisations- und Verfahrensanforderungen des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips unter anderem auch die Öffentlichkeit des Gesetzgebungsprozesses398 sowie die Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren, insbesondere der mündlichen Verhandlungen399. Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 498. den „rechtsstaatlichen Auditorien“ und der Partizipation oder Kon­ trolle differenzierend von Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 498. 392  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146). 393  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146); so auch VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (121); so auch die Kritik von von Schlieffen an der Ablehnung des Einsichtsrechts in behördliche Akten, von Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 142. 394  Marcic, in: FS Arndt, S. 267, 272. 395  Zur Öffentlichkeit als neutralem Informationszugang, siehe Kapitel (2) Generelle Öffentlichkeit als neutraler Informationszugang, S. 61 ff. 396  Gramlich, DÖV 1982, 139 (145) m. w. N.; von Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 140 ff., zur Abgrenzung der verschiedenen Verfassungsprinzipien s. insb. S.  444 ff. 397  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art.  20 – Rechtsstaat Rn. 210; von Schlieffen, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 141, 498 f.; bzgl. gerichtlicher Entscheidungen s. BVerwG, Urteil vom 26.02.1997 – 6 C 3.96, BVerwGE 104, 105 (108 f.); von Arnauld, Rechtssicherheit, S. 176, 186 f.; Berkemann, VerwArch 1996, 362 (374); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 491 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn 221. 398  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 97 ff.; Eckert, Transparenz im Gesetzgebungsprozess, S.  30 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn. 200; Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389 Rn. 31 f. 399  BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (63); BGH, Urteil vom 28.08.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195 (205); 390  von

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Öffentlichkeit ist als „Kontrollinstrument staatlicher Machtausübung“ ein „rechtsstaatliches Anliegen“400. Die Einhaltung der Grundsätze des „liberalen Rechtsstaats“, setzt die Beachtung der „politisch fungierenden Öffentlichkeit“ voraus401. Der Staat ist also nicht nur verpflichtet, rechtsstaatlich zu handeln, seine Rechtsstaatlichkeit muss offenkundig sein. Transparenz und Öffentlichkeit fordern und fördern die Einhaltung rechtsstaatlicher Voraussetzungen – zumindest in Grenzen402, mithin die Einhaltung vorgegebener Verfahren403. Die „politisch fungierende Öffentlichkeit wird unter der ‚republikanischen Verfassung‘ “ in einer parlamentarischen Regierungsform auch aus rechtsstaat­ licher Sicht zum zentralen Organisationsprinzip404. Beide rechtsstaatlichen Aspekte, die Kenntnis der Rechtsordnung sowie die Kontrollierbarkeit des Staats, verlangen weitgehende Transparenz der staatlichen Beratungs- und Entscheidungsverfahren, sowie des staatlichen Handelns. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass Öffentlichkeit wesent­ liche Funktionsvoraussetzung für Rechtsstaatlichkeit ist405. 3. Republik und Öffentlichkeit Art. 20 Abs. 1 GG statuiert Deutschland als Bundesrepublik. Rechtswissenschaftlich ist umstritten, was der Begriff der Republik genau umfasst, mithin was Inhalt des Republikprinzips ist. Republik (abgeleitet von dem lateinischen „res publica“ wörtlich „öffent­ liche Sache“) bezeichnet den Staat als „Freistaat“406. Damit wird die Freiheit des Volks in Abgrenzung zur monarchischen Herrschaft betont407. Kennzeichen einer Republik ist mithin die Herrschaft des Volks über das Volk, folgBröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 264 ff.; von Coelln, Zur Medien­ öffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 83 ff., 198 ff.; Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389 Rn. 60; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn. 220. 400  Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 11. 401  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 33. 402  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Rechtsstaat Rn.  209 m. w. N.; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 320 ff.; Schoch, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, Rn. 53 ff.; Schoch, Die Verwaltung 2002, 149 (152). 403  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146); Marcic, in: FS Arndt, S. 267 (272). 404  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 142 (183). 405  Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.  198 ff. m. w. N. 406  Mager, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 549 S.  549 ff., 580 ff.; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 307, 320; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 17 Ziff. I. 6. S. 580. 407  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 305.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

lich die Identität zwischen Inhaber und Träger der Staatsgewalt (so wie auch die Volkssouveränität es verlangt)408. Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung, in der in Art. 1 Abs. 1 ausdrücklich statuiert wurde „Das Deutsche Reich ist eine Republik“, kommt das Republikprinzip des Grundgesetzes nur implizit zum Ausdruck. Es wird jedoch nicht nur durch Art. 20 Abs. 1 GG abgesichert, sondern auch durch die Vorgabe des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, wonach das Volk die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe ausübt, Art. 21 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG. Das Grundgesetz verlangt damit entsprechend dem republikanischen Grundgedanken eine Herrschaft des Volks durch seinesgleichen. Dies gilt nicht nur für den Bund, sondern durch Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG auch für alle Bundesländer.409 Unzweifelhaft folgt aus dem Republikprinzip des Grundgesetzes eine Absage an die Monarchie410. Die Einführung einer dynastischen Erbfolge411 ist damit ebenso ausgeschlossen, wie die (wenn auch demokratische) Wahl eines Staatsoberhaupts auf Lebenszeit412. Mitunter wird vertreten, dass das Republikprinzip auf diesen Ausschluss der Monarchie beschränkt ist (enges Republikverständnis)413. Grund dafür sei, dass die geistesgeschichtlichen Aspekte, die der Republik darüber hinaus noch zugeordnet werden könnten, bereits in anderen Verfassungsbestimmungen bzw. -prinzipien Eingang gefunden haben414.

Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 68. Staatsorganisationsrecht, Rn. 308; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 68. 410  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – III Rn. 2; Kersten, DÖV 1993, 896 (899); Maurer, Staatsrecht I, § 7 Rn. 10, 16; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 309; von Münch/Mager, Staatsrecht – Band 1, Rn. 69; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 3; Roellecke, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 12; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 9; Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 9; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 17 Ziff. II. 2. S.  581 f. 411  BGH, Beschluss vom 22.03.2004 – 1 BvR 2248/01, NJW 2004, 2008 (2011). 412  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – III Rn. 2; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 309; von Münch/Mager, Staatsrecht – Band 1 Rn. 69; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 3; Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 9; Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Abs. 1 Rn. 13; Thoma, in: Anschütz/Thoma, HbdDtStR, S. 186. 413  So der Ansatz bei Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 309, wonach gemäß dem engen Republikverständnis auch Diktaturen Republiken sein können. 414  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Republik Rn. 21; Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – III Rn. 3; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 17 I 1 S. 576; Gröschner, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR II, Rn. 44. 408  Rösch,

409  Morlok/Michael,



II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes 89

Vorzugswürdig ist jedoch eine weitere Auffassung, welche die geschicht­ liche Entstehung des Begriffs umfasst415, da diese dem Republikbegriff einen eigenen positiven Inhalt belässt. In diesem weiteren Sinne wird unter Republik auch das Bekenntnis zu einer „freiheitlich, am Gemeinwohl orientierten politischen Ordnung verstanden, als Inbegriff eines Gemeinwesens, an dem alle Bürger teilhaben“416. In einer Republik ist danach jede Form der Alleinherrschaft unzulässig, gleich ob diese auf einer Ideologie basiert oder durch eine Partei oder eine Person ausgeübt wird417. Eine Legitimation durch etwas Höheres als Verfassung, Gesetz und Recht ist in einer Republik unzulässig418. Aus dem Republikprinzip folgt nach dieser Auffassung, dass das Staatsoberhaupt durch eine Wahl auf Zeit limitiert419 und durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Volk zurückgeführt werden muss420. Auch wenn das Republikprinzip nach dem Bundesverfassungsgericht nicht zu den „grundlegenden Prinzipien“ der Verfassung gehören soll421, dass das Grundgesetz weitem Verständnis des Republikprinzips folgt, ergibt sich aus den Beratungen des Parlamentarischen Rates422 und aus den Konkretisierungen des Prinzips im Grundgesetz, durch die Bestimmung über die Wahl zum Bundespräsidenten, Art. 54 ff. GG, insbesondere dessen zeitlicher Begrenzung gem. Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG423. Darüber hinaus spricht nichts dagegen, dass „verfassungsrechtliche Errungenschaften […] mehrfach und auch durch Vergegenwärtigung ihrer Geschichte abgesichert werden“424.

415  So auch Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn.  311 ff.; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 68; zur Unterschreibung zwischen einem engen und weiten Republikbegriff, siehe auch Frankenberg, in: Denninger, AKGG, Rn. 21 ff., der diese als negativen und positiven Begriff voneinander abgrenzt. 416  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn.  120 f.; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 68; von Münch/Mager, Staatsrecht – Band 1, Rn. 71. 417  Henke, JZ 1981, 249 (250); Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 321; Löw, DÖV 1979, 819 (821); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 68. 418  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 68. 419  von Münch/Mager, Staatsrecht – Band 1, Rn. 69; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 69. 420  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 69; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 17 II 2 a) S. 581 f. 421  BVerfG, Urteil vom 23.10.1952 – 1 BvB 1/51, BVerfGE 2, 1 (12 ff.), zit. nach Frankenberg, in: Denninger, AK-GG, Rn. 25. 422  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 318; Schmid, in: JöR 1 (1951), S.  14 ff.; Isensee, JZ 1981, 1 (8). 423  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, S. 310. 424  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 319.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Im Hinblick auf die Volkssouveränität ergeben sich nach diesem weiten Verständnis des Republikprinzips inhaltliche Überschneidungen mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes. Während aber das Demokratieprinzip nach dem Ursprung der Volkssouveränität fragt (dem Volk), hat das Repu­ blikprinzip das Ziel (Verbot der Alleinherrschaft) zum Gegenstand. Die Prinzipien unterscheiden sich folglich in ihrem Blickwinkel auf die Volkssouveränität. Gleichzeitig ergänzen sie sich: Die republikanische Ausrichtung am Gemeinwohl wird durch demokratische Verfahren ermittelt und kontrolliert. Da diese Öffentlichkeit voraussetzen, setzt auch das Republikprinzip Öffentlichkeit voraus.425 Der Begriff der Republik geht auf „res publica“ (lateinisch ‚die öffentliche Sache‘) zurück426. Dass die Forderung nach Öffentlichkeit vor diesem Hintergrund nicht häufiger auch auf das Republikprinzip gestützt wird, kann nur mit der Verbreitung des engen Republikverständnisses erklärt werden. Doch schon der dem Verbot einer Monarchie immanente Ausschluss einer Herrschaft auf Lebenszeit verlangt im Ergebnis Öffentlichkeit. Ohne diese wären regelmäßige Wahlen eines Staatsoberhaupts nicht möglich427. Jede weitere Fassung des Republikprinzips verdeutlicht die Notwendigkeit staatlicher Öffentlichkeit für den Bestand einer Republik. Nach dem hier vertretenden weiten Republikverständnis ist zentraler Inhalt des Republikprinzips die Gemeinwohlorientierung des Staats. Da das Gemeinwohl jeden Staatsbürger angeht, geht auch das staatliche Handeln jeden an. Mithin muss das Staatshandeln grundsätzlich öffentlich sein428. Über das Interesse des Einzelnen Einblick in die Staatsleitung zu erhalten, kann eine Gemeinwohl­ orientierung des Staats auch faktisch nur durch Öffentlichkeit sichergestellt werden. Ein republikanisches Öffentlichkeitserfordernis ergibt sich auch aus der „Verklammerung“ des Republikprinzips mit dem Demokratieprinzip durch die Volkssouveränität429. Das Souveränitätsverständnis des Republikprinzips fordert eine das Volk repräsentierende Staatsleitung. Daraus folgt die Not425  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 69, der die Überschneidung des Republik- mit dem Demokratieprinzip als „Nahtstelle“ bezeichnet; zur Bestimmung und Entwicklung des Gemeinwohls siehe Kapitel  b) Informa­ tionszugang und freie Willensbildung, S. 57 ff. 426  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 70; zur Zuordnung des Öffentlichem zum Bereich des Staats unter dem Begriff der „res publica“ siehe auch, Haftendorn, Publizistik 1961, 273 (273 ff.). 427  Zur Voraussetzung von Öffentlichkeit für Wahlen siehe Kapitel c) (Wahl-)Freiheit durch Öffentlichkeit, S. 63 ff. 428  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 70. 429  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 70.



III. Verfassungsrechtliche Öffentlichkeit als Prinzip 91

wendigkeit einer ununterbrochenen Legitimationskette zum Volk. Diese erfordert regelmäßige Wahlen. An dieser Stelle schließt das Republikprinzip an das Demokratieprinzip an. Demokratische Wahlen sind das alternativlose Verfahren zur Erreichung republikanischer Repräsentation. Insofern sind demokratische Voraussetzungen auch solche der Republik. Unzweifelhaft gilt dies zumindest für die Öffentlichkeit, denn ohne Öffentlichkeit kann keine legitimierte Repräsentation erfolgen. Auch aus dem Republikprinzip folgt daher die Notwendigkeit staatlicher Öffentlichkeit.

III. Verfassungsrechtliche Öffentlichkeit als Prinzip 1. Öffentlichkeit – ein verfassungsrechtliches Organisationsprinzip Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeit folgt aus dem Demokratie-, dem Rechtsstaats- und dem Republikprinzip. Jedes dieser drei Prinzipien beinhaltet Publizitätserfordernisse, denn alle drei Verfassungsprinzipien setzen die Öffentlichkeit hoheitlicher Akte durch den Staat voraus. Aus ihrem Zusammenspiel ergibt sich ein allgemeines verfassungsrechtliches Öffentlichkeitsprinzip430. Nur wenn die Öffentlichkeit des staatlichen Handelns gewährleistet ist, kann das Volk die ihm zustehende Kontrolle wahrnehmen. Erst die grundsätzliche staatliche Öffentlichkeit gewährleistet einen angemessenen Anwendungsbereich der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG431. Diese ist zentrale Voraussetzung für die Ausübung der Souveränität durch das Volk im Sinne des Demokratie- und Republikprinzips, aber auch für die Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit. Im Grundgesetz finden sich dementsprechend keine Geheimhaltungsnormen432. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip verlangt vielmehr die staatliche Ausübung hoheitlicher Gewalt, insbesondere die staatliche Willensbildung, soweit wie möglich durchschaubar zu machen – Legitimation allein durch Verfahren genügt ­insoweit nicht433. Öffentlichkeit ist daher „nicht nur rechtspolitisch wünschenswert“434, die Verfassung ist vielmehr auf Öffentlichkeit ange430  Kißler, in: JöR 26 (1977), S. 39 (115 ff.); Pieroth, JuS 1981, 625 (626); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 71; zur Anlage des Prinzips der Öffentlichkeit im Demokratieprinzip s. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 366. 431  Siehe zur Notwendigkeit von Öffentlichkeit für die Informationsfreiheit Kapitel II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51. 432  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 92. 433  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146). 434  Gramlich, DÖV 1982, 139 (139); dem folgend Teschke, in: Bennemann/Da­ neke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 1.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

legt435. Die Forderung nach Publizität stand schon an der Wiege des modernen Verfassungsstaats436. Vor diesem Hintergrund ist es befremdlich hinsichtlich der Wirkung der verfassungsrechtlichen Öffentlichkeit zwischen den verschiedenen Prinzipien, in denen sie wurzelt, zu differenzieren437. So wird, mit Verweis auf das Demokratieprinzip, das verfassungsrechtliche Publizitätserfordernis oft auf die Legislative beschränkt438. Beispielsweise spricht das Oberverwaltungsgericht des Saarlands nur von einem „allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie“439. Die verschiedenen Standpunkte werden begrifflich abgegrenzt, indem die verfassungsrechtliche Öffentlichkeit entweder als Prinzip, als Verfahrensmaxime440, als Gebot441 oder als Regel qualifiziert wird. Dabei gibt es immer wieder Überschneidungen und/oder Parallelen bezüglich des inhaltlichen Verständnisses der Begriffe. Eine abschließende Systematisierung der Begrifflichkeiten kann und soll hier nicht geleistet werden. Festzustellen ist, dass die Öffentlichkeit des Demokratie-, Rechtsstaatsund Republikprinzips jeweils andere Zielsetzungen haben. Das Demokratieprinzip braucht Öffentlichkeit zur Wahrung der Aufsicht des Volks über die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk. Es stellt die Souveränität des Volks sicher.442 Das Demokratieprinzip betrifft also die Frage der Staatsträgerschaft. Es ist damit subjektbezogen443. 435  BVerfG

vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83; 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (358). VVDStRL 1967, 308 (355), zit. nach Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 71. 437  Kunig betrachtet die „punktuellen Regelungen“ zur Öffentlichkeit isoliert ohne ein übergreifendes Prinzip anzuerkennen, Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 370. 438  Kunig lehnt die Ableitung eines „allgemeinen Öffentlichkeitsprinzips“ aus der Verfassung ab, s. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 364; Smend, in: GS Jellinek, S. 11, 16 ff. mit Betonung zur Bedeutung der Öffentlichkeit für die Volkssouveränität; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 22. 439  OVG Saarlouis, Beschluss vom 30.08.2010 – 3 B 203/10, Juris Rn. 31. 440  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 562, der von einer zentralen, aber nicht lückenlos verwirklichten Verfahrensmaxime spricht. 441  Pieroth, JuS 2010, 473 (479), der von einem nur eingeschränkt geltenden verfassungsrechtlichen Gebot ausgeht; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 56, der dieses als notwendige Voraussetzung der Kommunikationsrechte einstuft, welche Voraussetzung für die demokratisch vorausgesetze Ausübung des Wahlrechts sind. 442  Siehe dazu ausführlich mit weiteren Nachweisen Kapitel 1. Demokratieprinzip und Öffentlichkeit, S. 54 ff. 443  Zum Problem der Bestimmung des „Volks als Subjekt“ s. Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 151 ff.; zum Meinungsstreit über den volks- und partizipationsbezogenen Demokratiebegriff s. Ehlers, in: FS Stein, S. 125. 436  Zacher,



III. Verfassungsrechtliche Öffentlichkeit als Prinzip 93

Das Augenmerk des Republikprinzips liegt vorwiegend bei dem durch das Volk mit der Staatsleitung Beauftragten. Mit der Absage an eine Alleinherrschaft und der Forderung, dass das Volk die Staatsgewalt durch seinesgleichen ausübt444, macht das Republikprinzip die Voraussetzungen für Repräsentation zu einem verfassungsrechtlichen Anliegen. Präsentation und damit auch Repräsentation braucht Öffentlichkeit. Der Fokus des Republikprinzips liegt damit beim Staatsoberhaupt, das heißt dem Objekt der Souveränität – dem durch das Volk mit hoheitlicher Gewalt ausgestatteten Repräsentanten. Das Rechtsstaatsprinzip hat dagegen die Frage, wie die Staatsgewalt ausgeübt wird, zum Gegenstand. Neben dem Auftrag an den Staat Institutionen zu schaffen, die es dem Volk ermöglichen, rechtmäßiges Handeln untereinander einfordern zu können, und der darin konkludent enthaltenen Forderung, dass sich auch das Volk an Gesetz und Recht zu halten hat, beinhaltet das Rechtsstaatsprinzip vor allem die Bindung der Staatsorgane an Recht und Gesetz445. Notwendig ist folglich die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes. Das Rechtsstaatsprinzip hat mit anderen Worten das Verhalten von Volk (Subjekt) und Repräsentanten (Objekt) zum Gegenstand. Rechtsstaatlichkeit braucht Öffentlichkeit, um dieses Verhalten (an Gesetz und Recht) zu binden. Gemäß den Anforderungen des Grundsatzes der Volkssouveränität bezweckt Rechtsstaatlichkeit eine Bindung aller staatlichen Gewalt an die Öffentlichkeit446. Trotz dieser unterschiedlichen Intentionen lassen sich auch bei genauster Betrachtung der einzelnen Prinzipien Überschneidungen zwischen ihren Inhalten nicht vermeiden. Die Prinzipien werden durch gemeinsame Elemente geprägt. So lässt sich eine republikanische Staatsordnung nicht ohne demokratische Grundsätze denken, wodurch diese nicht nur dem Demokratie-, sondern auch dem Repubilkprinzip zugeordnet werden können. Republik und Demokratie liefen leer, würde nicht auch die Rechtsstaatlichkeit gewährleistet werden. Demokratie, Rechtsstaat und Republik bedingen sich folglich (zumindest teilweise) gegenseitig. Grund dafür ist, dass sich alle drei Verfassungsprinzipien mit ihren unterschiedlichen Zielrichtungen im Kern auf die Volkssouveränität zurückführen lassen. Demokratie und Republik verlangen die Ausübung der Souveränität des Volks durch das Volk. Das Rechtsstaatsprinzip will die Staatsgewalt der Repräsentanten an die Volkssouveränität binden. Volkssouveränität ist damit Ursprung und Ziel jedes der drei Verfassungsprinzipien: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Republik. 444  Siehe 445  Siehe

zum Republikprinzip Kapitel 3. Republik und Öffentlichkeit, S. 87 ff. zum Rechtsstaatsprinzip Kapitel 2. Rechtsstaatliche Öffentlichkeit,

S. 80 ff. 446  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 66.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Durch ihre Kombination gibt das Grundgesetz eine staatliche Grundordnung vor, die als Gesamtkonzept beachtet werden muss. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Republik stellen folglich keine isoliert zu betrachtenden Säulen des Staatsaufbaus dar. Die Prinzipien greifen wie einzelne Elemente eines Bauwerks ineinander, welche zwar auch jedes für sich eine Funktion haben, ihre Wirkung innerhalb des Bauwerks aber erst durch das Zusammenspiel mit den anderen Elementen entfalten können. Etwas Anderes kann auch nicht für die aus den einzelnen Prinzipien folgenden Publizitätserfordernisse gelten. Wenngleich sich Motivation und Zielrichtung der Öffentlichkeit in den einzelnen Prinzipien unterscheiden mögen, so ergibt die Zusammenschau der Prinzipien, dass das Grundgesetz allgemein auf Öffentlichkeit angelegt ist. Zwischen den Publizitätsbegriffen der einzelnen Verfassungsprinzipien inhaltlich dogmatisch konsequent zu differenzieren ist nicht nur auf Grund der vielfältigen Überschneidungen der Prinzipien kaum möglich, sondern vor dem Hintergrund der Einheit der Verfassung auch nicht sinnvoll447. Durch die Festlegung der Verfassung auf die Prinzipien Demokratie, Rechtsstaat und Republik wird Öffentlichkeit zu einem „zentralen Organi­ sationsprinzip“448 der verfassungsrechtlichen Ordnung. Dem Öffentlichkeitsgrundsatz kommt folglich ein „hoher verfassungsrechtlicher Rang“449 zu. Als Funktionsvoraussetzung mehrerer „Staatsfundamentalnormen ist die grundsätzliche öffentliche Ausübung hoheitlicher Gewalt ein Gebot der Verfassung und auf konstitutioneller Ebene angesiedelt.“450 Staatliche Öffentlichkeit ist folglich mehr als eine Verfahrensregel. Öffentlichkeit ist wesentliches Strukturmerkmal der Volkssouveränität451. Es gilt das Prinzip der Öffentlichkeit allen staatlichen Handelns452. Gleich wie sich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Republik auf die Volkssouveränität zurückführen lassen, folgt das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip der Volkssouveränität. „Öffentlichkeit nimmt […] den gleichen verfassungsrechtlichen Rang wie die Volkssouveränität ein.“453 Oder mit anderen Worten: Öffentlichkeit ist ein Verfassungsprinzip454. 447  Zur Einheit der Rechtsordnung s. Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 69. 448  Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 57 f., 142. 449  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 31. 450  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 121. 451  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 60. 452  Dies als Anlage im Demokratieprinzip verstehend, Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 366. 453  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 55.



III. Verfassungsrechtliche Öffentlichkeit als Prinzip 95

2. Der Prinzipiencharakter verfassungsrechtlicher Öffentlichkeit Das Öffentlichkeitsprinzip gibt das Ziel vor, innerhalb der grundgesetz­ lichen Grenzen die maximal mögliche Transparenz zu gewähren. Für eine unmittelbare Anwendbarkeit ist diese Maximalforderung zu abstrakt. Das Öffentlichkeitsprinzip erlangt erst durch „Einzelforderungen, die an die drei Gewalten gestellt werden“ Wirksamkeit455. Für eine Anwendung in der Rechtswirklichkeit bedarf das Öffentlichkeitsprinzip der Konkretisierung456. Aus dem Prinzipiencharakter457 folgen somit drei wesentliche Eigenarten: die Spezifizierungsbedürftigkeit, die Abwägungsoffenheit und das Optimierungsgebot458. Die Spezifizierungsbedürftigkeit verfassungsrechtlicher Prinzipien beschreibt die Notwendigkeit für den Gesetzgeber und die Möglichkeit des Gesetzgebers, die prinzipielle Zielvorgabe des Grundgesetzes konkret auszugestalten. Im Fall von Kollisionen mit anderen Gütern von Verfassungsrang hält die Rechtsordnung keine Regeln zu Lösung bereit, wie dies im Bereich von Rechtsregeln der Fall ist.459 Hier zeigt sich die Abwägungsoffenheit der Prinzipien, die im Wege der praktischen Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden müssen. Praktische Konkordanz bedeutet, dass „verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter […] in der Problemlösung einander so zugeordnet werden, dass [sic!] jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt. […] beiden Gütern müssen Grenzen gesetzt werden, damit beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen können.“460

454  So im Ergebnis auch Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 21. 455  Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 225. 456  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 91. 457  Siehe allgemein zum Verständnis des Prinzipienbegriffs im Ergebnis allerdings bezogen auf die Rechtsstaatlichkeit Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 294 f. 458  Zur Auslegungsoffenheit von Art. 20 GG siehe Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 20 – I Rn. 24 ff.; in Rn. 44 betont Herzog die Notwendigkeit einer übergreifenden Auslegung der verschiedenen Prinzipien des Art. 20 GG, die im Wege der praktischen Konkordanz nach Konrad Hesse gegeneinander und miteinander abgewogen werden müssen; zum Optimierungsgebot siehe Morlok/Michael, Staatsorganisa­ tionsrecht, Rn.  92 ff. 459  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 92, 94. 460  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 72; so auch Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 94; siehe zur Anwendung der praktischen Konkordanz auf die Sitzungsöffentlichkeit gewählter Volksvertretungen Kapitel c) Grenzen durch kollidierendes Verfassungsrecht, S. 136.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

In der Anwendung der praktischen Konkordanz kommt durch das Bestreben, jedes Rechtsgut zu optimaler Geltung zu bringen, unmittelbar auch das Optimierungsgebot zum Ausdruck. Danach sind Prinzipien weitestgehend zu befolgen. Ihre Wirkungsgrenzen finden sie nur in denen mit ihnen kollidierenden gleichwertigen Verfassungsgütern.461 Aus dem Optimierungsgebot ergibt sich, dass Prinzipien trotz der Konkretisierungsnotwendigkeit nicht unter dem Vorbehalt gesetzlicher Präzisierung stehen. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeit beinhaltet als Rechtsprinzip zwar „keine abschließende Vollregelung“. Als Prinzip enthält es aber normative Aussagen, deren innewohnende Richtlinie in möglichst hohem Ausmaß realisiert werden soll. Wie das Demokratieprinzip, so hat auch das Öffentlichkeitsprinzip „definitiven Regelungscharakter“.462 Die grundsätzliche Wirksamkeit der Prinzipien hängt nicht vom Gestaltungswillen des Gesetzgebers ab. Andernfalls könnte sich der Staat den prinzipiellen verfassungsrechtlichen Vorgaben dadurch entziehen, dass er sie nicht weiter ausgestaltet. Der Gedanke, dass Verfassungsbestimmungen, die mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurden, für ihre Geltung nochmals Beschlüsse mit einfacher Mehrheit voraussetzen, mutet bei näherer Betrachtung nicht nur seltsam an, sondern ist vor dem Hintergrund der Bedeutung der Verfassung schlicht unerträglich. Die Abstraktionshöhe und die damit verbundene Konkretisierungsnotwendigkeit verfassungsrechtlicher Prinzipien ist dem Umstand geschuldet, dass sie auch für nicht Vorgesehenes Wirksamkeit entfalten sollen463. Diese vom Verfassungsgesetzgeber in räumlicher und zeitlicher Hinsicht breit angelegte Geltung würde ausgehöhlt, würden Prinzipien überhaupt nur dann Wirkung entfalten, wenn sie gesetzlich konkretisiert sind. Sollen verfassungsrechtliche Richtungsentscheidungen nicht ausgehöhlt werden, muss ihnen auch ohne gesetzliche Konkretisierung eine grundsätzliche, praktische Wirkung zugesprochen werden. Mithin ist die Ausgestaltung verfassungsrechtlicher Prin­ zipien durch den Gesetzgeber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für dieselben. Das Konkretisierungsbedürfnis verfassungsrechtlicher Prinzipien ist mithin nicht dahingehend misszuverstehen, dass dieses Wirksamkeitsvoraussetzung sei und nur durch den Gesetzgeber erfolgen könne. Dieser ist zwar an erster Stelle zur Ausgestaltung berufen, kommt der Gesetzgeber seinem Spezifizierungsauftrag aber nicht nach, ist der Konkretisierungsnotwendigkeit durch verfassungsrechtliche Abwägung im Einzelfall Rechnung zu tragen – wennStaatsorganisationsrecht, Rn. 95. in: FS Stein, S. 125 (129). 463  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 64. 461  Morlok/Michael, 462  Ehlers,



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 97

gleich dabei weder durch die Judikative noch durch die Exekutive in gesetzgeberische Kompetenzen eingegriffen werden darf. Alleine die verfassungskonforme Auslegung grundgesetzlicher Prinzipien und ihre Anwendung stellt keine Gesetzgebung dar, sondern ist Ausdruck der Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Recht und Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 2. HS GG. Übertragen auf das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip bedeutet dies: Öffentlichkeit ist normativer Bestandteil des Demokratie-, Rechtsstaats und Republikprinzips, bzw. der Volkssouveränität464. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip kann daher, gleich dem Demokratieprinzip, zwar „durch kollidierendes Verfassungsrecht modifiziert, nicht aber aufgegeben werden465. Gesetzgeberischer Auftrag des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips ist folglich die Ausgestaltung von Ausnahmetatbeständen – nicht des Anwendungsbereichs466. Dementsprechend beinhaltet das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip „die staatliche Verpflichtung, Vorgänge öffentlich zu gestalten. Es zielt darauf ab, staatliche Informationsverweigerung an präzise normierte Verweigerungsgründe zu knüpfen.“467 Konsequenz des Prinzipiencharakters in Form seiner Abwägungsoffenheit ist dabei, dass sich die konkreten Öffentlichkeitsgebote zwischen den Staatsgewalten unterscheiden können.

IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips Sofern das Volk den Staat zu lenken oder zu kontrollieren hat, ist Öffentlichkeit zwingende Voraussetzung für die Ausübung hoheitlicher Gewalt und Repräsentation. Dies gilt für alle Staatsebenen und alle Staatsbereiche468. Im Detail kann hier zwischen zwei Wirkungsrichtungen des verfassungsrecht­ lichen Öffentlichkeitsprinzips differenziert werden, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen: der vertikalen und der horizontalen Wirkung.

464  Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 65 f.; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 55. 465  So Ehlers, in: FS Stein, S. 125 (142) zum Demokratieprinzip. 466  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 58. 467  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 58. 468  Zu den Öffentlichkeitsbestimmungen im Grundgesetz s. auch Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.  364 ff.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

1. Vertikale Wirkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips Die „vertikale Wirkung“ des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips meint die Geltung der Öffentlichkeit auf den verschiedenen Ebenen des Staatsaufbaus, das heißt auf Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindeebene. a) Der Bund und die Länder Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip entfaltet zunächst auf Bundesebene Wirkung. Mittels Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG gilt es darüber hinaus auch für die Bundesländer. Nach dem so genannte Homogenitätsgebot, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG, muss die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes entsprechen469. Art. 28 GG verlangt dabei Homogenität, nicht Uniformität470 und lässt den Bundesländern damit einen gewissen Gestaltungsspielraum. Die verfassungsmäßige Ordnung umfasst das formale, in der Verfassungsurkunde niedergelegte Recht, sowie die gesamte Verfassungswirklichkeit471. Das bedeutet, dass die Länder innerhalb der vom Grundgesetz gezogenen Grenzen ihre verfassungsmäßige Ordnung grundsätzlich frei gestalten können472. Unverzichtbar sind jedoch die Grundsätze, die auch über Art. 79 Abs. 3 GG abgesichert werden473. Art. 28 und 20 GG wirken insoweit wechselseitig aufeinander ein474. Daraus ergeben sich für die Länder einige bindende Vorgaben475. Neben der Beachtung des Sozialstaats fordert Art. 28 Abs. 1 GG die Beachtung des Demokratie-, Rechtsstaats- und Republikprinzips476. Öffentlichkeit ist für alle diese Prinzipien unerlässliche Voraussetzung477. Die Verpflichtung der Bundesländer nach Art. 28 Abs. 1 GG, die verfassungsgemäße Ordnung zu beachten, beinhaltet folglich auch die Geltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips auf Landesebene. in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 20 – I Rn. 31. in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 28 Rn. 3, 47. 471  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 51. 472  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 53. 473  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 53; Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 28 Rn. 48. 474  Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 20 – I Rn. 32. 475  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 53. 476  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 57 ff. 477  Siehe dazu Kapitel II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51 ff. 469  Herzog, 470  Mehde,



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 99

Homogenität zwischen Bund und Ländern wird jedoch nicht nur durch Art. 28 GG sichergestellt. Die Bindung der Bundesländer folgt aus zahlreichen Bestimmungen des Grundgesetzes unmittelbar, zum Beispiel aus dem Katalog der Grundrechte oder den Art. 34 oder 97 GG. Auch Art. 20 GG bindet die Länder in Abs. 3 mit der Formulierung „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“. Aus dem Wortlaut ergibt sich hier keine Beschränkung auf die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung des Bundes. Gemeint ist vielmehr eine „umfassende Verwirklichung des Gesetzmäßigkeitsprinzips […] und zwar gleichgültig, ob es sich um die Exekutive oder die Judikative des Bundes oder der Länder handelt“478. Als notwendige Voraussetzung für Rechtmäßigkeit gilt daher auch das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG für die Bundesländer. b) Art. 28 Abs. 1 S. 2  GG und die kommunalen Volksvertretungen Das Grundgesetz geht nur von einem zweigliedrigen Staatsaufbau, bestehend aus Bund und Ländern, aus479. Die Gemeinden stellen aus verfassungsrechtlicher Sicht daher keine weitere Ebene des Staats dar480. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG schafft unterhalb von Bund und Ländern, durch die Einrichtung gewählter Volksvertretungen, (nur) eine weitere Entscheidungsebene481. Das Grundgesetz geht von einem zweistufigen Staats- und einem vierstufigen Verwaltungsaufbau (Bund, Länder, Landkreise482, Gemeinden) aus, die jeweils mit eigener demokratischer Legitimation ausgestattet sind483. Die Kommunen sind staatsorganisatorisch Verwaltungseinheiten der Länder. Aufgaben und Struktur der Gemeinden werden gem. Art. 70 GG durch die Bundesländer festgelegt484. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 S. 1  GG wendet sich daher in erster Linie an die Länder und verlangt die Beachtung und Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung durch die Länder485. in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 20 – I Rn. 33. Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 12 II. 1 S. 405. 480  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 4; Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 67, 86. 481  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 4. 482  Dazu ausführlicher Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1046). 483  Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1040). 484  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 4. 485  Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1040). 478  Herzog, 479  Stern,

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Die kommunalen Räte sind deshalb keine „echten“ Parlamente486, sondern Verwaltungsorgane. Obwohl Kommunalrecht auf Grund dieses Staats- und Verwaltungsaufbaus Landesangelegenheit ist, wird es durch das Instrument der Kommunalverfassungsbeschwerde bundesrechtlich von dem Bundesverfassungsgericht determiniert487. Das Bundesverfassungsgericht spricht bezüg­ lich der staatsorganisatorischen Rolle der Kommunen vom „Prinzip der gestuften und gegliederten Demokratie“488. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip wirkt vertikal daher zunächst nur insoweit auf die Kommunen ein, als dass die Länder bei ihrer Gesetzgebung an das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip mittels Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG gebunden sind. Andernfalls könnten sich die Bundesländer durch eine dezentrale Struktur ihrer verfassungsrechtlichen Bindung entziehen. Die Kommunen werden daher vertikal durch das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip als staatsorganisatorischer Teil der Bundesländer gebunden. Eine Besonderheit folgt aber für die kommunalen Volksvertretungen aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG. Hier wird ausdrücklich die demokratische Komponente der kommunalen Selbstverwaltung thematisiert. Danach müssen alle Kommunen Volksvertretungen einrichten, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgehen. Insoweit wird auch von einer „dualen Legitimation“ der kommunalen Selbstverwaltung gesprochen, die zum einen aus einer „parlamentsvermittelten“ und zum anderen aus einer „originär administrativen“ Legitimation bestehe und „im Zusammenwirken ein hinreichendes Legitimationsniveau“489 gewährleiste. Dreier stellt daher zutreffend fest: „Kommunale Selbstverwaltung ist nicht nur kein ‚Ausnahmetatbestand‘ gegenüber der Demokratie, sondern führt zu ihrer Intensivierung und Vervielfältigung.“490 Eine demokratische, legitimierende Wahl setzt zwingend demokratische Öffentlichkeit voraus491. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip entfaltet über Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG daher, zumindest im Hinblick auf die 486  BVerfG, Beschluss vom 21.06.1988 – 2 BvR 975/83, BVerfGE 78, 344 (348); BVerwG, Urteil vom 27.03.1992 – 7 C 20.91, BVerwGE 90, 104 (105). 487  Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1041). 488  BVerfG, Urteil vom 24.07.1979 – 2 BvK 1/78, BVerfGE 52, 95 (112); Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 4. 489  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 125; s. auch SchmidtAßmann, AöR 1991, 329 (357, 359, 380 f.); Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR II, Rn. 25; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 528 m. w. N. 490  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 76. 491  Siehe dazu Kapitel 1. Demokratieprinzip und Öffentlichkeit, S. 54 ff. und Kapitel c) (Wahl-)Freiheit durch Öffentlichkeit, S. 63 ff.



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 101

kommunalen Volksvertretungen, auch direkt auf kommunaler Ebene Wirkung492. Dieser Schluss wird mit Verweis darauf, dass andere Verfassungsbestimmungen ausdrückliche Regelungen zur Sitzungsöffentlichkeit beinhalten, diese im Rahmen von Art. 28 GG jedoch fehlen, mitunter in Frage gestellt493. Insbesondere soweit die Argumente der Kritiker auf der vorkonstitutionellen Gesetzeslage494 oder Rechtsvergleichen mit ausländischen Verfassungen – etwa mit Art. 117 Abs. 4 B-VG Österreich495 – und dem daraus folgenden Rechtsverständnis, beruhen, ist diesen entgegenzuhalten, dass maßgeblich für die Interpretation von Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG die Funktion und Bedeutung der Öffentlichkeit im gegenwärtigen freiheitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen und republikanischen Gefüge des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sein muss496. Hier ist festzustellen, dass das Fehlen ausdrücklicher verfassungsrecht­ licher Vorgaben zur kommunalen Sitzungsöffentlichkeit nichts daran ändert, dass Sitzungsöffentlichkeit eine unerlässliche Funktionsvoraussetzung für demokratische Repräsentation ist497. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG verlangt eine solche demokratische Repräsentation ausdrücklich für die kommunale Ebene. 492  BVerwG, Beschluss vom 15.03.1995 – 4 B 33/95, NVwZ 1995, 897 (897); VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (9); OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (160); OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (173); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 305 Rn. 465; Rabeling, NVwZ 2010, 411 (411); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 2; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 671. 493  Gramlich, DÖV 1982, 139 (145). 494  So bei Gramlich, DÖV 1982, 139 (145), der sich unter anderem auf Art. XI § 184 d) Verfassung des Deutschen Reichs vom 28. März 1949 bezieht, der lautet „Jede Gemeinde hat als Grundrecht ihrer Verfassung: […] d) Öffentlichkeit der Verhandlung als Regel.“, zit. nach Abdruck in Hildebrandt (Hrsg.), Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 18, 26. 495  Art. 117 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) Österreichs, zuletzt geändert durch Bundesgesetz vom 25. Juli 2012, mit dem das B-VG geändert und das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert werden (ESM-Begleitnovelle) (BGBl. 65/ 2012), lautet „Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich, es können jedoch Ausnahmen vorgesehen werden. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden.“; Gramlich, DÖV 1982, 139 (145) in Ziff. 106. 496  Gramlich, DÖV 1982, 139 (144); a. A. Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1039), der darauf hinweist, dass zumindest bei der historischen Auslegung von Art. 28 Abs. 2 GG nicht nur die Bestimmungen des 19. Jh. und der Weimarer Zeit, sondern auch die unmittelbare Vorgeschichte des Grundgesetztes zu beachten sei. 497  Siehe dazu Kapitel 1. Demokratieprinzip und Öffentlichkeit, S. 54 ff.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Soll die Verfassungsbestimmung nicht ausgehöhlt werden, müssen an dieser Stelle, neben allen ausdrücklich benannten Vorgaben, auch alle zwingenden ungeschriebenen Voraussetzungen mitberücksichtigt werden. Das heißt, dass schon aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG die Geltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips als Ausfluss des verfassungsrechtlichen Demokratie-, Rechtsstaats- und Republikprinzips auch für die Gemeinderäte in Form der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Wirkung entfaltet498. Dementsprechend finden sich zumindest für die Gemeinderäte in allen Kommunalverfassungen Vorschriften zur Sitzungsöffentlichkeit499. In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg gelten entsprechende Regelungen für die Bezirksvertretungen500. Auch in dem Zweistädtestaat Bremen ist, sowohl für die Gemeindevertretung Bremens, als auch für die örtliche Vertretung Bremerhavens, die Öffentlichkeit der Sitzungen gesetzliche Voraussetzung501. Ob und inwieweit auch die Kommunen unmittelbar an das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip gebunden sind, hängt im Übrigen davon ab, ob das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip auch für die Exekutive Anwendung findet. Darauf wird im folgenden Kapitel zur horizontalen Wirkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips eingegangen. 2. Horizontale Wirkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips Unter dem Begriff der „horizontalen Wirkung“ des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips wird untersucht, ob und inwieweit das Prinzip Geltung für die verschiedenen Staatsgewalten entfaltet. Im Folgenden werden die relevantesten Öffentlichkeitsvorschriften in allen Staatsgewalten vorgestellt.

in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 1. § 35 Abs. 1 S. 1 GemO BW; Bayern: Art. 52 Abs. 2 S. 1 GO BY; Brandenburg: § 44 S. 1 GO BB; Hessen: § 52 Abs. 1 S. 1 HGO; Mecklenburg-Vorpommern: § 29 Abs. 5 S. 1 KV  M-V; Niedersachsen: § 64 Abs. 1 S. 1 NKomVG; Nordrhein-Westfalen: § 48 Abs. 2 S. 1 GO  NRW; Rheinland-Pfalz: § 35 Abs. 1 S. 1 GemO RP; Saarland: § 40 Abs. 1 KSVG  SL; Sachsen: § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; Sachsen-Anhalt: § 52 Abs. 1 KVG  LSA; Schleswig-Holstein: § 35 Abs. 1 S. 1 GO SH; Thüringen: § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO. 500  Berlin: § 8 Abs. 6 S. 1 BezVG BE; Hamburg § 14 Abs. 1 BezVG HH. 501  Bremen: Art. 91 Abs. 1 i. V. m. Art. 148 LVerf HB; Bremerhaven: § 31 S. 1 VerfBrhv. 498  Dehn,

499  Baden-Württemberg:



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 103

a) Legislative Öffentlichkeit der Legislative bedeutet in erster Linie Sitzungsöffentlichkeit gewählter Gremien mit repräsentativer Funktion. Daneben ergibt sich eine Publizitätspflicht der Legislative auch aus Art. 82 GG, der die Veröffentlichung von Akten der materiellen Gesetzgebung vorschreibt502. aa) Der Bundestag Bereits die Wahl des Bundestags in allgemeiner, gleicher Wahl gem. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG setzt voraus, dass Informationen über die Kandidaten zugänglich sind503. Die Sitzungsöffentlichkeit des Bundestags wird in Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG konkretisiert504. Art. 42 Abs. 1 GG ist wortgleich von Art. 53 Abs. 1 HChE übernommen worden505. Als wesentliches Element der Demokratie und des Parlamentarismus ist der Artikel von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG umfasst506. Die Norm statuiert „das Prinzip der Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlungen“507. Da sich die Notwendigkeit der Öffentlichkeit der Sitzungen des Parlaments bereits aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip ergibt, ist Art. 42 GG insoweit nur Deklaration dessen, was schon aus Art. 20 GG folgt508. Rösch bezeichnet Art. 42 GG insoweit zutreffend als Manifestation eines ungeschriebenen, demokratischen Verfassungsgrundsatzes509. Die Sitzungen des Bundestags müssen nach Art. 42 GG grundsätzlich öffentlich stattfinden. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit ist nur auf Antrag eines Zehntels der Mitglieder oder der Bundesregierung und mit Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Parlamentarier möglich.

Das Rechtsstaatsprinzip, S. 365, 391. Das Rechtsstaatsprinzip, S. 365. 504  BVerfG vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83; 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (355 ff.). 505  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 1. 506  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 21. 507  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 1. 508  BVerfG vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83; 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (355); BVerfG, Urteil vom 16.07.1991 – 2 BvE 1/91, BVerfGE 84, 304 (329); LVerfG HB, Urteil vom 10.10.1997 – St 6/96, LVerfGE HB 7, 167 (187); Versteyl, in: von Münch/ Kunig, GG, Art. 42 Rn. 1; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 42 Rn. 1; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn. 12; Schneider, in: Denninger, AK-GG, Rn. 2. 509  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 104. 502  Kunig, 503  Kunig,

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Umstritten ist, ob für einen solchen Öffentlichkeitsausschluss die Einhaltung dieser formellen Kriterien genügt oder darüber hinaus eine materiellrechtliche Begründung zu erfolgen hat510. Da dies eine grundsätzliche Frage des Rechtsverständnisses des Öffentlichkeitsprinzips ist, wird auf diese im Folgenden noch gesondert eingegangen511. Unterschiedlich beurteilt wird auch, ob die Sitzungsöffentlichkeit des Bundestags auch für die parlamentarischen Ausschüsse gilt, denn mit Ausnahme des Untersuchungsausschusses, der gem. Art. 44 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 45a Abs. 3 GG öffentlich verhandelt, ist Nichtöffentlichkeit der Ausschüsse nicht ausdrücklich normiert512. Abschließend kann hier auf diesen Meinungsstreit nicht eingegangen werden. Soweit dies im Rahmen der Sitzungsöffentlichkeit kommunaler Volksvertretungen relevant ist, wird darauf im Kapitel „Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit“ unter „1. Ausschuss­ öffentlichkeit“, S. 285 ff. eingegangen. bb) Landesparlamente Das Öffentlichkeitsprinzip findet sich in allen Verfassungen der deutschen Bundesländer513. Auch die Parlamente der Bundesländer tagen grundsätzlich öffentlich514. Den landesverfassungsrechtlichen Regelungen ist gemein, dass sie alle die Möglichkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses vorsehen515. Unter510  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 47 ff.; Kluth, in: SchmidtBleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 10; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S.  110 f. 511  Siehe zur Frage der Notwendigkeit einer materiell-rechtlichen Begründung eines Öffentlichkeitsausschlusses Kapitel V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses, S. 123 ff. 512  Dagegen: BVerfG, Urteil vom 06.03.1952 – 2 BvE 1/51, BVerfGE 1, 144 (152); Gramlich, DÖV 1982, 139 (146); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 37 ff.; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 8, 11; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 42 Rn. 2; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 42 Rn. 1; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 106 m. w. N.; Schneider, in: Denninger, AK-GG, Rn. 4 f.; dafür: mit Kritik an der geübten Praxis, Schliesky, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 42 Rn. 31; mit umfassender Darstellung des Meinungsstreits und der Argumente, s. Linck, ZParl 1992, 673 (680 ff.); Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 24 m. w. N. 513  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 16. 514  Art. 33 Abs. 1 S. 1 LVerf BW; Art. 22 Abs. 1 S. 1 LVerf BY; Art. 42 Abs. 3 BLNVerf; Art. 64 Abs. 2 S. 1 LVerf BB; Art. 91 Abs. 1, 31 LVerf HB; Art. 21 LVerf HH; Art. 89 S. 1 LVerf HE; Art. 31 Abs. 1 S. 1 LVerf M-V; Art. 22 Abs. 1 S. 1 Nds Verf; Art. 42 S. 1 LVerf NRW; Art. 86 S. 1 RhPfVerf; Art. 72 Abs. 1 SVerf; Art. 48 Abs. 1 S. 1 SächsVerf; Art. 50 Abs. 1 LSAVerf; Art. 21 Abs. 1 S. 1 Verf SH; Art. 60 Abs. 1 ThürVerf. 515  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 23.



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 105

schiede bestehen hingegen bei den dafür notwenigen Voraussetzungen, insbesondere im Kreis der Antragsberechtigten516. cc) Bundesrat Der Bundesrat kann nicht eindeutig in eine der Staatsgewalten eingeordnet werden. Durch seine Besetzung aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, Art. 51 Abs. 1 S. 1 GG, trägt er Züge der Exekutive. Zugleich wirkt er aber nicht nur bei der Verwaltung des Bundes, Art. 50 2. Fall GG, sondern auch bei der Gesetzgebung, Art. 50 1. Fall GG, mit und wird folglich legislativ tätig. Nach Art. 52 Abs. 3 S. 3 GG verhandelt der Bundesrat jedenfalls öffentlich. Die Öffentlichkeit kann jedoch ausgeschlossen werden. Der Verfassungstext legt dabei keine formellen oder materiellen Voraussetzungen fest. Für einen Öffentlichkeitsausschluss müssen daher keine besonderen Antragsoder Mehrheitserfordernisse eingehalten werden517. dd) Sonderfall: Öffentlichkeit politischer Parteien Wesentlicher Bestandteil des demokratischen Systems der Bundesrepublik Deutschland sind die politischen Parteien. Über das Demokratieprinzip strahlt das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip daher auch auf die politischen Parteien aus. Das Demokratieprinzip stellt ein Bindeglied zwischen der verfassungsrechtlichen Publizitätsbestimmung und den Anforderungen an ­politische Parteien dar. Deshalb wird im Folgenden die Öffentlichkeit politischer Parteien unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips vorgestellt. Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG schreibt die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien vor. Sie haben öffentlich über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie ihres Vermögens zu berichten518. Darüber hinaus verlangt Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG, dass die innere Ordnung politischer Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen muss519. Damit gibt das Grundgesetz den Parteien vor, dass Entscheidungen zumindest partei-öffentlich zu erfolgen haben. 516  Siehe dazu mit Darstellung der Unterschiede, Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 23 und zur Frage der Ausschussöffentlichkeit in den Bundesländern, ders., Rn. 24. 517  Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 52 Rn. 7. 518  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 21 Rn. 113 ff. 519  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 21 Rn. 127 ff.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Überdies sind „die wesentlichen Zielvorstellungen, die wichtigsten organisatorischen und verfahrensmäßigen Determinanten des Parteigeschehens und auch die Zusammensetzung der Leitungsgremien“ zu veröffentlichen, denn als notwendiges Instrument zur Ausübung der Volkssouveränität im Wege demokratischer Wahlentscheidungen muss das Wahlvolk wissen, „womit und mit wem [es] es in einer Partei zu tun hat“520. Das Öffentlichkeitsgebot politischer Parteien ist nicht identisch mit den Anforderungen des Demokratieprinzips des Grundgesetzes, weil den „Besonderheiten des Organisationstypus der politischen Parteien“ Rechnung getragen werden muss521. Dennoch entfaltet „das allgemeine, demokratische Öffentlichkeitsprinzip“ für politische Parteien über Art. 21 GG Wirkung, obwohl diese keine Staatsorgane darstellen522. Anders als die Öffentlichkeit des Staats wurzelt das Transparenzgebot nicht unmittelbar in der Volkssouveränität und dem damit verbundenen Legitimationsbedürfnis durch das Volk, denn sie sind bürgerliche Organisationen, die nicht mit hoheitlichen Kompetenzen ausgestattet sind. Aber politische Parteien sind sowohl mit dem Staat als auch mit dem Volk verschränkt, denn sie gewährleisten die Funktionsfähigkeit des Staats. Sie stellen „die notwendige Organisation der politischen Willensbildung des Volks“ sicher523. Als solche sind sie unverzichtbarer Bestandteil einer parlamentarischen Demokratie. Entscheidend für die Geltung des Öffentlichkeitsprinzips für politische Parteien ist mithin, dass sie trotz ihrer Rechtsform als privatrechtliche Vereinigung eine notwendige demokratische Aufgabe wahrnehmen, welche per se Öffentlichkeit zwingend voraussetzt524. Daraus folgt anschaulich, dass für die Geltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips nicht die rechtliche Qualifikation der Organisationsform maßgeblich ist, sondern allein die Funktionsbedeutung der Öffentlichkeit für das zu verwirklichende Staatsprinzip, hier: Demokratie durch demokratische Willensbildung im Volk. b) Judikative Im Bereich der Judikative entfaltet das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip im Grundsatz der mündlichen Gerichtsverhandlung sowie der 520  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 21 Rn. 120; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 269. 521  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 271. 522  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 21 Rn. 120. 523  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 269. 524  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 272.



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 107

Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung und der gerichtlichen Entscheidungen seine Wirkung, §§ 169 – 183 GVG525. Darüber hinaus findet das Öffentlichkeitsprinzip auch im verfahrensrechtlichen Bereich der Judikative Anwendung. Im Grundgesetz wird die gerichtliche Transparenz durch Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 104 Abs. 3 S. 1, 2, Abs. 4 GG vorgeschrieben526. Zu denken ist auch an §§ 55 VwGO, 52 Abs. 1 FGO, 61 Abs. 1 S. 1 SSG; ferner §§ 36g PatG, 72 GWB, 46 Abs. 1 OWiG527. Mitunter wird bestritten, dass diese Regelungen der Gerichtsöffentlichkeit Ausfluss des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips seien, da es sich nur um einfachgesetzliche Bestimmungen handle, die Gerichtsöffentlichkeit mithin keinen Verfassungsrang habe528. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Konkretisierung verfassungsrechtlicher Prinzipien nicht nur durch verfassungsrechtliche Bestimmungen erfolgen kann. Die Ausgestaltung des vom Grundgesetz vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmens geschieht vielmehr im Regelfall durch einfache Gesetze und/oder sogar durch exekutive Verwaltungsvorschriften. Die Konkretisierung eines Verfassungsprinzips auf Verfassungsniveau zeugt von der Bedeutung des Rechtssatzes. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Gerichtsöffentlichkeit lässt im Umkehrschluss jedoch nicht darauf schließen, dass die Norm aus Verfassungssicht verzichtbar oder unbedeutend ist. Gerade in den Bereichen, in denen das Grundgesetz lediglich Prinzipien vorgibt, ist eine Konkretisierung durch den einfachen Gesetzgeber gefordert. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung stellt, ungeachtet der Regelungsebene, eine Konkretisierung des übergeordneten Prinzips dar. Eine Beschränkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgebots auf die Bereiche konstitu­ tioneller Ausgestaltung überzeugt daher nicht. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Information der Öffentlichkeit zwingende Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle durch das Volk ist529. Die partielle Nichtöffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen beruht letztlich auf einer dezidierten Abwägung des Informa­ tionsanspruchs der Öffentlichkeit und den „gegenüberstehenden gewichtigen Belangen“. Namentlich werden dabei die Persönlichkeitsrechte der Beteilig525  Zur Gerichtsöffentlichkeit als Konkretisierung des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn 13; mit Hinweis auf die Weitergehenden Einschränkungsmöglichkeiten im Bereich der Judikative s. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 34. 526  Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 365 m. w. N. 527  Gramlich, DÖV 1982, 139 (142). 528  Gramlich, DÖV 1982, 139 (145); Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, Rn. 221 f. 529  BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (64).

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

ten, das Recht auf ein faires Verfahren sowie die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege genannt. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts lässt sich daher nicht ableiten, dass keine verfassungsrechtlichen Publizitätspflichten im Bereich der Judikative bestehen. Im Rahmen der Ausformung sind entgegenstehende Rechte und Interessen mit Verfassungsrang zu berücksichtigen. Zumindest für die Judikative ergeben sich daraus Bereiche, in denen die Öffentlichkeit, im Einklang mit dem aus dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip folgendem Öffentlichkeitsgebot, ausgeschlossen werden kann. Einer pauschalen Übertragung der konkreten Ergebnisse auf die Arbeit der Exekutive steht entgegen, dass es sich um eine Einzelfallabwägung handelt. c) Exekutive Im Bereich der Exekutive ergebt sich Transparenz aus einfachgesetzlichen Vorschriften. Zu denken ist dabei insbesondere an das Umweltinformationsgesetz530 und die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder. Verfahrensnormen, die Öffentlichkeit vorschreiben, finden sich außerdem insbesondere im Baurecht, das Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen verschiedener Verfahren vorsieht, unter anderem bei Aufstellung eines Flächennutzungsplans oder eines Bebauungsplans, aber auch in der Vorbereitung für Planfeststellungsbeschlüsse. Es ist umstritten, ob die für die Exekutive normierten Öffentlichkeitspflichten aus der Verfassung folgen. aa) Ablehnung einer verfassungsrechtlichen Verankerung Aus dem einfachrechtlichen Charakter der Publizitätsbestimmungen im Planungsrecht, wird der Schluss gezogen, dass den Beteiligungsrechten im Planungsrecht lediglich eine „dienende Funktion“531 zukomme, welche keinen „Wert an sich“532 darstelle. Hauptfunktion der Öffentlichkeitsbeteiligung 530  Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 vom 14.2.2003, S. 26–32). 531  BVerwG, Urteil vom 29.04.1993 – 7 A 2.92, BVerwGE 92, 258 (261); BVerwG, Urteil vom 15.10.1985 – 10 S 822/82, NVwZ 1986, 663 (664); Burgi, DVBl. 2011, 1317 (1317 f.); Burgi/Durner, Modernisierung des Verwaltungsverfahrensrechts durch Stärkung des VwVfG, S. 24 ff.; zum Begriff der „dienenden Funktion“ vgl. Quabeck, Dienende Funktion des Verwaltungsverfahrens und Prozeduralisierung, S. 7 ff.; Haug/ Schadtle, NVwZ 2014, 271 (272). 532  BVerfG vom 20.02.2002 – 1 BvL 19/97, 1 BvL 20/97, 1 BvL 21/97, 1 BvL 11/98, BVerfGE 105, 48 (60); Burgi, DVBl. 2011, 1317 (1318); Burgi/Durner, Mo-



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 109

sei, der Verwaltung Informationen über abwägungsrelevante Belange zu liefern533. Dies sei insbesondere daran erkennbar, dass Verstöße gegen das Informations-, Anhörungs-, Einwendungs- und Erörterungsrecht in Planverfahren nur dann zu einer Aufhebung der getroffenen Entscheidung führen, wenn „erkennbar ist, dass die Entscheidung ohne den Verstoß gegen die Beteiligungsvorschrift in der Sache tatsächlich anders getroffen worden wäre.“534 Öffentlichkeitsbeteiligung stelle insofern Grundrechtsschutz der Betroffenen dar535. In dieser Reduzierung der Öffentlichkeitsfunktion „auf die Erweiterung der behördlichen Informationsbasis und den vorgelagerten Rechtsschutz individueller Rechtsträger“536 kommt zum Ausdruck, dass die Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung nicht auf das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip zurückzuführen sein sollen. Andernfalls müsste den Beteiligungsrechten zwingend ein vom Grundrechtsschutz der Betroffenen losgelöster demokratischer, rechtsstaatlicher und republikanischer Eigenwert beigemessen werden. Öffentlichkeit sei demnach innerhalb der Exekutive nur dort einzuhalten, wo dies ausdrücklich normiert ist537. Konkrete Publizitätspflichten werden von der herrschenden Meinung im Übrigen abgelehnt538. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip soll sich vielmehr auf die Staatsbereiche beschränken, die für die demokratische Willensbildung Bedeutung haben539. Staatliche Öffentlichkeit soll verfassungsrechtlich danach nur dann erforderlich sein, wenn der Tätigkeit ein politisch-diskursives Verfahren vorausgehe540. Daraus wird geschlossen, dass sich das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsgebot in erster Linie an die Legislative richte541. Auch aus dem Umweltinformationsgesetz und den Informationsfreiheitsgesetzen soll kein anderer Schluss gezogen werden können, da diese auf dernisierung des Verwaltungsverfahrensrechts durch Stärkung des VwVfG, S. 30; Haug/Schadtle, NVwZ 2014, 271 (272). 533  Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 210; Haug/Schadtle, NVwZ 2014, 271 (272). 534  BVerwG, Urteil vom 31.10.1990 – 4 C 7.88, BVerwGE 87, 62 (71 f.); mit im Ergebnis abweichender Auffassung Haug/Schadtle, NVwZ 2014, 271 (272). 535  BVerfG, Beschluss vom 20.12.1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 (64 f.); Haug/Schadtle, NVwZ 2014, 271 (272). 536  Haug/Schadtle, NVwZ 2014, 271 (272). 537  Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 371. 538  Für viele Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 31; Kloep­ fer, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389 Rn. 55. 539  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 22. 540  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 22 f. 541  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 22.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

europarechtliche Vorgaben zurückgehen. Aus dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip soll sich außerdem kein Auftrag des Gesetzgebers ergeben, Öffentlichkeit im Bereich der Exekutive auszugestalten. bb) Verfassungsrechtliche Würdigung Der vorstehenden Argumentation, mit der die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips auf seine demokratischen Funktionen beschränkt wird, kann nicht gefolgt werden, denn sie lässt unberücksichtigt, dass Öffentlichkeit auch eine zwingende Funktionsvoraussetzung für Rechtsstaatlichkeit und das Republikprinzip ist542. (1) Maßstab der Volkssouveränität Maßstab für die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips muss der allen drei Verfassungsprinzipien innewohnende Kern sein: die Volkssouveränität543. Sie ist der Grund für die Notwendigkeit staatlicher Transparenz. Als solcher dient sie auch zur Begrenzung der Reichweite der Öffentlichkeit. Eine Einschränkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips kann daher nur insofern mit der Verfassung vereinbar sein, wie auch die Souveränität des Volks beschränkt ist. Folglich ist die Zulässigkeit des Öffentlichkeitsausschlusses am Maßstab der Volkssouveränität zu messen544. Die Volkssouveränität ist, ausweislich des Wortlauts der Verfassung, nicht auf einzelne Staatsgewalten beschränkt. Auch für die Exekutive statuiert das Grundgesetz keine Ausnahme. Zentrale Forderung des Grundgesetzes ist die Volkssouveränität als Herrschaftsform über jedes staatliche Handeln545. Dementsprechend bedarf jedes staatliche Handeln demokratischer Legitimation546. Die Staatsgewalt wird zwar in erster Linie mittelbar durch Wahlen und Abstimmungen ausgeübt, „die demokratische Beteiligung des Volks an 542  BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (358); BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (63); BVerfG, Urteil vom 04.07.2007 – 2 BvE 1-4/06, BVerfGE 118, 277 (313); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 31; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 45; Pieroth, JuS 2010, 473 (479); Pieroth, in: FS Hoppe, S. 195 (195 ff.); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 128. 543  Siehe dazu im Kapitel 1. Öffentlichkeit – ein verfassungsrechtliches Organisationsprinzip, S. 91 ff. 544  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 49. 545  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 55. 546  Ehlers, in: FS Stein, S. 125 (137).



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 111

der staatlichen Willensbildung ist aber nicht auf die Parlamentswahl beschränkt.“547 Die Volkssouveränität erstreckt sich ausweislich des Art. 20 Abs. 2 GG auch auf die besonderen Organe der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung. Das Volk nimmt auf Exekutive und Judikative nur mittelbar durch Wahlen und Abstimmungen Einfluss. Der Wahlakt ist jedoch Ausübung des demokratischen, republikanischen und rechtsstaatlichen Kontrollrechts. Dieses Kon­ trollrecht umfasst nicht nur die Wahlentscheidung, sondern auch die demokratische und rechtsstaatliche Überwachung aller staatlichen Verfahren, gleich ob diese dem legislativen, dem judikativen oder dem exekutiven Bereich zugeordnet werden. Dementsprechend muss das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip auch für alle Staatsbereiche gelten. Erfolgt das exekutive und judikative Handeln des Staats unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ist eine effektive Kontrolle durch das Volk und eine Bindung der Amtswalter an das Gemeinwohl nicht möglich. Da das Volk mittels Wahl nur auf das Parlament direkten Einfluss nimmt, ist alle Staatsgewalt in die parlamentarische Verantwortung eingebunden. „Die alleinige Bindung an das Gesetz vermag das Handeln der Amtswalter in der Regel nicht ausreichend zu steuern.“548 Daraus folgt, dass Beurteilungsgegenstand der Wahlentscheidung nicht nur die parlamentarische Arbeit der gewählten Volksvertreter ist, sondern auch die Leitung und Organisation der Judikative und Exekutive durch die gewählten Repräsentanten. Diese haben sich für die personelle und inhaltliche Ausgestaltung der Judikative und der Exekutive vor den Wählern zu verantworten. In der Wahlentscheidung müssen alle Bereiche staatlichen Handelns berücksichtigt werden können. Andernfalls ist das Volk nicht in der Lage zu beurteilen, mit welchem Inhalt eine Mandatierung der Repräsentanten erfolgen soll. Herrschaft durch Wahl setzt daher umfassende Information über jedes staatliche Handeln voraus. Die Öffentlichkeit der Exekutive gewährleistet den dafür notwendigen Informationszugang der Allgemeinheit, der eine umfassende und freie Meinungs- und Willensbildung im Volk ermöglicht. Eine Alternative, bei der nicht auf das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip zurückgegriffen werden müsste, sieht das Grundgesetz nicht vor549. Insbesondere kann aus der Meinungsäußerungs- oder Informationsfreiheit des Art. 5 GG keine PubNVwZ 2014, 271 (273). in: FS Stein, S. 125 (134). 549  Zur Öffentlichkeit aus Informationszugang und Voraussetzung für eine freie Wahlentscheidung siehe ausführlich im Kapitel b) Informationszugang und freie Willensbildung, S. 57 ff. und Kapitel c) (Wahl-)Freiheit durch Öffentlichkeit, S. 63 ff. 547  Haug/Schadtle, 548  Ehlers,

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

lizitätspflicht der Exekutive abgeleitet werden550. Unter diesen Umständen könnte nur die gezielte Öffentlichkeitsarbeit der Exekutive als Ersatz für die freie Zugänglichkeit der Informationen dienen551. Diese birgt jedoch die Gefahr selektiv oder sogar manipulativ eingesetzt zu werden, so dass sie keinen gleichwertigen Ersatz für die grundsätzliche Öffentlichkeit der Exekutive darstellt. Die Öffentlichkeit der Exekutive ist daher Voraussetzung für eine effektive Nutzbarkeit der in Art. 5 GG verbürgten Rechte und für eine freie demokratische Wahlentscheidung. (2) Legitimationsbedürfnis der Exekutive Zu berücksichtigen ist überdies, dass die Legitimation der durch das Parlament eingesetzten Amtswalter nicht nur durch die organisatorisch-personelle Komponente der Auswahl und Bevollmächtigung der Amtswalter durch die gewählten Volksvertreter erfolgt. Die Weiterleitung der Legitimität hat vielmehr auch eine zweite Seite: die sachlich-inhaltliche Legitimation. Nicht alle Rechtsbereiche sind durch parlamentarische Gesetze, die ein „Konditionalprogramm (Wenn-Dann-Schema)“ vorsehen, normiert. Es gibt zahlreiche Bereiche, in denen ein „Finalprogramm (Zweck-Mittel-Schema)“ vorgezogen wurde.552 In diesen Bereichen kommt den Amtswaltern ein großes Maß an Eigenverantwortlichkeit zu. Damit einher geht ein Steuerungsverlust553 des durch die Wahl zur Entscheidung berufenen Parlaments. Je größer dieser Steuerungsverlust des Parlaments ist, desto bedeutender wird die Notwendigkeit einer Kompensation der mangelnden parlamentarischen Sachentscheidung. Eine solche Kompensation stellt die sachlich-inhaltliche Legitimation der Amtswalter dar. Unter einer sachlich-inhaltlichen Legitimation ist die Zustimmung des Souveräns zu einzelnen Maßnahmen zu verstehen. Diese kann durch eine sachlich-inhaltliche (im Unterschied zur sachlich-prozeduralen) Partizipation erfolgen554, das heißt durch die Einbindung der Allgemeinheit in die Entscheidungsfindung durch Öffentlichkeit. Entscheidend ist, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung in diesem Fall nicht als reiner Verfahrensschritt betrachtet wird, in dem sie zur Informationsquelle der Verwaltung degradiert in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389 Rn. 57. in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389 Rn. 59. 552  Haug/Schadtle, NVwZ 2014, 271 (273). 553  Burgi/Durner, Modernisierung des Verwaltungsverfahrensrechts durch Stärkung des VwVfG, S. 33 f.; Haug/Schadtle, NVwZ 2014, 271 (273); Pöcker, DÖV 2003, 980 (982 f.). 554  Haug/Schadtle, NVwZ 2014, 271 (273). 550  Kloepfer, 551  Kloepfer,



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 113

wird. Vielmehr muss ihr ein demokratischer Eigenwert zuerkannt werden. Haug und Schadtle sprechen insoweit von einem „Demokratie fördernden Potenzial der Öffentlichkeitsbeteiligung“555. Beide Modi der Legitimation ergänzen sich und stellen gemeinsam ein ausreichendes Legitimationsniveau sicher. Aus diesem Zusammenspiel ergibt sich, „dass die Öffentlichkeit umso stärker in den administrativen Entscheidungsprozess einzubeziehen ist, je ungenauer die parlamentarisch-gesetzlichen Vorgaben sind.“556 Je eigenständiger die Verwaltung arbeitet, zum Beispiel bei Planungsvorhaben, desto wichtiger ist die „eigenständige kommunikative Rückkopplung an das Volk“557. Mithin stellt Öffentlichkeit gerade im Bereich der Exekutive die Legitimation der Amtswalter sicher. (3) Öffentlichkeit als republikanische und rechtsstaatliche Voraussetzung Das Republikprinzip bezieht sich nach dem hier vertretenen weiten Verständnis auf den ganzen Staat, nicht nur auf einzelne Bereiche staatlicher Machtausübung558. Mithin folgt auch aus dem Republikprinzip, dass das staatliche Handeln weitestgehend öffentlich sein muss. Eine Ausgrenzung der Exekutive ist weder dogmatisch noch praktisch geboten. Im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Öffentlichkeit wird mitunter eingewendet, dass zwischen der rechtsstaatlichen und der demokratischen Öffentlichkeit unterschieden werden müsse, da sich letztere an das ganze Volk richte, erstere hingegen nur an den Adressatenkreis der erlassenen Norm559. Dieser Ansatz verkennt jedoch, dass auch die rechtsstaatliche Öffentlichkeit im Kern der Wahrung der Volkssouveränität dient560. Überdies folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip nicht nur die Forderung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Adressaten einer Norm, sondern auch die Kontrollierbarkeit des staatlichen Handelns.

555  Haug/Schadtle, 556  Haug/Schadtle,

NVwZ 2014, 271 (272). NVwZ 2014, 271 (273); dazu siehe auch Lange, VerwArch

1991, 1 (12). 557  Haug/Schadtle, NVwZ 2014, 271 (273). 558  Siehe dazu ausführlich im Kapitel 3. Republik und Öffentlichkeit, S. 87 ff. 559  Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 69; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 67. 560  Siehe Kapitel 1. Öffentlichkeit – ein verfassungsrechtliches Organisationsprinzip, S. 91 ff.; Kißler führt die rechtsstaatliche und die demokratische Öffentlichkeit auf die „Berechenbarkeit staatlicher Machtausübung“ zurück, Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 69.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Recht- und Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns müssen in allen staat­ lichen Bereichen gewährleistet werden561. Das Grundgesetz statuiert die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns nicht nur im großen Ganzen gegenüber der Masse, sondern in jedem Einzelfall. Dies ist nur unter den Augen der Öffentlichkeit sicherzustellen. Rechtsstaatlichkeit setzt daher die Transparenz allen staatlichen Handelns voraus562. Die Annahme, Öffentlichkeit sei nur da geboten, wo die Rechts- und Interessensphäre vieler Bürger berührt werde563, ist nicht haltbar. Mitunter wird argumentiert, dass zur Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit im Bereich der Exekutive keine Öffentlichkeit notwendig sei, da dort nur die Normen angewendet werden, die bereits zuvor „der Feuerprobe der Öffentlichkeit unterzogen worden“ seien564. Öffentlichkeit im Bereich der Exekutive dient jedoch nicht dazu, die anzuwendenden Normen zu prüfen, sondern die Anwendung der Normen zu kontrollieren. Gegenstand der Prüfung sind mithin nicht die Gesetze, die tatsächlich bereits zuvor im Gesetzgebungsprozess durch die Öffentlichkeit geprüft wurden, sondern die Amtswalter, deren Rechtsanwendung im Einzelfall durch die Öffentlichkeit am Maßstab der Rechtmäßigkeit beurteilt wird. (4) Konkretisierungsnotwendigkeit nicht als Gesetzesvorbehalt Die Ablehnung der Geltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips für die Exekutive wird vielfach mit dem Fehlen konkretisierender Normen begründet565. Dabei wird von Kloepfer, mit Bezug auf BVerfGE 103, 44566 besonders der Prinzipiencharakter der verfassungsrechtlichen Öffentlichkeit betont, der ohne weitere Konkretisierungen keine Publizitätspflichten für die Exekutive entnommen werden könne567. Danach soll sich aus dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip nur im Bereich der Legislative und der Judikative ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ergeben568. Mitunter wird überdies angenommen, dass eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgebots nur durch Normen, die selbst mit Verfassungsrang aus561  Herzog spricht insoweit von einer „umfassenden Verwirklichung des Gesetzmäßigkeitsprinzips“, s. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 20 – I Rn. 33. 562  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 56. 563  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 22. 564  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146). 565  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 22. 566  BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44. 567  Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389 Rn. 55 f. 568  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 130.



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 115

gestattet seien, erfolgen könne569. Infolgedessen soll die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Gerichtsöffentlichkeit davon zeugen, dass diese kein Ausfluss des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips sei, sondern allein dem Willen des Gesetzgebers entspringe. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Gerichtsöffentlichkeit lässt im Umkehrschluss jedoch nicht darauf schließen, dass die Norm aus Verfassungssicht verzichtbar oder unbedeutend ist. Verfassungsnormen werden nicht nur durch die Verfassung selber konkretisiert. Gerade in den Bereichen, in denen das Grundgesetz lediglich Prinzipien vorgibt, ist eine Konkretisierung durch den einfachen Gesetzgeber gefordert. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung von Verfassungsvorgaben ist legitim und üblich. Sie stellt ungeachtet der Regelungsebene eine Konkretisierung des übergeordneten Prinzips dar. Festzustellen ist, dass Publizitätserfordernisse im Bereich der Exekutive lange Zeit kaum und inzwischen vorwiegend auf Grund europarechtlicher Vorgaben normiert wurden. Zu nennen ist hier insbesondere das Umwelt­ informationsgesetz (UIG)570. Rösch stellt im Zusammenhang mit der zögerlichen Ausgestaltung des Öffentlichkeitsprinzips fest, dass sich der Gesetzgeber im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Exekutive seiner „Verantwortung die Arkana präzise anzumessen“ entziehe571. Die Untätigkeit des Gesetzgebers bezüglich der Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips hat jedoch nicht zur Folge, dass das Prinzip für die Exekutive keine Wirkung entfaltet572. Dementsprechend stellt das Bundesverfassungsgericht in der von Kloep­ fer573 zitierten Entscheidung zwar fest, dass „die Verfassungsgrundsätze des Rechtsstaats und der Demokratie […] nähere Ausformung durch das Gesetz“ bedürfen, zu beachten ist aber, dass sich die Entscheidung nicht auf die Exekutive, sondern auf die Gerichtsöffentlichkeit, das heißt die Judikative, bezieht. Insofern kann aus der Entscheidung nicht der Schluss gezogen werden, dass das Bundesverfassungsgericht die Geltung des Öffentlichkeitsprinzips für die Exekutive ablehne. Außerdem verlangt das Gericht für die Geltung des aus dem Demokratieprinzip folgenden Öffentlichkeitsgebots nicht abs569  Gramlich, DÖV 1982, 139 (145), der auf Grund dieser Argumentation die Ableitung der Gerichtsöffentlichkeit aus dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip ablehnt. 570  Siehe dazu auch in der Einleitung zu Kapitel c) Exekutive, S. 108 ff. 571  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 131. 572  Siehe dazu Kapitel III. Verfassungsrechtliche Öffentlichkeit als Prinzip, S. 91 ff. 573  Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR III, S. 389 Rn. 55 f. mit Verweis auf BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44.

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B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

trakt eine Konkretisierung. In der Entscheidung wird vielmehr betont, dass die Information der Öffentlichkeit zwingende Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle durch das Volk ist. Das Gericht begründet die partielle Nichtöffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen letztlich mit einer dezidierten Abwägung des Informationsanspruchs der Öffentlichkeit und den gegenüberstehenden gewichtigen Belangen.574 Aus der Konkretisierungsnotwendigkeit des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips ist mithin nicht der Schluss zu ziehen, dass das Publizitätserfordernis für die Exekutive im Übrigen keine Wirkung entfaltet. Aus der Spezifizierungsbedürftigkeit des Prinzips folgt lediglich der gesetzgeberische Auftrag Ausnahmetatbestände zu gestalten. Der Anwendungsbereich des Prinzips wird unmittelbar von der Verfassung vorgegeben und steht nicht im Belieben des Gesetzgebers. Normiert der Gesetzgeber keine Ausschlussgründe für die Öffentlichkeit, kann diese nur auf Grund widerstreitender, gleichwertiger Güter von Verfassungsrang ausgeschlossen werden. Statt auf gesetzlich vorgegebene Ausschlussgründe zurückzugreifen, ist dann eine Abwägung im Wege der praktischen Konkordanz notwendig.575 (5) Schutz von höherrangigen Gütern Inhaltlich wird die Beschränkung der Öffentlichkeit mit dem Schutz höherrangiger Güter, insbesondere von Persönlichkeitsrechten begründet576. Im Bereich der Exekutive und auch der Judikative werden oftmals Einzelfälle thematisiert, die persönliche Informationen zum Gegenstand haben. Diese Bereiche seien für die Öffentlichkeit kaum von Interesse. Im Übrigen stehe der Schutz der Privatsphäre Betroffener über dem Informationsanspruch der Allgemeinheit. Deshalb sei das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsgebot von vornherein nur auf die Legislative anzuwenden. Mitunter wird daher zumindest eine Abschwächung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips im Bereich der Exekutive gefordert577. Unklar bleibt dabei jedoch, wie eine solche abgeschwächte Geltung dogmatisch und praktisch aussehen soll. Darüber hinaus ist eine Beschränkung des Geltungsbereichs des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips oder eine Abschwächung zum Schutz von höherrangigen Gütern, insbesondere von Individualinteressen, auch nicht nötig. 574  BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (64). 575  Siehe zur Geltung der verfassungsrechtlichen Öffentlichkeit als Prinzip Kapitel 2. Der Prinzipiencharakter verfassungsrechtlicher Öffentlichkeit, S. 95 ff. 576  Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn 13. 577  Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn 13.



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 117

Die Realität verlangt tatsächlich mitunter die Geheimhaltung bestimmter Informationen und Vorgänge578. Die Geltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips im Bereich der Exekutive bedeutet jedoch nicht, dass ein Öffentlichkeitsausschluss unmöglich ist. Er muss nur im Einzelfall begründet werden. Der Schutz höherrangiger Güter kann somit im Wege der praktischen Konkordanz erreicht werden579. Folgt aus der Abwägung der widerstreitenden Güter, dass der Schutz der Individualinteressen im konkreten Fall dem Informationsbedürfnis vorgeht, tritt das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip zurück. Unter Umständen ist ein Öffentlichkeitsausschluss auf Grund von widerstreitenden Interessen nicht nur möglich, sondern sogar geboten. Vor allem wenn Individualinteressen im Raum stehen, hat daher immer eine Einzelfallabwägung stattzufinden. Eine generelle Ablehnung oder Abschwächung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips im Bereich der Exekutive würde bedeuten, dass die Rechte und Interessen des Souveräns, den Staat lenken und kontrollieren zu können, im Bereich der Exekutive generell hinter den Individualinteressen Einzelner stehen. Eine solche Bevorzugung von Einzelinteressen ist im Grundgesetz nicht vorgesehen. Genauso wenig, wie das Grundgesetz nicht pauschal Gemeinschaftsinteressen über Individualinteressen stellt. Auch hier fordert das Gesetz eine Einzelfallabwägung, wie das Beispiel der in Art. 14 Abs. 3 GG angelegten Enteignung zeigt. So wie durch die Grundrechte geschützten Individualinteressen ungeachtet möglicher Kollisionen zunächst volle Geltung entfalten und (nur) im Einzelfall eingeschränkt werden, so muss auch dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip im Bereich der Exekutive zunächst allgemeine Geltung zukommen. Ein präventiver Ausschluss der Exekutive (oder auch der Judikative) vom Anwendungsbereich des Öffentlichkeitsprinzips ist der Versuch, der Abwägungsnotwendigkeit bzw. dem Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses bereits auf Tatbestandsebene nachzukommen. Dadurch würde nicht nur die verfassungsrechtlich gebotene Einzelfallbetrachtung entfallen. Durch eine solche vorgezogene allgemeine Wertung würde der Staat auch von vornherein von seiner Begründungspflicht entbunden. Tatsächlich ist jeder Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall begründungsbedürftig. In Anlehnung an die Grundrechtslehre ist daher ein weites Verständnis des Öffentlichkeitsprinzips vorzugswürdig, das alle Staatsgewalten umfasst, dessen Reichweite auf der Ebene der Rechtfertigung aber bedarfsgerecht angepasst werden kann.

Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 92. dazu im folgenden Kapitel V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses, S. 123 ff. 578  Rösch, 579  Siehe

118

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

cc) Zusammenfassung: Öffentlichkeit der Exekutive Im Ergebnis ist festzustellen, dass das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip auch für die Exekutive Wirkung entfaltet. Die vorhandenen einfachgesetzlichen Transparenzregelungen sind Ausgestaltung dessen und daher auch an diesem zu messen. Dies gilt auch für das Umweltinformationsgesetz und die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder, denn dass diese auf Initiativen von EU-Richtlinien zurückgehen, ändert nichts daran, dass die Regelungen inhaltlich Ausgestaltungen des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips sind. Die EU-Richtlinien haben insoweit lediglich, durch die Normierung einer einfach gesetzlichen Kodifizierungspflicht, für die allgemeine Anerkennung der Geltung des Öffentlichkeitsgebots, auch im Bereich der Exekutive, gesorgt. d) Kommunale Volksvertretungen Vor der Betrachtung der horizontalen Wirkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips auf die kommunalen Volksvertretungen ist zunächst ihre Beziehung zu den Staatsgewalten klarzustellen. aa) Rechtliche Einordnung kommunaler Volksvertretungen Auf Grund der mit ihrer Satzungsautonomie verbundenen Rechtssetzungsbefugnis scheinen die kommunalen Volksvertretungen auf den ersten Blick der Legislative anzugehören. Tatsächlich sind sie aber keine echten Parlamente580. Sie sind deshalb auch nicht der Legislative zuzuordnen. Die landläufige Bezeichnung als „kommunale Parlamente“ ist aus juristischer Sicht irreführend581.

580  BVerfG, Beschluss vom 21.06.1988 – 2 BvR 975/83, BVerfGE 78, 344 (348); BVerwG, Urteil vom 27.03.1992 – 7 C 20.91, BVerwGE 90, 104 (105). 581  Zum Ausdruck kommt die Zuordnung der Kommunen zur Exekutive unter anderem darin, dass die Zyklen zwischen den Kommunalwahlen nicht Legislaturperioden, sondern Wahlperioden genannt werden. Ein weiteres Beispiel für die Qualifizierung der Gemeinderäte als Exekutive findet sich im Parteiengesetz. Nach der Definition der politischen Partei gem. § 2 Abs. 1 Parteiengesetz sind politische Parteien nur solche Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen. Die Volksvertretung auf Gemeinde- oder Kreisebene stellt danach keine Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volks nach § 1 Abs. 1 PartG dar.



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 119

Kommunale Volksvertretungen sind gewählte Repräsentationsorgane mit Rechtsetzungsbefugnis582 und Kontrollauftrag. Auch wenn ihre Wahl lediglich durch das gemeindezugehörige Teilvolk erfolgt, sind sie insoweit mit echten Parlamenten vergleichbar583. Wesensmerkmal eines Parlaments ist darüber hinaus eine unmittelbar vom Souverän abgeleitete Gesetzgebungsbefugnis. Diese kommt den Gemeinderäten nicht zu. Zwar besitzen die kommunalen Volksvertretungen Satzungsautonomie und in der Außenwirkung mag ein solches materielles Gesetz die gleiche Verbindlichkeit aufweisen, rechtsdogmatisch ist aber zu unterscheiden: Rechtssetzung erfolgt zum einen durch legislative Gesetzgebung der gewählten Parlamente, zum anderen durch Verwaltungsorgane in Form des Erlasses von Rechtsverordnungen oder Satzungen. Auch wenn es sich um einen Akt der Rechtssetzung handelt, ist der Erlass untergesetzlicher Rechtsnormen nur Gesetzesausführung. Die Kompetenz zum Erlass von Rechtsverordnungen oder Satzungen dient lediglich der Ausführung formeller, von der Legislative erlassener Gesetze und ist daher klassisches Verwaltungshandeln. Die Verwaltungsorgane gehören deshalb, trotz der Rechtssetzungsbefugnis, der Exekutive an. Unstrittig kommen der Exekutive dabei mitunter große Gestaltungsspielräume zu. Die Entscheidungsfreiheit der Exekutive unterliegt jedoch dem Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes584 und ist daher nicht vergleichbar mit der parlamentarischen Gesetzgebungsbefugnis, die lediglich an die Verfassung gebunden ist. Dem kann zwar entgegengehalten werden, dass auch der Bundestag und die Landesparlamente inzwischen deutliche Einschränkungen ihrer Souveränität hinnehmen müssen. Zu denken ist hier insbesondere an völkerrechtliche Vereinbarungen und das EU-Recht. Anders als bei den Rechtssetzungskompetenzen der Exekutivorgane, die durch die Legislative eingerichtet und ausgestaltet werden, handelt es sich bei den Einschränkungen durch supranationales Recht jedoch um selbstgewählte Grenzen des Parlaments. Die Einschränkungen stellen folglich selbst eine Ausübung der parlamentarischen Souveränität dar. Aus dieser rechtsdogmatischen Differenzierung der verschiedenen Rechtssetzungsarten ergibt sich, dass die kommunalen Volksvertretungen nicht der 582  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 219. 583  Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR II, Rn. 31. 584  BVerfG, Urteil vom 22.11.1983 – 2 BvL 25/81, BVerfGE 65, 283 (289); BVerfG, Beschluss vom 21.06.1988 – 2 BvR 975/83, BVerfGE 78, 344 (348); Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 125; Schmidt-Aßmann, AöR 1991, 329 (359).

120

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Legislative zuzuordnen sind. Zwar handelt es sich um gewählte, rechtssetzende Volksvertretungen, in Ermanglung souveräner Gesetzgebungskompetenz stellen sie jedoch keine echten Parlamente dar. Die Satzungsautonomie der Kommunen bezieht sich nur auf den Verwaltungsbereich, den die Gemeinde Kraft ihrer Selbstverwaltungsautonomie gestalten soll und stellt keine von dieser Verwaltungsaufgabe losgelöste Rechtssetzungsbefugnis dar585. Die Satzungsautonomie ist folglich nur die Kompetenz, mittels derer die Kommune ihrer (Selbst-)Verwaltungsaufgabe nachkommen kann. Trotz der Universalität der gemeindlichen Selbstverwaltung und ihrer Allzuständigkeit beschränkt die Gesetzgebung der Länder die gemeindlichen Kompetenzen auf bestimmte Bereiche staatlichen Handelns586. Die Gemeinden handeln folglich nicht auf Grund eigener Macht, sondern leiten sich ihre Befugnisse von den Ländern ab587. Erkennbar ist dies insbesondere an den Regeln der Kommunalaufsicht588. Die „gesetzgebende“ Tätigkeit tritt hinter die Verwaltung auf kommunaler Ebene sogar soweit zurück, dass das Oberverwaltungsgericht Münster zu der Feststellung gelangt, dass der Grundsatz der Gewaltenteilung im nordrheinwestfälischen Gemeindeverfassungsrecht nicht gilt589. Die zusätzliche Legitimierung durch die demokratische Wahl der Gemeindevertretungen vermittelt folglich keine Souveränität, sondern kompensiert den mit der Einräumung so weitreichender Gestaltungsfreiheiten einhergehenden Steuerungsverlust des demokratischen Gesetzgebers und stellt auf diese Weise ein insgesamt ausreichendes Legitimationsniveau der Gemeinderäte bei ihrer rechtssetzenden Tätigkeit sicher. Bedeutung hat dies insbesondere für die weisungsfreien Räume der kommunalen Selbstverwaltung590. bb) Wirkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips Die grundsätzliche Öffentlichkeit des staatlichen Beratungs- und Entscheidungsprozesses ist, aus Sicht demokratisch legitimierter Staatlichkeit, unbestrittener und unverzichtbarer Bestandteil der Demokratie591. Das verfasin: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 40 Ziff. I. 2. S. 2. in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 42, 46. 587  Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 31. 588  Zur Staatsaufsicht über Kommunen siehe für NRW Hellermann, in: Dietlein/ Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 77 ff. 589  OVG Münster, Urteil vom 20.03.1957 – III A 1285/55, OVGE MüLü 12, 177 (187). 590  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 64. 591  BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 – 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84, BVerfGE 70, 324 (355); BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 585  Paal,

586  Nierhaus,



IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips 121

sungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip verbietet „die Einrichtung von Entscheidungsgremien mit kollegialer Struktur, ohne dass zugleich öffentliche Verhandlung vorgeschrieben wird [, …] wenn die Beschlussfassung am Ende der Debatte bereits unmittelbare Wirkung für Dritte zeigt, also ein Verfahren abschließt“592. Die Sitzungsöffentlichkeit gewählter Volksvertretungen ist unbestritten als wesentliches Element der staatlichen Demokratie und des Parlamentarismus anerkannt593 und als solches über Art. 20, 28 GG durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG geschützt. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass die kommunalen Volksvertretungen als Bestandteil der Exekutive keine echten Parlamente sind. Sie sind jedenfalls gewählte Volksvertretungen mit Rechtssetzungsbefugnis, bei deren Ausgestaltung daher demokratische Grundsätze beachtet werden müssen. Als einfachgesetzliche Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips594 stellt die kommunale Sitzungsöffentlichkeit keine Regelung dar, die im Ermessen der jeweiligen Landesregierungen steht. Die Öffentlichkeit der Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen ist ein tragender Grundsatz des gesamten Kommunalrechts595. Ihre Normierung ist daher am Maßstab des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips zu messen. 3. Fazit: grundsätzliche Geltung des Öffentlichkeitsprinzips Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Öffentlichkeit staatlichen Handelns ein allgemeines verfassungsrechtliches Prinzip darstellt596. Es handelt sich 44 (63); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 22, 24; Kißler, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S. 993 Rn. 3 ff.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 9, 15; Linck, ZParl 1992, 673 (673); Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 Rn 11; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S.  58 ff. 592  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146). 593  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 24; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 31; Kretschmer spricht von einem parlamentarischen Öffentlichkeitsprinzip Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 1; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 16; Linck, ZParl 1992, 673 (673); Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 20; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaat­ lichen Demokratie, S. 58 ff.; Schneider, in: Denninger, AK-GG, Rn. 2. 594  OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (160). 595  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 54; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff.  2 m. w. N. 596  A. A. Gramlich, DÖV 1982, 139 (145), der die Annahme, alle Öffentlichkeitsregelungen seien auf die Verfassung zurückzuführen, ablehnt.

122

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

um einen „konstituierenden Grundsatz des demokratischen Rechtsstaates, der in der Bundesrepublik Deutschland auf allen Ebenen der Staatsorganisation seine positiv-rechtliche Ausprägung erfahren hat.“597 Die Reichweite der verfassungsrechtlichen Sitzungsöffentlichkeit wird nicht durch die Grenzen zwischen den Staatsgewalten begrenzt. Die Beschränkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips auf die Legislative ist weder mit dem Wortlaut des Grundgesetzes vereinbar, noch vor dem Hintergrund der Funktionsfähigkeit des Staats oder dem Schutz anderer, übergeordneter Interessen notwendig. „Die Öffentlichkeit der Verhandlungen des Bundestags (Art. 42 II GG) hat also [nur] paradigmatischen Charakter.“598 Maßgeblich für die Geltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips ist nicht die Zuordnung eines Staatsorgans zu einer bestimmten Staatsgewalt, sondern alleine die Frage der Notwenigkeit von Öffentlichkeit aus demokratischer, rechtsstaatlicher und republikanischer Sicht. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsgebot wirkt daher in der Legislative, der Judikative und der Exekutive. Die Beurteilung des Geltungsbereichs des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips an Hand der Abgrenzung der drei Staatsgewalten ist weder dogmatisch sinnvoll noch konsequent durchzuhalten. Es scheint sich bei diesen Auffassungen überwiegend um eine Interpretation zu handeln, welche die bisherige Praxis, der Wahrung des Amtsgeheimnisses im Bereich der Exekutive, legitimieren soll. Tatsächlich ist für die Reichweite der verfassungsrechtlichen Öffentlichkeit die Volkssouveränität maßgeblich. Diese ist ausweislich des Wortlauts in Art. 20 GG nicht auf einzelne Staatsgewalten beschränkt, sondern umfasst „alle Staatsgewalt“, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG. Diese einfachgesetzlichen Vorschriften, gleich welche Staatsgewalt sie berühren, begründen keine autonomen Gebote der Öffentlichkeit, sondern sind Ausfluss des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips599. Die punk­tuellen Konkretisierungen müssen sich am verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgebot messen lassen. Ihnen ist des Weiteren keine abschließende Wirkung beizumessen. Das Öffentlichkeitsprinzip entfaltet mithin auch in den staatlichen Bereichen unmittelbare Wirkung, für die keine einfachgesetzlichen Spezifizierungen existieren. In der Praxis werden diese Erkenntnisse zunehmend berücksichtigt. So wird Öffentlichkeit zumindest als verfahrensrechtliches Prinzip zunehmend 597  n. n.,

in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 S. 144. in: FS 50 J. BVerfG, S. 559, (S. 574). – Ergänzung in […] durch die

598  Morlok,

Verfasserin. 599  Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 42 Rn. 1.



V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses123

ernst genommen und „(unter Berufung auf Demokratie und Rechtsstaat), wird die Arkanmaxime der Verwaltung zurückgedrängt (etwa beim Recht auf Akteneinsicht), […]“600. Beispiele dafür sind auch das Umweltinformationsgesetz oder die von Bund und Ländern erlassenden Informationsfreiheitsgesetze.

V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses Nach den Grundsätzen der Verfassung ist die Öffentlichkeit staatlichen Handelns Voraussetzung für die Vereinbarkeit staatlichen Handelns mit demokratischen, rechtsstaatlichen und republikanischen Anforderungen. Nichtöffentlichkeit stellt einen Bruch mit dieser grundlegenden Anforderungen des Grundgesetzes dar. Die Einhaltung des Öffentlichkeitsgebots ist daher grundsätzlich unverzichtbar601. Das heißt nicht, dass es keine nicht öffentlichen Bereiche gibt. Nicht­ öffentlichkeit ist mitunter nicht nur praktisch nötig, sondern sogar zwingend erforderlich602. Carl Welcker stellt dementsprechend fest, dass die öffentliche Darlegung „ausnahmsweise und vorübergehend unmöglich“ sein kann603. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip steht einem Öffentlichkeitsausschluss daher nicht generell entgegen604. Dementsprechend besteht nach geltender Rechtslage in allen gewählten Volksvertretungen die Möglichkeit nicht öffentlich zu tagen605. Der Öffentlichkeitsausschluss ist aber „die Ausnahme zur grundsätzlichen Öffentlichkeit“606. Deshalb sind an einen Öffentlichkeitsausschluss hohe und eindeutige Anforderungen zu stellen. Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 727. Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (120); VGH Mannheim, Beschluss vom 12.01.1971 – II 141/68, ESVGH 22, 17 (19): OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.10.1986 – 2 OVG B 91/86, OVGE MüLü 39, 489 (490); ähnlich OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 34; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 2. 602  Gramlich, DÖV 1982, 139 (140). 603  Welcker, in: Rotteck/Welcker, Das Staats-Lexikon, S. 744, S. 250. 604  Zur Zulässigkeit von Geheimhaltung Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 77; Jestaedt, AöR 2001, 204 (220 ff.); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 164 ff. mit Hinweis darauf, dass Geheimhaltung auf ein Minimum zu beschränken ist; zur Publizität im Bereich der Verwaltung Masing, VVDStRL 2004, 377 (394 ff., 422 ff.). 605  Siehe dazu hinsichtlich des Bundestags und der Landesparlamente Kapitel a) Legislative, S. 103 ff. und bezüglich der kommunalen Volksvertretungen im Einzelnen Kapitel I. Gesetzliche Grundlagen, S. 365 ff. 606  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 102, bezieht sich zwar auf die Geheimhaltung, was jedoch nichts am Kern der Aussage ändert; ähnlich Jestaedt, AöR 2001, 204 (220 ff.). 600  Häberle, 601  VGH

124

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Maßstab müssen hier die vom Grundgesetz aufgestellten Prinzipien Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Republik sein. Diese Voraussetzungen können auch als Rechtfertigungsbedürfnis des Ausschlusses der Öffentlichkeit vom staatlichen Handeln bezeichnet werden. Das gilt auch für die Bereiche staatlichen Handelns, in denen das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip keine weitere Konkretisierung erfahren hat, denn die gesetzliche Konkretisierung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Geltung verfassungsrechtlicher Prinzipien. Das aus dem Prinzipiencharakter der verfassungsrechtlichen Öffentlichkeit folgende Konkretisierungsbedürfnis eröffnet lediglich die Definition von Ausnahmetatbeständen, nicht des Anwendungsbereichs607. Die in der Praxis anzutreffende unterschiedliche Umsetzungsintensität ist folglich nicht der Eingrenzung des Anwendungsbereichs des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips oder der Anwendung im Bereich der Exekutive, Legislative oder Judikative einem stärkeren oder schwächeren Rechtfertigungsbedürfnisses eines Öffentlichkeitsausschlusses geschuldet, sondern ist auf die unterschiedliche Definition von Ausnahmetatbeständen zurückzuführen608. Einfachgesetzlich ist dieses Rechtfertigungsbedürfnis inzwischen sogar auch für den Bereich der Exekutive anerkannt. Das Umweltinformationsgesetz und die Informationsfreiheitsgesetze vermitteln den Bürgern einen weitreichenden Informationsanspruch gegen die Behörden, den diese grundsätzlich nur aus gewichtigen Gründen ablehnen dürfen. Eine abschließende Darstellung der Bedeutung dieses Rechtfertigungsbedürfnisses für alle Bereiche des staatlichen Handels kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Auf Grund seiner Bedeutung für die Ausnahmetatbestände der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit wird im Folgenden dargestellt, wie sich das Rechtfertigungsbedürfnis auf den Öffentlichkeitsausschluss von Sitzungen gewählter Volksvertretungen auswirkt. 1. Bedeutung formeller Ausschlusskriterien Der Wortlaut einiger Öffentlichkeitsregelungen legt nahe, dass das Vorliegen einer materiell-rechtlichen Begründung für den Ausschluss der Öffentlichkeit nicht notwendig ist, sondern die Einhaltung formeller Vorgaben genügt. So normiert Art. 42 GG, dass für den Öffentlichkeitsausschluss im Bundestag eine zweifache, formelle Hürde einzuhalten ist. Zunächst ist erforderlich, dass ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit von mindestens 607  Siehe dazu Kapitel 2. Der Prinzipiencharakter verfassungsrechtlicher Öffentlichkeit, S. 95 ff. 608  A. A. Jestaedt, AöR 2001, 204 (220 ff.).



V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses125

einem Zehntel der Bundestagsmitglieder oder von der Bundesregierung gestellt wird. Ist dieses Quorum erfüllt, muss der Antrag mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen werden. Ob und gegebenenfalls welche inhaltlichen Gründe für einen Öffentlichkeitsausschluss vorliegen müssen, wird nicht angegeben. Auch auf kommunaler Ebene werden nach dem Gesetzestext nicht überall ausdrücklich materiell-rechtliche Begründungen (in Form des Vorliegens berechtigter Interessen Einzelner oder zum Schutz des Wohls der Allgemeinheit) verlangt609. In diesen Fällen werden alternativ oder kumulativ besondere Anforderungen an die Antragsstellung auf Ausschluss der Öffentlichkeit gestellt und/oder an die zur Entscheidung erforderlichen Mehrheit. Lediglich in Hessen sind weder materiell-rechtliche noch formelle Voraussetzungen zum Ausschluss der Öffentlichkeit normiert. Eine materiell-rechtliche Abwägung durch eine gewählte Volksvertretung stellt immer auch eine politische Abwägung dar. Zwar gibt gerade das Verfahren der praktischen Konkordanz der verfassungsrechtlichen Abwägung einen Rahmen, in dem Verfassungswerte nicht willkürlich „geschaukelt“610 werden können, aber auch ohne den „Freibrief für Beliebigkeit“611 kann ein subjektives Moment des Abwägungsprozesses nicht geleugnet werden. Rein formale Rechtfertigungsgründe haben demgegenüber den Vorteil, nicht interpretiert werden zu müssen. Sie sind objektiv für jedermann nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob – sofern gesetzlich die Einhaltung materiell-rechtlicher Kriterien nicht ausdrücklich gefordert ist – die Beachtung formeller Verfahrensanforderungen für eine Rechtfertigung des Ausschlusses der Öffentlichkeit mit dem „hohen Rang des Publizi­ tätsprinzips“612 vereinbar ist oder ob diese Regelungen im Sinne der Verfassung nicht auch so aufgelegt werden müssen, dass zusätzlich eine materiellrechtliche Begründung erfolgen muss. 609  Nach dem Wortlaut folgender Bestimmungen wird auf kommunaler Ebene nur die Einhaltung formeller Kriterien verlangt: § 8 Abs. 6 S. 2 BezVerwG BE, Antrag eines Füntel der Bezirksverordneten, einer Fraktion oder des Bezirksamts; Art. 148 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 91 Abs. 2 LVerf HB, Antrag eines Drittels der Mitglieder oder des Senats mit Zweidrittelmehrheit; § 31 S. 2 VerfBrhv, Vorschlag des Stastverordnetenvorstehers oder Antrag eines Sechstels der Mitglieder oder des Magistrats; § 52 Abs. 1 S. 2 HGO, ohne besondere Antrags- oder Beschlussvoraussetzungen; § 48 Abs. 2 S. 2 GO NRW, Antrag des Bürgermeisters oder eines Ratsmitglieds; § 35 Abs. 1 S. 1, 2 GemO RP, Zweidrittelmehrheit; zu den materiell-rechtlichen Rechtfertigungsgründen auf kommunaler Ebene siehe ausführlich im Kapitel E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 610  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 96. 611  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 96. 612  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 49.

126

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Im Folgenden wird dies insbesondere anhand der Sitzungsöffentlichkeit des Bundestags gem. Art. 42 GG erörtert. a) Wortlaut Für das Ausreichen der Einhaltung formeller Vorgaben spricht zunächst der Wortlaut der Öffentlichkeitsvorschriften, in denen keine materiell-recht­ liche Begründung gefordert wird. Insbesondere für den Bundestag wird vertreten, dass nach dem Wortlaut eine ordnungsgemäße Antragsstellung und Abstimmung ausreichend sei613. Einzige Grenze soll danach allenfalls das Willkürverbot sein614. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass Art. 42 GG, wie alle anderen Vorschriften zur Sitzungsöffentlichkeit gewählter Volksvertretungen, eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips darstellt615. Aus diesem folgt das Rechtfertigungsbedürfnis des Öffentlichkeitsausschlusses, denn staatliche Geheimhaltung ist das Ergebnis einer Abwägung616. Dieses Begründungsbedürfnis schlägt unmittelbar auf die Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips in Form der Sitzungsöffentlichkeit durch, gleich ob es sich dabei um eine Verfassungsnorm, wie Art. 42 GG oder einfach-gesetzliche Normierungen, zum Beispiel der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, handelt, denn der Prinzipiencharakter der verfassungsrechtlichen Öffentlichkeit eröffnet nicht die Möglichkeit des Gesetzgebers frei zu entscheiden, ob und unter welchen Umständen das Prinzip Geltung erhält617. Aus dem Fehlen materiell-rechtlicher Vorgaben kann mithin nur dann auf das Ausreichen formeller Kriterien geschlossen werden, wenn diese formelle Ausgestaltung mit dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip vereinbar ist. Aus den normierten Geboten der Sitzungs­ öffentlichkeit kann dies indes nicht abgelesen werden.

in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 42 Rn. 37 f. in: Denninger, AK-GG, Rn. 9; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 42 Rn. 2; a. A. Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 14, der mehr Gründe für eine zumindest „kursorische Begründung [sieht], die den Zweck der Geheimhaltung zwar nicht illusorisch macht, andererseits aber erkennen lässt, ob ausreichend Gründe vorliegen. 615  Siehe dazu Kapitel 3. Fazit: grundsätzliche Geltung des Öffentlichkeitsprinzips, S. 121 ff. 616  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 114  ff., insb. S. 116. 617  Siehe dazu Kapitel 2. Der Prinzipiencharakter verfassungsrechtlicher Öffentlichkeit, S. 95 ff. 613  Schliesky,

614  Schneider,



V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses127

b) Rechtsrichtigkeit Dagegen, dass rein formelle Kriterien ausreichen, spricht das Bedürfnis der Rechtsordnung nach Rechtsrichtigkeit. Ungeachtet der Frage, ob und wer Verstöße gegen die Sitzungsöffentlichkeit gewählter Volksvertretungen gegebenenfalls geltend machen kann618, folgt aus dem Rechtsstaatsgebot, dass der Staat nicht nur formell, sondern auch materiell rechtmäßig zu handeln hat. Das Rechtsstaatsprinzip bindet die gesetzgebende Gewalt an die Verfassung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Recht und Gesetz, Art. 20 Abs. 3 GG. Daraus folgt auch eine inhaltliche Bindung an das ver­ fassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist für einen Öffentlichkeitsausschluss daher maßgeblich, ob die Öffentlichkeit tatsächlich, das heißt materiell-rechtlich, ausgeschlossen werden durfte. c) Richtigkeitsgewähr durch formelle Kriterien Von der herrschenden Meinung, die die Einhaltung formeller Kriterien für einen Öffentlichkeitsausschluss für ausreichend hält619, wird angeführt, dass diese ausreichend Gewähr für die Richtigkeit des Öffentlichkeitsausschlusses bieten würden. So soll nach Art. 42 GG das Vorliegen von „hinreichend gewichtigen Gründen“ für einen Öffentlichkeitsausschluss „verfassungsrechtlich dadurch gewährleistet [werden], dass der Beschluss, die Öffentlichkeit auszuschließen, nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der sich an der Abstimmung beteiligenden Mitglieder des Bundestags gefasst werden kann“620. Beispielhaft wird in diesem Zusammenhang angeführt, dass eine solche Mehrheit von der Verfassung auch für das Zustandekommen von Gesetzen gefordert wird, wenn der Bundesrat Einspruch erhoben hat, Art. 77 Abs. 4 S. 2 GG621. Mithin solle die Einhaltung formeller Kriterien eine materiell-rechtliche Abwägung beinhalten und daher auch ersetzen können. 618  Zur Frage ob es ein subjektiv-öffentliches Recht auf Öffentlichkeit der Sitzungen gewählter Volksvertretungen und wer durch dieses ggf. klagebefugt ist, siehe hinsichtlich der kommunalen Ebene Kapitel III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz, S. 472 ff. 619  Schliesky, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 42 Rn. 38; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 49; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 42 Rn. 2; Schneider, in: Denninger, AK-GG, Rn. 9; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 42 Rn. 5.; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 29. 620  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 49; ebenso Schliesky, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 42 Rn. 38; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 42 Rn. 2; Schneider, in: Denninger, AK-GG, Rn. 9; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 42 Rn. 6; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 29. 621  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 50.

128

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine richtige Entscheidung getroffen wird. Eine Gewähr bietet diese hingegen nicht. Gerade das Beispiel des Art. 77 Abs. 4 S. 2 GG zeigt, dass eine Zweidrittelmehrheit keine Garantie für die Verfassungsgemäßheit einer Entscheidung ist, denn die Gesetze, die nach Art. 77 Abs. 4 S. 2 GG zustande kommen, unterliegen genauso der Kontrolle des Verfassungsgerichts, wie jedes andere Gesetz, das mit einfacher Mehrheit beschlossen wird. Im Rahmen von Art. 42 Abs. 1 S. 2 GG ist darüber hinaus zu beachten, dass sich die dort geforderte qualifizierte Mehrheit nur auf die bei der Abstimmung anwesenden Bundestagsmitglieder bezieht622. Durch diese Beschränkung auf die anwesenden Parlamentarier ist nicht sichergestellt, dass eine angemessene Repräsentation der Bevölkerung gegeben ist. aa) Kein Zwang zur inhaltlichen Debatte Das Erfordernis eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen, macht es in der Regel faktisch notwendig, dass der Antragssteller für seinen Antrag wirbt. Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit hat unter dieser Voraussetzung folglich nur im Rahmen einer Aussprache Aussicht auf Erfolg, eine Pflicht zur Debatte, innerhalb derer Sachargumente ausgetauscht werden, besteht hingegen nicht. Das Grundgesetz normiert abschließend die Fälle, in denen Abstimmungen ohne Aussprache durchgeführt werden müssen, so zum Beispiel bei der Wahl des Bundeskanzlers, Art. 63 Abs. 1 GG, oder der Wahl des Bundespräsidenten, Art 54 Abs. 1 S. 1 GG. Der Grund für diese Regelung ist, dass das Grundgesetz die Autorität des künftigen Bundeskanzlers oder Bundespräsidenten vor einer Beschädigung durch eine politische Debatte schützen will623. Eine demokratische Abstimmung ohne Aussprache stellt folglich eine Ausnahme dar. Sie wird dementsprechend von der Verfassung gegebenenfalls ausdrücklich angeordnet. Art. 42 GG enthält keine entsprechende Regelung. Eine Aussprache ist mithin nicht untersagt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Beratungen über einen Öffentlichkeitsausschluss Gewähr für eine besonders intensive Debatte oder gar die Richtigkeit der im Anschluss getroffenen Entscheidung bieten, denn nur, dass eine Aussprache stattfinden darf, heißt nicht, dass von dieser Möglichkeit auch zwingend Gebrauch gemacht wird.

622  Klein,

in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 51. in: Jarass/Kment, GG, Art. 54 Rn. 4.

623  Pieroth,



V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses129

bb) Missbrauchsgefahr Überdies ist zu berücksichtigen, dass auch zur Organisation einer qualifizierten Mehrheit politische, taktische, mithin sachfremde Erwägungen herangezogen werden können. Ist sich eine Mehrheit der Repräsentanten einig, stellt ein Formerfordernis keine ernsthafte Hürde dar624. Rein formelle Rechtfertigungskriterien ermöglichen, beim Vorliegen der passenden Mehrheitsverhältnisse, insbesondere durch die in der Regel sicheren Stimmen der Regierungsfraktionen, den dauerhaften Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne die Angabe oder Einhaltung von Gründen. Mit dem Ausreichen bloß formeller Kriterien zum Ausschluss der Öffentlichkeit geht folglich die Gefahr einer Umgehung des Gebots der Sitzungsöffentlichkeit gewählter Volksvertretungen einher. Zur Beschränkung der Anforderungen an einen Öffentlichkeitsausschluss auf formelle, statt materiellrechtliche Kriterien müssten lediglich Verfahrensvorschriften erlassen werden. Daraus ergäbe sich die „paradoxe Situation, dass die Kontrollierten über den Kontrollumfang der Kontrolleure“625 entscheiden würden. Gegen die Gefahr eines dauerhaften Öffentlichkeitsausschlusses kann zutreffend eingewendet werden, dass bisher von der Möglichkeit des Öffentlichkeitsausschlusses nach Art. 42 GG noch kein Gebrauch gemacht wurde626. Die Missbrauchsgefahr scheint daher auf den ersten Blick eine rein theoretische Frage zu sein. Grund dafür ist jedoch nicht das fehlende Bedürfnis nach nicht öffentlichen Debatten, sondern die herrschende Auffassung, dass das für den Bundestag in Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG verankerte Öffentlichkeitsprinzip nicht für die Ausschüsse des Bundestags gilt627. Die inhaltlichen Debatten werden folglich bereits im Vorfeld der Bundestagssitzung, in den Ausschüssen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, geführt. Unabhängig von der Frage, ob diese Vorgehensweise mit dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeits­ gebot vereinbar ist628, bedeutet dies in der Praxis, dass es für den Öffentlichkeitsausschluss im Bundestag kein Erfordernis gibt, weil bereits zuvor alle relevanten Fragestellungen nicht öffentlich verhandelt werden konnten. Im Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 111. Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 111. 626  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 47. 627  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 112; siehe dazu mit weiterführenden Hinweisen zu diesem Meinungsstreit Kapitel aa) Der Bundestag, S. 103 ff. 628  Mit weiteren Verweisen zum Meinungsstand zur Anwendung der Sitzungs­ öffentlichkeit auf Parlamentarische Ausschüsse siehe Kapitel aa) Der Bundestag, S. 103; auf die Frage der Beachtung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit durch die Ausschüsse kommunaler Volksvertretungen wird im Kapitel 1. Ausschussöffentlichkeit, S. 285 ff. eingegangen. 624  Rösch, 625  Rösch,

130

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Parlament obliegt es den Fraktionen, dann nur noch öffentlichkeitswirksam die Ergebnisse zu präsentieren. Anders sieht es aber bei den gewählten Volksvertretungen aus, die nicht im Vorfeld in Untergremien nicht öffentlich beraten, zum Beispiel den kommunalen Volksvertretungen. Hier wird in der Praxis eine Vielzahl von Angelegenheiten nicht öffentlich beraten und entschieden. cc) Fazit Es ist daher festzustellen, dass eine sachliche, an der tatsächlichen Ausschlussnotwendigkeit der Öffentlichkeit orientierte Entscheidung durch die Notwendigkeit, Mehrheiten zu organisieren, mittels der Vorgabe formeller Kriterien nicht sichergestellt werden kann, denn die Einhaltung solcher Vorgaben setzt nicht zwingend eine inhaltliche Abwägung voraus. Möglich ist vielmehr auch, dass dem Öffentlichkeitsausschluss aus sachfremden Erwägungen zugestimmt wird. Formelle Voraussetzungen bieten mithin keine Gewähr für die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses. Auch die Mehrheit kann irren. d) Rechtssicherheit Dafür, dass lediglich rein formelle Kriterien für einen Öffentlichkeitsausschluss ausreichen, wird angeführt, dass dies der einzige Weg sei, sofortige Rechtssicherheit über die Rechtsverbindlichkeit der Verhandlung zu gewinnen629. Die Prüfung der Einhaltung der Antragsberechtigung oder der Einhaltung einer qualifizierten Mehrheit sei ohne Schwierigkeiten möglich, während die Beurteilung einer materiell-rechtlichen Begründung Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Öffentlichkeitsausschlusses und damit auch an den in der folgenden Sitzung gefassten Beschlüssen, aufkommen lassen könnte. Das Erfordernis einer materiell-rechtlichen Abwägung brächte mithin immer die Ungewissheit mit sich, ob der Öffentlichkeitsausschluss tatsächlich gerechtfertigt sei. Es sei für die Praxis aber unerträglich, wenn die Geltung gefasster Beschlüsse, aufgrund rechtlicher Bedenken an der Richtigkeit des Öffentlichkeitsausschlusses, infrage gestellt werden würde. Tatsächlich können aber auch über das Vorliegen formeller Voraussetzungen unterschiedliche Ansichten bestehen. Dabei ist nicht allein an das tatsächliche Vorliegen eines Antrags einer antragsberechtigten Gruppe oder die Zustimmung der erforderlichen Mehrheit zu denken. Formelle Voraussetzun629  Klein,

(688).

in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 51; Linck, ZParl 1992, 673



V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses131

gen können in Wechselwirkung mit anderen Vorschriften stehen. So kann umstritten sein, ob die für den Antrag erforderliche Mehrheit gegeben ist, wenn der Einwand der Befangenheit im Raum steht. Formelle Voraussetzungen gewähren folglich nur oberflächlich betrachtet absolute Rechtssicherheit. Auch wenn ein Beschluss, unter diesen Voraussetzungen, nicht auf Grund seines Inhalts aufgehoben werden kann, so kann auch das Fehlen formeller Voraussetzungen zur nachträglichen Aufhebung eines Beschlusses führen. Darüber hinaus kann Rechtssicherheit zwar ein Aspekt sein, der für die Anwendung einer reinen Verfahrensregel spricht, dies gilt jedoch nur innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens. Die Rechtssicherheit an sich stellt kein so hohes verfassungsrechtliches Gut dar, als dass für sie die Rechtsrichtigkeit zu opfern ist. Das bedeutet, dass der Rechtssicherheit nur dann Vorrang vor der Rechtsrichtigkeit zu gewähren ist, wenn es dafür tragende Gründe gibt. Ein solcher Grund könnte im Fall eines Beschlusses über den Ausschluss der Öffentlichkeit von der Sitzung einer gewählten Volksvertretung deren Funktionsfähigkeit sein. Das Grundgesetz setzt mit der Festlegung einer parlamentarischen Demokratie die Funktionsfähigkeit gewählter Volksvertretungen voraus. Die Sicherheit, dass gefasste Beschlüsse unzweifelhaft gelten, trägt zur Funktionsfähigkeit gewählter Volksvertretungen bei. Rechtsunsicherheiten über gefasste Beschlüsse beeinträchtigen jedoch nicht automatisch die Funktionsfähigkeit einer Volksvertretung. Dies ist daran erkennbar, dass die Geltung gefasster Beschlüsse auch aus anderen Gründen zweifelhalt sein kann, zum Beispiel, wenn bereits vor der Beschlussfassung verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Gesetz geäußert werden. Während die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der kommunalen Volksvertretungen durch die Kommunalaufsicht geprüft werden kann630, haben Landesparlamente und Bundestag die Vorgaben des Grundgesetzes und – im Fall der Landesparlamente – der Landesverfassungen zu beachten. Ihre Beschlüsse sind im Wege der abstrakten oder konkreten Normenkontrolle gerichtlich überprüfbar. Darüber hinaus ist vorstellbar, dass Beschlüsse auch auf Grund der nachträglichen Feststellung der Verletzung formeller Verfahrensvoraussetzungen, wie den Befangenheitsregeln, nicht haltbar sind. Auch wenn es sich dabei um Ausnahmefälle handeln mag, zeigt dies eindeutig, dass Volksvertretungen mit der Ungewissheit über die rechtliche Beurteilung ihrer Beschlüsse umgehen können. Ihre Funktionsfähigkeit wird dadurch nicht gefährdet. Eine absolute Gewissheit über die Geltung gefasster Beschlüsse von Volksvertretungen ist dem demokratischen, parlamentarischen Rechtsstaat 630  Siehe

dazu ausführlicher Kapitel 3. Aufsichtsbehörde, S. 485 ff.

132

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

fremd. Warum gerade für den Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit und die in Nichtöffentlichkeit gefassten Beschlüsse etwas anderes gelten soll, ist nicht erkennbar. e) Schutz der Autonomie des Bundestags Gegen die Notwendigkeit einer materiell-rechtlichen Begründung eines Öffentlichkeitsausschlusses wird überdies eingewendet, dass die daraus folgende materiell-rechtliche Überprüfbarkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses von den Sitzungen des Bundestags durch das Bundesverfassungsgericht eine erhebliche Verkürzung der Autonomie des Bundestags darstelle631. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass es in einem Rechtsstaat keinen rechtsfreien Autonomiebereich gibt. Auch der Bundestag ist durch Art. 20 GG gebunden, nämlich an die verfassungsmäßige Ordnung. Diese umfasst die Sitzungsöffentlichkeit des Bundestags zum einen als demokratische, rechtsstaatliche und republikanische Funktionsvoraussetzung in Form eines verfassungsrechtlichen Prinzips, zum anderen als Konkretisierung in Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG. Selbst wenn die Überprüfbarkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses unter diesen Umständen als Verkürzung des Autonomiebereichs verstanden wird, so stellt dies eine rechtsstaatliche Ausprägung dar, die nicht geeignet ist den Verzicht auf eine materiell-rechtlichen Begründung zu rechtfertigen. f) Schutz des Geheimhaltungszwecks Gegen die Notwendigkeit einer materiell-rechtlichen Begründung wird angeführt, dass eine Begründung den Zweck der Geheimhaltung gefährden würde632. Eine öffentliche Begründung und Beratung würde das Begehren, die Öffentlichkeit auszuschließen, ad absurdum führen, da durch die Begründung die Inhalte, die durch den Öffentlichkeitsausschluss geschützt werden sollen, bereits preisgegeben werden würden633. Hier gilt es jedoch zwischen der Begründungspflicht und dem Ort der Begründung zu unterscheiden. Das Bestehen einer Begründungspflicht bedeutet nicht zugleich, dass diese auch in vollem Umfang öffentlich erfolgen muss. Denkbar ist, dass öffentlich der potenzielle Ausschlussgrund lediglich in seinen Grundzügen genannt wird634, eine ausführliche, gerichtlich voll 631  Klein,

in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 51. Parlamentsrecht, Rn. 19; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 42

632  Achterberg,

Rn. 2.

in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 29. Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 111.

633  Morlok, 634  Rösch,



V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses133

nachprüfbare Begründung und Entscheidung sodann unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt635. Dementsprechend hat in allen kommunalen Volksvertretungen die Beratung über den Ausschluss der Öffentlichkeit nicht öffentlich zu erfolgen636. Auf diese Weise kann der Beratungsgegenstand vollständig geschützt werden, während zugleich dem Öffentlichkeitsgebot durch eine materielle Begründung Rechnung getragen wird. Von einer solchen nicht öffentlichen Beratung und Abwägung geht auch das Grundgesetz in Art. 42 GG aus. Durch die nicht öffentliche Entscheidung des Antrags auf Öffentlichkeitsausschluss soll sichergestellt werden, dass die Inhalte, die durch den Antrag auf Öffentlichkeitsausschluss vor einer Bekanntgabe geschützt werden sollen, der Öffentlichkeit nicht preisgegeben werden. Eine Bekanntgabe der Inhalte würde durch eine reine Abstimmung jedoch nicht erfolgen. Würde „Entscheiden“ im Sinne von Art. 42 Abs. 1 S. 3 GG tatsächlich nur die Abstimmung des Antrags umfassen, liefe der Regelungszweck ins Leere. Art. 42 Abs. 1 S. 3 GG hat folglich nur dann einen Anwendungsbereich, wenn „Entscheiden“ auch Begründen und Beraten meint. Aus Art. 42 GG folgt daher, dass ein Antrag auf Öffentlichkeitsausschluss begründet und beraten wird. g) Minderheitenschutz Formelle Ausschlusskriterien stärken den Minderheitenschutz. Gerade für kleine oppositionelle Gruppen ist die öffentliche Präsentation ihrer Standpunkte von besonderer Bedeutung. Der Minderheit steht insofern ein Recht zu, ihre Position öffentlich zu vertreten637. Dieses Recht stände jedoch zur Disposition der Mehrheit, könnte diese nach Belieben Nichtöffentlichkeit beschließen. Ein Quorum, das über die einfache Mehrheit hinausgeht, verlangt in der Regel, dass sich auch eine Regierungskoalition weitere Befürworter für ihr Anliegen sucht638. Dementsprechend wird zum Ausschluss der Öffentlichkeit auf Länder- und Bundesebene grundsätzlich eine Zweidrittelmehrheit verlangt639. Auf Kommunalebene ist das die Ausnahme. Meist entscheidet dort die einfache Mehrheit der Anwesenden640.

in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 29. dazu Kapitel a) Verfahren, S. 332 ff. 637  Linck, ZParl 1992, 673 (678). 638  Linck, ZParl 1992, 673 (687). 639  Art. 42 Abs. 1 S. 2 GG; Art. 33 Abs. 1 S. 2 LVerf BW; Art. 22 Abs. 1 LVerf BY; Art. 64 Abs. 2 S. 2 LVerf BB; Art. 91 Abs. 2 LVerf HB; Art. 89 LVerf HE; Art. 31 Abs. 1 S. 2 LVerf M-V; Art. 22 Abs. 1 S. 2 Nds Verf; Art. 42 LVerf NRW; Art. 86 S. 2 RhPfVerf; Art. 72 Abs. 2 S. 1 SVerf; Art. 48 Abs. 1 635  Morlok, 636  Siehe

S. 2 S. 2 S. 2 S. 2

134

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

Entscheidungen, welche die Rechte der Minderheiten willkürlich beschneiden, lassen sich aber nicht nur durch formelle Anforderungen ausschließen, sondern auch durch klare materielle Vorgaben. Insofern stellt der Minderheitenschutz zwar ein Argument für formelle Kriterien zum Ausschluss der Öffentlichkeit dar, begründet aber nicht den Verzicht auf materielle Anforderungen. Im Gegenteil: Die Rechte der Minderheit auf öffentliche Präsentation werden gestärkt, wenn die Mehrheit die Öffentlichkeit nicht einfach, unter Einhaltung einiger Formalien, ausschießen kann. 2. Rechtfertigungsanforderungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit Konsequenz des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips ist, dass der Öffentlichkeitsausschluss nicht willkürlich festgelegt werden darf, sondern materiell-rechtlich begründet werden muss, denn die Sitzungsöffentlichkeit ist nicht das Privileg der gewählten Volksvertretung641, sondern eine Pflicht in Form eines Verfassungsguts. „Partikulare Abweichungen von der Rechtsregel [sind] durch entsprechende Gründe zu rechtfertigen“642. Die Öffentlichkeit kann folglich nicht nach Belieben beschnitten werden. a) Kein Ersatz durch formelle Kriterien Aus den vorstehenden Erwägungen643 ergibt sich, dass die Einhaltung formeller Kriterien, sofern solche normiert sind, für den Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen gewählter Volksvertretungen nicht ausreicht. Formelle Kriterien können einen inhaltlichen Abwägungsprozess fördern und dienen dem Schutz von Minderheitsrechten. Sie sind jedoch nicht geeignet, die materiell-rechtliche Abwägung zum Zweck eines Öffentlichkeitsausschlusses vollständig zu ersetzen. Angesichts des hohen Stellenwerts, den das Öffentlichkeitsgebot hat, ist eine unbestimmte und folgenlose Fehlerquote, durch die Anwendung rein formeller Ausschlusskriterien, nicht hinzunehmen, zumal eine materiell-rechtliche Abwägung sowohl möglich, als auch zumutbar ist. SächsVerf; Art. 50 Abs. 2 S. 1 LSAVerf; Art. 21 Abs. 1 S. 2 Verf SH; Art. 60 Abs. 2 S. 1 ThürVerf; Ausnahmen sind Art. 42 Abs. 4 BLNVerf; Art. 21 S. 2 LVerf HH. 640  Eine Zweidrittelmehrheit wird nur in § 35 Abs. 1 S. 2 GemO RP und § 35 Abs. 2 S. 3 GO SH vorausgesetzt. 641  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 30; Linck, ZParl 1992, 673 (688). 642  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 22. 643  Siehe Kapitel 1. Bedeutung formeller Ausschlusskriterien, S. 124 ff.



V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses135

Die aus der Verfassung folgenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit werden durch die Normierung formeller Kriterien mithin nicht aufgehoben, sondern konkretisiert und verschärft. Die Vorgabe formeller Anforderungen an einen Öffentlichkeitsausschluss ist daher immer in der Weise verfassungsrechtlich konform auszulegen, dass der Ausschluss unter dem Vorbehalt einer materiell-rechtlichen Einzelfallabwägung steht. Dementsprechend hat das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf die kommunale Sitzungsöffentlichkeit entschieden, dass ein Öffentlichkeitsausschluss mit der erforderlichen Mehrheit, ohne dass die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, zur Rechtswidrigkeit der gefassten Beschlüsse führt644. b) Grundrechtsdimension der Öffentlichkeit Das Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses ist Ausdruck der Begrenzung des gesetzgeberischen Ermessens645 und dient dem Schutz der Öffentlichkeit. Sie darf, entsprechend der verfassungsrechtlichen Prinzipientheorie, nur bei vorliegenden Gegengründen ausgeschlossen werden646. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip ist insoweit mit den Grundrechten vergleichbar647, wenngleich es kein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat in diesem Sinne darstellt. Im Hinblick auf seine zentrale Funktion, dem souveränen Volk Informationen und damit Kontrolle über seine Repräsentanten zu verschaffen, dient es dem Bürger in ähnlicher Weise zur Wahrung seiner Rechts- und Interessensphäre, wie die Grundrechte. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit entzieht dem Wähler sein demokratisch und rechtsstaatlich verbürgtes Informations- und Kontrollrecht. Das Volk wird mithin, zumindest teilweise, seiner Souveränität beraubt. Öffentlichkeit erwächst durch seine Bedeutung für das Demokratie-, Rechtsstaats- und Republikprinzip, unter Berücksichtigung der Freiheit des mündigen Bürgers, zur Grundrechtsdimension648. Damit ist die materiell-rechtliche Abwägungsnotwendigkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses bereits in der Vorgabe der Sitzungsöffentlichkeit ange-

in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 9. ZParl 1992, 673 (689). 646  Siehe dazu Kapitel 2. Der Prinzipiencharakter verfassungsrechtlicher Öffentlichkeit, S. 95 ff. 647  Zur Anwendung des grundrechtlichen Abwägungsschemas s. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 367; ähnlich Linck, ZParl 1992, 673 (688 f.). 648  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 565. 644  Dehn,

645  Linck,

136

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

legt649. Sie muss für ihre Geltung nicht einfachgesetzlich explizit gefordert werden, weil sie sich bereits aus der allgemeinen Verfassungsdogmatik ergibt650. Selbst ein Gesetzesvorbehalt enthält keine Blankovollmacht651. Dementsprechend ist es auch im Bereich der Grundrechte anerkannt, dass diese nicht allein durch einen schlichten Mehrheitsbeschluss ohne Begründung eingeschränkt werden können. Nichts anderes kann letztlich auch für die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Parlaments, die Öffentlichkeit auszuschließen, gelten652. c) Grenzen durch kollidierendes Verfassungsrecht Da es keine (verfassungsrechtlichen) Erlaubnisnormen (Gesetzesvorbehalte) zur Einschränkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips gibt, findet das Öffentlichkeitsprinzip seine Grenzen in kollidierenden Gütern mit Verfassungsrang653: „Das Parlament darf den Ausschluss der Öffentlichkeit somit nur dann beschließen, wenn dies zum Schutz anderweitiger Rechtsgüter erforderlich ist, wobei diese anderweitigen Rechtsgüter ebenfalls verfassungsrechtlichen Rang haben müssen. Beide Verfassungspositionen sind sodann im Wege praktischer Konkordanz verhältnismäßig zum Ausgleich zu bringen.“654 Welche Rechtsgüter konkret geeignet sind, im Wege der praktischen Konkordanz das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip einzuschränken, kann für die generelle Feststellung des Rechtfertigungsbedürfnisses an dieser Stelle offen bleiben. Eine verfassungsrechtliche Würdigung einzelner mate­ riell-rechtlicher Ausschlussgründe erfolgt für den Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen der kommunalen Volksvertretung im Kapitel „E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe“, ab S. 365.

Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 69. zur Übertragbarkeit der Begrenzung des gesetzgeberischen Ermessens auf verfahrensrechtliche Ermächtigungen des Parlaments Linck, ZParl 1992, 673 (688 f.). 651  Linck, ZParl 1992, 673 (688). 652  Linck, ZParl 1992, 673 (689). 653  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146); siehe dazu mit Beispielen, Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.  366 f. 654  Linck, ZParl 1992, 673 (689); zur Anwendung des grundrechtlichen Ab­ wägungsschemas s. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 367; zum Ausgleich der Öffentlichkeit mit kollidierenden Rechtsgütern im Wege der praktischen Konkordanz siehe auch Kapitel 2. Der Prinzipiencharakter verfassungsrechtlicher Öffentlichkeit, S. 95 ff. und hinsichtlich der Rechtfertigung von Beschränkungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Kapitel 4. Praktische Konkordanz, S. 343 ff. 649  Martens, 650  Siehe



V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses137

Für einen Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz ist eine abwägende Gegenüberstellung von Gütern an sich nicht ausreichend655. Vielmehr ist eine Einzelfallabwägung vorzunehmen, in deren Rahmen die kollidierenden Verfassungsgüter zur optimalen Wirksamkeit gelangen656. Das auf diese Weise ermittelte Ergebnis muss dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen und materiell-rechtlich mit der Verfassung in Einklang stehen. Diese Grundüberlegungen sind auf die Einschränkung anderer verfassungsrecht­licher Prinzipien übertragbar. Die Notwendigkeit einer Rechtfertigung der Einschränkung von Verfassungsprinzipien besteht unabhängig von einer ausdrücklichen Forderung des Grundgesetzes. Kann eine Wirksamkeitsoptimierung im Wege der praktischen Konkordanz nicht erfolgen, da das eine Rechtsgut nur auf Kosten des anderen wirksam werden kann, gilt es zu bewerten, welches Rechtsgut zurückstehen muss. Ergibt diese Interessenabwägung – trotz der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Rechtsgüter – für diesen konkreten Fall eine Höherrangigkeit des kollidierenden Rechtsguts gegenüber des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips, ist es nicht nur möglich, sondern auch geboten die Öffentlichkeit auszuschließen. Die Öffentlichkeit des staatlichen Handelns würde andernfalls eine nicht zu rechtfertigende Verletzung des in Rede stehenden Rechtsguts darstellen. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip findet daher zugleich im Rahmen des kollidierenden Verfassungsrechts – unabhängig davon, ob dieses im Einzelfall Grundrechte Dritter oder andere Verfassungssätze aus dem staatsorganisatorischen Bereich beinhaltet – seine Grenzen657. d) Abstrakt-generelle Fallgruppen Im Rahmen seines aus dem Prinzipiencharakters der verfassungsrechtlichen Öffentlichkeit folgenden Ausgestaltungsauftrags hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, diese Abwägung durch die Bildung von Fallgruppen, der konkreten Einzelfallentscheidung (zumindest teilweise) vorwegzunehmen. Das bedeutet, dass es im gesetzgeberischen Ermessen liegt, verschiedene Ausschlussgründe zu typisieren. Ein solcher Katalog kann zusammen mit Verfahrensvorgaben vom Gesetzgeber, als Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips, durch abstrakt-generelle Gesetze normiert

655  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 72. 656  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 318. 657  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 72 zum Prinzip der praktischen Konkordanz.

138

B. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit

werden. Eine solche Normierung von Ausschlussgründen stößt jedoch an Grenzen. Zunächst ist eine vollständige, abstrakte Definition aller in Frage kommenden Ausschlussgründe praktisch kaum möglich, da diese kaum in Gänze vorhergesehen werden können. Will der Gesetzgeber alle möglichen Fallkonstellationen berücksichtigen, und nicht Gefahr laufen, Einzelfragen unberücksichtigt zu lassen, muss die Typisierung allgemein gehalten werden. In der Praxis bleibt dann trotz Normierung ein Interpretationsspielraum bestehen, der letztlich für eine finale Entscheidung die individuelle Beurteilung jedes Einzelfalls notwendig macht658. Überdies unterliegt das Verfassungsverständnis einem wenn auch langsamen Wandlungsprozess. Das Grundgesetz ist bewusst so weit und allgemein gefasst, dass seine Grundsätze den gesellschaftlichen Wandel im Laufe der Zeit überdauern, beziehungsweise an diesen angepasst werden können. Auch ohne Änderung des Normtextes sind Verfassungsgüter folglich nicht als statisch anzusehen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Entwicklung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG durch das Bundesverfassungsgericht. Diese verfassungsrechtliche Weiterentwicklung müsste der Gesetzgeber bei Normierung der Ausschlusstatbestände vollständig voraussehen können, sollte der Katalog der Ausschlussgründe tatsächlich abschließend sein. Außerdem wären, auch bei Vorliegen eines abstrakt-generell normierten Katalogs von Ausschlusstatbeständen, in der Normanwendung die konkreten Umstände für eine sachgerechte Beurteilung mit einzubeziehen. Es würde sich also immer wieder die Frage stellen: „Fällt der vorliegende Sachverhalt tatsächlich unter den normierten Ausschlusstatbestand?“ Im Ergebnis ist festzustellen, dass eine gesetzliche Normierung von Ausschlussgründen durch den Gesetzgeber die Einzelfallabwägung im Anwendungsfall nicht vollständig ersetzen kann. Die Bildung von Fallgruppen durch den Gesetzgeber kann aber eine in der Praxis wichtige Hilfestellung sein. e) Fazit Abschließend zu diesem Kapitel ist festzustellen, dass sich bei der Einschränkung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips, eine Prüfung in drei Schritten anbietet. In Anlehnung an die Dogmatik, nach der die Einschränkung von Grundrechten zu prüfen ist, ist dabei zunächst zu untersu658  Siehe zur Problematik Kapitel c) Ausschluss durch abstrakt-generelle, ortsrechtliche Regelungen, S. 335 ff.



VI. Zusammenfassung139

chen, ob der Anwendungs- bzw. Schutzbereich des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips eröffnet ist. Sodann ist festzustellen, ob die beabsichtigte Regelung eine Beeinträchtigung des Öffentlichkeitsprinzips also einen Eingriff darstellt. Abschließend ist ein Ausgleich der widerstreitenden Posi­ tionen im Wege der praktischen Konkordanz zu ermitteln. Dieses Prüfungsschema führt nicht etwa dazu, dass das verfassungsrecht­ liche Öffentlichkeitsprinzip indirekt als Leistungsrecht Einzug in den Grundrechtsbereich erhalten würde. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip gewinnt durch diese Vorgehensweise lediglich in der Hinsicht an Bedeutung, dass Öffentlichkeitsbeschränkungen eindeutig erkannt werden und eine effektive Abwehr rechtswidriger Öffentlichkeitsausschlüsse möglich ist.

VI. Zusammenfassung: verfassungsrechtliche Sitzungsöffentlichkeit Aus den Verfassungsprinzipien der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Republik folgt die Notwenigkeit staatlicher Öffentlichkeit. Es handelt sich um einen „konstituierenden Grundsatz des demokratischen Rechtsstaats“659. Öffentlichkeit stellt damit selbst ein verfassungsrechtliches Prinzip dar. Dieses verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip entfaltet auf allen Staatsebenen und in allen Staatsgewalten Wirkung. Dementsprechend folgt auch die Sitzungsöffentlichkeit aller gewählten Repräsentationsorgane unmittelbar aus der Verfassung. Auch die kommunale Sitzungsöffentlichkeit der Gemeinderäte ist Ausfluss des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips. Folge des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips ist das Rechtfertigungsbedürfnis jedes Öffentlichkeitsausschlusses, welches eine materiellrechtliche Begründung, im Rahmen der praktischen Konkordanz, voraussetzt.

659  Wachsmuth,

in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 2.

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit Kommunen gestalten zahlreiche Vorgänge des täglichen Lebens1. Zwar gibt es dabei kaum noch Themen, die nicht von der EU beeinflusst werden, eine Mehrzahl der politischen Zielsetzungen der EU kann jedoch „nicht ohne, geschweige denn gegen die Kommunen verwirklicht werden.“2

I. Rechtsgrundlagen Die Kommunen sind staatsorganisatorisch Teile der jeweiligen Landesverwaltung3. Obwohl Kommunen im Hinblick auf ihre Größe, Struktur und Einwohnerschaft sehr verschieden sein können, gehen die Länder von Einheitsgemeinden aus. Eine Ausnahme stellt Rheinland-Pfalz dar. Dort wurden im Rahmen der Verwaltungsreform im Jahr 2010 sogenannte Verbandsgemeinden eingeführt4. Bei diesen handelt es sich um Gemeindeverbände aus Gemeinden des gleichen Landkreises, die die gleiche Rechtsstellung wie Gemeinden und Landkreise haben5. Unabhängig von der Sonderform der Verbandsgemeinde in RheinlandPfalz werden innerhalb der Kategorie der Einheitsgemeinde verschiedene Gemeindekategorien (kreisfreie oder kreisangehörige Stadt; große, mittlere oder übrige kreisangehörige Gemeinde) unterschieden. Im Kern werden jeder Gemeinde durch die verfassungsrechtliche, kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die gleichen Rechte eingeräumt und gleichen Pflichten auferlegt6. Auf Grund des Ziels der kommunalen Selbstverwaltung, die demokratische Partizipation sicherzustellen, werden

in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 2. StuGe 2014, 90 (91). 3  S. Kapitel b) Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG und die kommunalen Volksvertretungen, S. 99  ff. und Kapitel aa) Rechtliche Einordnung kommunaler Volksvertretungen, S. 118 ff. 4  Erstes Landesgesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform vom 28.09.2010, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz vom 5. Oktober 2010, Nr. 16 S. 272. 5  Weiterführend dazu Dietlein/Thiele, Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz. 6  Dazu ausführlich im Folgenden unter Kapitel 1. Grundgesetzliche Vorgaben, S. 141 ff. 1  Hellermann,

2  Psczolla/Döhrel,



I. Rechtsgrundlagen141

die Kommunen auch als „Grundlage des demokratischen Staatsaufbaus“ bezeichnet.7 1. Grundgesetzliche Vorgaben Das Grundgesetz gewährleistet den Kommunen durch die in Art. 28 Abs. 2 S. 1 verbürgte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung8 besondere Freiheiten und deren Schutz9. Durch die Landesverfassungen wird diese Garantie bezüglich einzelner Garantieelementen präzisiert bzw. erweitert und ergänzt dadurch die Bindung der Landesgesetzgeber und Landesverwaltungen10. Diese „rahmenartige Mindestgarantie“11 beinhaltet unter dem Oberbegriff der „institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung“12 drei Kern­ elemente13: die institutionelle Rechtssubjektsgarantie (Bestandgarantie von Gemeinden an sich)14, die objektive Rechtsinstitutionsgarantie (Gewähr­ leistung der eigenverantwortlichen Erledigung aller Angelegenheiten der ört­ lichen Gemeinschaft)15 und die subjektive Rechtsstellungsgarantie (Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Beeinträchtigungen der kommunalen Selbstver­ waltungsgarantie)16. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist nicht nur ein Verwaltungsprinzip, sondern eine Verfassungsstrukturentscheidung17. Aus Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG folgt der verfassungsrechtliche Schutz des Aufgabenbestands und der Freiheit der Aufgabenauswahl sowie der Schutz 7  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 3, 8, 44. 8  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 20 – Demokratie Rn. 125 ff. 9  Zum Begriff der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und ihren Voraussetzungen s. beispielsweise Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 6, 22 ff., 24. 10  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 128. 11  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 85. 12  Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1302), kritisch zum dogmatischen Verständnis der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Bundesverfassungsgerichts ab S. 1304. 13  Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 12 II 4 S. 409; Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 90. 14  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 91; Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1302); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 66 Rn. 49; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 28 Rn. 52; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 12 II. 4. S. 408 f.; Schmidt-Aßmann/Röhl, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 9 Rn. 10; Stober, Kommunalrecht, S.  22 ff. 15  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 93; Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1302); Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 28 Rn. 12. 16  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 94  ff.; Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1302); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 28 Rn. 35. 17  Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 28 Rn. 40.

142

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

der Freiheit der Aufgabenerfüllung18. Zentrale Frage der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist dementsprechend Umfang und Inhalt des kommunalen Aufgabenbestands. Carlo Schmid forderte im Rahmen der verfassungsgebenden Verhandlungen eine „Vermutung zugunsten der Zuständigkeit der Gemeinden“19. Wenngleich diese umfassende Forderung nicht realisiert wurde20, hat sich eine ausschließliche Kompetenz der Gemeinden für die örtlichen Angelegenheiten durchgesetzt. Die Gewährleistung der eigenverantwortlichen Erledigung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wird auch als Universalität oder Allzuständigkeit bezeichnet21. Unter „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ sind „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben“22 zu verstehen. Ein abschließender Aufgabenkatalog existiert nicht23. Den Gemeinden steht jedoch ein „Aufgaben- und Funktionserfindungsrecht“24 zu. Ein typisches Beispiel für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft25, sind die so genannten Gemeindehoheiten26. Diese setzten sich im Wesentlichen zusammen aus der Ge-

18  Oebbecke,

(14).

19  Zit.

in: Henneke, Kommunale Aufgabenerfüllung in Anstaltsform, S. 11

nach Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1039). im Detail Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1039). 21  BVerfG, Urteil vom 31.10.1990 – 2 BvF 2/89, 2 BvF 6/89, BVerfGE 83, 37 (54); Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 101; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 28 Rn. 45; Oebbecke, in: Henneke, Kommunale Aufgabenerfüllung in Anstaltsform, S. 11 (14). 22  BVerfG, Beschluss vom 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, BVerfGE 79, 127 (151); BVerfG, Beschluss vom 18.05.2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 100, 370 (400); BVerwG, Urteil vom 11.02.1993 – 4 C 18/91, BVerwGE 92, 56 (62); Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 101; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 28 Rn. 12; abweichende Definition bei Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1305): „Nach der hier vertretenen Auffassung sind zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft diejenigen Angelegenheiten zu zählen, die gerade das Zusammenleben der Gemeindeeinwohner betreffen, unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung der gemeindlichen Selbstverwaltung ihrer Art nach eine Erledigung durch die Gemeinden zugänglich sind, als Staatsaufgaben wahrgenommen werden dürfen und verfassungsrechtlich nicht anderweitig zugewiesen wurden.“ 23  Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1043); Oebbecke, in: Henneke, Kommunale Aufgabenerfüllung in Anstaltsform, S. 11 (14). 24  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 103. 25  Zu Inhalt, Umfang und Grenzen der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ s. auch Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1043); Oebbecke, in: Henneke, Kommunale Aufgabenerfüllung in Anstaltsform, S. 11 (14 ff.). 26  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 120 ff.; Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 28 Rn. 13. 20  S. dazu



I. Rechtsgrundlagen143

biets-27, der Organisations-28, der Personal-29, der Planungs-30, der Finanz-31 und der Rechtssetzungshoheit32. Ausdruck der gemeindlichen Selbstverwaltung sind auch die regelmäßigen Kommunalwahlen nach Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG33. Diese legitimieren die verfassungsrechtlich abgesicherte kommunale Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit34. Diese demokratische Legitimation der Kommunen unterscheidet sich strukturell nicht von der des Bundes oder der Länder35. Die Bürger einer Kommune wählen in regelmäßigen36, den Grundsätzen „allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim“ entsprechenden37 Wahlen

27  BVerfG,

Urteil vom 24.07.1979 – 2 BvK 1/78, BVerfGE 52, 95 (118). Beschluss vom 26.10.1994 – 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228 (236 ff.); LVerfG LSA, Urteil vom 12.12.1997 – LVG 9/95, LVerfGE LSA 7, 294 (294). 29  BVerfG, Beschluss vom 26.11.1963 – 2 BvL 13/62, BVerfGE 17, 172 (182); BVerwG, Beschluss vom 13.03.1985 – 2 B 28/84, NVwZ 1985, 415 (415); BAG, Urteil vom 21.09.2000 – 2 AZR 440/99, BAGE 95, 350 (357 f.). 30  BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980 – 2 BvR 584, 598, 599, 604/76, BVerfGE 56, 298 (310, 317 f.); BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 – 4 C 40.86, ­BVerwGE 81, 95 (106); BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 – 4 C 36.86, BVerwGE 84, 209 (214 f.). 31  Zur eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft BVerfG, Beschluss vom 24.06.1969 – 2 BvR 446/64, BVerfGE 26, 228 (244); BVerfG, Beschluss vom 15.10.1985 – 2 BvR 1808, 1809, 1910/82, BVerfGE 71, 25 (36); zur Entscheidungsfreiheit über Ziele und Höhe der Mittel BVerwG, Beschluss vom 30.01.1997 – 8 NB 2.96, BVerwGE 104, 60 (66); zur adäquaten Finanzausstattung VerfGH NRW, Urteil vom 09.07.1998 – 16/96, 7/97, OVGE MüLü 47, 249 (251); VerfGH NRW, Urteil vom 08.04.2003 – VerfGH 2/02, NVwZ-RR 2003, 612 (612 f.); NdsStGH, Urteil vom 25.11.1997 – StGH 14/95, DÖV 1998, 382 (382 ff.); LVerfG Bb, Urteil vom 16.09.1990 – 28/98, LVerfGE Bb 10, 237 (240); LVerfG M-V, Urteil vom 18.12.2003 – LVerfG 13/02, LVerfGE MV 14, 293 (301); VerfGH Weimar, Urteil vom 12.10.2004 – VerfGH 16/02, RspDb VerfGH TH (446); offen gelassen BVerfG, Beschluss vom 15.10.1985 – 2 BvR 1808, 1809, 1910/82, BVerfGE 71, 25 (36 f.); BVerfG, Beschluss vom 07.02.1991 – 2 BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 (385 f.); BVerfG, Beschluss vom 15.08.1994 – 2 BvR 1430/94, NJW 1995, 582 (582 f.); Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 28 Rn. 14. 32  Dreier, in: Dreier, GG 2015, Art. 28 Rn. 133. 33  Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1305); Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 2. 34  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 85. 35  Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 28 Rn. 41. 36  Die Wahlperiode ist vom Bundesland abhängig: 5 Jahre: § 30 Abs. 1 GemO BW; § 7 Abs. 1 WahlG BE i. V. m. § 5 BezVerwG BE; § 27 Abs. 2 BbgKVerf; § 4 Abs. 2 BezVG HH; § 36 HGO; § 23 Abs. 1 S. 1 KV M-V; § 47 Abs. 2 S. 1 NKomVG; § 42 Abs. 1 S. 1 GO NRW; § 29 Abs. 1 S. 2 GemO RP; § 31 Abs. 1 S. 1 1. Hs. KSVG SL; § 33 Abs. 1 SächsGemO; § 38 Abs. 1 KVG LSA; § 31 Abs. 2 GO SH i. V. m. § 1 Abs. 1 GKWG SH; § 8 S. 1 ThürKWG); 6 Jahre: Art. 23 Abs. 1 GLKrWG BY; 28  BVerfG,

144

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

eine örtliche Volksvertretung38 und in den meisten Bundesländern39 auch ­einen Bürgermeister40. Lediglich in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg, sowie in dem Zwei-Städte-Staat Bremen und wird der Bürgermeister durch die Volksvertretung gewählt41. Eine Besonderheit des Kommunalwahlrechts stellt in sieben Bundesländern das aktive Wahlrecht ab Vollendung des 16. Lebensjahrs dar – auf Landesebene sind 16- und 17-Jährige bisher nur in Brandenburg und Bremen berechtigt ihre Stimme abzugeben42. Die kommunalen Volksvertretungen firmieren unter den Begriffen Gemeinderat43, Stadtrat44, Rat45, Vertretung46, Gemeindevertretung47, Bürgerschaft48, Stadtbürgerschaft49, Stadtverordnetenversammlung50 oder Abgeordnetenhaus51. 4 Jahre: Art. 148 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 75 Abs. 1 LVerf HB (Bremen) und § 42 Abs. 1, 44 BremWahlG (Bremerhaven). 37  § 26 Abs. 1 GemO BW; Art. 22 Abs. 1 GLKrWG BY; Art. 39 Abs. 1 BLNVerf; § 27 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf; Art. 75 Abs. 1 S. 1, 148 Abs. 1 S. 2 LVerf HB; § 42 Abs. 1 BremWahlG i. V. m. Art. 75 Abs. 1 S. 1 LVerf HB; Art. 6 Abs. 2 S. 2 HmbVerf; § 1 Abs. 1 KWG HE i. V. m. § 29 Abs. 2 HGO; § 23 Abs. 1 S. 1 KV M-V; § 47 Abs. 1 S. 1 NKomVG; § 42 Abs. 1 S. 1 GO NRW; § 29 Abs. 1 S. 2 GemO RP; § 32 Abs. 1 KSVG SL; § 30 Abs. 1 SächsGemO, § 38 Abs. 1 KVG LSA i. V. m. § 3 Abs. 1 KWG LSA; § 1 GKWG SH; § 13 Abs. 1 S. 1 ThürKWG. 38  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 214 Rn. 318 ff. 39  Eine Übersicht über die politisch-administrativen Rahmenbedingungen der Tätigkeiten deutscher Bürgermeister/innen gibt Kornelius, Beruf Bürgermeister/in vom 2008, S. 10 ff. – Grundlage ist die Gesetzeslage 2008. 40  § 45 Abs. 1 GemO BW; Art. 39 ff. GLKrWG BY; § 53 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf; § 29 Abs. 1 HGO; § 37 Abs. 1 S. 1 KV M-V; § 80 Abs. 1 S. 1 NkomVG (Hauptverwaltungsbeamter); § 65 Abs. 1 S. 1 GO NRW; § 53 Abs. 1 S. 1 GemO RP; § 56 Abs. 1 S. 1 KSVG SL; § 48 S. 1 SächsGemO; § 61 Abs. 1 KVG LSA (Hauptverwaltungsbeamter); § 57 Abs. 1 GO SH; § 28 Abs. 3 S. 1 ThürKO; Übersicht über die sich zwischen den Bundesländern unterscheidende Rechtsstati bei Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 232 Rn. 354 ff. 41  Art. 56 Abs. 1 S. 1 BLNVerf; Art. 114, 107 Abs. 2, 148 Abs. 1 S. 2 LVerf HB; §§ 46 f. VerfBrhv; Art. 34 Abs. 1 S. 1 HmbVerf. 42  So der Fall in Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und SchleswigHolstein, vgl. Übersicht bei Psczolla/Döhrel, StuGe 2014, 90 (92). 43  Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen. 44  Thüringen, nur bei Kreisfreien Gemeinden, sonst auch Gemeinderat. 45  Nordrhein-Westfalen. 46  Niedersachsen; Sachsen-Anhalt. 47  Gemeindevertretung Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern (abhängig von der Größe auch Stadtvertretung oder Bürgerschaft möglich, § 22 Abs. 1 KV M-V), Schleswig-Holstein. 48  Hamburg, unter Umständen in Mecklenburg-Vorpommern, § 22 Abs. 1 KV M-V. 49  Bremen. 50  Bremerhaven.



I. Rechtsgrundlagen145

2. Landesrechtliche Ausgestaltung Als Grundlage des kommunalen Handelns wurden in allen Bundesländern formelle Gesetze erlassen. In den meisten Ländern firmieren diese unter dem Titel „Gemeindeordnung“52. Geläufig sind aber auch die Bezeichnungen „Kom­munalverfassung“53, „Kommunalverfassungsgesetz“54, „Kommunalselbst­ verwaltungsgesetz“55, und „Kommunalordnung“56. In dem Zwei-Städte-Staat Freie Hansestadt Bremen ergeben sich die kommunalen Verfassungen der Städte Bremen und Bremerhaven aus der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen57 und der Verfassung für die Stadt Bremen58. Ungeachtet der unterschiedlichen Überschriften und (kleineren) Abweichungen innerhalb der Regelwerke ist den Gesetzen gemein, dass sie die Verfassungen der Kommunen darstellen. Diese „staatliche“ Bezeichnung ein­ facher, formeller Gesetze folgt aus der Doppelfunktion der Kommunen als Teil der Landesverwaltung59 und demokratisch legitimiertes Selbstverwaltungsorgan, denn die gewählte kommunale Volksvertretung übt demokratisch legitimiert Rechtsetzungsbefugnisse aus60 und agiert zugleich als weisungsgebundener Verwaltungsträger der Bundesländer61. Die „Abhängigkeit“ der Kommunen reicht soweit, dass auch der gewählten Volksvertretung Vorgaben gemacht werden dürfen62. Die Doppelrolle der Gemeinden besteht mithin aus einer verwaltungsorganisatorischen und politisch-demokratischen Funktion63. Obwohl die gewählten, kommunalen Volksvertretungen staatsorganisatorisch der Exekutive zuzuordnen sind, sind sie zugleich die „kommunale Legis­ lative“64. Anschaulich bezeichnet Gramlich die „kommunalen Repräsenta­ 51  Berlin.

52  Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, und Schleswig-Holstein. 53  Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern. 54  Niedersachsen und Sachen-Anhalt. 55  Saarland. 56  Thüringen. 57  LVerf HB. 58  VerfBrhv. 59  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 4. 60  Zu denken ist hier insbesondere an die kommunale Satzungshoheit. 61  So bei den Pflichtaufgaben und den Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung in NRW; vgl. Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 43, 64 ff. 62  Zu den Instrumenten der Kommunalaufsicht Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 81. 63  Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 28 Rn. 40. 64  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 4.1 S. 21.

146

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

tivorgane als janusköpfige Verquickung von Normsetzungs- und Vollzugs­ gremium“65. Auf Grund Ihrer elementaren demokratischen Funktion sind die gewählten Bürgermeister und kommunalen Volksvertretungen wesentlicher Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Die kommunalen Volksvertretungen sind das wichtigste kommunale Repräsentationsorgan66. Da demokratische Wahlen und Repräsentation Öffentlichkeit voraussetzen67, gelten für die Volksvertretungen in allen Bundesländern Publizitätsbestimmungen68. Die Sitzungsöffentlichkeit dient insofern nicht nur dazu, das Interesse der Bürgerschaft an der Selbstverwaltung zu wecken. Im Vordergrund steht vielmehr die Funktion den Bürgern eine Grundlage für ihre demokratische Wahl und Kontrolle zu geben69. Der Öffentlichkeitsgrundsatz gehört daher zu den tragenden Grundsätzen des Kommunalrechts70. Ihm kommt „als Ausprägung des Demokratieprinzips überragende Bedeutung zu.“71

DÖV 1982, 139 (146). DÖV 1982, 139 (139). 67  Siehe dazu Kapitel 1. Demokratieprinzip und Öffentlichkeit, S. 54 ff. 68  § 35 Abs. 1 S. 1 GemO  BW; Art. 52 Abs. 2 S. 1 GO  BY; Art. 42 Abs. 3 BLNVerf, § 60 Abs. 1 GO Abgh BE; § 36 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf; Art. 91 Abs. 1, 148 Abs. 1 S. 2 LVerf HB; § 31 S. 1 VerfBrhv, § 10 Abs. 1 GOStVV BrHV; Art. 21 S. 1 HmbVerf, § 25 Abs. 1 GOBschHmb; § 52 Abs. 1 S. 1 HGO; § 29 Abs. 5 S. 1 KV M-V; § 64 S. 1 NKomVG; § 48 Abs. 2 S. 2 GO NRW; § 35 Abs. 1 S. 1 GemO RP; § 40 Abs. 1 KSVG SL; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; § 52 Abs. 1 KVG LSA; § 35 Abs. 1 S. 1 GO SH; § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO. 69  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (122); OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.01.1973 – 4 UBL 1/72, SKZ 1974, 52 (52); VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); Gentner, KommP MO 1992, 40 (40). 70  VerfGH NRW, Beschluss vom 09.04.1976 – VerfGH 58/75, OVGE MüLü 31, 309 (310); VGH Mannheim, Urteil vom 18.06.1980 – III 503/79, VBlBW 1980, 33 (34); VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (120); VGH Mannheim, Beschluss vom 12.01.1971 – II 141/68, ESVGH 22, 17 (19); VGH München, Urteil vom 26.01.2009 – 2 N 08.124, VGHE BY 61, 432 (434); VG Freiburg, Urteil vom 11.10.1973 – VS III 88/72, NJW 1974, 762 (763); Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 19; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 1; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 182; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 5.1 S. 11; a. A. VG Bayreuth, Beschluss vom 16.02.2009 – B 2 E 08.1234, KommP By 2009, 263 (264). 71  Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 1. 65  Gramlich, 66  Gramlich,



II. Tatsächliche Voraussetzungen147

3. Zusammenfassung Die Sitzungsöffentlichkeit der kommunalen Volksvertretung knüpft sowohl an die parlamentarische Sitzungsöffentlichkeit an, ist aber auch eine Frage der Öffentlichkeit der Verwaltung, mithin der Exekutive. Was genau Sitzungsöffentlichkeit ist, wird nicht gesetzlich definiert. Weder existiert eine einfachgesetzliche Legaldefinition auf Ebene der Länder, noch formuliert das Grundgesetz konkrete Anforderungen. Im Folgenden wird daher untersucht, welche Voraussetzungen für die Einhaltung kommunaler Sitzungsöffentlichkeit erfüllt werden müssen (siehe Kapitel II.). Die Stadtstaaten Berlin, Freie und Hansestadt Hamburg und der Zwei-Städte-Staat Bremen werden dabei grundsätzclich außen vor gelassen, denn kommunalspezifische Besonderheiten können in diesen Bundesländern kaum herausgearbeitet werden, da in zahlreichen Fällen für die kommunale Ebene schlicht die landesparlamentarischen Regelungen für entsprechend anwendbar erklärt werden. Anschließend wird erörtert, was das durch die kommunale Sitzungsöffentlichkeit verbürgte Recht der Sitzungsteilnahme im Einzelnen beinhaltet (siehe Kapitel III. und IV.). Auf dieser Grundlage wird dann eine Definition kommunaler Sitzungsöffentlichkeit erarbeitet (siehe Kapitel V.).

II. Tatsächliche Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Sitzungsöffentlichkeit kann nicht isoliert als Zugänglichkeit des Sitzungsraums zum Zeitpunkt der Sitzung betrachten, sondern muss im Kontext verschiedener formaler und organisatorischer Voraussetzungen verstanden werden72. Andernfalls bestünde die Öffentlichkeit nur auf dem Papier. Damit die kommunale Sitzungsöffentlichkeit genutzt werden kann, folgt aus dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip, dass schon bei der Vorbereitung der Sitzung dafür Sorge zu tragen ist, dass grundsätzlich jedem die Sitzungsteilnahme tatsächlich ermöglicht wird73. Die Sitzungsöffentlichkeit entfaltet mithin eine Vorwirkung, die ab der Festlegung eines Termins und der Wahl eines Sitzungsortes auch die Aufstellung der Tagesordnung, den Versand der Einladung bzw. die Bekanntmachung der Sitzung erfasst.

72  Ähnlich

Gentner, KommP MO 1992, 40 (40). zumindest dem Ansatz nach durch Verweis auf die Auswahl des Sitzungstermins und des Sitzungsorts auch Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 3. 73  So

148

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Das Anwesenheitsrecht würde überdies ins Leere laufen, könnte den Beratungen und Abstimmungen trotz der Anwesenheit im Sitzungsraum durch die Zuschauer nicht gefolgt werden. Die Sitzungsöffentlichkeit muss daher auch alle Schritte der Sitzungsdurchführung bis zum Ende der Sitzung umfassen. Denkbar ist darüber hinaus, dass die Sitzungsöffentlichkeit eine Nachwirkung, in Form einer Bekanntmachungspflicht der gefassten Beschlusse und eines Einsichtsrechts der Allgemeinheit in die Niederschriften der Sitzung, hat, denn es wäre zumindest widersprüchlich, wenn der Inhalt und die Dokumentation einer Veranstaltung, die jeder hätte besuchen können, im Anschluss geheim gehalten werden könnte. Sitzungsöffentlichkeit beschränkt sich mithin nicht auf die formelle Transparenz, sondern verlangt dass die Sitzungen auch materiell, d. h. inhaltlich transparent gestaltet werden74. Auf Grund der Souveränität der Bundesländer sind dabei landesspezifische Unterschiede zu berücksichtigen75. Im Folgenden werden unter dieser Prämisse Gemeinsamkeiten, welche in allen Bundesländern gelten, sowie landesspezifische Besonderheiten herausgearbeitet. Diese Grundsätze und Sonderfälle werden am Maßstab des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips gewürdigt. Anhand dessen werden der für die kommunale Sitzungsöffentlichkeit notwendige Mindeststandart sowie die Ausgestaltungsspielräume der Länder und Kommunen ermittelt. 1. Sitzungsvorbereitung a) Zuständigkeit Zuständig für die verwaltungsmäßige Vorbereitung der Sitzung ist in allen Bundesländern die Verwaltungsleitung76. Für die Einberufung ist grundsätzlich der Bürgermeister als Vorsitzender des Rats zuständig77. Obliegt der Vorsitz nicht dem Bürgermeister, ist der 74  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 562; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105 f. 75  VGH Kassel, Urteil vom 11.08.1987 – 2 UE 1420/84, DÖV 1988, 304 (304 f.); Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9 S. 11. 76  Zur Vorbereitung und Einberufung der Sitzung, siehe Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 296 Rn. 444 ff.; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 46 Ziff. 4 S. 3; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 5. 77  § 34 Abs. 1 S. 1 GemO BW; Art. 46 Abs. 2 GO BY; § 59 Abs. 1 S. 1 NKomVG; § 47 Abs. 1 S. 1 GO NRW; § 41 Abs. 1 S. 1 KSVG SL; § 36 Abs. 3 S. 1 SächsGemO; § 35 Abs. 1 S. 1 ThürKO.



II. Tatsächliche Voraussetzungen149

Vorsitzende zuständig78. In Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt besteht dabei die Besonderheit, dass sich der Vorsitzende bei der Einladung mit dem Verwaltungsleiter abstimmen muss79. Die Bekanntmachung von Ort, Zeit und Tagesordnung80 ist Sache der Verwaltung81. aa) Begriff der Einberufung und der Sitzung Unter dem Begriff der Einberufung sind alle Maßnahmen zu verstehen, die für eine Sitzungsvorbereitung notwendig sind, das heißt insbesondere die Willensentscheidung die kommunale Volksvertretung zusammentreten zu lassen82. Außerdem umfasst die ordnungsgemäße Einberufung die Terminierung der Sitzung, die Auswahl des Sitzungsortes, die Festsetzung der Tagesordnung, die Einladung der Ratsmitglieder und die Bekanntmachung der Sitzung83. Die ordnungsgemäße Einberufung ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Beschlüsse der kommunalen Volksvertretung84. Unter dem Begriff der „Sitzung“ ist jede Zusammenkunft der Mitglieder der kommunalen Volksvertretung nach Einberufung und unter Leitung des Vorsitzenden zu verstehen, die dem Ziel dient über Gemeindeangelegenheiten zu beraten und/oder zu entscheiden85. Maßgeblich ist der Zweck des 78  § 34 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf; § 58 Abs. 1 S. 1 HGO; § 34 Abs. 1 S. 1 GemO RP; § 34 Abs. 1 S. 2 GO SH. 79  § 29 Abs. 1 S. 1 KV M-V (im Benehmen mit dem Bürgermeister); § 53 Abs. 4 S. 1 KVG LSA (im Einvernehmen mit dem Hauptverwaltungsbeamten). 80  Siehe dazu ausführlich Kapitel b) Bekanntmachung, S. 153 ff. 81  Dies ergibt sich bereits aus den formellen Anforderungen an eine ordentliche Bekanntmachung; vgl. auch Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 63; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 9 S. 172. 82  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 2 S. 1. 83  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 2 S. 2. 84  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 Ziff. 5 S. 168; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 Ziff. 1, S. 165; VGH Mannheim, Urteil vom 14.12.1987 – 1 S 2832/86, NVwZ-RR 1989, 153 (154); Lehné/Weirich/Gros, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 41 Ziff. 3, S. 3; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 53 Rn. 1; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 6.1 S. 4 und Ziff. 6.6 S. 8; Schaaf/ Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 1.1 S. 2; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 2 S. 2; Heermann, Der Gemeinderatsbeschluss, S. 212 f.; beachte Heilungsmöglichket z. B. nach § 34 GemO RP. 85  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. 2.3.1 S. 6; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. II. 1. S. 4, 5; a. A. OVG Koblenz, Urteil vom 18.04.1966 – 6 A 16/65, AS

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Zusammentretens, nicht dessen Bezeichnung in der Einladung86. Die kommunale Volksvertretung besitzt kein Selbstversammlungsrecht87. bb) Abstimmungsnotwendigkeit bei der Aufstellung der Tagesordnung Bei der Aufstellung der Tagesordnung handelt es sich um eine objektivrechtliche Verpflichtung88. Bei der Zuständigkeit für die Aufstellung der Tagesordnung ist zu berücksichtigen, dass diese zwar in die Hände desjenigen fällt, der auch für die Einladung der Sitzung zuständig ist, die meisten Bundesländer jedoch eine Abstimmungspflicht statuieren. So ist die Tagesordnung –– in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein durch den Vorsitzenden der kommunalen Volksvertretung im Benehmen89 bzw. nach Beratung90 mit dem Verwaltungsleiter, RP-SL 10, 55 (58), nach welchem das Zusammentreten des Gemeinderats zwecks Beschlussfassung ausreichen soll – es komme danach weder auf eine ordnungsgemäße Ladung noch auf eine tatsächliche Beschlussfassung oder die förmliche Bezeichnung als Sitzung an. 86  OVG Koblenz, Urteil vom 18.04.1966 – 6 A 16/65, AS RP-SL 10, 55 (58); siehe zur Problematik auch Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 53 Rn. 13, 16; Schaaf/ Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2.3.1 S. 6. 87  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 Ziff. 1, S. 165; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 46 Rn. 11; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 3; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 1; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 3; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 3 S. 305; Glaser/ Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 9; Lehné/ Weirich/Gros, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 41 S. 1; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 2; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 1 S. 3; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 2 S. 2; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 1.1 S. 2; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. II. 1 S. 4; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 2 S. 2. 88  VGH München vom 10.12.1986 – 4 B 85 A.916, BayVBl. 1987, 239 (240); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 46 Ziff. 4.2 S. 5. 89  BB: Einberufung durch den Vorsitzenden, § 34 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf, Aufstellung der Tagesordnung durch den Vorsitzenden im Benehmen mit dem Hauptverwaltungsbeamten, § 35 Abs. 1 S. 1 BbgKV; HE: Einberufung durch den Vorsitzenden, § 58 Abs. 1 S 1 HGO, Festsetzung der Tagesordnung durch den Vorsitzenden im Benehmen mit dem Gemeindevorstand, § 58 Abs. 5 S. 1 HGO; MV: Einberufung durch den Vorsitzenden, § 29 Abs. 1 S. 1 KV M-V, Festsetzung der Tagesordnung durch den Vorsitzenden im Benehmen mit dem Bürgermeister, § 29 Abs. 1 S. 1 KV M-V; SL:



II. Tatsächliche Voraussetzungen151

–– in Niedersachsen durch den Hauptverwaltungsbeamten im Benehmen mit dem Vorsitzenden91 und –– in Rheinland-Pfalz und Thüringen durch den Bürgermeister im Benehmen mit den Beigeordneten und dem Hauptausschuss92 aufzustellen. Lediglich in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen, ist alleine der Bürgermeister/Hauptverwaltungsbeamte93 zuständig.94 „Im Benehmen“ bedeutet „nach Anhörung“, setzt jedoch keine Zustimmung95, wohl aber die Bemühung um einen Konsens voraus96. cc) Ermessensspielraum Die Entscheidungen über die Terminierung, den Ort und die Tagesordnung sind, genauso wie die öffentliche Bekanntmachung für die Verwirklichung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit von besonderem Interesse, da von ihnen abhängt, ob faktisch Öffentlichkeit besteht. „Der Bürgermeister [gemeint ist der für die Sitzungsvorbereitung Zuständige, d. h. je nach Bundesland der Hauptverwaltungsbeamte bzw. Vorsitzender] ist Herr des Verfahrens […]“97. Dem Zuständigen kommt bei den im Einberufung durch den Hauptverwaltungsbeamten, § 53 Abs. 1 S. 2 KVG LSA, Aufstellung der Tagesordnung durch den Vorsitzenden im Einvernehmen mit dem Hauptverwaltungsbeamten, § 53 Abs. 4 S. 1 KVG LSA. 90  Einberufung durch den Vorsitzenden, § 34 Abs. 1 S. 2 GO SH, Festsetzung der Tagesordnung durch den Vorsitzenden nach Beratung mit dem Bürgermeister, § 34 Abs. 4 GO SH. 91  Einberufung durch den Hauptverwaltungsbeamten § 59 Abs. 1 S. 1 NKomVG, Aufstellung der Tagesordnung durch den Hauptverwaltungsbeamten im Benehmen mit dem Vorsitzendem, § 59 Abs. 3 S. 1 NKomVG. 92  § 34 Abs. 5 GemO RP; § 35 Abs. 4 S. 1 ThürKO. 93  § 34 GemO BW; Art. 46 Abs. 2 GO BY; § 48 Abs. 1 S. 1 GO NRW; § 41 Abs. 1 KSVG SL; § 36 Abs. 3 SächsGemO. 94  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 297 Rn. 450. 95  Hessen: Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 58 Rn.  26 f.; Mecklenburg-Vorpommern: Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 2; Niedersachsen: Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 40 m. w. N.; Schleswig-Holstein: Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 31; Thüringen: Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 7 S. 10. 96  Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 25; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 4. 97  VG Saarlouis, Beschluss vom 05.05.1992 – 11 F 135/91, zit. nach Lehné/Weirich/Gros, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 41 S. 1.

152

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Rahmen der Einberufung zu treffenden Entscheidungen eine Einschätzungsprärogative zu98. Die Feststellung der Notwendigkeit einer Sitzung99, die Terminierung, die Wahl des Sitzungsortes und die Aufstellung der Tagesordnung stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Bürgermeisters/Hauptverwaltungsbeamten bzw. des Vorsitzenden100. Gleiches gilt für die im konkreten Einzelfall zu veranlassenden hausrechtlichen Maßnahmen, um einen ungestörten Sitzungsablauf zu gewährleisten101. Reichweite und Grenzen der diesbezüglichen Entscheidungskompetenz sowie die inhaltlichen Anforderungen werden im Folgenden unter dem Blickwinkel der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit eingehend untersucht. dd) Abgrenzung zur Einladung Bestandteil der Einberufung ist auch die Einladung/Ladung102. Unter der Einladung/Ladung ist die fristgerechte103, schriftliche oder elektronische Information aller Mitglieder der kommunalen Volksvertretung unter Mitteilung der Tagesordnung104 über die geplante Sitzung zu verstehen. Sie hat keine 98  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 31; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 17. 99  Siehe zum Sitzungsbedarf ausführlicher im Kapitel aa) Sitzungsbedarf, S. 178. 100  Vgl. beispielhaft zur Rechtslage im Saarland, Lehné/Weirich/Gros, in: Lehné/ Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 41 S. 1. 101  VG Gießen, Urteil vom 25.07.2003 – 8 E 2112/03, HSGZ 2005, 133 (135); Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 1. 102  „Einladung“ bezeichnet die Willenserklärung das Gremium zusammentreten zu lassen; unter „Ladung“ ist der technische Zugang der fristgerechnten Zusendung zu verstehen, vgl. Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO  BY, Art. 46 Rn. 6; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 46 Ziff. 5.1 S. 7. 103  § 34 Abs. 1 S. 1 GemO BW „mit angemessener Frist“; Art. 46 Abs. 2 S. 2 GemO BY „mit angemessener Frist“; § 34 Abs. 4 BbKVerf „die regelmäßige Ladungsfrist […ist] in der Geschäftsordnung zu regeln“; § 58 Abs. 1 S. 2 HGO mindestens drei Tage; § 29 Abs. 3 S. 2 KV M-V „Eine Ladungsfrist von drei Tagen soll nicht unterschritten werden“; § 59 Abs. 1 S. 2 NKomVG „Einzelheiten [der Ladung] regelt die Geschäftsordnung“; § 47 Abs. 2 S. 1 GO NRW „Die Ladungsfrist […ist] durch die Geschäftsordnung zu regeln“; § 34 Abs. 3 S. 1 GemO RP „mindestens vier volle Kalendertage“, § 41 Abs. 3 S. 3 KSVG SL „mindestens drei Tage“; § 36 Abs. 3 S. 1 SächsGemO „mit angemessener Frist“; § 53 Abs. 4 S. 2 KVG LSA „in angemessener Frist, mindestens jedoch eine Woche vor der Sitzung“,; § 34 Abs. 3 S. 1 GO SH „mindestens eine Woche“; § 35 Abs. 2 S. 1 ThürKO „mindestens vier volle Kalendertage“; zur Einberufung außerordentlicher Sitzungen s. Kapitel (3) Ausnahme: Dringlichkeitssitzungen, S. 168. 104  Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 4 S. 312; n. n., in: Hofmann/Beth/ Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2 S. 5; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 6.3 S. 5; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster



II. Tatsächliche Voraussetzungen153

Wirkung gegenüber der Öffentlichkeit, sondern dient alleine der ordnungsgemäßen Vorbereitung der Ratsmitglieder auf die Sitzung105. Wird die Mindestladungsfrist aus besonderen Gründen unterschritten, dürfen in der betroffenen Sitzung deshalb nur die dringlichen Tagesordnungspunkte beraten werden – diese entfalten insofern keine Alibi-Wirkung für andere Themen106. Einladung und Bekanntmachung sind strikt von einander zu trennen und können sich nicht gegenseitig ersetzen107. Obwohl die Einladung für die Beschlussfähigkeit der kommunalen Volksvertretung genauso maßgeblich ist, wie die Bekanntmachung, hat sie keine Auswirkung auf die Sitzungsöffentlichkeit. Auf Grund der fehlenden Öffentlichkeitswirksamkeit der Einladung/ Ladung wird diese im Folgenden nicht weiter betrachtet. b) Bekanntmachung Notwendige Voraussetzung nach dem Grundsatz der Öffentlichkeit ist die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die bevorstehende Sitzung durch eine ordentliche Bekanntmachung108. Erst durch die Bekanntmachung von Ort, Zeit und Tagesordnung wird die Bürgerschaft in die Lage versetzt von der Sitzungsöffentlichkeit Gebrauch zu machen109. Ohne Bekanntmachung könnte die Sitzungsöffentlichkeit faktisch nicht verwirklicht werden110. Die u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. III. 3. S. 9; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 4, 7; s. detaillierter zur Erstellung, Änderung, Inhalt und Umfang der Tagesordnung im Kapitel e) Tagesordnung, S. 196 ff. 105  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 26; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 1 S. 311; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 1.1 S. 2; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 1 S. 165. 106  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 30. 107  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 1; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 2; Glaser/Hermann/ Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 2; Schuster/Diehl/ Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. III 1 S. 8. 108  OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 63; Heermann, Der Gemeinderatsbeschluss, S. 217 ff.; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/ Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 S. 2 Ziff. 1.1; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 9 S. 172; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.1 S. 1; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 46 Ziff. 4.1 S. 5. 109  OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 58 Rn. 15; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 35. 110  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 1; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 8; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Kommunen sind daher zur Bekanntmachung verpflichtet. „Aufgrund der besonderen Bedeutung der Öffentlichkeit von Ratssitzungen ist ein Abweichen von diesem für eine Demokratie äußerst wichtigen Grundsatz [der Bekanntmachung] nur in absoluten Ausnahmefällen, wie Kriegsereignisse oder Naturkatastrophen denkbar.“111 Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.07.1972, in der es heißt, dass eine Bekanntmachung „durch die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung nicht gefordert [wird] und […] [von] der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht als geboten bezeichnet worden [ist]“112, ist nicht auf die kommunale Sitzungsöffentlichkeit übertragbar. Die Entscheidung bezieht sich auf den konkreten Regelungskontext der Gerichtsöffentlichkeit. Während dort eine Bekanntmachung nicht vorgesehen ist, existiert eine solche Pflicht in allen Bundesländern für die Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen. Art. 52 Abs. 1 S. 2 GO BY vermittelt mit der Formulierung „Ausnahmen bedürfen der Genehmigung des Gemeinderats“ den Eindruck, bayerische Gemeinderäte seien frei darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form eine Bekanntmachung zu erfolgen hat beziehungsweise unterbleiben kann. Dementsprechend wird vertreten, der Bürgermeister könne mit mehrheitlicher Zustimmung oder Genehmigung des Gemeinderats ohne Einhaltung der Bekanntmachungsfrist und „ohne Angabe der Tagesordnung beziehungsweise ohne Angabe des Sitzungsortes“113 bekanntmachen114. Die Bekanntmachungspflicht besteht jedoch nicht im Interesse des Gemeinderats, sondern zugunsten der interessierten Öffentlichkeit115. Folglich kann die Regelung auch nicht zur Disposition des Gemeinderats stehen116. Überdies ist nicht nachvollziehbar, warum, wenn eine Bekanntmachung vorZiff. 5.1, S. 29; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.2 S. 2a. 111  Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, 15. Tätigkeitsbericht S. 61, Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 13 – Ergänzung durch die Verfasserin; ebenso Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO  BY, Art. 46 Rn. 6; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 17. 112  BVerwG, Beschluss vom 20.07.1972 – IV CB 71.70, Juris, Rn. 9. 113  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 6. 114  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 6. 115  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  52 Ziff. 1.1 S. 2 und Ziff. 5.2 S. 12. 116  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  52 Ziff. 1.2 S. 2a.



II. Tatsächliche Voraussetzungen155

genommen wird, in dieser die Tagesordnung oder der Sitzungsort nicht angegeben werden sollten. Art. 52 Abs. 1 S. 2 GO BY ist verfassungskonform so auszulegen, dass sich der Genehmigungsvorbehalt nur auf eine Fristverkürzung bezieht117. Diese kann der Gemeinderat zum Schutz der Öffentlichkeit nicht nach Belieben, sondern nur unter den Voraussetzungen der Dringlichkeit einer Behandlung der nicht ordnungsgemäß bekannt gemachten Tagesordnungspunkte genehmigen118. aa) Form und Verfahren der Bekanntmachung Zeit, Ort und Tagesordnung einer ordnungsgemäß eingeladenen Sitzung sind öffentlich119, ortsüblich120, örtlich121, ortsüblich öffentlich122 oder entsprechend den Regeln der Hauptsatzung123 bekannt zu machen124. Sitzungsvorlagen werden von der Bekanntmachungspflicht nicht umfasst125. Trotz der unterschiedlichen Bezeichnungen der Bekanntmachung kommen in allen Bundesländer im Wesentlichen drei Bekanntmachungsformen in Betracht. Die Bekanntmachung kann grundsätzlich durch Amtsblatt, Zeitung oder Aushang erfolgen126. Zum Teil ist auch eine Bekanntmachung im Internet zulässig127 beziehungsweise wird für zulässig erachtet128. 117  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  52 Ziff. 1.2 S. 2a. 118  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.2 S. 2a; siehe zur den Voraussetzungen der Dringlichkeit im Einzelnen Kapitel (3) Nachträgliche Änderungen der Tagesordnung, S. 201 ff., insb. Kapitel iii Grundsatz der Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit, S. 205 ff. 119  § 36 Abs. 6 S. 1 BbgKVerf; § 58 Abs. 6 HGO; § 29 Abs. 6 S. 1 KV M-V; § 48 Abs. 1 S. 5 GO NRW; § 34 Abs. 1 S. 1 GemO RP; § 41 Abs. 3 S. 2 KSVG SL. 120  § 34 Abs. 1 S. 7 GemO BW; Art. 52 Abs. 1 S. 1 GO BY; § 59 Abs. 5 NKomVG; § 36 Abs. 4 S. 1 SächsGemO; § 52 Abs. 4 KVG LSA. 121  § 34 Abs. 4 S. 2 GO SH. 122  § 35 Abs. 6 S. 1 ThürKO. 123  § 36 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf. 124  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 302 Rn. 458. 125  OVG Münster, Urteil vom 29.04.1988 – 15 A 2207/85, NVwZ-RR 1989, 155 (156); VGH München, Urteil vom 17.12.1979 – 14 N – 838/79, Die Gemeinde 1980, 299 (299); OVG Münster, Mitt. NWStGB 1988, 206, zit. nach Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 47. 126  BW: Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Ziff. 9, S. 6/2 – der mit Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vom 28.20.2015 (GBl. S. 870, in Kraft getreten am 30.10.2016) eingefügte § 41b GemO BW legitimiert in Baden-Württemberg keine digitale Bekanntmachung, denn die Norm spricht im Abgrenzung zu § 34 Abs. 1 S. 7 GemO BW ausdrücklich von einer „Veröffentlichung“ auf der Internetseite; BY: Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 S. 3 Rn. 5; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in:

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

(1) Festlegung von Form und Verfahren der Bekanntmachung Die Festlegung der Form und des Verfahrens der Bekanntmachung variiert zwischen den Bundesländern. Teilweise existieren formell-gesetzliche Normierungen in den Gemeindeordnungen129, teilweise gibt es Präzisierungen in materiellen Gesetzen130. Grundsätzlich sind die Kommunen verpflichtet Form und Verfahren der Bekanntmachung durch Regelungen in der Hauptsatzung zu konkretisieren131. Lediglich in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen existieren weder materielle oder formelle gesetzliche Vorgaben, noch sind die Kommunen dort verpflichtet, Form und Verfahren durch Satzung festzulegen132. Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 S. 2, Rn. 4; BB: Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 12 f.; HE: § 7 HGO, Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 58 Rn. 15a; MV: Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 35; Nds: Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 65; Thiele, KommP N 2000, 134 (134); NRW: § 4 BekanntmVO NRW; RP: § 27 GemO RP i. V. m. § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 3 GemO-VV zu § 27 GemO RP; SL: §§ 1, 2 BekVO SL; SN: Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 8; ST: § 9 Abs. 1, 3 KVG LSA; SH: § 1 Abs. 1 BekanntVO SH; TH: Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 17. 127  § 7 Abs. 1 HGO; § 1 Abs. 1 Nr. 3 BekanntVO SH; Dehn, in: Bülow u.  a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 45; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 19 S. 318; entgegen dem Eindruck, den § 41b GemO BW vermitteln kann, nicht in BadenWürttemberg, wie aus einem Vergleich mit § 34 Abs. 1 S. 7 GemO BW hervorgeht. 128  BY: Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u.  a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 S. 2 Rn. 3; Nds: Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 36; angesichts der detaillierten Regelung in § 35 Abs. 7 ThürKO zum Ersatz der Schriftform durch die elektronische Form und fehlendem Hinweis auf eine Möglichkeit einer digitalen Bekanntmachung ist davon auszugehen, dass in Thürigen eine Bekanntmachung im Internet nicht zulässig ist. 129  HE: § 7 HGO, Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 58 Rn. 15a; RP: § 27 GemO RP; ST: § 9 Abs. 1, 3 KVG LSA. 130  § 1 Abs. 2 BekanntmVO BB; §§ 1, 2 BekVO HE; § 4 BekanntmVO NRW; § 8 GemO-VV zu § 27 GemO RP; §§ 1, 2 BekVO SL; § 1 Abs. 1 BekanntVO SH. 131  § 36 Abs. 1 S. 1 BbKVerf i. V. m. § 1 Abs. 4 BeanntmVO BB, vgl. Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 10, 13; § 7 Abs. 3 HGO i. V. m. § 1 Abs. 2 BekVO HE; § 5 Abs. 4 S. 3 KV M-V, vgl. Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 35; § 4 Abs. 2 BekanntmVO NRW; § 7 Abs. 2 S. 1 GemO-VV zu § 27 GemO RP; § 1 Abs. 2 BekVO SL; § 9 Abs. 1 KVG LSA; § 6 BekanntVO SH. 132  BW: § 1 DVO zum GemO BW ist nicht anzuwenden, weil diese nur die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen gem. § 4 GemO BW regelt, vorliegen jedoch nur eine ortsübliche Bekanntmachung von Zeit, Ort und Tagesordnung der Sitzung gefordert ist, vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 29.09.1971 – II 1044/70, BWVPr. 1972, 201, zit. nach Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 Ziff. 4 S. 168; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Ziff. 9 S. 6/2; BY: die



II. Tatsächliche Voraussetzungen157

Unter dem Blickwinkel der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit ist für die Zulässigkeit der Bekanntmachungsform entscheidend, dass sie nicht nur theo­retisch, „sondern unter Berücksichtigung der Erfahrungen des täglichen Lebens und der durchschnittlichen Verhältnisse der jeweiligen Gemeinde die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft.“133 Das setzt voraus, dass die Bekanntmachungsform innerhalb einer Kommune so verbindlich sein muss, dass sich die Bürgerschaft auf das Bekanntmachungsverfahren verlassen kann. „Der Bürger muss vorhersehen können, über welches Medium ihn entsprechende Bekanntmachungen erreichen werden.“134 Daraus folgt, dass die Konkretisierung des Bekanntmachungsverfahrens in der Hauptsatzung ggf. die genaue Bezeichnung des Amtsblatts, den vollständigen Name der Zeitung135 bzw. den exakten Standorte der Bekanntmachungskästen136 beinhalten muss, weil die Regelung andernfalls zu unbestimmt ist137. In Brandenburg wird eine wirksame Hauptsatzung mit einer ausreichend bestimmten Bekanntmachungsregelung als zwingende Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung und damit als notwendige Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit der Gemeindevertretung angesehen138. Werden verschiedene Bekanntmachungsformen angegeben, ist – wenn dies nicht ohnehin ausdrücklich vorgeschrieben wird139 – davon auszugehen, dass eine Bekanntmachung in allen Formen zu erfolgen hat. Andernfalls würde Form der amtlichen Bekanntmachung von Satzungen gem. Art. 26 Abs. 2 GO BY ist nicht einzuhalten, Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO  BY, Art. 52 S. 3 Rn. 5; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.1., S. 2; Nds: § 11 Abs. 6 S. 1 NKomVG ist nicht anzuwenden, Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 65; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 35; SN: § 2 KomBekVO muss nicht eingehalten werden, genügt aber den Anforderungen, Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 8; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 12 S. 6; TH: in Ermanglung spe­ ziellerer Regelungen wird von einer entsprechenden Anwendbarkeit der ThürBekVO ausgegangen, Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 17. 133  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 12. 134  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 65. 135  § 1 Abs. 2 S. 2 BekVO HE; § 4 Abs. 2 S. 2 BekanntmVO NRW; § 7 Abs. 2 S. 2 GemO-VV zu § 27 GemO RP; § 1 Abs. 2 S. 2 BekVO SL; § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 3 BekanntVO SH. 136  § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 BekanntVO SH. 137  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 13. 138  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 13. 139  So zum Beispiel in § 7 Abs. 2 S. 3 GemO-VV zu § 27 GemO RP.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

der Bürgerschaft zugemutet werden, verschiedene, auch für die Bekanntmachung zwar zur Verfügung stehende, aber nicht genutzte Medien zu beobachten. Wird eine von mehreren vorgeschriebenen Bekanntmachungsformen nicht befolgt, gilt die Bekanntmachung insgesamt als nicht erfolgt140. Auch in den Bundesländern, in denen keine formell oder materiell gesetzlichen Vorgaben existieren, ist die kommunale Verwaltung auf Grund der Bedeutung der Bekanntmachung für die Verwirklichung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit nicht frei darin die Bekanntmachungsform zu wählen und zu wechseln141. Die Gemeinde bindet sich durch die praktizierte Bekanntmachungsform entsprechend den Grundgedanken einer „betrieblichen Übung“142. Die Bekanntmachungsform darf folglich nicht ständig, will­kürlich oder spontan gewechselt werden143, sondern nur nach entsprechender Ankündigung144. Es ist im Hinblick auf das Bedürfnis der Bürger, sich Kenntnis über die Anwendung findende Bekanntmachungsform verschaffen zu können, davon auszugehen, dass eine Ankündigung über den Wechsel der Bekanntmachungsform im Wege der bis dahin praktizierten Bekanntmachungsform zu erfolgen hat. In Niedersachsen wird sogar eine Festlegung der Bekanntmachungsform in der Hauptsatzung oder in einer gesonderten Bekanntmachungsordnung für notwendig erachtet, obwohl das niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz keine dementsprechende Verpflichtung statuiert145. In Thüringen soll die Bekanntmachungsverordnung, die lediglich amtliche Bekanntmachungen von Satzungen erfasst, entsprechend angewendet werden146.

140  So wurde im Juli 2015 festgestellst, dass in der Stadt Laer seit Januar 2015 keine ordnungsgemäße Bekanntmachung mehr erfolgt war, weil diese nur im Internet und per Zeitung erfolgte, aber nicht der, in der Hauptsatzung vorgeschriebene, öffentliche Aushang der Sitzung vorgenommen wurde, vgl. http://www1.wdr.de/themen/ aktuell/verwaltungspanne-laer-100.html, Stand: 22.07.2015, zuletzt geprüft am 11.08.2015. 141  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 9; zu beachten ist im Hinblick auf die Wahlfreiheit jedoch, dass zumindest in Niedersachsen aus der Existenz von Schaukästen auf die Pflicht, diese auch zu nutzen, geschlossen wird, Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 36. 142  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 5 jedoch nur mit Hinweis auf die „in der Gemeinde bestehende Übung“ ohne Bezugnahme auf die Rechtsfigur der „betrieblichen Übung“. 143  Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 36. 144  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 9; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 8. 145  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 65. 146  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 17.



II. Tatsächliche Voraussetzungen159

(2) Mindestanforderungen der verschiedenen Bekanntmachungsformen Je nach Bekanntmachungsform sind spezielle Anforderungen zu berücksichtigen. Bei der Bekanntmachung kurzfristiger Sitzungstermine im Amtsblatt kann es notwendig sein, Sonderausgaben zu veröffentlichen147. Möglich ist, dass für die Bekanntmachung dringlicher Sitzungen eine alternative Bekanntmachungsform in Frage kommt148. Eine Zeitung, in der eine Bekanntmachung erfolgen soll, muss regelmäßig, mindestens einmal pro Woche erscheinen149. Auch sind die Vorlaufzeiten der Anzeigenannahmen, insbesondere bei Sitzungen zu denen mit verkürzter Ladungsfrist eingeladen wird, zu berücksichtigen150. Einer Bekanntmachung durch Aushang werden durch die Fläche einer Kommune und ihrer Einwohnerzahl Grenzen gesetzt. Wird diese Bekanntmachungsform gewählt, ist zu beachten, dass Aushangdauer, Einwohnerzahl und Anzahl der Bekanntmachungskästen in einer Wechselbeziehung stehen151. Eine solche Bekanntmachung kommt grundsätzlich nur in kleineren Gemeinden in Betracht152. Gegebenenfalls ist auf eine ausreichende Zahl an Schaukästen und eine gute Erreichbarkeit zu achten153. In diesem Fall kann es nötig sein, auf die Bekanntmachung durch Aushang im Amtsblatt oder in der Zeitung hinzuweisen. In den Bundesländern, in denen die Bekanntmachungsform nicht durch Gesetz, Verordnung oder Satzung festgelegt wird, ist 147  Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, §  58 Rn. 15a. 148  § 8 Abs. 4 GemO-VV zu § 27 GemO RP: statt Amtsblatt, Zeitung oder Aushang, n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5 S. 8, 9, – dringliche Sitzungen im Sinne von § 8 Abs. 4 GemO-VV zu § 27 GemO RP, sind solche, die trotz Wahrung der Einladungsfrist nicht mehr rechtzeitig bekanntgemacht werden können, und insofern von Dringlichkeitssitzungen im Sinne von § 34 Abs. 3 GemO RP zu unterscheiden. 149  § 1 Abs. 1 BekVO HE; § 4 BekanntmVO NRW; § 7 Abs. 1 GemO-VV zu § 27 GemO RP; § 1 Abs. 1 Nr. 2 BekVO SL; § 2 BekanntVO SH – verlangt nur regelmäßiges Erscheinen. 150  Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, §  58 Rn. 15a. 151  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 12. 152  BB: Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 12; NRW: Umkehrschluss aus § 4 Abs. 3 BekanntmVO NRW; RP: § 8 Abs. 3 S. 1 GemO-VV zu § 27 GemO RP: unter 3.000 Einwohner; SH: Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 45. 153  § 8 Abs. 3 S. 1 GemO-VV zu § 27 GemO RP: einer je angefangene 1.000 Einwohner.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

zu beachten, dass dort, wo Schaukästen vorhanden sind, eine Bekanntmachung in diesen erwartet wird und deshalb entsprechend vorzunehmen ist154. Eine Bekanntmachung im Internet ist nicht in allen Bundesländern gesetzlich vorgesehen und wird in der Fachliteratur auch noch nicht überall berücksichtigt. Jedenfalls in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein ist diese Bekanntmachungsform zulässig155. Ob dies ohne ausdrückliche Normierung auf andere Bundesländer übertragbar ist, erscheint angesichts der detaillierten Anforderungen, die in den vorhandenen Regelungen an Bekanntmachungen im Internet gestellt werden, fraglich. Eine Bekanntmachung kann in Niedersachsen und Schleswig-Holstein durch Verkündung im Internet mittels Bereitstellung auf einer Internetseite nur dann erfolgen, wenn diese in ausschließlicher Verantwortung der Kommune betrieben wird. Darüber hinaus ist auf die Bekanntmachung im Internet in einer Zeitung nachrichtlich hinzuweisen. Die örtliche Tageszeitung, in der hingewiesen wird, ist, ebenso wie die Internetadresse, in der Hauptsatzung festzulegen. Nichtsdestotrotz wird eine digitale Bekanntmachung ohne konkrete gesetzliche Grundlage auch in Bayern für zulässig erachtet156. Grund dafür ist wohl, dass in Bayern Form und Verfahren der Bekanntmachung generell nicht formell oder materiell gesetzlich geregelt werden. Jedenfalls in den Bundesländern, in denen Verfahrensvorschriften und Konkretisierungspflichten bestehen, muss im Sinne der Rechtssicherheit vor einer Bekanntmachung im Internet das Verfahren zumindest auf kommunaler Ebene präzisiert werden. Die niedersächsische und die schleswig-holsteinische Regelung zeigen Wege auf, wie trotz der Tatsache, dass nach wie vor nicht jeder Bürger mit den neuen Medien vertraut ist, eine Modernisierung von Verwaltungsprozessen behutsam und insbesondere unter Berücksichtigung der älteren Generation ermöglicht werden kann, so dass der Digitalisierung des privaten und beruflichen Alltags Rechnung getragen werden kann ohne die Einbeziehung aller Bürger zu riskieren. (3) Vollzug Die Bekanntmachung ist grundsätzlich mit Ablauf des Erscheinungstags vollzogen157. Im Fall der Bekanntmachung eines Sitzungstermins mittels in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 36. NKomVG, vgl. noch zur alten Rechtslage Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 9 S. 173; § 1 Abs. 4, § 4 BekanntVO SH. 156  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 S. 2, Rn. 3. 157  § 6 Abs. 1 BekanntmVO NRW; § 10 Abs. 2 GemO-VV zu § 27 GemO RP; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 16. 154  Koch, 155  § 11



II. Tatsächliche Voraussetzungen161

Aushangs darf die Bekanntmachung jedoch frühestens am Tag nach der Sitzung abgenommen werden158. Sie ist insoweit gegen unbefugte Abnahme oder Zerstörung zu sichern159. Die Bekanntmachung muss vom Vorsitzenden persönlich unterschrieben und zu den Akten genommen werden160. Im Fall eines Aushangs sind der Zeitpunkt des Aushangs und der Abnahme zu bescheinigen161. bb) Inhalt Die Bekanntmachung muss nach dem übereinstimmenden Wortlaut der Regelungen aller Bundesländer Zeit, Ort und Tagesordnung enthalten162. Der Zeitpunkt ist unter Nennung des Tages (Datums) und der Uhrzeit anzugeben163. Der Hinweis auf einen Zeitrahmen, zum Beispiel „Beginn nach Beendigung einer Ortsbesichtigung“, ist zu vage164. Die Angabe des Sitzungsortes muss in einer auch für Nichtgemeindeangehörige verständlichen Bezeichnung erfolgen165. (1) Keine Verzichtbarkeit der Tagesordnung Nach einer Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofs soll auf die Bekanntmachung der Tagesordnung verzichtet werden können, wenn diese in der Bekanntmachung versehentlich fehle166. Grund dafür sei, dass es keine Gewähr für die Einhaltung der Tagesordnung gebe167. 158  Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, §  58 Rn. 15a; § 6 Abs. 2 S. 2 BekanntmVO NRW; § 10 Abs. 4 S. 2 GemO-VV zu § 27 GemO RP. 159  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 65. 160  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. 5.1 S. 29. 161  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 14; § 8 Abs. 3 S. 4 GemO-VV zu § 27 GemO RP. 162  Siehe zu den einzelnen landesrechtlichen Bestimmungen Kapitel aa) Form und Verfahren der Bekanntmachung, S. 155 f.; zu den Anforderungen, die aus dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit an die Termin-, Zeit- und Ortswahl folgen, siehe Kapitel c) Terminierung, S. 177 ff. und d) Sitzungsort, S. 185 ff. 163  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 17. 164  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 2. 165  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 2; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 17. 166  VGH Kassel, Beschluss vom 18.07.1978 – V TH 24/78, Die Fundstelle 1979, 238 (238 f.); VG Göttingen, Beschluss vom 15.02.1996 – 5 A 57/04, KommP N 1996,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden168. Zwar gibt es kein Recht auf Behandlung bekanntgemachter Tagesordnungspunkte, aus dem Öffentlichkeitsgebot folgt aber, dass grundsätzlich keine Tagesordnungspunkte behandelt werden dürfen, die nicht zuvor bekanntgemacht worden sind169. Daraus ergibt sich, dass, wenn schon einzelne Tagesordnungspunkte nur ausnahmsweise ohne Bekanntmachung mit auf die Tagesordnung aufgenommen werden dürfen, erst recht nicht auf die Bekanntmachung der gesamten Tagesordnung verzichtet werden kann. Bereits nicht ordnungsgemäß formulierte Tagesordnungspunkte schlagen auf die Beschlussfassung selber durch170. Für die Entscheidung, einer öffentlichen Sitzung beizuwohnen, sind nicht die Sitzung als solche, sondern die zur Beratung anstehenden Themen maßgeblich171. Fehlende oder unvollständige Tagesordnungen in einer Bekanntmachung halten der Öffentlichkeit damit eine maßgebliche Entscheidungsgrundlage vor. Unerheblich ist es daher auch, ob die Bekanntmachung durch einen Fehler, der außerhalb des Machtbereichs des Bürgermeisters lag, erfolgt ist172. Die Information der Öffentlichkeit über die Sitzungsinhalte ist Voraussetzung für die praktische Verwirklichung des Öffentlichkeitsgrundsatzes173. Die Bekanntmachung dient in diesem Sinne auch der Information der Bürger über Inhalt und Ablauf von Sitzungen, wenn die Bürger nicht an der Sitzung 185 (185); dem folgend Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 58 Rn. 15; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 58 Ziff. 6 S. 338 f.; Schmidt/ Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO § 58 Rn. 16. 167  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. 5.4. S. 29; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 3. 168  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 7 S. 10. 169  Siehe zur „Bindungswirkung“ der bekannt gemachten Tagesordnung Kapitel (3) Nachträgliche Änderungen der Tagesordnung, S. 201 ff. 170  Oberverwaltungsgericht Mannheim, Urteil vom 24.06.2002 – 1 S 896/00, NVwZ-RR 2003, 56 (57 f.); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 37; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 4 S. 314. 171  VerfGH NRW, Beschluss vom 09.04.1976 – VerfGH 58/75, OVGE MüLü 31, 309 (311); VG Arnsberg, Urteil vom 06.09.1988 – 4 K 110/88, NVwZ 1990, 592 (592); VG Leipzig, Beschluss vom 06.04.2000 – 6 K 223/00, BeckRS 2000, 31330742; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 5; Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 68; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 35; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 1. S. 15. 172  A. A. wohl Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 2. S. 16, mit Verweis auf VGH Kassel, Beschluss vom 18.07.1978 – V TH 24/78, Die Fundstelle 1979, 238 (238 f.). 173  Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (35) mit Verweis auf die Gesetzesbegründung zur GO BY in LT-Drs. 2/1140 S. 38.



II. Tatsächliche Voraussetzungen163

teilnehmen wollen174. Sie werden auf diese Weise befähigt, Kritik zu üben und die gewählten Vertreter zu kontrollieren175. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht Lüneburg, sollen Unklarheiten in der Bekanntmachung hinsichtlich der Sitzungszeit unbeachtlich sein, da diese durch einfaches Nachfragen geklärt werden könnten und die Sitzungsöffentlichkeit daher nicht beeinträchtigen176. Diese Entscheidung ist, selbst wenn man ihr inhaltlich folgt177, nicht auf das Fehlen der Tagesordnung in der Bekanntmachung oder Unklarheiten bezüglich dieser übertragbar, da es nicht zumutbar ist, die gesamte Tagesordnung abzufragen, um herauszufinden, ob eine Sitzungsteilnahme von Interesse ist178. (2) Bekanntmachungspflicht nicht öffentlicher Sitzungen Mitunter wird vertreten, dass die Bekanntmachungspflicht „naturgemäß“ nicht für nicht öffentliche Sitzungen bzw. Sitzungsteile gelte179. Grund dafür sei, dass die Bekanntmachung nur die Funktion habe, eine Teilnahme an den Sitzungen zu ermöglichen, diese bei nicht öffentlichen Sitzungen bzw. Sitzungsteilen aber ohnehin nicht möglich ist und die Bürger daher kein legitimes Interesse daran hätten, die Tagesordnung zu erfahren180. Dementspre174  Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 5 S. 314; n. n., in: Hofmann/Beth/ Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 7 S. 10; a. A. Blum, in: Blum/ Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 45, der das Konkretisierungserfordernis der Tagesordnung alleine auf die Funktionsfähigkeit der Volksvertretung zurückführt. 175  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u.  a., KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. V. 1. S. 15. 176  OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); zur Notwendigkeit der Tagesordnung in der Bekanntmachung und den Rechtsfolgen beim Fehlen siehe ausführlich im Kapitel aa) Keine Unbeachtlichkeit von Bekanntmachungsmängel, S. 434 ff. und bb) Keine Entbehrlichkeit der Tagesordnung, S. 437 ff. 177  Siehe zur Frage dieser „Heilungsmöglichkeit“ beim Fehlen einer Orts- oder Zeitangabe im Kapitel cc) Keine Nachreichbarkeit fehlender oder ungenauer Ortsoder Zeitangaben, S. 438 ff. 178  So auch Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 9 S. 172. 179  Vetter, KommP By 1995, 88 (88); Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 1; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 69; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 9; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 5; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 8; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10, S. 18. 180  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 1.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

chend wird mitunter auch die genaue Angabe der Sitzungszeit für nicht öffentliche Sitzungsteile für entbehrlich gehalten181. Dieser Ansatz verkennt jedoch, dass die Bekanntmachung, insbesondere der Tagesordnung, auch den Zweck erfüllt, die Öffentlichkeit darüber zu informieren welche Themen behandelt werden182. Es besteht ein Bedürfnis die Öffentlichkeit, die die kommunale Volksvertretung repräsentiert, auch über die Beratungsgegenstände zu informieren, die nicht öffentlich beraten werden183. Nur wenn die Wähler über die Themen informiert sind, können sie – im Sinne einer Willensbildung vom Volk zum Staat – Kontakt mit den gewählten Volksvertretern aufnehmen und – gemäß der dem Volk obliegenden Kontrolle über den Staat – beurteilen, ob die Beratungen aus legitimen Gründen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Nur weil eine Sitzung nicht öffentlich, d. h. unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden kann184, bedeutet dies nicht, dass die Sitzung an sich geheim gehalten werden darf185. Andernfalls wäre die Ausübung des demokratischen Kontrollrechts durch den Wähler nicht möglich. Diese können bei geheimen Sitzungen, von deren Existenz sie nichts erfahren, weder nachvollziehen im welchem Umfang die kommunalen Volksvertretung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammentritt, noch von der Möglichkeit Gebrauch machen, nach Wegfall des Ausschlussgrunds in die Niederschriften einzusehen186, weil sie auch von deren Existenz nichts wissen können. Der Verzicht auf die Bekanntmachungspflicht bei nicht öffentlichen Sitzungen oder Sitzungsteilen könnte das Volk vollständig seiner Kontrollfähigkeit und damit in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10, S. 17. in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 8; Bösche, NWVBl. 2021, 507 (508); a. A. Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 45, der davon ausgeht, dass das Konkretisierungs­ erfordernis der Tagesordnung alleine der Funktionsfähigkeit der Volksvertretung geschuldet ist; Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (36). 183  Landesverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 31.05.1958 – 3 K 520/57, zit. nach Dufhues, SKV 1960, 71 (71); Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 13 m. w. N. 184  Siehe zu den Gründen aus denen ein Ausschluss der Öffentlichkeit zulässig ist im Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff. und E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 185  Abweichend von diesem Verständnis, wonach geheime Sitzungen sich von nicht öffentlichen Sitzungen dadurch unterscheiden, dass die Öffentlichkeit keine Kenntnis von dem Sitzungstermin erhalten soll, nutzt Gönnewein den Begriff der „geheimen Sitzung“ für nicht öffentliche Beratungen, die dauerhaft der Verschwiegenheitspflicht unterfallen, d. h. nicht irgendwann nachträglich bekannt gemacht werden, Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 285. 186  Siehe zu diesem Recht im Kapitel 3. Sitzungsnachbereitung unter a) Protokoll­ einsicht, S. 226 ff. 181  Rücker,

182  Philipsen,



II. Tatsächliche Voraussetzungen165

seiner Souveränität berauben. Es besteht folglich ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit auch über die Beratungsgegenstände unterrichtet zu werden, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt werden187. Vor dem Hintergrund der Funktion des Öffentlichkeitsprinzips und angesichts der Bedeutung der Bekanntmachung für dessen faktische Realisierung umfasst die Bekanntmachungspflicht daher auch nicht öffentliche Sitzungen und nicht öffentliche Sitzungsteile188. Auf eine präzise Zeitangabe einer nicht öffentlichen Sitzung kann nur dann verzichtet werden, wenn diese unmittelbar an die öffentliche Sitzung anschließt und durch die Abhängigkeit vom Umfang der vorangegangenen Beratungen nicht exakt bestimmt werden kann. Dass sich die Bekanntmachungspflicht auch auf die Tagesordnungen nicht öffentlicher Sitzungen erstreckt189, folgt auch aus dem Wortlaut der Kommunalverfassungen, die hinsichtlich der Bekanntmachungspflicht gerade nicht zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzungen oder Sitzungsteilen unterscheiden, obwohl dies ohne Weiteres möglich ist und mitunter bei anderen Regelungsgegenständen auch so praktiziert wird190. Der Schutz der Güter, auf die durch die Nichtöffentlichkeit Rücksicht genommen werden muss, ist dadurch zu gewährleisten, dass statt detaillierten nur allgemeine Bezeichnungen der Tagesordnungspunkte gewählt werden191. 187  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 1 S. 16; Landesverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 31.05.1958 – 3 K 520/57, zit. nach Dufhues, SKV 1960, 71 (71). 188  Dufhues, SKV 1960, 71 (XX) mit Verweis auf Landesverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 31.05.1958 – 3 K 520/57; VerfGH NRW, Beschluss vom 09.04.1976 – VerfGH 58/75, OVGE MüLü 31, 309 (311); Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 35; Gentner, KommP MO 1992, 40 (40); Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 13; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 9; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 23; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5.3 S. 30; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 5; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.1 S. 2; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 3. S. 667 f.; so auch der Umkehrschluss aus § 29 Abs. 6 S. 2 KV M-V. 189  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5 S. 8; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 3. S. 667 f.; Schuster/ Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 1. S. 16. 190  Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (35 f.). 191  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 38, 47, der vertritt, dass es hinsichtlich der detailierteren Informationspflicht gegenüber den Mandatsträgern sogar notwendig sein kann, zwei Fassungen der Tagesordnung zu erstellen: Eine mit allgemeinen Formulierungen für die Öffentlichkeit und eine präzisiere für die kommunale Volksvertretung; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 19 S. 318; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5 S. 9;

166

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Dem entsprechen die ausdrücklichen Regelungen in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, wonach die Tagesordnungen nicht öffentlicher Sitzungen nur insoweit bekannt gemacht werden müssen, als dass dadurch der Zweck der Nichtöffentlichkeit nicht gefährdet wird192. Von einer Zweckgefährdung, die den vollständigen Verzicht auf eine Bekanntmachung rechtfertigt, ist erst dann auszugehen, wenn bereits aus der abstrakten Angabe des Tagesordnungspunkts die Preisgabe der durch den Öffentlichkeitsausschluss zu schützenden Güter resultieren würde193. Aus den vorgenannten Gründen stößt § 59 Abs. 5 NKomVG auf rechtliche Bedenken. Nach dieser Regelung kann in niedersächsischen Kommunen eine Bekanntmachung unterbleiben, wenn „die Vertretung zu einer nicht öffent­ lichen Sitzung einberufen wird“. Voraussetzung für den Wegfall der Bekanntmachungspflicht ist danach alleine, dass die Öffentlichkeit von der Sitzung ausgeschlossen wird. Im Gegensatz dazu ist in allen anderen Bundesländern Voraussetzung, dass durch die Bekanntmachung der Zweck des Öffentlichkeitsausschlusses gefährdet werden würde. Dementsprechend sehen die Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Thüringen Ausnahmen von der Bekanntmachungspflicht ausdrücklich nur dann vor „insoweit dies der Zweck der Nichtöffentlichkeit erfordert“. Konsequenz des § 59 Abs. 5 NKomVG sind geheime Sitzungen, selbst wenn die Information der Öffentlichkeit über Ort, Zeit und Tagesordnung (zumindest in vereinfachter Form) den Zweck der Nichtöffentlichkeit nicht gefährden würde. Eine Rechtfertigung für diese Beeinträchtigung der Sitzungsöffentlichkeit in Form der fehlenden Bekanntmachung setzt die niedersächsische Kommunalverfassung nicht voraus. Dies verstößt gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der Öffentlichkeit in der Ausprägung des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit.

Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (36 f.); Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 7 S. 10; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5.3 S. 30; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 1 S. 15; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 7 S. 4; s. dazu auch Nr. 5 VV zu § 34 GemO RP. 192  § 29 Abs. 6 S. 2 KV M-V; § 34 Abs. 6 S. 2 GemO RP, Nr. 5 VV zu § 34 GemO RP; § 35 Abs. Abs. 6 S. 2 ThürKO; so auch Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.1 S. 2 bzgl. Art. 52 GO BY, der diesbezüglich jedoch keine ausdrückliche Regelung trifft. 193  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. 5.3 S. 30; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 1 S. 16; a. A. Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 18, der aus der thüringischen Regelung schließt, dass die Bekanntmachungspflicht für nicht öffentliche Tagesordnungen generell entfalle.



II. Tatsächliche Voraussetzungen167

Zur Vereinbarkeit der Bekanntmachungspflicht mit der thüringischen Regelung, dass eine nachträgliche Erweiterung der Tagesordnung ohne Bekanntmachung möglich ist, sofern eine Beratung im nicht öffentlichen Sitzungsteil stattzufinden hat, § 35 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 ThüKO, wird im Kapitel zur Änderung der Tagesordnung eingegangen194. (3) Fortsetzungstermin Die Bekanntmachungspflicht gilt auch für den Fall, dass eine Sitzung unterbrochen und an einem anderen Tag fortgesetzt wird. Zu einer solchen Fort­ setzungssitzung muss nicht nur formell eingeladen werden195, Ort, Zeit und Tagesordnung des Fortsetzungstermins sind auch ordentlich bekanntzumachen196. Wird erwartet, dass wegen des Umfangs der Tagesordnung diese mög­ licherweise nicht abgearbeitet werden kann, darf bereits mit der Einladung zum ersten Termin vorsorglich zur Fortsetzungssitzung geladen werden197. Eine solche vorsorgliche Einladung zu einem Fortsetzungstermin ist mit der Einladung zum ersten Termin bekannt zu machen198. Wird der Fortsetzungstermin in Anspruch genommen, muss dieser in diesen Fällen nicht erneut bekannt gemacht werden. Die Annahme, eine Bekanntmachung sei bei einer mehrtägigen Unterbrechung der Sitzung entbehrlich, weil in diesem Fall in der öffentlichen Sitzung der Fortsetzungstermin bekannt gegeben würde und der Bekanntmachungs194  Siehe dazu Kapitel e) Tagesordnung, S. 196 ff., insb. unter cc)  Nachträgliche Änderungen der Tagesordnung, S. 201 ff. 195  von Lennep, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 47 Ziff. II 3. S. 8. 196  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 15; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 11 S. 307; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2.3.2 S. 8. 197  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 3 S. 2. 198  So ausdrücklich aber vorgesehen in § 36 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf; OVG Lüneburg, Urteil vom 24.05.1984 – 6 C 15/83, 6 C 29/83, 6 C 31/83, NVwZ 1986, 53 (54); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 15, Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 11 S. 307; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 14; zumindest im Hinblick auf die Einladung n. n., in: Hofmann/ Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2 S. 6; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2.3.2 S. 8 und Ziff. 5.1 S. 29, bedingte Einladungen sind grundsätzlich unzulässig, etwas anderes gilt nur für voraussichtlich mehrtägige Sitzungen; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. III. 2 S. 9; a. A. Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 64; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 58 Rn. 16; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 9 S. 173, der zwischen einer (mehrtägigen) Unterbrechung und Vertagung unterscheidet.

168

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

pflicht dadurch ausreichend Rechnung getragen werde199, weil die interessierte Bürgerschaft zu diesem Zeitpunkt anwesend sei200, verkennt, dass am Folgetermin die potenzielle Öffentlichkeit auf diejenigen Zuschauer begrenzt ist, die beim Ausgangstermin anwesend waren201. Können diese eine Teilnahme nicht einrichten, tritt die kommunale Volksvertretung faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammen. Überdies ist nicht nachvollziehbar, warum Bürger, die den Ausgangstermin nicht wahrnehmen könnten, vom Fortsetzungstermin faktisch ausgeschlossen werden sollen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass eine Nichtteilnahme nicht zwingend auf Desinteresse zurückgeführt werden kann. Ursächlich kann beispielsweise auch eine Terminkollision sein. Wird ein Fortsetzungstermin nicht bekanntgemacht, sondern nur in der ursprünglichen Sitzung mitgeteilt, kommt dies einer Präklusion des Anwesenheitsrechts der nicht anwesenden Bürger wegen Fehlens gleich. Da niemand verpflichtet ist als Zuhörer einer Sitzung beizuwohnen, ihm jedoch das Recht auf eine Teilnahme zusteht, existiert für einen solchen Rechtsausschluss weder ein Bedürfnis noch eine Rechtsgrundlage. Von der zulässigen, vorsorglichen Einladung zu einem Fortsetzungstermin, ist eine unzulässige, bedingte Einladung, zum Beispiel für den Fall fehlender Beschlussfähigkeit beim ersten Termin, zu unterscheiden. Eine solche bedingte Einladung ist insbesondere für einen zweiten Sitzungstermin am gleichen Tag unzulässig202. cc) Ausnahme: Dringlichkeitssitzungen Die Pflicht zur Bekanntmachung der Tagesordnung stößt in zwei Fällen auf praktische Probleme: Zum einen, wenn eine Sitzung auf Grund von Dringlichkeit unter Ausschluss von Frist und Form einberufen wird; zum anderen, wenn einzelne Tagesordnungspunkte nach der Bekanntmachung 199  OVG Lüneburg, Urteil vom 24.05.1984 – 6 C 15/83, 6 C 29/83, 6 C 31/83, NVwZ 1986, 53 (54); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 2, 63; mit Bedenken Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 3 S. 668. 200  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 21; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 2 S. 16 f. 201  So im Ergebnis auch die Kritik von Reinicke, DNG 1978, 34 (36), der jedoch im Wesentlichen auf eine Verletzung der mandatschaftlichen Rechte auf eine ausreichende Vorbereitung abstellt und nicht auf das Teilnahmerecht der Öffentlichkeit. 202  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u.  a., KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. III. 2 S. 9; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 2 S. 3.



II. Tatsächliche Voraussetzungen169

oder sogar erst in der Sitzung aufgenommen werden. In beiden Fällen ist eine ordentliche Bekanntmachung nicht möglich. Wird eine Dringlichkeitssitzung einberufen, erfolgt die Ladung der Ratsmitglieder ohne Einhaltung der dafür vorgesehenen Frist203. Obwohl für die Bekanntmachung nicht die gleichen Fristen wie für die Einladung gelten204, ist auf Grund der Kurzfristigkeit bei Dringlichkeitssitzungen in der Regel eine ordentliche Bekanntmachung nicht zu gewährleisten. In Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen ist ausdrücklich geregelt, dass die Bekanntmachungspflicht in diesen Fällen entfällt205. In diesen drei Bundesländern müssen Dringlichkeitssitzungen folglich auch dann nicht bekannt gemacht werden, wenn eine Bekanntmachung ausnahmsweise trotz Dringlichkeit theoretisch möglich ist. In allen anderen Bundesländern entfällt die Bekanntmachungspflicht bei der Einberufung von Dringlichkeitssitzungen nur dann, wenn eine Bekanntmachung tatsächlich nicht möglich ist, beispielsweise, weil die nächste Zeitung oder das Amtsblatt erst nach der Dringlichkeitssitzung erscheint206. Die Bekanntmachungspflicht entfällt auf Grund von Dringlichkeit auch dann, wenn Tagesordnungspunkten, aus dringlichen Gründen nach der eigentlichen Bekanntmachung zu Beginn der Sitzung auf die Tagesordnung aufgenommen wurden207. Eine Bekanntmachung solcher Tagesordnungspunkte verfehlt den vorausgesetzten Zweck, der Öffentlichkeit die Sitzungsteilnahme zu ermöglichen, und darf deshalb unterbleiben208. Auf Grund des Informationsdefizits, welches dieses Verfahren zur Folge hat, sind die Mög203  § 34 Abs. 2 GemO BW (ohne Frist, formlos); Art. 45 Abs. 2 GO BY (Geschäftsordnungsvorbehalt); §  34 Abs.  4 BbgKVerf (Geschäftsordnungsvorbehalt); § 58 Abs. 1 S. 3 HGO (Verkürzung möglich; Zugang spätestens am Tag vor der Sitzung); § 29 Abs. 3 S. 1 KV M-V (Geschäftsordnungsvorbehalt); § 59 Abs. 1 S. 2 NKomVG (Geschäftsordnungsvorbehalt); § 47 Abs. 2 S. 1 GO NRW (Geschäftsordnungsvorbehalt); § 34 Abs. 3 S. 2 GemO RP (Landungsfrist von min. vier Kalendertage, kann verkürzt werden); § 41 Abs. 3 S. 4 KSVG SL (Fristverkürzung auf mindestens einen Tag); § 36 Abs. 3 S. 2, 5 SächsGemO (ohne Frist, formlos); § 53 Abs. 4 S. 5 KVG LSA (ohne Frist, formlos); § 34 Abs. 3 S. 2 GO SH (Landungsfrist von min. einer Woche kann unterschritten werden); § 35 Abs. 2 S. 3 ThürKO (Fristverkürzung auf mindestens 2 Tage). 204  Siehe dazu auch Kapitel dd) Abgrenzung zur Einladung, S. 152. 205  § 34 Abs. 2 2. Hs. GemO BW; § 36 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf; § 36 Abs. 4 S. 2 SächsGemO; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 6. 206  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 9; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5 S. 8; s. auch Nr. 3 VV zu § 34 GemO RP. 207  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 64. 208  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 64.

170

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

lichkeiten nachträglicher Erweiterung der Tagesordnung jedoch auf eng begrenzte Fälle beschränkt.209 In beiden vorgenannten Fällen ist Grund für den Wegfall der Bekanntmachungspflicht, die Dringlichkeit, auf Grund derer die kommunale Volksvertretung zusammentreten muss bzw. auf Grund derer ein Tagesordnungspunkt nachträglich auf die Tagesordnung aufgenommen wird. dd) Frist Bekanntmachungs- und Ladungsfrist sind strikt von einander abzugrenzen. Während erstere der Information der Bürgerschaft dient, soll zweitere den Volksvertretern auch eine inhaltliche Vorbereitung ermöglichen. Dementsprechend ist letztere naturgemäß länger bemessen210, ohne dass daraus Rückschlüsse auf die Bekanntmachungsfrist gezogen werden können. (1) Ausdrückliche Fristenregelungen Mit welcher Frist die Bekanntmachung vor der Sitzung zu erfolgen hat, ist lediglich in Bayern und Thüringen ausdrücklich geregelt. In Bayern muss die Bekanntmachung spätestens am dritten Tag, in Thüringen grundsätzlich am vierten, bei Dringlichkeit am zweiten Tag, vor der Sitzung erfolgen211. Bei der Drei-Tages-Frist gem. Art. 52 Abs. 1 S. 1 GO BY handelt es sich um eine Ablauffrist, bei deren Berechnung gem. §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 1 BGB der Tag der Bekanntmachung, nicht aber der Sitzungstag zu berücksichtigen ist212.

209  Siehe zu den Gründen dringlicher Sitzungen sowie zur Möglichkeit der nachträglichen Aufnahme von Tagesordnungspunkten Kapitel (2) Erweiterung der Tagesordnung nach Bekanntmachung, S. 204 ff. 210  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 17. 211  Bayern: § 52 Abs. 1 S. 1 GO BY; Thüringen: § 35 Abs. 6 S. 1 ThürKO. 212  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  52 Ziff. 1.1 S. 2; a. A. Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 2, der aus dem Wortlaut „es heißt nicht: drei Tage vor der Sitzung“ schließt, dass es sich nicht um eine Frist handelt und §§ 186 ff. BGB deshalb nicht anzuwenden seien; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 18, stellt ebenfalls auf den Wortlaut „Tag“ ab, nimmt aber keinen Bezug zur Anwendbarkeit der Fristenregelungen nach dem BGB.



II. Tatsächliche Voraussetzungen171

(2) Unverzügliche Bekanntmachung Schleswig-Holstein normiert keine Bekanntmachungsfrist, verlangt jedoch, dass diese unverzüglich213 durchzuführen ist. „Unverzüglich“ verlangt nach der Legaldefinition des § 121 BGB ein Handeln „ohne schuldhaftes Zö­ gern“214. Frühstmöglicher Zeitpunkt für die Bekanntmachung ist unmittelbar nach Festlegung des Sitzungstermins- und -ortes und der Aufstellung der Tagesordnung. Dies ist spätestens mit ordentlicher Ladung der Gemeindevertretung erfolgt. Die Ladungsfrist beträgt eine Woche, § 34 Abs. 3 S. 1 GO SH. Danach müsste die Bekanntmachung zeitgleich mit der Ladung, d. h. mindestens sieben Tage vor dem Sitzungstag erfolgen. Zu beachten ist jedoch, dass „unverzüglich“ nicht sofort bedeutet215. Dem Verpflichteten wird eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessende Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt216. Angesichts dessen, dass Zeit, Ort und Tagesordnung bereits zum Zeitpunkt der Ladung abschließend durchdacht worden sind, gibt es jedoch keinen Bedarf für eine längere Prüfungs- und Überlegungsfrist vor Bekanntmachungen. Es ist nicht ersichtlich, welche Erwägungen, die nicht bereits vor der Ladung erfolgt sein müssen, in diesem Zeitraum zu einer von der Ladung abweichenden Bekanntmachung führen könnten. Die Bekanntmachung ist daher bereits spätestens an dem Tag, an dem die Frist für die Ladung der Gemeindevertretung zu laufen beginnt, auf den Weg zu bringen217. (3) Rechtzeitige Bekanntmachung Die übrigen Bundesländer haben entweder keine Fristenregelung getroffen218, überlassen dies einer Präzisierung in der Hauptsatzung219 oder verlangen lediglich eine rechtzeitige220 Bekanntmachung. Welche Frist in diesen Fällen einzuhalten ist, insbesondere bis zu welchem Zeitpunkt von einer 213  § 34

Abs. 4 S. 2 GO SH. Schleswig, Beschluss vom 23.01.2013 – 6 B 1/13, Die Gemeinde 2013, 240 (240); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 47. 215  Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 121 Rn. 3. 216  BGH, Beschluss vom 15.03.2005 – VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869 (1869). 217  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 47; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 19 S. 318. 218  § 59 Abs. 5 NKomVG; § 48 Abs. 1 S. 5 GO NRW; § 34 Abs. 6 S. 1 GemO RP; § 41 Abs. 3 S. 2 KSVG SL; § 58 Abs. 6 HGO. 219  § 36 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 16. 220  § 34 Abs. 1 S. 7 GemO BW; § 29 Abs. 6 S. 1 KV M-V; § 36 Abs. 4 S. 1 SächsGemO; § 52 Abs. 4 KVG LSA. 214  VG

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

rechtzeitigen Bekanntmachung ausgegangen werden kann, hängt davon ab, welche Funktion der Bekanntmachung beigemessen wird. Unterschieden werden kann ein enges und ein weites Funktionsverständnis der Bekanntmachung. Nach dem engen Funktionsverständnis der Bekanntmachung erfolgt diese rechtzeitig, wenn es der Öffentlichkeit unter normalen Umständen möglich ist, vom Stattfinden der Sitzung Kenntnis zu erlangen und sich mit dem gebotenen Vorlauf auf die Sitzung einzustellen221. Maßgeblich ist folglich in erster Linie die Möglichkeit der Kenntniserlangung des Sitzungstermins, -inhalts und -ortes222, ohne dass ein Zeitraum für eine inhaltliche Auseinandersetzung für notwendig erachtet wird. Dementsprechend soll eine Bekanntmachung noch am Tag vor der Sitzung ausreichend sein223. Jedenfalls eine Frist von zwei Tagen soll genügen224. Eine Bekanntmachung am Tag der Sitzung soll nicht ausreichen225. Wird mit dem weiten Funktionsverständnis der Bekanntmachung angenommen, dass der Sinn einer Bekanntmachung auch darin besteht, den Bürgern die Möglichkeit zu geben, Informationen über die Beratungsgegenstände einzuholen, Kontakt mit den Mandatsträgern aufzunehmen und sich auf eine Sitzungsteilnahme einzustellen226, ist eine Bekanntmachung am Vortag zu

221  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 Ziff. 4 S. 168; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 12; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 24; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 12 S. 6; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 3 S. 668; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.1 S. 2. 222  OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); dieses Verständnis ausdrücklich unterstützend Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 63; OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 34. 223  Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, §  58 Rn. 15a, zumindest im Hinblick auf Dringlichkeitssitzungen; n. n., in: Hofmann/Beth/ Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5 S. 9; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 24; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5.1 S. 29; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 3. S. 17. 224  VerfGH NRW, Beschluss vom 09.04.1976 – VerfGH 58/75, OVGE MüLü 31, 309 (311); OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); VGH Kassel, VerwRspr. 1979 30, 196, zit. nach Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 58, Rn. 16; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 65; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 24. 225  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 16. 226  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 13; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 35; Kottenberg/Rehn, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen,



II. Tatsächliche Voraussetzungen173

kurzfristig. Erst recht gilt dies für eine Bekanntmachung am Sitzungstag227. Selbst eine Bekanntmachungsfrist von zwei Tagen kann kaum als rechtzeitig erachtet werden. Das weite Funktionsverständnis der Bekanntmachung wird mit dem Hinweis, dass dann eine nachträgliche Ergänzung einer einmal bekanntgemachten Tagesordnung immer unzulässig sein müsste, Hessen diese jedoch durch Beschluss mit Zweidrittelmehrheit zulässt, abgelehnt228. Zu beachten ist bei dieser Argumentation jedoch, dass Hessen das einzige Bundesland ist, dass eine nachträgliche Ergänzung der Tagesordnung lediglich an die Einhaltung eines Quorums knüpft. Alle anderen Bundesländern verlangen entweder ausdrücklich oder zumindest aus dem Gesetzeszusammenhang heraus Dringlichkeit oder Unaufschiebbarkeit229. Vor diesem Befund stellt sich die Frage, inwieweit die hessische Regelung überhaupt mit dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit vereinbar ist und ob sie nicht verfassungskonform so auszulegen ist, dass neben der formell einzuhaltenden Zweidrittelmehrheit materiell-rechtlich Dringlichkeit/Unaufschiebbarkeit gegeben sein muss230. Die Ausnahmeregelung in Hessen ist jedenfalls nicht geeignet aus ihr einen allgemeingültigen Rechtssatz abzuleiten, der Maßstab für die Bekanntmachungsfrist in allen Bundesländern – mit Ausnahme von Bayern, SchleswigHolstein und Thüringen – ist. Dogmatisch richtiger Ausgangspunkt für die Zweckbestimmung der Bekanntmachung ist das Grundgesetz. Die Bekanntmachung von Ort, Zeit und Tagesordnung der Sitzung dient als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Demokratische Mitbestimmung in Form der Willensbildung vom Volk zum Staat findet nicht nur durch den turnusmäßigen Wahlakt statt, sondern auch durch den kontinuierlichen Austausch zwischen Wähler und Gewähltem. Grundlage dessen ist, dass das Volk nicht erst über Ergebnisse, sondern bereits über anstehende Entscheidungen informiert wird. Diese Information sorgt für den Rechtfertigungsdruck, der die Volksvertreter zwingt ihre Positionen zu begründen und die Interessen des Volks mitzuberücksichtigen. Erst das durch Informationen mündige Volk ist in der Lage, die gewählten Volksvertreter § 33 Ziff. II S. 312 f.; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 1. S. 16. 227  Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 3 S. 668. 228  OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485). 229  Siehe zur Frage der nachträglichen Erweiterung der Tagesordnung auch Kapitel (2) Erweiterung der Tagesordnung nach Bekanntmachung, S. 204 ff. 230  Siehe dazu ausführlich im Kapitel (2) Erweiterung der Tagesordnung nach Bekanntmachung, S. 204 ff.

174

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

sowohl in demokratischer als auch in rechtsstaatlicher Hinsicht zu kontrollieren und damit seine Souveränität auszuüben.231 Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund verkürzt die Annahme, die Bekanntmachung von Ort, Zeit und Tagesordnung diene nur einer möglichen Sitzungsteilnahme, die demokratische und rechtsstaatliche Funktion der Bekanntmachung ohne Grund. Gerade die Bekanntmachung der Tagesordnung dient auch einer Information des Volks auf Grund dessen Meinungsbildung, Kommunikation und Kontrolle ermöglicht wird. Die Bekanntmachung dient folglich auch der Information der Bürger, die nicht an der Sitzung teilnehmen wollen232. Frühst möglicher Zeitpunkt der Bekanntmachung ist die Ladung der Ratsmitglieder. Mit Ablauf der Mindestladungsfrist steht einer Änderung der Sitzungsmodalitäten bereits das Recht der Ratsmitglieder auf eine angemessene Vorbereitungszeit entgegen233. Ab dem Zeitpunkt der Ladung besteht mithin kein Grund nicht auch die Öffentlichkeit zu informieren. Die Ladung hat mit einer „angemessenen Frist“234, gemäß der Fristenbestimmung in der Geschäftsordnung235, einer Frist von mindestens drei236 bzw. vier237 Tagen oder einer Woche238 zu erfolgen. Wird lediglich die Einhaltung einer angemessenen Frist verlangt oder die Fristenbestimmung der kommunalen Geschäftsordnung überlassen, werden reguläre Mindestladungsfristen zwischen einer Woche und drei Tagen für zulässig erachtet239. 231  Siehe zu diesem Funktionszusammenhang ausführlich mit der Angabe von Quellen Kapitel II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51 ff. 232  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 7 S. 10. 233  OVG Greifswald, Beschluss vom 02.09.1994 – 1 M 163/94, zit. nach Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 12; Bock, in: Kunze/ Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 5. 234  § 34 Abs. 1 S. 1 GemO BW (in der Regel mindestens sieben Tage vor dem Sitzungstag); Art. 46 Abs. 2 S. 2 GO BY; § 36 Abs. 3 S. 1 SächsGemO. 235  § 34 Abs. 4 BbKVerf; § 59 Abs. 1 S. 2 NKomVG; § 47 Abs. 2 S. 1 GO NRW. 236  § 58 Abs. 1 S. 2 HGO; § 29 Abs. 3 S. 2 KV M-V; § 41 Abs. 3 S. 3 KSVG SL. 237  § 34 Abs. 3 S. 1 GemO RP; § 35 Abs. 2 S. 1 ThürKO. 238  § 53 Abs. 4 S. 2 KVG LSA; § 34 Abs. 3 S. 1 GO SH. 239  BW: drei Tage bis eine Woche, Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 Ziff. 2 S. 166; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 4, 8; BY: zwischen sieben und 14 Tagen, Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 46 Ziff. 5.2 S. 10; drei Tage in dringenden Fällen, Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 46 Rn. 9; BB: mehr als drei volle Tage, Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 18; Nds: min. eine Woche, Blum, in: Blum/ Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 16, 20; Koch, in: Ipsen, NKomVG,



II. Tatsächliche Voraussetzungen175

Anzuerkennen ist, dass selbst bei Annahme des weiten Funktionsverständnisses der Bekanntmachung der Vorbereitung der gewählten Volksvertreter mehr Zeit eingeräumt werden muss als derjenigen durch Zuschauer. Daraus folgt, dass auch nach dieser Ansicht eine rechtzeitige Bekanntmachung nicht, wie in Schleswig-Holstein, unverzüglich (nach Ladung) erfolgen muss. Eine entsprechende Interpretation würde auch nicht vom Wortlaut der jeweiligen Landesgesetze gedeckt werden, da diese eben keine „unverzügliche“ Bekanntmachung vorschreiben. Im Hinblick auf das enge Funktionsverständnis der Bekanntmachung ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass eine Bekanntmachung, die erst am Vortag erfolgt, eine Sitzungsteilnahme „unter normalen Umständen“ bei realistischer Betrachtung nicht möglich macht. Zum einen werden die in Frage kommenden Bekanntmachungsmedien nicht täglich abgerufen, so dass eine Bekanntmachung am Vortag viele Bürger erst nach dem Sitzungstermin erreichen würde. Zum anderen ist davon auszugehen, dass einer Sitzungsteilnahme nicht mehr verschiebbare berufliche Verpflichtungen, familiäre Aufgaben oder private Verabredungen entgegenstehen. Dementsprechend muss in Thüringen selbst bei Dringlichkeitssitzungen eine Bekanntmachung spätestens am zweiten Tag vor der Sitzung erfolgen. Der Annahme, die maßgebliche Frist stehe in Abhängigkeit von der Bekanntmachungsform240 oder der Größe der Gemeinde241, kann nicht gefolgt werden. Bereits in der Zulässigkeit einer Bekanntmachungsform ist die Größe der Gemeinde zu berücksichtigten. Eine Bekanntmachung durch Aushang kommt deshalb ohnehin grundsätzlich nur in kleineren Gemeinden in Betracht242. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass gemessen an der Fläche und der Einwohnerzahl der Gemeinde ausreichend Bekanntmachungs­ tafeln vorhanden sind243. Eine darüber hinausgehende Kompensation der Nachteile durch Bekanntmachung in Form eines Aushangs erscheint nicht § 59 Rn. 8; NRW: min. drei Tage, von Lennep, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 47 Ziff. II. 3 S. 6; drei bis sieben Tage vor der Sitzung, Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 3 S. 668; SN: drei Tage bis eine Woche, Menke, in: Menke/ Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 6; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 5 S. 3, 4; ST: min eine Woche, Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 53 Rn. 18. 240  Bekanntmachung durch Aushang am dritten Tag vor der Sitzung soll bei 6.500 Einwohnern nicht ausrechend sein, Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 18 mit Verweis auf VG Cottbus, Urteil vom 08.12.2005 – 4 K 372/04. 241  Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 8 vertritt für größere Gemeinden eine Bekanntmachungsfrist von einer Woche. 242  Siehe dazu Kapitel i. Festlegung von Form und Verfahren der Bekanntmachung, S. 156. 243  Siehe dazu Kapitel i. Festlegung von Form und Verfahren der Bekanntmachung, S. 156.

176

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

notwendig und stößt außerdem auch auf praktische Bedenken. Sind in einer Gemeinde verschiedene Bekanntmachungsverfahren vorgeschrieben, hätte der Ansatz zur Folge, dass innerhalb dieser Gemeinde verschiedene Fristen für die Bekanntmachung gelten würden. Mag man von einer kommunalen Verwaltung die Handhabung zweier Fristen für den gleichen Vorgang noch erwarten dürfen, ist jedoch davon auszugehen, dass diese in der Bürgerschaft zu Irritationen führen würden. Gegen die Notwendigkeit einer längeren Frist in größeren Gemeinden spricht, dass für die Angemessenheit der Frist nicht maßgeblich ist, wie viele Menschen von der Bekanntmachung Kenntnis erlangen müssen, sondern in welcher Zeit davon auszugehen ist, dass der Durchschnittsbürger von der Bekanntmachung Kenntnis erlangt. Dabei ist unerheblich, ob Viele oder Wenige Kenntnis erlangen müssen. Aus der Gesamtschau der bundesweiten Fristenregelungen für die Ladung und Bekanntmachung kommunaler Ratssitzungen folgt im Ergebnis, dass eine Bekanntmachung regulärer Sitzungen drei Tage vor der Sitzung wohl als angemessen eingestuft werden muss244. Im Sinne der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit ist zu empfehlen, die Bekanntmachung mit der Ladung vorzunehmen245 und die Frist durch eine klarstellende Regelung in der Hauptsatzung zu präzisieren246. ee) Bindungswirkung der Bekanntmachung Die Bekanntmachung entfaltet im Hinblick auf Ort, Zeit und Inhalt der Sitzung Bindungswirkung247. Eine kurzfristige Änderung der Sitzungszeit ist grundsätzlich nicht zulässig. Während eine zeitliche Vorverlegung einer Sitzung ausgeschlossen ist248, bestehen jedoch keine Bedenken gegen einen kurzfristigen Aufschub des Sitzungsbeginns, wenn beispielsweise auf Grund einer unvorhergesehenen Verkehrslage zahlreiche Mandatsträger verspätet eintreffen, da ein solcher 244  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 Ziff. 4 S. 168; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 9; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 36; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 8 (bei kleineren Gemeinden drei Tage); Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 12 S. 6. 245  Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 35. 246  Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 36. 247  Zur Bindung an die festgesetzte Tagesordnung, siehe Kapitel (3) Nachträgliche Änderungen der Tagesordnung, S. 201 ff. 248  Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 313; Teschke, in: Bennemann/Daneke/ Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 17.



II. Tatsächliche Voraussetzungen177

Aufschub zur Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretung beiträgt und auch im Interesse der teilnehmenden Öffentlichkeit ist. Erscheinen mehr Zuschauer als erwartet oder kann die Sitzung auf Grund äußerer Umstände nicht in dem bekannt gemachten Sitzungsraum stattfinden, zum Beispiel wegen eines Wasserrohrbruchs, Heizungs- oder Stromausfalls, und existiert in unmittelbarer Nähe, das heißt beispielsweise innerhalb des gleichen Gebäudes, ein Raum, der dem Andrang besser gewachsen ist, ist ein solche (kleinräumige) Verlegung des Sitzungsortes zulässig249. Zur Wahrung der Sitzungsöffentlichkeit ist dafür Voraussetzung, dass am ursprünglichen Raum ein entsprechender Hinweis für Nachzügler angebracht wird und mit dem Sitzungsbeginn so lange gewartet wird, dass jedem eigentlich rechtzeitig Anwesenden der Raumwechsel bis zur Eröffnung der Sitzung ermöglicht wird250. Dieses Vorgehen stellt einen angemessen Ausgleich zwischen der Bindungswirkung der Bekanntmachung und der Wahl eines angemessenen Tagungsraums, welche beide Ausfluss des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit sind, dar251. Auf die Bindung an die bekanntgemachte Tagesordnung wird im Kapitel „Änderung der Tagesordnung“ ausführlich eingegangen252. c) Terminierung Die Entscheidung, ob und wann die kommunalen Volksvertretung zusammentritt obliegt grundsätzlich dem Verwaltungsleiter bzw. Vorsitzenden. Ihm kommt der diesbezügliche Beurteilungsspielraum zu, der nach pflichtgemäßem Ermessen auszuüben ist.253

in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 5. in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 18; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 4; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 183; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 3 S. 668. 251  Zur Rechtfertigung eines unangemessenen Sitzungsraums siehe Kapitel d) Sitzungsort und -raum ab S. 185, insb. bb) Angemessener Sitzungsraum, ab S. 190 und 3. Jedermanns-Recht der Zugänglichkeit, S. 267 ff. 252  cc) Nachträgliche Änderungen der Tagesordnung, S. 201 ff. 253  S. zur Zuständigkeit und zum Anlass der Einberufung Kapitel a) Zuständigkeit, ab S. 148, insb. cc) Ermessensspielraum, S. 151 f. 249  Teschke, 250  Blum,

178

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

aa) Sitzungsbedarf Die Einberufung der kommunalen Volksvertretung erfolgt nach Bedarf. Sie ist grundsätzlich dann einzuberufen, wenn es die Geschäftslage erfordert254. Das Ermessen zur Einberufung wird lediglich durch die Vorgabe einer Mindestzahl von Sitzungen255 und durch ein formell ordnungsgemäßes Einberufungsverlangen, das je nach Bundesland einer qualifizierten Zahl von Mitgliedern der kommunalen Volksvertretung, dem Verwaltungsleiter/Vorsitzendem, einer Fraktion und – unter besonderen Umständen – in Niedersachsen auch einzelnen Mandatsträgern zusteht, eingeschränkt256. 254  BW: „wenn die Geschäftslage es erfordert“, § 34 Abs. 1 S. 2 GemO BW; BY: Ermessensreduzierung auf null, wenn der Zusammentritt des Gemeinderats erforderlich ist, Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 46 Rn. 6; pflichtgemäßes Ermessen des Bürgermeisters, Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 46 Ziff. 5.1 S. 7; mit Verweis auf Art. 56 Abs. 2 GO BY, Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO  BY, Art. 46 Rn. 9; BB: „so oft es die Geschäftslage erfordert“, § 34 Abs. 1 S. 4 BbgKVerf; HE: „tritt […] so oft zusammen, wie es die Geschäfte erfordern“, § 56 Abs. 1 S. 1 HGO; MV: „so oft es die Geschäftslage erfordert“, § 29 Abs. 2 S. 1 KV M-V; Nds: „so oft es die Geschäftslage erfordert“, § 59 Abs. 2 S. 3 NKomVG; NRW: „so oft es die Geschäftslage erfordert“, § 47 Abs. 1 S. 3 GO NRW; RP: „nach Bedarf“, § 34 GemO RP, d. h. „wenn Angelegenheiten, für die der Gemeinderat zuständig ist, entscheidungsreif und -bedürftig sind“, Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2.2 S. 4; SL: „nach Bedarf“, § 41 Abs. 1 S. 1 KSVG SL; SN: „wenn es die Geschäftslage erfordert“, § 36 Abs. 3 S. 3 SächsGemO; ST: „so oft es die Geschäftslage erfodert“, § 53 Abs. 3 S. 1 KVG LSA; SH: „so oft es die Geschäftslage erfordert“, § 34 Abs. 1 S. 2 GO SH; TH: „sobald der Geschäftsanfall einen Zusammentritt des Gemeinderats erfordert“, Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 2 S. 1. 255  § 34 Abs. 1 S. 2 GemO BW: min. einmal im Monat; § 56 Abs. 1 S. 1 HGO: min. alle zwei Monate; § 47 Abs. 1 S. 3 GO NRW: „soll wenigstens alle zwei Monate“; § 34 Abs. 1 S. 3 GemO RP: „soll mindestens vierteljährlich“; § 53 Abs. 5 S. 1 KVG LSA: unverzügliche Einberufung, wenn letzte Sitzung länger als drei Monate zurückliegt; § 34 Abs. 1 S. 3 GO SH: min. einmal im Vierteljahr, kürzere Mindestfrist durch Hauptsatzung möglich; § 35 Abs. 1 S. 3 ThürKO: soll min. vierteljährlich. 256  § 34 Abs. 1 S. 3 GemO BW: ein Viertel der Gemeinderäte; Art. 46 Abs. 2 S. 3 GemO BY: ein Viertel der ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder; § 34 Abs. 2 ­BbgKVerf: ein Fünftel der Gemeindevertreter, der Haupsverwaltungsbeamte oder ein Zehntel oder eine Fraktion unter Angabe des Beratungsgegenstands frührstens drei Monate nach der letzten Sitzung; § 56 Abs. 1 S. 2 HGO: ein Viertel der Gemeindevertreter, der Gemeindevorstand oder der Bürgermeister; § 29 Abs. 2 S. 2 KV M-V: ein Viertel aller Mitglieder, eine Fraktion oder der Bürgermeister; § 59 Abs. 2 S. 4 NkomVG: ein Drittel der Vertretung oder der Hauptausschuss oder, wenn letzte Sitzung länger als drei Monate zurück liegt, ein Abgeordneter; § 47 Abs. 1 S. 4 GO NRW: ein Fünftel der Mitglieder, eine Fraktion; § 34 Abs. 1 S. 4 GemO RP: ein Viertel der Mitglieder; § 41 Abs. 1 S. 2 KSVG SL: Fraktion oder ein Viertel der Mit-



II. Tatsächliche Voraussetzungen179

Ein Bedürfnis für eine Einberufung besteht bereits dann, wenn Angelegenheiten, für die die kommunale Volksvertretung zuständig ist, entscheidungsreif und -bedürftig sind. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme der Mandatsträger ist eine Sitzung jedoch nicht für einzelne Tagesordnungspunkte einzuberufen257. Eine Sitzung ist spätestens dann einzuberufen, wenn die Zahl der zu Beratung und Beschlussfassung anstehenden Gegenstände die in einer Sitzung zu bewältigende Höchstzahl erreicht. Anlass zur Einberufung besteht auch dann, wenn die Notwendigkeit einer Entscheidung absehbar ist. Dabei muss nicht die Abwendung einer Gefahr oder die Vermeidung von Nachteilen beabsichtigt sein, denn bereits „Gesichtspunkte der Verfahrensbeschleunigung“ rechtfertigen die Durchführung einer Sitzung. Dabei müssen auch keine Entscheidungen anstehend, ausreichend ist es die Mandatsträger zu informieren oder Anfragen zu beantworten258. bb) Sitzungstag und -beginn Bei der Festlegung des Sitzungstags und des Sitzungsbeginns hat die kommunale Volksvertretung grundsätzlich kein Mitspracherecht259. Sie kann dementsprechend keine „Sitzungsferien“ beschließen. Entsprechende Beschlüsse stellen lediglich Vorschläge dar260. Auch ist die Vorgabe einer Uhrzeit in der Geschäftsordnung nicht bindend261. glieder; § 36 Abs. 3 S. 4 SächsGemO: ein Fünftel der Mitglieder; § 53 Abs. 5 S. 1 KVG LSA: ein Viertel der Mitglieder der Vertretung; § 34 Abs. 1 S. 4 GO SH: ein Drittel der Mitglieder und auf Verlangen des Bürgermeisters; § 35 Abs. 1 S. 3 ThürKO: ein Viertel der Gemeinderatsmitglieder. 257  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. 2.2 S. 4. 258  Zum Anlass einer Einberufung s. Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 18. 259  VGH Mannheim, Urteil vom 11.06.1991 – 1 S 780/90, ESVGH 41, 283 (285); OVG Saarlouis, Urteil vom 05.05.1976 – III R 16/76, SKZ 1976, 170 (170 f.); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 3; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 3 S. 305; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2.2 Abs. 4 S. 5 m. w. N.; Lehné/Weirich/Gros, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 41 S. 1; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 2 S. 3; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 1 S. 164 f.; a. A. Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 2 der den Beschluss einer Richtlinie durch den Rat, in der u. a. der übliche Sitzungsbeginn vorgegeben wird, für zulässig erachtet. 260  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 1; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 9; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 1 S. 3; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 53 Rn. 12; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. II. 2 S. 5. 261  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 2 S. 3.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Eine Ausnahme davon stellt die sächsische Regelung dar, nach der sächsische Gemeinderäte über Ort und Zeit ihrer regelmäßigen Sitzungen beschließen, § 36 Abs. 2 SächsGemO. Auch in Bayern soll der Gemeinderat durch Geschäftsordnung den üblichen Ort und Zeitpunkt der Sitzungen festlegen können262. In Schleswig-Holstein besteht die Möglichkeit durch Beschluss einen Sitzungsrhythmus festzulegen263. In Mecklenburg-Vorpommern kann in der Geschäftsordnung ein Zeitraum festgelegt werden, innerhalb dessen die Gemeindevertretung einzuberufen ist, auch wenn die Geschäftslage dies nicht bereits erfordert264. Aus dem Öffentlichkeitsgebot folgt, dass Sitzungstag und -beginn so zu wählen sind, dass eine Sitzungsteilnahme für die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen wird. Unter einem Ausschluss in diesem Sinne ist nicht zu verstehen, wenn einzelne an einer Teilnahme gehindert werden. Da eine Terminierung, die tatsächlich jedem eine Teilnahme ermöglicht, faktisch unmöglich ist, ist die Zielmaxime bei der Terminierung, dass möglichst viele Bürger teilnehmen können265. Die divergierenden Interessen der Betroffenen sind gegeneinander abzuwägen266. Es ist daher sowohl auf die beruflichen Verhältnisse der Ratsmitglieder und der Bevölkerung Rücksicht zunehmen267, als auch auf die Inte­ ressen der Verwaltungsangestellten, die an der Sitzung teilzunehmen haben268. (1) Wahl des Sitzungstags Üblicherweise finden Ratssitzungen unter der Woche und nicht am Wochenende statt. Ob Sitzungen an Sonn- und Feiertagen oder in der allgemeinen Urlaubszeit zulässig sind, wird unterschiedlich beurteilt269. Die Fest­ 262  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller

Rn. 9.

u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46

in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 3. in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 10. 265  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 6; zum Interessenausgleich s. auch Gramlich, DÖV 1982, 139 (147); Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 19. 266  OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.06.1982 – 2 B 27/82, DNG 1982 34, 359 (359); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 9. 267  Zum Anspruch auf einen Sitzungsbeginn nach Feierabend, OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 38; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 9; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. II. 7 S. 8. 268  OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.06.1982 – 2 B 27/82, DNG 1982 34, 359 (359); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 9. 269  Sitzungen an Sonn- und Feiertagen sind nach dem Gesetz für Sonn- und Feiertage nicht zulässig, Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 6; Dehn, in: 263  Dehn,

264  Gentner,



II. Tatsächliche Voraussetzungen181

legung eines solchen Termins wird jedoch ohne sachlichen Grund ermessensfehlerhaft sein, da sie ohne Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Betroffenen erfolgt270. Nur wenn es erforderlich sein sollte, kann eine Sitzung ohne Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot an Sonn- oder Feiertagen oder in der Urlaubszeit angesetzt werden271. In der Regel wird bereits am Ende des Vorjahres ein Plan mit allen Sitzungsterminen für das nächste Jahr erstellt, so dass es allen Beteiligten möglich ist sich frühzeitig (deutlich vor der förmlichen Einladung und Bekanntmachung) auf den Termin einzustellen, wenngleich rechtliche Relevanz nur der ordnungsgemäßen Ladung und Bekanntmachung zukommt. (2) Festlegung des Sitzungsbeginns Ein Rechtsanspruch der Ratsmitglieder oder der Bürger auf einen bestimmten Sitzungsbeginn oder eine zeitliche Grenze existiert nicht272. Das Dispositionsrecht wird nur durch den Öffentlichkeitsgrundsatz eingeschränkt273. Bei der Festlegung des Sitzungsbeginns treffen verschiedene Interessengruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen aufeinander. Die „unabweisliche Lebenswirklichkeit“ ist zu berücksichtigen274. Zuschauer haben weder einen Anspruch auf Freistellung gegenüber ihrem Arbeitgeber für die Teilnahme an einer Sitzung, noch erhalten sie irgendeine Art finanziellen Ausgleich. Für sie stellt ein Sitzungsbeginn während der üblichen Arbeitszeiten faktisch einen Sitzungsausschluss dar. Das OVG Saarlouis relativiert die Bedeutung dieses Umstands mit Hinweis darauf, dass zum einen bereits aus tatsächlichen Gründen nicht jedermann an jeder Sitzung teilnehmen kann, weil dies auf etwas Unmögliches hinauslaufen würde, und zum anderen, dass davon auszugehen sei, dass auch nicht jedermann bei jeder Sitzung teilnehmen will. Berufliche und private Hindernisse ließen sich von den Betroffenen grundsätzlich durch zumutbare Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 7, S. 307; ebenso Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 13, S. 7; a. A. VG Braunschweig, Urteil vom 18.07.1963 – I A 42/63, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 9, wonach Sitzungen an gesetzlichen Feiertagen nicht ausgeschlossen sein sollen. 270  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 9. 271  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 15. 272  OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.06.1982 – 2 B 27/82, DNG 1982 34, 359 (359); OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 39; VGH Mannheim, Urteil vom 11.06.1991 – 1 S 780/90, ESVGH 41, 283 (285). 273  Lehné/Weirich/Gros, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 41 S. 1. 274  OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 35; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 23.

182

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Vorkehrungen jedenfalls gelegentlich ausräumen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass für eine Sitzungsteilnahme nicht nur der Beginn der Sitzung, sondern deren gesamte Dauer von Bedeutung sei.275 Bei hauptberuflichen Amts- oder Organwaltern, gleich ob diese der Legislative oder der Exekutive angehören, können Sitzungen grundsätzlich den ganzen Tag über einberufen werden. Das Interesse der Mandatsträger an einem frühen Feierabend steht in diesem Fall hinter dem Interesse der Bürgerschaft, an den Sitzungen (nach Feierabend) teilnehmen zu können, zurück. Dies ergibt sich aus einer Abwägung zwischen den Belangen der Bediensteten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG und dem Bedürfnis die Sitzungen in das „gemeinschaftliche Alltagsleben eines Sozialstaats“ einzubinden276. Anders ist dies auf gemeindlicher Ebene, wo die Mandatsträger in der Regel ehrenamtlich tätig sind. Im Interesse der Mandatsträger ist ein Sitzungsbeginn nach dem Ende der üblichen Arbeitszeit277. Auch wenn im Konfliktfall die beruflichen Verpflichtungen zugunsten der Mandatsausübung zurücktreten278, muss auf die beruflichen Verhältnisse der Mandatsträger Rücksicht genommen werden279. Während angestellten oder verbeamteten Mandatsträgern eine Sitzungsteilnahme durch den gesetzlichen Freistellungsanspruch gegenüber dem jeweiligen Arbeitsgeber ermöglicht wird280, erfolgt für selbstständige Ratsmitglieder aus dem frühen Sitzungsbeginn ein unmittelbarer (finanzieller) Nachteil281. Die Ratsmitglieder erhalten für ihre Tätigkeit zwar eine Aufwandsentschädigung, diese soll aber nur den Aufwand, der durch die Sitzungsvorbereitung und -teilnahme entsteht abgelten. Eine Kompensation finanzieller Einbußen im beruflichen Bereich kann durch die Aufwandsentschädigungen nicht geleistet werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass auch der Freistellungsanspruch Arbeitnehmer nicht vor eventuellen beruflichen Nachteilen absichert. Rechtlich sind diese zwar ausgeschlossen, faktisch besteht jedoch zumindest die Sorge 275  OVG

Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 36. DÖV 1982, 139 147. 277  A. A. Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 17. 278  OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.06.1982 – 2 B 27/82, DNG 1982 34, 359 (359). 279  VGH Mannheim, Urteil vom 11.06.1991 – 1 S 780/90, ESVGH 41, 283 (285); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 9. 280  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 24; Gramlich, DÖV 1982, 139 (147); VGH München vom 25.02.1970 – 150 IV 68, VGHE BY 24, 129 (130). 281  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 9. 276  Gramlich,



II. Tatsächliche Voraussetzungen183

eines jeden Arbeitnehmers, dass die Inanspruchnahme des Freistellungsanspruchs zumindest zu Nachteilen bei Beförderungen oder Gehaltserhöhungen führen kann. Auf der anderen Seite sind aber auch die schutzwürdigen Bedürfnisse der zur Teilnahme verpflichteten Verwaltungsangestellten zu berücksichtigen282. Aus der Fürsorgepflicht des Bürgermeisters gegenüber seinen Mitarbeitern folgt, dass die Sitzungszeit mit Rücksicht auf eine zumutbare Arbeitszeit zu wählen ist. Ein regelmäßiger Sitzungsbeginn nach der regulären Arbeitszeit stellt eine Vernachlässigung dieser Fürsorgepflicht dar. Ein Sitzungsbeginn nach Feierabend kann im Übrigen die Aufgabenerfüllung durch die kommunale Volksvertretung beeinträchtigen, wenn die Sitzungen in die Nacht andauern und die Konzentrationsfähigkeit der (i. d. R. berufstätigen) Mandatsträger beeinträchtigt ist283. Die Größe einer Gemeinde hat auf die vorstehenden dargestellten Interessenlagen keinen selbstständigen Einfluss und ist daher bei der Ermittlung des Zeitfensters in denen Sitzungen einberufen werden dürfen, nicht zu berücksichtigen284. (3) Zulässige Sitzungszeiten Die Sitzungszeit muss so gewählt werden, dass „breite Teile aller Bevölkerungsgruppen – insbesondere auch der Berufstätigen – die zumutbare Möglichkeit haben, derart an Ratssitzungen teilzunehmen, daß [sic!] sie sich ein klares Bild über die Sitzungstätigkeit des Rats verschaffen können“285. Unzulässig ist die Terminierung eines Sitzungsbeginns zur „Unzeit“. Wird die Allgemeinheit durch die Wahl des Sitzungsbeginns grundsätzlich an einer Teilnahme gehindert, ist diese mit dem Grundsatz der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit nicht vereinbar. Außerdem verstößt dies gegen die Interessen der Mandatsträger und der Verwaltungsmitarbeiter. Unter „Unzeit“ ist unzweifelhaft ein Sitzungsbeginn in der Nacht anzusehen286. Als Nacht ist 282  OVG

Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 36. in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2.2.3 S. 6; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 17. 284  A. A. Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 285  OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 39; dem folgend Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 15; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 27. 286  Ebenfalls einen Sitzungsbeginn in der Nacht ablehnend, Höhlein, in: Gabler/ Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2.2.3 S. 6. 283  Höhlein,

184

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 758a Abs. 4 ZPO jedenfalls die Zeit von 21:00 bis 6:00 Uhr zu verstehen287. Unbedenklich ist hingegen, wenn die Sitzung über 24:00 Uhr hinausgeht288. Solche „Nachtsitzungen“ dürfen jedoch nicht die Regel sein; ggf. ist dies durch die Aufstellung der Tagesordnung zu vermeiden289. Fraglich ist, ob auch Sitzungstermine während der üblichen Arbeitszeiten, zwischen ca. 8:00 und 17:00 Uhr, in der „Unzeit“ liegen und damit gegen das Öffentlichkeitsgebot verstoßen. Ein Sitzungsbeginn am Vormittag stellt eine einseitige Berücksichtigung der Interessen der Verwaltungsmitarbeiter zu Lasten der Öffentlichkeit und der Ratsmitglieder dar. Koch vertritt daher die Auffassung, dass Sitzungen innerhalb der (Kern-)Arbeitszeiten nur aus besonderen Gründen zulässig seien290. Anders hingegen Blum, der auch Sitzungen innerhalb der normalen Arbeits- und Geschäftszeiten für zulässig erachtet291. Ein Sitzungsbeginn am (späten) Nachmittag bringt alle Interessen in einen angemessen Ausgleich. Die Gemeinderäte sollen, sofern ein Sitzungsturnus landesgesetzlich vorgegeben ist, monatlich bis vierteljährlich, zusammenkommen292. Jährlich finden folglich 4 bis 12 Sitzungen statt. Sowohl Ratsmitgliedern, als auch Zuschauern ist es zumutbar für diese überschaubare Anzahl an Terminen einen (etwas) früheren Feierabend oder Urlaub zu organisieren. Zugleich ist von Mitarbeitern der Kommunalverwaltung zu erwarten, dass diese auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten für einzelne Sitzungstermine zur Verfügung stehen293.

287  Ähnliche Zeiträume definiert auch das Immissionsschutzrecht als Unzeit: 22:00 bis 6:00 Uhr, § 9 Abs. 1 LImSchG NRW; 23:00 bis 7:00 Uhr, vgl. Anhang 1 RL 2002/49 EG (Umgebungslärmrichtlinie) vom 25. Juni 2002. 288  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.2. 289  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  52 Ziff. 3. 290  Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 3; ähnlich Gentner, KommP MO 1992, 40 (40). 291  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 15. 292  § 34 Abs. 1 S. 2 GemO BW, min. einmal im Monat; § 56 Abs. 1 S. 1 HGO, „min. sechs mal im Jahr“; § 47 Abs. 1 S. 3 GO NRW, „min. alle zwei Monate“; § 34 Abs. 1 S. 3 GemO RP, min. vierteljährlich; § 53 Abs. 5 S. 1 KVG LSA, unverzügliche Einberufung, wenn letzte Sitzung länger als drei Monate zurückliegt; § 34 Abs. 1 S. 3 GO SH, min. einmal im Vierteljahr; § 35 Abs. 1 S. 3 ThürKO, soll min. vierteljährlich. 293  Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 3.



II. Tatsächliche Voraussetzungen185

Dementsprechend wird durch den regelmäßigen Beginn der Sitzungen um ca. 16:00 Uhr das Öffentlichkeitsgebot nicht verletzt294. Da es sich bei der Festlegung der Sitzungszeit um eine Ermessensentscheidung handelt, ist diese Uhrzeit nicht als unverrückbare Grenze zu verstehen. Unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen, ist vielmehr davon auszugehen, dass jedenfalls jede Sitzungszeit ab 15:00 Uhr vom Ermessen des Bürgermeisterns gedeckt und mit dem Öffentlichkeitsgebot vereinbar ist. Im Einzelfall wird auch eine Terminierung in den Morgenstunden zulässig sein295. (4) Keine Bindung durch jahrelange Übung Aus der langjährigen Praxis einer Kommune, Sitzungen zu einer bestimmten Uhrzeit einzuberufen, folgt keine Bindung an die übliche Terminierung. Wird nach jahrelanger Übung eine andere Sitzungszeit gewählt, soll daraus eine besondere Hinweispflicht folgen296. Dem mag aus praktischen Gesichtspunkten zugestimmt werden, rechtlich genügt hingegen die schlichte, korrekte, neue Angabe der Uhrzeit. Es ist sowohl von der Öffentlichkeit, als auch von den Mandatsträgern zu erwarten, dass diese die Einladung bzw. Bekanntmachung des Sitzungstermins so aufmerksam lesen, dass Sie die Uhrzeit des Sitzungsbeginns wahrnehmen. Die besondere Betonung einer abweichenden Uhrzeit ist aus rechtlicher Sicht daher nicht erforderlich. d) Sitzungsort und -raum Die Kompetenz des Bürgermeisters/Hauptverwaltungsbeamten bzw. Vorsitzenden, die Sitzung einzuberufen, beinhaltet auch die Befugnis zur Bestimmung des Sitzungsortes297. Dieser ist nach pflichtgemäßem Ermessen

294  OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 38: 16:15 Uhr; VGH Mannheim, Urteil vom 30.06.1982 – 5 S 314/81, VBlBW 1983, 106 (107): 16:00 Uhr; zustimmen auch Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 15; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 19; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 26 für einen Sitzungsbeginn um 16:15 Uhr; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. b) S. 673 für einen Sitzungsbeginn um 16:15 Uhr. 295  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 17. 296  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 17. 297  OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (160); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 11; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 2 S. 3.

186

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

festzulegen298. Grenzen der Organisationsbefugnis ergeben sich aus dem Willkürverbot und dem Öffentlichkeitsgrundsatz299. Grundsätzlich sollte der Sitzungsort so gelegen sein, dass er möglichst vielen eine Teilnahme ermöglicht300. Das Öffentlichkeitsgebot verlangt aber keine Wahl des Sitzungsortes, der am besten verkehrlich angebunden ist301. Es handelt sich um eine Einzelfallabwägung, die nicht abstrakt getroffen werden kann. Der Entscheidungsspielraum bei der Wahl des Sitzungsortes wird in erster Linie durch das Willkürverbot begrenzt302. Unzulässig ist daher die Erwägung, durch weiter entfernt liegende Räumlichkeiten Zuschauer vom Besuch der Sitzung abzuhalten. aa) Örtlichkeit (1) Sitzungen am Rand des Gemeindegebiets Fraglich ist, ob der Sitzungsort auch im Randbereich einer Stadt oder außerhalb der Gemeinde liegen darf. Die Wahl eines weit von der Gemeinde entfernt liegenden Sitzungsorts kann zum faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit führen. Ein langer Anfahrtsweg ist dabei nicht nur ein psychisches Hemmnis. Es ist auch praktisch ungleich schwieriger, einen Termin mit einer langen Anfahrt einzurichten. Dennoch ist die zurückzulegende Distanz zum Sitzungsort grundsätzlich kein Kriterium, das der Wahl eines Sitzungsortes entgegensteht303. Eine Sitzung am Rand des Gemeindegebiets ist für die dort wohnenden Bürger besser 298  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 46 Rn. 6; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 13 S. 308; Glaser/Hermann/ Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 9; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 4 f.; von Lennep, in: Rehn/Cron­ auge, GO NRW, § 47 Ziff. 2 S. 3, Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5.1 S. 29. 299  Ministerium des Inneren und Sport (ISM) Rheinland-Pfalz, Zur Frage der Zulässigkeit öffentlicher Ratssitzungen außerhalb des Gemeindegebiets vom 25.09.1996, 331/17 002-3 (34/35), zit. nach Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 5. 300  Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 13 S. 308; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 3; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 19; Wagner, in: Kleerbaum/ Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 671. 301  OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (161); a. A. wohl Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 302  OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (161); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 11. 303  A. A. Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 6.



II. Tatsächliche Voraussetzungen187

erreichbar. Die Wahl eines solchen Sitzungsortes stellt daher schon deshalb keinen Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot dar, weil das Öffentlichkeitsprinzip nicht nur die Berücksichtigung der Mehrheitsinteressen erfordert, sondern auch Minderheiten gegenüber offen ist (Integrationswirkung)304. Auch Sitzungsorte, die mehrere Kilometer außerhalb des Ortskerns einberufen werden, verstoßen daher nicht gegen das kommunale Öffentlichkeitsgebot. (2) Sitzungen außerhalb der Gemeinde Auf den ersten Blick scheint vor diesem Hintergrund auch ein Sitzungsort außerhalb der Gemeindegrenzen nicht per se ausgeschlossen, denn die Durchführung einer Sitzung der kommunalen Volksvertretung stellt keine Ausübung von Hoheitsgewalt dar305. Ein solcher Sitzungsort kann zumindest für einen Teil der Bürgerschaft abhängig vom Gemeindegebiet besser erreichbar sein, als einer auf dem Gemeindegebiet. Es besteht jedoch weitgehende Einigkeit darüber, dass Sitzungen der kommunalen Volksvertretung grundsätzlich innerhalb des Gemeindegebiets stattzufinden haben306. Ausnahmen sind nur unter besonderen Umständen denkbar307, beispielsweise wenn eine außerhalb der Kommune gelegene Einrichtung besichtigt werden soll308 oder bei einer gemeinsamen Sitzung mit der kommunalen Volksvertretung einer Nachbargemeinde309. 304  OVG

Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (161). in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52

305  Wachsmuth,

Ziff. 3. 306  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 11; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 21; Gramlich, DÖV 1982, 139 (141); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 4; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 19; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 S. 145; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 S. 3 Ziff. 1; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 24; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 3; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.2; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO § 58 Rn. 16; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 6; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 1 S. 165, § 64 Ziff. 1, S.  184; a. A. Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 15. 307  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 11; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. II. 6. S. 8; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 308  Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 184. 309  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1 S. 170; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 13 S. 7; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

(3) Wechselnde Sitzungsorte Wechselnden Sitzungsorten steht das Öffentlichkeitsgebot nicht entgegen310, sofern aus der Einladung bzw. Bekanntmachung der Sitzung der Ort eindeutig hervorgeht. Zwar hat die regelmäßige Durchführung der Sitzungen in einem zentralen, eigens dafür hergerichteten Raum den Vorteil, dass einem größeren Bevölkerungsteil die Möglichkeit einer Sitzungsteilnahme eröffnet wird. Dezentrale und wechselnde Sitzungsräume bergen jedoch den Vorteil, auch der Bevölkerung an den Ortsrändern eine Teilnahme zu ermöglichen (Inte­ grationswirkung). Beide Zielsetzungen entsprechen der demokratischen Intention des Öffentlichkeitsgebots. Sie sind damit gleichwertig. Bei der Frage nach wechselnden oder stetigen Sitzungsorte handelt es sich folglich nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine politische Entscheidung.311. (4) Mobile Sitzungsorte Rechtliche Bedenken werden gegen Sitzungen an beweglichen Orten, beispielsweise Schiffen, geltend gemacht312. Im Sinne der Öffentlichkeit kommt die Wahl eines solchen Sitzungsortes zweifelsfrei nicht in Betracht, wenn die Zugänglichkeit nicht über die gesamte Sitzungszeit gewährleistet wird, weil ein späteres Erscheinen interessierter Bürger einen Ausschluss von der Sitzung bedeuten würde313. Dementsprechend ist eine Sitzung in einem fahrenden Bus, zum Beispiel anlässlich einer Ortsbesichtigung, unzulässig314. Gleiches gilt für eine Sitzung, die während einer Ortsbegehung oder eines Waldrundgangs stattfinden soll315. Ist die Zugänglichkeit während der gesamten Sitzung hingegen gewährleistet, weil zum Beispiel das Schiff, auf dem getagt wird, über einen Steg erreichbar ist und nicht ablegt, ist nicht nachvollziehbar, warum dort keine KVR HE, HGO, § 52 Rn. 6; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. b) S. 673 f. 310  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 11; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 16; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 306 Rn. 466. 311  OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (160 f.). 312  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 70; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1 S. 170; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 13 S. 7. 313  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 4. 314  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 S. 2. 315  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 4.



II. Tatsächliche Voraussetzungen189

Sitzung stattfinden soll. Die potenzielle Mobilität eines Orts stellt solange kein Ausschlussgrund dar, wie von dieser während der Sitzung kein Gebrauch gemacht wird und der Sitzungsort zweifelsfrei angegeben und identifiziert werden kann. (5) Maßstab: tatsächliche Erreichbarkeit Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach dem Öffentlichkeitsgebot Maßstab für die Zulässigkeit eines Sitzungsortes dessen tatsächliche Erreichbarkeit während der gesamten Sitzungsdauer ist. Daraus folgt, dass keine Sitzungsorte abstrakt ausgeschlossen werden können. Sowohl eine Kaserne, ein Pfarrsaal, als auch eine Privatwohnung kommen als Sitzungsort in Betracht, wenn ein ungehinderter Zugang für jedermann gewährleistet wird316. Persönliche Abneigungen von Sitzungsteilnehmern gegen einen Sitzungsort, z. B. wegen Ablehnung der Institution Bundeswehr oder Kirche, sind unerheblich317. Damit ein entlegener Sitzungsort durch die Erschwernis der Erreichbarkeit keinen Verstoß gegen die Zugänglichkeit darstellt, ist es möglich Abhilfe durch die kostenlose Benutzungsmöglichkeit eines Verkehrsmittels zu schaffen318. Ein unzugänglicher Sitzungsort, z. B. eine im Wald gelegene Schutzhütte, die nicht über eine öffentliche Straße erschlossen ist, verstößt hingegen gegen das Öffentlichkeitsgebot319. Nicht haltbar erscheint die These, dass besonders abgelegene Sitzungsorte zwar unter Umständen zulässig seien, während der Sitzungen an diesen Orten ggf. aber keine Beschlüsse gefasst werden dürfen320, denn unter dieser Prämisse kann die Zusammenkunft nicht als Sitzung einer kommunalen Volksvertretung qualifiziert werden321. 316  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 15; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 4; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 317  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 4; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 318  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  52 Ziff. 3. 319  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 S. 3 Nr. 1; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 4. 320  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 11; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 13 S. 308. 321  Zum Begriff der Sitzung siehe Kapitel aa) Begriff der Einberufung und der Sitzung, S. 149 ff.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

bb) Angemessener Sitzungsraum Der Sitzungsraum einer kommunalen Volksvertretung muss einen „würdigen Rahmen“ für die Sitzung bieten und es der Öffentlichkeit ermöglichen, „ohne besondere Erschwernis an den öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats teilzunehmen“322. Das bedeutet insbesondere, dass der Sitzungsraum eine angemessene Größe haben muss323, welche von der Einwohnerzahl der Kommune abhängt324. Der Raum hat nicht nur Platz für die Mandatsträger, den Verwaltungsleiter/Vorsitzenden und die übrigen zur Anwesenheit verpflichteten Verwaltungsmitarbeiter zu bieten, sondern muss auch der Öffentlichkeit eine Teilnahme ermöglichen325. Der Sitzungsraum muss dabei, alleine weil dies in größeren Kommunen schon tatsächlich nicht möglich ist, nicht so bemessen sein, dass er theoretisch alle Bürger aufnehmen könnte326. Die Ermessensausübung hat sich im Wesentlichen an der zu erwartenden Zuhörerzahl zu orientieren327. Ausreichend ist, wenn die übliche oder durchschnittliche Zahl der Zuschauer auf­ genommen werden kann328. Maßgeblich ist das „typische Interesse an Sit­ zungen“329. Insofern stellt eine angemessene Größe des Sitzungsraums eine zulässige Beschränkung des Zugangsrechts der Öffentlichkeit dar330. Ist der Zuschauerbereich besetzt, besteht kein Anspruch auf Zugang weiterer Besucher331.

322  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u.  a., KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. II. 6. S. 8; siehe zur Frage der Teilnahmeerschwernis auch Kapitel cc) Barrierefreiheit, S. 192 ff. 323  Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284. 324  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 S. 145. 325  VGH Mannheim, Urteil vom 30.06.1982 – 5 S 314/81, VBlBW 1983, 106 (107); BayObLG, Beschluss vom 30.11.1981 – 1 Ob OWi 331/81, BayObLGSt 1981, 186 (186 f.); Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2. 326  Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284. 327  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 7. 328  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 26; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 671. 329  So wörtlich Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 306 Rn. 466; Rabeling, NVwZ 2010, 411 (411) m. w. N.; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.2; ähnlich auch Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 313. 330  Reichsgericht, Urteil vom 08.07.1892 – 2078/92, RGSt 23, 218 (220); Reichsgericht, Urteil vom 03.10.1913 – II 809/13, RGSt 47, 322 (322). 331  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 7; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3; siehe dazu auch im Kapitel b) Quantitative Beschränkungen, S. 278 ff.



II. Tatsächliche Voraussetzungen191

Zwar folgt aus der Verhandlungsöffentlichkeit keine Pflicht zur Ausweitung der bestehenden Kapazitäten332, wird eine größere Zahl an Zuschauern erwartet, gebietet es das Gebot der Öffentlichkeit jedoch, andere Sitzungsräumlichkeiten zu prüfen und diese ggf. in Anspruch zu nehmen333. So ist es durchaus zumutbar, dass die kommunale Volksvertretung auf Grund des gesteigerten öffentlichen Interesses nicht in dem üblichen Sitzungssaal tagt, sondern sich in einer Turn-334 oder Stadthalle trifft. Wenn mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, verbietet das Prinzip der Öffentlichkeit den Raum zu wählen, der voraussichtlich nicht ausreichen wird335. Es darf unter mehreren verfügbaren Räumen jedoch ein Kleinerer gewählt werden, wenn auf andere Weise erwartete Störungen nicht verhindert werden können336. Denkbar ist auch die Nutzung von Räumlichkeiten anderer lokaler Behörden oder auch die Anmietung privaten Eigentums337. Insbesondere in letzterem Fall muss darauf geachtet werden, dass der Zugang tatsächlich und rechtlich jedermann möglich ist338. Zu denken ist hier insbesondere an von privaten Eigentümern ausgesprochene Hausverbote gegenüber potenziellen Zuhörer. Mitunter sollen für die Sicherstellung der Zugänglichkeit privater Sitzungsräumlichkeiten vertragliche Vereinbarungen zwingend notwendig sein339. Sollte eine Raumbeschaffung im privaten Bereich auf Widerstand

332  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105; Schliesky, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 42 Rn. 28 zur Sitzungsöffentlichkeit des Bundestags; s. zum Verfahren bei unzureichenden Raumkapazitäten, Kapitel b) Quantitative Beschränkungen, S. 278 ff. 333  Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 21; Gramlich, DÖV 1982, 139 (141); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 4; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 3; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.2; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 26; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 671. 334  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 7. 335  Gramlich, DÖV 1982, 139 (147). 336  VGH Mannheim, Urteil vom 30.06.1982 – 5 S 314/81, VBlBW 1983, 106 (107). 337  Ministerium des Inneren und Sport (ISM) Rheinland-Pfalz, Zur Frage der Zulässigkeit öffentlicher Ratssitzungen außerhalb des Gemeindegebiets vom 25.09.1996, 331/17 002-3 (34/35), zit. nach Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 6; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 15. 338  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170. 339  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 1.

192

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

stoßen, kann auch eine zwangsweise Inanspruchnahme in Betracht kommen340. Sind die vorhandenen Sitzungsräumlichkeiten dem Besucherandrang dauerhaft nicht gewachsen und bestehen keine Ausweichmöglichkeiten in andere öffentliche oder private Räumlichkeiten, folgt aus dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit die Pflicht zur Errichtung eines geeigneten Gebäudes341. cc) Barrierefreiheit Versperrte Zugänge und Zufahrten stellen ein unzulässiges Zugangshindernis dar, auch wenn nur ein Teil der potenziellen Zuhörer beeinträchtigt wird342. Aktuell spielen die staatlichen Bemühungen um Inklusion343, das heißt der gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen unabhängig von geistigen Fähigkeiten, körperlicher Konstitution oder sozialer Herkunft, eine immer bedeutenderer Rolle344. Die mediale Aufmerksamkeit liegt dabei besonders im Bereich des Schulwesens. Inklusion betrifft jedoch alle Lebensbereiche, insbesondere auch die politische Teilhabe und öffent­ liche Einrichtungen. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie inklusive Anforderungen auch auf die kommunale Sitzungsöffentlichkeit einwirken.

340  Gramlich, DÖV 1982, 139 (147), der darauf hinweist, dass die zwangsweise Raumbeschaffung zumindest im Freistaat Bayern untersagt ist Art. 7 Abs. 4 PAG (GVBl. 1978 S. 561); s. zu den dabei einzuhaltenden hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen aber z. B. Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 13 Rn. 57 ff., insb. Rn. 63. 341  Gramlich, DÖV 1982, 139 (147); Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 7. 342  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 12; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 4. 343  Bedeutung von „Inklusion, die“ laut Duden: „3. a. (Soziologie) das Miteinbezogensein; gleichberechtigte Teilhabe an etwas; Gegensatz Exklusion“, s. http://www. duden.de/rechtschreibung/Inklusion – zuletzt geprüft am 17.09.2013. 344  Vgl. „Nationaler Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention – Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft“, September 2011, http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a740nationaler-aktionsplan-barrierefrei.pdf?__blob=publicationFile – zuletzt geprüft am 17.09.2014.



II. Tatsächliche Voraussetzungen193

(1) Rechtsgrundlagen Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts wurde eine Vielzahl nationaler und internationaler Regelungen mit dem Ziel der Inklusion erlassen. In Deutschland begann die gesetzliche Verankerung 1994 mit dem verfassungsrechtlichen Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderung in Art. 3 Abs. 3 S. 2  GG345. Die Träger öffentlicher Gewalt sind dadurch verpflichtet auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken346. Der Begriff der Behinderung ist umfassend als „die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht“347 zu verstehen. Es folgten internationale Vereinbarungen. Am 23. und 24. März 1995 tagte im spanischen Barcelona der Europäische Kongress unter dem Titel „Die Stadt und die Behinderten“. Aus diesem Anlass verpflichteten sich zahlreiche europäische Städte durch eine gemeinsame Erklärung, sich besonders für die Belange von Menschen mit Behinderungen einzusetzen348. Danach sollen die Kommunen „Personen mit Behinderungen Zugang zu allen, allgemein ausdrückt, Informationen über die städtische Gemeinschaft und das Gemeinwesen“ ermöglichen, sie „allgemein zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Gemeinde“ befähigen und dazu im Rahmen ihrer Befugnisse auch „Maßnahmen zur Umgestaltung von öffentlichen Plätzen und Gebäuden“ ergreifen349. Auch durch die UN-Behindertenrechtskonvention (Convention on the Rights of Persons with Disabilities – kurz CRPD350) haben sich die Vertragsstaaten351 unter anderem verpflichtet alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben zu ermöglichen, Art. 29 CRPD, die Wahrnehmung ihres 345  BT-Drs.

12/8165, S. 29. in: Jarass/Kment, GG, Art. 3 Rn. 160 f. 347  Jarass, in: Jarass/Kment, GG, Art. 3 Rn. 164 m. w. N. 348  http://www.bildungsserver.de/db/mlesen.html?Id=22142 – zuletzt geprüft am 11.09.2014. 349  Ziff. V., VI. und X. des aus dem Spanischen übersetzten Auszugs, http:// www2.solingen.de/C12572F80037DB19/html/33C9E749EFA83131C12573A30043C 338?opendocument&nid1=46157_32216 – zuletzt geprüft am 11.09.2014. 350  2006 in New York von der UNO-Generalversammlung als Resolution verabschiedet; s. dazu http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsinstru mente/vereinte-nationen/menschenrechtsabkommen/behindertenrechtskonventioncrpd.html#c1909 – zuletzt geprüft am 17.09.2014. 351   https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV15&chapter=4&lang=en – zuletzt geprüft am 17.09.2014; die EU hat die UN-Konvention am 23. Dezember 2010 angenommen. 346  Jarass,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Rechts auf freie Meinungsäußerung, Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen zu gewährleisten, Art. 21 CRPD. 2002 wurde die Verpflichtung die Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen in Deutschland einfachgesetzlich im Behindertengleichstellungsgesetz352 normiert. (2) Physikalische Barrierefreiheit Alle genannten Regelwerke wirken auf die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ein. Zugänglichkeit im Sinne kommunaler Sitzungsöffentlichkeit erfordert – unter Berücksichtigung der einfach gesetzlichen, verfassungsrecht­ lichen und internationalen vertraglichen Vorgaben – folglich einen diskriminierungsfreien, mithin barrierefreien Zugang des Sitzungsortes. Dementsprechend müssen z. B. auch Rollstuhlfahrer die Möglichkeit haben in den Sitzungsraum zu gelangen353. Der Begriff der Barrierefreiheit ist gem. § 4 BGG umfassend zu verstehen. Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen danach dann, „wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ Erforderlich ist folglich nicht nur die Berücksichtigung der besonderen Belange gehbehinderter Menschen, sondern zum Beispiel auch die sehbehinderter Personen. Andernfalls ist ein ungehinderter Zugang ohne Ansehung der Person, wie ihn die Sitzungsöffentlichkeit voraussetzt354, bezogen auf Menschen mit Behinderungen nicht gewährleistet. Aus vielen Regelwerken zur Inklusion ergeben sich keine einklagbaren Leistungsansprüche von Betroffenen gegenüber staatlichen Stellen. So enthält die Erklärung von Barcelona in Abgrenzung zu „Muss-Formulierungen“ vorwiegend „Soll-Vorschriften“. Sie beinhaltet mithin keine Selbstverpflichtung der Kommunen aus der Ansprüche abgeleitet werden können. Ihr Inhalt erschöpft sich vielmehr in der Absichtserklärung, sich für die gleichberechtigte Teilhabe Behinderter einzusetzen. Auch bezüglich des Benachteiligungsverbots des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG wird dem Staat ein erheblicher Ermessensspielraum zugesprochen355. Eine Leistungspflicht soll danach nur

352  Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467, 1468), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 10. Juli 2018 (BGBl. I S. 1117). 353  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 12. 354  S. dazu Kapitel 3. Jedermanns-Recht der Zugänglichkeit, S. 267 ff. 355  Jarass, in: Jarass/Kment, GG, Art. 3 Rn. 167.



II. Tatsächliche Voraussetzungen195

„nach Maßgabe des finanziell, personell, sachlich und organisatorisch Mög­ lichen“356 bestehen357. Aus Art. 9 CRPD und §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 BGG i. V. m. dem Verbandsklagerecht gem. § 13 Abs. 1 BGG folgt jedoch unmittelbar die Verpflichtung des Staats für eine barrierefreie Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäuden zu sorgen. Aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG ergibt sich Gleiches zumindest aus dem Umkehrschluss des Benachteiligungsverbots, dass insbesondere dann verletzt ist, wenn jemandem auf Grund seiner Behinderung der „tatsächlich mögliche Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen verwehrt wird“358. Trotz der prekären finanziellen Situation vieler Kommunen ist es kaum vorstellbar, dass dies die Wahl eines barrierefreien Sitzungsraums ausschließt. Selbst wenn kein barrierefreier Sitzungsraum im Rathaus verfügbar ist und finanzielle Mittel für bauliche Maßnahmen aktuell fehlen, so bleibt die Möglichkeit die Räumlichkeiten anderer lokaler Behörden zu nutzen, privates Eigentum anzumieten oder dieses sogar zwangsweise in Anspruch zu nehmen359. Denkbar ist auch die Gewährleistung von Barrierefreiheit durch den Einsatz von Personal360. Dieses kann bereitstehen, um Türen zu öffnen, bei der räumlichen Orientierung zu helfen oder sogar, im Zweifel durch technische Hilfsmittel unterstützt, das Überwinden von Stufen und Treppen zu ermög­ lichen. Barrierefreiheit gem. § 4 BBG setzt zwar voraus, dass Menschen mit Behinderung „ohne Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe“361 zurecht kommen können, auf Grund der Tatsache, dass sich die Betroffenen gegebenenfalls fremden Personen körperlich anvertrauen müssen, sollte der Einsatz von Personal nur als letzte Option in Betracht kommen. Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Barrierefreiheit ohne fremde Hilfe bestehen muss, müssen insbesondere aber dann (als milderes Mittel) zulässig sein, wenn andernfalls Barrierefreiheit gar nicht verwirklicht werden könnte.

356  BVerfG,

Beschluss vom 08.10.1997 – 1 BvR 9/97, BVerfGE 96, 288 (308). in: Jarass/Kment, GG, Art. 3 Rn. 167. 358  Jarass, in: Jarass/Kment, GG, Art. 3 Rn. 166 m. w. N. 359  Vgl. Kapitel v. Maßstab: tatsächliche Erreichbarkeit, S. 189. 360  Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 183. 361  Hervorhebung durch die Verfasserin. 357  Jarass,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

e) Tagesordnung Die Sitzungsvorbereitungen umfassen auch die Aufstellung einer schrift­ lichen Tagesordnung362. Diese dient dem Gebot der kommunalen Sitzungs­ öffentlichkeit, da alleine das Wissen um Ort und Zeitpunkt einer Sitzung für die Entscheidung, einer Sitzung beizuwohnen, nicht ausreichen. Wesentlich für die Wahrnehmung des demokratischen Kontrollrechts ist die Möglichkeit der Kenntnisnahme des geplanten Sitzungsinhalts363. Erst dieses Wissen ermöglicht der Bürgerschaft nicht nur eine (passive) Meinungsbildung durch Sitzungsteilnahme, sondern auch sich im Sinne einer Meinungsbildung vom Volk zum Staat aktiv in Entscheidungen einzubringen, indem sie z. B. Kontakt zu Ratsmitgliedern aufnehmen364 und auf dieser Weise ihr demokratisches Kontrollrecht ausüben. Die Festsetzung der Tagesordnung ist damit ein notwendiges Strukturelement des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips. aa) Form Die Tagesordnung ist schriftlich und unter Verwendung eindeutiger, aussagekräftige Bezeichnungen aufzustellen365. Daraus folgt nicht die Pflicht zu jedem Tagesordnungspunkt eine Vorlage zu erstellen366. Notwendig ist nur, dass den Mandatsträgern alle für die Vor362  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  46 Ziff. 4.2 S. 5. 363  Bösche, NWVBl. 2021, 507 (508); zur Zulässigkeit einer späteren Erweiterung der Tagesordnung siehe Kapitel (3) Nachträgliche Änderungen der Tagesordnung, S. 201. 364  Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. I S. 660; a. A. OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); s. ausführlich zur Funktion und Notwendigkeit der Tagesordnung für die kommunale Sitzungsöffentlichkeit im Rahmen der Bekanntmachung Kapitel i. Keine Verzichtbarkeit der Tagesordnung, S. 161 und zur Pflicht zur Einhaltung einer angemessenen Frist für die Bekanntmachung Kapitel (4) Frist, S. 170. 365  OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.01.1975 – IX OVG A 37/72, KPBl. 1975, 714 (714); VGH München vom 10.12.1986 – 4 B 85 A.916, BayVBl. 1987, 239 (242); Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 12; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 12; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 4 S. 8; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 30; Ramsauer, KommP By 1998, 337 (339); Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2.3.3 S. 9; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 1 S. 661. 366  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 8; Dehn, in: Bülow u.  a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 43; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 14 S. 317; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 4 S. 8;



II. Tatsächliche Voraussetzungen197

bereitung auf die Beratung und Beschlussfassung notwendigen Unterlagen zugänglich gemacht werden367, sofern dem nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen368. Dies kann ggf. auch ohne Versand detaillierter Informationen durch eine digitale Bereitstellung, zum Beispiel in einem Ratsinformationssystem der Kommune, oder durch Tischvorlagen oder einen mündlichen Vortrag erfolgen369. In den Sitzungen der kommunalen Volksvertretung gilt insoweit eine Art Mündlichkeitsprinzip370. Unter Umständen kann bei schwierigeren Verhandlungsgegenständen aber auch eine schriftliche Vorabinformation geboten sein371. Die zu fassenden Beschlüsse müssen in der Tagesordnung nicht wörtlich wiedergegeben werden372. Eine summarische oder schlagwortartige Kennzeichnung der Beratungsgegenstände genügt373. Die Beratungsgegenstände müssen jedoch so konkret benannt werden, dass zu erkennen ist, welche Angelegenheiten behandelt werden sollen, d. h. sie dürfen weder unrichtig noch irreführend sein374. Die Mandatsträger sind vor Überraschungen zu Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn.  34 f.; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 6.7 S. 8, Ziff. 8 S. 10, Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2.3.3 S. 9; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 58 Ziff. 1 S. 335; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. I S. 661. 367  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  46 Ziff. 4.1 S. 4; so auch Bösche, NWVBl. 2021, 507 (508), der jedoch davon ausgeht, dass eine Vorbereitung nur möglich ist, wenn zu allen Tagesordnungspunkten Vorlagen erstellt werden. 368  Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 7. 369  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 43; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 46 Ziff. 4.1 S. 4. 370  Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 58 Ziff. 1 S. 335. 371  OVG Münster, Urteil vom 29.04.1988 – 15 A 2207/85, NVwZ-RR 1989, 155 (155); Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. I S. 661. 372  OVG Münster, Urteil vom 08.07.1959 – III A 611/59, OVGE MüLü 15, 87 (93); VGH Kassel, Beschluss vom 26.08.1986 – 2 TG 798/86, NVwZ 1988, 82 (83); VG Greifswald, Beschluss vom 22.05.1998 – 4 B 683/98, LKV 1999, 110 (110); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 13, 44; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 1; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 3; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 27. 373  VGH Mannheim vom 08.04.1976 – V 1299/75, BWVPr. 1976, 275 (275); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 44 m. w. N. 374  OVG Münster, Urteil vom 08.07.1959 – III A 611/59, OVGE MüLü 15, 87 (92 f.); VGH Mannheim vom 08.04.1976 – V 1299/75, BWVPr. 1976, 275 (275); OVG Greifswald, Beschluss vom 20.05.1998 – 2 M 66/98, DÖV 1998, 1014 (1014 f.); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 167; Bauer/ Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 46 Rn. 7; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 3 S. 314; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 27; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

schützen375. Unter dem Punkt „Verschiedenes“ dürfen deshalb keine Sachentscheidungen getroffen werden, da dies sowohl das Vorbereitungsrecht der Ratsmitglieder, als auch das Informationsrecht der Bürger unterlaufen würde376. Etwas anderes gilt nur für nicht öffentliche Tagesordnungspunkte377. Ihre Konkretisierung darf nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der Nicht­ öffentlichkeit nicht mehr erreicht werden kann378. bb) Inhalt In die Tagesordnung sind alle Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit des Rates fallen und zur Erörterung oder Entscheidung anstehen, aufzunehmen379, so dass Eilentscheidungen und Dringlichkeitssitzungen möglichst vermieden werden380.

Ziff. 4 S. 8; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 10; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 31; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 7 S. 9; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. IV. 3 S. 13; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 7 S. 4. 375  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 44 m. w. N.; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 28. 376  VG Greifswald, Beschluss vom 22.05.1998 – 4 B 683/98, LKV 1999, 110 (110); Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 5; Büchner, KommP By 1997, 123 (124 f.); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 34, 50; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 21 S. 319; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 28; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 12; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 10; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 4 S. 8; mit grundsätzlichen Bedenken gegen die Aufnahme eines solchen Tagesordnungspunkts, Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 7 S. 10; ebenso Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. IV. 3 S. 14; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 7 S. 4, 5; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 1 S. 661. 377  Siehe dazu Kapitel ii. Bekanntmachungspflicht nicht öffentlicher Sitzungen, S. 163 ff. 378  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 32. 379  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 42 „Beratungsgegenstände […], die […] verhandlungs- oder beschlussreif sind“; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 11, 14; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 25; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 46 Ziff. 4.2 S. 5. 380  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  46 Ziff. 5.2 S. 8; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. I S. 606.



II. Tatsächliche Voraussetzungen199

Neben den Angelegenheiten, die aus der Geschäftslage der Verwaltungs­ tätigkeit resultieren, sind bei der Zusammenstellung der Tagesordnung die Pflichtbestandteile der Sitzung381 zu berücksichtigen. Außerdem müssen vor­ rangig aufgenommen werden: –– Angelegenheiten deren Aufnahme die kommunale Volksvertretung in einer früheren Sitzung beschlossen hat382 oder die auf Grund eines Einberufungsverlangens aufzunehmen sind383, –– frist- und formgerechte Anträge von Personen oder Gruppen mit Initiativrecht, z. B. Mandatsträgern/Fraktionen384, Bürgern385 oder anderer, gesetzlich mit Antragsrecht ausgestatteten Personen oder Institutionen386,

381  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 34; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 8; zur Bindung durch das Antragsrecht s. Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 2, 5; zum notwendigen Inhalt der Tagesordnung in NRW s. Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 2 S. 662 ff. 382  OVG Münster, Urteil vom 30.03.2004 – 15 A 2360/02, OVGE MüLü 50, 57 (67); Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 7 S. 4; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. I S. 660 f. 383  Bogner, Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, S. 132. 384  § 34 Abs. 1 S. 4 GemO BW, Antrag einer Fraktion oder eines Sechstels der Gemeinderäte; BY: ungeschriebenes Antragsrecht der ehrenamtlichen und berufsmäßigen Gemeinsratsmitglieder, vgl. VGH München, Urteil vom 16.07.1980 – 4 B 616/79, DRiK Ziff. 1; Brandenburg: ein Zehntel der gesetzlichen Mitglieder oder einer Fraktion, § 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf; § 58 Abs. 5 S. 2, 3 HGO, Verlangen eines Viertels der Gemeindevertreter, des Gemeindevorstands oder des Bürgermeister; § 29 Abs. 1 S. 3 KV M-V, Antrag eines Mitglieds der Gemeindevertretung, einer Ortsvertretung oder des Bürgermeisters; § 59 Abs. 3 S. 1 2. HS NkomVG, Verlangen des Vorsitzenden; § 48 Abs. 1 S. 2 GO NRW, Vorschläge eines Fünftel der Ratsmitglieder oder einer Fraktion; § 34 Abs. 5 S. 2 GemO RP, Antrag eines Viertels der Ratsmitglieder oder einer Fraktion; § 41 Abs. 1 S. 3 KSVG SL, schriftlichen Antrag einer Fraktion oder von mindestens einem Viertel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder; § 36 Abs. 5 S. 1 SächsGemO, Antrag von min. einem Fünftel der Gemeinderäte oder einer Fraktion; § 53 Abs. 5 S. 2 KVG LSA, Antrag eines Viertels der Mitglieder der Vertretung oder einer Fraktion; § 34 Abs. 4 S. 3 f. GO SH, Verlangen des Bürgermeisters, eines Drittel der Gemeindevertreter, des Hauptausschusses, eines Ausschusses oder einer Fraktion; § 35 Abs. 4 S. 2 ThürKO, Antrag einer Fraktion oder eines Viertels der Gemeinderatsmitglieder; Bogner, Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, S. 132. 385  § 20b GemO BW; Art. 18b GO BY; § 14 BbgKVerf; in HE nicht vorgesehen; § 18 KV M-V; § 31 NKomVG; § 25 GO NRW; § 17 GemO RP; § 21 KSVG SL; § 23 SächsGemO; § 25 KVG LSA (Einwohnerantrag); § 16f GO SH; § 16 ThürKO; Bogner, Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, S. 132. 386  Zum Antragsrecht nach § 47c und § 47e GO SH, Dehn, in: Bülow u.  a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 41; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 11 S. 316.

200

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

–– Entscheidungen über Bürgerinitiativen387, –– Angelegenheiten, deren Beratung die Rechtsaufsichtsbehörde verlangt388, –– soweit landesrechtlich zulässig und durch ortsrechtliche Bestimmung vorgesehen, eine Fragezeit für „Einwohnerinnen und Einwohner“389. Das Risiko, ob eine Angelegenheit entscheidungsreif ist, tragen die Antragssteller390. Die Tagesordnung hat sowohl die öffentlichen als auch die nicht öffent­ lichen Tagesordnungspunkte zu beinhalten391. Umstritten ist, ob dem Vorsitzenden/Bürgermeister bei der Aufstellung der Tagesordnung ein materielles Prüfungsrecht zusteht, d. h. der Bürgermeister nur die Anträge aufnehmen muss, für die die kommunale Volksvertretung zuständig ist392. 387  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u.  a., KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. IV. 2 S. 12. 388  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 7 S. 4. 389  So in Nordrhein-Westfahlen; zur Pflicht der Aufnahme auf die Tagesordnung s. Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 11. 390  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 19; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 4 S. 7; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. III. 2 S. 11. 391  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 5; zur Zulässigkeit und Notwendigkeit einer präventiven Gliederung in einen öffentlichen und nicht öffentlichen Teil s. im Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, a) Verfahren, S. 332 ff. 392  § 34 GO BW, materielles Prüfungsrecht des Vorsitzenden, vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 29.05.1984 – 1 S 474/84, DVBl. 1984, 724 (730 f.); Raum, DÖV 1985, 820 (823 f.); BY: der Bürgermeister hat nur ein formelles Vorprüfungsrecht, vgl. Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 46 Rn.  8 m. w. N.; Büchner, KommP By 1997, 123 (123 f.); Glaser/Hermann/MarcicSchaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 15 m. w. N.; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 46 Ziff. 4.2 S. 6; BB: ablehnend, Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 22; HE: befürwortend Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 58 Rn. 21; MV; ablehnend, Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 17; Nds: ablehnend, vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 14.02.1984 – 5 A 212/83, DVBl. 1984, 734 (735); VG Braunschweig, Beschluss vom 18.01.2007 – 1 A 327/05, NdsVBl. 2007, 309 (310); Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 26; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 35, 49; NRW: ablehnend, OVG Münster, Urteil vom 30.03.2004 – 15 A 2360/02, OVGE MüLü 50, 57 (60); OVG Münster, Beschluss vom 14.07.2004 – 15 A 1248/04, NWVBl. 2005, 375 (375); Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 7; RP: mit Verweis auf § 34 Abs. 5 GemO RP bejahend, n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2 S. 6; auf Grundlage der alten Rechtslage noch ablehnend Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP,



II. Tatsächliche Voraussetzungen201

cc) Nachträgliche Änderungen der Tagesordnung Eine Änderung der festgesetzten und bekanntgemachten Tagesordnung steht nicht zu jeder Zeit im Belieben des Vorsitzenden oder der kommunalen Volksvertretung. Die einzuhaltenden Voraussetzungen unterscheiden sich danach, ob Tagesordnungspunkte abgesetzt oder ergänzt werden sollen und zu welchem Zeitpunkt die Änderung erfolgt393. (1) Absetzen von Tagesordnungspunkten Das Absetzen einzelner Punkte bleibt bis zum Eintritt in die Tagesordnung dem vorbehalten, der den Tagesordnungspunkt eingebracht bzw. festgesetzt hat – i. d. R. also dem Vorsitzenden394. Durch die Feststellung der Tagesordnung zu Beginn der Sitzung wird die kommunale Volksvertretung Herrin über die Tagesordnung395. Ab diesem § 34 Ziff. IV. 2 S. 12; SL: bejahend Lehné/Weirich/Gros, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 41 Ziff. 1.1 S. 2; SN: bejahend Menke, in: Menke/ Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 4, der sogar von einer Prüfungspflicht ausgeht; ablehnend dagegen Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 8 S. 5, der eine Prüfung allenfalls in eng begrenzten Ausnahmen für zulässig erachtet; ST: wohl ablehnend, jedoch ohne ausdrückliche Auseinandersetzung mit der Problematik, Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 53 Rn. 25; SH: ablehnend Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 13, 41; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 12 S. 316; TH: ablehnend Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9 S. 11. 393  S. dazu zur Änderung der Tagesordnung, von Bonhorst, KommP By 1997, 299 (299); ausführlich mit Unterscheidung der verschiedenen Situationen Bennemann/ Tesch­ke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 58 Rn. 40 ff. 394  VG Braunschweig, Beschluss vom 15.11.2005 – 1 B 334/05, R&R 2006, 14 (15) mit zustimmender Anmerkung von Thiele; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 167; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 298 Rn. 450; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 13; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 8; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 9 S. 5; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. I S. 660, Ziff. I. 4. a) S. 669; abweichend § 34 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 GemO RP; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 50; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 29; Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Ziff. 1.3 S. 3; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 12, der bereits die versendete Tagesordnung für verbindlich erachtet. 395  Bennemann/Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, §  58 Rn. 46 stellt auf den Beginn des Tags der Sitzung und nicht erst auf den Sitzungsbeginn ab; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 5; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 51; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 8 S. 172.

202

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Zeitpunkt obliegt es dann ihr, Tagesordnungspunkte durch Mehrheitsbeschluss abzusetzen396. Insofern handelt es sich bei der Tagesordnung zunächst nur um einen Vorschlag des Verwaltungsleiters, der diese aufstellt397. Die Absetzung eines Tagesordnungspunkts setzt jedoch voraus, dass keine Pflicht zur Behandlung der Angelegenheit besteht398. Wenn ein Tagesordnungspunkt auf Initiative einer Person oder einer Personengruppe aufgenommen wurde, ist für die Absetzung dieses Tagesordnungspunkts die Zustimmung des Initiators/der Initiatoren erforderlich399. Das Zustimmungserfordernis stellt sicher, dass das Antragsrecht auf Aufnahme eines Tagesordnungspunkts nicht durch Mehrheitsentscheidungen ausgehöhlt wird. In § 35 Abs. 2 S. 3 BbgKVerf ist dieser Minderheitenschutz ausdrücklich normiert400. Bei Tagesordnungspunkten, die auf Initiative aus der Mitte der kommunalen Volksvertretung aufgenommen wurden, wird durch das Zustimmungserfordernis sichergestellt, dass das Recht der/des Antragssteller/s in der Sitzung zu dem Beratungsgegenstand zu sprechen und zu begründen, warum eine Befassung geboten ist, nicht durch einen Dritten mittels eines Absetzungsbegeherens unterlaufen werden kann401. Es gilt damit quasi der Grundsatz, „dass ein Beratungsgegenstand in derselben Art und Weise abgesetzt wird, wie er in die Tagesordnung aufgenommen wurde.“402 Seine Schärfe verliert die Regelung dadurch, dass aus dem Bestand eines Tagesordnungspunkts nicht der Zwang folgt, über die Angelegenheit auch sachlich zu entscheiden403. Es steht der kommunalen Volksvertretung frei, die Beratung zu vertagen. Will sie einen Bürger-/Einwohnerantrag sachlich nicht behandeln, zwingt die fehlende Zustimmung zu einer Absetzung der/s Antragssteller/s eine solche Vertagung zumindest zu begründen. 396  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 298, Rn. 450; Glaser/Hermann/ Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 13; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 29; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 12; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. IV. 4 S. 14; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 4. a) S. 669; a. A. Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 53 Rn. 15. 397  Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (36). 398  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 298 Rn. 450; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9.4 S. 13. 399  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 40 ff. 400  SH: möglich durch Beschluss mit relativer Mehrheit; Antragstellern ist jedoch Gelegenheit zur Begründung zu geben, Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 51; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 23 S. 319 f. 401  VG Braunschweig, Beschluss vom 15.11.2005 – 1 B 334/05, R&R 2006, 14 (15). 402  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9.8 S. 16. 403  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9.4 S. 13.



II. Tatsächliche Voraussetzungen203

Tagesordnungspunkte, für die sich die kommunale Volksvertretung nicht zuständig fühlt, können auf dieser Grundlage jedoch nicht durch Mehrheitsentscheid von der Tagesordnung genommen werden. Sie müssen, wenn der Initiator sich nicht von einer Rücknahme der Angelegenheit überzeugen lässt, durch ablehnendes Votum erledigt werden. Die Nichtbehandlung eines angekündigten Tagesordnungspunkts stellt keine Verletzung des Öffentlichkeitsgebots dar. Das Öffentlichkeitsgebot vermittelt zwar einen Anspruch auf Teilnahme an den Beratungen, nicht jedoch darauf, dass Themen überhaupt oder gar abschließend beraten werden404. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Bekanntmachung der Tagesordnung. Andernfalls würde die Sitzungsöffentlichkeit zu einem Beratungsund Entscheidungsanspruch der Öffentlichkeit gegenüber der kommunalen Volksvertretung erweitert werden. Ein solcher Anspruch würde die spezifischen Antragsvoraussetzungen unterlaufen. Gegen die Möglichkeit Tagesordnungspunkte abzusetzen – entweder vor Sitzungsbeginn durch den Verwaltungsleiter bzw. Vorsitzenden oder in der Sitzung durch Mehrheitsbeschluss – wird eingewendet, dass dadurch die mitgliedschaftlichen Rechte derjenigen Mandatsträger beschnitten werden würden, die im Vertrauen auf die Tagesordnung auf eine eigene Antragsstellung verzichtet haben405. Dieser auf den ersten Blick schlüssige Einwand hält bei einer näheren Betrachtung des Verfahrens jedoch nicht stand. Anträge auf Aufnahme von Tagesordnungspunkten müssen vor der Aufstellung und dem Versand der Tagesordnung gestellt werden. Die Entscheidung der Mandatsträger einen Antrag nicht zu stellen basiert folglich nicht auf der erstellten Tagesordnung. Diese kann folglich auch kein schützenswertes Vertrauen begründen. Etwas anderes könnte für Anträge, die als „Anträge zur Sache“ nach dem Versand der Tagesordnung für geplante Beratungsgegenstände vorbereitet werden, gelten. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese „Anträge zur Sache“ ohne den Tagesordnungspunkt zu dem sie gestellt werden sollen, verfristet gewesen wären. Vor diesem Hintergrund ist es zumutbar, für eine Beratung einen fristgerechten Antrag für die nächste Sitzung zu verlangen. Handelt es sich um eine dringliche Angelegenheit, die nicht bis zur nächsten Sitzung warten kann, ohne dass irreversible Nachteile zu befürchten sind, darf der Beratungsgegenstand schon deswegen nicht von der Tagesordnung genommen werden, so dass es auf ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen der Mandatsträger nicht ankommt.

in: Rauber u. a., HGO, § 58 Ziff. 2 S. 336. in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 50.

404  Schmidt, 405  Blum,

204

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Als Rechtsmissbrauch stellt sich das Absetzen eines Tagesordnungspunkts erst dann dar, wenn dieses mit dem Ziel, eine Beratung generell zu unterbinden, erfolgt406. (2) Erweiterung der Tagesordnung nach Bekanntmachung Gleich ob nachträgliche Erweiterung der Tagesordnung nach Bekanntmachung der Tagesordnung und vor dem Sitzungstermin erfolgt oder erst in der Sitzung durch Einbringung so genannter „Tischvorlagen“407, den Einwohnern ist es ohne Kenntnis von dem Tagesordnungspunkt nicht möglich zu entscheiden, ob sie angesichts der Bedeutung der Angelegenheit an der Sitzung teilnehmen wollen408. Das Nachschieben von Tagesordnungspunkten ist daher grundsätzlich ausgeschlossen409. Das gilt auch für Gegenstände zu denen kein Beschluss gefasst werden soll, denn bereits eine reine Beratung hat Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung410. Eine Ergänzung der Tagesordnung kann folglich grundsätzlich nur dann vorgenommen werden, wenn diese ordnungsgemäß bekannt gemacht werden kann411. Dies gilt auch, sofern die Tagesordnung bereits bekannt gemacht worden war412. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht nur eine ordnungsgemäße Bekanntmachung, sondern auch eine fristgerechte Ladung/Einladung 406  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 52; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 23 S. 320. 407  Als „Tischvorlage“ ist in diesem Sinne das Einbringen eines neuen Tagesordnungspunkts in der Sitzung zu verstehen; abweichend davon wird der Begriff auch für eine schriftliche Beratungsunterlage verwendet, deren Behandlung als Tagesordnungspunkt regulär vorgesehen ist, die jedoch aus Gründen des Schutzes sensibler Informationen erst in der Sitzung verteilt wird, so bei Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 8 S. 11. 408  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. 5.4 S. 29. 409  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 5, 6, 17; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 20 S. 318; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 12; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 9 S. 5; a. A. Dufhues, SKV 1960, 71 (71), der aus dem Bestehen von Regelungen, die eine nachträgliche Erweiterung einer bekanntgemachten Tagesordnung für den Bundestag, den Landtag NRW und in einzelnen Gemeindeverfassungen erlauben, schließt, es gebe einen entsprechenden Grundsatz, der auch in NRW angewendet werden dürfe. 410  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 58. 411  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 63; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 6; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 13 stellt auf die Ladungsfrist ab. 412  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. 5.2 S. 30.



II. Tatsächliche Voraussetzungen205

gewährleistet werden muss – mithin die Mindesteinladungsfrist zu wahren ist413. Die festgesetzte Tagesordnung entfaltet folglich Präkusionswirkung414, wenn eine ordnungsgemäße Ladung/Einladung mit der erweiterten Tagesordnung oder eine Bekanntmachung der erweiterten Tagesordnung nicht mehr möglich ist. (3) Grundsatz der Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit Die Tagesordnung kann nur unter bestimmten Voraussetzungen kurzfristig, durch Beschluss der kommunalen Volksvertretung415, ohne ordnungsgemäße Ladung/Einladung oder Bekanntmachung erweitert werden. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist eine Erweiterung der Tagesordnung in der Sitzung durch Beschluss der kommunalen Volksvertretung zulässig, wenn die Angelegenheit keinen Aufschub duldet, § 35 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf, § 29 Abs. 4 KV M-V. In Nordrhein-Westfalen kann eine Erweiterung durch Beschluss erfolgen, wenn es sich um eine Angelegenheit, die keinen Aufschub duldet oder von äußerster Dringlichkeit ist, handelt, § 48 Abs. 1 S. 5 GO NRW. In Hessen muss keine Dringlichkeit gegeben sein, es ist jedoch ein Beschluss mit Zweidrittelmehrheit zu fassen, § 58 Abs. 2 HGO. Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen kombinieren beide Merkmale. In dringenden Fällen ist eine Erweiterung zu Beginn der Sitzung durch einen Beschluss mit Zweidrittelmehrheit möglich, § 59 Abs. 3 S.5 NKomVG, § 34 Abs. 7 Nr. 1 GemO  RP, § 34 Abs. 4 S. 4 GO SH, § 35 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 ThürKO. In Thüringen gilt darüber hinaus eine Sonderregelung für nicht öffentlich zu behandelnde Gegenstände. Um diese kann die Tagesordnung dann erweitert werden, wenn „alle Mitglieder und sonstigen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu ladenden Personen anwesend und mit der Behandlung einverstanden sind“, § 35 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 ThürKO. Notwendig ist danach weder ein Beschluss des Gemeinderats noch eine besondere Dringlichkeit der Beratung. 413  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 167; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 46 Rn. 7; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 26; n. n., in: Hofmann/Beth/ Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 4 S. 8. 414  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9.4 S. 14. 415  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u.  a., KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. IV. 4 S. 15; zu etwaig einzuhaltenen Quoren siehe die folgenden Ausführungen.

206

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Im Saarland werden die Voraussetzungen für eine Erweiterung der Tagesordnung dadurch verschärft, dass es sich nicht nur um eine Angelegenheit, die keinen Aufschub duldet, handeln muss und ein Beschluss durch eine Zweidrittelmehrheit zu erfolgen hat, sondern diese Angelegenheit auch „unvorhergesehen“ sein muss, § 41 Abs. 5 KSVG SL. In Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind keine spezifischen Regelungen vorhanden416. Sofern gesetzliche Voraussetzungen für eine nachträgliche Erweiterung der Tagesordnung einer öffentlichen Sitzung vorhanden sind, ist festzustellen, dass – mit Ausnahme Hessens – alle Bundesländer ausdrücklich die Dringlichkeit und/oder die Unaufschiebbarkeit der Angelegenheit verlangen. Im Detail unterscheiden sich die Formulierungen: •• „Angelegenheit, die keinen Aufschub duldet“417, •• „Angelegenheit […], die wegen ihrer besonderen Dringlichkeit keinen Aufschub bis zur nächsten Sitzung duldet“418, •• „in dringenden Fällen“419, •• „Angelegenheiten, die keinen Aufschub dulden oder die von äußerster Dringlichkeit sind“420, •• „bei Dringlichkeit“421, •• „unvorhergesehene und keinen Aufschub duldende Angelegenheiten“422, •• „dringende Angelegenheiten“423. Trotz der unterschiedlichen Wortlaute wird in allen Fällen das Gleiche vorausgesetzt: Eine Angelegenheit darf beraten werden, auch wenn sie zuvor nicht auf der Tagesordnung stand, wenn das Abwarten des nächsten Sit416  Nach § 36 Abs. 5 SächsGemO und § 53 Abs. 5 S. 2 KVG LSA ist ein Antrag von mindestens einem Füntel der Gemeinderatsmitglieder (Sachsen) bzw. einem Viertel der Mitglieder der Vertretung oder einer Fraktion (Sachsen-Anhalt) spätestens auf die übernächste Tagesordnung aufzunehmen. Daraus folgt, dass entsprechende Anträge üblicherweise auf die nächste Tagesordnung aufzunehmen sind. Nur wenn dies nicht möglich ist, weil die Tagesordnung beispielsweise bereits bekannt gemacht wurde oder übermäßig gefüllt ist, kann der Antrag erst in der übernächsten Sitzung behandelt werden. 417  § 35 Abs. 2 S. 2 BbgKVerf. 418  § 29 Abs. 4 KV M-V. 419  § 59 Abs. 3 S. 5 NKomVG. 420  § 48 Abs. 1 S. 5 GO NRW. 421  § 34 Abs. 7 Nr. 1 GemO RP; § 35 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 ThürKO. 422  § 41 Abs. 5 KSVG SL. 423  § 34 Abs. 4 S. 4 GO SH.



II. Tatsächliche Voraussetzungen207

zungstermins424 zu unumkehrbaren Nachteilen oder Gefahren führen wür­ de425. Erfasst werden davon sowohl materielle Schäden, als auch Rechtsverluste426. Maßstab ist, ob eine Ladung mit verkürzter Ladungsfrist möglich ist427. Ein dringender Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Kommune Kraft oder auf Grund eines Gesetzes verpflichtet ist, in der anstehenden Sitzung zu handeln. Voraussetzung ist, dass die Behandlung der Angelegenheit in einer Beschlussfassung enden soll, da die Erweiterung der Tagesordnung ohne eine darauf folgende Entscheidung nicht geeignet ist, einen drohenden Nachteil abzuwenden.428 Wem Nachteile oder Gefahren drohen, lassen die meisten Bundesländer offen. Lediglich aus den Legaldefinitionen in Rheinland-Pfalz und Thüringen ist Dringlichkeit nur dann gegeben, „sofern eine Entscheidung nicht ohne Nachteil für die Gemeinde aufgeschoben werden kann“, § 34 Abs. 3 S. 2 GemO RP, § 35 Abs. 2 S. 3 ThürKO – Hervorhebung diesseits. In Bayern sollen auch Nachteile für Dritte berücksichtigt werden429. 424  Unterschiedlich beurteilt wird, ob der nächste reguläre Sitzungstermin maßgeblich ist oder auch die Einberufung einer Sondersitzung, womöglich sogar unter Außerachtlassung der Frist- und Formerfordernisse, berücksichtigt werden muss: für die Berücksichtigung einer möglichen Sondersitzung, Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 54; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 32. 425  OVG Münster, Urteil vom 28.02.1973 – III A 253/72, OVGE MüLü 28, 235 (3. Leitsatz, 242); VG Oldenburg, Beschluss vom 19.06.2002 – 2 B 2983/02, R&R 2003, 10 (11); VG München, Urteil vom 09.10.2002 – M 7 K 02.2044, KommP By 2005, 227 (230); VG Minden, Urteil vom 19.10.2011 – 2 K 762/10, NRWE, Rn. 76; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 46 Rn. 7; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 53; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 29, 49; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 20 S. 318; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 17; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 248 Rn. 376; Glaser/Hermann/ Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 13, 18; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 31; Lehné/Weirich/Gros, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 41 Ziff. 5 S. 5; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 15; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 3 S. 7; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 38; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9.6 f. S. 15, Ziff. 6.5 S. 6; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 7 S. 171; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 4. b) S. 670. 426  Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 31. 427  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 38. 428  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 53 f. 429  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 18.

208

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Bei diesen unbestimmten Rechtsbegriffen handelt es sich um objektive Rechtsbegriffe, die der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegen und daher für subjektive Mehrheitseinschätzungen, Ermessens- oder Zweckmäßigkeitserwägungen keinen Raum lassen430. Diese Einschränkung in der Gestaltungsfreiheit der Tagesordnung trägt der Beeinträchtigung des Öffentlichkeitsprinzips durch nachträgliche Beratungsgegenstände Rechnung, indem diese auf das notwendige, unvermeidbare Minimum reduziert werden. Die saarländische Regelung, dass es sich um eine unvorhergesehene, dringliche Angelegenheit handeln muss, verleiht dem Umstand Ausdruck, dass ein Tagesordnungspunkt nicht zunächst bewusst auf der Tagesordnung weg gelassen werden darf, um ihn dann unter dem Vorwand der Dringlichkeit/Unaufschiebbarkeit in der Sitzung zu präsentieren, obwohl bereits bei Aufstellung der Tagesordnung bekannt war, dass die Angelegenheit in der anstehenden Sitzung beraten werden muss. Unvorhergesehen ist eine Angelegenheit folglich dann, „wenn die Notwendigkeit der Beschlussfassung vor Ablauf der Einladungsfrist (Absatz 2 Satz 3) noch nicht bekannt war.“431 Eine solche Vorgehensweise würde auch in allen anderen Bundesländern eine Umgehung der vom Öffentlichkeitsprinzip geforderten Aufstellung und fristgerechten Bekanntmachung der Tagesordnung darstellen. Bereits aus der Verpflichtung zur Aufstellung der Tagesordnung folgt, dass diese vollständig zusammenzustellen ist432. Es gehört folglich zur Amtspflicht, alle zu beratenden Gegenstände zu ermitteln und dabei insbesondere auch die Angelegen430  VGH München, Beschluss vom 06.10.1987 – 4 CE 87.08894, BayVBl. 1988, 83 (83 f.); OVG Münster, Urteil vom 28.02.1973 – III A 253/72, OVGE MüLü 28, 235 (242); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 56; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 49; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 20 S. 318,; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 15; n. n., in: Hofmann/ Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 3 S. 7; Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (38 f.); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 38; Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 3.2 S. 20; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. III. 3 S. 10 f.; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.2 S. 2a für die Rechtslage in Bayern, obwohl die Bayerische Gemeindeordnung ein Dringlichkeitserfordernis nicht ausdrücklich statuiert; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. II. 4. b) S. 670; a. A. und insoweit widersprüchlich Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 29 und Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 6 S. 312, der im Hinblick auf die Unterschreitung der Mindestladungsfrist auch der subjektiven, politischen Bewertung Bedeutung beimisst. 431  Lehné/Weirich/Gros, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 41 Ziff. 5 S. 5. 432  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 298 Rn. 450.



II. Tatsächliche Voraussetzungen209

heiten zu berücksichtigen, deren Behandlung nicht beliebig aufgeschoben werden kann433. Dem Vorsitzenden/Verwaltungsleiter obliegt es bereits bei der Terminplanung darauf zu achten, dass alle zu entscheidenden Angelegenheiten in ordnungsgemäßen Sitzungen behandelt werden können, mithin keine Dringlichkeitssitzungen oder Eilentscheidungen notwendig werden434. Die Vermeidbarkeit einer späteren Ergänzung der Tagesordnung aus ex ante Sicht ist jedoch kein Tatbestandsmerkmal, das eine nachträgliche Aufnahme auf die Tagesordnung hindert435. Zulässigkeitsvoraussetzung ist alleine die Notwendigkeit einer Entscheidung zur Gefahrenabwehr436. Die Kombination des Dringlichkeitserfordernisses mit dem Quorum einer Zweidrittelmehrheit dient auf formellen Weg der Einhaltung der materiellrechtlichen Vorgabe, denn obwohl die Vermeidung einer Fehleinschätzung auch durch eine qualifizierte Mehrheit nicht sichergestellt werden kann, verringert sie zumindest das Risiko einer solchen. Außerdem sorgt die qualifizierte Mehrheit für ein möglichst breites Einverständnis437. Das alleinige Abstellen auf einen Beschluss mit Zweidrittelmehrheit, wie in Hessen, ist, ebenso wie die Annahme, die kommunale Volksvertretung könne, wenn alle Mitglieder anwesend sind, die Tagesordnung auch ohne Dringlichkeit erweitern438, kritisch zu betrachten. Dem Abstellen auf eine Zweidrittelmehrheit liegt die Annahme zu Grunde, dass die Ladungsvorschriften nur dem Schutz der Mandatsträger dienen, über welchen sie verfügen könnten. Tatsächlich besteht die Bekanntmachungspflicht der Tagesordnung aber im Interesse der Öffentlichkeit. Die Mandatsträger werden durch die Einladung/Ladung der Sitzung über deren Inhalt informiert. Dementsprechend ist eine Entscheidung über die nachträgliche Erweiterung der Tagesordnung ohne das Vorliegen von Dringlichkeitsgründen nicht ausreichend, gleich ob diese mit qualifizierter Mehrheit oder sogar bei vollständiger Anwesenheit aller Mandatsträger einstimmig gefasst wird439. 433  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 4.4

S. 24.

434  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 2.2

S. 4a.

in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 7 S. 171. VR 1990, 23 (25). 437  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 49. 438  OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.01.1975 – IX OVG A 37/72, KPBl. 1975, 714 (714); VGH München, Beschluss vom 06.10.1987 – 4 CE 87.08894, BayVBl. 1988, 83 (83 f.); Reinicke, DNG 1975, 251 (253); zur Rechtslage in Niedersachsen, vgl. Nümann, VR 1984, 305 (306). 439  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 57; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 22 S. 319; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 34; dementsprechend kommt Müller hinsichtlich der nordrhein-westfälischen Gesetzes435  Thiele,

436  Müller,

210

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

(4) Rechtslage ohne ausdrückliche Normierung Aus dem Fehlen einer Regelung zur nachträglichen Erweiterung der Tagesordnung in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt kann unter Berücksichtigung des Öffentlichkeitsprinzips nicht gefolgert werden, dass dort Tagesordnungen beliebig erweitert werden können. Dann ­wären die Aufstellung einer Tagesordnung und deren Bekanntmachung überflüssig. Unpraktikabel ist jedoch auch die gegenteilige Annahme, Erweiterungen der Tagesordnungen seien ausgeschlossen. Auch in den Bundes­ ländern, in denen keine gesetzlichen Regelungen vorhanden sind, können Tagesordnungen durch dringliche/unaufschiebbare Angelegenheiten erweitert werden. Grund dafür ist, dass in allen Bundesländer Regelungen darüber bestehen, wie in Not- bzw. Eilfällen Entscheidung herbeigeführt werden können. Dies kann zum einen durch die Einberufung von Dringlichkeitssitzungen erfolgen zu denen ohne Einhaltung der üblichen Frist- und Formvorschriften geladen werden kann440. Während in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein keine Mindestladefirst vorgeschrieben ist441 fordern das Saarland und Thüringen auch bei einer Verkürzung der Ladungsfrist die Einhaltung einer Mindestfrist von ein beziehungsweise zwei Tagen442. In Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist die Einberufung einer Dringlichkeitssetzung sogar ausdrücklich „ohne Frist“ möglich443. Brandenburg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen überlassen die Regelung der Ladungsfristen den Geschäftsordnungen444.

lage zu dem Schluss, dass der Rat in der Geschäftsordnung keine von der Gemeindeordnung abweichende Regelung treffen darf, Müller, VR 1990, 23 (28). 440  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 303 Rn. 459; § 34 Abs. 2 GemO BW; § 58 Abs. 1 S. 3 HGO; § 34 Abs. 3 S. 2 GemO RP; § 41 Abs. 3 S. 4 KSVG SL; § 36 Abs. 3 S. 6 SächsGemO; § 53 Abs. 4 S. 5 LVG LSA; § 34 Abs. 3 S. 2 GO SH; § 35 Abs. 2 S. 3 ThürKO; Brandenburg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfahlen überlassen die Regelung der Ladungsfristen den Geschäftsordnungen: § 34 Abs. 4 BbgKVerf, Art. 45 Abs. 2 GO BY; § 59 Abs. 1 S. 2 NKomVG; § 47 Abs. 2 S. 1 GO NRW. 441  § 34 Abs. 3 S. 2 GemO  RP; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 3 S. 7; § 34 Abs. 3 S. 2 GO SH; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 6 f. S. 312. 442  § 58 Abs. 1 S. 3 HGO – ein Tag; § 41 Abs. 3 S. 4 KSVG – ein Tag; § 35 Abs. 2 S. 3 ThürKO – zwei Tage. 443  § 34 Abs. 2 GemO  BW; § 36 Abs. 3 S. 6 SächsGemO; § 53 Abs. 4 S. 5 LVG LSA. 444  § 34 Abs. 4 BbgKVerf, Art. 45 Abs. 2 GO BY; § 58 Abs. 1 S. 3 HGO, § 59 Abs. 1 S. 2 NKomVG; § 47 Abs. 2 S. 1 GO NRW.



II. Tatsächliche Voraussetzungen211

Zum anderen gibt es das „Eilentscheidungsrecht“ der Verwaltung445. Dabei handelt es sich um eine Entscheidung in einer dringlichen Angelegenheit, die die Verwaltungsleitung statt der kommunalen Volksvertretung trifft, weil diese auch ohne Einhaltung von Frist- und Formvorschriften nicht mehr rechtzeitig einberufen werden kann446. Wenn für Entscheidung dringlicher, unaufschiebbarer Angelegenheiten die Gemeinderäte ohne Einhaltung der üblichen Fristvorschriften einberufen werden können und die Verwaltung nach den Regeln des Eilentscheidungsrechts im Zweifel sogar alleine, das heißt auch ohne Öffentlichkeit, entscheiden kann, um erhebliche Nachteile oder Gefahren abzuwenden, dann muss in dringlichen/unaufschiebbaren Fällen erst recht die Behandlung in einer ohnehin angesetzten und bereits bekanntgemachten Sitzung möglich sein – auch wenn eine nachträgliche Erweiterung der Tagesordnung wie in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Sachen und Sachsen-Anhalt, nicht normiert ist447. Jede andere Interpretation würde zu der paradoxen Situation führen, dass eine Beratung in der stattfindenden Sitzung nicht möglich wäre, die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung unmittelbar nach dem regulären Sitzungstermin hingegen genauso zulässig wäre, wie eine Eilentscheidung der Verwaltung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Gern geht insofern zutreffend davon aus, dass eine Erweiterung der Tagesordnung grundsätzlich unter denselben Voraussetzungen, wie die Einberufung von Dringlichkeitssitzungen möglich ist448. Vor diesem Befund ist es fraglich, ob im Bundesland Hessen, in welchem gem. § 58 Abs. 2 HGO lediglich ein Beschluss mit Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, die Einhaltung dieses formalen Kriteriums ausreichend ist449. Da nur die „Dringlichkeit/Unaufschiebbarkeit“ das aus der nachträglichen Aufnahme eines Tagesordnungspunkts resultierende Informationsdefizit der Bevölkerung und die Verkürzung der Vorbereitungszeit der Mandatsträger rechtfertigen, ist unter dem Gesichtspunkt einer mit dem verfassungsrecht­ 445  Mit Übersicht über die unterschiedlichen Regelungen der Bundesländer, s. Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 248 Rn. 376 f. 446  Auf die Eilentscheidung als Ersatz für eine Dringlichkeitssitzung, die am Widerspruchsrecht der Minderheit scheitert, ausdrücklich hinweisend, Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 8 S. 313; zur Eilentscheidung als Ersatz für eine dringliche Erweiterung der Tagesordnung beim Fehler der dafür erforderlichen Mehrheit, Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9.7 S. 16. 447  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 1.2 S. 2a. 448  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 303 Rn. 459. 449  So aber Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 58 Ziff. 2 S. 336; a. A. Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 50, jedoch bezüglich Schleswig-Holstein mit Verweis auf Wortlauf der dortigen landesrechtlichen Vorschrift.

212

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

lichen Öffentlichkeitsprinzip konformen Auslegung der hessischen Regelung davon auszugehen, dass zusätzlich, als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, eine Dringlichkeit oder Unaufschiebbarkeit der Angelegenheit gegeben sein muss. (5) Erweiterung der nicht öffentlichen Tagesordnung Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Bekanntmachungspflicht der Tagesordnung auch nicht öffentliche Sitzungen und nicht öffentliche Sitzungsteile erfasst, dürfen auch nicht öffentliche Tagesordnungen nur unter den vorstehenden Voraussetzungen erweitert werden450. Dementsprechend differenzieren die Bundesländer, die die Voraussetzungen für eine nachträg­ liche Erweiterung normiert haben, in den jeweiligen Gesetzen grundsätzlich nicht zwischen der Erweiterung öffentlicher und nicht öffentlicher Tagesordnungen451. Eine Ausnahme davon stellt die thüringische Kommunalordnung dar. Gemäß § 35 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 ThürKO ist für eine Erweiterung der Tagesordnung durch nicht öffentliche Angelegenheiten nur maßgeblich, dass die Entscheidungsträger damit einverstanden sind und alle für eine Beratung notwendigen Fachleute anwesend sind. Die Erweiterung der nicht öffentlichen Tagesordnung kann durch einstimmigen Beschluss452 oder konkludente Zustimmung in Form fehlenden Widerspruchs erfolgen453. Bis zur Gesetzesnovelle der thüringischen Kommunalordnung war dieses Verfahren unter dem Vorbehalt, dass alle Mitglieder anwesend waren, auch für eine Erweiterung der öffentlichen Tagesordnung vorgesehen. Auf Grund des in § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO niedergelegten Grundsatzes der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen hat sich der Thüringer Landtag in seiner dritten Wahlpe­ riode dafür entschieden, diese Regelung in der Weise zu verschärfen, dass nun Dringlichkeit notwendig ist und eine Zweidrittelmehrheit zustimmen muss454. 450  A. A. Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 167 und Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 6, wonach ein einstimmiger Beschluss des Gemeinderats für die nachträgliche Erweiterung der nicht öffent­ lichen Tagesordnung ausreicht; ebenso Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 34; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 9 S. 5. 451  A. A. Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 57, der davon ausgeht, dass die Bekanntmachungspflicht sich nicht auf nicht öffentliche Tagesordnungspunkte bezieht und daher der Öffentlichkeitsgrundsatz auch einer Erweiterung der nicht öffentlichen Tagesordnung nicht entgegensteht. 452  Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 36 Rn. 12. 453  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9.6 S.15. 454  Amtl. Begründung ThürKO, LT-Drs. 3/2206, S. 40.



II. Tatsächliche Voraussetzungen213

Da die vorherige Rechtslage auch im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip bedenklich erschien, weil die Öffentlichkeit durch die fehlende Bekanntmachung faktisch eingeschränkt war455, ist diese Entscheidung zu begrüßen. Fraglich erscheint jedoch, ob die bestehende Erweiterungsmöglichkeit der nicht öffentlichen Tagesordnung verfassungskonform ist. Die Öffentlichkeit ist durch Bekanntmachung nicht nur über die öffentliche, sondern auch über die nicht öffentliche Tagesordnung zu informieren456. Gemäß § 35 Abs. 6 S. 2 ThürKO hat eine Bekanntmachung der nicht öffentlichen Tagesordnung zwar nur „insoweit, als dadurch der Zweck der Nichtöffentlichkeit nicht gefährdet wird“ zu erfolgen. Ausreichend für den Schutz sind in der Regel jedoch allgemeinere Bezeichnungen der Beratungsgegenstände457. Erst wenn auch diese den Zweck der Nichtöffentlichkeit gefährden würden, muss die Bekanntmachung unterbleiben. Auf eine generelle Verzichtbarkeit der Bekanntmachung nicht öffentlicher Tagesordnungspunkte kann aus dieser Formulierung nicht geschlossen werden458. Die Öffentlichkeit hat zwar keine Möglichkeit der Sitzung beizuwohnen, so dass die Kenntnis der nicht öffentlichen Tagesordnung keine Grundlage für eine Teilnahmeentscheidung sein kann. Die Bekanntmachung dient aber nicht nur der Ermöglichung einer Sitzungsteilnahme, sondern auch einer Kontrolle durch die abwesende Bürgerschaft durch Kenntnis über die Dinge mit denen sich die gewählten Mandatsträger beschäftigen459. Diese demokratische Informations- und Kontrollfunktion der Bekanntmachung wird durch die Möglichkeit einer Erweiterung der nicht öffentlichen Tagesordnung ohne Rechtfertigung beschnitten, wenn keine weiteren Voraussetzungen, wie Dringlichkeit oder Unaufschiebbarkeit gegeben sein müssen. § 35 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 ThürKO ist daher nicht mehr vom landesrechtlichen Ausgestaltungsspielraum gedeckt, sondern verstößt gegen das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip. Die Verschiebung eines für den öffentlichen Sitzungsteil angesetzten Tagesordnungspunkts in den nicht öffentlichen Teil einer Sitzung verletzt das Öffentlichkeitsgebot, vorbehaltlich dem Vorliegen hinreichender Ausschluss-

in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 9.5 S. 14. dazu ausführlich Kapitel ii. Bekanntmachungspflicht nicht öffentlicher Sitzungen, S. 163 ff. 457  Siehe dazu ebenfalls Kapitel ii. Bekanntmachungspflicht nicht öffentlicher Sitzungen, S. 163 ff. 458  A. A. Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 18. 459  Siehe dazu Kapitel 3. Sitzungsnachbereitung, S. 226 ff. 455  Rücker, 456  Siehe

214

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

gründe460, nicht, weil die Öffentlichkeit keinen Anspruch auf Behandlung der geplanten Tagesordnungspunkte hat461. (6) Nachversand von Tagesordnungspunkten Die vorstehend betrachteten Regelungen befassen sich alle mit einer nachträglichen Erweiterung der Tagesordnung in der Sitzung durch Beschluss der kommunalen Volksvertretung. Abschließend ist die Frage zu klären, ob die Tagesordnung auch zwischen der Bekanntmachung und dem Sitzungstermin erweitert werden kann. Dafür spricht, dass mit jedem Tag, um den die Erweiterung früher erfolgt, die Öffentlichkeit mit höherer Wahrscheinlichkeit davon Kenntnis nimmt. Dies setzt allerdings voraus, dass die Erweiterung nicht nur durch Nachversand einer überarbeiteten Tagesordnung inklusive ergänzender Unterlagen den Mandatsträgern übermittelt wird, sondern auch eine formelle Bekanntmachung erfolgt. Obwohl diese dem Interesse der Öffentlichkeit mehr entgegenkäme als eine Erweiterung in der Sitzung, wäre eine solche schon auf Grund der klaren gesetzlichen Fristbestimmungen für die Bekanntmachung rechtlich nicht ausreichend. Diese drücken verbindlich aus mit welchem zeitlichen Vorlauf die Öffentlichkeit über den Inhalt zu informieren ist, damit dem Prinzip der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit ausreichend Rechnung getragen wird. Daraus folgt, dass auch eine nachträgliche Erweiterung der Tagesordnung nur gemäß den jeweiligen kommunalrechtlichen Vorgaben möglich ist. Es muss sich mithin um dringliche/unaufschiebbare Angelegenheiten handeln, welche durch Beschluss der kommunalen Volksvertretung auf die Tagesordnung aufgenommen werden462. Zwischenzeitliche Informationen über potenzielle zusätzliche Beratungsgegenstände vermögen den mitgliedschaftlichen Rechten der Mandatsträger entgegen zu kommen und die Konsequenzen einer nachträglichen Erweiterung der Tagesordnung für die Öffentlichkeit abzumildern, rechtlich ausreichend sind diese hingegen nicht. Mit der frist- und formgerechten Bekanntmachung gibt der Vorsitzende die Entscheidungsgewalt über die Tagesordnung aus seinen Händen. Ihm bleibt zwar vorbehalten, Tagesordnungspunkte

460  Siehe

dazu Kapitel E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 172; siehe dazu Kapitel (1) Absetzen von Tagesordnungspunkten, S. 201 ff. 462  Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, §  34 Ziff. 4.6.1 S. 25. 461  VGH



II. Tatsächliche Voraussetzungen215

bis zum Sitzungsbeginn abzusetzen463, es ist ihm jedoch verwehrt, die Tagesordnung nachträglich zu erweitern. Nach Sitzungsbeginn geht die Herrschaft über die Tagesordnung auf die kommunale Volksvertretung über. Lediglich diese ist dann noch befugt durch Beschluss Tagesordnungspunkte abzusetzen oder aufzunehmen, wobei die Aufnahme von Tagesordnungspunkten dem Dringlichkeits-/Unaufschiebbarkeitsbedürfnis unterliegt (s. o.).464 (7) V  erschiebung eines Tagesordnungspunkts vom nicht öffentlichen in den öffentlichen Teil einer Sitzung Eine Möglichkeit, nicht öffentliche Tagesordnungspunkte in den öffent­ lichen Teil einer Sitzung zu verschieben, gibt es nicht465. In Zweifelsfällen empfiehlt sich daher eine Aufnahme in den öffentlichen Teil466. Grund dafür ist, dass eine spontane Verschiebung den Bekanntmachungsmangel, der darin besteht, dass der Tagesordnungspunkt fälschlich als nicht öffentlich bekannt gemacht wurde467, nicht heilen kann. Zwar muss auch die Tagesordnung des nicht öffentlichen Teils bekanntgemacht werden468. Dieser Bekanntmachung ist jedoch eindeutig zu entnehmen, dass eine Teilnahme der

463  Siehe dazu Kapitel cc) Nachträgliche Änderungen der Tagesordnung, S. 201 ff. und (2) Absetzen von Tagesordnungspunkten, S. 201 ff.; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 298 Rn. 450; abweichend in Rheinland-Pfalz, vgl. § 34 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 GemO RP. 464  Siehe dazu ausführlich Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 4.6.1 S. 26. 465  VG Hannover, Urteil vom 27.11.1985 – 1 bis VG A 72/83, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 172; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 69; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 6 S. 9; Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (39); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 6; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 9 S. 173; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 3; a. A. Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.3. 466  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 28; a. A. Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. c) S. 677 mit Hinweis auf die Gefahr versehentlicher Bekanntgabe möglicherweise zu schützender Informationen. 467  VG Hannover, Urteil vom 27.11.1985 – 1 bis VG A 72/83, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 51; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 12. 468  Siehe Kapitel (2) Bekanntmachungspflicht nicht öffentlicher Sitzungen, S. 163 ff.

216

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Dies stellt einen wesentlichen Fehler dar469, denn interessierte Bürger werden zu der entsprechenden Sitzung nicht erscheinen. Eine Rechtfertigung für diese Verletzung des Öffentlichkeitsgebots besteht grundsätzlich auch dann nicht, wenn für eine nicht öffentliche Behandlung keine hinreichenden Gründe bestehen470. Eine nicht öffentliche Beratung würde in Ermangelung von Ausschlussgründen eine Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit bedeuten und kann daher nicht stattfinden. Einer Beratung im öffentlichen Teil der Sitzung steht jedoch die anders lautende Bekanntmachung entgegen, die mit dem Hinweis auf die Nichtöffentlichkeit der Angelegenheit den potenziellen Zuhörerkreis reduziert hat. Die Bekanntmachung einer Angelegenheit in einer nicht öffentlichen Tagesordnung entfaltet insofern eine Sperrwirkung. Für einen Tagesordnungspunkt, der fälschlicherweise in den nicht öffentlichen Teil der bekanntgemachten Tagesordnung aufgenommen wurde, gilt daher nichts anderes als für Tagesordnungspunkte, die gar nicht auf der bekanntgegebenen Tagesordnung standen. Eine Behandlung muss in die nächste Sitzung vertagt werden, sofern nicht ausnahmsweise Gründe der Dringlichkeit/Unaufschiebbarkeit eine sofortige Beratung unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot rechtfertigen und ein entsprechender Mehrheitsbeschluss von der kommunalen Volksvertretung getroffen wird471. Dementsprechend kann auch eine nicht öffentliche Sitzung nur auf Grund von Dringlichkeit/Unaufschiebbarkeit durch öffent­ liche Tagesordnungspunkte ergänzt werden472. Gegen diese Konsequenz wird eingewendet, dass eine liberalere Handhabung rechtspolitisch dem Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit eher dienlich wäre, weil die Folge, dass eine Angelegenheit erst in der nächsten Sitzung öffentlich beraten werden könne, die Bereitschaft zur Verlegung eines Tagesordnungspunkts in den öffentlichen Sitzungsteil vielfach beeinträchtigen würde473. Für solche rechtspolitischen Erwägungen lässt die kommunale 469  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 6. 470  Zu den Ausschlussgründen siehe Kapitel E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 471  VG Hannover, Urteil vom 27.11.1985 – 1 bis VG A 72/83, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 51; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 11; zur Behandlung nicht bekannt gemachter Tagesordnungspunkte siehe Kapitel ii. Erweiterung der Tagesordnung nach Bekanntmachung, S. 204 ff. 472  Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 7 S. 171. 473  A. A. Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 5.1 S. 29.



II. Tatsächliche Voraussetzungen217

Sitzungsöffentlichkeit jedoch keinen Raum474. Sowohl das Vorliegen von Ausschlussgründen für eine nicht öffentliche Beratung475, als auch die Gegebenheit von Dringlichkeit/Unaufschiebbarkeit für eine nachträgliche Erweiterung der Tagesordnung476 sind rechtlich voll nachprüfbar. Es kommt mithin nicht auf die Bereitschaft der Ratsmitglieder eine Angelegenheit erst in der nächsten Sitzung zu beraten an. Wird der Tagesordnungspunkt in nicht öffentlicher Sitzung beraten, obwohl keine Ausschlussgründe gegeben sind, ist die Entscheidung wegen des Fehlens von Ausschlussgründen rechtswidrig477. Gleiches gilt, wenn eine Beratung entgegen der bekanntgemachten Tagesordnung in öffentlicher Sitzung durchgeführt wird und keine entsprechende Dringlichkeit/Unaufschiebbarkeit gegeben war478. Um Verzögerungen zu vermeiden, empfiehlt sich bei Zweifeln über die Qualifizierung eines Tagesordnungspunkt als öffentlich oder nicht öffentlich daher eine Aufnahme in den öffentlichen Sitzungsteil479. Die rheinland-pfälzische Regelung, Nr. 4 GemO-VV zu § 34 GemO RP, nach der ein Beschluss des Gemeinderats, dass eine Sitzung, die als nicht öffentliche Sitzung bekanntgemacht worden ist, als öffentliche Sitzung abgehalten wird, keiner erneuten öffentlichen Bekanntmachung der Tagesordnung bedarf, hält einer rechtlichen Würdigung daher nicht stand480. Bei einem entsprechenden Beschluss handelt es sich im Kern um eine Verschiebung der Tagesordnungspunkte vom nicht öffentlichen in den öffentlichen Teil. Findet die Sitzung am gleichen Termin statt, so dass eine Bekanntmachung bereits praktisch ausgeschlossen ist, ist die teilnehmende Öffentlichkeit auf Grund der zunächst als nicht öffentlich bekannt gemachten Sitzung reduziert. Soll die Sitzung ohne erneute Bekanntmachung der Tagesordnung an einem anderen Termin stattfinden, verletzt das Ausbleiben der erneuten Bekanntmachung der Tagesordnung die Bekanntmachungspflicht für öffentliche 474  Ebenfalls mit Bedenken zur Vereinbarkeit der öffentlichen Behandlung von Tagesordnungspunkten, die nicht öffentlich bekannt gemacht worden sind, Schuster/ Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 1 S. 16. 475  Siehe zu den Ausschlussgründen im Einzelnen in Kapitel E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 476  Siehe dazu Kapitel cc) Grundsatz der Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit, S. 205 ff. 477  Siehe dazu ausführlich im Kapitel I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss unter 1. Fehlerfolge: Rechtswidrigkeit, S. 428 ff. 478  Siehe dazu Kapitel (2) Erweiterung der Tagesordnung nach Bekanntmachung, S. 204 ff.; a. A. Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 S. 33, VV zu § 34 GemO NR. 4. 479  Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 50 Ziff. 9 S. 173. 480  Mit Hinweis auf rechtliche Bedenken, Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V. 1 S. 16.

218

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Sitzungen, denn die Bekanntmachung der Tagesordnungspunkte nicht öffentlicher Sitzungen erfolgt nur „insoweit, als dadurch der Zweck der Nicht­ öffentlichkeit nicht gefährdet wird“, § 34 Abs. 6 S. 2 GemO RP. Nr. 5 GemO-VV zu § 34 GemO RP gibt dementsprechend vor: „Die öffentliche Bekanntmachung der Tagesordnung nicht öffentlicher Sitzungen soll sich auf allgemeine Bezeichnungen der Beratungsgegenstände beschränken (z. B. Personalsachen, Grundstückssachen, Abgabensachen).“ Im Gegensatz dazu fordert die Bekanntmachungspflicht bei öffentlichen Tagesordnungspunkten eine genaue Bezeichnung des Beratungsgegenstands, damit die Öffentlichkeit abwägen kann, ob sie an der Sitzung teilnehmen möchte. Kann diese konkrete Bekanntmachung mit Verweis auf eine vorherige abstrakte Bekanntmachung einer ursprünglich nicht öffentlichen Sitzung unterbleiben, führt das nicht nur im konkreten Fall dazu, dass den Bürgern Informationen, die für eine Teilnahmeentscheidung wesentlich sind, vorenthalten werden, sondern eröffnet der Verwaltung/kommunalen Volksvertretung darüber hinaus auch generell eine Möglichkeit, die Öffentlichkeit gezielt zu desinformieren, um sie von einer Teilnahme abzuhalten. Die Baden-Württembergische Verfahrensregel, wonach der Gemeinderat darüber entscheidet, ob ein Verhandlungsgegenstand entgegen der Tagesordnung in öffentlicher oder nicht öffentlicher Sitzung zu behandeln ist, § 35 Abs. 1 S. 3 GemO BW, ist vor dem Hintergrund der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit verfassungskonform so auszulegen, dass im Fall einer Entscheidung, einen für den nicht öffentlichen Sitzungsteil angesetzten Tagesordnungspunkt öffentlich zu behandeln, dies erst in der nächsten Sitzung – nach ordentlicher Bekanntmachung des betroffenen Tagesordnungspunkts – erfolgen kann481. (8) Fazit Die Bekanntmachung der Tagesordnung entfaltet auf Grund ihrer demokratischen Funktion für die Gemeindebürger Bindungswirkung gegenüber der kommunalen Volksvertretung und dem Bürgermeister. Erweiterungen der Tagesordnung können folglich nicht alleine durch den Bürgermeister oder den Beschluss einer Mehrheit der Mitglieder der kommunalen Volksvertretung erfolgen. Andernfalls könnten Tagesordnungspunkte gezielt erst in der Sitzung ergänzt werden, nachdem das Fehlen von Zuschauern oder Pressevertretern festgestellt wurde. Auf diese Weise wäre es möglich, systematisch eine effektive, demokratische Kontrolle zu verhindern.

481  Bock,

in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 11.



II. Tatsächliche Voraussetzungen219

Es darf grundsätzlich nur über Gegenstände, die in der bekanntgegebenen Tagesordnung enthalten waren, beraten werden482. Spontane Erweiterungen sind nur zulässig, wenn die kommunale Volksvertretung dies mit der notwendigen Mehrheit beschließt und Dringlichkeit/Unaufschiebbarkeit gegeben ist. 2. Sitzungsdurchführung Die Zugänglichkeit des Sitzungsraums soll eine Teilnahme der Allgemeinheit an der Sitzung gewährleisten483. Sie erschöpft sich folglich nicht in der Zutrittsmöglichkeit. Notwendig ist darüber hinaus eine Ausstattung des Sitzungsraums und eine Sitzungsführung, die es den Zuschauern auch tatsächlich ermöglicht den Debatten zu folgen. Wird dagegen verstoßen, besteht faktisch Nichtöffentlichkeit. Würden im Rahmen eines papierlosen Stadtrats alle Debatten über ein Chatprogramm erfolgen, in das sich die Mitglieder der kommunalen Volksvertretung innerhalb des Sitzungsraums einloggen und auf das die Zuschauer keinen Zugriff haben, wäre die Öffentlichkeit trotz Zugänglichkeit des Sitzungsraums nicht befähigt den Debatten und Beschlüssen zu folgen und daher ausgeschlossen. Gleiches wäre in dem nicht ganz so abstrakten Beispiel der Fall, wenn die Akustik des Sitzungsraums ein Zuhören im Zuschauerraum unmöglich macht. Unzulässig ist daher eine Anordnung der Zuschauerplätze, die eine Sitzungsverfolgung mit durchschnittlichem Seh- und Hörvermögen nicht zulässt484. Dementsprechend darf auch die Verwendung eines Dialekts, welcher als Form der deutschen Sprache grundsätzlich zulässig ist485, nicht dazu führen, dass der Sitzung nicht mehr gefolgt werden kann486. Ein genereller Anspruch auf ein Rauchverbot folgt aus dem Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit nicht. Auf Grund des verfassungsrechtlichen Anspruchs jedes Einzelnen, vor gesundheitlichen Schäden verschont zu bleiben, hat das Bundesverwaltungsgericht 1989 jedoch festgestellt, dass ein Zwang zum Passivrauchen im Rahmen des öffentlichen Sitzungsbetriebs kommuna482  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 299 Rn. 452; Paal, in: Rehn/ Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 15. 483  Zum Begriff der Teilnahme siehe Kapitel 2. Das Recht der Sitzungsteilnahme, S. 248. 484  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 4; Tesch­ke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 9. 485  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 21. 486  Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 184.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

ler Vertretungskörperschaften auch von Zuschauern nicht hingenommen werden müsse. Es kommt nach dieser Entscheidung jedoch auf die Umstände des Einzelfalls an, ob ein Rauchverbot ausgesprochen werden muss. Im damaligen Fall ließ es das Gericht ausreichen, dass moderne und ausreichend große Tagungsräumlichkeiten, eine Trennung der Zuschauerbühne in Raucher- und Nichtraucherbereich und die Bereitschaft des Ratsvorsitzenden, im Falle eines starkem Besucherandrangs ein Rauchverbot auszusprechen, bestanden. Die Teilnahme an einer Sitzung sei unter diesen Umständen auch für Nichtraucher ohne Aussprache eines Rauchverbot zumutbar.487 Die vorgenannte Rechtsprechung hat durch den inzwischen etablierten Nichtraucherschutz rechtlich in erster Linie nur noch zeithistorischen Wert. Für die Sitzungsöffentlichkeit hat das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Entscheidung jedoch unmissverständlich klargestellt, dass auch potentielle Gesundheitsgefährung der Zuschauer öffentlicher Sitzungen nicht mit dem Gebot der Sitzungsöffentlichkeit vereinbar sind. Dieser Grundsatz wäre beispielsweise auf unbeheizte Zuschauerplätze bei deutlichen Minustemperaturen übertragbar. Voraussetzung für Sitzungsöffentlichkeit ist folglich eine solche Ausstattung des Sitzungsraums und eine Sitzungsleitung, welche eine Teilnahme durch Zuhören488 tatsächlich ermöglicht ist. Abhängig von der Örtlichkeit wird dafür der Sitzungsraum ausreichen oder auch die Installation und Nutzung einer Mikrofonanlage notwendig sein489. Gegebenenfalls ist darauf zu achten, dass keine „technisch bedingte Zensur“ der Redebeiträge erfolgt und im Falle nicht öffentlicher Beratung die Vertraulichkeit gewährleistet ist490. a) Kommunikative Barrierefreiheit Eine Teilnahme wird auf diese Weise denjenigen ermöglichst, die zuhören können. Es stellt sich damit die Frage, ob für eine Zugänglichkeit und Teilnahmemöglichkeit für jedermann auch auf die besonderen Bedürfnisse Schwerhöriger oder Gehörloser Rücksicht genommen werden muss. Maßnahmen der Verwaltung geht die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen vor. Das bedeutet, Schwerhörige, deren Hörvermögen durch technische Hilfsmittel verbessert werden kann, müssen zum Beispiel ein Hörgerät, eine 487  BVerwG,

Beschluss vom 16.08.1989 – 7 B 118.89, NVwZ 1990, 165 (165). Beschränkung des Teilnahmerechts der Öffentlichkeit auf eine passive Sitzungsverfolgung siehe Kapitel a) Saalöffentlichkeit – Keine aktive Sitzungsteilnahme, S. 248. 489  Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 S. 1; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 10. 490  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 12, 31. 488  Zur



II. Tatsächliche Voraussetzungen221

FM-Anlage oder ein Cochlear-Implantat verwenden, bevor von Seiten der Sitzungsleitung Rücksichtnahme auf ihre besonderen Bedürfnisse erwartet werden darf. Insofern gilt für Schwerhörige das Gleiche, wie für Menschen mit Seh- oder Gehbehinderung, die ebenfalls ihre eigenen Sehhilfen oder Rollstühle etc. einsetzen müssen, um zum Sitzungsort zu gelangen. Kann eine Verbesserung des Hörvermögens durch Hilfsmittel nicht erreicht werden, beherrscht der Betroffene jedoch die Fähigkeit der Kommunikation mittels Lippenlesen oder Gebärdensprache, stellt sich die Frage, ob im Rahmen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit darauf insoweit Rücksicht genommen werden muss, dass der Sitzungsraum und die Sitzungsleitung das Lippenlesen ermöglicht (s. dazu im Folgenden unter aa)) oder ein Gebärdendolmetscher vorgehalten oder zumindest zugelassen werden muss (s. dazu im Folgenden unter bb)). aa) Lippenlesen Selbst denjenigen, die das Lippenlesen beherrschen, ist es allein durch das Lippenlesen nicht ohne Weiteres möglich politischen Debatten zu folgen. Das Lippenlesen bietet keine Gewähr für das Verständnis des Gesprochenen. Der größte Teil des Inhalts geht verloren und muss logisch erschlossen werden. Zusätzliche Schwierigkeiten können durch ungeübte Sprecher entstehen, die ihren Mund durch das Mikrofon oder Gesten verdecken, Kaugummi kauen oder übertrieben artikulieren.491 Darüber hinaus wird es auch organisatorisch kaum möglich sein, die Plätze eines Sitzungsraums so zu arrangieren, dass zumindest von einigen Sitzen des Zuschauerraums das Lippenlesen bei allen Rednern möglich ist. Nur wenn alle Wortbeiträge von einem optimal positionierten Rednerpult aus erfolgen, könnte die Möglichkeit des Lippenlesens für Schwerhörige oder Gehörlose überhaupt eine Option sein. Auf kommunaler Ebene ist es nicht üblich, dass Wortbeiträge immer vom Rednerpult aus gehalten werden. Organisatorisch ließe sich diese Regelung zwar in allen Kommunen umsetzen, ob und inwieweit dadurch in mandatschaftliche Rechte der Mandatsträger eingegriffen werden würde, müsste jedoch eingehender betrachtet werden. Denkbar ist, dass eine solche Regelung gerade in kleineren Gemeinden mit ungeübten Sprechern ein solches Hemmnis für eine Beteiligung durch einen Wortbeitrag darstellt, dass politische Debatten praktisch nicht mehr geführt werden würden. Darüber hinaus eröffnet gerade die freie und spontane Rede vom Platz oftmals die Möglichkeit konstruktiver Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg, welche durch das 491  Deutschen

Gehörlosen-Bund e. V., Email-Auskunft vom 12.09.2014.

222

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

steife Korsett der Rede vom Rednerpult unterbunden werden würde. Insofern könnte eine entsprechende Regelung sogar Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretungen haben, insbesondere in Situationen einer „Minderheitsregierung“, die auf die Beschaffung wechselnder Mehrheiten angewiesen ist.492 Die Möglichkeit des Lippenlesens bietet folglich keine Gewähr für die Öffentlichkeit von Sitzungen für Schwerhörige oder Gehörlose, birgt jedoch die Gefahr einer Funktionsbeeinträchtigung der kommunalen Volksvertretung. bb) Gebärdendolmetscher Anders ist hingegen der Einsatz von Gebärdendolmetschern zu beurteilen. Zwar beherrschen nicht alle Gehörlosen und Schwerhörigen, denen technische Hilfsmittel keine Hilfe bieten, die Gebärdensprache. Für gehörlos geborene Menschen ist die Gebärdensprache jedoch Muttersprache. Dementsprechend ist die Gebärdensprache nicht nur als Sprache anerkannt, § 6 BGG verbürgt sogar das Recht auf diese Weise zu kommunizieren. Ein Gebärdendolmetscher würde Schwerhörigen oder Gehörlosen, die die Gebärdensprache beherrschen, ermöglichen den Debatten zu folgen und damit eine Teilnahme als „Zuhörer“ gewährleisten. Es stellt sich folglich die Frage, ob die Organisation eines Gebärdendolmetschers eine staatliche Aufgabe im Rahmen der Sitzungsöffentlichkeit darstellt. Eine Anspruchsgrundlage dafür existiert nicht. Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verbietet zwar die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen, verpflichtet den Staat aber nicht in der Weise zum Nachteilsausgleich, dass da­ raus ein Leistungsrecht der Betroffenen abgeleitet werden kann493. Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG zwingt daher weder zum barrierefreien Umbau sämtlicher Gebäude494, noch zur Änderung von Form- und Verfahrensvorschriften495. Auch die Vorhaltung eines Gebärdendolmetschers scheidet daher aus. Die „Erklärung von Barcelona“ verpflichtet die Kommunen, nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten Nachteile für Behinderte abzubauen, und erschöpft

492  Entsprechende Bedenken werden gegen die Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen in den Sitzungen kommunaler Volksvertretungen geltend gemacht, siehe dazu Kapitel b) Medienöffentlichkeit – Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen?, S. 250. 493  Kischel, in: Epping, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 237. 494  BVerwG, Urteil vom 05.04.2006 – 9 C 1.05, BVerwGE 125, 370 (383). 495  Kischel, in: Epping, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 236, 238.



II. Tatsächliche Voraussetzungen223

sich insofern erst recht in Absichtserklärung der unterzeichnenden Kommunen. Auch aus der UN-Behindertenrechtskonvention lassen sich keine Leistungsansprüche ableiten. So verlangt Art. 21 CRPD zwar, dass Menschen mit Behinderung „gleichberechtigt mit anderen und durch alle von ihnen gewählten Formen der Kommunikation im Sinne des Artikels 2“, der unter anderem auch die Gebärdensprache aufzählt, am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben können sollen, die Verpflichtung der Staaten beschränkt sich jedoch darauf, dass die Verwendung von Gebärdensprache anerkannt und gefördert wird (Art. 21 lit. E CRPD) und Behörden die Verwendung von Gebärdensprache akzeptieren und erleichtern (Art. 21 litt b CRPD). Eine Vorhaltung oder Bestellung eines Gebärdendolmetschers kann folglich nicht gefordert werden. Dementsprechend vermittelt auch § 6 Abs. 3 BGG keinen Anspruch auf Bereitstellung eines Gebärdendolmetschers, denn die Norm verweist auf die „Maßgabe der einschlägigen Gesetze“, in denen das Recht, die Deutsche Gebärdensprache, lautsprachbegleitende Gebärden oder andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden, ausgestaltet wird. Etwas weiter geht § 9 Abs. 2 S. 2 BGG, der besagt: „Die Träger öffent­ licher Gewalt haben […] auf Wunsch der Berechtigten im notwendigen Umfang die Übersetzung durch Gebärdensprachdolmetscher oder die Verständigung mit anderen geeigneten Kommunikationshilfen sicherzustellen und die notwendigen Aufwendungen zu tragen.“ Dieser Leistungsanspruch ist jedoch zum einen auf die Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren beschränkt, zum anderen keine rechtsdogmatische Lösung für den Bereich der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Die allgemeine Zugänglichkeit im Sinne der Sitzungsöffentlichkeit umfasst auch die Möglichkeit des spontanen Sitzungsbesuchs. Ist im Vorfeld eine Anmeldung erforderlich, möglicherweise sogar mit einer einzuhaltenden Bearbeitungszeit, widerspricht diese Verfahrenshürde der allgemeinen Öffentlichkeit. Auch aus § 19 SBG X kann kein Rechtsanspruch auf Zurverfügungstellung eines Gebärdendolmetschers für die Sitzung einer kommunalen Volksvertretung abgeleitet werden. Aus Abs. 1 S. 2 folgt zwar, dass Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen das Recht haben, in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren und die Kosten von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen sind, aber bei der passiven Teilnahme an der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung findet gerade keine Kommunikation in dem Sinne, dass wechselseitig Ansichten, Meinungen und Informationen ausgetauscht werden, statt.

224

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention vom September 2011 beinhaltet, geschäftsfähigen Menschen mit Behinderungen die Wahrnehmung ihres aktiven und passiven Wahlrechts zu ermöglichen (Ziff. 3.10.4). Darunter muss notwendig auch die Wahrnehmung anderer politischer Teilhaberechte verstanden werden, wie zum Beispiel das Zugangsrecht zu öffentlichen Sitzungen gewählter Volksvertretungen. Denn andernfalls wäre die Wahrnehmung des aktiven oder gar passiven Wahlrechts inhaltlich unmöglich. Außerdem gibt der Ak­ tionsplan vor, dass Kosten in Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren für Gebärdendolmetscher von den Behörden zu tragen sind (Ziff. 3.10.6). Wie die Erklärung von Barcelona erschöpft sich aber auch der Aktionsplan in rechtlicher Hinsicht als Zusammenfassung von Absichtserklärungen, denen im Ergebnis keine Leistungsansprüche entnommen werden können. In Ermangelung einer Anspruchsgrundlage der Betroffenen gegenüber der kommunalen Verwaltung auf Vorhaltung oder Organisation eines Gebärdendolmetschers kann auch aus dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit keine entsprechende Pflicht der Kommunen abgeleitet werden496. Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick nur schwerlich mit dem Gebot der Sitzungsöffentlichkeit vereinbar wirken, schließt es Gehörlose doch von der Sitzungsteilnahme aus. Zudem wäre die Notwendigkeit einer Anmeldung, dass ein Gebärdendolmetscher benötigt wird, ein milderes Mittel, selbst wenn damit die Spontaneität eines Sitzungsbesuchs durch Gehörlose eingeschränkt werden würde. Tatsächlich werden Gehörlose jedoch genauso behandelt, wie Menschen mit anderen körperlichen Behinderungen. Auch diesen bleibt die Kompensation ihre Benachteiligungen durch Hilfsmittel überlassen. Auch wenn es seltsam anmutet, rechtlich stellt ein Gebärdendolmetscher für einen Gehörlosen nichts anderes dar, als die Sehhilfe für einen Sehbehinderten, der Blindenstock für einen Blinden oder der Rollstuhl für einen Rollstuhlfahrer. Aus der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit folgt unstrittig keine Pflicht der Verwaltung Brillen, Blindenstöcke und Rollstühle in der Bevölkerung zu verteilen, damit die Betroffenen an den Sitzungen der kommunalen Volksvertretung teilnehmen können. Insofern obliegt es auch dem Gehörlosen für die Anwesenheit eines Gebärdendolmetschers zu sorgen. Diesen hat die kommunale Verwaltung allerdings gegebenenfalls auch als Sitzungsteilnehmer zuzulassen. Auch die entstehenden Kosten gebieten keine andere Einschätzung, denn auch die Kosten für die Kompensation anderer Hilfsmittel müssen die Betroffenen selber tragen. Zum Teil werden die Kosten für Gebärdendolmet496  Blum,

in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 21.



II. Tatsächliche Voraussetzungen225

scher zum Umgang mit Behörden vom Staat übernommen497. Ob diese Regelung für die Wahrnehmung demokratischer, gesetzlich verbürgter Teilnahmerechte, wie dem aktiven und passiven Wahlrecht, ausreicht, erscheint fraglich, kann hier jedoch nicht eingehend erörtert werden und sollte im Rahmen der Sozialgesetzgebung geklärt werden. Auch wenn die rechtliche Situation für Gehörlose unbefriedigend ist, wird sich zumindest praktisch oftmals eine Sitzungsteilnahme durch eine Nachfrage bei der Kommunalverwaltung unter dem Gesichtspunkt der aktuellen Inklusionsbemühungen einrichten lassen. cc) Fazit: passives Zugangsrecht Im Ergebnis ist festzustellen, dass Zugänglichkeit im Sinne der Sitzungsöffentlichkeit auch die Berücksichtigung der besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen verlangt. So ist der Sitzungsraum barrierefrei zu gestalten, allen Zuhörern muss gestattet werden ihre Hilfsmittel – gleich ob Brille, Hörgerät, Rollstuhl oder Gebärdendolmetscher – mit in den Sitzungsraum zu nehmen. Seine Grenzen findet das Zugangsrecht jedoch in der individuellen Kompetenz zur Selbstbefähigung. Ist eine Benachteiligung nicht ausgleichbar, zu denken ist dabei auch an geistige Behinderungen, fordert die kommunale Sitzungsöffentlichkeit nicht, dass die Sitzung auch für diese Menschen zugänglich – im Sinne von verständlich – sein muss. Entsprechendes gilt, für die Organisation möglicher (technischer) Hilfsmittel. Es ist nicht Aufgabe der kommunalen Verwaltung im Rahmen der Sitzungsöffentlichkeit der kommunalen Volksvertretung Brillen, Hörgeräte, Rollstühle oder Gebärdendolmetscher zu organisieren oder gar die Kosten dafür zu tragen. Die Anschaffung und Finanzierung von Kompensationshilfen sind Fragen der Sozialgesetzgebung. Die Sitzungsöffentlichkeit gewährleistet folglich nur ein – im Hinblick auf die Zuschauer – passives Zugangsrecht. Dieses umfasst das Zugänglichmachen des Sitzungsraums und die Zulassung der Teilnahme inklusive aller Hilfsmittel, nicht aber weitere Leistungsansprüche498. Der Kommunalverwaltung obliegt nicht die aktive Befähigung der Zuschauer für eine Teilnahme in der Weise, dass sie ihre Nachteile auszugleichen hat.

497  Siehe dazu im Einzelnen unter http://www.bgbb.de/dolmetschen/rechtsan spruch, zuletzt geprüft am 20.08.2016. 498  Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 4.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

b) Sitzungsleitung Die Durchführung der Sitzung muss so erfolgen, dass das Publikum nachvollziehen kann, worüber abgestimmt wird. Üblicherweise werden unstrittige Tagesordnungspunkte nur kurz aufgerufen und oftmals in der Weise abgestimmt, dass zunächst nach Gegenstimmen und Enthaltungen gefragt wird. Teilweise wird dann ohne Abfrage der Fürstimmen im Umkehrschluss das Abstimmungsergebnis festgestellt und zum nächsten Tagesordnungspunkt übergeleitet. Durch die mit diesem Verfahren einhergehende Beschleunigung der Sitzung, ist es für das Publikum bei Sitzungen mit umfangreichen Tagesordnungen schwierig bis unmöglich nachzuvollziehen, welche Beratungsgegenstände bereits behandelt worden sind. In diesen Fällen ist es zur Gewährleistung der Sitzungsöffentlichkeit notwendig, dass das Publikum die Möglichkeit hat, die Tagesordnung während der Sitzung vor Augen zu haben. Da die Zuschauer nicht mit dem beschriebenen Verfahren rechnen müssen und sie keinen Einfluss auf die Art der Sitzungsleitung haben, kann von Ihnen nicht erwartet werden, die Tagesordnung dabei haben. Die zur Verfügungstellung der Tagesordnung in der Sitzung kann durch eine Projektion derselben an eine Leinwand oder das Auslegen von Exemplaren der Tagesordnung an geeigneter Stelle erfolgen499. Erfolgt eine Beschlussfassung ohne Aussprache, verstößt es gegen das Öffentlichkeitsgebot, wenn die Zuschauer keine Informationen über den konkreten Wortlaut erhalten, so dass für sie nicht nachvollziehbar ist, was Gegenstand der Abstimmung ist. Insbesondere in den Fällen, in denen keine öffentliche Vorberatung in einem Ausschuss stattgefunden hat, folgt aus dem Öffentlichkeitsgebot, dass der zur Abstimmung stehende Beschluss verlesen werden muss500. Aus der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit folgt mithin ein Mündlichkeitsprinzip, so wie ein Sitzungsvorbehalt für Beschlussfassungen. Diese dürfen nicht in Umlaufverfahren gefasst werden501. 3. Sitzungsnachbereitung a) Protokolleinsicht Das demokratische Kontrollrecht der Öffentlichkeit ist mit dem Schluss der Sitzung nicht erschöpft, sondern umfasst auch das Recht gefasste Beschlüsse später nachzuvollziehen und (politisch) zu würdigen. Zu diesem in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 15. in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 15. 501  Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 3. 499  Teschke, 500  Teschke,



II. Tatsächliche Voraussetzungen227

Zweck folgt aus der Sitzungsöffentlichkeit als Annex das Recht der Protokoll­ einsicht. Es darf – sofern keine Ausschlussgründe bestehen502 – durch die kommunale Verwaltung auch nach dem Ende der Sitzung nicht geheim gehalten werden, was in der Sitzung geschehen ist und welche Beschlüsse gefasst wurden. Der Öffentlichkeitsgrundsatz umfasst mithin auch die Befugnisse in die Niederschriften der öffentlichen Sitzung Einsicht zu nehmen503. Ob und unter welchen Bedingungen (insbesondere Kostenübernahme) Kopien angefertigt werden dürfen, hat die kommunale Volksvertretung zu ermessen. In der Praxis dürfte diese Fragestellung durch die zunehmende Digitalisierung an Bedeutung verlieren. Schon heute stellen viele Kommunen die Niederschriften der öffentlichen Sitzungen auf ihrer Homepage zur Einsicht zur Verfügung, so dass auch Vervielfältigungen unproblematisch möglich sind. b) Bekanntmachung Eine allgemeine Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung der in öffent­ licher Sitzung gefassten Beschlüsse einer kommunalen Volksvertretung existiert grundsätzlich nicht504. Etwas anderes gilt nur in den Bundesländern, in denen eine entsprechende Bekanntmachungspflicht ausdrücklich normiert ist505. Abhängig vom Bundesland sind dabei unterschiedliche formale Anforderungen einzuhalten506. In den übrigen Bundesländern ist eine Bekanntmachungspflicht nur für bestimmte Fälle normiert, insbesondere beim Erlass einer Satzung.

502  Zu den Ausschlussgründen siehe Kapitel E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 503  So ausdrücklich zum Beispiel in Art. 54 Abs. 3 S. 2 GO BY, § 29 Abs. 8 S. 2 KV M-V, Nr. 5 VV zu § 41 Abs. 4 GemO RP und § 42 Abs. 3 S. 3 ThürKO; siehe dazu auch Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 40; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.5; a. A. OVG Lüneburg, Urteil vom 31.07.1984 – 2 A 90/80, NVwZ 1986, 496 (497 f.); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 24. 504  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 324 Rn. 498. 505  Z. B. § 20b Abs. 2 S. 1 und § 21 Abs. 3 S. 3 GemO BW, vgl. dazu Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 14; § 39 Abs. 3 BbgKVerf; § 52 Abs. 2 S. 3 KV LSA, vgl. dazu Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 15; § 40 Abs. 2 ThürKO. 506  § 34 Abs. 2 S. 7 GemO BW, eine ordentliche Bekanntmachung ist nicht notwendig, vgl. Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 14; § 39 Abs. 3 ­BbgKVerf, Bekanntmachung in ortsüblicher Weise; § 40 ThürKO, unverzügliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise, vgl. Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 3.1.

228

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Grund für diese unterschiedliche Handhabung ist, dass die Bekanntmachung gefasster Beschlüsse kein obligatorischer Bestandteil des Gebots der kommunalen Öffentlichkeit ist, denn das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip verdichtet sich als Zielvorgabe nur hinsichtlich der unverzichtbaren Mindestanforderungen zu einem Gebot. Darunter fällt die Bekanntmachung gefasster Beschlüsse nicht. Die Bekanntmachung gefasster Beschlüsse dient auch der Anteilnahme der Bevölkerung an der kommunalen Selbstverwaltung, sowie der Kontrolle der gefällten Entscheidungen507, und überschneidet sich insofern mit den Funk­ tionen der Sitzungsöffentlichkeit. Sie ist für die Zweckerreichung des Öffentlichkeitsgebots, wegen des bestehenden Protokolleinsichtsrechts, jedoch nicht notwendig. Insofern ist die landesgesetzliche Normierung einer Bekanntmachungspflicht dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip zuträglich, hingegen jedoch nicht von dem engeren kommunalen Öffentlichkeitsgebot umfasst. Daraus folgt, dass eine Bekanntmachungspflicht gefasster Beschlüsse durch verfassungskonforme Auslegung in den Bundesländern, in denen eine solche nicht normiert ist, nicht in die Sitzungsöffentlichkeit hineininterpretiert werden kann, denn das Fehlen einer solchen Pflicht stellt keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip dar. Einer strengeren Regelung steht dieser Befund nicht entgegen, so dass die normierten Bekanntmachungspflichten als fakultative Ausgestaltungen des Öffentlichkeitsprinzips im Sinne der gewollten demokratischen und rechtsstaatlichen Kon­ trolle zu begrüßen sind. c) Nachträgliche Veröffentlichung nicht öffentlicher Beschlüsse Aus dem Grundsatz der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit folgt, dass Beratung und Beschlussfassung der kommunalen Volksvertretungen nur so lange nicht öffentlich behandelt werden dürfen, wie dafür ein Rechtfertigungsgrund besteht. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss ein Informationsrecht der Öffentlichkeit nach dem Wegfall des Grunds für den Öffentlichkeitsausschluss508. Ab diesem Zeitpunkt dürfen die Beratungsunterlagen, sowie das Sitzungsprotokoll – zumindest bezüglich des Tagesordnungspunkts für den der Ausschlussgrund entfallen ist – eingesehen werden. Während die Pflicht zur Bekanntmachung nicht öffentlicher Beschlüsse nach dem Wegfall der Ausschlussgründe in einigen Bundesländern ausdrück507  Bock,

in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 14. Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 31

508  Ähnlich

Rn. 8.



II. Tatsächliche Voraussetzungen229

lich normiert ist509, sehen andere Bundesländer keine entsprechenden Regelungen vor510. Da nach dem Wegfall der Ausschlussgründe keine Rechtfertigung für eine vertrauliche oder geheime Behandlung der Angelegenheit mehr besteht, ist jedoch auch in den Bundesländern, in denen die Bekanntmachungspflicht nicht ausdrücklich geregelt ist, von einer Verpflichtung auszugehen511. Diese ergibt sich unmittelbar aus dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip in Form des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Das Argument, die Bekanntmachung der Beschlüsse diene zwar dem Prinzip der Öffentlichkeit, sei jedoch nicht Bestandteil des Öffentlichkeitsgebots, greift im Fall nicht öffentlich gefasster Beschlüsse nicht durch, da deren Kontrolle nicht durch die Teilnahme der Öffentlichkeit an den Sitzungen und das Protokolleinsichtsrecht gewährleistet wird. Letzteres lebt mit dem Wegfall des Ausschlussgrunds zwar auf, da die Öffentlichkeit von dieser Informationsmöglichkeit jedoch ohne Bekanntmachung keine Kenntnis erlangt, eine Kontrolle mithin von dem Zufall abhängt, ob jemand zum richtigen Zeitpunkt um Einsicht bittet, genügt dies dem Öffentlichkeitsgebot nicht. Als actus contrarius hat über den Wegfall der Ausschließungsgründe die kommunale Volksvertretung zu entscheiden512. aa) Inhalt der nachträglichen Bekanntmachung (1) Beschränkung auf das Beratungsergebnis? Nach wohl herrschender Meinung umfasst die Bekanntmachungspflicht nicht öffentlicher Tagesordnungspunkte nur das Ergebnis der Beratung, nicht auch deren Verlauf513. Es bestehe kein subjektives Recht Außenstehender, 509  § 35 Abs. 1 S. 4 GemO  BW; Art. 52 Abs. 3 GO BY; § 52 Abs. 2 HGO; § 31 Abs. 3 KV M-V; § 35 Abs. 1 S. 2 GemO RP; § 37 Abs. 1 S. 3 SächsGemO; § 52 Abs. 2 S. 3 KVG LSA; § 35 Abs. 3 GO SH; § 40 Abs. 2 S. 2 ThürKO. 510  Brandenburg, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Saarland. 511  So ausdrücklich für Brandenburg Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 48. 512  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 14; Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (39 f.); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.5; zur Zuständigkeit für die Entscheidung über den Öffentlichkeitsausschluss siehe im Kapitel I. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss unter 1. Einzelfallentscheidung, S. 332 ff. 513  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 173; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 14; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 23; Bock, in: Kunze/ Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 15; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 15;

230

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Kenntnis vom gesamten Beratungsverlauf und -inhalt zu erhalten, denn auch für die Beweiskraft der Niederschrift als öffentlicher Urkunde gem. § 415 ZPO sei der Text des Beschlusses maßgeblich514. Dementsprechend sollen auch rein vorberatende Tätigkeiten von Ausschüssen nicht von der Bekanntmachungspflicht umfasst werden515. Diese Beschränkung der Bekanntmachungspflicht überzeugt im Ergebnis nicht. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit dient nicht nur der Information der Öffentlichkeit über die abschließende Beschlussfassung. Ihre zentrale Funktion besteht darin eine Basis für eine fundierte Beurteilung der gewählten Volksvertreter zu geben, indem die Entscheidungsmotive der Mandatsträger transparent sind516. Das Interesse der Öffentlichkeit geht mithin über die Frage der rechtlichen Beweisbarkeit hinaus. Die Bekanntmachung des reinen Beschlussergebnisses kann dies nicht leisten. Genauso wie nach dem Wegfall des Ausschlussgrunds kein Bedürfnis mehr für die Geheimhaltung des Beratungsergebnisses existiert, gibt es – ­vorausgesetzt diese beinhaltet keine anderen vertraulichen Informationen – auch für die vertrauliche Behandlung des Beratungsverlaufs, mithin des Protokoll(auszug)s, keinen Bedarf. Da das inhaltliche Schutzbedürfnis des Beratungsgegenstands entfallen ist, könnte das Fortbestehen der Vertraulichkeit allenfalls mit dem Schutz des Vertrauens der Mandatsträger in die Vertraulichkeit des (nicht öffentlich) gesprochenen Worts begründet werden. Da die Öffentlichkeit jedoch nicht zur Gewährleistung vertraulicher Aussprachen der Mandatsträger ausgeschlossen wird517, kann auch dem Vertrauen der Mandatsträger in die Vertraulichkeit des gesprochenen Worts keine rechtserhebliche Bedeutung beigemessen werden518. Die Mandatsträger haben sich auf Grund ihrer Wahl in ein öffentliches Amt öffentlich zu rechtfertigen. Sie müssen daher auch öffentlich die Verantwortung für Stellungnahmen im Rahmen nicht öffentlicher Beratungen übernehmen, sofern die Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit wegfallen. Andernfalls erhielten die Mandatsträger die Möglichkeit, unter dem DeckSponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 5; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.5. 514  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 4.5. 515  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 15. 516  Siehe zu den Funktionen der Öffentlichkeit im Detail Kapitel II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51 ff. 517  Siehe dazu ausführlich im Kapitel E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff., insb. unter 1. Gründe des öffentlichen Wohl, S. 369 ff. 518  OVG Koblenz, Urteil vom 05.09.1995 – 7 A 12185/94, zit. nach Dr. O., Die Gemeinde 1997, 116 (116).



II. Tatsächliche Voraussetzungen231

mantel eines notwendigen und sachlich begründeten Öffentlichkeitsausschlusses mit unsachlichen Motiven für ihren Standpunkt zu werben und diese zur Basis der Entscheidung zu machen, ohne dass es der Öffentlichkeit möglich wäre dies nachzuvollziehen und dem durch Kritik und Wahlentscheidungen Einhalt zu gebieten. Eine umfassend verstandene Bekanntmachungspflicht erfüllt folglich nicht nur den Informationsanspruch der Öffentlichkeit, sondern trägt durch das Wissen der Mandatsträger um eine potenzielle, spätere notwendige öffent­ liche Rechtfertigung zur Sachlichkeit und zur Kontrolle nicht öffentlicher Debatten und Beschlüsse bei. Ein legitimes Interesse der Mandatsträger kommunaler Volksvertretungen an der Geheimhaltung ihres Abstimmungsverhaltens besteht nicht519. Angesichts der umfangreichen Bekanntmachungen von Satzungen, z. B. in Form von Bebauungsplänen, kann gegen eine Bekanntmachung des Sitzungsverlaufs auch nicht eingewendet werden, dieser sei, beispielsweise als Auszug aus dem Protokoll, zu umfangreich für eine Bekanntmachung. Es trifft zwar zu, dass, soweit eine Bekanntmachungspflicht für öffentliche Sitzungsteile besteht, diese nur das Beratungsergebnis umfassen520. Es handelt sich dabei jedoch um zwei verschiedene Sachverhalte, die nicht miteinander verglichen werden können. Im Fall öffentlicher Beratungen ist die demokratische Kontrolle sowohl durch die Möglichkeit einer Teilnahme an der Beratung, als auch durch die Einsichtsmöglichkeit der Protokolle gewährleistet. Die Bekanntmachung öffentlich gefasster Beschlüsse dient folglich nur der offiziellen Information der Bevölkerung. Dagegen macht die Bekanntmachung nicht öffentlich gefasster Beschlüsse nach Wegfall des Ausschlussgrunds eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit überhaupt erst möglich. Die Bekanntmachungspflicht öffentlicher Beschlüsse kann daher nicht als Maßstab für den Umfang der Bekanntmachungspflicht nicht öffentlich gefasster Beschlüsse nach Wegfall des Ausschlussgrundes dienen. (2) Bekanntmachung redigierter Beschlussergebnisse Die Notwendigkeit des Schutzes vertraulicher Informationen steht in einigen Bundesländern scheinbar im Konflikt mit der Vorgabe eines Zeitpunkts, ab dem die Bekanntmachung nicht öffentlich gefasster Beschlüsse erfolgen soll521. BayVBl. 2014, 33 (41). dazu Kapitel b) Bekanntmachung, S. 227 ff. 521  § 35 Abs. 1 S. 4 GemO BW: „nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit oder […] in der nächsten öffentlichen Sitzung“; § 52 Abs. 2 HGO: „nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit“; § 52 Abs. 1 S. 3 KVG LSA: „nach Wiederherstellung der 519  Pahlke, 520  Siehe

232

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Um die Fristenbestimmung einzuhalten und zugleich den Schutz vertrau­ licher Informationen zu gewährleisten, soll eine Bekanntmachung redigierter nicht öffentlicher Beschlussergebnisse zulässig sein522. Es wird in diesem Rahmen sogar empfohlen zwei Beschlussformulierungen zu verabschieden: eine präzise als interne Arbeitsanweisung an die Verwaltung und eine vereinfachte zur Veröffentlichung523. Das OVG Lüneburg fomuliert: „In nicht­ öffentlicher Sitzung gefaßte [sic!] Beschlüsse sind so bekanntzugeben, daß [sic!] aus ihnen nicht auf den Teil des Inhalts geschlossen werden kann, dessen vertrauliche Beratung Zweck der nichtöffentlichen Sitzung war.“524 Dieser Kompromisslösung ist fragwürdig und in der Regel nicht nötig. Die Bekanntmachung eines überarbeiteten Beschlussergebnisses wird weder dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit gerecht, noch ermöglicht eine solche unvollständige Bekanntmachung eine Kontrolle der Mandatsträger. Die parallele Existenz zweier Varianten des Beschlussergebnisses ist nicht geeignet das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine ordnungsgemäße Willensbildung zu stärken, sondern birgt die Gefahr auf Grund der Doppelstruktur Misstrauen zu schüren. Darüber hinaus steht die Pflicht zur Bekanntmachung nicht öffentlich gefasster Beschlüsse in allen Bundesländern, die die Bekanntmachungspflicht geregelt haben, unter dem Vorbehalt, dass der Schutz vertraulicher Informationen nicht verletzt wird525. Daraus folgt, dass die Bekanntmachung solange zu unterbleiben hat, wie dies zum Schutz vertraulicher Informationen notwendig ist. Die Bekanntmachungspflicht hat das tatsächliche Beratungsergebnis (und nach hier vertretender Auffassung den tatsächlichen Sitzungsverlauf) zum Gegenstand. Die Bekanntmachungspflicht fordert – ungeachtet dessen, ob sie einfachgesetzlich verankert ist oder als Annex unmittelbar aus

Öffentlichkeit oder […] in der nächsten öffentlichen Sitzung“; § 35 Abs. 3 GO SH: „spätestens in der nächsten öffentlichen Sitzung“. 522  BVerwG, Beschluss vom 27.02.1975 – VII V 66.74, Die Gemeinde 1975, 218 (218 f.). 523  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 23. 524  OVG Lüneburg, Urteil vom 07.05.1974 – V A 91/72, Die Gemeinde 1974, 322 (324). 525  § 35 Abs. 1 S. 4 GemO BW: „sofern nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen“; Art. 52 Abs. 3 GO BY: „sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind“; § 52 Abs. 2 HGO: „soweit dies angängig ist“; § 37 Abs. 1 S. 3 SächsGemO: „sofern nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen“; § 52 Abs. 1 S. 3 KVG LSA: „sofern nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen einzelner entgegenstehen“; § 35 Abs. 3 GO SH: „wenn nicht überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen“; § 40 Abs. 2 S. 2ThürKO: „sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind“.



II. Tatsächliche Voraussetzungen233

dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit abgeleitet wird – keine symbolische Transparenz durch redigierte Beschlussergebnisse. Etwas anderes mag nur in den Fällen gelten, in denen auch auf absehbare Zeit keine vollständige Bekanntmachung erfolgen kann. In diesen Fällen ist, wie das Bundesverwaltungsgericht feststellte, eine Bekanntmachung in der Weise, dass aus dieser nicht auf den Teil des Inhalts geschlossen werden kann, dessen vertrauliche Beratung Zweck des Ausschlusses der Öffentlichkeit war526, als milderes Mittel im Vergleich zu einem vollständigen Unterlassen der Bekanntmachung, geboten. bb) Erledigung durch Zeitablauf? Da zwischen nicht öffentlicher Beschlussfassung und dem Wegfall der Ausschlussgründe ein erheblicher Zeitraum liegen kann, stellt sich die Frage, ob die Bekanntmachungspflicht unendlich fortbesteht oder nach Ablauf einer bestimmten Frist von einer Erledigung durch Zeitablauf ausgegangen werden kann. Ausdrückliche Regelungen bestehen dazu nicht. In einigen Bundesländern wird für die Bekanntmachung nicht öffentlich gefasster Beschlüsse ein Zeitpunkt vorgegeben527. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Bekanntmachungspflicht erlischt, wenn zu diesem Zeitpunkten noch Ausschlussgründe bestehen oder ob die Bekanntmachung lediglich bis zum nächst möglichen Zeitpunkt aufgeschoben ist. Mitunter wird vertreten, dies hänge von dem seit der Beschlussfassung vergangenen Zeitraum und dem allgemeinen Interesse an einer „verspäteten Information“ ab528. (1) Keine abstrakte Beurteilung möglich Es mag zutreffend sein, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntmachung nicht öffentlich gefasster Beschlüsse mit zunehmendem Zeitabstand zur Beschlussfassung sinkt. Ob und inwieweit dies zutrifft, hängt jedoch auch vom Verhandlungsgegenstand ab und kann nicht abstrakt für alle Beschlüsse beurteilt werden. 526  BVerwG,

(218).

Beschluss vom 27.02.1975 – VII V 66.74, Die Gemeinde 1975, 218

527  § 35 Abs. 1 S. 4 GemO BW: „nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit oder […] in der nächsten öffentlichen Sitzung“; § 52 Abs. 2 HGO: „nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit“; § 52 Abs. 1 S. 3 KVG LSA: „nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit oder […] in der nächsten öffentlichen Sitzung“; § 35 Abs. 3 GO SH: „spätestens in der nächsten öffentlichen Sitzung“. 528  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 15.

234

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

(2) Gefahr der Aushöhlung der Bekanntmachungspflicht Bei der Frage, ob von einer Befristung der Bekanntmachungspflicht ausgegangen werden kann, ist zu berücksichtigen, dass sich die Ausschlussgründe, wenn sie denn überhaupt entfallen, vielfach erst durch einen größeren Zeitabstand erledigen. Zu denken ist hier beispielsweise an die Kaufpreishöhe von Grundstücken. Erst wenn der Zeitabstand so groß ist, dass die Bekanntmachung eines Grundstücksgeschäfts auch keinen Einfluss auf die aktuellen Verkaufsgeschäfte der Gemeinde haben kann, kann insbesondere auch der Kaufpreis bekannt gemacht werden. Ähnliches gilt für Personalentscheidungen, welche frühestens dann bekannt gemacht werden können, wenn das Dienstverhältnis beendet oder der Betroffene verstorben ist – wobei zu beachten ist, dass das Persönlichkeitsrecht auch nach dem Ende des Dienstverhältnises und über den Tod hinaus schutzwürdig sein kann. Das Befristen der Bekanntmachungspflicht hätte daher in den meisten Fällen zur Folge, dass nicht öffentlich gefasste Beschlüsse nie bekannt gemacht werden, mithin die Bekanntmachungspflicht im Wesentlichen gegenstandslos wäre. (3) Legalitäts- und Rechtmäßigkeitskontrolle Der Öffentlichkeitsgrundsatz dient der demokratischen Kontrolle des Volks über die Entscheidungen der gewählten Vertreter529. Aus dem Demokratieund Rechtstaatsprinzip folgt das alle politischen Entscheidungen kontrolliert werden können, sofern keine Rechtfertigung für eine nicht öffentliche Behandlung besteht530. Wenngleich durch Zeitablauf nicht öffentliche Entscheidungen an Aktualität und tagespolitischer Brisanz verlieren und das Interesse der breiten Öffentlichkeit an einer nachträglichen Information gering(er) sein mag – auch weil alte Beschlüsse keinen wesentlichen Einfluss auf die aktuellen Wahlentscheidungen haben –, kann die dem Volk als Souverän zustehende Legalitätsund Rechtmäßigkeitskontrolle nicht mit dem Hinweis auf den seit der Beschlussfassung vergangenen Zeitraum negiert werden. Die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit beschränkt sich nicht auf die demokratische Bewertung, der durch die Wahlentscheidung Ausdruck gegeben 529  Siehe dazu ausführlich im Kapitel 1. Demokratieprinzip und Öffentlichkeit, S. 54 ff. 530  Siehe zur Möglichkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses im Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff.



II. Tatsächliche Voraussetzungen235

wird. Diese Konsequenz verblasst durch zunehmenden zeitlichen Abstand zum Entscheidungszeitpunkt tatsächlich soweit, dass mit ihr kaum eine unbefristete Bekanntmachungspflicht begründet werden kann. Bereits politische Entscheidungen, die am Anfang einer Wahlperiode getroffen worden sind, spielen bei der nächsten kaum noch eine Rolle. Die Kontrolle durch die Öffentlichkeit dient aber auch der Prüfung der Beschlüsse auf ihre Legalität. Neben der Bewertung der Entscheidungen im politischen Sinne, obliegt es der Öffentlichkeit auch darüber zu wachen, ob die Mandatsträger rechtmäßige Entscheidungen fassen. Dies ist nicht so zu verstehen, dass der Öffentlichkeit eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle obliege oder sie eine solche veranlassen könnte. Die „fiktive Anwesendheit des ganzen Volks“ durch die Sitzungsöffentlichkeit trägt aber dazu bei, dass den Mandatsträgern ihre Stellung als delegierte Volksvertreter bewusst bleibt531. Ein Grund dafür ist, dass die Opposition ihre Aufgabe der Kon­ trolle und Korrektur der Mehrheit besonders ernst nimmt. Sie wird davon angetrieben sich in den Augen der Öffentlichkeit verdient zu machen. Alleine dadurch wird die Mehrheit verstärkt zur Achtung auf die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidungen angehalten. Dieser Kontrolleffekt muss auch für nicht öffentliche Beschlüsse bestehen sobald die Ausschlussgründe wegfallen. Dementsprechend kann die Bekanntmachungspflicht jedenfalls nicht vor der Verjährung etwaig einschlägiger Straftatbestände entfallen. Entfällt für eine Entscheidung der Ausschlussgrund nachträglich, darf diese der Öffentlichkeit ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorenthalten werden. Die Herausgabe von Informationen auf Nachfrage oder die Gewährung von Einsicht auf Antrag stellt eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit nicht ausreichend sicher, da Nachfragen und Anträge das Wissen um das Vorhandensein und die Zugänglichkeit der Informationen voraussetzen. Im Fall nicht öffentlicher Beschlüsse bei denen die Ausschlussgründe nachträglich entfallen sind, ist ohne Bekanntmachung jedoch weder das Wissen um die Zugänglichkeit und womöglich nicht einmal über das Wissen um das Vorhandensein der Informationen verbreitet, so dass entsprechende Nachfragen oder Anträge nicht gestellt werden können. Eine effektive demokratische und rechtsstaatliche Legalitäts- und Rechtmäßigkeitskontrolle setzt folglich zwingend die Bekanntmachung nicht öffentlich gefasster Beschlüsse voraus, wenn die Ausschlusstatbestände entfallen.

531  OVG

(10).

Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8

236

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

(4) Fazit Eine abstrakte Aussage, mit welchem zeitlichen Abstand die Bekanntmachungspflicht entfällt, ist nicht möglich. Zugleich birgt die Annahme einer Befristung der Verpflichtung die Gefahr, dass die Bekanntmachungspflicht ausgehöhlt wird und keine effektive Kontrolle durch die Öffentlichkeit stattfinden kann. Vor diesem Hintergrund ist der Annahme, bei ausreichendem zeitlichem Abstand zwischen Entscheidung und Wegfall der Ausschlussgründe sei eine Bekanntmachung entbehrlich, nicht zu folgen. Dementsprechend soll die Bekanntmachungspflicht in Schleswig-Holstein erst entfallen, wenn die Gemeindevertretung dies ausdrücklich beschließt532. Im Sinne einer effektiven Verwaltungsgestaltung ist nachvollziehbar, dass es weder zumutbar, noch praktisch umsetzbar ist, wenn nicht öffentliche Beschlüsse in kurzen Zeitabständen auf das Fortbestehen des Ausschlussgrunds geprüft werden. Zu beachten ist jedoch, dass die nicht öffentliche Beratung und Beschlussfassung die Ausnahme darstellt, mithin auch jährlich nur eine überschaubare Zahl entsprechender Entscheidungen gefällt werden. Eine regelmäßige Kontrolle, zum Beispiel im Jahresrhythmus, erscheint außerdem gerade vor dem Hintergrund der digitalen Unterstützungsmöglichkeiten zumutbar. cc) Form, Verfahren und Rechtsfolge der Bekanntmachungspflicht Die Bekanntmachung muss nicht förmlich erfolgen533. Sie kann durch Veröffentlichung oder Information im öffentlichen Teil der nächsten Rats­ sitzung erfolgen534. Denkbar ist auch eine Veröffentlichung durch Aushang oder Bereitstellung im Internet535. Die Entscheidung über die Bekanntmachung obliegt der kommunalen Volksvertretung536 oder dem Verwaltungsleiter/Vorsitzenden, welchem nach Wegfall des Ausschlussgrunds kein Ermessen zusteht537. in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 23. in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  52 Ziff. 4.5; anders für Brandenburg Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 48. 534  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 2, geht von einer Information in der nächsten Sitzung und entsprechender Protokollierung aus; ebenso Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 173; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 15. 535  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 23. 536  § 40 Abs. 2 S. 2 2. Hs. ThürKO; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 3.2. 532  Dehn,

533  Wachsmuth,



II. Tatsächliche Voraussetzungen237

Die Bekanntmachung nicht öffentlich gefasster Beschlüsse nach Wegfall des Ausschlussgrunds ist weder Rechtmäßigkeits-538 noch Gültigkeitsvoraus­ setzung. Es handelt es sich nur um eine Ordnungsvorschrift.539 Ausschlussfristen für Bürgeranträge oder Bürgerbegehren, die an die Entscheidung anknüpfen, beginnen mitunter jedoch erst mit der Bekanntmachung zu laufen540. 4. Bedeutung digitaler Öffentlichkeit Die Beeinflussung der Gesellschaft durch moderne Medien ermöglicht eine weit über die klassische Sitzungsöffentlichkeit hinausgehende neue Form der Öffentlichkeit kommunaler Verwaltungen. Zu denken ist dabei nicht nur an die Bereitstellung von Sitzungsunterlagen und -protokollen in so genannten Ratsinformationssystemen541. Möglich ist auch das Live-Streaming von Sitzungen im Internet und die Bereitstellung der Aufnahmen in einem digitalen Archiv542. Außerdem existieren neue Formen für eine tatsächliche Teilhabe der Bürger an Entscheidungsprozessen543. Möglich ist letzteres zum Beispiel in Foren oder durch einen so genannten „Bürgerhaushalt“, in dem die Aufnahme bestimmter – entweder von der Verwaltung zur Abstimmung gestellter oder von der Bürgerschaft vorgeschlagener – Vorhaben in den Haushaltsplan vom digitalen Votum der Bürgerschaft im Internet abhängig gemacht wird544. Das Interesse an der kommunalen Selbstverwaltung kann darüber hinaus auch durch Anwendungen für Smartphones (Apps) befördert werden, z. B. durch die Teilnahme einer Kommune an einem System wie dem „Mängelmelder“545. Einige dieser Öffentlichkeitsformen stehen unter dem Vorbehalt der Klärung ihrer rechtlichen Zulässigkeit. So ist umstritten, ob und inwieweit direktdemokratische Entscheidungsprozesse mit dem verfassungsrechtlichen 537  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 172; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 5. 538  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 16. 539  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 5. 540  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 16. 541  https://de.wikipedia.org/wiki/Ratsinformationssystem, zuletzt geprüft am 02.09.2015. 542  Zu nennen ist hier beispielhaft das Angebot eines „Rats-TV“ in Monheim am Rhein, abzurufen unter https://www.monheim.de/service-verwaltung/rathaus/stadtrat/ rats-tv/, zuletzt geprüft am 16.09.2018. 543  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 40. 544  http://www.buergerhaushalt.org, zuletzt geprüft am 02.09.2015. 545  http://www.mängelmelder.de/#pageid=1, zuletzt geprüft am 02.09.2015.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Grundsatz der repräsentativen Demokratie vereinbar sind. Dies spielt dann eine Rolle, wenn angedacht wird, dem Rat obliegende Entscheidungen durch das Ergebnis auf Beteiligungsplattformen zu ersetzen. Auch wird die Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen unterschiedlich beurteilt546. Letztendlich stellt sich auch die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis bestimmter Angebote547. Unabhängig von diesen Detailfragen haben alle Formen der digitalen Öffentlichkeit gemein, dass sie die umfassende Informationsmöglichkeit über die Beratungen und Entscheidungen der gewählten Mandatsträger durch persönliche Teilnahme an den Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen nicht ersetzen können. In allen Fällen digitaler Öffentlichkeit wird die der Öffentlichkeit zugängliche Information zensiert. Sei es, dass nur über bestimmte Themen in Foren diskutiert wird, dass im Bürgerhaushalt nur über eine gewisse Zahl an Vorhaben abgestimmt werden kann und nicht der ganze Haushalt zur Abstimmung steht, oder dass bei einer Live-Übertragung die Ausrichtung der Kamera entscheidet, welchen Blickwinkel der Betrachter hat und was ihm verborgen bleibt. Formen digitaler Öffentlichkeit mögen daher als ergänzende und zukunftsgewandte Form der Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne einer transparenten Kommunalverwaltung begrüßenswert sein548, stellen jedoch keine Voraussetzungen für die Einhaltung des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit dar und sind erst recht kein Äquivalent zur klassischen Sitzungs­ öffentlichkeit549. Lediglich die digitale Bereitstellung von Sitzungsunterlagen und -niederschriften ist, insbesondere im Hinblick auf das ohnehin aus den Informa­ tionsfreiheitsgesetzen folgende Informationsrecht der Öffentlichkeit, anders zu beurteilen. Aus dem Öffentlichkeitsgebot folgt grundsätzlich nicht die Pflicht Sitzungsunterlagen mit Zeit, Ort und Tagesordnung der Öffentlichkeit bekannt zu machen550. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es keinen Anspruch der gewählten Volksvertreter auf die Bereitstellung schriftlicher Unterlagen zusammen mit der Einladung gibt. Abhängig von der Komplexität des Bera546  Siehe dazu Kapitel b) Medienöffentlichkeit – Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen?, S. 250 ff. 547  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 41. 548  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 38 ff. 549  Siehe zur Unmöglichkeit des Ersatzes der Sitzungsöffentlichkeit durch die Erklärungs- oder Berichterstatteröffentlichkeit, Kapitel b) Kein Ersatz durch Erklärungs- oder reine Berichterstatteröffentlichkeit, S. 245 ff. 550  Etwas anderes gilt seit dem 30.10.2016 nur in Baden-Württemberg, vgl. § 41b GemO BW.



II. Tatsächliche Voraussetzungen239

tungsgegenstands kann es genügen, wenn die Verwaltung die zur Entscheidung notwendigen Informationen erst mündlich in der Sitzung ausführt551. Wenn Sitzungsunterlagen erstellt werden, existiert jedoch ein antragsbebundener Anspruch auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetz. Dem Anwendungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze sind sogar Unterlagen, die in nichtöffentlicher Sitzung behandelt wurden, nicht automatisch entzogen552. Da folglich spätestens auf Antrag eine Zurückbehaltung von Sitzungs­ unterlagen zu öffentlichen Tagesordnungspunkten nicht gerechtfertigt ist, ist es im Hinblick auf den medialen Fortschritt sinnvoll, diese direkt online zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für die Niederschriften öffentlicher Sitzungen. Einen Rechtsanspruch darauf vermittelt die Sitzungsöffentlichkeit jedoch nicht. 5. Zusammenfassung Aus den vorstehenden Voraussetzungen für kommunale Sitzungsöffentlichkeit ergibt sich, dass sich diese räumlich, zeitlich und organisatorisch auswirkt553. Sitzungsöffentlichkeit bedeutet im Einzelnen:  „a) öffentliche bzw. ortsübliche Bekanntgabe der Sitzung554,   b) öffentlicher Zugang zu den Sitzungen555,   c) Einsicht in die Niederschriften über öffentliche Verhandlungen556,   d) Öffentlichkeit der Sitzung557,   e) öffentliche Bekanntmachung der in nicht öffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse558.“559

Im Recht der Bundesländer und im Ortsrecht der Kommunen sind zahlreiche Regelungen zu finden, die der Ausgestaltung und Konkretisierung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit dienen. Lässt man inhaltliche Nuancen 551  Siehe 552  OVG

dazu Kapitel c) Zugänglichkeit von Sitzungsunterlagen, S. 263 ff. Münster, Urteil vom 17.05.2006 – 8 A 1642/05, BeckRS 2006, 23201,

Ziff. 2 c). 553  Gramlich, DÖV 1982, 139 (147). 554  Kapitel b) Bekanntmachung, S. 153 ff. 555  Kapitel c) Terminierung, S. 177 ff. und d) Sitzungsort und -raum, S. 185 ff. 556  Kapitel a) Protokolleinsicht, S. 226 ff. 557  Kapitel e) Tagesordnung, S. 196 ff. und 2. Sitzungsdurchführung, S. 219 ff. 558  Siehe Kapitel c) Nachträgliche Veröffentlichung nicht öffentlicher Beschlüsse, S. 228 ff. 559  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 306 Rn. 465.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

außen vor, kann eine Differenzierung zwischen solchen Vorschriften, die obligatorisch, und solchen, die optional sind, vorgenommen werden. a) Obligatorische Anforderungen Zu den zwingend einzuhaltenden, obligatorischen Vorschriften zählen zunächst alle Anforderungen an die Sitzungsvorbereitung, d. h. die Aufstellung einer vollständigen Tagesordnung, die Auswahl eines passenden Sitzungsorts, die Terminierung zu einer angemessenen Zeit, sowie die ordnungsgemäße Bekanntmachung von Ort, Zeit und Tagesordnung der Sitzung560. Obligatorisch ist überdies eine nachvollziehbare Sitzungsleitung561 und die Gewährung der Einsicht in die Protokolle der öffentlichen Sitzungen562, sowie die Bekanntmachung nicht öffentlich gefasster Beschlüsse nach dem Wegfall des Ausschlussgrunds563. Die Einhaltung dieser Regelungen gewährleistet den unter dem Blickwinkel des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips notwendigen Mindeststandard der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Dieser ist Inhalt des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. b) Fakultative Regelungen In die Gestaltungsfreiheit der Bundesländer bzw. der Kommunen fallen optionale Regelungen, die über den Mindeststandard hinausgehen oder (nur) der Konkretisierung dienen. So verlangt das Öffentlichkeitsgebot keine Bekanntmachung von Dringlichkeitssitzungen. Diese kann aber zum Beispiel mit einer verkürzten Frist normiert werden. Ähnliches gilt für die nachträgliche Erweiterung von Tagesordnungen, welche nur in dringlichen Fällen vorgenommen werden darf. Zusätzlich kann jedoch auch noch das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit, z. B. von Zweidritteln, vorgeschrieben werden. Als optionale Verschärfung des kommunalen Öffentlichkeitsgebots ist auch die Bekanntmachungspflicht öffentlich gefasster Beschlüsse anzusehen. Auch eine Verpflichtung zur Bereitstellung eines Gebärdendolmetschers 560  Siehe

dazu Kapitel 1. Sitzungsvorbereitung, S. 148 ff. dazu Kapitel 2. Sitzungsdurchführung, S. 219 ff. 562  Siehe dazu Kapitel a) Protokolleinsicht, S. 226 ff. 563  Siehe dazu Kapitel c) Nachträgliche Veröffentlichung nicht öffentlicher Beschlüsse, S. 228 ff. 561  Siehe



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit241

würde eine über den Mindeststandard der Sitzungsöffentlichkeit hinausgehende Pflicht der kommunalen Verwaltungen darstellen. Überdies sind digitale Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen der Sitzungsöffentlichkeit überobligatorische Angebote. Der Konkretisierung dienen beispielsweise die Festlegung der Form und Frist zur Bekanntmachung von Ort, Zeit und Tagesordnung.

III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Öffentlichkeit gewählter Volksvertretungen heißt, dass „ein von der aktiven Teilnahme an Verhandlungen ausgeschlossenes Publikum von deren Inhalt erfährt.“564 Dies kann auf unterschiedliche Weise erfolgen: durch persönliche Anwesenheit, durch Berichterstattungen in den Medien oder durch staatliche Erklärungen. 1. Maxime der Verhandlungsöffentlichkeit Sitzungsöffentlichkeit meint die Zulässigkeit der physischen Anwesenheit eines von der aktiven Teilnahme ausgeschlossenen Publikums565. Diese Art der Öffentlichkeit wird auch als Verhandlungs-, Verfahrens- oder unmittelbare Öffentlichkeit bezeichnet566. Grundsätzlich geht mit der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Verhandlungsöffentlichkeit einher. Das bedeutet, dass die gesamte Tätigkeit vom Beginn bis zum Schluss einer Sitzung unter den Augen der Öffentlichkeit zu erfolgen hat567. Die Beratung und Entscheidung sind in öffentlicher Sitzung zu vollziehen568. Dies beinhaltet, dass Wortbeiträge nicht lediglich in Schriftform zum Protokoll gereicht werden, sondern tatsächlich vorgetragen werden. Andernfalls besteht für die Zuhörer keine Wahrnehmbarkeit im Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 104. in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S.  993 Rn. 24; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 297 ff.; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 104; siehe zu allen Voraussetzungen, sowie einer rechtlichen Definition „Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit“. 566  Linck, ZParl 1992, 673 (675); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 104. 567  Linck, ZParl 1992, 673 (676). 568  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 5; Lehné/ Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 S. 2; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 2. 564  Rösch,

565  Kißler,

242

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Sinne der Sitzungsöffentlichkeit569. Für die Verwirklichung der Sitzungs­ öffentlichkeit gilt mithin ein Mündlichkeitsprinzip. Aus der Verhandlungsöffentlichkeit folgt auch, dass Tagesordnungspunkte grundsätzlich nicht in der Weise aufgeteilt werden dürfen, dass die Beratung nicht öffentlich erfolgt und lediglich die anschließende Entscheidung öffentlich durchgeführt wird570. Auch eine nicht öffentliche Vorberatung bei anschließender öffentlicher Erledigung, die sich nur auf die Abstimmung beschränkt, ist nicht mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz vereinbar571. Grund dafür ist, dass die Öffentlichkeit in diesen Fällen nicht nachvollziehen kann, was die wahren Beweggründe der Mandatsträger für ihr Abstimmungsverhalten sind. Eine nicht öffentliche Vorberatung kann nicht nur einen „merkwürdigen Eindruck“ erwecken, sondern „sogar tatsächlich dem Einschwören auf ein bestimmtes nur noch formal abzusegnendes Ergebnis dienen, ohne sich der kritischen Öffentlichkeit auszusetzen“572. Nicht öffentliche Vorberatungen be- oder verhindern folglich die demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle, die das Öffentlichkeitsgebot ermöglichen soll573. Etwas anderes gilt nur dann, wenn für den Ausschluss der Öffentlichkeit ein Ausschlussgrund existiert574. Gegebenenfalls kann der Ausschluss der Öffentlichkeit nur von den Beratungen ein milderes Mittel, im Verhältnis zu einem Ausschluss auch von der Entscheidung, darstellen575.

ZParl 1992, 673 (682). Mannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (285); VGH Mannheim, Beschluss vom 09.03.1998 – 5 S 3203/97, Juris, Rn. 14; VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.2000 – 14 S 237/99, NVwZ-RR 2001, 462 (463); OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (179); Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 2. 571  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 12. 572  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 18. 573  Siehe dazu ausführlich mit Nachweisen Kapitel II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51 ff.; zur Zulässigkeit vorberatender, nicht abschließend entscheidender Ausschusssitzungen, siehe Kapitel Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit unter 1. Ausschussöffentlichkeit, S. 285 ff. 574  Siehe zur Notwendigkeit eines Ausschlussgrunds Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff. und zu den konkreten Gründen Kapitel E.  Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 575  VGH Mannheim, 21.02.1978 vom Urteil – VIII 660/77, ESVGH 28, 152 (158); OVG Münster, Urteil vom 24.04.2001 – 15 A 3021/97, NVwZ-RR 2002, 135 (136); siehe dazu auch im Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss zur Verhältnismäßigkeit des Öffentlichkeitsausschlusses a) Erforderlichkeit, S. 345 ff. 569  Linck, 570  VGH



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit243

a) Abstimmungsöffentlichkeit? Der Öffentlichkeit können die Debatten in unterschiedlichem Umfang zugänglich gemacht werden. Die Behandlung der Tagesordnungspunkte lässt sich in drei Phasen unterteilen: Beratung, Entscheidung und Verkündung des Ergebnisses. Die umfassendste Form der Teilhabe ist die Öffentlichkeit aller drei Phasen. Denkbar ist jedoch auch, dass die Öffentlichkeit alternativ nur für die Beratung oder die Entscheidung und sogar auch von der Verkündung des Ergebnisses ausgeschlossen wird. Es stellt sich damit die Frage, was grundsätzlich von dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit gefordert wird. Unstrittig wird also das Verhandeln, der Austausch von Argumenten und die Debatte vom Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit erfasst. Dagegen soll das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Wahlen und Abstimmungen nicht zwingend enthalten, denn von der Öffentlichkeit der Sitzung sei die Art der Stimmabgabe (offen oder geheim) zu unterscheiden576. Die Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit einer Sitzung beziehe sich (nur) auf den Verhandlungsgang, während die Frage der offenen oder geheimen Abstimmung lediglich die Art und Weise der Stimmabgabe betreffe577. Diese Argumentation knüpft an die Debatte um die Frage, ob im Bundestag Abstimmungen578 und Wahlen579 vom Öffentlichkeitsgebot erfasst werden oder nach Belieben geheim durchgeführt werden dürften580, an. Öffent­ liche Abstimmungen und Wahlen sollen danach zwar nicht unzulässig, verfassungsrechtlich jedenfalls aber nicht geboten sein581. Inhaltlich spricht für geheime Wahlen und Abstimmungen, dass diese die freie Mandatsausübung schützen. Die Mandatsträger können nicht öffentlich ohne Beeinflussung von außen (insbesondere durch Fraktionszwang oder Parteipressionen) nach ihrer Überzeugung abstimmen582. Teilweise wird auch zwischen Wahlen und Abstimmungen differenziert. Während erstere auch geheim durchgeführt werden 576  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 1; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 1 S. 2; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. II. 3 S. 3; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 2. 577  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 1. 578  Gemeinschaftliche Willenserklärung in einer Sachfrage durch Mehrheitsfindung. 579  Entscheidung durch Mehrheit in einer personellen Angelegenheit. 580  Meinungsübersicht bei Linck, ZParl 1992, 673 (683 ff.) m. w. N., der im Ergebnis aber eine abweichende Auffassung vertritt, s. S. 701, 704. 581  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 106 m. w. N. 582  Linck, ZParl 1992, 673 (701) m. w. N.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

dürften, sollen Abstimmungen dem Publizitätsgebot unterfallen und daher grundsätzlich öffentlich stattfinden müssen583. Als Grund für die Zulässigkeit geheimer Abstimmungen und Wahlen wird der Wortlaut von Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG angeführt, indem es heißt: „Der Bundestag verhandelt öffentlich.“584 Abstimmungen und Wahlen sollen danach nicht vom Begriff der „Verhandlung“ umfasst seien. Diese Wortlautargumentation ist jedoch nicht auf die kommunale Ebene übertragbar, denn in den kommunalen Öffentlichkeitsregelungen heißt es, anders als in Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG, dass „die Sitzungen“ öffentlich sind585. Eine Ausnahme stellt lediglich die hessische Regelung dar, in der es heißt, „Die Gemeindevertretung fasst ihre Beschlüsse in öffentlichen Sitzungen.“586 Gemein ist damit allen kommunalen Publizitätsbestimmungen, dass ihr Wortlaut über die im Grundgesetz für den Bundestag gewählte Formulierung, die eine Reduktion der Öffentlichkeit auf die Verhandlung erlaubt, hinausgeht, denn unter den Begriff der Sitzung fallen auch Wahlen und Abstimmungen, weil diese unstrittig im Rahmen der Sitzung durchgeführt werden. Dieser Befund wird auch von der demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrollfunktion der Öffentlichkeit gedeckt587, denn im Fall geheimer Abstimmungen und Wahlen können sich die Bürger zwar über die Debatten und die darin von den einzelnen Mandatsträgern eingenommene Position informieren, aber nicht nachvollziehen, wer im Ergebnis für welche personelle oder sachliche Entscheidung gestimmt hat. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip ist durch die kommunale Sitzungsöffentlichkeit mithin weitergehend ausgestaltet als die des Bundestags. Ob die generelle Ausgrenzung von Wahlen und Abstimmungen aus der 583  Siehe

dazu Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 42 Rn. 1. durch die Verfasserin. 585  § 35 Abs. 1 S. 1 GemO BW: „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich.“; § 52 Abs. 2 S. 1 GO BY: „Die Sitzungen sind öffentlich, […].“; § 36 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf: „Die Sitzungen der Gemeindevertretung sind öffentlich.“; § 29 Abs. 5 S. 1 KV M-V: „Die Sitzungen der Gemeindevertretung sind öffentlich.“; § 64 S. 1 NKomVG: „Die Sitzungen der Vertretung sind öffentlich, […].“; § 48 Abs. 2 S. 1 GO NRW: „Die Sitzungen des Rates sind öffentlich.“; § 35 Abs. 1 S. 1 GemO RP: „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, […].“; § 40 Abs. 1 KSVG SL: „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, […].“; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO: „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, […].“; § 51 Abs. 1 KVG LSA: „Sitzungen der Vertretung und ihrer Ausschüsse sind öffentlich.“; § 35 Abs. 1 S. 1 GO SH: „Die Sitzungen der Gemeindevertretung sind öffentlich, […].“; § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO: „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, […].“. 586  § 52 Abs. 1 S. 1 HGO – Hervorhebung durch die Verfasserin. 587  Zu den Funktionen der Öffentlichkeit siehe Kapitel II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51 ff. 584  Hervorhebung



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit245

Öffentlichkeit gewählter Volksvertretungen mit dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip vereinbar ist, bleibt bis auf Weiteres der Diskussion um Art. 42 GG vorbehalten588. b) Kein Ersatz durch Erklärungs- oder reine Berichterstatteröffentlichkeit Von der Verhandlungsöffentlichkeit zu unterscheiden sind die mittelbaren Formen der Öffentlichkeit, namentlich die Berichterstatteröffentlichkeit und die Erklärungsöffentlichkeit589. Unter der Berichterstatteröffentlichkeit wird die Information der Öffentlichkeit mittels Beiträgen in Rundfunk, Fernsehen und Presse verstanden. Die Zulässigkeit der Berichterstattung von an sich unmittelbar und allgemein zugänglichen Sitzungen durch Medienvertreter ist Teil der Verhandlungsöffentlichkeit590. Mithin wird auch das Zugangsrecht der Presse, welches zusätzlich durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und die landesrechtlichen Pressegesetze gestützt wird, durch die Sitzungsöffentlichkeit gedeckt591. Die Presse kann als Teil der Öffentlichkeit folglich solange nicht ausgeschlossen werden, wie auch die Öffentlichkeit nicht insgesamt ausgeschlossen wird. Besteht eine reine Berichterstatteröffentlichkeit wird die Allgemeinheit ausgeschlossen und nur „Berichterstattern“, das heißt typischerweise Presse- und Medienvertretern, Zutritt gewährt592. Die Erklärungsöffentlichkeit bezeichnet die Information des Volks über an sich unzugängliche Veranstaltungen durch Erklärungen, amtliche sowie nicht 588  Siehe dazu beispielhaft Grzeszick, der vertritt, dass bei Abstimmungen die gleichen Grenzen gelten, die für Wahlen entwickelt worden sind, Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 20 – II Rn. 20. 589  Linck, ZParl 1992, 673 (675); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 104; der Begriff der Medienöffentlichkeit bezeichnet in Abgrenzung dazu nur die Frage der Zulässigkeit von Ton- oder Bildaufnahmen in einer Sitzung, vgl. dazu unter Kapitel b) Medienöffentlichkeit – Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen, S. 250 ff. 590  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 104, der zwischen einer Verhandlungsöffentlichkeit im engen und im weiten Sinne unterscheidet, während letztere die Berichterstatteröffentlichkeit mitumfasst; mit etwas anderem systematischen Ansatz Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 27, der die Berichterstatteröffentlichkeit nicht der Verhandlungsöffentlichkeit zuordnet, sie dafür aber mit einer eigenen Gewährleistung der Zutrittsmöglichkeit für Vertreter der Medien ausstattet. 591  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.4. 592  Zur Frage, ob Medienvertreter zu einer nicht öffentlichen Sitzung der kommunalen Volksvertretung zugelassen werden dürfen, siehe im Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss unter IV. Gebundene Entscheidung, S. 350 ff.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

amtliche Berichte, Stellungnahmen, öffentliche Protokolle, schriftliche Presseerklärungen und Ähnliches593. Die Erklärungsöffentlichkeit stellt deshalb, anders als die Berichterstatteröffentlichkeit, keinen Unterfall der Verhandlungsöffentlichkeit dar. Sie ist dem Bereich der Nichtöffentlichkeit zuzuordnen und mildert dort lediglich die Folgen nicht öffentlicher Sitzungen ab. Weder die Erklärungsöffentlichkeit noch die reine Berichterstatteröffentlichkeit genügen für sich genommen den Anforderungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, denn in beiden Fällen ist eine unmittelbare Information über die politischen Vorgänge durch das Volk nicht möglich ist. Beide Fälle bergen die Gefahr einer Steuerung und Manipulation der öffentlichen Meinungsbildung594. Die Mittler der Informationen können theoretisch Diskus­sionsverläufe und -ergebnisse anders darstellen, als sie sich tatsächlich zugetragen haben595. Insbesondere im Rahmen der Erklärungsöffentlichkeit kann der Informationsinhalt nicht durch eine außerhalb des Staats stehende Stelle geprüft werden. Nur die persönliche Teilnahme gewährleistet einen unmittelbaren und unbeeinflussten Informationszugang596. Die allgemeine Sitzungs­ öffentlichkeit in Form der Verhandlungsöffentlichkeit kann daher nicht durch die Erklärungs- oder Berichterstatteröffentlichkeit ersetzt werden597. Dies gilt trotz der bedeutenden Informationsrolle der Massenmedien. Unbestritten ist die Informationsfunktion der Sitzungsöffentlichkeit durch persönliche Anwesenheit praktisch nur für einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung relevant. Die meisten Informationen werden durch die Massenmedien verbreitet. Zeitungen, Fernsehen und Internet informieren mitunter in Echtzeit über politische Debatten und Beschlüsse598. Schon auf Grund der faktisch nur begrenzten Raumkapazitäten ist es nicht jedem Gemeindebürger möglich, den Sitzungen beizuwohnen. Aus dem Grundsatz der Sitzungs­ öffentlichkeit folgt auch nicht die Pflicht, das Unmögliche möglich zu ma593  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 568; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 27; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 104. 594  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 104 f. 595  Bzgl. der Gefahr einer Erklärungsöffentlichkeit Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105. 596  Siehe zur demokratischen Notwendigkeit eines solchen Informationszugangs Kapitel b) Informationszugang und freie Willensbildung, S. 57 ff.; zum Begriff der „Teilnahme“ siehe Kapitel 2. Das Recht der Sitzungsteilnahme, S. 248 ff. 597  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 7 f.; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 16a; Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 27. Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 184; Zur Frage, wem Zugang zu gewähren ist und welchen Grenzen die Zugänglichkeit unterliegt, s. Kapitel c) Fazit, S. 248 ff. 598  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 27.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit247

chen – vorgehalten werden müssen nur Raumkapazitäten im Rahmen des typischen Interesses und der durchschnittlichen Zuschauerzahl599. Der Zuhörerbereich und die rechtliche Möglichkeit, dort teilzunehmen, haben insofern vorwiegend symbolische Bedeutung600. Kißler bezeichnet die parlamentarische Publizität daher auch als „medienvermittelte Publizität“601. In der Praxis ist daher für die Informationsfunktion der Öffentlichkeit die Berichterstattung durch die Medien und damit die Zulassung der Presse- und Medienvertreter, die die Sitzungsinhalte als Multiplikatoren vermitteln, unerlässlich602. Es darf dennoch nicht zum Zwang werden, sich auf (vorgefilterte) journalistische Berichte zu verlassen, denn auch die Berichterstattung durch die Massenmedien birgt die Gefahr einer unvollständigen oder gar einseitigen Information, insbesondere „wenn örtlich nur ein Presseorgan einer bestimmten Parteirichtung besteht und nur Vertreter dieses Organs in der Ratssitzung anwesend sind“603. Die (Massen)-Medien können keine detailgetreue Berichterstattung gewährleisten. Sitzungen werden nicht in vollem Umfang wiedergegeben. Die Information der Bevölkerung findet überdies in den Kapazitäten des jeweiligen Mediums seine Grenzen. Im Internet ergibt sich eine Beschränkung zwar nicht aus der Vorgabe von Textzeilen oder dem Zeitrahmen innerhalb des Fernsehprogramms, wohl aber aus dem Konsumverhalten der Nutzer. Die Intensität und Dauer von Informationen wird durch Einschaltquoten und die Sensationslust der Rezipienten bestimmt604. Die Berichterstattung wird den Interessen der Masse zulasten einer umfassenden Darstellung angepasst605. Auch ist zu beachten, dass Massenmedien mitunter eigene wirtschaftliche und politische Interessen verfolgen606. Darüber hinaus ist eine gänzlich objektive Berichterstattung kaum möglich. Alleine durch die Entscheidung, welche Aspekte einer Sitzung wesentlich sind und welche unerwähnt bleiben, findet eine (subjektive) Auswahl statt. Damit einher geht eine Vorprägung der öffentlichen Beurteilung. 599  Siehe

dazu ausführlich Kapitel b) Quantitative Beschränkungen, S. 278 ff. Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105. 601  Kißler, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S. 993 Rn. 22. 602  Dennoch kritisch hinsichtlich der Annahme eines Teilnahmerechts der Medien, Schliesky, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 42 Rn. 28; Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse S. 56; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105. 603  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 19a. 604  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 12. 605  So finden sich beispielsweise am Ende der Artikel in der Spiegel-online-App, die ihrer Natur nach bereits nur eine komprimierte Fassung des zu berichtenden Geschehens beinhalten, eine Zusammenfassung für die Leser, die „wenig Zeit haben“ (Stand: 23.08.2016). 606  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 61. Lfg., Art. 42 Rn. 12. 600  Rösch,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Die Berichterstatteröffentlichkeit ist daher nur ein „unvollkommenes Surrogat“607. Für eine vollständige Information ist eine allgemeine Zugänglichkeit des Sitzungsraums unverzichtbar. c) Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass unter der Maxime der Verhandlungsöffentlichkeit die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ein Recht auf physische Anwesenheit in den Sitzungen gewährleistet. Sowohl die reine Berichterstatteröffentlichkeit als auch die Erklärungsöffentlichkeit wird dem nicht gerecht. Beide sind daher keiner Unterfälle der Sitzungsöffentlichkeit, sondern mildere Formen nicht öffentlicher Sitzungen. 2. Das Recht der Sitzungsteilnahme Die Sitzungsöffentlichkeit beinhaltet das Recht einer persönlichen, körperlichen Teilnahme608. Aber was bedeutet „Teilnahme“? a) Saalöffentlichkeit – Keine aktive Sitzungsteilnahme Einigkeit besteht darüber, dass die Öffentlichkeit von Sitzungen nicht die aktive Teilnahme durch Besucher umfasst609. Das Debattieren und Abstimmen über die Tagesordnungspunkte ist den gewählten Volksvertretern vorbehalten. Das Recht der Sitzungsteilnahme der Zuschauer ist auf die Anwesenheit, das Zusehen und das Zuhören610, d. h. auf die Entgegennahme von In607  Schliesky, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 42 Rn. 19 – in der Vorauflage (6. Auflage, 2010) von Achterberg/Schulte in Rn. 7 so noch ausdrücklich ausgeführt. 608  Siehe Kapitel 1. Maxime der Verhandlungsöffentlichkeit, S. 241  ff., insb. ab S. 248. 609  OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 35; VG Schleswig, Urteil vom 20.09.1985 – 6 A 232/85, NVwZ 1986, 1052 (1053); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 7; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 18; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 23; Rabeling, NVwZ 2010, 411 (411); Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 4; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 313; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/ Kneip, HGO, § 52 Rn. 2; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 2 S. 184; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 672. 610  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 11 S. 170; Glaser/Hermann/ Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 9; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 2; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfas-



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit249

formationen611, beschränkt612. Dies folgt aus dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie, nach dem die Bürger auf den Meinungsbildungsprozess, nicht aber auf den anschließenden Entscheidungsprozess, Einfluss nehmen dürfen613. Die Zuschauer dürfen sich daher grundsätzlich auch nur im Zuhörerbereich des Sitzungsraums aufhalten614. Das Recht, den Sitzungsraum zu betreten und der Debatte als Zuhörer zu folgen, wird unter dem Begriff der Saalöffentlichkeit zusammengefasst615. Auch durch die Geschäftsordnung kann Außenstehenden kein Rederecht eingeräumt werden616. Durchbrechungen dieses Grundsatzes sind nur dann zulässig, wenn der Landesgesetzgeber solche ausdrücklich vorsieht617. Dies gilt auch für die Einrichtung einer „Fragezeit für Einwohnerinnen und Einwohner“618. Aus dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie folgt jedoch, dass unter diesem Tagesordnungspunkt keine Mitwirkung der Bürger an den Beratungen der kommunalen Volksvertretung zugelassen werden darf619. sungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 672. 611  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 19. 612  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 7. 613  VG Schleswig, Urteil vom 15.03.1979, DNG 1982, 436 (437); Paal, in: Rehn/ Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 18; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 672. 614  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 2. 615  BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (61). 616  Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 4 S. 310. 617  OVG Lüneburg, Urteil vom 31.05.1983 – 5 A 101/82, HSGZ 1987, 67 (67); VG Schleswig, Urteil vom 20.09.1985 – 6 A 232/85, NVwZ 1986, 1052 (1053); Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 9. 618  § 33 Abs. 4 GemO  BW; BY: landesrechtlich nicht geregelt, dennoch für eine Zulässigkeit vor der Gemeinderatssitzung, vgl. Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 9; § 18 Abs. 1 BbgKVerf; HE: nicht zulässig, vgl. Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 3; § 17 Abs. 1 KV M-V; § 62 Abs. 1 NKomVG; § 48 Abs. 1 S. 3 GO NRW; RP: in Ermangelung gesetzlicher Regelung unzulässig, vgl. Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 S. 8 f.; § 20a KSVG SL, siehe auch VG Schleswig, Urteil vom 20.09.1985 – 6 A 232/85, NVwZ 1986, 1052 (1053); § 44 Abs. 3 SächsGemO; § 28 Abs. 2 KVG LSA; § 16c Abs. 1 GO SH; TH: landesrechtlich nicht normiert; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 18. 619  OVG Lüneburg, Urteil vom 31.05.1983 – 5 A 101/82, HSGZ 1987, 67 (67); VG Schleswig, Urteil vom 15.03.1979, DNG 1982, 436 (437); Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. IV. 3 S. 14; Schuster/Diehl/ Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 5 S. 7; a. A. Bauer/Böhle/ Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 7; Grasser,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Fragen, Stellungnahmen und Zwischenrufe während der Debatten stellen – als potenzielle Beeinflussung der Mandatsausübung –, gleich ob es sich dabei um Beifalls- oder Missfallensbekundungen handelt, Störungen der Sitzung dar, die einen Ausschluss von der Sitzung zur Folge haben können620. Vor einem Sitzungsausschluss wird als milderes Mittel jedoch zunächst ein Ordnungsruf zu erteilen sein. Erst wenn dieser fruchtlos bleibt, kann ein Sitzungsausschluss erfolgen. b) Medienöffentlichkeit – Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen? Das passive Teilnahmerecht der Zuhörer umfasst nach einhelliger Auffassung auch die Anfertigung schriftlicher Notizen621 oder auch Redebeiträge mitzustenographieren622. Zulässig ist dabei auch der Einsatz von Laptops, sofern dies den Sitzungsablauf nicht stört623. Umstritten ist hingegen, ob mit der Saalöffentlichkeit auch eine Medienöffentlichkeit einhergeht, das heißt, die Anfertigung von Ton- und Bildaufnahmen zulässig ist624. Zulässig ist zumindest die Anfertigung von Tonaufnahmen für den internen Zweck der Protokollierung625. Diese Aufnahmen sind nach der Sitzung, in der die Niederschrift frei gegeben wurde, d. h. in der Regel nach dem daBayVBl. 1989, 225 (227); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3, der vertritt, dass Bürger, insbesondere auch dann, wenn sie selbst betroffen seien, gehört werden könnten. 620  OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 22; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 313; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 20. 621  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 8; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 23; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1 S. 170; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 5; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 S. 145; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 3 S. 184; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 622  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 10; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 8. 623  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 23; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 5. 624  Zur Gesamtproblematik, vgl. Hansmeyer, Die Zulässigkeit von Tonaufnahmen in Kommunalparlamenten. 625  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 14; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 42; siehe dazu auch zu den gesetzlichen Regelungen, soweit vorhanden, im Kapitel aa) Gesetzliche Regelungen, S. 251 ff.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit251

rauf folgenden Termin der kommunalen Volksvertretung, zu löschen626. Gegebenenfalls stehen die Aufzeichnungen auch für straf- oder zivilrechtliche Schritte gegen den Redner zur Verfügung627. Uneinigkeit besteht darüber, ob in öffentlichen Sitzungen – in nicht öffentlichen Sitzungen ist dies denknotwendig ausgeschlossen628 – Zuschauer auch für private Zwecke oder Medienvertreter zur Veröffentlichung entsprechende Aufnahmen anfertigen dürfen. aa) Gesetzliche Regelungen Gesetzliche Regelungen zur Medienöffentlichkeit existieren in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Danach sind Bild- und Tonaufnahmen zumindest durch Medienvertreter629 zulässig630 bzw. können durch die Kommune zugelassen werden631. Bran626  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 68. 627  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 14; a.  A. Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 42. 628  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 26; zu den Möglichkeiten die Öffentlichkeit auszuschließen siehe Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff. 629  Der Begriff der „Medien“ ist nicht gesetzlich definiert. „Gemeint sind die Vertreter öffentlicher und privater Organisationen sowie Einzelpersonen, die Nachrichten sammeln, Sachverhalte recherchieren und durch Schrift, Bild und Ton weiterverbreiten.“, so Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 30. 630  § 29 Abs. 5 S. 5 KV M-V: „In öffentlichen Sitzungen der Gemeindevertretung sind Film- und Tonaufnahmen durch die Medien zulässig, soweit dem nicht ein Viertel aller Mitglieder der Gemeindevertretung in geheimer Abstimmung widerspricht.“; § 52 Abs. 5 KVG LSA: „In öffentlichen Sitzungen der Vertretung und ihrer Ausschüsse sind Ton- und Bildübertragungen sowie Ton- und Bildaufzeichnungen durch Presse, Rundfunk und ähnliche Medien zulässig. Gleiches gilt für von der Vertretung und ihren Ausschüssen selbst veranlasste Ton- und Bildübertragungen sowie Ton- und Bildaufzeichnungen. Näheres ist in der Geschäftsordnung zu regeln.“. 631  § 36 Abs. 3 BbgKVerf: „Die Zulässigkeit von Ton- und Bildübertragungen sowie Ton- und Bildaufzeichnungen durch Presse, Rundfunk und ähnliche Medien kann in der Geschäftsordnung geregelt werden. Gleiches gilt für von der Gemeindevertretung selbst veranlasste Ton- und Bildübertragungen sowie Ton- und Bildaufzeichnungen. Im Übrigen sind Ton- und Bildübertragungen sowie Ton- und Bildaufzeichnungen nur zulässig, wenn alle anwesenden Mitglieder der Gemeindevertretung zustimmen.“; § 52 Abs. 3 HGO: „Die Hauptsatzung kann bestimmen, dass in öffentlichen Sitzungen Film- und Tonaufnahmen durch die Medien mit dem Ziel der Veröffentlichung zulässig sind.“; § 35 Abs. 4 GO SH: „Unbeschadet weiter gehender Berechtigungen aus anderen Rechtsvorschriften kann die Hauptsatzung bestimmen, dass in öffentlichen Sitzungen Film- und Tonaufnahmen durch die Medien oder die Ge-

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

denburg und Sachsen-Anhalt erklären die Regelung auch für die von der Kommune veranlassten Aufzeichnungen für anwendbar. Gleiches soll auch für die Regelung in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gelten632. Aufnahmen durch Privatpersonen sind nach den vorstehenden Regelungen ebenso wenig zulässig wie solche zum Zweck der Archivierung633. Die Aufnahmen müssen mithin mit einer Veröffentlichungsabsicht angefertigt werden, welche dann angenommen werden soll, „wenn das Film- oder Tonmaterial einer unbeschränkten und unbegrenzten Anzahl von Interessenten zum Konsum angeboten wird“634. Eine weitergehende Regelung besteht in Niedersachsen. Nach § 64 Abs. 2 S. 1 NKomVG sind dort seit Ende 2016 Bild- und damit (als milderes Mittel) auch Tonaufnahmen unabhängig davon zulässig, zu welchem Zweck und von wem die Aufnahmen angefertigt werden, wenn durch die Aufnahmen die Ordnung der Sitzung nicht gefährdet wird. Die Neuregelungen versuchen der durch das Internet an Bedeutung zunehmenden Frage, nach der Möglichkeit von Streamingangeboten oder Fernsehübertragungen, Rechnung zu tragen635. Dennoch belassen es die Regelungen – mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsen-Anhalts und Niedersachsens – bei dem Grundsatz, dass grundsätzlich kein Anspruch auf Zulassung von Bild- und Tonaufnahmen besteht, außer wenn die Gemeinde dies zulässt636. Die Regelungsvorbehalte zugunsten der kommunalen Geschäftsordnungen oder Hauptsatzungen sollen, ebenso wie die Widerspruchsmöglichkeiten, einen ausreichenden Schutz der Rechte von Minderheiten gewährleisten637 und geben den Kommunen darüber hinaus die Möglichkeit auch andere Details festzulegen, z. B. für welche Gemeindeorgane die Regelung Geltung entfalten soll, welche Art von Aufzeichnungen zugelassen

meinde mit dem Ziel der Veröffentlichung zulässig sind.“; die Einwohnerfragestunde soll von der schleswig-holsteinischen Regelung nicht umfasst sein, vgl. Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 31. 632  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 24; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 22. 633  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 30. 634  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 30. 635  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 64 ff.; Risch/Schweitzer, LKRZ 2012, 173 (174); Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 313. 636  VG Kassel, Beschluss vom 07.02.2012 – 3 L 109/12.KS, NVwZ-RR 2012, 660 (660 ff.); Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 313; Teschke, in: Bennemann/Da­ neke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 14, 42 ff.; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 8. 637  Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 313.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit253

werden und wie die technische Umsetzung gewährleistet wird638. Die Beachtung des Kunsturhebergesetzes obliege hingegen nicht den Gemeinden, welche die Aufzeichnungen zulassen, sondern denjenigen, die diese Aufzeichnungen anfertigen639. Es ist festzustellen, dass die vorhandenen gesetzlichen Regelungen keinen verbindlichen Aufschluss darüber geben, ob die Medienöffentlichkeit ein Teil der Saalöffentlichkeit ist, da selbst unter den Bundesländern, die ausdrück­ liche Regelungen zur Medienöffentlichkeit getroffen haben, keine Einigkeit darüber besteht, ob Bild- und Tonaufnahmen grundsätzlich zulässig sind und lediglich im Einzelfall ausgeschlossen werden können oder unzulässig sind, jedoch ein Erlaubnisvorbehalt existiert. Aus den Regelungen ergibt sich jedoch, dass die Medienöffentlichkeit nicht in der Weise gegen höherrangiges Recht verstößt, als dass sie bereits deshalb zwingend ausgeschlossen werden muss. bb) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung geht davon aus, dass Bild- und Tonaufzeichnungen sowohl durch Medienvertreter, als auch durch Privatpersonen oder die Kommune selber grundsätzlich unzulässig sind, jedoch durch Genehmigung des Vorsitzenden oder durch zustimmenden Beschluss des Rats erlaubt werden können640. Eine – wohl auch 638  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 24, 28; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 47 f. 639  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 30. 640  BVerfG, Beschluss vom 31.01.1973 – 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238 (247) – zur Zulässigkeit einer strafrechtlichen Verwertung heimlicher Tonbandaufnahmen; BVerwG, Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 14.90, BVerwGE 85, 283 (285); OLG Köln, Urteil vom 01.03.1978 – 2 U 133/77, NJW 1979, 611 (661 f); BW: Notwendigkeit einer Genehmigung durch den Vorsitzenden, Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 1, S. 170; BY: Notwendigkeit eines einstimmigen Beschlusses aller anwesenden Mandatsträger, Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 10; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3; Niedersachsen: ein genereller Ausschluss von Bild- und Tonaufnahmen ist auf Grund deren Potential als Störung der Sitzung zulässig, Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 23; es besteht kein Recht entsprechende Aufnahmen zu machen, Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 5; NRW: Rechtswidrigkeit ungenehmigter Aufnahmen durch Zuschauer, Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 22; RP: Zustimmungserfordernis durch Gemeinderat, Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 8; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 S. 145; SL: zumindest Aufzeichnungen durch Medienvertreter sollen grundsätzlich zulässig sein, kritisch dazu mit Blick auf den freien Meinungsaustausch im Rat, Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

ohne landesgesetzliche Ermächtigung zulässige – Regelung in der Geschäftsordnung soll die Einwilligung der betroffenen Redner ersetzen können641. Lediglich hinsichtlich journalistischer Aufnahmen hat das Oberlandes­ gericht Celle grundlegend anders entschieden642. Ungenehmigte Bild- und Tonaufnahmen stellen danach potenzielle Sitzungsstörungen dar, aus denen das ordnungsrechtliche Recht des Vorsitzenden folgt, diese zu untersagen643. Begründet wird die restriktive Auslegung zum einen mit den Persönlichkeitsrechten der Sitzungsteilnehmer644, zum anderen mit der Funktions­ fähigkeit der kommunalen Volksvertretung645. (1) Schutz von Persönlichkeitsrechten Die ungenehmigte Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen soll, gleich, ob sie geheim oder offen erfolgt, das Recht der Betroffenen an ihrem gesprochenen Wort verletzen646. § 40 S. 1; SN: „kein Recht des Zuhörers, Tonband- oder Bildaufzeichnungen vorzunehmen“, Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 1; SH: grundsätzlich dürfen Bild- und Tonaufnahmen nur angefertigt werden, wenn alle Gemeindevertreter dem zustimmen, Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 24; TH: Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.5. 641  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 2; Sächsischer Datenschutzbeauftrage, Schutz des Persönlichkeitsrechts im öffentlichen Bereich S. 80. 642  OLG Celle, Urteil vom 10.07.1985 – 13 U 13/85, NVwZ 1985, 861 (861 f.). 643  VG Hannover, Urteil vom 16.04.1986 – 1 A 113/84, NST-N 1986, 212 (215); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 23; so zumindest auch für Tonbandaufnahmen durch Journalisten, OLG Celle, Urteil vom 10.07.1985 – 13 U 13/85, NVwZ 1985, 861 (681 f.); Ipsen, in: Ipsen, NKomVG § 65 Rn. 5, der eine Untersagung sogar ohne Störung für rechtmäßig erachtet. 644  BVerfG, Beschluss vom 31.01.1973 – 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238 (246 ff.) – zur Zulässigkeit einer strafrechtlichen Verwertung heimlicher Tonbandaufnahmen; OVG Lüneburg, Urteil vom 18.04.1989 – 10 L 29/89, DVBl. 1989, 935 (936); BVerwG, Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 14.90, BVerwGE 85, 283 (286 f.); OLG Köln, Urteil vom 01.03.1978 – 2 U 133/77, NJW 1979, 611 (661 f.); VG Hannover, Urteil vom 16.04.1986 – 1 A 113/84, NST-N 1986, 212 (214); Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. II 4 S. 3 ff. mit umfassender Begründung; a. A. OLG Celle, Urteil vom 10.07.1985 – 13 U 13/85, NVwZ 1985, 861 (861 f.), das journalistische Aufnahmen in öffentlicher Sitzung für zulässig erachtete; so auch VG Saarlouis, Beschluss vom 08.06.2010 – 11 L 502/10, AfP 2010, 516 (517 f.), jedoch aufgehoben durch OVG Saarlouis, Beschluss vom 30.08.2010 – 3 B 203/10, Juris Rn. 310. 645  BVerwG, Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 14.90, BVerwGE 85, 283 (287); OVG Saarlouis, Beschluss vom 30.08.2010 – 3 B 203/10, Juris Rn. 310 f. 646  BVerwG, Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 14.90, BVerwGE 85, 283 (287); Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 3 m. w. N.; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 S. 3; Wachsmuth, in: Schulz, Kom-



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit255

Alleine die Kandidatur der Mandatsträger für ein öffentliches Amt stelle keine konkludente Einverständniserklärung für eine möglicherweise sogar weltweite Speicherung und Weiterverarbeitung ihrer Wortbeiträge dar und begründe gegebenenfalls zivilrechtliche Abwehransprüche647. Die Äußerungen dienten nur der Meinungsbildung des Kollegialorgans und erfolgten nicht in der Absicht einer Wiedergabe in den Medien648. Zu beachten sei, dass es sich bei den kommunalen Volksvertretungen nicht um echte Parlamente handle, sondern in erster Linie um das oberste Organ der kommunalen Verwaltung, die Ratsmitglieder ihr Mandat ehrenamtlich und nicht als Berufspolitiker ausüben und sie nicht zwingend und damit auch nicht in ihrer Gesamtheit absolute Personen der Zeitgeschichte seien649. Auch aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG folge kein weitergehendes Recht, da das Meinungs- und Informationsrecht seine Schranken in den Vorschriften der „allgemeinen Gesetze“ und dem „Recht der persönlichen Ehre“ finde650. Die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Pressefreiheit bleibe auch dann gewährleistet, wenn die Pressearbeit dadurch erschwert werde, dass technische Hilfsmittel nicht eingesetzt werden können651. Ebenso sollen die Landespressegesetze keinen Anspruch zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen begründen652. Der Informationsfreiheit der Zuhörer soll durch die Möglichkeit, Notizen anzufertigen und die Protokolle einzusehen, ausreichend Rechnung getragen werden653.

munalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 672. 647  OLG Köln, Urteil vom 01.03.1978 – 2 U 133/77, NJW 1979, 611 (661). 648  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 3. 649  OVG Lüneburg, Urteil vom 18.04.1989 – 10 L 30/89, Die Gemeinde 1989, 345 (345 f.); VG Hannover, Urteil vom 16.04.1986 – 1 A 113/84, NST-N 1986, 212 (214). 650  BVerwG, Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 15.90, BVerwGE 85, 283 (285  f.); Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. II. 4 S. 4; a. A. VG Saarlouis, Beschluss vom 08.06.2010 – 11 L 502/10, AfP 2010, 516 (517), aufgehoben durch OVG Saarlouis, Beschluss vom 30.08.2010 – 3 B 203/10, Juris Rn. 308 f.; VG Saarlouis, Urteil vom 25.03.2011 – 3 K 501/10, KommJur 2011, 179 (181); beachte Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 1, der die Beratung der Gemeindevertretung als allgemein zugängliche Quelle im Sinne von Art. 5 GG qualifiziert. 651  VG Hannover, Urteil vom 16.04.1986 – 1 A 113/84, NST-N 1986, 212 (214). 652  VG Hannover, Urteil vom 16.04.1986 – 1 A 113/84, NST-N 1986, 212 (214); Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 43; ähnlich Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 653  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 8, 24, 27.

256

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Besteht keine Regelung über die Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen, soll daher die ausdrückliche Zustimmung jedes Betroffenen notwendig sein654. Dementsprechend soll selbst bei einer Genehmigung von Bild- und Tonaufnahmen jedem Mandatsträger das Recht verbleiben, der Aufzeichnung seiner Person zu widersprechen. In diesen Fällen seien die Aufnahmen während der Redebeiträge der widersprechenden Mandatsträger zu stoppen655. Der Publikumsbereich soll überdies von den Aufzeichnungen generell ausgenommen werden müssen, da es faktisch unmöglich sei, von allen Zuhörern die notwendige Einwilligung einzuholen656. Im Widerspruch zu diesem absoluten Schutz der informationellen Selbstbestimmung durch das Zustimmungserfordernis jedes Betroffenen stehen die Regelungen, die, wie in Mecklenburg-Vorpommern, einen erfolgreichen Widerspruch gegen die Aufzeichnung von der Unterstützung des Anliegens zumindest durch ein Minderheitenquorum abhängig machen657 oder, wie in Schleswig-Holstein, durch eine mehrheitlich gefasste Hauptsatzungsregelung auch die nicht zustimmende Minderheit binden658. (2) Schutz der Funktionsfähigkeit Die Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretung soll durch die Medienöffentlichkeit beeinträchtigt werden können, wenn die Mandatsträger auf Grund der laufenden Aufzeichnung psychologisch so gehemmt sind, dass sie sich nicht mehr trauen von ihrem mitgliedschaftlichen Rederecht Gebrauch zu machen659. Nach dem Bundesverwaltungsgericht muss sichergestellt werden, dass die Willensbildung in der kommunalen Volksvertretung „ungezwungen, freimütig und in aller Öffentlichkeit verläuft. Es dürfe nicht 654  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 25; Höhlein, in: Gabler/ Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 8; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 655  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 8; Nr. 8.4 GemO-VV zu § 41 GemO RP; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.5; davon abweichend die Rechtslage in Hessen, nach der jeder einzelne Gemeindevertreter an die Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen gebunden ist und sich im konkreten Fall nicht entziehen kann, wenn die kommunale Hauptsatzung ­entsprechende Aufzeichnungen zulässt, vgl. Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 45. 656  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 10; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 26. 657  Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 22. 658  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 27. 659  OVG Lüneburg, Urteil vom 18.04.1989 – 10 L 30/89, Die Gemeinde 1989, 345 (345 f.); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 23; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 27.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit257

vernachlässigt werden, dass insbesondere in kleinen, ländlichen Gemeinden weniger redegewandte Mandatsträger durch das Bewusstsein eines Tonmitschnitts ihre Spontanität verlieren, ihre Meinung nicht mehr ‚geradeheraus‘ vertreten oder schweigen, wo sie sonst gesprochen hätten.“660 Damit einher könne ein Verlust an Fach- und Sachverstand in den Reihen der Mandatsträger gehen, welcher die Effektivität des Gremiums nachhaltig beeinträchtige661. cc) Würdigung Beiden vorstehenden Argumenten kann nicht gefolgt werden. (1) Verfassungsrechtliche Basis Aus der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit folgt i. V. m. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 3, S. 2 GG eine Vermutung zugunsten von Bild- und Tonaufnahmen. Die Informationsfreiheit findet zwar nur im Rahmen „allgemein zugänglicher Quellen“ Anwendung, die Öffentlichkeit einer Sitzung qualifiziert diese jedoch als allgemein zugängliche Quelle in diesem Sinne. Der Ansatz, in Art. 5 GG sei lediglich das „Ob“ des Zugangs geregelt, die Frage des „Wie“ – und damit der Zulässikeit von Bild- und Tonaufnahmen – stände hingegen im freien Belieben des Gesetzgebers662, findet in der Verfassung keinen Halt und würde eine Beschränkung der Rechte aus Art. 5 GG „durch die Hintertür“ ermöglichen. Durch eine Beschränkung der Darstellungsformen kann Einfluss auf den Inhalt der Medienberichtserstattung genommen werden; gerade dieser Einfluss ist dem Staat jedoch durch die Grundrechte verwehrt663. Dies wird durch eine einfache Kontrollüberlegung gestützt: Obläge es dem Staat zu entscheiden was (noch) Freiheit ist, stände die Verwirklichkung aller Freiheitsgrundrechte in seinem Belieben. Damit würden die Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat ihre Funktion verlieren. Dement660  BVerwG, Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 14.90, BVerwGE 85, 283 (287  f.); ähnlich BVerwG, Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 15.90, BVerwGE 85, 283 (283); VG Hannover, Urteil vom 16.04.1986 – 1 A 113/84, NST-N 1986, 212 (215); VG Augsburg, Urteil vom 25.11.2004 – Au 8K 04.1574, Die Gemeinde 2005, 129 (129). 661  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. II. 4 S. 7. 662  BVerwG, Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 14.90, BVerwGE 85, 283 (284). 663  Sondervotum des Richters Kühling, der Richterin Hohmann-Dennhardt und des Richters Hoffmann-Riem zum Urteil des ersten Senats des BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (72 ff., inbs. 74 f.).

258

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

sprechend wird weder in der Rechtsprechung noch in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertreten, dass der Staat den Begriff der „Freiheit“ nach seinen Vorstellungen definieren darf. Es obliegt es dem Gesetzgeber im Rahmen von Art. 5 GG zwar (ggf. auch einfachgesetzlich) über die grundsätzliche Zugänglichkeit einer Informa­ tionsquelle zu befinden. Der Gesetzgeber hat aber nur über das Ob der Eröffnung einer Informationsquelle frei zu entscheiden664. Eine Beschränkung der Zugangsart, d. h. des Wies, ist an der Verfassung zu messen und bedarf einer Rechtfertigung. Der Verweis darauf, dass die Sitzungsöffentlichkeit nur den Zugang gewähre, Modalitäten von der Definition jedoch nicht umfasst würden, ändert an der vorstehenden Feststellung nichts. Zum einen handelt es sich dabei um einen Zirkelschluss: Nur dadurch dass die Sitzungsöffentlichkeit auf die Zugangsregelung reduziert wird, sind die Modalitäten nicht von der Definition umfasst – gerade wie die Definition der Sitzungsöffentlichkeit richtig zu fassen ist, ist aber Gegenstand der Frage, ob Sitzungsöffentlichkeit auch Medienöffentlichkeit bedeutet. Zum anderen beinhaltet das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit – wie diese Ausarbeitung aufzeigt – zahlreiche Modalitätsbestimmungen, die unbestritten Bestandteil der grundlegenden Definition sind und das gesetzgeberische bzw. behördliche Ermessen bei der konkreten Ausgestaltung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit binden. Es leuchtet daher nicht ein, warum gerade bei der Frage der Medienöffentlichkeit Art. 5 Abs. 1 GG keine Bindungswirkung entfalten sollte. Nach zutreffendem Verständnis ist die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen als Form passiver Sitzungsteilnahme sowohl durch Privatpersonen als auch durch Medienvertreter zunächst von dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip gedeckt und entfaltet sowohl horizontal als auch vertikal Wirkung665. Dementsprechend beinhaltet die Regelung der Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen ausdrücklich die Feststellung, dass Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig sind, § 169 Abs. 1 S. 2 GVG. Würde das Öffentlichkeitsprinzip Bild- und/oder Tonaufnahmen ohnehin nicht beinhalten oder das Wie des Informationszugangs unter den Vorbehalt einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung stellen, wäre die Regelung des §196 Abs. 1 S. 2 GVG obsolet. Alleine durch eine Nicht-Rege-

664  BVerwG,

Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 14.90, BVerwGE 85, 283 (284). Kapitel B. IV. Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips, S. 97. 665  Vgl.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit259

lung von Bild- und/oder Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen würde folgen, dass diese unzulässig sind. Ein Ausschluss oder ein Genehmigungsvorbehalt für Bild- und/oder Tonaufnahmen stellen mithin eine Einschränkung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit dar, welche folglich nur dann rechtmäßig ist, wenn es für diese eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung gibt. (2) Keine Rechtfertigung durch die Verletzung von Persönlichkeitsrechten Als Rechtfertigung für eine Verbot von Bild- und/oder Tomaufnahmen greift das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mandatsträger nicht durch, denn die Mitglieder einer kommunalen Volksvertretungen ergreifen in den Sitzungen des Gremiums nicht als Privatpersonen das Wort, sondern als Inhaber eines öffentlichen Amts666. Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil zur Zulässigkeit und zur strafrechtlichen Verwendung heimlicher Tonaufnahmen sind nicht auf die Situation von Aufnahmen in öffentlichen Sitzungen kommunaler Volksvertretungen zu übertragen. Zunächst handelt es sich bei den Mitschnitten von öffentlichen Sitzungen kommunaler Volksvertretungen nicht um „heimliche“ Aufnahmen, wenn diese zulässig sind, mithin jeder mit solchen zu rechnen hat. Überdies nimmt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich Bezug auf private Gespräche667. Auch der Bundesgerichtshof verwendet die Beschreibung persönliche Gespräche668. Daraus folgt, dass trotz des grundsätzlich sehr umfassenden Schutzes des gesprochenen Worts durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, für öffentliche Meinungsäußerungen ein anderer Maßstab gilt. Das Schutzniveau für private/persönliche Gespräche ist auf kommunale Volksvertretungen nicht übertragbar, denn „der Gemeinderat [ist] kein Forum zur Äußerung und Verbreitung privater Meinungen, sondern ein Organ der Gemeinde […], das die Aufgabe hat, die divergierenden Vorstellungen seiner gewählten Mitglieder im Wege der Rede und Gegenrede und der nachfolgenden Abstimmung zu einem einheitlichen Gemeindewillen zusammenzuführen und der Gemeinde so die nötige Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit zu verschaffen“669.

666  BVerwG, Urteil vom 03.08.1990 – 7 C 14.90, BVerwGE 85, 283 (286); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 67; Scheuner, DVBl. 1979, 525 (526 f.); Stober, DVBl. 1976, 371 (374). 667  BVerfG, Beschluss vom 31.01.1973 – 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238 (246). 668  BGH, Urteil vom 20.05.1958 – VI ZR 104/57, BGHZ 27, 284, (287). 669  BVerwG, Beschluss vom 12.02.1988 – 7 B 123/87, Juris, Rn. 6.

260

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Selbst wenn man dennoch den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eröffnet sehen will und durch Bild- und Tonaufzeichnung einen Eingriff in dieses Recht erkennen mag, ist bei der Frage, ob dieser Eingriff rechtswidrig ist, zu berücksichtigen, dass das Recht der informationellen Selbstbestimmung mit dem aus rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen berechtigten Informationsinteresse der Bürgerschaft kollidiert. Aus diesem ergibt sich, dass Inhalte und Äußerungen von Mandatsträgern stets öffentliche Belange sind, die alle Bürger betreffen670. Da sich die Mandatsträger überdies in Kenntnis der Öffentlichkeit einer Tätigkeit in einer kommunalen Volksvertretung um eine Wahl in das Gremium bewerben, kann dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung kein Vorrang vor dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegeben werden671. Dies gilt auch angesichts der umfangreichen Nutzungsmöglichkeiten von Bild- und Tonaufnahmen im digitalen Zeitalter, denn im Rahmen des Wahlkampfs nutzen auch die Bewerber um kommunale Mandate die Möglichkeiten von Bild- und Tonaufnahmen, um für sich, ihre Partei und deren Positionen Werbung zu machen. Wer die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch den Einsatz moderner Medien sucht, um in ein öffentliches Amt gewählt zu werden, dem kann kein schützenswertes Interesse zuerkannt werden, bei der Beurteilung seiner Arbeit – gerade in diesem öffentlichen Amt – nicht durch diese Medien beobachtet und auf Grundlage solcher Aufzeichnungen bewertet zu werden672. Für Richter und Schöffen hat das Bundesverfassungsgericht dies bereits unter Einschluss der Medienöffentlichkeit bejaht673. „Die Rechtsordnung darf grundsätzlich erwarten, dass sich der Schöffe mit den seiner Funktion verbundenen Erwartungen auch bei Mitwirkung an von der Öffentlichkeit beachteten Verfahren gewachsen zeigen wird, selbst wenn Medien darüber 670  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art.  52 Rn.  8 m. w. N. 671  Scheuner, DVBl. 1979, 525 (526 f.). 672  Rechtsgedanke aus der sog. „Caroline-Rechtsprechung“ des EGMR: Für die Zulässigkeit einer Berichterstattung, die Persönlichkeitsrechte berührt, ist nach der gesellschaftlichen Bedeutung der Person und der Art der Berichterstattung zu differenzieren. Handelt es sich um eine Person des öffentlichen Lebens oder der Zeitgeschichte und wird eine Frage des allgemeinen Interesses erörtert, ist der Eingriff in Persönlichkeitsrechte gerechtfertigt. Bei einer Berichterstattung über die Privatperson überwiegt dagegen grundsätzlich der Schutz der Persönlichkeitsrechte, so dass ein Eingriff nicht zulässig und gegebenenfalls rechtswidrig ist – EGMR, Urteil vom 24.06.2004 – 59320/00, NJW 2004, 2647 (2647 ff.) und EGMR, Urteil vom 07.02. 2012 – 40660/08 u. 60641/08, NJW 2012, 1053 (1053 ff.). 673  BVerfG, Beschluss vom 21.07.2000 – 1 BvQ 17/00, openJur 2013, 24861, Rn. 23.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit261

Bilder verbreiten.“674 Gerade vor dem Hintergrund der demokratischen Repräsentationsfunktion der gewählten Kommunalpolitiker können für diese keine geringeren Anforderungen gelten. Überdies muss auch berücksichtigt werden, dass aus der generellen Zulässigkeit von Bild- und/oder Tonaufnahmen in öffentlichen Sitzungen der kommunalen Volksvertretung nicht folgt, dass Bild- und/oder Tonaufnahmen immer erfolgen müssen. Besteht die Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung, können Aufnahmen im Einzelfall untersagt werden. Auch dadurch besteht nur eine geringere Bedürftigkeit, Betroffene durch ein Verbot von Bild- und/ oder Tonaufnahmen mit Erlaubnisvorbehalt zu schützen675. Ähnliches gilt auch für das bei einer öffentlichen Sitzung anwesende Publikum, denn dieses begibt sich im Rahmen einer Sitzungsteilnahme bewusst in den öffentlichen Raum. (3) Keine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit Die Annahme, Bild- und Tonaufnahmen in Sitzungen kommunaler Volksvertretungen würden deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen, ist bereits deshalb nicht geeignet, die Einschränkung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit durch das Verbot von Bild- und Tonaufnahmen zu rechtfertigen, weil sie angesichts der „heute alle Lebensbereiche durchdringende[n] Medienpräsenz“ unrealistisch ist676. Überdies genügt eine solche Vermutung verfassungsrechtlich nicht zur Rechtfertigung einer präventiven Einschränkung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, denn eine solche kann nicht auf Grund einer potenziellen, abstrakten Gefährdung angenommen werden. Notwendig ist vielmehr eine auf Tatsachen basierende Annahme einer konkreten Gefährdung. Für diese sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Tatsächlich existieren inzwischen in verschiedenen Kommunen LiveStrea­ming-Angebote677. Mitunter stehen die Aufzeichnungen auch im An674  BVerfG, Beschluss vom 19.12.2007 – 1 BvR 620/07, BVerfGE 119, 309 (329); ähnlich OVG Saarlouis, Beschluss vom 30.08.2010 – 3 B 203/10, Juris, Rn. 54 m. w. N. 675  OLG Celle, Urteil vom 10.07.1985 – 13 U 13/85, NVwZ 1985, 861 (862). 676  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 8. 677  Z. B. http://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/politik/ratderstadt/video stream.html, zuletzt geprüft am 28.10.2018; https://www.duesseldorf.de/rat/live.html, zuletzt geprüft am 28.10.2018; https://www.essen.de/rathaus/rat/ratssitzungen_online. de.html, zuletzt geprüft am 28.10.2018; https://www.leverkusen.de/rathaus-service/ politik/ratssitzung-live.php, zuletzt geprüft am 28.10.2018; https://www.neuss.de/rat

262

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

schluss der Sitzung zum Abruf im Internet bereit678. Zu einer Funktionsunfähigkeit der betroffenen kommunalen Volksvertretungen hat dies bislang nicht geführt. (4) Regelvermutung: Zulässigkeit Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass – entgegen der in der Literatur und Rechtsprechung vorherrschenden Meinung – die Anfertigung von Bildund Tonaufnahmen sowohl durch Privatpersonen als auch durch Medienvertreter nicht von vornherein unter einem Erlaubnisvorbehalt durch den Vorsitzenden oder durch einen Mehrheitsbeschluss der Mandatsträger steht679. Die Medienöffentlichkeit ist vielmehr ein unmittelbarer Ausfluss des Teilnahmerechts der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Daraus folgt, dass die Zulässigkeit der Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen die Regel ist und nur im Ausnahmefall die Anfertigung von Bild- und/oder Tonaufnahmen als ordnungsrechtliche Maßnahme des Vorsitzenden ausgeschlossen werden kann. Voraussetzung für einen solchen Ausschluss ist mithin, dass erkennbar ist, dass durch den Medieneinsatz das Verhalten der Mitglieder einer kommunalen Volksvertretung und damit die Funktionsfähigkeit des Gremiums insgesamt konkret beeinträchtigt wird680. Da die konkrete Ausgestaltung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit den Bundesländern obliegt, steht es in ihrem Ermessen die Grenzen der Medienöffentlichkeit zu definieren. Auf Grund des begrenzten Einflusses privater Aufnahmen auf die allgemeine demokratische und rechtsstaatliche Meinungsbildung und die Kontrolle durch das Volk erscheint dabei mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Ausschluss privater Aufnahmen verfassungsrechtlich unbedenklich. Gleiches gilt für die Normierung eines Erlaubnisvorbehalts für entsprechende Aufnahmen. Dementsprechend sind die vorhandenen Regelungen zur Medienöffentlichkeit in kommunalen Volksvertretungen in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein verfassungskonforme Ausgestaltungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. haus/stadtrat/audio-live-stream/ratssitzungen-im-audio-live-stream, zuletzt geprüft am 28.10.2018; http://www.troisdorf.de/web/de/stadt_rathaus/Politik/sitzungen/Main.htm, zuletzt geprüft am 28.10.2018. 678  Z.  B. https://www.moenchengladbach.de/de/rathaus/rat-fraktionen/rats-tv/, zuletzt geprüft am 28.10.2018; https://www.monheim.de/service-verwaltung/rathaus/ stadtrat/rats-tv/, zuletzt geprüft am 28.10.2018; https://www.wuppertal.de/rathausbuergerservice/verwaltung/politik/ratstv.php, zuletzt geprüft am 28.10.2018. 679  So im Ergebnis auch Stober, DVBl. 1976, 371 (375). 680  Stober, DVBl. 1976, 371 (375).



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit263

Entscheidend ist, dass zur Beschränkung der Medienöffentlichkeit eine bewusste Entscheidung der Landesgesetzgeber zur Umkehr des eigentlich geltenden Regel-Ausnahme-Verhältnisses gefordert ist. Wird ein solcher Erlaubnisvorbehalt durch den Gesetzgeber nicht normiert, ist von der allgemeinen Zulässigkeit von Bild- und/oder Tonaufnahmen auszugehen. Von diesem eigentlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis geht nur die Niedersächsische Regelung aus. Dort wird die grundsätzliche Zulässigkeit der Aufnahmen durch das Recht der Abgeordneten der Vertretung durchbrochen, die verlangen können, dass Aufnahmen ihres Redebeitrags oder die Veröffent­ lichung solcher Aufnahmen unterbleiben, § 64 Abs. 2 S. 3 NKomVG. Die Einschränkung, dass Aufnahmen von den Mitgliedern der Vertretung mit dem Ziel der Berichterstattung, nur zulässig sind, soweit die Hauptsatzung dies bestimmt, § 64 Abs. 2 S.2 NkomVG, stellt keine Ausnahme von dem vorgenannten Regel-Ausnahme-Verhältnis dar. Aufnahmen durch Mitglieder der Vertretung stellen kein Element der Sitzungsöffentlichkeit, sondern der Mandatswahrnehmung dar. Als solche unterfallen sie auch nicht dem Grundsatz, dass die Saalöffentlichkeit die Medienöffentlichkeit mitumfasst. c) Zugänglichkeit von Sitzungsunterlagen Eine Pflicht, für die einzelnen Tagesordnungspunkte einer Sitzung schriftliche Unterlagen, so genannte Vorlagen, zu erstellen, besteht nicht681. Die gewählten Volksvertreter sind über die zur Entscheidung anstehenden Vorhaben umfassend zu informieren682. Dies kann durch die digitale Bereitstellung von Informationen genauso erfolgen, wie durch einen mündlichen Vortrag oder Informationen, die erst und nur in der Sitzung zugänglich gemacht werden (z. B. durch den Aushang von Plänen). Ob eine kurzfristige Information, insbesondere wenn diese erst in der Sitzung preisgegeben wird, dem Vorbereitungsrecht der Mandatsträger ausreichend Rechnung trägt, wird unterschiedlich beurteilt683. Der einladende Verwaltungsleiter bzw. Vorsitzende hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, welche Unterlagen bis zu

681  Siehe dazu hinsichtlich der Anforderungen an die Aufstellung der Tagesordnung Kapitel aa) Form, S. 196 ff. 682  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  46 Ziff. 4.2 S. 5. 683  Für das frühzeitige Aushändigen von Sitzungsunterlagen: Rothe, NVwZ 1992, 529 (532 f.) m. w. N.; a. A. wonach ein mündlicher Vortrag in der Sitzung genügt, VGH Kassel, Beschluss vom 26.08.1986 – 2 TG 798/86, NVwZ 1988, 82 (83); siehe dazu auch m. w. N. Kapitel (1) Form, S. 196 ff.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

welchem Zeitpunkt den Mandatsträgern für eine ausreichende Vorbereitung vorliegen müssen684. Werden den Mandatsträgern Sitzungsunterlagen zur Verfügung gestellt, wird vertreten, diese seien nicht oder allenfalls in abgewandelter Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen685. Jedenfalls soll die Öffentlichkeit keinen Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen haben686. Begründet wird die restriktive Handhabung der Beschlussvorlangen damit, dass die Unterlagen nicht für die Unterrichtung der Öffentlichkeit bestimmt seien, sondern alleine der Vorbereitung der Mandatsträger dienen und insofern dem Datenschutzbedürfnis etwaiger Betroffener Rechnung getragen werden müsse687. Daraus wird mitunter gefolgert, dass Pläne, die im Sitzungsraum zur Information der Mitglieder der kommunalen Volksvertretung aufgehängt werden, nicht von den Zuhörern der öffentlichen Sitzung eingesehen werden dürfen688. Tatsächlich bestehen gegen die Aushändigung von Sitzungsvorlangen für öffentliche Tagesordnungspunkte keine Bedenken689. Unzweifelhaft dürfen Unterlagen nicht öffentlicher Angelegenheiten der Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis gegeben werden690. Vorlagen für öffentliche Tagesordnungspunkte dürfen hingegen keine nicht öffentlich zu behandelnden Informationen enthalten, da andernfalls die Mandatsträger bei öffentlichen Beratungsgegenständen nicht zweifelsfrei erkennen könnten, was vertraulich zu behandeln ist. Dies ist unter Berücksichtigung der drohenden Sanktionen beim Verstoß gegen die mandatschaftliche Verschwiegenheitspflicht691 nicht zumutbar. 684  OVG Münster, Beschluss vom 12.08.2010 – 10 LA 36/09, NdsVBl. 2011, 144 (145); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 13; ähnlich Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 167 f. 685  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 6. 686  VGH München, Urteil vom 17.12.1979 – 14 N – 838/79, Die Gemeinde 1980, 299 (299); OVG Lüneburg, Urteil vom 31.07.1984 – 2 A 90/80, NVwZ 1986, 496 (497); OVG Münster, Beschluss vom 20.08.1984, VR 1986, 393 (393); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 24; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 8; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 5. 687  Ausführlich zu datenschutzrechtlichen Bedenken, s. Wagner, in: Kleerbaum/ Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. IV. 3 S. 680; Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 14/1593, S. 4. 688  Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, 18. Tätigkeitsbericht, Ziff. 8.7 S. 207 f.; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 8a; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 6. 689  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 18. 690  Siehe zu den Ausschlussgründen im Einzelnen Kapitel E. Die Rechtfertigungsund Ausschlussgründe, S. 365 ff.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit265

Zutreffend ist, dass aus dem Öffentlichkeitsgebot keine Pflicht zur Bekanntmachung der Beratungsunterlagen mit der Angabe von Ort, Zeit und Tagesordnung folgt. Ungeachtet der Rechtspflicht kommt in der Praxis in Betracht –– diese im Internet bereitzustellen692, –– sie im Rathaus und während der Sitzung im Sitzungsraum auszulegen, –– Pläne auch für die Zuschauer erkennbar zu präsentieren oder –– Unterlagen zumindest auf Nachfrage zur Verfügung zu stellen. Für eine Vorenthaltung von Beschlussvorlagen öffentlicher Tagesordnungspunkte unter dem Vorbehalt der vorstehenden Einschränkungen besteht weder ein praktisches Bedürfnis noch eine rechtliche Rechtfertigung. Dementsprechend formuliert die Brandenburgische Kommunalverfassung „Jeder hat das Recht, Beschlussvorlagen der in öffentlicher Sitzung zu behandelnden Tagesordnungspunkte einzusehen.“, § 36 Abs. 4 S. 1 BbgKVerf693. Aus demokratischer Sicht müssten Unterlagen zu öffentlichen Tagesordnungspunkten öffentlich zugänglich sein. Die Sitzungsöffentlichkeit dient der Kontrolle der Wähler über die Gewählten und der Information der Öffentlichkeit zwecks einer Beurteilung auf Grundlage derer die nächste Wahl­ entscheidung getroffen werden soll694. Sind der Öffentlichkeit dafür nicht die Informationen zugänglich, auf Grund derer die politischen Entscheidungen getroffen werden, ist weder eine echte Kontrolle noch eine Beurteilung der Gewählten möglich. Ob eine Entscheidung als richtig oder falsch, gut oder schlecht beurteilt wird, hängt maßgeblich auch von den zur Verfügung stehenden Informationen ab. Auch praktische Erwägungen sprechend gegen die Annahme, Sitzungs­ unterlagen öffentlicher Tagesordnungspunkte, könnten nicht öffentlich behandelt werden. Die Zurückhaltung der Beratungsunterlagen für öffentliche Angelegenheiten würde zu der paradoxen Situation führen, dass öffentlich über nicht öffentliche Angelegenheiten oder zumindest nicht öffentliche Teil­ aspekte von Angelegenheiten beraten und entschieden werden müsste. In der 691  Siehe zu der Konsequenz der Vertraulichkeit im Kapitel 3. Diskretionsstufen kommunaler Nichtöffentlichkeitsarten, S. 357 ff., insb. ab S. 358. 692  So vorgesehen in Baden-Württemberg durch den am 30.10.2016 in Kraft getretenen § 41b GemO B-W; davon abratend Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 46 Rn. 5 m. w. N.; dazu auch Sebald, KommP By 2008, 246 (246). 693  Dazu ausführlich Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 69. 694  Siehe zu dieser und den weiteren Funktionen der Öffentlichkeit ausführlich im Kapitel II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51 ff.

266

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Konsequenz müssten die Mandatsträger fortlaufend überlegen, ob und welche Aspekte der Beratungsunterlagen in der öffentlichen Sitzung für eine Stellungnahme oder eine Nachfrage erwähnt oder gar zitiert werden dürfen. Rechtlich besteht für eine Zurückbehaltung der Beratungsunterlagen im Rahmen öffentlicher Tagesordnungspunkte weder eine Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung. Bereits bei der Erstellung von Beratungsunterlagen für öffentliche Tagesordnungspunkte ist seitens der Verwaltung darauf zu achten, dass diese keine nicht öffentlichen Informationen enthalten. Dementsprechend ist beispielsweise auch bei der Erstellung von Unterlagen für die nicht öffentliche Beratung von Personalangelegenheiten darauf zu achten, dass diese nur die Informationen beinhalten, die tatsächlich nötig sind695. Nötigenfalls ist mit einem Anonymisierungsschlüssel zu arbeiten, der einen Rückschluss auf Personen durch die Öffentlichkeit verhindert, den Ratsmitgliedern für eine vollständige Information in nicht öffentlicher Sitzung jedoch zur Kenntnis gegeben werden kann696. Kann auf die Angabe nicht öffentlicher Informationen nicht verzichtet werden, ist die Angelegenheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu beraten697. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ein Ausschlussgrund vorliegt, der die nicht öffentliche Beratung rechtfertigt698. Um der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Rechnung zu tragen, ist in diesen Fällen denkbar, dass auf Grundlage einer ausreichend detaillierten, nicht öffentlichen Vorlage zunächst eine Vorberatung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, die abschließende Beschlussfassung auf Grundlage einer öffentlichkeitstaug­ lichen Vorlage dann in öffentlicher Sitzung erfolgt699. 695  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 8b; Glaser/Hermann/MarcicSchaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 8, 12; a. A. Ramsauer, KommP By 1998, 337 (339), der darauf verweist, dass auch datenschutzrechtliche Bedenken keine Rechtfertigung dafür sein könnten, Beratungsgegenstände pauschal zu bezeichnen, sondern insbesondere auch Namen etwaiger Antragssteller anzugeben seien. 696  So zum Beispiel bei Einwendungen im Rahmen von Planverfahren üblich wegen BVerfG, Beschluss vom 24.07.1990 – 1 BvR 1244/87, NVwZ 1990, 1162 (1162). 697  Auch wenn in diesem Zusammenhang personenbezogene Daten angegeben werden, stellt dies keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen dar, wenn durch die Nichtöffentlichkeit sichergestellt wird, dass Außenstehende keine Kenntnis erhalten, Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 46 Rn. 13; mit Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht des Gemeinderats, Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 8. 698  Siehe zur Möglichkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses und seiner Rechtfertigung Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff. und E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 699  Siehe zur Möglichkeit eines solchen Vorgehens ausführlich im Kapitel a)  Erforderlichkeit, S. 345 ff.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit267

Gerade wenn personenbezogene Daten betroffen sind, wird es möglich sein, die Beratungsunterlagen zu anonymisieren oder den Öffentlichkeitsausschluss hinreichend zu begründen. 3. Jedermanns-Recht der Zugänglichkeit Die Mindestanforderung der Sitzungsöffentlichkeit in Form des physischen Teilnahmerechts ist eine ungehinderte Zugangsmöglichkeit für jedermann700. Ein im Voraus unbestimmter Personenkreis muss der Sitzung beiwohnen können701. Das rechtsstaatliche Kontrollelement des Öffentlichkeitsprinzips verbietet jede Einflussnahme des „‚ Veranstalters‘ auf die spontane Zusammensetzung der Zuhörerschaft“702 zum Beispiel durch die Blockade von Plätzen durch im Vorfeld instruierte Personen703. Die tatsächliche Anwesenheit interessierter Bürger ist für die Öffentlichkeit unerheblich704. Die Zugänglichkeit muss während der gesamten Sitzungsdauer gewährleistet werden705. 700  BGH, Urteil vom 10.11.1953 – 5 StR 445/53, BGHSt 5, 75 (83); OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (9); VGH Mannheim, Urteil vom 30.06.1982 – 5 S 314/81, VBlBW 1983, 106 (107); OVG Saarlouis, Beschluss vom 30.08.2010 – 3 B 203/10, Juris Rn. 891; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/ Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 7; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 4; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 306 Rn. 466; Gramlich, DÖV 1982, 139 (142); Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 26; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.2; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 1; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. b) S. 673. 701  BGH, Urteil vom 10.11.1953 – 5 StR 445/53, BGHSt 5, 75 (83); Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse S. 55 f. m. w. N.; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105. 702  Gramlich, DÖV 1982, 139 (147); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2.2.2 S. 3; Kunze/Schmid, in: Kunze/Schmid, GemO BW § 36, Ziff. I. 8 S. 372, Ziff. I 2 S. 375; Kottenberg/Rehn, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, § 33 Ziff. III S. 314 f.; Göbel, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg; Gesetz über kommunale Zusammenarbeit; Nachbarschaftsverbandsgesetz, S. 121 Rn. 1. 703  Gramlich, DÖV 1982, 139 (141). 704  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 1; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 4. 705  BVerwG, Beschluss vom 25.07.1972 – IV CB 60.70, JR 1972, 521 (521); BVerwG, Beschluss vom 20.07.1972 – IV CB 71.70, Juris Rn. 9 – zur Gerichtsöffentlichkeit; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 4; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52

268

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Das Teilnahmerecht gilt jedoch nicht absolut und unbegrenzt706. Es stellten sich damit die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen eine qualitative oder quantitative Beschränkung der Teilnehmer vorgenommen werden darf. a) Qualitative Beschränkungen Das Öffentlichkeitsgebot verlangt, dass jedem Zutritt zu den Sitzungen gewährt wird707. Der Sitzungsraum muss also von der Allgemeinheit ohne Ansehung der Person betreten werden können708. Um einen allgemein zugänglichen Raum709 handelt es sich nur dann, wenn keine persönlichen Voraussetzungen von den Besuchern zu erfüllen sind und zwischen ihnen nicht differenziert wird. „Öffentlichkeit meint mithin die unqualifizierte (und damit gleiche) Zugänglichkeit.“710 Eine „qualitative“711 Auswahl nach Beruf712, Alter713, Wohnort714, Geschlecht oder individueller Betroffenheit durch die Beratungsgegenstände715 würde gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG verstoßen716 und ist daher nicht zulässig. S. 313; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 1; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 4. 706  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170; Kißler, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S. 993 Rn. 24. 707  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105. 708  Rabeling, NVwZ 2010, 411 (411); Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 183; OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (9). 709  Art. 52 Abs. 4 GO BY fordert ausdrücklich einen „der Allgemeinheit zugäng­ lichen Raum“. 710  Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 26. 711  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 19a; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 26. 712  Gramlich, DÖV 1982, 139 (142); Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 12. 713  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Gramlich, DÖV 1982, 139 (142); Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 S. 3; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 3 S. 3; Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 12. 714  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 19a; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284; Gramlich, DÖV 1982, 139 (140, 147); Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.2; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 313; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 3 S. 2; zur Frage der Zulässigkeit einer Differenzierung nach dem Wohnort im Fall der Notwendigkeit der Beschränkung der Teilnehmerzahl s. Kapitel ii. Bevorzugung ortsansässiger Zuschauer, S. 282 f. 715  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 S. 145. 716  VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1 S. 170.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit269

aa) Ausschluss Minderjähriger? Zulässig soll der Ausschluss von Personen sein, „die gar nicht in der Lage sind, den Verhandlungen zu folgen“717. Daraus folgend wird der Ausschluss Minderjähriger für ordnungsrechtlich geboten erachtet718. Diesem Ansatz ist jedoch nicht zu folgen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Minderjährige einer Sitzung zwingend weniger folgen können, als Volljährige. Ordnungsmaßnahmen sind darüber hinaus nur auf Grund „störenden“ Verhaltens zulässig719 und nicht bereits als anlasslose Prävention. Der Ausschluss minderjähriger Zuschauer lässt sich ordnungsrechtlich folglich nur dann rechtfertigen, wenn die Betroffenen auffällig werden/geworden sind. Eine abstrakte Vermutung, Minderjährige würden sich auf Grund des mangelnden Verständnisses für die Sitzungsthemen so langweilen, dass sie auf jeden Fall stören werden, entbehrt praktischen Erfahrungen und genügt für die Rechtfertigung eines Ausschlusses nicht. Dementsprechend dürfen auch Erwachsene, die Kleinkinder bei sich haben, nicht präventiv von der Sitzung ausgeschlossen werden720. Auch der Hinweis auf das Fehlen des aktiven Wahlrechts Minderjähriger greift nicht durch. Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Volljährigkeit in sieben Bundesländern nicht mehr Voraussetzung für das aktive Wahlrecht auf kommunaler Ebene ist. In Brandenburg, Bremen, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein wurde das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre gesenkt721. In diesen Fällen wäre nach der genannten Argumentation somit nicht die Volljährigkeit, sondern unmittelbar die Wahlbefugnis das richtige Anknüpfungskriterium. Aber auch das Kriterium des aktiven Wahlrechts überzeugt nicht. Eine Wahl stellt nicht nur eine Entscheidung auf Grund zukunftsgerichteter Wahlversprechen dar, sondern ist immer auch eine Einschätzung der Glaubwürdigkeit auf Grund der vergangenen Wahlperiode. Verwehrt man den noch nicht wahlberechtigten Bürgern einer Gemeinde die Teilnahme an Sitzungen der kommunalen Volksvertretung, nimmt man ihnen zugleich einen Teil der

717  Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 718  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 3 S. 3; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 719  Gramlich, DÖV 1982, 139 (141). 720  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 6. 721  Vgl. Übersicht bei Psczolla/Döhrel, StuGe 2014, 90 (92).

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Informationen, auf Grund derer sie bei der ersten Wahl, an der sie dann teilnehmen dürfen, entscheiden könnten722. bb) Ausschluss auf Grund des persönlichen Zustands Grenzen findet die allgemeine Zugänglichkeit der Öffentlichkeit in der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden, der störende Besucher ausschließen kann, wenn dies für einen geordneten Sitzungsablauf notwendig ist, mithin ein gesetzlicher Grund für den Ausschluss besteht723. Von einem formellen Ausschluss eines Zuhörers ist die informelle Bitte an einen Zuhörer, den Sitzungsaal zu verlassen, zu unterscheiden. In einem Fall, der dem Bundesgerichtshof 1962 zur Entscheidung vorlag, erkundigte sich eine Zeugin in einem Strafverfahren danach, ob sie über intime Details in Gegenwart eines ihr bekannten Zuhörers aussagen müsse. Während die Kammer darüber beriet, ob ein Ausschluss des Zuhörers geboten sei, erkundigte sich der Vorsitzende bei dem betroffenen Zuhörer, ob dieser Wert da­rauf lege, in den nächsten Minuten im Saal zu sein. Der Zuhörer verließ daraufhin den Sitzungsraum und kam später unaufgefordert wieder zurück. Der Bundesgerichtshof sah in diesem Vorgang keine Verletzung der Sitzungsöffentlichkeit, weil der Vorsitzende den Zuhörer nicht gegen dessen Willen veranlasst habe den Saal zu verlassen. Die Nachfrage sei nicht als Aufforderung zu verstehen gewesen. Der Zuhörer habe gemäß seinem freien Entschluss gehandelt. Dies folge auch daraus, dass das Gericht noch nicht zu einer Entscheidung darüber gekommen war, ob ein Entschlussung über den Ausschluss des Zuhörers erforderlich war.724 Von dem Anwesenden muss eine Störung des Sitzungsablaufs unmittelbar zu befürchten sein oder tatsächlich ausgehen725. Notwendig ist dafür, dass in der konkreten Situation nach verständiger, auf allgemeiner Lebenserfahrung in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 6. Gießen, Urteil vom 25.07.2003 – 8 E 2112/03, HSGZ 2005, 133 (135); BGH, Urteil vom 17.04.1952 – 4 StR 210/51, JurionRS 1952, Ref.-Nr. 11065, Rn. 1; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 25; Bock, in: Kunze/ Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 307 Rn. 466; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 1; Rabeling, NVwZ 2010, 411 (411); zur gerichtlichen Sitzungsöffentlichkeit vgl. auch BGH, ­Urteil vom 16.10.1962 – 1 StR 383/62, NJW 1963, 166 (167); BGH, Urteil vom 15.01.1963 – 5 StR 528/62, BGHSt 18, 179 (180); Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 6. 724  BGH, Urteil vom 16.10.1962 – 1 StR 383/62, NJW 1963, 166 (167). 725  Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Ziff. 2.2. 722  Blum, 723  VG



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit271

beruhender Beurteilung bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens eine Beeinträchtigung möglich erscheint726. Der Öffentlichkeitsgrundsatz und die Ordnungsgewalt des Vorsitzenden stehen insoweit in einer Wechselwirkung: Die Ordnungsgewalt begrenzt die Öffentlichkeit, zugleich beschränkt der Öffentlichkeitsgrundsatz ordnungsrechtliches Einschreiten auf die Fälle, in denen dieses für einen geordneten Sitzungsablauf unumgänglich ist. Des Sitzungssaals verwiesen werden können Teilnehmer insbesondere, –– wenn sie den Ablauf einer Sitzung zum Beispiel durch Zwischenrufe stören727 oder –– wenn die persönliche Verfassung auf Grund einer geistigen Störung728, nach Drogenkonsum (zum Beispiel Trunkenheit729) oder auf Grund einer Bewaffnung730 eine Störung unmittelbar befürchten lässt. Einzelne Personen können außerdem dann ausgeschlossen werden, wenn ihnen rechtswirksam ein Hausverbot erteilt worden ist731. In Betracht kommt ein Ausschluss auch dann, wenn eine Person nicht der Würde der Sitzung entsprechend gekleidet ist732. Da es keine formelle Kleiderordnung für die Sitzungen kommunaler Volksvertretungen gibt, sind an dieses Ausschlusskriterium jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Zu denken ist dabei auch daran, dass die Vertretung einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden soll, mithin kein Auftreten in Geschäftsbekleidung gefordert werden darf. Ebenfalls unzulässig wird das Verlangen eines weltanschaulich neutralen Erscheinungsbilds sein.

726  VG Gießen, Urteil vom 25.07.2003 – 8 E 2112/03, HSGZ 2005, 133 (135); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 15. 727  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 306 Rn. 466. 728  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 3. 729  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 306 Rn. 466; Kluth, in: SchmidtBleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 9; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.2; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 3; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 730  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1. 731  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 2; VerfGH BW, Beschluss vom 25.06.1969 – I 459/69, ESVGH 19, 209 (211). 732  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

cc) Zulässigkeit von Einlasskontrollen Einlasskontrollen, zum Beispiel in Form von Ausweiskontrollen oder Leibesvisiten, beeinträchtigen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit, denn sie stellen ein Zugangserschwernis dar. Sie wirken psychologisch abschreckend. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Personalien dokumentiert werden. Ein auf die Einlasskontrolle folgendes Zutrittsverbot stellt eine qualitative Beschränkung des Teilnehmerkreises dar. Auf kommunaler Ebene sind solche Kontrollen unüblich. Sie werden jedenfalls nicht routinemäßig durchgeführt, wie dies unter anderem an Flug­ häfen oder auch bei Gerichtsgebäuden üblich ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass Kontrollen vor dem Einlass in den Sitzungsraum einer kommunalen Volksvertretung per se undenkbar sind. So wurde 1989 die Sitzung des Stadtrats einer nordrhein-westfälischen Gemeinde in einer Kaserne durchgeführt733. Das Kasernengelände stellt einen militärischen Sicherheitsbereich dar. Im konkreten Fall wurde auf die Einlasskon­trollen durch die Einrichtung einer gesonderten Zuwegung verzichtet. Denkbar wäre aber auch gewesen, alle Sitzungsteilnehmer einer Ausweiskontrolle, sowie einer Leibesvisite zu unterziehen. Ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung stellen Einlasskontrollen eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Zugangsrechts der kommunalen Sitzungs­ öffentlichkeit dar734. (1) Schutzgut der Einlasskontrollen Ein Eingriff in das Öffentlichkeitsgebot kann gerechtfertigt sein, wenn die Einlasskontrollen dem Schutz eines zumindest mit dem Öffentlichkeitsgebot gleichrangigen Guts dienen. In Betracht kommt, dass die Einlasskontrollen die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretung gewährleisten. Sicherheit und Funktionsfähigkeit der Volksvertretungen sind, wie das Öffentlichkeitsgebot, Güter mit Verfassungsrang. Kommunen werden durch die institutionelle Garantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in ihrem Bestand und auch ihrer Funktionsfähigkeit vom Grundgesetz abgesichert. Als zentrales 733  OVG

Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (160). zur. Notwendigkeit eines gesetzlichen Grundes zur Entfernung eines Zuhörers aus einer öffentlichen Gerichtsverhandlung, BGH, Urteil vom 16.10.1962 – 1 StR 383/62, NJW 1963, 166 (167); BGH, Urteil vom 15.01.1963 – 5 StR 528/62, BGHSt 18, 179 (180); Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 9. 734  Vgl



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit273

Organ der Gemeindeverwaltung wird die kommunale Volksvertretung ausdrücklich durch Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG auf Verfassungsrang gehoben. Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit eines solchen Kollegialorgans ist, dass sich die Mitglieder auf die Gewährleistung ihrer Sicherheit verlassen können. Die Funktionsfähigkeit setzt damit die Sicherheit der kommunalen Volksvertretung voraus. Keinem der Rechtsgüter Öffentlichkeit, Sicherheit oder Funktionsfähigkeit kann von vornherein ein höherer Rang beigemessen werden735. Es handelt sich also um gleichrangige Verfassungswerte. Die Rechtfertigung von Einlasskontrollen hängt folglich von einer Abwägung im Wege der praktischen Konkordanz ab. (2) Rechtsgrundlage für die Anordnung von Einlasskontrollen Die Anordnung von Einlasskontrollen kann auf die allgemeine Ordnungsbefugnis des Verwaltungsleiters gestützt werden736. Da die allgemeine Ordnungsbefugnis nicht gesetzlich normiert ist, ist ihre Rechtsgrundlage umstritten. Vertreten wird zum einen, dass es sich um eine „Annexkompetenz“ der inneren Ordnungsgewalt handeln soll737, zum anderen, dass sie Teil des Hausrechts ist738. Dieser Streit kann jedoch dahinstehen, da im Ergebnis beide Auffassungen die allgemeine Ordnungsbefugnis als Kompetenz des Verwaltungsleiters anerkennen739: Dem Behördenleiter steht auf Grund der ihm obliegenden allgemeinen Ordnungsbefugnis auch die Kompetenz zu, Einlasskontrollen anzuordnen740. Die Ordnungsbefugnis des Verwaltungsleiters umfasst alle Maßnahmen, die geeignet und notwendig sind, um die Durchführung der dem Verwal735  BGH, Urteil vom 06.10.1976 – 3 StR 291/76, BGHSt 27, 13 (15); BGH, Urteil vom 22.01.1971 – 3 StR 3/70 II, BGHSt 24, 72 (74). 736  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 314 Rn. 479. 737  VG Gießen, Urteil vom 25.07.2003 – 8 E 2112/03, HSGZ 2005, 133 (135); Knemeyer, DÖV 1970, 596 (599 ff.); Ehlers, DÖV 1977, 737 (739 f.). 738  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.03.1973 – IV 70/73, ESVGH 24, 41 (42); VGH München, Urteil vom 23.02.1981 – 7 B 80 A.1522, 7 B 80 A.1948, BayVBl. 1981, 657 (657 f.); VGH München, Beschluss vom 04.07.1988 – 7 CE 88.1824, WissR 1989, 83 (84); OVG Münster, Urteil vom 14.10.1988 – 15 A 188/86, NWVBl. 1989, 91 (91); OVG Münster, Urteil vom 26.04.1990 – 15 A 864/88, DÖV 1990, 979 (979 f.); Kottenberg/Rehn, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen § 36 Ziff. V S. 340; vgl. im Übrigen Knoke, AöR, 388 (398 ff.), der das Hausrecht als Teil einer umfassenden betrieblichen Ordnungsgewalt versteht. 739  So im damaligen Fall auch das OVG Münster, Urteil vom 26.04.1990 – 15 A 864/88, DÖV 1990, 979 (980). 740  VGH Mannheim, Urteil vom 30.06.1982 – 5 S 314/81, VBlBW 1983, 106 (107); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 306 Rn. 466; Wellmann, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 51 Ziff. IV S. 7.

274

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

tungsgebäude zugewiesenen Funktionen sicherzustellen. Die Kompetenz dient der Wahrung der Funktionsfähigkeit der Kommunalverwaltung. Die kommunale Volksvertretung ist ein Teil dieser Verwaltungseinheit. Damit ist grundsätzlich auch ihre Funktionsfähigkeit von der Ordnungsbefugnis umfasst. Die Funktionsfähigkeit setzt Sicherheit voraus. Die Ordnungsbefugnis gestattet also grundsätzlich alle Anordnungen zur Wahrung der Sicherheit innerhalb des Verwaltungsgebäudes und insbesondere während der Sitzungen. Im Ermessen des Verwaltungsleiters steht daher auch die Anordnung von Einlasskontrollen inklusive Ausweiskontrolle und Leibesvisite. Das Ermessen ist ermessensfehlerfrei auszuüben. Das beinhaltet unter anderem, dass die Grenzen des Ermessens nicht überschritten werden dürfen. Dies wäre jedenfalls unstrittig dann der Fall, wenn Maßnahmen ungerechtfertigt das Grundgesetz verletzen würden. Dem Vorsitzenden der kommunalen Volksvertretung steht eine entsprechende Kompetenz nicht zu. In der Regel spielt diese personelle Differenzierung keine Rolle, denn in den meisten Bundesländern obliegt die Verwaltungsleitung einer Kommune und der Vorsitz der kommunalen Vertretungskörperschaft in Personalunion dem Bürgermeister741. Es gibt aber auch Ausnahmen: Die Sitzungsleitung erfolgt in Kommnen der Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen und Bremerhaven, Hamburg und Hessen durch einen von der kommunalen Volksvertretung aus ihrer Mitte gewählten Vorsitzenden; gleiches gilt außerdem für hauptamtlich verwaltete Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und SchleswigHolstein742. Auf das Ordnungs- und Hausrecht des Vorsitzenden743 können Einlasskontrollen aus den folgenden Gründen nicht gestützt werden. 741  § 42 Abs. 1 GemO BW; Art. 33 Abs. 2 GO BY; § 28 Abs. 3 KV M-V, in ehrenamtlich verwalteten Gemeinden; § 51 Abs. 1 GO NRW; § 36 Abs. 1 S. 1 GemO RP; § 42 Abs. 1 S. 1 KSVG SL; § 38 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; §§ 41 S. 1, 23 Abs. 1 S. 2 ThürKO. Zusammengefasst auch bei Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 232 Rn. 345. 742  Art. 41 Abs. 4 S. 1 BLNVerf; § 33 Abs. 1 BbgKVerf; Art. 92 Abs. 1, Art. 148 Abs. 1 S. 2 LVerf HB; § 31 S. 1 VerfBrhv, § 8 S. 3 GOStVV Brhv; § 27 Abs. 1 S. 1 GOBschHmb; § 57 Abs. 1 S. 1 HGO; § 28 Abs. 2 KV M-V; § 63 Abs. 1 NKomVG, § 36 Abs. 2 S. 1 KVG LSA; § 33 Abs. 1 S 1 GO SH. 743  Art. 53 GO BY; Art. 41 Abs. 4, Art. 41 Abs. 2 BLNVerf; § 37 Abs. 1 BbgKVerf; Art. 91 Abs. 2 S. 1, Art. 148 Abs. 1 S. 2 LVerf HB; § 31 VerfBrhv i. V. m. § 49 GOStVV Brhv; Art. 18 Abs. 2 HmbVerf; § 58 Abs. 4 HGO; § 29 Abs. 1 S. 5 KV M-V; § 63 Abs. 1 NKomVG; § 51 Abs. 1 GO  NRW; § 36 Abs. 2 GemO  RP; § 43 Abs. 1 KSVG SL; § 38 Abs. 1 S. 2 SächsGemO; § 57 Abs. 1 S. 2 KVG LSA; § 37 S. 2 GO SH; §§ 41 S. 1, 23 Abs. 1 S. 2 ThürKO.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit275

Unter dem Ordnungsrecht (auch „innere Ordnungsgewalt“744 genannt) sind alle Maßnahmen zu verstehen, die der Einhaltung der Verfahrensregeln dienen745. Zu denken ist dabei nicht nur an die Vorgaben der Gemeindeordnungen, sondern auch der kommunalen Satzungen, der Geschäftsordnung der kommunalen Volksvertretung, aber auch an das Rücksichtnahmegebot746. Einlasskontrollen betreffen gegebenenfalls nicht (nur) Mandatsträger, sondern (zumindest auch) Externe747. Vom Ordnungsrecht zu unterscheiden ist das Hausrecht. Es besagt, dass dem Vorsitzenden während748 der Sitzung im Sitzungssaal gegenüber allen dort anwesenden Personen das Hausrecht obliegt749. Das Hausrecht wird insoweit „als Sonderrecht öffentlich-rechtlicher Natur“ und als „ein Spezialfall des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Hausrechts“ angesehen750. Die Befugnisse des Vorsitzenden schließen alle Anordnungen ein, die geeignet und notwendig sind, einen geordneten Sitzungsablauf zu gewährleisten. Im Unterschied zum Ordnungsrecht richten sich die Maßnahmen jedoch gegen Externe, d. h. Zuschauer und ausgeschlossene Ratsmitglieder751. Diese Maßnahmen reichen von dem Unterbinden von Beifall und Zwischenrufen bis zum Ausschluss von einzelnen oder allen Zuschauern durch Räumung des 744  OVG Münster, Urteil vom 26.04.1990 – 15 A 864/88, DÖV 1990, 979 (980); Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 167. 745  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 312 Rn. 476. 746  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 167. 747  Gegenüber den Mitglieder der kommunalen Volksvertretung stellen Einlasskontrollen keinen Eingriff in die Sitzungsöffentlichkeit dar, denn diese wohnen der Sitzung nicht auf Grund des öffentlichen Charakters der Sitzung bei, sondern kraft des ihnen erteilten Mandats. Einlasskontrollen gegenüber Mandatsträgern müssen folglich mit der freien Mandatsausübung vereinbar sein. Ob oder unter welchen Umständen dies der Fall ist, bleibt einer gesonderten Untersuchung vorbehalten. 748  § 36 Abs. 1 S. 2 GemO  BW; Art. 53 GO BY; Art. 41 Abs. 4 BLNVerf; § 37 Abs. 1 BbgKVerf; Art. 91 Abs. 2 S. 1, Art. 148 Abs. 1 S. 2 LVerf HB; § 31 VerfBrhv i. V. m. § 49 GOStVV Brhv; Art. 18 Abs. 2 HmbVerf; § 58 Abs. 4 HGO; § 29 Abs. 1 S. 5 KV M-V; § 63 Abs. 1 NKomVG; § 51 Abs. 1 GO NRW; § 36 Abs. 2 GemO RP; § 43 Abs. 1 KSVG SL; § 38 Abs. 1 S. 2 SächsGemO; § 57 Abs. 1 S. 2 KVG LSA; § 37 S. 2 GO SH; § 41 S. 1, 23 Abs. 1 S. 2 ThürKO; siehe zum Ordnungsrecht des Bürgermeisters Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 312 Rn. 476; Specht, VR 1990, 312 (313). 749  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 169; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 312 Rn. 476; Wellmann, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 51 IV., S. 7; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 63 Ziff. 2 S. 180. 750  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 312 Rn. 476. 751  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 167.

276

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Sitzungssaals752. Widerstand gegen die Entscheidungen des Vorsitzenden kann strafrechtlich als Hausfriedensbruch geahndet werden, § 123 StGB753. Da die Entscheidung, Einlasskontrollen durchzuführen, in der Regel nicht erst während der Sitzungszeit getroffen wird, kommt auch das Hausrecht des Vorsitzenden grundsätzlich nicht als Rechtsgrundlage in Betracht. (3) Verfassungsrechtliche Abwägung Aus der Gleichrangigkeit der betroffenen Verfassungsgüter (Geltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips ./. Funktionsfähigkeit der kom­ munalen Volksvertretung754) folgt, dass nur unwesentliche Eingriffe auf der einen Seite zur Wahrung der anderen Seite verfassungskonform sind. Er­ forderlich ist folglich, dass die Einlasskontrollen einen verhältnismäßigen Eingriff in das Öffentlichkeitsgebot darstellen. Die Kontrollen müssen also geeignet, erforderlich und angemessen sein. Geeignet ist jede Maßnahme, die dazu beiträgt das gesetzte Ziel zu erreichen. Ausweiskontrollen, das Dokumentieren der Personalien von Besuchern, sowie Leibesvisitationen bieten die Möglichkeit, verdächtige Personen am Zutritt zu hindern, das Publikum zu disziplinieren und das Beibringen von Waffen oder gefährlichen Gegenständen zu unterbinden. Jede dieser Maßnahmen trägt zur Sicherheit und damit auch zur Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretung bei. Die Kontrollen sind daher geeignet. Erforderlich sind Maßnahmen dann, wenn zur Zielerreichung keine gleich geeigneten milderen Mittel zur Verfügung stehen. Im Fall einer Gefahr durch eine bekannte Person könnte statt einer Kontrolle aller Besucher der Ausschluss dieser einen Person ein milderes Mittel darstellen. Denkbar ist dies durch eine Beobachtung der Eingangstüren. Abhängig vom Zuschauerandrang ist jedoch nicht auszuschließen, dass gesuchte Personen übersehen werden. Eine reine Beobachtung der Eingangstüren stößt auch dann an ihre Grenzen, wenn von mehreren Personen eine Gefahr ausgeht oder diese durch Perücken, Kopfbedeckungen oder Schminke nicht auf Anhieb erkennbar sind. Das Auffinden eines einzelnen bekannten, potenziellen Störers oder einer bekannten Gruppe von „gefährlichen“ Personen kann ohne eine generelle Ausweiskontrolle folglich nicht sichergestellt werden. Auch in dem Fall, dass potenzielle Störer schon im Vorfeld namentlich bekannt sind, 752  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S.  314 Rn. 479; Wellmann, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 51 IV., S. 7; VerfGH BW, Beschluss vom 25.06.1969 – I 459/69, ESVGH 19, 209 (211). 753  Wellmann, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 51 IV., S. 7. 754  S. Kapitel (1) Schutzgut der Einlasskontrollen, S. 272.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit277

existiert kein milderes, gleich geeignetes Mittel als eine generelle Eingangskontrolle. Zuletzt muss eine Einlasskontrolle auch angemessen sein. Unangemessen sind Maßnahmen dann, wenn sie gänzlich außer Verhältnis stehen. Dies ist bei der Durchführung von Einlasskontrollen dann denkbar, wenn diese über Gebühr lange Zeit in Anspruch nehmen, schikanös sind755 oder nach bestimmten persönlichen Merkmalen durchgeführt werden756, das heißt diskriminierend sind. Eine Auswahl der zu kontrollierenden Personen nach den in Art. 3 Abs. 3 GG aufgezählten Kriterien kann mit der Wahrung der Funk­ tionsfähigkeit oder der Sicherheit der kommunalen Volksvertretung folglich nicht begründet werden. Gegebenenfalls würden die Kontrollen nicht nur einen Eingriff in das Öffentlichkeitsgebot darstellen, sondern auch den Gleichheitsgrundsatz verletzten. (4) Ergebnis Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass Einlasskontrollen grundsätzlich keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Zugangs darstellen757. Dies gilt insbesondere, wenn im Vorfeld potenzielle Störungen bekannt sind und diese durch die Kontrollen unterbunden werden können758. In Folge dessen ist auch eine Zurückweisung von Personen, die sich nicht ausweisen können, zur Wahrung der Sicherheit des Gebäudes mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz vereinbar, da die Beeinträchtigung, einen Ausweis mit sich zu führen, zumutbar ist759. Einlasskontrollen sind daher mit dem Gebot der kommunalen Sitzungs­ öffentlichkeit vereinbar. Etwas anderes kann nur dann angenommen werden, wenn die Kontrollen mit dem Ziel, die Öffentlichkeit von einer Sitzungsteilnahme abzuhalten, angeordnet werden760.

755  OVG Berlin, Beschluss vom 26.03.2010 – OVG 3 N 33/10, OVGE BE 31, 20 (22) m. w. N. 756  BGH, Urteil vom 06.10.1976 – 3 StR 291/76, BGHSt 27, 13 (14 f.). 757  OVG Berlin, Beschluss vom 26.03.2010 – OVG 3 N 33/10, OVGE BE 31, 20 (22); Gramlich, DÖV 1982, 139 (147); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 19; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 4. 758  BGH, Urteil vom 06.10.1979 – 3 StR 291/76, JurionRS 1976, Ref.-Nr. 12216, Leitsatz 1 Rn. 5  ff.; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 306 Rn. 466; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Ziff. 2.3; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 759  So zu Einlasskontrollen bei Gerichtsgebäuden, BGH, Urteil vom 06.10.1976 – 3 StR 291/76, BGHSt 27, 13 (16) m. w. N. 760  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2.

278

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Dementsprechend ist bei einer Gefahrenlage auch das Geschlossenhalten der Eingangstür, wenn Zuschauern während der gesamten Sitzung nach Betätigung einer Klingel Einlass gewährt wird, mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz vereinbar761. b) Quantitative Beschränkungen Erscheinen zu einer Sitzung mehr Zuschauer, als der Sitzungsraum fasst, stellt sich die Frage, ob unter diesen Umständen Zuschauer ausgeschlossen werden dürfen und welche Kriterien dafür ggf. anzuwenden sind. aa) Grenze der örtlichen Kapazitäten Eine Pflicht zur (spontanen) Ausdehnung der bestehenden Kapazitäten kann aus dem Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit nicht gefolgert werden. Einlass ist nur im Rahmen der örtlichen Kapazitäten zu gewähren762. Die räumlichen Gegebenheiten bilden folglich eine Grenze des Öffentlichkeitsgrundsatzes763. Ist die kurzfristige Verlegung in einen größeren Sitzungsraum möglich, ist diese Option einer Beschränkung der Teilnehmerzahl vorzuziehen.764 Anders als auf Landes- und Bundesebene ist es in den Kommunen überdies (noch) nicht generell üblich, die Sitzungen der Volksvertreter im Internet zu übertragen. Der Ausschluss von der Sitzung aus Platzgründen bedeutet für die Betroffenen folglich, dass sie der Sitzung in keiner Weise beiwohnen können. Eine Unterbringung von Zuschauern in einem anderen, angrenzenden Raum mit einer Live-Übertragung der Sitzung mildert die Konsequenzen eines solchen Ausschlusses zwar ab, ist jedoch nicht geeignet, eine unmittelbare Sitzungsteilnahme zu ersetzen, denn durch Kameraführung und gewählte Perspektive, findet eine Selektion der Wahrnehmung statt. Weil der Zuschauer nicht mehr selber entscheiden kann, was er sieht, genügt dies den Anforde761  So zur Gerichtsöffentlichkeit, BVerwG, Beschluss vom 23.11.1989 – 6 C 29/88, NJW 1990, 1249 (1249). 762  Schliesky, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 42 Rn. 28; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 17; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1 S. 170; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 26; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105. 763  Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 1. 764  Vgl. auch zu den damit verbundenen Bedingungen die Ausführungen im Kapitel Bindungswirkung der Bekanntmachung, S. 176.



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit279

rungen an eine unmittelbare Öffentlichkeit im Sinne der Sitzungsöffentlichkeit nicht. bb) Rechtfertigungsmöglichkeit einer Zugangsregelung Kann der Sitzungsraum nicht alle zur Teilnahme erschienenen Zuhörer aufnehmen, ist dieser „unangemessen“765. Zur Durchführung der Sitzung ist dann eine ordnungsrechtliche Zugangsregelung wegen (drohender) Überfüllung notwendig. Wie jede Zutrittsbeschränkung stellt der Ausschluss von Zuschauern von der Sitzung auf Grund von Platzmangel einen Eingriff in das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip dar. Es wird vertreten, dass eine solche Zugangsregelung immer eine ungerechtfertigte Verletzung des Öffentlichkeitsgebots darstellt, da auf ein (über-) großes Interesse durch die Organisation eines anderen Sitzungsraums im Vorfeld hätte reagiert werden müssen766. Dem kann nicht gefolgt werden, denn das Interesse an einer Sitzung kann auch bei größtmöglicher Sorgfalt nicht immer zutreffend vorhergesagt werden. Aus der Sitzungsöffentlichkeit folgt nicht die Obliegenheit der Verwaltung, allen interessierten Zuschauern Zugang zu gewähren. Das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit verlangt hinsichtlich der Raumwahl „nur“, dass ein Raum dem typischen oder – sofern konkretere Erkenntnisse vorliegen – dem erwarteten Interesse entspricht767. Wird diesen Anforderungen durch eine ermessensfehlerfreie Auswahl des Sitzungsraums Rechnung getragen, kann dies keine ungerechtfertigte Verletzung des Öffentlichkeitsgebots mit all den daran anknüpfenden Rechtsfolgen768 darstellen. Das Zugangsrecht der Öffentlichkeit wird mithin durch eine ermessensfehlerfreie Auswahl des Sitzungsraums und die örtlichen Kapazitäten begrenzt769. Ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ist in einer Zugangsregelung folglich nur dann zu erkennen, wenn der Andrang zu erwarten war und ein größerer, zur Verfügung stehender Sitzungsraum nicht gewählt wurde. Gleiches gilt, wenn ein passender Sitzungsraum hätte verfügbar gemacht werden können. 765  BayObLG, Beschluss vom 30.11.1981 – 1 Ob OWi 331/81, BayObLGSt 1981, 186 (186); VGH Mannheim, Urteil vom 30.06.1982 – 5 S 314/81, VBlBW 1983, 106 (107); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 13. 766  Gramlich, DÖV 1982, 139 (148) m. w. N. 767  Siehe Kapitel bb) Angemessener Sitzungsraum, S. 190 ff. 768  Mindestens Rechtswidrigkeit der gefassten Beschlüsse; siehe dazu ausführlich im Kapitel F.  Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit, ab S. 427 ff. 769  Siehe Kapitel aa) Grenze der örtlichen Kapazitäten, S. 278 f.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

cc) Rechtfertigungsgründe für Zugangsregelungen Steigt die Zahl der Zuschauer unerwartet an oder können alle Interessierten auch bei vorausschauender Wahl des größten möglichen Sitzungsraums nicht untergebracht werden, muss eine quantitative Beschränkung der Teilnehmer mittels einer ordnungsrechtlichen Zugangsregelung erfolgen. Eine Zugangsregelung kann im Wege der praktischen Konkordanz gerechtfertigt werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein gleich- oder höherrangiges Gut mit Verfassungsrang den Eingriff erfordert. Gegebenenfalls handelt es sich um eine zulässige Beschränkung aus Ordnungsgründen770. Die Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretung ist ein Gut mit Verfassungsrang. Kommunen werden durch die institutionelle Garantie des Art. 28 GG in ihrem Bestand und auch ihrer Funktionsfähigkeit vom Grundgesetz abgesichert771. Als zentrales Organ der Gemeindeverwaltung wird die kommunale Volksvertretung ausdrücklich durch Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG auf Verfassungsrang gehoben. Die Überfüllung eines Sitzungsraums ist geeignet die Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretung zu gefährden772. Abgesehen von einer Möglicherweise entstehenden allgemeinen Unruhe muss auch aus Sicherheitsgründen darauf geachtet werden, dass sich nicht zu viele Menschen in dem Sitzungsraum befinden. Eine Panik würde jedweden geordneten Sitzungsablauf unterbinden. Überdies obliegt es dem Verwaltungsleiter bzw. Vorsitzenden im Rahmen seiner Ordnungsgewalt nicht nur die Durchführbarkeit der Sitzung, sondern auch die Sicherheit, der an der Sitzung beteiligten Personen, zu gewährleisten773. Bloße Unannehmlichkeiten stellen keine Eingriffsgrundlage dar774. Die Sicherheit der Beteiligten und ihre gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete körperliche Unversehrtheit kommen für eine Rechtfertigung des Eingriffs in das Öffentlichkeitsprinzip jedoch in Betracht. Der Ausschluss von Zuschauern ist geeignet, eine Funktionsbeeinträchtigung der kommunalen Volksvertretung zu unterbinden sowie zur Sicherheit der Teilnehmer beizutragen. Erscheinen unerwartet viele Besucher oder kann die Nachfrage auch nicht durch die Wahl eines anderen Sitzungsraums bedient werden, ist eine Zuin: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 S. 3. dazu auch Kapitel I. Rechtsgrundlagen, S. 140 ff. 772  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 3. 773  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 8. 774  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 8. 770  Schuster/Diehl/Steenbock, 771  Siehe



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit281

gangsregelung folglich nicht nur gerechtfertigt, sondern, um die Funktions­ fähigkeit der kommunalen Volksvertretung und die Sicherheit aller Anwesenden zu gewährleisten, sogar geboten. Der Ausschluss der Öffentlichkeit überdeckt sich insoweit mit der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden775. Ein quantitativer Ausschluss von Zuschauern stellt dann einen gerecht­ fertigten Eingriff in das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit dar, wenn der Zuschauerandrang unvorhersehbar war oder auch im größten in Frage kommenden Sitzungsraum nicht bewältigt werden konnte. In allen anderen Fällen stellt bereits die Wahl eines unangemessenen Sitzungsraums eine Verletzung des Öffentlichkeitsgebots dar. dd) Zulässige Zugangsregelungen (1) Grundsatz der Gleichbehandlung und der Willkürfreiheit Der Ausschluss muss unter dem Vorbehalt der sachlichen Gebotenheit und des Willkürverbots erfolgen776. Die Sperrung des Sitzungsraums für weitere Zuschauer ist vor diesem Hintergrund rechtlich nicht zu beanstanden777. Eine vollständige Sperrung des Sitzungsraums, die alle Zuschauer ausschließt, ist zur Vermeidung von Überfüllung verfassungsrechtlich unzulässig778. Zulässig ist die Vergabe kostenloser Platzkarten779. Aus dem Gleichbehandlungsgebot folgt, dass dabei für alle Zuschauer der gleiche Maßstab angelegt werden muss780, mithin einheitliche Kriterien781 eingehalten werDÖV 1982, 139 (141). in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2.2.2

775  Gramlich, 776  Höhlein,

S. 3.

777  VGH Mannheim, Urteil vom 30.06.1982 – 5 S 314/81, VBlBW 1983, 106 (107); Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 17; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2.2.2 S. 3. 778  Gramlich, DÖV 1982, 139 (147 f.) m. w. N. 779  BayObLG, Beschluss vom 30.11.1981 – 1 Ob OWi 331/81, BayObLGSt 1981, 186 (186 f.); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 17; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1 S. 170; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 21; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284; Gramlich, DÖV 1982, 139 (141 f., 147); Schmid, Der Gemeinderat S. 61; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 2; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 S. 3; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 183; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 8. 780  Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 1. 781  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.2.

282

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

den782. Denkbar ist eine Verteilung durch Lose oder nach dem Zeitpunkt des Eintreffens783. Anders als eine qualitative Beschränkung des Publikums784 steht ein solches (Zufalls-)Verfahren im Einklang mit dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, weil es ohne Ansehen der Person jedem Interessenten die gleiche Chance auf eine Teilnahme einräumt785. Auf datenschutzrechtliche Bedenken stößt eine Ausgabe von Eintrittskarten nach namentlicher Registrierung786. Unzulässig ist jede Zugangsregelung, die zum Fernhalten missliebiger Zuhörer oder Besuchergruppen missbraucht werden kann787, d. h. eine qualitative Auswahl der Zuhörer bedeutet. So ist beispielsweise eine Regelung nach „paritätischem Stärkenverhältnis der Fraktionen“ ebenso unzulässig788 wie eine Selektion nach dem Wohnort oder dem Alter. (2) Bevorzugung ortsansässiger Zuschauer In dem Fall, dass die örtlichen Kapazitäten nicht alle Zuschauer aufnehmen können, wird es auch für zulässig erachtet, vorrangig Einwohnern der Kommune Zutritt zu gewähren789. Dagegen wird eingewendet, dass es sich bei diesem Kriterium um ein persönliches Merkmal handelt, mithin statt einer quantitativen auch eine (grundsätzlich unzulässige) qualitative Beschränkung der Teilnehmer vorgenommen wird790. Gegen eine Rechtfertigung der qualitativen Beschränkung in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 17. Beschluss vom 30.11.1981 – 1 Ob OWi 331/81, BayObLGSt 1981, 186 (187); n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 1 S. 145. 784  Siehe Kapitel a) Qualitative Beschränkungen, S. 268 ff. 785  Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 21. 786  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 4 f. 787  OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (9); Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 21. 788  A. A. Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 8; siehe zur Frage qualitativer Beschränkungen ausführlich im Kapitel a)  Qualitative Beschränkungen, S. 268 ff. 789  Engeli/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland S. 703, 714 f.; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 8; Schmid, Der Gemeinderat, S. 60 f.; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 S. 3; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 3. 790  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 19a; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284; Gramlich, DÖV 1982, 139 (140, 147); Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 S. 313. 782  Blum,

783  BayObLG,



III. Inhalt der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit283

durch die Zulassung nur ortsansässiger Zuschauer kann überdies angeführt werden, dass das Kriterium der Ortsansässigkeit nicht immer geeignet ist, eine (drohende) Überfüllung des Sitzungsraums zu verhindern. Jedenfalls dann, wenn neben ortsfremden für sich genommen mehr ortsansässige Zuschauer teilnehmen möchten, als Zuschauerplätze zur Verfügung stehen, müsste zusätzlich eine quantitative Auswahl nach einem weiteren Kriterium durchgeführt werden. Um die Diskriminierung der Ortsfremden zu vermeiden, kann gegebenenfalls direkt auf das weitere Merkmal abgestellt werden. Es ist aber zu beachten, dass kommunale Volksvertretungen nur die Bürger ihrer Kommune vertreten. Daher erfüllt grundsätzlich nur die Anwesenheit der gemeindeangehörigen Zuschauern die Kontrollfunktion, auf Grund derer das Demokratieprinzip Öffentlichkeit für Sitzungen gewählter Volksvertretungen gebietet. Das „Orts-Volk“ ist folglich gegenüber dem „außerörtlichen Volk“ bevorrechtigt, sich selber ein Bild von der Arbeit der kommunalen Volksvertretung zu machen, weil diese nur von dem Orts-Volk gewählt wird, mithin auch nur das Orts-Volk repräsentiert. Das Zutrittsverbot ortsfremder Zuschauer aus Platzgründen kann aus verfassungsrechtlicher Sicht sogar mit der Funktion der Öffentlichkeit gerechtfertigt werden. Gerade damit die Öffentlichkeit, die die gemeindlichen Volksvertreter in Wahlen und Abstimmungen zur Verantwortung ziehen kann, auch an der Sitzung teilnehmen kann, müssen diejenigen, die lediglich aus Informationsgründen der Sitzung beiwohnen möchten, außen vor bleiben. Andernfalls besteht die Gefahr, dass keine betroffenen Gemeindebürger anwesend sind und damit eine Kontrolle der Gewählten durch die Wähler entfällt791. Der Wohnort stellt folglich eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Zuschauern im Sinne von Art. 3 GG dar. Da es die demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle durch die Wahlberechtigten einer Kommune sicherstellt, verstößt das Kriterium auch nicht gegen das Willkürverbot. (3) Präferierung von Medienvertretern Hinsichtlich der Teilnahmemöglichkeit von Pressevertretern ist ihre grundrechtlich geschützte Rolle als Multiplikatoren zur Meinungsbildung in der Bürgerschaft zu berücksichtigen. Aus dieser folgt, dass Pressevertreter grund­ sätzlich zu öffentlichen Sitzungen zugelassen sind792. Nicht mit dem Öffentlichkeitsprinzip vereinbar wäre es auch im Fall des Platzmangels, nur Vertrein: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 8. in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 672; zur für Pressevertreter besonders relevanten Frage der Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen siehe Kapitel b)  Medienöffentlichkeit – Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen?, S. 250 ff. 791  Teschke, 792  Wagner,

284

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

tern der Medien Zutritt zu gewähren793. Gegebenenfalls kann aber eine Präferierung der Presse ausnahmsweise zulässig sein794. Dabei soll eine Differenzierung nach der Art der Berichterstattung (Zeitung, Fernsehen, Radio etc.) oder ob es sich um eine örtliche oder überört­ liche Berichterstattung handelt, nicht zulässig sein795. Dem ist, anders als bei der (zulässigen) Bevorzugung ortsansässiger Bürger, zuzustimmen, denn während Zuschauer von außerhalb kein Wahlrecht für die kommunale Volksvertretung haben, haben außerörtliche Medien durchaus genauso eine Informations- und Multiplikatorenfunktion wie die örtlichen Medienvertreter. Kommunalpolitische Nachrichten sind zwar vorwiegend in den örtlichen Medien zu finden, wenn und soweit überörtliche Medien berichten, kann dies durch die wahlberechtigte „Orts-Bürgerschaft“ einer Kommune jedoch genauso wahrgenommen werden, wie die üblichen Berichte in der lokalen Berichterstattung. Überörtliche Berichterstattung birgt überdies die Chance, dass auch diejenigen, die lokale Berichte sonst nicht verfolgen, über kommunale Vorhaben informiert werden.

IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Grundsätzlich sind alle Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen öffentlich796. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit gilt für alle vereinbarten, d. h. ordnungsgemäß einberufenen Zusammenkünfte der kommunalen Volksvertretungen797. In Betracht kommt daneben, dass auch Ausschüsse, interne Treffen oder Aufsichtsräte mit kommunalen Beteiligungen öffentlich zu tagen haben.

793  Siehe zur ausführlichen Begründung Kapitel b) Kein Ersatz durch Erklärungsoder reine Berichterstatteröffentlichkeit, S. 245 ff. 794  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 26; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 2; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 8; vgl. zur Bedeutung der Medien Sondervotum des Richters Kühling, der Richterin Hohmann-Dennhardt und des Richters Hoffmann-Riem zum Urteil des ersten Senats des BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (72 ff.). 795  Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 22; a. A. Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 26. 796  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 1. 797  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 2.



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 285

1. Ausschussöffentlichkeit Grundsätzlich gilt das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit auch für die Ausschüsse der kommunalen Volksvertretungen798. a) Ausgestaltung in den Bundesländern In Niedersachsen wird die Ausschussöffentlichkeit nicht ausdrücklich angeordnet. Die Entscheidung über die Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen bleibt einer Geschäftsordnungsregelung vorbehalten, § 72 Abs. 1 NKomVG799. In den übrigen Bundesländern sind zwei Ausprägungen der Ausschuss­ öffentlichkeit feststellbar. In Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein werden die Ausschüsse vollständig dem Gebot der Sitzungsöffentlichkeit der kommunalen Volksvertretung unterstellt800. In Nordrhein-Westfalen wird dieser Grundsatz dadurch abgeschwächt, dass eine Bekanntmachung der Ausschusssitzungen nicht notwendig sein soll, § 58 Abs. 2 S. 5 GO NRW. In Schleswig-Holstein wird die 798  Dies ist anders als bei den Ausschüssen des Bundestags, siehe dazu zum Beispiel Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 328 ff., der zwischen der Sitzungsöffentlichkeit des Bundestags und einer (nicht normierten) „Ausschussöffentlichkeit“ unterscheidet, wobei letztere sich auf die Erklärungsöffentlichkeit beschränken soll, denn Art. 42 Abs. 1 GG bezieht sich nur auf das Bundestagsplenum (S. 330); oder Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 106 m. w. N.; zur früher abweichenden Rechtslage in NRW vgl. OVG Münster vom 22.04.1959 – III A 139/59, DÖV 1959, 833 (833); mit Kritik an der Nichtöffentlichkeit der Ausschüsse des Bundestags, Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn.  41 f. 799  „Die Geschäftsordnung bestimmt, ob Sitzungen der Ausschüsse öffentlich oder nicht öffentlich sind; sind sie öffentlich, so gelten die §§ 62 und 64 entsprechend.“ 800  § 52 Abs. 3 S. 3 BbgKV „Die Sitzungen der Ausschüsse sind öffentlich.“ – dementsprechend mit Hinweis darauf, dass es dem Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgebot widerspreche, wenn in nicht öffentlichen Sitzungen der anschließenden öffentlichen Sitzung vorweg genommen wird, Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 28; § 62 Abs. 5 i. V. m. § 52 Abs. 1 S. 1 HGO – in der Literatur wird darauf hingewiesen, dass nicht öffentliche (Ausschuss-)Sitzungen nur in den gesetzlich normierten Fällen zulässig sind, Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Ziff. 2.1 S. 314; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 1; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 21; § 58 Abs. 2 S. 1 GO NRW: Auf die Ausschüsse finden die für den Rat geltenden Verfahrensvorschriften entsprechend Anwendung, wobei eine Bekanntmachung von Ort, Zeit und Tagesordnung der Sitzung verzichtbar ist, § 58 Abs. 2 S. 5 GO NRW: Die Sitzungen der Ausschüsse sind öffentlich; § 46 Abs. 8 S. 1, 2 GO SH: Vorbehaltlich eines anderen Beschlusses der Gemeindevertretung tagen die Ausschüsse öffentlich, wenn keine Gründe zum Ausschluss der Öffentlichkeit vorliegen.

286

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Ausschussöffentlichkeit unter den Vorbehalt einer anderweitigen Entscheidung der Gemeindevertretung gestellt, § 46 Abs. 8 S. 1, 2 GO SH. In Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland, Sachsen und Thüringen wird danach differenziert, ob die Ausschüsse die Kompetenz haben, an Stelle der kommunalen Volksvertretung zu beschließen oder lediglich vorberatend tätig sind. In diesen Fällen werden die nur vorberatenden Ausschusssitzungen vom Gebot der Sitzungsöffentlichkeit ausgenommen801. b) Rechtliche Würdigung Aus diesem Befund stellt sich die Frage, ob die kommunale Sitzungs­ öffentlichkeit für Ausschüssse der kommunalen Volksvertretungen generell oder zumindest für vorberatende Ausschusssitzungen abdingbar ist. Entscheidend dafür, ob die Ausschüsse dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit unterliegen, ist ihre Funktion und strukturelle Einbindung in die Arbeit der kommunalen Volksvertretungen. aa) Zulässigkeit genereller Nichtöffentlichkeit Die Ausschüsse sind keine selbstständigen Organe, sondern Teilorgane der gewählten Volksvertretung802. Ihnen obliegt in einem kleineren und besten801  § 39 Abs. 5 GemO BW verweist für beschließende Ausschüsse auf den Öffentlichkeitsgrundsatz in § 35 Abs. 1 S. 1 GemO BW, aber beratende Ausschüsse sind gem. § 41 Abs. 3 GemO BW vom Anwendungsbereich des § 35 GemO BW ausgenommen, Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 1, 12; Art. 45 Abs. 2. S. 2 i. V. m. Art. 52 GO BY, zur Rechtslage vor Inkrafttreten dieser Norm, siehe Glaser/ Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Ziff. 2 S. 3; MV: Von dem Verweis von § 36 Abs. 7 S. 1 KV M-V wird das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit in § 29 Abs. 5 KV M-V ausdrücklich ausgenommen; SL: beratende Ausschüsse „sind nicht öffentlich“, Sitzungen über zur Beschlussfassung übertragende Angelegenheiten sind öffentlich, § 48 Abs. 5 S. 2 KSVG SL; SN: Sitzungen der beratenden Ausschlüsse sind nicht öffentlich, § 43 Abs. 2 SächsGemO, die Sitzungen der beschließenden Ausschüsse sind öffentlich, sofern sie nicht nur der Vorberatung dienen, § 41 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 37 Abs. 1 S. 1 und § 41 Abs. 4 S. 2 SächsGemO; TH: Die Sitzungen vorberatender Ausschüsse sind nicht öffentlich, im Übrigen findet das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit des Gemeinderats Anwendung, § 43 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO; in RP galt in § 46 Abs. 4 GemO RP eine ähnliche Regelung, wonach Ausschüsse, die nur der Vorbereitung von Beschlüssen des Gemeinderats dienten, d. h. nicht abschließend entschieden, „in der Regel nicht öffentlich“ waren, vgl. Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 1 S. 2, der insoweit von einem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit kommunaler Ausschüsse ausging.



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 287

falls fachkundigeren Kreis die Vorbereitung oder Beschlussfassung spezieller Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich der kommunalen Volksvertretung fallen. Die Ausschüsse besitzen mithin selbst dann, wenn sie zur Beschlussfassung berufen sind, keine eigene, sondern nur eine von der kommunalen Volksvertretung abgeleitete Kompetenz. Die generelle Nichtöffentlichkeit von Ausschusssitzungen der kommunalen Volksvertretung würde damit automatisch die partielle Nichtöffentlichkeit der Angelegenheiten, über die die kommunale Volksvertretung an sich öffentlich zu beraten und entscheiden hat, indizieren. Eine solche willkürliche Einschränkung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit durch die Übertragung einer Angelegenheit in einen kommunalen Ausschuss ist nicht mit dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit vereinbar. Die generelle Nichtöffentlichkeit kommunaler Ausschüsse, gleich ob diese durch den Landesgesetzgeber oder mittels einer örtlichen Geschäftsordnungsregelung angeordnet wird, ist daher unzulässig. Da die Bekanntmachung von Ort, Zeit und Tagesordnung einer Sitzung ein funktionsnotwendiger Bestandteil der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit ist, ist der Verzicht auf die Bekanntmachungspflicht für die Sitzungen kommunaler Ausschüsse in Nordrhein-Westfalen gem. § 58 Abs. 2 S. 5 GO NRW kritisch zu sehen, auf Grund der Hinweispflicht des Bürgermeisters wohl aber noch vertretbar. Die Niedersächsische Regelung, nach der die Geschäftsordnung über die Ausschussöffentlichkeit bestimmt, § 72 Abs. 1 NKomVG, ist unter Berücksichtigung des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit so zu interpretieren, dass in einer etwaigen Geschäftsordnungsregelung nicht frei über die Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit der Ausschusssitzungen entschieden werden kann. Die Bestimmung der Nichtöffentlichkeit hat vielmehr im Rahmen der zur Einschränkung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit anerkannten Rechtfertigungsgründe zu erfolgen. In der Geschäftsordnung können folglich insbesondere Ausnahmetatbestände und das Verfahren zum Ausschluss der Öffentlichkeit in den Ausschüssen normiert werden. Ähnliches gilt für den Entscheidungsvorbehalt der schleswig-holsteinischen Gemeindevertretung nach § 46 Abs. 8 S. 1, 2 GO SH. Auch diese kann die Nichtöffentlichkeit von Ausschusssitzungen nur im Rahmen der Rechtfertigungsgründe für eine Einschränkung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit beschließen.

802  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 4.3.

288

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

bb) Zulässigkeit nicht öffentlicher Vorberatungen Offen ist damit noch die Frage, ob die Öffentlichkeit zumindest von nur vorberatenden Ausschusssitzungen ausgeschlossen werden kann. Aus dem vorstehend erläuterten Verhältnis zwischen der kommunalen Volksvertretung und ihren Ausschüssen ergibt sich, dass die Beratungen in den Ausschüssen immer zugleich (Teil-)Beratungen der kommunalen Volksvertretung darstellen. Dies gilt umso mehr, als der Sinn einer Vorberatung in einem Ausschuss gerade darin besteht, dass sich die kommunale Volksvertretung die dabei gefundenen Ergebnisse zu eigen machen soll. Dabei gilt es zu beachten, dass das Öffentlichkeitsgebot die Aufspaltung eines Tagesordnungspunkts in eine nicht öffentliche Beratung und eine öffentliche Beschlussfassung, wenn nicht konkrete Gründe für einen Öffentlichkeitsausschluss vorliegen, die die nicht öffentliche Beratung rechtfertigen803, verbietet. Es widerspricht dem Sinn der Sitzungsöffentlichkeit, wenn in nicht öffentlicher Sitzung – ohne dass die Voraussetzungen für einen Öffentlichkeitsausschluss vorliegen – die Sachdiskussion der anschließenden öffentlichen Sitzung vorweggenommen wird804. Beschlüsse, die „pro forma“ öffentlich gefasst werden, deren Sachdiskussion mithin nicht öffentlich vorab erfolgte, sind rechtswidrig805, denn unter diesen Umständen würde die Öffentlichkeit dazu degradiert werden dem „Durchwinken“ zuvor abgestimmter Entscheidungen beizuwohnen, ohne dass eine demokratische oder rechtsstaatliche Kontrolle erfolgen kann. Eine nicht öffentliche (Vor-)Beratung in einem Ausschuss unter Ausschluss der Öffentlichkeit und anschließender, abschließender Behandlung der Angelegenheit in der kommunalen Volksvertretung birgt die Gefahr, dass keine erneute, vertiefte oder auch nur zusammenfassende Sachdiskussion erfolgt, sondern quasi stillschweigend auf Grund der im Ausschuss geführten Debatte abgestimmt wird. Begründet wird der Öffentlichkeitsausschluss in vorberatenden Ausschüssen mit dem „Interesse an einer gut vorbereiteten und sachlich reibungslos ablaufenden Behandlung in öffentlicher Sitzung“806. Im Mittelpunkt steht damit die Handlungsfähigkeit der parlamentarischen Regierung. Nicht öffentliche Vorberatungen seien sinnvoll, weil die Mandatsträger dort auch 803  Siehe dazu im Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss unter III. Rechtfertigung, 5. Verhältnismäßigkeit, S. 345 ff. 804  VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.2000 – 14 S 237/99, NVwZ-RR 2001, 462 (463); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 28. 805  VGH Mannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (285); VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.2000 – 14 S 237/99, NVwZ-RR 2001, 462 (463); VGH Mannheim, Urteil vom 24.03.2011 – 5 S 746/10, VBlBW 2011, 393 (394). 806  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 7.



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 289

„mit Fakten, die der Öffentlichkeit aus berechtigten schützenswerten Interessen nicht bekannt werden dürfen“, versorgt werden können807. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen nicht öffentlichen Vorberatung soll sein, dass die Sachdiskussion nicht vorweg genommen werde808. Überdies würden die Mandatsträger bereits im eigenen Interesse auch in der anschließenden öffentlichen Sitzung anlässlich der Beschlussfassung eine inhaltliche Begründung liefern. Praktisch ist beim Ausschluss der Öffentlichkeit von den Vorberatungen weder sichergestellt, dass nur sachliche und keine sachfremden Erwägungen in die Beratungen mit einfließen, noch, dass in der anschließenden öffent­ lichen Sitzung nicht nur lediglich die nicht öffentlich vorberatenden Angelegenheiten ohne Aussprache durchgewunken werden. Realistisch ist dies nur, solange es keine klaren Mehrheitsverhältnisse gibt oder sich die Fraktionen einig sind. Die faktische Wirkung der Vorberatung für die spätere Entscheidung der kommunalen Volksvertretung darf nicht unterschätzt werden809. Über eine etwaige Präsentation des gefundenen Standpunkts hinaus, ist ein politischer Disput, in dem argumentativ aufeinander eingegangen und um Verständnis und Zustimmung geworben wird, nach einer nicht öffentlichen Vorberatung, in der bereits alle sachlichen Argumente ausgetauscht worden sind, nicht zu erwarten. Im Gegenteil: In der Regel wird es bei den Mandatsträgern zu größerem Unmut führen, wenn in der Sitzung der kommunalen Volksvertretung jeder seiner Argumente, die bereits in der Vorbereitung kundgetan wurden, öffentlichkeitswirksam wiederholt. Die Öffentlichkeit kann in diesen Fällen daher allenfalls das Beratungsergebnis und eine et­ waige Begründung zur Kenntnis nehmen. Die Möglichkeit zu prüfen, welche Motive bei der Entscheidungsfindung tatsächlich eine Rolle gespielt haben, wird dem Volk durch dieses Verfahren genommen. Dies stellt einen erheb­ lichen Eingriff in das demokratische und rechtsstaatliche Kontrollrecht des Volks dar810. Diese Beeinträchtigung kann auch nicht überzeugend mit dem Hinweis gerechtfertigt werden, durch die Zulässigkeit einer nicht öffentlichen Vorberatung in Ausschüssen würde die Gefahr von Absprachen im vorkonstitutioin: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 18. in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 7; Tesch­ke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 18. 809  Hirte, DÖV 1988, 108 (112  f.); Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 63. 810  So auch Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 2, der eine Verletzung des Öffentlichkeitsgebots durch nicht öffentliche Vorberatungen annimmt, wenn anschließend öffentlich ohne Darstellung der wesentlichen Beratungsinhalte und -ergebnisse entschieden wird. 807  Teschke,

808  Höhlein,

290

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

nellen Raum gemindert werden811. Zum einen sind nicht öffentliche Vorberatungen, auch wenn sie im Rahmen von Ausschusssitzungen erfolgen, der Volkskontrolle in gleicher Weise entzogen wie vorkonstitutionelle Absprachen. Zum anderen wird durch nicht öffentliche Vorberatungen in Ausschüssen nicht sichergestellt, dass vor diesen keine vorkonstitutionellen Absprachen getroffen werden. Auch der Hinweis darauf, dass die Wahrung der Verhandlungsinteressen der Gemeinde ein legitimes Argument für nicht öffentliche Vorberatungen sein können812, trägt im Ergebnis nicht. Besteht die Notwendigkeit, zur Wahrung der kommunalen Verhandlungsinteressen die Öffentlichkeit auszuschließen, ist dies im Einzelfall möglich und zulässig813. Alleine die Spekulation auf einen wirtschaftlichen Vorteil genügt den Rechtfertigungsanforderungen nicht814. Der Einwand, nicht öffentliche Vorberatungen seien notwendig, um die Mandatsträger mit vertraulich zu behandelnden Fakten zu versorgen, überzeugt daher nur soweit im konkreten Fall nicht öffentliche Informationen für die Beratung relevant sind. Dann aber kann die Öffentlichkeit auch bei Geltung des Öffentlichkeitsgebots für Ausschüsse ausgeschlossen werden. Auf die Notwendigkeit und generelle Zulässigkeit eines Öffentlichkeitsausschluss bei vorberatender Ausschusstätigkeit kann daraus mithin nicht geschlossen werden. Ein Rechtfertigungsgrund für den generellen Ausschluss der Öffentlichkeit von vorberatenden Beratungen stellt das Anliegen, die kommunale Verhandlungsposition zu sichern, folglich nicht dar. Zusammenfassend ist festzustellen, dass vorkonstitutionelle Absprachen durch nicht öffentliche Vorberatungen in Ausschüssen nicht verhindert werden können. Zugleich bergen nicht öffentliche Ausschussvorberatungen die Gefahr, dass der Öffentlichkeit die tatsächliche Sachdiskussion vorenthalten wird. Überdies ist ein notwendiger Öffentlichkeitsausschluss im Einzelfall im Rahmen der Ausschluss- und Rechtfertigungsgründe möglich. Die grundlose Aufspaltung der Behandlung einer Angelegenheit in eine nicht öffentliche Beratung und eine öffentliche Beschlussfassung ist mithin auch dann nicht mit dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit vereinbar, wenn sie durch verschiedene Gremien und unterschiedliche Sitzungstermine konstruiert wird. Grundsätzlich unterfallen folglich auch die nur vorberatenden kommunalen Ausschüsse dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Sie sind von 811  OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (175); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 7, 11. 812  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 S. 7. 813  Siehe dazu ausführlich im Kapitel D.  Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff. und E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 814  OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (179).



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 291

dessen Anwendungsbereich nicht generell ausgenommen815. Insofern dürfen auch Vorberatungen von Einzelfragen nur dann nicht öffentlich erfolgen, wenn für den Ausschluss der Öffentlichkeit ein rechtlicher Grund besteht816. Daraus ergibt sich, das die Regelungen in Baden-Württemberg, Bayern817, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen, die vorberatende Ausschusssitzungen allgemein, ohne konkreten, inhaltlichen Anlass vom Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit ausnehmen, nicht mit dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip vereinbar sind. 2. Interne Entscheidungsvorbereitung Den Sitzungen der kommunalen Volksvertretung und seiner Ausschüsse sind in der Regel verschiedenste Entscheidungsvorbereitungen vorgelagert. Zu denken ist dabei an Fraktionssitzungen, Zusammenkünfte des Verwaltungsvorstands oder auch die Einberufung der Fraktionsspitzen in einem „Ältestenrat“ oder einem „interfraktionellem Gespräch“. Da auch diese Beratungen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Debatten und Entscheidungen der kommunalen Volksvertretung stehen, könnte man zu der Annahme gelangen, auch diese Sitzungen seien vom Teilnahmerecht des Öffentlichkeitsgebots erfasst. Interne Entscheidungsvorbereitungen unterliegen jedoch nicht dem Öffentlichkeitsgebot818, denn solche Treffen stellen keine Sitzungen der kommunalen Volksvertretung dar, sondern dienen lediglich ihrer Organisation oder der Organisation von Teilen der Volksvertretung, namentlich der Selbstorganisation der Fraktionen819. Eine unzulässige Umgehung des Öffentlichkeitsgrundsatzes stellen informelle, interne Treffen zur Entscheidungsvorbereitung jedoch dann dar, wenn sie genutzt werden, um abschließend das Stimmverhalten in der kommunalen Volksvertretung festzulegen820. 815  So, mit Verweis auf die bewährte Ausschlussöffentlichkeit in Bayern und Berlin, auch für die Ausschüsse des Bundestags, Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 24. 816  A.  A. diesbezüglich VGH Mannheim, Urteil vom 24.03.2011 – 5 S 746/10, VBlBW 2011, 393 (394); Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. b) S. 673; siehe zur Zulässigkeit nicht öffentlicher Behandlungen von Einzelfragen beim Vorliegen von Rechtfertigungsgründen Kapitel a) Erforderlichkeit, S. 345 ff. 817  Dazu mit a. A. Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (40). 818  OVG Münster, Beschluss vom 20.08.1984 – 15 B 1727/84, VR 1986, 393 (393); Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 18; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. a) S. 672. 819  Entsprechend für die Öffentlichkeit des Bundestags, Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 42 Rn. 5 und Morlok, in: Dreier, GG 2015, Art. 42 Rn. 25. 820  So zur Abstimmung zwischen Fraktionen VGH Mannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (285); VGH Mannheim, Urteil vom

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

3. Öffentlichkeit kommunaler Aufsichtsräte? Nicht alle Entscheidungen, die innerhalb einer Kommune getroffen werden, obliegen unmittelbar den Gemeinderäten. Oft bedienen sich die Gemeinden für die Erfüllung ihrer Aufgaben privatrechtlicher Strukturen821. Den Gemeinden steht bei der Frage, wie sie ihre Aufgaben erfüllen, Wahlfreiheit zu822. Das heißt, sie können selber entscheiden, ob sie sich hoheit­ licher oder privatrechtlicher Strukturen bedienen823. So sind zum Beispiel im Bereich der Energieversorgung regelmäßig kommunale Eigengesellschaften oder Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung in Form von Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaften zu finden824. Gleiches ist für den Betrieb von Schwimmbädern festzustellen825. Auch die Bereitstellung von Löschwasser kann privatrechtlich organisiert werden826. Die Wahl einer privatrechtlichen Unternehmensform durch die öffentliche Hand hat die Gestaltung der jeweiligen spezialgesellschaftlichen Vorschriften zur Folge; zugleich bleibt die Bindung an Verfassungs-, Haushalts- und Kommunalrecht bestehen827. Durch die öffentliche Aufgabenwahrnehmung in Form von privatrechtlichen Gesellschaften entfaltet folglich sowohl das Kommunalverfassungsrecht als auch das Gesellschaftsrecht für Unternehmen mit kommunaler Beteiligung Wirkung. Problematisch wird dies dann, wenn sich die Vorgaben entgegenstehen. Dies ist bei der Frage der Öffentlichkeit von Aufsichtsräten kommunaler Gesellschaften oder Gesellschaften mit kommunaler Beteiligungen der Fall828. 20.07.2000 – 14 S 237/99, NVwZ-RR 2001, 462 (463); Schmidt/Kneip, in: Schmidt/ Kneip, HGO, § 52 Rn. 1. 821  Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2561); Ehlers, DVBl. 1998, 497 (497 f.); Raiser, ZGR 1996, 458 (458); Schwintowski, NJW 1990, 1009 (1009); Spannowsky, DVBl. 1992, 1072 (1072 f.); Will, VerwArch 2003, 248 (248). 822  Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2561); Burgi, NVwZ 2014, 609 (613); Leisner, WiVerw. 1983, 212 (212 f.); Lohner/Zieglmeier, BayVBl. 2007, 581 (582); Raiser, ZGR 1996, 458 (470); zu den Zulässigkeitsvoraussetzung zur Gründung kommunaler Unternehmen, siehe Neutz, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 45, 67 ff. 823  Zu den etwaigen Vorteilen privatrechtlicher Organisationsformen, siehe Leisner, WiVerw. 1983, 212 (215); Schwerdtner, KommJur 2007, 169 (170). 824  BVerfG, Beschluss vom 16.05.1989 – 1 BvR 705/88, NJW 1783 (1783); BGH, Urteil vom 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693 (639 f.); BGH, Urteil vom 10.02.2005 – III ZR 294/04, NJW 2005, 1720 (1720); Flöther, NVwZ 2014, 1497 (1497). 825  Zu den Vorteilen kommunaler GmbH im Vergleich zu Regie- oder Eigenbetrieben, siehe Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2562). 826  BGH, Urteil vom 05.04.1984 – III ZR 12/83, BGHZ 91, 84 (95 f.); BGH, Urteil vom 24.09.1987 – III ZR 91/86, NVwZ-RR 1989, 388 (388 f.). 827  Raiser, ZGR 1996, 458 (462). 828  Wilhelm, DB 2009, 944 (944).



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 293

Aufsichtsräte gehören regelmäßig zu den Organen kommunaler Gesellschaften oder Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung829. Dabei ist zwischen obligatorischen und fakultativen Aufsichtsräten zu unterscheiden. In Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien muss ein Aufsichtsrat eingerichtet werden, §§ 95 bis 116 AktG. Ein obligatorischer Aufsichtsrat ist außerdem in Gesellschaften mit beschränkter Haftung einzurichten, wenn diese in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG. Die Beschäftigten stellen dann ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder. Ab 2.000 Angestellten haben diese das Recht paritätisch an der Besetzung des Aufsichtsrats beteiligt zu werden, § 6 ff. MitbestG (mitbestimmte GmbH). In Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen (mitbestimmungsfreie GmbH), kann ein Aufsichtsrat durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag eingerichtet werden, § 52 GmbHG (fakultativer Aufsichtsrat). Ist ein Aufsichtsrat vorhanden, hat dieser die Aufgabe den Vorstand zu bestellen (nur bei obligatorischen Aufsichtsräten, § 84 AktG), die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand zu vertreten (§ 112 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG), die Geschäftsführung und den Vorstand zu überwachen (§ 111 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG), den Jahresabschluss inklusive des Lageplans und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen (§ 171 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG) und diesen festzustellen (nur bei obligatorischen Aufsichtsräten, § 172 AktG), die Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft dies erfordert (§ 111 Abs. 3 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG), und bestimmte Akte der Geschäftsführung zu bewilligen, sofern die Satzung dies vorsieht oder der Aufsichtsrat sich dieses vorbehält (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG). Dem Aufsichtsrat kommt folglich eine gesellschaftsinterne Funktion zu, „allgemeine Öffentlichkeitsarbeit“ ist nicht Bestandteil seiner Funktion830. Unabhängig davon hat der Aufsichtsrat auf Grund seiner Aufgaben und Befugnisse entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft831. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen obligatorischen oder fakultativen Aufsichtsrat handelt. Da kommunale Eigen- und Beteiligungsgesellschaften mit dem Einsatz öffentlicher Mittel832 öffentliche Aufgaben der kommunalen DB 2009, 944 (944). NJW 1990, 1009 (1010). 831  Lohner/Zieglmeier, BayVBl. 2007, 581 (581 f.), der darauf hinweist, dass der Aufsichtsrat durch Gesellschaftervertrag zum „stärksten Organ“ einer Gesellschaft gemacht werden kann; zu den Aufgaben von Aufsichtsräten siehe auch Habersack, in: Goette/Habersack, MüKo Aktiengesetz, § 116 Rn. 17 ff.; mit Blick speziell auf kommunale Beteiligungen Wilhelm, DB 2009, 944 (944). 832  Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2566); Meiski, BayVBl. 2006, 300 (303); Ziegl­ meier, ZGR 2007, 144 (163). 829  Wilhelm,

830  Schwintowski,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Selbstverwaltung wahrnehmen, die durch die öffentliche Arbeit der kommunalen Volksvertretung der Kontrolle der Bürgerschaft zugänglich sein sollen, ist auf Grundlage des Kommunalverfassungsrechts – trotz der gesellschaftsinternen Funktion der Aufsichtsräte – von der grundsätzlichen Öffentlichkeit der Sitzungen der Aufsichtsräte solcher Gesellschaften auszugehen. „Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewollte Teilnahme der Bürger an der Kommunalverwaltung hat die Öffentlichkeit auch ein berechtigtes Interesse zu erfahren, in welcher Form, in welchem Umfang und mit welchen Ergebnissen die Gemeinde wirtschaftet.“833 Öffentlichkeit ist insofern der einzige wirksame demokratische Kontrollmechanismus834. Das Gesellschaftsrecht statuiert hingegen grundsätzliche Nichtöffentlichkeit835. Danach ist die Information der Öffentlichkeit und auch die der Entscheidungsträger der kommunalen Gesellschafterin836 auf die Beteiligungsberichte837 beschränkt. Es stellt sich damit die Frage, wie dieses Spannungsverhältnis zu lösen ist.838 a) Keine Flucht ins Privatrecht Zunächst könnte man zu der Annahme gelangen, dass unter diesen Umständen der Grundsatz „keine Flucht ins Privatrecht“ die Verlagerung öffentlich-rechtlicher Aufgabenwahrnehmung in eine privatrechtliche Gesellschafts­ form verbietet. Den Kommunen kommt hinsichtlich ihrer Organisationsform ein Wahlrecht zu839. Die Wahl einer privatrechtlichen Struktur darf jedoch nicht für eine Umgehung öffentlich-rechtlicher Regelungen „missbraucht“ werden. Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts ist folglich, dass das der gewünschten Organisationsform zu Grunde liegende Recht – zumindest mit Hilfe dispositiven Rechts – mit den öffentlich-rechtlichen Vorgaben, insbe833  VerfGH RP, Urteil vom 20.03.2000 – VGH N 12/98, NVwZ 2000, 801 (801, 805); VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (370); Schwerdtner, KommJur 2007, 169 (170). 834  Meiski, BayVBl. 2006, 300 (302). 835  Spindler, ZIP 2011, 689 (691); Wilhelm, DB 2009, 944 (944). 836  Meiski, BayVBl. 2006, 300 (300). 837  Zu Inhalt, Umfang und Funktion der Beteiligungsberichte, s. Neutz, in: Wurzel/ Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 45, 98 Rn. 212 ff. 838  Zur Verletzung des der kommunalen Selbstverwaltung zu Grunde liegenden Öffentlichkeitsprinzips und dem Kompetenzverlust der Gemeinderäte durch „Formenprivatisierung“, siehe Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1355). 839  Siehe dazu bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel 3.  Öffentlichkeit kommunaler Aufsichtsräte?, S. 292 ff.



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 295

sondere dem Verfassungsrecht, vereinbar ist840. Aus dieser Ingerenzpflicht folgt, dass die öffentliche Hand ausreichende Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten sicherstellen muss, um dem verfassungsrechtlichen Demokratie-, Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip, sowie der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gerecht zu werden841, denn auch wenn sich die Erfüllungsverantwortung für die kommunalen Aufgaben durch die Organisationsprivatisierung auf das kommunale Unternehmen in Privatrechtsform verschiebt, verbleibt die Grund- und Letztverantwortung beim kommunalen Muttergemeinwesen842. Umstritten ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel, ob und in wieweit Vertreter von Gebietskörperschaften an Weisungen der sie entsendenden Kommune gebunden sind843. Können öffentlich-rechtliche Bindungen nicht ausreichend gewährleistet werden, kann das Wahlrecht nicht wie gewünscht ausgeübt werden844. Die Konsequenz ist ggf., dass die Grün840  Burgi, NVwZ 2014, 609 (613); Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 248. 841  Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 161, 163 Rn. 243 ff., S. 177 Rn. 384 ff.; Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 181, 182 Rn. 413; Flöther, NVwZ 2014, 1497 (1497); Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip S. 222 ff.; Kaltenborn, in: Oppenländer, Praxishandbuch GmbH-Geschäftsführung,, §  47 Rn.  1  ff., insb. 6  ff.; Knemeyer, KommJur 2007, 241 (243); kritisch im Hinblick auf Wirkung und Rechtsschutzmöglichkeiten Leisner, WiVerw. 1983, 212 (224); eingehend zur Situation in Bayern Lohner/Zieglmeier, BayVBl. 2007, 581 (582 ff.); Neutz, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 45, 95 Rn. 195, 197 f.; nach Raiser handelt es sich beim Begriff der Ingerenzpflicht um eine Leerformel, die lediglich auf die gesellschafts- und konzernrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten verweist, die insbesondere durch personelle Besetzungen ausgezeichnet sind. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob diese Instrumente rechtsstaatlichen und demokratischen Anforderungen genügt, Raiser, ZGR 1996, 458 (475–478); Schmidt, ZGR 1996, 345 (350); kritisch bezüglich der Funktion der vorhandenen Einwirkungsmöglichkeiten auch Schoch, DÖV 1993, 377 (382); Spannowsky, DVBl. 1992, 1072 (1073). 842  Knemeyer, KommJur 2007, 241 (242). 843  Zum Weisungsrecht des Gemeinderats gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern, siehe Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2565 ff.); Westermann, Kommunale Unternehmen, S. 120 Rn. 193 ff.; Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, § 394 Rn. 27 ff.; Schmidt, ZGR 1996, 345 (353 f.); Schwintowski, NJW 1990, 1009 (1013); Spindler, ZIP 2011, 689 (693 ff.). 844  Raiser, ZGR 1996, 458 (462, 470), der dies für die Aufgaben andeutet, die durch hoheitliche Kompetenzen wahrgenommen werden müssen; dieser Ansatz ist jedoch kritisch zu betrachten, da die Übertragung hoheitlicher Aufgaben im Rahmen des Polizei- und Ordnungsrecht z. B. bei der Beleihung von Abschleppunternehmern, üblich ist und daher kein geeignetes Ausschlusskriterium für die privatrechtliche Tätigkeit der öffentlichen Hand darstellt; ähnlich Schoch, DÖV 1993, 377 (378), der nachvollziehbar zwischen „Organisationprivatisierung“ als „formale Privatisierung“ und „Aufgabenprivatisierung“ differenziert und bei letzterem zwar eine Übernahme

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

dung einer Gesellschaft oder die Beteiligung an einem Unternehmen unterbleiben muss845. Die Ingerenzpflicht kann daher auch als „vorgeschaltete Eingangskontrolle der Gesellschaftsbeteiligung“846 bezeichnet werden. Durch die Bindung an das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gilt das Öffentlichkeitsprinzip für die öffentliche Hand unabhängig von der gewählten Rechtsform847. Im Hinblick auf die Sitzungsöffentlichkeit von Aufsichtsräten kommunaler Eigengesellschaften oder von Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung bedeutet dies jedoch keinen unlösbaren Konflikt, da auch das Kommunalverfassungsrecht den Ausschluss der Öffentlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht. Alle landesrechtlichen Regelungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit sehen die Möglichkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses vor848. Gleichwohl stellt die Partizipation des Volks an der Meinungsfindung und am Entscheidungsprozess eine wichtige Säule der demokratischen Legitimation dar849. Die Voraussetzung für den Öffentlichkeitsausschluss ist daher, dass ein rechtfertigender Ausschlusstatbestand vorliegt850. Es ist anerkannt, dass zwingende Gründe des Allgemeinwohls eine nicht öffentliche Beratung von Verfassungswegen gebieten können851. Entsprechende Gründe liegen zweifelsfrei im wettbewerbsrechtlichen Schutz eines Unternehmens mit kommunaler Beteiligung oder in kommunaler Hand. Nachteile, die das Unternehmen durch den öffentlichen Umgang mit Unternehmensinterna erleiden würde, würden sich unmittelbar in den städtischen Finanzen niederschlagen. Insofern kann auf die Abwägung bezüglich der Beratung über kommunale Beteiligungen in den Gemeinderäten verwiesen werden852. der Aufgabe durch einen Privaten ausschließt, nicht aber dessen Einbeziehung als „Erfüllungsgehilfe“ oder „Verwaltungshelfer“. 845  Burgi, NVwZ 2014, 609 (613); Hansen, GemHH 1990, 270 (271); Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 248. 846  Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, § 394 Rn. 2b. 847  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (370). 848  Siehe dazu Kapitel E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe unter II. Gesetzliche Grundlagen, S. 365 ff. 849  Meiski, BayVBl. 2006, 300 (301); siehe dazu Kapitel II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes unter 1. Demokratieprinzip und Öffentlichkeit, S. 54 ff. 850  Siehe dazu Kapitel V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses, S. 123 ff. 851  BVerfG, Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, BVerfGE 103, 44 (63). 852  Zur Frage, welche Unternehmensangelegenheiten einen vertraulichen Umgang erfordern siehe im Kapitel E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe unter a) Kommunale Beteiligungen, S. 395 ff.



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 297

Die nicht öffentliche Beratung und Beschlussfassung in Aufsichtsräten von Unternehmen in kommunaler Hand oder mit kommunaler Beteiligung ist somit kein „kommunalverfassungsrechtlicher Fremdkörper“. Der Öffentlichkeitsausschluss ergibt sich vielmehr nicht nur aus den gesellschaftsrecht­ lichen Vorgaben, sondern lässt sich auch unmittelbar aus dem Kommunalrecht ableiten. Im Kommunalverfassungsrecht wird die Verschwiegenheit für Ratsmitglieder unter anderem dann angeordnet, wenn die Geheimhaltung an anderer Stelle „besonders vorgeschrieben“ ist853. Zu klären bleibt, ob für Aufsichtsräte die gesellschaftsrechtliche Nicht­ öffentlichkeit oder die kommunalrechtliche Öffentlichkeit Wirkung entfaltet, d. h. im Einzelfall die öffentliche Bekanntgabe oder der Öffentlichkeitsausschluss begründet werden muss. b) Obligatorische Aufsichtsräte aa) Aktienrechtliche Rechtsgrundlage Aus den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben folgt, dass Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften und obligatorische Aufsichtsräte von GmbHs zum Schutz der Unternehmensinteressen nicht öffentlich zu tagen haben854. Nach § 109 AktG dürfen mit Ausnahme von Sachverständigen, die zu einzelnen Themen geladen werden können, grundsätzlich nur Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstands an den Sitzungen teilnehmen855. Die Nichtöffentlichkeit ist zwingend856 und dient der Vertraulichkeit der Beratung857 und der Einhaltung der Höchstzahl von Aufsichtsratsmitgliedern gem. § 95 S. 4 AktG858. Die Formulierung als Soll-Vorschrift dient nur der Bestandswahrung von Beschlüssen, die (normwidrig) unter Anwesenheit Dritter gefasst NVwZ 2014, 609 (613). NVwZ 2014, 609 (611). 855  Oetker, in: Müller-Glöge u. a., Erfurter Kommentar Arbeitsrecht, AktG § 109 Rn.  1 ff. 856  BGH, Beschluss vom 30.01.2012 – II ZB 20/11, DStR 2012, 762 (764); Böttcher, NZG 2012, 809 (809); Habersack, in: Goette/Habersack, MüKo Aktiengesetz, § 109 Rn. 3; Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktienG, § 109 Rn. 5; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 15 f.; Lutter, ZIP 1984, 645 (652); Oetker, in: Müller-Glöge u. a., Erfurter Kommentar Arbeitsrecht, AktG § 109 Rn. 1; van Kann/Keiluweit, DB 2009, 2251 (2254). 857  Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 12; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 153 f. Rn. 406; Viciano Gofferje, Unabhängigkeit als persönliche Voraussetzung für Aufsichtsratsmitglieder, S. 104. 858  Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, § 109 Rn. 1; Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktienG, § 109 Rn. 1, 15; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S.  12 f. 853  Burgi, 854  Burgi,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

worden sind859. Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder unterliegen einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht (§ 116 Abs. 1 S. 2 AktG, § 93 Abs. 1 S. 3 AktG). Gleiches gilt auch für die von der kommunalen Volksvertretung in den Aufsichtsrat entsendeten Mandatsträger. § 395 AktG weitet die Verschwiegenheitspflicht für Aufsichtsratsmitglieder (§ 116 Abs. 1 S. 2 AktG) und Vorstandsmitglieder (§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG) auf Personen, „die damit betraut sind, die Beteiligungen einer Gebietskörperschaft zu verwalten“ aus. Aus der Verschwiegenheitspflicht folgt, dass die davon betroffenen Angelegenheiten auch der kommunalen Volksvertretung nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten werden dürfen860. Die Verschwiegenheitspflicht gem. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG umfasst „vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft“. „Vertrauliche Angaben“ sind „die für den Aufsichtsrat bestimmten Mitteilungen der Mitglieder von Gesellschaftsorganen über Vorkommnisse, die die Organe und sonstige Unternehmensbereiche betreffen“861. „Geheimnisse“ sind „nicht allgemein bekannte Tatsachen, für die ein Geheimhaltungsinteresse besteht“862. Maßgeblich ist dabei eine objektive Betrachtung der Frage, ob das Bekanntwerden der Informationen dem Unternehmen schaden kann863. Bejaht wird dies insbesondere bei Finanz-, Investitions-, Produktions- und Absatzplänen, sowie Forschungsaktivitäten, Produktionsmethoden, Personalangelegenheiten, Vertriebsstrukturen, Marktanteilen und Kundenlisten864. Die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht ist damit so weitreichend, dass für öffentliche Aufsichtsratssitzungen kein Raum bleibt (§ 109 Abs. 1 AktG).865 Für obligatorische Aufsichtsräte von GmbHs folgt die Geltung dieser ak­ tienrechtlichen Grundsätze aus der Inbezugnahme des § 109 AktG im GmbHRecht. So erklärt § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestimmungsG unter anderem die 859  Kindl,

(652).

Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 15; Lutter, ZIP 1984, 645

860  Burgi, NVwZ 2014, 609 (612 f.); Kühne/Czarnecki, LKV 2005, 481 (483); Müller-Michaels, in: Hölters/Weber, AktG, § 395 Rn. 5 f. 861  Burgi, NVwZ 2014, 609 (611); Habersack, in: Goette/Habersack, MüKo Aktiengesetz, § 116 Rn. 54; Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, § 93 Rn. 30; Habersack, in: Goette/Habersack, MüKo Aktiengesetz, § 116 Rn. 54. 862  Burgi, NVwZ 2014, 609 (611); Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, § 93 Rn. 30; Habersack, in: Goette/Habersack, MüKo Aktiengesetz, § 116 Rn. 52. 863  Burgi, NVwZ 2014, 609 (611). 864  Burgi, NVwZ 2014, 609 (611); Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, § 93 Rn. 30; Will, VerwArch 2003, 248 (251). 865  Schwintowski, NJW 1990, 1009 (1011  ff.); van Kann/Keiluweit, DB 2009, 2251 (2251).



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 299

§§ 107 bis 116 AktG für anwendbar und § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG verweist neben anderen Bestimmungen auch auf die §§ 95 bis 114 AktG.866. Die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht gem. § 394 AktG für „Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, […] hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, […]“867 gilt unumstritten nur im Innenverhältnis zwischen dem Unternehmen und der Gebietskörperschaft868. Bezüglich der obligatorischen Aufsichtsräte der GmbH ergibt sich Gleiches aus § 51a Abs. 1 GmbHG869. Auch aus dieser Regelung kann daher nicht auf eine Öffentlichkeit von kommunalen Aufsichtsräten oder Aufsichtsräten mit kommunaler Beteiligung geschlossen werden.870 bb) Verhältnis zum kommunalverfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgebot Zum Schutz der Marktteilnehmer wird eine öffentlich-rechtliche Überlagerung der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben generell abgelehnt871. Den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben wird gegenüber dem kommunalverfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgebot auf Grundlage des Grundsatzes „Bundesrecht bricht Landesrecht“ Vorrang eingeräumt872. Beim KommunalverfasNVwZ 2014, 609 (612); Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1356). zur Berichtspflicht nach § 394 AktG, siehe Will, VerwArch 2003, 248 (248); Westermann, Kommunale Unternehmen, S. 120 Rn. 192. 868  VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (624); Burgi, NVwZ 2014, 609 (612); Müller-Michaels, in: Hölters/Weber, AktG, § 394 Rn. 26 ff.; Spindler, ZIP 2011, 689 (691); Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (165). 869  Burgi, NVwZ 2014, 609 (612). 870  Zur Vertraulichkeit zwischen Aufsichts- und Gemeinderat, siehe Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2566). 871  Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz § 394 Rn. 2 ff. insb. 2d. 872  BGH, Urteil vom 13.10.1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 (334 ff.); ausdrücklich mit Bezug auf gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (623); all­ gemein zum Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Kommunalrecht Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 161, 163 ­ Rn.  247 ff.; Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 181, 183 Rn. 418 ff., der einen prinzipiellen Vorrang des Gesellschaftsrechts ablehnt, jedoch die Kompetenz für gesellschaftsrechtliche Spezialregelungen für die öffentliche Hand beim Bund sieht; Burgi, NVwZ 2014, 609 (613); Fischer, AG 1982, 85 (90 f.); mit umfassender Darstellung des Meinungsstands, Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S 256 ff.; Hansen, GemHH 1990, 270 (270); Harder/Ruter, GmbHR 1995, 813 (814); Knemeyer, KommJur 2007, 241 (254 ff.); Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 27 ff.; 866  Burgi,

867  Umfassend

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

sungsrecht handele es sich um Landesgesetzgebung. Das Gesellschaftsrecht obliegt der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Diese Formel greift jedoch zu kurz. Bei dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit handelt es sich nicht alleine um eine landesrechtliche Vorgabe, sondern um die normative Manifestation des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips. Mit anderen Worten: der Versuch, das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit als Landesrecht dem bundesrechtlichen Gesellschaftsrecht unterzuordnen, verkennt, dass die kommunale Sitzungsöffentlichkeit aus dem Grundgesetz folgt und damit dem Bundesrecht entstammt873. Im Ergebnis ist die Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Regelung jedoch auch nach dieser Ansicht zutreffend. Die Geltung der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder und damit der Nichtöffentlichkeit der Aufsichtsratssitzungen ergibt sich aus der Spezialität der gesellschaftsrecht­ lichen Regelungen in Abgrenzung zu dem allgemeinen verfassungsrecht­ lichen Prinzip der Öffentlichkeit874. Püttner präzisiert insofern zutreffend, dass es bei dem Verhältnis von Kommunal- und Gesellschaftsrecht „um die Reichweite und nicht um den ‚Vorrang‘ des Gesellschaftsrechts“ gehe875. Das Öffentlichkeitsprinzip ist durch den Gesetzgeber aktiv auszugestalten876. Dieser Ausgestaltungsaufgabe ist der Bundesgesetzgeber mit § 394 AktG nachgekommen. Die Norm bestimmt, dass die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder einer Gebietskörperschaft nicht für die Berichte an die jeweilige Gebietskörperschaft gilt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Aufsichtsratsmitglieder im Übrigen der aktiengesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips in Kenntnis der Tatsache, dass es sich um von Kommunen entsendete Aufsichtsratsmitglieder handelt, erlassen. § 394 AktG stellt damit – auch wenn die Regelung auf den ersten Blick nicht so anmutet – eine spezialgesetzliche Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips dar. Es Schwerdtner, KommJur 2007, 169 (169); Schwintowski, NJW 1995, 1316 (1317); Spannowsky, DVBl. 1992, 1072 (1074); Schmidt, ZGR 1996, 345 (350 f.); Weiblen, GemHH 1995, 176 (177); Will, VerwArch 2003, 248 (248); Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (162 f.). 873  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (369). 874  So im Hinblick auf das generelle Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Kommunalverfassungsrecht auch VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (369); Kühne/Czarnecki, LKV 2005, 481 (481). 875  Püttner, DVBl. 1986, 748 (751 f.). 876  Siehe dazu Kapitel III.  Verfassungsrechtliche Öffentlichkeit als Prinzip, S. 91 ff.



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 301

handelt sich folglich nicht um eine im Sinne der „Lehre vom Verwaltungs­ gesellschaftsrecht“877 verfassungskonforme Auslegung des Gesellschaftsrechts. Das Gesellschaftsrecht beinhaltet vielmehr unmittelbar die Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Prinzips der Öffentlichkeit für den Bereich der aktienrechtlichen Aufsichtsräte. Diese Ausgestaltung ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden878: Bei der Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Sitzungsöffentlichkeitsprinzips hat der Gesetzgeber bei Organen, die nicht nur dem Demokratieund Rechtsstaatsprinzip verpflichtet sind, sondern auch privatrechtliche Interessen verfolgen, diese Interessen zu berücksichtigen. Rein privatrechtliche Unternehmen haben ein berechtigtes Interesse an einer wirtschaftlichen, gewinnorientierten Unternehmensführung. Diese bedarf einer Beratung und Entscheidung im Aufsichtsrat ohne Einfluss durch die öffentliche Meinung, die nicht nur das Wohl des Unternehmens berücksichtigt. Dieses Interesse bleibt auch dann bestehen, wenn es sich um gemischt öffentlich-privatrechtliche Unternehmen handelt. Im Rahmen von Aktiengesellschaften müssen unternehmerische Belange vor allem auch im Interesse der Aktionäre verfolgt werden. Dementsprechend müssen auch die Aufsichtsratsmitglieder einer Gebietskörperschaft bei Kollision der kommunalen und gesellschaftlichen Interessen, letzteren Vorrang einräumen879. Vorstand und Aufsichtsrat sind ausschließlich dem Wohl der Aktionäre verpflichtet880. Diese sind vor der unwirtschaftlichen Verfolgung politischer Zielsetzungen zu schützen881, denn von der kommunalen Seite aus, spielen bei Entscheidungsfindungen auch die Bedürfnisse der Gemeinde, das heißt politische Erwägungen, eine Rolle882. Das beginnt bei der Frage nach sozialvertretbaren Energiepreisen, betrifft aber auch Einzelprojekte. Beispielhaft sei hier der Bau eines flächendeckenden Glasfasernetzes durch den örtlichen, kommunalen Energielieferanten erwähnt. Der Bau von Glasfasernetzen ist für Telekommunikationsunternehmen nur in bestimmten Gebieten lukrativ. Dementsprechend würde ein rein pri877  von Danwitz, AöR 1995, 595 (595); siehe zur Darstellung dieser Ansicht und Ablehnungsgründe Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 259 f.; kritisch auch Spindler, ZIP 2011, 689 (689). 878  So auch im Hinblick auf die Verschwiegenheits- und Treuepflicht politisch legitimierter Mitglieder eines Aufsichtsrats Schwintowski, NJW 1990, 1009 (1015 ff.). 879  Leisner, WiVerw. 1983, 212 (216 f.). 880  §§ 76 Abs. 1, 93, 116  AktG, Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 249. 881  BGH, Urteil vom 13.10.1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 (340), der auf den Rechtsgrundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre abstellt; Schwerdtner, KommJur 2007, 169 (170). 882  Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2565).

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

vatwirtschaftliches Unternehmen den Bau auf solche Bereiche beschränken. Kommunalpolitisch ist aber auch das Ziel, eine zeit- und zukunftsfähige In­ frastruktur zu schaffen, die sowohl der Bevölkerung zugute kommt, als auch den Wirtschaftsstandort stärkt, zu beachten. Ob und in welche Projekte investiert wird, ist eine Frage der politischen Prioritätensetzung. Die öffentliche Meinung spielt bei der Entscheidungsfindung eine bedeutende Rolle. Die Nichtöffentlichkeit der Aufsichtsratssitzungen dient der Abwehr von politischem Druck durch die Öffentlichkeit. Der Einfluss auf Entscheidungen soll denjenigen vorbehalten bleiben, die die Verantwortung für diese tragen müssen883. Dadurch soll eine „effektivere und leistungsfähigere Kontrolle der Geschäftsführung“ ermöglicht werden884, denn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Aufsichtsrat und eine unbefangene Meinungsäußerung und Meinungsbildung seiner Mitglieder würde in Frage gestellt, wenn einzelne Aufsichtsratsmitglieder die Stimmabgabe und Stellungnahmen anderer Aufsichtsratsmitglieder oder sonstige persönliche Äußerungen, die nach Form und Inhalt ersichtlich nur für den Kreis der Anwesenden bestimmt sind, preisgeben würden885. Deshalb soll es sich bei dem Schweigegebot des § 116 i. V. mit § 93 Abs. 1 S. 2 AktG um eine abschließende Regelung handeln, die nach § 23 Abs. 5 AktG durch eine Satzung oder die Geschäftsordnung weder gemildert noch verschärft werden könne886. Ein anderes, gleich geeignetes Mittel zum Schutz der rein unternehmerischen Interessen, als den Ausschluss der Öffentlichkeit von den Beratungen und Entscheidungen des Aufsichtsrats, ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit von Sitzungen obligatorischer Aufsichtsräte auch bei rein kommunalen Aufsichtsräten zumindest insoweit dem Wohl der Gemeinde entspricht, als dadurch eine wirtschaftliche Positionierung am Markt möglich ist, weil private Konkurrenten keinen unmittelbaren Einblick in die Unternehmensentscheidungen erhalten887. in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktienG, § 109 Rn. 1. NVwZ 2014, 609 (612); van Kann/Keiluweit, DB 2009, 2251 (2255); zum Ausschluss der Öffentlichkeit zur Sicherung der Unabhängigkeit der Ratsmitglieder bzw. zur Steigerung der Effektivität der Ratssitzungen siehe Kapitel a)  Das freie Mandat, S. 370 ff., b)  Bestand und Funktionsfähigkeit des Staats und der Kommune, S. 372 ff., insb. bb) Mangelnde Effizienz als Funktionsbeeinträchtigung, S. 373 ff. 885  BGH, Urteil vom 05.06.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 (332); Habersack, in: Goette/Habersack, MüKo Aktiengesetz, § 116 Rn. 49. 886  BGH, Urteil vom 05.06.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 (326 f.); Habersack, in: Goette/Habersack, MüKo Aktiengesetz, § 116 Rn. 64. 887  So auch VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (623), das insoweit einen „Gleichklang“ zwischen dem gesellschaftsrechtlichen und kommunalverfassungsrechtlichen Geheimhaltungsinteresse feststellt. 883  Henssler, 884  Burgi,



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 303

Öffentliche und unternehmerische Belange, staatliche Wirtschaftspolitik und private Unternehmenspolitik schließen sich folglich nicht zwingend aus, sondern können sich durchaus decken oder überschneiden888. So ist auch eine wirtschaftliche Unternehmensführung im öffentlichen Interesse. Da die öffentliche und private Interessenverfolgung nicht scharf voneinander zu trennen sind, können Ausnahmen von gesellschaftsrechtlichen Schutzvorschriften nicht mit der öffentlich-rechtlichen Bindung kommunaler Beteiligungen gerechtfertigt werden. Andernfalls würden Aktionäre einer Gesellschaft mit kommunaler Beteiligung schlechter gestellt als in einer Gesellschaft mit ausschließlich privater Beteiligung.889 Der Öffentlichkeitsausschluss in obligatorischen Aufsichtsräten mit kommunaler Beteiligung stellt folglich eine verhältnismäßige Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Prinzips der (kommunalen) Sitzungsöffentlichkeit dar. c) Fakultative Aufsichtsräte aa) Anwendbarkeit des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit Es ist umstritten, ob der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit für fakultative Aufsichtsräte gilt und woraus sich dieser gegebenenfalls ergibt. Grund dafür ist, dass das GmbHG weder eine § 109 AktG entsprechende Regelung noch eine Bezugnahme auf die aktienrechtliche Vorgabe enthält. § 52 GmbHG verweist auf einige aktienrechtliche Regelungen, aber gerade nicht auf § 109 AktG. Die Regelungen des MitbestimmungsG und des DrittelbG sind auf mitbestimmungsfreien Gesellschaften nicht anwendbar. Auf Grund des Fehlens einer eindeutigen Bestimmung, wird die Geltung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit mitunter abgelehnt. Die Annahme der Nichtöffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte soll danach nur ein „auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhendes rechtstechnisches Prinzip“ sein und kein „richtunggebender Maßstab rechtlicher Normierung“890. Für die grundsätzliche Öffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte spricht auch, dass die Länder die Gesetzgebungskompetenz für Gesellschaftsangelegenheiten haben, soweit der Bund von dieser keinen Gebrauch macht, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 72 Abs. 1  GG891. Bezüglich der Öffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte ist der Bund nicht tätig geworden. § 109 AktG wird durch § 52 Mutius/Nesselmüller, NJW 1976, 1878 (1879 f.). Urteil vom 13.10.1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 (338 f.). 890  Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1357). 891  BGH, Urteil vom 10.02.2005 – III ZR 294/04, NJW 2005, 1720 (1721). 888  von

889  BGH,

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

GmbHG nicht in Bezug genommen892. Auch die Länder haben diese Lücke nicht durch eigene Regelungen geschlossen. Die bestehende Regelungslücke könnte folglich durch einen Rückgriff auf das Kommunalverfassungsrecht geschlossen werden. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass diese Lösung nur für kommunale Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften überzeugend wäre, Gesellschaften ohne kommunale Anteilseigner jedoch außen vor lässt. Für eine bestimmte Gruppe mitbestimmungsfreier GmbHs auf das Kommunalverfassungsrecht und für eine andere auf das Aktienrecht zurückzugreifen, überzeugt im Ergebnis nicht. Für den Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen des Aufsichtsrats werden zwei Argumentationslinien vertreten. Zum einen soll § 109 AktG unmittelbar angewendet werden, weil dies der Rechtsgedanke der Norm erfordere893. Zum anderen soll die Nichtöffentlichkeit aus dem Verweis von §  52 Abs.  1 GmbHG auf die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht (§§ 116 und 93 AktG) folgen894. Die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder fakultativer Aufsichtsräte würde ins Leere laufen, würden die Aufsichtsratssitzungen grundsätzlich öffentlich stattfinden895. Wenngleich die unmittelbare Anwendung des Rechtsgedankens des § 109 AktG dogmatisch fragwürdig ist, überzeugt der Hinweis auf die anzuwendende aktienrechtliche Verschwiegenheit. Von diesem Rechtsverständnis geht offensichtlich auch der Bundesgesetzgeber aus. Andernfalls wäre das Vorhaben des Bundesministeriums der Justiz in der 17. Wahlperiode, durch eine Änderung des Gesellschaftsrechts die Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen nicht börsennotierter Unternehmen und die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder disponibel zu gestalten, wenn die Beteiligung einer Gebietskörperschaft besteht896, nicht nachvollziehbar. 892  BGH, Urteil vom 20.09.2010 – II ZR 78/09, BGHZ 187, 60 (67 f.), der aus der Entstehungsgeschichte der heute geltenden Verweisung des GmbHG auf das AktG eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung ableitet. 893  Bayerisches Staatsministerium des Inneren, Drucksache 15/7754, S. 2; Lohner/ Zieglmeier, BayVBl. 2007, 581 (583); Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Mitt. NWStGB 177/1994, 114 (114 f.); Raschta, KommP By 2007, 296 (297); Wilhelm, DB 2009, 944 (946); diesen Ansatz ausdrücklich offen lassend OVG Münster, Beschluss vom 21.12.1995 – 15 B 3199/95, NWVBl. 1997, 67 (68). 894  So im Ergebnis u. a. VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (624). 895  Spindler, ZIP 2011, 689 (691). 896  Das Bundesministerium der Justiz der Bundesrepublik Deutschland, Referentenentwurf, § 394 S. 4 AktG – gestrichen durch Kabinettsbeschluss vom 20.12.2011, Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes; kritisch dazu Bettenburg/Weirauch, DÖV 2012, 352



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 305

Im Ergebnis ist daher von einer Geltung des Öffentlichkeitsausschlusses auszugehen897. bb) Disponibilität der Nichtöffentlichkeit Anders als die Verweise bei Gesellschaften mit obligatorischen Aufsichtsräten stellt § 52 Abs. 1 GmbHG die Geltung der aktienrechtlichen Regelungen für fakultative Aufsichtsräte unter den Vorbehalt „soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist“. Es greift daher weder die Spe­ zialität der gesellschaftlichen Regelung noch der Vorrang des bundesrecht­ lichen Gesellschaftsrechts898. Die Disponibilität der Nichtöffentlichkeit von Aufsichtsräten mitbestimmungsfreier Gesellschaften wird mitunter aus zwei Gründen abgelehnt: Zum einen diene die Nichtöffentlichkeit dem Schutz der Aufsichtsratsmitglieder. Nur diese könnten danach darüber entscheiden, ob sie darauf verzichten wollen899. Zum anderen umfasse die von § 52 GmbHG eingeräumte Satzungsbefugnis § 109 AktG nicht, da dieser nicht durch § 52 GmbHG Anwendung findet, sondern durch die unmittelbare Heranziehung des Rechtsgedankens des § 109 AktG zur Anwendung komme900. Beide Ansätze überzeugen bei näherer Betrachtung nicht. Sofern der Nichtöffentlichkeit eine Schutzfunktion zuerkannt wird, besteht diese nicht im Interesse der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder901, sondern zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Kollegialorgans. Insofern steht auch die Verfügungsbefugnis nicht den einzelnen Mitgliedern zu, sondern dem Gremium, (352); ebenso Seibert/Böttcher, ZIP 2012, 12 (16 ff.); ein ähnliches Ziel verfolgte auch die Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen in der 16. Wahlperiode (Drucksache-Nr. 16/11826 vom 03.02.2009) mit ausdrücklichem Hinweis auf die bestehende Meinungsvielfalt zur Anwendbarkeit von § 109 AktG auf mitbestimmungsfreie GmbHs. 897  Wilhelm, DB 2009, 944 (994); Bettenburg/Weirauch, DÖV 2012, 352 (352); Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Mitt. NWStGB 177/1994, 114 (114); Bayerisches Staatsministerium des Inneren, Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen kommunaler Gesellschaften, S. 1. 898  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (372). 899  Raschta, KommP By 2007, 296 (296 f.). 900  Bayerisches Staatsministerium des Inneren, Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen kommunaler Gesellschaften, S. 2; Bayerisches Staatsministerium des Inneren, Drucksache 15/7754, S. 2; Raschta, KommP By 2007, 296 (296 f.); Schulz, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 93 Ziff. 3.2.1 S. 7. 901  Zur Notwendigkeit von Nichtöffentlichkeit für eine verantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch die Aufsichtsratsmitglieder siehe Kapitel iv.  Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder, S. 314 ff.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

das für die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats verantwortlich ist. Im Fall einer Gesellschaft sind das die Gesellschafter. Zwar ist es logisch, anzunehmen, dass eine Norm, die von § 52 Abs. 1 GmbHG nicht in Bezug genommen wird, auch nicht der durch § 52 Abs. 1 GmbHG eröffneten Disponibilität unterworfen ist. Dies ist jedoch nur die Konsequenz der dogmatisch nicht nachvollziehbaren unmittelbaren Anwendung von § 109 AktG auf mitbestimmungsfreie GmbHs902. § 52 GmbHG ist insoweit abschließend, als dass weitere aktienrechtliche Regelungen nicht ohne Weiteres angewendet werden können, außer der Gesellschaftsvertrag nimmt diese in Bezug903. Darüber hinaus können aktienrechtliche Normen nur beim Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke angewendet werden904. Selbst wenn angenommen wird, dass § 52 GmbHG bezüglich der Nicht­ öffentlichkeit der Sitzungen fakultativer Aufsichtsräte eine Regelungslücke enthält905, ist nicht nachvollziehbar, warum einer – ohne eine ausdrückliche Verweisungsgrundlage – nur entsprechend anzuwendenden Norm mehr Verbindlichkeit zukommen soll, als den Normen, die durch das GmbH-Recht ausdrücklich für anwendbar erklärt werden. Zur Füllung einer Regelungs­ lücke kann eine eigentlich nicht anzuwendende Norm nur entsprechend, das heißt unter den Voraussetzungen des zu füllenden Regelungsbereichs, herangezogen werden. Für fakultative Aufsichtsräte gelten die aktienrechtlichen Bestimmungen nur unter dem Vorbehalt abweichender Regelungen im ­Gesellschaftsvertrag. Wird bezüglich der Sitzungsöffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte eine planwidrige Regelungslücke angenommen, so ist § 109 AktG analog (und nicht unmittelbar!) heranzuziehen. Dementsprechend greift der Vorbehalt des § 52 GmbHG. Von einem der Abdingbarkeit der Nichtöffentlichkeit entgegenstehendem Schutzbedürfnis fakultativer Aufsichtsräte ist nicht auszugehen, denn dann hätte der Gesetzgeber § 109 AktG, – genauso wie bei den mitbestimmungspflichtigen GmbHs – als zwingendes Recht vorgegeben und darüber hinaus die Verschwiegenheitspflicht nach § 116 AktG nicht zur Disposition der Gesellschafter gestellt. Auch aus den Initiativen, die Nichtöffentlichkeit für Aufsichtsräte nicht börsennotierter Unternehmen mit kommunaler Beteiligung in das Belieben 902  Siehe

dazu bereit unter c) Fakultative Aufsichtsräte, S. 303 ff. in: Goette/Habersack, MüKo Aktiengesetz, § 52 Rn. 11; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 31. 904  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 31. 905  So wohl Lohner/Zieglmeier, BayVBl. 2007, 581 (583); ausdrücklich Spindler, in: Goette/Habersack, MüKo Aktiengesetz, § 52 Rn. 11. 903  Spindler,



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 307

der Gesellschafter zu stellen906, ergibt sich keine andere Bewertung. Zwar kann aus den Vorhaben geschlossen werden, dass Aufsichtsräte nach dem Verständnis des Bundesgesetzgebers grundsätzlich nicht öffentlich tagen907. Da der Referentenentwurf nicht zwischen obligatorischen und fakultativen Aufsichtsräten differenziert, können jedoch keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, ob für fakultative Aufsichtsräte bereits nach dem geltenden Recht Dispositionsbefugnisse bestehen. Es ist folglich von der Abdingbarkeit der Nichtöffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte auszugehen908. Grenzen ergeben sich für die Satzungsgestaltung nur aus § 52 Abs. 2 und 3 GmbHG und den sonstigen Vorschriften des GmbH-Gesetzes909. Ausschlussgründe für die Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen werden darin nicht zwingend vorgeschrieben. Zugleich ergibt sich aus der rechtsstaatlichen Bindung der Gemeinden die Pflicht, die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesellschaftsrechts so weit auszuschöpfen, dass die Ziele der Selbstverwaltung und das Demokratieprinzip so weit wie möglich verwirklicht werden910. Auf Grund dieses Befunds drängt sich die Annahme auf, die Nichtöffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte kommunaler Gesellschaften oder Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung muss von Seiten einer Kommune als Gesellschafterin soweit durch den Gesellschaftsvertrag abbedungen werden, wie dies auf Grundlage des Kommunalverfassungsrechts möglich ist. Es ist jedoch umstritten, wie weit etwaige Öffentlichkeitsregelungen eines fakulta906  Antrag der Abgeordneten Britta Haßelmann, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Jerzy Montag, Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Gerhard Schick, Silke Stokar von Neuforn, Wolfgang Wieland und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen; Das Bundesministerium der Justiz der Bundesrepublik Deutschland, Referentenentwurf, § 394 S. 4 AktG – gestrichen durch Kabinettsbeschluss vom 20.12.2011, Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes. 907  Siehe dazu bereits oben unter c) Fakultative Aufsichtsräte, S. 303 ff. 908  VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (623); Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2566); Altmeppen, in: Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn.  1 f.; Burgi, NVwZ 2014, 609 (612); Lutter, in: Hommelhoff/Lutter, GmbHG, § 52 Rn. 26; Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1358); Schneider, in: Schloz, GmbHG, § 52 Rn. 68; Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Mitt. NWStGB 177/1994, 114 (115); Spindler, ZIP 2011, 689 (696); van Kann/Keiluweit, DB 2009, 2251 (2254); Wilhelm, DB 2009, 944 (944); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 20 ff. 909  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 25; Schneider, in: Schloz, GmbHG, § 52 Rn. 68. 910  Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 161, 164 Rn. 250 und S. 181, 183 Rn. 420.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

tiven Aufsichtsrats gehen können, insbesondere ob überhaupt eine grundsätzliche Sitzungsöffentlichkeit vorgeschrieben werden kann911. cc) Schutz des gesellschaftsrechtlichen Kernbereichs Nach der herrschenden Meinung kann die Verschwiegenheitspflicht nicht vollständig aufgegeben werden. Zumindest der „Kernbereich der gesellschaftsrechtlichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ soll auch bei mitbestimmungsfreien Gesellschaften mit fakultativem Aufsichtsrat nicht öffentlich behandelt werden. Wann dieser Kernbereich berührt ist, soll „durch das objektive Unternehmensinteresse“ bestimmt werden. Entscheidend ist danach, wann der Wettbewerb einen vertraulichen Umgang mit Informationen fordert. Dies soll dann angenommen werden können, wenn andernfalls Informationen über die wirtschaftliche Situation oder die zukünftige Geschäftsstrategien Kreditgebern oder Konkurrenten vorzeitig bekannt werden würden.912 Dieser Ansatz verkennt, dass Gesellschaften mit beschränkter Haftung kein „objektives Unternehmerinteresse“ immanent ist, das abstrakt definiert werden kann. Maßgeblich für das objektive Interesse eines Unternehmens ist seine individuelle Ausrichtung und Zielsetzung. „Die Gesellschafter sind Herren der Gesellschaft und legen ihren unternehmenspolitischen Kurs nach eigenem Ermessen fest.“913 Die weitgehende Satzungsautonomie der GmbH hat zu einer Typenvielfalt geführt, deren Interessenlagen deutlich von Aktiengesellschaften zu unterscheiden sind. So können in der Satzung auch ideelle, gemeinnützige oder politische Ziele vorgeschrieben werden. Zu denken ist dabei nicht nur an privatrechtlich organisierte Träger öffentlicher Gewalt, sondern auch an Nonprofit-Gesellschaften.914 Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand mit fakul­ tativem Aufsichtsrat haben folglich kein vom Interesse der Gesellschafter 911  Burgi, NVwZ 2014, 609 (612); die generelle Öffentlichkeit ablehnend, Städteund Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Mitt. NWStGB 177/1994, 114, (115), der dies auch auf die Gesellschafterversammlung überträgt; zum Meinungsstand s. umfassend VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (365 ff.); Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1357 f.). 912  Burgi, NVwZ 2014, 609 (612); Bettenburg/Weirauch, DÖV 2012, 352 (354); Kühne/Czarnecki, LKV 2005, 481 (484); Seibert/Böttcher, ZIP 2012, 12 (17); Spindler, ZIP 2011, 689 (690); van Kann/Keiluweit, DB 2009, 2251 (2254 f.); Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (164). 913  Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieund Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 251. 914  Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieund Wirtschaftlichkeitsprinzip, S.  269 m. w. N.; Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1357).



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 309

abgrenzbares „objektives“ Eigeninteresse915, aus dem ein nicht öffentlicher „Kernbereich der gesellschaftsrechtlichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ abgeleitet werden kann. dd) Gesellschaftsinteresse kommunaler Eigengesellschaften Ob und inwieweit zum Schutz der Gesellschaft bei Eigen- und Beteiligungsgesellschaften die kommunale Sitzungsöffentlichkeit auszuschließen ist, hängt damit davon ab, welches Geschäftsinteresse diese verfolgen. Abgesehen von der speziellen Ausrichtung der jeweiligen Gesellschaft sind bei der Ermittlung des Geschäftsinteresses die folgenden grundsätzlich Erwägungen zuberücksichtigen. (1) Öffentlicher Zweck als Unternehmensinteresse „Ein kommunales Unternehmen ist […] nur Wettbewerbsunternehmen, wie seine Eigenschaft als ein solches völlig ignoriert werden darf.“916 Neben der Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit muss eine kommunale Eigengesellschaft die rechtsstaatlichen Bindungen der öffentlichen Hand beachten. Außerdem liegt im Interesse einer kommunalen Eigengesellschaft in der Regel vor der Gewinnerziehung die Erreichung der mit der Gesellschaftsgründung gesetzten oder nachträglich beschlossenen politischen Ziele917. Bei der Ermittlung und Feststellung eines solchen öffentlichen Zwecks kommt der Kommune eine Einschätzungsprärogative zu918. Die Zielsetzungen können dem „Unternehmensinteresse“ im betriebswirtschaftlichen Sinne widersprechen919. 915  Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieund Wirtschaftlichkeitsprinzip, S.  251 f. 916  Knemeyer, KommJur 2007, 241 (242) – Hervorhebung im Original. 917  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (369); Kühne/Czarnecki, LKV 2005, 481 (485), der insoweit von der „öffentlichen Zweckbindung“ der kommunalen Gesellschaft spricht; ähnlich von Mutius/Nesselmüller, NJW 1976, 1878 (1897 f.), der eine Unterscheidung unternehmerischer und öffentlicher Interessen für wenig tragfähig hält; Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (163); a. A. Bettenburg/Weirauch, DÖV 2012, 352 (356), der immer von der Verfolgung wirtschaftsstrategischer Zielsetzungen ausgeht, für dessen Erreichung Vorstand und Aufsichtsrat vertraulich zusammenarbeiten müssen; allgemein zur unternehmerischen Zielsetzung der öffentlichen Hand, siehe Raiser, ZGR 1996, 458 (460, 464 f.). 918  Ehlers, DVBl. 1998, 497 (499). 919  Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2564); Flöther, NVwZ 2014, 1497 (1497); Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 255 mit Hinweis darauf, dass sich die Interessenlagen auch decken können.

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Der Hinweis darauf, dass gem. § 53 f. HGrG Gesellschaften der öffentlichen Hand grundsätzlich so zu führen sind, dass sie einen Überschuss für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, das heißt alleine die Gewinnerzielung und kein anderer öffentlicher Zweck im Vordergrund stehe920, verkennt zweierlei: Zum einen sind Gewinne mit zahlreichen Angeboten der Daseinsvorsorge, die durch kommunale Eigengesellschaften oder Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung erbracht werden, nicht zu erzielen. So können in der Regel weder der öffentliche Personennahverkehr, noch Schwimmbäder oder Bibliotheken auch nur annähernd kostendeckend geführt werden. Zum anderen ist der öffentlichen Hand eine wirtschaftliche Betätigung nur dann gestattet, wenn damit ein öffentlicher Zweck verfolgt wird921. Das strukturelle Dilemma zwischen Wirtschaftlichkeitsgebot und Demokratieprinzip lässt sich prinzipiell nicht in Einklang bringen, so dass eine beliebige unternehmerische Tätigkeit des Staats und der Kommunen von Verfassungswegen ausgeschlossen ist922. Etwas anderes gilt nur für öffentliche Aufgaben, die der Staat zu gewährleisten hat und die durch Private nicht ausreichend sichergestellt werden (verfassungsrechtliches Subsidiaritätsprinzip) – beispielhaft ist hier der Bereich der Daseinsvorsorge zu nennen923. „Unter dem Begriff der Daseinsvorsorge sind alle zur Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger erforderlichen Leistungen der Verwaltung zu fassen“924.

Kann/Keiluweit, DB 2009, 2251 (2253). Abs. 1 Nr. 2 GemO BW; Art. 92 Abs. 1 Nr. 1 GO BY; § 96 Abs. 1 Nr. 1 BbgKVerf; § 122 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGO; § 69 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 68 Abs. 2 S.1 Nr. 1 KV M-V; § 137 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NKomVG; § 108 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW; § 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO RP; § 110 Abs. 1 Nr. 1 KSVG SL „wichtiges Interesse“; § 102 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GO SH „wichtiges Interesse“; § 94a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SächsGemO; § 128 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KVG LSA; § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 71 Abs. 2 Nr. 1 ThürKO; Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 161 170 Rn. 316 ff.; Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117, Rn. 303; Dünchheim, Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen, S. 56; Ehlers, DVBl. 1998, 497 (498 f.); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 465 Rn. 727; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 237  f.; Neutz, in: Wurzel/ Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 45 71 Rn. 99 ff. 922  Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieund Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 489. 923  Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieund Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 490 f., 495. 924  BGH, Urteil vom 10.02.2005 – III ZR 294/04, NJW 2005, 1720 (1721); siehe zum Begriff der Daseinsvorsorge auch Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117, Rn. 249; Meier, NZG 1999, 196 (196). 920  van

921  § 103



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 311

Ein rechtfertigender öffentlicher Zweck kann jedoch auch außerhalb des Bereichs der Daseinsvorsorge gegeben sein. Die Beurteilung ist Aufgabe einer sachgerechten auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden Kommunalpolitik, die einer gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglich ist.925 Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand rechtfertigt sich folglich alleine aus der Erfüllung eines öffentlichen Zwecks zum Wohle der Bürger926. Andernfalls würde der Staat zum Privaten927. Der öffentliche Zweck legt die Kommunalwirtschaft auf Gemeinwohlbelange fest928. Diese müssen präzisiert und fixiert werden929. Alleine die Zielsetzung, für den städtischen Haushalt Gewinne zu erwirtschaften, entspricht dabei nach einigen Gemeindeordnungen ausdrücklich keinem öffentlichen Zweck in diesem Sinne930. Otting spricht insoweit von einer „quantitative Grenze der durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten kommunalen Wirtschaftsaktivität“ und verlangt für die Legitimation reiner Erwerbswirtschaft einen Bezug zu ört­ lichen Aufgaben, deren Finanzierung durch die Wirtschaftstätigkeit sichergestellt wird931. Durch die Deklaration nicht wirtschaftlicher Zielsetzungen zum Gesellschaftszweck löst sich der (vermeidliche) Widerspruch zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Gesellschaftszweck zugunsten des öffentlichen Zwecks auf932. Das öffentliche Interesse der kommunalen Gesellschafterin wird zum Gesellschaftsinteresse933. 925  BVerwG,

Urteil vom 22.02.1972 – I C 24.69, BVerwGE 39, 329 (333 f.). in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 501, 505 Rn. 12. 927  Ehlers, DVBl. 1998, 497 (499 f.). 928  Neutz, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 45, 72 Rn. 100; Ehlers, DVBl. 1998, 497 (498). 929  Ehlers, DVBl. 1998, 497 (500). 930  BVerfG, Beschluss vom 08.07.1982 – 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (107); BVerwG, Urteil vom 22.02.1972 – I C 24.69, BVerwGE 39, 329 (333 f.); Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117, Rn. 315; Ehlers, DVBl. 1998, 497 (499); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 465 Rn. 727; Hidien, Gemeindliche Betätigungen rein erwerbswirtschaftlicher Art und „öffentlicher Zweck“ kommunaler wirtschaftlicher Unternehmen, S. 71 ff.; Hidien, DÖV 1983, 1002 (1004); Neutz, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 45, 72 Rn. 102, S. 75 Rn. 112 ff. zur Frage, ob unter dem Nothaushaltsrecht die Gewinnerzielung ausnahmsweise als öffentlicher Zweck zulässig sein kann; SchmidtAßmann/Röhl, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, S.  9 Rn. 120; Scholz, DÖV 1976, 441 (insb. 445 ff.). 931  Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 199, 218. 932  Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieund Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 256. 933  Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 161, 178 Rn. 389; Leisner, WiVerw. 1983, 212 (222 f.), der, sofern keine 926  Wurzel/Gaß,

312

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Die Gemeinden, die ihre Aufgaben in Privatrechtsform wahrnehmen, „unterwerfen“934 sich folglich nicht dem Privatrecht in der Weise, dass dessen Maximen oberste Priorität erlangen935. Das Kommunalverfassungsrecht gibt die „Leitplanken“936 für die Beteiligung oder die Gründung einer Gesellschaft privater Rechtsform vor. Dadurch kann zweifelsfrei keine Umformung des Privatrechts im Wege „harmonisierender Auslegung“ erfolgen937. Die Kommunen behalten aber ihre öffentlich-rechtliche Aufgabenbindung. Die in der Privatrechtsordnung vorhandenen Spielräume können für diese besonderen Zwecke genutzt werden938. Dies schlägt sich auch in den gesellschaft­ lichen Interessen nieder und verdrängt mitunter die Maxime, Gewinne zu erzielen. (2) D  emokratisches und rechtsstaatliches Interesse der Gesellschafterin „Kommune“ an Öffentlichkeit Demokratie-, Rechtsstaats- und damit auch das Öffentlichkeitsprinzip, gelten für Träger öffentlicher Gewalt unabhängig von der gewählten Rechtsform. Das VG Regensburg weist diesbezüglich darauf hin, dass die zunehmende Privatisierung es nicht rechtfertige, „die Grundprinzipien, wie das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip und seine Ausformungen, über Bord zu werfen“. Diese seien „Kulturleistungen“, die über Generationen erworben werden mussten und es nicht verdient hätten, auf dem „Altar des Gesellschaftsrechts“ geopfert zu werden.939 Aus der politischen, demokratischen Verantwortung und der Bindung der Kommunen an Recht und Gesetz, insbesondere an die kommunale Selbstver-

Minderheitsbeteiligungen bestehen, sogar im Rahmen einer AG die zwingende Maxime, Gewinne erzielen zu müssen, durch die Bestimmung eines abweichenden öffentlichen Zwecks für umformbar hält. 934  Hansen, GemHH 1990, 270 (271); Harder/Ruter, GmbHR 1995, 813 (814); Püttner, DVBl. 1986, 748 (751); Wilhelm, DB 2009, 944 (944 f.); BGH, Urteil vom 13.10.1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 (336). 935  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (370), mit Hinweis darauf, dass unter Berücksichtigung der Notwenigkeit der Verfolgung eines öffentlichen Zwecks nicht von einer „Unterwerfung“ er Gemeinden unter das Privatrecht gesprochen werden könne. 936  Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 161, 163 Rn. 242 und S. 181, 182 Rn. 412. 937  Hansen, GemHH 1990, 270 (270); Püttner, DVBl. 1986, 748 (751). 938  Püttner, DVBl. 1986, 748 (751). 939  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (370, 373).



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 313

waltung, folgt daher ein grundsätzlich anzunehmendes Interesse der Kommune an Transparenz und Öffentlichkeit940. Wenn gesetzliche oder wettbewerbliche Aspekte dem nicht entgegenstehen, kann folglich auch die grundsätzliche Öffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte vom unternehmerischen Interesse kommunaler Eigengesellschaften gedeckt sein. Zu denken ist dabei beispielhaft an kommunale Eigengesellschaften, die sozialstaatliche Aufgaben, wie ausbildungsbegleitende Hilfen anbieten und zur Akzeptanz ihrer Arbeit in der Öffentlichkeit ein großes Interesse an der Transparenz ihrer Tätigkeit haben. (3) Keine entgegenstehenden Interessen Dem entgegen stehende durchgreifende Interessen existieren im Hinblick auf kommunale Eigengesellschaften nicht. Wenn gegen die Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen kommunaler Eigengesellschaften eingewendet wird, diese würden dadurch zu „ausgelagerten Gemeinderatssitzungen“941, ist das Problem dieses Befunds nicht zu erkennen. Dieser Effekt wird vielmehr der demokratisch notwendigen Kon­ trolle über staatliches Handeln, insbesondere im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung, gerecht, indem eine „Flucht ins Privatrecht“ unterbunden wird. Ein Bedürfnis nach Nichtöffentlichkeit zum Schutz des Vertrauens des Rechtsverkehrs kann empirisch nicht festgestellt werden und ist darüber hinaus auch nicht begründet, da allgemein bekannt ist, dass Eigengesellschaften kommunalrechtlichen Einflüssen unterliegen. Lediglich zwingende Gläubigerschutzregeln sind für den Rechtsverkehr einzuhalten. Die Nichtöffentlichkeit der Aufsichtsratstätigkeit gehört nicht dazu.942 Hätte der Gesetzgeber in der Einschränkung der Geheimhaltungspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern eine Gefährdung der Autonomie des fakultativen Aufsichtsrats gesehen, hätte er die Geheimhaltungspflicht nicht als dispositives Recht ausgestaltet943. Da die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen nicht ausdrücklich normiert ist und nur aus der grundsätzlichen Verschwie940  Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1358); Schwerdtner, KommJur 2007, 169 (171), der darauf hinweist, dass es zumindest nicht Ziel der Kommune sein kann ihre wirtschaftliche Tätigkeit möglichst geheim zu gestalten. 941  Bettenburg/Weirauch, DÖV 2012, 352 (356). 942  Siehe dazu ausführlicher Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1358). 943  VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (623); Schwerdtner, KommJur 2007, 169 (171); VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (372).

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

genheits- und Geheimhaltungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder abgeleitet werden kann944, kann für die Nichtöffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte nichts anderes gelten. (4) Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder Das zentrale Argument gegen die Sitzungsöffentlichkeit von Aufsichtsräten kommunaler Eigengesellschaften ist die Annahme, die Aufsichtsratsmitglieder könnten nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit verantwortlich ihren Aufgaben nachkommen945. In kommunalen Eigengesellschaften handelt es sich bei den Aufsichtsratsmitgliedern um von kommunalen Volksvertretungen entsendete Mandatsträger, das heißt gewählte Kommunalpolitiker. Diese sind es – auch wenn es sich um ehrenamtlich Tätige handelt – gewohnt, öffentlich zu arbeiten und haben sich in Kenntnis dessen wählen lassen946. Ihnen zu attestieren, sie könnten auf Grund ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit nur dann verantwortlich handeln, wenn sie der Beobachtung durch die Öffentlichkeit entzogen sind947, kommt einer Bankrotterklärung demokratischer Repräsentation gleich. Das Argument, die Entscheidungen des Aufsichtsrats sollen nur durch diejenigen beeinflusst werden, die auch die entsprechende Verantwortung zu tragen haben948, steht im Widerspruch zur demokratischen Grundlage, auf der kommunale Eigenbetriebe gegründet werden. Demokratie lebt gerade von der Beeinflussung der gewählten Entscheidungsträger durch das Volk. Dieser Austausch zwischen Wählern und Repräsentanten stellt keine „Manipulationsanfälligkeit“949 dar, sondern ermöglicht eine Willensbildung vom Volk zum Staat. Im Rahmen der Sitzungsöffentlichkeit wird dieser Prozess als Integrationsfunktion bezeichnet950. Das Fehlen eines öffentlichen Diskurses führt dazu, dass das Sonderinteresse der Gesellschaft im Verhältnis zur öffentlich-rechtlichen Zwecksetzung überbewertet wird951.

944  Kapitel

aa) Anwendbarkeit des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit, S. 303 ff. DB 2009, 944 (945). 946  Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1358). 947  Wilhelm, DB 2009, 944 (946). 948  Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktienG, § 109 Rn. 1; so im Ergebnis auch Wilhelm, DB 2009, 944 (945). 949  Harder/Ruter, GmbHR 1995, 813 (814). 950  Siehe dazu auch Kapitel d)  Kontroll- und Integrationsfunktion der Öffentlichkeit, S. 65 ff. 951  Beteiligungsbericht der Stadt Essen von 1997, zit. nach Ehlers, DVBl. 1998, 497 (505). 945  Wilhelm,



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 315

Die Unabhängigkeit der Entscheidungsfindung von der öffentlichen Meinung, die im Rahmen rein privatrechtlicher Gesellschaften stichhaltig sein mag, greift im Fall kommunaler Eigengesellschaften nicht. Zum einen müssen die Konsequenzen unternehmerischer Entscheidungen von Gesellschaften der öffentlichen Hand von der Öffentlichkeit getragen werden, zum anderen besteht die Verantwortung der von der kommunalen Volksvertretung entsendeten Aufsichtsratsmitglieder gerade in der öffentlichen Begründung und Rechtfertigung ihrer Entscheidungen. Ein Öffentlichkeitsausschluss kommt daher eher einer Freistellung der entsendeten Ratsmitglieder von der Verantwortung als einer Bündelung derselben bei den Entscheidungsträgern gleich. Der Grund für die öffentliche Hand, eine private Rechtsform zu wählen, um damit die Unabhängigkeit von (partei-)politischen Diskussionen zu erreichen952, muss insofern als eine missbräuchliche Nutzung des Wahlrechts der Rechtsform953 qualifiziert werden954. Warum eine öffentliche Diskussion die Aufsichtsratstätigkeit überhaupt soweit beeinflussen soll, dass eine Kontrolle der Geschäftsführung nicht mehr wirksam möglich sein soll, ist, angesichts dessen, dass Mandatsträger in Deutschland Bürgermeister und Kommunalverwaltung grundsätzlich in öffentlichen Sitzungen überwachen, darüberhinaus nicht ersichtlich955. (5) Haftung Insofern geht auch das Argument, eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder sei bei öffentlichen Aufsichtsratssitzungen wegen fehlender Verantwortlichkeit nicht möglich956, fehl. Der Grundgedanke dabei ist, dass die Aufsichtsratsmitglieder im Fall der Öffentlichkeit der Aufsichtsratssitzungen nicht mehr „alleine die Sache des Unternehmens“ betreiben und eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Unternehmensschädigung im Falle einer Insolvenz nicht zweifelsfrei ermittelt werden könne957. Dieser Ansatz lässt unberücksichtigt, dass „die Sache des Unternehmens“ gerade im Fall kommunaler Eigengesellschaften nicht alleine durch wirtschaftliche Aspekte bestimmt wird, sondern auch die öffentlichen Zielsetzungen zu beachten sind, auf Grund derer die Unternehmensgründung überhaupt WiVerw. 1983, 212 (216). Wahlrecht der Rechtsform siehe Einleitung zu Kapitel 3.  Öffentlichkeit kommunaler Aufsichtsräte?, S. 292 ff. 954  Kritisch dazu auch Leisner, WiVerw. 1983, 212 (224 f.). 955  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (371). 956  Wilhelm, DB 2009, 944 (947 f.). 957  Wilhelm, DB 2009, 944 (947 f.). 952  Leisner, 953  Zum

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

erfolgen konnte958. Alleine diese Unternehmensinteressen sind für die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats maßgeblich. Anders als obligatorische Aufsichtsräte haben fakultative Aufsichtsräte keine Interessen der Allgemeinheit, die über die von der Gesellschafterversammlung übertragenen Aufgaben hinausgehende öffentliche Belange beinhalten, zu wahren959. Unzweifelhaft erschwert dies im Fall einer Insolvenz die Feststellung, wann eine vorsätz­ liche oder grob fahrlässige Unternehmensschädigung durch die Aufsichtsratsmitglieder erfolgt ist. Den öffentlichen Zweck aus haftungsrechtlichen Gründen auszublenden, ist hingegen nicht sachgerecht, da gerade die von der kommunalen Volksvertretung entsendeten Aufsichtsratsmitglieder den öffentlichen Zweck der Gesellschaft auch bei einem Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen des Aufsichtsrats mit berücksichtigen müssen960. Gemeinnützigkeitsklauseln in der Gesellschaftssatzung können sogar verlustbringende Geschäfte rechtfertigten, wenn dabei nicht gegen zwingende Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen wird961. Die Satzung dispensiert dabei die Aufsichtsratsmitglieder nicht von der Wahrung der Interessen der Gesellschaft962, sondern definiert diese Interessen. Der vermeidliche Gegenbeweis, öffentlich tagende Mandatsträger unterlägen keiner Verantwortlichkeit im Sinne einer Geschäftsleiterhaftung963, ist insoweit nicht zutreffend, als Haftungen von Mitgliedern kommunaler Volksvertretungen gesetzlich durchaus vorgesehen sind964. Im Außenverhältnis wird die Haftung zwar durch den allgemeinen Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG auf den Staat, mithin die Gemeinde, übergeleitet, im Innenverhältnis ist ein Rückgriff auf die Mandatsträger auf der Grundlage der kommunalrechtlichen Regelungen jedoch möglich965 und beim Vorliegen der Voraussetzungen aus rechtsstaatlichen Erwägungen auch geboten. Im Übrigen ist die Haftungsüberleitung gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG prinzipiell nichts anderes als die üblicherweise für die Aufsichtsratsmitglie958  Siehe dazu auch Kapitel (1) Öffentlicher Zweck als Unternehmensinteresse, S. 309 ff. 959  BGH, Urteil vom 20.09.2010 – II ZR 78/09, BGHZ 187, 60 (68); Reichsgericht, Urteil vom 07.06.1939 – II 199/38, RGZ 161, 129 (138 f.); Winstel, DStR 2012, 762 (765). 960  Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 161, 178 Rn. 389; Becker, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, S. 181, 199 Rn. 572; Meiski, BayVBl. 2006, 300 (302). 961  Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieund Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 269. 962  So aber Spindler, ZIP 2011, 689 (690). 963  Wilhelm, DB 2009, 944 (948). 964  Z. B. in § 43 Abs. 4 GO NRW. 965  n. n., in: Böhmer u. a., Rechnungswesen, S. 209, 215; Krafft/Rotermund, Kommunales Haftungsrecht, Rn. 1234.



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 317

der einer Gesellschaft abgeschlossenen D&O-Versicherungen, aus denen ebenfalls nicht geschlossen wird, die von der Versicherung geschützten Organe oder Angestellten eines Unternehmens seien durch diese von jeder Verantwortung freigestellt. (6) S  chutz vertraulicher Informationen auch bei grundsätzlicher ­Sitzungsöffentlichkeit durch Öffentlichkeitsausschluss Zu beachten ist insbesondere auch, dass bei Bedarf auch das Kommunalverfassungsrecht den Ausschluss der Öffentlichkeit ermöglicht. Die Behauptung, Aufsichtsratssitzungen privatrechtlicher Gesellschaften der öffentlichen Hand könnten bei Annahme einer vollständigen Abdingbarkeit des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit öffentlicher gestaltet werden als die der jeweiligen Vertretungskörperschaft966, verkennt, dass der Grundsatz „keine Flucht ins Privatrecht“ gerade verhindert, dass sich die öffentliche Hand durch die Wahl einer privatrechtlichen Form ihrer gesetzlichen Bindungen entledigt967. Die Belange des öffentlichen Wohls und die Interessen einzelner, insbesondere die Einhaltung des Datenschutzrechts, müssten auch bei der Statuierung grundsätzlich öffentlicher Aufsichtsratssitzungen eingehalten werden. Zu denken ist dabei insbesondere dann an einen Öffentlichkeitsausschluss, wenn die Öffentlichkeit die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens gefährden wür­de968, denn eine solche Gefährdung der kommunalen Eigengesellschaft würde auch eine Gefährdung des öffentlichen Wohls darstellen. Dies folgt nicht nur aus dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch aus der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, die insoweit nicht grenzenlos gilt969. Es ist daher nicht zu befürchten, dass mehr öffentlich beraten wird als das, was auch in der kommunalen Volksvertretung öffentlich behandelt werden kann. (7) Umgehungsmöglichkeiten Zuletzt wird gegen die Möglichkeit öffentlicher Sitzungen fakultativer Aufsichtsräte kommunaler Eigengesellschaften eingewendet, diese Option würde dazu führen, dass gezielt Minderheitsbeteiligungen von Privaten gesucht werden würden, um der öffentlichen Forderung nach mehr Transparenz entgehen zu können970. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die AusnutDÖV 2012, 352 (356). im Ergebnis auch Seibert/Böttcher, ZIP 2012, 12 (17). 968  Kühne/Czarnecki, LKV 2005, 481 (484). 969  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (371). 970  Seibert/Böttcher, ZIP 2012, 12 (17). 966  Bettenburg/Weirauch, 967  So

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

zung eventueller Umgehungsmöglichkeiten kein Argument dafür sein kann, die demokratisch notwendige, sinnvolle und mögliche Kontrolle präventiv auszuschließen. ee) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzustellen, dass Gemeinden als Gesellschafter kommunaler Eigengesellschaften weitestgehend frei darin sind das Unternehmens­ interesse – und damit die Sitzungsöffentlichkeit des Aufsichtsrats – zu bestimmen971. Die Satzung einer kommunalen Gesellschaft „[…] kann die Informationsbefugnisse beliebig ordnen, einschränken und ausweiten und sie kann auch die Regeln der Vertraulichkeit ordnen und vor allem noch weiter einschränken.“972 Maßgeblich ist dabei das Gesellschaftsinteresse. Die Öffentlichkeit eines fakultativen Aufsichtsrats einer kommunalen Eigengesellschaft kann grundsätzlich dessen (kommunalpolitischem) Interesse entsprechen. Ein nicht öffentlicher Kernbereich existiert dabei nur insoweit, als zwingende Gründe für einen Öffentlichkeitsausschluss beachtet werden müssen. Diese können sich aus den Rechten Dritter, insbesondere dem Gläubigerschutz oder dem Schutz personenbezogener Daten973, und dem öffentlichen Wohl (Verfolgung des öffentlichen Zwecks, Wettbewerbsfähigkeit) ergeben. Ob und inwieweit solche Aufsichtsratssitzungen öffentlich gestaltet werden, liegt folglich im Ermessen der Gesellschafterin, d. h. der Kommune974. Sie hat den kommunalverfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatz, die Funktions- und Kontrollfähigkeit des Aufsichtsrats sowie die berechtigten

971  Kühne/Czarnecki, LKV 2005, 481 (483); Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2566) „Die Gemeinde entscheidet als Alleingesellschafterin nach Belieben, wem die Aufsichtsratsmitglieder der kommunalen Eigen-GmbH Auskunft zu erteilen haben.“ 972  Lutter, in: Hommelhoff/Lutter, GmbHG, § 52 Rn. 26, mit Verweis auf Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, Rn. 775 ff. 973  Kühne/Czarnecki, LKV 2005, 481 (483, 485). 974  So im Hinblick auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Kommunalverfassungsrecht auch Knemeyer, KommJur 2007, 241 (242), der feststellt, dass es der jeweiligen Trägerkommune obliegt, „die vom Gesetzgeber gewährten Spielräume zu nutzen und ihre kommunalpolitischen Vorstellungen im Gesellschaftsvertrag umzusetzen“; Kühne/Czarnecki, LKV 2005, 481 (484), geht von einer ­Prüfungs- und Abwägungspflicht der Gemeinden aus, hält aber eine generelle Öffentlichkeit der Aufsichtsratssitzungen für unzulässig; Böttcher, NZG 2012, 809 (811) attestiert Gesellschaftern einer GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat „weite Gestal­ tungsfreiheit“; Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (162); Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 52 Rn. 24 ff.



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 319

Ansprüche von Privatpersonen, das Allgemeinwohl und die zwingenden Unternehmensinteressen gegeneinander abzuwägen975. Dieses Ergebnis wird durch eine einfache Kontrollüberlegung bestätigt: Ist die Kommune nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen976 als Gesellschafterin frei darin zu entscheiden, ob überhaupt ein Aufsichtsrat gebildet werden soll, so muss ihr erst recht die Kompetenz zugebilligt werden, diesen im Falle seiner Bestellung, auszugestalten, das heißt, darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen öffentlich getagt werden soll, denn die primäre demokratische Kontrolle der Eigen- oder Beteiligungsgesellschaft obliegt der kommunalen Volksvertretung977, die ohnehin nach den kommunalverfassungsrechtlichen Vorgaben über eine öffentliche oder nicht öffentliche Behandlung der Angelegenheiten entscheiden muss. Wenn die öffentliche oder nicht öffentliche Behandlung also spätestens bei der kommunalen Gesellschafterin nach den kommunalverfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsbestimmungen beurteilt wird, ist nicht nachvollziehbar, warum diese Regelungen nicht auch auf Ebene der fakultativen Aufsichtsräte Anwendung finden können. d) Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen Für gemischt-wirtschaftliche Unternehmen gilt, insbesondere, wenn die öffentliche Hand lediglich Minderheitsbeteiligte ist, insofern etwas anderes, als die Interessen der privaten Mitgesellschafter zu berücksichtigen sind. Durch die Gemengelage privater und öffentlicher Interessen kann der öffentliche Zweck nicht mit gleicher Priorität, wie bei Eigengesellschaften verfolgt werden978. Würden Unternehmen mit kommunaler Beteiligung „gläsern“ werden, würde dies die privatwirtschaftliche Zusammenarbeit der öffent­ 975  VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (623); OVG Münster, Beschluss vom 21.12.1995 – 15 B 3199/95, NWVBl. 1997, 67 (68); VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (368, 371 f.); Schwerdtner, KommJur 2007, 169 (171). 976  Zwar schreibt das Gesellschaftsrecht die Einrichtung eines Aufsichtsrats in Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit weniger als 500 Mitarbeitern nicht zwingend vor, aus der kommunalrechtlichen Pflicht der Gemeinde einen angemessenen Einfluss auf die Gesellschaft sicherzustellen, folgt regelmäßig jedoch die Obliegenheit einen Aufsichtsrats zu etablieren, vgl. § 103 Abs. 1 Nr. 3 GemO BW; Art. 92 Abs. 1 Nr. 2 GO BY; § 96 Abs. 1 N. 2 BbgKVerf; § 122 Abs. 1 Nr. 3 HGO; § 69 Abs. 1 Nr. 4 KV M-V; § 137 Abs. 1 Nr. 5 NKomVG; § 108 Abs. 1 Nr. 6 GO NRW; § 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GemO  RP; § 110 Abs. 1 Nr. 3 KSVG  SL; § 102 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GO SH; § 96 Abs. 1 Nr. 2 SächsGemO; § 129 Abs. 1 Nr. 3 KVG LSA; § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ThürKO. 977  Meiski, BayVBl. 2006, 300 (302); Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2566). 978  Leisner, WiVerw. 1983, 212 (214).

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C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

lichen Hand mit Investoren erschweren. Strategische Partnerschaften würden erschwert bis unmöglich gemacht979. In diesen Fällen ist daher von einem stärkeren Bedürfnis der Gesellschafter nach Nichtöffentlichkeit der Aufsichtsratssitzungen auszugehen. Aber auch unter diesen Umständen besteht kein Bedürfnis von einem nicht öffentlichen „Kernbereich der gesellschaftsrechtlichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ auszugehen. Dieser Ansatz spricht den Gesellschaftern die Fähigkeit ab, selber erkennen und entscheiden zu können, welche Inhalte zum Schutz des Unternehmens nicht öffentlich beraten werden müssen. Ein solcher „Schutz vor sich selber“ wird der freien unternehmerischen Tätigkeit der Beteiligten nicht gerecht. Eine Kommune muss nicht nur als Gesellschafterin, sondern auch in der täglichen Verwaltungsarbeit für die kommunale Volksvertretung entscheiden, welche Informationen öffentlich und welche nicht öffentlich behandelt werden müssen. Auch einem privaten Gesellschafter ist zuzutrauen, dass er die Konsequenzen seiner Entscheidungen, insbesondere wenn es um die Weitergabe von Unternehmensinterna geht, abschätzen kann. Es ist folglich nichts dagegen einzuwenden, dass die Gesellschafter die Reichweite des Öffentlichkeitsausschlusses nach ihrem Ermessen selber gestalten. Auf Grund der Beteiligung Privater sind bei gemischt-wirtschaft­ lichen Unternehmen allerdings keine so weitreichenden Öffentlichkeitsregelungen zu erwarten, wie diese bei kommunalen Eigengesellschaften denkbar sind. e) Mögliche Transparenzregelungen Gleich, ob es sich um eine kommunale Eigen- oder nur eine Beteiligungsgesellschaft handelt, die Feststellung, dass die Nichtöffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte abdingbar ist, bedeutet nicht zugleich deren vollständige Öffentlichkeit. Die Konsequenz ist vielmehr nur die Eröffnung eines Ermessensspielraums für die Gesellschafter, die Transparenz der Aufsichtsratstätigkeit im Rahmen der Satzung vertraglich auszugestalten. In diesem Rahmen handelt es sich rein rechtstechnisch nur im Fall der Sitzungsöffentlichkeit, das heißt der allgemeinen Zugänglichkeit der Aufsichtsratssitzungen, um eine Öffentlichkeitsregelung980. Alle anderen Transparenzregelungen stellen DÖV 2012, 352 (355). Wilhelm, DB 2009, 944 (945 f., 948), der unter dem Begriff der Sitzungsöffentlichkeit nur die allgemeine Zugänglichkeit fasst, d. h. die Öffentlichkeit in Aufsichtsräten nur für die Beratungen und Entscheidungen ausschließt, mit der Nichtöffentlichkeit der Aufsichtsräte die Bekanntgabe der Tagesordnung oder der Sitzungsergebnisse für vereinbar hält – Nichtöffentlichkeit solle nicht gleichzusetzen sein mit Geheimpolitik. 979  Bettenburg/Weirauch, 980  A. A.



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 321

Formen der Nichtöffentlichkeit dar981. Ungeachtet der terminologischen Einordnung sind verschiedene Bestimmungen denkbar: Gerichtlich festgestellt wurde bereits, dass eine Regelung, nach der die Tagesordnung im Vorfeld einer Aufsichtsratssitzung öffentlich bekannt gemacht wird, mit dem Gesellschaftsrecht vereinbar ist982. Gleiches gilt für den presserechtlichen Auskunftsanspruch auf Bekanntgabe des Inhalts von Aufsichtsratssitzungen. Grund für den Auskunftsanspruch ist, dass unter einer Behörde im Sinne des Presserechts jedes staat­ liche Tätigkeit ausübende Organ zu verstehen ist, sofern dieses öffentliche Aufgaben mit öffentlichen Mitteln wahrnimmt983. Voraussetzung für den Anspruch ist bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen ein beherrschender Einfluss der öffentlichen Hand984. Dafür ist jedenfalls eine 72-prozentige Beteiligung ausreichend985. Ob bereits 51 Prozent ausreichen, ist noch ungeklärt986. Rechtskonform ist darüber hinaus auch eine Trennung der Sitzungen in einen öffentlichen und nicht öffentlichen Teil987. Dementsprechend kann auch die Einsicht in die Protokolle der Aufsichtsratssitzungen durch Dritte, selbst wenn diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, durch den Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Zu denken ist dabei insbesondere an eine Regelung, nach der nach Fertigstellung des Protokolls, beispielsweise durch den Aufsichtsratsvorsitzenden, entschieden wird, welche Entscheidungen und Beratungsabläufe ohne Nachteile für die Gesellschaft öffentlich gemacht werden können.

981  Siehe zu den Voraussetzungen kommunaler Sitzungsöffentlichkeit bei der Vorbereitung, Durchfürhung und Nachbereitung von Sitzungen Kapitel II.  Tatsächliche Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 147 ff. 982  VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (622); VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (371). 983  Meier, NZG 1999, 196 (196). 984  BGH, Urteil vom 10.02.2005 – III ZR 294/04, NJW 2005, 1720 (1721); VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (368); Kühne/ Czarnecki, LKV 2005, 481 (484). 985  BVerfG, Beschluss vom 16.05.1989 – 1 BvR 705/88, NJW 1783 (1783). 986  Meier, NZG 1999, 196 (197). 987  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (371 f.); Bettenburg/Weirauch, DÖV 2012, 352 (354); VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (623); Bayerisches Staatsministerium des Inneren, Drucksache 15/7754, S. 2; Lohner/Zieglmeier, BayVBl. 2007, 581 (584); Schulz, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 93 Ziff. 3.2.1 S. 8; van Kann/Keiluweit, DB 2009, 2251 (2255).

322

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Umstritten ist, ob auch eine Teilnahme Dritter als Zuhörer gestattet werden kann. Dabei ist zwischen folgenden Abstufungen zu differenzieren: Zunächst könnte eine Teilnahme nur bestimmten, vereinzelten Personen ermöglicht werden, z.  B. ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern, Fraktionsvorsitzenden oder Personen mit besonderer Sachkunde. Darüber hinaus könnten auch allgemein allen Mandatsträgern der kommunalen Volksvertretung ein Teilnahmerecht eingeräumt werden. Zuletzt ist auch eine Teilnahmemöglichkeit für jedermann, das heißt die grundsätzliche Sitzungsöffentlichkeit, denkbar. Unstrittig ausgeschlossen ist die ständige Teilnahme Dritter, gleich ob als zuhörender Gast oder als beratendes Mitglied, im Rahmen obligatorischer Aufsichtsräte988. Die Entscheidung des VGH München zur Rechtmäßigkeit eines Bürgerentscheids, der auf die Bekanntgabe der Tagesordnungen der Aufsichtsräte gerichtet war, wird mitunter so interpretiert, dass die Zulassung Dritter in Sitzungen fakultativer Aufsichtsräte, die Grenzen des rechtlich möglichen überschreite. Das Gericht bejaht die Rechtmäßigkeit des Bürger­ entscheids mit dem Hinweis, dass eine „Information über die Themen, nicht aber über die interne Willensbildung und Entscheidungsfindung im Gremium angestrebt wird.“989 Daraus wird geschlossen, dass das Ansinnen, die interne Willensbildung und Entscheidungsfindung, zum Beispiel durch Teilnahmerechte Dritter, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, unzulässig sei. Im Ergebnis lässt das Gericht die Frage jedoch offen, so dass die Entscheidung nicht als Hinweis auf die Unzulässigkeit oder Zulässigkeit Dritter in fakultativen Aufsichtsräten bewertet werden kann990. Die Grundlage für die Zulassung Dritter ist die gesetzliche Regelung. Die Öffnungsklausel des § 52 Abs. 1 GmbHG, die § 109 AktG nicht in Bezug nimmt und § 101 Abs. 1 S. 1 AktG unter den Vorbehalt, „soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist“, stellt, ermöglicht aus den vorgenannten Gründen die Teilnahme im Rahmen von fakultativen Aufsichtsräten nach dem Ermessen der Gesellschafter991. Die in Bezug auf die Teilnahmemöglichkeiten Dritter für obligatorische Aufsichtsräte entwickelten Grundsätze sind nicht auf fakultative Aufsichtsräte übertragbar992. Die Ge988  Böttcher, NZG 2012, 809 (810); BGH, Beschluss vom 30.01.2012 – II ZB 20/11, DStR 2012, 762 (762); Pittrof, RbHb 23.12.2012; Stoffels, LMK 2012, 333919; Winstel, DStR 2012, 762 (762). 989  VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (624). 990  So ausdrücklich auch BGH, Beschluss vom 30.01.2012 – II ZB 20/11, DStR 2012, 762 (764); siehe auch Winstel, DStR 2012, 762 (765). 991  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (372); Böttcher, NZG 2012, 809 (811). 992  Winstel, DStR 2012, 762 (765) mit Verweis auf BGH, Urteil vom 20.09.2010 – II ZR 78/09, BGHZ 187, 60 (66); a. A. OVG Münster, Beschluss vom 21.12.1995 –



IV. Die Reichweite der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit 323

sellschafter müssen, sofern Dauer-Gast-Rechte gewünscht sind, im Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Regelung aufnehmen. Dabei haben sie darauf zu achten, dass die Regelung „mit der Stellung und den Aufgaben des Aufsichtsrats vereinbar ist“993. Andernfalls bleibt es beim gesetzlichen Regelfall, das heißt der Unzulässigkeit Dritter in den Aufsichtsratssitzungen. Folgt man dieser Rechtsauffassung, bestehen keine Gründe, die Möglichkeit der Teilnahme Dritter auf bestimmte Personenkreise zu begrenzen. Es steht vielmehr im Ermessen der Gesellschafter, ob, wie viel und welche Öffentlichkeit die Arbeit des Aufsichtsrats und die Gesellschaft verträgt. Rein rechtlich ist unter Berücksichtigung der Rechte Dritter und des öffentlichen Wohls folglich auch die generelle Sitzungsöffentlichkeit zulässig994. Unabhängig davon, welche Öffentlichkeitsform zugelassen wird, im Gesellschaftsvertrag sollte in jedem Fall geregelt werden, wer über die Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit entscheidet995. f) Fazit Sowohl obligatorische, als auch fakultative Aufsichtsräte kommunaler Eigengesellschaften oder Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung tagen grundsätzlich nicht öffentlich. Der Öffentlichkeitsausschluss ist jedoch bei fakultativen Aufsichtsräten durch den Gesellschaftsvertrag abdingbar996. Dies stellt keine „Überlagerung der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben durch das öffentliche Recht“997 dar, sondern ist nur die Konsequenz der bereits im Gesellschaftsrecht angelegten Disponibilität der Nichtöffentlichkeit fakultativer Aufsichtsräte998. Die Gesellschafter sind „Herr des Geheimnisses“ – dies gilt insbesondere für Ein-Mann-Gesellschaften999, das heißt kommunale Eigengesellschaften. 15 B 3199/95, NWVBl. 1997, 67 (68); Städte- und Gemeindebund Nordrhein-West­ falen, Mitt. NWStGB 240/1996. 993  OVG Münster, Beschluss vom 21.12.1995 – 15 B 3199/95, NWVBl. 1997, 67 (68), das dabei die Frage, ob § 109 AktG trotz der fehlenden Inbezugnahme gilt, ausdrücklich offen lässt. 994  A. A. u. a. ausdrücklich Kühne/Czarnecki, LKV 2005, 481 (484). 995  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (372); so auch van Kann/Keiluweit, DB 2009, 2251 (2255), mit einem Formulierungsvorschlag für eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag. 996  A. A. Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn 43 mit Verweis auf Wellmann, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 113 IV.6. 997  Dazu kritisch Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 262. 998  VG Regensburg, Urteil vom 02.02.2005 – 3 K 04.01408, LKV 2005, 365 (371). 999  Spindler, ZIP 2011, 689 (692).

324

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

Aus der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit folgt keine Pflicht der Kommune, von der Abdingbarkeit der Nichtöffentlichkeit fakultativer Aufsichtsratssitzungen kommunaler Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften zugunsten einer grundsätzlichen Öffentlichkeit Gebrauch zu machen1000. Ob und wie weit die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen fakultativer Aufsichtsräte kommunaler Eigenbetriebe eingeschränkt werden kann und soll, wird nicht von einem „Kernbereich des objektiven unternehmerischen Interesse“ vordeterminiert, sondern steht im Ermessen der Kommune als (Mit-)Gesellschafterin. Die Frage der Praktikabilität einer Öffentlichkeitsregelung1001 ist dabei streng von der rechtlichen Möglichkeiten zu trennen1002. Die Kommune hat als Gesellschafterin die Ausschlussgründe gegen die Pflicht zu möglichst umfassender Transparenz und Öffentlichkeit abzuwägen. Tatsächlich wird es in vielen Fällen aus rein praktischen Gesichtspunkten sinnvoll sein, den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit beizubehalten. Zu denken ist dabei an die zahlreichen kommunalen Unternehmen, die im Bereich der Daseinsvorsorge am freien Markt im Wettbewerb tätig sind, zum Beispiel Strom- und Gasanbieter. Im Ergebnis kann eine Kommune es bei fakultativen Aufsichtsräten daher bei der gesellschaftsrechtlichen Nichtöffentlichkeit belassen oder aber eine grundsätzliche Öffentlichkeit herstellen und die Öffentlichkeit nur für die Tagesordnungspunkte ausschließen, die eine vertrauliche Behandlung erfordern.

V. Formelle und materielle Öffentlichkeit 1. Definition der Sitzungsöffentlichkeit Die üblicherweise als Definition für die Sitzungsöffentlichkeit verwendete „Zugänglichkeit“ hat zwar eine zentrale Funktion, ist für die Gewährung von Öffentlichkeit alleine jedoch nur dann ausreichend, wenn darunter neben der 1000  So Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (166), der aus Transparenzgründen jedoch großzügige Öffentlichkeitsregelungen empfiehlt; a.  A. wohl Meiski, NVwZ 2007, 1355 (1355) der bereits die Geltung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit für fakultative Aufsichtsräte kommunaler Eigenbetriebe ablehnt und dadurch im Ergebnis eine weitgehende Öffentlichkeitspflicht statuiert. 1001  Zu möglichen Problemen in der praktischen Handhabung, siehe Wilhelm, DB 2009, 944 (946). 1002  So ausdrücklich VGH München, Urteil vom 08.05.2006 – 4 BV 05.756, NVwZ-RR 2007, 622 (624), zur Frage des praktischen Vollzugs der rechtssicheren Beurteilung, wie weit die Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern reicht; ähnlich auch Spindler, ZIP 2011, 689 (692), der die möglichen (negativen) Auswirklungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit betont.



V. Formelle und materielle Öffentlichkeit325

tatsächlichen Zutrittsmöglichkeit auch alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen im Vorfeld, während und nach der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung verstanden werden. Der Grund dafür ist, dass die Entscheidung für eine Nutzung des Zugangsrecht die Kenntnis von Ort, Zeit und Inhalt der Sitzung voraussetzt. Die Gemeindeordnungen stellen dies durch eine Vielzahl von Verfahrensvorschriften sicher. Als zwingende Voraussetzungen für die Öffentlichkeit einer Sitzung sind diese Regelungen unverzichtbarer Bestandteil der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Gleiches gilt für die Dokumentation des Beratungsverlaufs und der gefassten Beschlüsse in den Niederschriften über die Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen, denn es ist aus praktischen und tatsächlichen Gründen immer nur einem kleinen Teil der Bevölkerung möglich, persönlich an den Sitzungen teilzunehmen. Das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit würde mithin ausgehölt werden, würde sie nicht auch die Einsicht in die Protokolle und eine Information über die gefassten Beschlüsse beinhalten. Es muss der Bürgerschaft möglich sein, auch Berichterstattungen in der Presse, im Radio oder im Fernsehen anhand offizieller Dokumentationen zu überprüfen. Die übliche Zugänglichkeits-Definition muss daher weiter gefasst oder zumindest weiter verstanden werden. Rösch formuliert Öffentlichkeit daher bereits als „mögliche Zugänglichkeit oder Wahrnehmbarkeit“1003. Bei genauer Betrachtung besteht das Öffentlichkeitsgebot aus zwei Elementen: dem rechtlichen Dürfen und dem tatsächliche Können. In einem umfassenden Sinn kann die Sitzungsöffentlichkeit daher wie folgt definiert werden: Die Sitzungsöffentlichkeit ist dann gewährleistet, wenn keine rechtlichen oder tatsächlichen Zugangshindernisse bestehen und der Sitzungsinhalt vollständig wahrgenommen und nachvollzogen werden kann.

Dies beinhaltet den diskriminierungsfreien Zugang genauso wie eine Sitzungsvorbereitung, -durchführung und -nachbereitung, die auf die Belange der Öffentlichkeit angemessen Rücksicht nimmt und der Allgemeinheit alle notwendigen Informationen zur Verfügung stellt. Bestehen tatsächliche Beschränkungen, die bei der Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten bemerkt und beseitigt werden können, stellen diese genauso eine Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit dar wie das rechtliche Teilnahmeverbot ohne das Vorliegen inhaltlicher Gründe1004. 1003  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 105 – Hervorhebung nicht im Original. 1004  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2.

326

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

2. Rechtliche und tatsächliche Öffentlichkeit Im Ergebnis ist festzustellen, dass die kommunale Sitzungsöffentlichkeit nicht nur die rechtliche Möglichkeit der Bürger, an der Sitzung zu partizipieren, voraussetzt, sondern verlangt, dass von dieser Option tatsächlich Gebrauch gemacht werden kann1005. Die Sitzungsöffentlichkeit besteht folglich aus einer formellen und einer materiellen Öffentlichkeit. Öffentlichkeit im Sinne des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit besteht nur dann, wenn Bürger an Sitzungen der kommunalen Volksvertretung teilnehmen dürfen und teilnehmen können. Aus dieser Differenzierung ergibt sich: Öffentlichkeitsausschluss ist nicht gleich Öffentlichkeitsausschluss. Es sind zwei Arten kommunaler Nichtöffentlichkeit zu unterscheiden: die formelle und die materielle Nichtöffentlichkeit. a) Formelle Nichtöffentlichkeit Eine formelle Nichtöffentlichkeit liegt vor, wenn die Zuschauer nicht an der Sitzung teilnehmen dürfen. Sie kann daher auch als rechtliche Nichtöffentlichkeit bezeichnet werden. Sie ist sowohl dann gegeben, wenn der gesamten Bürgerschaft eine Sitzungsteilnahme untersagt wird, als auch, wenn einzelne oder alle anwesenden Besucher auf Grund ordnungsrechtlicher Maßnahmen von der Sitzung ausgeschlossen werden. Es ist daher zwischen der allgemein- und der individuell-formellen Nichtöffentlichkeit zu unterscheiden. In beiden Fällen besteht ein rechtliches Verbot der Teilnahme. Die Grundlage des Ersteren ist der Inhalt der Sitzung1006, des Letzteren das Verhalten betroffener Zuschauer. Zum Teil wird vertreten, der ordnungsrechtliche Ausschluss eines Zuschauers, selbst wenn von der Maßnahme alle Zuschauer betroffen seien, ändere nichts am öffentlichen Charakter der Sitzung1007. Dieser Ansatz ist wohl dem Bedürfnis geschuldet, die kommunale Volksvertretung vor dem Stigma, die Öffentlichkeit auszuschließen, zu bewahren und die Konsequenzen einer rechtswidrig nicht öffentlichen Sitzung abzuwenden1008.

in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1 S. 170. DÖV 1982, 139 (140). 1007  Gramlich, DÖV 1982, 139 (141); Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284. 1008  Siehe zu den Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit Kapitel F.  Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit, S. 427 ff. 1005  Dehn,

1006  Gramlich,



V. Formelle und materielle Öffentlichkeit327

Einer rechtlichen Würdigung hält diese Annahme nicht stand. Im Fall eines individuell-formellen Öffentlichkeitsausschlusses besteht keine Zugänglichkeit für jedermann. Es ist ggf. nur eine Zugänglichkeit für die, die nicht ausgeschlossen sind, gegeben. Eine solche partielle Öffentlichkeit genügt dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit nicht. Es kommt weder nach der üblichen Definition (der Zugänglichkeit für jedermann) noch nach der hier vorgestellten weiteren Formulierung (des Fehlens rechtlicher oder tatsächlicher Zugangshindernisse) darauf an, ob die Öffentlichkeit ganz oder nur teilweise ausgeschlossen wird oder aus welchen Gründen der Öffentlichkeitsausschluss erfolgt. Ein ordnungsrechtlicher Ausschluss von Zuschauern führt deshalb zu einer nicht öffentlichen Sitzung. Dies gilt erst recht, wenn alle Zuschauer ausgeschlossen werden. Von der Qualifikation einer Sitzung als allgemein- oder individuell-formell nicht öffentlich, ist die Frage der Rechtfertigung des Öffentlichkeitsausschlusses zu trennen. Erst in einem zweiten Schritt – nach der Feststellung der Nichtöffentlichkeit – ist zu überprüfen, ob der Ausschluss der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist und damit rechtmäßig oder rechtswidrig war1009. b) Materielle Nichtöffentlichkeit Im Fall der materiellen Nichtöffentlichkeit ist eine Teilnahme an der Sitzung aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen. Rechtlich darf die Öffentlichkeit zwar an der Sitzung teilnehmen, (zumindest einzelne) Zuschauer können an der Sitzung aber nicht teilnehmen. Das kann verschiedene Ursachen haben: Zum einen können die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Sitzungsteilnahme nicht gegeben sein, beispielsweise wenn der Ort und die Zeit der Sitzung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurden1010 oder der Sitzungssaal für die Zahl der Besucher zu klein ist. Zum anderen können Mängel in der Sitzungsdurchführung oder -nachbereitung zur Folge haben, dass der Sitzungsinhalt nicht nachvollzogen werden kann. Eine Sitzungsteilnahme ist zwar erlaubt und auch die Vorbereitung wurde ordnungsgemäß durchgeführt, so dass auch eine körperliche Anwesenheit möglich ist, die Zuschauer können den Beratungen und Beschlussfassun1009  Siehe dazu Kapitel V.  Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses, S. 123 ff. und D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff. 1010  Reich formuliert insoweit, dass die Sitzung bei einem Fehlen der Bekanntmachung „ihren Charakter als öffentliche Sitzung“ verliert, vgl. Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 25.

328

C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit

gen jedoch auf Grund anderer Umstände nicht folgen. Auch die Beeinträchtigung des Informationsrechts der Öffentlichkeit durch unterlassene Bekanntmachungen der gefassten Beschlüsse, soweit eine solche landesrechtlich vorgegeben ist, oder verwehrte Einsichtnahmen in Protokolle stellen Arten materieller Nichtöffentlichkeit dar1011. c) Auswirkung auf die Rechtfertigung Die Voraussetzung eines rechtmäßigen Öffentlichkeitsausschlusses ist das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrunds für die Beschränkung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Beide Arten kommunaler Nichtöffentlichkeit können im Einzelfall gerechtfertigt sein. Welche inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in die kommunale Sitzungsöffentlichkeit zu stellen sind, hängt davon ab, ob es sich um einen allgemein-formellen, individuell-formellen oder materiellen Öffentlichkeitsausschluss handelt1012.

1011  Siehe zum Recht auf Protokolleinsicht und der Bekanntmachungspflicht gefasster Beschlüsse Kapitel 3. Sitzungsnachbereitung, S. 226 ff. 1012  Siehe zur Rechtfertigung materieller Öffentlichkeit Kapitel II. Tatsächliche Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 147 ff.; zur Rechtfertigung individuell-formeller Nichtöffentlichkeit siehe Kapitel 3. Jedermanns-Recht der Zugänglichkeit, S. 267 ff.

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss Der Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen einer kommunalen Volksvertretung ist nicht zwingend rechtswidrig. Grund dafür ist, dass der Grundsatz der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit seine Grenzen zum einen in der tatsächlichen Unmöglichkeit ihm zu entsprechen1, zum anderen im Schutzbedürfnis anderer gleich- oder höherwertiger Rechtsgüter findet. Die Möglichkeit der Rechtfertigung eines Öffentlichkeitsausschlusses und damit die Zulässigkeit einer nicht öffentlichen Beratung und Beschlussfassung steht unter dem Vorbehalt, dass für die Angelegenheiten nicht ausdrücklich eine öffentliche Behandlung normiert ist2. Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz. Ausdrücklich normiert ist dieser nur in der rheinland-pfälzischen Regelung zur Sitzungsöffentlichkeit. Für bestimmte Angelegenheiten darf gem. § 35 Abs. 1 S. 2 2. Hs. GemO RP die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden3. Im Übrigen kann sich eine entsprechende Bestimmung aus der sachlichen Regelungen einer Angelegenheit ergeben, zum Beispiel für den Beschluss der Haushaltssatzung einer Kommune. Die Gründe aus denen die materielle und individuell-formelle Nichtöffentlichkeit gerechtfertigt werden können, sind im Rahmen der vorstehenden Ausführungen bereits im Detail erörtert worden4. Im Folgenden werden die Rechtfertigungsgründe der allgemein-formellen, das heißt rechtlichen Nicht1  VGH Kassel, Urteil vom 01.08.1973 – I OE 100/72, HessVGRspr 1973, 92 (92); Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Rn. 3. 2  So ausdrücklich für Schleswig-Holstein, Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 14. 3  Ob beim Vorliegen eines solchen Katalogtatbestands die Öffentlichkeit in Ausnahmefällen dennoch ausgeschlossen werden darf, wurde bisher nicht gerichtlich geklärt: offen gelassen von OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (171 ff.); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.1 S. 9, Ziff. 3.4.4 S. 20. 4  Zu den Begriffen der Nichtöffentlichkeitsarten siehe Kapitel 2.  Rechtliche und tatsächliche Öffentlichkeit, S. 326 ff.; siehe zur Rechtfertigung materieller Öffentlichkeit Kapitel II. Tatsächliche Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 147  ff.; zur Rechtfertigung individuell-formeller Nichtöffentlichkeit siehe Kapitel 3. Jedermanns-Recht der Zugänglichkeit, S. 267 ff.; zur Rechtfertigung allgemein-formeller Nichtöffentlichkeit siehe Kapitel D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff.

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D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

öffentlichkeit beleuchtet: Wie und unter welchen Umständen darf die Öffentlichkeit generell von Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen ausgeschlossen werden?

I. Notwendigkeit einer verfassungsrechtlich geschützten Position Die Rechtfertigung eines allgemein-formellen Öffentlichkeitsausschlusses von der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung bedarf der Kollision des kommunalen Öffentlichkeitsgebots mit einem gleichrangigen geschütztem Gut, dem im Rahmen der konkreten Abwägung Vorrang eingeräumt wird5. Das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit wurzelt in dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Öffentlichkeit6. Mithin kann nur der Schutz von Gütern mit Verfassungsrang eine Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips rechtfertigen. Die gegenüber der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit rechtlich geschützten Güter sind folglich aus dem Grundgesetz abzuleiten. Einfachgesetzliche Regelungen können den Ausschluss der Öffentlichkeit für sich nicht rechtfertigten. Die Schutzgüter der Nichtöffentlichkeit ergeben sich mithin nicht aus der einfachgesetzlichen Normierung, sondern aus dem Grundgesetz. Die bestehenden landesrechtlichen Bestimmungen sind daher verfassungsrechtlich „aufzuladen“ und im Lichte des Grundgesetzes auszulegen7.

II. Notwendige Eingriffsintensität Wird eine Kollision der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit mit einem verfassungsrechtlich geschützten Gut bejaht, stellt sich die Frage, ob dadurch die Gefahr einer Verletzung des geschützten Guts entsteht. Erst und nur dann würde die Sitzungsöffentlichkeit einen Eingriff in den Schutzbereich des anderen Rechtsguts darstellen. Ein solcher Eingriff kann durch eine mündliche Verlautbarung ebenso erfolgen wie durch die Nennung der Information in einer Sitzungsvorlage, die

5  Siehe dazu auch Kapitel V.  Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses, S. 123 ff.; im Speziellen zum Schutz persönlicher Daten VG Köln, Urteil vom 25.01.1985 – 4 K 3729/84, HSGZ 1986, 89 (89); Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185. 6  II. Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S 51 ff. 7  Siehe zu den Rechtfertigungsgründen im Einzelnen E.  Die Rechtfertigungsund Ausschlussgründe, S. 365 ff.



II. Notwendige Eingriffsintensität331

den Mandatsträgern, der Öffentlichkeit oder der Presse in Papierform oder digital zur Verfügung gestellt wird8. Für die Annahme eines Eingriffs ist nicht notwendig, dass die Realisierung des durch die Nichtöffentlichkeit zu vermeidenden Nachteils zwingend ist. Es muss die Möglichkeit einer Beeinträchtigung bestehen9. Erforderlich ist, dass gewisse Tatsachen oder Anhaltspunkte bestehen oder erkennbar sind, die eine Gefährdung nicht von vornherein ausschließen, sondern schlüssig möglich machen10. Insofern muss eine Gefährdungsprognose getroffen werden11, deren Ergebnis ein „begründeter Verdacht“ ist12. Erforderlich ist eine objektive Abwägung, in deren Rahmen eine Beeinträchtigung nicht ohne Weiteres unterstellt werden darf13. Die Wünsche oder Vorstellungen etwaiger Betroffener sind nicht maßgeblich14. Eine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung ist zwar nicht erforderlich15, es genügt jedoch nicht, „dass es bequemer erscheint, wenn hinter verschlossenen Türen verhandelt wird“16.

8  OVG Koblenz, Urteil vom 02.09.1986 – 7 A 7/86, NVwZ 1988, 80 (80); zu den Eingriffsarten s. Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. VI. 1 f. S.  678 f. 9  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO  BY, Art. 52 Rn. 11; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 11; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2. 10  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u.  a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 3 S. 10; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 4, 4.1; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.1 m. w. N. 11  OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 72; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 68; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 53; Seeger, Handbuch für Gemeinderatssitzungen, S. 60; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. b) S. 676. 12  Steger, BWGZ 1981, 316 (319). 13  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 43. 14  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 43; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 184. 15  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.1. 16  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 3; ähnlich Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 11; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 44 kein Ausschluss der Öffentlichkeit aus „Oppertunität“.

332

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

III. Rechtfertigung Der Begriff der Rechtfertigung hat in der Prüfung eine doppelte Bedeutung. Er kann zum einen bedeuten, dass der Eingriff in das in Rede stehende Schutzgut gerechtfertigt ist, mithin öffentlich zu verhandeln ist, oder zum anderen, dass aus dem Eingriff die Rechtfertigung des Ausschlusses der Öffentlichkeit folgt, also nicht öffentlich verhandelt werden muss. Ein Rechtfertigungsgrund für den Ausschluss der Öffentlichkeit liegt nur dann vor, wenn der Eingriff in das geschützte Gut durch die öffentliche Beratung in der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung nicht gerechtfertigt werden kann. Dies ist der Fall, wenn keine Einwilligung in die Rechtsgutsverletzung besteht, kein einfacher oder qualifizierter Gesetzesvorbehalt den Eingriff erlaubt und auch kollidierendes Verfassungsrecht als Eingriffsrechtfertigung im Wege der praktischen Konkordanz ausscheidet17. 1. Einzelfallentscheidung Bei der Beurteilung, ob der Ausschluss der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Auf Grund des Gebots der Sitzungsöffentlichkeit kann die Öffentlichkeit nicht generell, sondern nur für einzelne Angelegenheiten ausgeschlossen werden18. Nicht öffentliche Sitzungen sind mit dem Öffentlichkeitsgebot nicht vereinbar19, denn selbst wenn für jede der auf die Tagesordnung gesetzten Angelegenheit ein Grund zum Ausschluss der Öffentlichkeit besteht, verbleiben zumindest die Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und der Beschlussfähigkeit als öffentlich zu behandelnde Sitzungsbestandteile20. a) Verfahren Die rechtsverbindliche Entscheidung über den Öffentlichkeitsausschluss obliegt der kommunalen Volksvertretung. Diese entscheidet ausdrücklich 17  Siehe im Folgenden zur Einwilligung ab S. 338, zum Gesetzesvorbehalt ab S. 343 und zur praktischen Konkordanz ab S. 343. 18  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 171; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 11; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 5; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 9; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 4 S. 3; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 184. 19  Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Ziff. 2.2. 20  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 21.



III. Rechtfertigung333

über den Öffentlichkeitsausschluss, wenn dies als Antrag in die Sitzung eingebracht wird, oder konkludent, durch Billigung der Tagesordnung, auf der die Beratungsgegenstände als öffentlich bzw. nicht öffentlich gekennzeichnet sind21. Bei der (Erst-)Einschätzung im Rahmen der Aufstellung der Tagesordnung, ob eine Angelegenheit öffentlich oder nicht öffentlich zu behandeln ist22, handelt es sich folglich lediglich um eine unverbindliche Vorprüfung. Diese entfaltet keine Bindungswirkung23 und hat nur empfehlenden Charakter. Die Beratung und Beschlussfassung über einen Öffentlichkeitsausschluss durch die kommunale Volksvertretung erfolgt grundsätzlich in nicht öffent­ licher Sitzung24. In der Regel darf nur der Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit öffentlich erfolgen25. Dieses Verfahren ist dem Umstand geschuldet, dass eine freie Beratung über einen Öffentlichkeitsausschluss die Nennung der betroffenen Rechtsgüter und eine Begründung ihrer Schutzwürdigkeit erfordert. Eine solche Debatte in der Öffentlichkeit würde bereits zur Preisgabe der Informationen führen, deren Geheimhaltung das Ziel des Öf-

21  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 13; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 11; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.1 a. A. VG Hannover, Urteil vom 25.05.1976 – I A 127/76, DNG 1976, 282 (283), welches zwingend einen Antrag und eine formelle Beschlussfassung über diesen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit voraussetzt; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.5.3 S. 21. 22  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 4; so für Sachsen ausdrücklich Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 6; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 6; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 5; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 50; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 5 S. 4; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.3; siehe zur Zuständigkeit für die Aufstellung der Tagesordnung, Kapitel e) Tagesordnung, S. 196 ff.; etwas anderes gilt gem § 35 Abs. 2 S. 1 GO SH lediglich in Schleswig-Holstein. 23  Gentner, KommP MO 1992, 40 (41); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 35 Rn. 5; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 51; Teschke, in: Bennemann/Da­ neke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 25; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.3. 24  § 34 Abs. 1 S. 2 GemO  BW; Art. 52 Abs. 2 S. 2 GO BY; § 36 Abs. 2 S. 4 BbgKVerf; § 52 Abs. 2 S. 3 HGO; § 29 Abs. 5 S. 4 KV M-V; § 64 S. 2 1. Hs. NKomVG; § 48 Abs. 2 S. 4 GO NRW; § 35 Abs. 1 S. 3 GemO RP; § 40 Abs. 2 KSVG SL; § 37 Abs. 1 S. 2 SächsGemO; keine ausdrückliche Regelung in KVG LSA, entspricht aber der Rechtsauffassung, vgl. Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 6; § 35 Abs. 2 S. 4 GO SH; § 40 Abs. 1 S. 2 ThürKO. 25  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.1.

334

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

fentlichkeitsausschlusses ist26. Eine öffentliche Beratung über den Ausschluss der Öffentlichkeit würde den Zweck der nicht öffentlichen Beratung folglich konterkarieren. Dementsprechend ist in einigen Bundesländern eine öffent­ liche Entscheidung über einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit zulässig, wenn diese ohne Beratung erfolgt27. Eine öffentliche Beratung über den Ausschluss der Öffentlichkeit berührt die Wirksamkeit des darüber gefassten Beschlusses nicht28, kann aber Schadensersatzansprüche auslösen, wenn vertrauliche Informationen öffentlich gemacht wurden29. Die Öffentlichkeit wird durch die tatsächliche Freigabe des Zugangs zum Sitzungsraum, d. h. das Öffnen der Türen, wieder hergestellt – ohne dass es einer formalen Bekanntgabe, zum Beispiel durch Ausruf oder ähnlichem bedarf30. b) Sonderfall Schleswig-Holstein Besonders streng ist die Notwendigkeit einer Einzelfallentscheidung in Schleswig-Holstein normiert. Seit der Gesetzesnovelle 2012 bestimmt § 35 Abs. 2 S. 1 GO SH, dass die Gemeindevertretung über den Ausschluss der Öffentlichkeit „im Einzelfall“ beschließt31. Der Vorsitzende hat zwar die Möglichkeit, bereits mit der Einladung durch eine Kennzeichnung der Angelegenheiten auf der Tagesordnung, die nach seiner Einschätzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten werden sollten, auf die Ausschlussnotwendigkeit hinzuweisen32; eine Ersteinschätzung durch eine Gliederung der Tagesordnung in einen öffentlichen und einen nicht öffentlichen Teil, verbunden 26  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 11; Dehn, in: Bülow u.  a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 19; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.4 S. 20 f.; Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Nr. 2; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 5; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. IV. 1 S. 11; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 5 S. 4; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art.  52 Ziff. 4.2. 27  § 52 Abs. 1 S. 3 HGO; § 64 S. 2 2. Hs. NKomVG; § 40 Abs. 2 KSVG SL; § 35 Abs. 2 S. 4 2. Hs. GO SH. 28  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 13. 29  Rücker, in: Rücker u.  a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2; siehe zur Möglichkeit einer Schadensersatzpflicht auch unter Kapitel 2. Sanktion: Schadensersatz und strafrechtliche Konsequenzen, S. 471 ff. 30  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 11. 31  Kritisch dazu Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 17; so auch Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 11 für Niedersachsen. 32  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 17.



III. Rechtfertigung335

mit der Konsequenz der Vertraulichkeit der Sitzungsunterlagen, steht ihm jedoch anders als in anderen Bundesländern nicht zu33. Als vereinbar mit dem Erfordernis einer Einzelfallentscheidung soll jedoch eine Abstimmung über den Öffentlichkeitsausschluss bei allen vorgeschlagenen Tagesordnungspunkten „en bloc“ sein34. c) Ausschluss durch abstrakt-generelle, ortsrechtliche Regelungen Die Kommunen können Fallgruppen definieren, um festzulegen welche Angelegenheiten grundsätzlich nicht öffentlich zu behandeln sind35. In Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen heißt es sogar, dass die Öffentlichkeit durch die Normierung von Fallgruppen in der Hauptsatzung bzw. Geschäftsordnung ausgeschlossen werden kann36. Bei der Bildung von Fallgruppen ist zu beachten, dass die Möglichkeit, die Öffentlichkeit durch ortsrechtliche Bestimmungen auszuschließen, keinen Freibrief darstellt37. Insbesondere darf durch kommunale Regelungen keine Ausdehnung der gesetzlichen Ausschlussgründe erfolgen38. Die eng auszulegenden Ausnahmebestimmungen vom kommunalen Öffentlichkeitsgrundsatz dürfen „nicht zum Einfallstor dafür werden […], den Grundsatz der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen durch großzügige generelle He­ rausnahmen großer Gruppen wichtiger und bedeutender Gemeinderatsangelegenheiten zu verwässern, zu unterhöhlen und schließlich weitgehend in der

33  Zur Handhabung in der Praxis, jedoch auf Grundlage des niedersächsischen Rechts, siehe Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 50. 34  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 19. 35  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.3. 36  „Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann in diesem Rahmen in der Hauptsatzung oder durch Beschluss der Gemeindevertretung angeordnet werden“, § 29 Abs. 5 S. 3 KV M-V; „Durch die Geschäftsordnung kann die Öffentlichkeit für Angelegenheiten einer bestimmten Art ausgeschlossen werden.“, § 48 Abs. 2 S. 2 GO NRW; „Die Geschäftsordnung kann allgemein bestimmen oder der Gemeinderat mit Zweidrittelmehrheit im Einzelfall beschließen, dass auch andere Angelegenheiten aus besonderen Gründen in nicht öffentlicher Sitzung behandelt werden; […].“, § 35 Abs. 1 S. 2 GemO RP. 37  OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 68; OVG Münster, Beschluss vom 12.09.2008 – 15 A 2129/08, Juris, Rn. 15; Burgi, NVwZ 2014, 609 (611). 38  VG Oldenburg, Beschluss vom 10.11.1983 – 2 VG D 49/83, zit. nach; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 49; VG Köln, Urteil vom 25.01.1985 – 4 K 3729/84, HSGZ 1986, 89 (89); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 49; a. A. wohl Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.2 S. 19.

336

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

Praxis ganz aufzuheben“39. Daher ist beispielsweise eine Regelung, nach der alle Grundstücksangelegenheiten nicht öffentlich zu behandeln sind, nicht möglich40. Für einen Öffentlichkeitsausschluss ist die Rechtfertigung des konkreten Einzelfalls notwendig41. Durch den generell abstrakten Charakter der Bestimmungen einer Geschäftsordnung oder Hauptsatzung, stellen diese noch keine verbindliche Regelung für den Einzelfall dar42. Im Sinne einer möglichst umfassenden Verwirklichung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit und für eine dem Ausnahmecharakter gerecht werdende restriktive Handhabung des Öffentlichkeitsausschlusses ist es zwingend erforderlich, dass auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls eine Qualifizierung vorgenommen wird, denn bei jeder abstrakt-generellen Regelung besteht die Möglichkeit, dass im Einzelfall eine nicht öffentliche Behandlung unnötig und eine öffentliche Behandlung geboten ist43. Die Normierung von Fallgruppen oder ein bloßer Verweis auf diese genügt für einen Öffentlichkeitsausschluss mithin nicht44. Daher entbindet die Vorgabe von Fallgruppen auch nicht von der Pflicht einer individuellen Prüfung und Subsumtion jeder einzelnen Angelegenheit unter die Voraussetzungen für einen Öffentlichkeitsausschluss45. 39  OLG

Saarbrücken, Urteil vom 26.01.1973 – 4 UBL 1/72, SKZ 1974, 52 (53). in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 6; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Ziff. 2.2; ähnlich n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146; a. A. OVG Münster, Beschluss vom 12.09.2008 – 15 A 2129/08, Juris, Rn. 17; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.2 S. 19; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 33 ff.; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. b) S. 676; zur Problematik des Begriffsverständnisses von Grundstücksangelegenheiten siehe auch Kapitel 3. Grundstücksangelegenheiten, S. 399 ff. 41  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 26; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284. 42  Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284; a. A. Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 29; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. a) S. 675. 43  So beispielsweise denkbar im Bereich von Personalangelegenheiten, vgl. Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 31. 44  Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 S. 3; a.  A. Gentner, in: Darsow u.  a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 32; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.2 S. 19. 45  Steger, BWGZ 1981, 316 (318); Ade, in: Ade u.  a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 172; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 49; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 11; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 5; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 4 S. 3; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 30; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.3. 40  Bock,



III. Rechtfertigung337

Die rechtserhebliche und verbindliche Qualifikation einer Angelegenheit als öffentlich bzw. nicht öffentlich erfolgt durch Feststellung der Tagesordnung durch die kommunale Volksvertretung, die sich die vorgeschlagene Zuordnung in diesem Moment zu eigen macht46. Dies gilt auch in den Bundesländern, in denen ausdrücklich die Möglichkeit besteht, ortsrechtlich Ausschlussgründe abstrakt-generell zu definieren, denn in allen Bundesländern obliegt die Letztentscheidung über die Qualifikation der Verhandlungsgegenstände der kommunalen Volksvertretung47, weil diese jederzeit einen Tagesordnungspunkt durch Beschluss vom öffentlichen in den nicht öffent­ lichen Sitzungsteil verschieben kann48. Ein quasi „blinder“ Vollzug von Geschäftsordnungsregelungen ist mithin nicht mit dem Öffentlichkeitsgebot vereinbar49. Benannte Fallgruppen haben folglich generell nur deklaratorische Bedeutung50. Dies gilt auch in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Regelungen in der Geschäftsordnung oder Hauptsatzung stellen lediglich Einschätzungshilfen dar, weil die Entscheidung im 46  OVG Magdeburg, Beschluss vom 18.10.2019 – 4 L 158/19, BeckRS 2019, 25869, Rn. 17 ff.; siehe dazu bereits im Kapitel a) Verfahren, S. 332 ff. 47  Dies übersehen insoweit Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.2 S. 19; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 17; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 3 S.  10 f.; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. a) S. 675. 48  § 35 Abs. 1 S. 3 GemO BW: Bürgermeister bzw. Gemeinderat, vgl. Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 172; Bock, in: Kunze/ Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 9; Art. 52 Abs. 2 S. 2 GO BY: Gemeinderat durch Beschluss; § 36 Abs. 2 S. 3 BbgKVerf: Gemeindevertretung durch Feststellung; § 52 Abs. 1 S. 2 HGO: der Gemeindevertretung; § 29 Abs. 5 KV M-V: Vorsitzenden bzw. der Gemeindevertretung, vgl. Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 32; § 64 S. 1 NKomVG: Vertretung, vgl. Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 186; § 48 Abs. 2 S. 2 GO NRW: Rat; § 35 Abs. 1 S. 2 GemO RP: Gemeinderat; § 40 Abs. 2 KSVG SL: Gemeinderat bzw. Bürgermeister oder Bürgermeisterin, vgl. Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 S. 2 mit Verweis auf VG Saarlouis, Beschluss vom 20.04.2010 – 11 L 353/10, Juris Rn. 3; § 37 Abs. 1 S. 2 SächsGemO: dem Gemeinderat; § 52 Abs. 2 KV LSA: der Vertretung, vgl. Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 6; § 35 Abs. 2 S. 1 GO SH: der Gemeindevertretung; § 40 Abs. 1 S. 2 ThürKO: dem Gemeinderat; eine Verschiebung vom nicht öffentlichen in den öffentlichen Sitzungsteil ist nach hier vertretener Ansicht unzulässig, vgl. Kapitel (7) Verschiebung eines Tagesordnungspunkts vom nicht öffentlichen in den öffentlichen Teil einer Sitzung, S. 215 ff. 49  So aber wohl Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.5.3 S. 22; ausführlich zur Pflicht aller Beteiligten auf die Einhaltung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit zu achten siehe Kapitel IV. Gebundene Entscheidung, 350 ff. 50  So ausdrücklich für Niedersachsen Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 186.

338

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

Einzelfall bei der kommunalen Volksvertretung verbleibt51. Ein besonderer Beschluss ist übereinstimmend mit der Rechtsprechung des OVG Münster gleichwohl nicht nötig, wenn sich die kommunale Volksvertretung einen durch die Tagesordnung vorgeschlagenen Öffentlichkeitsausschluss zueigen macht52. Gleiches gilt für die Regelung in Sachsen-Anhalt, in der bereits landesgesetzlich Fallgruppen benannt werden53. Konstitutiv für die Qualifikation eines Tagesordnungspunkts als nichtöffentlich ist mithin immer die Entscheidung der kommunalen Volksvertretung. Diese kann entweder als ausdrücklicher Beschluss oder konkludent durch unwidersprochene Feststellung der Tagesordnung erfolgen. Im letzteren Fall liegt darin kein „blinder Vollzug“ möglicher Geschäftsordungsregelungen, sondern die unausgesprochene Übernahme der bei Aufstellung der Tagesordnung getroffene Abwägung im konkreten Einzelfall. 2. Einwilligung Bei der Frage, ob ein Eingriff durch die kommunale Sitzungsöffentlichkeit in ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut gerechtfertigt ist, ist zunächst an die Einwilligung des Betroffenen zu denken. Da eine Einwilligung in die Verletzung von verfassungsrechtlichen Gemeinschaftsgütern denknotwendig ausgeschlossen ist, kommt dies nur in Betracht, wenn durch die Sitzungsöffentlichkeit ausschließlich individuelle Rechtspositionen beeinträchtigt werden54. a) Einwilligungsmöglichkeit In der Rechtswissenschaft ist umstritten, ob die Möglichkeit einer solchen Einwilligung besteht.

51  Siehe zur Frage der Zulässigkeit einer Einschränkung des verfassungsrecht­ lichen Öffentlichkeitsprinzips durch die Festlegung abstrakt genereller Fallgruppen auch im Kapitel 2. Rechtfertigungsanforderungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit, S. 134 ff. 52  OVG Münster, Beschluss vom 12.09.2008 – 15 A 2129/08, Juris, Rn. 15 ff.; so im Ergebnis auch Bösche, NWVBl. 2021, 507 (507); a. A. Wagner, in: Kleerbaum/ Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. a) S. 675. 53  § 52 Abs. 2 S. 1 KVG LSA: „insbesondere bei Personalangelegenheiten, der Ausübung des Vorkaufsrechts, Grundstücksangelegenheiten und Vergabeentscheidungen“. 54  Dazu welche dies seien können, siehe Kapitel  2.  Berechtigte Interessen, S. 379 ff.



III. Rechtfertigung339

Dagegen spricht zunächst, dass eine Einwilligungsmöglichkeit lediglich in Schleswig-Holstein normiert ist55. Danach kann eine Angelegenheit in öffentlicher Sitzung behandelt werden, wenn die Personen, deren Interessen betroffen sind, dies schriftlich verlangen oder hierzu schriftlich ihr Einverständnis erklären. Die im Gegensatz zu Schleswig-Holstein in den anderen Bundesländern fehlende Regelung über die Wirkung eines Einverständnisses des Betroffenen, lässt den Schluss zu, dass es dort nicht möglich ist, einen Beratungsgegenstand auf Grund der Einwilligung des Betroffenen öffentlich zu behandeln. Sofern ortsrechtliche Fallgruppen benannt sind und die Angelegenheit unter diese zu subsumieren ist, kann dies der Einwilligungsmöglichkeit entgegenstehen, denn die beschlossenen Regelungen der Geschäftsordnung sind verbindlich bis sie formell geändert oder aufgehoben wurden56. Die kommunale Volksvertretung bindet sich durch die Geschäftsordnung selber57. Abweichungen im Einzelfall sind bei ihr, wie bei jeder anderen durch Rechtsetzungsakt erlassenen Vorgabe, nur möglich, wenn die Ausnahmemöglichkeit im Regelwerk oder durch höheres Recht vorgesehen ist58. Der Verzicht auf die Nichtöffentlichkeit beim Vorliegen einer Einwilligung ist in den Geschäftsordnungen unüblich und auch in den Gemeindeordnungen nicht normiert. Das OVG Koblenz verneint die Möglichkeit einer Einwilligung durch die Betroffenen mit dem Argument, die Vorschrift einer nicht öffentlichen Beratung persönlicher Daten habe vor allem den Zweck „eine objektive und unbeeinflußbare [sic!] Amtsausübung der Ratsmitglieder bei solchen Angelegenheiten zu ermöglichen“59. Die Einwilligung soll für die kommunale 55  § 35

Abs. 1 S. 3 GO SH. in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 25; zur Bindungswirkung ortsrechtlicher Ausschlussgründe, siehe Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. c) S. 677; zum Streit um die Rechtsnatur der Geschäftsordnung siehe Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 294 Rn. 441; so auch Zilkens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (165). 57  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 26; dies zumindest für die Regelungen der Geschäftsordnung mit Außenwirkung aberkennend Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 295 Rn. 442. 58  Etwas anderes wird teilweise für organinterne Regelungen vertreten. Von diesen soll durch einfach Beschluss abgewichen werden können, vgl. Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 294 Rn. 441. Ob dies zutreffend ist, kann hier dahinstehen, da es sich bei der Frage der Sitzungsöffentlichkeit um eine Regelung mit Außenwirkung handelt. 59  OVG Koblenz, Urteil vom 02.09.1986 – 7 A 7/86, NVwZ 1988, 80 (80); dem folgend Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u.  a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 2 S. 10; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. b) S. 676. 56  Paal,

340

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

Volksvertretung mithin keine Bindungswirkung entfalten, so dass sie weiterhin befugt sein soll, die Öffentlichkeit von der Beratung auszuschließen60. Die vorstehenden Argumente halten einer näheren Prüfung nicht stand. Durch die Einwilligung des Betroffenen in die Veröffentlichung im Rahmen der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung entfällt das der Sitzungs­ öffentlichkeit entgegenstehende verfassungsrechtliche Schutzbedürfnis61. Einer öffentlichen Beratung steht dann kein zu schützendes Gut mit Verfassungsrang mehr entgegen62. Eine etwaige ortsrechtliche Bestimmung ist entsprechend verfassungskonform auszulegen, weil sie andernfalls gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit verstößt63. Die Sicherstellung einer objektiven und unbeeinflussten Amtsausübung der Mandatsträger ist kein Kriterium, das zur Rechtfertigung eines Öffentlichkeitsausschlusses geeignet ist, denn der demokratischen Grundentscheidung der Sitzungsöffentlichkeit gewählter Volksvertretungen liegt die Annahme, dass dies die Funktionsfähigkeit der Gremien grundsätzlich nicht beeinträchtigt, zu Grunde. Im Übrigen könnte mit diesem Argument die ­Öffentlichkeit immer ausgeschlossen werden64, so dass der Grundsatz der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit keinen Anwendungsbereich mehr hätte. Eine besondere Gefahr der Beeinflussung kommunaler Mandatsträger besteht, wenn Einwohner persönlich berührt werden, nicht. Die meisten Entscheidungen auf kommunaler Ebene zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Einwohner irgendwie unmittelbar berühren und Einzelne besonders stark belastet oder begünstigt werden. Je kleiner eine Kommune ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den von einer Entscheidung Betroffenen, um Bekannte, Freunde oder Verwandte der Mandatsträger handelt. Eine objektive und unbeeinflusste Amtsausübung kann nicht dadurch sichergestellt werden, dass dann nicht öffentlich verhandelt wird, wenn persönliche Daten betroffen sind, denn ob persönliche Daten in einer Sitzung thematisiert werden, ist hinsichtlich der individuellen Belastung einzelner Einwohner ohne Bedeutung. Das Beispiel des Erlasses einer Abgabensatzung 60  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 13; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1 S. 11; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 24; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4. 61  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 13. 62  Zilkens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (165). 63  Siehe zur Frage, ob eine abstrakt-generelle ortsrechtliche Bestimmung überhaupt unmittelbar zu einem Öffentlichkeitsausschluss führt, Kapitel c) Ausschluss durch abstrakt-generelle, ortsrechtliche Regelungen, S. 335 ff. 64  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 58.



III. Rechtfertigung341

für die Straßenreinigung macht dies deutlich: Wird hier der Umlageschlüssel von der Frontmeterzahl der Grundstücke auf deren Fläche umgestellt, kommt es zu erheblichen Mehrbelastungen der Eigentümer großer Grundstücke. Würde man annehmen, dass auf kommunaler Ebene durch die starke individuelle Betroffenheit Einzelner die Gefahr einer Beeinflussung der Mandatsträger so groß ist, dass nur durch eine nicht öffentliche Beratung eine objektive Entscheidung möglich ist, müsste für eine unübersehbare Vielzahl von Angelegenheiten in kommunalen Volksvertretungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Möglichkeit einer rechtsverbindlichen Einwilligung in die Veröffentlichung persönlicher Daten in der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung besteht65. Der aus dem grundrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts folgende Zwang66 der kommunalen Volksvertretung, nicht öffentlich zu beraten, wenn persön­ liche Daten betroffen sind, entfällt, wenn eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt67. Da eine Einwilligung in den seltensten Fällen ausdrücklich erteilt sein wird, stellen sich im folgenden die Frage, ob aus der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit die Pflicht der Verwaltung folgt, auf eine solche hinzuwirken und ob sie in bestimmten Fällen konkludent abgegeben worden sein kann. b) Pflicht zur Einholung einer Einwilligung Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit kann auch als Gebot zur Transparenz der Entscheidungen der kommunalen Volksvertretung bezeichnet werden. Aus diesem folgen zahlreiche formale und tatsächliche Anforderungen an die Kommunalverwaltungen68. Es obliegt der Kommune abzuklären, ob tatsächliche Anhaltspunkte für einen Eingriff in geschützte Rechtsgüter durch die Sitzungsöffentlichkeit 65  VG Oldenburg, Beschluss vom 10.11.1983 – 2 VG D 49/83, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 34; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 182 ff.; Zilkens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (165). 66  Siehe zur Pflicht die Öffentlichkeit zum Schutz gleich- oder höherrangiger Rechtsgüter auszuschließen Kapitel IV. Gebundene Entscheidung, S. 350 ff. 67  So auch Blum mit Blick auf die mit dem allgemeinen formellen Öffentlichkeitsausschluss verbundene Verschwiegenheitspflicht, Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 60; a. A. Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. b) S. 676, der vertritt, dass trotz einer Einwilligung ein Ausschluss durch eine abstrakt-generelle Regelung zulässig sein soll. 68  Siehe dazu im Einzelnen Kapitel II.  Tatsächliche Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 147 ff.

342

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

vorliegen. Sie darf dabei nicht mutmaßen und nicht alleine individuellen Wünschen folgen69. Sie hat den Sachverhalt in dieser Hinsicht objektiv aufzuklären. Im Rahmen dieser Aufklärungspflicht ist es ihr durch das Transparenzgebot untersagt, einseitig Anhaltspunkte für einen Öffentlichkeitsausschluss zusammenzutragen. Als Kriterium für die Zulässigkeit einer öffent­ lichen Behandlung hat sie mithin zu klären, ob die Betroffenen in die öffentliche Behandlung einwilligen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt dabei, dass auf die Betroffenen kein Druck oder gar Zwang ausgeübt werden darf. Eine Nachfrage, gleich wie diese erfolgt (persönlich, fernmündlich, per Email oder schriftlich), ist der Kommune jedoch zuzumuten. c) Konkludente Einwilligung An eine konkludente Einwilligung ist insbesondere im Rahmen von Anregungen und Beschwerden an die kommunale Volksvertretung zu denken. Hier stellt sich die Frage, ob derjenige, der sich an die gemeindliche Gemeinschaft in Form der kommunalen Volksvertretung mit der Bitte, gehört zu werden, wendet, einen Anspruch darauf haben kann, bei dieser öffentlichen Verlautbarung anonym zu bleiben. Anträge, Anregungen und Beschwerden aus der Bürgerschaft müssen schriftlich eingereicht werden70. Aus der Vorgabe, dass der Antragssteller über das Ergebnis der Beratung zu informieren ist71, folgt, dass solche Eingaben nicht anonym abgegeben werden können. Ob und inwieweit die dafür erforderlichen persönlichen Daten öffentlich oder nicht öffentlich zu behandeln sind, kann aus der Regelung nicht entnommen werden. Zunächst ändert die unter Nennung des Namens eingereichte Anregung oder Beschwerde oder auch die Einwendung in einem Planverfahren nichts an der Schutzbedürftigkeit der personenbezogenen Daten. An eine Einwilligung sind daher entsprechend hohe Anforderungen zu stellen, insbesondere 69  Siehe

dazu ausführlicher im Kapitel II. Notwendige Eingriffsintensität, S. 330 ff. Abs. 2 S. 1 GemO  BW; Art. 18b Abs. 2 S. 1 GO BY; § 14 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf; in Hessen nicht vorgesehen; §§ 14 Abs. 1 S. 1, 18 Abs. 2 S. 1 KV M-V; §§ 31 Abs. 2 S. 1, 34 S. 1 NKomVG; §§ 24 Abs. 1 S. 1, 25 Abs. 2 S. 1 GO NRW; §§ 16b S. 1, 17 Abs. 2 S. 2 GemO RP; § 21 Abs. 2 S. 1 KSVG SL; ohne ausdrückliche Normierung einer Schrifform, § 23 SächsGemO; § 25 Abs. 4 S. 1 KVG LSA; §§ 16e S. 1, 16f Abs. 2 S. 1 GO SH; § 16 S. 2ThürKO i. V. m. § 7 Abs. 2 S. 1 Thür­ EBBG (Thüringer Gesetz über das Verfahren bei Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid vom 01.10.2016, GVBl., S. 506, zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 06.06.2018, GVBl. S. 229, 266). 71  Vgl. z. B. § 34 S. 2 NkomVG; § 24 Abs. 1 S. 4 GO NRW; § 16b S. 4 GemO RP; §§ 16e S. 3 GO SH; hinsichtlich der sog. Einwohneranträge ergibt sich dies bereits aus deren Rechtsmittelfähigkeit. 70  § 20b



III. Rechtfertigung343

wenn diese wie im Fall der informationellen Selbstbestimmung einen Grundrechtsverzicht bedeuten, der einen Bezug zu Art. 1 GG hat. Zu fordern ist nicht nur die Einwilligungsfähigkeit, sondern auch eine zweifelsfreie Qualität der Einwilligungserklärung. Diese muss bewusst und in Kenntnis der recht­ lichen Konsequenzen abgegeben werden. Bereits nach § 4a Abs. 1 S. 2 und 4 BDSG a. F. setzte eine Einwilligung unter anderem den Hinweis auf den Zweck der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung voraus. Außerdem bedurfte die Einwilligung der Schriftform. Wurde die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen abgegeben, war die Einwilligung hervorzuheben. Diese Voraussetzungen finden sich nun in Art. 4 Nr. 1, Art. 6 Abs. 1 a), Art. 7 und 8 DSGVO. Diesen hohen Anforderungen wird eine konkludente Einwilligung nicht gerecht. In der Praxis wird sich kaum jemand darüber Gedanken machen, dass die Bewerbung in einer Kommune, die Abgabe einer Stellungnahme in einem Bauleitverfahren oder die Eingabe einer Beschwerde bzw. Anregung als Konsequenz den Verzicht auf das Recht informationeller Selbstbestimmung mit sich bringen könnte. Die Annahme einer konkludenten Einwilligungsmöglichkeit würde den Schutzstandart der informationellen Selbstbestimmung aushöhlen. 3. Gesetzesvorbehalt Greift die kommunale Sitzungsöffentlichkeit in ein anderes verfassungsrechtliches Gut ein, stellt sich die Frage, ob die landesrechtlichen Normierungen des Öffentlichkeitsgebots diesen Eingriff nicht bereits rechtfertigen. Dies hängt davon ab, ob das Rechtsgut durch einfachgesetzliche Regelungen eingeschränkt werden darf, mithin unter einem Gesetzesvorbehalt steht, und die kommunale Sitzungsöffentlichkeit den Anforderungen an die Einschränkung des Rechtsguts gerecht wird. Da dies nicht abstrakt beantwortet werden kann, folgt eine Betrachtung dessen am Ende der Darstellung der praxisrelevanten Rechtsgüter72. 4. Praktische Konkordanz Wird der Eingriff in ein verfassungsrechtliches Rechtsgut durch die kommunale Sitzungsöffentlichkeit nicht durch eine Einwilligung oder einen Gesetzesvorbehalt gerechtfertigt, sind die kommunale Sitzungsöffentlichkeit und das Rechtsgut im Wege der praktischen Konkordanz zum Ausgleich zu 72  Siehe zur Rechtfertigung in den praktisch relevanten Fällen Kapitel III. Typische Praxisfälle, S. 392 ff.

344

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

bringen73. Das bedeutet, dass die kollidierenden Rechtsgüter so in Ausgleich gebracht werden, dass jedes unter den gegebenen Umständen optimal verwirklicht werden kann ohne seinen Kernbereich zu entleeren74. Ist ein Ausgleich der Verfassungsgüter im Wege der praktischen Konkordanz vorzunehmen, besteht das zu berücksichtigende kollidierende Verfassungsrecht in dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit gewählter Volksvertretungen. Dabei ist Folgendes zu beachten: Die Beeinträchtigung eines verfassungsrechtlich geschützten Guts kehrt das Regel-Ausnahme-Verhältnis75 nicht automatisch zugunsten des Öffentlichkeitsausschlusses um. Es existiert kein anerkanntes Prinzip der Rechtsordnung nachdem andere verfassungsrechtliche Güter generell Vorrang vor den Informationswünschen und der Kontrollmöglichkeit durch die Allgemeinheit haben76. Die weitestgehende Sitzungsöffentlichkeit liegt als Ausgestaltung eines verfassungsrechtlichen Prinzips vielmehr selber unmittelbar im öffentlichen Interesse. Auch bei der Beeinträchtigung eines verfassungsrechtlich geschützten Guts durch die Öffentlichkeit der Sitzung einer gewählten Volksvertretung, ist zunächst weiterhin von der Sitzungsöffentlichkeit auszugehen, denn durch das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip in der Gestalt des kommunalen Öffentlichkeitsgebots wird das gegenüber anderen Rechtsgütern überwiegende allgemeine Interesse an der Öffentlichkeit der Ratssitzungen als Voraussetzung wirksamer demokratischer Kontrolle der Gemeindevertretung bereits festgestellt77. Notwendig ist die Feststellung im Einzelfall, dass auf Grund des besonderen Schutzbedürfnisses eines Rechtsguts am Öffentlichkeitsgrundsatz nicht festgehalten werden kann. Insbesondere die Feststellung der möglichen Berührung privater Interessen genügt für eine Rechtfertigung folglich noch nicht78. Notwendig ist, dass eine Abwägung zwischen dem geschützten Interesse und der Öffentlichkeit ergibt, dass kein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an der Kenntnisnahme der Daten besteht79. 73  Kingreen/Poscher, Grundrechte Rn.  382 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland Rn. 72. 74  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 28; Müller/ Christensen, Juristische Methodik Band I, Rn. 392. 75  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 7; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1 S. 10a. 76  So aber Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 4. 77  So zum Schutz personenbezogener Daten gem. § 48 Abs. 3 GO NRW, Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. IV. 2 S. 678. 78  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 35 f. 79  OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (178); von Bechtolsheim/Betz, KommJur 2006, 1 (3); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer,



III. Rechtfertigung345

5. Verhältnismäßigkeit Abschließend setzt die Rechtfertigung eines Öffentlichkeitsausschlusses voraus, dass der Eingriff in das kommunale Gebot der Sitzungsöffentlichkeit verhältnismäßig ist. Ein Öffentlichkeitsausschluss ist mithin nur gerechtfertigt, wenn das Verhältnismäßigkeitsgebot gewahrt wird. Das setzt voraus, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zum Schutz der mit dem Öffentlichkeitsgebot kollidierenden Rechtsgüter ist. Die Nichtöffentlichkeit dient dem Schutz vor dem Bekanntwerden von Informationen. Durch den Ausschluss der Öffentlichkeit kann vor einer Veröffentlichung von Informationen geschützt werden. Wird der Schutz von dem Bekanntwerden von Informationen begehrt, ist der Öffentlichkeitsausschluss mithin ein geeignetes Mittel. a) Erforderlichkeit: Teilungs- oder Trennungsge- oder -verbot? Erforderlich ist ein Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn es kein gleich geeignetes, milderes Mittel gibt80. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist nur ultima ratio81. Der Öffentlichkeitsgrundsatz umfasst den Verhandlungsgegenstand als Ganzes. Ein Verhandlungsgegenstand besteht aus der Bezeichnung des Tages­ ordnungspunkts, der Beschlussempfehlung sowie deren Begründung und ggf. weiteren entscheidungserheblichen Informationen. Die Verbindung mehrerer Verhandlungsgegenstände ist unzweifelhaft unzulässig, wenn dadurch die Sitzungsöffentlichkeit künstlich eingeschränkt wird.82 Es ist umstritten, ob eine Angelegenheit beim Vorliegen von Ausschlussgründen für einzelne Aspekte vollständig nicht öffentlich zu behandeln ist (Teilungs- oder Trennungsverbot) oder ob in diesen Fällen als milderes, gleich geeignetes Mittel nur die vertraulich zu behandelnden Teile der Nichtöffentlichkeit zu unterwerfen sind (Teilungs- oder Trennungsgebot).

KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 32; Schnapp, VerwArch 1987, 407 (413); Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185; Zilkens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (164). 80  von Bechtolsheim/Betz, KommJur 2006, 1 (4 f.); Ehlers, DVBl. 1990, 1 (4); Zil­ kens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (165). 81  OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.10.1986 – 2 OVG B 91/86, OVGE MüLü 39, 489 (492); Ehlers, DVBl. 1990, 1 (4); Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 8. 82  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 7; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 5.

346

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

Zu denken ist an die Trennung eines Verhandlungsgegenstands in die Beratung und Beschlussfassung oder an die Teilung der Beratung in einen öffentlichen und nicht öffentlichen Teil insbesondere dann, wenn nicht das Ergebnis der Entscheidung den Öffentlichkeitsausschluss erfordert, z. B. ein Vertrag in einer konkreten Ausgestaltung, sondern nur (einzelne) Detail- oder Hintergrundinformationen nicht öffentlich zu behandeln sind, z. B. Namen, Adressen und Telefonnummern von Petenten83. Gegen eine Teilung oder Trennung wird eingewendet, dass Zuhörer die Gründe der Entscheidung möglicherweise nicht nachvollziehen können, wenn die Beratung an sich oder einzelne Aspekte unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten wurden. Überdies bergen eventuelle Erklärungen der Mandatsträger die Gefahr, dass nicht öffentliche Gesichtspunkte öffentlich angesprochen werden.84 Eine „atomisierende Betrachtung“ sei den Regelungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit fremd und werde der Lebenswirklichkeit nicht gerecht85. Es bestehe daher keine Befugnis der kommunalen Volksvertretungen und erst recht keine Pflicht zur Teilung von Angelegenheiten86 Diese Argumentation überzeugt bei näherer Betrachtung nicht. Im Gegensatz zu einem vollständigen Öffentlichkeitsausschluss stellt es den milderen Eingriff in die Sitzungsöffentlichkeit dar, nur die Beratung oder einzelne Informationen nicht öffentlich zu beraten, anstatt die gesamte Verhandlung inklusive der Abstimmung über einen Beratungsgegenstand unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen87. Auch wenn die Diskussion für die Zuhörer so nicht bis in das letzte Detail nachvollzogen werden kann, gewährt ihnen dies mehr Einblick in den Entscheidungsablauf, als wenn die gesamte Beratung und Beschlussfassung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würde. Überdies ist es dem demokratischen System nicht fremd, dass einzelne Aspekte öffentlich (vor-)beraten werden und (erst) die abschließende Entscheidung öffentlich getroffen wird. Beispiele dafür sind nicht nur informelle Vorgespräche, sondern auch nicht öffentliche Beratungen in den Fachaus83  Siehe zum Öffentlichkeitsausschluss in diesen Fällen Kapitel a) Persönliche Daten, S. 381 ff., (2) Umgang mit Anregungen und Bedenken, S. 410, g) Entscheidungen über Bauvorhaben, S. 410, 8. Die Behandlung von Personalangelegenheiten, S. 414, 12. Eingaben aus der Bürgerschaft, S. 422. 84  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 7. 85  OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 75. 86  Burgi, NVwZ 2014, 609 (611). 87  So zumindest hinsichtlich der Katalogtatbestände in § 35 Abs. 1 S. 2 GemO RP Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.1 S. 9 f.; im Ergebnis ebenso Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 53 Rn. 15.



III. Rechtfertigung347

schüssen88. In beiden Fällen besteht die Sorge, dass die tragenden Sach­ erwägungen öffentlich nicht wiederholt werden und damit einer demokratischen Kontrolle entzogen sind. Dennoch werden in Rechtsprechung und rechtswissenschaftlicher Literatur entsprechende Zusammenkünfte unter Ausschluss der Öffentlichkeit für zulässig erachtet89, denn das durch eine nicht öffentliche Teilberatung verursachte Kontrolldefizit wird durch eine anschließende nicht öffentliche Entscheidung nicht verkleinert, sondern vergrößert. Die abstrakte Gefahr, dass Mandatsträger gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen, besteht immer. Zu unterstellen ist bei dem Einwand, einzelne nicht öffentliche Informationen könnten bei Redebeiträgen bekannt gemacht werden, dass die Mandatsträger diese Informationen nicht vorsätzlich pflichtwidrig preisgeben, sondern, weil die Erinnerung daran, ob etwas öffentlich oder nicht öffentlich verhandelt wurde, verblasst, denn gegen die vorsätzliche Weitergabe von Informationen kann kein Öffentlichkeitsausschluss in einer Sitzung schützen. Eine erhöhte Gefahr für eine fahrlässige Verletzung der Verschwiegenheitspflicht bei den Beratungen einer Angelegenheit, in der nur einzelne Informationen der Nichtöffentlichkeit unterliegen, kann nicht per se angenommen werden, denn wenn sich die Mandatsträger bei diesen Beratungen zu Wort melden, steht ihnen immerhin unmittelbar vor Augen, was öffentlich und was nicht öffentlich beraten wurde. Dagegen kann dies dann in der Erinnerung verschwimmen, wenn eine Entscheidung bereits länger her ist. Etwas anderes gilt dann, wenn auf Grund einer Vielzahl von Informationen, die teilweise öffentlich und teilweise nicht öffentlich beraten werden, eine Übersicht über die Qualifizierung der Informationen nicht möglich ist. In diesen Fällen stellt sich jedoch die Frage, ob eine Teilung oder Trennung der Angelegenheit in einen öffentlichen und einen nicht öffentlichen Teil überhaupt möglich ist. Zu beachten ist jedenfalls, dass die Annahme eines Öffentlichkeitsausschlusses für eine ganze Angelegenheit, selbst wenn nur einzelne Informationen einer vertraulichen Behandlung erfordern, durch die damit verbundene Verschwiegenheitspflicht auch das freie Mandat der gewählten Mitglieder der kommunalen Vertretungskörperschaft beeinträchtigt. 88  Zur Frage der Geltung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit für die Ausschlüsse der kommunalen Volksvertretung, siehe Kapitel 1. Ausschussöffentlichkeit, S. 285 ff. 89  Siehe zur Rechtslage und der hiesigen Beurteilung der Ausschussöffentlichkeit Kapitel 1. Ausschussöffentlichkeit, S. 285 ff. und zur Nichtöffentlichkeit informeller Treffen 2. interne Entscheidungsvorbereitung, S. 291.

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D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

Das Verbot der Trennung oder Teilung eines Verhandlungsgegenstands könnte außerdem nicht verhindern, dass Mandatsträgern für eine Entscheidung sowohl öffentliche als auch nicht öffentliche Informationen zur Verfügung gestellt werden, denn es verbietet sich ggf. nur die Aufteilung eines Verhandlungsgegenstands in einen öffentlichen und einen nicht öffentlichen Teil in einer Sitzung. Zulässig wäre, trotz der Annahme eines Trennungsverbots, dass eine nicht öffentliche Vorberatung des gesamten Verhandlungsgegenstands in einer ersten Sitzung stattfindet und die Entscheidung im Anschluss – auf Grundlage einer mit der Öffentlichkeit vereinbaren neuen Vorlage – in einer weiteren Sitzung öffentlich gefasst wird. Sowohl die Gefahr, dass die Gründe der Entscheidung nicht hinreichend transparent sind, als auch die Gefahr, dass Mandatsträger versehentlich vertrauliche Informationen preisgeben, bestünden in diesem Fall in gleichem Maße, als wenn die Informationen des Verhandlungsgegenstands in der gleichen Sitzung aufgeteilt würden. Ein Trennungsverbot wäre mit dem Ziel, die letztverbindliche Entscheidung öffentlich zu treffen, mithin leicht zu umgehen. Ein Trennungs- oder Teilungsverbot würde mithin dazu führen, dass zur Gewährung einer weitestgehenden Öffentlichkeit zwei Sitzungen durchgeführt werden müssten, wenn nur einzelne Aspekte nicht öffentlich zu behandeln wären. Dies würde dazu führen, dass in der Praxis aus verfahrensökonomischen Gründen nicht öffentlich entschieden werden wird. Dies widerspricht dem Interesse der Öffentlichkeit an Information und Kontrolle. Ein Trennungsverbot stellt folglich eine formale Hürde für eine ausreichende Transparenz und Sitzungsöffentlichkeit dar, ohne einen qualitativen Einfluss auf die Informations- und Kontrollmöglichkeiten der Öffentlichkeit gewährleisten zu können. Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass kein Teilungs- oder Trennungsverbot besteht. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot folgt vielmehr ein Teilungs- und Trennungsgebot. Ein Öffentlichkeitsausschluss kommt nur dann in Betracht, wenn eine sachgerechte Beratung und Beschlussfassung durch das Weglassen oder Anonymisieren schutzbedürftiger Informationen inhaltlich beeinträchtigt würde90 und deshalb eine Teilung- oder Trennung des Beratungsgegenstands ausgeschlossen ist. Eine „atomisierende Betrachtung“ ist dabei nicht vorzunehmen, denn diese würde der Lebenswirklichkeit nicht gerecht werden91. Wenn ein „untrennbarer Gesamtzusammenhang“ besteht, ist die Öffentlichkeit für die gesamte

in: Bracker u. a., GO SH, § 35 Ziff. 12 S. 324. Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 75; Burgi, NVwZ 2014, 609 (611). 90  Dehn, 91  OVG



III. Rechtfertigung349

Verhandlung des Beratungsgegenstands auszuschließen92. Umgekehrt gilt: Solange die Beratung oder Beratungsteile, die nicht öffentlich zu behandeln sind, sinnvoll abgetrennt werden können, ist der Verhandlungsgegenstand entsprechend aufzuspalten93. Dies gilt insbesondere, wenn die nicht öffentlich zu behandelnden Detailinformationen, keiner Erörterung bedürfen. Können die Angaben ohne Informationsverlust in der Sache geschwärzt oder anonymisiert werden94 oder ist eine nicht öffentliche Kenntnisnahme der Informationen als Hintergrundwissen für die Mandatsträger ausreichend, ist keine Teilung oder Trennung des Beratungsgegenstands erforderlich. Zu denken ist hier insbesondere an einen Anonymisierungsschlüssel: für die öffentliche Beratung geschwärzte Angaben können unter dem Siegel der Verschwiegenheit95 für die Mandatsträger transparent gestaltet werden96, zum Beispiel um ihnen im Rahmen ihrer Mandatswahrnehmung die Kontaktaufnahmen mit Betroffenen zu ermöglichen. Praktisch möglich ist eine solche Aufteilung auch dann, wenn sensible Hintergrundinformationen im Rahmen einer nicht öffentlichen Ausschussvorberatung ausgegeben werden können. Ihre Grenzen findet diese Variante in dem Beratungsbedarf der kommunalen Volksvertretung. Besteht ggf. trotz einer nicht öffentlichen Vorberatung in einem Ausschuss die Notwendigkeit, über sensible Aspekte zu sprechen, ist die Öffentlichkeit im Zweifel vorübergehend von der laufenden Sitzung auszuschließen, bis die nicht öffentlich zu beratenden Fragen geklärt sind.97

92  So zum Zusammenhang zwischen Beratung und Abstimmung, Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4; ähnlich n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146. 93  VGH Mannheim, 21.02.1978 vom Urteil – VIII 660/77, ESVGH 28, 152 (158); OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.10.1986 – 2 OVG B 91/86, OVGE MüLü 39, 489 (492); VG Oldenburg, Beschluss vom 29.06.1992 – 2 B 1953/92, zit. nach Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185; Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 28; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4. 94  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 32; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. VI. 2 S. 679. 95  Siehe zur Verschwiegenheitspflicht der Mandatsträger im Fall allgemein-formeller Nichtöffentlichkeit Kapitel 3. Diskretionsstufen kommunaler Nichtöffentlichkeitsarten unter b) Allgemein-formell nicht öffentliche Sitzungen, S. 358 ff. 96  Ähnlich OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.10.1986 – 2 OVG B 91/86, OVGE MüLü 39, 489 (491 f.); VG Oldenburg, Beschluss vom 29.06.1992 – 2 B 1953/ 92, zit. nach Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185. 97  Siehe zu den Möglichkeiten und Grenzen der Aufspaltung eines Beratungsgegenstands Kapitel a) Erforderlichkeit, S. 345 ff.

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D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

b) Angemessen Im Rahmen der Angemessenheit ist zu prüfen, ob der Ausschluss der Öffentlichkeit im konkreten Einzelfall tatsächlich zu vertreten ist oder dem ­Informations- und Kontrollbedürfnis der Öffentlichkeit nicht auf Grund besonderer Umstände Vorrang gegenüber dem kollidierenden Rechtsgut einzuräumen ist. Gegebenenfalls ist eine doppelte Prüfung vorzunehmen, nämlich zum einen die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die kommunale Sitzungsöffentlichkeit und zum anderen die des Eingriffs in das andere Schutzgut. Hat der Inhaber des Rechtsguts hier selber die Öffentlichkeit gesucht und ist es aus demokratischer und rechtsstaatlicher Sicht notwendig die Öffentlichkeit umfassender zu informieren, kann es angemessen sein, die Angelegenheit öffentlich zu behandeln.

IV. Gebundene Entscheidung Bei der Entscheidung, ob die Öffentlichkeit aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen wird, handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Sind keine Rechtfertigungsgründe gegeben, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden98. Die Auffassung, die kommunale Volksvertretung könne die Öffentlichkeit auch dann ausschließen, wenn die normierten gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien99, ist nicht mit dem Gebot der kommunalen Sitzungs­ öffentlichkeit vereinbar. Es müssen sachliche Gründe für eine nicht öffent­ liche Behandlung vorliegen100. Alleine, dass eine öffentliche Beratung unangenehm ist oder politische Konsequenzen gescheut werden, genügt nicht101. Soweit versucht wird, die vermeintliche Entscheidungsfreiheit der kommunalen Volksvertretungen verfassungskonform durch den Hinweis, dass durch die Nichtöffentlichkeit nicht der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit und das damit vom Gesetzgeber verfolgte Ziel unterlaufen werden dürfe, zu relativieren102, verkennt dies, dass die Sitzungsöffentlichkeit nicht im Belieben 98  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 145. 99  So Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.1 S. 19. 100  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. IV. 1 S. 12; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. b) S. 676. 101  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 11. 102  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.1 S. 19.



IV. Gebundene Entscheidung351

der Mandatsträger steht. Sie haben nicht nur den Kernbereich der Sitzungsöffentlichkeit zu wahren, sondern öffentlich zu tagen, wenn und soweit keine Ausschlussgründe vorliegen103. Dies ist auch daran zu erkennen ist, dass die Einhaltung der Ausnahmetatbestände des Öffentlichkeitsgrundsatzes der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt104. Aus der Schutznotwendigkeit eines mit der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit kollidierenden Rechtsguts folgt, dass die Öffentlichkeit ggf. nicht nur ausgeschlossen werden kann, sondern sogar ausgeschlossen werden muss105. Die normierten Kriterien sind insofern zwar nicht abschließend, jedoch zwingend106. Es handelt sich folglich nicht nur um Rechtfertigungsgründe, die den Ausschluss der Öffentlichkeit legitimieren, sondern um bindende Ausschlussgründe, die keinen Ermessensspielraum zulassen107. „Liegen jene materiellen Voraussetzungen vor, dann muss die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, und zwar auch dann, wenn die betroffene Angelegenheit nicht in 103  Siehe zu den einzelnen Rechtfertigungsgrunden Kapitel E.  Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 104  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 13; von Bechtolsheim/Betz, KommJur 2006, 1 (5 f. m. w. N.); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 26, 68; Höhlein, in: Gabler/ Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.1 S. 19; Paal, in: Rehn/Cron­ auge, GO NRW, § 48 Rn. 17; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146; Pahlke, BayVBl. 2010, 357 (362 f.); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 47, 49; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. V S. 12; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 4 S. 3; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.1. 105  So ausdrücklich durch eine „ist“-Formulierung in § 35 Abs. 1 S. 2 GemO BW; § 36 Abs. 2 S. 2 BbgKVerf; § 29 Abs. 5 S. 2 KV M-V; § 52 Abs. 2 S. 1 KVG LSA; § 35 Abs. 1 S. 2 GO SH; siehe dazu auch Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 3; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 11; Höhlein, in: Gabler/ Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1, S. 11; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 184; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 29; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 2, 4. 106  VGH Mannheim, Urteil vom 16.06.1981 – 3 S 271/81, HSGZ 1985, 124 (125); Nr. 1 VwV GemO BW zu § 35, abgedruckt bei Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 S. 1 f.; a. A. Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 32. 107  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 171 f.; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 11; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 29; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Ziff. 4 S. 3; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4; a. A. Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Ziff. 2.2 S. 314, der der Gemeindevertretung ein Ermessen darüber einräumt, „ob sie den entsprechenden Tagesordnungspunkt öffentlich oder nicht öffentlich abhandeln möchte“ – Hervorhebung diesseits.

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D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

den Kreis der in der Geschäftsordnung genannten Angelegenheiten fällt.“108 Etwas anderes gilt auch nicht etwa für im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung zugezogene Personen109. Die Öffentlichkeit ist auch dann auszuschließen, wenn tatsächlich keine Zuschauer anwesend ist110. Die unterschiedlichen Formulierungen in den Regelungen der Bundesländer, die sich danach unterscheiden lassen, ob das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen einen Öffentlichkeitsausschluss „erfordern“111 oder die Rücksicht auf das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen einer öffent­ lichen Beratung „entgegenstehen“112, bringen diesbezüglich nichts anderes zum Ausdruck113. Das insbesondere in dem Begriff des „Erforderns“ angelegte Ermessen der kommunalen Verwaltung bezieht sich ausschließlich auf die Einschätzung der Tatsachensituation, ob ein Ausschlussgrund vorliegt114. Ist ein solcher gegeben, besteht eine Pflicht zum Öffentlichkeitsausschluss115. Dementsprechend ist im Vorfeld, nötigenfalls durch Nachfragen bei den betroffenen Dritten, Klarheit darüber zu schaffen, ob geschützte Rechtsgüter berührt werden116. Gegebenenfalls sind alle Beteiligten, vom Bürgermeister, Vorsitzenden oder Verwaltungsleiter über die kommunale Volksvertretung bis NVwZ 2014, 609 (611). Grasser, BayVBl. 1989, 225 (266). 110  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 14. 111  § 35 Abs. 1 S. 2 GemO  BW; § 36 Abs. 2 S. 2 BbgKVerf; § 29 Abs. 5 S. 2 KV M-V; § 64 S. 1 NKomVG; § 35 Abs. 1 S. 1 GemO RP; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; § 52 Abs. 2 S. 1 KVG LSA; § 35 Abs. 1 S. 2 GO SH. 112  Art. 52 Abs. 2 GO BY; § 40 Abs. 1 KSVG SL; § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO. 113  Entsprechendes gilt für das hessische und nordrhein-westfälische „kann“, § 52 Abs. 1 S. 2 HGO, § 48 Abs. 2 S. 2 GO NRW. 114  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 26, 68; Ehlers, DVBl. 1990, 1 (4 f.): Schnapp, VerwArch 1987, 407 (454 ff.); Lehné/Weirich/ Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Ziff. 2; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. b) S. 676, der insoweit von einem Prognosespielraum spricht; a. A. Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Ziff. 2.2, der von einem Ermessen ausgeht; ebenso Höhlein, in: Gabler/Höhlein/ Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.1 der sogar von einem weiten Beurteilungsspielraum ausgeht; a. A. Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4, der auch im Rahmen des Vorliegens der Voraussetzungen kein Ermessen annimmt: „Die unbestimmten Rechtsbegriffe gewähren den Gemeinden auch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände keinen Beurteilungsspielraum, da es an der hierfür typischen subjektiven Wertung fehlt.“ 115  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 4; ohne Differenzierung einen Beurteilungsspielraum annehmend, Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 6. 116  VGH Mannheim, Urteil vom 16.06.1981 – 3 S 271/81, HSGZ 1985, 124 (125); VGH Mannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (285). 108  Burgi, 109  A. A.



IV. Gebundene Entscheidung353

hin zu jedem einzelnen Mandatsträger, verpflichtet, beim Vorliegen der Vo­ raussetzungen für einen Öffentlichkeitsausschluss diesen herbeizuführen117. Ihnen obliegt insofern eine Antragspflicht118. Ist die Öffentlichkeit auszuschließen, dürfen den Beratungen auch keine Vertreter der Presse beiwohnen119. Dies gilt auch, wenn den Medienvertretern auferlegt wird, aus der nicht öffentlichen Sitzung nicht zu berichten, denn mit der Notwendigkeit einer nicht öffentlichen Sitzung zum Schutz eines anderen Rechtsguts ist es nicht vereinbar, gerade dem Berufsstand, der davon lebt, Geheimnisse ans Licht zu bringen, das Vertrauen, Verschwiegenheit zu bewahren, entgegenzubringen120. Sofern die Verletzung eines geschützten Rechtsgut durch Wortbeiträge in einer öffentlichen Sitzung in Aussicht steht, obliegt es dem Vorsitzenden im Rahmen seiner Ordnungsgewalt, diese zu vermeiden121. Ergibt sich während der Beratung die Notwendigkeit, Informationen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen, zu thematisieren, kann die Öffentlichkeit jedoch auch noch während des Sitzungsverlaufs ausgeschlossen werden122. Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Gründe für den Öffentlichkeitsausschluss während der Sitzung entfallen123. Findet sich für den Ausschluss der Öffentlichkeit durch den Beschluss der kommunalen Volksvertretung nicht die notwendige Mehrheit, obwohl Ausschlussgründe gegeben sind, obliegt es dem Bürgermeister, eine öffentliche Beratung durch Widerspruch zu unterbinden und nötigenfalls die Kommunalaufsicht einzubinden124.125 117  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 5; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 49, 52. 118  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 18. 119  Weirich, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, S. 3. 120  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 1.4; Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 18; a. A. Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 14. 121  OVG Koblenz, Urteil vom 02.09.1986 – 7 A 7/86, NVwZ 1988, 80 (80); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.4.5.2, S. 21; Tesch­ke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 26. 122  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 17; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 26; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2. 123  Zur Problematik der öffentlichen Beratung eines als nicht öffentlich bekannt gemachten Tagesordnungspunkts siehe Kapitel vii.  Verschiebung eines Tagesordnungspunkts vom nicht öffentlichen in den öffentlichen Teil einer Sitzung, S. 215 ff. 124  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 20; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. IV 1 S. 12. 125  Vergleiche dazu auch ausführlich Kapitel III.  Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtschutz, S. 472 ff.

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D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

V. Rechtsfolgen gerechtfertigter, kommunaler Nichtöffentlichkeit Im Hinblick auf die Rechtsfolgen gerechtfertigter, kommunaler Nichtöffentlichkeit ist zwischen den verschiedenen Nichtöffentlichkeitsarten zu unterscheiden. Unterschiede ergeben sich zum einen im Zugangsrecht (s. dazu 1.) und zum anderen in der Befugnis über den Sitzungsinhalt, dessen Verlauf und Ergebnis zu berichten (s. dazu 2.). Besteht lediglich eine materielle oder individuell-formelle Nichtöffentlichkeit, unterliegt der Sitzungsinhalt keiner Vertraulichkeit. Diese ist lediglich im Fall einer allgemein-formellen Nichtöffentlichkeit zu beachten. 1. Beschränkung des Zutrittsrechts a) Materielle Nichtöffentlichkeit Im Fall der materiellen Nichtöffentlichkeit ist das Zugangsrecht nicht eingeschränkt. b) Allgemein-formelle Nichtöffentlichkeit Besteht eine allgemein-formelle Nichtöffentlichkeit, steht nur den Personen ein Zugangsrecht zu, die ein eigenständiges Recht auf eine Sitzungsteilnahme haben126. Das sind diejenigen, denen eine Teilnahmepflicht obliegt, denen ein Teilnahmerecht zusteht, die auf Grund einer Weisung teilzunehmen haben oder die als Interessenvertreter oder wegen besonderer Sachkunde eingeladen werden127. Eine Teilnahmepflicht – im weitesten Sinne – besteht für die gewählten Mitglieder der kommunalen Volksvertretung und sachkundige Einwohner, sofern sie für den konkreten Punkt benannt sind128. 126  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 10; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.1; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.3; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. V S. 681 f. 127  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 27  f. mit Darstellung der einzelnen Fallgruppen; ähnlich Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 54; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Nr. 6 S. 4. 128  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 10; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 8; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 53a; Schuster/Diehl/ Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 4 S. 11.



V. Rechtsfolgen gerechtfertigter, kommunaler Nichtöffentlichkeit355

Ein Teilnahmerecht hat insbesondere der Bürgermeister bzw. Verwaltungsleiter. Gleiches gilt für die Gleichstellungsbeauftragte, den Vorsitzenden des Personalrats129 und die Aufsichtsbehörde130. Eine Teilnahme auf Grund einer Weisung oder Einladung steht der Schriftführung, Verwaltungsmitarbeitern und Sachverständigen zu. Verwaltungsmitarbeitern und Sachverständigen ist dann Zutritt zu gewähren, wenn ihre Anhörung für eine Willensbildung für sinnvoll erachtet wird oder ihre Teilnahme sachlich geboten ist131. Pressevertreter haben genauso wie private Zuschauer kein Anwesenheitsrecht132. Ausgeschlossen sind mit anderen Worten alle, die nicht dazu berufen sind, zur Beratung und Entscheidung einen sachlichen Beitrag zu leisten. Dies gilt auch für befangene Mandatsträger133. Für den Ausschluss ist es unerheblich, ob die Sicherheit besteht, dass von dem nicht öffentlichen Informationen kein Gebrauch gemacht wird134. c) Individuell-formelle Nichtöffentlichkeit Die individuell-formelle Nichtöffentlichkeit, gleich ob diese durch eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Ordnung in der Sitzung gegen eine oder mehrere Personen oder gegenüber einer größeren 129  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 8; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 53a; Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Ziff. 2.2; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 3 S. 11; a. A. hinsichtlich des Zutrittsrechts der Mitglieder der Personalvertretung Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/ Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 10 m. w. N.; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 186 m. w. N.; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.3. 130  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 29. 131  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 10; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 53a; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.1; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 3 S. 11; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.3. 132  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 26; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.1; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 4 S. 11; a. A. bzgl. Vertretern der Presse Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 14. 133  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 10; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 8; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.3. 134  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 8.

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D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

Personenzahl auf Grund beschränkter Platzverhältnisse begründet wurde, hat nicht zur Folge, dass für die Teilnahme ein eigenständiges Recht notwendig ist. Es bleibt bei dem Grundsatz der kommunalen Öffentlichkeit, dass jedermann Zugang zu gewähren ist. Eine Ausnahme besteht lediglich für die Personen, die individuell begründet ausgeschlossen wurden. 2. Nichtöffentlichkeit, Vertraulichkeit und Geheimhaltung Unter dem Oberbegriff des Öffentlichkeitsausschlusses sind die Diskre­ tionsstufen, Nichtöffentlichkeit, Vertraulichkeit und Geheimhaltung, zu unterscheiden. Die unterste Diskretionsstufe bildet die Nichtöffentlichkeit. Sie liegt immer schon dann vor, wenn die Öffentlichkeit nicht unmittelbar von einer Information Kenntnis nehmen kann oder darf. Als nächste Stufe folgt die Vertraulichkeit. Vertraulich ist eine nicht unmittelbar zugängliche (mithin nicht öffentliche) Information, wenn die Erweiterung des eingeweihten Kreises besonderen Voraussetzungen unterliegt, die jedoch zur Disposition der Eingeweihten stehen. Vertraulichkeit verpflichtet Dritten gegenüber zum Stillschweigen135. Die Intensität der Diskretion durch Vertraulichkeit hängt folglich auch von dem variablen Kreis der Eingeweihten ab136. Die Dispositionsbefugnis der Eingeweihten besteht nicht erst dann, wenn jeder Eingeweihte frei entscheiden kann, wem er Informationen weitergibt, denn in diesem Falle würde die Pflicht, Stillschweigen zu bewahren, ins Leere laufen. Es genügt, dass die Erweiterung des Kreises der Eingeweihten in das Ermessen Einzelner gestellt ist. Denkbar ist dabei sowohl, dass ein Einzelner alleine entscheidungsbefugt ist, als auch, dass eine Gruppe einstimmig oder mehrheitlich darüber befinden kann oder dass die Eingeweihten gemeinsam durch mehrheitlichen Beschluss entscheiden können. Maßgeblich ist mithin, dass keine absolute Begrenzung des Kreises der Eingeweihten durch gesetzliche Vorgaben besteht. Als letzte (hier zu erörternde137) Diskretionsstufe folgt die Geheimhaltung. Diese geht noch über die Vertraulichkeit hinaus138, denn geheim ist eine 135  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 573; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 113. 136  Linck, ZParl 1992, 673 (678). 137  Auf Inhalt und Bedeutung von Verschlusssachen und anderen Sicherheitsstufen wird hier nicht weiter eingegangen, da diese für die Kommunalselbstverwaltung in der Regel nicht von Relevanz sind. 138  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 574.



V. Rechtsfolgen gerechtfertigter, kommunaler Nichtöffentlichkeit357

nicht unmittelbar zugängliche (d. h. nicht öffentliche) Information, wenn deren Weitergabe besonderen Voraussetzungen unterliegt (d. h. Vertraulichkeit besteht), die nicht zur Disposition der Eingeweihten stehen, sondern gesetzlich determiniert sind139. Maßgeblich für die Qualifikation als geheim ist beispielsweise die Geheimschutzordnung des Bundestags. Sie ist die dritte Anlage der Geschäftsordnung des Bundestags. Als geheim werden danach solche Verschlusssachen eingestuft, deren Kenntnis durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden, ihren Interessen oder ihrem Ansehen schweren Schaden zufügen oder für einen fremden Staat von großem Vorteil sein würden, § 2 Abs. 3 Geheimschutzordnung. Streng geheim ist eine Verschlusssache dann, wenn durch ihr Bekanntwerden der Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet werden würde, § 2 Abs. 2 Geheimschutzordnung. Geheimhaltungsvorschriften finden sich aber auch an anderer Stelle140. Zusammenfassend ist festzustellen: Nichtöffentlichkeit, Vertraulichkeit und Geheimhaltung haben alle den Ausschluss der Öffentlichkeit zur Folge. Sie unterscheiden sich jedoch in drei Punkten. Zunächst variiert die Zahl der Eingeweihten. Außerdem unterscheiden sich die organisatorischen Sicherungsmaßnahmen. Überdies differenzieren die Konsequenzen für die Verletzung der Vorschriften. Den größten Kreis der Eingeweihten, die wenigstens organisatorischen Sicherungsmaßnahmen und die geringsten Konsequenzen für eine Verletzung finden sich bei der Nichtöffentlichkeit. Danach folgt die Vertraulichkeit. Vertraulichkeit bedeutet folglich eine Diskretion, die weniger ist als Geheimhaltung aber mehr als bloße Nichtöffentlichkeit. Den höchsten Schutz genießt eine Information mit der Qualifikation geheim.141 3. Diskretionsstufen kommunaler Nichtöffentlichkeitsarten Aus diesem Stufenverhältnis von Nichtöffentlichkeit, Vertraulichkeit und Geheimhaltung ergibt sich, dass nicht öffentliche Informationen weder automatisch vertraulich noch geheim zu behandeln sind142. Maßgeblich ist, ob und unter welchen Bedigungen der Kreis der Eingeweihten die Informationen weitergeben darf. Im Folgenden wird daher erörtert, welche Art des Öffentlichkeitsausschlusses welche Diskretionsstufe auslöst.

Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 113. Beispiel im Steuerrecht § 30 AO. 141  Siehe zu der Unterscheidung zwischen Nichtöffentlichkeit, Vertraulichkeit und Geheimhaltung, Linck, ZParl 1992, 673 (677 ff.). 142  Linck, ZParl 1992, 673 (686). 139  Rösch, 140  Zum

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D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

a) Materiell oder individuell-formell nicht öffentliche Sitzungen Der Inhalt nicht öffentlicher Sitzungen kommunaler Volksvertretungen ist nicht „[…] per se als vertraulich oder sogar geheim zu behandeln“143, denn mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit wird nicht indiziert, dass über die Beratung oder zumindest die Ergebnisse nicht berichtet werden darf144. Dies entspricht schon offensichtlich nicht in jedem Fall dem Sinn des Öffentlichkeitsausschlusses, denn nicht öffentliche Sitzungen finden bereits dann statt, wenn die Öffentlichkeit (nur) materiell ausgeschlossen wird oder eine individuell-formelle Nichtöffentlichkeit besteht. In diesen Fällen erfolgt der Ausschluss nicht aus Diskretionsgründen. Mithin bestehen keine Vorbehalte hinsichtlich der Weiterhabe von Informationen aus der Sitzung. Gleiches gilt, wenn gar keine Zuschauer zugelassen werden, ohne dass dies im Sitzungs­ inhalt begründet ist, beispielsweise wenn aus Sicherheitsgründen nur Me­ dienvertreter zugelassen werden. Dann besteht eine so genannte Bericht­ erstatteröffentlichkeit145. Aus nur nicht öffentlichen Sitzungen gewählter Volksvertretungen kann folglich von jedem Sitzungsteilnehmer ohne Konsequenzen berichtet werden. b) Allgemein-formell nicht öffentliche Sitzungen Dies konterkariert den Öffentlichkeitsausschluss jedoch in den Fällen allgemeiner-formeller Nichtöffentlichkeit, d.  h. wenn die Öffentlichkeit aus rechtlichen Gründen zum Zweck der Diskretion nicht an einer Sitzung der kommunalen Volksvertretung teilnehmen darf. In diesen Fällen geht mit dem Öffentlichkeitsausschluss auch die Qualifikation der Angelegenheiten als ZParl 1992, 673 (677). Parlamentsrecht, S. 563; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 112. 145  Die Berichterstatteröffentlichkeit ist zwar Teil der Sitzungsöffentlichkeit, stellt diese alleine aber nicht sicher, weil Medienvertreter nicht die Kontrolle des Volks in der Weise sicher stellen können, wie dies durch eine unmittelbare Informationsmöglichkeit gewährleistet wäre. Im Rahmen medialer Berichterstattung besteht immer die Gefahr einer einseitigen und unvollständigen Informationsweitergabe, welche für eine gezielte Einflussnahme auf die Meinungs- und Willensbildung des Volks geeignet ist. Deshalb stellt auch das Bestehen der Berichterstatteröffentlichkeit einen Fall des Öffentlichkeitsausschlusses dar, vgl. Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 114. In Abgrenzung zur Frage der Zulässigkeit von Medienvertretern trotz eines Öffentlichkeitsausschlusses (Berichterstatteröffentlichkeit) wird unter dem Begriff der Medienöffentlichkeit die Frage der Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen in öffentlichen Sitzungen thematisiert, siehe dazu Kapitel b) Medienöffentlichkeit – Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen?, S. 250 ff. 143  Linck,

144  Achterberg,



V. Rechtsfolgen gerechtfertigter, kommunaler Nichtöffentlichkeit359

vertraulich bzw. geheim einher146. Es handelt es sich dann um einen Fall qualifizierter Nichtöffentlichkeit147. Die Annahme, eine vertrauliche Behandlung der Beratungsgegenstände sei im Fall eines allgemein-formellen Öffentlichkeitsausschlusses nicht zwingend148, verkennt, dass dann keine Rechtfertigung für eine nicht öffentliche Behandlung gegeben wäre149. Dementsprechend werden die kommunalen Vorschriften zur Sitzungsöffentlichkeit und zum Ausschluss der Öffentlichkeit inhaltlich von den Verschwiegenheitspflichten ergänzt150. Diese müssen „sachkundige Bürger“ sogar auch dann beachten, wenn sie an der nicht öffentlichen Beschlussfassung in der kommunalen Volksvertretung nicht teilgenommen haben151. Ein Verstoß gegen diese kann ordnungsrechtliche, strafrechtliche oder zivilrechtliche Sanktionen auslösen152. Die Verschwiegenheitspflicht umfasst den Beratungsgegenstand, den Inhalt, den Verlauf der Sitzung sowie ggf. vorgestellte oder ausgeteilte Unterlagen153. c) Bindungswirkung der Verschwiegenheitspflicht Die Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflicht entfaltet bereits mit der Ankündigung des Öffentlichkeitsausschlusses in der Tagesordnung Wirkung154 und gilt bis zur Entbindung durch den Bürgermeister gegenüber 146  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 10. 147  Achterberg, Parlamentsrecht S. 570. 148  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S.  146 f. 149  Ein solcher Rechtfertgungsgrund könnte allenfalls in einer unbeeinflussten Diskussion bestehen. Dass und warum dieses Motiv einen Ausschluss der Öffentlichkeit nicht rechtfertigen kann wird im Kapitel a)  Das freie Mandat, S. 370 f. und (2) Mangelnde Effizienz als Funktionsbeeinträchtigung, S. 373 ff. dargestellt. 150  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 172; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 10; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 17; Burgi, NVwZ 2014, 609 (611); Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 3; §§ 35 Abs. 2, 17 Abs. 2, 52 GemO BW, § 37 Abs. 1 BeamtStG i. V. m. § 57 LBG; Art. 20 Abs. 2 GO BY; § 27 BbgKVerf; § 24 HGO; § 23 Abs. 6 KV M-V; § 40 NKomVG; § 30 i. V. m. § 43 Abs. 2 GO NRW; § 20 GO RP; § 26 Abs. 3 KSVG SL; § 19 Abs. 2 SächsGemO; § 32 Abs. 2 KVG LSA; § 21 Abs. 1 S. 2 GO SH; § 12 Abs. 3 ThürKO. 151  OVG Münster vom 22.09.1965 – III A 1360/63, DÖV 1966, 504 (504 f.). 152  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 56. 153  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Nr. 6 f. S. 4 f. 154  VG Köln, Urteil vom 30.08.2012 – 4 K 4462/11, Juris Rn. 24.

360

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

allen Mandatsträgern155. Auch Mandatsträger, die eine öffentliche Behandlung gefordert haben, sind zur Verschwiegenheit verpflichtet156. Dem Öffentlichkeitsausschluss kommt insoweit eine Richtigkeitsvermutung zu. aa) Keine Durchbrechung wegen Rechtswidrigkeit Auf die Verschwiegenheitspflicht der Mandatsträger hat es keine Auswirkung, wenn zu Unrecht nicht öffentlich verhandelt wird157. Soweit vertreten wird, ein unrechtmäßiger Öffentlichkeitsausschluss löse von vornherein keine Verschwiegenheitspflichten aus, weil eine Fehleinschätzung das Risiko des jeweiligen Mandatsträger sei und keine Ultima ratio bestehe, nach der zunächst rechtliche Möglichkeiten z. B. das Anrufen der Aufsichtsbehörde ausgeschöpft werden mussten158, ist dies aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit nicht haltbar. Es besteht kein „Selbsthilferecht“ der Mandatsträger, welches die „Flucht in die Öffentlichkeit“ gestattet159. Über den Ausschluss der Öffentlichkeit entscheidet die kommunale Volksvertretung160. Diese Mehrheitsentscheidung des demokratisch legitimierten Kollegialorgans würde ins Leere laufen, stände die Verschwiegenheitspflicht unter der persönlichen Einschätzung der Mandatsträger zur freien Disposition. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Öffentlichkeitsausschluss beim Vorliegen der Ausschlussgründe nicht nur erfolgen kann, sondern zum Schutz der durch die Öffentlichkeit gefährdeten Rechtsgüter erfolgen muss161. Es ist aus rechtsstaatlicher Sicht nicht vertretbar, dem Staat eine Pflicht zur vertraulichen Behandlung aufzuerlegen und diese durch die Möglichkeit individueller Einschätzungen über die Rechtmäßigkeit des Öffentlichkeitsausschlusses auszuhöhlen. 155  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 172; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 17; anders in Hessen, wo die Vertretungskörperschaft über den Fortbestand der Geheimhaltungsbedürftigkeit entscheiden muss, Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 5. 156  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 17. 157  VGH München, Beschluss vom 14.03.2000 – 4 ZB 97.1313, 4 C 97.1396, Juris, Rn. 4; OVG Koblenz, Urteil vom 24.11.1976 – 7 A 46/75, BeckRS 1976, 01450 Rn. 20; OVG Münster, Beschluss vom 23.12.2009 – 15 A 2126/09, NWVBl. 2010, 237 (238); OVG Münster, Beschluss vom 07.04.2011 – 15 A 441/11, NWVBl. 2011, 346 (346); VG Stuttgart, Urteil vom 12.02.1975 – II 304/74, BWGZ 1975, 352 (353); Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Nr. 7 S. 5. 158  OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (176); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 171; Thiele, KommP N 1997, 170 (171). 159  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 310 Rn. 472. 160  Siehe dazu Kapitel 1. Einzelfallentscheidung, S. 332 ff. 161  Siehe dazu Kapitel IV. Gebundene Entscheidung, S. 350 ff.



V. Rechtsfolgen gerechtfertigter, kommunaler Nichtöffentlichkeit361

Im Rahmen der Folgenbetrachtung einer individuellen Beurteilung durch die Mandatsträger, ob die Öffentlichkeit zu Recht ausgeschlossen wurde, ist in die Risikobetrachtung auch der Inhaber des Rechtsguts, das durch die Nichtöffentlichkeit zu schützen ist, miteinzubeziehen. Das Risiko einer Fehleinschätzung beschränkt sich mithin nicht nur auf die ordnungsrechtlichen, strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Konsequenzen, die eine pflichtwidrige Preisgabe der Informationen für den Mandatsträger haben kann. Zu berücksichtigen sind auch die Folgen für den Rechtsträger, dessen zu schützende Güter durch die Veröffentlichung von Informationen beeinträchtigt werden können. Bestand ein Rechtfertigungs- und Ausschlussgrund und gibt ein Mandatsträger in der fälschlichen Annahme, die Öffentlichkeit sei unrechtmäßig ausgeschlossen worden und es bestehe daher keine Vertraulichkeit, Informationen Preis, stellt sich zum einen die Frage, ob der ggf. eintretende Schaden überhaupt gut gemacht werden kann, und zum anderen, an wen sich der Geschädigte halten kann. Dabei ist zu beachten, dass der Schaden durch die Veröffentlichung vertraulicher Informationen nur schwer zu beziffern und nachzuweisen ist. Problematisch ist überdies, dass der Geschädigte Gefahr läuft, seinen Schaden nicht ersetzt zu bekommen. Eine unmittelbare Schadensersatzpflicht des Staats, namentlich der Kommune, scheidet bereits deshalb aus, weil sich diese durch den Beschluss der kommunalen Volksvertretung, die Öffentlichkeit auszuschließen, rechtskonform verhalten hat. Ob die Verantwortlichkeit gem. Art. 34 GG auf die Kommune übergeleitet wird, ist fraglich, denn dies setzt eine Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB voraus. Eine solche ist nur gegeben, wenn der Amtspflichtige schuldhaft handelte. Eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Verschwiegenheitspflicht scheidet aus, wenn der Mandatsträger vertretbar zu der Annahme gelangt war, dass der Öffentlichkeitsausschluss rechtwidrig gewesen sei. Angesichts der zahlreichen Einzelfälle, Gegenausnahmen und Mindermeinungen, die im Bereich der Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe vertreten werden, wird es kaum möglich sein, entsprechende Einschätzungen als offensichtlich unvertretbar einzustufen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auf der kommunalen Ebene lediglich ehrenamtliche Politiker tätig sind, was das Risiko vermeintlich vertretbarer Fehleinschätzungen deutlich erhöhen dürfte. Eine Amtshaftung der Kommune wird damit in der Regel ausscheiden. Haftet der Mandatsträger im Zweifel alleine, hängt der Ersatz des Schadens von dessen Solvenz ab.

362

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

bb) Ende der Vertraulichkeit Der Öffentlichkeitsausschluss und die damit verbundene Vertraulichkeit sind nicht von absoluter Dauer. Sie dürfen nur solange aufrecht erhalten werden, wie dies zum Schutz der Rechtsgüter notwendig ist162. Dementsprechend entfällt die Verschwiegenheitspflicht, wenn die Nichtöffentlichkeit auf Grund einer Einwilligung wegfällt163. Gleiches soll auch gelten, wenn der Schutz durch die Nichtöffentlichkeit verwirkt wird164. Die Schweigepflicht entfällt nicht automatisch mit dem Wegfall des Ausschlussgrundes, sondern muss ausdrücklich angeordnet werden165. Eine Entbindung von der Vertraulichkeit muss individuell für einzelne Verhandlungsgegenstände gegenüber allen Mandatsträgern erfolgen166. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die Aufhebung in der Niederschrift protokolliert werden, sie kann aber auch rechtswirksam durch konkludentes Handeln erfolgen167. Die Entbindung von der Schweigepflicht darf nur solange und soweit verweigert werden, wie dies durch Ausschlussgründe gefordert ist168. Die Bekanntmachung des Beschlusses entbindet nicht von der Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich des Verlaufs und der Abstimmung in der Verhandlung169. 4. Umfang der Vertraulichkeit Die allgemeine, formelle Nichtöffentlichkeit dient dem Schutz der Rechtsgüter, die von der Beratung und Entscheidung der kommunalen Volksvertretung berührt werden, vor dem Bekanntwerden in der Öffentlichkeit. Daraus folgt, dass nur befugten Personen die Materialien und die Sitzung zugänglich 162  Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 285; siehe dazu Kapitel c) Nachträgliche Veröffentlichung nicht öffentlicher Beschlüsse, S. 228 ff. 163  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 60. 164  Pfefferle, VBlBW 1997, 415 (416); kritisch dazu Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 60. 165  Vgl. Nr. 2 VwV GemO BW zu § 35, abgedruckt bei Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 S. 1 f. 166  VGH Mannheim, Urteil vom 06.10.1975 – I 754/75, BWGZ 1976, 80 (81); Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 285; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 Nr. 6 f. S. 4 f. 167  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 17. 168  VG Freiburg, VBlBW 1959, 77 (77), zit. nach Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 17. 169  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 172; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 17.



V. Rechtsfolgen gerechtfertigter, kommunaler Nichtöffentlichkeit363

zu machen sind170. Die Vertraulichkeit umfasst folglich sowohl den Inhalt der Beratungen als auch das Abstimmungsverhalten171. Abweichend davon führt das Oberverwaltungsgericht NRW im Rahmen einer Entscheidung über den Zugang zu Informationen eines Rechnungsprüfungsamtes nach dem IFG NRW aus: „Die Nichtöffentlichkeit der Rats- und Ausschusssitzungen soll die Vertraulichkeit der Beratung gewährleisten. Dieser Schutz erstreckt sich aber nicht auf das Beratungsergebnis und die Beratungsgrundlagen. Soweit die Beratungsunterlagen lediglich Fakten darstellen und keinen Rückschluss auf den Beratungsablauf und den Prozess der Willensbildung geben, greift die Schutzfunktion der Nichtöffentlichkeit der Sitzung nicht ein.“172

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Nichtöffentlichkeit soll nicht die Vertraulichkeit der Beratung gewährleisten sondern dient dem Schutz anderer Rechtsgüter. Die Vertraulichkeit der Beratung, die durch einen Öffentlichkeitsausschluss hergestellt wird, ist kein Selbstzweck. Sie ist kein eigenes Schutzgut des Öffentlichkeitsausschlusses. Sie ist lediglich Mittel zum Zweck. Der Zweck ist der Schutz der in den Gemeindeordnungen benannten Schutzgütern. Solange deren Schutzbedürfnis auch nach Beschlussfassung in einer nichtöffentlichen Sitzung fortbesteht und eine Zugänglichkeit der Sitzungsunterlagen eine Gefährdung dieser Rechtsgüter darstellt, solange muss die Vertraulichkeit fortbestehen.173 Würden lediglich die Beratung und Entscheidung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, ohne dass über den Inhalt der Debatten Verschwiegenheit zu wahren wäre, wäre die Schutzfunktion der Nichtöffentlichkeit nicht gewährleistet. Der Auffassung, der Verschwiegenheitspflicht würden solche Elemente der Beratung nicht unterfallen, für deren vertrauliche Behandlung kein Bedarf besteht, zum Beispiel weil sie keine Rückschlüsse auf

ZParl 1992, 673 (677). München, Beschluss vom 29.01.2004, BayVBl. 2004, 402; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 65. 172  OVG Münster, Urteil vom 17.05.2006 – 8 A 1642/05, BeckRS 2006, 23201, Ziff. 2. c). 173  Im Hinblick auf den Informationsanspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen bedeutet dies, dass solange die Gründe für einen Öffentlichkeitsausschuss fortbestehen, auch ein Antrag auf Informationszugang keinen Erfolg haben kann. Wenngleich jeweils separate Einzelfallprüfungen vorzunehmen sind, so ist es nicht denkbar, dass die Nichtöffentlichkeit von Sitzungen gerechtfertigt ist, ein Informa­ tionszugang aber gewährt werden kann. Grund dafür ist, dass sich die Rechtfertigungstatbestände, aus denen die Öffentlichkeit von Sitzungen auszuschließen ist, mit den Schutzzwecken decken, aus denen nach den Informationsfreiheitsgesetzen Ausnahmetätbestände einschlägig sein. 170  Linck, 171  VGH

364

D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss

vertrauliche Informationen zulassen oder weil sie offenkundig sind174, kann nicht gefolgt werden, weil dies der eigenmächtigen Beurteilung, ob die Verschwiegenheit zu wahren ist oder nicht, Vorschub leistet. Es ist rechtsstaatlich nicht zu vertreten, dass etwaige Fehleinschätzungen zu Lasten derer gehen, die durch die Entscheidung des Öffentlichkeitsausschlusses geschützt werden sollen. Sofern zwar eine Angelegenheit grundsätzlich für öffentlich gehalten wird aber der konkrete Wortlaut eines Antrags nicht veröffentlicht werden kann, weil dieser die Rechte Dritter verletzt, soll es kommunalen Mandatsträgern im Rahmen ihrer persönlichen Verantwortung frei stehen, den Text im Original zu veröffentlichen175. Dem kann zumindest dann nicht gefolgt werden, wenn den Mandatsträgern der Antrag nur als nicht öffentliche Information zur Kenntnis gegeben wurde, denn dann unterfällt er der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht. Ob und inwieweit die Mandatsträger und ihre Frak­ tionen datenschutzrechtlichen Bestimmungen unterworfen sind, wenn sie unmittelbar aus der Bürgerschaft Informationen erhalten, kann hier nicht vertieft werden.

174  OVG Münster, Beschluss vom 07.04.2011 – 15 A 441/11, NWVBl. 2011, 346 (346); Thiele, KommP N 1997, 170 (171); Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 186; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 57. 175  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 4.

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe Die Rechtfertigungsgründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Volksvertretungen werden landesgesetzlich umrissen. In der Praxis obliegt es der Interpretation durch die Kommunalverwaltung, welche konkreten Angelegenheiten nicht öffentlich behandelt werden sollen. Nicht immer besteht darüber Klarheit und Einigkeit1. Dadurch ist auf Basis der gesetzlichen Grundlagen durch die Rechtsprechung und durch Literaturmeinungen ein Vielzahl an Fallgruppen entstanden, innerhalb derer es Gegenausnahmen und Einzelmeinungen gibt, welche eine rechtssichere Einordnung nicht immer zulassen2. Damit schwebt über nicht öffentlichen Entscheidungen der kommunalen Volksvertretung mitunter das Damoklesschwert der Rechtswidrigkeit, Aufhebbarkeit oder sogar Wirkungslosigkeit. Im Folgenden werden zunächst die einfachgesetzlichen Grundlagen der Bundesländer betrachtet. Darauf aufbauend werden die in der Praxis typischerweise für eine Kollision mit der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit in Betracht kommenden Rechtsgüter ermittelt, definiert und ihr Verhältnis zum Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit beleuchtet. Danach folgt eine verfassungsrechtliche Würdigung der für einen Öffentlichkeitsausschluss praktisch relevanten Einzelfälle3. Abschließend wird versucht aus den Erkenntnissen der Einzelfallbetrachtung allgemein gültige Definition zu erstellen.

I. Gesetzliche Grundlagen Alle Bundesländer sehen vor, dass die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ausgeschlossen werden kann. Meistens wird in den Regelungen ausdrücklich benannt, wann ein Ausschluss der Öffentlichkeit in Betracht kommt.

1  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1 S. 11. 2  Mit ähnlicher Kritik an der Praxistauglichkeit insbesondere der Fallgruppen Personal- und Grundstücksangelegenheiten, Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 35. 3  Siehe dazu Kapitel E. III. Typische Praxisfälle, S. 392 ff.

366

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

1. Ausdrückliche Formulierungen Baden-Württemberg hält einen Öffentlichkeitsausschluss dann für statthaft, „wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfor­ dern“4. Bayern und Thüringen fordern die „Rücksichtnahme auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche Einzelner“5. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein müssen „überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner“ einen Öffentlichkeitsausschluss erfordern6. Sowohl Niedersach­sen, Sachsen als auch Sachsen-Anhalt erklären die Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen für öffentlich, soweit nicht „das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessenten Einzelner“ einen Ausschluss der Öffentlichkeit erfordern7. In Sachsen-Anhalt werden zusätzlich ausdrücklich Personalangelegenheiten, die Ausübung eines Vorkaufsrechts, Grundstücksangelegenheiten und Vergabeentscheidungen aufgezählt8. Das Saarland setzt die Grenzen dort, wo die „Rücksicht auf das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner“ der öffentlichen Beratung entgegenstehen9. 2. Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz In Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz existieren keine gesetzlichen Vorgaben zum Inhalt der Rechtfertigungsgründe. Die Regelungen stellen nur klar, dass ein Ausschluss möglich ist10. In Hessen heißt es, dass die Gemeindevertretung die Öffentlichkeit „für einzelne Angelegenheiten“ ausschließen kann11. In Nordrhein-Westfalen kann die Öffentlichkeit durch die Geschäftsordnung für „Angelegenheiten einer bestimmten Art“ oder auf Antrag des Bürgermeisters oder eines Ratsmitglieds durch Beschluss des Rats für „einzelne Angelegenheiten“ ausgeschlossen werden12. In Rheinland-Pfalz wird als Voraussetzung für einen 4  § 35

Abs. 1 S. 2 GemO BW. Abs. 2 S. 1 GO BY; § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO. 6  § 44 S. 2 BbgKVerf; § 29 Abs. 5 S. 2 GO MV; § 35 Abs. 1 S. 2 GO SH. 7  § 64 S. 1 NKomVG; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO. 8  § 52 Abs. 2 S. 1 KVG LSA. 9  § 40 Abs. 1 KSVG SL. 10  Hessen: „für einzelne Angelegenheiten“, § 52 Abs. 1 S. 2 HGO; NordrheinWestfahlen: „für Angelegenheiten einer bestimmten Art“, § 48 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GO NRW; Rheinland-Pfalz: „sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt oder die Beratung in nicht öffentlicher Sitzung der Natur des Beratungsgegenstands nach erforderlich ist“, § 35 Abs. 1 S. 1, 2 GemO RP. 11  § 52 Abs. 1 S. 2 HGO. 12  § 48 Abs. 2 S. 2, 3 GO NRW. 5  Art. 52



I. Gesetzliche Grundlagen367

Öffentlichkeitsausschluss normiert, dass „ausdrücklich etwas anderes bestimmt“ ist oder eine nicht öffentliche Beratung „der Natur des Beratungsgegenstands nach erforderlich ist“13. Die Regelungen zum Ausschluss der Öffentlichkeit in Hessen, NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz legen den Schluss nahe, dass in diesen Bundesländern umfassendere Ausschlussmöglichkeiten als in den anderen Bundesländern bestehen, weil die Ausschlussgründe in den anderen Bundesländern präziser bestimmt sind14. Auf Grund des Rechtfertigungsbedürfnisses jedes Öffentlichkeitsausschlusses ist diese These jedoch nicht haltbar15, denn zum Ausschluss der Öffentlichkeit bedarf es immer, d. h. auch ohne eine präzisere landesrechtliche Bestimmung der Ausschlussgründe, einer Kollision mit einer verfassungsrechtlich geschützten Position, der im Einzelfall Vorrang einzuräumen ist16. Dementsprechend wird in Hessen und in Nordrhein-Westfalen unter Rückgriff auf die normierten Verschwiegenheitspflichten der Mandatsträger bestimmt, wann ein Öffentlichkeitsausschluss zulässig ist17. In Hessen kommt es mithin darauf an, ob nach § 24 HGO eine Vertraulichkeit aus Gründen des allgemeinen Wohls oder zum Schutz berechtigter Interessen Einzelner zu wahren ist18. Gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 GO NRW kann die Öffentlichkeit dann ausgeschlossen werden, wenn die Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich ist. Dies soll insbesondere bei Mitteilungen, die dem Gemeinwohl oder berechtigten Interessen einzelner zuwiderlaufen, der Fall sein. Fraglich bleibt damit, wann in Rheinland-Pfalz ein Ausschluss auf Grund der Natur der Sache erforderlich ist und ob daraus für Nordrhein-Westfalen weitergehende Ausschlussmöglichkeiten folgen.

13  § 35

Abs. 1 S. 1 GemO RP. für Hessen Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 5; ähnlich Schmidt, in: Rauber u. a., HGO, § 52 Ziff. 2.2 S. 314, der der Gemeindevertretung ein Ermessen darüber einräumt, „ob sie den entsprechenden Tagesordnungspunkt öffentlich oder nicht öffentlich abhandeln möchte“ – Hervorhebung diesseits. 15  Zum allgemeinen Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses siehe Kapitel V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses, S. 123 ff. 16  Siehe dazu ausführlich Kapitel D.  Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff. 17  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 24. 18  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 23. 14  So

368

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

3. Zwischenergebnis Bei allen Begriffen handelt es sich um abstrakte, unbestimmte, auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe19, die verfassungskonform zu interpretieren sind. Ihre Auslegung darf mithin genauso wenig zu einer ungerechtfertigten Beschränkung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit führen wie zu der Verletzung anderer Rechtsgüter durch die Sitzungsöffentlichkeit. Als Ausnahmevorschriften sind die Rechtfertigungsgründe eng auszulegen20 und stehen unter dem Vorbehalt, dass eine öffentliche Behandlung nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. Die Formulierungen unterscheiden sich mit Ausnahme von Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nur in Nuancen. Die landesrechtlich normierten Rechtfertigungsgründe lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Zum einen die Gründe des öffentlichen Wohls, zum anderen die berechtigten Interessen (in Bayern und dem Saarland Ansprüche) Einzelner21. Im Folgenden werden die Begriffe des öffentlichen Wohls und der berechtigten Interessen zunächst abstrakt definiert. Danach folgt eine Darstellung der konkreten verfassungsrechtlichen Positionen, auf Grund derer ein Ausschluss der Öffentlichkeit im Fall ihrer Beeinträchtigung in Betracht kommt. Darüberhinaus ist zu klären, welche Anforderungen an die Rechtfertigung eines Öffentlichkeitsausschlusses aus dem Begriff der „Natur der Sache“ in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen folgen. Auf Grundlage der so erarbeiteten Definition der Ausschlussgründe werden anschließend die in der Praxis zum Ausschluss der Öffentlichkeit am häufigsten angeführten Verfassungsgüter hinsichtlich ihrer Beeinträchtigung durch die Öffentlichkeit und ihrer Einschränkbarkeit untersucht.

19  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 11; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 47; Höhlein, in: Gabler/ Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1 S. 10a; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4. 20  VG Saarlouis, Beschluss vom 20.04.2010 – 11 L 353/10, Juris Rn. 13; Lehné/ Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Nr. 2. 21  § 35 Abs. 1 S. 2 GemO  BW; § 52 Abs. 2 S. 1 GO BY; § 36 Abs. 2 S. 2 BbgKVerf; § 29 Abs. 5 S. 2 KV M-V; § 64 S. 1 NKomVG; § 40 Abs. 1 KSVG SL; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; § 52 Abs. 2 S. 1 KVG LSA; § 35 Abs. 1 S. 2 GO SH; § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO.



II. Kollidierende Rechtsgüter369

II. Kollidierende Rechtsgüter 1. Gründe des öffentlichen Wohls Die öffentlichen Belange, die durch den Ausschluss der Öffentlichkeit geschützt werden sollen, werden mit dem „öffentlichen Wohl“, dem „Wohl der Allgemeinheit“ und den „überwiegenden Belangen des öffentlichen Wohls“ umschrieben. Für keinen dieser drei unbestimmten Rechtsbegriffe gibt es eine verbindliche Definition. Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Allgemeinheit beschreiben die Gemeinschaft der betroffenen Staatsbürger. Zwischen dem öffentlichem Wohl und dem Wohl der Allgemeinheit besteht folglich kein Unterschied. Auch die Belange des öffentlichen Wohls stellen nur eine andere Formulierung dar. Aus dem Adjektiv „überwiegend“ kann nicht gefolgert werden, dass höhere Anforderungen zu stellen sind, denn für einen Ausschluss der Öffentlichkeit ist in jedem Fall eine Abwägung zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit an einer öffentlichen Sitzung und dem öffentlichen Wohl vorzunehmen. Nur wenn letzteres überwiegt, kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Ein Überwiegen des öffentlichen Wohls, des Wohls der Allgemeinheit oder der Belange des öffentlichen Wohls ist demnach immer gefordert. Das Adjektiv „überwiegend“ gibt dem Merkmal daher keine andere Bedeutung. Es betont lediglich die Notwendigkeit einer Abwägung zwischen den Belangen des öffentlichen Wohls und dem Interesse an einer öffentlichen Sitzung. Als öffentliche Belange gelten Interessen, Anliegen und Belange der ört­ lichen und überörtlichen Gemeinschaft, insbesondere solche des Bundes, des Landes, des Landkreises, der Gemeinde oder anderer öffentlich-rechtlicher Aufgabenträger, z. B. juristischer Personen des öffentlichen Rechts, unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Werteordnung22. Rechtsquelle ist mithin die bestehende Rechtsordnung, vor allem das Grundgesetz und die

22  VGH Mannheim, Urteil vom 18.06.1980 – III 503/79, VBlBW 1980, 33 (34); VGH Mannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (285); OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 71; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 171; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 11; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 4; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 308 Rn. 470; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 6; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 31; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 8; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.3; mit Beispielen Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 184; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.1.

370

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Verfassungen der Länder23. Maßgeblich ist, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer vertraulichen Beratung im Einzelfall größer ist als das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit24. Zu beachten ist dabei, dass die Vertraulichkeit der Beratung durch die Nichtöffentlichkeit nur soweit geschützt wird, wie dies dem Schütz von Gütern mit Verfassungrang dient25. Die Weite dieses Ausschlusstatbestands zeigt sich beispielhaft daran, dass im Hinblick auf Gerichtsverhandlungen darunter auch ein Ausschluss wegen „Gefährdung der Sittlichkeit“ diskutiert wird26. Im Folgenden wird die Eignung der verfassungsrechtlichen Güter zur Rechtfertigung eines Öffentlichkeitsausschlusses betrachtet, die unter den Begriff des öffentlichen Wohls subsumiert werden können und regelmäßig zur Begründung nicht öffentlicher Beratungen angeführt werden. a) Das freie Mandat Den gewählten Mitgliedern einer kommunalen Volksvertretung obliegt ein freies Mandat27. Das bedeutet, dass sie das Recht haben, sich unabhängig eine Meinung zu bilden, nach dieser abzustimmen und diese sowohl innerhalb als auch außerhalb von Sitzungen zu vertreten. Sie sind mithin grundsätzlich keinen Weisungen, insbesondere keinem Fraktionszwang unterworfen28. Durch die Sitzungsöffentlichkeit besteht die Gefahr, dass die Mandats­ träger sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen29. Es wird daher vertreten, die Sitzungsöffentlichkeit könne eingeschränkt werden, um es den Mandatsträgern zu ermöglichen, „frei vom Druck der öffentlichen Meinung Gewissensentscheidungen treffen zu können“30 und „eine objektive und un­ beeinflußbare [sic!] Amtsausübung der Ratsmitglieder […] zu ermög­li­chen“31. 23  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.1.

24  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 11; Innenminister Schleswig-Holstein, Hinweise zum Gesetz zur Änderung kommunalverfassungs- und wahlrechtlicher Vorschriften vom 22. März 2012 (GVOBl. Schl.-H. S. 371). 25  Vgl. Kapitel I. Notwendigkeit einer verfassungsrechtlich geschützten Position, S. 330. 26  Vgl. BGH, Urteil vom 16.10.1962 – 1 StR 383/62, NJW 1963, 166 (167) – im Ergebnis offen gelassen. 27  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 231 Rn. 350. 28  BVerwG, Urteil vom 27.03.1992 – 7 C 20.91, BVerwGE 90, 104 (106); BVerfG, Beschluss vom 12.07.1960 – 2 BvR 373/60, 2 BvR 442/60, BVerfGE 11, 266 (273); Frowein, DÖV 1976, 44 (45). 29  Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 235. 30  Pfefferle, VBlBW 1997, 415 (416). 31  OVG Koblenz, Urteil vom 02.09.1986 – 7 A 7/86, NVwZ 1988, 80 (80).



II. Kollidierende Rechtsgüter371

Durch die Nichtöffentlichkeit muss der Mandatsträger sich für sein Abstimmungsverhalten nicht vor dem Volk verantworten. Er kann damit los­ gelöst von der Sorge um eine Bewertung seiner Meinung und Entscheidung durch die Öffentlichkeit seinem Gewissen folgen. Geheime Abstimmungen sind überdies geeignet, um vor etwaigem Druck aus der eigenen Fraktion oder Partei zu schützen32. Ein Öffentlichkeitsausschluss zur Sicherstellung einer objektiven und unbeeinflussten Amtsausübung soll daher legitim sein33. Diese Argumentation hält einer verfassungsrechtlichen Würdigung nicht stand, denn „wenn dies ein Grund […] sein dürfte, so müssten nämlich alle Sitzungen der Vertretung zu nicht öffentlichen erklärt werden dürfen.“34 Dies ist nicht mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren, denn Mandatsträger haben sich grundsätzlich bei allen Entscheidungen vor den Wählern zu verantworten. „Den Abgeordneten vor dem Urteil des Wählers über seine Entscheidung abschirmen zu wollen, ist in einer Demokratie eine Sünde wider den Geist, eine Absurdität.“35 Da die Transparenz der Beratung „die rechtfertigenden Gründe am deutlichsten sichtbar macht, ist die Begründungspflicht nach der Regel verteilt: soviel Transparenz wie möglich, soviel Vertraulichkeit wie nötig.“36 Darüber hinaus sind auch die Interessen der Opposition zu berücksichtigen. Ihr würde durch die vorstehende Argumentation ihre Arbeit erschwert bis unmöglich gemacht werden. Wenn die Öffentlichkeit jederzeit mit dem Hinweis des Schutzes des freien Mandats ausgeschlossen werden könnte, und dies strategisch bei politisch brisanten Themen eingesetzt wird, könnte zielgerichtet die Verlautbarung oppositioneller Kritik verhindert werden. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit darf auch nicht erfolgen, um die Mandatsträger vor etwaigen Haftungsrisiken zu schützen, denn „der Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt zum Wohl der Allgemeinheit oder zum Schutz berechtigter Interessen Einzelner, die durch die Behandlung des Tagesordnungspunktes berührt werden, nicht aber zum Schutz der einzelnen Gemein­ deratsmitglieder“37.

ZParl 1992, 673 (701). in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 25; OVG Koblenz, Urteil vom 02.09.1986 – 7 A 7/86, NVwZ 1988, 80 (80). 34  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 58. 35  Seuffert, Über geheime Abstimmungen und Wahlen in Parlamenten, S. 15, zit. nach Linck, ZParl 1992, 673 (701). 36  Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 236. 37  VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4. 32  Linck,

33  Gentner,

372

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Daher gilt, dass „die Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlung […] nicht zur Sicherung der Unabhängigkeit der Abgeordneten eingeschränkt werden“ darf38. Notwendig ist mithin – über die Feststellung etwaiger allgemeiner Vorteile nicht öffentlicher Beratungen hinaus – die Beantwortung der Frage, warum im konkreten Fall Vertraulichkeit nötig sein soll. Angesichts der Grundsatzentscheidung der Verfassung für Öffentlichkeit lässt sich dies nicht mit dem Verweis auf die Hoffnung auf eine sachlichere Debatte begründen. b) Bestand und Funktionsfähigkeit des Staats und der Kommunen Der Staat besteht nach der Drei-Elemente-Lehre von Georg Jellinek aus dem Staatsgebiet, der Staatsgewalt und dem Staatsvolk39. Das Grundgesetz gibt den Rahmen des Deutschen Staats vor, indem es statuiert durch wen die Staatsgewalt auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wie ausgeübt wird und wer Deutscher ist40. Die Macht des Staats ist mithin nicht unbeschränkt. Das Grundgesetz „verfasst“ diese dadurch, dass die Staatsgewalt durch das Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch die staatlichen Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird41. Der Schutz der im Grundgesetz vorgesehenen Organe ist jedenfalls insofern ein Gut mit Verfassungsrang, als die Verfassung ihren Bestand und ihre Funktionsfähigkeit voraussetzt. Dies gilt insbesondere für die Kommunen und ihre Volksvertretungen deren Bestand und Funktionsfähigkeit durch die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 GG verfassungsrechtlich abgesichert wird. aa) Schutzwürdige kommunale Belange Aus der institutionellen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 GG ergibt sich eine besondere Rechtsstellung der Kommunen gegenüber anderen staatlichen Einrichtungen.

38  Linck, ZParl 1992, 673 (694); ähnlich n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 2 S. 10. 39  Jellinek, Allgemeine Staatslehre. 40  Art. 116 GG. 41  Art. 20 GG.



II. Kollidierende Rechtsgüter373

Die daraus folgende alleinige Zuständigkeit der Kommunen „für alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“42 bedeutet jedoch keine über die Belange des Staats hinausgehenden Verantwortlichkeiten. Die als Gemeindehoheiten anerkannten Kompetenzen der Kommunen (Personal- und Organisationshoheit, Planungshoheit, Finanzhoheit, Kooperationshoheit, Satzungshoheit43) statuieren keine zusätzlichen verfassungsrechtliche Belange, sondern schneiden aus dem Aufgabenkatalog des Staats einen Teil heraus, der alleine den Kommunen vorbehalten bleibt. Da die Kommunen Teil des Staats sind, decken sich insoweit auch ihre verfassungsrechtlich zu schützenden Belange. Auf die Kommunen herunter gebrochen bedeutet dies: Die zu schützenden Belange einer Kommune sind die Wahrnehmung der kommunalen Aufgaben nach dem Grundgesetz, der Bestand und die Funktionsfähigkeit des „TeilStaats“ Kommune und seiner Organe in ihrer verfassungsrechtlichen Ausprägung sowie die Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips. bb) Mangelnde Effizienz als Funktionsbeeinträchtigung Zum Teil wird die Meinung vertreten, die Sitzungsöffentlichkeit kommunaler Volksvertretungen könne einen Eingriff in die Funktionsfähigkeit der Verwaltung darstellen, weil durch die Öffentlichkeit die Sachlichkeit und die Effizienz der Debatten beeinflusst werden44. Zutreffend ist wohl, dass die Wortbeiträge kommunaler Mandatsträger in nicht öffentlichen Sitzungen tendenziell kürzer ausfallen, mithin „Festzelt­ reden“ vermieden werden45. Für eine Steigerung der Sachlichkeit spricht überdies, dass nicht öffentlich eine höhere Konsensbereitschaft bestehen kann, weil eine Be- und Verurteilung durch die Öffentlichkeit wegen des Abrückens von der ursprünglichen Position nicht zu befürchten ist. Letzteres gilt jedoch nur, wenn nicht bereits im Vorfeld der Sitzung öffentliche Positionierungen erfolgt sind und auch nach der Sitzung nicht bekannt wird, wie der Sitzungsverlauf war, denn andernfalls würde eine Be- oder Verurteilung durch die Öffentlichkeit durch die Nichtöffentlichkeit der Sitzung nicht vermieden. 42  BVerfG, Beschluss vom 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, BVerfGE 79, 127 (151); BVerfG, Urteil vom 31.10.1990 – 2 BvF 2/89, 2 BvF 6/89, BVerfGE 83, 37 (50 ff.). 43  Dietlein/Hellermann (Hrsg.), Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen; Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117, Rn. 22. 44  Linck, ZParl 1992, 673 (694). 45  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 111.

374

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Zu beachten ist überdies, dass durch den Wegfall der demokratischen Kontrolle die Bindung der Mandatsträger an den Willen des Volks gelockert wird. Sofern man annimmt, dass die Mandatsträger ohne Angst vor einer Sanktionierung eher bereit sind, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, mag dies zunächst überzeugend erscheinen. Tatsächlich werden jedoch auch die Ergebnisse einer nicht öffentlichen Entscheidung früher oder später öffentlich – alleine um ihre Wirkung zu entfalten. Spätestens dann ist mit der Sanktionierung durch die Öffentlichkeit in Form einer Be- oder Verurteilung zu rechnen. Diese wird durch den Ausschluss der Öffentlichkeit folglich nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Es stellt sich mithin die Frage, ob es im Interesse der Sache einer demokratischen Entscheidungsfindung sein kann, wenn nicht öffentlich Argumente ausgetauscht werden, die öffentlich nicht vertreten werden würden, weil sie für untunlich gehalten werden. Hier ist zu berücksichtigen, dass die fehlende Bereitschaft, die Beweggründe offen zu benennen, ein Hinweis auf mögliche Interessenkollisionen sein kann, und die Akzeptanz der Ergebnisse durch die Bevölkerung gesenkt wird46. Ein Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz, bei dem zugunsten der Funktionsfähigkeit die Sitzungsöffentlichkeit eingeschränkt wird, ist nicht möglich, denn ein solcher Ausgleich setzt voraus, dass beide Ziele (zumindest teilweise) erreicht werden. Da mit dem Argument der Funktionsfähigkeit ein Öffentlichkeitsausschluss immer legitimiert werden könnte, käme dies einer vollständigen Aufgabe der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit gleich. Die Schwierigkeit darzustellen, ob und wann die Öffentlichkeit einen Eingriff in die Funktionsfähigkeit gewählter Volksvertretungen darstellt, welcher einen Öffentlichkeitsausschluss rechtfertigten kann, beruht darauf, dass die Möglichkeit, die Sitzung eines solchen Gremiums öffentlich durchzuführen, die Prämisse seiner Funktionsfähigkeit ist. Aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit gewählter Volksvertretungen folgt, dass diese ihre Entscheidungen unter den Augen der Öffentlichkeit zu treffen ha-

46  Ein Beispiel fehlender Akzeptanz auf Grund nicht öffentlicher Beratungen und Entscheidungen wegen der Vermutung von Interessenskollisionen, die sich zu Lasten der Öffentlichkeit auswirken, ist die Kritik an der Lebensmittelbuchkommission, siehe dazu mit der Forderung die Lebensmittelbuch-Kommission abzuschaffen http://www.foodwatch.org/de/informieren/lebensmittelbuch/aktuelle-nachrichten/ge heime-lebensmittelbuch-kommission-Abschaffen/, zuletzt geprüft am 27.08.2016; zur Feststellung der Vertraulichkeit des innerbehördlichen Meinungsbildungsprozesses und damit Ablehnung eines Einsichtnahmerechts in die Protokolle, OVG Münster, Urteil vom 02.11.2010 – 8 A 475/10, ZLR 2011, 113 (113 ff.).



II. Kollidierende Rechtsgüter375

ben47. Deshalb ist „die Einrichtung von Entscheidungsgremien mit kollegialer Struktur, ohne dass zugleich öffentliche Verhandlung vorgeschrieben wird, von Verfassungsrechts wegen untersagt“48. Abweichendes kann allenfalls für (Vor-)Verhandlungen ohne Entscheidungsbefugnis gelten49. Die Funktionsfähigkeit wird durch diese grundgesetzliche Ausgestaltung der staatlichen Repräsentationsorgane geprägt. Gewählte Volksvertretungen „funk­tionieren“ mithin grundsätzlich nur dann, wenn sie öffentlich tagen. Als Voraussetzung für ihre Funktionsfähigkeit kann die Öffentlichkeit einer Sitzung kein Eingriff in die Funktionsfähigkeit sein. Für gewählte Volksvertretungen bedeutet dies, dass mit dem Argument der Funktionsfähigkeit des Gremiums kein Öffentlichkeitsausschluss erfolgen kann. Sind Mandatsträger nicht bereit, eine Entscheidung öffentlich zu vertreten, sind diese entweder als gewählte Volksrepräsentanten ungeeignet oder die Entscheidung ist aus demokratischer Sicht nicht legitim. Die Wahl der demokratischen Staatsform des Grundgesetzes ist zugleich eine Entscheidung für den zusätzlichen Zeitaufwand, den öffentliche Mehrheitsentscheidungen benötigen. cc) Staatssicherheit Zum Schutz des Bestands und der Funktionsfähigkeit des Staats kommt die Rechtfertigung eines Öffentlichkeitsausschlusses insbesondere dann in Betracht, wenn durch die öffentliche Behandlung einer Angelegenheit die Staatssicherheit gefährdet wird50. Eine solche Gefahr ist in erster Linie im Fall der Offenbarung eines Staatsgeheimnisses denkbar. Ein Geheimnisgegenstand i. d. S. ist jede geheime Information, die „ungeachtet des Geheimnisträgers, für die Bundesrepublik Deutschland von großer Bedeutung ist, da sein Bekanntwerden die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik darstellt.“51 Gegenstand von Staatsgeheimnissen sind insbesondere Angelegenheiten der Verteidigung. Art. 45a Abs. 3 GG bestimmt daher auch, dass Art. 44 Abs. 1 GG, der die öffentliche Verhandlung des Untersuchungsausschusses vorschreibt, nicht auf die Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung anzuwenden ist. 47  Siehe insgesamt zur verfassungsrechtlichen Öffentlichkeit Kapitel B.  Das verfassungsrechtliche Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit, S. 38 ff. 48  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146). 49  Gramlich, DÖV 1982, 139 (146). 50  Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 8. 51  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 93.

376

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Da der Schutz von Staatsgeheimnissen auf kommunaler Ebene keine praktische Bedeutung hat, sondern in erster Linie auf Bundes- und Landesebene eine Rolle spielt, bleibt die Vertiefung, ob und in welchen Fällen zum Schutz von Staatsgeheimnissen die Öffentlichkeit von Sitzungen gewählter Volksvertretungen ausgeschlossen werden kann, einer anderweitigen Vertiefung vorbehalten. c) Kommunale Aufgabenerfüllung Der Staat muss seinen Aufgaben im Rahmen der ihm durch das Grundgesetz übertragenen Kompetenzen nachkommen können. Das Grundgesetz schützt somit die Durchführung verfassungsrechtlicher Aufgaben sowie den Bestand und die Funktionsfähigkeit der (dafür) im Grundgesetz vorgesehener Institutionen. Solange sich die Kommune zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben hoheitlicher Instrumente bedient, z. B. des Erlasses kommunaler Satzungen, stellt die Sitzungsöffentlichkeit grundsätzlich keine Beeinträchtigung für die Wahrnehmung der kommunalen Aufgaben und die Funktionsfähigkeit der Vertretung dar, denn die Öffentlichkeit ist eine Funktionsvoraussetzung der kommunalen Aufgabenerfüllung in Form der Entscheidungen gewählter Volksvertretungen52. Etwas anderes gilt nur in Ausnahmesituationen53. Viele Aufgaben erfüllen Kommunen nicht hoheitlich, sondern privatrechtlich. In diesen Fällen nehmen die Kommunen als Wirtschaftssubjekte am allgemeinen Rechtsverkehr teil. Zum täglichen Geschäft gehört unter anderem das Kaufen von Arbeitsmaterialien für die Verwaltung, die Beauftragung von Dienstleistern, insbesondere von Handwerksleistungen für den Neubau oder die Instandhaltung öffentlicher Gebäude oder die Vermarktung von Grund­ stücken im Rahmen von Wirtschaftsförderungsmaßnahmen oder Wohnraum­ entwicklungsprojekten. Darüberhinaus bieten die Kommunen durch kommunale Unternehmen oder Beteiligungen an privaten Unternehmen eigenen ­Leistungen am Markt an. Zu denken ist hier an die kommunalen Energieversorgungsunternehmen, die Schwimmbäder und den öffentlichen Personennahverkehr. Im Sinne ihrer Bürgerschaft haben die Kommunen dabei die wirtschaftlichen Interessen zu vertreten54.

52  Siehe dazu ausführlich unter Kapitel bb)  Mangelnde Effizienz als Funktionsbeeinträchtigung, S. 373 ff. 53  Siehe dazu beispielsweise für den Fall der Gefahr von Bodenspekulationen Kapitel bb) Gefahr einer Bodenspekulation, S. 403 ff. 54  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1, S. 11.



II. Kollidierende Rechtsgüter377

In diesen Fällen kann die Sitzungsöffentlichkeit der kommunalen Volksvertretung die kommunale Aufgabenerfüllung und die Funktionsfähigkeit der Vertretung beeinflussen, denn die Kommunen unterliegen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Betätigung mitunter zwar besonderen gesetzlichen Restrik­ tionen55, spezifische Schutzvorschriften existieren jedoch nicht, so dass die Kommunen im Kern die gleiche Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation erfahren wie private Marktteilnehmer. Im Hinblick auf den Grundsatz der kommunalen Öffentlichkeit besteht insoweit die Gefahr, dass Dritte Informationen zum Nachteil der Kommune ausnutzen. Wenn beispielsweise die finanzielle Einsatzbereitschaft einer Kommune bekannt ist, kann der zu zahlende Kaufpreis in die Höhe getrieben werden oder es sinkt die Bereitschaft des Verhandlungspartners für ein Entgegenkommen bei einem Kaufpreis oder beim Abschluss eines Vergleichs. Geplante Geschäfte können durch eine öffentliche Behandlung mithin faktisch unmöglich oder zumindest unwirtschaftlich werden. Ein Beispiel dafür sind die Verhandlungen der Stadt Monheim am Rhein mit der katholischen Kirche über den Kauf eines Ackers zum Bau eines Sportplatzes. Der Bau des Sportplatzes stellte einen Baustein eines Sportstättenkonzepts dar, dass zwischen den im Rat vertretenen Parteien seit Jahren umstritten war. Ähnlich gespalten war die Bevölkerung. Diejenigen, die gegen das Konzept waren, versuchten ihren Willen gegen die Mehrheit der gewählten politischen Vertreter nun dadurch durchzusetzen, dass sie das Grundstücksgeschäft verhindern wollten. Dazu bot ein Gegner des Sportplatzprojekts nach Bekanntwerden des städtischen Gebots in einer öffent­ lichen Sitzung des Stadtrats einen höheren Kaufpreis. Die formelle Bestätigung des bereits ausgehandelten Kaufvertrags wurde daraufhin seitens der Kirche verweigert. Abgesehen davon, dass die Erhöhung des städtischen Kaufpreisangebots bereits einen finanziellen Nachteil für die Kommune bedeutet hätte, konnte das Bauprojekt in der Folge auch deshalb nicht wie geplant umgesetzt werden, weil das Vertrauen zwischen den Vertragsparteien für weitere Vertragsverhandlungen soweit gestört war, dass diese nicht fortgesetzt werden konnten.56 Es besteht folglich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit über Entscheidungen und Vorgänge in der kommunalen Verwaltung, insbesondere bezüglich des kommunalen Haushalts und dem Bedürfnis, die Kommune vor Nachteilen ihrer privatwirtschaftlichen 55  Beispielsweise

§ 107 GO NRW oder das Vergaberecht. Darstellung abrufbar auf der Internetseite des für die Kaufverhandlungen zuständigen Bügermeisters der Stadt Monheim am Rhein, Daniel Ziummermann, unter https://zimmermann-monheim.de/startseite.php?zeige=1289314 914&kategorie=Sport, zuletzt geprüft am 13.11.2018. 56  Zusammenfassende

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E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Betätigung bei zu großer Öffentlichkeit zu schützen. Eine abstrakte Feststellung, ob, wann und welche Angelegenheit nicht öffentlich zu behandeln ist, kann auf Grund der unzähligen Fallgestaltungen nicht getroffen werden. Notwendig ist eine Abwägung des Einzelfalls, in dessen Rahmen der Schutz der kommunalen Aufgabenerfüllung und der Funktionsfähigkeit der Vertretung im Wege der praktischen Konkordanz mit der kommunalen Sitzungs­ öffentlichkeit zum Ausgleich gebracht werden57. d) Rechtsstaatlichkeit Ob gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften der kommunalen Sitzungs­ öffentlichkeit im Wege der Spezialität vorgehen58, ist fraglich, denn hinsichtlich der Angelegenheiten, die in der kommunalen Volksvertretung behandelt werden, könnte auch das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit als speziellere Vorschrift angesehen werden. Das Verhältnis von Geheimhaltungsnormen zum Öffentlichkeitsgebot muss jedoch aus den folgenden Erwägungen nicht vertieft werden. Auf Grund der Bindung an das Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, entspricht es dem staatlichen Interesse und damit dem öffentlichen Wohl, dass sich die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht halten. Da­ raus folgt unter anderem dass sich die Kommunalverwaltung an einfachgesetzlich normierte Geheimhaltungspflichten halten muss. Zu denken ist dabei insbesondere an § 35 SGB I und § 30 AO59. Unbeachtlich ist in den Fällen normierter Geheimhaltungsvorschriften die Frage, ob der Schutzzweck der konkreten Geheimhaltungsvorschrift der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit vorgeht, denn hinsichtlich der zu lösenden Kollision ist nur die verfassungsrechtliche Ebene zu betrachten. Diese wird in den Fällen einfachgesetzlich normierter Geheimhaltungsvorschriften durch die Pflicht zur Einhaltung der gesetzlichen Bindung der Kommunalverwaltung und das Gebot zur Wahrung der kommunalen Sitzungsöffent­ lichkeit gebildet. Es stellt sich mithin die Frage, welchem Verfassungsgut, Rechtsstaatlichkeit oder Öffentlichkeitsprinzip, Vorrang einzuräumen ist. Das Rechtsstaatsprinzip steht nicht unter einem Gesetzesvorbehalt, der dessen Einschränkung legitimieren könnte. Die Missachtung gesetzlicher Vorgaben durch den Staat kann allenfalls nur insoweit hingenommen werden, 57  Zur

Bewertung typischer Praxisfälle s. III. Typische Praxisfälle, S. 392 ff. Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 27. 59  Hinsichtlich der Öffentlichkeit des Bundestags kommt auch Art. 52 Abs. 2 S. 2 GG in Betracht. 58  So



II. Kollidierende Rechtsgüter379

als das Recht dies gebietet. Dieses Verständnis setzt voraus, dass der Hinweis auf das „Recht“ nicht als reine Tautologie interpretiert wird, sondern dass unter dem Begriff „Gesetz“ nur förmliche Gesetze und unter dem Begriff „Recht“ das gesamte sonstige Recht subsumiert wird60. Welchem Begriffsverständnis der Vorrang einzuräumen ist, kann hier dahinstehen, denn unabhängig davon muss ein Ausgleich zwischen der rechtsstaatlichen Bindung und dem Öffentlichkeitsgebot im Wege der praktischen Konkordanz ermittelt werden. Es liegt auf der Hand, dass das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit nicht dazu geeignet ist, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben unter den Vorbehalt einer Einzelfallprüfung der Kommunalverwaltungen zu stellen. Zutreffend wird daher ausnahmslos ein Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen einer kommunalen Volksvertretung für rechtmäßig erachtet, wenn gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften einschlägig sind61. Dies beruht jedoch nicht, wie teilweise vertreten, auf einer Spezialität der Normen, sondern auf dem Vorrang des Rechtsstaatsprinzips vor dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Lediglich in Rheinland-Pfalz wird dieser rechtsstaatliche Vorbehalt durch die Formulierung „sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist“ (§ 35 Abs. 1 S. 1 GemO RP) unmittelbar im Zusammenhang mit dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit zum Ausdruck gebracht. In allen anderen Bundesländern ergibt er sich daraus, dass die Einhaltung rechtsstaat­ licher Bindungen als Bestandteil des öffentlichen Wohls einen Öffentlichkeitsausschluss erfordert, wenn eine gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift besteht. 2. Berechtigte Interessen Einzelner Private Interessen, die einen Öffentlichkeitsausschluss notwendig machen können, werden mit den „berechtigten Interessen Einzelner“62 und den „be­ rechtigten Ansprüchen Einzelner“63 umschrieben. Während unter „berechtig60  Siehe zur Beriffsabrenzung Pieroth, in: Jarass/Kment, GG, Art. 20 – Rechtsstaatsprinzip, Rn.  38 m. w. N. 61  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 171; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 4; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 11. Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.2 S. 10; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2. 62  § 35 Abs. 1 S. 2 GemO BW; § 44 S. 2 BbgKVerf; § 29 Abs. 5 S. 2 KV M-V; § 64 S. 1 NKomVG; § 40 Abs. 1 KSVG SL; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; § 52 Abs. 2 S. 1 KVG LSA; § 35 Abs. 1 S. 2 GO SH; § 40 Abs. 1 S. 1 ThürKO. 63  Art. 52 Abs. 2 GO BY.

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E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

ten Interessen“ alle Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts subsumiert werden können, erscheint die bayerische Formulierung „berechtigte Ansprüche“ enger zu sein. „Ansprüche“ könnte so verstanden werden, dass unter ihnen nur Ansprüche im Rechtssinne gem. § 194 BGB gefasst werden. Das würde bedeuten, dass Betroffenen ein berechtigter Anspruch auf den Ausschluss der Öffentlichkeit zustehen müsste, damit eine Beratung nicht öffentlich erfolgen kann. Ob der Ausschluss der Öffentlichkeit zugunsten Privater geboten ist, soll jedoch gerade erst in der Abwägung, die nach dieser Regelung stattzufinden hat, ermittelt werden. Würde man die Formulierungen der Gemeindeordnung Bayerns folglich so verstehen, dass für den Öffentlichkeitsausschluss ein rechtlicher Anspruch erforderlich ist, handelte es sich um einen Zirkelschluss. Wann ein solcher Anspruch gegeben wäre, wäre weiterhin offen. Unter berechtigten Ansprüchen ist folglich das Gleiche zu verstehen, was auch in den berechtigten Interessen zum Ausdruck kommt. Ein Anspruch im Rechtssinne ist nicht erforderlich64. Unter den berechtigten Interessen/Ansprüchen Einzelner werden „rechtlich geschützte und anerkannte Interessen, die nach allgemein vernünftiger Abwägung einem besonderen Schutzbedürfnis unterliegen“ verstanden65. Geschützt werden sowohl die Interessen natürlichen als auch juristischen Personen66. Wünsche oder Vorstellung der von einer Angelegenheit berührten Person sind nicht maßgeblich67. Ebenso wenig kann alleine auf die herrschenden Werte- und Moralvorstellungen abgestellt werden68, denn die kommunale Sitzungsöffentlichkeit kann auf Grund ihrer verfassungsrechtlichen Wurzeln nur durch eine verfassungsrechtlich geschützte Position eingeschränkt werden69. Berechtigt sollten die Interessen dann sein, wenn persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse öffentlich werden könnten, an deren Kenntnis schlechthin kein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit bestehen kann und 64  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 9. 65  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 171; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 308 Rn. 471; Rabeling, NVwZ 2010, 411 (412); Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185. 66  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 12. 67  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 5. 68  So aber Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 12. 69  Siehe dazu im Kapitel I. Notwendigkeit einer verfassungsrechtlich geschützten Position, S. 330 ff.



II. Kollidierende Rechtsgüter381

die sich auf das Fortkommen oder die Wertschätzung des Einzelnen nachteilig auswirken können70. In Sachsen-Anhalt wird durch § 52 Abs. 2 S. 1 KVG LSA konkretisiert, dass „berechtigte Interessen Einzelner, insbesondere bei Personalangelegenheiten, der Ausübung des Vorkaufsrechts, Grundstücksangelegenheiten und Vergabeentscheidungen“ einen Öffentlichkeitsausschluss erfordern können. Außerdem sollen darunter Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Wert­ urteile, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, familiäre Verhältnisse und Beziehungen, Vorstrafen, Fragen der Bedürftigkeit und der Eignung fallen71. a) Persönliche Daten Wohl der Hauptanwendungsfall für den Ausschluss der Öffentlichkeit von der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung ist das Erfordernis, persönliche Daten zu kommunizieren. Entscheidungen über Einstellungen, Beförderungen, Kündigungen oder den Abschluss eines Kaufvertrags setzen Informationen über die berufliche Bildung eines Bewerbers, die Leistungen von Mitarbeitern oder deren Fehltritte oder die Bonität und Zuverlässigkeit des potenziellen Vertragspartners voraus. Eine Kontrolle der Entscheidung der kommunalen Volksvertretung durch die Bürger setzt ebenfalls die Kenntnis dieser Informationen voraus, damit die von den Mandatsträgern vorgebrachten Gründe ihrer Entscheidung gewürdigt werden können. Im Folgenden wird untersucht, ob und wie weit ein grundrechtlicher Schutz der Bekanntgabe solcher persönlicher Daten im Rahmen einer öffentlichen Sitzung der kommunalen Volksvertretung entgegensteht, mithin ob bei entsprechenden Entscheidungen der Ausschluss der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist und erfolgen muss.

70  VGH Mannheim, Urteil vom 18.06.1980 – III 503/79, VBlBW 1980, 33 (34); VGH Mannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (285); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 171; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 5; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 7; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.3; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 23; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2. 71  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 171; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 12 mit einer Auflistung von Einzelfällen.

382

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

aa) Rechtsgrundlage Persönliche Daten werden durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vor willkürlicher Veröffentlichung geschützt. Das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Grundrecht schützt die engere persönliche Lebenssphäre, die Selbstbestimmung und die Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung72, mit anderen Worten die „unverwechselbare Identität des Menschen“73. Es wird durch die vorstehenden Fallgruppen umrissen74. Eine Ausprägung der Fallgruppe des Rechts an der Darstellung der eigenen Person ist unter anderem die informationelle Selbstbestimmung75. Sie verleiht dem Einzelnen die Befugnis – auch im Rahmen automatischer ­Datenverarbeitung76 – „selbst über die Preisgabe und Verwendung persön­ licher Daten zu bestimmen“77. Dieses Selbstbestimmungsrecht entfaltet auf Grund seiner verfassungsrechtlichen Verankerung in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch gegenüber dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzungen gewählter Volksvertretungen Wirkung78. Daraus folgt, dass persönliche Daten auch im Rahmen einer Beratung und Beschlussfassung einer kommunalen Volksvertretung nicht gegen den Willen der Betroffenen ver­ öffentlicht werden dürfen.

72  BVerfG, Beschluss vom 06.05.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56 (63); BVerfG, Beschluss vom 03.06.1980 – 1 BvR 185/77, BVerfGE 54, 148 (153); BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155 (170); BVerfG, Urteil vom 31.01.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256 (286); Jarass, NJW 1989, 857 (859); Jarass, in: Jarass/Kment, GG, Art. 2 Rn. 39. 73  Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 417. 74  So auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 2 Rn. 147; zum Anspruch auf Geheimhaltung der persönlichen Lebensumstände siehe auch Gramlich, DÖV 1982, 139 (143) m. w. N. in Rn. 70. 75  BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 – 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95, BVerfGE 96, 171 (181); BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106 (122); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 2 Rn.  173 ff.; Hufen, NJW 2001, 849 (851). 76  Dazu BVerfG, Beschluss vom 09.03.1988 – 1 BvL 49/86, BVerfGE 78, 77 (84); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 2 Rn. 176, Jarass, in: Jarass/ Kment, GG, Art. 2 Rn. 42. 77  BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83, BVerfGE 65, 1 (43); BVerfG, Beschluss vom 09.03.1988 – 1 BvL 49/86, BVerfGE 78, 77 (84); BVerfG, Beschluss vom 11.06.1991 – 1 BvR 239/90, BVerfGE 84, 192 (194), Linck, ZParl 1992, 673 (690). 78  VG Köln, Urteil vom 25.01.1985 – 4 K 3729/84, HSGZ 1986, 89 (89); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 44.



II. Kollidierende Rechtsgüter383

bb) Begriff der Persönlichen Daten Eine abschließende Definition persönlicher Daten existiert auf Grund der Entwicklungsoffenheit des Grundrechts der allgemeinen Persönlichkeitsrechte nicht79. Aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich, dass persönliche Daten in diesem Sinne Ehescheidungsakten80, Tagebücher oder private Aufzeichnungen81, Krankenakten82, DNA-Identifizierungsmuster83, der Schwerbehindertenstatus84, Unterlagen zur Entmündigung/Betreuung85, Akten und Informationen einer Suchtberatungsstelle86 oder eines Sozialarbeiters87, Steuerdaten88 oder Daten über die seelische Verfassung und den Charakter89 sowie über persönliche wirtschaftliche Verhältnisse90 sind. Nicht geschützt ist die Information über den Familienstand91. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse werden ebenfalls nicht erfasst. Sie sind über Art. 12 bzw. 14 GG geschützt92. Persönliche Daten dürfen grundsätzlich nicht ohne die Zustimmung des Betroffenen erhoben, gespeichert, genutzt oder weitergegeben werden93. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat inzwischen in zahlreichen Landesverfassungen Niederschlag gefunden94. Überdies regeln die Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 2 Rn. 147. Beschluss vom 15.01.1970 – 1 BvR 13/68, BVerfGE 27, 334 (350 f.). 81  BVerfG, Beschluss vom 14.09.1989 – 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367 (374 f.). 82  BVerfG, Beschluss vom 08.03.1972 – 2 BvR 28/71, BVerfGE 32, 373 (379). 83  BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000 – 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 2067/00, BVerfGE 103, 21 (32). 84  BSG, Urteil vom 22.10.1986 – 9a RVs 3/84, BSGE 60, 284 (286). 85  BVerfG, Beschluss vom 09.03.1988 – 1 BvL 49/86, BVerfGE 78, 77 (84). 86  BVerfG, Beschluss vom 24.05.1977 – 2 BvR 988/75, BVerfGE 44, 353 (372). 87  BVerfG, Beschluss vom 19.07.1972 – 2 BvL 7/71, BVerfGE 33, 367 (374 f.). 88  BVerfG, Urteil vom 17.07.1984 – 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BVerfGE 67, 100 (142 f.). 89  BVerfG, Beschluss vom 24.06.1993 – 1 BvR 689/92, BVerfGE 89, 69 (82). 90  BVerfG, Beschluss vom 14.10.1987 – 1 BvR 1244/87, BVerfGE 77, 121 (125). 91  BVerfG, Beschluss vom 08.03.1988 – 1 BvL 9/85, 1 BvL 43/86, BVerfGE 78, 38 (51). 92  Jarass, in: Jarass/Kment, GG, Art. 2 Rn. 43. 93  Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 426. 94  Berlin (Art. 33), Brandenburg (Art. 11), Bremen (Art. 12), Mecklenburg-Vorpommern (Art. 6 Abs. 1 und 2), Nordrhein-Westfalen (Art. 4 Abs. 2, sowie die Verbürgung der Einrichtung des Datenschutzbeauftragten in Art. 77a), Rheinland-Pfalz (Art. 4a), Saarland (Art. 2 S. 2), Sachsen (Art. 33), Sachsen-Anhalt (Art. 6 Abs. 1) und Thüringen (Art. 6). 79  Di

80  BVerfG,

384

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Datenschutzgesetze von Bund und Ländern den Umgang mit persönlichen Daten genauso wie das Telekommunikations- und das Telemediengesetz. Eine zentrale Rolle spielt dabei die DSGVO, die den Umgang mit personenbezogenen Daten seit dem 25.05.2018 grundlegend regelt. Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person nach dieser Vorschrift angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standort­ daten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Personenbezogene Daten liegen folglich auch dann vor, wenn die Informationen der kommunalen Volksvertretungen für ihre Beratungen nur in anonymisierter Form gegeben werden, denn in der Regel wird ohne größeren Aufwand – jedenfalls innerhalb der Kommunalverwaltung – ein Bezug der Daten zu der betroffenen Person hergestellt werden können. cc) Geschützte Informationen Als persönliche Daten geschützt werden insbesondere der Name und die Kontaktdaten wie Adresse, Telefonnummern und Emailadressen95. Außerdem fallen darunter auch Fragen der Eignung, Leistung und Befähigung, namentlich mithin der Lebenslauf und Bildungsabschlüsse96. Als „besondere Arten“ erfassen diese insbesondere auch Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse und philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit und Sexualleben, § 3 Abs. 9 BDSG a. F. Von praktischer Relevanz können in Sitzungen kommunaler Volksvertretungen darüber hinaus insbesondere folgende Aspekte werden, die dem Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung unterfallen: –– Werturteile (zum Beispiel über die berufliche Leistung eines Bewerbers oder Mitarbeiters; auch die Darstellung persönlicher Aktivitäten, Einstellungen, Kenntnisse oder Verhaltensweisen eines Einwohners aus der Sicht der Kommunalverwaltung kann eine Beurteilung der Persönlichkeitsstruk95  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 4. 96  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36.



II. Kollidierende Rechtsgüter385

tur darstellen, die im Fall der Veröffentlichung ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist), –– Vorstrafen, –– Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Bedürftigkeit, Steuern (Steuergeheimnis, § 30 AO), –– Statistikgeheimnis, § 14 LStatG BW, –– Werturteile97. Vor dem Bekanntwerden der familiären Verhältnisse und Beziehungen bietet das Recht der informationellen Selbstbestimmung keinen Schutz98. dd) Mögliche Eingriffe durch Öffentlichkeit Werden diese verfassungsrechtlich geschützten Daten zum Gegenstand einer Beratung in der kommunalen Volksvertretung, entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen den Rechten der Betroffenen, selber darüber entscheiden zu können, ob, wann und ggf. wem die persönlichen Daten zugänglich gemacht werden, und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Die Veröffentlichung stellt ggf. nicht nur eine Verletzung etwaiger einfachgesetzlicher Normen dar, z. B. eines Datenschutzgesetzes, sondern ist zugleich ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG, denn die geschützten Informationen werden durch die Thematisierung in einer öffentlichen Sitzung einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich gemacht. ee) Gesetzesvorbehalt Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form der informationellen Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG gilt wie jedes Grundrecht nicht schrankenlos. Es wird durch die „Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG“99 der „verfassungsgemäßen Ordnung“ begrenzt100. Darunter ist „die allgemeine Rechtsordnung […], die die materiellen und formellen Normen der Verfassung zu beachten hat, also eine verfassungsgemäße Rechtsordnung sein muss“101, 97  OVG

Koblenz, Urteil vom 02.09.1986 – 7 A 7/86, NVwZ 1988, 80 (80). Beschluss vom 08.03.1988 – 1 BvL 9/85, 1 BvL 43/86, BVerfGE 78,

98  BVerfG,

38 (51). 99  Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 638. 100  BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998 – 1 BvR 1531/96, BVerfGE 99, 185 (195); Jarass, in: Jarass/Kment, GG, Art. 2 Rn. 58. 101  BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 (39  ff.); st. Rspr. BVerfG, Beschluss vom 26.11.1982 – 1 BvR 1295/80, 1 BvR 201/81, 1 BvR 881/81, 1 BvR 1074/81, 1 BvR 1319/81, BVerfGE 59, 275 (278).

386

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

zu verstehen. Das Recht, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu verfügen, steht dadurch unter einem Vorbehalt, der es dem Gesetzgeber erlaubt, es „im überwiegenden Interesse der Allgemein­heit“102 einzuschränken103. Ein solcher Eingriff ist dann hinzunehmen, wenn er verhältnismäßig ist. Die dogmatische Verankerung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 1 GG bewirkt dabei eine verschärfte Prüfung104. Verhältnismäßig sind daher nur solche Eingriffe, die „zum Schutz öffent­licher Interessen unerlässlich“105 sind. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit besteht zum Schutz des öffentlichen Interesses an einer demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrolle der gewählten kommunalen Volksvertretung106. Aus der in allen Öffentlichkeits­ regelungen vorbehaltenen Ausschlussmöglichkeit der Öffentlichkeit folgt, dass auch nicht öffentliche Sitzungen demokratisch und rechtsstaatlich vertretbar sein können. Die Sitzungsöffentlichkeit mag daher zwar im Grundsatz, jedoch nicht im Einzelfall unerlässlich zum Schutz des öffentlichen Interesses an einer demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrolle sein. Die nordrhein-westfälische Regelung, wonach personenbezogene Daten offenbart werden dürfen, § 48 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GO NRW liest sich zunächst so, als ob eine Veröffentlichung personenbezogener Daten durch die Öffentlichkeit der Sitzungen kommunaler Volksvertretungen grundsätzlich gerechtfertigt seien, mithin die Öffentlichkeit wegen personenbezogener Daten nicht ausgeschlossen werden kann. Tatsächlich betont die Regelung jedoch nur, dass Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Sitzungsöffentlichkeit und Öffentlichkeitsausschluss auch im Fall der Betroffenheit personenbezogener Daten. Insbesondere der Zusatz „erforderlichenfalls ist die Öffentlichkeit auszuschließen“ stellt klar, dass nicht per se durch die Sitzungsöffentlichkeit in die informationelle Selbstbestimmung eingegriffen werden darf, sondern eine detaillierte Verhältnismäßigkeitsprüfung gefordert ist, in der insbesondere mögliche alternative Schutzoptionen in Betracht gezogen werden107.

102  BVerfG, Urteil vom 17.07.1984 – 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BVerfGE 67, 100 (143). 103  Linck, ZParl 1992, 673 (690). 104  Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 638. 105  BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83, BVerfGE 65, 1 (44); BVerfG, Urteil vom 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (280). 106  Siehe dazu Kapitel II.  Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51 ff. 107  Zur Frage alternativer, weniger in die kommunale Sitzungsöffentlichkeit eingreifende Maßnahmen, siehe Kapitel 5.  Verhältnismäßigkeit, S. 345 ff.; dazu ähnlich



II. Kollidierende Rechtsgüter387

So ist auch die Aussage Gerns zu verstehen, wonach die Regelungen über die Öffentlichkeit als Spezialgesetze den Vorschriften der Datenschutzgesetze vorgehen108. Einfachgesetzlich genießt das Öffentlichkeitsgebot auf Grund seines Verfassungsrangs Vorrang, auf Ebene des Grundgesetzes sind die unterschiedlichen Rechtsgüter im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen. Die Regelungen zur kommunalen Sitzungsöffentlichkeit stellen mithin keinen Gesetzesvorbehalt dar, der einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht für sich genommen rechtfertigt. Der Datenschutz ist jedoch, auch wenn er durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht verfassungsrechtlich verankert ist, kein absolutes Recht. Ein genereller Ausschluss der Öffentlichkeit, sobald datenschutzrechtliche Belange berührt werden109, verstößt deshalb gegen das Öffentlichkeitsgebot. Notwendig ist „eine Einzelfallabwägung zwischen dem Anspruch des Be­ troffenen auf Schutz seiner personenbezogenen Daten und dem Prinzip der Sitzungsöffentlichkeit“110. Zu beachten ist dabei, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur entweder gewährt oder verletzt werden kann, während das Kontrollrecht des Volks über die Mandatsträger verschiedene Intensitätsstufen kennt. So ist statt einer Bekanntgabe der Daten auch eine anonymisierte Veröffentlichung denkbar111. b) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Für juristische Personen besteht keine entsprechende Regelung, wie für den Schutz von Daten natürlicher Personen112. Dies ist Ausfluss der grundgesetzlichen Wertentscheidung des Art. 19 Abs. 3 GG aus dem folgt, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 GG nur dann auf juristische Personen anwendbar ist, wenn das Schutzrecht „seinem Wesen nach“ anwendbar ist113. Dies lässt sich für das allgemeine PersönlichkeitsPaal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 32; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. IV. 1 f. S. 678 f. 108  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 305 Rn. 465. 109  So Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2. 110  Linck, ZParl 1992, 673 691; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. IV. 2 S. 679. 111  Siehe diesbezüglich bei der Frage zur Verhältnismäßigkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses, Kapitel 5. Verhältnismäßigkeit, S. 345 ff. 112  Stancke, BB 2013, 1418 1419. 113  BGH, Urteil vom 08.02.1994 – VI ZR 286/93, NJW 1994, 1281 (1282); Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 19 Abs. 3 Rn. 1; Stancke, BB 2013, 1418 (1419) m. w. N.; zum Persönlichkeitsschutz juristischer Personen und ihrer Organe

388

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

recht nicht pauschal feststellen und ist für seine verschiedenen Ausprägungen differenziert zu beurteilen114. Zumindest teilweise wird auf dieser Basis auch ein grundrechtlicher Schutz von Unternehmensdaten aus Art. 2 GG abgeleitet115. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist ein Schutz durch das Recht auf einen selbstbestimmten Umgang mit Daten für Unternehmen anwendbar, wenn der Abwehrschwerpunkt gegen eine „Gefährdung hinsichtlich ihrer spezifischen Freiheitsausübung“ gerichtet sei116. Mitunter wird der unternehmerische Geheimnisschutz als Ausfluss des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs angesehen. Dem in der Praxis bestehenden Schutzbedürfnis unternehmerischer Informationen wird jedenfalls durch das Recht der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG und dem Eigentumsschutz nach Art. 14 GG entsprochen117. Durch die bestehenden Regelungen wird nicht das Sammeln und Nutzen legal und öffentlich zugänglicher Informationen eines Unternehmens verhindert, jedoch aber die Veröffentlichung von Betriebs- und Unternehmensgeheimnissen. Im Kern gewährt „das deutsche Recht einen weitgehenden Schutz unternehmensbezogener Daten, wenn es sich bei ihnen um Geschäftsoder Betriebsgeheimnisse handelt, die nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich sind und zu deren Erhebung, Verwertung oder Veröffentlichung das betroffene Unternehmen keine offene oder konkludente Einwilligung gegeben hat.“118 Ein Betriebs- oder Unternehmensgeheimnis sind nach dem Bundesverfassungsgericht „alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge … die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat“119. Vor einer Veröffentlichung sind daher insbesondere Informationen über den Umsatz und die Steuerzahlungen eines Unternehmens zu schützen. Im vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.07.1988 – 3 VAs 4/88, NJW 1989, 47 (50). 114  BVerfG, Beschluss vom 13.06.2007 – 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168 (203), Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, 76. Lfg., Art. 19 Abs. 3 Rn. 103. 115  BGH, Urteil vom 25.01.1955 – I ZR 15/53, BGHZ 16, 172 (175). 116  BVerfG, Beschluss vom 13.06.2007 – 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168 (204). 117  Stancke, BB 2013, 1418 (1420). 118  Stancke, BB 2013, 1418 (1425). 119  BVerfG, Beschluss vom 14.03.2006 – 1 BvR 208/03, 1 BvR 2111/03, BVerfGE 115, 205 (230 f.).



II. Kollidierende Rechtsgüter389

Rahmen der Bewerbung in einem Vergabeverfahren unterliegt auch die Bewertung der Eignung des Bieters der Geheimhaltung, weil diese in der Regel nicht auf Grundlage offenkundiger Informationen erfolgt, sondern auf Basis der Angaben, die unter der Prämisse einer vertraulichen Behandlung in den Angebotsunterlagen gemacht werden. 3. Natur des Beratungsgegenstands In Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen soll ein Öffentlichkeitsausschluss mit der „Natur des Beratungsgegenstands“ gerechtfertigt werden können. In Rheinland-Pflanz ist dies ausdrücklich in § 35 Abs. 1 S. 1 GemO RP geregelt. In Nordrhein-Westfalen wird als Maßstab für die Frage, wann die Öffentlichkeit auszuschließen ist, auf die Normierung der Fälle, in denen eine Verschwiegenheitspflicht der Mandatsträger besteht, zurückgegriffen120. Nach § 30 Abs. 1 S. 1 GO NRW ist Verschwiegenheit über die Angelegenheiten zu wahren, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich ist. Grundlage für die Annahme einer Geheimhaltung aus der Natur der Sache, ist ein Staatsverständnis, dass vom Amtsgeheimnis ausgeht. Nachdem dieses Verständnis das deutsche Verwaltungsrecht lange beherrscht hat, ist spätestens seit dem Erlass der Informationsfreiheitsgesetze ein Wandel zur Aktenöffentlichkeit zu erkennen. Nach heutigem Verständnis des Informationsrechts des Volks ist das Kriterium der „Natur des Beratungsgegenstands“ mithin als überholt anzusehen. „Natürlich“ ist in einem demokratischen Staat vielmehr die Annahme der Öffentlichkeit. Die Nichtöffentlichkeit stellt die (unnatürliche) Ausnahme dar, die besonders zu begründen ist. Es ist unter dem Informationsanspruch der Bürger danach zu fragen, ob tatsächlich eine materielle Rechtfertigung für die Nichtöffentlichkeit einer Entscheidung besteht121. Die Annahme einer nicht öffentlichen Sachnatur birgt die Gefahr des Missverständnisses, dass es tatsächlich Angelegenheiten gibt, die ohne Einzelfallabwägung der Kontrolle durch die Öffentlichkeit entzogen werden können. Dementsprechend wird mitunter eine nicht öffentliche Natur von Personalangelegenheiten angenommen122. Tatsächlich sind aber auch diese nicht per se nicht öffentlich zu behandeln. Insbesondere bei herausgehobenen Funktionen wird vertreten, dass das demokratische und rechtsstaatliche Inin: Held/Winkel, GO NRW, § 48 Ziff. 3.2. Linck, ZParl 1992, 673 (692). 122  Bedenklich sind daher beispielsweise die Ausführungen von Smith soweit er dies für Personalangelegenheiten annimmt, Smith, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 30 Ziff. II S. 392. 120  Faber,

121  Ähnlich

390

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

formationsinteresse dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung vorgehe123. Das Bundesverfassungsgericht verwendet die Begrifflichkeit der „Natur der Sache“ als „Hilfsmittel der Konkretisierung des Willkürverbots und als Kriterium für die Systemkonsequenz gesetzlicher Gesamtregelungen“124. Die „Natur der Sache“ ist danach kein eigenständiges methodisches Instrument, sondern ein ersetzbares, in Wahrheit funktionsloses Schlagwort, welches als Metapher fungiert125. Vor diesem Hintergrund kann die Formulierung im Kontext der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit verfassungskonform als Oberbegriff für die Fallgruppen ausgelegt werden, in denen der Ausschluss der Öffentlichkeit auf Grund der Kollision mit verfassungsrechtlich geschützten Gütern gerechtfertigt ist. Namentlich sind dies die Rechtsgüter, die unter den Begriffen des öffentlichen Wohls und der berechtigten Interessen Einzelner verstanden werden126. Durch die Aufzählung in der nordrhein-westfälischen Regelung von Gemeinwohlbelangen und der berechtigten Interessen Einzelner als beispielhafte Ausprägungen der Sachen, die ihrer Natur nach eine Geheimhaltung erfordern, scheinen darüber hinaus noch weitere, nicht unter die Gründe des öffentlichen Wohls oder der berechtigten Interessen Einzelner fallende Rechtsgüter „ihrer Natur nach“ einen Öffentlichkeitsausschluss rechtfertigen zu können. Da unter den Begriffen des öffentlichen Wohls alle staatlichen und 123  Siehe zum Begriff der Personalangelegenheiten und zum Meinungsstand ausführlich im Kapitel 8. Die Behandlung von Personalangelegenheiten, S. 414 ff. 124  Müller/Christensen, Juristische Methodik Band I, Rn. 32 mit Beispielen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 125  Müller/Christensen, Juristische Methodik Band I, Rn. 32 mit Beispielen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 126  So auch das inhaltliche Verständnis von OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 66 ff., das eine nicht öffentliche Natur bei Mitteilungen, die dem Gemeinwohl zuwiderlaufen, annimmt; ähnlich Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1 S. 10a, der eine solche bei persönlichen und privaten Verhältnissen einzelner Personen bejaht; Lehné/Weirich/ Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Nr. 2; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 3; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 2 S. 9; s. auch Nr. 1 GemO-VV zu § 20 GemO RP: „Die Geheimhaltung ist der Natur der Sache nach vor allem erforderlich bei Vorgängen, welche die privaten Verhältnisse einzelner Personen betreffen.“; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. b) S. 676 mit einer Aufzählung von Angelegenheiten, die „ihrem Wesen nach nicht für eine öffentliche Beratung und Entscheidung“ geeignet sind, die bei näherer Betrachtung jedoch alle unter die Begriffe des öffentlichen Wohls oder der berechtigten Interessen subsumiert werden können.



II. Kollidierende Rechtsgüter391

unter den berechtigten Interessen Einzelner alle privaten Geheimhaltungs­ interessen subsumiert werden können, ist jedoch inhaltlich nicht ersichtlich, welche dies sein können. 4. Fazit Die begrifflichen Unterschiede zwischen den Bundesländern haben inhaltlich keine Auswirkung auf die Rechtfertigungsgründe. Dies gilt auch für Hessen und Nordrhein-Westfalen, welche diese Begrifflichkeiten über die Verschwiegenheitsregelungen in Bezug nehmen. In Ermangelung anderweitiger Vorgaben ist überdies ebenfalls in Rheinland-Pfalz zur Ermittlung der „sachlichen Erforderlichkeit“, mithin dem Vorliegen „besonderer Gründe“ für einen Öffentlichkeitsausschluss127, auf die Begriffe des öffentlichen Wohls und des berechtigten Interesses Einzelner zurückzugreifen, um zu bestimmen, wann ein allgemein-formeller Öffentlichkeitsausschluss rechtmäßig ist. Die Annahme, in Hessen bestünden auf Grund der offeneren Formulierung weitere Spielräume, steht im Widerspruch dazu, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit eine verfassungsrechtliche Abwägung ist, die in Form einer gebundenen Entscheidung ergeht, und voll gerichtlich nachprüfbar ist. Die gewählten Formulierungen ändern folglich nichts an dem Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses128, am verfassungsrechtlichen Maßstab der Rechtfertigung und an der Pflicht, die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn eine Interessensabwägung dies erfordert129. Das bedeutet, dass auch in Hessen kein Ausschluss erfolgen darf, wenn nicht gleich- oder höherrangige Rechtsgüter dies erfordern. Damit gelten in Hessen die gleichen Maßstäbe wie in den Bundesländern, die die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe umfassender normiert haben. Die Annahme einer nicht öffentlichen Natur von Beratungsgegenständen, die einen prinzipiellen Öffentlichkeitsausschluss rechtfertigen können, verstößt gegen das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip. Der Ausschlusstatbestand der „Natur des Beratungsgegenstands“ kann allenfalls verfassungskonform als Oberbegriff für die Fälle, in denen eine Kollision mit Gründen des öffentlichen Wohls oder berechtigten Interessen Einzelner einen Öffentlichkeitsausschluss erfordern, ausgelegt werden. 127  n. n.,

S.  3 f.

in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2

128  Siehe zum Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses Kapitel V. Rechtfertigungsbedürfnis eines Öffentlichkeitsausschlusses, S. 123 ff. 129  Siehe dazu D. Der kommunale Öffentlichkeitsausschluss, S. 329 ff.

392

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

III. Typische Praxisfälle Im Folgenden werden die Angelegenheiten, in denen typischerweise ein Öffentlichkeitsausschluss in Betracht gezogen wird, dahingehend untersucht, ob und ggf. auf Grund welcher verfassungsrechtlichen Position ein Ausschluss der Öffentlichkeit von der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung gerechtfertigt ist. 1. Militärische Geheimnisse/zivile Verteidigung Militärische Geheimnisse und Informationen über die zivile Verteidigung sind zum Schutz des Bestands und der Funktionsfähigkeit des Staats nicht öffentlich zu behandeln130. In Nordrhein-Westfalen folgt dies unmittelbar aus einer für die Kommunen normierten Geheimhaltungspflicht, § 6 GO NRW. Zur zivilen Verteidigung gehört danach unter anderem „die Aufrechterhaltung der Staats- und Re­ gierungsgewalt, der Zivilschutz, die Versorgung von Privatpersonen und öffentlichen Einrichtungen mit lebenswichtigen und verteidigungswichtigen ­Gütern, die Unterstützung der Streitkräfte, der Bau von Schutzräumen, die Gesundheitsversorgung, das Rettungswesen und der Katastrophenschutz“131. 2. Vertragsangelegenheiten Vertragsangelegenheiten können ganz oder teilweise nicht öffentlich zu behandeln sein. Grund dafür kann zum einen der Bestand und die Funktionsfähigkeit der Kommune und ihre Aufgabenerfüllung sein, zum anderen die Geheimhaltungsnotwendigkeit persönlicher Daten oder Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Beispielsweise beim Abschluss sogenannter PPP-Vereinbarungen berührt die kommunale Sitzungsöffentlichkeit beide Interessensgruppen. Die potenzielle Gefährdung verfassungsrechtlicher Güter durch die kommunale Sitzungsöffentlichkeit folgt im Rahmen von Vertragsangelegenheiten in der Regel aus dem vertraglichen Inhalt. Bei der Frage eines Öffentlichkeitsausschlusses ist daher zwischen dem „Ob“ des Vertragsschlusses und dem „Wie“ zu trennen. Diese zweistufige Prüfung ist zumindest gedanklich vorzunehmen, um präzise zu ermitteln, welche Inhalte eines Schutzes durch

130  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 29; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 39. 131  Sommer, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 6 Ziff. II S. 169.



III. Typische Praxisfälle393

Nichtöffentlichkeit bedürfen und ob als milderes Mittel eine Trennung oder Teilung des Beratungsgegenstands möglich ist132. Dass die Öffentlichkeit aus Erwägungen auf der ersten Stufe auszuschließen ist, ist kaum denkbar, denn alleine die Information dass die Kommune für eine bestimmte Angelegenheit vertragliche Vereinbarungen abschließt, kann allenfalls aus Gründen der Staatssicherheit einen Öffentlichkeitsausschluss rechtfertigen. Da Belange der Staatssicherheit auf kommunaler Ebene keine nennenswerte Rolle spielen, bleibt diese Fallgestaltung im Weiteren außer Betracht. Festzuhalten ist, dass das „Ob“ eines Vertragsabschluss grundsätzlich öffentlich zu behandeln ist. Etwas anderes kann sich daraus ergeben, dass bei einer Aufspaltung der Angelegenheit eine Beratung und Beschlussfassung nicht mehr sinnvoll möglich ist133. Maßgeblich für einen Öffentlichkeitsausschluss ist das „Wie“. Vertrags­ details offenbaren die Konditionen und den Vertragspartner. Aus der Beratung ergeben sich überdies Informationen über die Verhandlungsposition der Kommune und möglicherweise Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Vertragspartners. An all diesen Informationen kann ein Geheimhaltungsinteresse bestehen. Alleine das Motiv, wirtschaftliche Vorteile für die Gemeinde erzielen zu wollen, genügt für einen Öffentlichkeitsausschluss nicht134. Die Bekanntgabe von Preisvorstellungen oder Höchstgeboten kann jedoch einen unmittelbaren finanziellen Nachteil für die Kommune bedeuten. Zum einen kann der potenzielle Vertragspartner die Information nutzen, indem er die finanzielle Einsatzbereitschaft der Kommune ausreizt und einen deutlich höheren Preis verlangt, zum anderen ermöglicht diese Information Dritten Vertragsabschlüsse zum Nachteil der Kommune zu verhindern135. Maßgeblich ist mithin, ob eine Konkurrenz- oder Verhandlungssituation besteht, innerhalb derer die gegenwärtige oder zukünftige Verhandlungsstrategie oder -position der Kommune zu schützen ist136, damit die Kommune nicht zum „Spielball“ 132  Zur Trennung oder Teilung eines Beratungsgegenstands siehe Kapitel a)  Erforderlichkeit, S. 345 ff. 133  Siehe dazu im Kapitel a) Erforderlichkeit, S. 345 ff. 134  OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (174); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1 S. 11. 135  Siehe zur Aufgabe im Sinne der Öffentlichkeit wirtschaftlich zu agieren auch Kapitel c) Kommunale Aufgabenerfüllung, S. 376 ff. 136  Ähnlich Burgi, NVwZ 2014, 609 (614); bejahend beim Abschluss eines Stromlieferungsvertrags, VGH München, Urteil vom 23.03.1988 – 4 B 86.02994, NVwZ 1989, 182 (183); BVerwG, Beschluss vom 12.06.1989 – 7 B 123/88, NVwZ 1989, 975 (975).

394

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

ihrer Verhandlungspartner „degradiert“ wird137. Insofern wird sogar vor einer „undifferenzierten Anwendung“ und zu restriktiven Auslegung“ der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit gewarnt138. Eine Preisgabe vertraglicher Details kann sich zum Schutz der kommunalen Verhandlungsposition auch dann verbieten, wenn der Vertrag rechtswirksam abgeschlossen oder sogar vollzogen ist. Rückschlüsse auf Verhandlungspositionen und -spielräume ergeben sich auch aus abgeschlossenen und vollzogenen Verträgen. Die Veröffentlichung solcher „abgewickelten AltVerträge“ kann daher einen unmittelbaren Nachteil für die kommunale Verhandlungsposition bei allen anderen, gleichgearteten Vertragsangelegenheiten in der Zukunft bedeuten. Etwas anderes gilt für bereits abgeschlossene Vorgänge, aus denen keine Schlüsse für zukünftige Verhandlungspositionen der Gemeinde gezogen werden können. Notwendig dafür ist, dass es sich um einen vertraglichen Einzelfall handelt oder sich die wirtschaftlichen Verhältnisse soweit geändert haben, dass der „Alt-Vertrag“ offensichtlich überholt ist. Maßgeblich muss insoweit die verstrichene Zeit sein. Zu denken ist hier abhängig vom Vertragsinhalt an Zeitspannen von mindestens fünf bis zehn Jahren. Hinsichtlich des Geheimhaltungsinteresses der (potenziellen) Vertragspartner wird vertreten, dass derjenige, der mit der öffentlichen Hand Verträge macht, sich auf eine öffentliche Behandlung in der kommunalen Volksvertretung einstellen müsse139. Dieses Argument trägt bei näherer Betrachtung nicht, denn der Vertragspartner darf sich gleichfalls darauf einstellen, dass sich die Kommunalverwaltung rechtskonform verhält, mithin zum Schutz seiner berechtigten Interessen die Öffentlichkeit nötigenfalls pflichtgemäß ausschließt. Sofern in der Aufnahme von Verhandlungen in Kenntnis des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit eine konkludente Einwilligung gesehen wird, gilt zu beachten, dass die in allen Bundesländern bestehende Möglichkeit, die Öffentlichkeit auszuschließen140, den Schluss auf eine Einwilligung nicht zwingend macht. Überdies sind an eine Einwilligung so hohe Anforderungen zu stellen, dass sie nicht konkludent angenommen werden kann141. 137  Höhlein,

in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1

138  Höhlein,

in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1

S. 11. S. 11.

139  OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (175 f.). 140  Siehe zu den landesspezifischen Rechtsgrundlagen Kapitel E.  Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe, S. 365 ff. 141  Siehe dazu Kapitel 2. Einwilligung, S. 338 ff., insb. ab S. 342.



III. Typische Praxisfälle395

Ein berechtigtes Interesse von Vertragspartnern einer Kommune an einem Ausschluss der Öffentlichkeit besteht jedoch, wenn persönliche Daten, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse in einer öffentlichen Sitzung offenbart werden142. Hier ist zu differenzieren: Bezüglich der Identität eines Vertragspartners gilt: „die Tatsache, dass jemand in rechtsgeschäftliche Beziehungen zu einer Kommune treten will oder als Vertragspartner der Kommune in Betracht kommt, ist für sich genommen regelmäßig nicht geheimhaltungsbedürftig“143. Aus dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen folgt keine absolute Vertraulichkeit einzelner Kundenbeziehungen. Sofern der Vertragspartner eine natürliche Person ist, steht der Sitzungsöffentlichkeit als verfassungsrechtlich geschützte Position der Schutz persönlicher Daten, mithin des Namens, entgegen. Im Hinblick darauf, dass die Sitzungsöffentlichkeit die einzige Prävention von Vetternwirtschaft darstellt und diese durch eine nicht öffentliche Behandlung der Identitäten von Vertragspartnern vollständig entfallen würde, ist diesbezüglich dem Gebot der Sitzungsöffentlichkeit Vorrang einzuräumen. Gleiches gilt für Einzelheiten vertraglicher Verpflichtungen gegenüber der Kommune144. a) Kommunale Beteiligungen Eine besondere Form der wirtschaftlichen Betätigung einer Kommune ist ihre Beteiligung an einem Wirtschaftsunternehmen. Kommunale Unternehmen sind „Instrumente zur Verwirklichung öffentlicher politischer Zwe­ cke“.145 „Besonders“ ist die kommunale Beteiligung an Unternehmen nicht, weil sie eine Ausnahme darstellt – seit der Finanzkrise erlebt die kommunalunternehmerische Betätigung unter dem Schlagwort der „Rekommunalisierung“ vielmehr einen Aufschwung146 –, sondern weil dabei spezielle Regelungen zu beachten sind. Zu denken ist hier beispielsweise an §§ 107 ff. GO NRW. Ob und unter welchen Umständen Kommunen mit eigenen Gesellschaften am Markt teilnehmen dürfen und welche Vorgaben dabei zu beachten sind, hängt von der Landesgesetzgebung ab und wird hier nicht weiter vertieft. Von Interesse ist an dieser Stelle aber, ob über kommunale Beteili-

142  Zu den schützenswerten Daten im Einzelnen siehe Kapitel 2.  Berechtigte Interessen Einzelner, S. 379 ff. 143  Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 10. 144  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.1 S. 11. 145  Burgi, NVwZ 2014, 609 (609). 146  Burgi, NVwZ 2014, 609 (610).

396

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

gungen in öffentlicher oder nicht öffentlicher Sitzung beraten und entschieden werden muss. Dabei ist zu beachten, dass es verschiedene Konstellationen kommunaler Beteiligungen gibt. Es kann sich um ein Unternehmen handeln, das der Kommune zu 100 Prozent gehört, an dem die Kommune zumindest die Mehrheit hält oder aber an dem sie lediglich als Minderheitsgesellschafterin beteiligt ist. Gesellschafterin ist in allen Fällen die Kommune. Sie wird nach außen zwar durch den Bürgermeister vertreten. Der kommunalen Volks­vertretung steht als „zentrales politisches Steuerungsorgan“147 jedoch die Sachentscheidungskompetenz zu. Ist die Stadt nicht alleinige Gesellschafterin, ist zu beachten, dass bei dieser Entscheidung nicht nur die Interessen der Kommune, sondern auch die der beteiligten Dritten zu berücksichtigen sind. Die öffentliche Beratung von Angelegenheiten der kommunalen Beteiligung birgt das Risiko privatwirtschaftlichen Mitbewerbern oder Vertragspartnern zu Lasten der Kommune finanzielle Vorteile zu verschaffen148. Darüber hinaus sind öffentliche Beratungen geeignet, potenzielle Mitgesellschafter oder Geschäftspartner von einer Zusammenarbeit absehen zu lassen, da diese die Preisgabe vertraulicher Informationen über ihre Unternehmen fürchten müssen149. Letztlich könnte eine Öffentlichkeitspflicht der Beratungen auch zu einer Verlagerung der Entscheidungsfindung in informale Gremien führen und so die Sitzungen der eigentlich entscheidungsbefugten Gremien entwerten150. Daraus folgt, dass ein Öffentlichkeitsausschluss sowohl dem öffentlichen Wohl dienen kann, als auch zum Schutz berechtigter Interessen Einzelner erforderlich sein kann. Dementsprechend ist ein Öffentlichkeitsausschluss bei Behandlung eines beabsichtigten Vertragsabschlusses einer Gesellschaft mit kommunaler Beteiligung rechtmäßig151. Dagegen unterliegen Weisungen an Eigengesellschaften genauso wenig der Nichtöffentlichkeit152 wie die Grundsatzberatung einer Rekommunali147  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 153. 148  Burgi, NVwZ 2014, 609 (610). 149  Burgi, NVwZ 2014, 609 (610). 150  Burgi, NVwZ 2014, 609 (610). 151  OVG Münster, Beschluss vom 16.07.2009 – 15 B 945/09, OVGE MüLü 52, 193 (194); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 11; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. a) S. 675. 152  OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (177).



III. Typische Praxisfälle397

sierung als Alternative zur Konzessionsvergabe153, denn in beiden Fällen werden durch die öffentliche Behandlung weder berechtigte Interessen Einzelner berührt, noch werden Informationen preisgegeben, die zum Nachteil des öffentlichen Wohls verwendet werden könnten. b) Vergabeentscheidungen Bei der Vergabe von Aufträgen kollidiert die kommunale Sitzungsöffentlichkeit mit den Geheimhaltungsinteressen der Bieter und den Vorschriften des Vergaberechts. Die Vertraulichkeit der Angebote und der Niederschrift der Angebotseröffnung wird sowohl in der Vergabeverordnung als auch in den Verdingungsordnungen für Bauleistungen, für Leistungen und für freiberufliche Leistungen statuiert154. Mitunter wird versucht, diese Kollision im Wege der Spezialität zu lösen. Dabei wird sowohl vertreten, dass Vergabeangelegenheiten grundsätzlich öffentlich zu behandeln sind, da die Vorschriften über die kommunale Sitzungsöffentlichkeit dem Vergaberecht vorgehen155, als auch dass die Bestimmungen der Vergabeordnungen Vorrang haben156. Ein allgemeiner Grundsatz dieser Art hat in der Praxis mithin kaum Bedeutung, weil es auf den konkreten Einzelfall ankommt. Dabei verlangt das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit die Entscheidungen möglichst so zu gestalten, dass sie öffentlich erfolgen können. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Auftragsvergaben per se nicht öffentlich zu behandeln sind157. Wird nach Prüfung und Wertung der Angebote eine Beschlussempfehlung für die kommunale Volksvertretung durch die Verwaltung erstellt, die die Submissionsergebnisse lediglich anonymisiert zusammenfasst, kann die Zuschlagserteilung in öffentlicher Sitzung erfolgen158, denn unter diesen Vo­ 153  OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168 (177); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2.8 S. 18. 154  § 5 VgV; zum Konflikt ausführlich von Bechtolsheim/Betz, KommJur 2006, 1 (1 ff.). 155  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 6. 156  Ministerium des Inneren und Sport (ISM) Rheinland-Pfalz/Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz, Gemeinde und Stadt 2001, 289 (289), zit. nach Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2.5 S. 14 ff. 157  n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u.  a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 2 S. 10. 158  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (121); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 171; Minis-

398

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

raussetzungen besteht keine Gefahr der Offenbarung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen durch die Sitzungsöffentlichkeit. Auch eine Preisgabe der konkreten Angebote kann konform mit dem Vergaberecht unterbleiben. Da es sich bei der Vergabeentscheidung um eine gebundene Entscheidung handelt, mit der die kommunale Volksvertretung lediglich die zuvor erfolgte Wertung formal legitimiert, ohne einen eigenen Ermessensspielraum zu haben, kann die anonyme Rangfolge der Bieter – möglicherweise unter Angabe der zwischen ihnen bestehenden Wertungsdifferenzen – für eine Beschlussfassung ausreichen. Sofern von den Mandatsträgern weitergehende Informationen gewünscht werden, ist zu differenzieren159: Die Information, Vertragspartner einer Kommune zu werden, ist grundsätzlich nicht schutzwürdig160. Dies gilt auch im Vergaberecht, denn den unterlegenen Bietern ist vor der Zuschlagserteilung ohnehin mitzuteilen, wer den Auftrag erhalten soll161. Alleine die Befürchtung durch die Bekanntgabe kalkulationsrelevanter Daten könnte es zu einer Verteuerung kommen, genügt für einen Öffentlichkeitsausschluss nicht162. Die Nennung der Angebotssummen soll ebenfalls keinen Öffentlichkeitsausschluss begründen, weil daran kein berechtigtes Interesse der Bieter bestehe163. Zutreffend ist, dass die Angebotssumme kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis darstellt, deren vertrauliche Behandlung verfassungsrechtlich geboten wäre. Zu beachten ist jedoch, dass die Angebotssummen Bestandteil der Angebote sind. Ihre vertrauliche Behandlung wird vergaberechtlich vorgeschrieben. Aus dem Rechtsstaatsgebot folgt, dass die Kommunen diese Geheimhaltungsvorschrift zwingend einzuhalten haben. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn aus den Summen nicht auf die einzelnen Bieter geschlossen werden kann. Sofern Kalkulationsgrundlagen, Preisangebote sowie die Leistungsfähigkeit, insbesondere die Solvenz und Zuverlässigkeit und andere wirtschaft­ terium des Inneren und Sport (ISM) Rheinland-Pfalz/Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz, Gemeinde und Stadt 2001, 289, zit. nach Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2.5 S.  14 ff., 18; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4. 159  Differenzierend nach der Art der zu vergebenden Leistung, Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12 m. w. N. 160  Siehe dazu Kapitel 2. Vertragsangelegenheiten, S. 392 ff. 161  § 134 GWB. 162  von Bechtolsheim/Betz, KommJur 2006, 1 (1, 4). 163  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 6.



III. Typische Praxisfälle399

liche Interna der einzelnen Bieter thematisiert werden, ist die Öffentlichkeit auszuschließen164. 3. Grundstücksangelegenheiten Unter dem Begriff der Grundstücksangelegenheiten oder Liegenschafts­ sachen werden verschiedene Entscheidungen, die Grundstücke betreffen, zusammengefasst. Es kann sich dabei um Grundstücksüberlassungen handeln wie Kauf, Verkauf, Miete oder Pacht. Verstanden werden können darunter aber auch baurechtliche Fragestellungen wie die kommunale Bauleitplanung oder die Zulässigkeit eines konkreten Bauvorhabens. Auch strategische Entscheidungen, die Grundstücke betreffen, zum Beispiel die Verteilung städtischer Mittel zum Wohnungsbau oder Vergabekriterien für kommunale Grundstücke, können als Grundstücksangelegenheit gelten165. Je nach Fragestellung können unterschiedliche Rechtsgüter mit der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit kollidieren. Eine pauschale Feststellung, dass Grundstücksangelegenheiten nicht öffentlich zu behandeln sind, kann bereits auf Grund der dargestellten Interpretationsweite des Begriffs nicht getroffen werden166. Entscheidend ist, ob zum Zeitpunkt der Aufstellung der Tages164  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (121); VG Oldenburg, Beschluss vom 29.06.1992 – 2 B 1953/92, zit. nach Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 171; von Bechtolsheim/Betz, KommJur 2006, 1 (4); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 48; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2.5 S. 14 ff.; Paal, in: Rehn/Cron­ auge, GO NRW, § 48 Rn. 38; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kom­ munalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 43; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u.  a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 2 S. 10; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2; Zilkens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (166). 165  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 35 grenzt die abstrakten Angelegenheiten aus dem Begriff der Grundstücksangelegenheiten aus. Folglich kann zwischen einem engen und weiten Begriffsverständnis in der Literatur unterschieden werden. 166  So ausdrücklich n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2, S. 146; mit ähnlicher Kritik an der Praktikabilität des Begriffs der Grundstücksangelegenheiten Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 40; Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 S. 3; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 2 S. 10; a. A. ein Öffentlichkeitsausschluss soll zum Schutz der Verthandlungsposition auch abstrakt-generell in einer Geschäftsordnung zulässig sein, so OVG Münster, Beschluss vom 12.09.2008 – 15 A 2129/08, Juris, Rn. 15; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2 S. 12, der den Begriff für legitim hält und darunter auch die Ausübung eines Vorkaufs-

400

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

ordnung davon auszugehen ist, dass im konkreten Einzelfall geheim zu haltende Umstände aus dem öffentlichen, persönlichen oder geschäftlichen Bereich voraussichtlich diskutiert werden und dies nachteilige Auswirkungen haben kann167. a) Verkauf kommunaler Grundstücke Beim Verkauf eines Grundstücks durch die Kommune handelt es sich um einen speziellen Fall einer Vertragsangelegenheit. Grundstücksverkäufe gehören deshalb „jedenfalls zu den Angelegenheiten, deren vertrauliche Behandlung im Interesse der Vertragspartner in Frage kommt.“168 Es gilt insofern das diesbezüglich Gesagte169. Eine nicht öffentliche Behandlung ist dann geboten, wenn die wirtschaft­ lichen oder finanziellen Verhältnisse des Käufers erörtert werden oder die Beratung vertraglicher Details Rückschlüsse auf die weiterführenden Geschäftsabsichten des Käufers zulassen würden170. Ein Öffentlichkeitsausschluss kommt daher insbesondere beim Verkauf von Grundstücken zu individuell festgelegten Bedingungen in Betracht171. Eine nicht öffentliche Mitteilung der Vertragskonditionen bei einer öffentlicher Beratung und Beschlussfassung der Sache kommt nicht in Betracht, rechts subsumiert; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 33 ff.; mit Annahme einer Regelvermutung für den Öffentlichkeitsausschluss Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. a) S. 675; a. A. OVG Lüneburg, Urteil vom 07.05.1974 – V A 91/72, Die Gemeinde 1974, 322 (323), nach dem Grundstücksverträge in der Regel geheimhaltungsbedürftig seien. 167  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 40; Steger, BWGZ 1981, 316 (319). 168  BVerwG, Beschluss vom 15.03.1995 – 4 B 33/95, NVwZ 1995, 897 (897); ähnlich Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.3. 169  Siehe Kapitel 2. Vertragsangelegenheiten, S. 392 ff. 170  OVG Koblenz, Urteil vom 02.09.1986 – 7 A 7/86, NVwZ 1988, 80 (80); BVerwG, Beschluss vom 15.03.1995 – 4 B 33/95, NVwZ 1995, 897 (897); Bauer/ Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 41; Gentner, KommP MO 1992, 40 (41); Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 8, 10; Paal, in: Rehn/Cron­ auge, GO NRW, § 48 Rn. 36; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 12; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/ Kneip, HGO, § 52 Rn. 4; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 23; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2. 171  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35, Rn. 6; Faber, in: Held/Winkel, GO NRW, § 48 Ziff. 3.4 d); Burgi, NVwZ 2014, 609 (611).



III. Typische Praxisfälle401

denn die Vertragskonditionen sind zentrale Bestandteile des Beschlusses der kommunalen Volksvertretung. Im Rahmen einer Entscheidungsfindung müssen sie daher benannt, hinterfragt und als Argumente verwendet werden können. Dies ist nicht gewährleistet, wenn die sensiblen Vertragsdetails lediglich nicht öffentlich zur Kenntnis gegeben werden, während der Grundsatzbeschluss in öffentlicher Sitzung gefasst wird. Denkbar ist allenfalls, dass nach einer nicht öffentlichen Vorberatung, die Entscheidung öffentlich gefasst wird. Hier stellt sich aber die Frage, welchen Informationsgehalt die öffentliche Entscheidung haben kann, wenn alle individuellen Vertragsinformationen unter Verschluss gehalten werden müssen. Auch gerät ein solches Verfahren in Konflikt mit der Ausübung des freien Mandats, denn die Mitglieder der kommunalen Volksvertretung müssten ihre Position durch die öffentliche Entscheidung bekanntgeben, ohne die Möglichkeit zu haben, sich auch erklären zu können, denn die inhaltlichen Informationen würden weiterhin der Verschwiegenheit unterliegen. aa) Bekanntgabe des Namens des Vertragspartners Fraglich ist, ob der Name eines Käufers zumindest nach dem Abschluss des Vertrags öffentlich bekanntzugeben ist. Der Name und die Information, ein Grundstück von der Kommune erworben zu haben, unterfällt bereits ohne nähere Bezeichnung des Grundstücks und des Kaufpreises dem Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung, denn aus der Information lassen sich Schlüsse auf die finanzielle Lage des Betroffenen ziehen172. Auf der anderen Seite kann durch die Veröffent­ lichung des Vertragspartners dem Eindruck der Vetternwirtschaft entgegengetreten werden173. Durch die Bekanntgabe des Namens des Käufers werden dessen Vermögensverhältnisse nicht konkret preisgegeben. Es bleibt beispielsweise offen, ob der Käufer das Grundstück erwerben konnte, weil er vermögend ist oder ob er nur eine gute Bonität besitzt und deshalb einen Kredit aufnehmen konnte. Überdies ist es ein allgemeines Lebensrisiko, dass durch die Teil172  Mit Hinweis darauf, dass alleine die Tatsache als Vertragspartner der Kommune in Betracht zu kommen keinen Öffentlichkeitsausschuss rechtfertigt, Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 10; aus der indirekten Offenbarung wirtschaftlicher Verhältnisse den Schluss der Notwendigkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses ziehend, Zilkens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (166); ähnlich Steger, BWGZ 1981, 316 (320); a. A. hinsichtlich der Schlüsse, die aus dem Kaufpreis gezogen werden können VGH Mannheim, Urteil vom 16.06.1981 – 3 S 271/81, HSGZ 1985, 124 (125). 173  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 23.

402

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

nahme am Wirtschaftsleben Schlüsse auf die finanzielle Situation gezogen werden können174. Der Veröffentlichung des Namens ist daher – zur der Wahrung der kommunalen Integrität im Sinne einer Akzeptanz und Funktionsfähigkeit des Staats – gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse Vorrang einzuräumen. bb) Schutzwürdigkeit des Kaufpreises Alleine das Interesse, einen Kaufpreis nicht zu nennen, begründet keinen Ausschlussgrund175. Der Umgang mit dem kommunalen Vermögen darf der öffentlichen Kontrolle nicht dadurch entzogen werden, dass Mittel für ein Geschäft, an dem Dritte beteiligt sind, aufgewendet werden. Spätestens nach dem Abschluss des Vertrags sollte der Kaufpreis öffentlich bekannt gegeben werden176. Außerdem gibt der Kaufpreis unmittelbar auch keine Auskunft über die wirtschaftliche Situation der Vertragsparteien oder deren Kreditwürdigkeit177. Etwas anderes gilt jedoch wenn dadurch die Verhandlungsposition der Kommune beim Verkauf weiterer Grundstücke beeinträchtigt werden könn­ te178. cc) Bekanntgabe gewährter Zuschüsse Wenn und soweit der Gegenstand der Beratung eines Immobiliengeschäfts die Frage eines Sanierungszuschusses oder die Berechnung der Erschließungsbeiträge betrifft, ist öffentlich zu beraten179. In diesen Fällen überwiegt das Informations- und Kontrollbedürfnis der Öffentlichkeit bezüglich der Verwendung städtischer Mittel das etwaige Geheimhaltungsinteresse der potenziellen Leistungsempfänger. Bezüglich der Gewährung kommunaler Fördermittel lässt sich dies in der Formel zusammenfassen, dass derjenige, der von einem gewählten Repräsentationsorgan des Volks Leistungen begehrt, auch bereit sein muss, dies vor dem wählenden Volk (mit-)zuvertreten.

in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 42. in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 4. 176  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 23. 177  VGH Mannheim, Urteil vom 16.06.1981 – 3 S 271/81, HSGZ 1985, 124 (125). 178  Viniol geht insoweit von einem „Kern“, der weiterhin der Geheimhaltung bedarf, aus, Viniol, BWVPr. 1975, 223 (225). 179  Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 29; Gentner, KommP MO 1992, 40 (41). 174  Blum,

175  Schmidt/Kneip,



III. Typische Praxisfälle403

b) Grundstückskäufe durch die Kommune Beim Kauf von Grundstücken durch die Kommune wird die wirtschaft­ liche Situation des Verkäufers, insbesondere seine Zahlungsfähigkeit, keine Rolle spielen. aa) Schutzbedürftigkeit der kommunalen Verhandlungsposition Der Ausschluss der Öffentlichkeit kommt daher in erster Linie zum Schutz der Verhandlungsposition der Kommune in Betracht180. Es gilt insoweit das zum Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Behandlung allgemeiner Vertragsangelegenheiten Gesagte181. Zum Ausschluss der Öffentlichkeit müssen konkrete Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung vorliegen182. bb) Gefahr einer Bodenspekulation Besteht die konkrete Gefahr einer Bodenspekulation, wenn die Kommune Flächen kauft, anmietet oder verpachtet, weil damit die Erwartung verbunden wird, dass Bauland geschaffen werden soll und die Grundstücke zu deutlichen höheren Preisen veräußert werden können, kann im Einzelfall eine nicht öffentliche Behandlung der Grundstücksgeschäfte geboten sein183. Eine solche Gefahr ist jedoch nicht pauschal bei allen Grundstücksgeschäften anzunehmen. Sie ist in bereits beplanten Gebieten unwahrscheinlich184. Bezüglich unbeplanter Gebiete ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die gesetzlich vorgesehene Öffentlichkeit der kommunalen Bauleitplanung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit – unter Inkaufnahme der möglichen negativen Folgen für die Grundstückspreise – Vorrang einge180  OVG Münster, Beschluss vom 12.08.2008 – 15 A 2129/08, NWVBl. 2009, 221 (222); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 41; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 32; Steger, BWGZ 1981, 316 (319) mit weiteren Beispielen. 181  Siehe Kapitel 2. Vertragsangelegenheiten, S. 392 ff. 182  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 41; siehe dazu auch Kapitel II. Notwendige Eingriffsintensität, S. 330 ff. 183  VGH Mannheim, Urteil vom 18.06.1980 – III 503/79, VBlBW 1980, 33 (34); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 171 f.; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 11; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 7; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2 S. 12 zur Spekulationsgefahr bei Ausübung eines Vorkaufsrechts zum Verkehrswert; Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Nr. 2; Zilkens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (166). 184  Steger, BWGZ 1981, 316 (319).

404

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

räumt hat185. Ein Öffentlichkeitsausschluss bei Grundstückskäufen ist zur Vermeidung von Bodenspekulation mithin nur unter Hinzutreten besonderer Umstände zulässig186. c) Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts Ob die Ausübung eines Vorkaufsrechts, §§ 24 ff. BauGB, in öffentlicher oder nicht öffentlicher Sitzung zu erfolgen hat, wird unterschiedlich beurteilt. Den Ausschluss der Öffentlichkeit durch die Annahme einer nicht öffent­ lichen Natur des Vorkaufsrechts zu begründen187, hält einer verfassungsrechtlichen Würdigung nicht stand, denn in einer demokratischen Republik sind der Natur nach alle Sachen Angelegenheiten des Volks und damit öffentlich188. aa) Meinungsstand Für eine öffentliche Behandlung wird angeführt, dass die Kommune durch die Ausübung eines Vorkaufsrechts in einen bestehenden Kaufvertrag eintritt. Schutzwürdige Informationen der Kommune, insbesondere über die städ­ tische Verhandlungsbereitschaft, würden mithin nicht offenbart189. Auch bestehe kein berechtigtes Interesse des Käufers an einem Ausschluss der Öffentlichkeit, weil der Kaufpreis isoliert keinen Aufschluss über dessen ­ 185  VGH Mannheim, Urteil vom 16.06.1981 – 3 S 271/81, HSGZ 1985, 124 (125); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 43. 186  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 43. 187  OVG Koblenz, Urteil vom 23.11.1994 – 8 A 12462/93.OVG mit Verweis ohne nähere Begründung auf VG Mainz, Urteil vom 04.06.1993 – 2 K 1012/90.MZ., zitiert nach Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2, S. 12 – beide Entscheidungen soweit ersichtlich nicht veröffentlicht und bei Gericht nicht verfügbar. 188  Siehe dazu ausführlicher im Kapitel 3.  Natur des Beratungsgegenstands, S. 389 ff. 189  VGH Mannheim, Urteil vom 18.06.1980 – III 503/79, VBlBW 1980, 33 (34); VGH Mannheim, Urteil vom 16.06.1981 – 3 S 271/81, HSGZ 1985, 124 (125); VGH Mannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (284); VGH München, Urteil vom 26.01.2009 – 2 N 08.124, VGHE BY 61, 432 (433 f.); VG Aachen, Urteil vom 22.05.2012 – 3 K 347/11, Juris, Rn. 33 ff.; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 44; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 4; kritisch Steger, BWGZ 1981, 316 (320 f.); vgl. auch zum Meinungsstand, im Ergebnis mit Verweis auf das Datenschutzrecht eine öffentliche Behandlung aber ablehnend, Eder, KommP By 1991, 420 (420 f.); zu beachten ist jedoch, ob durch die öffentliche Behandlung vertraulich zu behandelnde Daten des Vertragspartners offenbart werden können.



III. Typische Praxisfälle405

wirtschaftliche Situation und seine Kreditwürdigkeit gebe190. Auch seien Geheimhaltungswünsche der ursprünglichen Vertragsparteien, etwa aus vergabetaktischen Gründen, unbeachtlich, weil diese keinen rechtlichen Schutz verdienten191. Dagegen wird eingewendet, dass sowohl schutzwürdige Belange der Kommune192 als auch der ursprünglichen Vertragsparteien Gegenstand der Beratung werden können193, denn die Kommune könne ein Interesse daran haben, dass „ihre Absichten und Ziele bei dem Erwerb eines Grundstückes im Interesse der Stadtentwicklung zunächst geheim blieben194. Berechtigte Interessen des Käufers würden überdies daraus folgen, dass persönlichen Umstände offenbart werden müssten, um das Vorkaufsrecht nach § 26 BauGB auszuschließen oder nach § 27 BauGB abzuwenden, denn die Ausübung eines Vorkaufsrechts stelle einen privatrechtlichen Verwaltungsakt dar, vor dessen Erlass die Betroffenen anzuhören seien195. bb) Grundsatz Tatsächlich kommt es auf die konkrete Entscheidungssituation an. Dabei gilt folgender Grundsatz: Sofern angenommen wird, die Identität von Käufer und Verkäufer, Kaufpreis und Mietzins dürften nicht öffentlich gemacht werden196, ist, statt einer nicht öffentlichen Beratung, der Anonymisierung und Schwärzung dieser Informationen als milderes Mittel Vorrang einzuräumen. Soweit erforderlich sind die Informationen den Mandatsträgern nicht öffentlich zur Kenntnis zu geben197. Die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts bezüglich eines bestimmten Grundstücks zu einem bestimmten Preis ist jedoch öffentlich zu treffen. Dem steht nach dem VGH Mann-

190  VG Aachen, Urteil vom 22.05.2012 – 3 K 347/11, Juris, Rn. 37; Bogner, Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, S. 144 f. 191  VG Aachen, Urteil vom 22.05.2012 – 3 K 347/11, Juris, Rn. 39. 192  BVerwG, Beschluss vom 15.03.1995 – 4 B 33/95, NVwZ 1995, 897 (897); OVG Koblenz, 27.07.1999 – GVRP 1999/379, zit. nach Bogner, Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, S. 145; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 23; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2. 193  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.3. 194  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.3. 195  Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2 S. 12. 196  Dies ablehnend VGH Mannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (284). 197  Siehe dazu Kapitel 5. Verhältnismäßigkeit, S. 345 ff.

406

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

heim weder eine altruistische Vermächtnisklausel198 noch § 12 GBO entgegen199. cc) Belange des öffentlichen Wohls Die mit dem Erwerb eines Grundstücks verfolgten Absichten und Ziele können eine nicht öffentliche Behandlung nur rechtfertigen, wenn ihre Geheimhaltung dem öffentlichen Wohl dient. Sofern lediglich die Realisierungsmöglichkeiten einer noch nicht öffentlich gemachten Stadtentwicklungsidee unter Verschluss gehalten werden sollen, damit diese nicht kritisiert oder konterkariert werden, kann darin kein dem öffentlichen Wohl dienender Ansatz erkannt werden. Auch die Stadtentwicklung einer Kommune unterliegt dem Meinungsbildungsprozess der Bürgerschaft. Die öffentliche Beratung und Beschlussfassung über Stadtentwicklungsprojekte hat den Zweck zu verhindern, dass die gewählten Mandatsträger umsetzen was ihnen vorschwebt, ohne Rücksicht auf die Interessen der Bürgerschaft zu nehmen. Gerade im Bereich der Stadtentwicklung dient die Sitzungsöffentlichkeit in einer sehr plastischen Weise einer Willensbildung vom Volk zum Staat. Alleine die Befürchtung, ein Öffentlichwerden von Absichten und Zielen bestimmter Maßnahmen könnten dem Interesse an der geplanten Stadtentwicklung im Wege stehen, weil dies kritikbedingte Anpassungen zur Folge haben könnte, genügt für einen Öffentlichkeitsausschluss mithin nicht. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn durch das Bekanntwerden Bodenspekulationen zu befürchten sind. Dafür sind jedoch konkrete Anhaltspunkte erforderlich. Ein Hinweis auf die generell bestehende abstrakte Gefahr solcher Spekulationsgeschäfte genügt für einen Öffentlichkeitsausschluss nicht200. dd) Berechtigte Interessen Der Schluss, im Rahmen der Anhörung würden zur Verhinderung der Ausübung des Vorkaufsrechts persönliche Umstände offenbart werden, ist nicht zwingend. Nicht bei jedem Grundstücksgeschäft sind persönliche Umstände auf Seiten des Käufers vorhanden, die ein Eingreifen der §§ 26 oder 27 BauGB möglich erscheinen lassen. Liegen die Voraussetzungen offensicht198  VGH

Mannheim, Urteil vom 16.06.1981 – 3 S 271/81, HSGZ 1985, 124 (124). Mannheim, Urteil vom 18.06.1980 – III 503/79, VBlBW 1980, 33 (34); so auch VG Aachen, Urteil vom 22.05.2012 – 3 K 347/11, Juris, Rn. 26 ff. 200  Siehe zum Rechtfertigungsgrund der Gefahr von Bodenspekulationen Kapitel (2) Gefahr einer Bodenspekulation, S. 403. 199  VGH



III. Typische Praxisfälle407

lich nicht vor, werden auch keine entsprechenden persönlichen Informationen in einer Anhörung offenbart. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Anhörung nicht durch die kommunale Volksvertretung erfolgt, sondern im Vorfeld der Sitzung durch Verwaltungsmitarbeiter durchzuführen ist. Der kommunalen Volksvertretung ist ein möglichst ausermittelter Sachverhalt zur Beschlussfassung vorzulegen, weil es den Mandatsträgern nicht möglich ist, noch in der Sitzung selber zu recherchieren. Für die öffentliche Ausübung des Vorkaufsrechts genügt die Feststellung, dass Hinderungsgründe nach den §§ 26 f. BauGB nicht vorliegen. Persönliche Daten über den Käufer werden dadurch nicht bekannt gegeben. Sofern die Mandatsträger weitergehende Informationen verlangen, können diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Im Zweifel kann nicht öffentlich auch entschieden werden, ob das Vorliegen von Ausschlussgründen nach §§ 26 f. BauGB angenommen wird. Auch die Entscheidung, ob das Vorkaufsrecht gem. § 28 Abs. 3 BauGB nicht zum vereinbarten Kaufpreis, sondern zum Verkehrswert ausgeübt wird, ist öffentlich zu beraten und zu entscheiden201. Die Einschätzung, ob der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise überschreitet, betrifft keine verfassungsrechtlich geschützten Daten der Parteien. Denkbar ist, dass dem Verkäufer ein finanzieller Schaden entsteht, wenn er von dem Vertrag zurücktritt, § 28 Abs. 3 S. 2 BauGB. Auf Grund der öffentlichen Diskussion über den tatsächlichen Wert seines Grundstücks wird er es auch zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Kommune an der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht mehr interessiert ist, nicht zu den ursprünglichen Konditionen vermarkten können. Vor einem solchen (abstrakten) finanziellen Schaden besteht jedoch kein verfassungsrechtlicher Schutz, der im Wege der praktischen Konkordanz die kommunale Sitzungsöffentlichkeit verdrängen könnte. Die Gefahr, dass durch die Intervention Dritter Verhandlungspositionen geschwächt werden können, ist als allgemeines Risiko der Marktteilnahme hinzunehmen. Insbesondere schützt die Eigentumsfreiheit nur das Erworbene, mithin nicht den Erwerb, und im Umkehrschluss daraus auch nicht die Vermögensmehrung durch Weiterveräußerung. Außerdem ist zu beachten, dass auch eine nicht öffentliche Behandlung des Vorkaufsrechts die Schwächung der Verhandlungsposition eines Verkäufers für eine spätere Veräußerung nachteilig berühren könnte. Zumindest die 201  A. A. Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, §  35 Ziff. 3.3.2 S. 12 auf die dort in diesem Kontext ebenfalls thematisierte Gefahr der Bodenspekulation wird hier bereits im Kapitel (2) Gefahr einer Bodenspekulation, ab S. 403, eingegangen.

408

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Entscheidung, dass das Vorkaufsrecht zum Verkehrswert ausgeübt wird, hätte – spätestens nach der Sitzung – öffentlich gemacht werden müssen, woraus für jedermann unmittelbar zu schließen ist, dass der ursprüngliche Kaufpreis den Verkehrswert (wenigstens nach Einschätzung der Kommune) überstiegen hat. ee) Fazit Ein Grund, die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts, nicht öffentlich zu fassen, besteht nicht. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass diese grundsätzlich öffentlich getroffen werden kann202. d) Allgemeine Verkaufs- oder Ansiedlungskriterien Die Beratung und der Beschluss allgemeiner Grundsätze, nach welchen Kriterien kommunale Grundstücke an Interessenten verkauft werden, hat öffentlich stattzufinden203. Da spätestens durch die Anwendung etwaiger Grundsätze diese bekannt werden, ist insbesondere auch zum Schutz der Kommune keine nicht öffentliche Behandlung geboten. e) Die kommunale Bauleitplanung Die kommunale Bauleitplanung hat grundsätzlich öffentlich zu erfolgen204. Dies gilt insbesondere für Aufstellungs-, Auslegungs- und Satzungsbeschlüsse von Bebauungsplänen205. Eine nicht öffentliche Beratung kann in diesen Fällen auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass den Mandats-

202  VGH Mannheim, Urteil vom 18.06.1980 – III 503/79, VBlBW 1980, 33 (34); Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 2 S. 10; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146. 203  VG Braunschweig, Beschluss vom 16.03.1995 – 1 A 1260/94, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 45; LG Karlsruhe, Urteil vom 03.10.1980 – O [Baul] 25/80, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 45. 204  So ausdrücklich für Rheinland-Pfalz normiert in Nr. 1 GemO-VV zu § 35 GemO RP. 205  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (121); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2, S. 171; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 46; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2.2 S. 13; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4.



III. Typische Praxisfälle409

trägern dabei alle Plan- bzw. Satzungsunterlagen vorliegen müssen, das heißt insbesondere auch Eingaben der Bürger zu den Plänen206. Durch die Verfassung geschützte Rechtsgüter, die dem entgegenstehen, gibt es nicht. Die Öffentlichkeit trägt vielmehr dem Demokratieprinzip Rechnung, indem sich die Bürgerschaft von der Lauterkeit des Beratungs- und Entscheidungsprozesses überzeugen kann207. Im Baurecht ist die frühzeitige Unterrichtung Sinn des Verfahrensgangs208. Gewisse Nachteile sind dabei hinzunehmen209. Daher kann auch die Absicht, die Offenlegung von Zugeständnissen im Rahmen einer Bauleitplanung zu verhindern, einen Öffentlichkeitsausschluss nicht rechtfertigen210. aa) Gefahr der Bodenspekulation Besteht ausnahmsweise die konkrete Gefahr einer Bodenspekulation und kann dem nicht anders vorgebeugt werden, ist eine nicht öffentliche Beratung der Angelegenheit gerechtfertigt211. Sowohl die Entscheidung über Anregungen und Beschwerden nach dem BauGB als auch die Beratung einer Grundstücksveräußerung sind ggf. nicht öffentlich zu behandeln212.

206  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (121); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 171. 207  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (121); VG Freiburg, Urteil vom 11.10.1973 – VS III 88/72, NJW 1974, 762 (763); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 46. 208  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.3. 209  VG Köln, Urteil vom 25.01.1985 – 4 K 3729/84, HSGZ 1986, 89 (89 f.); Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185. 210  VGH Mannheim, Beschluss vom 25.07.1967 – III 630/66, BRS 18, 4, Nr. 3, S. 5. 211  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 46; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 29; Gentner, KommP MO 1992, 40 (41); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 33; siehe zum Ausschlussgrund der Bodenspekulation auch bei Grundstückskäufen im Kapitel (2) Gefahr einer Bodenspekulation, S. 403. 212  VGH Mannheim, Beschluss vom 22.01.1965 – II 767/63, zit. nach Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 171 f.; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 4; ebenso Steger, BWGZ 1981, 316 (318); Pfefferle, VBlBW 1997, 415 (416); Viniol, BWVPr. 1975, 223 (224).

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E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

bb) Umgang mit Anregungen und Bedenken Anregungen und Bedenken im Rahmen von Bauleitplanungen enthalten Namen, Kontaktdaten und mitunter, neben der Meinung zu der konkreten Planung, Ausführungen, die Einblicke in persönliche Verhältnisse geben. Diese unterliegen der informationellen Selbstbestimmung. Eine öffentliche Beratung stellt mithin einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht dar. Dieses kann einen Öffentlichkeitsausschluss rechtfertigen213. In der Regel ist jedoch eine öffentliche Beratung geboten214, denn die persönlichen Daten können – soweit ihr Schutz erforderlich ist – geschwärzt oder anonymisiert werden. Wenn es sich um Meinungsbekundungen handelt, die persönliche Ausführungen enthalten, sind diese abgegeben worden, um in die öffentliche Meinungsbildung der kommunalen Volksvertretung einzufließen. Werden diese anonymisiert, besteht kein Bedarf eines weiteren Schutzes durch den Ausschluss der Öffentlichkeit. f) Die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens Die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB hat öffentlich zu erfolgen215, da lediglich eine formale Prüfung der planungsrechtlichen Vorgaben vorgenommen wird216. g) Entscheidungen über Bauvorhaben Soweit konkrete Bauvorhaben in Form von Bauanträgen oder Bauvoranfragen in der kommunalen Volksvertretung zu beraten sind, hat dies öffentlich zu erfolgen217. Denn auch die Berücksichtigung des Datenschutzes hat in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 23. Mannheim, Beschluss vom 25.07.1967 – III 630/66, BRS 18, 4, Nr. 3, S. 5; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 171; ausführlich dazu Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2.2 S. 13. 215  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35, Ziff. 2 S. 171; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 47; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 2 S. 10; a. A. Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2.4 S. 13 m. w. N. 216  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2. 217  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art.  52 Rn.  12 m. w. N.; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 47; Gentner, KommP MO 1992, 40 (41). 213  Teschke, 214  VGH



III. Typische Praxisfälle411

nicht den grundsätzlichen Ausschluss der Öffentlichkeit zur Folge218. Im Rahmen baurechtlicher Entscheidungen ist dem Recht auf Datenschutz eine geringere Bedeutung beizumessen, als der Sitzungsöffentlichkeit219. Der Schutz vor dem Bekanntwerden persönlicher Daten, zum Beispiel des Namens des Bauherrn, der Adresse des Vorhabens, sowie dessen Art und geplante Nutzung220, tritt dabei hinter das Interesse an der Kontrolle der Bau­ tätigkeit in der Kommune zurück221. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip222 verlangt jedoch, dass nur die Angaben öffentlich gemacht werden, die für eine eindeutige Bezeichnung notwendig sind. Dazu gehört insbesondere auch die Anschrift des Bauvorhabens223. Möglich und daher auch geboten wird in der Regel aber eine Beratung ohne Preisgabe des Namens des Bauherrn sein224. 4. Beratungen über prozesstaktisches Vorgehen Das prozesstaktische Vorgehen einer Kommune ist in nicht öffentlicher Sitzung der kommunalen Volksvertretung zu beraten und zu entscheiden, wenn andernfalls durch eine vorzeitige Bekanntgabe nachteilige Auswirkungen auf die vereinbarte Strategie zu befürchten sind, beispielsweise bei der Frage, ob ein Vergleich angenommen wird oder ein Rechtsmittelverzicht erklärt werden soll225. Entscheidend ist mithin, ob durch die Öffentlichkeit der 218  VG

Köln, Urteil vom 25.01.1985 – 4 K 3729/84, HSGZ 1986, 89 (89). in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 45. 220  Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52, Rn. 4. 221  VG Köln, Urteil vom 25.01.1985 – 4 K 3729/84, HSGZ 1986, 89 (89 f.); Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, 5. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragen für den Datenschutz, S. 39; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 47, der dabei sogar vertritt, dass es keine schützenswerten Interessen des Bauherrn gebe. 222  Zilkens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (166). 223  Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 19; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52, Rn. 4. 224  VG Köln, Urteil vom 25.01.1985 – 4 K 3729/84, HSGZ 1986, 89 (89); Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 37; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 45. 225  OVG Münster, Urteil vom 24.04.2001 – 15 A 3021/97, NVwZ-RR 2002, 135 (137) zur Frage des Abschlusses eines Vergleich; zum Grundsatz OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 71; OVG Saarlouis, Beschluss vom 21.04.2010 – 3 B 123/10, KommJur 2011, 18 (18) zur Frage eines Rechtsmittelverzicht; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 172; Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S. 117 Rn. 160; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 29; 219  Philipsen,

412

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

gegnerischen Seite ein Informationsvorsprung gewährt werden würde, der gegen die Kommune verwendet werden kann. Dies ist bei der Grundsatzentscheidung über die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde nicht zu befürchten. Diese kann daher in öffentlicher Sitzung getroffen werden226, denn die tragenden Erwägungen werden spätestens mit der Klageerhebung öffentlich. Eine frühere Information der gegnerischen Partei eröffnet dieser keine prozessualen Handlungsmöglichkeiten, die Nachteile für die Kommune befürchten lassen. 5. Rechnungsprüfungsangelegenheiten Im Rahmen der Rechnungsprüfung können personenbezogene Daten Gegenstand sein, so dass die Öffentlichkeit im Einzelfall auszuschließen ist227. Denkbar ist das insbesondere, wenn die Bonität, die Seriosität oder das Wettbewerbs- und Abrechnungsverhalten Beteiligter zur Sprache kommen228. Aus diesen Informationen könnten Konkurrenten Rückschlüsse ziehen. Eine nicht öffentliche Beratung kann außerdem zur Gewährleistung einer analytischen und sachlichen Diskussion – im Sinne der Funktionsfähigkeit der verwaltungsinternen Prüfung und der Integrität der Verwaltung – im legitimen Interesse des Gemeinwohls sein229. Die demokratische Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Öffentlichkeit tritt dabei hinter Funktions- und Effizienzgesichtspunkten nur solange zurück, bis das Prüfungsergebnis feststeht. Dieses ist von so großem öffentlichen Interesse, dass die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden darf230. Der Öffentlichkeit ist dann das Prüfungs­ ergebnis zugänglich zu machen. Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Nr. 2; Rabeling, NVwZ 2010, 411 (412); Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4 ohne inhaltliche Begründung; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2; Wagner, in: Kleerbaum/ Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. a) S. 675. 226  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4. 227  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 46; zur Abwägung zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und Persönlichkeitsrechten siehe ausführlich im Kapitel 8.  Die Behandlung von Personalangelegenheiten, S. 414 ff. 228  Differenzierend Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12. 229  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 46; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 2. a) S. 675; bejahend: OVG Münster, Beschluss vom 11.08.2006 – 21 A 1981/06, NWVBl. 2007, 117 (118). 230  Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 31; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 41.



III. Typische Praxisfälle413

Ob und inwieweit auch etwaig vorhandene Sitzungsunterlagen öffentlich zugänglich zu machen sind, unterliegt einer davon zu trennenden Einzelfallabwägung. Dessen Ergebnis hängt davon ab, ob auch nach der Sitzung zum Schutz der Güter aus denen eine nichtöffentliche Beratung gerechtfertigt war, eine vertrauliche Behandlung der Sitzungsunterlagen erforderlich ist231. Sollte dies der Fall sein, wird auch ein Antrag auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen abgelehnt werden müssen.232 Gleich, ob ein Öffentlichkeitsausschluss zum Schutz von Persönlichkeitsrechten oder zwecks Wahrung der kommunalen Funktionsfähigkeit durchgeführt werden soll, notwendig ist eine Abwägung und Entscheidung im konkreten Einzelfall. Es kann auch bei Rechnungsprüfungsangelegenheiten nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass die Öffentlichkeit für eine analytische und sachliche Diskussion immer ausgeschlossen werden müsse. Ein genereller Ausschluss der Öffentlichkeit ist daher unstatthaft233. 6. Beratung von Sparkassenangelegenheiten Sparkassen nehmen zur Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags der geldoder kreditwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung nach kaufmännischen Grundsätzen am Wirtschaftsleben teil. Sie stehen dadurch in Konkurrenz zu anderen Unternehmen. Um in diesem Wettbewerb bestehen zu können, müssen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse vor einer Kenntnisnahme durch unbefugte Dritte geschützt werden. Dies rechtfertigt den Ausschluss der Öffentlichkeit im Interesse des Gewährträgers, wenn nicht offenkundige Angelegenheiten in der kommunalen Volksvertretung zu erörtern sind234.

231  A.  A. OVG Münster, Urteil vom 17.05.2006 – 8 A 1642/05, BeckRS 2006, 23201, Ziff. 2. c), wonach die Notwendigkeit der Vertraulichkeit auf die Beratung beschränkt sein soll; dazu ausführlicher siehe Kapitel 4. Umfang der Vertraulichkeit, S. 362. 232  Siehe zur Zugänglichkeit von Sitzungsunterlagen auch Kapitel 4. Bedeutung digitaler Öffentlichkeit, S. 237. 233  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 46. 234  OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 66 ff.; Bauer/ Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.3 m. w. N.

414

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

7. Die kommunale Rechtssetzung Rechtssetzungsakte sind grundsätzlich öffentlich zu behandeln, da ihnen auf Grund ihrer Allgemeinverbindlichkeit besondere Bedeutung zukommt235. Zum Erlass von baurechtlichen Satzungen wurde diesbezüglich bereits ausgeführt236. Auch Benutzungsordnungen für kommunale Einrichtungen, z. B. einer Stadthalle237, sind öffentlich zu beraten und beschließen. Gleiches gilt für die Benennung und Umbenennung von Straßen238. Auch die Festlegung von Abgaben und Entgelten hat öffentlich zu erfolgen239. 8. Die Behandlung von Personalangelegenheiten Unter Personalangelegenheiten fallen alle Verhandlungsgegenstände einer kommunalen Volksvertretung, in welchen die Einstellung, Entlohnung, Leistungsbeurteilung, Beförderung, Ruhestandsversetzung oder disziplinarische Maßnahmen bezüglich der in der Kommunalverwaltung Beschäftigten, gleich ob es sich im Beamte oder Angestellte handelt, behandelt werden240. Eine öffentliche Beratung dieser Angelegenheiten kollidiert mit dem durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung241. Es gehört damit zur Fürsorgepflicht der Dienstherren, dafür Sorge zu tragen, dass diese Belange nicht öffentlich werden242. Sofern eine Beratung in der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung stattfindet, ist zu beachten, dass die Öffentlichkeit dann ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis persönlicher Daten im Rahmen von Personalangele235  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 35. 236  Siehe Kapitel e) Die kommunale Bauleitplanung, S. 408. 237  VG Bayreuth, Beschluss vom 16.02.2009 – B 2 E 08.1234, KommP By 2009, 263 (264); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 36. 238  VGH Mannheim, Urteil vom 22.07.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (197). 239  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 Ziff. 2 S. 171. 240  Gentner, KommP MO 1992, 40 (41); Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 31; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 39; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 10; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2; zum Spezialfall der Behandlung von Bescheiden der Stasi-Unterlagen-Behörde siehe Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 27. 241  Siehe zur Rechtsgrundlage und Inhalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Kapitel 2. Berechtigte Interessen Einzelner, S. 379 ff. 242  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 31 f.; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 39.



III. Typische Praxisfälle415

genheiten hat, wenn sie diese zur Beurteilung der kommunalen Personalwirtschaft benötigt. a) Die Beratung des Stellen- und Sollstellenplans Daraus folgt, dass die jährliche Beratung des Stellen- und Sollstellenplans grundsätzlich öffentlich zu erfolgen haben243, denn diese Pläne geben lediglich wieder, in welcher Entgelt- oder Besoldungsgruppe wie viele Personen in welchem Bereich beschäftigt sind bzw. beschäftigt werden sollen. Thema ist folglich nicht, wer, wie und warum jemand eine Stelle erhält oder besetzt und ob gute Arbeit geleistet wird, sondern nur die grundsätzliche Frage, ob und welche Stellen die Kommune vorhalten oder abbauen will – ohne Ansehen der die Stelle ggf. ausfüllenden Person. Werden allgemein personalwirtschaftliche Angelegenheiten, d. h. Angelegenheiten, die Gruppen von Bediensteten betreffen, oder abstrakte Fragestellungen ohne Bezug zu konkreten Personen behandelt, spricht das öffentliche Wohl „nicht für den Ausschluss, sondern gegen den Ausschluss der Öffent­ lichkeit“244. Sofern kommunale Spitzenpositionen durch ihre begrenzte Anzahl im Stellen- und Sollstellenplan individualisierbar sind, wird durch eine öffentliche Beratung zumindest mittelbar bekannt, was die Betroffenen verdienen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst ohnehin transparent sind. Mit der Bekanntmachung ihrer Funktion ist folglich auch ihr Einkommen öffentlich. Ein Schutzbedürfnis öffentlicher Informationen besteht nicht. Sofern dies im Einzelfall nicht zutrifft, ist zu berücksichtigen, dass die kommunale Personalwirtschaft einen wesentlichen Einfluss auf die kommunale Haushaltssituation hat. Eine nicht öffentliche Beratung der Stellenplanung würde diesen wesentlichen Finanzposten vollständig dem Kontrollrecht der Bürgerschaft entziehen. Eine öffentliche Beratung, die weniger in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bediensteten eingreift als die Beratung eines anonymisierten Plans, ist nicht möglich. In diesem Fall tritt mithin das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinter die kommunale Sitzungsöffentlichkeit zurück. Etwas anderes gilt, wenn es im Verlauf der Beratung zu detaillierten Nachfragen zu einzelnen Bediensteten kommt. Ein Thema kann dann beispielsin: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 26. Hannover, Urteil vom 27.11.1985 – 1 bis VG A 72/83, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 39. 243  Gentner, 244  VG

416

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

weise die dauerhafte Erkrankung eines konkret benannten Mitarbeiters sein. In diesen Fällen ist die Öffentlichkeit auszuschließen, denn an der Information, wer an welcher Erkrankung leidet, besteht kein denkbares berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit. Besteht regelmäßig das Bedürfnis nach einem solchen Detailaustausch in der kommunalen Volksvertretung bietet es sich an, die Beschlussfassung in zwei Teile zu gliedern. Zunächst kann eine nicht öffentliche Beratung angesetzt werden, in der auch personenbezogene Detailfragen erörtert werden können. Im Anschluss kann öffentlich über den abstrakten Stellen- und Sollstellenplan beraten und entschieden werden. Anders als bei der Annahme generell nicht öffentlicher Vorberatungen in Ausschüssen, liegt in diesem Fall ein sachlicher Grund für die nicht öffentliche Vorberatung durch die Schutznotwendigkeit der persönlichen Daten der Beschäftigten vor245. Das Vorgehen dient der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, indem der Ausschluss der Öffentlichkeit nur auf die Beratungsteile beschränkt wird, die einer vertraulichen Behandlung bedürfen246. b) Grundsatz zur Beratung von Personalangelegenheiten Werden der individuelle Charakter, die Eignung, Leistung, Befähigung oder disziplinarische Maßnahmen gegenüber einzelnen Bediensteten erörtert, besteht grundsätzlich kein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis dieser Informationen, denn die genannten Beurteilungen und Entscheidungen haben keinen finanziellen Einfluss auf den kommunalen Haushalt. Eine Beförderung ist nur im Rahmen des Stellenplans zulässig und untersteht bereits bei dessen Beratung und Entscheidung der öffentlichen Kontrolle. Bei der Beratung von individuellen Personalangelegenheiten Bediensteter wird die Öffentlichkeit daher in der Regel auszuschließen sein247. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die persönlichen Daten derart in den Beratungsgegenstand eingebunden sind, dass ohne sie eine sinnvolle Beratung und Ent245  Zur Problematik nicht öffentlicher Ausschussvorberatungen siehe Kapitel 1. Ausschussöffentlichkeit, S. 285 ff. 246  Siehe zur Verhältnismäßigkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses Kapitel 5. Verhältnismäßigkeit, S. 345 ff. 247  VG Göttingen, Beschluss vom 15.02.1996 – 5 A 57/04, KommP N 1996, 185 (186); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 26; Lehné/Weirich/ Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Nr. 2; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 24; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2.



III. Typische Praxisfälle417

scheidungsfindung nicht mehr möglich sind, beispielsweise wenn die persön­ lichen Verhältnisse oder persönliche Eigenschaften Gegenstand der Beratung sind248. Andernfalls ist – soweit nötig – der Anonymisierung der Vorlage und einer öffentlichen Beratung der Vorrang einzuräumen. So ist die Begründung oder Auflösung von Dienstverhältnissen öffentlich zu beraten und entscheiden249, zumindest wenn und solange nicht die persönlichen Gründe des Betroffenen oder seine Leistungen thematisiert werden. Es gilt der Grundsatz, dass „Personal- und insbesondere Disziplinarangelegenheiten […] auch ohne eine ausdrückliche Regelung in der Geschäftsordnung regelmäßig in nicht öffentlicher Sitzung zu behandeln“ sind250. c) Herausgehobene Funktionen Etwas anderes kann jedoch bei Bediensteten mit einer besonders herausgehobenen Funktion gelten. Herausgehobene Funktionen sind anzunehmen, wenn die Bediensteten durch Wahlakt, Berufung oder Beauftragung in ihre Funktion gelangen251. Im Gegensatz zu der Entscheidung über den Stellen- oder Sollstellenplan werden die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen durch eine öffentliche Beratung besonders berührt, weil nicht abstrakt oder anonym entschieden wird, sondern ihre persönliche Eignung und Leistung im Mittelpunkt der Beratung steht. Zum Beispiel werden bei Neueinstellungen in leitende Funktionen der kommunalen Volksvertretung oftmals nicht nur das Bewerbungsschreiben, sondern auch der Lebenslauf, Zeugnisse sowie gegebenenfalls die Ergebnisse eines zuvor durchgeführten Personalauswahlverfahrens zur Kenntnis gegeben. Es ist umstritten, wie in diesen Fällen das Verhältnis zwischen der informationellen Selbstbestimmung der Betroffenen und der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit zu bewerten ist.

in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 9. in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 38. 250  VG Göttingen, Beschluss vom 15.02.1996 – 5 A 57/04, KommP N 1996, 185 (186). 251  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 32 scheidet diese aus der Rubrik der Personalangelegenheiten aus, weil es sich um die Bestellung von Verfassungsorganen handelt – dem wird hier nicht gefolgt, da diese Einordnung nichts an den kollidierenden Rechtsgütern verändert und damit die gleiche Interessenlage wie bei anderen Personalangelegenheiten besteht. 248  Koch,

249  Blum,

418

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Auf der einen Seite wird vertreten, dass die Wahl, Wiederwahl und Abberufung eines kommunalen Spitzenbeamten in öffentlicher Sitzung zu erfolgen hat, da es sich um eine grundsätzliche kommunalverfassungsrechtliche Angelegenheit handelt252. Die zu verfassungsmäßigen Organen der Kommune Berufenen hätten keinen Anspruch darauf, dass ihre Angelegenheiten, insbesondere ihrer Eignung für das Amt, in den Vertretungskörperschaften nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit erörtert werden.253 Gegen die öffentliche Behandlung auch der Personalangelegenheiten he­ rausgehobener Funktionen wird eingewendet, dass das Kommunalrecht insgesamt dem allgemeinen Schutzgedanken der Persönlichkeitsrechte folge254. Keines Öffentlichkeitsausschlusses bedarf es jedenfalls dann, wenn eine neue/zusätzliche Funktions- oder Aufgabenbezeichnung, die gerade auch in der Öffentlichkeit verwendet werden soll, bekannt gegeben oder bestätigt werden soll. Zu denken ist beispielsweise an die medienwirksame Benennung eines oder einer Kinderbeauftragten. Denn in diesem Fall ist nicht der persönliche, sondern nur der dienstliche Bereich des oder der Betroffenen berührt. Im Übrigen gilt, dass sich bei der Behandlung herausgehobener Funktionen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit – über die Kontrolle finanzieller Aspekte der Personalwirtschaft hinaus – auf die Beurteilung der Funktionsfähigkeit und der rechtsstaatlichen Aufgabenwahrnehmung erstreckt. Daraus folgt ein nach demokratischen Grundsätzen berechtigtes Interesse an einer Kenntnis über Eignung, Leistung und Befähigung der Betroffenen in diesen Fällen. Die Stellen- und Sollstellenplanung können dies nicht in abstrakter Weise kompensieren.

252  VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28.01.2000 – 1 K 446/96, zit. nach Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 41; VG Hannover, Urteil vom 25.05.1976 – I A 127/76, DNG 1976, 282 (282); VG Hannover, Urteil vom 27.11.1985 – 1 bis VG A 72/83, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 28; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 40; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185 f. 253  VG Hannover, Urteil vom 25.05.1976 – I A 127/76, DNG 1976, 282 (282 f.); ähnlich VG Hannover, Urteil vom 27.11.1985 – 1 bis VG A 72/83, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; dem folgend Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 9; Gentner, KommP MO 1992, 40 (41); Schuster/Diehl/ Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. III. 2 S. 10. 254  VG Göttingen, Beschluss vom 15.02.1996 – 5 A 57/04, KommP N 1996, 185 (186); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; Thiele, KommP N 1995, 36 (37).



III. Typische Praxisfälle419

Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Kontrollrecht der Öffentlichkeit eingeschränkt werden kann, ohne es gleich aufzugeben. Eine solche Reduzierung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung ist nicht möglich. Die Daten werden entweder veröffentlicht oder unterliegen der Diskretion. Ein bisschen Öffentlichkeit, z. B. indem nur ein Teil der persönlichen Daten veröffentlicht wird, stellt keine überzeugende Lösung dar, da bezüglich dieser Informationen der Schutz der informationellen Selbstbestimmung vollständig aufgegeben werden würde. Wie das Beispiel der Personalplanung zeigt, ist für eine effektive Kontrolle, die Kenntnis der Öffentlichkeit über persönliche Daten nicht immer in vollem Umfang notwendig. Daraus folgt, dass eine öffentliche Beratung auch von Personalangelegenheiten Bediensteter in herausgehobener Person soweit wie möglich ohne Verwendung persönlicher Daten zu erfolgen hat. Denkbar ist beispielsweise, dass den Mandatsträgern vor der Wahl eines kommunalen Spitzenbeamten dessen persönliche Daten nicht öffentlich zur Kenntnis gegeben werden und in diesem Rahmen auch Nachfragen zu der Person zugelassen sind, während der Wahlakt an sich öffentlich erfolgt, so dass die Bürgerschaft zumindest nachvollziehen kann, wie sich die Mandatsträger zu der Personalie positionieren. So ist beispielsweise bei der Beigeordnetenwahl auf Grund der Sitzungsvorbereitung davon auszugehen, dass es in der Ratssitzung nur noch einer weniger intensiven Befassung bedarf255. Die öffentliche Besetzung einer herausgehobenen Funktion durch Wahl, Berufung oder Stellenvergabe trägt der überragenden Bedeutung der Mehrheitsentscheidung für das demokratische Gemeinwesen Rechnung, selbst wenn diese an sich geheim zu erfolgen hat256. Die Bewerber haben deshalb bei solchen Stellen damit zu rechnen, dass ihre Bewerbung, ihre Eignung und ihre Befähigung Gegenstand eines öffentlichen Diskus werden, so dass kein schützwürdiges Vertrauen der Bewerber auf Geheimhaltung ihrer Namen existiert257. Etwas anderes kann allenfalls für solche Bewerber gelten, die bereits die formalen Anforderungen an die zu besetzende Stelle nicht erfüllen258. Gleiches gilt für den actus contrarii259.

255  OVG

(433).

Münster, Urteil vom 12.05.2021 – 15 A 1735/20, NWVBl. 2021, 432

256  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 37; Thiele, KommP N 1995, 36 (37). 257  OVG Münster, Urteil vom 12.05.2021 – 15 A 1735/20, NWVBl. 2021, 432 (433 f.). 258  OVG Münster, Urteil vom 12.05.2021 – 15 A 1735/20, NWVBl. 2021, 432 (434). 259  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 37.

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E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Im Einzelfall kann aber ein besonderes berechtigtes Informationsinteresse bestehen, welches eine öffentliche Behandlung gebietet. Beispielsweise wenn die Tätigkeit kraft Amtes im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht und Auskunft über die Tatsache einer rechtskräftigten Disziplinarmaßname gegeben wird260. Zu berücksichtigen ist ggf., dass weitergehende Informa­ tionen über das Disziplinarverfahren und den Inhalt der Personalakte nicht öffentlich gegeben werden dürfen261. 9. Die Vorbereitung von Schöffenwahlen Die Aufstellung der Vorschlagsliste für Schöffen und Jugendschöffen sind öffentlich zu behandeln262. 10. Behandlung von Steuerangelegenheiten Abgesehen von der Festlegung der kommunalen Steuern sind Angaben über die Steuerpflicht einzelner – gleich in welcher Entscheidung der kommunalen Volksvertretung sie eingebunden sind – nicht öffentlich zu behandeln263. Dies ergibt sich zum einen aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht oder dem Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs der Betroffenen, denn durch die Information über ihre Steuerlast würde mittelbar Auskunft über die finanziellen Verhältnisse und bei Gewerbetreibenden über ihren Umsatz offenbart. Zum anderen folgt die Pflicht zur nicht öffentlichen Behandlung auch aus dem Rechtsstaatsgebot gem. Art. 20 GG, denn das Steuergeheimnis ist in § 30 AO normiert und muss von der Kommunalverwaltung eingehalten werden264. Die darf selbst den zur Verschwiegenheit verpflichteten Mitgliedern 260  BVerwG, Urteil vom 04.06.1970 – II C 5.68, BVerwGE 35, 225 (227); OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.09.1990 – 5 M 28/90, NJW 1991, 445 (445). 261  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 39. 262  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35, Ziff. 2 S.  171; a. A. Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12. 263  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 1.; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 8. 264  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 4.2; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4; zur Beachtung des Rechtsstaatsprinzips als ein mit der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit kollidierendes Verfassungsgut siehe Kapitel 2.  Rechtsstaatliche Öffentlichkeit, S. 80 ff.; zum Grund, warum einfachgesetzliche Normen die kommunale Sitzungs-



III. Typische Praxisfälle421

der kommunalen Volksvertretungen keine Einsicht in die Steuerakten gewähren265. 11. Individuelle Finanzangelegenheiten Die Übernahme einer Bürgschaft hat „notwendigerweise die Aufdeckung der wirtschaftlichen Verhältnisse […] des potenziellen Bürgschaftsnehmers“ zum Gegenstand und ist daher nicht öffentlich zu behandeln266. Gleiches gilt für Sozialleistungen, Anträge auf Stundung, den Erlass und die Ermäßigung von Forderungen267. Überdies kann sich ein Gebot zum Ausschluss der Öffentlichkeit aus dem Rechtsstaatsgebot ergeben, wenn Geheimhaltungspflichten ausdrücklich normiert sind, beispielsweise folgt dies aus dem Sozialgeheimnis268. Dagegen sind Anträge auf Niederschlagung von Forderungen wegen Uneinbringlichkeit öffentlich zu behandeln, weil dieses Geld quasi jedem einzelnen Bürger geschuldet werde und bis zu einer Niederschlagung der Name des Schuldners ohnehin öffentlich, u. a. wegen der Eintragung in das öffentliche Schuldnerverzeichnis, ist269. Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen sollen zumindest dann nicht öffentlich behandelt werden, wenn berechtigte Interessen des Gebers oder des Begünstigten dem entgegenstehen270. öffentlichkeit nicht unmittelbar einschränken, siehe Kapitel I.  Notwendigkeit einer verfassungsrechtlich geschützten Position, S. 330 ff. 265  OVG Münster, Urteil vom 06.11.2018 – 15 A 2638/17. 266  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 48; so auch Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Nr. 2; zum Schutz vor dem Bekanntwerden der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die informationelle Selbstbestimmung, siehe Kapitel a)  Persönliche Daten, S. 381 ff. 267  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 48; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35, Rn. 6; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 30; Gentner, KommP MO 1992, 40 (41); Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Nr. 2; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 40; Teschke, in: Bennemann/Daneke/ Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 24; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 4 S. 185; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2. 268  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 48 verweist für Niedersachsen auf § 11 Abs. 1 Nr. 5 a) NKAG i. V. m. §§ 222, 227, 261 AO; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 4.2; Zilkens/Elschner, DVBl. 2002, 163 (166). 269  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 24. 270  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12.

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E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

Da zur Annahme einer solchen Zuwendung durch die Stadt der Gebende nicht öffentlich namentlich genannt werden muss – im Bedarfsfall genügt eine nichtöffentiche Information der Mandatsträger –, ist jedoch nicht ersichtlich, welche berechtigten Interessen eines Gebers einer öffentlichen Behandlung entgegenstehen können. Alleine der Wunsch, dass die Zuwendung an sich nicht bekannt werden soll, genügt für einen Ausschluss der Öffentlichkeit nicht, denn eine vertrauliche Behandlung von ist in diesem Fall weder zum Wohl der Allgemeinheit noch zum Schutz berechtigter Interessen Einzelner notwendig. Soweit die Kommune als Geber in Erscheinung tritt, ist die Geheimhaltung des Begünstigten nur insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wie im Rahmen der Entscheidung persönliche Belange des Begünstigten thematisiert werden, an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Denkbar ist beispielsweise, die Offenlegung der finanziellen Situation eines Vereins. 12. Eingaben aus der Bürgerschaft Im Fall von Anträgen271 oder Anregungen und Beschwerden272 aus der Bürgerschaft geben die Antragssteller Namen, Adresse, Kontaktdaten sowie Meinungen – möglicherweise sogar verbunden mit weiteren persönlichen Informationen – an. Gleiches gilt für die Unterschriftslisten zur Unterstützung eines Bürgerbegehrens. In der Regel beinhalten diese Anliegen die Bitte, auf Grund persönlicher Umstände oder Ansichten bestimmte Sachverhalte in ihrem Sinne abzuändern. Ein häufiges Thema ist nach Erfahrung der Verfasserin dabei die Bestimmung von Straßenkategorien, die für die städtische Straßenreinigung, den Winterdienst und die Umlagepflicht bei Sanierungen maßgeblich sind. In allen Fällen enthielten die Beschwerden neben der reinen Sachdarstellung auch persönliche Aspekte, sei es das hohe Lebensalter, auf Grund dessen der Reinigungs- und Straßenräumpflicht nicht nachgekommen werden könne, oder die finanzielle Situation, auf Grund derer die geplante Umlage von Sanierungskosten unbillig sein sollte. Angesichts der hohen Anforderungen an die Einwilligung in die Veröffentlichung persönlicher Daten273 kann durch die Anrufung der kommunalen 271  § 20b GemO BW; Art. 18b GO BY; § 14 BbgKVerf; in Hessen nicht vorgesehen; § 18 KV M-V; § 31 NKomVG; § 25 GO NRW; § 17 GemO RP; § 21 KSVG SL; § 23 SächsGemO; Einwohnerantrag, § 25 KVG LSA; § 16f GO SH; § 16 ThürKO. 272  § 14 Abs. 1 KV M-V; § 34 NKomVG; § 24 GO NRW; § 16b GemO RP; § 16e GO SH. 273  Siehe dazu Kapitel 2. Einwilligung, S. 338 ff.



III. Typische Praxisfälle423

Volksvertretung – selbst im Fall der unstrittigen Kenntnis des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit – nicht von einer konkludenten Einwilligung ausgegangen werden. Die Antragssteller, Anregenden oder Beschwerdeführer geben ihre Daten vielmehr nur „der Verwaltung“ in Person des mit dem Verfahren betrauten Amtsträgers und nicht der Öffentlichkeit274. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn mit den persönlichen Informationen „die Öffentlichkeit gesucht“ worden ist275. Dafür ist jedoch mehr zu verlangen als eine Eingabe an die kommunale Volksvertretung. Denkbar ist beispielsweise eine Information der Presse. Auf der anderen Seite folgt aus der Sitzungsöffentlichkeit, dass Anliegen, mit denen Bürger sich offiziell an die kommunale Volksvertretung gewendet haben, unter den Augen der Öffentlichkeit zu beraten und entscheiden sind. Die demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle dient dabei insbesondere auch der Vermeidung von Vetternwirtschaft. Für die Kontrolle durch das Wahlvolk ist es wichtig, dass bekannt ist, ob und durch wen sich ihre gewählten Vertreter bei der Entscheidungsfindung beeinflussen lassen. Gerade Eingaben aus der Bürgerschaft an die kommunale Volksvertretung wohnt dabei eine spezielle kommunalpolitische Brisanz inne. Hier verlockt die Möglichkeit sich durch Einzelfallregelungen als besonders bürgernah zu präsentierten. Diesbezüglich ist zu beachten, dass die betroffenen Daten nur ganz oder gar nicht vor einer Veröffentlichung geschützt werden können, während dem Öffentlichkeitsgebot durch eine Anonymisierung oder Teilung oder Trennung der Angelegenheit auch teilweise nachgekommen werden kann276. Eine grundsätzliche demokratische, republikanische und rechtsstaatliche Kontrolle ist möglich, auch wenn eine Entscheidung nicht bis ins kleinste Detail nachvollzogen werden kann. Ausreichend kann die Kenntnis der wesentlichen Entscheidungsmomente sowie mitunter die Positionierung der Fraktionen und der Mandatsträger sein. Für die Beurteilung, wie verantwortlich die Mandatsträger mit entsprechenden Eingaben umgehen, ist mithin nicht notwendig, dass die Öffentlichkeit die Namen und andere personenbe274  OVG Münster, Beschluss vom 28.08.1997 – 15 A 3432/94, NWVBl. 1998, 110 (110); Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 14/1593, S. 4; Paal, in: Rehn/ Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 51. 275  So zur Frage der Zulässigkeit der Verlesung eines Briefs, Blum, in: Blum/ Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 48; a. A. OVG Koblenz, Urteil vom 02.09.1986 – 7 A 7/86, NVwZ 1988, 80 (80) dem folgend; Lehné/Weirich/Messeler, in: Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, KSVG, § 40 Nr. 2; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4. 276  Siehe grundsätzlich zur Frage der Erforderlichkeit eines Öffentlichkeitsausschlusses bei der Verfügbarkeit eines milderen Mittels zum Schutz des kollidierenden Rechtsguts Kapitel 5. Verhältnismäßigkeit, S. 345 ff.

424

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

zogene Daten der Antragsteller kennt. Von Interesse sind vielmehr nur der Antragsgegenstand und möglicherweise noch die Zahl derer, die die Eingabe unterstützen. Für die Beurteilung, ob und welche Mandatsträger sich in welcher Art beeinflussen lassen, sind deren Sachargumente maßgeblich. Dementsprechend genügt für die Wahrnehmung des Kontrollrechts eine anonymisierte öffentliche Behandlung der Angelegenheit. Hier wird nicht nur der „Empfindlichkeit der Bürger gegenüber der Bekanntgabe persönlicher Daten“277 Rechnung getragen, denn es ist zu beachten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht, in dem das Recht auf infor­ mationelle Selbstbestimmung wurzelt, auf die Menschenwürde, Art. 1 GG zurückzuführen ist. In Anbetracht dieses hohen Werts, der dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung innewohnt, und der Möglichkeit, das demokratische, rechtstaatliche und republikanische Kontrollrecht zumindest in reduzierter Form weiterhin zu wahren, wird bei der Berührung persönlicher Daten im Rahmen der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung in der Regel das Schutzinteresse der Persönlichkeitsrechte gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen. Ist die namentliche Kenntnis der Antragssteller, Anregenden oder Beschwerdeführer für die Mitglieder der kommunalen Volksvertretung unter dem Gesichtspunkt der Ausübung des freien Mandats von Bedeutung, um Kontakt aufzunehmen oder, weil mehrere Eingaben der gleichen Person vorliegen, den Zusammenhang zwischen diesen zu erkennen, kann ihnen diese beispielsweise durch einen Anonymisierungsschlüssel im nicht öffentlichen Sitzungsteil gewährt werden. Dort können im Bedarfsfall auch Kopien der Unterschriftenlisten zur Unterstützung eines Bürgerbegehrens zur Kenntnis gegeben werden. Daraus folgt, dass – beispielsweise über Einwendungen gegen die Haushaltssatzung – an sich in öffentlicher Sitzung entschieden werden muss278. Eine namentliche Nennung des Einwendenden ist hingegen nicht nötig. Gleiches gilt für die Namen der Unterstützer eines Bürgerbegehrens279. Höchstpersönliche Anträge und Anliegen sind hingegen nicht öffentlich zu behandeln280.

in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 5. Münster, Urteil vom 24.10.1960 – 2 K 383/60, EzKommR, 3630.5. 279  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12 mit Verweis auf den Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz. 280  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4. 277  Bock, 278  VG



IV. Definition: Rechtfertigungs- und Ausschlussgrund 425

13. Befangenheit und Ordnungsmaßnahmen Auch die Rechte der Mitglieder einer kommunalen Volksvertretung können durch eine öffentliche Beratung beeinträchtigt werden. Denkbar ist dies, wenn über das Vorliegen von Befangenheitsgründen oder die Erteilung von Ordnungsmaßnahmen diskutiert wird. Dementsprechend ist nach § 38 Abs. 3 S. 2 ThürKO über die Befangenheit eines Mandatsträgers durch die kommunale Volksvertretung in nicht öffent­ licher Sitzung zu befinden. Es wird überdies vertreten, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sei auch über den Ausschluss eines Mitglieds der kommunalen Volksvertretung von der Sitzung wegen fortgesetztem, erheblichem Stören nicht öffentlich zu beraten281. Dies hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil der Entscheidungsgegenstand nicht die individuelle Befähigung oder Eignung des störenden Mandatsträgers ist, sondern sein zuvor an den Tag gelegtes Verhalten. Es erfolgt mithin keine Wertung über die Person an sich, sondern darüber, ob das aktuelle Verhalten mit der Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretung vereinbar ist. Bereits um den Anschein zu vermeiden, dass dabei aus persönlichen oder politischen Gründen unsachlich Stimmung gegen den Betroffenen gemacht wird, ist eine öffentliche Behandlung angeraten. Etwas anderes kann allenfalls bei der Verhängung eines Ordnungsgelds gelten, wenn zur Bemessung die finanzielle Situation des Mandatsträgers offenbart wird. 14. Übertragene Aufgaben Werden der Kommunalverwaltung Aufgaben übertragen, kann sich eine Pflicht zur nicht öffentlichen Behandlung auch aus der Weisung der Aufsichtsbehörde ergeben282.

IV. Definition: Rechtfertigungs- und Ausschlussgrund Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass sich die mit der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit kollidierenden verfassungsrechtlichen Rechtsgüter 281  VG Stuttgart, Urteil vom 16.05.2007 – 7 K 3581/06, Juris Rn. 26; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4, auf Grundlage des Thüringischen Rechts, § 41 S. 2 ThürKO; Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 12. 282  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 2.4.

426

E. Die Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe

überschneiden. Diese Überschneidungen sind sowohl auf theoretischer als auch auf praktischer Ebene festzustellen. Beispielsweise ist die Wahrung des einfach gesetzlich normierten Steuergeheimnisses eine rechtsstaatliche Obliegenheit. Als solche folgt der Öffentlichkeitsausschluss aus Gründen des öffentlichen Wohls. Zugleich berührt die Höhe der Steuerpflicht aber auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dementsprechend kann der Öffentlichkeitsausschluss auch auf das Vorliegen berechtigter Interessen Einzelner gestützt werden. Ähnlich gestaltet sich die Rechtfertigung eines Öffentlichkeitsausschlusses beim Abschluss von Verträgen zwischen Kommunen und Privaten. Auf Grund dieser Überschneidungen ist eine Systematisierung und Typisierung der Rechtfertigungs- und Ausschlussgründe für die kommunale Sitzungsöffentlichkeit in der Weise, dass die von den kommunalen Volksvertretungen zu behandelnden Angelegenheiten dem öffentlichen Wohl oder den berechtigten Interessen Einzelner zugeordnet werden, nicht möglich. Aus den Vorüberlegungen ergibt sich folgende abstrakt in allen Bundesländern geltende Definition der Rechtfertigung des Ausschlusses der Öffentlichkeit von der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung Der Ausschluss der Öffentlichkeit von der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung ist dann gerechtfertigt, wenn das staatliche Interesse an der Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Aufgabe sowie am Bestand des Staats und seiner verfassungsrechtlichen Organe, deren Funktionsfähigkeit in ihrer verfassungsrechtlichen Ausprägung, die verfassungsrechtliche Rechtsstaatlichkeit oder die Wahrung der Grundrechte eine nicht öffentliche Behandlung erfordern.

Die in den meisten Bundesländern verwendeten Kriterien des „öffentlichen Wohls“ der „berechtigte[n] Interessen/Ansprüche Privater“ gehen in dieser Definition vollständig auf. Das staatliche Interesse an der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Aufgaben, dem Bestand des Staats und seiner verfassungsrechtlichen Organe sowie deren Funktionsfähigkeit in ihrer verfassungsrechtlichen Ausprägung lässt sich unter den Begriff des öffentlichen Wohls fassen. Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit dient sowohl dem öffentlichen Wohl als auch den berechtigten Interessen/Ansprüchen Privater. Die Wahrung der Grundrechte entspricht den berechtigten Interessen/Ansprüchen Einzelner. Die verfassungsrechtliche Anknüpfung stellt dabei sicher, dass eine Beschränkung des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit nur auf Grund gleichen oder höherrangigen Rechts erfolgt. Mithilfe der Definition kann auch in den Bundesländern, in denen keine gesetzlichen Vorgaben bestehen, beurteilt werden, ob ein hinreichender Grund zum Ausschluss der Öffentlichkeit vorliegt.

F. Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit Gegen das Öffentlichkeitsgebot kann sowohl durch den ungerechtfertigten Ausschluss der Öffentlichkeit als auch durch unzulässige öffentliche Beratung verstoßen werden1. Im Folgenden werden die Auswirkungen solcher Verstöße auf die unter ihnen gefassten Beschlüsse untersucht (s. dazu I. und II.). Anschließend werden die Möglichkeiten der Kontrolle und des Rechtsschutzes entsprechender Beschlüsse erörtert (s. dazu III.).

I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss Eine Verletzung des Öffentlichkeitsgebots durch ungerechtfertigten Öffentlichkeitsausschluss kann sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen gegeben sein2. Werden die Anforderungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit im Rahmen der Sitzungsvorbereitung oder -durchführung nicht eingehalten, können sich diese Mängel als Teilnahmehindernisse auswirken. Das Öffentlichkeitsprinzip ist mithin nicht nur dann verletzt „wenn der Rat hinter verschlossenen Türen tagt, sondern auch dann, wenn die Öffentlichkeit überhaupt keine Kenntnis von der Ratssitzung hat. Auch dann ist nämlich die Teilnahme an der Ratssitzung praktisch ausgeschlossen.“3 Ein ungerechtfertigter Öffentlichkeitsausschluss besteht folglich immer dann, wenn ein Tagesordnungspunkt ohne Rechtfertigung als nicht öffentlich qualifiziert wurde oder wenn Verfahrensanforderungen im Rahmen der Sitzungsvorbereitung oder -durchführung nicht eingehalten wurden4.

in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 32. dazu Kapitel V. Formelle und materielle Öffentlichkeit, S. 324 ff. 3  OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485). 4  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 5.1, S. 11, der sich hinsichtlich der notwendigen Sitzungsvorbereitung jedoch auf die Bekanntmachungspflicht beschränkt; zu den einzuhaltenden Voraussetzungen s. im Detail Kapitel C. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit, S. 140 ff.; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. b) S. 673. 1  Teschke, 2  Siehe

428

F. Rechtsfolgen von Verstößen

1. Fehlerfolge: Rechtswidrigkeit Auf Grundlage der Weimarer Reichsverfassung gingen sowohl der Königlich Bayerische VGH als auch das Reichsgericht davon aus, dass die Öffentlichkeit von kommunalen Volksvertretungen lediglich die Funktion habe, die Bürger über die Ratsbeschlüsse in Kenntnis zu setzen, mithin ein Verstoß gegen das Gebot kommunaler Sitzungsöffentlichkeit keine Konsequenzen für die Gültigkeit der gefassten Beschlüsse habe5. Dieses Verständnis hat sich nach dem Erlass des Grundgesetzes verändert. Beschlüsse, die unter Verstoß gegen die Voraussetzungen des Öffentlichkeitsgebots gefasst werden, sind rechtswidrig6. Die Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit haben Rechtsnormcharakter7, dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit der gefassten Beschlüsse zur Folge hat8 und weder unbeachtlich9 noch heilbar10 ist.

5  Reichsgericht, Urteil vom 24.02.1920 – III 249/19, RGZ 98, 190 (192 f.); Bauer/ Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 9 und Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 14 jew. mit Verweis auf VGH München vom 23.11.1906, VGH aF 1907 28, 11 (13 f.) – letzterer außerdem mit Ausführungen zur inzwischen differenzierenden Rechtsprechung. 6  VGH Mannheim vom 08.04.1976 – V 1299/75, BWVPr. 1976, 275 (275) – Verstoß gegen die Bekanntmachungsvorschrift hat Nichtigkeit zur Folge, da es sich nicht lediglich im eine Ordnungs-, sondern um eine wesentliche Verfahrensvorschrift handelt; OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485); VGH Mannheim, Urteil vom 22.06.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (197); VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.2000 – 14 S 237/99, NVwZ-RR 2001, 462 (463); VGH Mannheim, Urteil vom 24.03.2011 – 5 S 746/10, VBlBW 2011, 393 (394); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 165; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170 mit Verweis auf VGH Mannheim, VBlBW 1967, 98; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 34; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 13; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 2. 7  Siehe dazu im folgenden Kapitel a)  Rechtsnormcharakter der Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 429 ff. 8  Siehe zur Rechtswidrigkeit unter Verstoß gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit gefasster Beschlüsse Kapitel b) Rechtswidrigkeitsfolge der Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 430. 9  Siehe dazu im Folgenden, Kapitel aa)  Keine Unbeachtlichkeit von Bekanntmachungsmängeln, S. 434. 10  Siehe dazu im Folgenden, Kapitel e) Keine Heilungsmöglichkeit, S. 439.



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss429

a) Rechtsnormcharakter der Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ist in allen Bundesländern durch den Landesgesetzgeber konkretisiert worden. Zwar bestehen diesbezüglich auch rein kommunale Vorschriften in Geschäftsordnungen oder Hauptsatzungen, diese wiederholen und konkretisieren jedoch die landesrechtlich vorgegebene gesetzliche Regelung. Ihnen kommt damit ein Rechtsnormcharakter zu11. Dies begründet die Einordnung dieser Geschäftsordnungsregelungen als Verfahrensvorschriften. In einem Verstoß gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ist folglich immer auch ein Gesetzesverstoß zu erkennen12. Die Öffentlichkeit der Sitzungen kommunaler Volksvertretungen ist eine wesentliche Verfahrensbestimmung13 im demokratischen Rechtsstaat14. Verfahrensvorschriften bestehen nicht zum Selbstzweck, sondern „haben eine dienende Funktion, die auf das Ergebnis und dessen materielle Richtigkeit ausgerichtet ist“.15 Zumindest bei Verstößen gegen gesetzliche Verfahrensvorschriften ziehen diese grundsätzlich die Rechtswidrigkeit des gefassten Beschlusses nach sich16. 11  Insofern kann hier dahinstehen, ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfahlen, OVG Münster, Urteil vom 27.08.1996 – 15 A 32/93, NVwZ-RR 1997, 184 (185), nach der Geschäftsordnungsverstöße unbeachtlich sein sollen, wenn den konkreten Vorschriften kein Rechtsnormcharakter zukommt, zutreffend ist, oder der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg, OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 27.04.1994 – 1 A 33/92, LKV 1995, 42 (44), gefolgt werden muss, nach dem die Nichtbeachtung von Geschäftsordnungsvorgaben die Nichtigkeit gefasster Beschlüsse zur Folge hat, auch wenn es sich um reine Verwaltungsvorschriften handelt, zu folgen ist; kritisch zur Entscheidung des Oberwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen jedenfalls von Lennep, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 47 Ziff. II. 2 S. 5. 12  So allgemein zum Verhältnis von Geschäftsordnungsverstößen, wenn diese gesetzliche Bestimmungen wiederholen, Schneider, NWVBl. 1996, 89 (93). 13  BVerwG, Beschluss vom 07.03.1980 – 7 B 58/79, Juris Rn. 10; VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (120); VGH Mannheim, Beschluss vom 12.01.1971 – II 141/68, ESVGH 22, 17 (19); OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.01.1973 – 4 UBL 1/72, SKZ 1974, 52 (52); OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.10.1986 – 2 OVG B 91/86, OVGE MüLü 39, 489 (490); ähnlich OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 34; Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 2; im Unterschied dazu sind Ordnungsvorschriften unwesentliche Verfahrensbestimmungen, Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 72. 14  Gramlich, DÖV 1982, 139 (144); VGH Mannheim, Urteil vom 22.06.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (198), jedoch lediglich mit der Folgerung der Rechtswidrigkeit; VGH Mannheim, Beschluss vom 12.01.1971 – II 141/68, ESVGH 22, 17 (19); VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (120). 15  Schneider, NWVBl. 1996, 89 (90). 16  Schneider, NWVBl. 1996, 89 (91).

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

b) Rechtswidrigkeitsfolge der Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit stellt folglich einen zwingend einzuhaltenden Rechtssatz dar17. Wird gegen die kommunale Sit­ zungsöffentlichkeit verstoßen, folgt aus ihrer Verfahrensrelevanz die Rechtswidrigkeit der gefassten Beschlüsse18. Der Grund dafür ist, dass Verfahrensfehler als unmittelbare Rechtsfolge die Rechtswidrigkeit des Ergebnisses nach sich ziehen. Es gilt: „Nicht nur das Verfahren ist fehlerhaft, sondern das Verfahrensergebnis schlechthin.“19 Diese Konsequenz ergibt sich sowohl aus dem Rechtsstaatsprinzip als auch aus den Grundrechten20. Da Verfahrensvorschriften nicht zum Selbstzweck bestehen, sondern dem Schutz grundrecht­ licher Positionen dienen21, stellen Verfahrensfehler – ungeachtet der Verletzung materiellen Rechts – auch Eingriffe in die betroffenen Grundrechte dar22. Die „instrumentelle Deutung des Verfahrensrechts“, wonach diese nur das Mittel sind, um den Zweck in der Form des materiellen Rechts zu erreichen23, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Insbesondere wenn (Grund-) Rechte erst durch prozedurale Konkretisierungen verwirklicht werden, dient die Einhaltung des Verfahrens nicht nur der Grundrechtsausübung, sondern sie stellt sie selber dar24. Solche Verfahrensvorschriften besitzen einen „Selbst­zweckcharakter“, der ihnen eine eigene rechtliche Legitimation verleiht25. „Verfahrensfehler gewinnen damit Grundrechtsrelevanz“26. Die Ver17  Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 2; Sponer, in: Sponer u.  a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 1. 18  Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 1; Schneider, NWVBl. 1996, 89 (93). 19  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 801. 20  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 802. 21  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn.  873; zur „grundrechtsschützenden Präventivfunktion“ von Verfahrensvorschriften beim Erlass von Satzungen, vgl. Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 64. 22  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn.  815; Steinbeiß-Winkelmann, DVBl. 1998, 809 (813 ff.); Grimm, NVwZ 1985, 865 (865). 23  S. diese Ansicht zusammenfassend, Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 90 ff. 24  Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 65. 25  Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 123. 26  Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 65, 125 jedoch mit Hinweis darauf, dass eine Abstrakte Definition der betroffenen Verfahrensvorschriften nicht geleistet werden kann, sondern Einzelfallbetrachtungen der Verfahrensvorschriften erfolgen müssen.



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss431

letzung solcher Verfahrensvorschriften ist wie ein Verstoß gegen materielles Recht zu behandeln27. Die Aufhebung der Differenzierung zwischen formellem und materiellem Recht kann auch als „verfahrensmäßiger Grundrechtsmangel“ von Verfahrensfehlern bezeichnet werden28. Rechtsstaatlich und grundrechtlich wird damit die „Freiheit vor verfahrenswidrig zustande gekommenem Zwang“ sichergestellt29. Wenngleich ein Verfahrensfehler nur eine Indizwirkung für eine materielle (Grundrechts-)Verletzung hat30, ein sanktionsloser Verfahrensfehler stellt jedenfalls immer einen Verstoß gegen die Gesetzesbindung der Verwaltung dar31. Die „kommunale Sitzungsöffentlichkeit“ umfasst zahlreiche Verfahrensvorschriften für die Beschlussfassung kommunaler Volksvertretungen32. Als Ergebnis des „Verwaltungsverfahrens der Entscheidungsfindung der kom­ munalen Volksvertretung“ sind Beschlüsse, die unter Verstoß der Anforderungen aus der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit gefasst wurden, rechtswidrig, denn das öffentliche Verfahren dient nicht nur der Wahrung der Grundrechtswahrnehmung hinsichtlich der Kenntnisnahme eines durch das Verfahren zu findenden Ergebnisses, das Verfahren ist bereits an sich die Grundrechtswahrnehmung. Die Rechtswidrigkeit ist auch deshalb eine zwingende Folge des Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot, weil sie durch die Eröffnung von Sanktionsmöglichkeiten die Legitimität und damit den „demokratischen Grundkon­ sens“33 fördert. Durch die Sicherung von Unparteilichkeit und Objektivität staatlicher Entscheidungen34 hat die Sanktionsmöglichkeit von Verfahrens27  Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 126. 28  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 816; kritisch zur mit der Logik der Instrumentalität begründeten Abwertung des Verfahrensrecht auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 92 ff. mit Hinweis darauf, dass die Trennung von Zweck und Mittel nicht „in der Natur der Sache“ liegen, sondern historisch sogar von einer Einheit zwischen Prozessrecht und materiellem Recht ausgegangen worden ist und die Fixierung auf den Zweck der Entscheidungsfindung der „Multifunktionalität“ des Verwaltungsverfahrensrechts nicht gerecht wird. 29  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 820; Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 59. 30  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 873. 31  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 821, 922  f.; Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 62, 65. 32  Siehe zu den einzelnen einzuhaltenden Verfahrensanforderungen, Kapitel II. Tatsächliche Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 140. 33  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 821. 34  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 821.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

fehlern gerade im Rahmen von Entscheidungen demokratisch gewählter Volksvertreter eine besondere Bedeutung. Unerheblich für diese Konsequenz ist, ob die gefassten Beschlüsse bei öffentlicher Beratung möglicherweise anders ausgefallen wären35, denn die Rechtsverletzung durch Verfahrensfehler, welche die Rechtswidrigkeit auslöst, hängt nicht von der Kausalität zwischen Fehler und Ergebnis ab36. Die Beschlussunfähigkeit wegen eines Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot kann sowohl die gesamte Sitzung als auch einzelne Tagesordnungspunkte betreffen. Ersteres ist bei Mängeln im Rahmen der Bekannt­ machung, der Terminierung oder der Wahl des Sitzungsortes der Fall, letzteres betrifft beispielsweise unzulässige Erweiterungen der Tagesordnung nach deren Bekanntmachung. Gleiches gilt auch, wenn die Öffentlichkeit ohne hinreichende Gründe ausgeschlossen wird. c) Keine Verantwortungsabhängigkeit Unerheblich für die Feststellung eines solchen Verstoßes gegen die Sitzungsöffentlichkeit ist, ob die Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit der kommunalen Volksvertretung, insbesondere dem Vorsitzenden oder Verwaltungsleiter, bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, denn auf ein Verschulden kommt es nicht an37. Grund für die Annahme, es komme auf das Bekanntsein oder die Erkennbarkeit des Verstoßes an, soll sein, dass in diesen Fällen das Zugangshindernis „das Vertrauen in die Objektivität nicht gefährde“38. Dem ist entgegenzuhalten, dass die kommunale Sitzungsöffentlichkeit nicht nur das Vertrauen zwischen Wähler und Gewähltem herstellen soll, sondern auch eine tatsäch35  OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 9; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 17; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III. 1. c) S. 674. 36  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 804, 893 ff. 37  So aber BVerwG, Beschluss vom 18.01.1984 – 9 CB 444/81, BayVBl. 1984, 349 (349); BVerwG, Beschluss vom 18.01.1984 – 9 CB 444.81, NJW 1985, 44 (53); VGH Mannheim, Urteil vom 30.06.1982 – 5 S 314/81, VBlBW 1983, 106 (Leitsatz 6, 107); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 306 Rn. 466; zur Gerichts­ öffentlichkeit, BVerwG, Urteil vom 26.03.1981 – 5 C 89/79, HFR 1983, 76 (76); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170; Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 2; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1 S. 170; Schmidt/Kneip, in: Schmidt/Kneip, HGO, § 52 Rn. 3; Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 2.; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 25. 38  BVerwG, Beschluss vom 18.01.1984 – 9 CB 444/81, BayVBl. 1984, 349 (349); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Ziff. 1, S. 170.



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss433

liche Kontrolle zu ermöglichen hat. Diese ist ausgeschlossen, wenn ein Zugangs- oder Wahrnehmungshindernis besteht. Dafür kommt es nicht darauf an, ob dieses hätte bemerkt und beseitigt werden können39. Darüber hinaus gibt die gerichtliche Feststellung, dass das Zugangshindernis nicht beabsichtigt und nicht bemerkbar war, keine Gewähr dafür, dass nicht dennoch der öffentliche Eindruck entsteht, es würde absichtlich hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. d) Keine Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen Vorschriften der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Verstöße gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit sind nicht unbeachtlich, weil es sich bei der Sitzungsöffentlichkeit nicht um eine bloße Ordnungs- bzw. Verwaltungsvorschrift, deren Verletzung unbeachtlich wäre40, handelt. Die Unbeachtlichkeit eines Fehlers hat ein „Verbot des Rückgriffs auf die materielle Rechtslage“ zur Folge41. Materiell rechtlich bleibt der Verstoß zwar bestehen, es wird jedoch insofern Rechtmäßigkeit fingiert, als dieser nicht geltend gemacht werden kann42. Eine solche Fiktion kommt, neben der Unbeachtlichkeit nach Zeitablauf43, dann in Betracht, wenn einer Vorschrift kein gesetzlicher Regelungscharakter zukommt. Grund dafür ist, dass in diesen Fällen dogmatisch keine Rechtswidrigkeit vorliegt, denn diese setzt den „ ‚Wider‘spruch zu Normen des ‚Rechts‘ “ voraus44. Unbeachtlichkeit wird deshalb bei der Verletzung von Ordnungs- und Verwaltungsvorschriften angenommen, denn diesen wohnt kein gesetzlicher Regelungscharakter inne. Ein Verstoß gegen eine Ordnungs- bzw. Verwaltungsvorschrift ist lediglich als Ungehorsam gegenüber dem Vorgesetzten zu qualifizieren45. Erst die Verletzung einer Verfahrensvorschrift stellt die Missachtung einer durch den Gesetzgeber vorgeschriebenen Regel dar. Die Kate39  So auch Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 3, der in dem versehentlichen geschlossenhalten der Türen einen rechtswidrigen Öffentlichkeitsausschluss erkennt. 40  VGH Mannheim vom 08.04.1976 – V 1299/75, BWVPr. 1976, 275 (275); Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 90; Schnapp, VerwArch 1987, 407 (434 ff.). 41  Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2810). 42  von Lennep, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 47 Ziff. II 2 S. 6; Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 963, 990; Messerschmidt, NVwZ 1985, 877 (880); Schenke, DÖV 1986, 305 (305). 43  Siehe dazu Kapitel dd) Keine Unbeachtlichkeit durch Zeitablauf, S. 439. 44  Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht S. 393 m. w. N.; Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 62. 45  Schneider, NWVBl. 1996, 89 (92).

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

gorie eines „leichten“ und daher folgenlosen Verfahrensfehlers gibt es im System der Fehlerfolgenlehre nicht46. Auf die kommunale Sitzungsöffentlichkeit können die Grundsätze der Unbeachtlichkeit nicht angewendet werden, denn die Vorschriften der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit sind keine reinen Ordnungs- oder Verwaltungsvorschriften, sondern Verfahrensvorschriften mit Rechtsnormcharakter47. aa) Keine Unbeachtlichkeit von Bekanntmachungsmängeln Entgegen anderslautender Auffassungen sind insbesondere auch Bekanntmachungsmängel nicht unbeachtlich48, sondern stellen schwerwiegende Fehler dar49, die zur Rechtswidrigkeit der auf ihnen beruhenden Beschlüsse führen50, denn die Rechtswidrigkeit hängt nicht von der Beachtlichkeit des Fehlers ab51. Es ist vielmehr so, dass sich die Verwaltung „im ‚fehlersen­ siblen‘ Bereich [bewegt], wenn das Verfahren ein Grundrecht berührt oder für das Grundrecht konstituierend beziehungsweise beenden ist.“ Die Bekanntmachung berührt das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip nicht nur, sondern ist sogar Bedingung, mithin konstituierend, für dieses, denn ohne Kenntnis von einem Sitzungstermin, welche durch eine ordnungsgemäße Bekanntmachung gewährleistet wird, ist eine Teilnahme für die Öffentlichkeit nicht möglich. Formal öffentliche Sitzungen würden ohne ordnungsgemäße Bekanntmachung faktisch geheim abgehalten werden. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit stellt zwar kein Grundrecht dar, wegen ihrer grundlegenden demokratischen und rechtsstaatlichen verfassungsrechtlichen Bedeutung52 kommt sie einem solchen in ihrer grundrechtlichen Bedeutung jedoch gleich53. Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 806. dazu Kapitel a) Rechtsnormcharakter der Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 429 ff. 48  Zum Begriff der Unbeachtlichkeit siehe Kapitel d)  Keine Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen Vorschriften der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 433 ff. 49  VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 21.06.2000 – 1 K 2531/98, S. 7 (soweit ersichtlich nicht veröffentlicht); OVG Schleswig, Beschluss vom 23.05.2003 – 1 MR 10/03, NVwZ-RR 2003, 774 (774); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 15, der sogar die automatische Unwirksamkeit der Beschlüsse annimmt. 50  Siehe zu den abweichenden Auffassungen die Ausführungen in den folgenden Unterkapiteln. 51  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 804, 878. 52  Siehe dazu II.  Funktionen der Öffentlichkeit im Gefüge des Grundgesetzes, S. 51 ff. 53  Siehe dazu Kapitel b) Grundrechtsdimension der Öffentlichkeit, S. 135 ff. 46  Hufen/Siegel, 47  Siehe



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss435

Die Ansicht, Bekanntmachungsmängel seien unbeachtlich, verkennt nicht nur die Bedeutung der Bekanntmachung als Verfahrensvorschrift, sondern auch, dass die Sanktionslosigkeit „zum leichtsinnigen Umgang mit Verfahrensbestimmungen [verleitet] und dem Anspruch des betroffenen Bürgers auf Fehlersanktion“54 nicht gerecht wird55. Überdies läuft die Rechtsordnung Gefahr, dauerhaft Respekt und Anerkennung zu verlieren, würden solche Beeinträchtigungen dauerhaft akzeptiert werden56. Dies gilt in einer repräsentativen Demokratie insbesondere im Bereich der Wahrung demokratischer Kontroll- und Informationsrechte, welche Basis für die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk in Form einer Wahlentscheidung sind57. Die Bekanntmachung stellt eine Dienstpflicht der Verwaltungsleitung dar, von der nicht abgewichen werden darf58. Da die Bekanntmachungspflicht keine reine Ordnungsvorschrift ist59, sondern eine Teilnahme der Bürger überhaupt erst ermöglicht, stellt ein Verstoß eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes dar, der zur Folge hat, dass die in der Sitzung gefassten Beschlüsse rechtswidrig sind60. 54  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 761 zur Problematik der Relativierung von Fehlerfolgen in Normsetzungsverfahren; Morlok führt diesbezüglich aus, dass die „Unverbrüchlichkeit des Rechts“ als Prinzip der Fehlerfolge die Rechtmäßigkeitsrestitution begründet, welche in einer Reihe von Regelungen zum Ausdruck kommt vgl. Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 59 ff. 55  Siehe zur Präventionswirkung von Sanktionen, auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 61, 66. 56  Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 126. 57  Siehe zu diesem Zusammenhang zwischen Öffentlichkeit und Demokratie Kapitel 1. Demokratieprinzip und Öffentlichkeit, S. 54 ff. 58  Heermann, Der Gemeinderatsbeschluss, S. 219  f.; Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (38); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.1, 1.2 S.  2 f. 59  A. A. Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 1; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 59 Rn. 37; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 6.6 S. 7, Ziff. 10 S. 19; zur Einordnung der Voraussetzungen der Sitzungsöffentlichkeit als Rechtsnorm siehe Kapitel a) Rechtsnormcharakter der Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 429 ff. 60  OVG Münster, Urteil vom 08.07.1959 – III A 611/59, OVGE MüLü 15, 87 (91 ff.); VerfGH NRW, Beschluss vom 09.04.1976 – VerfGH 58/75, OVGE MüLü 31, 309 (311); OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); OVG Schleswig, Beschluss vom 23.05.2003 – 1 MR 10/03, NVwZ-RR 2003, 774 (774); VGH München, Urteil vom 26.01.2009 – 2 N 08.124, VGHE BY 61, 432 (433 ff.); anders noch VGH München, Beschluss vom 14.03.2000 – 4 ZB 97.1313, 4 C 97.1396, Juris, Rn. 5; VG Oldenburg, Beschluss vom 19.06.2002 – 2 B 2983/02, R&R 2003, 10 (11); VG Greifswald, Beschluss vom 07.08.2008 – 2 B 1095/08, Überblick 2008, 511 (515); Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 34 Rn. 9; Blum,

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

Da die Bekanntmachung nicht zugunsten der kommunalen Volksvertretung, sondern im Interesse der Bevölkerung besteht, gilt dies auch dann, wenn alle Mandatsträger anwesend und mit der Behandlung einverstanden sind61. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Bekanntmachung absichtlich unterbleibt62. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass die Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers dogmatisch nur dann in Betracht kommt, wenn das Verfahrensergebnis auch bei einer Korrektur des Fehlers gleich bleibt, denn die Geltendmachung des Fehlers würde dann gegen den dolo-agit-Grundsatz verstoßen. Diesem Grundgedanken folgt auch der gesetzlich normierte Fall der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern beim Erlass eines Verwaltungsakts in § 46 VwVfG63. Jedwede weitergehende Interpretation der Unbeachtlichkeit verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 GG und die Gesetzesbindung der Verwaltung, weshalb sie nicht nur der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Lehre sondern sogar auch der gesetzgeberischen Disposition entzogen ist64. Ungeachtet der Frage der subjektiven Berechtigung der Geltendmachung eines Bekanntmachungsfehlers65 ist festzustellen, dass das Verlangen einer in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 66; Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 34 Rn. 46; Dehn, in: Bracker u. a., GO SH, § 34 Ziff. 19 S. 318; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 34 f.; Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 17; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 7 S. 10; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. V 2, S. 16; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 7 S. 171; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 5.2 S. 12; a. A. Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 1; Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 35 Ziff. 10 S. 19, der davon ausgeht, dass ein Verstoß gegen das Bekanntmachungsgebot keinen Einfluss auf die Gültigkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse hat. 61  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 66; Heermann, Der Gemeinderatsbeschluss, S. 218 ff.; Pahlke, BayVBl. 2014, 33 (38 f.); Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 36 Ziff. 12 S. 6 f.; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 1.2 S. 2a mit Hinweis darauf, dass sich Art. 52 Abs. 1 S. 2 GO BY nur auf die Dreitagesfrist bezieht, siehe dazu auch Kapitel e) Keine Heilungsmöglichkeit, S. 439  ff.; anderslautend § 35 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 ThürKO bzgl. der nachträglichen Erweiterung nicht öffentlicher Tagesordnungen, siehe zur rechtlichen Bewertung der Regelung Kapitel v. Erweiterung der nicht öffentlichen Tagesordnung, S. 212 ff. 62  OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (484); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 5.2 S. 12. 63  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 976 f., der insoweit betont, dass die rechtliche nicht die faktische Alternativlosigkeit maßgeblich ist (dazu auch ders. Rn. 986). 64  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 980. 65  Siehe dazu Kapitel III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz, S. 472 ff.



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss437

ordnungsgemäßen Wiederholung einer mangelhaften Bekanntmachung nie gegen den dolo-agit-Grundsatz verstößt. Bei Bekanntmachungsmängeln ist das Verfahrensergebnis nicht erst die Entscheidung der kommunalen Volksvertretung, denn das Verfahren „Bekanntmachung“ wird durch seine rechtsrelevante Funktionserfüllung abgeschlossen. Zwar wirkt ein Bekanntmachungsmangel in der Sitzung der kommunalen Volksvertretung fort, der Grund für diese Fortwirkung ist aber sein (Zwischen-)Ergebnis: die Information der Bürgerschaft über Ort, Zeit und Tagesordnung der bevorstehenden Sitzung. Mit diesem schließt das Bekanntmachungsverfahren ab; dieses wirkt durch die Teilnahme der Öffentlichkeit in die Sitzung der kommunalen Volksvertretung fort. Hinsichtlich der Unbeachtlichkeit von Bekanntmachungsmängeln ist folglich die Informationserfüllung gegenüber der Öffentlichkeit als Ergebnis zu betrachten66. Bezüglich dieser kann nie festgestellt werden, dass eine mangelhafte Bekanntmachung in gleicher Weise erneut erfolgen dürfte, denn eine solche stellt eine Rechtsverletzung dar und eine ordnungsgemäße Bekanntmachung hätte die Öffentlichkeit umfassend(er) – in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise – informiert. Hinsichtlich der Teilnahme an der angekündigten Sitzung kann sogar nicht ausgeschlossen werden, dass eine ordnungsgemäße Bekanntmachung nicht dazu geführt hätte, dass mehr oder andere Zuhörer an der Sitzung teilgenommen hätten. bb) Keine Entbehrlichkeit der Tagesordnung Der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs67 und des Verwaltungsgerichts Göttingen68, nach der die unterbliebene Bekanntmachung einer Tagesordnung unschädlich, d. h. unbeachtlich sei, da die Bekanntmachung der Tagesordnung keinen Anspruch auf ihre Einhaltung beinhalte, kann nicht gefolgt werden69. Für die Frage der Rechtswidrigkeit kommt es alleine auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen objektives Recht – 66  Die Voraussetzungen einer instrumentellen Betrachtung dieser Verfahrensvorschrift, nämlich die Trennbarkeit von Zweck und Mittel, vgl. Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 121, sind im Fall von Bekanntmachungsmängeln mithin nicht gegeben. 67  VGH Kassel, Beschluss vom 18.07.1978 – V TH 24/78, Die Fundstelle 1979, 238 (238). 68  VG Göttingen, Beschluss vom 15.02.1996 – 5 A 57/04, KommP N 1996, 185 (185). 69  Siehe dazu Kapitel (1) Keine Verzichtbarkeit der Tagesordnung, S. 161 ff.; so auch Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 9 S. 172 f.; n. n., in: Hofmann/Beth/ Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 34 Ziff. 7 S. 10.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

gleich, ob es sich um formelle oder materielle Fehler handelt – an70. Die Beurteilung, ob die Verfahrensvorschrift weitere Rechte beinhaltet, ist für die Feststellung der Rechtswidrigkeit unerheblich. cc) Keine Nachreichbarkeit fehlender oder ungenauer Orts- oder Zeitangaben Ebenso kann auch der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht gefolgt werden, nach der das Fehlen der Uhrzeit des Beginns der Sitzung unbeachtlich sei, da dieses ein leicht behebbarer Mangel sei, der eine Teilnahme lediglich unwesentlich erschwere, da ein Anruf in der Verwaltung genüge, um die fehlende Information einzuholen71. Gleiches soll nach Thiele auch für eine fehlende oder ungenaue Angabe des Sitzungsortes gelten72. Für die Fehlerfolge der Rechtswidrigkeit ist „die Frage, ob es sich um einen wesentlichen oder unwesentlichen, einen schweren oder leichten Fehler, eine ‚absolute‘ oder ‚relative‘ Verfahrensnorm [, die verletzt wird,] han­ delt“73, irrelevant. Genauso wie die Tagesordnung sind Uhrzeit und Ort einer Sitzung nach dem Wortlaut der Regelungen aller Bundesländer ein zwingender Bestandteil der Sitzungsbekanntmachung74. Gesetzliche Anhaltspunkte für eine Verzichtbarkeit, falls die Informationen unschwer anderweitig eingeholt werden können, gibt es nicht. Auch die Differenzierung zwischen Bekanntmachungsmängeln bei Zeitund Ortsangaben und dem Fehlen der Tagesordnung überzeugt nicht. Angesichts der Möglichkeit, sogar umfangreiche Textdokumente per Email kurzfristig auszutauschen, wäre selbst das Fehlen der Tagesordnung durch aktives Nachfragen unschwer zu beheben. Durch nachgereichte Informationen an Einzelne wird jedoch nicht der gesamte Adressatenkreis der ursprünglichen Bekanntmachung erreicht. Damit kann die Bekanntmachung ihre Funktion nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise erfüllen.

Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 803. Lüneburg, Beschluss vom 10.03.1982 – 6 B 63/81, NVwZ 1983, 484 (485). 72  Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 59 Ziff. 9 S. 173. 73  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 803. 74  Siehe zum Inhalt der Bekanntmachung im Einzelnen Kapitel b) Bekanntmachung, S. 153 ff. 70  Hufen/Siegel, 71  OVG



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss439

dd) Keine Unbeachtlichkeit durch Zeitablauf Verstöße gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit werden grundsätzlich auch nicht durch den Ablauf einer bestimmten Frist unbeachtlich. Kommunalrechtliche Regelungen, die dies beispielsweise grundsätzlich für Fehler bei Satzungsbeschlüssen vorsehen, wie § 4 Abs. 4 S. 1 SächsGemO, § 4 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GO BW oder § 24 Abs. 6 GemO RP, sind als lex spezialis nicht generell auf die Beschlussfassung kommunaler Vertretungskörperschaften übertragbar75. Dementsprechend werden in Sachsen und in Rheinland-Pfalz Verletzungen von „Bestimmungen über die Öffentlichkeit der Sitzung“ ausdrücklich von der Unbeachtlichkeit durch Zeitablauf ausgenommen, § 4 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SächsGemO und § 24 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 GemO RP. e) Keine Heilungsmöglichkeit Die Heilung eines Verfahrensfehlers beseitigt die Rechtswidrigkeit des Verfahrens76. Ein ungerechtfertigter Öffentlichkeitsausschluss kann nicht geheilt werden77 – gleich welcher Verfahrensschritt fehlerhaft ist. Eine Heilung setzt voraus, dass die gebotene Verfahrenshandlung korrekt nachgeholt wird78. Bedingung für eine Heilung ist mithin die reale Heilbarkeit des Fehlers79. Eine solche ist hinsichtlich der Verfahrensanforderungen der Sitzungsöffentlichkeit nicht gegeben. Insbesondere eine nachträgliche Heilung der Verletzung der Bekanntmachungspflicht ist ausgeschlossen80 – zumindest, 75  BW: Ade, in: Ade u.  a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170; etwas anderes soll aber im Rahmen einer nicht ordnungsgemäßen Einberufung gelten, Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 166; RP: Schaaf/Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. 6.2 S. 30b; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. VI 2 S. 18; siehe zu den Fehlerfolgen von Beschlüssen mit Außenwirkung Kapitel a) Beschlüsse mit unmittelbarer Außenwirkung, S. 443 ff. und c) Umsetzungsakte, S. 462 ff. 76  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 963. 77  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (121); OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.01.1973 – 4 UBL 1/72, SKZ 1974, 52 (52); Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 166; Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 35 S. 170. 78  Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 122. 79  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 939 ff. 80  Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 168 Nr. 4.

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wenn die Frist zur Bekanntmachung bereits abgelaufen ist81. Nichtanwesende Zuschauer können nachträglich nicht fingiert werden. Ebenso kann der Informationsgehalt einer Bekanntmachung nicht im Nachhinein zum richtigen Zeitpunkt verbreitet werden. Entgegen dem ersten Eindruck einiger landesspezifischer Einzelfälle, ist auch in diesen Bundesländern keine Heilung von Verstößen gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit möglich. aa) Genehmigungsvorbehalt – Art. 52 Abs. 1 S. 2 GO BY In Bayern lässt Art. 52 Abs. 1 S. 2 GO BY auf eine Heilungsmöglichkeit von Bekanntmachungsfehlern durch Mehrheitsbeschluss schließen, weil es dort hinsichtlich der Bekanntmachungspflicht heißt: „Ausnahmen bedürfen der Genehmigung des Gemeinderats.“ Die Regelung ist gesetzeskonform auszulegen. Eine Genehmigungskompetenz besteht nur soweit eine rechtliche Grundlage die Abweichung gestattet, denn die Bekanntmachungspflicht sowie der Inhalt der Bekanntmachung sind eindeutig gesetzlich vorgegeben82. Eine rechtliche Grundlage für Abweichungen von der Bekanntmachungspflicht besteht in zwei Fällen: Zum einen wenn Ausschlussgründe rechtfertigen, dass ein Tagesordnungspunkt nur abstrakt bezeichnet wird83. Zum anderen, wenn eine Dringlichkeit einer Angelegenheit besteht84. Da sich Art. 52 Abs. 1 S. 2 GO BY nur auf Fristsetzungsverletzungen bezieht85, muss der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ungenaue Tagesordnungspunkte von bayerischen Gemeinderäten genehmigt werden könnten, nicht nachgegangen werden. Unterschreitet der Bürgermeister die für eine Bekanntmachung gesetzte Frist, kommt eine Heilung durch Genehmigung des Gemeinderats nur unter den Voraussetzungen der Dringlichkeit in Betracht86. Hinsichtlich der Anga81  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 56 verlangt, dass sich die Betroffenen durch die nachgeholte Bekanntmachung einer Satzung zumindest verlässlich Kenntniss verschaffen konnten. 82  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 1.2 S. 2a. 83  Siehe zur Bekanntmachungspflicht nicht öffentlicher Tagesordnungspunkte Kapitel (2) Bekanntmachungspflicht nicht öffentlicher Sitzungen, S. 163. 84  Siehe dazu im Detail Kapitel cc) Ausnahme: Dringlichkeitssitzungen, S. 168 und Kapitel (2) Erweiterung der Tagesordnung nach Bekanntmachung, S. 204 ff. 85  Bauer/Böhle/Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 6. 86  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 1.2 S. 2a.



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss441

ben von Ort und Zeit einer Sitzung bestehen trotz Art. 52 Abs. 1 S. 2 GO BY keine Gründe für eine Heilungsmöglichkeit von Bekanntmachungsfehlern durch einen Gemeinderatsbeschluss. Ergänzend ist festzustellen, dass eine Heilung auch nicht durch eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde möglich ist87. bb) Präklusion durch rügeloses Einlassen – § 34 Abs. 4 GemO RP Eine Heilung von Verstößen gegen das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit ergibt sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken der Präklusion bei rügelosem Einlassen. Dem Kommunalrecht ist dieses Instrument zwar nicht fremd. So obliegt den Mitgliedern der kommunalen Volksvertretung eine entsprechende Rügepflicht bei Einladungsmängeln, wenn sie sich auf diese berufen wollen, z. B. nach § 34 Abs. 4 GemO RP. Danach gilt eine Verletzung von Form und Frist der Einladung eines Mandatsträgers als geheilt, wenn das Mitglied zur Sitzung erscheint oder bis zu Beginn der Sitzung auf die Geltendmachung der Form- und Fristverletzung schriftlich oder elektronisch verzichtet. Die Rügeobliegenheit bezieht sich jedoch nur auf die Form und Frist der Einladung. Sie erfasst die Bekanntmachung nach dem eindeutigen Wortlaut nicht. Die Norm ist daher nur auf Mängel von Form und Frist der Einladung der kommunalen Volksvertretung anwendbar und nicht übertragbar auf sonstige Mängel der Sitzungsvorbereitung88. 2. Sanktion: Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit? Von der Rechtswidrigkeit als Fehlerfolge ist die Frage der Sanktion des Fehlers zu unterscheiden89. Diese dient nicht nur als „Strafe“ sondern vielmehr der Bestätigung oder Korrektur90. Während die Rechtswidrigkeit automatisch durch den Gesetzesverstoß eintritt, bestehen verschiedene Möglichkeiten, welche Sanktion dies auslöst91. Den Regelungen zur kommunalen 87  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. VI 2 S. 18. 88  Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. VI 2 S. 17. 89  Siehe zur Abgrenzung der Begrifflichkeiten Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 795 ff.; so auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 58 f. 90  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 818. 91  Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2810); Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S.  68 f.; Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 792 ff.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

Sitzungöffentlichkeit fehlt, im Gegensatz zu den Regelungen der Gerichtsöffentlichkeit, die Vorgabe einer Sanktionierung92. Aus dem Rechtsstaatsgebot folgt jedoch, dass dies nicht deren Unbeachtlichkeit zur Folge haben kann93. Ebenso sind Verstöße gegen das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit nicht heilbar94. Fraglich ist jedoch, ob ein unter Verstoß gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit gefasster Beschluss (durch die Einlegung von Rechtsmitteln) vernichtbar ist oder dessen Rechtswidrigkeit unmittelbar seine Unwirksamkeit, d. h. Nichtigkeit, zur Folge hat95. Die Auffassung, Verstöße gegen das Öffentlichkeitsgebot würden sanktions- und folgenlos bleiben, wenn betroffene Beschlüsse nur vernichtbar und nicht nichtig seien96, ist unzutreffend. Auch die (vorläufige) Wirksamkeit eines rechtswidrigen Beschlusses kann durch seine Vernichtbarkeit beendet werden. Die Frage, ob ein Beschluss nichtig oder (nur) vernichtbar ist, kann in der Praxis jedoch eine entscheidende Rolle spielen97. Sind entsprechende Beschlüsse wirksam und nur vernichtbar, hängt ihr Schicksal von der Frage ab, ob und wem ein diesbezüglicher Sanktionsanspruch98 zusteht. Über die Vernichtung eines rechtswidrigen Beschlusses entscheidet in diesem Fall, ob jemand die Befugnis hat, gegen diesen vorzugehen, mithin ein subjektiv-öffentliches Recht besteht, aus dem sich eine

92  Reichsgericht,

Urteil vom 24.02.1920 – III 249/19, RGZ 98, 190 (192 f.). zur Beachtlichkeit Kapitel d) Keine Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen Vorschriften der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 433 ff. 94  Da im Fall der Unbeachtlichkeit nicht auf die materielle Rechtslage abgestellt wird, sondern die Rechtmäßigkeit fingiert wird, mithin keine Rechtswidrigkeitsfolge eintritt, wird die Frage der Unbeachtlichkeit von Verstößen gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit bereits im Kapitel 1. Fehlerfolge: Rechtswidrigkeit, S. 428 behandelt. Durch eine Heilung entfällt die Rechtswidrigkeit nachträglich wieder, weshalb auch dieser Aspekt bereits im Kapitel e) Keine Heilungsmöglichkeit, S. 439 behandelt wurde. 95  Adé formuliert, dass eine ordnungsgemäße Einberufung, welche auch die Bekanntmachung und damit die Sitzungsöffentlichkeit umfasst, „Gültigkeitsvoraussetzung“ sei, lässt die konkrete Fehlerfolge der Rechtswidrigkeit im Weiteren jedoch offen, Ade, in: Ade u. a., Kommunalverfassungsrecht B-W, GemO BW, § 34 S. 165 f.; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 5.3 m. w. N., vertritt, dass entsprechende Beschlüsse wegen der Bedeutung des Öffentlichkeitsgrundsatzes als wesentliche Verfahrensbestimmung des Kommunalrechts unwirksam seien; ebenso Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 34. 96  Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 5. 97  Zu den Arten von Fehlerfolgen siehe Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 140 ff. 98  Siehe zum Begriff des Sanktionsanspruchs Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 799. 93  Siehe



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss443

Klagebefugnis ergibt99. Eine Vernichtbarkeit kann darüber hinaus durch Zeitablauf entfallen, so dass ein rechtswidriger Beschluss dauerhaft bestehen bleiben kann. Ist der Beschluss hingegen nichtig, bedarf es für seine Unwirksamkeit keiner weiteren Intervention. Bezüglich der Rechtswidrigkeitssanktion wird im Folgenden zwischen –– Beschlüssen mit unmittelbarer Außenwirkung (Verwaltungsakte), –– sonstigen Beschlüssen, die entweder verwaltungsintern umgesetzt werden müssen oder sogar erst durch Vollzug eine Außenwirkung erhalten100, –– schlichten Beschlüssen101, d. h. nicht ausführungsbedürftigen Beschlüssen ohne Außenwirkung) und –– dem Umsetzungsakt102 unterschieden103. a) Beschlüsse mit unmittelbarer Außenwirkung Stellt der Beschluss der Vertretungskörperschaft einen Verwaltungsakt dar, weil ihm eine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber Dritten mit Regelungscharakter zukommt, ergibt sich die Rechtswidrigkeitsfolge aus den §§ 35 ff. VwVfG104. Beschlüsse der kommunalen Volksvertretungen, die als Verwaltungsakte zu charakterisieren sind, sind beispielsweise Entscheidungen gegenüber den Zuhörern, z. B. der Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit105. Auch Beschlüsse gegenüber der Allgemeinheit können Verwaltungsakte sein.

99  Siehe dazu im Einzelnen Kapitel III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz, S. 472. 100  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 323 Rn. 498. 101  In Abgrenzung zu den Beschlüssen die Außenwirkung haben oder erhalten können, zum Teil auch „sonstige Beschlüsse“ genannt. 102  Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 48. 103  Ähnlich Karst, der zwischen der Rechtswidrigkeit des Beschlusses im Innenund im Außenverhältnis unterscheidet, Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 63. 104  VGH Mannheim, Urteil vom 12.05.1980 – I 3967/78, NJW 1981, 1749 (1750); VGH Mannheim, Urteil vom 01.04.1982 – 1 S 1485/81, VBlBW 1983, 80 (80); VGH Mannheim, Beschluss vom 26.08.1982 – 5 S 858/82, VBlBW 1983, 179 (180); VGH Mannheim, Urteil vom 22.07.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (197); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 326 Rn. 505; Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S.  72 ff. 105  Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 80.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

Zu denken ist an die Vergabe oder Änderung eines Straßennamens106. Verwaltungsaktqualität können aber nicht nur solche Beschlüsse haben, die sich an einen außerhalb der Gemeinde stehenden Dritten wenden. Auch Entscheidungen gegenüber den Mandatsträgern oder auch dem Bürgermeister107, d. h. Mitgliedern der Verwaltung, können Verwaltungsakte sein, beispielsweise im Fall eines Sitzungsausschlusses, der Verhängung einer Geldbuße, der Feststellung von Befangenheitsgründen oder der Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Vertretungsverbot108. Darüber hinaus können verschiedene Geschäftsordnungsbeschlüsse Verwaltungsakte darstellen, sofern diese in die subjektiv-öffentlichen (mitgliedschaftlichen) Rechte der Mandatsträger eingreifen109. Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts berührt gemäß § 43 VwVfG dessen Wirksamkeit grundsätzlich nicht, sofern er bekannt gegeben worden ist110. Ihm kommt eine bestandskraftunabhängige Bindungswirkung zu111. Nur ein nichtiger Verwaltungsakt ist als eo ipso unbeachtlich anzusehen112. Die Nichtigkeitsfolge nach § 44 Abs. 1 VwVfG setzt voraus, dass der rechtswidrige Verwaltungsakt „an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.“ Der Legaldefinition des § 44 Abs. 1 VwVfG liegt die Evidenztheorie zu Grunde113. Danach überwiegt das Bedürfnis nach materieller Gerechtigkeit gegenüber dem Prinzip der Rechts­ sicherheit in Form der Bestandskraft eines Verwaltungsakts trotz Rechtswidrigkeit, wenn dieser an einem beachtlichen, unübersehbaren Fehler leidet. Ein Verstoß gegen die Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit stellt weder einen absoluten Nichtigkeitsgrund nach § 44 Abs. 2 VwVfG dar, noch greift die Unbeachtlichkeitsfolge des § 44 Abs. 3 VwVfG ein114. Umstritten ist, ob ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot einen schwerwiegenden, offensichtlichen Fehler nach § 44 Abs. 1 VwVfG darstellt. Deutsches Kommunalrecht, S. 326 Rn. 505. Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 91. 108  Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 93. 109  Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 96. 110  VGH Mannheim, Urteil vom 22.06.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (196 f.). 111  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 92 f. 112  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 93 f. m. w. N. 113  Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 86. 114  § 44 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG betrifft lediglich die Beschlussfassung eines unselbstständigen, d. h. vorberatenden Gremiums, Schemmer, in: Bader u. a., BeckOK VwVfG, § 44 Rn. 67. Kommunale Volksvertretungen beschließen jedoch grundsätzlich abschließend, weshalb § 44 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG nicht einschlägig ist. Lediglich Ausschüsse, die ebenfalls abschließend beschließen, d. h. anstelle des Plemums han106  Gern/Brüning, 107  Karst,



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss445

aa) Schwerwiegender Fehler Ein Fehler soll dann schwerwiegend sein, wenn dieser Fehler den Verwaltungsakt „schlechterdings unerträglich erscheinen, d. h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein lässt“115. Ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot verletzt sowohl das Demokratie- als auch das Rechtsstaatsprinzip. Bei beiden Prinzipien handelt es sich unzweifelhaft um tragende Verfassungsprinzipien. Es erscheint jedoch fraglich, ob der auf Grund des Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot fehlerhafte Verwaltungsakt mit den Verfassungsprinzipien auch „unvereinbar“ und daher als „unerträglich“ einzustufen ist. Dagegen spricht, dass die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots nicht zwingend Einfluss auf die Willensbildung der kommunalen Vertretungskörperschaft gehabt haben muss und die Verletzung der Rechte des Einzelnen dementsprechend als nicht besonders schwerwiegend einzustufen sind116. Es ist jedoch zu beachten, dass es gerade nicht auf den Nachweis des Einflusses der Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit auf den gefassten Beschluss ankommt117. Insbesondere der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss ist dadurch gekennzeichnet, dass er die Rechte des Einzelnen dadurch tangiert, dass es für den Betroffenen nicht möglich ist nachzuvollziehen, ob und ggf. in welcher Weise seine Rechte (als Zuhörer oder auch als von dem Beschluss Betroffener) beachtet oder nicht beachtet wurden. Damit ist gerade die Integrität der Willensbildung fraglich. Die Beschlussfassung unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot entzieht sich der nach unserer Rechtsordnung immanenten Wertvorstellung einer demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrolle durch das Volk. Diese ist gerade nicht auf das Beschlussergebnis beschränkt, sondern umfasst auch den Weg der Beschlussfassung. deln, unterfallen den gleichen Regelungen wie dieses, Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 68. 115  BVerwG, Urteil vom 22.02.1985 – 8 C 107/83, NJW 1985, 2658 (2658); BVerwG, Urteil vom 17.10.1997 – 8 C 1/96, NVwZ 1998, 1061 (1062). 116  VGH Mannheim, Urteil vom 22.06.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (197); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 311 Rn. 475. 117  OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); OVG Schleswig, Beschluss vom 23.05.2003 – 1 MR 10/03, NVwZ-RR 2003, 774 (774); VGH München, Urteil vom 26.01.2009 – 2 N 08.124, VGHE BY 61, 432 (434); Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 54; siehe dazu auch Kapitel b) Rechtswidrigkeitsfolge der Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 430.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

Ein Verwaltungsakt, der durch einen gegen das Öffentlichkeitsgebot verstoßenden Beschluss zu Stande gekommen ist, leidet folglich an einem schwerwiegenden Fehler. bb) Offensichtlichkeit Die Voraussetzung für die Nichtigkeitsfolge gemäß § 44 VwVfG ist zusätzlich zum Vorliegen eines schwerwiegenden Fehlers aber auch die Offensichtlichkeit desselben. Offensichtlich ist ein Fehler, wenn er für den aufmerksamen und verständigen Beobachter klar und ohne Weiteres erkennbar ist118, ihm bildlich gesprochen „ins Auge springt“119. Dem Verwaltungsakt muss die Fehlerhaftigkeit „auf die Stirn geschrieben sein“120. Maßgeblich ist, dass für den durchschnittlichen Betrachter nach einer Parallelwertung in der Laiensphäre „nicht die ernsthafte Möglichkeit bestehen, dass der Bescheid doch rechtmäßig sein könnte.“121 Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes kann folglich nur dann angenommen werden, „wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen“122. Sponer folgert bereits daraus, dass keine offensichtliche Kausalität zwischen einem Verstoß gegen das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit und mate­ rieller Rechtswidrigkeit gegeben sei, dass Verwaltungsakte in der Regel lediglich rechtswidrig seien123. Diese – im Ergebnis zwar zutreffende Argumentation – greift inhaltlich zu kurz, da es auch für die Frage der Offensichtlichkeit nicht darauf ankommt, ob der Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot das Beschlussergebnis beeinflusst hat. Es ist eindeutig zwischen Kausalität und Evidenz zu differenzieren124. Entscheidend ist, ob die Verletzung der

118  OVG Bautzen, Urteil vom 30.04.2002 – 5 B 107/01, ZMR 2003, 616 (617 f.); Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht § 10 Rn. 86. 119  Schemmer, in: Bader u. a., BeckOK VwVfG, § 44 Rn. 16 f.; z. B. offensicht­ licher Rechtsfehler oder Offensichtlichkeit der Kausalität; Schmitz/Olbertz, NVwZ 1999, 126 (127). 120  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG § 44, Rn. 12. 121  Schemmer, in: Bader u. a., BeckOK VwVfG, § 44 Rn. 17. 122  BVerwG, Urteil vom 22.02.1985 – 8 C 107/83, NJW 1985, 2658 (2659); BVerwG, Beschluss vom 11.05.2000 – 11 B 26/00, NVwZ 2000, 1039 (1040); Schemmer, in: Bader u. a., BeckOK VwVfG, § 44 Rn. 17. 123  Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 2. 124  Zur Abgrenzungsnotwendigkeit siehe auch Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2811).



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss447

kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, mithin der zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakt führende Verfahrensfehler, unverkennbar ist. Ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot ist dem Beschluss nicht unmittelbar zu entnehmen. Selbst wenn erkennbar ist, dass die kommunale Vertretungskörperschaft unter Ausschluss der Öffentlichkeit entschieden hat, kann daraus nicht unmittelbar gefolgert werden, ob dieser Öffentlichkeitsausschluss auch einen Verstoß gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit dar­ stellt oder eine Rechtfertigung vorliegt. In letzterem Fall kann darüber hinaus umstritten sein, ob der angenommene Rechtfertigungsgrund tatsächlich gegeben ist und dieser auch hinreichend für einen Ausschluss der Öffentlichkeit war. Angesichts der Vielzahl für das Öffentlichkeitsgebot einzuhaltender Anforderungen kann ein Verstoß neben der unzulässigen allgemein-formellen Nichtöffentlichkeit außerdem in einer ganzen Reihe anderer Verfahrensfehler bestehen. Ob das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit beispielsweise durch eine fehlerhafte oder zu späte Bekanntmachung, eine ermessensfehlerhafte Terminierung oder die Wahl eines unangemessenen Sitzungsortes verletzt worden ist, springt dem durchschnittlichen Betrachter nicht ins Auge und steht dem Beschluss (= Verwaltungsakt) nicht „auf der Stirn“ geschrieben. Bei einigen der einzuhaltenden Verfahrensvorschriften ist selbst unter Fachleuten umstritten, was diese zwingend voraussetzen. Zu denken ist hier zum Beispiel an die kontrovers diskutierte Frage, ob im Rahmen der Bekanntmachung auf die Tagesordnung verzichtet werden kann125. Wenn ein Rechtsverstoß schon durch Fachleute nicht bzw. nicht zweifelsfrei identifiziert werden kann, kann die Parallelwertung in der Laiensphäre nie zu dem Ergebnis führen, dass der Beschluss unter keinen Umständen rechtmäßig sein kann. Daraus folgt, dass der schwere Fehler eines Verwaltungsakts, der durch den Beschluss einer kommunalen Vertretungskörperschaft erlassen wurde, in Form eines Verstoßes gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit, nicht offensichtlich ist. cc) Ergebnis: keine offensichtliche Fehlerhaftigkeit Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot zwar einen schwerwiegenden Fehler im Sinne von § 44 VwVfG darstellt, dieser jedoch nicht offensichtlich ist. Wird die kommunale Sitzungsöffentlichkeit verletzt, ist der Beschluss einer kommunalen Vertretungskörperschaft, der auf eine unmittelbare Außenwirkung gerichtet ist, mithin einen

125  Siehe

Kapitel (1) Keine Verzichtbarkeit der Tagesordnung, S. 161.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

Verwaltungsakt darstellt, folglich lediglich rechtswidrig und damit anfechtbar, nicht aber nichtig126. Daraus folgt, dass der Verwaltungsakt gemäß § 43 VwVfG bis zur Aufhebung wirksam bleibt. Der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz ist Vorrang gegenüber der Rechtsrichtigkeit einzuräumen. Der Beschluss ist damit nach § 48 VwVfG durch Rücknahme aufhebbar. Die Unbeachtlichkeitsregel bei Verletzungen von Form- und Verfahrensvorschriften, § 46 VwVfG, hindert eine Aufhebung nicht. Voraussetzung dafür wäre, dass die Verletzung die Entscheidung offensichtlich nicht beeinflusst hat. Mithin ist § 46 VwVfG nur einschlägig, wenn im Rahmen des Ermessens nach § 48 VwVfG die rechtswidrige, aufzuhebende Entscheidung gleichlautend erneut getroffen werden müsste127. Gerade im Rahmen politischer Entscheidungen kommunaler Volksvertretungen wird eine solche „Ermessensreduzierung auf Null“ jedoch nur in den seltensten Fällen vorliegen, nämlich dann, wenn gebundene Entscheidungen getroffen werden müssen128. Wenngleich es für die Rechtswidrigkeit eines unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot gefassten Beschlusses nicht darauf ankommt, ob dieser unter Beachtung der Sitzungsöffentlichkeit tatsächlich anders ausgefallen wäre129, kann in der Regel jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die kommunale Volksvertretung bei Beachtung des Öffentlichkeitsgebots ihr Ermessen anders ausgeübt hätte130. Eine offensichtliche Irrelevanz für das Beschlussergebnis kann daher grundsätzlich nicht angenommen werden.

126  VGH Kassel, Beschluss vom 15.12.1989 – 6 TG 3696/89, DÖV 1990, 622 (622); so im Ergenbis ohne nähere Prüfung von § 44 VwVfG auch VGH Mannheim, Urteil vom 22.06.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (197 f.); mit etwas abweichender Begründung im Ergebnis auch Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 311 Rn. 475; Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 64; a. A. OVG Münster, Urteil vom 08.07.1959 – III A 611/59, OVGE MüLü 15, 87 (92); OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 4 S. 22; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 5. 127  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 825, 979, der § 46 VwVfG insofern als Normierung des „dolo-agit-Grundsatzes“ versteht. 128  Beispielsfälle für eine solche Entscheidungen: Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zur Umstufung von Straßen gem. § 7 Abs. 3 S. 5 SächsStrG; Feststellung der Zulässigkeit/Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens gem. § 26 Abs. 6 S. 1 GO NRW. 129  Siehe Kapitel 1. Fehlerfolge: Rechtswidrigkeit, S. 428. 130  VGH Mannheim, Urteil vom 22.06.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (198).



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss449

b) Sonstige Beschlüsse im Innenverhältnis: Grundsatz der Bindungswirkung im Innenverhältnis Die meisten Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften haben keine unmittelbare Außenwirkung und unterfallen daher nicht den Regeln eines Verwaltungsakts131. Sie zeichnen sich durch eine Verpflichtung der Verwaltung, den Beschluss zu beachten, aus. Der Beschluss kann dabei dauerhaft auf eine verwaltungsinterne Wirkung beschränkt sein (so genannter schlichter Beschluss132) oder aber durch einen Ausführungsakt Außenwirkung bekommen (ausführungsbedürftiger Beschluss)133. Jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Vollzugs ausführungsbedürftiger Beschlüsse ist beiden Beschlussarten gemein, dass ihnen nur Innenrechtswirkung zukommt134. Bevor auf die Frage der Sanktionsfolge etwaiger Umsetzungsakte eingegangen wird135, ist mithin die Frage zu klären, ob ein Beschluss, der auf Grund der Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit rechtswidrig ist, im Innenverhältnis gegenüber der Verwaltung wirksam ist oder die Bindungswirkung durch die Rechtswidrigkeit durchbrochen wird, so dass der Beschluss nichtig ist. aa) Rechtsrichtigkeit vs. Rechtssicherheit – Problemdarstellung und Meinungsstand Gegen die Wirksamkeit eines Beschlusses trotz Rechtswidrigkeit spricht die Bindung der Kommunalverwaltung an Recht und Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 GG. Die Verpflichtung, einen rechtswidrigen Beschluss zu befolgen, steht im Widerspricht zur Pflicht, Recht und Gesetz einzuhalten. Besonders evident ist dieser Konflikt, wenn die Rechtsmittel, die gegen rechtswidrige Beschlüsse zur Verfügung stehen, erfolglos waren oder die Rechtsmittelfristen verpasst wurden, so dass der rechtswidrige Beschluss nicht mehr aus der Welt geschafft werden kann, mithin im Falle der Annahme seiner Wirksamkeit materiell rechtlich gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen werden müsste. Der Aspekt der Rechtsrichtigkeit spricht folglich gegen die Wirksamkeit 131  Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 33; a.  A. VGH München, Urteil vom 10.06.1959 – 141 IV 56, VGHE BY 13, 85 (88). 132  Siehe zu Fehlersanktion von Beschlüssen, die daherhaft nur verwaltungsinterne Wirkung haben Kapitel dd) Schlichter Beschluss, S. 459 ff. 133  So differenziert auch Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 94, 113. 134  VGH Mannheim, Urteil vom 26.10.1972 – I 366/72, ESVGH 23, 203 (205); VGH Mannheim, Urteil vom 15.08.1983 – 1 S 339/82, ESVGH 34, 45 (46); Gern/ Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 325 Rn. 504. 135  Siehe dazu Kapitel c) Umsetzungsakte im Außenverhältnis, S. 462 ff.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

rechtswidriger Beschlüsse in Folge von Verstößen gegen das Öffentlichkeitsgebot. Die Annahme der Unwirksamkeit solcher Beschlüsse würde jedoch zu Unsicherheiten darüber führen, ob ein Beschluss wirksam oder unwirksam ist136. In der Praxis hätte die Durchbrechung der Bindungswirkung rechtswidriger Beschlüsse zur Folge, dass jeder Sachbearbeiter berufen wäre, eigenmächtig zu prüfen und zu entscheiden, ob ein Beschluss zu beachten oder nichtig ist. Da die Nichtigkeitsfolge bei Annahme der Unwirksamkeit durch Rechtswidrigkeit unmittelbar eintreten würde, würde dies nicht nur vorhandene Rechtmittelverfahren137 obsolet machen, sondern auch zu der paradoxen Situation führen, dass sich jeder Verwaltungsmitarbeiter, mit dem Hinweis ein Beschluss sei wegen Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot rechtswidrig und damit nichtig, einer Umsetzung entziehen könnte. Dieses Ergebnis befremdet besonders angesichts der zuvor bereits erörterten Schwierigkeiten das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot zweifelsfrei zu beurteilen138. „Die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit ist fast immer umstritten.“139 Im Hinblick auf das „Chaos im gesamten Gemeinwesen“, welches die Nichtigkeitsfolge auslösen vermag, kann die temporäre Tolerierung der Illegalität in Form der Wirksamkeit rechtswidriger Beschlüsse das kleinere Übel sein140. Insofern wird dem Stabilitätsinteresse Vorrang vor der Rechtsrichtigkeit eingeräumt. Aus diesem Befund ergeben sich zwei rechtswissenschaftliche Lager: Die einen vertreten eine unmittelbar aus der Rechtswidrigkeit folgende Nichtigkeit und damit Unwirksamkeit der Beschlüsse141. Die anderen differenzieren NVwZ 1990, 105 (108). zu den vorhandenen Rechtsmittelverfahren Kapitel 2. Verwaltungsleitung, S. 481 ff., 3. Aufsichtsbehörde, S. 485 ff., 4. Verwaltungsmitarbeiter, S. 488 ff. 138  Siehe zu den unterschiedlichen Meinungen über die Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Kapitel II. Tatsächliche Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 147 und zur Schwierigkeit der Beurteilung der Rechtswidrigkeit Kapitel a) Beschlüsse mit unmittelbarer Außenwirkung, S. 443 ff. 139  Ehlers, NVwZ 1990, 105 (108). 140  Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2808). 141  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (121); VerfGH NRW, Beschluss vom 09.04.1976 – VerfGH 58/75, OVGE MüLü 31, 309 (310); OVG Koblenz, Urteil vom 24.11.1976 – 7 A 46/75, BeckRS 1976, ’01450, Rn. 20; VGH Mannheim, 21.02.1978 vom Urteil – VIII 660/77, ESVGH 28, 152 (157 f.); OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.2000 – 14 S 237/99, NVwZ-RR 2001, 462 (463); OVG Schleswig, Beschluss vom 23.05.2003 – 1 MR 10/03, NVwZ-RR 2003, 774 (774); VGH München, Urteil vom 26.01.2009 – 2 N 08.124, VGHE BY 61, 432 (433 f.); VGH Mannheim, Beschluss vom 12.01.1971 – II 141/68, ESVGH 22, 17 (19); VG Freiburg, Urteil vom 11.10.1973 – VS III 88/72, NJW 1974, 762 (764); VG 136  Ehlers, 137  Siehe



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss451

zwischen schlicht rechtswidrigen, aber verbindlichen und grob rechtswidrigen und daher nichtigen Beschlüssen142.143 bb) Entscheidungskompetenz des Gesetzgebers Entscheidend ist, welche Fehlerfolge vom Verfassungs- und Gesetzgeber gewollt ist. Wie nicht zuletzt der gesetzlich normierte Fall der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts trotz Rechtswidrigkeit zeigt, ist das Nichtigkeitsdogma, nach dem fehlerhafte Normen144 prinzipiell ipso iure nichtig sein sollen, kein zwingendes Verfassungsgebot, sondern steht zur Disposition des Gesetzgebers, der das Dogma unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes durch andere Sanktionsmöglichkeiten zurücktreten lassen kann145. Dem Ge-

Hannover, Urteil vom 25.05.1976 – I A 127/76, DNG 1976, 282 (283); VG Oldenburg, Beschluss vom 10.11.1983 – 2 VG D 49/83, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 61; VG Arnsberg, Urteil vom 06.09.1988 – 4 K 110/88, NVwZ 1990, 592 (592); VG Dessau, Beschluss vom 10.08.1995 – 1 A 77/94, LKV 1996, 71 (73); VG Göttingen, Beschluss vom 15.02.1996 – 5 A 57/04, KommP N 1996, 185 (185); VG Leipzig, Beschluss vom 06.04.2000 – 6 K 223/00, BeckRS 2000, 31330742, Ziff. 4; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 21.06.2000 – 1 K 2531/98, S. 7 ohne Ausführungen zum Wirkungszusammenhang zwischen Rechtswidrigkeit und Unwirksamkein (soweit ersichtlich nicht veröffentlicht); Ehlers, DVBl. 1990, 1 (5); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 331 Rn. 475; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 13; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 4 S. 22; n. n., in: Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze RP, GemO RP, § 35 Ziff. 2 S. 146; Rabeling, NVwZ 2010, 411 (412); Pahlke, BayVBl. 2010, 357 (363); Perels, AöR 1900, 548 (557) zur Sanktionsfolge einer Verletzung der Sitzungsöffentlichkeit des Reichtstags; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 15; Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. V S. 12; Teschke, in: Bennemann/Daneke/ Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 33; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III 1 c) S. 674. 142  VGH Mannheim, Urteil vom 22.06.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (198); von Bechtolsheim/Betz, KommJur 2006, 1 (5 f.); Gramlich, DÖV 1982, 139 (144) m. w. N.; Heermann, Der Gemeinderatsbeschluss, S. 134 ff.; Schnapp, VerwArch 1987, 407 (433 ff., 435 f.). 143  Eine Übersicht zum Meinungsstand gibt Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S.  95 ff. 144  Die Diskussion, ob Beschlüsse kommunaler Volksvertretungen überhaupt als „Normen“ in diesem Sinne qualifiziert werden können, kann an dieser Stelle dahinstehen, da das Nichtigkeitsdogma ohnehin nicht entscheidend ist. 145  Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2807) m. w. N.; Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 70; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 392; Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 77; kritisch zur Relativierung von Fehlerfolgen in Normsetzungsverfahren, Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 758 f.

452

F. Rechtsfolgen von Verstößen

setzgeber kommt ein „Sanktionsspielraum“ zu146. Innerhalb dessen steht es dem Gesetzgeber frei, ob ein Fehler, insbesondere auch eine Verletzung von verfassungsgebotenen Verfahrensvorschriften147, zur Nichtigkeit oder nur zur Anfechtbarkeit führt, soweit dieser nicht sanktionslos gestellt wird148. Ausdrückliche Regelungen, ob im konkreten Fall der Rechtsrichtigkeit oder der Rechtssicherheit Vorrang einzuräumen ist, existieren nicht. Eine analoge Anwendung von § 43 VwVfG scheidet in Ermangelung einer vergleichbaren Interessenlage aus, da die Regelung auf einen individuellen Sachverhalt mit Außenwirkung zugeschnitten ist, vorliegend aber kein Drittbezug gegeben ist, sondern nur die Wirksamkeit eines rechtswidrigen Beschlusses gegenüber der Verwaltung zu beurteilen ist149. Entscheidend dafür, welchem Ansatz zu folgen ist, ist mithin die Frage welchem Aspekt der Gesetzgeber im öffentlichen Recht grundsätzlich Vorrang einräumt. Die Argumentation, die Rechtsfolge der Nichtigkeit sei zwingend, da allein sie der grundlegenden Bedeutung des Prinzips der Öffentlichkeit angemessen Rechnung zutrage150, verkennt die Kompetenz des Gesetzgebers, die Fehlerfolge festzulegen. Maßgeblich ist, ob der Gesetzgeber von der Geltung des Nichtigkeitsdogmas ausgeht. Es muss mit anderen Worten entschieden werden, ob § 43 VwVfG eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Rechtsrichtigkeit ist oder eine beispielhafte Normierung des Grundsatzes der Rechtssicherheit darstellt. Entscheidend dafür ist die Einordnung der Aspekte in die öffentlich-rechtliche Gesetzessystematik.

146  Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 77; Weyreuther, DÖV 1980, 389 (390). 147  BVerfG, Beschluss vom 20.12.1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 (64 f.); Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 228 ff. 148  BVerwG, Urteil vom 21.08.1981 – 4 C 57/80, BVerwGE 64, 33 (36); BVerwG, Urteil vom 10.11.1989 – 8 C 27/88, BVerwGE 84, 80 (85 f.); Hill, DVBl. 1983, 1 (1 f.); Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 100; Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2811 f.); differenzierend Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen: eine Begrenzung der Fehlersanktion soll nicht schlechthin ausgeschlossen sein, wenn diese nicht in einer völligen Reduzierung besteht (S. 74), aber eine sanktionslose Hinnahme eines Fehlers soll rechtsstaatlich dann vertretbar sein, wenn eine Sanktion mehr Schaden anrichtet, als der Fehler selber (S. 57). 149  Zur Problematik einer Analogen Anwendung der Fehlerlehre des Verwaltungsakts, Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2812). 150  Gentner, KommP MO 1992, 40 (42).



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss453

cc) Öffentlich-rechtliche Fehlerfolgensystematik (1) § 43 VwVfG als Ausnahme oder beispielhafte Normierung Für den Ausnahmecharakter von § 43 VwVfG spricht, dass eine Normierung der Wirksamkeit eines rechtswidrigen hoheitlichen Akts nur dann sinnvoll ist, wenn normalerweise von dessen Unwirksamkeit auszugehen ist151. Die Rechtsrichtigkeit soll danach grundsätzlich Vorrang gegenüber der Rechtssicherheit haben – sofern der Gesetzgeber dieses Verhältnis nicht bewusst ändere152. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass § 43 VwVfG durch seine Bedeutung für einen außerhalb der Verwaltung stehenden Adressatenkreis eine klarstellende Funktion hat, die auch eine beispielhafte Normierung eines im Übrigen ungeschriebenen Rechtsgrundsatzes zu erklären vermag. (2) Keine Normierung der Nichtigkeit Festzustellen ist vielmehr, dass eine Nichtigkeitsfolge, wie sie in § 44 VwVfG für bestimmte rechtswidrige Verwaltungsakte normiert ist, für rechts­ widrige Beschlüsse kommunaler Volksvertretungen gesetzlich nicht vorgesehen ist153. Die aus Rechtsmängeln abgeleitete Folge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt, mithin bindend ist154.

151  OVG Münster, Urteil vom 18.01.1973 – XII A 237/70, OVGE MüLü 28, 208 (214); VGH München, Beschluss vom 06.10.1987 – 4 CE 87.08894, BayVBl. 1988, 83 (83 f.); Papier, DÖV 1980, 292 (299); Schoch, JuS 1987, 783 (789); zu Unrecht meint der VGH München, Urteil vom 31.07.1974 – 2 IV 72, BayVBl. 1976, 753 (754), dass die Ungültigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer kommunalverfassungsrecht­ lichen Entscheidung nur für die Außenwirkung Bedeutung habe. 152  BVerfG, Urteil vom 18.12.1953 – 1 BvL 106/53, BVerfGE 3, 225 (237 f.); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 324 Rn. 501. 153  A. A. Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 102, wonach sich Fehlerfolge, Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit aus der Rechtsform des fehlerhaften Akts ergeben sollen. 154  BVerwG, Beschluss vom 21.01.1954 – I B 49.53, BVerwGE 1, 67 (69); BVerwG, Urteil vom 11.02.1966 – VII CB 149.64, BVerwGE 23, 237 (238).

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

(3) Feststellungsnotwendigkeit der Unwirksamkeit Im Übrigen ist den Regelungen des öffentlichen Rechts zu entnehmen, dass die Unwirksamkeit eines hoheitlichen Akts nicht unmittelbar durch seine Rechtswidrigkeit eintritt, sondern über sie entschieden werden muss. Dementsprechend obliegt die alleinige Verwerfungskompetenz rechtswidriger Gesetze dem Bundesverfassungsgericht. Aus § 78 BVerfGG folgt, dass die Nichtigkeit eines Gesetzes „erklärt“ werden muss155. Rechtswidrige Rechtsverordnungen können durch jeden Richter aufgehoben werden156. Gleiches ergibt sich auf kommunaler Ebene aus der Befugnis der Aufsichtsbehörde rechtswidrige Beschlüsse aufzuheben157. Die Nichtigkeitsfolge rechtswidriger Beschlüsse tritt mithin nicht automatisch ein. Die Möglichkeit etwas Unwirksames aufzuheben ist nicht nur unnötig, sondern auch rechtspraktisch unmöglich158. Würde von der Unwirksamkeit rechtswidriger Beschlüsse ausgegangen werden, dürfte die Aufsichtsbehörde allenfalls befugt sein, die Nichtigkeit festzustellen159. Gleiches ergibt sich aus der Widerspruchs-160 und Beanstandungspflicht des Bürgermeisters161. Wären rechtswidrige Beschlüsse der kommunalen 155  Zum Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts siehe BVerfG, Urteil vom 20.05.1952 – 1 BvL 3/51, 1 BvL 4/51, BVerfGE 1, 283 (292); BVerfG, ­Urteil vom 24.02.1953 – 1 BvL 21/51, BVerfGE 2, 124 (129); BVerfG, Beschluss vom 04.02.1964 – 2 BvL 26/63, BVerfGE 17, 208 (210); BVerfG, Beschluss vom 08.02.1983 – 1 BvL 20/81, BVerfGE 63, 131 (141); Hoffmann, JZ 1961, 193 (198); Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 113 m. w. N. zum Meinungsstand. 156  BVerfG, Urteil vom 20.03.1952 – 1 BvL 12, 15, 16, 24, 28/51, BVerfGE 1, 184 (189 ff., 195); BVerfG, Beschluss vom 01.03.1978 – 1 BvL 20/77, BVerfGE 48, 40 (44 f.); Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 115. 157  Siehe zu den Rechtsmitteln der Aufsichtsbehörde Kapitel 3. Aufsichtsbehörde, S. 485 ff. 158  Ehlers, NVwZ 1990, 105 (108); Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 80, 98. 159  § 25 Abs. 6 S. 1 HGO, dessen Wortlaut eine automatische Nichtigkeitsfolge bei Rechtswidrigkeit nahe legt, ist im Einklang mit den ürbigen Vorschriften der hessischen Gemeindeordnung so auszulegen, dass die Nichtigkeitsfolge unter dem Vorbehalt der fristgerechten Einhaltung der verfügbaren Rechtsmittel steht, Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 39. 160  Zum Widerspruchsrecht des Bürgermeisters im Fall rechtswidriger Rechtssetzungsbeschlüsse, Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 109. 161  Siehe zu den Rechtsmitteln der Verwaltungsleitung Kapitel 2. Verwaltungsleitung, S. 481 ff.



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss455

Volks­vertretung ohnehin nichtig, bedürfte es weder des Widerspruchs noch der Beanstandung. Diese hätten allenfalls symbolische Bedeutung. Von der Wirksamkeit eines hoheitlichen Akts bis zur Feststellung des Gegenteils geht darüber hinaus auch das Beamtenrecht aus. Kommunale Beamte sind durch die Remonstrationspflicht nach dem Beamtenstatus- und den Landesbeamtengesetzen angehalten, rechtswidrige Beschlüsse anzuzeigen162. Das Verhältnis zwischen der kommunalen Volksvertretung und der Kommunalverwaltung ist vergleichbar mit der Situation verwaltungsinterner Weisungen im Beamtenrecht163. Die Parallelität beamtenrechtlicher Weisungen und (ausführungsbedürftiger) Beschlüsse einer kommunalen Volksvertretung spricht für die Wirksamkeit rechtswidriger Beschlüsse der kommunalen Volksvertretung bis zur Feststellung des Gegenteils164. (4) Gesetzessystematische Wirksamkeitsvoraussetzung Die Instrumente der internen Kontrolle gegen rechtswidrige Beschlüsse legen die Wirksamkeit derselben zu Grunde. Es wäre bereits sinnwidrig, den Verwaltungsleitern Rechtsmittel an die Hand zu geben, damit diese keine rechtwidrigen Beschlüsse ausführen müssen, wenn diese den Vollzug auf Grund der mit der Rechtswidrigkeit einhergehenden Nichtigkeit schlicht verweigern könnten165. Gerade aus der gesetzlichen Bindung der Verwaltung folgt, dass diese auch Beschlüsse zu beachten hat, die sie für rechtswidrig hält, deren Rechtswidrigkeit aber nicht bestätigt oder anerkannt wurde. Andernfalls würde die gesetzliche Stellung der kommunalen Volksvertretung als das Organ, dass alle die Kommunalverwaltung steuernden Beschlüsse fasst, bis zur Funk­ tionslosigkeit entwertet166. Das Verhältnis zwischen der kommunalen Volksvertretung und der Kommunalverwaltung erfordert eine restriktive Auslegung des Nichtigkeitsbegriffs167. Entsprechendes kommt auch in den Befristungen der Widerspruchs- und Beanstandungsmöglichkeiten zum Ausdruck168. Die Verfristung der Rüge­ 162  § 36 BeamtStG; siehe dazu auch ausführlich Kapitel 4. Verwaltungsmitarbeiter, S. 488. 163  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 76; Ehlers, NVwZ 1990, 105 (108). 164  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 81 ff. 165  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 83, 98. 166  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 100. 167  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 112. 168  Siehe dazu ausführlich im Kapitel  2. Verwaltungsleitung, S. 481 ff., insb. Fn. 299.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

option hat die Perpetuierung der Unbeachtlichkeit eines Fehlers zur Folge169. Im Sinne der Rechtssicherheit soll sich auch auf den durch einen rechtswidrigen Beschluss geschaffenen Zustand ab einem gewissen Punkt verlassen werden dürfen. Wären rechtswidrige Beschlüsse per se unwirksam, würden durch diese keine Rechtszustände erzeugt, deren Bestand durch eine solche Frist gesichert werden könnte. Geht man von der Unwirksamkeit rechtswidriger Beschlüsse aus, wäre es im Sinne der Rechtssicherheit sogar begrüßenswert, wenn diese jederzeit festgestellt werden könnte. Darüber hinaus haben der Widerspruch und die Beanstandung eines Beschlusses eine aufschiebende Wirkung170. Der Aufschub einer Wirkung setzt deren ursprünglichen Bestand voraus171. Auch die Einheitlichkeit und Effektivität der Verwaltung setzen die Wirksamkeit gefasster Beschlüsse der kommunalen Volksvertretungen voraus, auch wenn diese rechtswidrig sind172. Es wäre kaum nachvollziehbar, wenn ein Beamter zwar verpflichtet wäre rechtswidrigen Weisungen seines Vorgesetzen nachzukommen, Entscheidungen der unmittelbar, demokratisch legitimierten Vertretungskörperschaft jedoch mit Hinweis auf deren (vermeintliche) Rechtswidrigkeit keine Beachtung schenken müsste. (5) K  eine Durchbrechung der Bindungswirkung durch einfache ­Rechtswidrigkeit § 44 VwVfG, der die Nichtigkeitsfolge zumindest im Fall schwerer, offensichtlicher Fehler eröffnen würde, kann außerhalb von Beschlüssen, die durch ihre unmittelbare Außenwirkung Verwaltungsaktqualität haben, nicht (auch nicht analog) auf Beschlüsse kommunaler Volksvertretungen angewendet werden, da die für eine vergleichbare Interessenlage notwendige (unmittelbare) Drittbetroffenheit fehlt173. Eine Durchbrechung der Bindungswirkung rechtswidriger Beschlüsse erfolgt nur im Rahmen von § 36 Abs. 2 S. 3 BeamtStG, wenn die Befolgung des Beschlusses ein Strafgesetz oder die Menschenwürde verletzen würde174 NJW 1986, 2805 (2810). dazu ausführlich im Kapitel 2. Verwaltungsleitung, S. 481 ff., insb.

169  Ossenbühl, 170  Siehe

Fn. 300. 171  Ehlers, NVwZ 1990, 105 (108); Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 80, 83, 98. 172  Ehlers, NVwZ 1990, 105 (108). 173  Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 41. 174  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 77; Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S.  42 ff.



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss457

oder der Beschluss an einem schwerwiegenden, offenkundigen Mangel leidet175. Bereits aus den Erörterungen zu § 44 VwVfG im Rahmen von rechtswidrigen Beschlüssen mit unmittelbarer Außenwirkung folgt, dass ein Verstoß gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit keinen solchen qualifizierten Mangel darstellt176. (6) Keine abschließende Sanktionslosigkeit Die Annahme der Wirksamkeit rechtswidriger Beschlüsse ist im Hinblick auf die damit (zunächst) sanktionslos gestellte Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit zunächst unbefriedigend. Aus der Wirksamkeit folgt jedoch nicht die abschließende Folgenlosigkeit rechtswidriger Beschlüsse. Im Hinblick auf die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz ist zu beachten, dass der Fristablauf des Widerspruchsrechts lediglich zur Folge hat, dass der Verwaltungsleiter nicht mehr aus eigener Kompetenz gegen den rechtswidrigen Beschluss vorgehen kann. Unbenommen ist jedoch ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde sowie die nochmalige Befassung der Vertretungskörperschaft – gleich ob diese auf Anraten der Kommunalverwaltung oder aus eigenem Antrieb erfolgt177. Kann auch durch diese Optionen keine Aufhebung oder Änderung erreicht werden, ist die Beachtung des Beschlusses zumindest im Innenrechtsverhältnis rechtmäßig und stellt damit weder einen Konflikt zu Art. 20 Abs. 3 GG noch zur beamtenrechtlichen Verantwortlichkeit dar178. Schneider verweist überdies auf den „Grundsatz der Organtreue“. Aus diesem folgt, dass die Organe der Kommunalverwaltung verpflichtet sind auch in Ausübung der ihnen zustehenden Kompetenzen Rücksicht darauf zu nehmen, dass die anderen Organe ihre Zuständigkeiten ordnungsgemäß wahrnehmen können179. Bezogen auf die Ausführung eines wegen eines Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot rechtswidrigen Beschlusses bedeutet dies, dass die Treue der Kommunalverwaltung gegenüber der kommunalen Vertretungskörperschaft verlangt, einen rechtswidrigen Beschluss in Kenntnis der Rechtswidrigkeit nicht „blind“ auszuführen und die Vertretungskörperschaft anschließend lediglich mit den Konsequenzen der späteren „SchaDer rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 88 f. VerwArch 1987, 407 (434 ff.); siehe auch Kapitel a) Beschlüsse mit unmittelbarer Außenwirkung, S. 443. 177  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 102 ff. 178  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 102. 179  Schneider, NWVBl. 1996, 89 (94). 175  Karst,

176  Schnapp,

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

densbeseitigung“ zu konfrontieren, sondern ihr zuvor und nötigenfalls auch außerhalb der ordentlichen Rügemöglichkeiten, d. h. im Zweifel auch nach Fristablauf, die Möglichkeit zu geben, den Beschluss unter Beachtung des Öffentlichkeitsgebots neu zufassen – zumindest solange der Beschluss noch keine Außenwirkung entfaltet hat und die Zurückhaltung bei der Ausführung verlangt wird180. Das Rechts- und Gesetzmäßigkeitsprinzip wird ausreichend durch die vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten gewahrt181. Zu denken ist dabei nicht nur an den Widerspruch und die Beanstandung, sondern auch an die unbefristete Remonstrationspflicht aus dem Beamtenrecht und die Rechtsmittel, die im Falle der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte einzelnen Betroffenen zustehen182. Spätestens wenn rechtswidrige Beschlüsse die Rechtssphäre Dritter berührt, muss und wird das Verhältnis zwischen Rechtssicherheit und Rechtsrichtigkeit neu bewertet183. Insofern besteht auch kein Raum für die Anwendung des Nichtigkeitsdogma, denn dieses „fungiert[e] als Ersatz für fehlenden Rechtsschutz“184, welcher vorliegend gegeben ist. (7) Ergebnis: Grundsätzliche Bindungswirkung auch bei Rechtswidrigkeit Die Frage, ob ein rechtswidriger Beschluss einer kommunalen Vertretungskörperschaft wirksam oder nichtig ist, kann nicht durch eine SchwarzWeiß-Betrachtung beantwortet werden. Als Zwischenschritt und damit als Ausgleich zwischen dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsrichtigkeit hat der Gesetzgeber die temporäre Wirksamkeit gewählt. Das heißt, ein Beschluss entfaltet zunächst eine Bindungswirkung. Die Fehlerfolge der Nichtigkeit ist keine verfassungsrechtlich vorgegebene Konsequenz. Aus der Gesetzessystematik des öffentlichen Rechts folgt, dass zumindest im verwaltungsinternen Bereich grundsätzlich vom Vorrang der Rechtssicherheit gegenüber der Rechtsrichtigkeit auszugehen ist. Ausnahmen davon ergeben sich nur beim Verstoß gegen ein Strafgesetz oder die Menschenwürde oder im Fall eines schweren offensichtlichen Fehlers. Dieser Rechtsgedanke gilt auch bei rechtswidrigen Beschlüssen kommunaler Vertretungskörperschaften infolge der Verletzung der kommunalen Sit-

NWVBl. 1996, 89 (95). Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 40. 182  Siehe Kapitel III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz, S. 472. 183  Siehe zu den Fehlerfolgen rechtswidriger Beschlüsse hinsichtlich der Umsetzungsakte, Kapitel c) Umsetzungsakte, S. 462. 184  Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2807). 180  Schneider, 181  Meyer,



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss459

zungsöffentlichkeit185. Bei der Vorrangstellung der Rechtssicherheit gegenüber der Rechtsrichtigkeit durch die Befristung der Rügeoptionen handelt es sich um eine bewusste gesetzgeberische Abwägung zwischen den verschiedenen relevanten Aspekten, welche eben auch nach etwaigem Ablauf einer Rügefrist keine Nichtigkeitsfolge ausspricht. Eine Ausnahme von der Bindungswirkung ist auch nicht begründet, weil die Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit weder gegen ein Strafgesetz, noch gegen die Menschenwürde verstößt und auch keinen schweren offensichtlichen Fehler darstellt. Es ist somit festzustellen, dass Beschlüsse, die unter einem Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot gefasst worden sind, zwar rechtswidrig, jedoch grundsätzlich nicht nichtig, sondern wirksam, aber vernichtbar sind186. Die Beschlüsse entfalten unabhängig von der Frage ihrer Rechtmäßigkeit bis zu ihrer Vernichtung eine Bindungswirkung gegenüber der Verwaltung187. dd) Schlichter Beschluss Im Fall ausführungsbedürftiger Beschlüsse folgt aus der grundsätzlichen Bindungswirkung die Beachtlichkeit auch rechtswidriger Beschlüsse. Diese sind, wenn sie nicht an einem die Bindungswirkung durchbrechenden Fehler leiden, wirksam bis sie aufgehoben worden sind. Etwas anderes wird für „schlichte Beschlüsse“ vertreten. Diese sind nicht ausführungsbedürftig. Ihre Funktion beschränkt sich auf die Kenntnisnahme des Erklärungsinhalts. Sie bedürfen mithin weder einer formellen verwaltungsinternen Umsetzung noch eines Vollzugs im Außenverhältnis188. Beispiele dafür sind politische Erklärung oder Meinungsäußerung (Erklärung zur atomwaffenfreien Zone; Resolutionen ohne Empfänger, z. B. zur Flüchtlingssituation). Für diese Beschlüsse bestünden „für die Annahme der Rechtswirksamkeit trotz Gesetzeswidrigkeit kein gesetzlicher Anhaltspunkt und auch kein NVwZ 1990, 105 (108). Mannheim, Urteil vom 22.07.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (198); so auch Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss S. 89; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 284, Fn. 11; Widtmann, in: Helmreich, GO BY Ziff. 7 S. 399; Schnapp, VerwArch 1987, 407 (434 ff.). 187  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 97  f.; im Detail jedoch abweichend bezüglich schlichter Beschlüsse, S. 94; siehe hierzu ausführlich Kapitel (4) Schlichter Beschluss, S. 459 ff. 188  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 324 f. Rn. 501; Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 94. 185  Ehlers, 186  VGH

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

schutzwürdiges Interesse“189. Entsprechende Beschlüsse sollen keiner Bindungswirkung unterfallen, da sie in Ermanglung eines vollzugsfähigen Inhalts keine Bindung zu erzeugen vermögen190. Da lediglich die Bindungswirkung eine Grundlage für die Wirksamkeit trotz Rechtswidrigkeit sei, tritt ohne eine Bindungswirkung mit der Rechtswidrigkeit zugleich die Nichtigkeit ein191. Diese Ausnahme der schlichten Beschlüsse von der Bindungswirkung überzeugt bei näherer Betrachtung nicht. Grundlage der Annahme ist, dass eine Bindungswirkung von Beschlüssen nur dann angenommen werden könne, wenn diese ausführungsbedürftig seien. Dies verkennt, dass auch Erklärungen der kommunalen Volksvertretung eine Identifikation der kommunalen Verwaltung mit den Erklärungsinhalten verlangen, damit diese nicht zur reinen Worthülse verkommen. Verabschiedet die kommunale Volksvertretung angesichts der Flüchtlingslage eine Resolution mit dem Inhalt, man wolle sich für eine angemessene Unterkunft auch weiterer Hilfesuchender einsetzen, hat die Kommunalverwaltung diese Erklärung mit Leben zu füllen, indem sie sich für geeigneten Wohnraum einsetzt und die Zuweisung von Flüchtlingen nicht unter Hinweis auf die damit verbundenen Problematiken ablehnt. Dieses Beispiel zeigt, dass Erklärungen auch ohne einen konkreten Vollzugsauftrag an die Verwaltung beachtenswert sind, will man das Gestaltungsrecht der kommunalen Volksvertretungen durch Erklärungen nicht aushöhlen. Einem Beschluss kann folglich eine (quasi) Regelungswirkung innewohnen, ohne dass es einer (konkreten) Ausführung der Verwaltung bedarf. Will man an dem Kriterium des Umsetzungsakts festhalten, kann man auch formulieren, dass schlichte Beschlüsse zumindest insoweit vollzugsbedürftig sind, als sie einer Verbreitung bedürfen. Aus der Verbreitungsnotwendigkeit wird ein Vollzugsbedarf gefolgert192. Infolgedessen muss nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungseinheit, sondern auch der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz auch für schlichte Beschlüsse eine Bindungswirkung angenommen werden.

Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 113. Beschluss vom 25.10.1979 – 2 N 1.78, BVerwGE 59, 48 (50 f.); Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 94; Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 790. 191  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 324 f. Rn. 501; Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 94, 113. 192  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 115 m. w. N. 189  Karst,

190  BVerwG,



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss461

Dementsprechend besteht nach zutreffender Ansicht auch gegen schlichte Beschlüsse ein Widerspruchsrecht im Fall ihrer Rechtswidrigkeit193. Das Widerspruchsrecht differenziert nicht zwischen ausführungsbedürftigen und schlichten Beschlüssen. Dies kann nur sinnvoll damit erklärt werden, dass auch rechtswidrigen, schlichten Beschlüssen eine gewisse Wirksamkeit zukommt, welche mittels des Widerspruchs aufgeschoben und vernichtet werden kann. Karst erklärt das Widerspruchsrecht im Fall rechtswidriger, schlichter Beschlüsse allein mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ohne die Wirksamkeit dieser Beschlüsse anzuerkennen194. Dies überzeugt nur teilweise. Die Annahme, ein rechtswidriger, schlichter Beschluss müsse auf Grund der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung mittels eines Widerspruchs angegriffen werden, setzt voraus, dass schlichten Beschlüssen ein Rechtsschein zugebilligt wird, der im Widerspruch zu Recht und Gesetz steht195. Es ist zwar zutreffend, dass für die verwaltungsinterne, objektive Rechtmäßigkeitskontrolle das Vorliegen eines Gesetzesverstoßes ausreichend ist, mithin eine subjektive Betroffenheit durch eine Vollzugsverpflichtung nicht maßgeblich ist196, wird schlichten Beschlüssen jedoch jegliche Wirksamkeit abgesprochen, besteht im Fall ihrer Rechtswidrigkeit nichts, was aus Klarstellungsgründen vernichtet werden könnte. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verlangt, dass auch der Rechtsschein, der durch einen rechtswidrigen, schlichten Beschluss, verursacht wird, zu vernichten ist197. Gerade aus der Anerkennung eines Rechtsscheins folgt jedoch, dass eine gewisse Wirkung bestehen muss. Wie auch bei der grundsätzlichen Frage der Bindungswirkung rechtswidriger Beschlüsse im Innenverhältnis198 kann auch im Rahmen schlichter Beschlüsse die mit dem Widerspruch und Beanstandungsrecht einhergehende aufschiebende Wirkung nicht sinnvoll erklärt werden, wird rechtswidrigen, schlichten Beschlüssen von vornherein ihre Wirksamkeit abgesprochen199.

193  So zumindest im Ergebnis auch, Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 115. 194  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 115. 195  Zum Rechtsschein nichtiger Beschlüsse, Bark, Das gemeindeinterne Beanstandungsverfahren, S. 36; Beckedorf, VR 1988, 420 (422). 196  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 116, insb. Fn. 214. 197  So wohl auch Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 115 ohne dass der Aspekt des Rechtsscheins thematisiert wird. 198  Siehe dazu Kapitel b) Sonstige Beschlüsse im Innenverhältnis: Grundsatz der Bindungswirkung im Innenverhältnis, S. 449 ff. 199  Insofern widersprüchlich, Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss der mit diesem Argument die Wirksamkeit rechtswidriger, vollzugsbedürftiger Be-

462

F. Rechtsfolgen von Verstößen

c) Umsetzungsakte im Außenverhältnis Für Umsetzungsakte, die auf einem wegen Verstoßes gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit rechtswidrigen ausführungsbedürftigen Beschluss beruhen, gilt grundsätzlich, dass auch diese rechtswidrig sind200. Es gibt jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz201. Auch hier stellt sich zunächst die Frage, ob die Rechtswidrigkeit unmittelbar die Nichtigkeit zur Folge hat oder der Umsetzungsakt bis zur Feststellung des Gegenteils wirksam bleibt. Entsprechend der Fehlerlehre für untergesetzliche Normen ist davon auszugehen, dass Verstöße gegen unwesentliche Verfahrensvorschriften die Wirksamkeit eines Umsetzungsakts nur dann durchbrechen, sofern die Fehlerhaftigkeit offenkundig ist, während Verletzungen wesentlicher Verfahrensnormen die Ungültigkeit oder Vernichtbarkeit des Hoheitsakts nach sich ziehen202. Da im Rahmen dieser Abwägung zur Fehlerfolge die „strukturellen Eigenarten des jeweiligen Hoheitsakts“ zu berücksichtigen sind203, in den Fällen ausführungsbedürftiger Beschlüsse die anzuwendende Handlungsform jedoch nicht zwingend vorgegeben ist204, wird im Folgenden zwischen den verschiedenen Arten der Beschlussausführung unterschieden205. Maßgeblich sind dabei die Aspekte der Gerechtigkeit und Rechtssicherheit, der Gesetzmäßigkeit und des Vertrauensschutzes, des Rechtsschutzauftrags und der Verwaltungseffizienz206.

schlüsse bejaht, S. 98, das gleiche Argument hinsichtlich schlichter Beschlüsse jedoch nicht mit der gleichen Konsequenz belegt, S. 115. 200  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 33. 201  Schemmer, in: Bader u. a., BeckOK VwVfG, § 44 Rn. 65. 202  BVerfG, Urteil vom 26.07.1972 – 2 BvF 1/71, BVerfGE 34, 9 in Juris: Rn. 58; Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2812); Schmidt-Aßmann, Die kommunale Rechtsetzung im Gefüge der administrativen Handlungsformen und Rechtsquellen, S. 19. 203  Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2812). 204  Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 325 f. Rn. 504. 205  VGH Kassel, Beschluss vom 05.01.1988 – 6 TG 3547/87, NVwZ 1988, 1155 (1155); VGH Mannheim, Urteil vom 08.02.1988 – 1 S 1919/87, VBlBW 1988, 217 (219); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 325 f. Rn. 504; Schuster/Diehl/ Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. VI 2 S. 18; a. A. Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 64, der von dem Grundsatz ausgeht, dass im Außenverhältnis Rechtsnormen bei Rechtswidrigkeit nichtig sind – gleich ob diese privat- oder öffentlich-rechtlicher Natur sind. 206  Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2812).



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss463

aa) Normsetzung (1) Grundsatz Kommunale Volksvertretungen werden durch den Erlass von Satzungen und Rechtsverordnungen rechtsetzend tätig. Bei einer Fehlerhaftigkeit sind diese im Außenverhältnis grundsätzlich nichtig207. Das gilt sowohl bei einem materiell-rechtlichen als auch einem formellen Verstoß wie der Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots führt dabei dazu, dass auch der auf die Inkraftsetzung der Rechtsnorm gerichtete Vollzugsakt ggf. nichtig ist208. (2) Bindungswirkung im Innenverhältnis Abweichend von dem oben erörterten Grundsatz, dass wegen des Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot rechtswidrige Beschlüsse im Innenverhältnis zunächst wirksam sind209, wird im Fall rechtssetzender Beschlüsse eine „Vorwirkung“ der Nichtigkeit im Außenverhältnis angenommen210. Die Bindungswirkung im Innenverhältnis soll danach entfallen, weil intern ein Beschluss nicht wirksam sein könne, der eine Vollzugsverpflichtung enthält, die auf Erlass eines im Außenverhältnis nichtigen Hoheitsaktes gerichtet ist. Gem. § 3 Abs. 4 BbgKVerf sind bis zu einem Jahr nach der Bekannt­ machung alle Fehler von Amts wegen zu berücksichtigen. Danach tritt, wenn der Fehler nicht gegenüber der Kommune geltend gemacht wurde, seine 207  VGH Mannheim, Beschluss vom 12.01.1971 – II 141/68, ESVGH 22, 17 (19); VG Arnsberg, Urteil vom 06.09.1988 – 4 K 110/88, NVwZ 1990, 592 (592); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 62; Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 107; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 13; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 55; Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2805); Schmidt-Aßmann/Röhl, in: SchmidtAßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 9 Rn. 98; mit Kritik an den Ansätzen der Relativierung der Fehlerfolge, z. B. hinsichtlich der Planerhaltung im Baurecht, Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 758 m. w. N.; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 3.3.2.2 S. 13. 208  VGH Mannheim, Beschluss vom 09.11.1966 – I 5/65, ESVGH 17, 118 (122); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 62; Gramlich, DÖV 1982, 139 148; Pahlke, BayVBl. 2010, 357 (359). 209  Siehe dazu Kapitel b) Sonstige Beschlüsse im Innenverhältnis: Grundsatz der Bindungswirkung im Innenverhältnis, S. 449 ff. 210  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 107, der insoweit seine Feststellung, dass Beschlüsse, die nur gegen das Öffentlichkeitsgebot verstoßen, im Innenverhältnis wirksam sind, relativiert, vgl. Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 89.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

Unbeachtlichkeit ein211. Die ausdrückliche Normierung belegt, dass diese Wirkung nicht von sich aus in der Rechtsordnung vorgesehen ist, es sich mithin nicht um einen übertragbaren Rechtssatz handelt. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die scheinbar logisch aus dem Recht- und Gesetzmäßigkeitsprinzip abgeleitete generelle Annahme, unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitgebot beschlossene Rechtsnormen entfalten bereits im Innenverhältnis keine Wirkung, als Beurteilung vom gewünschten Ergebnis her. Die Rechtswidrigkeit eines Verstoßes im Innenverhältnis löst Widerspruchs-, Beanstandungs- und beamtenrechtlichen Remonstrationspflichten aus, die in Einklang mit Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisten, dass ein rechtswidriger Beschluss nicht ausgeführt werden muss212. Es besteht auch bei Rechtssetzungsbeschlüssen kein anderer Bedarf, sie im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuheben oder zu korrigieren, als bei anderen ausführungsbedürftigen Beschlüssen, die durch Vollzug Außenwirkung erhalten und deren Rechtswidrigkeit auf den Umsetzungsakt durchschlägt, z. B. bei schlicht hoheitlichem Handeln oder beim Erlass eines Verwaltungsakts213. Es ist insofern entgegen dieser Meinung auch im Rahmen von Rechtssetzungsbeschlüssen strikt zwischen Innen- und Außenverhältnis zu trennen, wobei die Bindungswirkung im Innenverhältnis von der Nichtigkeit im Außenverhältnis zu trennen ist. Ohne die künstliche Durchbrechung der Bindungswirkung im Innenverhältnis im Rahmen von rechtswidrigen Rechtssetzungsbeschlüssen entfällt auch die Frage, ob das Widerspruchsrecht auch nichtige Beschlüsse umfasst bzw. eine Pflicht besteht diesen zu widersprechen214. Anknüpfungspunkt des Widerspruchs ist die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses. Bereits der falsche Rechtsschein berechtigt und verpflichtet zum Tätigwerden. bb) Öffentlich-rechtlicher Vertrag Die Wirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags wird durch die Rechtswidrigkeit des zu Grunde liegenden Beschlusses nicht berührt215, denn die Wirksamkeit einer Vertretung der Kommune beim Abschluss eines Vertrags hängt nicht davon ab, ob die für den Vertragsschluss notwendigen 211  OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 19.08.1999 – 2 D 34/98.NE, Juris Rn. 70; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 57. 212  Siehe Kapitel vi. Keine abschließende Sanktionslosigkeit, S. 457 ff. 213  Siehe dazu Kapitel a) Beschlüsse mit unmittelbarer Außenwirkung, S. 443 ff. 214  So aber Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 110. 215  Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 70.



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss465

Beschlüsse vorliegen. Anders ausgedrückt führt eine etwaige Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis der Kommune nicht zu einem Wegfall der Vertretungsvollmacht im Außenverhältnis. cc) Realakte Realakte zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine Regelung beinhalten, sondern schlichthoheitliches Handeln im Außenverhältnis darstellen216. Kommunale Volksvertretungen können auf zwei Arten in eine solche Handlung involviert sein: Entweder nimmt die Volksvertretung den Realakt durch ihren Beschluss selber vor, z. B. durch die Verabschiedung einer Produktwarnung, oder die Volksvertretung fasst einen Beschluss, der durch Realakte umzusetzen ist, z. B. Leistungsgewährung auf Grund eines Begabtenförderprogramms. In beiden Fällen schlägt die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses wegen eines Verstoßes gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit auf den Realakt durch217, denn auch schlichthoheitliches Handeln erfolgt nicht im rechtsfreien Raum218. Der Realakt ist im Gegensatz zu anderen öffentlich-recht­ lichen Handlungsformen nicht im gleichen Maße durchstrukturiert, er hat jedoch innerhalb eines „rechtstaatlichen Grundsätzen entsprechende[m] ‚Ver­ fahren‘ “ zu erfolgen219. Daraus folgt, dass existierende Vorgaben zwingend einzuhalten sind. Zu diesen gehört im Rahmen von Entscheidungen kommunaler Volksvertretungen insbesondere die Öffentlichkeit der Sitzungen, denn gerade die Verwaltungstransparenz hat im Bereich der Realakte eine besondere Bedeutung220. Eine „Anfechtung“ ist als Unterlassungsklage oder allgemeine Leistungsklage auf Widerruf oder Richtigstellung möglich. Ihre Rechtsgrundlage ist ein Störungsabwehranspruch nach § 1004 BGB analog bzw. ein Folgenbeseitigungsanspruch. Im Fall informationeller Eingriffe kommt auch ein Schadensersatz aus Amtshaftung oder wegen enteigungsgleichen oder aufopferungsgleichen Eingriffs in Betracht.221

Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 764 ff. mit Beispielsfällen. Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 71. 218  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 776. 219  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 776. 220  Zur Bedeutung der Transparenz bei Realakten, siehe Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 777. 221  Siehe insgesamt zu den Fehlerfolgen von Realakten auch mit weiterführenden Hinweisen, Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 780 ff. 216  Hufen/Siegel, 217  Meyer,

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

dd) Privatrechtliches Handeln Die Fehlerfolge des privatrechtlichen Handelns der Verwaltung richtet sich nach der privatrechtlichen Fehlersanktion222. Die Wirksamkeit eines privatrechtlichen Geschäfts wird durch die Rechtswidrigkeit des zu Grunde liegenden Beschlusses einer kommunalen Vertretungskörperschaft nicht berührt223, denn dieser ist keine Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Vertretung der Kommune im Außenverhältnis224. ee) Verwaltungsakt Beruht ein Verwaltungsakt auf einem rechtswidrigen Beschluss der kommunalen Vertretungskörperschaft, ist dieser verfahrensfehlerhaft und damit rechtswidrig, aber nicht nichtig225. Dies gilt auch, soweit der Verwaltungsleiter als Vollzugsorgan als Dritter betroffen ist226. Der Verwaltungsakt kann damit nach § 48 VwVfG zurückgenommen werden227. 3. Schadensersatzpflicht Aus der Rechtswidrigkeit von Beschlüssen, die unter Verletzung des Öffentlichkeitsgebots gefasst worden sind, kann auch im Fall einer ungerechtfertigten, nicht öffentlichen Beratung eine Schadensersatzpflicht der Gemeinde folgen228. Denkbar ist dies, wenn ein durch einen rechtswidrigen Beschluss Begünstigter –– durch die zeitliche Verzögerung auf Grund der Nichtigkeit des Beschlusses einen Schaden erleidet229, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 709. in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 13; Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften S. 71. 224  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 62; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 13; Steger, BWGZ 1981, 316 (323 ff., insb. 325). 225  VGH Mannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (286); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 62; Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 5.2 S. 23; Pahlke, BayVBl. 2010, 357 (359, 363). 226  Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 110. 227  Meyer, Beschlüsse kommunaler Vertretungskörperschaften, S. 68. 228  Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 5. 229  Zur Begründetheit eines Verzögerungsschadens, trotz des Ergehens einer im Ergebnis rechtmäßigen Entscheidung, Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 906. 222  Hufen/Siegel, 223  Koch,



I. Der ungerechtfertigte Öffentlichkeitsausschluss467

–– im Vertrauen auf den rechtswidrigen Beschluss Dispositionen trifft, die sich auf Grund der Rechtswidrigkeit und der damit verbundenen Aufhebung des Beschlusses im Nachhinein als vergeblich erweisen und für ihn daher einen Schaden darstellen. Die Rechtsgrundlage ist der Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i. V. m. Art.  34  GG230. 4. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Auffassung, die Öffentlichkeit tue für die Gültigkeit gemeindlicher Beschlüsse „Nichts zur Sache“, da die Öffentlichkeit nur der Information der Bürger diene231, überholt ist. Die Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit führt zur Rechtswidrigkeit der betroffenen Beschlüsse. Weder sind Verstöße gegen das kommunale Öffentlichkeitsgebot unbeachtlich noch können sie geheilt werden kann. Die Umdeutung eines rechtswidrigen Beschlusses nach § 47 VwVfG kommt auch dann nicht in Betracht, wenn es sich bei dem Beschluss um einen Verwaltungsakt handelt, weil eine Umdeutung nur dann erfolgen kann, wenn „die (ausgelassene oder fehlerhafte) Verfahrenshandlung gerade nicht geboten war, die konkret geschehene Verfahrensweise das Umdeutungsergebnis also trägt“232. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit stellt ein zwingendes Verfahrensgebot dar, das jeden Beschluss der kommunalen Volksvertretung trägt. Auch ein anderer Beschluss müsste folglich immer unter Beachtung des Öffentlichkeitsgebots gefasst werden. § 47 VwVfG vermag wegen Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot rechtswidrige Beschlüsse folglich nicht zu retten. Auf die Frage, ob § 47 VwVfG auf sonstige Beschlüsse der kommunalen Volksvertretungen übertragbar ist, kommt es daher nicht an. Die Rechtswidrigkeit entsprechender Beschlüsse hat jedoch nicht zwingend unmittelbar ihre Nichtigkeit zur Folge233. Grundsätzlich entfalten auch rechtswidrige Beschlüsse eine Bindungswirkung. Ein wegen eines Verstoßes

230  Siehe zu den Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen, Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn.  902 ff. 231  Reichsgericht, Urteil vom 24.02.1920 – III 249/19, RGZ 98, 190 (192 f.); ebenso Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 7 mit Verweis auf VGH München vom 23.11.1906, VGH aF 1907 28, 11 (13 f.). 232  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 828. 233  A. A. OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); OVG Münster, Urteil vom 08.07.1959 – III A 611/59, OVGE MüLü 15, 87 (91 f.).

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

gegen das Öffentlichkeitsgebot rechtswidriger Beschluss ist somit grundsätzlich wirksam, aber anfechtbar234. Zu differenzieren ist bei der Frage der Sanktion eines rechtswidrigen Beschlusses jedoch danach, ob der Innenrechtsbereich der Verwaltung oder der Außenbereich betroffen ist. Im Innenbereich besteht nach der hier vertretenen Auffassung die Bindungswirkung rechtswidriger Beschlüsse sowohl in dem Fall ausführungsbedürftiger als bei schlichten Beschlüssen. Die Wirksamkeit der rechtswidrigen Beschlüsse kann vorläufig durch die Rügemittel des Widerspruchs und der Beanstandung und abschließend durch die Aufhebung des Beschlusses durchbrochen werden kann. Im Außenbereich sind für nicht ausführungsbedürftige Beschlüsse die Regelungen der Fehlerfolge eines Verwaltungsakts maßgeblich. Im Fall ausführungsbedürftiger Beschlüsse, die durch ihren Vollzug eine Außenwirkung entfalten, ist im Hinblick auf die Fehlerfolge nach dem Umsetzungsakt zu unterscheiden. Um den Makel der Rechtswidrigkeit abzulegen, müssen die Beschlüsse unter Beachtung des Öffentlichkeitsgebots erneut gefasst werden235. Der Sinn dieser Vorgabe erscheint auf den ersten Blick zweifelhaft, weil das Ergebnis durch die zuvor unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffene Entscheidung bereits vorgegeben zu sein scheint236. Diesbezüglich sind jedoch zwei Aspekte zu berücksichtigen: Zum einen darf die politische Dynamik einer erneuten politischen Debatte nicht unterschätzt werden. Insbesondere, wenn die Unzulässigkeit des Öffentlichkeitsausschlusses aus den Reihen der kommunalen Vertretungskörperschaft geltend gemacht wurde, besteht mitunter ein politisches Interesse an einer öffentlichen Debatte, in der Hoffnung durch die erneute Beratung und den öffentlichen Austausch von Argumenten ein anderes Abstimmungsergebnis zu erreichen. Wird die öffentliche Behandlung der Angelegenheit auch von Seiten der Öffentlichkeit eingefordert237, besteht darüber hinaus 234  VGH Mannheim, Urteil vom 22.07.1991 – 1 S 1258/90, NVwZ 1992, 196 (198); Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 89. 235  Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 34; Gentner, KommP MO 1992, 40 (42). 236  So, zwar speziell zur Problematik von Heilungsvorschriften, jedoch auch generell zutreffend zur Nachholung von Verfahrensvorschriften, Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2811); Hufen bezeichnet den Effekt als „psychologische Bestandskraft“, Hufen/ Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 968. 237  Unter „einfordern“ ist in diesem Sinne nicht die rechtliche Geltendmachung, sondern die politische Forderung im öffentlichen Diskurs zu verstehen; zu den Rechtsschutzmöglichkeiten „der Öffentlichkeit“ bzw. einzelner Bürger gegen einen Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot siehe dazu auch Kapitel d) Kontroll- und Integrationsfunktion der Öffentlichkeit, S. 65 ff.



II. Die unzulässige öffentliche Behandlung469

durch den höheren Rechtfertigungsdruck auf die Mandatsträger die Möglichkeit, dass tatsächlich eine abweichende Beschlussfassung erfolgt. Die vorherige rechtswidrige, nicht öffentliche Beschlussfassung perpetuiert das Ergebnis einer erneuten, öffentlichen Entscheidung folglich nicht zwingend. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass insbesondere ein allgemeiner, formeller Öffentlichkeitsausschluss die Mandatsträger zur Verschwiegenheit verpflichtet. Neben einer potentiell abweichenden Beschlussfassung stellt die erneute Behandlung einer Angelegenheit vor allem auch sicher, dass die Mandatsträger über den Sitzungstermin hinaus die Möglichkeit erhalten, sich für ihre Entscheidung zu erklären, selbst wenn diese genauso ausfällt wie der zuvor rechtswidrig, nicht öffentlich gefasste Beschluss. Der demokratisch und rechtsstaatlich entscheidende Unterschied besteht mithin nicht in der Beeinflussung des Beschlusses, sondern in der Nachvollziehbar- und Erklärbarkeit desselben.

II. Die unzulässige öffentliche Behandlung Eine unzulässige öffentliche Behandlung einer Angelegenheit findet dann statt, wenn die Öffentlichkeit trotz des Vorliegens hinreichender Gründe für eine nicht öffentliche Behandlung nicht ausgeschlossen wird. Alleine die unrechtmäßige Anwesenheit einzelner Personen lässt den nicht öffentlichen Charakter einer Sitzung nicht entfallen238. 1. Fehlerfolge: Rechtswidrigkeit Wird eine Angelegenheit öffentlich, statt nicht öffentlich behandelt, wird das Öffentlichkeitsgebot nicht verletzt239. Grund dafür ist, dass das Informations- und Kontrollrecht der Öffentlichkeit bei einer unzulässigen öffent­ lichen Behandlung einer Angelegenheit nicht eingeschränkt wird. Auf den ersten Blick scheint ein solcher Verfahrensfehler daher keine Rechtswidrigkeit nach sich zu ziehen. Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch Gegenteiliges. Liegen Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit vor, muss dieser zwingend erfolgen. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung, in deren Rahmen lediglich ermessen werden kann, ob Ausschlussgründe vorliegen. Werden diese festgestellt, besteht hingegen kein Entscheidungsspielraum 238  OVG Münster, Beschluss vom 23.12.2009 – 15 A 2126/09, NWVBl. 2010, 237 (237); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 55. 239  Rabeling, NVwZ 2010, 411 (412); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 5.1 S. 11, Ziff. 5.4 S. 13.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

über die Frage ob die Öffentlichkeit tatsächlich ausgeschlossen wird240. Der Schutz der Rechtsgüter, der durch den Ausschluss der Öffentlichkeit gewährleistet werden soll, reicht sogar soweit, dass die Abwägung, ob Ausschlussgründe vorliegen, der vollständigen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt – eine Einschätzungspräogative besteht nicht.241 Die mit dem Öffentlichkeitsgebot mitzudenkende Pflicht, die Öffentlichkeit beim Vorliegen von Ausschlussgründen auszuschließen, stellt folglich keine reine Ordnungsvorschrift dar, deren Missachtung folgenlos bleibt242. Auch im Hinblick auf den notwendigen Ausschluss der Öffentlichkeit stellt die kommunale Sitzungsöffentlichkeit eine zwingend einzuhaltende Verfahrensvorschrift dar243. Genauso, wie bei einem ungerechtfertigten Ausschluss der Öffentlichkeit kann auch bei einer unzulässigen öffentlichen Beratung nicht ausgeschlossen werden, dass das Beratungsergebnis anders ausgefallen wäre, wenn ordnungsgemäß nicht öffentlich getagt worden wäre. Im Schutz der Nichtöffentlichkeit können durch die Mandatsträger andere Fragen gestellt werden und durch die Verwaltung Informationen anders – mitunter präziser – präsentiert werden. Darauf aufbauend sind andere Diskussionsbeiträge und Abstimmungsergebnisse als in einer öffentlichen Behandlung möglich. Die öffent­ liche Behandlung einer Angelegenheit trotz des Vorliegens von Ausschlussgründen stellt folglich die sachgerechte Willensbildung der kommunalen Volksvertretung in Frage244. Die Konsequenz einer unzulässigen öffentlichen Beschlussfassung ist damit die Rechtswidrigkeit des gefassten Beschlusses245. Der Beschluss bleibt jedoch wirksam246. 240  Siehe

dazu Kapitel IV. Gebundene Entscheidung, S. 350 ff. dazu Kapitel IV. Gebundene Entscheidung, S. 350 ff. 242  Siehe zur Unterscheidung reiner Ordnungsvorschriften und Verfahrensvorschriften, sowie deren Fehlerfolgen Kapitel a) Rechtsnormcharakter der Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 429 ff. 243  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 58. 244  Dies zumindest für möglich, wenn auch nicht für zwingend erachtend, Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 5.4 S. 13. 245  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 58. 246  Nach hiesiger Ansicht hat die Rechtswidrigkeit ohnehin keine unmittelbare Auswirkung auf die Wirksamkeit des gefassten Beschlusses. Aber auch nach den ­Literaturstimmen, die im Fall ungerechtfertigter Öffentlichkeitsausschlüsse die Unwirksamkeit vertreten, soll im Fall der unzulässigen öffentlichen Behandlung die Wirksamkeit des Beschlusses nicht berührt werden, vgl. Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 83; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 14; 241  Siehe



II. Die unzulässige öffentliche Behandlung471

2. Sanktion: Schadensersatz und strafrechtliche Konsequenzen Wird eine Angelegenheit öffentlich beraten und entschieden, obwohl Ausschlusstatbestände einschlägig sind, folgt daraus die Rechtswidrigkeit des gefassten Beschlusses, weil dieser unter Missachtung einer zwingenden Verfahrensvorschrift zustande gekommen ist. Sind Voraussetzungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit gegeben, muss die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden247. Die Wirksamkeit des gefassten Beschlusses wird durch die Rechtswidrigkeit nicht berührt248. Eine Anfechtung eines solchen Beschlusses ist nicht möglich249, weil der Ausschluss der Öffentlichkeit im Nachhinein ohnehin nicht mehr hergestellt werden kann250. Wenn Betroffenen durch das rechtswidrige Verfahren der Gemeinde ein Schaden entstanden ist, begründet dies jedoch eine Ersatzpflicht der Gemeinde251. Die Ersatzpflicht richtet sich, wie auch beim ungerechtfertigten Öffentlichkeitsausschluss, nach den Grundsätzen der Amtshaftung gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG. Danach kommt ein Amtshaftungsanspruch insbesondere dann in Betracht, wenn unbefugt Geheimnisse verraten werden oder in die Privatsphäre eingegriffen wird252. Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 5; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 5.4 S. 13; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 37. 247  Siehe dazu Kapitel IV. Gebundene Entscheidung, S. 350 ff. 248  Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 183 m. w. N.; siehe dazu ausführlich im Kapitel 2. Sanktion: Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit?, S. 441 ff. 249  VGH München, Beschluss vom 14.03.2000 – 4 ZB 97.1313, 4 C 97.1396, Juris, Rn. 5; von Bechtolsheim/Betz, KommJur 2006, 1 (6); Blum, in: Blum/Häusler/ Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 63; Thiele, KommP N 1995, 36 (38); Pahlke, BayVBl. 2010, 357 (363); a. A. VG Göttingen, Beschluss vom 15.02.1996 – 5 A 57/04, KommP N 1996, 185 (186). 250  Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III 2 c) S. 676. 251  von Bechtolsheim/Betz, KommJur 2006, 1 (6); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 63; Gentner, in: Darsow u. a., Schweriner Kommentierung KV MV, § 29 Rn. 34; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/ Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 14; Pahlke, BayVBl. 2010, 357 (363); Rabeling, NVwZ 2010, 411 (412); Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 5; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 37; Thiele, in: Thiele, NKomVG, § 64 Ziff. 1 S. 183 m. w. N.; Thiele, KommP N 1995, 36 (38); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Zif. 5.4 S. 13; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III 2 c) S. 676. 252  BGH, Urteil vom 04.05.1972 – III ZR 171/68, BGHZ 58, 370 (379); Hufen/ Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 906; Blankenagel, DVBl. 1981, 15 (16); zur Möglichkeit der Verhängung eines Ordnungsgelds, wenn durch Mandatsträger

472

F. Rechtsfolgen von Verstößen

Entsteht der Kommune durch einen unzulässigen, öffentlichen Beschluss ein Schaden, handelt es sich um eine Selbstschädigung. Die Schadensverursachung ist im Verhalten der eigenen kommunalen Organe begründet. Da alle mit der Entscheidungsvorbereitung und Beschlussfassung befassten kommunalen Organe für eine rechtsfehlerfreie Beurteilung der Öffentlichkeit bzw. Nichtöffentlichkeit verantwortlich sind253, erscheint es zunächst unerheblich, welches Organ die konkrete Verantwortung – falsche Qualifizierung des Verhandlungsgegenstands, fehlende Beantragung einer nicht öffentlichen Behandlung oder keine Intervention beim Thematisieren zu schützender Informationen – trifft. Zu beachten ist jedoch, dass unter besonderen Voraussetzungen eine private Haftung der Beteiligten in Betracht kommt. Wird die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen, obwohl Ausschließungsgründe vorlagen, stellt dies zwar keine Ordnungswidrigkeit dar, kann jedoch auf Grund der damit verbundenen Verletzung der Vertraulichkeit strafrechtlich sanktioniert werden (§§ 203, 353b und 355 StGB)254. Den Makel der Rechtswidrigkeit kann dem Beschluss nur durch eine erneute Beschlussfassung unter Ausschluss der Öffentlichkeit genommen werden, weil die Nachholung der nicht öffentlichen Beratung gewährleistet, dass die Integrität der Willensbildung wieder hergestellt wird.

III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz Abschließend ist die Frage zu klären, wie die Einhaltung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit kontrolliert wird und wer auf welchem Weg die Einhaltung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit einfordern oder Verletzungen des Öffentlichkeitsgebots geltend machen kann, das heißt wer einen „Sank­ tionsanspruch“255 im Fall der Verletzung des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit hat. Im Hinblick auf einen formellen Öffentlichkeitsausschluss steht den Entscheidungsträgern bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für einen solchen gegeben sind, zwar ein Beurteilungsspielraum zu, die Entscheidung unterliegt jedoch in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfbarkeit256. gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen wird, siehe Wagner, in: Kleerbaum/ Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III 2 c) S. 676 f. m. w. N. 253  Siehe dazu Kapitel IV. Gebundene Entscheidung, S. 350. 254  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 20. 255  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 799 256  Bock, in: Kunze/Schmid, GemO BW, § 35 Rn. 13; Menke, in: Menke/Arens, SächsGemO, § 37 Rn. 3; Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 8; siehe dazu auch m. w. N. Kapitel  IV. Gebundene Entscheidung, S. 350 ff.



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz473

Gleiches gilt für die Frage, ob die Voraussetzungen der Sitzungsöffentlichkeit faktisch eingehalten wurden. Ein Sanktionsanspruch kann außergerichtlich oder gerichtlich geltend gemacht werden. Die Befugnis257, eine entsprechende Überprüfung zu initiieren, hängt von der individuellen Rechtsposition ab. Zu unterscheiden sind daher der Sanktionsanspruch von Privatpersonen, der Kommunalverwaltung, der Aufsichtsbehörde, der Mandatsträger und der Fraktionen. 1. Privatpersonen a) Außergerichtlicher Rechtsschutz Außergerichtlich stehen Privatpersonen kaum Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Verletzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit zu. aa) Widerspruchsverfahren Denkbar wäre eine außergerichtliche Beanstandung auf Verwaltungsebene, wie dies mit dem Widerspruchsverfahren aus dem Bereich der Verwaltungsakte bekannt ist. Es gibt aber weder auf Ebene der Kommunalverwaltung noch auf der Ebene der Aufsichtsbehörde ein Verfahren zur Meldung und Überprüfung von Verletzungen des Öffentlichkeitsgebots. Stellt ein Beschluss nicht auch zugleich einen Verwaltungsakt dar, gegen den eine Widerspruchsmöglichkeit eröffnet ist, scheidet außergerichtlicher Rechtsschutz aus258. Stellt ein Beschluss ausnahmsweise zugleich einen Verwaltungsakt dar, gegen den ein Widerspruch eingelegt werden kann, ist eine Heilung des Verstoßes gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit im Widerspruchsverfahren nicht möglich, so dass die Widerspruchsbehörde den Beschluss unter Zurückweisung an die Ausgangsbehörde aufheben muss259. bb) Aufsichtsbeschwerde Außerhalb der gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten besteht lediglich die Möglichkeit, Verstöße gegen das Gebot der kommunalen Sitzungsöffent257  Siehe

zum Begriff Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 798. nur der kleinste Teil kommunaler Beschlüsse unmittelbare Außenwirkung hat, wird auf das Widerspruchsverfahren im Folgenden nicht eingegangen. Zum Widerspruchsverfahren als Folge von Verfahrensfehlern im Detail beispielsweise Hufen/ Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 834 ff. 259  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 838. 258  Da

474

F. Rechtsfolgen von Verstößen

lichkeit im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Verwaltungsleiter bzw. Vorsitzenden zu rügen. Diesbezüglich ist jedoch zu beachten, dass Dienstaufsichtsbeschwerden nicht nur frist- und formlos geltend gemacht werden können, sondern in der Regel auch folgenlos sind. Ein Anspruch auf eine verwaltungsinterne Verfahrens- und Beschlusskon­ trolle steht Privatpersonen nicht zu. Gleiches gilt für das Einschreiten der Aufsichtsbehörde260. Diese können allenfalls durch Aufsichtsbeschwerden in Gang gesetzt werden261. b) Gerichtlicher Rechtsschutz Gerichtlicher Rechtsschutz setzt grundsätzlich die konkrete, individuelle Betroffenheit des Klägers voraus262. Eine allgemeine Rechtmäßigkeitskon­ trolle sieht das deutsche Recht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen vor263. Eine solche Ausnahme ist für die Einhaltung der kommunalen Sitzungs­ öffentlichkeit nicht normiert. Eine „abstrakte Normkontrolle“ kommunaler Beschlüsse etwa durch eine Popularklage gibt es nicht264. Entscheidend für die Klagebefugnis von Privatpersonen wegen der Verletzung des Öffentlichkeitsgebots ist damit, ob die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ihnen ein subjektiv-öffentliches Recht265 vermittelt. Ein subjektivöffentliches Recht besteht immer dann, wenn eine Norm nicht nur im Inte­ resse der Allgemeinheit besteht, sondern auch dem Einzelnen zu dienen bestimmt ist266. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ist ein Bündel von Verfahrensnormen zur Sicherstellung derselben. Ob und unter welchen Voraussetzungen Verfahrensnormen subjektive Rechte vermitteln, ist nicht abschließend geklärt267. Jedenfalls alle Normen, „die der Einbeziehung des Klägers selbst 260  OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 63; Kallerhoff, NWVBl. 1996, 53 (57) m. w. N.; zu den Kompetenzen der Aufsichtsbehörde siehe Kapitel 3. Aufsichtsbehörde, S. 485 ff. 261  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 833. 262  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 844. 263  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 36. 264  OVG Koblenz, Beschluss vom 17.01.1990 – 7 B 83/89, AS RP-SL 23, 1 in Juris: Rn. 3; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 36. 265  Siehe zur Funktion und Bedeutung des „subjektiv öffentlichen Rechts“, Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht § 8, Rn. 4. 266  Definition nach der so genannten Schutznormtheorie, Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8, Rn. 8; Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S.  57 ff. 267  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 849.



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz475

in das Verfahren dienen“268, sollen subjektiv-öffentliche Rechte beinhalten. Entgegen dem ersten Eindruck dieser Formulierung erhalten aber nicht alle Verfahrensnormen klägerschützende Wirkung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, „wenn die entsprechende Verfahrensnorm dem Wortlaut oder dem systematischen Zusammenhang nach den Schutz des Klägers im Verwaltungsverfahren bezweckt“269. In diesen Fällen erwächst der Verfahrensfehler als geschütztes (materielles) Recht270. Die Verletzung einer Verfahrensvorschrift ersetzt mithin nicht den Vortrag einer materiellen Rechtsverletzung271 – diese kann aber in der Verfahrensverletzung bestehen272. Es stellt sich damit die Frage, ob und ggf. welche der unter dem Begriff der Sitzungsöffentlichkeit zusammengefassten Verfahrensnormen subjektiv-öffentliche Rechte vermitteln. Im Folgenden wird dabei zwischen der primären und sekundären Ebene des Öffentlichkeitsgebots unterschieden. Primär folgen aus dem Öffentlichkeitsgebot verschiedenen Verfahrensanforderungen an die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Sitzung einer kommunalen Volksvertretung. Sekundär ergeben sich aus dem Öffentlichkeitsgebot bei Verstößen gegen dasselbe bestimmte Fehlerfolgen; insbesondere die Rechtswidrigkeit der ohne Rechtfertigung nicht öffentlich gefassten Beschlüsse. aa) Primäre Ebene: Teilnahmerecht Die Verfahrensanforderungen an die Vorbereitung und Durchführung der Sitzung sollen dem Einzelnen eine Teilnahme an den Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen ermöglichen. Das Öffentlichkeitsgebot besteht auf dieser Ebene daher nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern ist dem Einzelnen zu dienen bestimmt, indem es ihm ein Teilnahmerecht vermittelt. Dieses besteht in erster Linie aus dem Recht auf Zugang. Es umfasst aber auch eine Sitzungsvorbereitung und -durchführung, die eine tatsächliche Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 849. Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 850, 889. 270  Goerlich, NVwZ 1982, 607 (608); Hidien, Gemeindliche Betätigungen rein erwerbswirtschaftlicher Art und „öffentlicher Zweck“ kommunaler wirtschaftlicher Unternehmen, S.  70 ff.; Hufen, NJW 1982, 2160 (2162 ff.); Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 860 ff., zur weitergehenden Einschränkung der gericht­ lichen Kontrolle von Verfahrensfehlern durch die Unterscheidung von materiellem und formellem Charakter einer Schutznorm nach der derzeit herrschenden Auffassung, s. Rn. 861 m. w. N.; von Rosenberg, Probleme drittbelastender Verfahrensfehler im Rahmen des Baugenehmigungs- und des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens, S.  161 ff. 271  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 845. 272  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 891. 268  Hufen/Siegel, 269  Hufen/Siegel,

476

F. Rechtsfolgen von Verstößen

Teilnahme ermöglicht und die Rolle des Zuhörers nicht zu einer Farce werden lässt273. Daraus folgt, dass Privatpersonen ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Verfahrensanforderungen an die Vorbereitung und Durchführung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit haben274. Sie können mit dem Begehren, die kommunale Sitzungsöffentlichkeit soll durch die Beachtung ihrer Voraussetzungen eingehalten werden, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Rechtsschutz besteht dann hinsichtlich der konkret verletzten Verfahrensvorschrift. Der Kläger muss darlegen, dass seine Teilnahmerechte verletzt werden, z. B. weil er am Zugang zur Sitzung gehindert wird, ohne dass dafür eine Rechtfertigung besteht. (1) Bekanntmachungsfehler Eine besondere Bedeutung kommt dabei Bekanntmachungsfehlern zu. Sie „vereiteln das Recht der interessierten Öffentlichkeit auf Information“275 darüber, wann und zur Beratung welcher Themen die kommunale Volksvertretung zusammentritt. Dennoch soll es sich nach Wachsmuth bei der Bekanntmachungspflicht nur um ein „Reflexrecht“ der Bevölkerung handeln, welches nicht auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden könne276. Zutreffen ist, dass die Bekanntmachung zwingende Voraussetzung der Sitzungsöffentlichkeit ist und sie insofern als Reflexrecht bezeichnet werden kann. Dies schließt jedoch nicht aus, dass es sich um ein subjektiv-öffent­ liches Recht handelt, welches im Fall seiner Verletzung die Klagebefugnis der Betroffenen begründet. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit vermittelt jedem Einzelnen einen individuellen Anspruch auf Zugang277. Die Geltendmachung dieses Zugangsrechts setzt, über das tatsächliche „Betreten-Können“ und „Betreten-Dürfen“ des Sitzungsraums, die Kenntnis, wann, wo und

273  Siehe zu den Voraussetzungen im Einzelnen Kapitel II. Tatsächliche Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, S. 147 ff. 274  Entsprechendes vertritt Kißler auf Grund ihrer faktischen Bedeutung für die Sitzungsöffentlichkeit auch für „die Medien“, Kißler, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S. 993 Rn. 24; a. A. Glaser/Hermann/Marcic-Schaller u. a., in: Helmreich/Grasser, GO BY, Art. 52 Rn. 14 mit Verweis auf VGH München, Beschluss vom 04.11.2002 – 15 CS 02.2193, Juris. 275  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 5.2 S. 12. 276  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 5.2 S. 12; so i. E. auch Verwaltungsgericht Schleswig, Die Gemeinde 2013, 240 (240). 277  Siehe im Einzelnen im Kapitel 2. Das Recht der Sitzungsteilnahme, S. 248.



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz477

mit welchem Inhalt Sitzungen der kommunalen Volksvertretung stattfinden, voraus. Aus diesem systematischen Zusammenhang ergibt sich eine unmittelbare, individuelle Schutzfunktion der Bekanntmachungspflicht. Sie stellt sicher, dass das Recht auf Information über das Stattfinden von Sitzungen und das Teilnahmerecht an diesen nicht dadurch ausgehöhlt werden kann, dass die Sitzungen im Geheimen stattfinden. Daraus ergibt sich der subjektiv-öffent­ liche Charakter der Bekanntmachungspflicht. Wird die Bekanntmachungspflicht verletzt, so dass durch Unkenntnis eine Sitzungsteilnahme verhindert wird, kann diese Beeinträchtigung der Sitzungsöffentlichkeit gerichtlich geltend gemacht werden278. Dem steht auch § 44a VwGO nicht entgegen, denn ein effektiver Rechtsschutz darf nicht ausgeschlossen werden279. Praktisch dürfte die Zulässigkeit einer auf diesen Verstoß gestützten Klage aber auf Grund fehlenden Rechtsschutzinteresses in der Regel unzulässig sein. Denn entweder wird der Bekanntmachungsfehler vor der Sitzung entdeckt und gerügt, dann aber hat der Betroffene Kenntnisse von der Sitzung und kann eine Hinderung seiner Teilnahme – denn nur diese Beeinträchtigung kann er vorbringen – durch den Bekanntmachungsfehler nicht darlegen oder der Fehler wird erst nach der Sitzung gerügt. In diesem Fall wird eine Klage jedoch nur unter der Voraussetzung einer Wiederholungsgefahr des Verstoßes Aussicht auf Erfolg haben. Legt die Kommune dar, dass es sich um ein Versehen handelte und die Bekanntmachungen sonst ordnungsgemäß erfolgen, wird eine Wiederholungsgefahr kaum erkennbar sein. Auch wenn aus einem Bekanntmachungsfehler die Rechtswidrigkeit der gefassten Beschlüsse folgt280, kann deren Aufhebung durch Privatpersonen nicht geltend gemacht werden – selbst wenn diese auf Grund des Bekanntmachungsfehlers an einer Sitzungsteilnahme gehindert waren, denn aus dem Anspruch, durch eine fehlerfreie Bekanntmachung informiert zu werden, folgt kein Recht des Einzelnen auf eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der von der kommunalen Volksvertretung gefassten Beschlüsse281.

278  A. A. Verwaltungsgericht Schleswig, Die Gemeinde 2013, 240 (240), das davon ausgeht, dass das Öffentlichkeitsprinzip generell keine subjektiven Rechtsposi­tionen vermittelt. 279  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 992 ff., 1000. 280  Siehe dazu Kapitel 1. Fehlerfolge: Rechtswidrigkeit, S. 428 ff. 281  Siehe dazu im Detail Kapitel  bb) Sekundäre Ebene: Beschlusskontrolle, S. 479 ff.

478

F. Rechtsfolgen von Verstößen

(2) Nachwirkung Entgegen der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts RheinlandPfalz, dass das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit auf das Zugangsrecht während der Sitzung beschränkt ist und daraus folge, dass sich dieses mit Sitzungsschluss erledige282, entfaltet die kommunale Sitzungs­ öffentlichkeit auch eine Nachwirkung. Diese kommt sowohl durch die Bekanntmachungspflicht gefasster Beschlüsse als auch insbesondere in Form des Einsichtsrechts in die (öffentlichen) Sitzungsprotokolle zum Ausdruck283. Wird die Einsicht in die Niederschriften öffentlicher Sitzungen verweigert, stellt auch dies die Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechts der Bürger auf die Sitzungsöffentlichkeit dar. Auf Grund der Informationsfreiheitsgesetze, die eine Einsichtnahme zweifelsfrei als subjektiv-öffentliches Recht Einzelner verbriefen, dürfte der Rechtsanspruch aus dem Öffentlichkeitsgebot jedoch praktisch keine Relevanz mehr besitzen.284 (3) Statthafte Klageart Da es sich bei der Verletzung des Öffentlichkeitsgebots um eine öffentlichrechtliche Fragestellung nicht verfassungsrechtlicher Art handelt, kann gerichtlicher Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten gesucht werden. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem konkreten Klagebegehren: Soll im Vorfeld einer Beratung festgestellt werden, dass diese öffentlich stattzufinden hat, ist eine Verpflichtungs- oder Feststellungsklage zu erheben285. Ist vor einer Sitzung eine ordnungsrechtliche Maßnahme zu überprüfen, ist die Anfechtungsklage statthaft. Steht nach einer unzulässigen nicht öffentlichen Beratung eine Wiederholung der Beratung im Raum – gleich ob dies konkret individuell gegenüber einem Zuhörer erfolgt oder abstrakt generell für die Allgemeinheit –, muss 282  OVG Koblenz, Beschluss vom 17.01.1990 – 7 B 83/89, AS RP-SL 23, 1 (2); dem folgend Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 59. 283  Siehe insgesamt zu den Anforderungen aus dem Öffentlichkeitsgebot an die Sitzungsnachbereitung Kapitel 3. Sitzungsnachbereitung, S. 226. 284  Zum Recht auf Akteneinsicht als subjektiv-öffentliches Recht, siehe auch Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 851. 285  Zur Geltendmachung des Zutrittsanspruchs Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 64; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 59.



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz479

eine (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erhoben werden286. In Betracht kommt auch ein Antrag im einstweiligen Rechtsschutz. Soll lediglich die Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit in der Vergangenheit festgestellt werden, ohne dass ein in die Zukunft gerichteter Antrag gestellt wird, ist diese Klage in Ermanglung eines Rechtsschutzinteresses unzulässig. bb) Sekundäre Ebene: Beschlusskontrolle Auf der sekundären Ebene des Öffentlichkeitsgebots lässt sich hingehen kein subjektiv-öffentliches Recht Einzelner feststellen. Zwar ist auch Einzelnen ein Interesse an der Rechtmäßigkeit der durch kommunale Volksvertretungen gefassten Beschlüsse zuzugestehen, dieses geht jedoch nicht über das Interesse der Allgemeinheit hinaus. Die Wirkung der Rechtswidrigkeit eines Beschlusses wegen eines Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften des Öffentlichkeitsgebots erschöpft sich in der objektiven Betroffenheit der Allgemeinheit. Eine individuelle Betroffenheit Einzelner besteht nur in Form der Verletzung ihres Rechtsempfindens ohne dass davon einklagbare (mithin subjektiv-öffentliche) Rechte betroffen sind. Auf der sekundären Ebene besteht das Öffentlichkeitsgebot mithin nur im Interesse der Allgemeinheit und ist nicht auch Einzelnen zu dienen bestimmt. Eine gerichtliche Kontrolle rechtswidriger Beschlüsse wegen des Verstoßes gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit kann durch Privatpersonen daher grundsätzlich nicht initiiert werden287. Vom diesem Grundsatz besteht dann eine Ausnahme, wenn Einzelne durch den unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot gefassten Beschluss auch in eigenen Rechten verletzt werden288. Dies kann in zwei Konstellationen der Fall sein: Eine gerichtliche Beschlusskontrolle auch im Hinblick auf die Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes kann durch Einzelne angestoßen 286  OVG Koblenz, Beschluss vom 17.01.1990 – 7 B 83/89, AS RP-SL 23, 1 Rn. 3; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 59; zur Fortsetzungsfeststellungsklage als Fehlersanktion siehe Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 901. 287  VG Schleswig, Beschluss vom 23.01.2013 – 6 B 1/13, Die Gemeinde 2013, 240 (240); Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 9; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 36. 288  OVG Koblenz, Beschluss vom 17.01.1990 – 7 B 83/89, AS RP-SL 23, 1 (2); VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.2000 – 14 S 237/99, NVwZ-RR 2001, 462 (463); Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 64; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 311  f. Rn. 475; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 15.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

werden, wenn der Beschluss unmittelbare Außenwirkung hat oder wenn es auf ihn im Rahmen eines anderen Rechtsschutzbegehrens ankommt, er mithin inzident geprüft werden muss. (1) Beschluss mit unmittelbarer Außenwirkung Im Fall der unmittelbaren Außenwirkung können Einzelne eine direkte gerichtliche Überprüfung eines Beschlusses anstrengen. Die Voraussetzung dafür ist, dass es sich bei dem Beschluss um einen Verwaltungsakt handelt. In diesem Fall kann der Adressat des Verwaltungsakts eine gerichtliche Prüfung des Beschlusses im Wege der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage gem. § 42 VwGO begehren289. In diesen Fällen hat eine Klage auch aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 1 VwGO. Sollte durch den Beschluss die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet worden sein, ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 4 VwGO statthaft290. Wird durch einen Satzungsbeschluss ein Nachteil erlitten oder erwartet, kommt auch ein Normkontrollverfahren nach § 47 VwGO in Betracht291. Adressat eines solchen Beschlusses können nicht nur Bürger sein, sondern auch der Verwaltungsleiter einer Kommune, sowie einzelne Mandatsträger, beispielsweise wenn diese durch einen Beschluss von der Sitzung ausgeschlossen werden. Zu beachten ist, dass das Überprüfungsrecht auch in diesen Fällen nicht aus einer Rechtsstellung, die das Öffentlichkeitsgebot vermittelt, erfolgt, sondern Ausfluss der konkreten, individuellen Betroffenheit durch den Beschlussinhalt ist. (2) Inzidente Prüfung Ähnliches gilt für eine inzidente Prüfung. Wird auf Grundlage eines Satzungsbeschlusses ein Verwaltungsakt erlassen, kann der Adressat des Verwaltungsakts diesen gerichtlich überprüfen lassen. Dabei wird auch die Rechtmäßigkeit der Satzung als Rechtsgrundlage für den Verwaltungsakt kontrolliert292. Zu denken ist zum Beispiel an die Kontrolle eines Bebauungsplans im Rahmen einer Klage bezüglich einer Baugenehmigung. Grundlage der 289  Höhlein,

S. 23.

in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 5.2 Der Gemeinderatsbeschluss, S. 137 ff. in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 5.2

290  Heermann, 291  Höhlein,

S. 23.

292  VGH Mannheim, Urteil vom 18.06.1980 – III 503/79, VBlBW 1980, 33 (34); VGH Mannheim, Urteil vom 16.06.1981 – 3 S 271/81, HSGZ 1985, 124 (125); VGH



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz481

inzidenten Prüfung ist folglich kein subjektiv-öffentliches Recht, das aus dem Öffentlichkeitsgebot folgt, sondern allein die rechtliche Betroffenheit des Klägers auf Grund des – auf Basis des gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz verstoßenden Beschlusses – erlassenen Verwaltungsakts. Für eine Klagebefugnis einzelner Bürger muss zu der Verletzung des Öffentlichkeitsgebots folglich eine konkrete, individuelle Betroffenheit hinzutreten. In diesen Fällen besteht ein anderes subjektiv-öffentliches Recht unter dessen Deckmantel das Öffentlichkeitsgebot geprüft wird, ohne dass das Gebot selber eine subjektive Wirkung entfaltet. cc) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass einzelne Bürger Rechtsschutz gegen die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots nur dann erlangen können, wenn sie konkret individuell betroffen sind. Dies kann unmittelbar durch die Verletzung des Teilnahmerechts an der Sitzung oder mittelbar durch einen Beschluss, der sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, geschehen. Das Öffentlichkeitsgebot vermittelt den Bürgern über das Teilnahmerecht hinaus kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Sitzungsöffentlichkeit293. Der Einzelne hat daher keine Befugnis, eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle anzustrengen. Gegen rechtswidrige – weil unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot gefasste – Beschlüsse kann daher durch Einzelne nur insoweit Rechtsschutz erlangt werden, als deren konkret individuelle Betroffenheit durch den jeweiligen Beschluss berüht ist294. Wird auf Grund der Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit Schadensersatz geltend gemacht, sind die ordentlichen Gerichte zuständig. 2. Verwaltungsleitung Durch seinen Einfluss auf die Tagesordnung kann der Verwaltungsleiter bereits im Rahmen der Sitzungsvorbereitung dafür Sorge tragen, dass das kommunale Öffentlichkeitsgebot ausreichend beachtet wird295. Werden daMannheim, Urteil vom 08.08.1990 – 3 S 132/90, NVwZ 1991, 284 (284); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 5.2 S. 23. 293  OVG Münster, Beschluss vom 28.10.2010 – 15 A 3225/08, openJur, Rn. 8; Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III 1 c) S. 674. 294  OVG Koblenz, Beschluss vom 17.01.1990 – 7 B 83/89, AS RP-SL 23, 1 (1); Höhlein, in: Gabler/Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 5.2 S. 23. 295  Siehe Kapitel IV. Gebundene Entscheidung, S. 350 f.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

bei Verstöße verkannt oder können diese auf Grund des entgegenstehenden Willens der kommunalen Volksvertretung nicht verhindert werden, beispielsweise weil diese ohne Rechtfertigung den Ausschluss der Öffentlichkeit beschließt, sind die betroffenen Beschlüsse rechtswidrig296. Dem Verwaltungsleiter stehen für die Rechtmäßigkeitskontrolle und die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Verletzungen des Öffentlichkeitsgebots die Instrumente, die gegen rechtswidrige Beschlüsse vorgesehen sind, zur Verfügung. a) Widerspruchs- bzw. Beanstandungsverfahren Rechtswidrige Beschlüsse der kommunalen Vertretungskörperschaften unterliegen in allen Bundesländern einer außergerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Es handelt sich dabei um ein mehrstufiges verwaltungsinternes Prü­fungsverfahren. Auf der ersten Stufe ist der rechtswidrige Beschluss zu rügen (Widerspruch, Beanstandung, Einspruch oder Mitteilung durch den Bürgermeister oder Hauptverwaltungsbeamten)297. Die Rüge erfolgt grundsätzlich gegenüber der Vertretungskörperschaft bzw. deren Vorsitzendem298. Abhängig vom Bundesland sind unterschiedliche Fristen einzuhalten299. Lediglich in 296  Siehe

Kapitel 1. Fehlerfolge: Rechtswidrigkeit, S. 428 ff. Abs. 2 S. 1 GemO BW, Widerspruch durch Bürgermeister bei Gesetzwidrigkeit; Art. 59 Abs. 2 GO BY, Beanstandung durch Bürgermeister bei Rechtswidrigkeit; § 55 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf, Beanstandung durch Hauptverwaltungsbeamte bei Rechtswidrigkeit; § 63 Abs. 1 S. 1 HGO, Widerspruch durch Bürgermeister bei Rechtsverletzung; § 33 Abs. 1 S. 1 KV M-V, Widerspruch durch Bürgermeister bei Rechtsverletzung; § 88 Abs. 1 S. 2 NKomVG, Einspruch durch Hauptverwaltungsbeamter bei Rechtswidrigkeit (Alternativ: Unterrichtung der Kommunalaufsicht); § 54 Abs. 2 S. 2 GO NRW, Beanstandung durch Bürgermeister bei Rechtsverletzung; § 42 Abs. 1 GemO RP, Mitteilung durch Bürgermeister bei Gesetz- oder Rechtswidrigkeit; § 60 Abs. 1 S. 1 KSVG SL, Widerspruch durch Bürgermeister bei Rechtswidrigkeit; § 52 Abs. 2 S. 1 SächsGemO, Widerspruch durch Bürgermeister bei Rechtswidrigkeit; § 65 Abs. 3 S. 1 KVG LSA, Widerspruch durch Hauptverwaltungsbeamter bei Rechtswidrigkeit; § 43 Abs. 1 GO SH, Widerspruch durch Bürgermeister bei Rechtsverletzung; § 44 S. 1 ThürKO, Beanstandung durch Bürgermeister bei Rechtswidrigkeit. 298  Siehe zum Beispiel § 43 Abs. 2 S. 2 GemO BW, Gemeinderat; § 55 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf, in der Sitzung der Gemeindevertretung gegenüber dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung; § 63 Abs. 1 S. 3 HGO, gegenüber dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung; § 54 Abs. 2 S. 3 GO NRW, Rat; § 42 Abs. 1 GemO RP, Gemeinderat; § 52 Abs. 2 S. 1 SächsGemO, Gemeinderäte; § 65 Abs. 3 S. 3 KVG LSA, Vorsitzender der Vertretung; § 43 Abs. 4 GO SH, Vorsitzender der Gemeindevertretung oder in ehrenamtlich verwalteten Gemeinden erster Stellvertreter des Bürgermeisters; § 44 S. 1 ThürKO, Gemeinderat. 299  § 43 Abs. 2 S. 2 GemO BW, binnen einer Woche nach Beschlussfassung; § 55 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf, unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach 297  § 43



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz483

Bayern und in Nordrhein-Westfalen sind keine Ausschlussfristen normiert. Die Rüge entfaltet aufschiebende Wirkung300. Der Beschluss darf – sofern er vollzugsbedürftig ist – folglich nicht umgesetzt werden. Die Rüge hat außerdem zur Folge, dass sich die kommunale Vertretungskörperschaft mit dem Beschluss erneut zu befassen hat301. Sollte der Grund für die Rüge dabei nicht beseitigt werden, ist auf der nächsten Stufe grundsätzlich die Aufsichtsbehörde einzuschalten302. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wird die Aufsichtsbehörde erst nach einer weiteren Rüge des neuen bzw. bestätigten rechtswidrigen Beschlusses eingeschaltet303. Vorlage der Niederschrift; § 63 Abs. 1 S. 3 HGO, unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Beschlussfassung; § 33 Abs. 1 S. 3 KV M-V, binnen zwei Wochen nach Beschlussfassung; § 88 Abs. 1 S. 1 NkomVG, unverzüglich; § 42 Abs. 1 2. Hs. GemO RP, in der nächsten Sitzung, spätestens zwei Monate nach Aussetzung des Vollzugs; § 60 Abs. 3 KSVG SL, unverzüglich; § 52 Abs. 2 S. 2 SächsGemO, unverzüglich, spätestens binnen einer Woche nach Beschlussfassung; § 65 Abs. 3 S. 3 KVG LSA, binnen zwei Wochen ab Kenntnis; § 43 Abs. 2 S. 1 GO SH, innerhalb von zwei Wochen nach Beschlussfassung; § 44 S. 1 ThürKO, innerhalb eines Monats nach der Entscheidung. 300  § 43 Abs. 2 S. 3 GemO  BW; Art. 59 Abs. 2 GO BY; § 55 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf; § 63 Abs. 1 S. 4 HGO; § 33 Abs. 1 S. 3 KV M-V; § 88 Abs. 1 S. 5 NKomVG; § 54 Abs. 2 S. 2 GO NRW; § 42 Abs. 1 GemO RP; § 60 Abs. 3 KSVG SL; § 52 Abs. 2 S. 3 SächsGemO; § 65 Abs. 3 S. 4 KVG LSA; § 43 Abs. 2 S. 2 2. Hs. GO SH; § 44 S. 1 ThürKO. 301  § 43 Abs. 2 S. 4 GemO BW, Einberufung einer Sitzung zur erneuten Beschlussfassung der Angelegenheit innerhalb von drei Wochen; By: keine Verfahrensangaben; § 55 Abs. 1 S. 4 BbgKVerf, erneute Entscheidung spätestens in nächster ordentlicher Sitzung; § 63 Abs. 1 S. 5 HGO, erneute Beschlussfassung in neuer Sitzung mindestens drei Tage nach erster Beratung; § 33 Abs. 1 S. 5 KV M-V, Beschlussfassung in nächster Sitzung; § 88 Abs. 1 S. 3 NkomVG, Beratung in neuer Sitzung, frühstens drei Tage nach vorheriger; § 54 Abs. 2 S. 3, 4 GO NRW, „Verbleibt der Rat bei seinem Beschluß“ setzt Beratung der Mitteilung druch den Rat voraus; § 42 Abs. 1 GemO RP, Beratung in nächster Sitzung, spätestens innerhalb eines Monats nach Aussetzung; § 60 Abs. 1 S. 2 KSVG SL, „hält der Gemeinderat seinen Beschluß aufrecht“ setzt erneute Beratung voraus; § 52 Abs. 2 S. 4 SächsGemO, erneute Beratung spätestens vier Wochen nach erster Sitzung/Widerspruch durch Bürgermeister bei Rechtswidrigkeit; § 65 Abs. 3 S. 5 KVG LSA, erneute Beratung; § 43 Abs. 2 S. 3 GO SH, erneute Beschlussfassung; § 44 S. 1 ThürKO, erneute Beratung in der nächsten Sitzung innerhalb eines Monats nach der Entscheidung. 302  § 43 Abs. 2 S. 5 GemO BW; Art. 59 Abs. 2 GO BY, „soweit erforderlich [ist] die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde (Art. 110) herbeizuführen“; § 88 Abs. 1 S. 6 NKomVG; § 54 Abs. 2 S. 4 GO NRW; § 42 Abs. 2 S. 1 GemO RP, § 60 Abs. 1 S. 2 KSVG SL; § 52 Abs. 2 S. 5 SächsGemO; § 65 Abs. 3 S. 5 KVG LSA; § 44 S. 2 ThürKO; zu den Kompetenzen der Aufsichtsbehörde siehe Kapitel 3. Aufsichtsbehörde, S. 485 ff. 303  § 55 Abs. 1 S. 8, 10 BbgKVerf; § 33 Abs. 2 KV M-V.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

In Hessen und Schleswig-Holstein ist keine Überleitung an die Aufsichtsbehörde vorgesehen. Wird auch einer zweiten Beanstandung nicht gefolgt, ist unmittelbar der Verwaltungsrechtsweg eröffnet304. Dem Bürgermeister bzw. Hauptverwaltungsbeamten steht kein Ermessen darüber zu, ob er die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots rügt. Nach dem Wortlaut aller Regelungen besteht die Pflicht, Beschlüsse mittels Widerspruch bzw. Beanstandung zu rügen, wenn diese „Recht verletzten“305, „ge­ setzes-“306 und307/oder „rechtswidrig“308 sind. In einigen Bundesländern obliegt es dem Verwaltungsleiter zu entscheiden, ob er einen gefassten Beschluss rügt, wenn dieser lediglich „nachteilig“309 ist oder das „Wohl der Gemeinde [nur] gefährdet“310. Der Einschätzungsspielraum bei lediglich nachteiligen Beschlüssen bestätigt im Umkehrschluss, dass rechts- oder gesetzwidrige Beschlüsse gerügt werden müssen. Es besteht dafür mithin nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht. Dem Verwaltungsleiter obliegt ungeachtet seiner Betroffenheit eine Rechtmäßigkeitskontrolle der von der kommunalen Volksvertretung gefassten Beschlüsse. Dementsprechend muss auch ein wegen eines Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot rechtswidriger Beschluss gerügt werden311, selbst wenn durch diesen keine subjektivöffentlichen Rechte des Verwaltungsleiters verletzt werden312. b) Gerichtlicher Rechtsschutz Eine gerichtliche Überprüfung der Beschlüsse der kommunalen Volksvertretung kann der Verwaltungsleiter grundsätzlich nicht anstrengen. Etwas anderes gilt nur insoweit der Beschluss ein an den Verwaltungsleiter gerichteter Verwaltungsakt ist. Denkbar ist darüber hinaus ein Kommunalverfassungsstreit, in dem sich der Verwaltungsleiter gegen das fehlende Einschreiten der Aufsichtsbehörde wendet. 304  § 63

Abs. 2 HGO; § 43 Abs. 3 GO SH. Abs. 1 S. 1 HGO; § 33 Abs. 1 S. 1 KV M-V; § 54 Abs. 2 S. 1 GO NRW; § 43 Abs. 1 GO SH. 306  § 43 Abs. 2 S. 1 1. Hs. BW. 307  § 42 Abs. 1 S. 1 GemO RP. 308  Art. 59 Abs. 2 GO BY; § 55 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf; § 88 Abs. 1 S. 2 KKomVG; § 69 Abs. 1 S. 1 KSVG  SL; § 52 Abs. 2 S. 1 1. Hs. SächsGemO; § 65 Abs. 3 S. 1 KVG LSA; § 44 ThürKO. 309  § 43 Abs. 2 S. 2 GemOBW; § 52 Abs. 2 S. 1 2. Hs. SächsGemO. 310  § 63 Abs. 1 S. 2 HGO; § 33 Abs. 1 S. 2 KV M-V; § 54 Abs. 1 S. 1 GO NRW. 311  Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 9. 312  Entsprechendes gilt auch für den Gemeindevorstand bzw. die Aufsichtsbehörde, siehe Dehn, in: Bülow u. a., KVR SH, GO SH, § 35 Rn. 9; Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 36. 305  § 63



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz485

3. Aufsichtsbehörde Die Kommunen stehen unter der Aufsicht des Staates. Diese wird in Form der Eigenkontrolle der Verwaltung durch die Aufsichtsbehörden wahrgenommen313. a) Prävention Erlangt die Aufsichtsbehörde bereits im Vorfeld einer Sitzung Kenntnis von Umständen, die eine Verletzung des Öffentlichkeitsgebots zur Folge haben, kann sie die Kommunalverwaltung durch eine Anordnung anweisen, die Sitzung unter Einhaltung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit durchzuführen314. Voraussetzung für eine Anordnung ist, dass die Kommune eine ihr gesetzlich obliegende Pflicht nicht erfüllt. Die Einhaltung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit stellt eine der Kommune gesetzlich obliegende Pflicht dar. Eine Anordnung der Aufsichtsbehörde kann sich daher sowohl auf einzelne Tagesordnungspunkte als auch auf die Durchführungsmodalitäten einer ganzen Sitzung beziehen. In Nordrhein-Westfalen kann – außer mit der allgemeinen Anordnungsbefugnis – im Vorfeld von Verstößen gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit gegen diese auch mittels einer Beanstandungsmöglichkeit von Anordnungen des Bürgermeisters gegenüber dem Rat interveniert werden, § 122 Abs. 2 GO NRW. Zu beachten ist dabei, dass diese Befugnis nicht geeignet ist, um Vorbereitungsmängel der Sitzung, in der die Rüge behandelt wird, zu beseitigen. Überdies können nicht öffentliche Tagesordnungspunkte nicht ohne eine erneute Bekanntmachung in den öffentlichen Teil verschoben werden315. Eine Beanstandung gegenüber dem Rat im Fall einer falschen Qualifizierung eines Tagesordnungspunkts bei der Aufstellung der Tagesordnung kann daher nur mit dem Ziel erfolgen, eine Beschlussfassung in dieser Sitzung zu verhindern. Mithin wird auch in Nordrhein-Westfalen eine Anordnung, mit der die Öffentlichkeitsmängel noch im Vorfeld einer Sitzung so beseitigt werden können, dass eine Beschlussfassung möglich ist, vorzugswürdig sein. Dies kann beispielsweise durch die Anweisung, die Tagesord313  Hellermann, in: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in NRW, S.  117 Rn. 74. 314  § 122 GemO BW; Art. 112 S. 2 GO BY; § 115 BbgKVerf; § 139 HGO; § 82 Abs. 1 KV M-V; § 174 Abs. 1 NKomVG; § 123 Abs. 1 GO NRW; § 122 GemO RP; § 132 KSVG SL; § 115 SächsGemO; § 147 KVG LSA; § 124 Abs. 1 GO SH; § 121 Abs. 1 S. 2 ThürKO. 315  Siehe Kapitel (7) Verschiebung eines Tagesordnungspunkts vom nicht öffent­ lichen in den öffentlichen Teil einer Sitzung, S. 215 ff.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

nung mit dem richtig qualifizierten Tagesordnungspunkt erneut öffentlich bekanntzumachen, erfolgen. b) Folgenbeseitigung Erlangt die Aufsichtsbehörde nicht bereits im Vorfeld eines Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot Kenntnis von diesem, hat sie die Möglichkeit die Rechtswidrigkeitskonsequenz zu beseitigen. Sie kann dazu rechtswidrige Beschlüsse beanstanden316. Dies kann aus eigenem Antrieb oder nach Hinweis durch den Verwaltungsleiter erfolgen. Im letzten Fall handelt es sich um eine Stufe des Kontrollverfahrens durch den Verwaltungsleiter317. Im ersteren um die Wahrnehmung der unmittelbar der Aufsichtsbehörde zukommenden Rechtmäßigkeitskon­ trolle. In beiden Fällen steht der Aufsichtsbehörde im Gegensatz zum Verwaltungsleiter ein Ermessen zu318. Die Beanstandung setzt voraus, dass es sich um einen das Gesetz oder Recht verletzenden bzw. rechtswidrigen Beschluss handelt319. Inhalt der Beanstandung ist das Verlangen, dass die Kommune den Beschluss innerhalb einer angemessenen Frist aufhebt. Abweichend davon besteht die Beanstandung in Hessen unmittelbar in der Aufhebung des Beschlusses, § 138 HGO.

316  § 121 Abs. 1 S. 1 GemO  BW; Art. 112 S. 1 GO BY; § 113 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf; § 138 HGO, „kann […] aufheben“; § 81 Abs. 1 S. 1 KV M-V; § 173 Abs. 1 S. 1 NKomVG; § 122 Abs. 1 S. 1 GO NRW; § 121 S. 1 GemO RP; § 130 S. 1 KSVG SL; § 114 Abs. 1 S. 1 SächsGemO; § 146 Abs. 1 S. 1 KVG  LSA; § 123 Abs. 1 S. 1 GO  SH; § 121 Abs. 1 S. 1 ThürKO; Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 5.2 S. 12. 317  Siehe dazu Kapitel 2. Verwaltungsleitung, S. 481 ff. 318  Nach dem übereinstimmenden Wortlaut in allen Bundesländern „kann“ die Aufsichtsbehörde beanstanden. Sie hat folglich ein Recht zu beanstanden, jedoch keine Pflicht. Eine Pflicht könnte nur dann angenommen werden, wenn es hieße sie „muss“ oder „hat zu“ beanstanden. Zur Rügepflicht des Verwaltungsleiters, siehe Kapitel 2. Verwaltungsleitung, S. 481 ff. 319  § 121 Abs. 1 S. 1 GemO BW, Beschlüsse, „die das Gesetz verletzen“; Art. 112 S. 1 GO BY, „rechtswidrige Beschlüsse“; § 113 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf, „rechtswidrige Beschlüsse“; § 138 HGO, Beschlüsse, „die das Recht verletzen“; § 81 Abs. 1 S. 1 KV M-V, „rechtswidrige Beschlüsse“; § 173 Abs. 1 S. 1 NkomVG, „wenn die das Gesetz verletzen“; § 122 Abs. 1 S. 1 GO NRW, Beschlüsse, „die das geltende Recht verletzen“; § 121 S. 1 GemO RP, Beschlüsse, „die das bestehende Recht verletzen“; § 130 S. 1 KSVG SL, Beschlüsse, „die das geltende Recht verletzen“; § 114 Abs. 1 S. 1 SächsGemO, Beschlüsse, „die das Gesetz verletzen“; § 146 Abs. 1 S. 1 KVG LSA, Beschlüsse, „die das Gesetz verletzen“; § 123 Abs. 1 S. 1 GO SH, Beschlüsse, „die das Recht verletzen“; § 121 Abs. 1 S. 1 ThürKO, „rechtswidrige Beschlüsse“.



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz487

Es steht dabei im Ermessen der Aufsichtsbehörde, ob sie einschreitet320. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, ob der rechtswidrige Beschluss und die auf ihm beruhenden zwischenzeitlich getroffenen Veranlassungen tatsächlich noch rückgängig gemacht werden können und welche Folgen dies auslösen würde. Denkbar sind beispielsweise Schadensersatzpflichten der Kommune, wenn Rechtsbeziehungen mit Dritten eingegangen wurden321. Für die Ausübung des Beanstandungsrechts bestehen grundsätzlich keine Fristen. Lediglich in Hessen, wo die Beanstandung durch die Aufhebung des rechtswidrigen Beschlusses erfolgt, darf diese lediglich innerhalb von sechs Monaten nach der Beschlussfassung erfolgen. Die Beanstandung hat eine aufschiebende Wirkung in der Weise, dass ein von der Aufsichtsbehörde beanstandeter Beschluss nicht ausgeführt werden darf322. Bestehen Zweifel über die Notwendigkeit einer Beanstandung, existiert in einigen Bundesländern die Möglichkeit, bereits vor der Beanstandung zur Prüfung der Voraussetzungen die Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses für ein bis maximal zwei Monate zu verfügen323. Wird der Beanstandung nicht gefolgt, hat die Aufsichtsbehörde die Kompetenz zur Aufhebung des rechtswidrigen Beschlusses324. Eine gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit der Aufsichtsbehörde erübrigt sich daher. Ein Bedürfnis für den gerichtlichen Rechtsschutz besteht seitens der Staatsaufsicht auf Grund ihrer Aufhebungskompetenz rechtswidriger Beschlüsse nicht. Das Verfahren ist so aufgebaut, dass im Zweifel die betroffene Kommune Klage gegen die Aufsichtsbehörde erheben muss. 320  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 63. 321  Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 63. 322  § 121 Abs. 1 S. 3 GemO  BW; By: keine aufschiebende Wirkung; § 113 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf; § 138 HGO, entfällt, da Beanstandung in Aufhebung besteht; § 81 Abs. 1 S. 2 KV M-V; § 173 Abs. 1 S. 2 NKomVG; keine aufschiebende Wirkung; § 121 S. 3 GemO RP; § 130 S. 2 KSVG SL; § 114 Abs. 1 S. 3 SächsGemO; § 146 Abs. 1 S. 3 KVG LSA; § 123 Abs. 1 S. 3 GO SH; TH: keine aufschiebende Wirkung. 323  § 113 Abs. 2 BbgKVerf, einstweilige Beanstandung, max. zwei Monate; § 81 Abs. 3 S. 1 KV M-V, Aussetzung, max. ein Monat; § 114 Abs. 2 SächsGemO, vorläufige Maßnahme, max. ein Monat,; § 123 Abs. 2 GO SH, einstweilige Anordnung, max. ein Monat. 324  § 123 GemO BW, Ersatzvornahme; Art. 113 S. 1 GO BY, Ersatzvornahme; § 114 BbgKVerf, Aufhebung; § 138 HGO, Aufhebung; § 81 Abs. 2 S. 1 KV M-V, Aufhebung; § 174 Abs. 2 NkomVG, Ersatzvornahme; § 122 Abs. 1 S. 2 GO NRW, Aufhebung; § 123 GemO RP, Aufhebung; § 131 Abs. 1 und 2 KSVG SL, Aufhebung; § 116 Abs. 1 SächsGemO, Ersatzvornahme; § 148 KVG LSA, Ersatzvornahme; § 125 Abs. 1 S. 1 GO SH, Ersatzvornahme; § 121 Abs. 1 S. 1 ThürKO, Ersatzvornahme.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

4. Verwaltungsmitarbeiter Die kommunalen Beamten tragen gem. § 36 Abs. 1 BeamtStG die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihres dienstlichen Handelns. Sollen sie einen unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot gefassten Beschluss der kommunalen Vertretungskörperschaft ausführen, löst dessen Rechtswidrigkeit einen Konflikt zwischen der Vollzugs- und Rechtmäßigkeitsverpflichtung des Beamten aus. Zur Lösung dieses Widerspruchs eröffnet das Beamtenrecht die Möglichkeit einer Remonstration. Nach § 36 Abs. 1 BeamtStG sind Beamte verpflichtet, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Unter dem Begriff der Anordnung sind auch Ausführungspflichten von Beschlüssen der kommunalen Volksvertretung zu verstehen. Wird die Ausführungspflicht nach erfolg­ loser Remonstration beim direkten Vorgesetzen auch vom nächst höheren Vorgesetzen bestätigt, tritt die Rechtmäßigkeitsverantwortung hinter die Vollzugspflicht in der Weise zurück, dass der Beamte von der persönlichen Verantwortung für die Ausführung der rechtswidrigen Anweisung frei wird, sofern durch die Ausführungshandlung nicht die Würde des Menschen verletzt wird oder das Verhalten erkennbar strafbar oder ordnungswidrig ist, § 36 Abs. 2 S. 3, 4 BeamtStG. 5. Datenschutzbeauftragter Verwaltungsintern kommt auch dem Datenschutzbeauftragten eine Kon­ trollfunktion zu325. Insbesondere, wenn trotz des Vorliegens von Ausschlussgründen, personenbezogene Daten öffentlich behandelt werden, hat er die Möglichkeit dies zu beanstanden. 6. Mandatsträger Im Hinblick auf das Rechtschutzbedürfnis der kommunalen Mandatsträger sind verschiedene Aspekte zu unterscheiden. Die Mandatsträger haben zunächst ein Interesse daran, dass Verstöße gegen das Öffentlichkeitsgebot festgestellt und dadurch Wiederholungen in der Zukunft verhindert werden können. Folgt man der – auch hier vertretenen – Auffassung, dass rechtswidrige Beschlüsse einer kommunalen Volksvertretung nicht automatisch nichtig, sondern wirksam und lediglich rechtswidrig und damit angreifbar

325  Hufen/Siegel,

Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 832.



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz489

sind326, besteht darüber hinaus ein Bedürfnis, unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot gefasste Beschlüsse zu vernichten. Andernfalls beschränkt sich das Rechtsschutzinteresse der Mandatsträger auf die Feststellung der Nichtigkeit. Verwaltungsinterne Beanstandungsverfahren stehen kommunalen Mandatsträgern – mit Ausnahme einer Dienstaufsichtsbeschwerde – nicht zur Verfügung. Da Dienstaufsichtsbeschwerden wenig erfolgversprechend sind, besteht seitens der Mandatsträger ein Bedürfnis, auf andere Weise gegen Verletzungen des Öffentlichkeitsgebots vorzugehen. Wird ihren Bedenken innerhalb der Sitzungen der kommunalen Volksvertretung kein Gehör geschenkt und reagiert der Verwaltungsleiter auch auf Hinweise außerhalb formeller Zusammenkünfte nicht, sind die Mandatsträger für einen effektiven Rechtsschutz auf ein gerichtliches Verfahren angewiesen. Unzweifelhaft handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, so dass gem. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben ist. Ab- oder aufdrängende Sonderzuweisungen bestehen nicht. a) Verletzung mandatschaftlicher Rechte Gleich mittels welcher Klageart gerichtlicher Rechtsschutz begehrt wird, die Befugnis zu Klagen setzt die Möglichkeit der Beeinträchtigung eines subjektiv-öffentlichen Rechts voraus327. Entscheidend ist damit, ob die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ein subjektiv-öffentliches Recht der Mandatsträger darstellt. Subjektiv-öffentliche Rechte können nicht nur im Außenrechtsverhältnis bestehen, sondern sind auch für den staatlichen Binnen­bereich anerkannt328. Dort sind die intrapersonalen Rechtsbeziehungen einer Subjektivierung zugänglich329. Entscheidend ist die Übertragung einer Rechts­ 326  Siehe dazu Kapitel F. Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Gebot der Sitzungsöffentlichkeit, S. 427 ff. 327  Für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage folgt dies unmittelbar aus § 42 Abs. 2 VwGO; für Leistungsklagen ist § 42 Abs. 2 VwGO analog heranzuziehen, BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 – 2 C 32/94, BVerwGE 99, 64 (64); BVerwG, Urteil vom 28.10.1970 – VI C 48.68, BVerwGE 36, 192 (199 f.); Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 16 Rn. 12; gleiches gilt auch für Feststellungsklagen, BVerwG, Beschluss vom 22.12.1988 – 7 B 250/87, NVwZ 1989, 469 (470); und den Kommunalverfassungsstreit, Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 21 Rn. 17. 328  VG Gießen, Beschluss vom 06.05.2005 – 8 G 1096/05, NVwZ-RR 2006, 277 (277); Schnapp, VerwArch 1987, 407 (416 f.); Schröder, NVwZ 1985, 246 (246). 329  VG Gießen, Beschluss vom 06.05.2005 – 8 G 1096/05, NVwZ-RR 2006, 277, (277); Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn.  228 m. w. N.; Herbert, DÖV 1994, 108 (109 f.).

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

position zur eigenständigen Wahrnehmung, was durch Auslegung zu ermitteln ist330. Subjektiv-öffentliche Rechte der Mandatsträger stellen alle Elemente dar, durch deren Verletzung in den „gesetzlich geschützten Status eingegriffen wird, der dem Besitzstand zuzuordnen ist, den er [der Mandatsträger] als Mitglied […] innehat“331. Aus der organisatorischen Funktion der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit kann ein subjektiv-öffentliches Recht der Mandatsträger nicht abgeleitet werden. Anders als bei den Zuhörern, denen das Öffentlichkeitsgebot das Recht auf Information über einen Sitzungstermin und dessen Inhalt, sowie auf Zutritt zum Sitzungsraum vermittelt, welche als wehrfähige, subjektivöffentliche Rechte durch einzelne Privatpersonen geltend gemacht werden können332, haben die gewählten, kommunalen Volksvertreter Kraft ihres Mandats Anspruch auf eine ordnungsgemäße Ladung, auf umfassende Informationen über die Beratungsgegenstände und auf Teilnahme in Form der Mitsprache und des Mit-Abstimmens. Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ist weder eine Voraussetzung noch eine Folge dieser mandatschaftlichen Rechte. Eine Verletzung des Öffentlichkeitsgebots berührt diese subjektivöffentlichen Rechte der Mandatsträger auf Information, Zutritt und Teilnahme daher nicht. Darüberhinaus wird ein subjektiv-öffentliches Recht der Mandatsträger auf Öffentlichkeit mit dem Hinweis darauf, dass den Mandatsträgern kein Recht auf rechtmäßige Beschlüsse zustehe333 und die kommunale Sitzungsöffentlichkeit nicht der Selbstdarstellung der Mandatsträger diene, sondern als objektives Recht nur die Information und Kontrolle durch die Wähler gewährleiste, teilweise abgelehnt334. Das mitgliedschaftliche Recht der Mandatsträ330  OVG Bautzen, Beschluss vom 15.08.1996 – 3 S 465/96, LKV 1997, 229, (289); OVG Münster, Urteil vom 24.04.2001 – 15 A 3021/97, NVwZ-RR 2002, 135 (135); OVG Münster, Beschluss vom 21.05.2002 – 15 B238/02, NVwZ 2003, 494 (494). 331  OVG Koblenz, Urteil vom 29.08.1984 – 7 A 19/84, AS RP-SL 19, 65 (67), Ergänzung/Auslassung in [ ] durch die Verfasserin. 332  Siehe dazu im Einzelnen Kapitel 1. Privatpersonen, S. 473 ff. 333  Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO  BY, Art.  52 Ziff. 5.3; zum Grundsatz, dass kommunale Mandatsträger keinen Anspruch darauf ­haben, dass die kommunale Volksvertretung nur formell und materiell rechtmäßige Beschlüsse fasst, vgl. OVG Münster, Beschluss vom 07.08.1997 – 15 B 1811/97, NVwZ-RR 1998, 325 (326); OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 58; auch auch aktuell VG Augsburg, Urteil vom 12.08.2019 – Au 7 18.1674, BeckRS 2019, 19381 Rn. 29. 334  OVG Koblenz, Beschluss vom 17.01.1990 – 7 B 83/89, AS RP-SL 23, 1 (2); VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); OVG Lüneburg, Beschluss vom 01.02.1993 – 10 M 3726/92, KommP N 1994, 24 (24); OVG Koblenz, Urteil vom 13.06.1995 – 7 A 12186/94, AS RP-SL 25, 168



III. Rechtmäßigkeitskontrolle und Rechtsschutz491

ger beschränke sich auf die Möglichkeit, eine öffentliche oder nicht öffentliche Sitzung zu beantragen335. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass das kommunale Öffentlichkeitsgebot in unmittelbarem Wirkungszusammenhang mit dem freien Mandat steht336. Das freie Mandat umfasst das Recht, sich eine Meinung zu bilden, nach dieser abzustimmen und diese sowohl vor als auch nach den Sitzungen sowie innerhalb und auch außerhalb von Sitzungen zu vertreten337. Das Vertreten der gebildeten Meinung ist den Mandatsträgern jedoch nur unter der Voraussetzung der Öffentlichkeit der Angelegenheit gestattet. Die Sitzungsöffentlichkeit kann daher als „kommunikative Brücke“ zwischen den gewählten Mandatsträgern und den wählenden Bürgern bezeichnet werden. Nur wenn durch das Öffentlichkeitsgebot eine Teilnahme und Information der Bevölkerung gewährleistet wird, kann eine Willensbildung vom wählenden Volk zum gewählten Mandatsträger erfolgen. Zugleich ist nur unter dieser Voraussetzung eine Rechtfertigung des Mandatsträgers für seine Entscheidungen möglich. Die Nichtöffentlichkeit beeinträchtigt folglich nicht nur das demokratische Kontrollrecht des Volks, sondern auch die demokratisch notwendige politische Debatte der Mandatsträger mit den Wählern und dadurch auch das für eine repräsentative Demokratie notwendige Vertrauensverhältnis (173); OVG Münster, Beschluss vom 07.08.1997 – 15 B 1811/97, NVwZ-RR 1998, 325 (325 f.); OVG Greifswald, Beschluss vom 20.05.1998 – 2 M 66/98, DÖV 1998, 1014 (1014); VG Kassel, Urteil vom 09.03.1987 – III/3 E 1387/86, VR 1989, 105 (106); VG Lüneburg, Beschluss vom 11.08.2000 – 5 B 30/00, VwRR N, 114 (114); VG Gießen, Beschluss vom 06.05.2005 – 8 G 1096/05, NVwZ-RR 2006, 277 (277 f.); VG Gießen, Urteil vom 28.06.2005 – 8 E 5826/03, Juris, Rn.13 ff.; Bauer/Böhle/ Ecker, in: Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze BY, GO BY, Art. 52 Rn. 7; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 66; Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 59 Rn. 70; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 311 f. Rn. 475; Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 15; Höhlein, in: Gabler/ Höhlein/Klöckner, KVR RP, GemO RP, § 35 Ziff. 5.1 S. 23; Hoppe, NJW 1980, 1017 (1020); Rücker, in: Rücker u. a., KVR Thüringen, ThürKO, § 40 Ziff. 5; Schnapp, VerwArch 1987, 407 (414 ff., 427 ff., 431); Schröder, NVwZ 1985, 246 (246 f.); Sendler, DVBl. 1982, 923 (931); Sponer, in: Sponer u. a., KVR SN, SächsGemO, § 37 S. 1; Thiele, KommP N 1995, 36 (38); offen gelassen von OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 29; OVG Kassel, Urteil vom 14.06.1994 – 4 UE 2433/88, ESVGH 44, 291 (300); zur aktuellen Entwicklung in der Rechtsprechung s. Heusch/Dickten, NVwZ 2020, 358 (361) m. w. N. 335  VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); Wachsmuth, in: Schulz, Kommunalverfassungsrecht BY, GO BY, Art. 52 Ziff. 5.5; a. A. OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); OVG Saarlouis, Urteil vom 22.04.1993 – 1 R 35/91, Juris, Rn. 29 ff. 336  Reich, in: Schmid u. a., KV LSA, § 52 Rn. 3; zum freien Mandat auf kommunaler Ebene, siehe Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 231 Rn. 350. 337  Paal, in: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 47.

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zwischen Wähler und Gewähltem338. Die Erneuerung der demokratischen Legitimation eines kommunalen Mandatsträgers hängt entscheidend von der öffentlichen Darstellung seiner in der kommunalen Volksvertretung geleisteten Arbeit ab339. Im Hinblick auf die Art der Beeinträchtigung der kommunalen Sitzungs­ öffentlichkeit ist zu differenzieren: Wird das Öffentlichkeitsgebot lediglich in einer Weise beeinträchtigt, dass weniger Zuschauer erscheinen, als dies bei Einhaltung aller Voraussetzungen der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit zu erwarten gewesen ist, wird die Ausübung der mandatschaftlichen Rechte nicht ausgeschlossen. Die Ausübung, der mit dem freien Mandat verbundenen Rechte vermag weniger effektiv sein. Aus dem freien Mandat folgt jedoch kein Anspruch auf möglichst wirkungsvolle Darstellung. Dementsprechend laufen die mandatschaftlichen Rechte selbst beim Ausblieben von Zuschauern nicht ins Leere, da es den Mandatsträgen unbenommen bleibt im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit ihren Standpunkt kund zu tun und zu erläutern. Deshalb besteht keine Behinderung der Mandatsausübung beispielsweise in der Untersagung von Bildund Tonaufnahmen. Insofern ist es zutreffend, dass die Öffentlichkeit der Sitzungen kommunaler Volksvertretung nicht einer Präsentation der Mandatsträger vor möglichst großem Publikum dient. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Nichtöffentlichkeit die freie Mandatsausübung beeinträchtigt, wenn durch diese die kommunikative Brücke zwischen Wählern und Gewählten bezüglich eines Beratungsgegenstands vollständig eingerissen wird. Dies ist der Fall, wenn die Mandatsträger durch das bestehen einer Zwangsgeld bewährten Schweigepflicht daran gehindert werden außerhalb der Sitzung ihre Entscheidung oder ihren Standpunkt zu begründen340. Lediglich der allgemeinen, formellen Nichtöffentlichkeit wohnt diese Konsequenz inne. Sie behindert die gewählten Mitglieder der kommunalen Volksvertretungen in der freien Ausübung ihres Mandats, weil diese durch den Öffentlichkeitsausschluss zur Geheimhaltung und Verschwiegenheit verpflichtet werden341. Die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots bedeutet in diesen Fällen – im Unterschied zur materiellen oder individuell-formellen Nichtöffentlichkeit342 – einen vollständigen und dauerhaften Ausschluss 338  VG Sigmaringen, Beschluss vom 03.03.1989 – 6 K 235/89, zit. nach wörtlichem Abdruck bei Stühler, VBlBW 1997, 288 (293). 339  Rabeling, NVwZ 2010, 411 (413). 340  VGH Mannheim, Urteil vom 06.10.1975 – I 754/75, BWGZ 1976, 80 (80 f.). 341  Ähnlich Rabeling, NVwZ 2010, 411 (413); zur Konsequenz allgemeiner, formeller Nichtöffentlichkeit in Form der Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht siehe Kapitel 3. Diskretionsstufen kommunaler Nichtöffentlichkeitsarten, S. 357 ff. 342  Siehe zur Unterscheidung zwischen formeller und materieller Öffentlichkeit Kapitel 2. Rechtliche und tatsächliche Öffentlichkeit, S. 326 f.



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des Publikums. Liegt keine Rechtfertigung für den Öffentlichkeitsausschluss vor, stellt dieser auch eine rechtswidrige Verletzung des freien Mandats dar. Aus diesem Wirkungszusammenhang folgt eine Subjektivierung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit, denn die Verletzung desselben stellt einen Eingriff in den geschützten Status des freien Mandats dar. Kommunale Mandatsträger haben daher einen Anspruch auf Beachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes343. Die Vorschrift der Öffentlichkeit stellt nicht nur einen objektiven Rechtssatz auf, sondern begründet zugleich eine innerorganisatorische Kompetenzzuweisung, deren Verletzung von den einzelnen Mitgliedern des Rats kraft eigenen Rechtes vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden kann344. Das Nordrhein-Westfälische Oberverwaltungsgericht hat diesbezüglich festgestellt: „Berät der Rat eine Angelegenheit in nichtöffent­ licher Sitzung, so liegt darin zugleich eine Einschränkung des Mandatsausübungsrechts, die das Ratsmitglied nur dann hinzunehmen hat, wenn die gesetzlichen oder geschäftsordnungsrechtlichen Voraussetzungen für eine derartige Verfahrensweise gegeben sind.“345 Die Kritik, das Kontrollrecht der Bürger würde in ein Recht der Mitglieder der kommunalen Volksvertretung auf öffentliche Selbstdarstellung „umgemünzt“ werden346, geht dabei an der Sache vorbei, denn es handelt sich um zwei Seiten einer Medaille, die nicht voneinander getrennt werden können. Dies ist deutlich daran zu erkennen, dass nicht in Abrede gestellt wird, dass die Wahrnehmung des freien Mandats die Sitzungsöffentlichkeit braucht. Es kann mithin nicht darauf ankommen, ob im Rahmen der Klagebefugnis auf die freie Mandatsausübung durch die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots 343  BVerwG, Beschluss vom 07.03.1980 – 7 B 58/79, Juris Rn. 7; OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.10.1986 – 2 OVG B 91/86, OVGE MüLü 39, 489 (489 f.); OVG Münster, Urteil vom 24.04.2001 – 15 A 3021/97, NVwZ-RR 2002, 135 (136); OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 49; VGH Kassel, Urteil vom 06.11.2008 – 8 A 674/08, NVwZ-RR 2009, 531 (531 f.); VG Hannover, Urteil vom 27.11.1985 – 1 bis VG A 72/83, zit. nach Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 36; Fehrmann, DÖV 1983, 311 (316); Stühler, VBlBW 1997, 288 (293). 344  OVG Münster, Urteil vom 02.02.1972 – III A 887/69, OVGE MüLü 27, 258 (264 f.); OVG Münster, Urteil vom 18.01.1973 – XII A 237/70, OVGE MüLü 28, 208 (212 f.); OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); OVG Münster, Urteil vom 10.09.1982 – 15 A 1223/80, OVGE MüLü 36, 154 (155 f.); OVG Münster, Urteil vom 26.04.1989 – 15 A 2805/86, OVGE MüLü 41, 118 (120); OVG Münster, Urteil vom 21.07.1989 – 15 A 713/87, DVBl. 1990, 160 (160). 345  OVG Münster, Urteil vom 24.04.2001 – 15 A 3021/97, NVwZ-RR 2002, 135 (136). 346  Blum, in: Blum/Häusler/Meyer, KVR Nds., NKomVG, § 64 Rn. 67; ähnlich OVG Koblenz, Beschluss vom 17.01.1990 – 7 B 83/89, AS RP-SL 23, 1 (2); Koch, in: Ipsen, NKomVG, § 64 Rn. 15.

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oder auf die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots zu Lasten der freien Mandatsausübung abgestellt wird. Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Der Einwand, die Annahme eines subjektiv-öffentliches Rechts kommunaler Mandatsträger auf Einhaltung des Gebots der Sitzungsöffentlichkeit berge die Gefahr einer Popularklage347, überzeugt nicht, denn es obliegt weiterhin dem klagenden Mandatsträger darzulegen, dass eine tatsächliche Beeinträchtigung durch die auferlegte Verschwiegenheitspflicht besteht348. Dadurch ist ausgeschlossen, dass sich die kommunalen Volksvertreter unter dem Deckmantel des Schutzes der Sitzungsöffentlichkeit zum „Sachwalter von Allgemeininteressen“ aufspielen349. Überdies ist zu beachten, dass die Aufsichtsbehörde nicht verpflichtet ist, bei Verletzungen des Öffentlichkeitsgebots einzuschreiten, weil sie auf Grundlage des Oppertunitätsprinzips über die Ergreifung von Maßnahmen entscheidet, weshalb ihre Kontrolle über die kommunalen Volksvertretungen nicht geeignet ist, eine gerichtliche Kontrolle auf Initiative der Mandatsträger zu ersetzen350. Dies gilt insbesondere, weil die Erwägungen der Aufsichts­ behörde nicht frei von politischen Erwägungen sind und dadurch ohne eine Klagebefugnis der Mandatsträger Lücken im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz entstehen würden351. Auch die Sorge vor einem Leer-Laufen des Schutzes, den der Ausschluss der Öffentlichkeit gewähren soll, wenn in einem Gerichtsverfahren gem. § 169 GVG öffentlich über das Vorliegen der Ausschlussgründe entschieden wird352, ist unbegründet, denn auch das gerichtliche Prozessrecht sieht in §§ 171b und 172 GVG Schutzmechanismen vor, die den kommunalen Rechtfertigungs- und Ausschlussgründen entsprechen353. Im Ergebnis ist damit festzustellen: Das zentrale Beurteilungskriterium für die Frage, ob den kommunalen Mandatsträgern ein wehrfähiges subjektivöffentliches Recht auf Öffentlichkeit zusteht, ist der Wirkungszusammenhang der Sitzungsöffentlichkeit mit dem freien Mandat. Dieses wird nicht durch eine materielle oder individuell-formelle Nichtöffentlichkeit beeinträchtigt, 347  VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373); VG Gießen, Beschluss vom 06.05.2005 – 8 G 1096/05, NVwZ-RR 2006, 277 (278); Schröder, NVwZ 1985, 246 (247). 348  Rabeling, NVwZ 2010, 411 (414). 349  VGH Kassel, Urteil vom 06.11.2008 – 8 A 674/08, NVwZ-RR 2009, 531 (532). 350  Stühler, VBlBW 1997, 288 (293); Rabeling, NVwZ 2010, 411 (414). 351  Stühler, VBlBW 1997, 288 (292 f.); Stühler, VBlBW 2008, 433 (434). 352  VGH Mannheim, Urteil vom 24.02.1992 – 1 S 2242/91, NVwZ-RR 1992, 373 (373). 353  Rabeling, NVwZ 2010, 411 (414).



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da es keinen Anspruch auf ein möglichst großes Publikum vermittelt. Eine Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit stellt jedoch dann eine Beeinträchtigung des freien Mandats dar, wenn den kommunalen Mandatsträgern eine demokratische Rechtfertigung vollständig und dauerhaft untersagt wird. Im Fall der allgemein-formellen Nichtöffentlichkeit werden Mandatsträger durch die Konsequenz der Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht an der öffentlichen Begründung und Verteidigung ihres Standpunkts gehindert. Damit stellt diese Form des Öffentlichkeitsausschlusses zugleich auch eine Mandatsbeeinträchtigung dar354. Insofern ist das Öffentlichkeitsgebot als Ausprägung des freien Mandats ein wehrfähiges subjektiv öffentliches Recht der kommunalen Mandatsträger355. b) Statthafte Klageart im Kommunalverfassungsstreit Liegt eine Beeinträchtigung mandatschaftlicher Rechte vor, können die Mandatsträger die Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit durch die Verwaltungsgerichte im Wege des Kommunalverfassungsstreitverfahrens356 überprüfen lassen. Die klassischen Klageverfahren der VwGO in Form der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage sind in Ermanglung einer „Regelung im Außenverhältnis“ nicht statthaft357, denn die Mandatsträger sind Teil der kommunalen Verwaltung und stehen ihr daher nicht von außen gegenüber. „Unter Kommunalverfassungsstreitverfahren sind solche Streitigkeiten zu verstehen, die zwischen Organen einer Selbstverwaltungskörperschaft oder innerhalb der einzelnen Organe ausgetragen werden.“358 Der Kommunalverin: Rehn/Cronauge, GO NRW, § 48 Rn. 47. Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (12); OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.10.1986 – 2 OVG B 91/86, OVGE MüLü 39, 489 (489 f.); OVG Münster, Urteil vom 24.02.2001 – 15 A 3021/97, NVwZ-RR 2002, 135 (136); VGH Kassel, Urteil vom 06.11.2008 – 8 A 674/08, NVwZ-RR 2009, 531 (532); Wagner, in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 48 Ziff. III 1 c) S. 674. 356  Zum Begriff des Kommunalverfassungsstreits siehe BVerwG, Beschluss vom 07.03.1980 – 7 B 58/79, Juris Rn. 5 m. w. N. zur Anerkennung durch die Rechtsprechung; ebenso OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (8) m. w. N.; Gönnenwein, Gemeinderecht, S.  361 ff.; Henrichs, DVBl. 1959, 548 (548); Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss, S. 117 f.; Kottenberg, SKV 1964, 29 (30); Schoch, JuS 1987, 783 (784); Zuhorn/Hoppe, GemeindeVerfassung, S. 234. 357  OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (8 f.); Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, S. 510 f. Rn. 784, zu den Möglichen Formen eines Kommunalverfassungsstreits, Rn. 788 ff. 358  OVG Koblenz, Urteil vom 18.04.1966 – 6 A 16/65, AS RP-SL 10, 55 (56). 354  Paal,

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fassungsstreit stellt kein „besonderes Beanstandungsverfahren“359 dar, sondern richtet sich „nach den allgemeinen Regeln der Prozessordnung“360. Eine Klagevoraussetzung ist daher, wie bei allen anderen verwaltungsgerichtlichen Klagearten zunächst, dass der Kläger geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein361. Wie die anderen öffentlich-rechtlichen Klagearten dient auch der Kommunalverfassungsstreit nicht einer allgemeinen Recht­ mäßigkeitskontrolle gefasster Beschlüsse362. Wie bereits dargestellt werden kommunale Mandatsträger durch den allgemein-formellen Öffentlichkeitsausschluss in eigenen Rechten verletzt. Sie sind daher zumindest dann klagebefugt, wenn die Rechtswidrigkeit eines allgemein-formellen Öffentlichkeitsausschlusses gerügt wird363. Mandatsträger können im Rahmen des Kommunalverfassungsstreits im Vorfeld einer Sitzung eine Leistungsklage, mit dem Ziel einen Tagesordnungspunkt in den öffentlichen Sitzungsteil aufzunehmen, erheben364. Da eine rechtswidrige öffentliche Beratung keine Beeinträchtigung der freien Mandatsausübung darstellt, kommt eine Leistungsklage mit dem Begehren, einen Tagesordnungspunkt vom öffentlichen in den nicht öffentlichen Sitzungsteil zu verschieben, nicht in Betracht. Im Nachgang zu einer Sitzung können Mandatsträger im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits die Feststellung der Verletzung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit durch die nicht öffentliche Beratung eines oder mehrerer Tagesordnungspunkte begehren. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist in diesen Fällen insbesondere dann zu bejahen, wenn die Gefahr besteht, dass ähnliche Beratungsgegenstände auch zukünftig falsch qualifiziert werden können365. 359  OVG Koblenz, Urteil vom 08.03.1965 – 6 A 22/64, AS RP-SL 9, 335 (336 ff.); OVG Koblenz, Urteil vom 29.08.1984 – 7 A 19/84, AS RP-SL 19, 65 (66 f.); die früher vertretende Auffassung, beim Kommunalverfassungsstreitverfahren handle es sich um einen eigenen Klagetyp, gilt heute als überholt, Schmidt-Aßmann/Röhl, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 9 Rn. 84. 360  OVG Koblenz, Urteil vom 18.04.1966 – 6 A 16/65, AS RP-SL 10, 55 (56). 361  OVG Bautzen, Beschluss vom 15.08.1996 – 3 S 465/96, LKV 1997, 229 (229); VG Gießen, Beschluss vom 06.05.2005 – 8 G 1096/05, NVwZ-RR 2006, 277 (277), Schmidt-Aßmann/Röhl, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 9 Rn. 84. 362  Schmidt-Aßmann/Röhl, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 9 Rn. 84. 363  Siehe dazu Kapitel a) Verletzung mandatschaftlicher Rechte, S. 489. 364  A.  A. VG Gießen, Beschluss vom 06.05.2005 – 8 G 1096/05, NVwZ-RR 2006, 277 (277), welches mit Verweis darauf, dass das Öffentlichkeitsgebot keine Aufwirkungen auf das freie Mandat habe, das Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, ablehnt. 365  OVG Koblenz, Urteil vom 18.04.1966 – 6 A 16/65, AS RP-SL 10, 55 (57 f.) – hier Verletzung des mandatschaftlichen Rechts auf ordnungsgemäße Einladung.



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Aus der Organtreue folgt jedoch, dass der Mandatsträger bereits in der Sitzung Bedenken wegen des Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebot erhoben haben muss, indem er einen entsprechenden Antrag auf eine nicht öffentliche bzw. öffentliche Beratung stellt366. Andernfalls ist die Geltendmachung wegen Treuwidrigkeit präkludiert. Umstritten ist, ob Mandatsträger darüber hinaus auch auf die Ungültigkeit der unter einem Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot gefassten Beschlüsse klagen können367. Denkbar ist dies wie auch bei der Leistungsklage nur, wenn die Öffentlichkeit ohne Rechtfertigung ausgeschlossen wird. Wird rechtswidrig öffentlich beraten, wird das freie Mandat der Mitglieder der kommunalen Volksvertretung nicht beeinträchtigt. Gegen die Statthaftigkeit eines Kommunalverfassungsstreits in Form einer Gestaltungsklage wird eingewendet, dass für eine solche Klage kein Anwendungsbereich bestehe. Rechtswidrige weil unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot gefasste Beschlüsse seien automatisch unwirksam368. Auf Grund ihrer Nichtigkeit bestehe nicht nur keine Notwendigkeit, sondern auch keine Möglichkeit, ihre Aufhebung einzuklagen. Darüber hinaus dürfe das Kommunalverfassungsstreitverfahren nicht zu einer, dem landesrechtlichen Kommunalrecht unbekannten Normkontrollklage umfunktioniert werden369. Zulässig sei allein eine Feststellungsklage, sofern Unklarheit über die Rechtswidrigkeit bestehe. Diese Auffassung basiert auf der bereits vorstehend kritisierten Annahme, die Rechtswidrigkeit eines kommunalen Beschlusses habe unmittelbar dessen Nichtigkeit zur Folge. Tatsächlich folgt aus der Rechtswidrigkeit jedoch lediglich die Aufhebbarkeit. Beschlüsse, die unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot gefasst werden, bleiben bis auf Weiteres wirksam370. Dementsprechend besteht auch für einen Kommunalverfassungsstreit in Form einer 366  OVG Münster, Urteil vom 02.05.2006 – 15 A 817/05, Juris, Rn. 76, im zu entscheidenden Fall offen gelassen; Philipsen, in: Muth, Potsdamer Kommentar Kommunalrecht BB, BbgKVerf, § 36 Rn. 61. 367  Ablehnend OVG Koblenz, Urteil vom 18.04.1966 – 6 A 16/65, AS RP-SL 10, 55 (57); dem folgend Schuster/Diehl/Steenbock, in: Schuster u. a., KVR RP, GemO RP, § 34 Ziff. VI 2 S. 18; die Frage ausdrücklich offen lassend, das Nichtigkeitsbegehren aber für zukässig erachtend OVG Münster, Urteil vom 19.12.1978 – X A 1031/77, OVGE MüLü 35, 8 (9); OVG Münster, Urteil vom 17.12.1976 – XV A 1584/74, OVGE MüLü 32, 192 (193 f.); OVG Münster, Urteil vom 22.08.1978 – XV A 788/76, NJW 1979, 1726 (1726 f.). 368  BVerwG, Beschluss vom 07.03.1980 – 7 B 58/79, Juris Rn. 10. 369  OVG Koblenz, Urteil vom 18.04.1966 – 6 A 16/65, AS RP-SL 10, 55 (56 f.). 370  Siehe dazu Kapitel a) Beschlüsse mit unmittelbarer Außenwirkung, S. 443 und b)  Sonstige Beschlüsse im Innenverhältnis:Grundsatz der Bindungswirkung im Innenverhältnis, S. 449.

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F. Rechtsfolgen von Verstößen

Gestaltungsklage ein Anwendungsbereich371. Die Entwicklung des Kommunalverfassungstreits durch die Gerichte wird nicht als unzulässige Rechtsfortbildung beurteilt, da die Verwaltungsgerichtsordnung kein abgeschlossenes System der Klagearten beinhaltet, sondern die Gerichte angehalten sind einen möglichst lückenlosen und effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten372. Beide Aspekte sprechen auch für die Zulässigkeit des Kommunalverfassungsstreitverfahrens in Form einer Gestaltungsklage, durch welche die Aufhebung rechtswidriger, aber nicht nichtiger Beschlüsse durch Mandatsträger begehrt werden kann. 7. Fraktionen Der Hessische Verwaltungsgerichtshof ging 1999 noch davon aus, dass Fraktionen nicht dazu berufen sind, die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der kommunalen Volksvertretungen zu überprüfen und ihnen daher kein Anspruch auf Durchsetzung einer öffentlichen Beratung zuerkannt werden könne. Fraktionen sollten daher nicht beanstandungs- oder rügebefugt sein373. Tatsächlich entspricht die Rechtslage der Fraktionen jedoch der Rechtslage der Mandatsträger374. Soweit den Fraktionen ein Recht zukommt, ihre Auffassung öffentlich darzustellen und auf diese Weise an der demokratischen Willensbildung und Entscheidungsfindung teilzunehmen, folgt daraus ein subjektiv öffentliches Recht, das in Form von Beanstandung und Klage geltend gemacht werden kann375. Ihre Beteiligungsfähigkeit folgt aus § 61 Nr. 2 VwGO376.

371  So auch mit umfassender Begründung Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluss S. 121, 123 ff. 372  BVerwG, Beschluss vom 07.03.1980 – 7 B 58/79, Juris Rn. 5. 373  VGH Kassel, Beschluss vom 06.09.1999 – 8 UZ 2202/99, HSGZ 2000, 148 (148). 374  Teschke, in: Bennemann/Daneke/Steiß, KVR HE, HGO, § 52 Rn. 35. 375  OVG Münster, Urteil vom 24.02.2001 – 15 A 3021/97, NVwZ-RR 2002, 135 (136). 376  Kottenberg, SKV 1964, 29 (30).

G. Zusammenfassung Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit leidet weder an einem Rechtfertigungsnotstand, noch folgt die Nichtöffentlichkeit von Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen aus der Natur der Sache. Dennoch ist die aktuelle Handhabung der kommunalen Sitzungsöffentllichkeit durch Defizite gekennzeichnet, die auf ein abweichendes, nach hiesiger Auffassung zu enges systematisches Verständnis der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit zurückzuführen sind. Als Ergebnis der vorstehenden Ausarbeitung lassen sich diese „Problembereiche“ in den folgenden 10 Thesen zusammenfassen und beantworten: I.

Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit folgt aus der Verfassung.

Die kommunale Sitzungsöffentlichkeit ergibt sich aus Art. 20 GG i. V. m. dem Homogenitätsgebot des Art. 28 GG. Die verfassungsrechtlichen Prinzipien Demokratie, Republik und Rechtsstaatlichkeit setzen die Öffentlichkeit staatlicher Beratungs- und Entscheidungsprozesse voraus. Wenngleich umstritten ist, ob dem Grundgesetz ein allgemeines Öffentlichkeitsgebot, insbesondere mit Geltung für die Exekutive entnommen werden kann, ist mit Blick auf das Demokratie-, Republik- und Rechtsstaatsprinzip unumstritten, dass gewählte Volksvertretungen grundsätzlich öffentlich zu beraten und zu entscheiden haben. Daraus leitet sich ein verfassungsrechtliches Rechtfertigungsbedürfnis jedes Ausschlusses der Öffentlichkeit von den Sitzungen gewählter Volksvertretungen ab. Mittels Art. 28 GG entfalten die Prinzipien des Art. 20 GG auch auf gemeindlicher Ebene für die kommunalen Volksvertretungen Wirkung. Sie haben sich unter demokratischen Voraussetzungen gegenüber ihrer Wählerschaft zu verantworten. Die verfassungsrechtliche Öffentlichkeit verdichtet sich auf kommunaler Ebene im Hinblick auf die Gemeinderäte daher zu einem Gebot, das als „kommunikative Brücke“ sowohl dem Kontroll- und Informationsinteresse der Öffentlichkeit als auch dem Begründungs- und Rechtfertigungsdruck der Mandatsträger dient.

500

G. Zusammenfassung

II. Als verfassungsrechtliches Prinzip entfaltet die Sitzungsöffentlichkeit für alle Gremien, in denen Entscheidungen der kommunalen Volksvertretung getroffen werden, Wirkung. Damit gilt die kommunale Sitzungsöffentlichkeit grundsätzlich auch für kommunale Aufsichtsräte. Der übliche Öffentlichkeitsausschluss ist jedenfalls bei fakultativen Aufsichtsräten abdingbar. Ob und inwieweit von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, steht indess im Ermessen der Kommune als Gesellschafterin. Dabei wird es im Hinbilck auf die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr oder der Beteiligung Dritter an dem Unternehmen in der Regel hinreichend gute Gründe für einen Öffentlichkeitsausschluss geben. III. Die Sitzungsöffentlichkeit muss grundsätzlich sowohl rechtlich, als auch faktisch gewährleistet werden. Es kann mithin zwischen formeller und materieller Öffentlichkeit unterschieden werden. Die rechtliche/formelle Gewährleistung der Sitzungsöffentlichkeit beinhaltet das Recht, an einer Sitzung teilnehmen zu dürfen, während die faktische/materielle Gewährleistung das Recht, an einer Sitzung teilnehmen zu können, umfasst. Das Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit verlangt damit obligatorisch eine Reihe organisatorischer Maßnahmen, die der Bürgerschaft tatsächlich eine Sitzungsteilnahme ermöglichen und auch im Nachhinein einen Zugang zu Informationen über den Sitzungsinhalt und -ablauf gewährleisten. Der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit kommt insofern eine Vor- und Nachwirkung zu. Darüber hinaus darf die Teilnahme grundsätzlich nicht verboten werden. Dies führt zu folgender Kritik an der gängigen Rechtsauffassung/Praxis: Nicht mit dem Gebot der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit vereinbar ist die Annahme, bei nicht öffentlichen Sitzungen könne eine Bekanntmachung in Gänze oder aber wenigstens bezüglich der Tagesordnung, unterbleiben. Dies verkennt, dass es sich auch bei nicht öffentlichen Sitzungen nicht um geheime Veranstaltungen handelt. Dementsprechend kann auf eine Bekanntmachung nur verzichtet werden, wenn die Dringlichkeit einer Angelegenheit deren Behandlung zu einem späteren Zeitpunkt verbietet, weil dies mit unumkehrbaren Nachteilen für die Kommune verbunden wäre. Unzulässig ist wegen des Gebots der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit auch die Verschiebung eines als nicht öffentlich bekannt gemachten Tagesordnungspunkt in den öffentlichen Teil einer Sitzung, wenn dem keine (erneute) ordnungsgemäße Bekanntmachung vorhergeht. Andernfalls wird der interessierten Öffentlichkeit eine Sitzungsteilnahme unmöglich gemacht.



G. Zusammenfassung501

IV. Die Medienöffentlichkeit ist originärer Teil der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit. Das nach überwiegendem Verständnis bestehende Verbot der Anfertigung von Ton- und Bildaufnahmen in den Sitzungen der kommunalen Volksvertretungen ist nach Maßgabe der Sitzungsöffentlichkeit nicht haltbar. Das RegelAusnahmeverhältnis, welches der Sitzungsöffentlichkeit innewohnt, ist bei einem verfassungskonformen Verständnis auch auf die Medienöffentlichkeit anzuwenden. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang das Sondervotum des Richters Kühling, der Richterin Hohmann-Dennhardt und des Richters Hoffmann-Riem zum Urteil des ersten Senats vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95 – 1 BvR 622/99 – (zit.: [Name des Verfassers], in: Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 24.01.2001) (72 ff., inbs. 74 f.; unter Bundesverfassungsgericht.de ab Rn. 90). In diesem wird darauf hingewiesen, dass die hergebrachte Auffassung, nur schriftliche Aufzeichnungen seien zulässig, in einer Zeit wurzeln, zu der es Bild- und Tonaufnahmen noch nicht gab. Bei einer zeitgemäßen Interpretation der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit ist ein Verbot von Bild- und Tonaufnahmen mithin nur dann zulässig, wenn Gründe des öffentlichen Wohls dies im Einzelfall rechtfertigen. V.

Die gängige Definition der Sitzungsöffentlichkeit, welche diese auf die Zugänglichkeit des Sitzungsraums beschränkt, greift inhaltlich zu kurz.

Bei einer umfassenden Betrachtung gilt: Die Sitzungsöffentlichkeit ist dann gewährleistet, wenn keine rechtlichen oder tatsächlichen Zugangshindernisse bestehen und der Sitzungsinhalt vollständig wahrgenommen und nachvollzogen werden kann.

VI. Es ist zwischen verschiedenen Arten der Nichtöffentlichkeit zu unterscheiden. Die Unterscheidung zwischen der formellen und materiellen Öffentlichkeit schlägt auf die Nichtöffentlichkeit durch. Der Abgrenzung zwischen formeller und materieller Nichtöffentlichkeit kommt auf der Rechtsfolgenseite Bedeutung zu, denn nur im Fall der allgemein-formellen Nichtöffentlichkeit sind Beratungsgegenstände vertraulich zu behandeln. Die anderen Formen der Nichtöffentlichkeit lösen weder eine Verschwiegenheitspflicht der Mandatsträger aus, noch hindern sie an anderen Berichten, mittels derer sich die Öffentlichkeit über Inhalt und Ablauf der Beratung und Entscheidung informieren kann.

502

G. Zusammenfassung

VII. Es besteht ein verfassungsrechtliches Rechtfertigungsbedürfnis für einen allgemein-formellen Öffentlichkeitsausschluss Nur dann, wennn kollidierenden Rechtsgütern mit Verfassungsrang im Wege der praktischen Konkordanz Vorrang vor der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit einzuräumen ist, ist ein Öffentlichkeitsausschluss gerechtfertigt. Die Öffentlichkeit ist nach diesem Maßstab auch bei einfach gesetzlich normierten Geheimhaltungspflichten auszuschließen, denn die Bindung der Kommunalverwaltung an Recht und Gesetz durch das Rechtsstaatsprinzip gebietet dies von Verfassungs wegen, so dass es keiner Abwägung zwischen dem konkreten Geheimhaltungsgrunds und der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit bedarf. VIII. Liegen verfassungsrechtliche Rechtfertigungs- oder Ausschlussgründe vor, muss die Öffentlichkeit zum Schutz dieser Rechtsgüter ausgeschlossen werden. Ein Ermessenspielraum besteht diesbezüglich nicht. IX. Ein Verstoß gegen die Sitzungsöffentlichkeit hat die Rechtswidrigkeit, aber nicht die Nichtigkeit der betroffenen Beschlüsse zur Folge. Die Sitzungöffentlichkeit wird sowohl dann, wenn die Öffentlichkeit ohne Rechtfertigung ausgeschlossen wird, als auch dann, wenn eine öffentliche Behandlung trotz des Vorliegens von Ausschlussgründen erfolgt ist, verletzt. Im Fall einer unzulässigen nicht öffentlichen Beratung löst der Verstoß nur die Rechtswidrigkeit und Vernichtbarkeit der gefassten Beschlüsse, nicht aber ihre Nichtigkeit aus. Auch die unzulässige öffentliche Beratung hat die Rechtswidrigkeit der gefassten Beschlüsse zur Folge, weil der Verstoß gegen eine zwingende Verfahrensvorschrift die Integrität der Willensbildung in Frage stellt. Diese Beschlüsse bleiben jedoch wirksam. Zum Ablegen des Makels der Rechtswidrigkeit ist die Beratung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu wiederholen. Im Übrigen kann eine rechtswidrige, öffentliche Beratung Schadensersatzansprüche auslösen.



X.

G. Zusammenfassung503

Die Rechtsschutzmöglichkeiten wegen eines Verstoßes gegen die kommunale Sitzungsöffentlichkeit hängen von dem konkreten Verstoß, der gerügt wird, ab.

Die Einhaltung der kommunalen Sitzungsöffentlichkeit kann sowohl von Seiten der Bürger als auch aus der Verwaltung heraus eingefordert werden. Gegen einen rechtswidrigen allgemein-formellen Öffentlichkeitsausschluss können auch Mandatsträger Rechtsschutz in Anspruch nehmen, weil sie durch die damit verbundene Verschwiegenheit unmittelbar in ihrem subjektiven Recht auf freie Mandatsausübung verletzt werden.

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Sachverzeichnis Abstimmungsöffentlichkeit  243 Anregungen und Beschwerden aus der Bürgerschaft  422 Aufsichtsbehörde  355, 360, 425, 441, 454, 457, 473–474, 483–487, 494 Aufsichtsbeschwerde  473 Aufsichtsräte  284, 292–294, 297–299, 301–307, 313–317, 319–320, 322–324, 500, 515 Ausschlussgründe  48, 116, 136–138, 214, 217, 227–229, 233–236, 307, 324, 335, 337, 339, 351, 353, 360–362, 365, 367–368, 391, 426, 440, 469, 494, 502 Ausschussöffentlichkeit  105, 285, 287, 347 Außenwirkung  119, 339, 439, 443, 447, 449, 452–453, 456–458, 464, 468, 473, 480 Barrierefreiheit  192, 194–195, 220 Bauleitplanung  399, 403, 408–409 Bauvorhaben –– Baugenehmigungen  410 Beanstandungsverfahren  461, 482, 489, 496, 504 Befangenheit  131, 425 Beigeordnetenwahl  419 Bekanntmachung  21, 23–26, 29, 147, 149, 151, 153–177, 181, 185, 188, 196, 203–205, 208, 210, 213–218, 227–237, 239–241, 265, 285, 287, 327, 362, 415, 432, 434–438, 440–442, 447, 463, 476–477, 485, 500, 507, 522 Bekanntmachungsfehler  476–477 berechtigte Interessen Einzelner  34 Berichterstatteröffentlichkeit  62, 238, 245–246, 248, 358

Berichterstattung –– Berichterstattungen  39–40, 241, 325 Beschlusskontrolle  474, 479 Beteiligungen –– kommunale Beteiligungen  284, 292–293, 296, 298, 303, 376, 395–396, 523 Bill of Rights  40 Bodenspekulation  403–404, 407, 409 Bundesrat  47, 51, 105, 127 Bundestag  36, 51, 69, 103, 118–119, 122, 124, 126–127, 129, 131–132, 204, 243–244, 357 Datenschutz  22–23, 154, 264, 387, 411, 424, 507, 522 Demokratieprinzip –– Demokratie  54, 92, 100–101, 146, 234, 296, 435 Dringlichkeitssitzungen  159, 168–169, 172, 175, 198, 209–211, 240 Einlasskontrollen  272–277 Einwilligung  254, 256, 332, 338–343, 362, 388, 394, 422 England  39–40 Entscheidungsvorbereitung  291, 472 Erklärungsöffentlichkeit  245–246, 248, 285 Finanzangelegenheiten  421 Formelle Nichtöffentlichkeit  326 Fraktionen  130, 199, 282, 289, 291, 364, 423, 473, 498 Französische Revolution  41, 44 Frist  152, 168–172, 174–176, 196, 207, 210–211, 233, 240–241, 439–441, 456, 486

Sachverzeichnis525 Funktionsfähigkeit des Staats  106, 122, 302, 372, 375, 392, 402 Gebärdendolmetscher  221–222, 224–225 Geheimhaltung  33, 45, 57, 60–61, 66–72, 74–77, 79–84, 88–94, 97, 103–104, 110, 113–115, 117, 121, 123, 126, 129, 132, 148, 191, 230–232, 241, 243, 245–247, 267–268, 278, 285, 297, 325, 333, 356–358, 367, 373, 375, 382, 389–390, 402, 406, 419, 422, 492, 517–518 Geheimschutzordnung  357 gemeindliches Einvernehmen  410 Gemeinwohl  34, 57, 59, 89–90, 111, 367, 390 Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen  319 Gerichtsöffentlichkeit  38, 107, 115, 154, 267, 278, 432, 442 Gerichtsverhandlung  106, 272 Geschäftsordnung des Reichstags –– GORT  24, 46 Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse  381, 383, 387, 392–393, 413 Gesetzesvorbehalt  82, 114, 136, 332, 343, 378, 385, 387, 507 Grundstücksangelegenheiten  336, 338, 365–366, 381, 399, 522 Grundstückskäufe  403 Grundstücksverkäufe  400 Informationsfreiheitsgesetze –– Informationsfreiheitsgesetz  108, 118, 123–124, 239, 389, 478 Informationszugang  57, 61–62, 64–66, 69, 72, 77–78, 86, 90, 111, 239, 246, 363, 413 Interessen Einzelner  125, 197, 232, 366–367, 371, 379, 381, 390–391, 396–397, 422, 426 Klageart  478, 489, 495

Klagebefugnis  443, 474, 476, 481, 493–494, 510 kommunale Selbstverwaltungsgarantie  99, 140–141 Kommunalverfassungsstreit  484, 489, 495–497, 520 Laienpolitikern  35 Legislative  81, 85, 92, 103, 109, 114, 116, 118–120, 122, 124, 145, 182 Lippenlesen  221 Mandat –– freies Mandat  35, 59, 65–67, 255, 347, 370, 491–492, 494, 496–497, 508 Mandatsträger  35–37, 57, 66–67, 69, 176, 179, 182–183, 190, 197, 203, 209, 211, 213–214, 221, 230–232, 235, 238, 242–243, 253, 255–256, 259–260, 262–264, 266, 275, 288, 290, 298, 314–316, 340–341, 346–349, 351, 353, 355, 360–361, 364, 367, 370–371, 373–375, 387, 389, 406–407, 419, 422–423, 436, 444, 469–471, 473, 480, 488–499, 501, 503, 515, 521 Materielle Nichtöffentlichkeit  327, 354 Medienöffentlichkeit  34, 68, 86–87, 222, 238, 245, 250–251, 253, 256, 258, 260, 262–263, 283, 358, 501, 506, 518 Militärische Geheimnisse  392 Minderjährige  49, 269 Mittelalter  38, 506 Monarchie  40, 88, 90, 520 Natur des Beratungsgegenstands  34, 366–367, 389, 391 Nichtigkeit  428–429, 441–442, 446, 450, 452–455, 458, 460, 462–464, 466–467, 471, 489, 497, 502 öffentliche Meinung  58, 61, 77–78, 315, 370 öffentliches Wohl  34, 318, 369, 378, 396, 406, 426

526 Sachverzeichnis Öffentlichkeitsausschluss  35–37, 53, 104–105, 117, 123–124, 127–130, 132–135, 166, 228–229, 267, 288, 290, 296–297, 303, 305, 315, 317–318, 323, 326–329, 332–333, 335–336, 338, 340, 342, 345–348, 352–353, 358, 360–363, 365–367, 371, 374–375, 379–381, 386, 389–393, 396, 398–400, 404, 406, 409–410, 413, 426–427, 433, 439, 445, 447, 469, 471–472, 492, 496, 500, 502–503 Ordnungsmaßnahmen  269, 425 Parteien  64, 105–106, 118, 377, 407, 510 Personalangelegenheiten  266, 298, 336, 338, 366, 381, 389–390, 414–419 persönliche Daten –– personenbezogene Daten  340–341, 381–384, 395, 419 Praktische Konkordanz  95, 343 Prinzipal-Agenten-Theorie  65 Protokolleinsicht  226–227, 328 prozesstaktisches Vorgehen  411 Rechnungsprüfungsangelegenheiten  412–413 Rechtfertigung  53, 56, 75–76, 117, 125, 136–137, 166, 177, 213, 216, 229, 231, 234, 258–259, 261, 265–266, 269, 272–273, 280, 282–283, 315, 327–330, 332, 336, 340, 343–345, 359, 368, 370, 375, 389, 391, 426–427, 447, 475–476, 482, 491, 493, 495, 497, 502 Rechtmäßigkeitskontrolle  37, 127, 234–235, 353, 412, 436, 443, 458, 461, 472, 474, 477, 481–482, 484, 486, 496 Rechtsschutz  472 Rechtsstaat  64, 81–87, 93–94, 123, 131–132, 429, 519 Rechtsstaatsprinzip  80–84, 86, 107, 373, 379

Republik  53, 57, 87–94, 113, 124, 139, 404, 499, 510–511, 514 Saalöffentlichkeit  220, 248–250, 253, 263 Schadensersatzpflicht  334, 361, 466 Schöffenwahlen  420 Sitzungsbeginn  177, 179–185, 201, 203, 215 Sitzungsleitung  220–221, 226, 240, 274 Sitzungsort  155, 185–187, 189, 221, 239 Sitzungsraum  148, 177, 190, 194–195, 220–221, 225, 249, 264–265, 268, 270, 272, 278–281, 334, 490 Sitzungstag  170–171, 173–174, 179–180 Sitzungsunterlagen  237–239, 263–265, 335, 363, 413 Sitzungszeit –– Sitzungszeiten  183 Sparkassenangelegenheiten  413 Stellen- und Sollstellenplans  415 Steuerangelegenheiten  420 subjektiv-öffentliches Recht  127, 442, 474, 476, 478–479, 481, 489–490, 494 Tagesordnung  147, 149–156, 161–171, 173–174, 177, 184, 196–219, 226, 238, 240–241, 263, 265, 285, 287, 320–321, 332–334, 337–338, 359, 400, 432, 437–438, 440, 447, 481, 485, 500, 505, 507, 516–518 Teilnehmerzahl  268, 278 Terminierung  149, 151–152, 177, 180, 183, 185, 240, 432, 447 Ton- und Bildaufnahmen  222, 238, 250, 283, 358, 501 Umweltinformationsgesetz  108–109, 115, 118, 123–124 Vereinigte Staaten von Amerika –– USA  41 Vergabe von Aufträgen  397, 515

Sachverzeichnis527 Vergabeentscheidungen  338, 366, 381, 397 Verhandlungsöffentlichkeit  44–45, 191, 241–242, 245–246, 248 Verkaufs- oder Ansiedlungskriterien  408 Veröffentlichung  77, 84, 103, 155, 228, 232, 236, 239–240, 251, 258, 263, 340–341, 345, 361–362, 382, 385–388, 394, 401–402, 422–423 Verschwiegenheitspflicht  35, 164, 264, 266, 298–300, 304, 306, 308, 324, 347, 349, 359–364, 389, 472, 492, 494–495, 501, 521 Vertragsangelegenheiten  392, 394, 403 Vertraulichkeit  220, 230, 265, 297, 299, 318, 335, 354, 356–357, 361–363, 367, 370–372, 374, 395, 397, 413, 472, 514

Volkssouveränität  43, 54–55, 67, 71, 76, 79, 88, 90, 92–94, 97, 106, 110, 113, 122, 520 Vorkaufsrecht  338, 366, 381, 400, 403–408 Weimarer Republik  47 Widerspruchsverfahren  473 Wohl der Allgemeinheit  34, 366, 369, 371, 422 zivile Verteidigung  392 Zugänglichkeit  62, 112, 147, 188–189, 191, 194–195, 219–220, 223, 225, 235, 239, 246, 248, 258, 263, 267–268, 270, 320, 324–325, 327, 363, 413, 501 Zugangsregelung  258, 279–282