Die Kollision von Europäischem Nachlasszeugnis und nationalen Nachlasszeugnissen [1 ed.] 9783161615290, 9783161615306, 3161615298

Mit der EuErbVO wurden im grenzüberschreitenden Verkehr erhebliche Erleichterungen implementiert. Insbesondere wurde ein

127 105 3MB

German Pages [424] Year 2022

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen und zitierter Rechtsakte
Einleitung
A. Gegenstand der Untersuchung und Meinungsstand
B. Methode und Gang der Untersuchung
I. Zur Auswahl der exemplarischen Betrachtung des Verhältnisses von ENZ und deutschen bzw. französischen Nachlasszeugnissen
II. Gang der Untersuchung
Kapitel 1: Das ENZ als supranationales Rechtsinstrument
A. Ratio des ENZ und kompetenzrechtliche Problematik
I. Bedürfnis für ein ENZ
II. Kompetenz der Europäischen Union
B. Grenzüberschreitender Bezug
Kapitel 2: Vergleichende Synthese – speziell des Inhalts und der materiell-rechtlichen Wirkungen der betrachteten Nachlasszeugnisse
A. ENZ
I. Ausstellungsverfahren
1. Antragsvoraussetzungen
2. Prüfung des Antrags, insbesondere Art. 66 Abs. 4 EuErbVO
3. Voraussetzungen für die unverzügliche Ausstellung, Art. 67 Abs. 1 EuErbVO
II. Inhalt
1. Nachweis für die Rechtsstellung eines Vindikationslegatars
a) Damnationslegatar nach deutschem Recht
b) Vindikationslegatar nach französischem Recht
2. Rs. Mahnkopf
a) Ausweis eines pauschalierten Zugewinnausgleichs im ENZ
b) Einordnung der avantages matrimoniaux des französischen Rechts
III. Wirkungen
1. Reichweite der Vermutungs- und Legitimationswirkung
a) Legitimationswirkung, Art. 69 Abs. 5 EuErbVO
aa) Widerlegbarkeit der Richtigkeitsvermutung
bb) Vindikationslegate – Rs. Kubicka
(1) Qualifikation – Abgrenzung des Erbstatuts vom Sachenrechtsstatut
(2) Stellungnahme zur Entscheidung des EuGH in der Rs. Kubicka
(3) Auswirkungen der Entscheidung in der Rs. Kubicka auf das deutsche Grundbuchrecht
b) Résumé
2. Gutglaubenswirkung
a) Anwendungsbereich – Reichweite des Art. 69 Abs. 3 und Abs. 4 EuErbVO
b) Konkreter Gutglaubensschutz
c) Anforderungen an die Redlichkeit
d) Beglaubigte Abschriften als Gutglaubensträger
e) Zwischenrésumé
3. Rs. Mahnkopf
4. Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen ENZ
a) Änderung und Widerruf, Art. 71 Abs. 2 EuErbVO
aa) Rechtsfolgen des Art. 71 Abs. 2 EuErbVO für das ENZ
bb) Beglaubigte Abschriften eines geänderten oder widerrufenen ENZ
b) Aussetzung der Wirkungen
c) Zwischenrésumé
5. Absolute oder relative Wirkung des ENZ
B. Deutsche Nachlasszeugnisse
I. Erbschein
1. Ausstellungsverfahren und Inhalt
2. Vermutungs-, Legitimations- und Gutglaubenswirkung
3. Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen Erbscheins
II. Testamentsvollstreckerzeugnis
C. Französische Nachlasszeugnisse
I. Acte de notoriété
1. Ausstellungsverfahren
2. Inhalt
3. Wirkungen
a) Vermutungs- und Gutglaubenswirkung
aa) Anforderungen an die Redlichkeit
bb) Kein öffentlicher Glaube des acte de notoriété – konkreter Redlichkeitsschutz
cc) Art. 730-5 C. civ. i. V. m. Art. 778 C. civ
b) Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen acte de notoriété
II. Attestation notariée
1. Abgrenzung zum acte de notoriété
2. Sonderfall: Folgen der Rs. Kubicka bei einem deutschen Vermächtnis an französischem Grundbesitz
III. Nebensächliche Rolle des Nachweises der Ernennung zum Testamentsvollstrecker im französischen Recht – der exécuteur testamentaire französischen Rechts
D. Würdigung und Résumé
I. Antragserfordernis und -voraussetzungen, Ausstellungsverfahren sowie Inhalt der Nachlasszeugnisse
II. Dauer der Wirksamkeit
III. Wirkungen
IV. Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen Nachlasszeugnisses
V. Zusammenfassende tabellarische Übersicht
Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich des ENZ und der MNZ
A. Konvergenz der Zwecke erbrechtlicher Legitimationsnachweise
B. Unmittelbare Geltung des ENZ im Ausstellungsund Verwendungsmitgliedstaat
I. Geltung sowohl im Verwendungs- als auch im Ausstellungsmitgliedstaat
II. Unmittelbare Geltung
C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland
I. Keine Verdrängung der MNZ durch das ENZ im grenzüberschreitenden Verkehr
II. Begriffsbestimmungen
1. Anerkennungsrechtlicher Entscheidungsbegriff, Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO
2. Begriff der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 59 EuErbVO
3. Privaturkunde
4. Résumé
III. Verordnungsautonome Qualifikation der MNZ
1. Einordnung als öffentliche Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO
2. Einordnung anhand des nationalen Erteilungsverfahrens
3. Stellungnahme
4. Résumé
IV. Grundprinzip und Reichweite der Anerkennung nach Art. 39 ff. EuErbVO
V. Annahme nach Art. 59 EuErbVO
1. Einordnung des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm
2. Wirkungserstreckung
3. Reichweite der Wirkungserstreckung im Rahmen des Art. 59 Abs. 1 EuErbVO
VI. Résumé
VII. Sonderproblem: Entscheidungskollision mehrerer MNZ
1. Art. 40 lit. c EuErbVO – unbedingter Vorrang der inländischen Entscheidung
2. Art. 40 Abs. 1 lit. d EuErbVO – Prioritätsprinzip
Kapitel 4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ
A. Das ENZ als selbständiges Rechtsinstitut
B. Lediglich optionale Harmonisierung
I. Keine Verdrängung der MNZ durch das ENZ aufgrund Unionsrechts
II. Zwischenrésumé – Dualismus
III. Verdrängung eines MNZ durch das ENZ nach mitgliedstaatlichem Recht
C. Akzeptanz des ENZ im Rechtsverkehr
I. Keine abstrakt-generelle Forderung eines MNZ anstelle eines ENZ
II. Keine abstrakt-generelle Forderung eines ENZ anstelle eines ausländischen MNZ
D. Notwendigkeit der Vorlage eines weiteren Schriftstücks neben dem ENZ bei der Registereintragung
I. ENZ und deutsches Grundbuchrecht
II. Verhältnis von ENZ und französischer attestation notariée
1. Acte authentique?
2. Attestation notariée?
Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und den nationalen Nachlasszeugnissen
A. Der Begriff der Divergenz
B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz
I. Mechanismus auf kollisionsrechtlicher Ebene – einheitliche Bestimmung des anwendbaren Rechts
1. Geltung der Kollisionsregelungen der EuErbVO im Verfahren zur Ausstellung von MNZ und ENZ
2. Systematik und Grundprinzipien der Art. 20 ff. EuErbVO
a) Objektive Regelanknüpfung – gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes
b) Grundsatz der Nachlasseinheit
3. Grenzen der Vereinheitlichung der erbrechtlichen Kollisionsregeln
4. Renvoi
5. Résumé
II. Mechanismen auf Ebene des Internationalen Erbverfahrensrechts
1. Reduzierung paralleler internationaler Zuständigkeiten
a) Das Kompetenzsystem der EuErbVO
aa) Systematik der Art. 4 ff. EuErbVO
(1) Die Grundregeln des Art. 4 EuErbVO und des Art. 10 EuErbVO
(2) Abweichungen
bb) Grundsatz der Nachlasseinheit
cc) Der letzte gewöhnliche Aufenthalt als zentrales Anknüpfungskriterium
dd) Zwischenrésumé
b) Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ
c) Geltungsbereich der Zuständigkeitsvorschriften – MNZ
aa) Sachlicher Anwendungsbereich der EuErbVO
bb) Unionsautonome Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften
cc) Genuin erbrechtlicher Gerichtsbegriff der EuErbVO
(1) Gericht im institutionellen Sinne
(2) Konkretisierung des erbrechtlichen Gerichtsbegriffs in den Rs. WB und E.E. – Differenzierung zwischen Gerichten im funktionellen Sinne und nichtgerichtlichen Stellen
(a) Rs. WB
(aa) Keine konstitutive Wirkung der Mitteilung i. S. d. Art. 3 Abs. 2 UAbs. 1 EuErbVO
(bb) Definition der Ausübung gerichtlicher Funktion
(b) Rs. E.E.– Festigung der in der Rs. WB etablierten Linie zum erbrechtlichen Gerichtsbegriff
(3) Einordnung der betrachteten mitgliedstaatlichen Ausstellungsstellen bei der Ausstellung eines MNZ
(a) Deutsche Nachlassgerichte
(b) Französische Notare
(aa) Keine Einordnung der französischen Notare in die Kategorie des Gerichts im funktionellen Sinne
(bb) Zwischenrésumé: französische Notare als nichtgerichtliche Stelle i. S. d. EuErbVO
dd) Auswirkungen des erbrechtlichen Gerichtsbegriffs auf die Art. 4 ff. EuErbVO
(1) Gerichtliche MNZ – Zuständigkeitskonzentration
(a) Rs. Oberle
(aa) Urteil des EuGH
(bb) Rezeption im Schrifttum
(cc) Stellungnahme
(dd) Tragweite der Entscheidung des EuGH
(b) Zwischenrésumé
(2) Nichtgerichtliche MNZ – gleichrangige Zuständigkeit
(a) Einordnung und Stellungnahme zu den Entscheidungen des EuGH in den Rs. WB und E.E
(b) Zwischenrésumé – Möglichkeit einer gleichrangigen Zuständigkeit mehrerer Ausstellungsbehörden
ee) Résumé – Unterschiedliche Behandlung der MNZ
ff) (Keine) Bindung der betrachteten mitgliedstaatlichen Stellen bei der Ausstellung eines MNZ an die Art. 4 ff. EuErbVO
(1) Bindung der deutschen Nachlassgerichte
(2) Keine Bindung der französischen Notare
d) Würdigung und Résumé
e) Fälle einer konkurrierenden Zuständigkeit der Gerichte bzw . Ausstellungsstellen mehrerer Mitgliedstaaten
aa) Subsidiäre Zuständigkeit, Art. 10 Abs. 1 EuErbVO
bb) Forum necessitatis, Art. 11 EuErbVO
f) Résumé
2. Die allgemeinen Verfahrensregeln der Art. 17 f. EuErbVO
a) Anwendungsbereich der Art. 17 f. EuErbVO
aa) Keine Beschränkung durch die eingeschränkte Verweisung des Art. 64 S. 1 EuErbVO
bb) Erbverfahren vor einem Gericht
cc) Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten
b) Verhältnis von Art. 17 EuErbVO und Art. 18 EuErbVO
c) Anwendung von Art. 17 EuErbVO bzw. Art. 18 EuErbVO bei unstreitigen Verfahren in Erbsachen
(a) Anwendbarkeit von Art. 17 EuErbVO bei parallelen Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines MNZ?
(aa) Zwar Partei- und Anspruchsidentität i. S. d. Art. 17 EuErbVO
(bb) Allerdings keine Anwendbarkeit aufgrund des systematischen Zusammenhangs zwischen Art. 17 EuErbVO und Art. 40 lit. c und lit. d EuErbVO
(b) Stellungnahme: Anwendung von Art. 18 EuErbVO
d) Résumé
III. Herstellung eines Gleichlaufs zwischen forum und ius
IV. Regelungen der Art. 62 ff. EuErbVO
1. Ausstellungshindernis des Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. b EuErbVO
a) Anwendungsbereich
b) Identität des Sachverhalts und Unvereinbarkeit
c) Rechtsfolge
2. Ausstellungshindernis des Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a EuErbVO
V. Résumé
C. Keine Mechanismen zur Vermeidung einer Divergenz auf mitgliedstaatlicher Ebene
D. Konstellationen einer Kollision
I. Interne Divergenz
1. ENZ und acte de notoriété
2. ENZ und Erbschein bzw. Testamentsvollstreckerzeugnis
a) ENZ
b) Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis
3. Résumé
II. Grenzüberschreitende Divergenz
1. ENZ und nichtgerichtliche Nachlasszeugnisse des Verwendungsmitgliedstaats
2. Abweichende Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers
a) ENZ und gerichtliche Nachlasszeugnisse des Verwendungsmitgliedstaats
b) ENZ und grenzüberschreitend zirkulierende Entscheidungen oder öffentliche Urkunden im Ausstellungsstaat des ENZ
aa) Differenzierung zwischen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden
bb) Grenzüberschreitende Zirkulation der exemplarisch betrachteten MNZ – Einordnung der deutschen bzw. französischen MNZ als Entscheidung bzw. öffentliche Urkunde
(1) Deutsche Nachlasszeugnisse
(a) Erbschein
(aa) Subsumtion unter Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO
(bb) Subsumtion unter Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO
(cc) Stellungnahme: Einordnung als Entscheidung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO
(b) Zwischenrésumé
(c) Testamentsvollstreckerzeugnis
(2) Französischer acte de notoriété
(a) Keine Subsumtion unter Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO
(b) Subsumtion unter Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO
(aa) Förmliche Errichtung
(bb) Authentizität
(c) Zwischenrésumé
E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ
I. Interne Divergenz
1. Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte oder materiellrechtliche Fehlerhaftigkeit eines der Nachlasszeugnisse
2. Keine Divergenz aufgrund erbrechtlicher Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB und der avantages matrimoniaux des französischen Rechts
II. Grenzüberschreitende Divergenz
1. Divergierende inhaltliche Ausgestaltung von ENZ und MNZ
2. Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte aufgrund subsidiär anwendbaren nationalen Verfahrensrechts
3. Abweichende Bestimmung des Erbstatuts durch abweichende Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes
4. Grenzüberschreitende Divergenz aufgrund unterschiedlicher Vorfragenanknüpfung?
a) Qualifikation und Anpassung
aa) Qualifikation
(1) Abgrenzung von Erbstatut und Güterrechtsstatut – Art. 1 Abs. 2 lit. d EuErbVO
(a) Komplementäre Anwendungsbereiche von EuErbVO und EuGüVO/EuPartVO
(b) Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht nach der EuGüVO/EuPartVO
(aa) Internationale Zuständigkeit
(bb) Anwendbares Recht
(2) Abgrenzung von Erbstatut und Sachenrechtsstatut – Art. 1 Abs. 2 lit. k EuErbVO, insbesondere erbrechtliche Qualifikation eines Vindikationslegats
bb) Anpassung dinglicher Rechte nach Art. 31 EuErbVO und Lösung widerstreitender Kommorientenvermutung nach Art. 32 EuErbVO
(1) Konflikte zwischen Erbstatut und benachbarten Statuten
(2) Verhältnis widerstreitender nationaler Kommorientenvermutungen
b) Vorfragenanknüpfung- und Vorfragenentscheidung
aa) Selbständige oder unselbständige Vorfragenanknüpfung im Rahmen der EuErbVO
(1) Stellungnahme – unselbständige Vorfragenanknüpfung
(a) Keine implizite Entscheidung des europäischen Verordnungsgebers zugunsten einer selbständigen Vorfragenanknüpfung
(b) Effet utile des ENZ
(c) Vermeidung divergierender Nachlasszeugnisse
(d) Internationaler Entscheidungseinklang als wesentliches Anliegen der EuErbVO
(e) (Hypothetischer) Wille des Erblassers
(2) Zwischenrésumé
bb) Art. 1 Abs. 2 lit. a EuErbVO
cc) Art. 1 Abs. 2 lit. d EuErbVO
5. Vorrang mitgliedstaatlicher Staatsverträge, Art. 75 Abs. 1 EuErbVO
a) Vorrangige Übereinkommen Deutschlands
aa) Deutsch-persisches Niederlassungsabkommen
bb) Deutsch-türkisches Nachlassabkommen
cc) Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag
b) Vorrangige Übereinkommen Frankreichs
c) Bindung des Ausstellungsstaats des ENZ an ein vorrangiges Übereinkommen
aa) Lösungsansätze
bb) Stellungnahme
d) Vorrangiges Übereinkommen im Verwendungsmitgliedstaat des ENZ
aa) Lösungsvorschläge
bb) Stellungnahme
6. Enge Grenzen des ordre public, Art. 35 EuErbVO
a) Anwendbarkeit des Art. 35 EuErbVO auch bei der Ausstellung nichtgerichtlicher Nachlasszeugnisse
b) Einzelfälle einer Berufung auf den ordre public
aa) Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 21 EuGRCh
bb) Abweichende Regelung des Pflichtteils/Noterbrechts – (k)ein Verstoß?
(1) Einzelne Bestandteile des deutschen ordre public
(2) Französischer ordre public – réserve héréditaire
c) Résumé
7. Résumé
F. Kollision des ENZ mit MNZ
I. Folgen einer unechten Divergenz – kein Fall einer Kollision
II. Folgen einer echten Divergenz – Kollision von ENZ und MNZ
1. Echte Divergenz im Ausstellungsstaat beider Nachlasszeugnisse
a) Keine Auflösung der Kollision nach Art. 40 Abs. 1 lit. c und lit. d EuErbVO
b) Kein Vorrang des einen oder des anderen Nachlasszeugnisses
c) Verfahrensrechtliche Folgen bei Unrichtigkeit eines Nachlasszeugnisses
aa) ENZ eines deutschen Nachlassgerichts und deutscher Erbschein
(1) Erbschein
(2) ENZ
bb) ENZ eines französischen Notars und französischer acte de notoriété
cc) Résumé
d) Folgen einer Kollision für die Wirkungen der Nachlasszeugnisse
aa) Darstellung vertretener (deutscher) Auffassungen
(1) Vermutungswirkung
(2) Gutglaubenswirkung
bb) Stellungnahme
(1) Keine Übertragung der Rechtsprechung deutscher Gerichte zu kollidierenden Erbscheinen aufgrund der Konzeption des Gutglaubensschutzes des ENZ
(2) Zwischenrésumé
(3) Verordnungsautonome Bestimmung der Folgen für die Wirkungen des ENZ
(a) Vermutungs- und Legitimationswirkung
(b) Gutglaubenswirkung
(4) Bestimmung der Folgen für die Wirkungen des MNZ nach autonomem mitgliedstaatlichen Recht
(a) Erbschein
(aa) Vermutungs- und Gutglaubenswirkung
(bb) Legitimationswirkung
(b) Gutglaubenswirkung des acte de notoriété
(c) Résumé und Würdigung
2. Grenzüberschreitende echte Divergenz zwischen ENZ und MNZ
a) Internationales Erbverfahrensrecht
aa) Kollision von ENZ und einer Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde aus einem anderen Mitgliedstaat im Ausstellungsstaat des ENZ
(1) Keine Anwendung des Art. 40 lit. c oder lit. d EuErbVO
(2) Ordre public-Vorbehalt des Art. 40 lit. a EuErbVO und des Art. 59 Abs. 1 UAbs. 1 EuErbVO
bb) Grenzüberschreitende Kollision im Verwendungsmitgliedstaat des ENZ – Widerrufs- und Einziehungsmöglichkeit
b) Darstellung und Bewertung bisher entwickelter Lösungswege
aa) Vorrangstellung des einen oder des anderen Nachlasszeugnisses
(1) Anwendung des Grundsatzes der zeitlichen Priorität
(2) Vorrangstellung des ENZ oder des MNZ
(3) Stellungnahme
bb) Lösungen, die an die Wirkungen der Nachlasszeugnisse anknüpfen
c) Zwischenrésumé
d) Folgen für die materiell-rechtlichen Wirkungen der Nachlasszeugnisse
e) Sonderfall: Vorlage eines divergierenden MNZ im Verfahren zur Änderung eines ENZ
III. Résumé
G. Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten
I. (Keine) Vermeidung divergierender ENZ durch Art. 17 f. EuErbVO
II. Keine Vermeidung divergierender ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten trotz Zuständigkeitskonzentration
III. Gründe einer Divergenz
IV. Folgen einer echten Divergenz
1. Keine Auflösung der Kollision auf Grundlage des Art. 40 Abs. 1 lit. c EuErbVO
2. Widerruf des ENZ der international unzuständigen Ausstellungsbehörde
3. Folgen für die jeweiligen Wirkungen der ENZ
a) Vermutungs- und Legitimationswirkung
b) Gutglaubenswirkung
V. Résumé
H. Freizügigkeitskonkurrenz
I. ENZ und drittstaatliche Nachlasszeugnisse
I. Anerkennung des ENZ in einem Drittstaat
II. Anerkennung drittstaatlicher Nachlasszeugnisse im Ausstellungsstaat des ENZ
1. Nachlasszeugnisse von Nicht-EU-Mitgliedstaaten
2. Irische und dänische Nachlasszeugnisse – kein Sonderfall
III. Sonderproblem: Anwendung des Art.69 Abs.3 und Abs.4 EuErbVO vor drittstaatlichen Gerichten
IV. Résumé
Kapitel 6: Überlegungen de lege ferenda
Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen
A. Materiell-rechtliche Wirkungen der betrachteten Nachlasszeugnisse
I. Abstrakter vs. konkreter Redlichkeitsschutz
II. Legitimationswirkung bei der Registereintragung
B. Grenzüberschreitende Erstreckung der Wirkungen eines MNZ
I. Verordnungsautonomer Rechtskraftbegriff
II. Anerkennung bzw. Annahme von MNZ
C. Optionaler Dualismus
D. Begriff der Divergenz
I. Echte vs. unechte Divergenz
II. Interne vs. grenzüberschreitende Divergenz
E. Gründe einer internen Divergenz
F. Gründe einer grenzüberschreitenden Divergenz
G. Folgen einer Kollision von ENZ und MNZ
I. Weiter, jedoch nicht unbegrenzter Gerichtsbegriff der EuErbVO
II. Kein europäischer Entscheidungseinklang
III. Sperrwirkung des Art.67 Abs.1 UAbs.2 lit.b EuErbVO
IV. Überlegungen de lege ferenda
H. Auflösung einer internen Kollision
I. Auflösung einer grenzüberschreitenden Kollision
I. Im Wesentlichen keine verfahrensrechtliche Lösung
II. Bestimmung der Folgen für die Wirkungen der in Rede stehenden Nachlasszeugnisse
J. Echte Divergenz von ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten
K. Drittstaatliche Nachlasszeugnisse
L. Grafische Übersicht
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung herausgegeben von der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V.

83

Elena Jana Beyer

Die Kollision von Europäischem Nachlasszeugnis und nationalen Nachlasszeugnissen

Mohr Siebeck

Elena Jana Beyer, geboren 1992; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bayreuth, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und internationales Unternehmens- und Kapitalmarktrecht der Universität Bayreuth; derzeit Rechtsreferendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Bamberg.

ISBN  978-3-16-161529-0 / eISBN  978-3-16-161530-6 DOI 10.1828/978-3-16-161530-6 ISSN  1861-5449 / eISSN  2569-426X (Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung au­ßerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2021 von der Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Sie entstand größtenteils während meiner Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, deutsches, europäisches und internationales Unternehmens- und Kapitalmarktrecht der Universität Bayreuth. Rechtsprechung und Literatur konnten bis August 2021 berücksichtigt werden. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner verehrten Doktormutter Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham), die meine Begeisterung für die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Themen des europäischen Erbrechts geweckt und die thematische Anregung zu dieser Arbeit gegeben hat. Während meiner Promotionszeit hat sie mich stets umfassend betreut und gefördert. Auch im Hinblick auf weitere Veröffentlichungen hat sie mich stets ermutigt und unterstützt. Besonderer Dank gilt zudem Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie seine Unterstützung und Ermutigung zur rechtswissenschaftlichen Arbeit bereits in meiner Zeit als studentische Hilfskraft an seinem Lehrstuhl sowie bei der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V. für die Aufnahme in die Schriftenreihe Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung. Weiterhin gilt mein Dank allen Freunden und Kollegen am Lehrstuhl und an der Fakultät, die mich in den vergangenen Jahren begleitet und diese Zeit durch die gemeinsame Arbeit und Diskussionen sowohl in fachlicher als auch in persönlicher Hinsicht bereichert haben. Besonderer Dank gilt Dr. Felix Wilke, LL.M., Rebecca Rohm und Alisa Rank-Haedler für ihre kritischen Anmerkungen zum Manuskript und wertvolle Diskussionen. Zu Dank bin ich auch Andrei Saal verpflichtet, für seine unbedingte Unterstützung in den vergangenen Jahren.

VI

Vorwort

Mein größter persönlicher Dank gilt schließlich meinen Eltern Renate Beyer und Kurt Lex, die mich während meiner juristischen Ausbildung stets unterstützt und ermutigt haben und auf deren uneingeschränkten Rückhalt ich in jeder Lebenslage vertrauen darf. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Bayreuth, im Mai 2022

Elena Jana Beyer

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen und zitierter Rechtsakte . . . . XXIII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Gegenstand der Untersuchung und Meinungsstand . . . . . . . . . . 3 B. Methode und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Kapitel  1: Das ENZ als supranationales Rechtsinstrument . . . . . 9 A. Ratio des ENZ und kompetenzrechtliche Problematik . . . . . . . . 9 B. Grenzüberschreitender Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Kapitel  2: Vergleichende Synthese – speziell des Inhalts und der materiell-rechtlichen Wirkungen der betrachteten ­Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Deutsche Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 C. Französische Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 D. Würdigung und Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Kapitel  3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich des ENZ und der MNZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 A. Konvergenz der Zwecke erbrechtlicher Legitimationsnachweise . . 101 B. Unmittelbare Geltung des ENZ im Ausstellungsund Verwendungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 ­ usland 105 C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen A

VIII

Inhaltsübersicht

Kapitel  4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ . . . . 131 A. Das ENZ als selbständiges Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . 132 B. Lediglich optionale Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 C. Akzeptanz des ENZ im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . 138 D. Notwendigkeit der Vorlage eines weiteren Schriftstücks neben dem ENZ bei der Registereintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Kapitel  5: Divergenz zwischen ENZ und den nationalen ­Nachlasszeugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 A. Der Begriff der Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz . . 154 C. Keine Mechanismen zur Vermeidung einer Divergenz auf m ­ itgliedstaatlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 D. Konstellationen einer Kollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ . . . . . . . . 255 F. Kollision des ENZ mit MNZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 G. Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten . . . . . . . . . 332 H. Freizügigkeitskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 I. ENZ und drittstaatliche Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . 341

Kapitel  6: Überlegungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . 355 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen und zitierter Rechtsakte . . . . XXIII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Gegenstand der Untersuchung und Meinungsstand . . . . . . . 3 B. Methode und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 5 I.

Zur Auswahl der exemplarischen Betrachtung des Verhältnisses von ENZ und deutschen bzw. französischen Nachlasszeugnissen . 6 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Kapitel  1: Das ENZ als supranationales Rechtsinstrument . . . 9 A. Ratio des ENZ und kompetenzrechtliche Problematik . . . . . 9 I. Bedürfnis für ein ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Kompetenz der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

B. Grenzüberschreitender Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Kapitel  2: Vergleichende Synthese – speziell des Inhalts und der materiell-rechtlichen Wirkungen der betrachteten ­Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Ausstellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Antragsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Prüfung des Antrags, insbesondere Art.  66 Abs.  4 EuErbVO . . 22 3. Voraussetzungen für die unverzügliche Ausstellung, Art.  67 Abs.  1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

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II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Nachweis für die Rechtsstellung eines Vindikationslegatars . . . 25 a) Damnationslegatar nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . 25 b) Vindikationslegatar nach französischem Recht . . . . . . . . 26 2. Rs.  Mahnkopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Ausweis eines pauschalierten Zugewinnausgleichs im ENZ . 29 b) Einordnung der avantages matrimoniaux des französischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Reichweite der Vermutungs- und Legitimationswirkung . . . . 38 a) Legitimationswirkung, Art.  69 Abs.  5 EuErbVO . . . . . . . 40 aa) Widerlegbarkeit der Richtigkeitsvermutung . . . . . . . 41 bb) Vindikationslegate – Rs.  Kubicka . . . . . . . . . . . . . . 42 (1) Qualifikation – Abgrenzung des Erbstatuts vom Sachenrechtsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 (2) Stellungnahme zur Entscheidung des EuGH in der Rs.  Kubicka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (3) Auswirkungen der Entscheidung in der Rs.  Kubicka auf das deutsche Grundbuchrecht . . . . . . . . . . . 48 b) Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Anwendungsbereich – Reichweite des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Konkreter Gutglaubensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Anforderungen an die Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 53 d) Beglaubigte Abschriften als Gutglaubensträger . . . . . . . . 54 e) Zwischenrésumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Rs.  Mahnkopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen ENZ . . . . . . . 58 a) Änderung und Widerruf, Art.  71 Abs.  2 EuErbVO . . . . . . 59 aa) Rechtsfolgen des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO für das ENZ . 59 bb) Beglaubigte Abschriften eines geänderten oder widerrufenen ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Aussetzung der Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Zwischenrésumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5. Absolute oder relative Wirkung des ENZ . . . . . . . . . . . . . 64

B. Deutsche Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Ausstellungsverfahren und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Vermutungs-, Legitimations- und Gutglaubenswirkung . . . . . 70

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XI

3. Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen Erbscheins . . . . 73 II. Testamentsvollstreckerzeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

C. Französische Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Acte de notoriété . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Ausstellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Vermutungs- und Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . 83 aa) Anforderungen an die Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Kein öffentlicher Glaube des acte de notoriété – konkreter Redlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Art.  730-5 C. civ. i. V. m. Art.  778 C. civ. . . . . . . . . . . 87 b) Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen acte de notoriété 87 II. Attestation notariée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Abgrenzung zum acte de notoriété . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Sonderfall: Folgen der Rs.  Kubicka bei einem deutschen Vermächtnis an französischem Grundbesitz . . . . . . . . . . . 90 III. Nebensächliche Rolle des Nachweises der Ernennung zum ­Testamentsvollstrecker im französischen Recht – der exécuteur ­testamentaire französischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

D. Würdigung und Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I.

Antragserfordernis und -voraussetzungen, Ausstellungsverfahren sowie Inhalt der Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Dauer der Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 IV. Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen Nachlasszeugnisses . 98 V. Zusammenfassende tabellarische Übersicht . . . . . . . . . . . . . 99

Kapitel  3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich des ENZ und der MNZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 A. Konvergenz der Zwecke erbrechtlicher Legitimationsnachweise 101 B. Unmittelbare Geltung des ENZ im Ausstellungsund Verwendungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I.

Geltung sowohl im Verwendungs- als auch im Ausstellungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Unmittelbare Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

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C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen ­Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I.

Keine Verdrängung der MNZ durch das ENZ im grenzüberschreitenden Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Anerkennungsrechtlicher Entscheidungsbegriff, Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Begriff der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art.  59 EuErbVO . . . 111 3. Privaturkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Verordnungsautonome Qualifikation der MNZ . . . . . . . . . . . 113 1. Einordnung als öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Einordnung anhand des nationalen Erteilungsverfahrens . . . . 116 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Grundprinzip und Reichweite der Anerkennung nach Art.  39 ff. EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 V. Annahme nach Art.  59 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Einordnung des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Wirkungserstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Reichweite der Wirkungserstreckung im Rahmen des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 VI. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 VII. Sonderproblem: Entscheidungskollision mehrerer MNZ . . . . . . 128 1. Art.  40 lit.  c EuErbVO – unbedingter Vorrang der inländischen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Art.  40 Abs.  1 lit.  d EuErbVO – Prioritätsprinzip . . . . . . . . . 130

Kapitel  4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ . . 131 A. Das ENZ als selbständiges Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . 132 B. Lediglich optionale Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I.

Keine Verdrängung der MNZ durch das ENZ aufgrund Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Zwischenrésumé – Dualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 III. Verdrängung eines MNZ durch das ENZ nach mitgliedstaatlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

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XIII

C. Akzeptanz des ENZ im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Keine abstrakt-generelle Forderung eines MNZ anstelle eines ENZ 139 II. Keine abstrakt-generelle Forderung eines ENZ anstelle eines ­ausländischen MNZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

D. Notwendigkeit der Vorlage eines weiteren Schriftstücks neben dem ENZ bei der Registereintragung . . . . . . . . . . . 143 I. ENZ und deutsches Grundbuchrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Verhältnis von ENZ und französischer attestation notariée . . . . . 144 1. Acte authentique? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Attestation notariée? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

Kapitel  5: Divergenz zwischen ENZ und den nationalen ­Nachlasszeugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 A. Der Begriff der Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I.

Mechanismus auf kollisionsrechtlicher Ebene – einheitliche Bestimmung des anwendbaren Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Geltung der Kollisionsregelungen der EuErbVO im Verfahren zur Ausstellung von MNZ und ENZ . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Systematik und Grundprinzipien der Art.  20 ff. EuErbVO . . . 157 a) Objektive Regelanknüpfung – gewöhnlicher Aufenthalt im ­Zeitpunkt des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Grundsatz der Nachlasseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Grenzen der Vereinheitlichung der erbrechtlichen Kollisionsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4. Renvoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Mechanismen auf Ebene des Internationalen Erbverfahrensrechts . 171 1. Reduzierung paralleler internationaler Zuständigkeiten . . . . . 171 a) Das Kompetenzsystem der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Systematik der Art.  4 ff. EuErbVO . . . . . . . . . . . . . 172 (1) Die Grundregeln des Art.  4 EuErbVO und des Art.  10 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (2) Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Grundsatz der Nachlasseinheit . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Der letzte gewöhnliche Aufenthalt als zentrales ­Anknüpfungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

XIV

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dd) Zwischenrésumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ . . . . . . . . . 182 c) Geltungsbereich der Zuständigkeitsvorschriften – MNZ . . . 183 aa) Sachlicher Anwendungsbereich der EuErbVO . . . . . . 183 bb) Unionsautonome Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc) Genuin erbrechtlicher Gerichtsbegriff der EuErbVO . . 187 (1) Gericht im institutionellen Sinne . . . . . . . . . . . . 189 (2) Konkretisierung des erbrechtlichen Gerichtsbegriffs in den Rs.  WB und E.E. – Differenzierung zwischen ­Gerichten im funktionellen Sinne und nichtgerichtlichen Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (a) Rs.  WB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (aa) Keine konstitutive Wirkung der Mitteilung i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO . . . . 190 (bb) Definition der Ausübung gerichtlicher Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (b) Rs.  E.E.– Festigung der in der Rs.  WB etablierten Linie zum erbrechtlichen Gerichtsbegriff . . . . . 192 (3) Einordnung der betrachteten mitgliedstaatlichen ­Ausstellungsstellen bei der Ausstellung eines MNZ . 193 (a) Deutsche Nachlassgerichte . . . . . . . . . . . . . 193 (b) Französische Notare . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (aa) Keine Einordnung der französischen Notare in die Kategorie des Gerichts im funktionellen Sinne . . . . . . . . . . . . . . 195 (bb) Zwischenrésumé: französische Notare als ­nichtgerichtliche Stelle i. S. d. EuErbVO . . . 197 dd) Auswirkungen des erbrechtlichen Gerichtsbegriffs auf die Art.  4 ff. EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (1) Gerichtliche MNZ – Zuständigkeitskonzentration . . 197 (a) Rs.  Oberle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (aa) Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (bb) Rezeption im Schrifttum . . . . . . . . . . . 200 (cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (dd) Tragweite der Entscheidung des EuGH . . . 205 (b) Zwischenrésumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Nichtgerichtliche MNZ – gleichrangige Zuständigkeit 207 (a) Einordnung und Stellungnahme zu den Entscheidungen des EuGH in den Rs.  WB und E.E. 208 (b) Zwischenrésumé – Möglichkeit einer gleichrangigen Zuständigkeit mehrerer Ausstellungsbehörden . . 210

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XV

ee) Résumé – Unterschiedliche Behandlung der MNZ . . . . 210 ff) (Keine) Bindung der betrachteten mitgliedstaatlichen Stellen bei der Ausstellung eines MNZ an die Art.  4 ff. EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Bindung der deutschen Nachlassgerichte . . . . . . . 211 (2) Keine Bindung der französischen Notare . . . . . . . 212 d) Würdigung und Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 e) Fälle einer konkurrierenden Zuständigkeit der Gerichte bzw . Ausstellungsstellen mehrerer Mitgliedstaaten . . . . . . . . . 215 aa) Subsidiäre Zuständigkeit, Art.  10 Abs.  1 EuErbVO . . . 215 bb) Forum necessitatis, Art.  11 EuErbVO . . . . . . . . . . . 216 f) Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Die allgemeinen Verfahrensregeln der Art.  17 f. EuErbVO . . . 217 a) Anwendungsbereich der Art.  17 f. EuErbVO . . . . . . . . . 218 aa) Keine Beschränkung durch die eingeschränkte Verweisung des Art.  64 S.  1 EuErbVO . . . . . . . . . . . 218 bb) Erbverfahren vor einem Gericht . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . 220 b) Verhältnis von Art.  17 EuErbVO und Art.  18 EuErbVO . . . 220 c) Anwendung von Art.  17 EuErbVO bzw. Art.  18 EuErbVO bei unstreitigen Verfahren in Erbsachen . . . . . . . . . . . . 221 (a) Anwendbarkeit von Art.  17 EuErbVO bei parallelen Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines MNZ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (aa) Zwar Partei- und Anspruchsidentität i. S. d. Art.  17 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . 222 (bb) Allerdings keine Anwendbarkeit aufgrund des systematischen Zusammenhangs zwischen Art.  17 EuErbVO und Art.  40 lit.  c und lit.  d EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (b) Stellungnahme: Anwendung von Art.  18 EuErbVO 227 d) Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 III. Herstellung eines Gleichlaufs zwischen forum und ius . . . . . . . 229 IV. Regelungen der Art.  62 ff. EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Ausstellungshindernis des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO 231 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Identität des Sachverhalts und Unvereinbarkeit . . . . . . . . 233 c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Ausstellungshindernis des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO 234 V. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

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C. Keine Mechanismen zur Vermeidung einer Divergenz auf mitgliedstaatlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 D. Konstellationen einer Kollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I.

Interne Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. ENZ und acte de notoriété . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. ENZ und Erbschein bzw. Testamentsvollstreckerzeugnis . . . . 243 a) ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis . . . . . . . . . 244 3. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Grenzüberschreitende Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. ENZ und nichtgerichtliche Nachlasszeugnisse des Verwendungsmitgliedstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Abweichende Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) ENZ und gerichtliche Nachlasszeugnisse des Verwendungsmitgliedstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) ENZ und grenzüberschreitend zirkulierende Entscheidungen oder öffentliche Urkunden im Ausstellungsstaat des ENZ . . 247 aa) Differenzierung zwischen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Grenzüberschreitende Zirkulation der exemplarisch betrachteten MNZ  – Einordnung der deutschen bzw. ­französischen MNZ als Entscheidung bzw. öffentliche Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Deutsche Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . 248 (a) Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (aa) Subsumtion unter Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO 248 (bb) Subsumtion unter Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO 249 (cc) Stellungnahme: Einordnung als Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO . . . . . . 250 (b) Zwischenrésumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (c) Testamentsvollstreckerzeugnis . . . . . . . . . . . 252 (2) Französischer acte de notoriété . . . . . . . . . . . . . 253 (a) Keine Subsumtion unter Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO . . . . . . . . . . . . 253 (b) Subsumtion unter Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO . . 253 (aa) Förmliche Errichtung . . . . . . . . . . . . . 253 (bb) Authentizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (c) Zwischenrésumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

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XVII

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ . . . . . 255 I.

Interne Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte oder materiellrechtliche Fehlerhaftigkeit eines der Nachlasszeugnisse . . . . . 256 2. Keine Divergenz aufgrund erbrechtlicher Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB und der avantages matrimoniaux des französischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 II. Grenzüberschreitende Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Divergierende inhaltliche Ausgestaltung von ENZ und MNZ . 257 2. Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte aufgrund subsidiär ­anwendbaren nationalen Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . 257 3. Abweichende Bestimmung des Erbstatuts durch abweichende ­Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im ­Zeitpunkt seines Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4. Grenzüberschreitende Divergenz aufgrund unterschiedlicher ­Vorfragenanknüpfung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Qualifikation und Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 aa) Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (1) Abgrenzung von Erbstatut und Güterrechtsstatut – Art.  1 Abs.  2 lit.  d EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . 259 (a) Komplementäre Anwendungsbereiche von EuErbVO und EuGüVO/EuPartVO . . . . . . . 260 (b) Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht nach der EuGüVO/EuPartVO . . . . . . . 261 (aa) Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . 261 (bb) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . 262 (2) Abgrenzung von Erbstatut und Sachenrechtsstatut – Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO, insbesondere erbrechtliche Qualifikation eines Vindikationslegats . 264 bb) Anpassung dinglicher Rechte nach Art.  31 EuErbVO und Lösung widerstreitender Kommorientenvermutung nach Art.  32 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (1) Konflikte zwischen Erbstatut und benachbarten Statuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (2) Verhältnis widerstreitender nationaler ­Kommorientenvermutungen . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Vorfragenanknüpfung- und Vorfragenentscheidung . . . . . 266 aa) Selbständige oder unselbständige Vorfragenanknüpfung im Rahmen der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (1) Stellungnahme – unselbständige Vorfragenanknüpfung 270

XVIII

Inhaltsverzeichnis

(a) Keine implizite Entscheidung des europäischen ­Verordnungsgebers zugunsten einer selbständigen Vorfragenanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (b) Effet utile des ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (c) Vermeidung divergierender Nachlasszeugnisse . . 273 (d) Internationaler Entscheidungseinklang als wesentliches Anliegen der EuErbVO . . . . . . . 274 (e) (Hypothetischer) Wille des Erblassers . . . . . . . 275 (2) Zwischenrésumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 bb) Art.  1 Abs.  2 lit.  a EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . 276 cc) Art.  1 Abs.  2 lit.  d EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . 276 5. Vorrang mitgliedstaatlicher Staatsverträge, Art.  75 Abs.  1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 a) Vorrangige Übereinkommen Deutschlands . . . . . . . . . . 278 aa) Deutsch-persisches Niederlassungsabkommen . . . . . . 278 bb) Deutsch-türkisches Nachlassabkommen . . . . . . . . . 279 cc) Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag . . . . . . . . . . 280 b) Vorrangige Übereinkommen Frankreichs . . . . . . . . . . . 280 c) Bindung des Ausstellungsstaats des ENZ an ein vorrangiges ­Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 aa) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 d) Vorrangiges Übereinkommen im Verwendungsmitgliedstaat des ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 6. Enge Grenzen des ordre public, Art.  35 EuErbVO . . . . . . . . 286 a) Anwendbarkeit des Art.  35 EuErbVO auch bei der Ausstellung nichtgerichtlicher Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . 288 b) Einzelfälle einer Berufung auf den ordre public . . . . . . . . 289 aa) Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art.  21 EuGRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 bb) Abweichende Regelung des Pflichtteils/Noterbrechts – (k)ein Verstoß? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (1) Einzelne Bestandteile des deutschen ordre public . . . 292 (2) Französischer ordre public – réserve héréditaire . . . 292 c) Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 7. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Inhaltsverzeichnis

XIX

F. Kollision des ENZ mit MNZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Folgen einer unechten Divergenz – kein Fall einer Kollision . . . . 294 II. Folgen einer echten Divergenz – Kollision von ENZ und MNZ . . 296 1. Echte Divergenz im Ausstellungsstaat beider Nachlasszeugnisse 296 a) Keine Auflösung der Kollision nach Art.  40 Abs.  1 lit.  c und lit.  d EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Kein Vorrang des einen oder des anderen Nachlasszeugnisses 297 c) Verfahrensrechtliche Folgen bei Unrichtigkeit eines Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 aa) ENZ eines deutschen Nachlassgerichts und deutscher Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (1) Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (2) ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 bb) ENZ eines französischen Notars und französischer acte de notoriété . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 cc) Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 d) Folgen einer Kollision für die Wirkungen der Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 aa) Darstellung vertretener (deutscher) Auffassungen . . . . 302 (1) Vermutungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (2) Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (1) Keine Übertragung der Rechtsprechung deutscher Gerichte zu kollidierenden Erbscheinen aufgrund der Konzeption des Gutglaubensschutzes des ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (2) Zwischenrésumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (3) Verordnungsautonome Bestimmung der Folgen für die Wirkungen des ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (a) Vermutungs- und Legitimationswirkung . . . . . 307 (b) Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (4) Bestimmung der Folgen für die Wirkungen des MNZ nach autonomem mitgliedstaatlichen Recht . . . . . . 310 (a) Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (aa) Vermutungs- und Gutglaubenswirkung . . . 310 (bb) Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . 314 (b) Gutglaubenswirkung des acte de notoriété . . . . 315 (c) Résumé und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . 317 2. Grenzüberschreitende echte Divergenz zwischen ENZ und MNZ 318 a) Internationales Erbverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 318

XX

Inhaltsverzeichnis

aa) Kollision von ENZ und einer Entscheidung oder einer ­öffentlichen Urkunde aus einem anderen Mitgliedstaat im Ausstellungsstaat des ENZ . . . . . . . . . . . . . . . 318 (1) Keine Anwendung des Art.  40 lit.  c oder lit.  d EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (2) Ordre public-Vorbehalt des Art.  40 lit.  a EuErbVO und des Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO . . . . . . 319 bb) Grenzüberschreitende Kollision im Verwendungsmitgliedstaat des ENZ  – Widerrufs- und ­Einziehungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 b) Darstellung und Bewertung bisher entwickelter Lösungswege 325 aa) Vorrangstellung des einen oder des anderen Nachlasszeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (1) Anwendung des Grundsatzes der zeitlichen Priorität 325 (2) Vorrangstellung des ENZ oder des MNZ . . . . . . . 325 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 bb) Lösungen, die an die Wirkungen der Nachlasszeugnisse ­anknüpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 c) Zwischenrésumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 d) Folgen für die materiell-rechtlichen Wirkungen der Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 e) Sonderfall: Vorlage eines divergierenden MNZ im Verfahren zur Änderung eines ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 III. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

G. Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten . . . . . . 332 I. (Keine) Vermeidung divergierender ENZ durch Art.  17 f. EuErbVO 333 II. Keine Vermeidung divergierender ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten trotz Zuständigkeitskonzentration . . . . . . . . . 334 III. Gründe einer Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 IV. Folgen einer echten Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Keine Auflösung der Kollision auf Grundlage des Art.  40 Abs.  1 lit.  c EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 2. Widerruf des ENZ der international unzuständigen ­Ausstellungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 3. Folgen für die jeweiligen Wirkungen der ENZ . . . . . . . . . . 337 a) Vermutungs- und Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . 337 b) Gutglaubenswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 V. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

H. Freizügigkeitskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

Inhaltsverzeichnis

XXI

I. ENZ und drittstaatliche Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . 341 I. Anerkennung des ENZ in einem Drittstaat . . . . . . . . . . . . . 343 II. Anerkennung drittstaatlicher Nachlasszeugnisse im Ausstellungsstaat des ENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1. Nachlasszeugnisse von Nicht-EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . 346 2. Irische und dänische Nachlasszeugnisse – kein Sonderfall . . . . 348 III. Sonderproblem: Anwendung des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO vor drittstaatlichen Gerichten . . . . . . . . . . . 349 IV. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

Kapitel  6: Überlegungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . 351 Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . 355 A. Materiell-rechtliche Wirkungen der betrachteten Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 I. Abstrakter vs. konkreter Redlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . 355 II. Legitimationswirkung bei der Registereintragung . . . . . . . . . . 355

B. Grenzüberschreitende Erstreckung der Wirkungen eines MNZ 356 I. Verordnungsautonomer Rechtskraftbegriff . . . . . . . . . . . . . 356 II. Anerkennung bzw. Annahme von MNZ . . . . . . . . . . . . . . . 356

C. Optionaler Dualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 D. Begriff der Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Echte vs. unechte Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 II. Interne vs. grenzüberschreitende Divergenz . . . . . . . . . . . . . 358

E. Gründe einer internen Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 F. Gründe einer grenzüberschreitenden Divergenz . . . . . . . . . 358 G. Folgen einer Kollision von ENZ und MNZ . . . . . . . . . . . . 358 I. Weiter, jedoch nicht unbegrenzter Gerichtsbegriff der EuErbVO . 359 II. Kein europäischer Entscheidungseinklang . . . . . . . . . . . . . . 359 III. Sperrwirkung des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO . . . . . . 360 IV. Überlegungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

H. Auflösung einer internen Kollision . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

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Inhaltsverzeichnis

I. Auflösung einer grenzüberschreitenden Kollision . . . . . . . . 361 I. Im Wesentlichen keine verfahrensrechtliche Lösung . . . . . . . . 361 II. Bestimmung der Folgen für die Wirkungen der in Rede stehenden Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

J. Echte Divergenz von ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten . 363 K. Drittstaatliche Nachlasszeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 L. Grafische Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen und zitierter Rechtsakte a. A. andere Auffassung a. F. alte Fassung ABlEG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABlEU Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis act. actualité AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AJ fam. Actualité juridique de la famille Anm. Anmerkung Art. Artikel Aufl. Auflage Bd. Band Bearb. Bearbeiter BeckOGK Beck-online Großkommentar BeckOK Beck-online Kommentar BeckRS beck-online.RECHTSPRECHUNG Begr. Begründer BegrRegE Begründung des Regierungsentwurfs BGB Bürgerliches Gesetzbuch Brüssel Ia-VO Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEU v. 20.12.2012, L 351/1. Brüssel I-VO Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEG v. 16.1.2001, L 12/1. BT-Drs. Bundestagsdrucksache Bull. civ. Bulletin des arrêts de la Cour de cassation (chambres civiles) BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg bzw. beziehungsweise C. civ. Code civil C. mon. fin. Code monétaire et financier Cass. civ. Arrêt d’une chambre civile de la Cour de cassation comm. Commentaire

XXIV CPC D.

Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen und zitierter Rechtsakte

Code de procédure civile décret (betreffend Rechtsquellen) bzw. Recueil Dalloz ­(betreffend Literatur) d. h. das heißt Defrénois Répertoire général du notariat Defrénois Ders./Dies. Derselbe/Dieselbe(n) Dir. Directeur/s DNotI Deutsches Notarinstitut DNotV Deutscher Notarverein DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift Dr. Fam. Droit de la famille DStR Deutsches Steuerrecht Durchführungs- Durchführungsverordnung (EU) Nr.  1329/2014 der Kommission verordnung (EU) vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung der Formblätter nach Nr.  1329/2014 Maßgabe der Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europä­ ischen Nachlasszeugnisses, ABlEU v. 16.12.2014, L 359/30. E Entwurf Ed. Edition EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einl. Einleitung EL Ergänzungslieferung EMRK Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention) endg. Endgültig engl. Englisch/e ENZ Europäisches Nachlasszeugnis/Europäische Nachlasszeugnisse (jeweils in sämtlichen Kasus) ErbR Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis ERPL European Review of Private Law ErwG Erwägungsgrund et al. Und andere (lateinisch: et alii) EU Europäische Union EuErbVO Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABlEU v. 27.7.2012, L 201/107. EuErbVO-E Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffent­ lichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses v. 14.10.2009, KOM (2009) 154 endg.

Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen und zitierter Rechtsakte EuGH

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Europäischer Gerichtshof (Instanz), aber auch pars pro toto Gerichtshof der Europäischen Union (Institution) EuGRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union ­(EU-Grundrechtecharta) EuGüVO Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands, ABlEU v. 8.7.2016, L 183/1. EuGVÜ Übereinkommen von Brüssel von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEG v. 31.12.1972, L 299/32. EuInsVO Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung), ABlEU v. 5.6.2015, L 141/19. EuLF The European Legal Forum EuPartVO Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güter­rechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften, ABlEU v. 8.7.2016, L 183/30. EuR Europarecht (Zeitschrift) EuScheidungsVO/ Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 des Rates vom 20. Dezember Rom III-VO 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABlEU v. 29.12.2010, L 343/10. EuUntVO Verordnung (EG) Nr.  4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABlEG v. 10.1.2009, L 7/1. EUV Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht f. folgende FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht ff. fortfolgende Fn. Fußnote frz. Französisch/e FS Festschrift GA Generalanwalt GBO Grundbuchordnung GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

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GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GVG Gerichtsverfassungsgesetz h. M. herrschende Meinung HGB Handelsgesetzbuch HK Handkommentar Hrsg. Herausgeber i. d. R. in der Regel i. d. S. in diesem/dem Sinne i. E. im Ergebnis i. R. d. im Rahmen des/der i. S. d. im Sinne des/der i. V. m. in Verbindung mit insbes. insbesondere IntErbRVG Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRG Bundesgesetz der Schweiz über das Internationale Privatrecht vom 18.12.1987 (Stand 1.2.2021) IZPR Internationales Zivilprozessrecht IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht J Priv Int L Journal of Private International Law JCP Juris-Classeur périodique (La Semaine Juridique), édition: Générale JCP N Juris-Classeur périodique (La Semaine Juridique), édition: Notariale et Immobilière JDI Journal du droit international (Clunet) JORF Journal officiel de la République française (lois et règlements) jurisPK juris PraxisKommentar JuS Juristische Schulung KOM Europäische Kommission L Abl.-Reihe L (Rechtsvorschriften) L. Loi lit. Buchstabe [lateinisch: littera] m. a. W. mit anderen Worten MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern MittRhNotK Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer MNZ Mitgliedstaatliches Nachlasszeugnis/Mitgliedstaatliche Nachlasszeugnisse (jeweils in sämtlichen Kasus) MPIPRIV Max Planck Institute for Comparative and International Private Law MüKo Münchener Kommentar n numéro NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NK Nomos Kommentar notar Monatsschrift für die gesamte notarielle Praxis NotBZ Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis

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XXVII

Nr. Nummer OGH Oberster Gerichtshof der Republik Österreich OLG Oberlandesgericht p. page RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (The Rabel Journal of Comparative and Interna­ tional Private Law) RegE Regierungsentwurf Rev. crit. DIP Revue critique de droit international privé RGBl. Reichsgesetzblatt RIN Règlement inter-cours des notaires (Règlement national, règlement inter-cours du Conseil Supérieur du Notariat approuvé par arrête de Madame la Garde des Sceaux, Ministre de la justice en date du 22 mai 2018 (J.O. du 25 mai 2018) RL Richtlinie Rn. Randnummer RNotZ Rheinische Notar-Zeitschrift Rom III-VO/ Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 des Rates vom 20. Dezember EuScheidungsVO 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABlEU v. 29.12.2010, L 343/10. Rom II-VO Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABlEG v. 31.7.2007, L 199/40. Rom I-VO Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABlEG v. 4.7.2008, L 177/6. Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger RPflG Rechtspflegergesetz Rs. Rechtssache RTD civ. Revue trimestrielle de droit civil RTD eur. Revue trimestrielle de droit européen S. Seite (Fußnote) bzw. Satz (Normen) sic sīc erat scriptum sublit. Unterbuchstabe [lateinisch: sublittera] successio Zeitschrift für Erbrecht (Schweiz) Tru. L.I. Trust Law International u. a. und andere u. U. unter Umständen UAbs. Unterabsatz v. vom Verf. Verfasser vgl. vergleiche VO Verordnung Vorb. Vorbemerkung

XXVIII z. B. ZErb ZEuP ZEV ZfRV

Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen und zitierter Rechtsakte

zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Europarecht Int. Privatrecht und Rechts­ vergleichung ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch zit. Zitiert als ZPO Zivilprozessordnung ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung Bereits im Jahre 1849 äußerte Friedrich Carl von Savigny das Bedürfnis nach einer erhöhten Verkehrsfähigkeit von Rechten und einem internationalen Entscheidungseinklang, um die Funktionsfähigkeit eines zunehmend „mannichfaltige[n] und lebhafte[n]“ internationalen Rechtsverkehrs zu gewährleisten.1 Weit über ein Jahrhundert später hat sich dieses Bedürfnis speziell auf dem Gebiet des internationalen Erbrechts noch potenziert. Die grenzüberschreitende Mobilität floriert2 – naturgemäß wuchs damit auch die Anzahl von Erbfällen mit grenzüberschreitendem Bezug.3 Im Vorfeld der Schaffung einer EuErbVO4 erschwerte einerseits der fehlende internationale Entscheidungseinklang eine rechtssichere Nachfolgeplanung für den Erblasser5, andererseits führte die Verschiedenartigkeit der mitgliedstaatlichen Erb- und Erbverfahrensrechte auch für die erbrechtlich Berechtigten zu erheblicher Rechtsunsicherheit und beeinträchtigte diese in 1  Von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd.  8, 1849, 26 f. („Dahin führt die wünschenswerthe Gegenseitigkeit in der Behandlung der Rechtsverhältnisse, und die daraus hervorgehende Gleichheit in der Beurteilung der Einheimischen und Fremden, die im Ganzen und Großen durch den gemeinsamen Vortheil der Völker und der Einzelnen geboten wird.“). 2  C. Nourissat AJ fam. 2005, 393; M-P. Weller RabelsZ 81 (2017), 747 (765). 3  Nach Angaben der Kommission im Vorfeld der Schaffung einer EuErbVO gibt es in der EU jährlich rund 450.000 Erbfälle, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, wobei der Gesamtwert der entsprechenden Nachlässe auf rund 123.3 Mrd. Euro jährlich geschätzt wird, vgl. Commission staff working document accompanying the proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on jurisdiction, applicable law, recognition and enforcement of decisions and authentic instruments in matters of successions and on the introduction of a European Certificate of Inheritance, Impact Assessment v. 14.10.2009, SEC(2009) 410 final, 18. 4 Verordnung (EU) Nr.   650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.  Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABlEU v. 27.7.2012, L 201/107. 5 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird i.  R. d. Untersuchung das generische Mas­kulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen schließen Angehörige aller Geschlechter ein.

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Einleitung

der Durchsetzung ihrer Rechte.6 Die fehlende Vereinheitlichung der Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in den europäischen7 Mitglied­ staaten vertiefte diese Rechtsunsicherheit noch.8 Besonders die Verwendung ­eines nationalen Nachlasszeugnisses im Ausland war mit immensen Schwierigkeiten verbunden.9 Die mangelnde Verkehrsfähigkeit ausländischer Nach­lasszeugnisse in der EU zwang die erbrechtlich Berechtigten häufig dazu, parallel nationale Nachlasszeugnisse in mehreren europäischen Mitgliedstaaten zu beantragen.10 Die grenzüberschreitende Abwicklung eines Erbfalls gestaltete sich folglich als kompliziert, zeit- und kostenintensiv.11 Entscheidungsleitende Erwägung des europäischen Verordnungsgebers bei der Implementierung der EuErbVO war gerade die Ausräumung vorgenannter grundsätzlicher Schwierigkeiten bei der grenzüberschreitenden Nachlassplanung, Nachlassabwicklung und Rechtsdurchsetzung, um – ganz im Geiste Savignys – das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern (vgl. ErwG 7 EuErbVO).12 Wesentliche Triebfeder der Schaffung von Rechtssicherheit ist zunächst das dritte Kapitel der EuErbVO, dessen Bestimmungen mehrere miteinander konkurrierende Rechtsordnungen grundsätzlich über das Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts koordinieren.13 Bei einem grenzüberschreitenden Erbfall führen die Art.  20 ff. EuErbVO idealerweise14 dazu, dass – entsprechend Savignys formuliertem Bedürfnis nach einem internationalen Entscheidungseinklang15  – ohne Rücksicht auf das jeweilige forum jeweils dieselbe Rechtsordnung zur Anwendung berufen wird.16 Nicht minder bedeutsam ist die Vereinheit­ 6 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Vorb. zu Art.  1 Rn.  16; C. Nourissat AJ fam. 2005, 393. Wird der Begriff „Mitgliedstaat“ im Folgenden ohne diesen oder einen vergleichbaren erläuternden Zusatz verwendet, so erfasst dieser Begriff allein Mitgliedstaaten i. S. d. EuErbVO, nicht aber sämtliche Mitgliedstaaten der EU. 8 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  1 Rn.  16. 9  F. Chalvignac Dr. Fam. 2013 dossier 39. 10  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  4. 11  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  4. 12  Umfassend zu den Hintergründen des europäischen Verordnungsgebers hinsichtlich der Schaffung der EuErbVO etwa BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  3. 13 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  5. 14  Die Vereinheitlichungswirkung der Art.  20 ff. EuErbVO erfährt eine Einschränkung gegebenenfalls durch Art.  75 Abs.  1 UAbs.  1, Abs.  2 EuErbVO sowie durch den Umstand, dass die Anwendung des Kollisionsrechts und die Ermittlung ausländischen Rechts weitgehend dem mitgliedstaatlichen Verfahrensrecht unterliegt, vgl. MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  3. 15  Von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd.  8, 1849, 27. 16 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 Rn.  2; Geimer/Garber in Geimer/ Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  1 Rn.  11; Palandt/Thorn EuErbVO, Vorb. Rn.  1. 7 

A. Gegenstand der Untersuchung und Meinungsstand

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lichung der Zuständigkeit in Erbsachen sowie die Vereinheitlichung der Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden in Erbsachen durch die EuErbVO (vgl. ErwG 8 EuErbVO). Neben diesen Regelungen schuf der europäische Verordnungsgeber das Europäische Nachlasszeugnis (im Folgenden „ENZ“). Dieser europaweit vereinheitlichte supranationale Nachweis erbrechtlicher Berechtigungen, Rechte bzw. Rechtsstellungen steht der Vereinheitlichung des internationalen Erbverfahrensrechts sowie des internationalen Erbkollisionsrechts hinsichtlich seiner Bedeutung im internationalen Rechtsverkehr keineswegs nach. Das ENZ soll die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung in den Mitgliedstaaten der EuErbVO beschleunigen, vereinfachen und letztlich effizienter gestalten (vgl. ErwG 67 EuErbVO). Das sechste Kapitel der EuErbVO enthält detaillierte Vorschriften zur Einführung des ENZ. Es etabliert ein optionales Nebeneinander des ENZ und „der innerstaatlichen Schriftstücke, die in den Mitgliedstaaten zu ähnlichen Zwecken verwendet werden“ (vgl. Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO), m. a. W. des ENZ und der mitgliedstaatlichen Nachlasszeugnisse17 (im Folgenden „MNZ“). Allerdings lässt die EuErbVO im Regelungsgefüge der Art.  62 bis Art.  73 EuErbVO die Kollision von ENZ und MNZ bzw. drittstaatlichen Nachlasszeugnissen unberücksichtigt.18

A. Gegenstand der Untersuchung und Meinungsstand Einige Jahre nach Geltungsbeginn wesentlicher Teile der EuErbVO und trotz einiger Vorabentscheidungen des EuGH bestehen unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen sowie dessen Folgeproblemen nach wie vor praktisch wie wissenschaftlich relevante Unklarheiten, denen sich diese Untersuchung widmet. Eine Kollision von Nachlasszeugnissen materiell-widersprüchlichen Inhalts wird, wie die Untersuchung im Folgenden aufzeigen wird, nicht bereits durch die Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO vermieden. Denn 17 Einen ähnlichen, indes weiteren, Oberbegriff für diese Schriftstücke („nationale Nachlasszeugnisse“) verwendet bereits GA Szpunar v. 22.2.2018, Schlussanträge Oberle, Rs.  C-20/17, ECLI:EU:C:2019:89 Rn.  26 ff. 18  Erfordert die i. R. d. Untersuchung vorgenommene Darstellung keine Differenzierung zwischen MNZ einerseits und drittstaatlicher Nachlasszeugnisse andererseits, werden diese Nachlasszeugnisse für die Zwecke dieser Untersuchung unter dem Oberbegriff „nationale Nachlasszeugnisse“ zusammengefasst.

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Einleitung

eine parallele Ausstellung von ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen ist nicht nur bei einem parallelen Tätigwerden der Ausstellungsbehörden eines Mitgliedstaats und eines Drittstaats denkbar, sondern auch bei einem parallelen Tätigwerden der Ausstellungsstellen unterschiedlicher Mitgliedstaaten. In diesem Kontext sind unter den bislang zur Auslegung der EuErbVO ergangenen Entscheidungen des EuGH19 hinsichtlich der MNZ und des ENZ die Entscheidungen in den Rs.  Oberle20, WB21 und E.E.22 besonders hervorzuheben. Gegenstand dieser Entscheidungen waren, jedenfalls reflexartig, die Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO. In der Rs.  Oberle forciert der EuGH die Eindämmung des Risikos eines gleichzeitigen Umlaufs sich widersprechender Nachlasszeugnisse, indem er einen Gleichlauf zwischen der internationalen Zuständigkeit für das Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und für das Verfahren zur Ausstellung der gerichtlichen MNZ herstellt.23 Dagegen sind die für die Ausstellung der MNZ zuständigen nichtgericht­ lichen Ausstellungsstellen bei deren Ausstellung nicht an die Regelungen der EuErbVO zur internationalen Zuständigkeit gebunden (Rs.  WB und Rs.  E.E.).24 Insbesondere – jedoch nicht ausschließlich – für diese Fälle besteht damit die Möglichkeit, dass neben der für die Ausstellung des ENZ zuständigen Stelle weitere nach mitgliedstaatlichem Recht für die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse zuständige Stellen tätig werden. Das Verhältnis von ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen sowie die hieraus resultierenden Folgeprobleme sind bislang wenig in die Tiefe untersucht.25 Eine Ausnahme davon bildet die Anfang 2019 erschienene Disserta19 EuGH v. 12.10.2017, Kubicka, Rs.C-218/16, ECLI:EU:C:2017:755; EuGH v. 1.3.2018, Mahnkopf, Rs.C-558/16, ECLI:EU:C:2018:138; EuGH v. 21.6.2018, Oberle, Rs.  C-20/17, ECLI:EU:C:2018:485; EuGH v. 17.1.2019, Brisch, Rs.  C-102/18, ECLI:EU: C:2019:34; EuGH v. 23.5.2019, WB, Rs.   C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444; EuGH v. 16.7.2020, E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:569; EuGH v. 1.7.2021, Succession de VJ, Rs.  C-301/20, ECLI:EU:C:2021:528; EuGH v. 9.9.2021, UM, Rs.  C-277/20, ECLI:EU:C: 2021:708. Anhängig ist beim EuGH derzeit noch ein Vorabentscheidungsersuchen des OLG Köln (OLG Köln v. 28.8.2020, 2 Wx 107/20, ECLI:DE:OLGK:2020:0828.2WX 107.20.0A, anhängig als Rs.  C-422/20 – RK (Déclinatoire de compétence); GA Szpunar v. 8.7.2021, Schlussanträge RK (Déclinatoire de compétence), Rs.  C-422/20,ECLI:EU:C:202 1:565). 20  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle. 21  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB. 22  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. 23  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  57. 24  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55 ff.; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  67 f., 80. 25  Anders verhält es sich etwa beim Anknüpfungskriterium des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, vgl. etwa die Dissertationen von Emmerich, Anknüpfung EuErbVO; Greeske, Kollisionsnormen EuErbVO; sowie Kränzle, Heimat als Rechtsbegriff. Die Fra-

B. Methode und Gang der Untersuchung

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tion von Katharina Dorth,26 die ihre Arbeit auf das Verhältnis von ENZ und dem Erbschein des deutschen Rechts ausgerichtet hat. Indes ist die Arbeit aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des EuGH in den Rs.  Oberle, WB und E.E. bereits nicht mehr aktuell, da sie Literatur und Rechtsprechung lediglich bis einschließlich Dezember 2017 berücksichtigt. Hinsichtlich des bisherigen wissenschaftlichen Diskurses zum Verhältnis von ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen, insbesondere MNZ, ist ferner bemerkenswert, dass dieser ganz erheblich von deutschen Stimmen geprägt ist. Zwar wird im französischen Schrifttum27 die Thematik kolli­ dierender Nachlasszeugnisse teilweise durchaus aufgegriffen, jedoch eher stiefmütterlich behandelt. Denn die Gefahr kollidierender Nachlasszeugnisse wird in der französischen Literatur aufgrund der durch die EuErbVO erfolgten Kollisionsrechtsvereinheitlichung als marginal betrachtet.28 Indes kann – wie dieser Untersuchung aufzuzeigen obliegt – die durch die ­EuErbVO erfolgte Kollisionsrechtsvereinheitlichung die Möglichkeit divergierender Nachlasszeugnisse zwar wesentlich eindämmen; einen europä­ ischen Entscheidungseinklang gewährleisten die Art.  20 ff. EuErbVO jedoch nicht. Im Übrigen weist die bisherige Forschung zur Thematik gerade auch im deutschsprachigen Raum eine Lücke hinsichtlich Untersuchungen mit rechtsvergleichenden Elementen auf. Herzstück dieser Untersuchung bildet die Kollision von Nachlasszeugnissen materiell-rechtlich widersprüchlichen Inhalts. Die Untersuchung soll aufzeigen, wie eine derartige Kollision aufgelöst werden könnte bzw. welche Auswirkungen eine solche auf die in Rede stehenden Nachlasszeugnisse hat.

B. Methode und Gang der Untersuchung Die Untersuchung der Regelungen der EuErbVO erfolgt naturgemäß aus europäischer Perspektive. Denn die Begriffe der EuErbVO sind grundsätzlich unionsautonom und einheitlich – losgelöst vom nationalen Recht des ge des internationalen Entscheidungseinklangs wird in den Dissertationen von Konvalin, ENZ ohne europäischen Entscheidungseinklang; und Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, thematisiert. Gegenstand der Untersuchungen etwa von Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, sowie Trittner, Redlichkeitsschutz, bildet der Gutglaubensschutz im (Internationalen) Erbrecht. 26  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ. 27  I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.   3); A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228; V.  Égéa RTD eur. 2018, 845 (Rn.  3). 28  A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228; V. Égéa RTD eur. 2018, 845 (Rn.  3).

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Einleitung

Forumsstaats – auszulegen.29 Mit Blick auf das genuin europäische Thema ist, neben unions- und verordnungsautonomer Rechtsauslegung, die Auswertung von Literatur und Rechtsprechung zur EuErbVO auch aus nicht deutschsprachigen Mitgliedstaaten unerlässlich. Nicht zuletzt aus diesem Grund erfolgt die Untersuchung des Verhältnisses von ENZ und nationalen Nachlasszeugnisses und dessen Folgen unter exemplarischer Heranziehung nicht nur deutscher, sondern auch französischer Nachlasszeugnisse. Ein rechtsvergleichender Zugang ist vor diesem Hintergrund geboten.

I. Zur Auswahl der exemplarischen Betrachtung des Verhältnisses von ENZ und deutschen bzw. französischen Nachlasszeugnissen Die Auswahl der deutschen bzw. französischen Nachlasszeugnisse beruht auf deren konzeptionellen Unterschieden, die im Rahmen einer Kollision von ENZ und dem in Rede stehenden mitgliedstaatlichen Nachlasszeugnis freilich zu berücksichtigen sind. Zunächst ist das Verfahren zur Ausstellung eines nationalen Nachlasszeugnisses in den Mitgliedstaaten der EU denkbar unterschiedlich ausgestaltet.30 Der Nachweis der erbrechtlichen Berechtigung kann insbesondere nach der Art seiner Ausstellung und der zu seiner Ausstellung berufenen Stelle systematisiert werden.31 Im Wesentlichen kann insoweit zwischen dem gerichtlichen, dem notariellen sowie dem behördlichen Nachweis einer erbrechtlichen Berechtigung differenziert werden.32 Ein gerichtlicher Nachweis der Erbenstellung wie im deutschen Recht ist im Recht der Mitgliedstaaten der EU weitgehend unbekannt.33 Gerade die französische Rechtsordnung in der Tradition des römischen Rechts ist mit dem Institut eines gerichtlichen Erbscheins nicht vertraut.34 Das praktische Bedürfnis nach ­einem Nachweis der Erbenstellung stillt im französischen Recht in erster Linie der acte de notoriété.35 Die ausschließliche Zuständigkeit für dessen 29 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  32; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  33; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Brisch Rn.  22; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  50; Geimer/ Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  1 Rn.  3. 30  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 305. 31  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  3; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (727); Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 118 ff. 32  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 118. 33  Einen gerichtlichen Nachweis der Erbenstellung kennt neben dem deutschen lediglich das griechische Recht, vgl. DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 305. 34  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 305. 35  S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  108.

B. Methode und Gang der Untersuchung

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Ausstellung weist das französische Recht den französischen Notaren zu (vgl. Art.  730-1 Abs.  1 C. civ.: „dressé par un notaire“36).37 Von nicht geringerer Relevanz für die Auswahl der französischen Nachlasszeugnisse ist der Umstand, dass das französische Recht – anders als das deutsche Recht – etwa auch das Vindikationslegat vorsieht, sodass bereits vor dem Hintergrund der inhaltlichen Ausgestaltung der Nachlasszeugnisse ein Vergleich spannend erscheint. Ferner unterscheiden sich – wie die Untersuchung im Folgenden aufzeigen wird – deutscher Erbschein und französischer acte de notoriété konzeptionell hinsichtlich der Art des vermittelten Gutglaubensschutzes.

II. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in sechs Kapitel. In einem vor die Klammer gezogenen Grundlagenteil werden zunächst die betrachteten Nachlasszeugnisse des autonomen deutschen und französischen Rechts sowie das ENZ dargestellt und speziell die materiell-rechtlichen Wirkungen der Nachlasszeugnisse einer vergleichenden Analyse unterzogen (erstes und zweites Kapitel). Gegenstand des dritten Kapitels ist der gemeinsame Anwendungsund Geltungsbereich des ENZ und der MNZ – stellt sich die Frage zum Verhältnis doch nur im Falle eines solchen. Daran anschließend wird ebendiese Frage in einem vierten Kapitel beantwortet. Kernstück der Untersuchung bildet die im fünften Kapitel unternommene Analyse der Folgen des im vierten Kapitel aufgezeigten optionalen Dualismus von ENZ und MNZ. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Untersuchung des Nebeneinanders divergierender Nachlasszeugnisse. Zunächst werden die Mechanismen der EuErbVO zur Vermeidung einer Divergenz zwischen ENZ und MNZ einer kritischen Analyse unterzogen. Dass die dahingehenden Bemühungen des europäischen Verordnungsgebers zwar durchaus Früchte getragen haben, indes eine Kollision divergierender Nachlasszeugnisse nicht gänzlich unterbinden können, bleibt im Laufe der Untersuchung zu zeigen. Insoweit wird u. a. die Schlüsselfrage, ob Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO auch die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung sämtlicher MNZ regeln, eingehend untersucht und eine unterschiedliche Behandlung gerichtlicher und nichtgerichtlicher MNZ aufgezeigt. Hierauf aufbauend werden die Gründe für eine Divergenz sowie de36  Art.  730-1 Abs.  1 C. civ. lautet: „La preuve de la qualité d’héritier peut résulter d’un acte de notoriété dressé par un notaire, à la demande d’un ou plusieurs ayants droit“. 37  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  59; F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  312.

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Einleitung

ren Folgen dargestellt und anschließend analysiert. In diesem Zusammenhang wird zunächst empirisch der Rechtszustand unter exemplarischer Heranziehung der deutschen und französischen Nachlasszeugnisse erhoben und verglichen, bevor eine normative Bewertung erfolgt. Insoweit intendiert die Untersuchung darzulegen, dass die Kollision von ENZ und MNZ eine probate Lösung weder in den verfahrensrechtlichen Regelungen der EuErbVO noch in einer pauschalen Vorrangregel findet, sondern sich die Kollision auf die Wirkungen der in Rede stehenden Nachlasszeugnisse niederschlägt. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen im sechsten Kapitel in Überlegungen de lege ferenda. Ihren Abschluss findet die Untersuchung in einer Zusammenfassung und den Ergebnissen in Thesen.

Kapitel  1

Das ENZ als supranationales Rechtsinstrument Die im Rahmen dieser Arbeit vorzunehmende Untersuchung des Verhältnisses von ENZ zu MNZ und speziell der Folgen deren Kollision erfordert, dass zunächst Ratio und die hieraus entspringende Diskussion um die Kompetenz der EU zur Schaffung eines supranationalen Rechtsinstruments (A.) wie auch der grenzüberschreitende Regelungsgehalt des ENZ (B.) aufgezeigt werden.

A. Ratio des ENZ und kompetenzrechtliche Problematik Die Schaffung eines einheitlichen Rechtsinstruments zum Nachweis erb­ rechtlicher Rechtsstellungen wurde erstmals 2002 in einer von der Europä­ ischen Kommission in Auftrag gegebenen rechtsvergleichenden Studie des Deutschen Notarinstituts1 zu den verfahrensrechtlichen und kollisionsrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des internationalen Erbrechts angeregt.2 Dieser Vorschlag fand Eingang in den Kommissionsentwurf für eine Europäische Erbrechtsverordnung.3 Die Art.  36 bis 44 EuErbVO-E enthielten entsprechend Vorschläge für die Regelung eines ENZ, die – teilweise signifikant modifiziert4 – in das sechste Kapitel der heutigen EuErbVO integriert wurden. Art.  62 EuErbVO bestimmt als Grundnorm die Einführung des ENZ und seinen Charakter als lediglich optionales Harmonisierungsinstrument.5 Art.  63 EuErbVO statuiert den Zweck des ENZ. Das Ausstellungsverfahren 1 

DNotI, Rechtsvergleichende Studie. DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 184. 3  Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses v. 14.10.2009, KOM (2009) 154 endg. 4  Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  7. 5 Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck EuErbVO, Art.  62 Rn.  1 f.; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 Rn.  1 EuErbVO; Hundertmark/Limbach in Gebauer/Wiedmann, 2 

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Kapitel 1: Das ENZ als supranationales Rechtsinstrument

ist in Art.  64 EuErbVO bis Art.  67 EuErbVO geregelt, wobei Art.  64 Eu­ ErbVO die Zuständigkeit, Art.  65 EuErbVO ein Antragserfordernis und die Antragsvoraussetzungen, Art.  66 EuErbVO die Prüfung des Antrags und Art.  67 EuErbVO schließlich die Ausstellung des ENZ regelt. Die Urschrift des ENZ verbleibt bei der Ausstellungsbehörde – Art.  70 EuErbVO regelt in diesem Zusammenhang die Ausstellung beglaubigter Abschriften. Art.  68 EuErbVO bestimmt den Inhalt des ENZ selbst sowie dessen beglaubigter Abschriften. Art.  69 EuErbVO regelt die Wirkungen eines ENZ. Art.  71 EuErbVO normiert Berichtigung, Änderung und Widerruf des ENZ, Art.  72 EuErbVO Rechtsbehelfe und Art.  73 EuErbVO die Aussetzung der Wirkungen des ENZ.

I. Bedürfnis für ein ENZ Die Einführung des ENZ und seine Regelung in den Art.  62 EuErbVO bis Art.  73 EuErbVO stellt eine der bedeutendsten Neuerungen auf Ebene des europäischen Erbrechts dar.6 Die Einführung des ENZ gründet auf den in der Zeit vor der Geltung der EuErbVO bestehenden erheblichen Schwierigkeiten, erbrechtliche Rechtspositionen in grenzüberschreitenden Erbfällen nachzuweisen.7 Zwar sieht nahezu jedes autonome mitgliedstaatliche Recht ein Nachlasszeugnis vor, das zum Nachweis der Erbenstellung ausgestellt werden kann und diesen Zweck in der entsprechenden mitgliedstaatlichen Rechtsordnung auch erfüllt.8 Die MNZ divergieren teilweise jedoch wesentlich hinsichtlich der für die Ausstellung zuständigen Stelle,9 deren Prüfungsumfang10 sowie hinsichtlich ihres Inhalts11 und der Reichweite ihrer Wirkungen12. Vor diesem Hintergrund besteht nicht zuletzt die praktische Schwierigkeit, die Wirkungen eines ausländischen Nachlasszeugnisses im

Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  61 Rn.  1 ff.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  2. 6  Vgl. etwa Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck EuErbVO, Art.  62 Rn.  1. 7 Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck EuErbVO, Art.   62 Rn.   1; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  62 Rn.  2; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  3 ff. 8  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  4; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  3 ff. 9  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.   62 Rn.  3; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (727); Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 118 ff. 10  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  3; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (728). 11  Vgl. hinsichtlich Erbschein und ENZ J. Schmidt ZEV 2014, 389 (391). 12  Vgl. hinsichtlich Erbschein und ENZ Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309).

A. Ratio des ENZ und kompetenzrechtliche Problematik

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Inland zutreffend einzuschätzen.13 In der Vergangenheit wurden die unterschiedlichen Formen von MNZ in der Folge nur äußerst zurückhaltend als ausländische Entscheidung anerkannt oder als Substitut eines inländischen Nachlasszeugnisses herangezogen.14 Die Sicherstellung einer effizienten Nachlassabwicklung bei einem grenzüberschreitenden Erbfall kann mittels zweier unterschiedlicher Regelungsmodelle erreicht werden: Einerseits kann die Anerkennung ausländischer Erbnachweise auch im Inland forciert werden, andererseits besteht die Möglichkeit der Schaffung eines supranationalen Nachlasszeugnisses.15 Der europäische Verordnungsgeber hat sich bei der Schaffung der EuErbVO gegen die Verwirklichung einer umfassenden Freizügigkeit der MNZ nach einheitlichen Regeln entschieden. Die MNZ können im Kontext der EuErbVO abhängig von ihrer Einordnung in die Kategorien der Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO bzw. der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO nach den Art.  39 ff. EuErbVO anerkannt werden bzw. der Annahme nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO unterliegen.16 Ergeht ein MNZ weder in Form einer Entscheidung noch in Form einer öffentlichen Urkunde i. S. d. EuErbVO, sondern ergeben sich Nachweiswirkungen allein aus einer Privaturkunde, scheidet eine Wirkungserstreckung nach den Art.  39 ff. EuErbVO bzw. nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO aus.17 Abhängig von ihrer Ausgestaltung unterliegt damit die Erstreckung der Wirkungen von MNZ unterschiedlichen Regimen.18 Folglich wird durch die Bestimmungen der EuErbVO gerade keine einheitliche Zirkulation der MNZ in den Mitgliedstaaten ermöglicht.19 13 

Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  5. EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  3. So wurde etwa die Anerkennung eines ausländischen Nachlasszeugnisses als Entscheidung nach den §§  108 f. FamFG mehrheitlich abgelehnt, da dieser – mangels rechtsgestaltender Natur – keinen anerkennungsfähigen Inhalt aufweise, sondern lediglich (in materiell-rechtlicher Hinsicht) den Erben legitimiere und ggf. Redlichkeitsschutz entfalte, vgl. etwa BayObLG NJW-RR 1991, 1098 (1099); OLG Bremen NJW-RR 2011, 1099; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (731). In Frankreich wurde eine Anerkennung ausländischer Nachlasszeugnisse nur dann bejaht, wenn das in Rede stehende Nachlasszeugnis in einem ähnlichen Verfahren wie in Frankreich ausgestellt wurde, jedoch bei Abweichungen zwischen dem Recht des Ausstellungs- und dem des Anerkennungsstaates unter Korrektur der Angaben nach den Vorgaben des Anerkennungsstaates, vgl. DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 217. 15  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 306. 16  Ausführlich hierzu: Kapitel  3 C. 17 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  2. 18 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  2. 19 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  2. 14 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 1: Das ENZ als supranationales Rechtsinstrument

Dieses Ziel vermag allein die Einführung eines Nachlasszeugnisses auf s­upranationaler Ebene zu verwirklichen.20 Das ENZ soll, ausweislich des ErwG 67 S.  1 EuErbVO, eine „zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der Union“ ermöglichen.

II. Kompetenz der Europäischen Union Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gebietet, dass Unionsorgane nur nach Maßgabe der ihnen in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse handeln.21 Die für die Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen maßgeb­ liche Kompetenzgrundlage des Art.  81 Abs.  2 AEUV ermächtigt die EU zum Erlass von Maßnahmen des IPR und IZPR „insbesondere wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist.“ Diese Kompetenzgrundlage ist in ihrer Reichweite in sachlicher Hinsicht auf „die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten“ beschränkt (vgl. Art.  81 Abs.  2 lit.  a AEUV).22 Sie eröffnet der EU indes auch den umfassenden Handlungsrahmen23 des in ihrem Abs.  2 lit.  f geregelten Kompetenztitels, nach dem die EU Maßnahmen zur „Beseitigung von Hindernissen für die reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften“ erlassen kann.24 Das ENZ erleichtert die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung, sodass jedenfalls Art.   81 Abs.  2 lit.  f AEUV zur Begründung einer Normsetzungskompetenz der EU herangezogen werden kann.25 Eine Vereinheitlichung des nationalen materiellen Zivil- und Verfahrensrechts durch die Regelungen der heutigen Art.  62 ff. EuErbVO erscheint jedoch prima facie als nicht von der Normsetzungskompetenz des Art.  81 AEUV gedeckt.26 Die Kernvorschrift der Art.  62 ff. EuErbVO bildet näm20 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  2; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (735 ff., 743). 21  Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn.  161. 22  Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  81 AEUV Rn.  7 ff., 18, 19b. 23  Unter den in Art.  81 Abs.  2 AEUV aufgeführten Kompetenztiteln eröffnet lit.  f den weitreichendsten Handlungsrahmen, vgl. Hess in GHN EUV/AEUV Art.  81 AEUV Rn.  48. 24  Hess in GHN EUV/AEUV Art.  81 AEUV Rn.  48. 25 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  3; Roth EWS 2011, 314 (318). 26 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.   62 Rn.  3; zur Kompetenzausübungsvoraussetzung der Beschränkung auf das Verfahrensrecht, die damit Regelungen des materi-

A. Ratio des ENZ und kompetenzrechtliche Problematik

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lich zweifellos Art.  69 EuErbVO, der die materiellen und formellen Wirkungen des ENZ bestimmt.27 Kompetenzausübungsvoraussetzung ist i. R. d. Art.  81 AEUV insbesondere die Beschränkung auf das Verfahrensrecht.28 Von der Normsetzungskompetenz des Art.  81 AEUV erfasst werden Regelungen auf dem Gebiet des IPR, IZVR und des allgemeinen Zivilprozessrechts, nicht hingegen das materielle Recht.29 Art.  69 EuErbVO stellt lediglich teilweise eine verfahrensrechtliche Vorschrift im eigentlichen Sinne dar, da dessen in Abs.  3 und Abs.  4 geregelten Gutglaubenswirkungen als materielles zivilrechtliches Einheitsrecht zu qualifizieren sind,30 das insoweit die mitgliedstaatlichen Bestimmungen zur Beweislast und zum Gutglaubens­ erwerb verdrängt.31 Der weitgehend materiell-rechtliche Charakter des Art.  69 EuErbVO steht indes der Annahme einer Normsetzungskompetenz der EU nach Art.  81 Abs.  2 lit.  f AEUV nicht entgegen.32 Denn den Kolli­ sionsnormen – damit einem von Art.  81 AEUV erfassten Gebiet des IPR – unterfallen auch Regelungen zur Anpassung auf sachrechtlicher Ebene, da sie die Folgen einer kollisionsrechtlichen Aufspaltung eines einheitlichen grenzüberschreitenden Sachverhalts auflösen.33 Allerdings entfaltet das ENZ seine Wirkungen nicht nur grenzüberschreitend im Verwendungsmitgliedstaat, sondern auch im Ausstellungsmitgliedstaat (vgl. Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO). Die Wirkungen des ENZ auch im Ausstellungsmitgliedstaat sind von einer Annexkompetenz gedeckt:34 Dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung konzeptionell eigen ist neben der Kompetenzergänzungsbestimmung des Art.  352 AEUV die Auslegungs­ regel der implizierten Ermächtigung (implied powers), waren doch angesichts der Komplexität der im EUV bzw. AEUV geregelten Sachverhalte bei ellen Rechts der Kompetenz der EU entzieht vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  81 AEUV Rn.  15. 27  Limbach in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  69 Rn.  1; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  1. 28  Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  81 AEUV Rn.  15. 29  Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  81 AEUV Rn.  15. 30 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  3; Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  23; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (776); Limbach in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  69 Rn.  1; Schroer, Europäischer Erbschein, 160 f.; Süß ZEuP 2013, 725 (730). 31  Limbach in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  69 Rn.  1. 32 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.   62 Rn.  3; MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (530 Nr.  16). 33 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  20 Rn.  57. 34 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  3; Mansel, FS Tuğrul Ansay’a Armağan 2006, 185 (192 f.).

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Kapitel 1: Das ENZ als supranationales Rechtsinstrument

Abschluss der Verträge nicht alle Fälle einer Rechtssetzungsbefugnis der EU vorhersehbar.35 Die Rechtsfigur der implied powers verleiht der EU eine implizite Berechtigung zur Ausfüllung von Vertragslücken, falls anderenfalls bestehende Kompetenzen „sinnlos wären oder nicht in vernünftiger oder zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten“.36 Die Einführung eines ENZ, das seine Wirkungen auch im Ausstellungsstaat entfaltet, ist geradezu unerlässlich37 für die Durchführung der durch die Kompetenzgrundlage des Art.  81 Abs.  2 lit.  f AEUV gedeckten Maßnahme der Einführung eines supranationalen Nachlasszeugnisses, das grenzüberschreitend Wirkungen im Verwendungsmitgliedstaat zeitigt. So existieren MNZ, an die das betreffende mitgliedstaatliche Recht keine Legitimations- oder Gutglaubenswirkung knüpft. Der europäische Verordnungsgeber ist bei der Ausübung seiner Zuständigkeit an die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. Art.  5 Abs.  1, Abs.  3 und Abs.  4 EUV). Ebendiese Grundsätze sind folglich auch bei der Schaffung eines ENZ, das materiell-rechtliche Wirkungen sowohl im Ausstellungs- als auch im Verwendungsmitgliedstaat entfaltet, zu wahren. Das Subsidiaritätsprinzip sieht in diesem Zusammenhang i. S. e. Negativkriteriums vor, dass das Ziel der Behebung der Schwierigkeiten hinsichtlich der internationalen Nachlassabwicklung auf mitgliedstaatlicher Ebene nicht ausreichend verwirklicht, sondern vielmehr auf europäischer Ebene besser erreicht werden kann (vgl. Art.  5 Abs.  1 und Abs.  3 EUV).38 Eine Regelung auf mitgliedstaatlicher Ebene ist aufgrund der konzeptionellen Unterschiede hinsichtlich des Nachweises einer erbrechtlichen Rechtsstellung nicht ausreichend geeignet, den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Abwicklung eines grenzüberschreitenden Erbfalls beizukommen.39 In der Einführung eines supranationalen ENZ, das seine Wirkungen ipso iure sowohl im Ausstellungs- als auch im Verwendungsmitgliedstaat entfaltet, manifestiert sich gerade der Mehrwert europäischen Handelns. Ergänzend ist die EU bei der Ausübung ihrer Kompetenzen verpflichtet, das für die Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß nicht zu überschreiten (vgl. Art.  5 Abs.  4 UAbs.  1 EUV). Eine gegenseitige 35 

Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn.  161 ff.; Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/­ ­AEUV, Art.  352 AEUV Rn.  62. 36  EuGH v. 29.11.1956, Fédéchar, Rs.  8/55, Slg. 1956, 297 (312), ECLI:EU:C:1956:11. 37  Zum Kriterium der Unerlässlichkeit vgl. EuGH v. 29.11.1956, Fédéchar, Rs.  8/55, Slg. 1956, 297 (311), ECLI:EU:C:1956:11. 38  Vgl. allgemein zum Subsidiaritätsprinzip Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn.  164 ff.; Calliess in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  5 EUV Rn.  30 ff. 39  Roth EWS 2011, 314 (319).

B. Grenzüberschreitender Bezug

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Anerkennung der MNZ ist aufgrund der erheblichen Unterschiede der MNZ sachlich nicht gerechtfertigt, da sie im Vergleich mit dem ENZ gerade nicht gleich geeignet ist, das Ziel einer schnellen, einfachen und effektiven grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung zu erreichen.40 Die Schaffung eines supranationalen Nachlasszeugnisses und die dadurch erforderliche Schaffung auch sachrechtlicher Regelungen ist vor diesem Hintergrund erforderlich und gerechtfertigt.41 Die Einführung eines ENZ, das Wirkungen auch auf materiell-rechtlicher Ebene entfaltet, genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – das ENZ tritt gerade nicht an die Stelle der MNZ (vgl. Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO).42 Die Einführung des ENZ, das materiell-rechtliche Wirkungen sowohl im Verwendungs- als auch im Ausstellungsmitgliedstaat zeitigt, ist von der Normsetzungskompetenz des Art.  81 Abs.  2 lit.  f AEUV bzw. einer Annexkompetenz hierzu erfasst.

B. Grenzüberschreitender Bezug Bei der Inanspruchnahme des Kompetenztitels des Art.   81 Abs.   2 lit.   f AEUV war der europäische Verordnungsgeber für die Schaffung des ENZ in funktionaler Hinsicht durch das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Bezugs begrenzt.43 Das ENZ wird zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt (vgl. Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO sowie Art.  63 Abs.  1 EuErbVO). Seine Verwendung anstelle eines MNZ scheidet bei reinen Inlandssachverhalten aus.44 Bei diesen sind folglich weiterhin allein die jeweiligen MNZ maßgeblich. Das Erfordernis der Verwendungsabsicht in einem anderen Mitgliedstaat findet einen Widerhall auch in Art.  65 Abs.  3 lit.  f EuErbVO. Nach dieser Vorschrift ist der beabsichtigte Zweck des ENZ i. S. d. Art.  63 EuErbVO im 40 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  3; Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  23. 41 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  3; Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  23. 42  Roth EWS 2011, 314 (319). 43  Beyer GPR 2021, 86 (89); allgemein zu dieser Kompetenzvoraussetzung des Art.  81 AEUV vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  81 AEUV Rn.  10 ff.; zum Thema des grenzüberschreitenden Bezugs als Kompetenzvoraussetzung des Art.  81 AEUV auch im Kontext der EuErbVO vgl. S. Godechot-Patris in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 17 (23); Wilke, A Conceptual Analysis of European PIL, 106 f. 44 MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.   62 Rn.   3; NK-BGB Bd.   6/Nordmeier ­EuErbVO, Art.  62 Rn.  27.

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Kapitel 1: Das ENZ als supranationales Rechtsinstrument

Antrag auf Ausstellung des ENZ anzugeben. Die Ausstellungsbehörde muss prüfen, ob die beabsichtigte Verwendung des ENZ im Ausland hin­ reichend dargelegt ist (vgl. Art.  65 Abs.  1 und 3 lit.  f EuErbVO). Der europäische Verordnungsgeber definiert nicht, wann ein Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug vorliegt.45 Die Anforderungen an das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Bezugs – damit an das Merkmal der Verwendungsabsicht – sind indes gering.46 Eine derartige Auslegung ist angesichts des ErwG 67 S.  1 EuErbVO, der eine zügige und unkomplizierte Nachlassabwicklung fordert, auch geboten.47 Die allgemeine Behauptung der Verwendungsabsicht in einem anderen Mitgliedstaat ohne konkrete Angaben, die einen grenzüberschreitenden Bezug zu begründen vermögen, genügt allerdings nicht.48 Der Antragsteller hat die Möglichkeit einer Verwendung des ENZ in einem anderen Mitgliedstaat substantiiert darzulegen.49 Der grenzüberschreitende Bezug kann bereits durch die Belegenheit von Nachlassvermögen im mitgliedstaatlichen Ausland begründet werden.50 Im Schrifttum zur EuErbVO wird ein grenzüberschreitender Bezug zudem bereits dann angenommen, wenn der Erblasser Staatsangehöriger des einen Mitgliedstaats war, während er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes in einem anderen Mitgliedstaat hatte.51 Gleiches gilt für Situationen, in denen die Erben oder Vermächtnisnehmer eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen oder in einem anderen Mitgliedstaat als der Erblasser ansässig sind.52 Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Anwendung der EuErbVO und in Übereinstimmung mit diesen vom Schrifttum entwickelten Leitlinien ist für das Vorliegen eines grenzüberschreitenden 45 

É. Fongaro AJ fam. 2015, 368; S. Godechot-Patris/C. Grare-Didier D. 2020, 2206 (VI.). 46  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.   32; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  97; É.  Fongaro AJ fam. 2015, 368; MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.   62 Rn.   3; ­Mankowski ErbR 2020, 715 (716); F. Mélin Dalloz actualité v. 4.9.2020; NK-BGB Bd.  6/ Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  28; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  63 Rn.  13. 47 Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße EuErbVO, Art.   65 Rn.   5; NK-BGB Bd.   6/ Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  28; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  21; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  63 Nr.  4. 48  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.   62 Rn.  28; BeckOGK/J. Schmidt Eu­ ErbVO, Art.  63 Rn.  21; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  63 Rn.  14. 49  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.   62 Rn.  28; BeckOGK/J. Schmidt Eu­ ErbVO, Art.  63 Rn.  21; MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  63 Rn.  2. 50  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.   32, MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  62 Rn.  3; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  28. 51  Mankowski ErbR 2020, 715 (716); F. Mélin Dalloz actualité v. 4.9.2020. 52  Mankowski ErbR 2020, 715 (716); F. Mélin Dalloz actualité v. 4.9.2020.

B. Grenzüberschreitender Bezug

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Bezugs das Bestehen von Verbindungen zu zwei (Mitglied-) Staaten essentiell.53 Das ENZ wird dagegen nur zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt, nicht aber zur Verwendung in einem oder mehreren Drittstaaten.54 Bei ausschließlichem Drittstaatenbezug darf das ENZ folglich nicht ausgestellt werden.55 Indes schadet eine neben die Absicht zur Verwendung des ENZ in einem anderen Mitgliedstaat tretende Absicht zur Verwendung in einem Drittstaat nicht.56 Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des Art.  62 Abs.  1 EuErbVO beschränken die Verwendung des ENZ auf Situationen, in denen das ENZ allein in einem Mitgliedstaat oder mehreren anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden soll.57

53 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  32; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  97. Lutz BWNotZ 2016, 34 (40); NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  29; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  20. 55  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.   62 Rn.  29; BeckOGK/J. Schmidt Eu­ ErbVO, Art.  63 Rn.  21; a. A. MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  62 Rn.  3, der an­ gesichts des in Art.  20 EuErbVO geregelten universellen Anwendungsbereichs der Kolli­ sionsregelungen der EuErbVO eine Erteilung auch bei ausschließlichem Drittstaaten­ bezug für geboten hält. 56  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  29. 57  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  29. 54 

Kapitel  2

Vergleichende Synthese – speziell des Inhalts und der materiell-rechtlichen Wirkungen der betrachteten Nachlasszeugnisse Gegenstand dieser Untersuchung sind ENZ und die nationalen Nachlasszeugnisse unter exemplarischer Heranziehung französischer und deutscher Nachlasszeugnisse. Besonderes Augenmerk liegt in diesem Zusammenhang auf dem französischen acte de notoriété sowie dem deutschen Erbschein. Die betrachteten Nachlasszeugnisse divergieren nicht nur hinsichtlich ­ihres Ausstellungsverfahrens, sondern auch hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Wirkungen. Eine vergleichende Synthese bildet daher unerlässliche Grundlage der Analyse der Sachprobleme dieser Untersuchung. Insbesondere die Analyse der Folgen eines Dualismus von ENZ und MNZ bedarf auf vorgelagerter Ebene des Verständnisses der bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der betrachteten Nachlasszeugnisse. Die nachfolgende vergleichende Synthese, speziell des Inhalts und der materiell-rechtlichen Wirkungen der betrachteten Nachlasszeugnisse, bereitet damit dem Herzstück dieser Untersuchung den Grund.

A. ENZ Das ENZ ist konzipiert als Legitimationsnachweis für eine erbrechtliche Berechtigung.1 Das ENZ kann insbesondere als Nachweis für die Rechtsstellung und/oder die Rechte jedes in ihm bezeichneten Erben oder Vermächtnisnehmers und seines jeweiligen Anteils am Nachlass verwendet werden (vgl. Art.  63 Abs.  2 lit.  a EuErbVO). Die Bedeutung der Rechtsstellung als Erbe, als Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass sowie als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bestimmt sich gemäß Art.  23 Abs.  2 lit.  b und lit.  f EuErbVO nach dem Erbstatut.2 Das 1 

Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, 317; C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  21); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  5, Rn.  10 ff. 2 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  11 ff.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

ENZ kann auch als Nachweis für die Zuweisung eines oder mehrerer bestimmter Nachlassvermögenswerte an die im ENZ bezeichneten Erben oder Vermächtnisnehmer verwendet werden (vgl. Art.  63 Abs.  2 lit.  b EuErbVO). Schließlich kann das ENZ – mit Blick auf Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter – auch verwendet werden, um die Befugnisse der in ihm bezeichneten Person(en) zur Testamentsvollstreckung oder Nachlassverwaltung nachzuweisen (vgl. Art.  63 Abs.  2 lit.  c EuErbVO).

I. Ausstellungsverfahren Die Ausstellung eines ENZ erfolgt auf Antrag (vgl. Art.  65 Abs.  1 Eu­ ErbVO). Antragsbefugt ist dabei nach Art.  65 Abs.  1 EuErbVO allein der in Art.  63 Abs.  1 EuErbVO genannte Personenkreis.3 Antrags- und schließlich verwendungsbefugt sind demnach Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker sowie Nachlassverwalter,4 nicht aber Gläubiger.5 Art.  65 Abs.  3 EuErbVO bezeichnet die erforderlichen Angaben, die der Antrag enthalten muss, „soweit sie dem Antragsteller bekannt sind und von der Ausstellungsbehörde zur Beschreibung des Sachverhalts, dessen Bestätigung der Antragssteller begehrt, benötigt werden“. Gleichermaßen bezeichnet diese Vorschrift die dem Antrag beizufügenden Schriftstücke. Die Prüfung des Antrags ist in Art.  66 Abs.  1 bis Abs.  3 EuErbVO geregelt. Die Ausstellungsbehörde unternimmt alle erforderlichen Schritte, um die Berechtigten von der Beantragung eines ENZ zu unterrichten (vgl. Art.  66 Abs.  4 S.  1 EuErbVO). Art.  66 Abs.  4 S.  2 Eu­ ErbVO betrifft die Anhörung möglicher Berechtigter. Steht der zu bescheinigende Sachverhalt fest, stellt die Ausstellungsbehörde das ENZ unverzüglich nach dem in der EuErbVO vorgesehenen Verfahren aus (vgl. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO). Die Ausstellung des ENZ erfolgt insoweit unabhängig von den nationalen Konzepten der Ausstellung der jeweiligen 3 Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße EuErbVO, Art.   65 Rn.  5; Maoli EuLF 2017, 1 (3); NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  65 Rn.  3; Deixler-Hübner/Schauer/­ Perscha EuErbVO, Art.   65 Rn.   10; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   65 Rn.   5; ­Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  65 Rn.  3; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  65 Nr.  2. 4 Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße EuErbVO, Art.   65 Rn.  5; Maoli EuLF 2017, 1 (3); NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  65 Rn.  3; Reinhartz in Bergquist et. al., Règlement Successsions, Art.   63 Nr.   1 ff.; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  65 Rn.  3 ff. 5 Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße EuErbVO, Art.   63 Rn.  6; Maoli EuLF 2017, 1 (3); Reinhartz in Bergquist et. al., Règlement Successsions, Art.  63 Nr.  5; BeckOGK/­ J.  Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  6; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  65 Rn.  6.

A. ENZ

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MNZ.6 So ist etwa eine vorgelagerte gerichtliche Entscheidung wie im deutschen Erbscheinsverfahren bei der Ausstellung eines ENZ nicht erforderlich.7 Bei Vorliegen eines Ausstellungshindernisses, insbesondere8 i. S. d. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a oder lit.  b EuErbVO, hat die Ausstellung des ENZ zu unterbleiben. Die Urschrift des ENZ verbleibt stets bei den Akten der Ausstellungsbehörde (vgl. Art.  70 Abs.  1 EuErbVO). In Umlauf gebracht werden lediglich die beglaubigten Abschriften des ENZ.9 1. Antragsvoraussetzungen Der Inhalt des Antrags auf Ausstellung des ENZ sowie die dem Antrag beizufügenden Dokumente sind in Art.  65 EuErbVO geregelt.10 Dessen Abs.  3 enthält einen umfangreichen und abschließenden Katalog der Angaben, die zwingend im Antrag enthalten sein müssen.11 Darüber hinausgehende Angaben darf die Ausstellungsbehörde nicht verlangen.12 Die Angaben nach Art.  65 Abs.  3 EuErbVO korrespondieren weitgehend mit dem Inhalt eines ENZ nach Art.  68 EuErbVO.13 Allerdings sind diese Angaben nur insoweit auch tatsächlich zwingend, als sie dem Antragsteller positiv bekannt und für die Ausstellungsbehörde zur Beschreibung des Sachverhalts, dessen Bestätigung begehrt wird, erforderlich sind (vgl. Art.  65 Abs.  3 S.  1 EuErbVO).14

6 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  16.1. IntErbR, §  39 IntErbRVG Rn.  2; Dutta/Weber/Fornasier Int­ ErbR, Art.   67 EuErbVO Rn.   17; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   67 Rn.   16.1; ­bereits zum IntErbRVG-E Kunz GPR 2014, 285 (291); hinsichtlich der §§  33 ff. IntErb­ RVG-E hingegen eine Übernahme des §  352 Abs.  2 FamFG in umstrittenen Verfahren fordernd Lehmann ZEV 2015, 138 (139). 8 Art.   67 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO ist nicht abschließend, vgl. Bonomi/Wautelet/ Wautelet EuErbVO, Art.  67 Nr.  6; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  67 Rn.  11; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  8. 9 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  70 Rn.  1; Limbach in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  70 Rn.  1; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  70 Rn.  1. 10 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   65 Rn.   1; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  65 Rn.  1; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  65 Rn.  1. 11 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.   65 Rn.  10 ff.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  65 Rn.  7. 12 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  65 Rn.  7. 13 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  65 Rn.  11; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  65 Rn.  3. 14 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  65 Rn.  10; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  65 Rn.  8. 7 Dutta/Weber/Dutta

22

Kapitel 2: Vergleichende Synthese

2. Prüfung des Antrags, insbesondere Art.  66 Abs.  4 EuErbVO Art.  66 Abs.  4 S.  1 EuErbVO verpflichtet die Ausstellungsbehörde alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die nach dem Erbstatut bestimmten (vgl. Art.  23 Abs.  2 lit.  b EuErbVO) Berechtigten – insbesondere also die Erben, Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigten15 – von einem Antrag auf Ausstellung eines ENZ zu unterrichten. Ratio des Art.  66 Abs.  4 EuErbVO ist die Sicherstellung der Beteiligung sämtlicher Personen, die schlüssig behaupten, gemäß Art.  63 Abs.  1 EuErbVO selbst antragsberechtigt zu sein.16 Diese schlüssige Behauptung der Antragsberechtigung erfolgt aufgrund einer durch ein ENZ ausweisbaren Rechtsstellung, die mit der im beantragten ENZ auszuweisenden Rechtsstellung unvereinbar ist – etwa weil sie dieser widerspricht oder diese beschränkt.17 Art.  66 Abs.  4 EuErbVO steht insoweit in engem systematischen Zusammenhang mit Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO, wonach die Ausstellungsbehörde das ENZ insbesondere dann nicht ausstellt, „wenn Einwände gegen den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig sind.“18 Angesichts der Möglichkeit, dass der Ausstellungsbehörde Berechtigte unbekannt bleiben, sieht Art.  66 Abs.  4 S.  2 Hs.  2 EuErbVO eine öffentliche Bekanntmachung vor. Diese soll möglichen Berechtigten die Gelegenheit eröffnen, ihre Rechtsstellung bzw. Rechte geltend zu machen.19 Gegenstand der öffentlichen Bekanntmachung ist die Mitteilung vom Antrag auf Ausstellung des ENZ.20 Die Regelung der Art und Weise der Bekanntmachung ist indessen dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Verfahrensrecht überlassen.21 Der Ratio des Art.  66 Abs.  4 EuErbVO entsprechend22 sieht S.  2 Hs.  1 dieser Bestimmung vor, dass jeder Beteiligte, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter anzuhören ist, sofern dies für die Feststellung der nach Art.  63 Abs.  1 EuErbVO zu bescheinigenden Rechtsstellung erforderlich ist.

15 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  23 Rn.  12 ff. EuErbVO, Art.  66 Rn.  6. 17 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  66 Rn.  6. 18 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  66 Rn.  6. 19 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  66 Rn.  7. 20 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  66 Rn.  7. 21 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  66 Rn.  7. 22 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  66 Rn.  8. 16 MüKoBGB/Dutta

A. ENZ

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3. Voraussetzungen für die unverzügliche Ausstellung, Art.  67 Abs.  1 EuErbVO Gemäß Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO stellt die Ausstellungsbehörde das ENZ „nach dem in diesem Kapitel festgelegten Verfahren“ aus, sodass einerseits das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sein muss, andererseits die Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen müssen.23 Im Einzelnen muss folglich die Prüfung des Antrags nach Art.  66 EuErbVO ordnungsgemäß erfolgt, die Ausstellungsbehörde nach der EuErbVO zuständig und der Antrag muss ordnungsgemäß von einer antragsberechtigten Person gestellt worden sein.24 Im Übrigen müssen die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen nach dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Verfahrensrecht vorliegen.25 Von einem für die Ausstellung eines ENZ erforderlichen Feststehen der zu bescheinigenden Rechtsstellung kann insbesondere in den durch Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO geregelten Fällen nicht ausgegangen werden.26 Eine Ausstellung des ENZ hat etwa zu unterbleiben, wenn nach lit.  a „Einwände gegen den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig sind“ (frz. „si les éléments à certifier sont contestés“; engl. „the elements to be certified are being challenged“). Die deutsche Sprachfassung des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO erscheint deutlich enger als ihr französisches oder englisches Pendant, das jeweils seinem Wortlaut nach nicht nur Einwände in einem außerhalb des Ausstellungsverfahrens i. S. d. Art.  14 EuErbVO anhängigen Verfahren, sondern auch materiell-rechtliche Einwände im Ausstellungsverfahren selbst zu erfassen vermag.27 Zwar mag Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO nicht bestimmen, wer derartige materiell-rechtliche Einwände im Ausstellungsverfahren erheben kann. Angesichts des Bedürfnisses der Vermeidung einer Ausstellung eines unrichtigen ENZ, das seine Wirkungen ipso iure in sämtlichen Mitgliedstaaten entfaltet, ist die Bestimmung allerdings dahin auszulegen, dass es sich um Einwände eines möglichen Be­ rechtigten handeln muss, der schlüssig behauptet, eine nach Art.  63 Abs.  1 23 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  67 Rn.  3. EuErbVO, Art.  67 Rn.  3. 25 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  3. 26  Die Negativtatbestände des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO sind nicht abschließend vgl. MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.   67 Rn.   4; Calvo Caravaca/Davì/­ Mansel/Kreße EuErbVO, Art.  67 Rn.  6; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  8; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  67 Nr.  6. 27 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   67 Rn.   5; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  67 EuErbVO Rn.  4; Hertel in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  V, EuErbVO, Art.  67 Rn.  2; Deixler-Hübner/Schauer/Perscha EuErbVO, Art.  67 Rn.  8 f. 24 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

­ uErbVO durch ein ENZ ausweisbare Rechtsstellung innezuhaben, die E dem beantragten ENZ widerspricht oder diese beschränkt.28 Folglich kann ein ENZ nur dann ausgestellt werden, wenn sich auf die öffentliche Bekanntmachung nach Art.  66 Abs.  4 S.  2 Hs.  2 EuErbVO kein Berechtigter meldet, der eine widersprechende Rechtsstellung schlüssig behauptet.29 Über die zu bescheinigende Rechtsstellung entscheidet die Ausstellungsbehörde dementsprechend nicht inhaltlich.30 Eine andere Auslegung ist auch nicht angesichts der Regelung des Art.  66 Abs.  1 EuErbVO an­gezeigt, der lediglich ein amtswegiges Tätigwerden der Ausstellungsbehör­ de hinsichtlich der vom Antragsteller vorgebrachten Tatsachen, nicht aber hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhalts statuiert.31 Ein ENZ kann der Antragsteller im Falle des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO nur noch durch Einlegung eines Rechtsbehelfs nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  1 ­EuErbVO erlangen. Die Ausstellung eines ENZ darf ferner dann nicht erfolgen, wenn nach Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO eine unvereinbare Entscheidung über die nach Art.  63 Abs.  1 EuErbVO zu bescheinigende Rechtsstellung vorliegt.32

II. Inhalt Der konkrete Zweck für den das ENZ ausgestellt wird, determiniert dessen Inhalt (vgl. Art.  68 EuErbVO).33 Art.  68 EuErbVO bestimmt die Angaben, die in ein ENZ aufgenommen werden können, abschließend.34 Die Bestimmung statuiert damit jedoch lediglich den Inhalt, den ein ENZ maximal haben kann.35 Die jeweiligen Angaben sind nur insoweit in das ENZ aufzunehmen, als sie für die Zwecke, zu denen das ENZ konkret ausgestellt wird, erforderlich sind.36 Die in Art.  68 lit.  a bis lit.  f EuErbVO aufgeführten Angaben sind stets erforderlich, unabhängig davon, zu welchem konkreten 28 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  67 Rn.  5. EuErbVO, Art.  67 Rn.  6. 30 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  6. 31 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  6. 32 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  8. 33  Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (759); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  5; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  68 Rn.  6. 34 OGH ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00035.18K.0515.000; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  68 EuErbVO Rn.  2; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  4; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  68 Rn.  5. 35 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  5. 36 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.   68 EuErbVO Rn.  2; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  5; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  68 Rn.  5. 29 MüKoBGB/Dutta

A. ENZ

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Zweck das ENZ beantragt wird.37 Am Maßstab der Erforderlichkeit im Einzelfall zu messen sind folglich allein die in Art.  68 lit.  g bis lit.  o Eu­ErbVO genannten Angaben.38 Beispielsweise sind in das einem Erben ausgestellte ENZ unter anderem Vermächtnisse aufzunehmen, soweit sie unmittelbar dingliche Wirkungen zeitigen (vgl. Art.  63 Abs.  2 lit.  b, 68 lit.  j, lit.  m und lit.  n ­EuErbVO).39 Das Vermächtnis begründet dann eine Verfügungsbeschränkung, die den Vermächtnisnehmer vor einer Veräußerung des vermachten Vermögenswerts durch den Erben an einen gutgläubigen Dritten schützt.40 1. Nachweis für die Rechtsstellung eines Vindikationslegatars Ein ENZ beantragen und verwenden können nach Art.  63 Abs.  1 EuErbVO, Art.  65 Abs.  1 EuErbVO lediglich „Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass“. Art.  37 Abs.  1 EuErbVO-E hatte die Antragsund Verwendungsberechtigung hingegen noch allgemein jedem41 Vermächt­ nisnehmer zuerkannt.42 Angesichts der einem ENZ zugesprochenen Wirkungen nach Art.  69 EuErbVO wurde im Verlauf der Beratungen im Rat die ausdrückliche Beschränkung auf Vindikationslegatare des heutigen Art.  63 Abs.  1 EuErbVO eingefügt.43 Das ENZ kann dem Vindikations­legatar insbesondere als Nachweis für dessen Rechtstellung und/oder dessen Rechte und dessen jeweiligen Anteils am Nachlass dienen (vgl. Art.  63 Abs.  2 lit.  a EuErbVO). a) Damnationslegatar nach deutschem Recht Im deutschen Recht wird dem Vermächtnisnehmer lediglich ein schuld­ rechtlicher Anspruch zugedacht (vgl. §  2174 BGB). Der Damnationslegatar erwirbt den ihm zugewandten Vermögensgegenstand mit dem Erbfall nicht unmittelbar; er hat lediglich das Recht, den Vermächtnisgegenstand vom ­Beschwerten zu verlangen.44 Das schuldrechtliche Vermächtnis nach deutschem Recht ist folglich nicht in das ENZ aufzunehmen.45 Dem Damna­ 37 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  5. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  5. 39  Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 (527); Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (759). 40  Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (759 f.). 41  Erfasst waren folglich nicht nur unmittelbar am Nachlass beteiligte Vindikations­ legatare, sondern auch Damnationslegatare mit lediglich schuldrechtlichem Anspruch gegen den Nachlass, vgl. BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  8. 42 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  8. 43  Dok. 16877/11, 2; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  8. 44 BeckOGK/Schellenberger BGB, §  2174 Rn.  10 (Stand: 1.5.2021). 45  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 295. 38 BeckOGK/J.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

tionslegatar deutschen Verständnisses kann mithin zum Nachweis seiner Rechts­stellung kein ENZ ausgestellt werden. b) Vindikationslegatar nach französischem Recht Das französische Recht kennt auch das legs particulier/legs à titre particulier i. S. d. Art.  1010 Abs.  2 C. civ.46 Hiernach ist jedes Vermächtnis, das nicht legs universel/legs à titre universel (Gesamtvermächtnis oder Erbteilvermächtnis47) i. S. d. Art.  1010 Abs.  1 C. civ.48 ist,49 legs particulier/legs à titre particulier, also die Zuwendung eines oder mehrerer bestimmter (Einzel-) Gegenstände50.51 Diese Einzelgegenstände können einen Bruchteil oder sogar den gesamten Nachlass ausmachen.52 Art.  1014 C. civ.53 regelt dieses legs à titre particulier, m. a. W. das Vindikationslegat des französischen Rechts.54 Ob jedoch bei Anwendung französischen Rechts der légataire particulier/ légataire à titre particulier mit dem Tod des Erblassers unmittelbar propriété (Eigentum i. S. d. Art.  544 C. civ.55) am zugewendeten Gegenstand erwirbt, ist fraglich.56 So berechtigt der bloße Umstand, dass ein légataire testamen46  Art.  1010

Abs.  2 C. civ. lautet: „Tout autre legs ne forme qu’une disposition à titre particulier“. 47  Zur Bedeutung des Begriffs legs universel/legs à titre universel als Gesamtvermächtnis bzw. die Zuwendung eines Bruchteils des Nachlasses vgl. Fleck/Güttler/Kettler, Französisch – Deutsch, Bd.  I, 578. 48  Art.  1010 Abs.  1 C. civ. lautet: „Le legs à titre universel est celui par lequel le testateur lègue une quote-part des biens dont la loi lui permet de disposer, telle qu’une moitié, un tiers, ou tous ses immeubles, ou tout son mobilier, ou une quotité fixe de tous ses immeubles ou de tout son mobilier“. 49  J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  324. 50  Zur Bedeutung des Begriffs des legs particulier/legs à titre particulier i. S. e. Stückoder Einzelvermächtnisse bzw. i. S. e. Zuwendung eines oder mehrerer bestimmter Gegenstände vgl. Fleck/Güttler/Kettler, Französisch – Deutsch, Bd.  I, 578. 51  J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  249, Nr.  308, Nr.  324; Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  436 f. 52  J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  308; Döbereiner ZEV 2015, 559. 53  Art.  1014 Abs.  1 C. civ. lautet: „Tout legs pur et simple donnera au légataire, du jour du décès du testateur, un droit à la chose léguée, droit transmissible à ses héritiers ou ayants cause“. 54  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 201. 55  Art.  544 C. civ. lautet: „La propriété est le droit de jouir et disposer des choses de la manière la plus absolue, pourvu qu’on n’en fasse pas un usage prohibé par les lois ou par les règlements“. 56  J. P. Schmidt RabelsZ 77 (2013), 1 (20).

A. ENZ

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tarisch als solcher eingesetzt wurde, diesen nur in den seltensten Fällen dazu, die ihm vermachten Gegenstände ohne das Vorliegen weiterer Formalitäten sofort in Besitz zu nehmen.57 Im Regelfall muss der légataire jedenfalls die sog. délivrance (Aushändigung/Herausgabe des vermachten Gegenstands58) von dem/den Beschwerten59 (vgl. Art.   1014 Abs.   2 i. V. m. Art.   1011 C. 60 61 civ. ) – ggf. sogar richterliche Besitzeinweisung fordern. Hintergrund des Erfordernisses der délivrance ist der Gedanke, dass derjenige, dem lediglich das schwächste Recht aufgrund des Erbfalls zusteht, sich nicht selbst in Besitz des in Rede stehenden Gegenstands setzten darf.62 Vielmehr muss er seine Berechtigung seitens der Beschwerten überprüfen lassen, um zu vermeiden, dass Nachlassgegenstände an Unberechtigte gelangen und damit die Rechte der Erben gefährdet werden.63 Vor der délivrance kann der légataire bestimmte Rechte hinsichtlich der ihm zugewendeten Gegenstände nicht geltend machen und keine umfassenden Befugnisse ausüben.64 Nach ganz herrschender Auffassung im französischen Diskurs zum Gesichtspunkt des transfert du droit de propriété steht dies indes der Annahme, dass auch der légataire particulier/légataire à titre particulier im Zeitpunkt des Erbfalls propriété erwirbt, nicht entgegen.65 Zunächst gehen die Rechte aus einem legs im Zeitpunkt des Erbfalls auf den légataire über, sofern dieser 57  J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  372; Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  419. 58  Zur Bedeutung des Begriffs der délivrance in diesem Kontext vgl. Fleck/Güttler/ Kettler, Französisch – Deutsch, Bd.  I, 287. 59  Beschwerte sind diejenigen, die mit saisine ausgestattet sind, d. h. in erster Linie die gesetzlichen Erben, denen stets saisine zukommt, vgl. Pérès/Vernières, Successions, Nr.  543; den testamentarischen Erben kommt in der Regel saisine zu, wenn sie mit einem legs universel bedacht sind (vgl. Art.  1006 C. civ.), vgl. Pérès/Vernières, Successions, Nr.  545; Soweit jedoch neben diesem légataire universel Noterben vorhanden sind, kommt ihm keine saisine zu und er muss von den Noterben die délivrance fordern (Art.  1004 C. civ.), vgl. Pérès/Vernières, Successions, Nr.  545. 60 Art.   1014 Abs.  2 C. civ. lautet: „Néanmoins le légataire particulier ne pourra se mettre en possession de la chose léguée, ni en prétendre les fruits ou intérêts, qu’à compter du jour de sa demande en délivrance, formée suivant l’ordre établi par l’article 1011, ou du jour auquel cette délivrance lui aurait été volontairement consentie“. 61  Döbereiner ZEV 2015, 559 (560); J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  372; Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  419. 62  Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  419. 63  Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  419. 64  Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.   419; J. P. Schmidt RabelsZ 77 (2013), 1 (20). 65  J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  370; Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  418.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

das legs innerhalb der ihm zustehenden Frist annimmt (vgl. Art.  1014 Abs.  1 C. civ.). Folglich gehe auch die propriété am vermachten Gegenstand im Zeitpunkt des Erbfalls auf den légataire über.66 Somit begründe nicht erst die délivrance das Eigentumsrecht, auch wenn erst die délivrance das Ereignis darstellt, durch das die Ausübung von Rechten – vornehmlich gegenüber Dritten – am vermachten Gegenstand und damit die Nutzung ermöglicht wird.67 Die délivrance betreffe allein den Besitz, das Eigentum gehe indes allein qua Erbfall auf den légataire über.68 Dem légataire particulier/légataire à titre particulier nach französischem Recht kann in Bezug auf ein Eigentumsrecht ein ENZ nur dann ausgestellt werden, wenn er als Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, d. h. als dinglich Berechtigter i. S. d. Art.  63 Abs.  1 EuErbVO i. V. m. Art.  65 Abs.  1 EuErbVO, einzuordnen ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die délivrance bereits erfolgt ist.69 Denn ab dem Zeitpunkt der délivrance steht dem légataire particulier/légataire à titre particulier ein klageweise durchsetzbarer Herausgabeanspruch zu – nicht nur gegenüber dem/den Beschwerten, sondern auch gegenüber Dritten.70 Folglich ist der légataire particulier/légataire à titre particulier spätestens ab erfolgter délivrance als dinglich Berechtigter i. S. d. Art.  63 Abs.  1, 65 Abs.  1 EuErbVO zu qualifizieren.71 Bis zum Zeitpunkt der délivrance hat der légataire particulier/légataire à titre particulier jedoch eine dingliche Berechtigung allein gegenüber dem/den durch das legs Beschwerten inne.72 Vor der délivrance kann der légataire particulier/légataire à titre particulier weder Besitz mit Ausschlussfunktion ausüben noch kann er Dritten gegenüber die Herausgabe des vermachten Gegenstands fordern.73 Vor diesem Hintergrund ist das Vindikationslegat nach französischem Recht zwar bereits vor der délivrance im ENZ eines Erben auszuweisen, um die Rechtsstellung des légataire particulier/légataire à titre particulier vor Verfügungen des Erben zu schützen;

66  J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  370; Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  418. 67  Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  419. 68  Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  419. 69  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 296. 70  J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  377. 71  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 296. 72  J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  377. 73  J. Hérail/Q. Guiguet-Schielé in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Legs, Nr.  377; T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 206 f.

A. ENZ

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ein ENZ des légataire particulier/légataire à titre particulier selbst kann allerdings vor erfolgter délivrance nicht ausgestellt werden.74 2. Rs.  Mahnkopf a) Ausweis eines pauschalierten Zugewinnausgleichs im ENZ Im deutschen Diskurs zur EuErbVO kontrovers debattiert wurde der Ausweis eines pauschalierten Zugewinnausgleichs nach §  1371 Abs.  1 BGB im ENZ sowie dessen Teilhabe an den Wirkungen des ENZ.75 Maßgeblich in diesem Zusammenhang ist, ob der pauschalierte Zugewinnausgleich in den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO fällt.76 Die EuErbVO ist auf die „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ anzuwenden (vgl. Art.  1 Abs.  1 S.  1 EuErbVO). Dieser Begriff erfasst jede Über­ tragung von Todes wegen im Wege der gewillkürten oder der gesetzlichen Erbfolge (vgl. Art.  3 Abs.  1 lit.  a EuErbVO). Art.  1 Abs.  2 lit.  d EuErbVO schließt jedoch Fragen des Güterrechts aus dem Anwendungsbereich der EuErbVO aus. Nach der allgemeinen Kollisionsnorm des Art.  21 Abs.  1 ­EuErbVO unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staats, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhn­lichen Aufenthalt hatte. Dem Erbstatut unterliegen dann insbesondere auch „Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten oder Lebens­ partners“ (vgl. Art.  23 Abs.  2 lit.  b EuErbVO). Die Berührungspunkte zwischen Erbrecht und Familienvermögensrecht führen im Rahmen der EuErbVO hinein in das Problem der Qualifika­tion77.78 74 

T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 206 f. unter Geltung der EuErbVO wollte die bislang herrschende Meinung in Deutschland den pauschalierten Zugewinnausgleich nach §  1371 Abs.  1 BGB bislang – wie im deutschen IPR – güterrechtlich qualifizieren, da §  1371 Abs.  1 BGB bezwecke Vermögensmehrungen während der Ehe auszugleichen, vgl. etwa KG ZEV 2017, 209; Dörner IPRax 2017, 81 (84, 88); Dörner ZEV 2017, 211; Dutta IPRax 2015, 32 (33); Dutta FamRZ 2013, 4 (14); Döbereiner MittBayNot 2013, 358 (359), Konvalin, ENZ ohne europäischen Entscheidungseinklang, 107; Kunz GPR 2012, 253 (354); Mankowski ZEV 2014, 121 (127 ff.); wobei teils angenommen wurde, dass das die Erbquote des überlebenden Ehegatten erhöhende Viertel auch bei einer güterrechtlichen Qualifikation im ENZ informatorisch auszuweisen sei, jedoch nicht an der Vermutungswirkung des Art.  69 Abs.  2 EuErb­VO teilhabe, vgl. etwa Mankowski ZEV 2014, 121 (126). Für eine erbrechtliche Qualifikation hingegen: Margonski ZEV 2017, 212; Sakka MittBayNot 2018, 4 (8 f.). 76 KG ZEV 2017, 209; Dutta IPRax 2015, 32 (33); Kunz GPR 2012, 253 (253  f.); C.  Nourissat JCP N 13 (2018) 340. 77  Vgl. zum Begriff der Qualifikation etwa MüKoBGB/v. Hein IPR I, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  109. 78  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 75 Auch

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Diese Abgrenzung von Erbrecht einerseits und Familienvermögensrecht ­andererseits ist gerade hinsichtlich der Regelung des §  1371 Abs.  1 BGB im Rahmen eines grenzüberschreitenden Erbfalls von großer Bedeutung.79 Im deutschen Schrifttum wird der pauschalierte Zugewinnausgleich nach §  1371 Abs.  1 BGB auch bei einem grenzüberschreitenden Erbfall überwiegend ­güterrechtlich qualifiziert.80 Der pauschalierte Zugewinnausgleich könne ­eigentlich nicht im Rahmen der Erbquote im ENZ ausgewiesen werden.81 Allerdings würde das ENZ dann die Rechtslage möglicherweise unzutreffend wiedergeben.82 Vor diesem Hintergrund sei auch bei einer güterrecht­ lichen Qualifikation das die Erbquote des überlebenden Ehegatten erhöhende Viertel des §  1371 Abs.  1 BGB im ENZ zu berücksichtigen.83 Teile des Schrifttums84 qualifizieren §  1371 Abs.  1 BGB im Kontext der EuErbVO angesichts des Problems einer möglicherweise unzutreffenden Wiedergabe der Rechtslage durch das ENZ erbrechtlich. Der EuGH hat das Problem der Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB in der Rs.  Mahnkopf85 i. S. d. zweitgenannten Auffassung entschieden. §  1371 Abs.  1 BGB sei insgesamt erbrechtlich einzuordnen.86 So betreffe §  1371 Abs.  1 BGB „die Rechte des überlebenden Ehegatten an den Gegenständen, die schon zum Nachlassvermögen gezählt werden“.87 Daher liege der „Hauptzweck der Bestimmung nicht in der Aufteilung des Vermögens oder in der Beendigung des ehelichen Güterstands, sondern vielmehr in der Bestimmung des dem überlebenden Ehegatten im Verhältnis zu den übrigen Erben zufallenden Erbteils“.88 Der pauschalierte Zugewinnausgleich nach Rn.  39; I. Barrière-Brousse JDI 4 (2018) 20 (Note sur CJUE aff. C-558/16); M. Farge Dr. Fam. 2018 comm. 144; Hertel, FS DNotI 2018, 775 (790 f.); Kohler in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 27 (30); F. Mélin Dalloz actualité v. 12.3.2018; C.  Nourissat JCP N 13 (2018) 340. 79  Kohler in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 27 (30). 80  Dörner IPRax 2017, 81 (84, 88); Dörner ZEV 2017, 211; Dutta IPRax 2015, 32 (33); Dutta FamRZ 2013, 4 (14); Döbereiner MittBayNot 2013, 358 (359), Konvalin, ENZ ohne europäischen Entscheidungseinklang, 107; Kunz GPR 2012, 253 (354); Lorenz NJW 2015, 2157 (2160); Mankowski ZEV 2014, 121 (127 ff.). 81  Dutta IPRax 2015, 32 (33); Mankowski ZEV 2014, 121 (126). 82  Dutta IPRax 2015, 32 (33). 83  Dutta FamRZ 2013, 4 (14 f.); Kunz GPR 2012, 253 (254); Süß ZEuP 2013, 725 (742 f.). 84  Andrae IPRax 2018, 221 (227); Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (757 f.); Dutta/ Weber/Fornasier IntErbR, Art.  63 EuErbVO Rn.  26; Sakka MittBayNot 2018, 4 (9). 85  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf. 86  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  40. 87  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  40. 88  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  40.

A. ENZ

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§  1371 Abs.  1 BGB findet also im Rahmen der Erbquote Eingang in das ENZ. Ob seiner erbrechtlichen Qualifikation ist der pauschalierte Zuge­ winnausgleich demnach auch von den Wirkungen des ENZ erfasst.89 Die Entscheidung des EuGH in der Rs.  Mahnkopf überzeugt gerade mit Blick auf den effet utile des ENZ.90 So werden die Erbquoten europaweit einheitlich bestimmt und im ENZ ausgewiesen.91 Zwar ließe sich bei einer güterrechtlichen Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB das dann „güterrechtliche“ Viertel nach umstrittener Auffassung92 zu informatorischen Zwecken ebenfalls ins ENZ aufnehmen. Eine güterrechtliche Qualifikation BGB würde jedoch dazu führen, dass das „güterrechtliche“ Viertel von den Wirkungen des ENZ nach Art.  69 EuErbVO nicht umfasst wäre.93 b) Einordnung der avantages matrimoniaux des französischen Rechts Bereits vor der erbrechtlichen Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB durch den EuGH in der Rs.  Mahnkopf, wurde §  1371 Abs.  1 BGB im französischen Schrifttum94 erbrechtlich qualifiziert.95 Ist Erbstatut also französisches Recht, sei §  1371 Abs.  1 BGB folglich nicht anwendbar.96 Gegebenenfalls solle aber in jedem Fall nach dem anwendbaren deutschen Güterrecht ein rechnerischer Zugewinnausgleich vorzunehmen sein, ohne dass es eine Erbausschlagung des überlebenden Ehegatten bedürfe.97 Das französische Recht kennt keine dem §  1371 Abs.  1 BGB vergleichbare Vorschrift.98 Indes ist dem französischen Recht die Teilhabe am Zugewinn als Güterstand nicht fremd (sog. participation aux acquêts).99 Die participation aux acquêts als 89 

A. Boiché AJ fam. 2018, 247. Hertel, FS DNotI 2018, 775 (791); Kohler in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 27 (30); Sakka MittBayNot 2018, 4 (9); J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (94); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  27; so wohl auch C. Nourissat JCP N 13 (2018) 340 (3.); kritisch zur Entscheidung des EuGH indes etwa A. Boiché AJ fam. 2018, 247. 91  C. Nourissat JCP N 13 (2018) 340 (3.); Sakka MittBayNot 2018, 4 (9); J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (94). 92  So etwa Dutta FamRZ 2013, 4 (14 f.); Kunz GPR 2012, 253 (254); Süß ZEuP 2013, 725 (742 f.). 93 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  27. 94  P. Lagarde in Carreau et al., Répertoire de droit international, Successions, Nr.  159 m. w. N.; Jacoby GPR 2018, 303 (306). 95  E. Jacoby GPR 2018, 303 (306). 96  P. Lagarde in Carreau et al., Répertoire de droit international, Successions, Nr.  159. 97  P. Lagarde in Carreau et al., Répertoire de droit international, Successions, Nr.  159. 98  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  14. 99  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  14. 90 

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

französischer vertraglicher Güterstand ist in den Art.  1569 bis 1581 C. civ. geregelt. Die Abgrenzung zwischen loi successoral (Erbrecht) und loi du régime matrimonial (Güterrecht) ist auch aus Sicht des französischen Rechts schwierig, wenn der eheliche Güterstand mit dem Tod eines Ehegatten beendet wird.100 So ist die erb- oder güterrechtliche Qualifikation der ehevertraglichen Vereinbarung einer sog. partage inégal de la communauté oder einer sog. attribution intégrale de la communauté mit Schwierigkeiten behaftet.101 Bei der Vereinbarung einer partage inégal de la communauté handelt es sich um eine Vereinbarung dahingehend, dass dem einen Ehegatten ohne Verpflichtung zur Ausgleichszahlung ein höherer Anteil als dem anderen Ehegatten zufallen soll, das Gesamtgut bei Beendigung des Güterstands also nicht hälftig geteilt wird.102 Vereinbart werden kann jedoch auch eine vollständige Zuteilung des gemeinschaftlichen Vermögens an den begünstigten Ehegatten, sog. attribution intégrale de la communauté oder clause d’attribution de la totalité de la communauté (vgl. Art.  1524 Abs.  1 C. civ.103).104 Bei der Vereinbarung einer partage inégal können die Ehegatten die je­­wei­ ligen Anteile frei festlegen (vgl. Art.  1520, 1521 C. civ.105).106 Bei der Ver­ein­barung einer partage inégal de la communauté oder attribution intégrale de la communauté bedarf der überlebende Ehegatte, anders als bei einem 100 

I. Barrière-Brousse JDI 4 (2018) 20 (Note sur CJUE aff. C-558/16); Bonomi in ­ azdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (79); E. Jacoby in Bosse-­ P Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 111 (113 f.); P. Lagarde in Carreau et al., Ré­ pertoire de droit international, Successions, Nr.  155; F. Mélin Dalloz actualité v. 12.3.2018. 101  Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (79); P.  Lagarde in Carreau et al., Répertoire de droit international, Successions, Nr.  156. 102  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  196. 103  Art.  1524 Abs.  1 C. civ. lautet: „L’attribution de la communauté entière ne peut être convenue que pour le cas de survie, soit au profit d’un époux désigné, soit au profit de celui qui survira quel qu’il soit. L’époux qui retient ainsi la totalité de la communauté est obligé d’en acquitter toutes les dettes“. Dem Begünstigten kann neben seinem hälftigen Anteil am Gesamtgut auch der Nießbrauch am Anteil des anderen Ehegatten zugewendet werden (vgl. Art.  1524 Abs.  2 S.  1 C. civ.) sodass das Eigentum innerhalb der Familie des Erblassers erhalten bleibt, vgl. Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  197. 104  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  197. 105  Art.  1520 C. civ. lautet: „Les époux peuvent déroger au partage égal établi par la loi“; Art.  1521 C. civ. lautet: „Lorsqu’il a été stipulé que l’époux ou ses héritiers n’auront qu’une certaine part dans la communauté, comme le tiers ou le quart, l’époux ainsi réduit ou ses héritiers ne supportent les dettes de la communauté que proportionnellement à la part qu’ils prennent dans l’actif“ (Abs.  1); „La convention est nulle si elle oblige l’époux ainsi réduit ou ses héritiers à supporter une plus forte part, ou si elle les dispense de supporter une part dans les dettes égale à celle qu’ils prennent dans l’actif“ (Abs.  2). 106  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  197.

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erbrechtlichen Erwerb, keines acte de notoriété um seine Rechtsstellung nachzuweisen.107 Sofern ihm unbewegliche Gegenstände zufallen, bedarf er jedoch einer attestation notariée108 (notarielle Grundstücksbescheinigung für die Registrierung beim französischen service chargé de la publicité foncière109). Die beschriebenen Vereinbarungen werden im französischen Recht unter dem Stichwort der avantages matrimoniaux diskutiert.110 Der französische Gesetzgeber hat den Begriff der avantages matrimoniaux nicht ausdrücklich definiert.111 So bestimmt Art.  1527 Abs.  1 C. civ. lediglich: „Les avantages que l’un ou l’autre des époux peut retirer des clauses d’une communauté conventionnelle, ainsi que ceux qui peuvent résulter de la confusion du ­mobilier ou des dettes, ne sont point regardés comme des donations.“ Avantages matrimoniaux sind demnach nicht als unentgeltliche Zuwendungen und daher nicht als libéralité zu behandeln.112 Art.  1527 Abs.  1 C. civ. betrifft folglich allein die Rechtsnatur der avantages matrimoniaux, vermag indes zur Beseitigung der dem Begriff mangels Definition anhaftenden Unsicherheit nichts beizutragen. In der französischen Literatur wird teilweise ein weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt, nach dem ein avantage matrimonial dann vorliegt, wenn ein Ehegatte im Verhältnis zum anderen aufgrund des Güterstands begünstigt wird.113 Die Rechtsprechung definiert avantages matrimoniaux ihrerseits maßgeblich unter dem Gesichtspunkt des objektiven wirtschaft­ lichen Nutzens den ein Ehegatte aus der Vereinbarung eines bestimmten Güterstands zieht („[les] seuls profits que l’un ou l’autre des époux peut ­retirer des clauses d’une communauté conventionelle […]“114).115 Vor diesem Hintergrund erfasst der Begriff der avantages matrimoniaux diejenigen Gewinne, die ein Ehegatte durch die Anwendung eines bestimmten Güter107 

Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  199. Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  199. 109  Zu umfangreicheren Ausführungen zur attestation notariée vgl. Kapitel  2 C. II. 110  Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (79). 111  B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  1. 112  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  446. 113  Kritisch ob dieses weiten und untechnischen Begriffsverständnisses: B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  2, der insoweit anführt, es liege gerade in der Natur der Sache, dass jedem ehelichen Güterstand ein finanzieller Vorteil für einen der beiden Ehegatten inhärent sei. 114  Cass. 1re civ., 31.1.2006, n°  02-21.121. 115  B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  3. 108 

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

stands erzielt, also dann wenn er schlichtweg durch die Funktionsweise ­eines bestimmten Güterstands eine Begünstigung auf Kosten des anderen Ehegatten erlangt.116 Hauptzweck dieses Begriffsverständnisses ist die Wahrung der réserve héréditaire (Vorbehaltsteil117) der déscendants non ­communs, d. h. derjenigen Abkömmlinge des vorverstorbenen Ehegatten, die nicht zugleich Abkömmlinge des überlebenden Ehegatten sind.118 Nach Art.  1527 Abs.  1 C. civ. unterfallen avantages matrimoniaux nicht dem zivilrechtlichen Regime der libéralités. Hieraus folgt, dass durch avantages matrimoniaux die Rechte der héritiers réservataires (Noterben119) nicht verletzt sein können, da grundsätzlich die quotité disponible (frei verfüg­ barer Teil der Erbschaft120) nicht überschritten sein kann.121 Nach französischem Recht kann der Erblasser nur über einen bestimmten Teil seines Vermögens von Todes wegen frei verfügen, sog. quotité disponible (vgl. Art.  912 Abs.  2 C. civ.: „La quotité disponible est la part des biens et droits successoraux qui n’est pas réservée par la loi et dont le défunt a pu disposer librement par des libéralités“).122 Der übrige Nachlass, die sog. réserve héréditaire gemäß Art.  912 C. civ., bleibt den héritérs réservataires vorbehalten.123 116 

B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  4. 117  Zum französischen Verständnis des Begriffs der réserve héréditaire vgl. P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9; zur Bedeutung des Begriffs der réserve héréditaire vgl. Fleck/Güttler/Kettler, Französisch – Deutsch, Bd.  I, 884. 118  B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  4. 119  Anders als das deutsche Recht sieht das französische Recht kein Pflichtteils- sondern ein materielles Noterbrecht vor, bei dem die Erben stets auch Teil der Erbengemeinschaft werden – ihnen also nicht lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch zusteht, vgl. Aupetit/Rejano ErbR 2020, 79 (82 f.). 120  Zur Bedeutung des Begriffs der quotité disponible vgl. Fleck/Güttler/Kettler, Französisch – Deutsch, Bd.  I, 829. 121  Döbereiner ZEV 2016, 490 (494); Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  203: B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  62. 122  S. Deville/M. Nicod in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Réserve héréditaire – Réduction des libéralités, Nr.  1; É. Fongaro/M. Nicod in Savaux/Martineau/ Bozet, Répertoire de droit civil, Réserve héréditaire – Réduction des libéralités, Nr.  2; R. de Gourcy in Ancel-Lioger/Calò, Les successions en droit comparé, 183 (204 ff.); P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9; A. Molière D. 2019, 1554 (1.). 123  S. Deville/M. Nicod in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Réserve héréditaire – Réduction des libéralités, Nr.  1; É. Fongaro/M. Nicod in Savaux/Martineau/ Bozet, Répertoire de droit civil, Réserve héréditaire – Réduction des libéralités, Nr.  2; R. de Gourcy in Ancel-Lioger/Calò, Les successions en droit comparé, 183 (204 ff.);

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Art.  1527 Abs.  2 C. civ.124 statuiert eine andere rechtliche Beurteilung der avantages matrimoniaux als Art.  1527 Abs.  1 C. civ. für den Fall, dass déscendants non communs der Ehegatten vorhanden sind.125 Sind déscendants non communs vorhanden, ist Art.  1094-1 C. civ. zu beachten (vgl. Art.  1527 Abs.  2 C. civ.), sodass ein avantage matrimonial, der dazu führen würde, dass der überlebende Ehegatte mehr als die in Art.  1094-1 C. civ. geregelte Quote erhält, im Hinblick auf den die quotité disponible übersteigenden Betrag unwirksam und damit in dieser Höhe herabzusetzen126 ist.127 Die avantages matrimoniaux unterfallen also dem Noterbrecht der déscendants non communs.128 Letztgenannten wird die Möglichkeit einer klageweisen Herab­ setzung von Verfügungen des Erblassers, die sie als héritiérs réservataires nicht oder nicht hinreichend berücksichtigen, eröffnet (sog. action en retranchement, bei der es sich i. E. um eine action en réduction des avantage matrimonial handelt129);130 mithin wird den Noterben ein schuldrechtlicher Anspruch gegen die unzulässig Bedachten gewährt.131 P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9; A. Molière D. 2019, 1554 (1.). 124  Art.  1527 Abs.  2 C. civ. lautet: „Néanmoins, au cas où il y aurait des enfants qui ne seraient pas issus des deux époux, toute convention qui aurait pour conséquence de donner à l’un des époux au-delà de la portion réglée par l’article 1094-1, au titre «Des donations entre vifs et des testaments», sera sans effet pour tout l’excédent; mais les simples bénéfices résultant des travaux communs et des économies faites sur les revenus respectifs quoique inégaux, des deux époux, ne sont pas considérés comme un avantage fait au préjudice des enfants d’un autre lit“. 125  Pérès/Vernières, Successions, Nr.   446; B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  62. 126  Zur Ermittlung der Höhe des herabzusetzenden Betrages vgl. Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  206: Zur Feststellung, ob die quotité disponible überschritten ist, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, wie viel den héritérs réservataires bei einer Nachlassabwicklung unter Berücksichtigung der avantages matrimoniaux zustünde. In einem zweiten Schritt ist zu ermitteln, wie hoch der Erbteil des betreffenden Noterben bei Nichtbeachtung der avantages matrimoniaux wäre. Überschreitet der als zweites ermittelte Betrag den ersten, ist dies der Vorteil des überlebenden Ehegatten der herab­ gesetzt werden kann. 127  Döbereiner ZEV 2016, 490 (494); B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  79. 128  Döbereiner ZEV 2016, 490 (494); B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Réper­ toire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  64, Nr.  66. 129  B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  66. 130  B. Vareille in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Avantage matrimonial, Nr.  64. 131  Aupetit/Rejano ErbR 2020, 79 (83); R. de Gourcy in Ancel-Lioger/Calò, Les successions en droit comparé, 183 (207).

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Die angesichts der Regelungen des Art.  1527 Abs.  1 C. civ. und Art.  1527 Abs.  2 C. civ. gespaltene Rechtsnatur der avantages matrimoniaux schlägt sich nach französischem Verständnis auf deren erb- bzw. güterrechtliche Qualifikation durch. Die ehevertragliche Vereinbarung einer partage inégal de la communauté oder einer attribution intégrale de la communauté wird nach autonomem französischen Kollisionsrecht güterrechtlich qualifiziert.132 Hingegen hat die in Deutschland wohl vorherrschende Auffassung133 die Wirkungen dieser Vereinbarungen erbrechtlich qualifiziert, da mit den betreffenden Vereinbarungen erbrechtliche Regelungsziele verfolgt würden.134 Werden die avantages dem conjoint survivant gewährt, wird die Frage, nach welchem Recht zu ermitteln ist, ob die Noterben eine Verletzung ihrer Rechte aufgrund einer ehevertraglichen Vereinbarung geltend machen können, im französischen Kollisionsrecht gesondert angeknüpft.135 §  1527 Abs.  2 C. civ. sei folglich erbrechtlich zu qualifizieren.136 Fraglich ist, ob ehevertragliche Vereinbarungen einer partage inégal de la communauté oder einer attribution intégrale de la communauté unter Geltung der EuErbVO – und nunmehr auch der EuGüVO137 – erb- oder güterrechtlich zu qualifizieren sind. Im Geltungsbereich der EuErbVO wie auch der EuGüVO ist eine unionsautonome und verordnungsspezifische Qualifikation erforderlich.138 Bei der Vereinbarung der infrage stehenden Anwachsungsklauseln bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung durch die Ehegatten, weshalb Vertreter des deutschen Schrifttums139 derartige Ver­ einbarungen erbrechtlich qualifizieren und Art.  25 EuErbVO anwenden wollen. Dem ist vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Mahnkopf zuzustimmen.140 Entscheidungsleitende Erwägung des EuGH zugunsten einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des Erb­ statuts auch auf §  1371 Abs.  1 BGB war vornehmlich der effet utile des 132 

P. Lagarde in Carreau et al., Répertoire de droit international, Successions, Nr.  156. Vgl. etwa Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  16. 134  P. Lagarde in Carreau et al., Répertoire de droit international, Successions, Nr.  156. 135  Döbereiner ZEV 2016, 490 (494); ); P. Lagarde in Carreau et al., Répertoire de droit international, Successions, Nr.  157. 136  Döbereiner ZEV 2016, 490 (494); P. Lagarde in Carreau et al., Répertoire de droit international, Successions, Nr.  157. 137  Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands, ABlEU v. 8.7.2016, L 183/1. 138  Döbereiner ZEV 2016, 490 (494). 139  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  19. 140  Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (79). 133 

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ENZ.141 Die Effektivität und auch die Akzeptanz des ENZ wäre beeinträchtigt, wenn je nachdem, welcher Mitgliedstaat nach dem Zuständigkeits­ regime der EuErbVO zuständig für die Ausstellung des ENZ unter französischer lex successionis zuständig ist, gegebenenfalls unterschiedliche Erbquoten ausgewiesen werden.142

III. Wirkungen Die EuErbVO etabliert für das ENZ ein eigenes Wirkungskonzept auf ­supranationaler Ebene.143 Die Analyse der Regelungen betreffend die Wirkungen des ENZ muss daher notwendigerweise auf einer unionsautonomen Auslegung ebendieser Regelungen gründen.144 Die Wirkungen des ENZ sind in Art.  69 Abs.  2 bis Abs.  5 EuErbVO geregelt. Grundsätzlich kann nur ein wirksam ausgestelltes ENZ die Wirkungen nach Art.  69 EuErbVO entfalten.145 Indes sind Verfahrensmängel dann unschädlich, wenn das ENZ von einer Ausstellungsbehörde i. S. d. EuErbVO ausgestellt wurde.146 Wurde das ENZ von einer international oder örtlich nicht zuständigen Ausstellungsstelle ausgestellt, die grundsätzlich jedoch zur Ausstellung eines ENZ berufen ist, so entfaltet das ENZ seine Wirkungen im Rechtsverkehr147 – unbeschadet freilich einer Änderung oder eines Widerrufs nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO aufgrund fehlender Zuständigkeit der Ausstellungsbehörde.148

141 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  42 f. Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (79); Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  19, a. A. Jacoby GPR 2018, 303 (308), der dies damit begründet, dass der effet utile des ENZ auch bei einer güterrecht­ lichen Qualifikation nicht beeinträchtigt werde, da sich mit Inkrafttreten der EuGüVO der Anwendungsbereich des ENZ de facto hinsichtlich der Beweiskraft auch auf sämt­ liche Angaben zum Güterstand erstrecke, zu denen auch die Anwachsungsklausel französischen Rechts zähle. Denn das ENZ ermögliche es nach Art.  68 lit.  h EuErbVO ausdrücklich, Angaben zum ehelichen Güterstand zu treffen. 143  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (361 f.). 144  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (361 f.). 145 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   2; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer ­EuErbVO, Art.  69 Rn.  16; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (395). 146 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   2; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer ­EuErbVO, Art.  69 Rn.  17; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (395). 147 Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  17; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (395). 148  Zur umstrittenen Frage, ob die für eine Änderung oder Widerruf erforderliche inhaltliche Unrichtigkeit i. S. d. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO dahin auszulegen ist, dass der Be142 

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Gemäß Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO „wird vermutet, dass das Zeugnis die Sachverhalte, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen an­ zuwendenden Recht oder einem anderen auf spezifische Sachverhalte anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend ausweist“. Daneben wird gemäß Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO vermutet, „dass die Person, die im Zeugnis als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter genannt ist, die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung und/ oder die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat und dass diese Rechte oder Befugnisse keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen.“ Das ENZ stellt „ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats dar, unbeschadet des Artikels 1 Absatz  2 Buchstaben k und l“ (vgl. Art.  69 Abs.  5 EuErbVO). Das ENZ entfaltet folglich Vermutungs- und Legitimationswirkung149 (1.). Der europäische Verordnungsgeber hat das ENZ daneben – für Situationen, in denen die durch das ENZ als Inhaber einer erbrechtlichen Berechtigung ausgewiesene Person in Wirklichkeit diese Rechtsstellung nicht innehat und das ENZ aus diesem Grund inhaltlich unrichtig ist150 – durch Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO mit einer Gutglaubenswirkung ausgestattet151 (2.). 1. Reichweite der Vermutungs- und Legitimationswirkung Neben der Erbenstellung betrifft die Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO auch die weiteren im ENZ ausweisbaren erbrechtlichen Rechtsstellungen.152 Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO bestimmt eine positive Rechtsvermutung dahin, dass demjenigen, den das ENZ als Inhaber einer erbrechtlichen Rechtsstellung ausweist, die angegebene Rechtsstellung im angegebenen Umfang auch tatsächlich zusteht.153 Zugleich wird negativ vermutet, dass griff der „inhaltlichen Unrichtigkeit“ nicht nur die materielle, sondern auch die formelle Unrichtigkeit erfasst, vgl. unten Kapitel  5 F. II. 2. a) bb). 149  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz EuErbVO, Art.  69 Rn.  5 ff.; Rn.  18 ff.; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  7 ff., Rn.  29 f.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  7 ff., Rn.  53 ff.; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  69 Nr.  16, Nr.  29 ff., Nr.  57 ff. 150 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   12; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  15. 151 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   12, Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  15. 152 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  7. 153  F. Chalvignac Dr. Fam. 2013 dossier 39 (Nr.   16); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  7; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (375).

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derjenige, der im ENZ als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvoll­strecker oder Nachlassverwalter genannt ist, keinen anderen als den im ENZ angegebenen Beschränkungen unterliegt (vgl. Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO).154 Nach Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO wird überdies vermutet, dass das ENZ „die Sachverhalte, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder einem anderen auf spezifische Sachverhalte anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend ausweist.“ Ob und inwieweit Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO angesichts Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO eine eigenständige normative Bedeutung zu bescheinigen ist, erweist sich angesichts des Wortlauts des S.  1, der auf „Sachverhalte“, die im ENZ „festgestellt wurden“ als unklar.155 Würde der Begriff „Sachverhalte“ dahingehend eng ausgelegt, dass dieser im Rahmen des Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO lediglich die bescheinigte Rechtsstellung erfasst, würde Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO jeglichem eigenständigen Anwendungsbereich gegenüber S.  2 beraubt.156 Die Rechtsvermutungen des Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO werden folglich durch Tatsachen und weitere Rechtsvermutungen des Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO ergänzt.157 Nach Art.  69 Abs.  2 S.  1 und S.  2 EuErbVO wird damit die Richtigkeit aller im ENZ ausgewiesenen Tatsachen und Rechtsverhältnisse vermutet, wobei für die von S.  2 erfassten, dieser als lex specialis gilt.158 Die Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO bezieht sich indes nicht auf die Zugehörigkeit eines bestimmten Vermögenswerts zum Nachlass.159 Die Frage nach der Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zum Nachlass fällt nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO (vgl. ErwG 71 S.  3 EuErbVO). So betrifft die dingliche Zuordnung einzelner Vermögensgegenstände zum Nachlass nicht die Rechtsnachfolge von Todes wegen, sondern das jeweilige Vermögensrecht.160

154  F. Chalvignac Dr. Fam. 2013 dossier 39 (Nr.  16); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (375). 155 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   8; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer ­EuErbVO, Art.  69 Rn.  8. 156 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   8; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer ­EuErbVO, Art.  69 Rn.  10. 157 OLG München ZEV 2020, 233 Rn.   37; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  9 f.; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.   69 Rn.   10; BeckOGK/­ J.  Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  9. 158  OLG München ZEV 2020, 233 Rn.  37; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  9. 159 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  13; J. Schmidt ZEV 2014, 389 (392). 160 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 Rn.  50; Art.  63 Rn.  18.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Die Richtigkeitsvermutung ist widerleglich, obgleich die EuErbVO dies nicht ausdrücklich bestimmt.161 Der Nachweis des Gegenteils ist angesichts des Gebots der Wahrung des effet utile des Unionsrechts nicht lediglich durch einen Rückgriff auf die jeweilige lex fori zulässig.162 Vielmehr ist Art.  69 Abs.  2 EuErbVO selbst unionsautonom dahin auszulegen, dass die Richtigkeitsvermutung widerleglich ist.163 Die Unwiderlegbarkeit einer Vermutung kann nicht aus dem bloßen Schweigen des maßgeblichen Rechts­ textes abgeleitet werden, sie bedarf einer ausdrücklichen Anordnung.164 Derjenige, der sich in einem Verfahren auf das Nichtbestehen der durch das ENZ bescheinigten Rechtsstellung beruft, trägt dementsprechend die Beweislast.165 Es genügt indes, dass der Gegenbeweis nach der jeweiligen lex fori geführt wird,166 das Widerlegen der Vermutung ist nicht an eine Än­ derung oder einen Widerruf des ENZ nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO geknüpft.167 a) Legitimationswirkung, Art.  69 Abs.  5 EuErbVO Das ENZ stellt nach Art.  65 Abs.  5 EuErbVO – im Umfang seiner in ihm bescheinigten erbrechtlichen Rechtsstellungen und Befugnisse i. S. d. Art.  63 EuErbVO168 – auch wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats dar.169

161  Calvo

Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz EuErbVO, Art.  69 Rn.  9; F. Chalvignac Dr. Fam. 2013 dossier 39 (Nr.  17); R. Crône/L. Perreau-Saussine JCP N 50 (2018) 1359 (Nr.  26); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  11; Deixler-Hübner/Schauer/ Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  12; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  69 Rn.  11; Trittner, Redlichkeitsschutz, 187 f. 162 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   11; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  12. 163 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   11; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  12. 164 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  11. 165 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  11. 166  Hinreichend ist, dass der Beweis des Gegenteils geführt wird, der bloße Gegenbeweis genügt indes nicht, vgl. Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  12. 167 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  11. 168 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.  30; Janzen DNotZ 2012, 484 (493); Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (775); Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  43; zur Auslegung des Art.  69 Abs.  5 EuErbVO und dessen Verweis auf Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO vgl. unten Kapitel  4 D. 169 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   29; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  43 ff.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  61.

A. ENZ

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aa) Widerlegbarkeit der Richtigkeitsvermutung Die Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO greift auch bei der Verwendung des ENZ im Rahmen der Registereintragung in den Mitgliedstaaten (vgl. Art.  69 Abs.  5 EuErbVO).170 Art.  69 Abs.  5 EuErbVO ist besonderer Anwendungsfall der in Art.  69 Abs.  2 EuErbVO geregelten Vermutungswirkung.171 Die Eintragung in ein mitgliedstaatliches Register kann indes nur dann verweigert werden, wenn hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit des ENZ offenkundige, konkrete und vernünftige Zweifel bestehen.172 Dies gebietet bereits der effet utile des ENZ. Konkrete und vernünftige Zweifel können zunächst nicht auf dem bloßen Umstand gründen, dass das ENZ aus einem anderen Mitgliedstaat stammt, dies würde den Zweck des ENZ (vgl. Art.  63 Abs.  1 EuErbVO) vollständig unterminieren. Die registerführende Stelle ist zudem auch dann an den Inhalt des ENZ gebunden, wenn aus ihrer Sicht ein anderes Recht für die Beurteilung der materiell-rechtlichen Rechtslage maßgeblich ist und sich die bescheinigte Rechtsstellung des Verwenders als unrichtig geriert.173 Zwar führen die Art.  20 ff. EuErbVO grundsätzlich zur Anwendung des gleichen Sachrechts, einen Entscheidungseinklang garantieren diese Bestimmungen indes – aufgrund der Regelung etwa des Art.  75 EuErbVO bewusst – keineswegs.174 Zu weitgehend ist auch die Auffassung des OLG München175, das dem deutschen Grundbuchamt im Ergebnis die Befugnis bescheinigt, von Amts wegen zu prüfen, ob die Ausstellungsbehörde die maßgebliche lex successionis rechtsfehlerfrei angewendet hat und das ENZ die materielle Rechtslage korrekt widergibt:176 Werde im ENZ die Zuweisung eines einzelnen Nachlassgegenstands an eine Person zum Alleineigentum festgestellt, obwohl das Erbstatut weder eine Teilungsanordnung mit dinglicher Wirkung bei einer Erbengemeinschaft noch ein Vindikationslegat kennt, so entfalte die Vermutungswirkung eines österreichischen ENZ 170  OLG Saarbrücken ZEV 2019, 640; OLG München ZEV 2020, 233; MüKoBGB/ Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  29; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  30b; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  43 ff.; Lange DNotZ 2016, 103 (113); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (375 f.). 171 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  30b. 172  Schauer in Schauer/Scheuba, EuErbVO, 73 (93) („offenkundige und begründete Bedenken“). 173  Süß ZEuP 2013, 725 (748); a. A. Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  30b; Weber RNotZ 2018, 454 (462). 174 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  11; Süß ZEuP 2013, 725 (748). 175  OLG München ZEV 2020, 233. 176 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  30b Süß ZEV 2020, 237.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

keine Wirkung.177 Dem materiellen Erbrecht sei folglich ein Vorrang vor der Richtigkeitsvermutung des ENZ einzuräumen.178 Demgegenüber kann die Richtigkeitsvermutung des ENZ im Register­ verfahren etwa widerlegt werden, wenn neue Tatsachen bekannt werden, die die Ausstellungsstelle noch nicht würdigen konnte.179 bb) Vindikationslegate – Rs.  Kubicka Bereits seiner Konzeption nach führt das ENZ zur Anwendung ausländischen Erbrechts auf inländische Vermögensgegenstände. Aufgrund des – grundsätzlich durch die EuErbVO hergestellten – Gleichlaufs von forum und ius wird insoweit häufig das Recht des Ausstellungsmitgliedstaats auf inländische Vermögensgegenstände des Verwendungsmitgliedstaats zur Anwendung kommen. Das ENZ kann – anders als etwa der deutsche Erbschein180 – Vindikationslegate, gesetzliche Nießbrauchsrechte und dingliche Teilungsanordnungen ausweisen (vgl. Art.  63 Abs.  2 lit.  a EuErbVO).181 Das ENZ entfaltet Legitimationswirkung bei der Eintragung des Nachlassvermögens in mitgliedstaatliche Register (vgl. Art.  65 Abs.  5 EuErbVO).182 Indes gilt die Legitimationswirkung „unbeschadet“ des Art.  1 Abs.  2 lit.  k und lit.  l EuErbVO. Vor allem im Grundstücksverkehr wird daher gerade im deutschen Schrifttum183 die Behandlung ausländischer Vindikations­ legate bei im Inland belegenen Nachlassgegenständen diskutiert. Fraglich ist, ob ein Vindikationslegatar aufgrund eines ENZ unter ausländischer lex successionis die Eintragung im deutschen Grundbuch verlangen kann.184 Denkbar ist etwa, dass sich der légataire particulier eines französischen ­Erblassers, dessen gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes in Frankreich war, nach erfolgter délivrance (Besitzeinweisung),185 mit einem französischen ENZ vor dem deutschen Grundbuchamt legitimiert, um im 177 

OLG München ZEV 2020, 233. OLG München ZEV, 2020, 233. 179 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  30b. 180 Auch die österreichische Rechtsordnung kennt allein das Damnationslegat, vgl. BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  40. 181 BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  40. 182  Vgl. oben Kapitel  2 A. III. 1. a), Kapitel  4 D.; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  29; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  43. 183  Döbereiner ZEV 2015, 559; Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 422 ff. 184  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  81; Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 (527); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (377). 185  Zum Erfordernis der délivrance für die Ausstellung eines ENZ vgl. oben Kapitel  2 A. II. 1. b). 178 

A. ENZ

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Grundbuch als neuer Eigentümer einer ihm zugedachten, in Deutschland belegenen, Immobilie eingetragen zu werden.186 Höchst umstritten187 war bis zur Entscheidung des EuGH in der Rs. ­Kubicka,188 ob der Vindikationslegatar ohne Weiteres als neuer Eigentümer in das deutsche Grundbuch eingetragen werden kann oder ob es noch einer Erfüllung des Vermächtnisses samt Auflassung bedarf. (1) Qualifikation – Abgrenzung des Erbstatuts vom Sachenrechtsstatut Die Beantwortung dieser Frage führt unmittelbar hinein in den Streit betreffend die Abgrenzung von Erbstatut und Sachenrechtsstatut im Rahmen der EuErbVO.189 Mit der EuErbVO hat das Erbkollisionsrecht eine weitgehende Harmonisierung erfahren.190 Hingegen unterliegt die jeweilige Kolli­ sionsnorm für das bislang auf europäischer Ebene nicht vereinheitlichte ­Sachenrecht mitgliedstaatlicher Qualifikationsentscheidung.191 Sind jedoch einzelne Fragen im Rahmen der EuErbVO erbrechtlich zu qualifizieren, werden diese der Anknüpfung durch das Sachenrechtsstatut – teilweise entgegen mitgliedstaatlicher Auffassung hinsichtlich dessen Reichweite – entzogen.192 Die EuErbVO selbst enthält Bestimmungen, denen hinsichtlich der Subsumtion eines bestimmten Rechtsverhältnisses unter den Tatbestand einer

186 

Vgl. Beispiel bei Döbereiner ZEV 2015, 559. So wurde im deutschen Schrifttum vielfach unter Verweis auf den Schutz der Integrität des deutschen Grundbuchs vertreten, dass ein ausländisches Vindikationslegat über ein deutsches Grundstück in ein Damnationslegat umzudeuten sei, woraus folge, dass das vermachte Grundstück noch an den Vermächtnisnehmer aufgelassen werden müsse (vgl. etwa Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 [529]; Döbereiner NJW 2015, 2449 [2452 f.]; ­Döbereiner GPR 2014, 42 [43]; Everts NotBZ 2014, 441 [451]; Greeske, Kollisionsnormen EuErbVO, 155; Hertel ZEV 2013, 539 [540]; K. Lechner IPRax 2013, 497 [500]; Margonski GPR 2013, 106 [108 ff.]; Odersky notar 2013, 3 [4]; Schaub Hereditare 2013, 91 [119]; Wilsch ZEV 2012, 530; Weber DNotZ 2018, 16 [21]); a. A.: GA Bot, Schlussanträge Kubicka, Rs.   C-218/17; ECLI:EU:C:2017:387 Rn.   50; Dutta FamRZ 2013, 4 (12); ­Goossens ERPL 2017, 523 (547 ff.) J. P. Schmidt ZEV 2014, 133 (137); J. P. Schmidt RabelsZ 2013, 1 (15 ff.); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (377 ff.). Auch die deutsche Rechtsprechung vertrat – zu den autonomen Kollisionsregeln der Art.  25 ff. EGBGB a. F. – die Auffassung, ausländische Vindikationslegate über deutsche Grundstücke seien in Damna­ tionslegate umzudeuten (vgl. etwa BGH NJW 1995, 58; KG NJW-RR 2008, 1109 [1110]). 188  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka. 189  Döbereiner ZEV 2015, 559. 190 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 Rn.  2 f. 191  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 34. 192  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 34. 187 

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Kollisionsnorm der EuErbVO,193 m. a. W. hinsichtlich der Frage nach der Qualifikation, entscheidende Relevanz zukommt. Allerdings konnten die betreffenden Art.  1 Abs.  2 lit.  k und lit.  l EuErbVO, Art.  23 Abs.  2 lit.  e ­EuErbVO, Art.  31 und Art.  69 Abs.  5 EuErbVO vom europäischen Verordnungsgeber im Gesetzgebungsverfahren zur EuErbVO wenig aufeinander abgestimmt werden.194 Hintergrund war, dass anderenfalls das Vorhaben der Schaffung einer EuErbVO an den divergierenden Auffassungen der Mitgliedstaaten zu scheitern drohte und schnelle Lösungen gefunden werden sollten.195 Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO nimmt die „Art der dinglichen Rechte“ aus dem Anwendungsbereich der EuErbVO aus. Gemeint ist damit ­jedoch allein der numerus clausus der dinglichen Rechte (vgl. ErwG 15 ­EuErbVO). Nach Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO ist die Eintragung von Rechten an Vermögensgegenständen in einem mitgliedstaatlichen Register „einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung, sowie die Wirkungen der Eintragung oder der fehlenden Eintragung solche Rechte in einem Register“ vom sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen. Art.  1 Abs.  2 lit.  k und lit.  l EuErbVO betreffen folglich Fragen, die Auswirkungen auf das mitgliedstaatliche Registersystem zeitigen können.196 Nach Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO unterliegt dem Erbstatut wiederum „der Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben und gegebenenfalls die Vermächtnis­ nehmer, einschließlich der Bedingungen für die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses und deren Wirkungen“. Art.  31 EuErbVO betrifft die Anpassung dinglicher Rechte, während das ENZ nach Art.  69 Abs.  5 EuErbVO ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats darstellt. Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO ist nach Auffassung des EuGH in der Rs. Kubicka197 dahin auszulegen, dass bei einer bloßen Übergangsmodalität der numerus clausus der dinglichen Rechte nicht betroffen sei.198 Der numerus clausus bzw. der Terminus „Art der dinglichen Rechte“ darf insoweit nicht nationalem Verständnis unterworfen werden.199 Der Begriff 193 MüKoBGB/v.

Hein IPR I, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  109. Döbereiner ZEV 2015, 559. 195  Döbereiner ZEV 2015, 559. 196  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  71; J-S. Quéguiner JDI 4 (2018) chron. 9 (Nr.  4). 197  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka. 198  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  49 f., 62. 199  So erfasst der numerus clausus der dinglichen Rechte nach deutschem Verständnis 194 

A. ENZ

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ist vielmehr unionsautonom und verordnungsspezifisch allein so zu interpretieren, dass kein Mitgliedstaat gezwungen sein soll, ein ihm unbekanntes ausländisches dingliches Recht in seine Rechtsordnung integrieren zu müssen.200 Soll nach dem Erbstatut beim Berechtigten ein dem Recht des Be­ legenheitsstaats unbekanntes ausländisches dingliches Recht entstehen, ist es nach Art.  31 EuErbVO anzupassen. Die Anpassung betrifft allerdings nur das ausländische dingliche Recht selbst und gerade nicht den Erwerbsvorgang.201 So steht Art.  31 EuErbVO in engem Zusammenhang mit der Bereichsausnahme des Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO. Letzterer nimmt den Erwerbsvorgang gerade nicht aus dem sachlichen Anwendungsbereich aus, sodass der Erwerbsvorgang, m. a. W. die Art und Weise des Erwerbs, dem Erbstatut unterfällt.202 Art.  31 EuErbVO ist folglich im Falle einer lediglich unbekannten Modalität des Rechtserwerbs nicht anwendbar.203 Der recht­ liche Übergang an beweglichen und unbeweglichen Vermögenswerten vollzieht sich damit allein nach dem Erbstatut.204 In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage, ob Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO (nach dem der materiell-rechtliche Übergang dinglicher Rechte dem Erbstatut unterfällt) durch Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO beschränkt wird, in der Rs.  Kubicka höchstrichterlich geklärt.205 Art.  1 Abs.  2 lit.  l ­EuErbVO sei rein formell zu verstehen; damit unterliege lediglich formelles Registerrecht nicht dem Erbstatut.206 (2) Stellungnahme zur Entscheidung des EuGH in der Rs.  Kubicka Zunächst spricht der Wortlaut des Art.  23 Abs.  1 EuErbVO für einen weiten Anwendungsbereich des Erbstatuts. So unterliegt „die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen“ (frz.: „l’ensemble d’une succession“; engl.: „succession as a whole“) dem Erbstatut. Der Verordnungstext legt mithin nahe, dass nicht nur deren Bestand, sondern auch deren Übertragung, vgl. MüKoBGB/Gaier BGB, Einl. SachenR Rn.  11. 200 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  47; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (761). 201  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  61 ff.; J-S. Quéguiner JDI 4 (2018) chron. 9 (Nr.  4). 202 OLG Saarbrücken ZEV 2019, 640; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   31 Rn.  31. 203 OLG Saarbrücken ZEV 2019, 640; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   31 Rn.  31. 204  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 178 ff. 205  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  53 f.; J-S. Quéguiner JDI 4 (2018) chron. 9 (Nr.  4). 206  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  53 f.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

der sachliche Anwendungsbereich der EuErbVO den Übergang von Nachlassgegenständen, ungeachtet seiner jeweiligen Ausgestaltung, erfasst.207 Dieses umfassende Begriffsverständnis findet eine Wiederholung in ErwG 42 S.  1. Hiernach sollte das zur Anwendung berufene Erbrecht für die Rechtsnachfolge von Todes auch für den Übergang des Eigentums an den Nachlassgegenständen auf die nach diesem Recht bestimmten Berechtigten gelten. Berechtigte i. S. d. EuErbVO sind neben den Erben auch Vindika­ tionslegatare.208 Daneben streitet Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO für eine weite Auslegung des Erbstatuts, indem er den Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, auf die Erben und gegebenenfalls auf die Vermächtnisnehmer, dem Erbstatut unterstellt.209 Hiergegen wurde eingewendet, dass der Übergang einzelner Vermögensgegenstände von Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO gerade nicht erwähnt werde.210 Zudem spreche die Bestimmung vom Übergang der Rechte und Pflichten, sodass der Erwerb durch Stückvermächtnisnehmer nicht dem Erbstatut zuzuordnen sei, da auf diese keine aus dem Nachlass folgenden Pflichten übergehen.211 Folglich unterfalle der Erwerb von Vindikationslegataren nicht dem Anwendungsbereich der EuErbVO.212 Allerdings trägt Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO bereits durch die Einschränkung „gegebenenfalls“ dem Umstand Rechnung, dass ein Übergang von Rechten auf Vermächtnisnehmer nur ausnahmsweise erfolgt und nennt neben Rechten und Pflichten auch Vermögenswerte.213 Eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs der EuErbVO findet darüber hinaus eine Stütze in ErwG 15 S.  1 EuErbVO, wonach die EuErbVO den erbrechtlichen Übergang eines Rechts an beweglichen oder unbeweg­ lichen Vermögensgegenständen nach Maßgabe des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts ermöglichen soll. Nicht dem Erbstatut unterliegen soll allein die abschließende Anzahl der dinglichen Rechte (vgl. ErwG 15 S.  2 EuErbVO), nicht aber auch der Erwerbsvorgang.214

207  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 64 f.; J. P. Schmidt ZEV 2014, 133 (134); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  23 Rn.  4 f. 208 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  23 Rn.  13 f. 209  J. P. Schmidt ZEV 2014, 133 (134). 210  Süß ZEuP 2013, 725 (744). 211  Süß ZEuP 2013, 725 (744). 212  Süß ZEuP 2013, 725 (744). 213  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 67. 214  Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (761).

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Die vom EuGH vorgenommene enge Auslegung des Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO überzeugt zudem einerseits mit Blick auf den Ausnahmecharakter des Art.  1 Abs.  2 EuErbVO,215 andererseits mit Blick auf den von der EuErbVO etablierten Grundsatz der Nachlasseinheit.216 Allein eine restriktive Auslegung der Bereichsausnahme des Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO vermag diesem wesentlichen Motiv der EuErbVO Genüge zu tun.217 Dem Grundsatz der Nachlasseinheit kann umso mehr Geltung verliehen werden, je weiter der Anwendungsbereich des Erbstatuts reicht, unterfällt doch in diesem Fall die gesamte Nachlassabwicklung einem einzigen Recht.218 Würde der Erwerb von Einzelgegenständen aus dem Erbstatut ausgenommen und der lex rei sitae unterworfen, führte dies im Ergebnis zu einer funktionellen Nachlassspaltung.219 Denn der Abwicklungsvorgang würde kolli­ sionsrechtlich aufgespalten, da Fragen des Erbanfalls nach dem Erbstatut beurteilt würden und solche des Erbschaftserwerbs dagegen der lex rei sitae unterstehen.220 Für die damit verbundene weite Auslegung des Erbstatuts spricht überdies nicht nur der effet utile der EuErbVO selbst, sondern konkret der effet utile des ENZ.221 Das ENZ dient zuvorderst dem Nachweis einer erbrechtlichen Berechtigung in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. Art.  62 Abs.  1 ­EuErbVO). Es entfaltet seine Wirkungen unmittelbar ipso iure in den Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf (vgl. Art.  69 Abs.  1 EuErbVO). Die praktische Wirksamkeit des ENZ wäre jedoch beeinträchtigt, wenn die im ENZ aufgeführten Inhalte in den Mitgliedstaaten unterschiedlich bewertet würden.222 Konsequenz einer divergierenden kollisionsrechtlichen Bewertung der Inhalte des ENZ wäre, dass es die bestehende Rechtslage lediglich aus Sicht des Ausstellungsstaats ausweisen würde; mithin würde gerade im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr die Aussagekraft des ENZ erschüttert.223 Eine einheitliche Bewertung der im ENZ aufgeführten Inhalte ist nur dann gewährleistet, wenn die betreffenden Fragen erbrechtlich qualifiziert werden und damit dem Erbstatut unterfallen.224 Inhalt des ENZ sind u. a. die Umstände, aus denen sich die Rechte der Ver215 

T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 72. T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 72. 217  Kunz GPR 2013, 293 (294 f); T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 72. 218  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 114 ff. 219  Kunz GPR 2013, 293 (294 f.); T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 115 f. 220  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 115 f. 221  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 72. 222  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 106 ff. 223  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 106 ff. 224  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 106 ff. 216 

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

mächtnisnehmer ergeben sowie ein Verzeichnis der einem bestimmten Erben oder Vermächtnisnehmer zustehenden Vermögenswerte (vgl. Art.  68 Abs.  2 lit.  j, lit.  l und lit.  m EuErbVO). Nur bei einer Unterwerfung des Erwerbsvorgangs unter das Erbstatut kann dieses Verzeichnis stets den gleichen Inhalt aufweisen und folglich nur dann zuverlässig Auskunft geben.225 Zudem sind auch die Beschränkungen der Rechte der Vermächtnisnehmer im ENZ anzugeben (vgl. Art.  68 Abs.  2 lit.  n EuErbVO). Die Entscheidung des EuGH überzeugt schließlich auch mit Blick auf das Streben der EuErbVO danach, einen Gleichlauf von forum und ius herzustellen. Die Belegenheit von Nachlassvermögen ist im Zuständigkeitsregime der Art.  4 ff. EuErbVO zwar im Rahmen des Art.  10 EuErbVO als subsi­ diäres Anknüpfungskriterium zu berücksichtigen. Maßgebliches Anknüpfungskriterium der Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO ist jedoch der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes.226 Gerade angesichts des Strebens des europäischen Verordnungsgebers nach einem Gleichlauf von forum und ius kann jedoch die Belegenheit von Nachlass­ gegenständen auch im Rahmen der Bestimmung des Erbstatuts lediglich eine untergeordnete Rolle einnehmen.227 (3) Auswirkungen der Entscheidung in der Rs.  Kubicka auf das deutsche Grundbuchrecht Eine Eintragung ins deutsche Grundbuch hat spätestens seit der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Kubicka228 allein aufgrund der Vorlage eines ENZ unter ausländischem Erbstatut zu erfolgen.229 Weist also ein ENZ eine Person unzweifelhaft als Vindikationslegatar aus, ist dieser ebenso einzutragen wie der Erbscheinserbe,230 wobei im ENZ der betreffende Grundbesitz grundbuchtauglich bestimmt sein muss.231 Das ENZ reicht folglich nicht nur für den Nachweis der Gesamtrechtsnachfolge, sondern auch für den Nachweis einer Singularsukzession aufgrund eines Vindikationslegats aus.232 225 

T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 106 ff., 108. Vgl. unten Kapitel  5 B. II. 1. a) cc). 227  T. Lechner, Reichweite des Erbstatuts, 105 f. 228  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka. 229  OLG Saarbrücken ZEV 2019, 640; OLG München ZEV 2020, 233 Rn.  33; OLG München ZEV 2021, 179 Rn.  24. 230  OLG Saarbrücken ZEV 2019, 640; OLG München ZEV 2020, 233 Rn.  33; OLG München ZEV 2021, 179 Rn.  24. 231  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  91; J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (94); Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  3 Rn.  115. 232  OLG Saarbrücken ZEV 2019, 640; OLG München ZEV 2020, 233 Rn.  33; OLG 226 

A. ENZ

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Zwischenzeitlich verweist §  35 Abs.  1 S.  1 GBO zum „Nachweis der Erbfolge“ ausdrücklich nicht mehr nur auf den deutschen Erbschein, sondern auch auf das ENZ233. Angesichts der vom EuGH in der Rs.  Kubicka234getroffenen Feststellungen ist bei einem grenzüberschreitenden Erbfall §  35 Abs.  1 S.  1 GBO unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der Begriff „Erbfolge“ nicht nur die Gesamtrechts-, sondern auch die Einzelrechtsnachfolge von Todes wegen aufgrund eines ausländischen Vindikations­ legats erfasst.235 Denn eine unionsrechtskonforme Auslegung scheitert gerade nicht an der Wortlautgrenze des Begriffs „Erbfolge“236: Zwar mag der deutsche Gesetzgeber bei der Schaffung des IntErbRVG und in diesem Zuge der Anpassung der Regelungen der GBO davon ausgegangen sein, dass aus­ ländische Vindikationslegate im Inland weiterhin zunächst in Damnationslegate umzuwandeln seien237, allerdings sprengt die Subsumtion der Einzelrechtsnachfolge gerade nicht die Grenzen des Begriffs „Erbfolge“.238 Denn §  35 Abs.  1 S.  1 GBO verwendet den insoweit engeren Begriff der Gesamtrechtsnachfolge gerade nicht. Eine klarstellende Anpassung des §  35 Abs.  1 S.  1 GBO wäre indes wünschenswert, jedoch lediglich deklaratorischer Natur. b) Résumé Die Richtigkeitsvermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO ist in ihrer Reichweite auf das Bestehen einer erbrechtlichen Rechtsstellung i. S. d. Art.  63 ­EuErbVO einerseits, auf das Nichtbestehen anderer als den im ENZ angegebenen Beschränkungen andererseits, limitiert. Art.  69 Abs.  2 EuErbVO entfaltet im Besonderen Relevanz für die Legitimationswirkung des ENZ nach Art.  69 Abs.  5 EuErbVO. Ebendiese warf München ZEV 2021, 179 Rn.   24; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  30; J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (94); Tereszkiewicz/Wysocka-Bar GPR 2018, 100 (102). 233  §  35 Abs.  1 S.  1 GBO a. F. sah dagegen den Nachweis der Erbfolge grundsätzlich „nur durch einen Erbschein“ vor. 234  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka. 235  Bandel MittBayNot 2018, 99 (102); Dutta/Weber/J. P. Schmidt IntErbR, Art.   1 ­EuErbVO Rn.  148; J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (94); Tereszkiewicz/Wysocka-Bar GPR 2018, 100 (102); a. A.: MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  30; Dorth ZEV 2018, 11 (13); wohl auch OLG Saarbrücken ZEV 2019, 640, das die Anwendung des §  35 Abs.  1 S.  1 GBO verneint und §  22 GBO zur Anwendung bringen möchte, wobei das ENZ als Unrichtigkeitsnachweis ausreiche. 236  So jedoch MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  30; Dorth ZEV 2018, 11 (13). 237  Zu dieser Begründungslinie vgl. Dorth ZEV 2018, 11 (13). 238  Bandel MittBayNot 2018, 99 (102); Dutta/Weber/J. P. Schmidt IntErbR, Art.   1 ­EuErbVO Rn.  148; Tereszkiewicz/Wysocka-Bar GPR 2018, 100 (102).

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nach Geltungsbeginn der EuErbVO einige Fragen auf, zu denen sich der EuGH mittlerweile teilweise geäußert hat: Die Ziele der EuErbVO gebieten eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs der EuErbVO, folglich des Erbstatuts. Damit sind gerade – und nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Art.  69 Abs.  5 EuErbVO – die Bereichsausnahmen des Art.  1 Abs.  2 lit.  k und lit.  l EuErbVO eng auszulegen. Nur bei einer Unterwerfung des Erwerbsvorgangs unter das Erbstatut kann das ENZ unabhängig von seinem jeweiligen Ausstellungsmitgliedstaat stets den gleichen Inhalt ausweisen. Daneben unterliegt allein formelles Registerrecht nicht dem Erbstatut. Eine Eintragung aufgrund eines ENZ, das ein Vindikationslegat ausweist, in das Register eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsordnung einen Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Beteiligung am Nachlass nicht vorsieht, ist möglich. 2. Gutglaubenswirkung Mit Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO hat der europäische Verordnungsgeber Sachnormen in die EuErbVO aufgenommen, die zugleich sachrecht­ liche Auswirkungen zeitigen.239 Die im ENZ als berechtigt ausgewiesene Person gilt gegenüber demjenigen, der „auf Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben“ Zahlungen leistet oder Vermögenswerte übergibt, als zuständig für die Entgegennahme dieser Zahlungen oder Vermögenswerte, es sei denn derjenige wusste, dass das ENZ „inhaltlich unrichtig ist, oder ihm war dies infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt“ (vgl. Art.  69 Abs.  3 EuErbVO). Gleichsam entfaltet das ENZ Gutglaubenswirkung bei Verfügungen der Person, die das ENZ als legitimiert ausweist (vgl. Art.  69 Abs.  4 EuErbVO).240 Nach Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO wird folglich eine fehlende Empfangszuständigkeit bzw. Verfügungsbefugnis fingiert.241 a) Anwendungsbereich – Reichweite des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO Die deutsche Sprachfassung des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO rekurriert darauf, dass jemand „Zahlungen leistet oder Vermögenswerte übergibt“, sodass Art.  69 Abs.  3 EuErbVO seinem Wortlaut nach aus deutscher Perspektive enger ist als §  2367 BGB, der schlicht den Begriff der „Leistung“ verwen239 

Kunz GPR 2012, 253 (257). Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  20; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358

240 BeckOGK/J.

(383). 241  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (384 f.).

A. ENZ

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det.242 Allerdings ist davon auszugehen, dass der Duktus des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO („Zahlungen leistet oder Vermögenswerte übergibt“; frz. „effectue des paiements ou remet des biens“; engl. „makes payments or passes on property“) eine bewusste Entscheidung des europäischen Verordnungs­ gebers war, verfügen doch nicht alle mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen über eine derart ausziselierte Leistungsdogmatik wie sie etwa dem deutschen Recht eigen ist.243 So würde teils möglicherweise die Übergabe von Vermögenswerten nicht unter den Leistungsbegriff fallen.244 Missverständlich ist die Verwendung der Formulierung „Vermögenswerte übergibt“ der deutschen Sprachfassung, die insoweit prima facie nahelegt, dass immaterielle Vermögenswerte, insbesondere Forderungen oder Immaterialgüterrechte, nicht vom Begriff „Vermögenswert“ erfasst sind.245 Jedoch ist die Bezugnahme der deutschen Sprachfassung auf eine Übergabe von Vermögenswerten insgesamt etwas unglücklich, da Art.  69 Abs.  3 EuErbVO nicht nur den gutgläubigen Besitzerwerb, sondern vielmehr auch den gutgläubigen Eigentumserwerb ermöglichen soll.246 Daher steht die Formulierung „übergibt“ einer extensiven Auslegung des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO gerade nicht entgegen.247 Eine extensive Auslegung der Bestimmung legt im Übrigen auch der Umstand nahe, dass der europäische Verordnungsgeber bei der Schaffung des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO ersichtlich §  2367 BGB und dessen Anwendungsbereich im Blick hatte.248 Schließlich überzeugt eine Auslegung des Art.  69 Abs.  3 EuErbVO dahin, dass ein gutgläubiger Dritter nur dann geschützt ist, wenn er ein mit einem Erblasser geschlossenes Verpflichtungsgeschäft durch Zahlung oder Übereignung einer Sache erfüllt, nicht hingegen, wenn er den Vertrag durch Abtretung einer Forderung oder Übertragung eines Immaterialgüterrechts erfüllt, nicht.249 Eine derartige Unterscheidung lässt sich in der Sache kaum rechtfertigen.250 Gutglaubensschutz vermittelt das ENZ nach Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO nur hinsichtlich der im ENZ ausgewiesenen Rechtsstellungen.251 Die darüberhinausgehenden Voraussetzungen des betreffenden Rechtsge242 

Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (778); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (384 f.). 243 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  22, 26. 244 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  22. 245 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  26. 246 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  24. 247 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  26. 248 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  26. 249 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  26. 250 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  26. 251 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  37.

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schäfts sind von Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO hingegen nicht erfasst.252 ErwG 71 S.  7 EuErbVO stellt in diesem Zusammenhang ausdrücklich klar, dass die EuErbVO gerade nicht regelt, „ob der Erwerb von Vermögen durch eine dritte Person wirksam ist oder nicht“. Insofern kommt es auf das jeweils anwendbare Sachrecht an.253 b) Konkreter Gutglaubensschutz Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO schützen den guten Glauben desjenigen, der „auf der Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben“ entweder an den durch das ENZ Legitimierten leistet oder von demjenigen ­erwirbt. Das ENZ begründet vor diesem Hintergrund keinen abstrakten, sondern lediglich konkreten Gutglaubensschutz.254 Folglich muss die gutgläubige Person Kenntnis vom ENZ bzw. während ihrer jeweiligen Geltungsdauer von einer beglaubigten Abschrift des ENZ gehabt haben und aufgrund dessen/deren Inhalts gehandelt haben.255 Kenntnis von den im ENZ enthaltenen Angaben wird regelmäßig über die Vorlage einer beglaubigten Abschrift erfolgen, verbleibt die Urschrift des ENZ doch nach Art.  70 Abs.  1 EuErbVO bei der Ausstellungsbehörde.256 Entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht257 ist indes eine Vorlage einer beglaubigten Abschrift des ENZ bei der Vornahme des konkreten Rechtsgeschäfts nicht erforderlich.258 So sprach der Kommissionsentwurf in Art.  42 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO-E noch von „Zahlungen an den Inhaber eines Nachlasszeugnisses“ bzw. vom Erwerb vom „Inhaber eines Nachlasszeugnisses“. Dieser Wortlaut sah sich scharfer Kritik ausgesetzt, weil eine derartige Formulierung nahelegte, das ENZ sei bei der Vornahme des 252 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  37; 52. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  52.1 f. 254  Michalski/J. Schmidt, ErbR, Rn.  1351; Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 206 f.; Omlor GPR 2014, 216 (218 f.); J. Schmidt ZEV 2014, 389 (393); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  30; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  6 Rn.  15; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (386 f.). 255  Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 206 f.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  30; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (387). 256  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (387). 257 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  20; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (779); NK-NachfolgeR/Köhler EuErbVO, Art.  69 Rn.  7; Deixler-Hübner/ Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  31. 258 Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz EuErbVO, Art.   69 Rn.   16; Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 206 f.; J. Schmidt ZEV 2014, 389 (393); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  32; S. D. J. Schmitz RNotZ 2017, 269 (284); Simon/Buschbaum NJW 2012, 2393 (2397 f.). 253 BeckOGK/J.

A. ENZ

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konkreten Rechtsgeschäfts vorzulegen259 und wurde vor diesem Hintergrund gerade geändert.260 Der Gegenansicht ist zwar zuzugeben, dass ErwG 71 S.  6 EuErbVO weiterhin davon spricht, dass der Gutglaubensschutz greifen soll, wenn „noch gültige beglaubigte Abschriften vorgelegt werden“.261 ErwG 71 EuErbVO enthält jedoch primär die Klarstellung, dass auch die beglaubigten Abschriften während ihrer Geltungsdauer die Wirkungen des Art.  69 EuErbVO entfalten – bei der Bezugnahme auf das „Vorlegen“ dürfte es sich insoweit um eine unglückliche Wortwahl des europäischen Verordnungsgebers handeln.262 Der effet utile des ENZ würde zudem geschwächt, würde auf eine Vorlage beharrt.263 Zu Recht ist gerade der effet utile des ENZ im Rahmen der bisherigen Vorlageentscheidungen des EuGH zur ­EuErbVO häufig eine der entscheidungsleitenden Erwägungen.264 Im Übrigen entfalten die Erwägungsgründe gerade keine unmittelbare Rechtswirkung.265 c) Anforderungen an die Redlichkeit Nicht nur positive Kenntnis, sondern bereits grob fahrlässige Unkenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit des ENZ schließt den Redlichkeitsschutz der Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO aus (vgl. Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO). Der europäische Verordnungsgeber hat indes von einer Definition der groben Fahrlässigkeit abgesehen.266 Jedenfalls sind die Anforderun259  Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (168); Lange DNotZ 2012, 168 (177); MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (698). 260  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz EuErbVO, Art.  69 Rn.  16; J. Schmidt ZEV 2014, 389 (393); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  32; S. D. J. Schmitz RNotZ 2017, 269 (284). 261 Hierauf beruft sich etwa Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  31. 262 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  32; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  69 Rn.  20. 263 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  32. 264  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  59 f.; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  43; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  63 Rn.  1. 265  Ständige Rechtsprechung des EuGH: EuGH v. 19.11.1998, Nilsson u. a., Rs.  C-­162/­ 97, Slg. 1998, I-7477, ECLI:EU:C:1998:554 Rn.  54; EuGH v. 25.11.1998, Manfredi, Rs.  C-­ 308/97, Slg. 1998, I-7685, ECLI:EU:C:1998:566 Rn.  30; EuGH v. 24.11.2005, Deutsches Milch-Kontor, Rs.  C-136/04, Slg. 2005, I-10095, ECLI:EU:C:2005:716 Rn.  32; EuGH v. 2.4.2009, Hauptzollamt Bremen, Rs.  C-134/08, Slg. 2009, I-02875, ECLI:EU:C:2009:229 Rn.  16; allgemein hierzu Requejo Isidro, FS Kohler 2018, 425 (425, 424 ff.); zur EuErbVO vgl. BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  32; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (387). 266 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  22.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

gen an einen redlichen Dritten unionsautonom zu bestimmen.267 Um das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Gutglaubenswirkung des ENZ nicht zu erschüttern, erscheint es erforderlich, an das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit hohe Anforderungen zu stellen.268 Anderenfalls würde der effet utile des ENZ mangels Akzeptanz des ENZ eingeschränkt.269 Grobe Fahrlässigkeit ist daher anzunehmen bei einem besonders schweren Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten.270 Die Gutgläubigkeit wird aufgrund der negativen Formulierung („es sei denn“) des Art.  69 Abs.  3 Hs.  2 und Abs.  4 Hs.  2 ­Eu­ErbVO vermutet.271 Maßgeblich für das Vorliegen der Redlichkeit ist der Zeitpunkt der Vollendung des Tatbestands von Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO.272 Der Dritte muss also im Zeitpunkt der Leistung oder der Verfügung gutgläubig i. S. d. EuErbVO sein.273 d) Beglaubigte Abschriften als Gutglaubensträger Das ENZ entfaltet seine Wirkungen unmittelbar ipso iure in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf (vgl. Art.  69 Abs.  1 EuErbVO). Die Wirkungen entfaltet jedoch nicht nur die Urschrift des ENZ, die bei der Ausstellungsbehörde verbleibt, sondern während ihrer Gültigkeitsdauer auch jede beglaubigte Abschrift des ENZ (vgl. ErwG 71 S.  6 EuErbVO). Anderenfalls könnte das ENZ seine Funktion als Nachweisdokument nicht erfüllen.274 Gegenüber dem Rechtsverkehr weisen grundsätzlich die beglaubigten Abschriften – nicht aber die Urschrift des ENZ – den Inhalt des ENZ aus; maßgebliche Gutglaubensträger sind folglich die beglaubigten Abschriften des ENZ.275 Sobald die Gültigkeitsdauer abgelaufen ist, kommen den beglaubigten Abschriften jedoch die Wirkungen des ENZ nicht länger zu.276 Die beglaubigten Abschriften sind grundsätzlich nur für einen Zeitraum von sechs Mo267 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  69 Rn.  22. Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (399). 269 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  22. 270 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  34. 271 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  35, 50. 272  Omlor GPR 2014, 216 (219); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (403). 273  Omlor GPR 2014, 216 (219); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (403). 274  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz EuErbVO, Art.  69 Rn.  4; BeckOGK/­ J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  5. 275  Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 (527 f.); Omlor GPR 2014, 216 (218); BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  42; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (389). 276  OGH FamRZ 2018, 635 Rn.  17; KG ZEV 2019, 643 Rn.  15; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  70 Rn.  17. 268 

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naten gültig (vgl. Art.  70 Abs.  3 S.  1 EuErbVO).277 Die Ausstellungsbehörde kann jedoch nach Ablauf dieses Zeitraums die Frist verlängern oder eine neue beglaubigte Abschrift ausstellen (vgl. Art.  70 Abs.  3 S.  3 EuErbVO). Dieser von der EuErbVO etablierte Regel-Ausnahme-Mechanismus ist zwingend.278 Erstens vermag die Ausstellungsbehörde diesen nicht dadurch zu umgehen, dass sie auf dem Formblatt  V ausdrücklich angegeben hat, die beglaubigte Abschrift habe kein Ablaufdatum.279 Hintergrund der Begrenzung der Gültigkeitsfrist ist nämlich, dass das ENZ seine Wirkungen – insbesondere die Richtigkeitsvermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO – nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO ipso iure in sämtlichen Mitgliedstaaten entfaltet.280 Die Gültigkeitsfrist des Art.  70 Abs.  3 EuErbVO ermöglicht es dabei, „eine Übereinstimmung zwischen dem Inhalt der beglaubigten Abschrift des ­Europäischen Nachlasszeugnisses und der Rechtswirklichkeit der Erbfolge sicherzustellen“.281 Möglich ist v. a. eine Überprüfung, ob das ENZ berichtigt, widerrufen oder geändert wurde oder ob seine Wirkungen ausgesetzt wurden.282 Zweitens ist unerheblich, ob auf dem Formblatt  V überhaupt ein Ablaufdatum der Verwendung einer beglaubigten Abschrift vermerkt ist.283 Den Erben oder sonstigen Personen, die ein berechtigtes Interesse haben, der Möglichkeit, ihre Rechte nachweisen zu können, aufgrund eines solchen Formfehlers zu berauben, stünde im Widerspruch zum Verordnungsziel ­einer Beseitigung der Hindernisse für den freien Personenverkehr in Erb­ sachen.284 Die Erben oder sonstigen Personen, die ein berechtigtes Interesse haben, müssten eine neue beglaubigte Abschrift beantragen, was zu einer Verlängerung von Fristen und ggf. zu höheren Kosten führen würde.285 Besonders problematisch ist die begrenzte Gültigkeitsdauer bei mehraktigen und gestreckten Sachverhalten.286 In diesem Zusammenhang ist fraglich, bis zu welchem Zeitpunkt die Gültigkeit der beglaubigten Abschrift des ENZ gegeben sein muss.287 Mit dieser Frage hat sich der EuGH, auf eine

277 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  70 Rn.  18. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  26 f., 37. 279  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  26. 280  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  23. 281  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  24. 282  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  24. 283  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  26. 284  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  27. 285  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  27. 286 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  70 Rn.  17.1. 287 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  70 Rn.  17.1. 278 

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Vorlage des österreichischen OGH288 hin, befasst.289 Art.  70 Abs.  3 EuErbVO sei dahin auszulegen, dass die beglaubigte Abschrift eines ENZ ihre Wirkungen i. S. d. Art.  69 EuErbVO entfaltet, wenn sie bei ihrer erstmaligen Vorlage gültig war.290 In diesem Zusammenhang stellt der EuGH einleitend fest, dass der für die Wirkungen einer beglaubigten Abschrift maßgebliche Zeitpunkt in den Vorschriften der EuErbVO zwar unmittelbar nicht geregelt, dieser indes unionsund verordnungsautonom zu bestimmen sei.291 Denn die Wirkungen einer beglaubigten Abschrift eines ENZ müssen vor dem Hintergrund des effet utile des ENZ in sämtlichen Mitgliedstaaten die gleichen sein.292 Anderenfalls könne eine beglaubigte Abschrift ein und desselben ENZ bei gleichzeitiger Vorlage vor verschiedenen mitgliedstaatlichen Gerichten unterschied­ liche Wirkungen zeitigen, wenn sie dort infolge ihrer Prüfung zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich bewertet werde.293 Der EuGH führt weiter aus, dass, sofern der Eintritt der Vollendung des jeweiligen Wirkungstatbestandes von der Mitwirkung einer staatlichen Stelle abhängt, die Gefahr bestünde, dass die Rechte der Erben und sonstigen Rechtsnachfolger beeinträchtigt werden. Denn diese Personen müssten ggf. mehrmals eine beglaubigte Abschrift beantragen, weil sie keinen Einfluss auf die Dauer des in Rede stehenden Verfahrens haben.294 Angesichts des Verordnungsziels einer zügigen, unkomplizierten und effizienten grenzüberschreitenden Nachlass­ abwicklung, seien derartige Verzögerungen und zusätzliche Verfahrenshandlungen und Anstrengungen vornehmlich für die am Nachlass Beteiligten, aber auch für die mit dem Erbfall befassten Behörden, nicht hinnehmbar.295 Lediglich in eng umgrenzten Ausnahmefällen könne die Behörde, der die beglaubigte Abschrift vorgelegt werde, die Vorlage einer neuen Abschrift 288  OGH v. 27.5.2020, 8 Ob 40/19v, ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00040.19V.05 27.000. 289  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ. 290  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  37; in diese Richtung bereits vor der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Succession de VJ: MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  70 Rn.  4; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  70 Rn.  17.5. 291  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  30 f.; für eine unionsautonome Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts bereits vor der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Succession de VJ: BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  70 Rn.  17.3. 292  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  31; GA Campos Sánchez-Bordona v. 29.4.2021, Schlussanträge Succession de VJ, Rs.  301/20, ECLI:EU:C:2021:351 Rn.  49. 293  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  31; GA Campos Sánchez-Bordona v. 29.4.2021, Schlussanträge Succession de VJ, Rs.  301/20, ECLI:EU:C:2021:351 Rn.  49. 294  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  33. 295  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  34.

A. ENZ

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oder einer Abschrift verlangen, deren Geltungsdauer verlängert wurde.296 Dies sei der Fall, wenn die Vorlagebehörde Kenntnisse erlangt, die vernünftige Zweifel am Status des ENZ begründen.297 Aufgrund des effet utile des ENZ verdient der EuGH grundsätzlich uneingeschränkte Zustimmung. Zwar ist für die Wirkungen nach Art.   69 ­EuErbVO grundsätzlich der Zeitpunkt der Vollendung des jeweiligen Wirkungstatbestandes maßgeblich.298 Es ist jedoch nur sachgerecht, bei mehr­ aktigen und gestreckten Sachverhalten ausreichen zu lassen, dass die be­ glaubigte Abschrift in dem Zeitpunkt wirksam ist, in dem der Verwender alles seinerseits Erforderliche getan hat, um den Wirkungstatbestand eintreten zu lassen.299 Nur so wird das ENZ in seiner praktischen Wirksamkeit nicht beschnitten. Einziger Wermutstropfen ist, dass der EuGH die Anforderungen an „vernünftige Zweifel“ am Status des ENZ nicht im Interesse der Rechtsklarheit näher definiert. e) Zwischenrésumé Art.  69 Abs.  3 EuErbVO ist dahin auszulegen, dass die Formulierung „Vermögenswerte übergibt“ neben der Übertragung beweglicher und unbeweglicher Sachen auch die Übertragung immaterieller Vermögenswerte erfasst. Das ENZ vermittelt konkreten Gutglaubensschutz, sodass die Berufung auf das ENZ die tatsächliche Kenntnis vom Inhalt des ENZ erfordert. Dies kann insbesondere durch die beglaubigten Abschriften eines ENZ erfolgen. Jedoch ist die Vorlage einer beglaubigten Abschrift bei Vornahme des konkreten Rechtsgeschäfts nicht erforderlich. Die beglaubigten Abschriften sind in der Regel für eine Dauer von sechs Monaten gültig. Nach Ablauf dieser Gültigkeitsdauer kommen den beglaubigten Abschriften die Wirkungen des Art.  69 EuErbVO nicht länger zu. Ein durch eine beglaubigte Abschrift eines ENZ begründeter guter Glaube sollte grundsätzlich nur für solche Rechtsgeschäfte gelten, deren Wirkungstatbestand vor Ablauf der Gültigkeitsdauer vollendet wurde. Eine Ausnahme sollte dann greifen, wenn der Eintritt der Vollendung von der Mitwirkung einer staatlichen Stelle abhängt. 296  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  36; GA Campos Sánchez-Bordona v. 29.4.2021, Schlussanträge Succession de VJ, Rs.  301/20, ECLI:EU:C:2021:351 Rn.  70. 297  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  36; GA Campos Sánchez-Bordona v. 29.4.2021, Schlussanträge Succession de VJ, Rs.  301/20, ECLI:EU:C:2021:351 Rn.  70. 298 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  70 Rn.  17.4. 299 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   70 Rn.  4; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  70 Rn.  17.5.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Hinsichtlich des Gutglaubensschutzes des ENZ schadet bereits grob fahrlässige Unkenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit des ENZ, wobei an die Annahme fahrlässiger Unkenntnis grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Redlichkeit des Dritten ist der Zeitpunkt der Leistung oder der Verfügung. 3. Rs.  Mahnkopf Soweit bei deutschem Erbstatut die gesetzliche Erbquote nach §  1371 Abs.  1 BGB erhöht wird, ist dieses Viertel von den Wirkungen des ENZ umfasst.300 Die vom EuGH in der Rs.  Mahnkopf getroffenen Feststellungen sind auf die avantages matrimoniaux des französischen Rechts zu übertragen.301 Die praktische Rolle der Erbquoten bei den Wirkungen des ENZ ist allerdings – unbeschadet freilich des Art.  63 Abs.  2 lit.  a EuErbVO, nach dem das ENZ insbesondere als Nachweis für die Rechtsstellung und/oder die Rechte jedes in ihm bezeichneten Erben oder Vindikationslegatars und seines je­ weiligen Anteils am Nachlass verwendet werden kann302 – eher untergeordneter Natur.303 Das ENZ mag einen Einzelerben oder eine Mehrheit von Erben ausweisen, wobei die jeweilige Erbquote im Verhältnis zu redlichen Dritten nicht maßgeblich sein wird.304 Art.  69 Abs.  3 bzw. Abs.  4 EuErbVO ersetzt eine fehlende Empfangszuständigkeit bzw. Verfügungsbefugnis, desjenigen oder derjenigen der/die im ENZ als berechtigt ausgewiesen ist/ sind.305 Entscheidend sind die im ENZ aufgeführten Erbquoten damit weniger im Rechtsverkehr bzw. im Verhältnis zu den registerführenden Behörden eines Mitgliedstaats als vielmehr im Verhältnis der Erbberechtigten untereinander.306 4. Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen ENZ Mit Art.  71 EuErbVO und Art.  73 EuErbVO stellt die EuErbVO Maßnahmen zur Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen ENZ zur Verfügung. Ratio des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO ist es, zu gewährleisten, dass Personen 300  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  40 ff., Rn.  43; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  63 Rn.  8; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  27. 301  Vgl. oben Kapitel  2 A. II. 2. b). 302 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  25. 303 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  63 Rn.  8 (dort Fn.  11); Dörner IPRax 2017, 81 (86). 304  Dörner IPRax 2017, 81 (86). 305 Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  69 Rn.  22, Rn.  25; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (384 f.). 306  Dörner IPRax 2017, 81 (86).

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mit berechtigtem Interesse im Falle einer inhaltlichen Unrichtigkeit eine Änderung oder einen Widerruf des ENZ erreichen können.307 Eine Änderung oder ein Widerruf des ENZ von Amts wegen sieht Art.  71 Abs.  2 EuErbVO aufgrund der divergierenden mitgliedstaatlichen Traditionen ­ ­hinsichtlich eines amtswegigen Tätigwerdens nur insoweit vor, als dies nach nationalem Recht zulässig ist.308 Art.  73 EuErbVO regelt daneben die Aussetzung der Wirkungen des ENZ, um es der Ausstellungsbehörde oder dem Rechtsmittelgericht zu ermöglichen, die Wirkung auszusetzen, bis über Einwände gegen das ENZ entschieden ist.309 Ratio der Norm ist damit die Vermeidung der Verwendung eines potenziell unrichtigen ENZ während dieser Schwebezeit.310 a) Änderung und Widerruf, Art.  71 Abs.  2 EuErbVO Steht fest, dass das ENZ inhaltlich unrichtig ist, ändert oder widerruft die Ausstellungsbehörde das ENZ „auf Verlangen jedweder Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, oder soweit dies nach innerstaatlichem Recht möglich ist, von Amts wegen“ (vgl. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO). Über die Änderung oder den Widerruf eines ENZ unterrichtet die Ausstellungsbehörde „unverzüglich alle Personen, denen beglaubigte Abschriften des Zeugnisses gemäß Art.  70 Absatz  1 [EuErbVO] ausgestellt wurden“ (vgl. Art.  71 Abs.  3 EuErbVO). aa) Rechtsfolgen des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO für das ENZ Im Falle einer Änderung entfaltet das ENZ seine Wirkungen, gemäß Art.  69 EuErbVO, ex nunc nur noch in der geänderten Fassung.311 Im Falle eines Widerrufs zeitigt das ENZ ex nunc keine Wirkungen mehr.312 Die Entscheidung, ob eine Änderung oder ein Widerruf erfolgt, ist abhängig von der Art der inhaltlichen Unrichtigkeit.313 Ist das ENZ insgesamt inhaltlich unrichtig, kommt allein ein Widerruf in Betracht.314 Im Falle einer lediglich partiellen 307 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  3. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  3. 309 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  73 Rn.  3. 310 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  73 Rn.  3. 311 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  34; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  71 Rn.  15. 312 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  35; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  71 Rn.  15. 313 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  31. 314 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  31. 308 BeckOGK/J.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Unrichtigkeit des ENZ kann dieses zwar als solches weiterhin beibehalten werden, wobei sein Inhalt jedoch geändert werden muss.315 bb) Beglaubigte Abschriften eines geänderten oder widerrufenen ENZ Bei Änderung oder Widerruf des ENZ nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO bleiben bereits erteilte beglaubigte Abschriften im Umlauf.316 Während ihrer jeweiligen Gültigkeitsdauer entfalten diese, entsprechend ihrem jeweiligen Inhalt, grundsätzlich weiterhin die Wirkungen nach Art.  69 EuErbVO.317 So erstreckt sich eine Änderung oder ein Widerruf eines ENZ gerade nicht automatisch auf sämtliche beglaubigte Abschriften. Anderenfalls könnte sich der Rechtsverkehr nie auf beglaubigte Abschriften als wesentliche Gutglaubensträger verlassen, sondern wäre gezwungen, sich stets bei der Ausstellungsbehörde zu erkundigen, ob das ENZ nicht zwischenzeitlich geändert oder widerrufen wurde.318 Einerseits sieht die EuErbVO einen derartigen Auskunftsanspruch nicht vor, andererseits stünde ein solches Vorgehen als geradezu diametral zum Ziel der schnellen und kostengünstigen grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung.319 Zudem vermittelt das ENZ konkreten Gutglaubensschutz, der an die Kenntnis von den im ENZ enthaltenen Angaben anknüpft.320 Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, den Gutglaubensschutz auch erst dann zu versagen, wenn der Vertrauenstatbestand konkret beseitigt wird.321 Der konkret durch die beglaubigte Abschrift eines ENZ entstandene Rechtsschein kann folglich nicht automatisch und abstrakt durch die Änderung oder den Widerruf des ENZ entfallen.322 Die EuErbVO verpflichtet hingegen die Ausstellungsbehörde dazu, im Falle einer Änderung oder eines Widerrufs unverzüglich alle Personen, denen beglaubigte Abschriften ausgestellt wurden, über die Änderung bzw. den Widerruf zu unterrichten (vgl. Art.  71 Abs.  3 EuErbVO). Die EuErbVO sieht folglich eine Einziehung der beglaubigten Abschriften nicht ausdrücklich vor.323 Vor diesem Hintergrund wird eine Einziehungspflicht der Ausstellungsbehörde wohl überwiegend verneint.324 Zweck der Unterrich315 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  31. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  38. 317 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  38. 318 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  37. 319 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  37. 320  Vgl. oben Kapitel  2 A. III. 2. b). 321  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (389). 322  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (389). 323 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  42. 324  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz EuErbVO, Art.  71 Rn.  9; Buschbaum/ 316 BeckOGK/J.

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tungspflicht des Art.  71 Abs.  3 EuErbVO ist jedoch gerade, eine missbräuchliche Verwendung der beglaubigten Abschriften zu verhindern (vgl. ErwG 72 S.  5 EuErbVO). Erfolgte keine Einziehung der beglaubigten Abschriften würde eine solche missbräuchliche Verwendung gerade nicht effektiv verhindert.325 Zwar würden die von der Änderung oder dem Widerruf unterrichteten Personen sich bei weiterer Verwendung der beglaubigten Abschriften zwar gegebenenfalls schadensersatzpflichtig und/oder sogar strafbar machen; bis zum Ablauf des Gültigkeitsdatums der beglaubigten Abschrift würde diese jedoch weiterhin Gutglaubenswirkungen entfalten.326 Vor dem Hintergrund der Ratio des Art.  71 Abs.  3 EuErbVO und des allgemeinen Gebots des effet utile des Unionsrechts ist die Ausstellungsbehörde folglich – über den Wortlaut des Art.  71 Abs.  3 EuErbVO hinaus – als verpflichtet anzusehen, die betroffenen Personen nicht nur zu unterrichten, sondern die beglaubigten Abschriften auch einzuziehen.327 Als Annex müsste die Ausstellungsbehörde aufgrund des effet utile verpflichtet sein, den betroffenen Personen Zug um Zug gegen Rückgabe der unrichtigen beglaubigten Abschriften eine entsprechende Anzahl geänderter Abschriften auszustellen.328 In der Schwebezeit, d. h. bis zur Einziehung der beglaubigten Abschriften des ENZ, darf der Rechtsverkehr auf die beglaubigten Abschriften eines unrichtigen ENZ vertrauen, da die EuErbVO davon ausgeht, dass die beglaubigten Abschriften eines ENZ während ihrer jeweiligen Gültigkeitsdauer grundsätzlich weiterhin die Wirkungen nach Art.  69 EuErbVO entfalten.329 Dies geht freilich zu Lasten des wahren Berechtigten, der auf Ausgleichsansprüche gegen den Inhaber einer beglaubigten Abschrift eines zwischenzeitlich geänderten oder widerrufenen ENZ, der diese inhaltlich unrichtigen Abschriften missbräuchlich verwendet, verwiesen wird.330 Selbst wenn eine Einziehungspflicht auf unionsrechtlicher Ebene verneint wird, dürfte es den Mitgliedstaaten jedoch freistehen, eine EinziehungsSimon ZEV 2012, 525 (526); Döbereiner NJW 2015, 2449 (2451); Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 315; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  71 Rn.  7; S. D. J. Schmitz RNotZ 2017, 269 (288), Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (410); Bonomi/Wautelet/Wautelet ­EuErbVO, Art.  71 Nr.  13. 325 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  42. 326 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  42; J. Schmidt ZEV 2014, 389 (394). 327 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  42; J. Schmidt ZEV 2014, 389 (394); Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  71 Rn.  21. 328 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  44. 329 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  38, Rn.  42; J. Schmidt ZEV 2014, 389 (394); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (402, 408). 330 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  42.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

pflicht – und damit die Wahrung des effet utile des ENZ – auf mitgliedstaatlicher Ebene vorzusehen.331 Abschließend kann diese Problematik freilich nur durch den EuGH geklärt werden.332 Eine Einziehungspflicht auf mitgliedstaatlicher Ebene wäre, sofern der EuGH eine solche im Wege der Rechtsfortbildung annimmt, dann freilich nur noch deklaratorischer Natur.333 Der deutsche Gesetzgeber hat sich im IntErbRVG jedoch bewusst gegen die Regelung einer Einziehungspflicht entschieden.334 Die französische Durchführungsgesetzgebung sieht, betreffend die beglaubigten Abschriften eines ENZ, eine Einziehungspflicht des ausstellenden französischen Notars ebenfalls nicht vor: Art.  1381-2 Abs.  2 CPC335 bestimmt zunächst, dass im Falle einer Änderung des ENZ der Notar alle Personen, denen beglaubigte Abschriften des ENZ ausgestellt wurden, über die Änderung unterrichtet. Anders als nach Art.  71 Abs.  3 EuErbVO besteht nach dieser Bestimmung des französischen Verfahrensrechts ferner die Möglichkeit, dass anstelle der Unterrichtung die Ausstellung einer berichtigten Abschrift des berichtigten oder geänderten ENZ möglich ist („une copie certifiée conforme du certificat (…) modifié est remise ou notifiée à toutes les personnes qui se sont vues délivrer une copie du certificat initial“). Eine Einziehungspflicht kann indes wohl nicht angenommen werden. So sieht das französische Verfahrensrecht auch für einen unrichtigen acte de notoriété kein Einziehungsverfahren vor; es kann lediglich ein neuer acte de notoriété richtigen Inhalts ausgestellt werden.336 Im Falle des Widerrufs des ENZ findet Art.  71 Abs.  3 EuErbVO seine Entsprechung in Art.  1381-3 Abs.  2 CPC337.

331 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  43. zum Auslegungsmonopol des EuGH für das Unionsrecht vgl. Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, Art.  267 AEUV Rn.  6. 333 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  43. 334  Vgl. BegrRegE IntErbRVG, BR-Drs. 644/14, 59; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  43, 43.1. 335  Art.  1381-2 Abs.  2 CPC lautet: „En cas de rectification d’erreur matérielle ou de modification d’un certificat successoral européen, une copie certifiée conforme du certificat rectifié ou modifié est remise ou notifiée à toutes les personnes qui se sont vues délivrer une copie du certificat initial“. 336  Döbereiner ZEuP 2010, 368 (385); Döbereiner ZEV 2016, 490 (491); Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  217. 337  Art.  1381-3 Abs.  2 CPC lautet: „En cas de retrait du certificat successoral européen, de suspension de ses effets (…) le notaire informe, (…) les personnes qui se sont vues délivrer une copie certifiée conforme du certificat initial“. 332  Allgemein

A. ENZ

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b) Aussetzung der Wirkungen Art.  73 EuErbVO sieht neben der Änderung und dem Widerruf des ENZ gemäß Art.  71 Abs.  2 EuErbVO die Wirkungsaussetzung vor. Die Wirkungen des ENZ können u. a. bis zu dessen Änderung oder Widerruf „auf Verlangen einer Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist“ ausgesetzt werden (vgl. Art.   73 Abs.   1 lit.   a EuErbVO). Die Aussetzung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Ausstellungsbehörde.338 Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die Interessen des Antragsstellers und etwaiger anderer Personen, denen eine beglaubigte Abschrift ausgestellt wurde, an der Verwendung des ENZ einerseits gegen die aus der geltend gemachten Unrichtigkeit des ENZ folgenden Gefahren für denjenigen, der die Wirkungsaussetzung verlangt sowie für den Rechtsverkehr andererseits abzuwägen.339 Während der Aussetzung der Wirkungen dürfen keine weiteren beglaubigten Abschriften ausgestellt werden, die ihrerseits wieder als Rechts­ ­­scheinträger grenzüberschreitend zirkulieren könnten (vgl. Art.  73 Abs.  2 UAbs.  2 EuErbVO).340 Auch hinsichtlich der Aussetzung der Wirkungen des ENZ sieht der Wortlaut der EuErbVO lediglich eine Unterrichtungspflicht über die Tat­ sache sowie den Inhalt von Änderung und Widerruf vor (vgl. Art.  73 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO). Eine Einziehung ist – wie i. R. d. Art.  71 Abs.  3 EuErbVO – hingegen nicht ausdrücklich vorgesehen.341 Entsprechend der gebotenen teleologisch-extensiven Auslegung des Art.  71 Abs.  3 EuErbVO342 erscheint es auch hinsichtlich der Wirkungsaussetzung sachgerecht und geboten, die Ausstellungsbehörden zur Einziehung der beglaubigten Abschriften verpflichtet zu halten.343 c) Zwischenrésumé Die EuErbVO sieht im Falle einer inhaltlichen Unrichtigkeit des ENZ dessen Änderung oder Widerruf vor. Der durch das ENZ – besser, dessen beglaubigte Abschriften – vermittelte konkrete Gutglaubensschutz ist red­ lichen Dritten jedoch auch erst dann zu versagen, wenn der entsprechende Vertrauenstatbestand konkret entfällt. Änderung oder Widerruf eines ENZ vermögen also nicht automatisch auf die bereits ausgestellten beglaubigten 338 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  73 Rn.  17. Schmidt EuErbVO, Art.  73 Rn.  18. 340  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (398). 341 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  73 Rn.  26. 342  Vgl. oben Kapitel  2 A. III. 4. a) bb). 343 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  73 Rn.  26. 339 BeckOGK/J.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Abschriften durchzuschlagen. Indes ist aufgrund des Gebots der Wahrung des effet utile des Unionsrechts über den Wortlaut des Art.  71 Abs.  3 Eu­ ErbVO hinaus nicht nur eine Unterrichtungspflicht der Ausstellungsbehörde, sondern vielmehr auch eine Einziehungspflicht betreffend die beglaubigten Abschriften des geänderten oder widerrufenen ENZ anzunehmen. Entsprechendes muss auch für die Wirkungsaussetzung nach Art.  73 EuErbVO gelten. 5. Absolute oder relative Wirkung des ENZ Der EuGH hat in der Rs.  Succession de VJ344 auf Vorlage des österreichischen OGH345 entschieden, dass dem ENZ absolute Wirkung zuzusprechen sei.346 Denn Art.  65 Abs.  1, 63 EuErbVO sei in Verbindung mit Art.  69 Abs.  3 EuErbVO dahin auszulegen, dass die Wirkungen des ENZ zugunsten sämtlicher Personen eintreten, die im ENZ als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter namentlich aufgeführt sind.347 Der EuGH merkt zunächst unter Verweis auf seine in der Rs. Mahn­ kopf348 getroffenen Feststellungen an, dass Art.  63 Abs.  1 und Abs.  2 lit.  a EuErbVO den Kreis der zur Verwendung eines ENZ Berechtigten definiere und das ENZ nach Art.  65 Abs.  1 auf Antrag jeder dieser in Art.  63 Abs.  1 EuErbVO genannten Personen ausgestellt werde.349 In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass dieser Antrag auf Ausstellung eines ENZ nach Art.  65 Abs.  3 lit.  e EuErbVO Angaben zu sonstigen möglichen Berechtigten neben dem Antragsteller enthalten müsse, was nach Art.  68 lit.  g EuErbVO ins ENZ aufzunehmen sei.350 Hinsichtlich Art.  69 Abs.  3 EuErbVO stellt der EuGH fest, dass sich die Wirkungen des ENZ gegenüber einer Person i. S. d. Vorschrift entfalten können, ohne dass Art.  69 Abs.  3 EuErbVO klarstellt, ob dieser Person die Eigenschaft eines Antragstellers zukommen muss.351 Die beglaubigten Ab344 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ. v. 27.5.2020, 8 Ob 40/19v, ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00040.19V.05 27.000. 346  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  45; so bereits vor der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Succession de VJ bereits BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  69. 347  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  45; so bereits vor der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Succession de VJ bereits BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  69. 348  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf. 349  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  39 f. 350  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  40. 351  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  41. 345  OGH

A. ENZ

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schriften als maßgebliche Rechtsscheinsträger im Rechtsverkehr im Blick, verweist der EuGH ganz ausdrücklich auf den Wortlaut des Art.  70 Abs.  1 EuErbVO.352 Eine relative Wirkung des ENZ ausschließlich zugunsten des ursprünglichen Antragsstellers widerspräche dem Wortlaut dieser Bestimmung. So stelle nach Art.  70 Abs.  1 EuErbVO die Ausstellungsstelle, die die Urschrift des ENZ aufbewahrt, unabhängig davon, wer den Antrag gestellt hat, neben dem Antragsteller auch jeder anderen Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, eine oder mehrere beglaubigte Abschriften aus.353 Im Wesentlichen hieraus und im Übrigen unter Verweis auf die einer relativen Wirkung inhärenten unnötigen Kosten, die dem Verordnungsziel einer ­zügigen, unkomplizierten und grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung zuwiderliefen, schließt der EuGH auf eine absolute Wirkung des ENZ.354 Eine solche Auslegung der Vorschriften der EuErbVO, zugunsten einer absoluten Wirkung des ENZ, ist nur konsequent: Zunächst schließt der Wortlaut des Art.  69 EuErbVO eine Auslegung dahingehend, dass das ENZ die in Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO bestimmten Wirkungen absolut entfaltet, keineswegs aus. Nach Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO wird vermutet, dass das ENZ „die Sachverhalte […] zutreffend ausweist“. Nach Art.  69 Abs.  2 S.  2 EuErbVO, der lex specialis zu S.  1 ist,355 „wird vermutet, dass die Person, die im Zeugnis als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter genannt ist, die in dem [ENZ] genannte Rechtsstellung und/oder die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat und dass diese Rechte oder Befugnisse keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen.“ Anders als die französische („Le certificat est présumé attester fidèlement l’existence d’éléments […]“ oder die englische Sprachfassung („The Certificate shall be presumed to accurately demonstrate elements […]”) verwendet die deutsche lex generalis des Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO zwar den Begriff „Sachverhalte“ anstelle von „Elemente“. Die Richtigkeitsvermutung des Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO erfasst jedoch sowohl nach der deutschen als auch nach der französischen und englischen Sprachfassung alle im ENZ festgestellten Tatsachen und Rechtsverhältnisse.356 Der Wortlaut des Art.  69 Abs.  2 S.  1 EuErbVO nimmt folglich ganz

352 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  42. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  42. 354  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  42 ff. 355 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  16. 356 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  9; So auch zur deutschen Sprachfassung OLG München ZEV 2020, 233 Rn.  37. 353 

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

allgemein auf die im ENZ enthaltenen Angaben Bezug.357 Noch deutlicher erfolgt dies im Rahmen der in Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO gere­ gelten Gutglaubenswirkung des ENZ. Die in Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 ­Eu­ErbVO bestimmten Wirkungen sind gerade nicht akzessorisch zur Richtigkeitsvermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO.358 Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO knüpfen gleichsam an die im ENZ „enthaltenen Angaben“ (frz. „informations certifiées“; engl. „information certified“) an. Sie differenzieren gerade nicht zwischen den Angaben des ENZ zum Antragssteller und zu den sonstigen Berechtigten. Der Wortlaut des Art.  69 EuErbVO beschränkt folglich die Wirkungen des ENZ nicht ausschließlich zugunsten des Antragsstellers.359 Überwiegend wird zwar angenommen, der jeweilige Antragsberechtigte könne stets nur ein ENZ beantragen, das die eigene Rechtsstellung bescheinigt.360 Ausnahmen bestünden zugunsten von Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern, die ein ENZ beantragen können, das eine Position als Erbe oder Vermächtnisnehmer bescheinigt, soweit Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ein solches zur Durchführung ihres Amts benötigen.361 Indes hat bereits der OGH in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass Art.  70 Abs.  1 EuErbVO davon ausgeht, auch andere Personen als der oder die Antragsteller könnten ein berechtigtes Interesse an der Ausstellung einer beglaubigten Abschrift des ENZ haben.362 Der Europäische Verordnungsgeber geht zudem nicht nur in Art.  70 ­EuErbVO davon aus, dass es einen Antragsteller und mehrere Berechtigte geben kann.363 So hat der Antrag auf Ausstellung eines ENZ neben Angaben zum Antragsteller auch Angaben zu sonstigen möglichen Berechtigten zu enthalten (vgl. Art.  65 Abs.  3 lit.  e EuErbVO). Wer in einer Erbsache Berechtigter ist, richtet sich nach dem Erbstatut.364 In den meisten Rechtsordnungen sind Erben, Vermächtnisnehmer sowie Pflichtteilsberechtigte von diesem Begriff erfasst (vgl. ErwG 47 S.  2 EuErbVO). Erforderlich ist zu jedem möglichen Berechtigten insbesondere die Angabe des Namens sowie, 357 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  65. MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  16; Art.  69 Rn.  31. 359 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  65. 360 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  65 Rn.  6. 361 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  65 Rn.  6. 362  OGH v. 27.5.2020, 8 Ob 40/19v, ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00040.19V.05 27.000, der jedoch – anders als nun der EuGH – davon ausgeht, dass dieser Umstand die Frage, ob sich diese anderen Personen mit berechtigtem Interesse auch auf die Wirkungen i. S. d. Art.  69 Abs.  3 EuErbVO berufen können, nicht eindeutig zu beantworten vermag. 363 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  66. 364 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  23 Rn.  11; Art.  65 Rn.  20. 358 

A. ENZ

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ob es sich um eine mögliche Berechtigung kraft gewillkürter oder gesetz­ licher Erbfolge handelt.365 Einen Widerhall findet das Erfordernis der An­ gaben zu sonstigen Berechtigten einerseits im Formblatt  IV Ziff.  7 und Formblatt  IV Anlage  V Ziff.  1.8., andererseits in Art.  68 lit.  g EuErbVO. Die Ausstellungsbehörde hat nach Art.  68 lit.  g EuErbVO Angaben zu den tatsächlichen sonstigen Berechtigen im ENZ zu machen. Im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Ausstellung des ENZ hat die Ausstellungsbehörde in diesem Zusammenhang die tatsächlich Berechtigten festzustellen.366 So hat die Ausstellungsbehörde die Richtigkeit der Angaben zu prüfen, muss sie sich doch davon überzeugen, dass der Antragsteller tatsächlich so berechtigt ist, wie durch das ENZ ausgewiesen werden soll (vgl. Art.  66 Abs.  1 S.  1 ­EuErbVO).367 Im Rahmen der Durchführung der Prüfung kann die Ausstellungsbehörde sogar, soweit die lex fori dies vorsieht oder zulässt, erforder­ liche Nachforschungen von Amts wegen selbst durchführen oder/und den Antragssteller auffordern, weitere Nachweise beizubringen, die sie für erforderlich erachtet.368 Zudem ist die Ausstellungsbehörde verpflichtet, die sonstigen Berechtigten zu unterrichten und diesen gegebenenfalls recht­ liches Gehör zu gewähren (vgl. Art.  66 Abs.  4 S.  1 und S.  2 EuErbVO). Schließlich verpflichtet Art.  67 Abs.  2 EuErbVO die Ausstellungsbehörde, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Berechtigten von der Ausstellung eines ENZ zu unterrichten.369 Den Berechtigten wird hiermit in erster Linie die Möglichkeit eröffnet, gegebenenfalls einen Rechtsbehelf nach Art.  72 EuErbVO einzulegen.370 Der Fokus auf die sonstigen Berechtigten während und nach dem Verfahren zur Ausstellung eines ENZ spricht für die Annahme einer absoluten Wirkung des ENZ.371 Ganz wesentlich gegen die Annahme einer lediglich relativen Wirkung des ENZ spricht zuletzt der effet utile des ENZ.372 Die praktische Wirksamkeit des ENZ würde eingeschränkt, wenn sich allein der jeweilige Antragsteller auf die Wirkungen des ENZ berufen könnte.373 So verfolgt der europäische Verordnungsgeber mit dem ENZ doch gerade die Intention, allen erbrechtlich Berechtigten zu ermöglichen, ihre Stellung und/oder ihre Rech365 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  65 Rn.  20 ff. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  21. 367 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  66 Rn.  6. 368 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  66 Rn.  8 f. 369 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  20. 370 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  20. 371 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  66. 372 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  67. 373 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  67. 366 BeckOGK/J.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

te und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat einfach nachzuweisen und damit eine zügige, unkomplizierte und effiziente grenzüberschreitende Nachlassabwicklung zu ermöglichen.374 Wurde etwa auf Antrag eines Miterben bereits ein ENZ ausgestellt, das alle Miterben mit deren jeweiligen Erbquoten ausweist, überzeugt es vor dem Hintergrund des Bestrebens der EuErbVO nach einer effizienten Abwicklung von Erbsachen mit grenz­ überschreitendem Bezug nicht, von den anderen Miterben zu verlangen, das Ausstellungsverfahren auch selbst zu durchlaufen, um im Ergebnis ein inhaltlich identisches ENZ zu erhalten.375

B. Deutsche Nachlasszeugnisse Die Erbenlegitimation erfolgt im deutschen Recht im Wesentlichen durch den Erbschein. Die materiell-rechtlichen Wirkungen des Erbscheins sowie die verfahrensrechtlichen Grundlagen des Antragserfordernisses und der sach­lichen Zuständigkeit sind in den §§  2353 bis 2370 BGB geregelt.376 Seit der Änderung durch das Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Ände­rung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 29.6.2015377 finden sich die Vorschriften über den Verfahrensablauf, die Voraussetzungen der Erbscheinserteilung sowie Regelungen betreffend die Einziehung eines unrichtigen Erbscheins insbesondere in den §§  352 bis 355 FamFG.378 Neben den Erbschein tritt als Legitimationsnachweis des deutschen Rechts das Testamentsvollstreckerzeugnis nach §  2368 BGB.379

I. Erbschein 1. Ausstellungsverfahren und Inhalt Für die Ausstellung eines Erbscheins ist das Amtsgericht als Nachlassgericht sachlich ausschließlich zuständig (vgl. §  2353 BGB i. V. m. §  23a Abs.  1 Nr.  2, Abs.  2 Nr.  2 GVG). Funktional zuständig ist grundsätzlich der Rechtspfleger (vgl. §  3 Nr.  2 lit.  c RPflG). Liegt jedoch eine Verfügung von Todes we374 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  67. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  67 f. 376 MüKoBGB/Grziwotz BGB, Vor §  2353 Rn.  8. 377  BGBl. 2015 I 1042. 378 MüKoBGB/Grziwotz BGB, Vor §  2353 Rn.  8. 379 MüKoBGB/Grziwotz BGB, Vor §  2353 Rn.  8. 375 BeckOGK/J.

B. Deutsche Nachlasszeugnisse

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gen vor oder kommt die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht, ist gemäß §  16 Abs.  2 RPflG der Richter funktional zuständig. Dieser kann die Erteilung aber dem Rechtspfleger übertragen, wenn trotz Vorliegens einer Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge maßgeblich ist und deutsches Erbrecht anzuwenden ist (vgl. §  16 Abs.  3 S.  1 RPflG). Die ört­ liche Zuständigkeit richtet sich nach §  343 FamFG. Diese Vorschrift stellt einen Gleichlauf der Entscheidungszuständigkeit im deutschen Erbscheinsverfahren und im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ her.380 Die Ausstellung des Erbscheins erfolgt in einem Verfahren der freiwilligen Gerichts­ barkeit auf Antrag der Erben (vgl. §  2353 BGB und §  352 FamFG). Durch die Stellung eines Erbscheinsantrags erklärt der Erbe schlüssig die Annahme der Erbschaft i. S. d. §  1943 BGB.381 Die Ausstellung eines Erbscheins erfolgt bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Erteilung im deutschen Erbscheinsverfahren stets zweiaktig.382 Zunächst entscheidet das Nachlassgericht über den Antrag der Erben durch Beschluss, dass die zur Ausstellung erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden (vgl. §  352e Abs.  1 S.  2 FamFG). Anschließend erteilt das Nachlassgericht den Erbschein in Vollzug dieses Feststellungsbeschlusses.383 Anders als im deutschen Erbscheinsverfahren ist bei einer Ausstellung eines ENZ in Deutschland kein gesonderter Feststellungsbeschluss erforderlich (vgl. §  39 Abs.  1 S.  1, Abs.  2 IntErbRVG);384 das Nachlassgericht entscheidet unmittelbar durch Ausstellung des ENZ und verwendet zwingend das Formblatt  V (Anhang 5) der Durchführungsverordnung (EU) Nr.  1329/­ 2014385.386 Anders als im Rahmen der Ausstellung eines ENZ, bei dem gemäß Art.  70 Abs.  1 EuErbVO die Urschrift stets bei den Akten der Ausstellungsbehörde verbleibt und lediglich beglaubigte Abschriften herausgegeben werden, kann der Erbschein als solcher in einer oder mehreren Urschriften angefertigt und herausgegeben werden oder das Nachlassgericht kann die Urschrift 380 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  64 Rn.  12. Stürner BGB, §  1943 Rn.  2. 382 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  16.1. 383 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  16.1. 384 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  16.1. 385  Durchführungsverordnung (EU) Nr.  1329/2014 der Kommission vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europä­ ischen Nachlasszeugnisses, ABlEU v. 16.12.2014, L 359/30. 386 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  16.1. 381 Jauernig/R.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

des Erbscheins in den Nachlassakten belassen und Ausfertigungen erteilen.387 Der Erbschein ist eine gutachterliche Bescheinigung388 des Nachlassgerichts über das subjektive Erbrecht und welche unmittelbaren Beschränkungen dem Erbrecht anhaften.389 Er enthält Aussagen zur Erbfolge und bezeichnet den Erben und die Größe des Erbteils.390 Unmittelbare Beschränkungen des Erbrechts, wie etwa die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft oder die der Testamentsvollstreckung, sind im Erbschein anzugeben.391 Hingegen weist der Erbschein schuldrechtliche Rechtsverhältnisse, wie etwa die Beschwerung durch ein Vermächtnis nicht aus.392 Gleichermaßen werden schuldrechtliche Ansprüche aus Pflichtteilen nicht durch den Erbschein ausgewiesen.393 Zuletzt trifft der Erbschein auch keine Aussage über die Zugehörigkeit eines bestimmten Gegenstandes zum Nachlass.394 2. Vermutungs-, Legitimations- und Gutglaubenswirkung Die Richtigkeit des Erbscheins deutschen Rechts wird gemäß §  2365 BGB sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht vermutet.395 §  2365 BGB bestimmt eine positive Vermutung dahin, dass demjenigen, den der Erbschein als Erbe bezeichnet, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht im angegebenen Umfang zusteht. Bezugspunkt der positiven Richtigkeitsvermutung ist folglich das bezeugte Erbrecht, insoweit, dass dem im Erbschein angegebenen Erben das bezeugte Erbrecht zusteht; es wird gerade nicht vermutet, dass der Besitzer des Erbscheins auch tatsächlich Erbe ist.396 Zugleich wird negativ vermutet, dass derjenige, den der Erbschein als Erbe bezeichnet, keinen anderen als den im Erbschein angegebenen Beschränkungen unterliegt. Bezugspunkt der negativen Richtigkeitsvermutung sind demnach die Verfügungsbeschränkungen.397 Indes wird auch hier 387  Zum Vollzug des Feststellungsbeschlusses beim deutschen Erbschein vgl. MüKoFamFG/Grziwotz FamFG, §  352e Rn.  50. 388 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2353 Rn.  5. 389 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2353 Rn.  23 ff.; Rn.  35. 390 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2353 Rn.  24. 391 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2353 Rn.  35 f. 392 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2353 Rn.  23. 393 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2353 Rn.  23. 394 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2353 Rn.  42. 395 Palandt/Weidlich BGB, §  2365 Rn.  1. 396 Palandt/Weidlich BGB, §  2365 Rn.  1. 397 Palandt/Weidlich BGB, §  2365 Rn.  1.

B. Deutsche Nachlasszeugnisse

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gerade nicht vermutet, dass angegebene Beschränkungen auch tatsächlich bestehen.398 Anders als das ENZ entfaltet der deutsche Erbschein keine Tatsachen­ vermutungswirkung,399 die Vermutungswirkung des §  2365 BGB erfasst die dem Erbschein zugrunde liegenden Tatsachen (etwa Echtheit, Gültigkeit oder Inhalt einer vom Nachlassgericht zugrunde gelegten Verfügung von Todes wegen) nicht.400 Relevanz entfaltet die Vermutung des §  2365 einerseits im Zivilprozess. Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach §  2365 BGB führt zu einer Beweislastumkehr analog §  292 ZPO für den Erbscheinserben.401 Der Erbscheinserbe hat nur die Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutung zu beweisen, wenn er gegenüber Dritten sein Erbrecht oder das Fehlen von Beschränkungen geltend macht.402 Die Richtigkeitsvermutung ist mit allen Beweismitteln widerleglich;403 sie bleibt bestehen, bis der volle Beweis des Gegenteils erbracht ist (vgl. §  292 ZPO analog). Indes gilt die Richtigkeitsvermutung beim Erbrechtsstreit nach überwiegender Auffassung nicht;404 es gelten die allgemeinen Beweislastregelungen.405 Die Vermutungswirkung des §  2365 BGB wird andererseits relevant im Rahmen des Nachweises der Erbenstellung gegenüber nationalen Registern.406 Im autonomen deutschen Recht stellt der Erbschein grundsätzlich erforderliche und ausreichende Möglichkeit des Erben zum Nachweis seines Erbrechts im Grundbuchverfahren dar (vgl. §  35 Abs.  1 S.  1 GBO).407 Dem Grundbuchamt kommt im Grundbuchverfahren lediglich ein formelles Prüfungsrecht zu;408 das materielle Prüfungsrecht, m. a. W. die Überprüfung der Richtigkeit des Erbscheins und Feststellung des Erbrechts, steht allein dem Nachlassgericht zu.409 Etwas anderes gilt nur insoweit, als nachträglich neue, 398 Palandt/Weidlich

BGB, §  2365 Rn.  1. EuErbVO, Art.  69 Rn.  9. 400 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2365 Rn.  17. 401 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2365 Rn.  17; Palandt/Weidlich BGB, §  2365 Rn.  2. 402 Palandt/Weidlich BGB, §  2365 Rn.  2. 403 Palandt/Weidlich BGB, §  2365 Rn.  2. 404  BVerfG NJW-RR 2005, 1699; Burandt/Rojahn/Gierl BGB, §  2365 Rn.  13 f.; MüKo­ BGB/Grziwotz BGB, §  2365 Rn.  23; Staudinger/Herzog BGB, 2016, §  2365 Rn.  49 f. m. w. N.; BeckOK/Siegmann/Höger BGB, §  2365 Rn.  12; Palandt/Weidlich BGB, §  2365 Rn.  3; a. A.: Muscheler Jura 2009, 731 (734 ff.). 405 Palandt/Weidlich BGB, §  2365 Rn.  3. 406 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2365 Rn.  24 ff., Rn.  28. 407 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2365 Rn.  24. 408 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2365 Rn.  25. 409  BayObLG DNotZ 1998, 138; OLG München RNotZ 2016, 185; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2018, 37074; BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  51. 399 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

vom Nachlassgericht nicht berücksichtigte Tatsachen bekannt werden.410 Indes ist das Grundbuchamt lediglich gehalten, beim Nachlass­gericht eine Überprüfung des Erbscheins anzuregen.411 Wurde der Erbschein zwischenzeitlich weder eingezogen noch für kraftlos erklärt und hält er der formellen Prüfung stand, ist das Grundbuchamt verpflichtet, die Eintragung vorzunehmen.412 Dies gilt gleichermaßen hinsichtlich des Handelsregisters.413 §  2366 BGB bestimmt sodann den öffentlichen Glauben des Erbscheins. Die Bestimmung ermöglicht einen gutgläubigen Erwerb vom nichtberechtigten Erbscheinserben.414 §  2367 BGB erweitert den öffentlichen Glauben des §  2366 BGB u. a. auf Leistungen an den Erbscheinserben.415 §  2366 BGB knüpft an die Reichweite der Vermutung des §  2365 BGB an (vgl. §  2366 BGB [„soweit die Vermutung des §  2365 BGB reicht“]). Die Gutglaubenswirkungen nach §§  2366, 2367 BGB sind folglich akzessorisch zur Vermutungswirkung des §  2365 BGB.416 Der Gutglaubensschutz betrifft allein das Bestehen des Erbrechts und die Freiheit von nicht im Erbschein angegebenen Beschränkungen,417 entfaltet der Erbschein seine Wirkungen doch nur hinsichtlich der dort ausgewiesenen Rechtsstellung.418 Der Erbschein bietet einem gutgläubigen Erwerber folglich nur Gewähr für das Erbrecht des Erbscheinserben.419 Der gutgläubige Erwerber wird so gestellt, als hätte er vom wirklichen Erben erworben.420 Grundlage des Gutglaubensschutzes des Erbscheins ist nicht das individuelle Vertrauen des Erwerbers, sondern der öffentliche Glaube.421 Der Erbschein entfaltet mithin abstrakten Gutglaubensschutz – er muss weder vorgelegt oder erwähnt werden, noch dem Dritten überhaupt bekannt sein.422 Gemäß §  2366 BGB schadet allein positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins; ein bloßes Kennenmüssen schadet hingegen nicht.423 Die 410 

OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2018, 37074; BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  60. OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2018, 37074; BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  60. 412  OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2018, 37074; BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  60. 413 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2365 Rn.  28. 414 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2366 Rn.  1. 415 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2366 Rn.  1. 416 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2366 Rn.  2; Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  4. 417 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §   2366 Rn.  2; Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  4, §  2365 Rn.  1. 418 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2366 Rn.  4. 419 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2366 Rn.  2; Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  4. 420 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2366 Rn.  2. 421 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2366 Rn.  2 m. w. N. 422 Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  1. 423 Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  1. 411 

B. Deutsche Nachlasszeugnisse

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Wirkung des Gutglaubensschutzes des Erbscheins unterscheidet sich folglich insoweit von der des ENZ, als allein positive Kenntnis von der Un­ richtigkeit des Erbscheins schadet, während nach Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO der Gutglaubensschutz bereits bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit entfällt.424 Ausweislich des Gesetzeswortlauts greift der Gutglaubensschutz beim rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Erbschaftsgegenstandes, beim rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Rechts an einem Erbschaftsgegenstand sowie bei der Befreiung von einem zur Erbschaft gehörenden Recht (vgl. §  2366 BGB). Nach §  2366 BGB wird die Gutgläubigkeit vergleichbar zu Art.  69 Abs.  3 Hs.  2 und Abs.  4 Hs.  2 EuErbVO vermutet.425 Ebenso wie im Rahmen des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO ist maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen öffentlichen Glaubens beim Erbschein die Vollendung des relevanten Verfügungsgeschäfts.426 Die §§  2366 f. BGB schützen nicht den öffentlichen Glauben daran, dass ein Gegenstand zur Erbschaft gehört.427 Ein Rückgriff auf die sachenrecht­ lichen Gutglaubensvorschriften der §§  932 ff. BGB respektive §  892 BGB kann folglich erforderlich sein.428 Öffentlichen Glauben genießt nur ein formell gültiger Erbschein der in Kraft ist, selbst wenn er durch ein unzuständiges Gericht ausgestellt wurde.429 Der Ausfertigung des Feststellungsbeschlusses genießt hingegen keinen öffentlichen Glauben.430 3. Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen Erbscheins Aufgrund der weitreichenden Wirkungen des Erbscheins bedarf es – zum Schutz des wirklichen Erben – Mechanismen, um unrichtige Erbscheine aus dem Umlauf zu bringen.431 Der deutsche Gesetzgeber hat solche Mechanismen in §  2361 BGB sowie §  353 Abs.  1 S.  1 FamFG etabliert. Das Nachlassgericht hat gemäß §  2361 S.  1 BGB einen unrichtigen Erbschein von Amts wegen einzuziehen. Der Erbschein wird mit der Einziehung kraftlos (vgl. §  2361 S.  2 BGB). Die Einziehung wird durch Beschluss angeordnet;432 sie vollzieht sich durch die Ablieferung der Urschrift sowie sämtlicher Ausfer-

424 

Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (389). Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (399). 426 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2366 Rn.  3; Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  1. 427 Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  1. 428 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2366 Rn.  3. 429 Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  1. 430 Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  1. 431 Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  1. 432 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  38. 425 

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

tigungen des Erbscheins.433 Für Situationen, in denen der Erbschein im Einziehungsverfahren nicht sofort erlangt werden kann, sieht §  353 Abs.  1 S.  1 FamFG die Kraftloserklärung des Erbscheins vor. Der Beschluss über die Kraftloserklärung des Erbscheins wird öffentlich bekannt gemacht (vgl. §  353 Abs.  1 S.  2 FamFG). Der wahre Erbe hat gemäß §  2362 Abs.  1 BGB gegen den Inhaber eines unrichtigen Erbscheins einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Heraus­ gabe an das Nachlassgericht.

II. Testamentsvollstreckerzeugnis Der Inhalt des Testamentsvollstreckerzeugnisses ist in §  354 Abs.  2 FamFG geregelt. Für das Ausstellungsverfahren gelten die §§  352 bis 353 FamFG entsprechend (vgl. §  354 Abs.  1 FamFG). Somit erfolgt auch die Ausstellung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Erteilung zweiaktig, sodass das Nachlassgericht zunächst über den Antrag durch Beschluss entscheidet, dass die zur Ausstellung erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden (vgl. §  352e Abs.  1 S.  2 FamFG). Anschließend erteilt das Nachlassgericht das Testamentsvollstreckerzeugnis in Vollzug dieses Feststellungsbeschlusses. Auf das Testamentsvollstreckerzeugnis finden auch die §§  2353 bis 2370 BGB entsprechende Anwendung (vgl. §  2368 S.  2 Hs.  1 BGB). Die Vermutung des §  2365 BGB richtet sich in positiver Hinsicht auf die Bestellung zum Testamentsvollstrecker – in negativer Hinsicht darauf, dass Anordnungen, die im Testamentsvollstreckerzeugnis nicht genannt sind, nicht bestehen.434 Der Gutglaubensschutz des Testamentsvollstreckerzeugnisses erfasst gemäß §§  2368 S.  2 Hs.  1, 2366 f. BGB die Bestellung zum Testamentsvollstrecker sowie die Freiheit von nicht im Testamentsvollstreckerzeugnis angegebenen Anordnungen.435 Geschäfte des im Testamentsvollstreckerzeugnis als Testamentsvollstrecker Ausgewiesenen werden wie Geschäfte eines wirklichen Testamentsvollstreckers behandelt.436 Der gute Glaube daran, dass ein Gegenstand zum Nachlass gehört, wird wiederum nicht geschützt.437 Ein Rückgriff auf die allgemeinen sachenrechtlichen Gutglaubensvorschriften ist indes möglich.438 Die Vermutung des §  2365 BGB geht dahin, dass der 433 MüKoBGB/Grziwotz

BGB, §  2361 Rn.  40 f. BGB, §  2368 Rn.  1. 435 Palandt/Weidlich BGB, §  2368 Rn.  8. 436 Palandt/Weidlich BGB, §  2368 Rn.  8. 437 Palandt/Weidlich BGB, §  2368 Rn.  8. 438 Palandt/Weidlich BGB, §  2368 Rn.  8. 434 Palandt/Weidlich

C. Französische Nachlasszeugnisse

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im Testamentsvollstreckerzeugnis bezeichnete Testamentsvollstrecker sein Amt rechtsgültig erworben hat und dass ihm das Amt in seinem regelmäßigen Umfang und den damit verbundenen Befugnissen zusteht.439 Der öffentliche Glaube des Testamentsvollstreckerzeugnisses erstreckt sich auch auf Verpflichtungsgeschäfte des im Testamentsvollstreckerzeugnis ausgewiesenen Testamentsvollstreckers.440 Das Testamentsvollstreckerzeugnis wird mit der Beendigung des Amtes des Testamentsvollstreckers oder mit Beendigung der Testamentsvollstreckung als solcher von selbst kraftlos (vgl. §  2368 S.  2 Hs.  2 BGB).441 Vor Amtsbeendigung oder Beendigung der Testamentsvollstreckung als solcher verliert das Testamentsvollstreckerzeugnis seine Wirkungen im Falle seiner Einziehung oder seiner Kraftloserklärung durch das Nachlassgericht.442 Die Regelungen der EuErbVO betreffend das ENZ statuieren keine dem §  2368 S.  2 Hs.  2 BGB vergleichbare Bestimmung.443 Der Gutglaubensschutz des ENZ bezieht sich daher – anders als beim Testamentsvollstreckerzeugnis nach autonomem deutschem Recht – auch auf den Fortbestand des Testamentsvollstreckeramts.444

C. Französische Nachlasszeugnisse I. Acte de notoriété Ausgangspunkt des Nachweises der Erbenstellung in Frankreich ist der Grundsatz der „liberté de la preuve“.445 Der Nachweis der Erbenstellung kann durch sämtliche Beweismittel erfolgen (vgl. Art.  730 Abs.  1 C. civ. [„La preuve de la qualité d’héritier s’établit par tous moyens“]). Der acte de notoriété ist und war bereits vor Einführung der Art.  730-1 ff. C. civ. das in der französischen Rechtspraxis übliche und am häufigsten verwendete Beweis-

439 Palandt/Weidlich

BGB, §  2368 Rn.  8. BGB, §  2368 Rn.  8. 441 Palandt/Weidlich BGB, §  2368 Rn.  10. 442 Palandt/Weidlich BGB, §  2368 Rn.  9. 443  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (385 f.). 444  Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 (528); Dorsel ZErb 2014, 212 (215); Dorsel in Löhnig et al., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, 33 (42 f.); Traut ZVglRWiss 2016, 358 (385 f.). 445 Vgl. J. Casey AJ fam. 2008, 10; V. Égéa in Guinchard et al., Répertoire de procédure civile, Succession, Nr.  82; Y. Ould Aklouche, Qualité d’héritier, Nr.  371; F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  287. 440 Palandt/Weidlich

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mittel zum Nachweis der Erbenstellung.446 Ausstellungsverfahren und Rechtswirkungen des acte de notoriété sind in Art.  730-3 C. civ. und 730-4 C. civ. geregelt.447 Der acte de notoriété ist damit einziges Beweismittel des französischen Rechts, dessen Ausstellungsverfahren und insbesondere dessen Rechtswirkungen gesetzlich geregelt sind.448 1. Ausstellungsverfahren Der außergerichtliche Nachweis der Erbenstellung war in Frankreich lange Zeit gesetzlich nicht geregelt.449 Die notarielle Praxis hat diese Lücke vornehmlich mit dem acte de notoriété geschlossen,450 bis der Nachweis der Erbenstellung mit Gesetz vom 3. Dezember 2001451 in den Art.  730 ff. C. civ. gesetzlich verankert wurde. Neben dem acte de notoriété kann die Erbenstellung im französischen Recht mittels des intitulé d’inventaire, der attestation notariée immobilière, des certificat de propriété oder des Nachweises der Erbenstellung i. S. d. Art.  L. 312-1-4 C.mon.fin. erfolgen, die jeweils einen speziellen Anwendungsbereich haben.452 Gegenstand dieser Untersuchung ist jedoch allein der acte de notoriété.

446  R. de Gourcy in Ancel-Lioger/Calò, Les successions en droit comparé, 183 (194); Pérès/Vernières, Successions, Nr.  130; J. Picard JCP N 22 (2002) 1309 (Nr.  2); S. Piédelièv­ re, Successions et libéralités, Nr.  108. 447  Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  545 ff.; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  111. 448  F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  288; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  108. 449  J. Casey AJ fam. 2008, 10; Pérès/Vernières, Successions, Nr.  130; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  108. 450  J. Casey AJ fam. 2008, 10; F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  287; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  108. 451  Loi n°  2001-1135 du 3 décembre 2001 relative aux droits du conjoint survivant et des enfants adultérins et modernisant diverses dispositions de droit successoral, JORF n°  281 du 4 décembre 2001. 452  R. de Gourcy in Ancel-Lioger/Calò, Les successions en droit comparé, 183 (194); S.  Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  111-1 ff.; C. Schmitz, Annahme, 40 f.; allgemein zur nicht ausschließlichen Natur des acte de notoriété vgl. M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.  44).

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Mit der Einführung der Art.  730-1 bis 730-5 C. civ. hat sich ein Wandel vom gewohnheitsrechtlich anerkennten453 acte de notoriété i. e. S.454 (Offenkundigkeitsurkunde) hin zu einem Ausstellungsverfahren, das – indes le­ diglich begrenzt – Elemente amtswegiger Ermittlung enthält, vollzogen:455 Die Art.  730-1 ff. C. civ. regeln Voraussetzungen und Wirkungen des gesetzlich verankerten acte de notoriété.456 Allerdings erscheinen die Regelungen des C. civ. lediglich auf den ersten – flüchtigen – Blick als unmittelbare Überführung des gewohnheitsrechtlich anerkannten acte de notoriété i. e. S. in ­Gesetzesform.457 Vielmehr hat der französische Gesetzgeber ein neues Beweismittel zum Nachweis der Erbenstellung etabliert,458 das wesentlich vom gewohnheitsrechtlich anerkannten acte de notoriété i. e. S. abweicht.459 Allerdings lassen die Motive des französischen Gesetzgebers eine gewisse Widersprüchlichkeit erkennen:460 Einerseits schien der Gesetzgeber lediglich die Tradition des französischen Notariats in Gesetzesform gießen zu wollen,461 andererseits nahm er selbst Änderungen im Vergleich zum notariellen Gewohnheitsrecht in den Blick.462 Vor diesem Hintergrund ist zum Verständnis der Konzeption des acte de notoriété i. S. d. Art.  730-1 ff. C. civ. eine Gegenüberstellung mit dem traditionellen acte de notoriété i. e. S. unabdingbar. Der Nachweis der Erbenstellung mittels Niederlegung von Zeugenaus­ sagen im acte de notoriété i. e. S. entsprach etablierter notarieller Praktik.463 453 

J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  6; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  108. 454 Vgl. J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  1 f., der bereits terminologisch strikt zwischen dem gewohnheitsrechtlich anerkannten „acte de notoriété stricto sensu“ und dem acte de notoriété „établi en application de l’article 730-1 du code civil sans intervention de déclarants“ differenziert. 455 Vgl. J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  1 f.; Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 130; J.-F. Sagaut JCP N 16 (2011) 1131 (Nr.  5 ff.). 456  Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  542. 457  F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  289. 458  F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  289, 311. 459 Vgl. Y. Ould Aklouche, Qualité d’héritier, Nr.  373; J.-F. Sagaut JCP N 16 (2011) 1131 (Nr.  5 ff.). 460  F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  311. 461 Vgl. F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  311, der den französischen Gesetzgeber unter diesem Gesichtspunkt wie folgt zitiert: „Le project de loi a dont fait le choix d’institutionnaliser, en la perfectionnant, la pratique de l’acte de notoriété qui est actuellement le principal mode de preuve de la qualité d’héritier“. 462 Vgl. F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  311, der den französischen Gesetzgeber unter diesem Gesichtspunkt wie folgt zitiert: „D’importantes modifications ont été apportées au régime de ces actes pour les simplifier et pour accroître leur force probante“. 463  F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  287.

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Dem traditionellen acte de notoriété i. e. S. wurde durch die Rechtsprechung sogar eine besondere Verlässlichkeit bescheinigt und damit eine gewisse Vorrangstellung vor den anderen Beweismitteln eingeräumt.464 Der zuständige Notar beurkundete die Aussage des/der Erbprätendenten und mindestens zweier déclarants (Zeugen, Erklärende), die die Offenkundigkeit der Verwandtschaft des/der Erbprätendenten mit dem Erblasser – mithin das Bestehen des Erbrechts – bestätigten.465 Der Notar nahm in diesem Zusammenhang im Wesentlichen lediglich eine beurkundende Funktion wahr;466 Nachforschungen zur Ermittlung des tatsächlichen Sachverhalts stellte der Notar insoweit nur eingeschränkt an.467 Die Haftungsandrohungen des französischen Rechts gegenüber den ausführenden Notaren und einem ­wissentlich handelnden Verwender eines unrichtigen acte de notoriété i. e. S. sollten einerseits ein ordnungsgemäßes Verfahren, andererseits die Richtigkeit des acte de notoriété i. e. S. sicherstellen.468 Tragender Pfeiler des Beweiswerts des acte de notoriété i. e. S. waren dementsprechend die Erklärungen der Antragssteller und der déclarants sowie die diesen jeweils angedrohte Haftung.469 Dabei stand die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der déclarants im freien Ermessen des Notars.470 Die déclarants sind nicht als témoins instrumentaires (Urkundszeugen) zu qualifizieren und unterfallen damit auch nicht Art.   4 des Dekrets 471 472 Nr.  71-­941 vom 26 November 1971 . Folglich vermochte der acte de ­notoriété i. e. S. gerade kein Vertrauen in ihre sachliche Richtigkeit zu be-

464  Cass. 1re civ., 24.10.1984, n°  83-12.096; Cass. 1re civ., 24.10.1984, n°  83-12.558; Cass 1re civ., 24.10.1984, n°  83-10.933; F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  288. 465  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  1, 43; Y. Ould Aklouche, Qualité d’héritier, Nr.  372; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  110. 466  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 128 f.; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  110. 467  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 128 f.; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  110. 468  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 130; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  110. 469  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 128 f.; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  110. 470  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  12. 471  Décret n°  71-941 du 26 novembre 1971 relatif aux actes établis par les notaires (Version consolidée au 28 février 2020). 472  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  17.

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gründen.473 Gutgläubige Dritte konnten sich insoweit lediglich auf die allgemeinen Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten berufen – der acte de ­notoriété i. e. S. begründete gerade keinen öffentlichen Glauben an die materielle Berechtigung.474 Aus Verkehrsschutzgründen hat die französische Rechtsprechung diese Lücke für entgeltliche Geschäfte über Immobilien auf Grundlage der théorie de l’apparence in Bezug auf den héritier apparent (Scheinerbe) geschlossen.475 Die théorie de l’apparence der französischen Rechtsprechung ist insoweit auf das Prinzip error communis facit ius (der Irrtum, dem jeder hätte unterliegen können, weil objektive Anzeichen darauf hindeuteten, dass die wirkliche Lage der vermeintlichen entsprach, ist in der Lage Recht zu schaffen476) zurückzuführen.477 Unterliegt also ein gutgläubiger Dritter, der ein Rechtsgeschäft mit einem Scheinerben tätigt, einem erreur commune et invincible – also einem Irrtum, den eine Person unter Beachtung der üblichen Sorgfalt nicht hätte vermeiden können478 – über dessen Berechtigung, gilt dieser i. S. d. théorie de l’apparence als héritier apparent und damit als Berechtigter.479 Der Redlichkeitsschutz greift folglich nur unter den kumula­ tiven Voraussetzungen, dass der Dritte gutgläubig ist und einem erreur ­commune et invincible unterliegt.480 Die Gutgläubigkeit wird vermutet, der Irrtum muss hingegen bewiesen werden.481 Allerdings wurde ein erreur commune et invincible regelmäßig angenommen, wenn der Scheinerbe einen acte de notoriété i. e. S. vorlegt, der ihn als Erben ausweist.482 Den Beteiligten standen grundsätzlich keine Rechtsbehelfe zur Verfügung.483 Grundsätzlich wurde der acte de notoriété i. e. S. en minute ausgefertigt,484 d. h. das Original der Urkunde wurde beim Notar verwahrt. 473 

J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  42. 474  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 129. 475  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  157. 476  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  157. 477  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  157. 478  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  157. 479  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  157. 480  Cass. 1re civ., 26.1.1897, Bulletin Arrêts Cour de Cassation Chambre Civile n°  12 p.  19 (Entscheidung abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/juri/id/JURITEXT00 0006952537, zuletzt abgerufen am 24.3.2022); Pérès/Vernières, Successions, Nr.  157. 481  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  157. 482  Cass. 1re civ., 9.1.1996, n°    93-20.460; Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 130. 483  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  12. 484  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété,

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Der in Art.  730-1 ff. C. civ. geregelte acte de notoriété mag nicht zuletzt aufgrund seiner Bezeichnung als gesetzliche Regelung des traditionellen acte de notoriété i. e. S. erscheinen.485 Allerdings wird der Notar im Ausstellungsverfahren nicht mehr ausschließlich beurkundend tätig, sondern ist gehalten, bestimmte amtliche Dokumente oder Auszüge aus standesrechtlichen Registern zu überprüfen und im acte de notoriété auf sie zu verweisen (vgl. Art.  730-1 Abs.  2 C. civ.).486 So muss der acte de notoriété auf die Sterbe­ urkunde des Erblassers Bezug nehmen und etwa Personenstandsurkunden sowie Urkunden, die die Existenz unentgeltlicher Zuwendungen von Todes wegen betreffen und Auswirkungen auf die Erbfolge haben könnten, anführen. Insoweit unterliegt der Notar einer eingeschränkten Prüfungspflicht; er darf und muss den beantragten acte de notoriété nur dann ausstellen, wenn sich die zu bescheinigende Erbberechtigung aus den ihm vorliegenden und einsehbaren Urkunden ergibt und Hinweise, die Zweifel an der vermeint­ lichen Berechtigung hervorrufen könnten, nicht ersichtlich sind.487 Der Notar muss die Ausstellung des acte de notoriété verweigern, wenn sich, etwa durch die Anhörung von Zeugen, begründete Zweifel nicht ausräumen lassen.488 Stellt er den acte de notoriété dennoch aus, macht er sich Dritten gegenüber schadensersatzpflichtig (deliktischer Schadensersatz).489 Unscheinbar anmutendes, doch wesentliches Kernstück der Reform auf Ebene des Ausstellungsverfahrens ist jedoch die Einschränkung der Relevanz der Beurkundung von Aussagen erbfremder déclarants:490 Nach Art.  730-1 Abs.  3 C. civ.491 bedarf es für die Ausstellung eines acte de notoriété ausdrücklich nur einer Erklärung der Antragsteller, während Art.  730-1 Nr.  18. Indes war nach Art.  26 des Dekrets Nr.  71-941 vom 26. November 1971 auch die Ausfertigung en brevet möglich, d. h. die Originalurkunde wurde vom Notar an die Parteien ausgehändigt, vgl. J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  18. 485  M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.  5); F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  289; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  108. 486  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 130  f.; J.-F. Sagaut JCP N 16 (2011) 1131 (Nr.  5 ff.). 487  Cass. 1re civ., 15.12.1999, n°  97-16.041; Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, Int­ ErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  544; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  109. 488  Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  544. 489  Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  544. 490  F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  312; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  110. 491  Art.  730-1 Abs.  3 C. civ. lautet: „Il contient l’affirmation, signée du ou des ayants droit auteurs de la demande, qu’ils ont vocation, seuls ou avec d’autres qu’ils désignent, à recueillir tout ou partie de la succession du défunt“.

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Abs.  4 C. civ.492 die Hinzuziehung weiterer Personen ermöglicht, sofern deren Vorbringen nützlich erscheint. Die Beurkundung der Zeugenaussagen ist mithin nicht mehr notwendig, sondern lediglich fakultativ.493 Dies wurde in der französischen Literatur teils scharf kritisiert.494 Insbesondere rechtfertige die Konzeption der Regelungen des C. civ. die Beibehaltung des ­Begriffs „acte de notoriété“ nicht, sei dieser doch eng mit der notoriété ­publique (Offenkundigkeit) verknüpft.495 Die Art.  730-1 ff. C. civ. rücken jedoch den oder die Erbprätendenten selbst und nicht die Offenkundigkeit in den Vordergrund.496 Ausschließlich497 zuständig für die Ausstellung eines acte de notoriété sind die französischen Notare auf Antrag eines oder mehreren Berechtigten (vgl. Art.  730-1 Abs.  1 C. civ.). Der acte de notoriété wird, auch wenn er ­lediglich eine présomption simple begründet, dennoch en forme des actes ­authentiques en minute ausgestellt.498 Die Ausstellung en minute ist gerade aufgrund der Funktion des acte de notoriété als Nachweis einer erbrecht­ lichen Stellung erforderlich.499 Die Urschrift des acte de notoriété wird vom ausstellenden Notar verwahrt.500 2. Inhalt Hinsichtlich des Inhalts eines acte de notoriété ist zwischen obligatorischen und fakultativen Angaben zu unterscheiden:501 Der acte de notoriété muss 492  Art.  730-1 Abs.  4 C. civ. lautet: „Toute personne dont les dires paraîtraient utiles peut être appelée à l’acte“. 493  M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.   30); J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  59; F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  312; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  110; J.-F. Sagaut JCP N 16 (2011) 1131 (Nr.  15). 494  F. Ferran, Notaire et succession, Nr.   289; Y. Ould Aklouche, Qualité d’héritier, Nr.  373. 495  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  40; Y. Ould Aklouche, Qualité d’héritier, Nr.  373. 496  F. Ferran, Notaire et succession, Nr.   313; Y. Ould Aklouche, Qualité d’héritier, Nr.  373. 497  J. Casey AJ fam. 2008, 10; J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  59; F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  312; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  109. 498  C. Brenner in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 299 (309 Nr.  12). 499  C. Brenner in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 299 (309 Nr.  12, dort Fn.  46). 500  Allgemein zur Verwahrung der Originale der ausgestellten Urkunden als Charakteristikum des Notariats lateinischer Tradition: Foukal, FS Bittner 2018, 151 (156). 501  M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.  20 ff., Nr.  25 ff.); S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  109 f.

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sich auf die Sterbeurkunde des Erblassers beziehen und die Nachweise nennen, die vorgelegt worden sind (insbesondere solche Urkunden die Auswirkungen auf die Erbfolge haben können) (vgl. Art.  730-1 Abs.  2 C. civ.502).503 Der acte de notoriété enthält insbesondere auch die von dem antragstellenden Rechtsinhaber oder den antragstellenden Rechtsinhabern unterzeichnete Versicherung, dass sie alleine oder mit anderen von ihnen genannten Personen dazu berufen sind, die Erbschaft im Ganzen oder in Teilen zu empfangen (vgl. Art.  730-1 Abs.  3 C. civ.504). Dagegen ermöglicht Art.  730-1 Abs.  4 C. civ.505 die Hinzuziehung weiterer Personen, sofern deren Vorbringen nützlich erscheint. Die Beurkundung dieser Zeugenaussagen ist mithin nicht obligatorisch, sondern lediglich fakultativ.506 Ebenso ist die Angabe des jeweiligen Erbteils der in einem acte de notoriété bezeichneten Rechts­ inhaber lediglich fakultativer Natur.507 Denn Art.  730-4 C. civ.508 regelt die proportion lediglich am Rande und nur in Zusammenhang mit dem Nachlassvermögen.509 Der acte de notoriété erlaubt – wie das ENZ – neben dem Nachweis der Erbenstellung auch den Nachweis der Stellung als Vermächtnisnehmer ­(légataire universel/légataire à titre universel).510 Anders als der Erbschein nach deutschem Recht weist der acte de notoriété mögliche Beschränkungen

502  Art.  730-1 Abs.  2 C. civ. lautet: „L’acte de notoriété doit viser l’acte de décès de la personne dont la succession est ouverte et faire mention des pièces justificatives qui ont pu être produites, tels les actes de l’état civil et, éventuellement, les documents qui concernent l’existence de libéralités à cause de mort pouvant avoir une incidence sur la dévolution successorale“. 503  M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.  20 ff.). 504  Art.  730-1 Abs.  3 C. civ. lautet: „Il contient l’affirmation, signée du ou des ayants droit auteurs de la demande, qu’ils ont vocation, seuls ou avec d’autres qu’ils désignent, à recueillir tout ou partie de la succession du défunt“. 505  Art.  730-1 Abs.  4 C. civ. lautet: „Toute personne dont les dires paraîtraient utiles peut être appelée à l’acte“. 506  M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.   30); J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  59; F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  312; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  110. 507  M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.  28). 508  Art.   730-4 C. civ. lautet: „Les héritiers désignés dans l’acte de notoriété ou leur mandataire commun sont réputés, à l’égard des tiers détenteurs de biens de la succession, avoir la libre disposition de ces biens et, s’il s’agit de fonds, la libre disposition de ceux-ci dans la proportion indiquée à l’acte“. 509  M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.  28). 510  J. Picard JCP N 22 (2002) 1309 (Nr.  17); S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  109; J-F. Sagaut JCP N 15 (2013) 1086 (Nr.  6 ff.).

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nicht aus.511 Der acte de notoriété führt Noterbrechte dann auf, wenn es sich bei diesen um echte Erbrechte handelt.512 3. Wirkungen a) Vermutungs- und Gutglaubenswirkung Der nach dem Verfahren des Art.  730-1 Abs.  1 C. civ. ausgestellte acte de notoriété begründet – ebenso wie das ENZ513 – die Vermutung der Richtigkeit seines Inhalts, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist (vgl. Art.  730-3 Abs.  1 C. civ.514). Die Richtigkeit des Inhalts des acte de notoriété wird also widerleglich – i. S. e. présomption simple – vermutet.515 Die Richtigkeitsvermutung ist mit allen Beweismitteln widerleglich.516 Der acte de notoriété führt zu einer Beweislastumkehr, sodass es nicht dem im acte de notoriété als berechtigt Ausgewiesenen obliegt, seine erbrechtliche Rechtsstellung zu beweisen, sondern demjenigen, der die Richtigkeit des acte de notoriété anzweifelt, die Unrichtigkeit des Nachlasszeugnisses zu beweisen.517 Art.  730-3 C. civ. und Art.  730-4 C. civ.518 betreffen die Anwendung der Vermutung des Art.  730-3 Abs.  1 C. civ.519 Nach Art.  730-3 Abs.  2 C. civ.520 wird vermutet, dass den im acte de notoriété angegebenen Erben die dort 511 

Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 139. Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 139. 513  C. Brenner in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 299 (308 Nr.  12). 514  Art.  730-3 Abs.  1 C. civ. lautet: „L’acte de notoriété ainsi établi fait foi jusqu’a preuve contraire“; M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  25. 515 Cass. 1re civ., 24.10.1984, n°   83-12.096; Cass. 1re civ., 24.10.1984, n°  83-12.558; M.  Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.  38 ff.); V. Égéa in Répertoire de procédure civile, Succession, décembre 2011, Rn.  86; J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  60; Pérès/Vernières, Successions, Nr.  132; J. Picard JCP N 22 (2002) 1309 (Nr.  27); S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  111. 516  V. Égéa in Guinchard et al., Répertoire de procédure civile, Succession, Nr.   86; J.  Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  60. 517  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  60. 518  Art.   730-4 C. civ. lautet: „Les héritiers désignés dans l’acte de notoriété ou leur mandataire commun sont réputés, à l’égard des tiers détenteurs de biens de la succession, avoir la libre disposition de ces biens et, s’il s’agit de fonds, la libre disposition de ceux-ci dans la proportion indiquée à l’acte“. 519  M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.   42); J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  61 («Application de la présomption»); S.  Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  111. 520  Art.  730-3 Abs.  2 C. civ. lautet: „Celui qui s’en prévaut est présumé avoir des droits héréditaires dans la proportion qui s’y trouve indiquée“. 512 

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angegebenen Erbteile zustehen. Art.  730-4 C. civ. betrifft die Gutglaubenswirkung des acte de notoriété. So gelten nach Art.  730-4 C. civ. die im acte de notoriété genannten Erben oder ihr gemeinsamer Bevollmächtigter gegenüber Dritten, die Nachlassgegenstände besitzen als zur freien Verfügung über die Güter und Geldanlagen nach den im acte de notoriété angegebenen Erbteilen berechtigt.521 Dies erfasst vor allem Banken, bei denen ein Guthaben zugunsten des Erblassers bestand.522 Die sich aus dem acte de notoriété ergebende Verfügungsmacht gilt diesen Dritten gegenüber als den Erben oder deren gemeinsamem Bevollmächtigten zustehend.523 Über den Wortlaut des Art.  730-4 C. civ. hinaus besteht Gutglaubensschutz auch beim rechtsgeschäftlichen Erwerb von Nachlassgegenständen vom im acte de ­notoriété ausgewiesenen Erben.524 Dritte können zudem an letztgenannten mit befreiender Wirkung leisten.525 Art.  730-4 C. civ. schützt indes nur den gutgläubigen Dritten, auch wenn die Bestimmung hierüber schweigt.526 Denn könnte sich ein bösgläubiger Dritter auf Art.  730-4 C. civ. berufen, würde dies den Schutzzweck der Bestimmung unterminieren.527 Die aliénation (Übertragung) von Nachlassvermögen durch den im acte de notoriété ausgewiesenen Erben an einen gutgläubigen Dritten bleibt selbst dann gültig, wenn später im Rahmen einer pétition d’hérédité (Erbschaftsklage) die Unrichtigkeit des acte de notoriété festgestellt wird.528 Gleiches gilt für Leistungen eines gutgläubigen Dritten an den im acte de notoriété ausgewiesenen Erben.529 So ist der gutgläubige Erwerber einer beweglichen Sache durch Art.  2276 C. civ.530 geschützt. Denselben Schutz gewährt Art.  1342-3 C. civ.531 einem gutgläubigen Dritten, der an den im acte de notoriété ausgewiesenen Erben geleistet hat. 521 

DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 284. Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  546. 523  Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  546. 524  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  61; Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  546. 525  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 131 (dort Fn.  535). 526  M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  25.; Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  547. 527  M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  25.; Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  547. 528  M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  25, 110; Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  298 ff. 529  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  157. 530  Art.  2276 Abs.  1 C. civ. lautet: „En fait de meubles, la possession vaut titre“. 531  Art.  1342-3 C. civ. lautet: „Le paiement fait de bonne foi à un créancier apparent est valable“. 522 

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Schließlich vermittelt die Lehre vom héritier apparent im Rahmen des gutgläubigen entgeltlichen Erwerbs von Immobilien ein gewisses Maß an Verkehrsschutz: Die Handlungen des héritier apparent sind hiernach dann wirksam, wenn der Dritte einerseits gutgläubig ist und andererseits einem erreur commune et invincible unterliegt.532 Der gute Glaube des Dritten wird vermutet;533 der Dritte muss indes den Umstand, dass er einem erreur commune et invincible unterlag, nachweisen.534 Dies wird ihm regelmäßig dann gelingen, wenn er auf Grundlage eines acte de notoriété gehandelt hat, in dem der Scheinerbe als Berechtigter ausgewiesen ist535 (vgl. Art.  730-3 C. civ.). Die Wirkung der Richtigkeitsvermutung des Art.  730-3 C. civ. auf einen gutgläubigen Dritte entspricht folglich der rechtlichen Wirkung eines erreur commune et invincible.536 Indes beruht der Schutz Dritter nicht mehr auf der théorie de l’apparence, sondern ergibt sich aus gesetzlichen Vermutungen, sodass nicht länger danach zu differenzieren ist, ob der Dritte Rechte am Nachlassvermögen entgeltlich oder unentgeltlich erworben hat.537 aa) Anforderungen an die Redlichkeit Der Redlichkeitsschutz entfällt bei Bösgläubigkeit des Dritten.538 Bösgläubigkeit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Dritte positive Kenntnis davon hatte, dass der Inhalt des acte de notoriété unrichtig ist. Fraglich ist indes, ob und inwieweit im französischen Recht auch bereits fahrlässige Unkenntnis als Bösgläubigkeit zu qualifizieren ist.539 So werden in der französischen Literatur weder das Erfordernis der Redlichkeit des Dritten selbst540 532  M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  25. 533  J. Picard JCP N 22 (2002) 1309 (Nr.  33 ff.). 534  M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  145 ff.; C. Vernières in Grimaldi, Droit patrimonial de la famille, 2018–2019, Livre 2 Titre 24 Chapitre 249 Nr.  249.82. 535  C. Vernières in Grimaldi, Droit patrimonial de la famille, 2018–2019, Livre 2 Titre 24 Chapitre 249 Nr.  249.82. 536  M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  25. 537  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  62. 538  M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  25; Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  547; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  69 Nr.  53 (dort Fn.  79), der dies jedoch auf 730-5 C. civ. stützt. 539  Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  547. 540 Zu dieser Feststellung vgl. Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  547.

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noch die Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten näher beleuchtet. Vielmehr erfolgt – wenn überhaupt – lediglich eine bloße Erwähnung der Gutgläubigkeit des Dritten.541 bb) Kein öffentlicher Glaube des acte de notoriété – konkreter Redlichkeitsschutz Der acte de notoriété französischen Rechts nimmt – anders als der deutsche Erbschein542 – keinen öffentlichen Glauben i. S. e. abstrakten Redlichkeitsschutzes in Anspruch.543 So fußt der durch einen acte de notoriété vermittelte Gutglaubensschutz gerade auf der konkreten Vorstellung des Dritten und nicht auf der bloßen Existenz des Rechtsscheinsträgers.544 Der durch einen acte de notoriété vermittelte lediglich konkrete Redlichkeitsschutz wird im Zuge einer Gegenüberstellung des acte de notoriété des französischen C. civ. mit dem certificat d’héritier der französischen Departements Alsace und Moselle besonders deutlich. Der acte de notoriété bezeugt lediglich die Berufung eines Erben oder Vermächtnisnehmers zum Erben bzw. Vermächtnisnehmer, ohne als schlüssige Annahme der Erbschaft zu gelten (vgl. Art.  730-2 C. civ.545).546 Er begründet lediglich eine présomption simple.547 Demgegenüber ist das certificat d’héritier der Departements Alsace und Moselle mit foi publique ausgestattet und impliziert daher die Annahme der Erbschaft.548 Foi public bedeutet in diesem Zusammenhang, dass 541  Vgl. etwa M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  25 („tiers de bonne foi“); C. Brenner in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 308 (Nr.  12, dort Fn.  44: „à l’égard des tiers de bonne foi“). 542  Vgl. oben Kapitel  2 B. I. 2. 543 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §   2353 Rn.   211, Vor §   2353 Rn.   3; R. le Guidec/ G.  Chabot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Succession: transmission, Nr.  344; Zimmermann, Erbschein – Erbscheinsverfahren – Europäisches Nachlasszeugnis, Rn.  736. 544  C. Brenner in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 308 (Nr.  12, dort Fn.  44), der insoweit eine Parallele zum ENZ zieht; R. le Guidec/G. Chabot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Succession: transmission, Nr.  344; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  111. 545  Art.  730-2 C. civ. lautet: „L’affirmation contenue dans l’acte de notoriété n’emporte pas, par elle-même, acceptation de la succession“. 546  M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  111; J-L. Vallens in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Alsace et Moselle, Nr.  99, C. Vernières in Grimaldi, Droit patrimonial de la famille, 2018–2019, Livre 2 Titre 24 Chapitre 249 Nr.  249.14. 547  Vgl. oben Kapitel  2 C. I. 3. a). 548  M. Boudot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Apparence, Nr.  111; J-L. Vallens in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Alsace et Mo-

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das certificat d’héritier eine unwiderlegliche (irréfragable) Vermutung der Richtigkeit seines Inhalts aufweist.549 Im Vergleich zum deutschen Erbschein und dessen Wirkungen i. S. d. §§  2365 ff. BGB ist der durch einen acte de notoriété vermittelte Verkehrsschutz folglich schwächer ausgeprägt.550 Freilich wird im Gegenzug bei einem Vergleich des acte de notoriété mit dem deutschen Erbschein im französischen Recht der Schutz des wahren Erben in höherem Maße forciert. cc) Art.  730-5 C. civ. i. V. m. Art.  778 C. civ. Art.  730-5 C. civ. betrifft die Haftung des (Schein-)Erben.551 Wer sich wissend und bösen Glaubens auf einen unrichtigen acte de notoriété beruft, unterliegt den in Art.  778 C. civ. vorgesehenen Strafen, unbeschadet einer möglichen Schadensersatzpflicht (vgl. Art.  730-5 C. civ.552). Strafbar macht sich folglich nur, wer sich der Unrichtigkeit des acte de notoriété bewusst war und diese Unrichtigkeit zu seinem eigenen Vorteil genutzt hat.553 Daneben kann auch eine zivilrechtliche Haftung geltend gemacht werden (vgl. Art.  730-5 Hs.  2 C. civ.). b) Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen acte de notoriété Bei Unrichtigkeit des acte de notoriété erfolgt kein amtliches Einziehungsverfahren, es wird gegebenenfalls ein neuer acte de notoriété richtigen Inhalts ausgestellt.554 Die Richtigkeit des acte de notoriété und der ordnungsgemäße Ablauf des Ausstellungsverfahrens werden einerseits durch Haftungsandrohungen gegenüber dem ausstellenden Notar, andererseits durch Art.  730-5 C. civ. i.V. m. Art.  778 C. civ. abgesichert.555 Die personnes intéressées sind jedoch berechtigt, vor dem tribunal de grande instance am Ort der Eröffnung des Erbfalls, Klage auf Grundlage selle, Nr.  99, C. Vernières in Grimaldi, Droit patrimonial de la famille, 2018–2019, Livre 2 Titre 24 Chapitre 249 Nr.  249.14. 549  J-L. Vallens in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Alsace et Moselle, Nr.  98. 550  Zum deutschen Erbschein vgl. oben Kapitel  2 B. I. 2. 551  C. Vernières in Grimaldi, Droit patrimonial de la famille, 2018–2019, Livre 2 Titre 24 Chapitre 249 Nr.  249.15. 552  Art.  730-5 C. civ. lautet: „Celui qui, sciemment et de mauvaise foi, se prévaut d’un acte de notoriété inexact, encourt les pénalités de recel prévues à l’article 778, sans pré­ judice de dommages et intérêts“. 553  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  132. 554  Döbereiner ZEuP 2010, 368 (385); Döbereiner ZEV 2016, 490 (491); Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  217. 555  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 130.

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von Art.  730-3 C. civ. zu erheben, um einen unrichtigen acte de notoriété durch einen gerichtlichen Nachweis zu ersetzen.556 Im Ergebnis läuft dies, sofern die Klage erfolgreich ist, auf eine Berichtigung, Änderung oder einen Widerruf des acte de notoriété hinaus.557

II. Attestation notariée Art.  29 Abs.  1 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955558 bestimmt, dass jedes Grundstücksrecht, das von Todes wegen übertragen oder begründet wird, zwingend durch eine attestation notariée festgestellt werden muss.559 Eine solche attestation notariée beurkundet im Wesentlichen die Übertragung oder Begründung von dinglichen Rechten an Grundstücken von Todes wegen.560 Sie dient den Erben bzw. Vermächtnisnehmern somit als Nachweis ihrer Stellung in Bezug auf diese Grundstücksrechte.561 Die Erben bzw. Vermächtnisnehmer haben die attestation notariée innerhalb von vier Monaten ab Ausstellung (vgl. Art.  33 lit.  A. S.  1des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955562) zur Veröffentlichung beim service chargé de la publicité foncière einzureichen (vgl. Art.  28 Nr.  3 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955563). Insoweit dient die attestation notariée zuvorderst der publicité foncière (Offenlegung der Rechtsverhältnisse an einem Grundstück564).565 556 

C. Brenner in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 299 (313 Nr.  18). C. Brenner in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 299 (313 Nr.  18). 558  Décret n°  55-22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière. 559  Art.  29 Abs.  1 des décret n°  55-22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière lautet: „Dans les délais fixés à l’article 33, toute transmission ou constitution par décès de droits réels immobiliers doit être constatée par une attestation notariée indiquant obligatoirement si les successibles ou légataires ont accepté et précisant, éventuellement, les modalités de cette acceptation“; H. Mazeron-Gabriel JCP N 22 (2003) 1349 (Nr.  3). 560  L. Andreu/A. Fournier in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Publicité foncière, Nr.  96; H. Mazeron-Gabriel JCP N 22 (2003) 1349 (Nr.  3 f.). 561  R. le Guidec/G. Chabot in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Succession: transmission, Nr.  346. 562  Art.  33 lit.  A. S.  1 des décret n°  55-22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière lautet: „Les délais d’accomplissement de la formalité sont fixés comme suit: Pour les attestations notariées, quatre mois à dater du jour où le notaire a été requis“. 563  Art.  28 Nr.  3 des décret n°  55-22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière lautet: „Sont obligatoirement publiés au service chargé de la publicité foncière de la situation des immeubles: Les attestations notariées, établies en exécution de l’article 29 en vue de constater la transmission ou la constitution par décès de droits réels immobiliers“. 564 Zur Bedeutung des sachenrechtlichen Begriffs der publicité foncière vgl. Fleck/ Güttler/Kettler, Französisch – Deutsch, Bd.  I, 821 f. 565  L. Andreu/A. Fournier in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Publi557 

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Die von dem service chargé de la publicité vorgenommene Registereintragung wirkt indes lediglich deklaratorisch:566 Die attestation notariée dient der Offenlegung des Übergangs bzw. der Begründung von Grundstücksrechten von Todes wegen. Der Übergang bzw. die Begründung vollzieht sich hin­ gegen bereits von Rechts wegen (de plein droit) im Zeitpunkt des Erbfalls.567 Der Erbfall als publikationspflichtiger Vorgang (vgl. Art.  28 Nr.  3 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955) und die damit verbundenen Folgen des Übergangs bzw. der Begründung von Grundstücksrechten von Erben bzw. Vermächtnisnehmern können Dritten gegenüber erst nach der Veröffentlichung im Register entgegengehalten werden (sog. opposabilité568).569 Die publicité foncière erfasst alle Grundstücksrechte (etwa Eigentum, Nießbrauchsrechte etc.).570 1. Abgrenzung zum acte de notoriété Der zuständige Notar bescheinigt mit einer attestation notariée, dass in Folge der von ihm angegebenen faits et actes ein Grundstücksrecht von Todes wegen auf die Erben bzw. Vermächtnisnehmer übergegangen ist.571 Acte i. d. S. und damit Grundlage der attestation notariée ist üblicherweise der vom gleichen Notar ausgestellte acte de notoriété.572 Dieser bleibt einerseits hinsichtlich seines Inhalts, andererseits ob des Umstands, dass er seine Wirkungen lediglich hinsichtlich der Stellung als Erbe bzw. Vermächtnisnehmer entfaltet – nicht hingegen etwa das Eigentum an unbeweglichem Nachlassvermögen bescheinigt – hinter einer attestation notariée zurück.573 Somit reicht der acte de notoriété für sich genommen für eine Registereintragung cité foncière, Nr.  96; H. Mazeron-Gabriel JCP N 22 (2003) 1349 (Nr.  2 ff.); Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  555. 566  L. Andreu/A. Fournier in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Publicité foncière, Nr.  96; Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  28; Döbereiner ZEV 2015, 559 (561). 567  L. Andreu/A. Fournier in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Publicité foncière, Nr.  96. 568  Zur Bedeutung des Begriffs der opposabilité i. S. e. Wirkung Dritten gegenüber vgl. Fleck/Güttler/Kettler, Französisch – Deutsch, Bd.  I, 693. 569  L. Andreu/A. Fournier in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Publicité foncière, Nr.  96; Döbereiner ZEV 2016, 490 (491). 570  L. Andreu/A. Fournier in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Publicité foncière, Nr.  97. 571  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier). 572  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier); Stade in DACH, EuErbVO, 161 (183). 573  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier).

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nicht aus;574 es bedarf einer attestation notariée, die zwar auf dem acte de notoriété aufbaut, jedoch zusätzliche (Grundstücks-) Angaben enthält.575 Eine Registereintragung auslösen können im Übrigen nach Art.  710-1 Abs.  1 C. civ.576 auch lediglich solche von einem französischen577 Notar ­errichtete actes, die als acte authentique i. S. d. autonomen französischen Rechts qualifiziert werden. Wesensmerkmal eines acte authentique ist die ihm zugeschriebene force probante absolue.578 Dies findet einen Niederschlag in der Bestimmung des Art.  1371 Abs.  1 C. civ.: „l’acte authentique fait foi jusqu’à inscription de faux de ce que l’officier public dit avoir personnellement accompli ou constaté“. Demgegenüber entfaltet der acte de notoriété lediglich eine einfache – also mittels aller Beweismittel widerlegliche – Beweiskraft i. S. e. présomption simple (vgl. Art.  730-1 Abs.  1 C. civ.); er ist mithin nicht acte authentique i. d. S.579 2. Sonderfall: Folgen der Rs.  Kubicka bei einem deutschen Vermächtnis an französischem Grundbesitz Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO nimmt den Erwerbsvorgang gerade nicht aus dem sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO aus, sodass auch dieser Vorgang, m. a. W. die Art und Weise des Erwerbs, dem Erbstatut unterfällt.580 Die Folgen der Rs.  Kubicka bei einem deutschen Vermächtnis an französischem Grundbesitz seien anhand folgenden Beispiels verdeutlicht:581 Auszugehen ist von einem deutschen Erblasser mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, der im Zeitpunkt seines Todes Eigentümer eines in 574  Aupetit/Rejano ErbR 2020, 79 (88); E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier); Döbereiner ZEV 2016, 490 (491); Stade in DACH, EuErbVO, 161 (183). 575  Aupetit/Rejano ErbR 2020, 79 (88); E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier); Döbereiner ZEV 2016, 490 (491); Stade in DACH, EuErbVO, 161 (183). 576  Art.  710-1 Abs.  1 C. civ. lautet: „Tout acte ou droit doit, pour donner lieu aux formalités de publicité foncière, résulter d’un acte reçu en la forme authentique par un notaire exerçant en France, d’une décision juridictionnelle ou d’un acte authentique émanant d’une autorité administrative“. 577  Aupetit/Rejano ErbR 2020, 79 (88): die attestation notariée muss „zwingend von einem in Frankreich amtierenden Notar ausgestellt werden, Art.  710-1 CC“. 578  C. Brenner in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 308 (Nr.  12). 579  C. Brenner in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 308 (Nr.  12); C. Schmitz, Annahme, 43. 580  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  49 f., 62. 581  Der Beispielsfall ist der von Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  29 geschilderten Fallgestaltung entlehnt.

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Frankreich belegenen Grundstücks war. Hat dieser Erblasser ein Testament errichtet, das in Betreff des Grundstücks ein Vermächtnis (Damnations­ legat) enthält, ist zur Erfüllung dieses Vermächtnisses eine Auflassung er­ forderlich.582 Vor einem deutschen Notar wäre somit hinsichtlich des in Frankreich belegenen Grundstücks ein Vermächtniserfüllungsvertrag sowie die Auflassung zu beurkunden, um die Voraussetzungen der deutschen lex causae zu erfüllen.583 Die Umsetzung der Vermächtniserfüllung würde dann bei der registerführenden Behörde (service chargé de la publicité foncière) durch einen französischen Notar, auf Grundlage einer von diesem ausgestellten attestation notariée, erfolgen.584

III. Nebensächliche Rolle des Nachweises der Ernennung zum Testamentsvollstrecker im französischen Recht – der exécuteur testamentaire französischen Rechts Die Frage des Nachweises der Ernennung zum exécuteur testamentaire (Testamentsvollstrecker) mutet gerade im Vergleich zum im Kontext der EuErbVO vielfach diskutierten Nachweis der Erbenstellung mittels acte de notoriété585 im französischen Schrifttum als geradezu belanglos an. Dies mag darauf gründen, dass die in den Art.  1025 C. civ. bis Art.  1034 C. civ. gesetzlich geregelte exécution testamentaire (Testamentsvollstreckung) im autonomen französischen Recht eine eher „bescheidene“586 Rolle einnimmt.587 Sie dient zuvorderst dem Zweck, dem testamentarisch geäußerten Willen des Erblassers Ausdruck zu verschaffen.588 Indes ist die exécution testamentaire 582 

Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  29. Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  29. 584  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  29. 585  Vgl. etwa I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.  3); P. Callé Defrénois 35 (2018), 38; R. Crône in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 123 (134 ff.); A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228; V. Égéa RTD eur. 2018, 845, S. Godechot-Patris/C. Grare-Didier D. 2018, 2384 (V. B.); S. Godechot-Patris/C. Grare-Didier D. 2019, 2216 (VI.); C. Gossart AJ fam. 2018, 554; P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  37); P. Lagarde in Simon/ Poillot-­Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  228; A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2019, 417; C. Nourissat/M. Revillard Defrénois 19 (2015), 985 (990); C. Nourissat Defrénois 01–02 (2019), 45; L. Perreau-Saussine Rev. crit. DIP 2018, 850. 586 Vgl. F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  1 („L’exécution testamentaire ne joue en effet en droit interne qu’un rôle modeste […]“). 587  F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  1. 588  F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  1. 583 

92

Kapitel 2: Vergleichende Synthese

in Betreff des Anfalls und der Übertragung der Erbschaft nach französischem Recht kaum mit der Rechtsstellung der Erben und légataires universels vereinbar.589 Vor diesem Hintergrund – insbesondere der Rechtsstellung der réservataires (Vorbehaltsberechtigte) – beschränken sich die Befugnisse des exécuteur testamentaire (Testamentsvollstrecker) französischen Rechts im Wesentlichen auf die „surveillance et [la] défense de validité du testament“590 (vgl. Art.  1030 C. civ. und Art.  1031-1 C. civ.). Insoweit räumt das französische Recht der Testamentsvollstreckung auch im Rechtsvergleich dem exécuteur testamentaire eine wesentlich untergeordnetere Rolle zu als etwa das deutsche Recht dem Testamentsvollstrecker i. S. d. §§   2205 ff. 591 BGB. So ist der Testamentsvollstrecker nach deutschem Recht – anders als der exécuteur testamentaire592 – berechtigt, den Nachlass in Besitz zu nehmen und über die Nachlassgegenstände zu verfügen (vgl. §§  2205 ff. BGB). Der Erblasser kann nach Art.  1025 Abs.  1 C. civ.593 eine natürliche Person oder mehrere natürliche Personen als exécuteur testamentaire (Testamentsvollstrecker) ernennen.594 Nach Annahme des Amtes595 hat der Testamentsvollstrecker grundsätzlich Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Ausführung des Testaments zu ermöglichen (vgl. Art.  1029 Abs.  1 C. civ.596) und ein Nachlassinventar zu errichten (vgl. Art.  1029 Abs.  2 C. civ.597).598 Er kann den Verkauf beweglicher Nachlassgegenstände veranlassen, um dringende 589  F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  1. 590  F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  1. 591  F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  2. 592  F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  2. 593  Art.  1025 Abs.  1 C. civ. lautet: „Le testateur peut nommer un ou plusieurs exécuteurs testamentaires jouissant de la pleine capacité civile pour veiller ou procéder à l’exécution de ses volontés“. 594  Malaurie/Brenner, Successions et libéralités, Nr.  407; F. Sauvage in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Exécution testamentaire, Nr.  10 ff. 595  „L’exécuteur testamentaire qui a accepté sa mission est tenu de l’accomplir“ (vgl. Art.  1025 Abs.  2 C. civ.). 596  Art.  1029 Abs.  1 C. civ. lautet: „L’exécuteur testamentaire prend les mesures conservatoires utiles à la bonne exécution du testament“. 597  Art.  1029 Abs.  2 C. civ. lautet: „Il peut faire procéder, dans le formes prévues à l’article 789, à l’inventaire de la succession en présence ou non des héritiers, après les avoir dûment appelés“. 598  F. Sauvage in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Exécution testamentaire, Nr.  26 f.

C. Französische Nachlasszeugnisse

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Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen (vgl. Art.  1029 Abs.  3 C. civ.599).600 Gesteht der Erblasser dem Testamentsvollstrecker saisine zu, ist letztgenannter berechtigt, den beweglichen Nachlass grundsätzlich für die Dauer von zwei Jahren in Besitz zu nehmen und bewegliche Gegenstände zu veräußern, soweit dies zur Erfüllung von Vermächtnissen erforderlich und ohne Verletzung von Noterbrechten möglich ist (vgl. Art.  1030 C. civ.601).602 Zur Veräußerung von Immobilien kann der Testamentsvollstrecker nur dann – und nach vorheriger Information der Erben (vgl. Art.  1030-1 Abs.  2 C. civ.603) – ermächtigt werden, wenn keine Noterben vorhanden sind (vgl. Art.  1030-1 Abs.  1 C. civ.604).605 Art.  1030-1 Abs.  1 C. civ. erfasst daneben auch die Vermögensanlage, die Erbauseinandersetzung sowie die uneingeschränkte Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten.606 Der Testamentsvollstrecker kann aus wichtigem Grund gerichtlich entlassen werden (vgl. Art.  1026 C. civ.607). Anderenfalls endet die Testamentsvollstreckung, vor­ behaltlich gerichtlicher Verlängerung gemäß Art.  1032 C. civ.608, spätestens zwei Jahre nach Testamentseröffnung.609 599 

Art.  1029 Abs.  3 C. civ. lautet: „Il peut provoquer la vente du mobilier à défaut de liquidités suffisantes pour acquitter les dettes urgentes de la succession“. 600  F. Sauvage in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Exécution testamentaire, Nr.  28. 601 Art.   1030 C. civ. lautet: „Le testateur peut habiliter l’exécuteur testamentaire à prendre possession en tout ou partie du mobilier de la succession et à le vendre s’il est nécessaire pour acquitter les legs particuliers dans la limite de la quotité disponible“. 602  F. Sauvage in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Exécution testamentaire, Nr.  33. 603  Art.  1030-1 Abs.  2 C. civ. lautet: „A peine d’inopposabilité, la vente d’un immeuble de la succession ne peut intervenir qu’après information des héritiers par l’exécuteur testamentaire“. 604  Art.  1030-1 Abs.  1 C. civ. lautet: „En l’absence d’héritier réservataire acceptant, le testateur peut habiliter l’exécuteur testamentaire à disposer en tout ou partie des immeubles de la succession, recevoir et placer les capitaux, payer les dettes et les charges et procéder à l’attribution ou au partage des biens subsistants entre les héritiers et les légataires“ (Abs.  1), „A peine d’inopposabilité, la vente d’un immeuble de la succession ne peut intervenir qu’après information des héritiers par l’exécuteur testamentaire“ (Abs.  2). 605  F. Sauvage in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Exécution testamentaire, Nr.  39. 606  Döbereiner ZEuP 2010, 588 (596); F. Sauvage in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Exécution testamentaire, Nr.  40 f. 607  Art.  1026 C. civ. lautet: „L’exécuteur testamentaire peut être relevé de sa mission pour motifs grâces par le tribunal“. 608  Art.  1032 C. civ. lautet: „La mission de l’exécuteur testamentaire prend fin au plus tard deux ans après l’ouverture du testament sauf prorogation par le juge“. 609  F. Sauvage in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Exécution testamentaire, Nr.  31.

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

Dem Nachweis der exécution testamentaire dient im französischen Recht in erster Linie der Testamentsinhalt, ein Testamentsvollstreckerzeugnis i. S. d. deutschen Rechts ist dem französischen Recht unbekannt.610 Dies gründet im Wesentlichen auf den im französischen und deutschen Recht bestehenden Unterschieden hinsichtlich der Ernennung eines exécuteur testamentaire bzw. eines Testamentsvollstreckers und der Rolle der Gerichte in diesem Zusammenhang.611 Nach deutschem Recht vermag der Erblasser die Ernennung eines Testamentsvollstreckers auch einem Dritten (vgl. §  2198 Abs.  1 BGB) oder etwa auch dem Nachlassgericht (vgl. §  2200 Abs.  1 BGB) zu überlassen. Gemäß §  2368 S.  1 BGB hat das Nachlassgericht auf Antrag ein Zeugnis über dessen Ernennung zu erteilen, das gerade auch im Verhältnis zu Dritten die einem Erbschein zugesprochenen Wirkungen entfaltet (vgl. §  2368 S.  2 Hs.  1 BGB). In Frankreich beschränkt sich demgegenüber die Rolle der Gerichte auf die gerichtliche Verlängerung der exécution testamentaire bzw. die Ernennung des exécuteur testamentaire zum administrateur judiciaire.612

D. Würdigung und Résumé I. Antragserfordernis und -voraussetzungen, Ausstellungsverfahren sowie Inhalt der Nachlasszeugnisse Das ENZ wird wie der deutsche Erbschein und der französische acte de notoriété nur auf Antrag ausgestellt. ENZ und deutscher Erbschein wie auch ENZ und französischer acte de notoriété unterscheiden sich indes insbesondere hinsichtlich ihrer Antragsvoraussetzungen.613 Angesichts des Umfangs des Antrags für die Ausstellung eines ENZ nach Art.  65 Abs.  3 EuErbVO wird dieser für die erbrechtlich Berechtigten regelmäßig aufwändiger sein,

610 

F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  4; Döbereiner ZEuP 2010, 588 (596); Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  131 (der Nachweis der éxecution testamentaire werde durch den Testa­ mentsinhalt in Verbindung mit einem von einem Notar ausgestellten acte de notoriété geführt). 611  F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  4. 612  F. Boulanger in Carreau et. al., Répertoire de droit international, Exécuteur testamentaire, Nr.  4. 613  Vgl. zum ENZ und deutschem Erbschein MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.  7; Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309); Leitzen ZEV 2018, 630 (635).

D. Würdigung und Résumé

95

als einen Antrag auf Ausstellung eines deutschen Erbscheins614 oder eines französischen acte de notoriété zu stellen. Adversativ zum Verfahren zur Ausstellung eines deutschen oder französischen Nachlasszeugnisses, bestimmt Art.  66 Abs.  4 S.  2 EuErbVO das Erfordernis einer öffentlichen Bekanntmachung des Antrags auf Ausstellung des ENZ und vermag dadurch freilich dessen Ausstellung selbst erheblich hinauszuzögern.615 Vor dem Hintergrund der Bestimmungen des Art.  66 Abs.  1 bis Abs.  3 EuErbVO nimmt die Ausstellungsstelle eines ENZ bei dessen Erteilung eine aktive Rolle ein und ist in dieser Hinsicht dem deutschen Erbscheinsverfahren angenähert:616 Die Ausstellungsstelle prüft die ihr übermittelten Angaben und sonstigen Beweismittel (vgl. Art.  66 Abs.  1 S.  1 EuErbVO). „Sie führt von Amts wegen die für diese Überprüfung erforderlichen Nachforschungen durch, soweit ihr eigenes Recht dies vorsieht oder zulässt, oder fordert den Antragssteller auf, weitere Nachweise vorzulegen, die sie für erforderlich erachtet“(vgl. Art.  66 Abs.  1 S.  2 EuErbVO). In Art.  66 Abs.  1 EuErbVO manifestiert sich damit ein wichtiger Unterschied zum Verfahren zur Ausstellung eines acte de notoriété, der sich im Wesentlichen als eine Sammlung von Erklärungen darstellt;617 der französische Notar nimmt insoweit eine eher passive Rolle ein. Im Gegensatz zum deutschen Erbschein erlauben ENZ und französischer acte de notoriété neben dem Nachweis der Erbenstellung auch den Nachweis der Stellung als Vindikationslegatar. Das deutsche Recht sieht, anders als etwa die französische Rechtsordnung, nur ein Vermächtnis mit obligatorischer, nicht aber mit dinglicher Wirkung, vor (vgl. §§  2147, 2174 BGB).618 Anders als der Damnationslegatar nach deutschem Recht kann der légataire particulier nach erfolgter délivrance zum Nachweis seiner Rechtsstellung ein ENZ beantragen. Einem Vindikationslegatar steht hingegen nach deutschem Recht der Erbschein zum Nachweis seiner erbrechtlichen Rechtsstellung nicht offen.619 Das ENZ kann, im Unterschied zum deutschen Erbschein bzw. französischen acte de notoriété, neben einer Erbenstellung oder einer Stellung einer Person als Vindikationslegatar etwa auch die Stellung als Testamentsvollstrecker ausweisen. Dem Nachweis der Befugnisse einer Person zur Testamentsvollstreckung dient im deutschen Recht das Testamentsvollstreckerzeugnis. 614 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  62 Rn.  7. EuErbVO, Art.  66 Rn.  7. 616  C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  23). 617  C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  23) („recueil de déclarations“). 618 MüKoBGB/Leipold BGB, §  1939 Rn.  2; MüKoBGB/Rudy BGB, §  2174 Rn.  2. 619 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  30. 615 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 2: Vergleichende Synthese

II. Dauer der Wirksamkeit Kenntnis vom Inhalt des ENZ erlangt der Rechtsverkehr regelmäßig durch die beglaubigten Abschriften. Anders als beim deutschen Erbschein oder französischen acte de notoriété sind die beglaubigten Abschriften eines ENZ als wesentliche Rechtsscheinsträger mit einer Wirksamkeitsfrist von grundsätzlich sechs Monaten geschlagen.

III. Wirkungen Sowohl das ENZ als auch die betrachteten MNZ weisen eine erbrechtliche Berechtigung und in welchem Umfang eine solche am Nachlassvermögen besteht, aus. Die betrachteten Nachlasszeugnisse dienen damit einerseits den Interessen der Verwender, andererseits dem Schutz des Rechtsverkehrs, der auf den Inhalt des in Rede stehenden Nachlasszeugnisses vertrauen können muss. Um einen solchen Vertrauenstatbestand zu schaffen, muss ein Nachlasszeugnis grundsätzlich richtig sein. Allerdings entfalten ENZ, deutscher Erbschein und französischer acte de notoriété allesamt keine konstitutive Wirkung, sondern weisen die Rechtslage lediglich deklaratorisch aus. Vor diesem Hintergrund können sowohl ENZ als auch die betrachteten deutschen und französischen Nachlasszeugnisse lediglich eine vorläufige und gerade keine verbindliche, in Rechtskraft erwachsende Feststellung der erbrechtlichen Rechtslage zeitigen. Die Erteilung eines Nachlasszeugnisses, das die materielle Rechtslage inhaltlich unrichtig wiedergibt, ist folglich nicht ausgeschlossen. Um Verkehrsschutz und materielle Richtigkeit zu koordinieren, haben sich der europäische Verordnungsgeber, der deutsche sowie der französische Gesetzgeber der Regelungstechnik der widerleglichen Vermutung der Richtigkeit des Inhalts des betreffenden Nachlasszeugnisses bedient. Angesichts des Bedürfnisses eines angemessenen Schutzes des Rechtsverkehrs notwendige Konsequenz der Statuierung einer Richtigkeitsvermutung ist sowohl auf nationaler als auch auf Verordnungsebene das betreffende Nachlasszeugnis jedenfalls mit einer Gutglaubenswirkung auszustatten. Da die EuErbVO bzw. die deutsche respektive die französische Rechtsordnung dem im jeweiligen Nachlasszeugnis als berechtigt Ausgewiesenem ein Nachweis­ instrument zur Verfügung stellt, dessen inhaltliche Richtigkeit im Rechtsverkehr vermutet wird, müssen Dritte grundsätzlich auch auf den Inhalt vertrauen dürfen, auch wenn materielle und die im Nachlasszeugnis ausgewiesene Rechtslage nicht übereinstimmen. Die Gutgläubigkeit des Dritten

D. Würdigung und Résumé

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wird im französischen Recht ebenso wie nach §  2366 BGB und Art.  69 Abs.  3 Hs.  2 und Abs.  4 Hs.  2 EuErbVO vermutet. Wenngleich ENZ, deutscher Erbschein/deutsches Testamentsvollstrecker­ zeugnis und französischer acte de notoriété im Ausgangspunkt allesamt Gutglaubenswirkung vermitteln, bestehen im Detail doch teilweise erheb­ liche Unterschiede. Zunächst legt die EuErbVO hinsichtlich der Gutglaubenswirkungen im Vergleich zum deutschen Erbschein und zum deutschen Testamentsvollstreckerzeugnis einen strengeren Redlichkeitsmaßstab an.620 Bereits grob fahrlässige Unkenntnis schließt den Redlichkeitsschutz der Art.  64 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO aus, während in der deutschen Rechtsordnung ausweislich §  2366 BGB allein positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins schadet. Im französischen Schrifttum ist umstritten, ob wie auch beim ENZ bereits fahrlässige Unkenntnis eines Dritten schadet. Hinsichtlich der von Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO erfassten Vorgänge entsprechen sich die Gutglaubenswirkungen des ENZ und des deutschen Erbscheins.621 Konzeptionell unterscheiden sich ENZ und deutscher Erbschein hingegen entscheidend hinsichtlich der Art des vermittelten Gutglaubensschutzes.622 Anders als der deutsche Erbschein, beansprucht das ENZ keinen öffentlichen Glauben. Angesichts des Wortlauts des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO begründet das ENZ lediglich einfachen Gutglaubensschutz i. S. e. konkreten Gutglaubensschutzes. Anders als in der deutschen Rechtsordnung muss also der gutgläubige Dritte im konkreten Einzelfall Kenntnis vom ENZ bzw. während ihrer jeweiligen Geltungsdauer von einer beglaubigten Abschrift des ENZ gehabt haben und das Rechtsgeschäft aufgrund dessen/deren Inhalts vorgenommen haben. Insoweit schützt folglich der deutsche Erbschein den Rechtsverkehr ebenfalls weitreichender als das ENZ,623 wobei der öffentliche Glaube freilich zulasten der Interessen der wahren erbrechtlich Berechtigten geht. Um im Spannungsverhältnis der Interessen des Rechtsverkehrs und der Interessen der wahren erbrechtlich Berechtigten letztgenannte nicht einem unangemessenen Risiko auszusetzen, sind hohe Anforderungen an die Richtigkeitsgewähr des deutschen Erbscheins als notwendiges Korrelat des öffentlichen Glaubens zu stellen.624 Das deutsche Erbscheinsverfahren trägt diesem Bedürfnis einerseits durch die amtswegige Ermittlung der relevanten Tatsachen durch das zuständige Nach620 

Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (399). Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (426). 622  Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 206 f., J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (97); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (426). 623  J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (97); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (426). 624  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 542. 621 

98

Kapitel 2: Vergleichende Synthese

lassgericht Rechnung:625 Erachtet das zuständige Nachlassgericht die zur Erbscheinserteilung erforderlichen Tatsachen nicht für festgestellt, muss es den Antrag der Erben durch Beschluss zurückweisen.626 Andererseits ist der Erbschein bei Unrichtigkeit ebenfalls von Amts wegen einzuziehen oder für kraftlos zu erklären. Schließlich sind die Gutglaubenswirkungen gemäß §  2366 BGB – anders als die Gutglaubenswirkungen des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO – akzessorisch zur Richtigkeitsvermutung. Der französische acte de notoriété nimmt ebenfalls keinen öffentlichen Glauben in Anspruch, sodass auch der durch einen acte de notoriété vermittelte Schutz der Interessen des Rechtsverkehrs im Vergleich zum deutschen Erbschein und dem diesem zugesprochenen öffentlichen Glauben schwächer ausgeprägt ist. Sowohl ENZ als auch deutscher Erbschein vermitteln Legitimationswirkung bei der Registereintragung. Eine Eintragung im deutschen Grundbuch allein aufgrund eines ENZ, das ein Vindikationslegat ausweist, ist möglich. Ein acte de notoriété reicht hingegen für sich genommen für die Registrierung beim französischen service chargé de la publicité foncière nicht aus – notwendig ist die attestation notariée eines französischen Notars, die zwar auf dem acte de notoriété aufbaut und auch auf diesen verweist, jedoch zusätzliche Angaben enthält.

IV. Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen Nachlasszeugnisses Die EuErbVO sieht die Änderung oder einen Widerruf eines unrichtigen ENZ vor, wobei eine Änderung oder ein Widerruf von Amts wegen nur insoweit erfolgt, als dies nach dem nationalen Recht der Ausstellungsbehörde zulässig ist. Bis über Einwände gegen das ENZ entschieden ist, kann die Ausstellungsbehörde die Wirkungen eines ENZ aussetzen. Hinsichtlich der beglaubigten Abschriften ist angesichts des allgemeinen Gebots des effet ­utile des Unionsrechts die Ausstellungsbehörde im Falle einer Änderung, eines Widerrufs oder der Wirkungsaussetzung als verpflichtet anzusehen, die beglaubigten Abschriften einzuziehen. Das deutsche Nachlassgericht hat einen unrichtigen Erbschein von Amts wegen einzuziehen. Das französische Recht sieht dagegen kein amtliches Einziehungsverfahren vor, es wird gegebenenfalls lediglich ein neuer acte de notoriété richtigen Inhalts ausgestellt. Die Interessen der wahren Erben werden durch die in Art.  730-5 C. civ. geregelten Haftungsandrohungen gegenüber dem im acte de notoriété ausgewiesenen (Schein-)Erben abgesichert. 625  626 

Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 542. Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 542.

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D. Würdigung und Résumé

V. Zusammenfassende tabellarische Übersicht ENZ Antrag

Erbschein

Ausstellung nur auf Antrag

Erfordernis Inhalt/Vss.

acte de notoriété i. S. d. Art.  730-1 ff. C. civ.

Art.  65 Abs.  3 EuErbVO

Art.  730-1 C. civ.

Pflichtangaben: –  Art des Erbscheins – Erbrecht aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder Verfügung von Todes wegen – Angabe Verfügungs­ beschränkungen Angaben gem. §  352 Abs.  1, 2 FamFG

Inhalt

Berechtigte/r Beschränkungen

Nachweis

Aufführung der Person des/der Berechtigten Art.  68 EuErbVO Ggf. Ausweisung Ausweisung von Verfüvon Noterb­rechten gungsbeschränkungen Nachweis der Erbenstellung

Erben Testaments­ vollstrecker Vindikations­ legatare

Wirkun- deklaratorisch gen Richtigkeits­ vermutung Gut- per se glau- Redbens- lichkeit wirkung Art

Erfordernis eines Testamentsvollstreckerzeugnisses

Nachweis der Stellung als Testamentsvollstrecker Nachweis der Stellung als Vindikationslegatar

lediglich vorläufige, nicht in (materielle) Rechtskraft erwachsende Feststellung der erbrechtlichen Rechtslage Widerlegliche Vermutung der Richtigkeit des materiellen Inhalts des Nachlasszeugnisses Gleichlauf lediglich im Ausgangspunkt: Gutglaubenswirkung bereits grob fahr­lässige Unkenntnis schließt Redlichkeitsschutz aus

umstritten

konkreter Redlichkeitsschutz

öffentlicher Glaube (abstrakt) akzessorisch zur Richtigkeitsvermutung

Akzes­­s­ orietät Legitimations­ wirkung

lediglich positive Kenntnis von der Unrichtigkeit schadet

Legitimation iRd. Erfordernis einer attestation Register­ notariée bei der eintragung Registrierung beim service chargé de la publicité foncière

Legitimation iRd. Registereintragung

100

Kapitel 2: Vergleichende Synthese ENZ

Unrich-­ amtswegige/r Änderung/ tigkeit Widerruf

nur insoweit, als nach nationalem Recht der Aus­stel­lungsbehörde zulässig Möglichkeit der Wirkungsaussetzung Beglaubigte Abschriften: Pflicht zur Einziehung bei Änderung/­ Widerruf/Wirkungsaussetzung

Wirksamkeitsfrist

acte de notoriété i. S. d. Art.  730-1 ff. C. civ. Schutz der Interessen der wahren Erben durch Haftungsandrohungen ggü. Schein­ erben

Erbschein Einziehung von Amts wegen

(ggf. Ausstellung eines neuen acte de notoriété richtigen Inhalts)

Wirksamkeitsfrist der beglaubigten Abschriften grds. 6 Monate

Tabelle 1: Zusammenfassende tabellarische Übersicht – Vergleichende Synthese

Kapitel  3

Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich des ENZ und der MNZ Gegenstand dieses Kapitels ist der gemeinsame Anwendungs- und Geltungsbereich des ENZ und der MNZ, stellen sich Fragen zum Verhältnis eines supranationalen und eines mitgliedstaatlichen Instruments doch nur im Falle eines gemeinsamen Anwendungs- und Geltungsbereichs. Die EuErbVO selbst geht von einem gemeinsamen Anwendungs- und Geltungsbereich des ENZ und der MNZ aus. Anderenfalls wäre die Regelung des Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO schlichtweg überflüssig. Gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO tritt das ENZ „nicht an die Stelle der innerstaatlichen Schriftstücke, die in den Mitgliedstaaten zu ähnlichen Zwecken verwendet werden“. Art.  62 Abs.  3 S. EuErbVO regelt also das Verhältnis des ENZ zu den MNZ.1 Der gemeinsame Anwendungs- und Geltungs­ bereich des ENZ gründet auf der Konvergenz der Zwecke des ENZ und der MNZ (A.), der unmittelbaren Geltung des ENZ sowohl im Ausstellungsals auch im Verwendungsmitgliedstaat (B.) und der Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland (C.).

A. Konvergenz der Zwecke erbrechtlicher Legitimationsnachweise Das Bedürfnis der Nachlassabwicklung besteht sowohl auf innerstaatlicher als auch auf grenzüberschreitender Ebene, wobei die Abwicklung des Nachlasses den Nachlassbeteiligten, Testamentsvollstreckern, Nachlassverwaltern oder dem Nachlassgericht obliegen kann. In den kontinentalen Rechtsordnungen erfolgt die Nachlassabwicklung durch die Erben,2 im angelsächsischen Rechtskreis dagegen durch einen administrator oder executor.3 Um 1  Ausführlich zum optionalen Nebeneinander von ENZ und MNZ vgl. unten Kapitel  4. 2  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 281. 3  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 281.

102

Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

diesen Personen zu ermöglichen, ihre (erbrechtliche) Rechtsstellung, Rechte oder Befugnisse im Rechtsverkehr nachzuweisen, sehen die mitgliedstaat­ lichen Zivilrechtsordnungen etwa die Erbenlegitimation durch einen Erbnachweis oder ein diesem funktional äquivalentes Nachlasszeugnis vor.4 Das Bedürfnis nach einem etwa dem deutschen Erbschein vergleichbaren Erbnachweis besteht in erster Linie in den Rechtsordnungen, die – wie die deutsche – vom Grundsatz der Universalsukzession ausgehen und die kein obligatorisches Verfahren zum Antritt der Erbschaft vorsehen.5 Der in Art.  63 Abs.  1 EuErbVO genannte Personenkreis ist nur dann antragsbefugt, wenn der Erbe, Vindikationslegatar, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter die Absicht6 hat, sich auf seine Rechtsstellung als solche Person in einem anderen Mitgliedstaat zu berufen (vgl. Art.  63 Abs.  1 Alt.  1 EuErbVO) oder seine Rechte bzw. Befugnisse als solche Person in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte (vgl. Art.  63 Abs.  1 Alt.  2 ­EuErbVO). Denn Sinn und Zweck des ENZ ist seine Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. Art.  62 Abs.  1 EuErbVO), mithin, dem Berechtigten zu ermöglichen, seine Rechtsstellung bzw. seine Rechte und/oder Befugnisse in allen anderen Mitgliedstaaten geltend zu machen, ohne in jedem einzelnen dieser Mitgliedstaaten gegebenenfalls einen innerstaatlichen Nachweis nach dem jeweiligen nationalen Recht erwirken zu müssen.7 Das ENZ und die MNZ tragen folglich gleichermaßen dem aufgrund des Vermögensübergangs in Folge eines Erbfalls bestehenden Bedürfnis Rechnung, eine Rechtsstellung, Rechte und/oder Befugnisse nachzuweisen.

B. Unmittelbare Geltung des ENZ im Ausstellungs- und Verwendungsmitgliedstaat Das ENZ und die nationalen Erbnachweise haben bereits vor dem Hintergrund der unmittelbaren Geltung der Wirkungen des ENZ (II.) sowohl im Ausstellungs- als auch im Verwendungsmitgliedstaat (I.) einen gemeinsamen Anwendungs- und Geltungsbereich.

4 

Hierzu umfassend DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 277 ff. BGB, Vor §  2353 Rn.  1 ff. 6 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  63 Rn.  19. 7 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  9. 5 MüKoBGB/Grziwotz

B. Unmittelbare Geltung des ENZ im Ausstellungs- und Verwendungsmitgliedstaat 103

I. Geltung sowohl im Verwendungs- als auch im Ausstellungsmitgliedstaat Das ENZ entfaltet seine Wirkungen sowohl im Verwendungs- als auch im Ausstellungsmitgliedstaat (vgl. Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO). Allerdings hat sich eine Geltung des ENZ auch im Ausstellungsmitgliedstaat lange Zeit nicht abgezeichnet, wurden doch gerade für diese Konstellation Kollisionen zwischen ENZ und MNZ befürchtet. Der Verordnungsvorschlag der Kommission hatte eine unmittelbare Geltung im Ausstellungsmitgliedstaat gerade nicht vorgesehen. So lautete Art.  36 Abs.  2 EuErbVO-E noch: „Die Verwendung des Europäischen Nachlasszeugnisses ist nicht verbindlich. Das Europäische Nachlasszeugnis tritt nicht an die Stelle der innerstaatlichen Verfahren. Die Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses werden jedoch auch in dem Mitgliedstaat anerkannt, dessen Behörden das Zeugnis nach Maßgabe dieses Kapitels erteilt haben.“ Im Rahmen ihrer Erläuterung dieses Artikels stellte die Kommission mit Blick auf dessen S.  1 klar, dass in dem Mitgliedstaat der für die Ausstellung des ENZ zuständigen Behörde der Nachweis der Stellung als Erbe, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter nach innerstaatlichem Recht erfolge.8 Dieser Ansatz wurde vom europäischen Verordnungsgeber zu Recht nicht in der endgültigen Fassung der EuErbVO aufgegriffen. Bereits die ­Ratio der Schaffung des ENZ spricht gegen eine Beschränkung der unmittel­ baren Geltung der Wirkungen des ENZ auf den Verwendungsstaat; der grenzüberschreitende Rechtsverkehr soll durch die Einführung eines supranationalen Nachlasszeugnisses beschleunigt, unkomplizierter und effizienter gestaltet werden.9 Den erbrechtlich Berechtigten soll mit dem ENZ eine weitere, erleichterte Möglichkeit des Nachweises ihrer Rechtsstellung eröffnet werden (vgl. ErwG 67 EuErbVO). Ohne eine unmittelbare Geltung der Wirkungen des ENZ auch im Ausstellungsstaat wären die erbrechtlich Berechtigten gehalten, neben dem ENZ ein nationales Nachlasszeugnis zu beantragen, um ihre Rechtsstellung im Inland nachweisen zu können.10 Das Bedürfnis für ein ENZ, das seine Wirkungen unmittelbar sowohl im Verwendungs- als auch im Ausstellungsstaat entfaltet, ist gerade auf die Vielfalt 8 

KOM (2009) 154, endg., 8. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  35 f.; Lange DNotZ 2012, 168 (169); Beck­ OGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  8; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  62 Rn.  26 f. 10  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 179; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  9. F. 9 

104

Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

von Formen (amtlicher) Nachlasszeugnisse in den Mitgliedstaaten zurückzuführen, deren Wirkungen bislang grenzüberschreitend nur äußerst zurückhaltend als ausländische Entscheidung anerkannt oder etwa als Substitut eines innerstaatlichen Nachlasszeugnisses akzeptiert wurden.11 Gegen eine Geltung der Wirkungen des ENZ auch im Ausstellungsstaat wurde im Wesentlichen die Vermeidung von Widersprüchen zwischen ENZ und MNZ angebracht.12 Der EuErbVO ist indes angesichts des zwar weiten, hingegen nicht unbeschränkt geltenden Gerichtsbegriffs der EuErbVO, der nicht sämtliche für die Ausstellung eines MNZ zuständigen Stellen dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO unterwirft, die Möglichkeit paralleler Ausstellungsverfahren, denen sich widersprechende Nachlasszeugnisse entspringen können, immanent.13 Bei der Ausstellung nichtgerichtlicher MNZ richtet sich die internationale Zuständigkeit nach autonomem mitgliedstaatlichen Recht.14

II. Unmittelbare Geltung Das ENZ entfaltet seine Wirkungen in sämtlichen Mitgliedstaaten, „ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf“ (vgl. Art.  69 Abs.  1 EuErbVO). Die Wirkungen des ENZ gelten folglich unmittelbar ipso iure in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es einer Anerkennung, einer Exequatur oder einem sonstigen Verfahren bedarf.15 Das ENZ ist insbesondere nicht am ordre public des jeweiligen Verwendungsmitgliedstaats zu messen.16 Gleichermaßen unterliegt auch die internationale Zuständigkeit des Ausstellungsmitgliedstaats keiner Überprüfung durch den Verwendungsmitgliedstaat.17 Art.  74 EuErbVO stellt in diesem Zusammenhang nochmals ausdrücklich klar, dass 11 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.   62 Rn.  2; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  3 ff. 12  Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (166); Buschbaum/Kohler GPR 2010, 210 (210 ff.); C. Nourissat Defrénois 4 (2010), 394 (415 f. Nr.  31). 13  Beyer GPR 2019, 245 (248 f.); in diese Richtung wohl auch P. Callé Defrénois 41 (2020), 29 (30); Mankowski ErbR 2020, 715 (717). 14  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  50 ff.; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  68 ff. 15  Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (167); Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, 317; F. Chalvignac Dr. Fam. 2013 dossier 39 (Nr.  16); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  5; Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  62 Rn.  1; S. Piédelièvre, Successions et libéralités, Nr.  115; BeckOGK/J. Schmidt ­EuErbVO, Art.  69 Rn.  4; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Rn.  8, S. D. J. Schmitz RNotZ 2017, 269 (283). 16 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  5. 17 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  5.

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

105

es auch keiner Legalisation oder ähnlichen Förmlichkeit bedarf.18 Das ENZ tritt in dieser Hinsicht folglich als eigene Kategorie selbständig neben die Kategorien der EuErbVO der „Entscheidung“ oder der „öffentlichen Urkunde“.19 Unmittelbare Wirkungen entfaltet freilich nicht nur das ENZ, sondern – während ihrer Gültigkeitsdauer – auch dessen für den Rechtsverkehr maßgeblichen beglaubigten Abschriften (vgl. ErwG 71 S.  6 EuErbVO).20 An­ derenfalls könnte das ENZ seine Funktion als Nachweisdokument nicht erfüllen, da die Urschrift gemäß Art.  70 Abs.  1 EuErbVO stets bei der Ausstellungsbehörde verbleibt.21

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland Die grenzüberschreitende Verwendung ausländischer Nachlasszeugnisse war vor Geltung der EuErbVO lediglich vereinzelt durch entsprechende bilaterale Abkommen geregelt.22 In allen anderen Fällen oblag die Entscheidung, ob die (verfahrensrechtlichen) Wirkungen eines ausländischen Nachlasszeugnisses i. S. e. Entscheidungsanerkennung auch auf das Inland erstreckt werden, dem autonomen Recht der einzelnen europäischen Mitgliedstaaten.23 Wurde eine derartige Anerkennung abgelehnt, galt Gleiches freilich für die Frage, ob ein ausländisches Nachlasszeugnis im Inland ein inländisches Nachlasszeugnis substituiert, das ausländische Nachlasszeugnis folglich im Inland die Wirkungen des inländischen Nachlasszeugnisses zeitigt.24

18 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  4. In diese Richtung MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  5; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  2. 20 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  5. 21 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  5. 22  So etwa das deutsch-türkische Nachlassabkommen (Anlage zu Artikel  20 des Konsularvertrags zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik v. 28.5.1929, RGBl 1931 II, 538), nach dessen §  17 S.  1 „[e]in Zeugnis über ein erbrechtliches Verhältnis, insbesondere über das Recht des Erben oder eines Testamentsvollstreckers, das von der zuständigen Behörde des Staates, dem der Erblasser angehörte, nach dessen Gesetzen ausgestellt ist, genügt, soweit es sich um beweglichen Nachlaß handelt, zum Nachweis dieser Rechtsverhältnisse auch für das Gebiet des anderen Staates“. 23 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  39 Rn.  3. 24 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  39 Rn.  13. 19 

106

Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

Die nationalen Kollisionsrechte der europäischen Mitgliedstaaten wiesen vor Geltung der EuErbVO erhebliche Unterschiede auf.25 Folglich waren abweichende Anknüpfungen, aus denen die Anwendung unterschiedlicher Sachrechte folgten, nicht nur denkbar, sondern wahrscheinlich. Die Beurteilung des Bestehens und des Umfangs einer Rechtsstellung einer bestimmten Person fiel im Zusammenhang mit einem internationalen Erbfall mithin unter Umständen sehr unterschiedlich aus.26 Vor diesem Hintergrund war eine Anerkennung eines ausländischen Nachweises der Erbenstellung im Sinne einer Wirkungserstreckung im Inland in der überwiegenden Mehrheit der europäischen Mitgliedstaaten schlechterdings ausgeschlossen.27 So wurden ausländische Nachlasszeugnisse in Deutschland mangels materieller Rechtskraftwirkung grundsätzlich nicht anerkannt.28 In Frankreich wurde ein ausländisches Nachlasszeugnis nur dann anerkannt, sofern dieses in einem Verfahren errichtet wurde, das dem Verfahren des französischen Rechts zur Ausstellung eines französischen Nachlasszeugnisses ähnlich ist.29 Bei Abweichungen zwischen dem Recht des Ursprungsstaats und dem Recht des Anerkennungsstaats wurde indes das ausländische Nachlasszeugnis nach den Vorgaben des letzteren korrigiert.30 Besonders hinsichtlich der Vorlage eines ausländischen Nachlasszeugnisses als Grundlage für eine Eintragung der Rechtsnachfolge in inländische (Liegenschafts-)Register reagierten die europäischen Mitgliedstaaten äußerst verhalten.31 Ein ausländisches Nachlasszeugnis vermochte beispielsweise nach deutschem Recht den deutschen Erbschein nicht zu ersetzen.32 Nach französischem Recht konnte dem französischen Notar ein ausländisches Nachlasszeugnis vorgelegt werden, wobei die Urkunde legalisiert oder mit einer Apostille versehen sein 25 

DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 217; Pazdan/Zachariasiewicz in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 125 (131); Revillard, DIP et Européen, Nr.  831. 26  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 217. 27  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 217. 28  KG FamRZ 1998, 308; Hanseat. OLG Bremen NJW-RR 2011, 1099; Staudinger/ Dörner EGBGB, 2007, Art.  25 Rn.  914; BeckOGK/Fröhler BGB, §  2353 Rn.  127 (Stand: 1.5.2021). 29  R. Crône/L. Perreau-Saussine JCP N 50 (2018) 1359 (Nr.  10); E. Jacoby JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  10); N. Joubert/H. Bosse-Platière in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 63 (64); Revillard, DIP et Européen, Nr.  888 („[…] l’acte de notoriété établi à l’étranger sera reconnu en France dans la mesure où il aura été établi suivant des modalités proches de celles du droit français“); M. Revillard in DNotI, Successions Internationales, Conférence Bruxelles 2004, 519 Nr.  19. 30  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 217. 31  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 218. 32  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 219.

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

107

musste.33 Private Stellen konnten freilich grundsätzlich frei entscheiden, ob im Einzelfall eine Vorlage eines ausländischen Erbnachweises genügte. Um Risiken zu vermeiden, wurde indes in Deutschland i. d. R. die Vorlage eines deutschen Erbscheins verlangt, in Frankreich üblicherweise ein acte de notoriété eines französischen Notars.34 Selbst wenn ein ausländisches Nachlasszeugnis als Entscheidung i. S. d. Brüssel Ia-VO35 einzuordnen war, galt die Bereichsausnahme des Art.  1 Abs.  2 lit.  f dieser Verordnung.36 Der Geltungsbeginn der EuErbVO markiert – auch unabhängig von der Einführung eines ENZ (I.) – einen Wandel mit Blick auf die Erstreckung der Wirkungen nationaler Nachlasszeugnisse im Ausland: MNZ können als Ent­ scheidungen i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO gemäß Art.  39 ff. Eu­Erb­VO anzuerkennen bzw. nach Art.  59 EuErbVO als öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO anzunehmen sein37 (III., IV., V.).

I. Keine Verdrängung der MNZ durch das ENZ im grenzüberschreitenden Verkehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit könnten freilich im grenzüberschreitenden Verkehr am wirkungsvollsten durch eine Verdrängung der MNZ durch das ENZ hergestellt werden.38 Teilweise werden daher die Regelungen der EuErbVO zum ENZ als abschließende Spezialvorschriften aufgefasst.39 In grenzüberschreitenden Erbfällen sei folglich allein das ENZ maßgeblich – verdrängten die Art.  62 ff. EuErbVO als spezielle europäische Bestimmungen doch die MNZ dahingehend, dass ein grenzüberschreitender Umlauf von MNZ nach den Art.  39 ff. EuErbVO bzw. Art.  59 Abs.  1 Eu­ ErbVO ausgeschlossen sei.40

33 

Péroz/Fongaro, Droit international privé patrimonial de la famille, Nr.  734. DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 219. 35  Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEU v. 20.12.2012, L 351/­ 1. 36  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  8. 37  Zur Einordnung der betrachteten MNZ als anerkennungsrechtlich relevante Entscheidung bzw. annahmerechtlich relevante öffentliche Urkunde vgl. unten Kapitel  5 D. II. 2. b) bb). 38  Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (57); Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309). 39  Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (57); Hertel DNotZ 2012, 688 (689). 40  Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (57). 34 

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Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

Nur wenn die EuErbVO die mitgliedstaatlichen Nachweisverfahren „in Gänze“ unberührt lasse, mithin die MNZ nicht grenzüberschreitend nach den Vorschriften der Art.  39 ff. EuErbVO bzw. Art.  59 Abs.  1 EuErbVO ­zirkulieren können, sei gewährleistet, dass sich die aus den sich teilweise erheblich divergierenden Nachweissystemen der Mitgliedstaaten entspringenden Ungleichheiten durch die EuErbVO nicht sogar noch zementieren.41 So wären die Mitgliedstaaten nicht gezwungen, ausländische Nachlasszeugnisse nach den Art.  39 ff. EuErbVO bzw. Art.  59 Abs.  1 EuErbVO zu beachten, die nicht im Einklang mit der lex fori stehen.42 Diese Argumentationslinie vermag indes vor dem Hintergrund des primä­ ren Verordnungsziels der Vereinfachung der grenzüberschreitenden Nach­ lassabwicklung und der effektiven Wahrung der Interessen der erb­recht­lich Berechtigten sowie der Nachlassgläubiger (vgl. ErwG 7 EuErbVO) nicht zu überzeugen. Selbst wenn ein Erbe bereits ein nationales Nachlasszeugnis erwirkt hat, wäre dieser im Falle der Notwendigkeit des Nachweises seiner erbrechtlichen Rechtsstellung gezwungen, in einem anderen Mitgliedstaat stets ein ENZ zu beantragen.43 In einer derartigen Konstellation würde indes die Anerkennung bzw. die Annahme eines bereits existierenden MNZ letztlich gegebenenfalls eine effektivere Möglichkeit darstellen.44 Ferner wäre die Verwendung des ENZ dann – entgegen des ausdrücklichen Wortlauts des Art.  62 Abs.  2 EuErbVO – verpflichtend.45 Das ENZ verdrängt folglich die MNZ im grenzüberschreitenden Verkehr nicht.

II. Begriffsbestimmungen Die EuErbVO differenziert hinsichtlich der Erstreckung der Wirkungen von MNZ sowohl terminologisch als auch hinsichtlich Ausgestaltung46 und Rechtswirkungen zwischen „Entscheidungen“ (vgl. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO), „öffentlichen Urkunden“ (vgl. Art.  3 lit.  i EuErbVO) und bloßen Privaturkunden (argumentum e contrario ex Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  ii EuErbVO). Die Anerkennung in einem Mitgliedstaat ergangener Entschei41 

Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (57). Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (57). 43  C. Schmitz, Annahme, 80. 44 Vgl., jedoch beschränkt auf die Annahme nach Art.   59 Abs.  1 EuErbVO, auch C.  Schmitz, Annahme, 80. 45  C. Schmitz, Annahme, 80. 46 Vgl. Kunz GPR 2019, 34 (36), die von einer konzeptionellen Unterscheidung in qualitativer Hinsicht spricht. 42 

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

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dungen in den anderen Mitgliedstaaten ist in den Art.  39 ff. EuErbVO geregelt. Art.  39 EuErbVO bildet in diesem Zusammenhang die „Grund- und Kernnorm“.47 Abs.  1 dieser Vorschrift bestimmt, dass „die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen (…) in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt [werden], ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf“. Art.  39 EuErbVO beruht auf dem Vorbild des Art.  33 Brüssel I-VO48 (Art.  36 Brüssel Ia-VO).49 Kein konzeptionelles Äquivalent in den genannten Verordnungen findet hingegen die Regelung des Art.  59 EuErbVO betreffend die Annahme öffentlicher Urkunden. Mit Einführung dieses Konzepts der Annahme schuf der europäische Verordnungsgeber ein Novum auf dem Gebiet des europäischen Internationalen Zivilprozessrechts.50 Gemäß Art.  59 Abs.  1 EuErbVO hat „[e]ine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde (…) in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, ­sofern dies der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats nicht offensichtlich widersprechen würde.“ Anders als Art.  40 EuErbVO, der mehrere – wenngleich abschließende51 – Nichtanerkennungsgründe regelt, sieht Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 Hs.  2 EuErbVO lediglich einen ordre-public-Einwand vor, der jedoch dem parallelen ordre public-­ Vorbehalt in Art.  40 lit.  a EuErbVO entspricht.52 Art.  59 Abs.  1 EuErbVO stellt an die Annahme einer öffentlichen Urkunde demnach geringere Anforderungen als an die Anerkennung einer Entscheidung nach Art.  39 ff. ­EuErbVO.53 Eine Erstreckung der Wirkungen von MNZ mittels Anerkennung oder Annahme kommt nicht in Betracht, sofern sich bestimmte Nachweiswirkungen aus einer Urkunde ergeben, die nicht öffentlicher, sondern lediglich privatschaftlicher Natur ist.54

47 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  1. Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gericht­ liche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEG v. 16.1.2001, L 12/1. 49 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  2. 50  Dörner, FS DNotI 2018, 745. 51 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  1, 6. 52 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  23. 53  Kunz GPR 2019, 34 (36). 54 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17. 48 

110

Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

1. Anerkennungsrechtlicher Entscheidungsbegriff, Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO Die Anerkennungsfähigkeit ausländischer MNZ hängt im Wesentlichen davon ab, ob sie dem Entscheidungsbegriff der EuErbVO unterfallen. Gemäß der tautologischen55 Legaldefinition in Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO ist eine Entscheidung „jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats in einer Erb­ sache erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten.“ Irrelevant ist grundsätzlich auch, ob die Entscheidung in einem streitigen oder in einem nichtstreitigen Verfahren ergangen ist (vgl. ErwG 59 EuErbVO).56 Die Definition trägt indes wenig zur Klärung der Frage bei, welche gerichtlichen Maßnahmen im Sinne der EuErbVO nach Art.  39 ff. EuErbVO anerkennungsfähig sind.57 Auf Ebene des Anerkennungsrechts hat der EuGH den Begriff der Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO mit seinem Urteil in der Rs.  WB58 erstmals einer Konkretisierung zugeführt. Wesensmerkmal einer Entscheidung i. S. d. EuErbVO sei zuvorderst, dass sie von einem „Gericht“ i. S. d. EuErbVO stamme.59 Entscheidend sei mithin zunächst der Urheber der erbrechtlichen Maßnahme, deren Anerkennungsfähigkeit in Frage steht. Dieser müsse „Gericht“ i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO sein. So liege eine Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO dann nicht vor, wenn das ausländische MNZ allein den Willen der Betroffenen abbilde und von einer Stelle herrühre, die in erbrechtlichen Streitigkeiten gerade nicht zuständig sein könne.60 Komme der ausstellenden Stelle eines MNZ also eine Befugnis zur Schaffung von Rechtsfolgen oder zur Klärung von Rechtsfragen nicht zu,61 liege lediglich eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO vor.62

55  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  3 Rn.  30 („an der Grenze zur Tautologie“); Kunz GPR 2019, 34; NK-BGB Bd.  6/Looschelders EuErbVO, Art.  3 Rn.  2 („weitgehend tautologisch“); O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  5; a. A. wohl Dörner DNotZ 2018, 661 (664 f.) („auf den ersten Blick tautologisch“). 56  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  43 f.; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  56. 57  Kunz GPR 2019, 34. 58  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB. 59  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  33. 60  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55. 61  Kunz GPR 2019, 34 (39). 62  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55.

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

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2. Begriff der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art.  59 EuErbVO Art.  59 EuErbVO gilt nur für öffentliche Urkunden i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO. Der Begriff der öffentlichen Urkunde ist unions-63 und verordnungsautonom zu bestimmen. Er erfasst nur Dokumente aus Mitgliedstaaten i. S. d. EuErbVO,64 die ob ihres erbrechtlichen Inhalts in den Anwendungsbereich der EuErbVO fallen.65 Gemäß der Legaldefinition des Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO ist eine öffentliche Urkunde „ein Schriftstück in Erbsachen, das als öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft i) sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht und ii) durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist.“ Zwar rekurriert der europäische Verordnungs­ geber insoweit auf die Bestimmung des Begriffs der „öffentlichen Urkunde“ i. S. d. Art.  2 lit.  c Brüssel Ia-VO des EuGH in der Rs.  Unibank66.67 Jedoch bezieht sich das bisherige europäische Begriffsverständnis ausschließlich auf die Vollstreckung öffentlicher Urkunden,68 während die EuErbVO gerade nicht nur die Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden, sondern auch deren Annahme unabhängig von einer Vollstreckung regelt.69 Der Terminus „Schriftstück“ erfasst sowohl Urkunden in Papier- als auch elektronischer Form, die in einem Mitgliedstaat i. S. d. EuErbVO förmlich errichtet oder eingetragen worden sind.70 Auslegungsbedürftig ist der Begriff der „Beweiskraft“. Das Begriffsverständnis ist vor dem Hintergrund seiner grundlegenden Bedeutung gerade auch auf dem Gebiet der Annahme verordnungsautonom und losgelöst von der Partikularität einzelner Sprachfassungen auszulegen.71 Denn der Begriff 63  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  59 Rn.  5; G ­ eimer in Dutta/Herrler, EuErbVO, 143 Rn.  16; C. Schmitz, Annahme, 7 ff., 43. 64 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  41. 65 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  40. 66  EuGH v. 17.6.1999, Unibank, Rs.  C-260/97, Slg. 1999, I-3724 (3725), ECLI:EU:C: 1999:312 Rn.  17. 67  Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 403; S. Godechot-Patris D. 2012, 2462 (IV.); C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  25); Sauberer, FS Bittner 2018, 565 (577); C.  Schmitz, Annahme, 44. 68  C. Schmitz, Annahme, 45. 69 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  47. 70  Sauberer, FS Bittner 2018, 565 (577); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   3 Rn.  38 f. 71  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.   68 (unionsautonome Auslegung); Dörner, FS DNotI 2018, 745 (745, 749); Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 407 ff.; Sauberer, FS Bittner 2018, 565 (577) („autonom auszulegender Begriff“).

112

Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

determiniert Art, Inhalt und Umfang der Wirkungserstreckung i. S. d. Art.  59 Abs.  1 EuErbVO.72 Die Verwendung des Begriffs der „Beweiskraft“ in der deutschen Sprachfassung ist jedoch im Rahmen des Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO zu eng.73 Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO bezieht sich auf tatsächliche Umstände, die Tatbestandsmerkmale einer öffentlichen Urkunde darstellen.74 Die übrigen Sprachfassungen verwenden vor diesem Hintergrund den treffenden Begriff der „Authentizität“.75 Der Begriff der Authentizität ist unionsautonom76 auszulegen (vgl. ErwG 62 S.  1 EuErbVO). Authentizität setzt gerade nicht lediglich die Echtheit und damit eine besondere Beweiskraft voraus, sondern stellt zusätzliche Anforderungen an den Inhalt sowie die Ausstellung der öffentlichen Urkunde.77 Zur Authentizität gehören in formal-prozeduraler Hinsicht die Echtheit der Urkunde, Formerfordernisse, Befugnisse der errichtenden Behörde sowie das Errichtungsverfahren.78 Der Begriff der Authentizität erfasst daneben auch die in der öffentlichen Urkunde beurkundeten Vorgänge wie etwa die Tatsache, dass die genannten Parteien am genannten Tag vor dieser Behörde erschienen sind und die genannten Erklärungen abgegeben haben.79 Die Authentizität muss sich sowohl auf die Unterschrift respektive eine Signatur in elektronischer Form als auch den Inhalt der öffentlichen Urkunde beziehen.80 Die Authentizität muss schließlich durch eine Behörde oder andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden sein (vgl. Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  ii Eu­ErbVO). Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  ii EuErbVO dient der Abgrenzung von öffent­ lichen Urkunden i. S. d. Verordnung und bloßen Privaturkunden.81

72 

407.

73 

Dörner, FS DNotI 2018, 745 (745, 749); Fitchen, The PIL of Authentic Instruments,

Dörner, FS DNotI 2018, 745 (749); Sauberer, FS Bittner 2018, 565 (577). Dörner, FS DNotI 2018, 745 (749). 75  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  68; Sauberer, FS Bittner 2018, 565 (577). 76  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  68; Geimer in Dutta/Herrler, EuErbVO, 143 Rn.  25; Sauberer, FS Bittner 2018, 565 (577). 77  Dörner, FS DNotI 2018, 745 (749). 78  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.   68; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  38 f. 79  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.   68; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  38, 40. 80 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  43. 81  C. Schmitz, Annahme, 45. 74 

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

113

3. Privaturkunde Die Formulierung des Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  ii EuErbVO rekurriert auf die vom EuGH in der Rs.  Unibank82 getroffenen Feststellungen zur Begrifflichkeit der öffentlichen Urkunde in Abgrenzung zur bloßen Privaturkunde.83 Dem Begriff der öffentlichen Urkunde unterfallen folglich Schrift­ stücke in Erbsachen dann nicht, wenn deren Authentizität gerade nicht durch eine Behörde oder eine andere vom Ausstellungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist (vgl. Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  ii ­EuErbVO). Mithin ist die Einordnung eines Schriftstücks in Erbsachen als Privaturkunde negativ über eine Subsumtion unter die Voraussetzungen des Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  ii EuErbVO festzustellen. 4. Résumé Wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen einer Entscheidung i. S. d. EuErbVO und einer öffentlichen Urkunde i. S. d. EuErbVO ist der Umstand, dass letztgenannte allein den Willen der Betroffenen abbildet und gerade nicht Ausdruck eines selbständigen und aktiven Handelns des Gerichts oder einer sonstigen Behörde oder eines Angehörigen eines Rechtsberufs mit Zuständigkeiten in Erbsachen sind.84 Charakteristikum einer Entscheidung ist demgegenüber die aktive Willensbildung sowie die Befugnis zur Schaffung von Rechtsfolgen oder zur Klärung von Rechtsfragen.85 Maßgeblich bei der Abgrenzung einer öffentlichen Urkunde und einer bloßen Privaturkunde ist, dass die Authentizität des Schriftstücks in Erb­ sachen durch eine Behörde oder eine andere vom Ausstellungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist (vgl. Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  ii EuErbVO).

III. Verordnungsautonome Qualifikation der MNZ Nach welchem Regime der EuErbVO die MNZ innerhalb der Mitgliedstaaten der EuErbVO zirkulieren können, ist verordnungsautonom zu bestimmen.86 Den Art.  39 ff. EuErbVO unterliegen MNZ nur dann, wenn sie dem 82  EuGH v. 17.6.1999, Unibank, Rs.  C-260/97, Slg. 1999, I-3724 (3725), ECLI:EU:C: 1999:312 Rn.  12 ff. 83  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  3 Rn.  64. 84  „semi-passiv[es]“ Handeln, vgl. Kunz GPR 2019, 34 (39). 85  Kunz GPR 2019, 34 (39). 86  C. Schmitz, Annahme, 84.

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Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

Begriff der „Entscheidung“ des Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO unterfallen. Sie wären dann gemäß Art.  39 Abs.  1 EuErbVO – vorbehaltlich des Eingreifens eines Nichtanerkennungsgrundes i. S. d. Art.  40 EuErbVO – in anderen Mitgliedstaaten als dem Ursprungsmitgliedstaat ipso iure anzuerkennen. Unterfallen MNZ indes allein dem Begriff der „öffentlichen Urkunde“, ist Art.  59 EuErbVO maßgeblich, der die Annahme öffentlicher Urkunden regelt. Unterfallen MNZ weder dem einen noch dem anderen vorgenannten Begriff, kommt weder eine Anerkennung nach den Art.  39 ff. EuErbVO noch eine Annahme i. S. d. Art.  59 Abs.  1 EuErbVO des dann als bloße Privaturkunde zu qualifizierenden Schriftstücks in Erbsachen in Betracht.87 Die Qualifikation der MNZ, insbesondere im Rahmen des Anerkennungs- bzw. des Annahmerechts der EuErbVO, ist umstritten. Die Ansicht, wonach der europäische Verordnungsgeber die MNZ weder von Art.  59 ­EuErbVO bzw. den Art.  39 ff. EuErbVO habe erfassen wollen,88 wird bereits durch die Materialien zur EuErbVO widerlegt;89 auch der EuGH hat dieser Auffassung zwischenzeitlich eine klare Absage erteilt.90 Teile des Schrifttums wollen MNZ als „öffentliche Urkunde“ qualifizieren (1.), andere die Einordnung anhand des nationalen Erteilungsverfahrens des jeweiligen MNZ vornehmen (2.). 1. Einordnung als öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO Teilweise wird vertreten, die MNZ seien als öffentliche Urkunde gemäß Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO zu qualifizieren.91 So möchte die EuErbVO die Annahme und Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden in einer Erbsache in sämtlichen Mitgliedstaaten gewährleisten, um den in den Mitgliedstaaten be­ stehenden verschiedenen Systemen der Regelung von Erbsachen Rechnung zu tragen (vgl. ErwG 60 EuErbVO). ErwG 22 EuErbVO sieht den Ver­kehr öffentlicher Urkunden gerade für solche Urkunden vor, die nicht nach Art.  39 ff. EuErbVO anerkannt werden, sondern nach Art.  59 Eu­ErbVO in den Mitgliedstaaten der EuErbVO zirkulieren können. Die Regelungen der 87 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  3 Rn.  17. Vgl. mit Blick auf Art.  59 EuErbVO etwa Buschbaum, FS Martiny 2014, 259 (266 ff.); Dorsel/Schall GPR 2015, 36 (37 f.); Lange ErbR 2016, 58 (62); S. D. J. Schmitz RNotZ 2017, 269 (270 f.). 89  Vgl. Dok. 15246/10, 2; Stellungnahme CNUE Dok. 6421/11, 3. 90  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  66 ff., Rn.  72; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  80. 91 So etwa Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (737, 739, 783); GKKW IntErbR/­ Köhler Teil  1 §  6 Rn.  2; NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  39 Rn.  5, Art.  59 Rn.  4; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Mansel EuErbVO, Art.  59 Rn.  19 ff.; Schärtl in jurisPK-­ BGB, EuErbVO, Art.  59 Rn.  2; Wall ZErb 2015, 9 (13); C. Schmitz, Annahme, 95 ff. 88 

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

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Art.  39 ff. EuErbVO passten nicht auf MNZ,92 seien diese doch weder nach Art.  39 ff. EuErbVO anerkennungsfähig noch nach Art.  43 ff. EuErbVO vollstreckbar. Ob MNZ gemäß Art.  39 ff. EuErbVO anerkannt werden können, richte sich danach, ob diesen anerkennungsfähige prozessuale Wirkungen zuerkannt werden können.93 Im Rahmen einer Anerkennung sei hinsichtlich MNZ die materielle Rechtskraft maßgeblich.94 Mit Ausnahme der Einantwortungsurkunde des österreichischen Rechts sind die MNZ sämtlich nicht letztverbindlich.95 Weder die deutschen noch die französischen nationalen Nachlasszeugnisse entfalten materielle Rechtskraftwirkung96 im Sinne deutscher Dogmatik. Die Vertreter dieser Ansicht führen weiter an, dass die Anerkennung sich  – selbst wenn die Art.  39 ff. EuErbVO auf die MNZ anwendbar wären  – auf die verfahrensrechtlichen Wirkungen des in Rede stehenden Nachlasszeugnisses beschränken würde.97 Da die meisten MNZ weder der materiellen Rechtskraft fähig sind noch Gestaltungswirkungen entfalten, wäre eine Anerkennung der MNZ wirkungsleer.98 Anders als die Art.  39 ff. EuErbVO würden hingegen die Regelungen des Art.  59 EuErbVO auf MNZ passen.99 So differenziere Art.  59 EuErbVO zwischen der formellen Beweiskraft öffentlicher Urkunden, deren Authentizität und der in einer Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse.100 Entscheidend für eine Qualifikation der MNZ als öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO spreche jedoch die Gleich­ behandlung der unterschiedlichen MNZ.101 Würden die von einem Gericht in einem potenziell kontradiktorischen Verfahren ausgestellten Nachlasszeugnisse dem Entscheidungsbegriff unterfallen, würden allein diese gemäß 92 So etwa Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (737, 739, 783); GKKW IntErbR/­ Köhler Teil  1 §  6 Rn.  2; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Mansel EuErbVO, Art.  59 Rn.  19 ff.; Schärtl in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  59 Rn.  2. 93  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  62 Rn.  1. 94 Vgl. noch zum Kommissionsvorschlag Hess/Jayme/Pfeifer, Stellungnahme zum Vor­­schlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung Version 2009/157 (COD) vom 16.1.­ 2012, Themenpapier, PE 462.430 (DE), 47 (dort Fn.  168). 95  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 305. 96  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 305. 97  Dörner DNotZ 2018, 661 (685 f.); Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (731); NKBGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  39 Rn.  5. 98  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  39 Rn.  5. 99  C. Schmitz, Annahme, 95 ff. 100  C. Schmitz, Annahme, 93. 101  C. Schmitz, Annahme, 94.

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Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

den Art.  39 ff. EuErbVO innerhalb der Mitgliedstaaten zirkulieren. Die anderen MNZ würden indessen der Annahme nach Art.  59 EuErbVO unterliegen.102 Folglich entfalteten einige nationale Nachlasszeugnisse ihre Wirkungen nach den Art.  39 ff. EuErbVO und andere nach Art.  59 EuErbVO.103 Eine derartige Ungleichbehandlung würde sich indes in Widerspruch zum Bestreben des europäischen Verordnungsgebers setzen, eine rechtssichere Nachlassabwicklung auch in grenzüberschreitenden Erbfällen zu ermög­ lichen.104 2. Einordnung anhand des nationalen Erteilungsverfahrens Andere Teile des Schrifttums wollen jedenfalls MNZ „die in einem justizförmigen Verfahren mit Anhörung der Beteiligten vor einem Gericht (i. S. d. [Art.  3] Abs.  2) ausgestellt werden, das in einem potenziell kontradiktorischen Verfahren ‚kraft seines Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet‘“ dem Entscheidungsbegriff des Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO unterstellen.105 Zunächst entspreche die Einordnung solcher gerichtlicher MNZ als Entscheidung106 der Ratio der EuErbVO. Der Begriff der Entscheidung ist im Rahmen der EuErbVO extensiv auszulegen.107 So ist die Legaldefinition bewusst weit formuliert, da sie die Bezeichnung ausdrücklich für irrelevant erklärt und explizit auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse miteinbezieht.108 Das Bedürfnis nach einer extensiven Auslegung des Entscheidungsbegriffs der EuErbVO ergibt sich ferner aus der Systematik und den Zielen der ­EuErbVO.109 Die EuErbVO etabliert in ihren Art.  39 ff. ein grundsätzliches System der gegenseitigen Anerkennung, die nur in eng begrenzten Fällen 102 

C. Schmitz, Annahme, 94. C. Schmitz, Annahme, 95. 104  C. Schmitz, Annahme, 100. 105 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   3 Rn.   17; Deixler-Hübner/Schauer/Deixler-­ Hübner/Schauer EuErbVO, Art.   3 Rn.   37; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/M. Weller ­EuErbVO, Art.  3 Rn.  13. 106  So etwa MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  3 Rn.  17; Eichel in jurisPK-BGB, Eu­ ErbVO, Art.   3 Rn.   10; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   59 Rn.   12.1; Bonomi/­ Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  3 Nr.  36, Art.  59 Nr.  6; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/ M. Weller EuErbVO, Art.  3 Rn.  13. 107  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  3 Rn.  41; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  30. 108  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  3 Rn.  41; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  30. 109 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  30. 103 

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

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versagt werden kann und im Rahmen derer eine révision au fond verboten ist.110 Dieses System würde ausgehebelt, erfolgte eine restriktive Auslegung des Begriffs der Entscheidung i. S. d. EuErbVO oder würde gar auf die Besonderheiten des jeweiligen nationalen Rechts abgestellt.111 Die materiell-rechtlichen Wirkungen gerichtlicher MNZ seien nach Art.  39 Abs.  1 EuErbVO ipso iure in einem anderen Mitgliedstaat zu er­ strecken.112 So sei entscheidend für das Vorliegen einer Entscheidung i. S. d. EuErbVO die Einordnung der ausstellenden Stelle als Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO sowie ein potenziell kontradiktorisches Verfahren.113 Dies gelte auch dann, wenn nach dem nationalen Verfahrensrecht des Ursprungsstaats zwischen dem eigentlichen Nachlasszeugnis und der diesem zugrunde liegenden Entscheidung differenziert wird.114 Gerichtliche MNZ als Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO zu qualifizieren und dem Anerkennungsregime der Art.  39 ff. EuErbVO zu unterwerfen scheitere zudem nicht am Fehlen einer materiellen Rechtskraft im Rahmen der Anerkennung.115 Das Vorliegen einer anerkennungsrecht­ lichen Entscheidung werde nicht allein über die Rechtskraft i. S. e. letztverbindlichen Entscheidungsbefugnis determiniert, vielmehr sei gerade bezüglich unstreitiger Maßnahmen das aktive und selbständige Schaffen von Rechtslagen oder Rechtsfolgen entscheidend.116 Einer unstreitigen Maßnahme in Erbsachen – wie etwa ein MNZ – könne vor diesem Hintergrund nicht allein aufgrund fehlender Rechtskraft die Einordnung als Entscheidung i. S. d. Art.  39 ff. EuErbVO versagt werden.117 Nicht dem Entscheidungsbegriff der EuErbVO, sondern dem Begriff der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO unterfielen indes MNZ, die „allein aufgrund des Betreibens eines Beteiligten ergehen, ohne dass bei Widersprüchen anderer Beteiligter die ausstellende Stelle über das streitige Erbrecht für die Zwecke des Erbnachweises entscheidet.“118 Angesichts des Umstands, dass die für Nachlasszeugnisse überragend wichtige Beweiswirkung nichtgerichtlicher MNZ nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO in einen anderen Mitgliedstaat erstreckt wird und dieser im Zweitstaat ledig110 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  30. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  30. 112 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17; Art.  39 Rn.  2; Kunz GPR 2019, 34 (37). 113 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17; Art.  39 Rn.  2. 114 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17. 115 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  39 Rn.  2. 116  Kunz GPR 2019, 34 (38 f.). 117  Kunz GPR 2019, 34 (38 f.). 118 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17. 111 BeckOGK/J.

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Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

lich der ordre public-Einwand i. S. d. Art.  60 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO entgegenstehen kann, komme es auch nicht zu einer Ungleichbehandlung zwischen den unterschiedlichen MNZ.119 Die EuErbVO ermögliche dadurch allen MNZ eine grenzüberschreitende Zirkulation innerhalb der Mitgliedstaaten der EuErbVO.120 3. Stellungnahme Eine Einordnung anhand des nationalen Erteilungsverfahrens überzeugt. MNZ, die von einem Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO ausgestellt werden, das „ausgehend von einer eigenständigen Willensbildung (…) heraus eine Rechtsfrage geklärt oder eine Rechtslage geschaffen hat“,121 sind als Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO zu qualifizieren. Dem Begriff der öffentlichen Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO hingegen unterfallen nichtgerichtliche MNZ, die „allein aufgrund des Betreibens eines Beteiligten ergehen, ohne dass bei Widersprüchen anderer Beteiligter die ausstellende Stelle über das streitige Erbrecht für die Zwecke des Erbnachweises entscheidet.“122 Ergeben sich Nachweiswirkungen aus einem MNZ, dessen Authentizität weder von einer öffentlichen Ausstellungsstelle noch von einer anderen vom Ausstellungsstaat hierzu ermächtigten Stelle festgestellt wurde, ist das betreffende MNZ als Privaturkunde einzuordnen.123 Im Wesentlichen wird gegen eine Qualifizierung gerichtlicher MNZ als Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO angeführt, dass deren Anerkennung mangels anerkennungsfähiger verfahrensrechtlicher Wirkungen „wirkungsleer“ wäre und derartige Nachlasszeugnisse weit überwiegend materieller Rechtskraft nicht fähig seien.124 Hiergegen ist vor allem der unionsautonom weit125 und genuin erbverfahrensrechtlich zu verstehende Entscheidungsbegriff vorzubringen.126 Die Art.  39 ff. EuErbVO beruhen auf dem Vorbild der Regelungen der Brüssel 119 

Mankowski ErbR 2020, 715 (717). Mankowski ErbR 2020, 715 (717). 121  Kunz GPR 2019, 34 (38). 122 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17. 123 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17. 124  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  39 Rn.  5; C. Schmitz, Annahme, 100 ff. (insbes. 103). 125 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17; NK-BGB Bd.  6/Looschelders EuErbVO, Art.  3 Rn.  22; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  30. 126  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8. 120 

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

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I(a)-VO, deren im Vergleich zur EuErbVO divergierender Kontext jedoch im Rahmen der Auslegung des Entscheidungsbegriffs der EuErbVO zu ­berücksichtigen ist. Der Entscheidungsbegriff der EuErbVO mag zwar im Ausgangspunkt auf dem Entscheidungsbegriff der Brüssel I(a)-VO beruhen, muss jedoch bereits insoweit vom Begriff der Entscheidung i. S. d. Brüssel I(a)-VO abgelöst werden, als im Rahmen der EuErbVO Entscheidungen in Erbsachen „unabhängig davon, ob solche (…) in streitigen oder nichtstreitigen Verfahren ergangen sind“ in den anderen Mitgliedstaaten der EuErbVO nach den Art.  39 ff. EuErbVO anerkannt und vollstreckt werden sollen (vgl. ErwG 59 EuErbVO).127 Dennoch sind die Art.  39 ff. EuErbVO  – nach dem Vorbild der Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen i. S. d. Brüssel I(a)-VO – allein auf streitige Verfahren zugeschnitten.128 Die Brüssel I(a)-VO ist „in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt (vgl. Art.  1 Abs.  1 S.  1 Brüssel I(a)-VO). Der Entscheidungsbegriff der Brüssel I(a)-VO wird ganz wesentlich dadurch determiniert, dass auf den Urheber einer Maßnahme abgestellt wird, dem die Wahrung der Gewährung recht­lichen Gehörs obliegt, handelt es sich bei Zivil- und Handelssachen i. S. d. Brüssel I(a)-VO doch regelmäßig um streitige Angelegenheiten zwischen Privatpersonen, deren Auflösung den Gerichten obliegt.129 Im Anwendungsbereich der EuErbVO sind jedoch Erbverfahrensrecht und materielles Erbrecht eng verwoben.130 Vor diesem Hintergrund ist die Wirkungs­erstreckung i. R. d. Art.  39 Abs.  1 EuErbVO weit zu verstehen.131 Würde in diesem Zusammenhang der Begriff der Rechtskraft verordnungsautonom i. S. d. ne bis in idem-­ Grundsatzes verstanden, würden sämtliche unstreitigen erbrechtlichen Maß­nahmen aus dem Anwendungsbereich der Art.  39 ff. EuErbVO aus­ gekegelt.132 Dies widerspräche indes den Zielen des europäischen Verordnungsgebers, auch unstreitige Maßnahmen dem Anerkennungs- und Vollstreckungsregime der Art.  39 ff. EuErbVO zu unterwerfen (vgl. ErwG 20 S.  1 EuErbVO).133 Telos der Art.  39 ff. EuErbVO ist gerade die Freizügigkeit gerichtlicher Maßnahmen in Erbsachen.134 Nicht die Letztverbindlichkeit 127 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  56; Kunz GPR 2019, 34. Kunz GPR 2019, 34. 129  Kunz GPR 2019, 34. 130  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8. 131  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8. 132  Kunz GPR 2019, 34. 133  Kunz GPR 2019, 34. 134  Kunz GPR 2019, 34 (36). 128 

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Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

der Entscheidungsmacht, sondern die Gestaltungswirkung charakterisiert bei unstreitigen Maßnahmen funktionell gerichtliches Tätigwerden.135 Folglich ist danach zu fragen, ob die ausstellende Stelle im Rahmen der Erteilung eines MNZ „ausgehend von einer eigenständigen Willensbildung (…) heraus eine Rechtsfrage geklärt oder eine Rechtslage geschaffen hat“.136 Im Übrigen sind nicht alle Entscheidungen i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g ­EuErbVO vollstreckbar und unterfallen dennoch dem Entscheidungsbegriff.137 Eine Einordnung der MNZ allein aufgrund des nicht nach Art.  43 ff. Eu­ErbVO vollstreckbaren Inhalts abzulehnen, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Zuletzt wollte der europäische Verordnungsgeber mit der Einführung ­eines ENZ die MNZ gerade nicht auf eine reine Inlandszirkulation be­ schränken.138 Ihre materiell-rechtlichen Wirkungen sind nach Art.  39 Abs.  1 ­Eu­ErbVO im mitgliedstaatlichen Ausland anzuerkennen. MNZ, die Entscheidungen i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO sind, können also mit dem ENZ in Freizügigkeitskonkurrenz treten.139 4. Résumé Abhängig vom nationalen Erteilungsverfahrens eines MNZ ist festzustellen, ob ein solches dem Anerkennungsregime der Art.  39 ff. EuErbVO oder dem Annahmeregime der Art.  59 f. EuErbVO untersteht.140 MNZ sind folglich als Entscheidungen i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO gemäß Art.  39 ff. EuErbVO anzuerkennen, nach Art.  59 EuErbVO als öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO anzunehmen141 oder als Privat­urkunden kollisionsrechtlich zu berücksichtigen.

135 

Kunz GPR 2019, 34 (38). Kunz GPR 2019, 34 (38). 137  C. Schmitz, Annahme, 91. 138  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8. 139  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  7. 140 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   3 Rn.  17; Dutta/Weber/J. P. Schmidt IntErbR, Art.  3 EuErbVO Rn.  8 ff. 141  Zur Einordnung der betrachteten MNZ als anerkennungsrechtlich relevante Entscheidung bzw. annahmerechtlich relevante öffentliche Urkunde vgl. unten Kapitel  5 D. II. 2. b) bb). 136 

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

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IV. Grundprinzip und Reichweite der Anerkennung nach Art.  39 ff. EuErbVO Die Anerkennung erfolgt gemäß Art.  39 Abs.  1 EuErbVO ipso iure, ohne dass es hierfür einer Registrierung bedarf oder dass ein sonstiges besonderen Verfahren durchlaufen werden muss.142 Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der EU bildet Grundlage und Ratio dieser Vorschrift.143 Die Anerkennungsversagungsgründe des Art.  40 EuErbVO werden erst in einem Rechtsbehelfsverfahren (Art.  39 Abs.  2, 50, 51 EuErbVO [selbständig anzuerkennende Entscheidungen]; Art.  50, 51 EuErbVO [vollstreckbare Ent­scheidungen])144 – auf Einrede145 hin (argumentum ex Art.  48 S.  1 ­Eu­ErbVO146) – überprüft. Folglich wird die ausländische Entscheidung in allen anderen Mitgliedstaaten i. S. d. EuErbVO im selben Zeitpunkt wirksam, in dem sie im Ursprungsstaat wirksam wird.147 Die Anerkennung erfasst die materielle Rechtskraft,148 die Präklusionswirkung,149 die Gestaltungswirkung150 sowie die prozessualen Drittwirkungen151 einer Entscheidung. Hinsichtlich der materiellen Rechtskraft determiniert somit allein das Recht des Ursprungsstaats die objektiven und subjektiven Grenzen.152 Der europäische Verordnungsgeber hat sich auch im Rahmen der EuErbVO einer Definition der Anerkennung enthalten. Im europäischen Interna142 

A. Boiché JCP N 15 (2013) 1084 (Nr.  7); Meller-Hannich ZVglRWiss 119 (2020), 254 (258); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  4, Rn.  6. 143 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  4. 144  Vgl. allgemein hierzu Meller-Hannich ZVglRWiss 119 (2020), 254 (258); zur Eu­ Erb­VO vgl. Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  40 Rn.  2, die jedoch von einer amtswegigen Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe ausgeht. 145  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  1; Pamboukis/Pamboukis EuErbVO, Art.  40 Rn.  3; Bonomi/Wautelet/Pretelli EuErbVO, Art.  40 Nr.  4; BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  8. A.A (Prüfung von Amts wegen): Hertel in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  V, EuErbVO, Art.  40 Rn.  3; Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europä­ isches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  40 Rn.  2; Schärtl in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  40 Rn.  3. 146  So darf auch nach Art.  48 S.  1 EuErbVO eine Prüfung nach Art.  40 EuErbVO im Vollstreckbarkeitsverfahren erster Instanz nicht erfolgen; nichts anderes kann für die Anerkennung gelten, vgl. BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  8. 147  A. Boiché JCP N 15 (2013) 1084 (Nr.  7); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  7. 148 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  10. 149 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  12. 150 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  13. 151 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  14. 152 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  10.

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Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

tionalen Zivilprozessrecht hat sich für den Begriff der Anerkennung nach ganz h. M.153 die Theorie der Wirkungserstreckung etabliert. Hiernach kommen der ausländischen Entscheidung im Inland grundsätzlich die gleichen rechtlichen Wirkungen zu wie im Ursprungsstaat.154

V. Annahme nach Art.  59 EuErbVO Gemäß Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO entfaltet eine öffentliche Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat i. S. d. EuErbVO die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern dies dem ordre public des betreffenden Mitgliedstaats nicht offensichtlich widersprechen würde. Die Beweiskraft einer ­öffentlichen Urkunde ist – neben ihrer Vollstreckbarkeit und ihren materiell-­ rechtlichen Wirkungen – eine der zentralen Wirkungen, die öffentlichen Urkunden zukommt.155 1. Einordnung des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm Wird eine öffentliche Urkunde i. S. d. EuErbVO einem Gericht, einer Behörde oder einer sonstigen zuständigen Stelle eines Mitgliedstaats vorgelegt, die aus einem anderen Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) stammt, muss die öffentliche Urkunde nach Art.  59 EuErbVO „angenommen“ werden, sofern nicht der ordre public-Vorbehalt der Bestimmung eingreift.156 Rechts153 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  9; vgl. zu Art.  33 Brüssel I-VO, auf dessen Vorbild Art.  39 EuErbVO beruht: EuGH v. 28.4.2009, Apostolides, Rs C-420/07, ECLI:EU:C:2009:271 Rn.  66; EuGH v. 15.11.2012, Gothaer Allgemeine Versicherung AG u. a./Samskip GmbH, Rs.  C-456/11, ECLI:EU:C:2012:719 Rn.  34; Simons/Hausmann/ Teixeira de Sousa/Hausmann Brüssel I-VO, Art.  33 Rn.  20; zu Art.  36 Brüssel Ia-VO: MüKoZPO/Gottwald Brüssel Ia-VO, Art.  36 Rn.  12; Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  36 Rn.  4. Eine a. A. will der ausländischen Entscheidung indes nur die gleichen Wirkungen wie einer entsprechenden Entscheidung im Anerkennungsstaat zubilligen (sog. Theorie der Wirkungsgleichstellung), vgl. etwa BGH NJW 1983, 514 (515); wiederum eine a. A. geht zwar von einer grundsätzlichen Wirkungserstreckung aus, „deckelt“ jedoch die Wirkungen der ausländischen Entscheidungen mit den Wirkungen einer entsprechenden Entscheidung nach dem Recht des Anerkennungsstaats (sog. Kumulationstheorie), vgl. etwa OLG Frankfurt a. M. NJW 1986, 1443. 154 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  8 f. 155  C. Schmitz, Annahme, 110. Unter dem Gesichtspunkt der nationalen Rechtsordnungen der europäischen Mitgliedstaaten vgl. Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 28 ff. (zur Beweiskraft), 30 ff. (zur Vollstreckbarkeit). 156  D. Damascelli Rev. crit. DIP 2013, 425; Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 407.

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

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folge des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO ist die Anwendung der Rechtsordnung des Ursprungsmitgliedstaats.157 Durch die Anwendung des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats werden Art und Umfang der formellen Beweiskraft – als Anknüpfungsgegenstand des Art.  59 EuErbVO158 – der öffentlichen Urkunde bestimmt.159 Die Art der formellen Beweiskraft erfasst speziell die Frage, ob der durch die Urkunde erbrachte Beweis widerleglich ist und wenn ja, durch welche Beweismittel oder ob etwa gegen den durch die Urkunde erbrachten Beweis nur der Nachweis der Fälschung zulässig ist.160 Der Umfang umfasst unter anderem den Bezugspunkt der Beweiskraft (Inhalt der Erklärung, Vollständigkeit der Erklärung, Abgabe der Erklärung vor der beurkundenden Stelle, Herrühren der Urkunde von der namentlich bezeichneten Person).161 Die formelle Beweiskraft ist verfahrensrechtliche Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde, weshalb zur Bestimmung der formellen Beweiskraft das nationale Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats anzuwenden ist.162 Folglich wird Art.  59 Abs.  1 EuErbVO zu Recht als verfahrensrecht­ liche Kollisionsnorm verstanden.163 2. Wirkungserstreckung Im europäischen Internationalen Zivilprozessrecht gilt für die Anerkennung von Entscheidungen nach h. M.164 der Grundsatz der Wirkungserstreckung. 157 

Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 407 f. Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 385; Mansel, FS Kohler 2018, 301 (305 f.); C. Schmitz, Annahme, 118. 159  Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 407 f.; Mansel, FS Kohler 2018, 301 (305 f.); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  17. 160  Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 409 f.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  18. 161  Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 407 f.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  19. 162  Bauer, GS Unberath 2015, 19 (32 f.); Mansel, FS Kohler 2018, 301 (305 f.); O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  74; C. Schmitz, Annahme, 118. 163  Zur dogmatischen Einordnung des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO vgl. Bauer, GS Unberath 2015, 19 (28 ff.); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  59 Rn.  1; Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 411; Fitchen J Priv Int L 8 (2012), 323 (356); Mansel, FS Kohler 2018, 301 (305 f.); O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  74; C. Schmitz, Annahme, 113 ff. 164  Dörner, FS DNotI 2018, 745 (746); Mansel, FS Kohler 2018, 301 (308); BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  39 Rn.  9; vgl. zu Art.  33 Brüssel I-VO, auf dessen Vorbild Art.  39 EuErbVO beruht: EuGH v. 28.4.2009, Apostolides, Rs.  C-420/07, ECLI:EU:C:2009: 271 Rn.  66; EuGH v. 15.11.2012, Gothaer Allgemeine Versicherung AG u. a./Samskip GmbH, Rs.  C-456/11, ECLI:EU:C:2012:719 Rn.  34; Simons/Hausmann/Teixeira de Sousa/ 158 

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Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

Ob dieser Grundsatz gleichsam für die Beweiskraft öffentlicher Urkunden gilt, ist umstritten. Nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO ist für die formelle ­Beweiskraft mitgliedstaatlicher öffentlicher Urkunden das Recht des Ur­ sprungs­mitgliedstaats maßgeblich. Hieraus folgert ein Teil des Schrifttums, dass für die Beweiswirkungen öffentlicher Urkunden ebenfalls der Grundsatz der Wirkungserstreckung greife.165 Folglich könne die im Recht des Ausstellungsstaats vorgesehene Beweiskraft im Verwendungsstaat durchaus auch über die dort vorgesehenen Beweiswirkungen hinausgehen respektive dahinter zurückbleiben.166 Der Passus „am ehesten vergleichbare Wirkung“ beziehe sich auf die Situation, in denen das Recht des Ursprungsmitgliedstaats der öffentlichen Urkunde eine formelle Beweiskraft zuschreibt, die im Recht des Annahmemitgliedstaats unbekannt ist.167 Der ausländischen öffentlichen Urkunde wäre dann im Rahmen des inländischen Verfahrensrechts ein demjenigen nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats möglichst funktional äquivalenter Effekt beizumessen168; mithin sei eine Art „Anpassung“ vorzunehmen.169 Andere wollen dem Wortlaut des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO eine Kumulation i. S. e. „Doppelbegrenzung der formellen Beweiskraftwirkungen nach dem Recht des Ursprungs- und des Annahmemitgliedstaats“ entnehmen.170

Hausmann Brüssel I-VO, Art.  33 Rn.  20; zu Art.  36 Brüssel Ia-VO: MüKoZPO/Gottwald Brüssel Ia-VO, Art.  36 Rn.  12; Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  36 Rn.  4. 165  Bauer, GS Unberath 2015, 19 (32); Dörner, FS DNotI 2018, 745 (746); Müller-­ Lukoscheck, EuErbVO, §  2 Rn.  307; O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  74 f.; Péroz/Fongaro, Droit international privé patrimonial de la famille, Nr.  77 („La seule condition pour qu’un acte authentique émanant d’un État membre produise une force probante dans un autre État membre est sa non-contrariété avec l’ordre public“), Nr.  78; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  21 f. 166  Bauer, GS Unberath 2015, 19 (32); Dörner, FS DNotI 2018, 745 (746); BeckOGK/­ J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  21 f. 167  Müller-Lukoscheck, EuErbVO, §   2 Rn.   307; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  22. 168  Müller-Lukoscheck, EuErbVO, §   2 Rn.   307; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  22. 169 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  22. 170  Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (43); Geimer in Dutta/Herrler, EuErbVO, 143 Rn.  34 f.; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (739, 742); P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  41 „La force probante de l’acte dans l’Etat d’origine et ses effets sont reconnus dans les autres Etats membres, sous la réserve de l’ordre public et des adaptations nécessaires“); Simon/Buschbaum NJW 2012, 2393 (2397); in diese Richtung wohl auch D. Damascelli Rev. crit. DIP 2013, 425.

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

125

Im Wesentlichen ist daher die nunmehr durch Urteil des EuGH in der Rs.  Apostolides171 zugunsten einer Wirkungserstreckung entschiedene Diskussion um die Anerkennung von Entscheidungen für die Annahme öffentlicher Urkunden neu entbrannt.172 Auch für Art.  59 EuErbVO ist i. S. d. erstgenannten Auffassung das System der Wirkungserstreckung anzunehmen: Wäre die formelle Beweiskraftwirkung einer öffentlichen Urkunde nur in den Grenzen der lex fori grenzüberschreitend zu beachten,173 verlöre der ordre public-Vorbehalt des Art.  59 EuErbVO weitgehend seine Funktion.174 Denn die formelle Beweiskraftwirkung nach der lex fori stellte ohnehin bereits die Obergrenze dar, sodass die Reichweite der Beweiskraft als solche mit der einer vergleichbaren inländischen öffentlichen Urkunde konvergierte.175 Überhaupt denkbar wäre daher allein ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public, wenn also die ausländische öffentliche Urkunde auf eine Art und Weise zustande gekommen ist, die mit dem ordre public des Verwendungsmitgliedstaates offensichtlich unvereinbar ist.176 Eine bloße Gleichstellung mit inländischen öffentlichen Urkunden widerspräche zudem der Ratio des Art.  59 EuErbVO.177 So soll sich die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde grundsätzlich gerade nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats richten und die Urkunde mit dieser Beweiskraft dann unter den Mitgliedstaaten frei verkehren (vgl. ErwG 61 S.  3 EuErbVO).178 Art.  59 Abs.  1 EuErbVO erstreckt vor diesem Hintergrund die Wirkungen der formellen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde auf den Verwendungsmitgliedstaat – die Bestimmung stellt sie nicht lediglich mit inländischen öffentlichen Urkunden gleich. Nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO determiniert das Recht des Ursprungsmitgliedstaats die formelle Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde.179

171 

EuGH v. 28.4.2009, Apostolides, Rs C-420/07, ECLI:EU:C:2009:271 Rn.  66. Dörner, FS DNotI 2018, 745 (746, dort Fn.  6). 173 So etwa Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.   59 Rn.  13 ff. 174  Bauer, GS Unberath 2015, 19 (32); weitergehend: Dutta FamRZ 2013, 4 (14) („besäße […] der ordre-public-Vorbehalt […] keine Funktion); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  21 („Dies würde auch dazu führen, dass der Ordre-public-Vorbehalt jegliche Funktion verlöre“). 175  Dutta FamRZ 2013, 4 (14); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  21. 176  Bauer, GS Unberath 2015, 19 (32). 177 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  1. 178  Bauer, GS Unberath 2015, 19 (32); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  1. 179  Mansel, FS Kohler 2018, 301 (305 f.). 172 

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Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

Anders noch vor Geltungsbeginn der EuErbVO: Trotz Vorliegen eines Echtheitsnachweises der Legalisation oder Apostille war für die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde die jeweilige lex fori maßgeblich.180 Wird nun eine öffentliche Urkunde i. S. d. EuErbVO in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat vorgelegt, muss die entsprechende Behörde oder das entsprechende Gericht des Annahmemitgliedstaats die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde beachten, ohne dass es einer Zwischenentscheidung oder Bestätigung hierüber bedarf.181 Die Rechtsfolge des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO tritt ipso iure ein.182 Einer öffentlichen Urkunde deutschen Rechts kommt in einem Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat mithin ipso iure die Beweiskraft des §§  415, 418 ZPO zu,183 einer öffent­ lichen Urkunde französischen Rechts diejenige des Art.  1371 C. civ.184.185 Der Begriff der Wirkungserstreckung ist jedoch in Art.  59 Abs.  1 EuErbVO hinsichtlich seines Gegenstandes keineswegs parallel zur Anerkennung nach Art.  39 ff. EuErbVO, meint er doch gerade keine verfahrensrechtliche oder kollisionsrechtliche Anerkennung öffentlicher Urkunden.186 Der Begriff der Wirkungserstreckung ist im Rahmen des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO darauf beschränkt, dass die formellen Beweiswirkungen der öffentlichen Urkunde im grenzüberschreitenden Verkehr nach dem Recht ihres Ursprungsmitgliedstaats zu bestimmen und anschließend auf den Annahmestaat zu erstrecken sind.187 3. Reichweite der Wirkungserstreckung im Rahmen des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO Im europäischen IPR ist bei einer öffentlichen Urkunde zwischen ihrem instrumentum einerseits und ihrem negotium andererseits zu differenzieren.188 Instrumentum ist der Urkundsmantel, dem hinsichtlich des durch die Ur180 MüKoBGB/Spellenberg

EGBGB, Art.  11 Rn.  55. Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Mansel EuErbVO, Art.  59 Rn.  30. 182  Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Mansel EuErbVO, Art.  59 Rn.  30. 183  Bauer, GS Unberath 2015, 19 (32). 184  Art.  1371 C. civ. lautet: „L’acte authentique fait foi jusqu’à inscription de faux de ce que l’officier public dit avoir personnellement accompli ou constaté. (Abs.  1) En cas d’inscription de faux, le juge peut suspendre l’exécution de l’acte (Abs.  2)“. 185  Bauer, GS Unberath 2015, 19 (32), der jedoch noch auf die Vorgängervorschrift des Art.  1371 C. civ., Art.  1319 C. civ. a. F., verweist. 186  C. Schmitz, Annahme, 138 f. 187  C. Schmitz, Annahme, 139. 188  P. Callé in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 45 (45  ff.); Fitchen J Priv Int L 8 (2012), 323 (344); Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 28 ff.; S.  Godechot-­Patris D. 2012, 2462 (IV.); Mansel, FS Kohler 2018, 301 (302); P. Pasqualis, Le 181 

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

127

kundsperson beurkundeten tatsächlichen Vorgangs Beweiskraft anhaftet.189 Im deutschen Beweisrecht wird insoweit der Begriff der formellen Beweiskraft verwendet.190 Demgegenüber beschreibt das negotium „die in einer öffentlichen Urkunde beurkundeten Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse“ (vgl. Art.  59 Abs.  3 S.  1 EuErbVO).191 Allein die deutsche Sprachfassung des Art.   59 Abs.   1 EuErbVO beschränkt die Annahme ausdrücklich auf die „formelle Beweiskraft“. So lautet etwa die französische Sprachfassung des Abs.  1 „force probante“ respektive die englische Sprachfassung „evidentiary effects“. Die französische Sprachfassung verwendet den Begriff „force probante“ in Abgrenzung etwa zur „efficacité substantielle“192, die die materielle Richtigkeit des Urkunden­ inhalts betrifft. Angesichts der Entstehungsgeschichte des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO erscheint der Zusatz „formelle“ in der deutschen Sprachfassung durchaus berechtigt. So sprach der Kommissionsentwurf193 – anders als nun Art.  59 Abs.  1 EuErbVO – noch von einer Anerkennung öffentlicher Urkunden: „die in einem Mitgliedstaat aufgenommenen öffentlichen Urkunden werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt“ (vgl. Art.   34 EuErbVO-E). Art.  59 Abs.  1 EuErbVO stellt nicht nur terminologisch, sondern auch strukturell eine Abkehr von Art.  34 EuErbVO-E dar, ist er doch weder anerkennungsrechtlich formuliert noch in dogmatischer Hinsicht anerkennungsrechtlich einzuordnen.194 Nach deutschem Rechtsverständnis erfasst der Begriff der Beweiskraft sowohl die formelle als auch die materielle Beweiskraft. Die materielle Beweiskraft betrifft – nach deutschem Verständnis – die inhaltliche Richtigkeit und Wirksamkeit der in der Urkunde enthaltenen Erklärungen und unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung nach §  286 Abs.  1 ZPO.195 Mate­riell-rechtliche Fragen der Wirksamkeit und Wirkungen einer öffentlichen Urkunde unterfallen somit gerade nicht der formellen Beweiskraft.196 Obwohl vor dem Hintergrund der gebotenen Einordnung des Art.  59 Abs.  1 problème de la circulation des actes notariés dans l’espace juridique européen, Note, Brüssel 2010, PE 425.656 (FR), 16; C. Schmitz, Annahme, 110 ff. 189  Mansel, FS Kohler 2018, 301 (303); C. Schmitz, Annahme, 110. 190  C. Schmitz, Annahme, 110. 191  Mansel, FS Kohler 2018, 301 (303); C. Schmitz, Annahme, 110. 192 Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  59 Nr.  47. 193  Kritisch hierzu etwa C. Baldus in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 85 (91 ff.). 194  C. Schmitz, Annahme, 200. 195 Musielak/Voit/Huber ZPO, §  415 Rn.  10; BeckOK/Krafka ZPO, §  415 Rn.  7 f. 196 Musielak/Voit/Huber ZPO, §  415 Rn.  10.

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Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

EuErbVO als verfahrensrechtliche Kollisionsnorm auch der Begriff „Beweiskraft“ ohne Präzisierung durch das Adjektiv „formell“ in der deutschen Sprachfassung verordnungsautonom so auszulegen gewesen wäre, dass Gegenstand der Annahme lediglich die verfahrensbezogenen Beweiswirkungen sind, hätte jedenfalls die Gefahr terminologischer Unklarheit bestanden.197 Die Annahme i. S. d. Art.  59 Abs.  1 EuErbVO erfasst somit lediglich die formellen Beweiswirkungen mitgliedstaatlicher öffentlicher Urkunden – m. a. W. die Wirkungserstreckung der Beweiskraft des instrumentums für die in der öffentlichen Urkunde von der Urkundsperson bezeugten Tatsachenfeststellungen.198 Nicht Gegenstand der Annahme sind die materiell-recht­ lichen Beweiswirkungen – Art.  59 EuErbVO regelt die Anerkennung einer materiell-rechtlichen Rechtslage (negotium) gerade nicht.199 Daher folgt die Wirksamkeit des in der öffentlichen Urkunde angesprochenen Rechtsverhältnisses nicht aus der Annahme, sondern bestimmt sich allein nach dem Errichtungsstatut.200 Maßgeblich für das erbrechtliche negotium ist in den Mitgliedstaaten folglich das Erbstatut i. S. d. EuErbVO (vgl. Art.  59 Abs.  3 S.  1 EuErbVO).201

VI. Résumé Angesichts der Regelungen der Art.  39 ff. EuErbVO und des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO, die – in ihrem Anwendungsbereich – auch MNZ erfassen, geht die EuErbVO ganz ersichtlich von einem gemeinsamen Anwendungs- und Geltungsbereich der MNZ aus.

VII. Sonderproblem: Entscheidungskollision mehrerer MNZ MNZ, die auf anerkennungsrechtlicher Ebene als Entscheidung i. S. d. EuErbVO zu qualifizieren sind, zirkulieren grenzüberschreitend nach ­ Art.  39 ff. EuErbVO.202 Zwar sollen die Art.  17 f. EuErbVO Situationen, in 197 

C. Schmitz, Annahme, 199 ff. Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.   59 Rn.   2 f.; ­Geimer in Dutta/Herrler, EuErbVO, 143 Rn.  8; Mansel, FS Kohler 2018, 301 (305 f.); O.  Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  66. 199  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.   59 Rn.   2 f.; ­Geimer in Dutta/Herrler, EuErbVO, 143 Rn.  8; Mansel, FS Kohler 2018, 301 (305 f.). 200  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  59 Rn.  2 f. 201  Mansel, FS Kohler 2018, 301 (304). 202  Vgl. oben Kapitel  3 C. III. 3. 198 

C. Erstreckung der Wirkungen der MNZ im mitgliedstaatlichen Ausland

129

denen zwei MNZ, deren Wirkungen nach Art.  39 ff. EuErbVO grenzüberschreitend in den Mitgliedstaaten erstreckt werden, eigentlich verhindern.203 Indes ist nicht ausgeschlossen, dass etwa das Zweitgericht keine Kenntnis von der ersten Entscheidung hatte.204 Diesem Umstand trägt die EuErbVO durch den speziellen Nichtanerkennungsgrund des Art.  40 lit.  c EuErbVO Rechnung, der einen unbedingten Vorrang der inländischen Entscheidung vorsieht.205 Art.  40 EuErbVO bestimmt die Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung abschließend.206 Die Verletzung der weitestgehend ausschließlichen internationalen Zuständigkeit nach Art.  4 ff. EuErbVO stellt gerade kein Anerkennungshindernis dar.207 So kann die Verletzung der Art.  4 ff. ­EuErbVO auch nicht nach Art.  40 lit.  a EuErbVO i. R. d. ordre public des Anerkennungsstaats berücksichtigt werden,208 da die weitgehende Zuständigkeitskonzentration auf die Gerichte eines Mitgliedstaats primär auf das Streben nach einer Reduktion der Gerichtsstände zurückzuführen ist und gerade nicht dem Schutz individueller oder staatlicher Interessen dient.209 1. Art.  40 lit.  c EuErbVO – unbedingter Vorrang der inländischen Entscheidung Nach Art.  40 lit.  c EuErbVO beansprucht die inländische Entscheidung unbedingten Vorrang unabhängig von der zeitlichen Abfolge.210 Die ausländische mitgliedstaatliche Entscheidung ist nach Art.  40 lit.  c EuErbVO nicht anzuerkennen, wenn sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien im Anerkennungsstaat ergangen ist.211 Der unionsautonom212 und verordnungsspezifisch weit auszulegende213 Begriff der Parteiidentität erfasst in Nachlassverfahren der freiwil203 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  36. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  36. 205 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  36. 206 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  1. 207 Bereits zu Art.   30 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  39. 208 Bereits zu Art.   30 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  39. 209 Bereits zu Art.   30 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  39. 210  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  9. 211  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  9. 212 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  8, 13. 213 Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.   17 Rn.   2; Beck­ OGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  8. 204 BeckOGK/J.

130

Kapitel 3: Gemeinsamer Anwendungs- und Geltungsbereich

ligen Gerichtsbarkeit nicht allein die formell Beteiligten, sondern auch diejenigen, deren rechtliche Positionen durch die Entscheidung betroffen werden.214 Erforderlich für die Anwendung des Art.  40 lit.  c EuErbVO ist, dass die betreffenden Entscheidungen Rechtsfolgen zeitigen, die sich gegenseitig ausschließen.215 Dies ist bei einer Kollision zweier MNZ etwa der Fall, wenn die jeweiligen Nachlasszeugnisse unterschiedliche Erben ausweisen. 2. Art.  40 Abs.  1 lit.  d EuErbVO – Prioritätsprinzip Liegen aus Sicht des Anerkennungsstaats zwei ausländische mitgliedstaat­ liche Entscheidungen in derselben Sache vor, löst Art.   40 Abs.   1 lit.   d ­EuErbVO diese Konstellation mittels des Prioritätsprinzips.216 Folglich ist der zeitlich später ergangenen Entscheidung die Anerkennung zu versagen, wenn sie mit der früheren Entscheidung unvereinbar ist. Insoweit sind ­dieselben Maßstäbe wie im Rahmen des Art.  40 Abs.  1 lit.  c EuErbVO anzulegen.217

214 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  17 Rn.  4. Ausführlich zum Begriff der Parteiidentität i. R. d. Litispendenzregelung des Art.  17 EuErbVO vgl. unten Kapitel  5 B. II. 2. c) (a) (aa). 215  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  10. 216  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  11 f. 217  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  12.

Kapitel  4

Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ Das ENZ ist Rechtsinstrument sui generis.1 Im Kommissionsentwurf2 wur­ de das ENZ an den deutsche Erbschein, die niederländische verklaring van erfrecht, den lettre de vérification québécois sowie das international certificate des Haager Übereinkommens über die internationale Verwaltung von Nachlässen3 angelehnt.4 Der ursprüngliche Kommissionsentwurf – insbesondere dessen Regelungen zum ENZ – wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach und teils signifikant modifiziert.5 Das nunmehr in den Art.  62 ff. EuErbVO geregelte ENZ ist ein eigenständiges europä­ isches Rechtsinstrument, das von seinen nationalen Vorbildern abweicht6 (A.) und – optional – neben die MNZ tritt (B.). Fraglich bleibt dabei die Akzeptanz des ENZ im Rechtsverkehr (C.) sowie die Notwendigkeit der Vorlage eines weiteren Schriftstücks neben dem ENZ vor den registerführenden Behörden der Mitgliedstaaten (D.).

1  Dok. Nr.  10126/11, 12; Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, 320; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.   62 Rn.   1; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Vorb. Art.  62 EuErbVO Rn.  13; MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  62 Rn.  2; Lange DNotZ 2012, 168 (170); Lange DNotZ 2016, 103 (103, 108, 110); C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  19, Nr.  21); Deixler-Hübner/Schauer/Perscha EuErbVO, Art.  62 Rn.  30; Sauberer, FS Bittner 2018, 565 (579); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  11; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (371 f.). 2  KOM (2009) 154, endg. 3  Hague Convention Concerning the International Administration of the Estates of Deceased Persons v. 2.10.1973; abrufbar unter: https://www.hcch.net/de/instruments/ conventions/full-text/?cid=83 (zuletzt abgerufen am 24.3.2022). 4 MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  62 Rn.  2; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  4 ff. 5  Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  7. 6 MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  62 Rn.  2.

132

Kapitel 4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ

A. Das ENZ als selbständiges Rechtsinstitut Das Verhältnis von ENZ und den MNZ wurde bereits nach Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags lebhaft diskutiert. Speziell die Bestimmungen des Art.  36 Abs.  2 EuErbVO-E nach dessen S.  1 „[d]ie Verwendung des Europäischen Nachlasszeugnisses […] nicht an die Stelle der innerstaatlichen Verfahren [tritt]“ und nach dessen S.  2 „[d]ie Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses […] auch in dem Mitgliedstaat anerkannt [werden], dessen Behörden das Zeugnis […] erteilt haben“, wurden hinsichtlich des Umgangs mit einem Nebeneinander der Nachlasszeugnisse als zu vage kritisiert.7 Mit unterschiedlicher Begründung wurde auf Grundlage des Art.   36 Abs.  2 EuErbVO-E teilweise eine Abhängigkeit des ENZ von den MNZ angenommen. Zum einen wurde dem ENZ eine lediglich beschränkte Funktion zuerkannt. Es diene allein dazu, die MNZ im Ausland verkehrsfähig zu machen, sodass das ENZ insoweit lediglich prozedurale und akzessorische Wirkung entfalte,8 wobei sein Inhalt und seine materiell-rechtlichen Wirkungen dem jeweiligen MNZ des Ausstellungsstaats entsprechen sollten.9 In grenzüberschreitenden Erbfällen sollte demnach zunächst ein MNZ beantragt werden, das zum Zwecke des Nachweises der erbrechtlichen Rechtsstellungen im Ausland in ein ENZ überführt werden sollte.10 Hintergrund der Annahme einer lediglich akzessorischen Ausgestaltung des ENZ war die Erwägung, die inländischen Gerichte, sonstigen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen nicht den bekannten Strukturen ihres eigenen Rechtssystems zu entreißen.11 Lediglich die Entwicklung des ENZ auf Grundlage des betreffenden MNZ könne einen parallelen Umlauf sich widersprechender Nachlasszeugnisse sowie hinsichtlich der Reichweite ihrer Wirkungen divergierender Nachlasszeugnisse ver­ hindern.12 Entsprechend sollten die MNZ nach den heutigen Art.  39 ff. ­EuErbVO anerkannt werden.13 Indes überzeugt diese Sichtweise bereits aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung des Nachweises der Erbenstellung oder einer sonstigen Berechtigung in den Mitgliedstaaten nicht. 7 

R. Crône in Khairallah/Revillard, Perspectives, 155 (158 ff.); MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (675 Nr.  276; 700 Nr.  326). 8  Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (166); Buschbaum/Kohler GPR 2010, 210 (211). 9  Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (166 f.). 10  Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (166). 11  Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (166). 12  Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (166 f.). 13  In diese Richtung Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (166).

A. Das ENZ als selbständiges Rechtsinstitut

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Zwar wurde mit Blick auf die Mitgliedstaaten, denen ein MNZ als Nachweis fremd ist, vorgeschlagen, ein Verfahren zur Ausstellung eines ENZ für die Verwendung im Ausland zu schaffen, ohne dass das autonome mitgliedstaatliche Verfahren für rein inländische Fälle eine Neuregelung erfahren müsse.14 Allerdings wurde dieser Ansicht durch den eindeutigen Wortlaut des heutigen Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO jegliche Grundlage entzogen. Danach entfaltet das ENZ „[n]ach seiner Ausstellung zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat […] die in Artikel  69 [EuErbVO] aufgeführten Wirkungen jedoch auch in dem Mitgliedstaat, dessen Behörden es nach [dem vierten Kapitel der EuErbVO] ausgestellt haben“; es entfaltet seine Wirkungen also auch im Ausstellungsstaat. Zum anderen wurde dem ENZ bezüglich der nationalen Nachlasszeugnisse lediglich eine ergänzende Funktion15 bescheinigt; es stelle gerade kein selbständiges Rechtsinstitut dar.16 Anders als im Rahmen des prozeduralen, akzessorischen Ansatzes sollten die bekannten Strukturen der mitgliedstaatlichen Rechtssysteme indes lediglich hinsichtlich des Ausstellungsverfahrens als Grundlage dienen.17 Demgegenüber sollten die Wirkungen des ENZ eine europarechtliche Regelung erfahren.18 Der Nachweis der erb­ rechtlichen Rechtsstellungen im Ausstellungsstaat solle weiterhin mittels MNZ erbracht werden können. Im mitgliedstaatlichen Ausland müsste dem MNZ das ENZ aufgesetzt werden, dessen Wirkungen verordnungsautonom geregelt seien.19 Das ENZ ist jedoch nicht lediglich Ergänzung der bestehenden MNZ, sondern ein supranationaler Nachweis, der es den erbrechtlich Berechtigten ermöglicht, ihre Rechtsstellung in allen Mitgliedstaaten in einheitlicher ­Weise zu führen. Dieses Verständnis findet einen Widerhall in ErwG 67 ­EuErbVO. So setzt „[e]ine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der Union […] voraus, dass die Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker 14 

Buschbaum/Kohler GPR 2010, 162 (166). Bildlich von einer „Backpacker Function“ des ENZ spricht etwa Fötschl ERPL 2010, 1259 (1264 f.); Fötschl in Bonomi/Schmidt, Successions internationales, 99 (104 f.); von einer Ergänzung der mitgliedstaatlichen Nachlasszeugnisse ging auch der DNotV auf S.  3 seiner Stellungnahme v. 19.1.2010 zum Kommissionsentwurf aus. 16  DNotV, Stellungnahme v. 19.1.2010, 3; Fötschl ERPL 2010, 1259 (1264); Fötschl in Bonomi/Schmidt, Successions internationales, 99 (104 f.). 17  DNotV, Stellungnahme v. 19.1.2010, 3; Fötschl ERPL 2010, 1259 (1264); Fötschl in Bonomi/Schmidt, Successions internationales, 99 (104 f.). 18  Fötschl ERPL 2010, 1259 (1264); Fötschl in Bonomi/Schmidt, Successions internatio­ nales, 99 (104 f.). 19  Fötschl ERPL 2010, 1259 (1264). 15 

134

Kapitel 4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ

oder Nachlassverwalter in der Lage sein sollten, ihren Status und/oder ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat, beispielsweise in ­einem Mitgliedstaat, in dem Nachlassvermögen belegen ist, einfach nach­ zuweisen“ (vgl. ErwG 67 S.  1 EuErbVO). „Zu diesem Zweck sollte diese Verordnung die Einführung eines einheitlichen Zeugnisses, des ENZ […], vorsehen, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird“ (vgl. ErwG 67 S.  2 EuErbVO). Mit dem ENZ hat der europäische Verordnungsgeber folglich ein europäisches Rechtsinstitut geschaffen, das unabhängig von den mitgliedstaatlichen Methoden zum Nachweis einer erb­rechtlichen Rechtsstellung/Berechtigung ist.

B. Lediglich optionale Harmonisierung Das ENZ entfaltet seine Wirkungen nicht nur im Verwendungs-, sondern auch im Ausstellungsstaat (vgl. Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO). Damit entfaltet es in allen Mitgliedstaaten unmittelbar ipso iure die in Art.  69 EuErbVO geregelten Wirkungen.20 Anerkennungshindernisse i. S. d. Art.  40 EuErbVO oder ein ordre public-Vorbehalt können dem im mitgliedstaatlichen Ausland ausgestellten ENZ folglich nicht entgegengehalten werden.21 Vor diesem Hintergrund vermag das ENZ neben die für denselben grenzüberschreitenden Erbfall möglicherweise ebenfalls ausgestellten MNZ zu treten22 – sei es nun ein MNZ im Ausstellungsstaat oder im Verwendungsstaat des ENZ. Allerdings stellt Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO angesichts des Subsidiaritätsgrundsatzes lediglich klar, dass die MNZ durch die Einführung des ENZ nicht berührt werden.23 Zum Verhältnis zwischen ENZ und den MNZ äußert sich der europäische Verordnungsgeber nicht weiter.24 Ein Vorrang des ENZ gegenüber den MNZ aufgrund Unionsrechts ist abzulehnen, stellte sich ein solcher doch als geradezu diametral zu den Regelungen der EuErbVO dar (I.). Ein derartiger Vorrang kann allenfalls auf Ebene des autonomen mitgliedstaatlichen Rechts etabliert werden (II.).

20  Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, 317; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  11. 21  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 339. 22  F. Chalvignac Dr. Fam. 2013 dossier 39 (Nr.  24 ff.); E. Jacoby JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  6); S. Benquet, Le notaire et la succession du conjoint ou du partenaire, Nr.  356. 23 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  6. 24 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  8.

B. Lediglich optionale Harmonisierung

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I. Keine Verdrängung der MNZ durch das ENZ aufgrund Unionsrechts Das ENZ stellt ein eigenständiges Rechtsinstitut dar, dem nicht lediglich eine bloß prozedurale Funktion bescheinigt werden kann. So weist die EuErbVO dem ENZ auch materiell-rechtliche Wirkungen zu. Folglich ­ drängt  – mit Einführung dieses supranationalen einheitlichen Rechtsinstituts in den Art.  62 ff. EuErbVO – die Frage, ob das ENZ die bereits existierenden MNZ bei der Abwicklung eines Erbfalls mit grenzüberschreitendem Bezug verdrängt, auf eine Antwort. Unter der Prämisse eines Gleichlaufs der internationalen Zuständigkeit zur Ausstellung eines ENZ und zur Ausstellung eines MNZ und der hieraus resultierenden Zuständigkeitskonzentration auf die Ausstellungsstellen ein und desselben Mitgliedstaats25 wurde – noch zum Kommissionsentwurf – ein Vorrang des ENZ gegenüber den MNZ angenommen.26 Um divergierende Nachlasszeugnisse zu vermeiden, müsse auf verfahrensrechtlicher Ebene vor Ausstellung eines ENZ ein zuvor ausgestelltes MNZ aufgehoben werden.27 Die Ausstellung eines MNZ müsse aus selbigem Grund verweigert werden, wenn für einen Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug bereits ein ENZ ausgestellt worden ist.28 Würde gleichwohl ein MNZ ausgestellt, sei dem ENZ auch in dieser Konstellation Vorrang einzuräumen.29 Bereits der Ausgangspunkt dieses Ansatzes geht fehl. Im Anwendungsbereich der EuErbVO besteht die Möglichkeit einer gleichrangigen internationalen Zuständigkeit der Ausstellungsbehörde des ENZ des einen Mitgliedstaats und der nichtgerichtlichen Ausstellungsstelle eines MNZ eines anderen Mitgliedstaats, rekurriert doch die allgemeine Zuständigkeitsnorm des Art.  4 EuErbVO ausdrücklich auf den – begrenzten – Gerichtsbegriff der EuErbVO.30 Im Übrigen betont die EuErbVO selbst ausdrücklich in Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO und ErwG 67 S.  3 EuErbVO, dass das ENZ nicht an die Stelle der innerstaatlichen Schriftstücke, die in einem Mitgliedstaat zu ähnlichen Zwecken erlassen werden, tritt. Das ENZ substituiert folglich die MNZ nicht, vielmehr kann ihm ein lediglich komplementierender Charakter zugeschrie-

25 

MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (701 Nr.  327, Nr.  328). MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (701 Nr.  328). 27  MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (701 Nr.  328). 28  MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (701 Nr.  328). 29  MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (701 Nr.  328). 30  Beyer, GPR 2019, 245 (248 f.); Mankowski ErbR 2020, 715 (717 f.). 26 

136

Kapitel 4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ

ben werden.31 Die Annahme eines Vorrangs des ENZ ist nicht erforderlich, um das Verordnungsziel der Vereinfachung des grenzüberschreitenden Nachweises einer erbrechtlichen Rechtsstellung bzw. Berechtigung (vgl. ErwG 67 S.  3 EuErbVO) zu erreichen.32 Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO verleiht damit dem Subsidiaritätsprinzip des Art.  5 Abs.  3 EUV Ausdruck.33 In Konsequenz der Regelung des Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO steht es zum einen den Mitgliedstaaten frei, weiterhin die bislang zum Nachweis einer erbrechtlichen Rechtsstellung oder Berechtigung verwendeten Nachlass­ zeugnisse vorzusehen oder sogar nach mitgliedstaatlichem Recht neue zu schaffen.34 Zum anderen wird den erbrechtlich Berechtigten ein Wahlrecht zugesprochen.35 Das Wahlrecht der erbrechtlich Berechtigten ist in diesem Sinne weit zu verstehen; die EuErbVO gestattet es den erbrechtlich Berechtigten nicht nur, entweder ein ENZ oder ein MNZ zu beantragen, vielmehr wird ihnen auch die Möglichkeit eröffnet, sich gleichzeitig sowohl mit dem supranationalen ENZ als auch mit einem MNZ auszustatten.36

II. Zwischenrésumé – Dualismus Auf unionsrechtlicher Ebene wirken sich Ausstellung und Bestehen eines ENZ weder auf das Recht, ein MNZ zu beantragen aus, noch auf den Bestand eines bereits ausgestellten MNZ.37 Die EuErbVO erkennt die Eigenheiten und Unterschiede hinsichtlich der Nachlassabwicklung in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ausdrücklich an.38 Dies schlägt sich entsprechend in den Regelungen des Art.  62 31 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  16. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  17. 33 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  17. 34 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.  9 ff.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  18; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  62 Rn.  34. 35  E. Jacoby JCP N 25 (2012) 1272 (Nr.  5); Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (748 f.); Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße EuErbVO, Art.   62 Rn.   11; NK-BGB Bd.   6/­ Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  32; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  19; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  25 f. 36 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.  9 ff.; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  4; E. Jacoby JCP N 25 (2012) 1272 (Nr.  5); Calvo Caravaca/Davì/ Mansel/Kreße EuErbVO, Art.  62 Rn.  16 f.; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  31 f.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  19; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  31 ff. 37  R. Crône/L. Perreau-Saussine JCP N 50 (2018) 1359 (Nr.  29 ff.); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  10. 38  S. Benquet, Le notaire et la succession du conjoint ou du partenaire, Nr.  354; E. Jaco­ by JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  6). 32 BeckOGK/J.

B. Lediglich optionale Harmonisierung

137

Abs.  2 und Abs.  3 S.  1 EuErbVO nieder.39 Die EuErbVO sieht gerade keinen Vorrang des einen Nachlasszeugnisses gegenüber dem anderen vor.40 ENZ und MNZ koexistieren unabhängig voneinander.41 ENZ und MNZ können folglich unabhängig voneinander beantragt werden und bestehen sodann unabhängig voneinander:42 Art.  62 Abs.  2 EuErbVO sieht vor, dass die Verwendung des ENZ nicht verpflichtend ist. Daneben stellt Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO klar, dass das ENZ nicht an die Stelle der MNZ tritt. Das ENZ lässt demnach auch in grenzüberschreitenden Erbfällen die na­ tionalen Nachlasszeugnisse unberührt.43 Im Rahmen der EuErbVO ergibt sich insofern ein Dualismus von ENZ und MNZ.44 Das ENZ hat optionalen Charakter.45 Den Nachlassberechtigten soll es freistehen, zum Zwecke des Nachweises ihrer Rechtsstellung die anderen nach der EuErbVO zur Verfügung stehenden Instrumente (Entscheidung, öffentliche Urkunde und gerichtlicher Vergleich) zu verwenden (vgl. ErwG 69 EuErbVO). Vor diesem Hintergrund haben die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit MNZ anzuerkennen, anzunehmen sowie – sofern die entsprechende Ausstellungsbehörde nach der EuErbVO international zuständig ist – auszustellen.46 Dem Nachlassberechtigten kommt ein Wahlrecht – sogar ein kumulatives Verwendungsrecht zu.47 Jedoch sind bei der Ausstellung der MNZ jedenfalls die Kollisionsvorschriften der EuErbVO und bei gerichtlichen MNZ auch die Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO maßgeblich, da es sich hierbei um Erbsachen i. S. d. Verordnung handelt.48

39  R. Crône/L. Perreau-Saussine JCP N 50 (2018) 1359 (Nr.  29 ff.); S. Benquet, Le notaire et la succession du conjoint ou du partenaire, Nr.  354; F. Chalvignac Dr. Fam. 2013 dossier 39 (Nr.  24 f.); E. Jacoby JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  6). 40  S. Benquet, Le notaire et la succession du conjoint ou du partenaire, Nr.  356. 41  R. Crône/L. Perreau-Saussine JCP N 50 (2018) 1359 (Nr.  29 ff.); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  8; E. Jacoby JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  6). 42 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  9. 43 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.   6; Deixler-Hübner/Schauer/Perscha ­EuErbVO, Art.  62 Rn.  54. 44 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  16 ff. 45 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  4; Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  39. 46 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.  9 ff.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  18; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  62 Rn.  34. 47 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  6. 48 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  6.

138

Kapitel 4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ

Letztlich erreicht der europäische Verordnungsgeber eine lediglich optionale Harmonisierung der Methoden des Nachweises einer erbrechtlichen Rechtsstellung in den Mitgliedstaaten der EuErbVO.49

III. Verdrängung eines MNZ durch das ENZ nach mitgliedstaatlichem Recht Auswirkungen zeitigt die Ausstellung und das Bestehen eines ENZ allenfalls auf Grundlage des mitgliedstaatlichen Rechts im Rahmen der Durchführungsgesetzgebung.50 Das deutsche IntErbRVG sieht derartige Aus­ wirkungen nicht vor.51 Dies überzeugt gerade mit Blick auf die schwächer ausgeprägte Gutglaubenswirkung des ENZ im Vergleich zum deutschen Erbschein.52 Auch wenn bereits ein ENZ ausgestellt wurde, das seine Wirkungen auch im Ausstellungsstaat entfaltet, lässt dies das Rechtsschutz­ bedürfnis – im Hinblick auf die Divergenzen insbesondere hinsichtlich der Wirkungen der Nachlasszeugnisse53 – für einen Antrag auf Erteilung eines deutschen Erbscheins nicht entfallen.54 Der französische Gesetzgeber hat mit Dekret Nr.  2015-1395 vom 2. November 201555 zur Anpassung des französischen Rechts an die Vorschriften der EuErbVO verschiedene Bestimmungen des CPC geändert bzw. neu geschaffen.56 Die das ENZ betreffenden Art.  1381-1 CPC bis Art.  1381-4 CPC57 sehen keine Regelung vor, nach der das ENZ die französischen Nachlasszeugnisse in einem grenzüberschreitenden Erbfall verdrängt.

C. Akzeptanz des ENZ im Rechtsverkehr Fraglich ist, inwieweit sich die optionale Harmonisierung und der Dualismus von ENZ und MNZ im Rechtsverkehr niederschlagen. Die EuErbVO 49 

E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.); E. Jacoby JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  6). EuErbVO, Art.  62 Rn.  10. 51 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  10. 52 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  10. 53  Vgl. oben Kapitel  2 D. III. 54 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  10. 55  Décret n°  2015-1395 du 2 novembre 2015 portant diverses dispositions d’adaption au droit de l’Union européenne en matière de successions transfrontalières, JORF n°  0256 du 4 novembre 2015. 56  V. Avena-Robardet/A. Boiché AJ fam. 2015, 563; Defrénois N°9 (2016), 482; C. Nourissat Defrénois 3 (2016), 134 (138 f.); Defrénois N°9 (2016), 482. 57  V. Avena-Robardet/A. Boiché AJ fam. 2015, 563. 50 MüKoBGB/Dutta

C. Akzeptanz des ENZ im Rechtsverkehr

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schweigt zur Frage, inwiefern die Vorlage eines MNZ anstelle eines ENZ verlangt werden kann.58 Gleiches gilt umgekehrt für die Frage, inwiefern das nationale Nachlasszeugnis eines anderen Mitgliedstaats abgelehnt und die Vorlage eines ENZ verlangt werden kann.59

I. Keine abstrakt-generelle Forderung eines MNZ anstelle eines ENZ ErwG 69 S.  3 EuErbVO nimmt neben gerichtlichen Vergleichen ausdrücklich auf Entscheidungen und öffentliche Urkunden i. S. d. EuErbVO Bezug. Er führt diesbezüglich aus, dass eine Behörde oder Person gegenüber einem erbrechtlich Berechtigten, der seine Rechtsstellung durch ein ENZ nachweist, nicht verlangen können soll, dass statt des ENZ eines der genannten anderen Instrumente vorgelegt wird. MNZ sind teilweise als Entscheidungen i. S. d. EuErbVO zu qualifizieren, jedenfalls unterfallen die behördlichen und notariellen MNZ der Kategorie der öffentlichen Urkunde.60 Allein die Annahme einer Unzulässigkeit der grundsätzlichen Ablehnung eines ENZ unter Forderung eines MNZ ist mit den Wertungen der EuErbVO vereinbar. Der europäische Verordnungsgeber hat durch die Einführung eines ENZ eine optionale Harmonisierung etabliert, aus der ein Dualismus von ENZ und MNZ erwächst.61 Der effet utile des ENZ wäre erheblich geschmälert, wenn statt des ENZ grundsätzlich die Vorlage eines MNZ verlangt werden könnte.62 Dennoch wird – vor dem Hintergrund der praktischen Wirksamkeit des ENZ allerdings wenig überzeugend63 – teilweise zwischen Behörden einerseits und Privatpersonen andererseits dif­ ferenziert, da zweitgenannte sich aufgrund der Privatautonomie nicht mit einem ENZ zufriedengeben müssten.64 Im Übrigen mag zwar aus Sicht des Verwendungsmitgliedstaats allein ein nationales Nachlasszeugnis, nicht aber das ENZ die Rechtslage zutreffend ausweisen; dies wurde vom europä­ ischen Verordnungsgeber jedoch bewusst hingenommen.65 58 

NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  69 Rn.  35. NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  69 Rn.  35. 60  Vgl. oben Kapitel  3 C. III. 3. 61 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  4; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  69 Rn.  35; A. A. Süß ZEuP 2013, 725 (745), der im Umkehrschluss zu ErwG 69 S.  2 EuErbVO annimmt, dass statt der Verwendung eines ENZ im Ausstellungsmitgliedstaat die Vorlage eines mitgliedstaatlichen Nachlasszeugnisses verlangt werden darf. 62  In diese Richtung auch Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 184. 63  In diese Richtung auch Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 184 f. 64  So etwa Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  39. 65  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 185. 59 

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Kapitel 4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ

Verlangt werden kann im Einzelfall ein MNZ jedoch, wenn das ENZ aufgrund seiner inhaltlichen Reichweite oder seiner Wirkungen hinter dem MNZ zurückbleibt und deshalb im konkreten Fall als Nachweisinstrument nicht ausreicht.66 Vor dem Hintergrund des Verordnungsziels einer zügigen, unkomplizierten und effizienten grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung überzeugt dies angesichts zusätzlich erforderlicher Anstrengungen der Nachlassbeteiligten indes nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen. Etwa, wenn ein ausländisches ENZ für eine Registrierung aufgrund Erb­ folge beim französischen service chargé de la publicité foncière anstelle der nach nationalem französischem Recht hierfür erforderlichen attestation ­notariée67vorgelegt wird, sofern das ENZ die durch Dekret Nr.  55-22 vom 4.1.­195568 und Dekret Nr.  55-1350 vom 14.10.195569 festgesetzten inhalt­ lichen Anforderungen an eine Registrierung nicht erfüllt. Zwar kann ein ENZ vor dem Hintergrund des Art.  68 lit.  k, lit.  l und lit.  m EuErbVO durchaus diese erforderlichen Inhalte enthalten.70 Es ist indes nicht auszuschließen, dass die ausländische Ausstellungsbehörde im konkreten Einzelfall die Tragweite der Aufnahme von Informationen i. S. d. Art.  68 lit.  k, lit.  l und lit.  m EuErbVO für das französische Registerrecht verkennt und das ENZ insoweit in inhaltlicher Hinsicht hinter einer attestation notariée zurückbleibt. Das ENZ ist dann jedenfalls – genau wie der französische acte de notoriété – als taugliche Grundlage der attestation notariée anzuerkennen, die in diesem Falle nicht nur einen Verweis auf das ENZ, sondern vielmehr auch die geforderten zusätzlichen Angaben enthalten würde. Vereinzelt71 wird vertreten, dass im Einzelfall ein MNZ verlangt werden könne, sofern konkrete Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des ENZ bestehen, mithin der Verwender des ENZ bestehende Zweifel durch Vorlage eines MNZ ausräumen könnte. Dem ist jedoch bereits mit Blick auf den ­effet utile des ENZ entschieden entgegenzutreten. Dieser würde konter­ kariert, wenn die mitgliedstaatlichen Behörden letztlich stets die inhaltliche Richtigkeit des ENZ in Zweifel ziehen und damit dennoch ein MNZ verlangen könnten. Denn die Auffassung lässt eine Konturierung der Anforderungen an „konkrete Zweifel“ vermissen, sodass die praktische Wirksamkeit 66 

NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  69 Rn.  35. Vgl. oben Kapitel  2 C. II. 68  Décret n°  55-22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière. 69  Décret n°  55-1350 du 14 octobre 1955 pour l’application du décret n°  55-22 du 4 jan­vier portant réforme de la publicité foncière. 70  Ausführlich hierzu unten Kapitel  4 D. II. 2. 71  Vgl. NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  69 Rn.  35, der dies auch im umgekehrten Fall annimmt. 67 

C. Akzeptanz des ENZ im Rechtsverkehr

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des ENZ im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr durch eine extensive Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs durch mitgliedstaatliche Stellen entwertet würde. Konkrete Zweifel können jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn Zweifel an der Richtigkeit eines ENZ allein darauf gründen, dass das ENZ aus einem anderen Mitgliedstaat stammt, ist das ENZ doch gerade zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat konzipiert (vgl. Art.  62 Abs.  1 EuErbVO). Sinn und Zweck des ENZ ist gerade, dem Berechtigten zu ermöglichen, seine Rechtsstellung bzw. seine Rechte mit dem in einem Mitgliedstaat ausgestellten Nachlasszeugnis geltend zu machen und sich nicht gezwungen zu sehen, einen Nachweis nach dem Recht des Verwendungsmitgliedstaates zu erwirken.72 Ferner hat der EuGH in der Rs.  Succession de VJ73 im Kontext der begrenzten Gültigkeitsdauer der beglaubigten Abschriften eines ENZ zwar judiziert, dass eine Behörde, der eine beglaubigte Abschrift vorgelegt wird und die Kenntnisse erlangt, die „vernünftige Zweifel“ am Status des ENZ begründen, ausnahmsweise die Vorlage einer neuen Abschrift oder einer Abschrift verlangen könne, deren Geltungsdauer verlängert wurde.74 Diese Feststellung kann indes lediglich für Situationen maßgeblich sein, in denen es um die Überprüfung des Inhalts einer beglaubigten Abschrift des ENZ mit der Rechtswirklichkeit ausweislich des ENZ selbst geht. So ist die Entscheidung des EuGH gerade im Kontext der Gültigkeitsfrist des Art.  70 Abs.  3 EuErbVO ergangen, deren Ratio die Überprüfung des Inhalts einer beglaubigten Abschrift mit der im ENZ ausgewiesenen Rechtswirklichkeit ist, da das ENZ Gegenstand einer Berichtigung, Änderung oder eines Widerrufs sein kann.75 Im Übrigen ist zuständig für die Berichtigung, Änderung oder den Widerruf eines ENZ nach Art.  71 Abs.  1 bzw. Abs.  2 EuErbVO die Ausstellungsbehörde des ENZ. Könnten die Behörden des Ver­ wendungsmitgliedstaates ausnahmsweise die Vorlage eines innerstaatlichen MNZ verlangen, würden sie vor diesem Hintergrund letztlich ein Prüfungsrecht hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit eines ENZ beanspruchen, das ihnen so nach der EuErbVO nicht zusteht. Ein MNZ kann seitens einer Behörde folglich auch dann nicht verlangt werden, sofern konkrete Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des ENZ bestehen.

72 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  9. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ. 74  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  36; GA Campos Sánchez-Bordona v. 29.4.2021, Schlussanträge Succession de VJ, Rs.  301/20, ECLI:EU:C:2021:351 Rn.  70. 75  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Succession de VJ Rn.  24. 73 

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Kapitel 4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ

II. Keine abstrakt-generelle Forderung eines ENZ anstelle eines ausländischen MNZ Notwendige Konsequenz des Dualismus zwischen ENZ und MNZ ist, dass auch das MNZ nicht grundsätzlich unter Forderung der Vorlage eines ENZ abgelehnt werden darf.76 Die Wirkungen der MNZ, die als Entscheidungen im anerkennungsrechtlichen Sinne einzuordnen sind, werden nach Art.  39 ff. EuErbVO ins mitgliedstaatliche Ausland erstreckt.77 Nichtgerichtliche MNZ sind hingegen nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO verkehrsfähig oder als Privaturkunden kollisionsrechtlich zu berücksichtigen.78 Teile des Schrifttums79 wollen – mit unterschiedlicher Begründung – für die Zulässigkeit der Forderung eines ENZ anstelle eines ausländischen MNZ zwischen Behörden einerseits und Privatpersonen andererseits dif­ ferenzieren. Jedenfalls sollen Privatpersonen grundsätzlich auf die Vorlage eines ENZ bestehen können, wenn sich die Erbfolge nach ausländischem Recht richtet und kein nationales Nachlasszeugnis des eigenen Mitgliedstaats vorgelegt werden kann.80 Diese Auffassung vermag jedoch nur in engen Grenzen zu überzeugen. Zwar mögen die materiell-rechtlichen Wirkungen der MNZ teilweise erheblich divergieren. Gleichwohl setzt sich die Auffassung, Privatpersonen zuzugestehen, dass diese aus Gründen der Rechtssicherheit stets auf die Vorlage eines ENZ bestehen können,81 in Widerspruch zur Konzeption des ENZ als lediglich optionales Harmonisierungsinstrument. Beruht die Pflicht zur Vorlage eines ENZ im Privatrechtsverkehr auf einer Parteivereinbarung, ist bei grundsätzlicher Gleichwertigkeit des ENZ und eines MNZ, dessen Wirkungen nach Art.  39 ff. EuErbVO erstreckt werden, durchaus zweifelhaft, ob dann noch ein ENZ verlangt werden kann. So treten etwa deutscher Erbschein und ENZ in Freizügigkeitskonkurrenz, wobei das ENZ strengere Anforderungen an die Redlichkeit eines Dritten stellt – der deutsche Erbschein in dieser Hinsicht also stärkere Gutglaubenswirkung entfaltet.82 76 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  4; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  69 Rn.  35, die dies umfassend annehmen; a. A.: Grau, FS Schilken 2015, 3 (12), der dies aus einem Umkehrschluss aus ErwG 69 S.  3 EuErbVO herleiten möchte. 77  Vgl. oben Kapitel  3 C. III. 3. 78  Vgl. oben Kapitel  3 C. III. 3 und 4. 79  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 182  f.; Kleinschmidt in jurisPK-BGB, ­Eu­Erb­VO, Art.  62 Rn.  39. 80  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 183. 81  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 183. 82  Vgl. oben Kapitel  2 D. III.

D. Notwendigkeit der Vorlage eines weiteren Schriftstücks neben dem ENZ

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D. Notwendigkeit der Vorlage eines weiteren Schriftstücks neben dem ENZ bei der Registereintragung Das ENZ entfaltet die Vermutungswirkung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO auch bei der Eintragung von Nachlassgegenständen in mitgliedstaatliche Register (vgl. Art.  69 Abs.  5 EuErbVO).83 Die durch das ENZ legitimierten Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter sollen nach ErwG 18 S.  5 EuErbVO und ErwG 69 S.  2 EuErbVO die Möglichkeit erhalten, eine sich aufgrund der durch die im ENZ ausgewiesenen Rechtslagen ergebende Änderung in der dinglichen Zuordnung der Nachlassgegenstände auf Grundlage des ENZ registerrechtlich erfassen zu können. Die mitgliedstaatlichen Behörden sind verpflichtet, das ENZ bei der Registereintragung als hinreichendes Legitimationsinstrument anzusehen.84 Art.  69 Abs.  5 EuErbVO stellt folglich eine registerrechtliche Vorschrift und damit eine Rückausnahme zur Bereichsausnahme des Art.  1 Abs.  2 lit.  l ­EuErbVO dar,85 nach dem „jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register, einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung (…)“ vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen ist. Indes verweist der europäische Gesetzgeber in Art.  69 Abs.  5 EuErbVO ausdrücklich darauf, dass diese Bestimmung „unbeschadet des Artikels 1 Absatz  2 Buchstaben k und  l“ gilt, sodass mit Blick auf die Registereintragung fraglich ist, wie der Verweis auf Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO zu verstehen ist. Im französischen Notariat wird wohl überwiegend die Auffassung vertreten, der in Art.  69 Abs.  5 enthaltene Vorbehalt des Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO sei dahin auszulegen, dass die EuErbVO auf das französische Registerrecht keine Auswirkungen hat.86 Um das ENZ im Rahmen der Registereintragung nicht seiner praktischen Wirksamkeit zu berauben, ist Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO nach zutreffender Auffassung87 jedoch dahin auszulegen, dass das mitgliedstaatliche Registerrecht neben dem ENZ zusätzliche registerverfahrensrechtliche Erfordernisse nur insoweit verlangen kann, als sich diese gerade nicht auf die vom ENZ bescheinigte erbrechtliche Rechts83 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  69 Rn.  29. EuErbVO, Art.  69 Rn.  29. 85 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  30. 86  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier); B. Reynis Defrénois 15–16 (2012), 767 (771 Nr.  20). 87 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   30; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  34 f.; Janzen DNotZ 2012, 484 (493); Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (775). 84 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ

stellung i. S. d. Art.  63 EuErbVO beziehen. Freilich kann das ENZ nur in dem Umfang als Nachweis einer Rechtsposition dienen, wie der sachliche Anwendungsbereich der EuErbVO reicht.88 Als Nachweis einer Stellung als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ist das ENZ folglich als ausreichend zu betrachten, wobei die formellen89 mitgliedstaatlichen Eintragungsvoraussetzungen, die nicht in den An­ wendungsbereich der EuErbVO fallen, unberührt bleiben.90 Ein solches Verständnis deutet auch ErwG 18 EuErbVO S.  5 EuErbVO an, wonach neben der Vorlage eines ENZ auch die Informationen oder die Vorlage von Schriftstücken „betreffend die Zahlung von Steuern“ seitens der registerführenden Behörde verlangt werden kann.91 Folglich muss das ENZ nicht notwendigerweise eine hinreichende Grundlage zur Umschreibung des Registers darstellen.92 Die registerführenden Behörden eines Mitgliedstaats können somit neben der Vorlage eines ENZ die Vorlage weiterer Schriftstücke verlangen, wenn das mitgliedstaat­ liche Registerrecht dies entsprechend vorsieht93 – allerdings nur, soweit sich dieses Erfordernis gerade nicht auf die vom ENZ bescheinigte erbrechtliche Rechtsstellung bezieht.94

I. ENZ und deutsches Grundbuchrecht §  35 Abs.  1 S.  1 GBO stellt nunmehr für das deutsche Grundbuchrecht klar, dass der Nachweis der Erbfolge nicht ausschließlich durch einen Erbschein, sondern auch durch ein ENZ erfolgen kann. Unerheblich ist deshalb insbesondere, ob das ENZ als öffentliche Urkunde i. S. d. deutschen Verfahrensrechts qualifiziert werden kann.95

II. Verhältnis von ENZ und französischer attestation notariée Im mitgliedstaatlichen Ausland bleibt indes fraglich, ob im Rahmen der Registereintragung neben der Vorlage eines ENZ, das nach dem jeweiligen mit88 

Janzen DNotZ 2012, 484 (493); EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  53 f. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  53 f. 90  Janzen DNotZ 2012, 484 (493); Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (775); Beck­ OGK/­J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  48. 91 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  30. 92  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 441. 93  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 441. 94 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  30. 95  So vor Neufassung des §   35 Abs.  1 S.  1 GBO etwa noch Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 (528); Wilsch ZEV 2012, 530. 89 

D. Notwendigkeit der Vorlage eines weiteren Schriftstücks neben dem ENZ

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gliedstaatlichen Recht hierfür erforderliche inländischen Schriftstücks gefordert werden darf. So ist im französischen Schrifttum96 umstritten, ob ­neben der attestation notariée auch das ENZ für sich genommen ausreicht, um eine Registrierung aufgrund Erbfolge beim service chargé de la publicité foncière (Meldebehörde für Grunderwerb) vorzunehmen. 1. Acte authentique? Vor dem Hintergrund des Art.  710-1 C. civ., der bei der Registereintragung einen Nachweis durch einen von einem französischen Notar ausgestellten acte authentique (öffentliche Urkunde) i. S. d. französischen Verfahrensrechts verlangt,97 wird teilweise vertreten, dass ein in einem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes ENZ nur dann für die Registereintragung genüge, wenn es diese Anforderungen erfüllt.98 Im Wesentlichen stützt sich diese Auffassung auf die Ausnahmeregelung des Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO.99 Diese Argumentation vermag jedoch mit Blick auf Art.  69 Abs.  5 ­Eu­ErbVO nicht zu überzeugen. Zwar mag auch der von einem französischen Notar ausgestellte acte de notoriété für innerstaatliche Sachverhalte keine öffent­ liche Urkunde i. S. d. Art.  710-1 C. civ. darstellen.100 Im Zusammenhang mit einem grenzüberschreitenden Erbfall bestimmt Art.  65 Abs.  5 EuErbVO jedoch zwingend, dass das ENZ als Nachweis der Erb- oder Einzelrechtsnachfolge zu akzeptieren ist, unabhängig davon, welche Anforderungen das jeweilige mitgliedstaatliche Registerrecht sonst an den Nachweis einer erbrechtlichen Rechtsstellung stellt.101 Folglich ist irrelevant, ob es sich beim ENZ nach seinem Ausstellungsverfahren nach französischem Recht um einen acte authentique handelt. Würde der Vorbehalt des Art.  1 Abs.  2 lit.  l ­EuErbVO derart weit ausgelegt, dass ein Mitgliedstaat einen Nachweis der Erb- oder Einzelrechtsnachfolge grundsätzlich nur in Form einer öffent­ lichen Urkunde i. S. d. jeweiligen nationalen Rechts akzeptiert, würde das Gesamtsystem und die Konzeption des ENZ nach der EuErbVO unter­

96  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343; P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  255; J-F. Sagaut JCP N 15 (2013) 1086 (Nr.  4); Stade in DACH, EuErbVO, 161 (183). 97  F. Chalvignac Dr. Fam. 2013 dossier 39 (Nr.  38); Döbereiner ZEV 2015, 559 (561); Sonnenberger/Schweinberger, Französisches Recht, 82. 98  F. Chalvignac Dr. Fam. 2013 dossier 39 (Nr.  38 f.); B. Reynis Defrénois 15–16 (2012), 767 (771 Nr.  20). 99  B. Reynis Defrénois 15–16 (2012), 767 (771 Nr.  20). 100  Vgl. oben Kapitel  2 C. II. 1. 101  J. Schmidt ZEV 2014, 389 (393); Stade in DACH, EuErbVO, 161 (183).

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Kapitel 4: Optionales Nebeneinander von ENZ und MNZ

laufen.102 Der Verweis des Art.  69 Abs.  5 EuErbVO auf Art.  1 Abs.  2 lit.  l ­EuErbVO ist da­-hin auszulegen, dass das mitgliedstaatliche Registerrecht nur insoweit zusätzliche registerverfahrensrechtliche Voraussetzungen zur Umschreibung eines eingetragenen Rechts verlangen kann, als sich diese Voraussetzungen gerade nicht auf die vom ENZ bescheinigte erbrechtliche Rechtsstellung i. S. d. Art.  63 EuErbVO beziehen.103 M.a.W. ist das Erfordernis der Vorlage einer öffent­lichen Urkunde i. S. d. mitgliedstaatlichen Rechts für die Vornahme einer Registereintragung stets durch die Vorlage eines ENZ als erfüllt anzusehen.104 2. Attestation notariée? Das formelle Registerrecht ist in Frankreich im Wesentlichen im Dekret Nr.  55-22 vom 4.1.1955105 sowie im Dekret Nr.  55-1350 vom 14.10.1955106 geregelt. Art.  29 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955 definiert den Anwendungsbereich der attestation notariée.107 Abs.  1108 dieser Bestimmung legt den Grundsatz fest, dass jeder Übergang oder jede Begründung von ding­ lichen Rechten an unbeweglichen Sachen von Todes wegen zwingend durch eine attestation notariée nachzuweisen ist, aus der sich ergibt, ob die Erben oder Vermächtnisnehmer die Erbschaft angenommen haben und in der gegebenenfalls die Bedingungen für die Annahme anzugeben sind. Fraglich ist daher, ob anstelle einer solchen attestation notariée ein ENZ verwendet werden kann, wenn es die nach Art.  29 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955 erforderlichen Inhalte ausweist oder wenn der Antragsteller die nach dem Recht des registerführenden Staats erforderlichen zusätzlichen Informationen bereitstellt, um die Eintragung vorzunehmen.109

102 

J. Schmidt ZEV 2014, 389 (393). EuErbVO, Art.  69 Rn.  30. 104  P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  255. 105  Décret n°  55-22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière. 106  Décret n°  55-1350 du 14 octobre 1955 pour l’application du décret n°  55-22 du 4 janvier portant réforme de la publicité foncière. 107  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier). 108  Art.  29 Abs.  1 des décret n°  55-22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière lautet: „Dans les délais fixés à l’article 33, toute transmission ou constitution par décès de droits réels immobiliers doit être constatée par une attestation notariée indiquant obligatoirement si les successibles ou légataires ont accepté et précisant, éventuellement, les modalités de cette acceptation“. 109  P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  255. 103 MüKoBGB/Dutta

D. Notwendigkeit der Vorlage eines weiteren Schriftstücks neben dem ENZ

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Das französische Notariat110 hält auch nach Geltungsbeginn der EuErbVO für die Registereintragung erforderlich, dass von einem französischen Notar eine attestation notariée ausgestellt werde. So entfalte das ENZ zwar wie der acte de notoriété bei innerstaatlichen Sachverhalten seine Wirkung i. S. d. Art.  69 Abs.  2 EuErbVO erga omnes hinsichtlich einer erbrechtlichen Rechtsstellung i. S. d. Art.  63 EuErbVO,111 mehr aber auch nicht.112 Demgegenüber bescheinige der zuständige Notar mit einer attestation notariée, dass infolge der von ihm angegebenen faits et actes das Eigentum am un­ beweglichen Nachlassvermögen des Erblassers aufgrund Erbfolge auf die Erben bzw. Vermächtnisnehmer übergegangen ist.113 Acte in diesem Sinne und damit Grundlage der attestation notariée kann bei innerfranzösischen Sachverhalten der acte de notoriété sein. Gleiches müsse im Falle eines grenzüberschreitenden Sachverhalts für das ENZ eines anderen Mitgliedstaats gelten.114 Aus funktionaler Sicht diene das ENZ folglich dem Nachweis ­einer erbrechtlichen Rechtsstellung, während die attestation notariée den Eigentumsübergang ausweise.115 Die attestation notariée diene im Wesent­lichen der kontinuierlichen Registerpublizität (sog. règle de l’effet relatif) und damit der Richtigkeit des Registers.116 Die attestation notariée beziehe sich als acte de publicité foncière ausschließlich auf das französische Registerverfahrensrecht, das der Sicherstellung der Richtigkeit des fichier immobilier dient.117 Die attestation notariée erfülle damit formale Anforderungen, denen weder der acte de notoriété noch das ENZ entspreche.118 So enthalte die attestation notariée betreffend das unbewegliche Nachlassvermögen etwa Angaben zu dessen Art, dessen Lage sowie bestimmte Angaben

110  E. Jacoby JCP N 25 (2012) 1272 (Nr.  24); E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier); a.A:. P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/ Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  255; Stade in DACH, EuErbVO, 161 (182 f.). 111  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier). 112  J-F. Sagaut JCP N 15 (2013) 1086 (Nr.  4). 113  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier). 114 Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  69 Nr.  65. 115  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier). 116  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier). 117  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier). 118  E. Jacoby JCP N 11 (2013) act. 343 (1.) (Les conditions d’accès au registre foncier).

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aus dem französischen amtlichen Vermessungsverzeichnis (vgl. Art.   7 Abs.  1119 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955).120 Nach Art.  68 lit.  l und lit.  m EuErbVO ist im ENZ gegebenenfalls auch ein Verzeichnis der Rechte und/oder Vermögenswerte, die einem bestimmten Erben (lit.  l) oder einem bestimmten Vermächtnisnehmer (lit.  m) zustehen, aufzunehmen. Der europäische Verordnungsgeber bestimmt indes durch die Formulierung des Art.  68 lit.  l und lit.  m EuErbVO („gegebenenfalls“) ausdrücklich, dass ein solches Verzeichnis jedoch nur erforderlich ist, wenn und soweit einem Erben oder Vermächtnisnehmer im konkreten Fall bestimmte Rechte und/oder Vermögenswerte mit dinglicher Wirkung zugeordnet sind.121 Das ENZ muss die jeweiligen Rechte und/oder Vermögenswerte jeweils derart genau bezeichnen, dass diese eindeutig identifiziert werden können.122 Für Immobilien sind folglich die Angaben anzugeben, die nach dem Registrierungsstaat zur Identifikation erforderlich sind.123 Um welche Angaben es sich dabei handelt, kann die Ausstellungsbehörde den von den Mitgliedstaaten nach Art.  77 UAbs.  2 EuErbVO zu erstellenden Merkblättern entnehmen, die alle Dokumente und Angaben aufführen, die für die Eintragung einer in ihrem Hoheitsgebiet belegenen unbeweglichen Sache erforderlich sind.124 Hinsichtlich des französischen Registerrechts wird in diesem Merkblatt auf die attestation notariée verwiesen, auf der der Wert der Immobilie entsprechend vermerkt werden muss.125 Das ENZ kann angesichts der Bestimmungen des Art.  68 lit.  l und lit.  m EuErbVO ggf. durchaus die von Art.  7 Abs.  1 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955 geforderten Angaben aufführen. Nach Art.  29 Abs.  1 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955 muss sich aus der attestation notariée ergeben, ob die Erben oder Vermächtnisnehmer die An119  Art.  7 des décret n°  55-22 du 4 janvier 1955 portant réforme de la publicité foncière lautet: „Tout acte ou décision judiciare sujet à publicité dans un service chargé de la publicité foncière doit indiquer, pour chacun des immeubles qu’il concerne, la nature, la situation, la contenance et la désignation cadastrale (section, numéro du plan et lieu-dit). Le lieu-dit est remplacé pal l’indication de la rue et du numéro pour les immeubles situés dans les parties agglomérées des communes urbaines“. 120 Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  69 Nr.  65. 121 OGH ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00035.18K.0515.000; OLG München ZEV 2017, 580 (581); OLG München ZEV 2020, 233 Rn.  47; OLG Nürnberg ZEV 2017, 579; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  37; a. A.: Nordmeier IPRax 2019, 306 (311); Semelová GPR 2018, 200 (201). 122 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  38, 39. 123 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  38.1. 124 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  38.1. 125 https://e-justice.europa.eu/content_general_information-166-fr-de.do?member=1 #toc_9 (zuletzt abgerufen am 24.3.2022).

D. Notwendigkeit der Vorlage eines weiteren Schriftstücks neben dem ENZ

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nahme erklärt haben und ob sie unter einer Bedingung (und wenn ja, welcher) erfolgte. Spiegelbildlich sind nach Art.  68 lit.  k EuErbVO im ENZ in Bezug auf jeden Berechtigten ggf. Angaben über die Art der Annahme oder der Ausschlagung der Erbschaft zu machen. Insoweit verlangt Art.  68 lit.  k sowohl Angaben betreffend das „Ob“ als auch betreffend die Art der Annahme oder Ausschlagung.126 Art der Annahme oder der Ausschlagung meint angesichts der Ausgestaltung des Formblatts  V Anlage  IV Ziff.  2 bzw. Anlage  V Ziff.  2, ob die Annahme gegebenenfalls nach dem auf die Erbsache anwendbaren Recht gar nicht erforderlich war, ob sie unter einer Bedingung oder nach Maßgabe eines Nachlassinventars erfolgte.127 Folglich kann das ENZ, sofern zutreffend, auch die nach Art.  29 Abs.  1 Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955 erforderlichen Angaben enthalten. Vor diesem Hintergrund wäre es schwer nachvollziehbar, wenn neben der Vorlage eines ENZ, das u. a. die nach Art.  29 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955 erforderlichen Inhalte ausweist, noch eine attestation notariée vorgelegt werden müsste.128

126 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  34. Schmidt EuErbVO, Art.  68 Rn.  34. 128  In diese Richtung wohl P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  255; Stade in DACH, EuErbVO, 161 (183), der dies aus der notariellen Erteilungspraxis in Frankreich herleitet, nach der eine attestation notariée üblicherweise auf Grundlage eines von dem selben Notar ausgestellten acte de notoriété erteilt werde, ohne dass hinsichtlich der Erbenstellung ergänzende Feststellungen getroffen würden. 127 BeckOGK/J.

Kapitel  5

Divergenz zwischen ENZ und den nationalen Nachlasszeugnissen Die Untersuchung hat bis zu diesem Punkt gezeigt, dass die MNZ neben dem ENZ fortbestehen.1 Das ENZ lässt die MNZ auch bei einem grenzüberschreitenden Erbfall unberührt, hat es doch komplementierenden, nicht aber substituierenden Charakter.2 Das ENZ ist ein optionales Nachweis­ instrument, das den erbrechtlich Berechtigten wahlweise zur Verfügung steht, wobei sie auch auf die einschlägigen Mechanismen zum Nachweis einer e­ rb­rechtlichen Berechtigung des jeweils einschlägigen nationalen Rechts zurückgreifen können.3 Eine ausschließliche Verwendung des ENZ wird den erbrechtlich Berechtigten gerade nicht aufoktroyiert, sodass es ihnen freisteht ein MNZ zu verwenden. Hinsichtlich ein und desselben grenzüberschreitenden Erbfalls kann folglich eine ganze Reihe von Konkurrenzsituationen zwischen ENZ und MNZ auftreten: – Erstens ist eine Ausstellung sowohl eines ENZ als auch eines MNZ im selben Mitgliedstaat denkbar. – Zweitens kann ein Nebeneinander im Falle eines ENZ und eines MNZ entstehen, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ausgestellt werden. – Drittens ist nicht ausgeschlossen, dass mehrere ENZ jeweils in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt werden. Unweigerliche Folge dieses Dualismus ist die Möglichkeit inhaltlich divergierender Nachlasszeugnisse.4 Ein paralleler Umlauf eines ENZ (bzw. des1 

Vgl. oben insbes. Kapitel  4. Vgl. oben Kapitel  4 B. II. 3  Vgl. oben Kapitel  4 B. II. 4  I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.  3); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  62 Rn.  20; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.   62 Nr.   31  ff.; Burandt/Rojahn/ Burandt/Schmuck EuErbVO, Art.  62 Rn.  2 f.; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  13; Dörner DNotZ 2017, 407 (415 ff.); Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 380; P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  37 f.); Traut ZVglRWiss 115 (2016) 358, (388 ff., 421 ff.). 2 

152

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

sen beglaubigter Abschriften) und eines MNZ, das potenziell divergierende Rechtsstellungen bzw. Rechtslagen bezeugt, wirft diverse Forschungsfragen auf und gebietet, der Divergenz in besonderem Maße Beachtung zu schenken. Dies gilt umso mehr als die EuErbVO zwar Mechanismen zu deren Vermeidung enthält, jedoch zur Frage der Divergenz sowie der durch sie aufgeworfenen Folgeprobleme schweigt.5 Die Koexistenz des supranatio­ nalen ENZ und der MNZ löst in der Konsequenz bei den erbrechtlich Berechtigten erhebliche Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Durchsetzung ihrer Rechte aus.6 Diese Unsicherheit im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr ist jedoch geradezu diametral zu den erklärten Zielen der EuErbVO – der effektiven Wahrung der Rechte der erbrechtlich Berech­ tigten sowie dem Abbau von Hindernissen für den freien Verkehr von Per­ sonen im Zusammenhang mit einem internationalen Erbfall (vgl. ErwG 7 EuErbVO). Bevor eine Analyse der Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung von – sowie die Gründe, Konstellationen und Folgen einer Divergenz zwischen ENZ und nationalem Nachlasszeugnis vorgenommen werden kann, bedarf es einer begrifflichen Grundlage. Zunächst ist daher eine terminologische Absteckung des Begriffs der Divergenz für die Zwecke dieser Untersuchung vorzunehmen.

A. Der Begriff der Divergenz Der Begriff der Divergenz umschreibt den inhaltlichen Widerspruch zwischen Nachlasszeugnissen unterschiedlicher Ausstellungsstellen. In diesem Zusammenhang ist zwischen der Konstellation einerseits und der Art des Widerspruchs andererseits zu differenzieren. Der Begriff der internen Divergenz beschreibt den Widerspruch zwischen dem ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen des Ausstellungsstaats des ENZ.7 Die grenzüberschreitende Divergenz erfasst den Widerspruch zwi­ schen dem ENZ und den nationalen Nachlasszeugnissen des Verwendungsstaats bzw. eines anderen Mitgliedstaats.8

5 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  7; Kleinschmidt in jurisPK-­ BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  47 ff. 6 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  13. 7  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  36. 8  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  36.

153

A. Der Begriff der Divergenz (Art.  69 Abs.  1 EuErbVO)

ENZ (A)



Art.  69 Abs.  1 EuErbVO



MNZ (A)

MNZ (B)

Mitgliedstaat A (Ausstellungsstaat)

Mitgliedstaat B

Abbildung 1: interne Divergenz

ENZ (A)

Art.  39 ff. EuErbVO

MNZ (V/B)

ENZ (A)

 Art.  39 ff. EuErbVO

Mitgliedstaat A (Ausstellungsstaat ENZ)

MNZ (V)

Mitgliedstaat V (Verwendungsstaat ENZ)

Abbildung 2: grenzüberschreitende Divergenz

Hinsichtlich der unterschiedlichen Arten der Divergenz ist zwischen der echten und der unechten Divergenz zu differenzieren.9 Eine echte Divergenz kann nur angenommen werden, wenn die Nachlasszeugnisse die erbrechtliche Situation in materiell-rechtlicher Hinsicht unterschiedlich ausweisen.10 Hingegen erfasst der Begriff der unechten Divergenz lediglich die Abweichungen der Nachlasszeugnisse aufgrund ihrer unterschiedlichen inhaltlichen Ausgestaltung und Wirkungen, wobei die Nachlasszeugnisse in materiell-rechtlicher Hinsicht kongruent sind.11

9  Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (63); Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 380; Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 247. 10  So bereits Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (63); Dorsel ZErb 2014, 212 (221), auf diese Bezug nehmend auch Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 380; Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 247. 11 Vgl. auch hier Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (63); Dorsel ZErb 2014, 212 (221), auf diese Bezug nehmend auch Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 380; Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 247; der Sache nach ähnlich auch NKBGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  35 f., der eine Kollision von ENZ und mitgliedstaatlichem Nachlasszeugnis nicht annimmt, wenn die Nachlasszeugnisse inhaltlich oder von ihren Wirkungen her deckungsgleich sind sowie wenn eines der betrachteten Nachlasszeugnisse lediglich „inhaltlich oder seinen Wirkungen nach weiter reicht als das andere oder inhaltlich präziser ist“.

154

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz Praktische Bedeutung hat die Untersuchung einer Divergenz bei einem Aufeinandertreffen von ENZ und den MNZ freilich nur dann, wenn die vom europäischen Verordnungsgeber in der EuErbVO vorgesehenen Mechanismen zur Vermeidung konfligierender Nachlasszeugnisse eine echte Divergenz dennoch nicht ausschließen. Nach Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags zur EuErbVO12 war die Schaffung eines zentralen Registers für Nachlasszeugnisse angeregt worden. In diesem sollten neben Informationen zur Ausstellung, Berichtigung, Änderung und zum Widerruf sämtlicher Europäischer Nachlasszeugnisse13 auch die relevanten Informationen betreffend die MNZ geführt werden.14 Der auf die Vermeidung der Ausstellung divergierender Nachlasszeugnisse abzielende Vorschlag15 wurde zwar im europäischen Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen,16 fand letztlich jedoch keinen Eingang in die EuErbVO;17 der technischen Durchführbarkeit der Einrichtung eines solchen Registers standen offenbar die erforderlichen Vorbereitungsarbeiten entgegen.18 Ein Register hätte sicherlich zur Vermeidung einer Ausstellung divergierender Nachlasszeugnisse durch unterschiedliche Stellen beigetragen.19 Zudem hätte es verhindert, dass der Rechtsverkehr auf ein ENZ vertraut, das geändert oder widerrufen oder dessen Wirkungen ausgesetzt wurde(n).20 Die EuErbVO sieht jedoch auch in Ermangelung eines zentralen Registers Mechanismen zur Eindämmung der Möglichkeit eines Aufeinandertreffens divergierender Nachlasszeugnisse vor.21 Diese Mechanismen knüpfen zunächst auf kollisionsrechtlicher Ebene an (I.). Daneben treten Mechanismen auf Ebene des Internationalen Erbverfahrensrechts (II.). Der Eindämmung der Möglichkeit eines Aufeinandertreffens divergierender Nachlasszeugnisse dient ferner die grundsätzliche Herstellung eines Gleichlaufs von 12 

KOM (2009) 154 endg. MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (706 ff. Nr.  338, Nr.  341 f.). 14  MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (706 ff. Nr.  338, Nr.  341, Nr.  343). 15  MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (706 ff. Nr.  338, Nr.  341, Nr.  350 ff.). 16  Dok. Nr.  17715/11, 4; Dok. Nr.  18475/11, 6. 17  Dok. Nr.  17715/11, 4; Dok. Nr.  18475/11, 6. 18  Dok. Nr.  17715/11, 4; Dok. Nr.  18475/11, 6; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  14. 19  MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  11; Dutta/Weber/Fornasier ­IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  14. 20 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  62 Rn.  11. 21 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  15 ff. 13 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

155

forum und ius (III.). Schließlich vermag Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO ein Aufeinandertreffen von divergierenden ENZ und MNZ einzudämmen (IV.).

I. Mechanismus auf kollisionsrechtlicher Ebene – einheitliche Bestimmung des anwendbaren Rechts Ausgangspunkt der Bemühungen des europäischen Verordnungsgebers, materiell-rechtliche Widersprüche zwischen sich parallel im Umlauf befindlichen Nachlasszeugnissen bzw. deren beglaubigten Abschriften zu ver­ meiden – und damit wesentliche Säule der Rechtssicherheit – ist zunächst die einheitliche Bestimmung des Erbstatuts. Die Vereinheitlichung der erb­ recht­lichen Kollisionsregeln sichert grundsätzlich die Anwendung des gleichen materiellen Rechts, unabhängig davon, welches mitgliedstaatliche Gericht bzw. welche mitgliedstaatliche Stelle mit einer Sache befasst wird.22 Eine derartige – multilaterale – Vereinheitlichung war bis zur Geltung der EuErbVO nur wenig ausgeprägt: – Haager Übereinkommen über die internationale Verwaltung von Nachlässen vom 2.10.197323. Dieses wurde indes von den europäischen Staaten, mit Ausnahme von Portugal, nicht ratifiziert.24 – Haager Abkommen von 1989 über das auf die Erbfolge anzuwendende Recht25: ratifiziert allein von den Niederlanden.26 – Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.196127: Zwar im Verhältnis zu allen Mitgliedstaaten der EU in Kraft, ausgenommen Italien und Portugal.28 Die Anerkennung von Testamenten wurde in diesem Zusammenhang dadurch erleichtert, dass die formelle Gültigkeit der Testamente in den Übereinkommensstaaten begünstigt wurde.29 22 

DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 206; Hertel, FS DNotI 2018, 775 (783). Convention Concerning the International Administration of the Estates of Deceased Persons v. 2.10.1973; abrufbar unter: https://www.hcch.net/de/instruments/ conventions/full-text/?cid=83 (zuletzt abgerufen am 24.3.2022). 24  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 231. 25  Convention on the Law Applicable to Succession to the Estates of Deceased Persons v. 1.8.1989; abrufbar unter: https://www.hcch.net/en/instruments/conventions/full-text/ ?cid=62 (zuletzt abgerufen am 24.3.2022). 26  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 231. 27  Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht v. 5.10.1961, BGBl. 1965 II, 1145. 28  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 231. 29  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 231. 23  Hague

156

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

– Washingtoner Übereinkommen über ein einheitliches Recht der Form ­eines internationalen Testaments vom 26.10.197330: Dieses ebenfalls multilaterale Übereinkommen über Testamente führte ein internationales Testament ein und wurde von Belgien, Frankreich, Italien und Polen ratifiziert.31 – Basler Übereinkommen über die Schaffung eines Systems zur Registrierung von Testamenten vom 16.5.197232: ratifiziert von Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Spanien.33 – Haager Übereinkommen über das auf trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung vom 1.7.198534: in Kraft getreten zwischen Ita­ lien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich.35 – Übereinkommen über das auf Ehegüterstände anwendbare Recht vom 14.3.­197836: ratifiziert von Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden.37 Daneben wurden verschiedene bilaterale Übereinkommen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten der EU und Drittstaaten geschlossen.38 1. Geltung der Kollisionsregelungen der EuErbVO im Verfahren zur Ausstellung von MNZ und ENZ Das vereinheitlichte Kollisionsrecht der EuErbVO muss unzweifelhaft im Verfahren zur Ausstellung von MNZ gelten. Denn das ENZ substituiert die 30 

Washingtoner Übereinkommen über ein einheitliches Recht der Form eines internationalen Testaments v. 26.10.1973; abrufbar unter: https://www.unidroit.org/instruments/ international-will#:~:text=Convention%20providing%20a%20Uniform%20Law,(Was hington%2C%20D.C.%2C%201973)&text=Each%20Contracting%20Party%20may %20introduce,its%20official%20language%20or%20languages (zuletzt abgerufen am 24.3.­2022). 31  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 231. 32  Übereinkommen über die Schaffung eines Systems zur Registrierung von Testamenten v. 16.5.1972; nichtamtliche deutsche Übersetzung abrufbar unter: https://rm.coe.int/ 1680073120 (zuletzt abgerufen am 24.3.2022). 33  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 231. 34  Convention of 1 July 1985 on the Law Applicable to Trusts and on their Recognition; abrufbar unter: https://www.hcch.net/en/instruments/conventions/full-text/?cid=59 (zuletzt abgerufen am 24.3.2022). 35  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 231. 36  Convention of 14 March 1978 on the Law Applicable to Matrimonial Property Regimes, abrufbar unter: https://www.hcch.net/de/instruments/conventions/full-text/?cid =87 (zuletzt abgerufen am 24.3.2022). 37  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 231 f. 38  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 232.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

157

MNZ bei einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug nicht, vielmehr etabliert die EuErbVO einen optionalen Dualismus von ENZ und MNZ (vgl. Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO).39 Folglich kann sich aus Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO auch keineswegs ergeben, dass die Kollisionsregeln der ­EuErbVO im Verfahren zur Ausstellung der MNZ nicht gelten.40 Zudem würden die Bemühungen des europäischen Verordnungsgebers um eine Vereinheit­ lichung der erbrechtlichen Kollisionsregeln innerhalb der Union schlechterdings entwertet, wenn die mitgliedstaatlichen Stellen ausgerechnet bei der Ausstellung eines MNZ das autonome Kollisionsrecht anwenden könnten.41 Im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ ist hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung, ob die zu bescheinigende erbrechtliche Rechtsstellung sowohl dem Grunde als auch dem Umfang nach begründet ist, ebenfalls das nach den Kollisionsregelungen der EuErbVO zu bestimmende Erbstatut maßgeblich (vgl. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO, der u. a. auf das „nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende (…) Recht“ abstellt).42 Das Bestehen und der Umfang der zu bescheinigenden Rechtsstellung unterliegt folglich sowohl im Verfahren zur Ausstellung der MNZ als auch im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ grundsätzlich dem Erbstatut, wie es in den Art.  20 ff. EuErbVO bestimmt wird. 2. Systematik und Grundprinzipien der Art.  20 ff. EuErbVO Die EuErbVO regelt die Bestimmung des Erbstatuts in ihrem dritten Kapitel. Anders als derjenige der Art.  39 ff. EuErbVO ist der Anwendungs­bereich der Art.  21 ff. EuErbVO universell ausgestaltet.43 Berufen die kollisionsrechtlichen Bestimmungen der EuErbVO folglich Drittstaatenrecht, ist auch dieses anzuwenden (vgl. Art.  20 EuErbVO).44 Zunächst kann der Erblasser vor dem Hintergrund des Kontinuitäts­­in­teresses und der Ermöglichung von Rechtssicherheit bei der Nachlass­ planung45 durch Rechtswahl das Recht des Staats zur Anwendung berufen, 39 

Hierzu ausführlich oben Kapitel  4. Mankowski ErbR 2018, 482 (483). 41  Mankowski ErbR 2018, 482 (483). 42 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  11. 43  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  20 Rn.  1; A.  Meier-­ Bourdeau AJ fam. 2015, 375 (1.); Solomon in Dutta/Herrler, EuErbVO, 19 Rn.  4; Wilke RIW 2012, 601 (608). 44  Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (5); Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  20 Rn.  1; Wilke RIW 2012, 601 (608). 45  D. Boulanger JCP N 27 (2013) 1180 (Nr.  2); É. Fongaro JCP N 15 (2013) 1079 (Nr.  10); 40 

158

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder zum Zeitpunkt seines Todes angehört (vgl. Art.  22 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO). Besitzt der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes oder zum Zeitpunkt der Rechtswahl mehrere Staatsangehörigkeiten, kann er das Recht eines dieser Staaten wählen (vgl. Art.  22 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO). Inhaltlich darf der Erblasser folglich nur sein Heimatrecht wählen. Die Möglichkeit zur Rechtswahl ist indes nicht lediglich in inhaltlicher sondern auch in sachlicher sowie formeller Hinsicht beschränkt.46 Sachlich kann die Rechtswahl nur für den gesamten Nachlass getroffen werden, eine gegenständlich beschränkte Rechtswahl ist im Interesse der kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit unzulässig (vgl. Art.   22 Abs.  1 EuErbVO und insoweit insbesondere die französische [„loi régissant l’ensemble de sa succession“] sowie die englische Sprachfassung [„the law to govern his succession as a whole“]).47 Die Rechtswahl muss zudem ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben (vgl. Art.  22 Abs.  2 EuErbVO). Liegt eine Rechtswahl nicht vor, ist das anwendbare Recht nach der allgemeinen Kollisionsnorm einheitlich anhand des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu ermitteln (vgl. Art.  21 Abs.  1 EuErbVO). Hiervon weicht die EuErbVO allerdings in zwei Ausnahmekonstellationen ab.48 Erstmalig auf dem Gebiet des Internationalen Erbrechts enthält Art.   21 Abs.   2 EuErbVO eine Ausweichklausel.49 Diese Vorschrift verdrängt die objektive Regelanknüpfung zugunsten des Rechts eines anderen Staats, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände im konkreten Einzelfall eine offensichtlich engere Verbindung des Erblassers zu diesem anderen Staat ergibt.50 Hertel, FS DNotI 2018, 775 (784); Lange ZVglRWiss 110 (2011), 426 (432); A.  Meier-­ Bourdeau AJ fam. 2015, 375 (1.2.); J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (92); Solomon in Dutta/ Herrler, EuErbVO, 19 Rn.  48; Palandt/Thorn EuErbVO, Vorb. Rn.  3; allgemein zum Hintergrund der Rechtswahl im europäischen IPR: M-P. Weller RabelsZ 81 (2017), 747 (766 f.); vgl. unter dem Gesichtspunkt der Parteiautonomie Wilke RIW 2012, 601 (605). 46  A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2015, 375 (1.2.); C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  11); so bereits zum EuErbVO-E Lange ZVglRWiss 110 (2011), 426 (432). 47  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  22 Rn.  1; Lokin ZVglRWiss 114 (2015), 75 (85); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  22 Rn.  35; Palandt/ Thorn EuErbVO, Vorb. Rn.  3; bereits zum EuErbVO-E Lange ZVglRWiss 110 (2011), 426 (432). 48  Zum Vorrang der Rechtswahl vor objektiven Anknüpfungsmomenten, sofern relevante Gegeninteressen nicht entgegenstehen vgl. Wilke RIW 2012, 601 (605). 49 Palandt/Thorn EuErbVO, Vorb. Rn.  3. 50 Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  21 Rn.  2.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

159

Die Art.  20 ff. EuErbVO bauen im Wesentlichen auf folgenden Grundprinzipien: Zum einen dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes als objektive Regelanknüpfung (a)), zum anderen auf dem Grundsatz der Nachlasseinheit (b)).51 a) Objektive Regelanknüpfung – gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes Das objektive Anknüpfungskriterium des letzten gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt des Todes in Art.  21 Abs.  1 EuErbVO hat das auf dem Gebiet des internationalen Erbrecht tradierte kollisionsrechtliche Anknüpfungskriterium der Staatsangehörigkeit abgelöst.52 Hintergrund der objektiven Regelanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes ist der europäische Integrationsgedanke:53 So bildet der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes die stark voranschreitende Mobilität von Bürgern der EU besser ab, als etwa die Staatsangehörigkeit.54 In diesem Zusammenhang relevant ist zudem die Erwägung, dass sich am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts typischerweise die Mehrheit des abzuwickelnden Nachlassvermögens sowie der abzuwickelnden Rechtsbeziehungen befindet (vgl. ErwG 23 EuErbVO). Der Bruch mit dem objektiven Erbstatut des Heimatrechts des Erblassers im Todeszeitpunkt wird indes abgeschwächt durch die Möglichkeit der Rechtswahl nach Art.  22 EuErbVO.55

51  D. Boulanger JCP N 27 (2013) 1180 (Nr.  2); V. David-Balestriero in Bosse-Platière/ Damas/Dereu, L’avenir européen, 97 (98); Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  20 Rn.  2; Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  20 Rn.  1; vgl. bereits zum EuErbVO-E Lange ZVglRWiss 110 (2011), 426 (441), der daneben noch gesondert die Zulassung einer beschränkten Rechtswahl anführt; C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  4). 52  C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  4); Palandt/Thorn EuErbVO, Vorb. Rn.  3; Art.  21 Rn.  1; speziell zum deutschen Internationalen Erbrecht (auf Grundlage des Eu­Erb­VO-E) vgl. Lange ZVglRWiss 110 (2011), 426 (428). 53 Palandt/Thorn EuErbVO, Vorb. Rn.  3; allgemein zum Hintergrund der auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellenden Anknüpfung im europäischen IPR: M-P. Weller ­RabelsZ 81 (2017), 747 (763, 769). 54 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  17; allgemein zum Hintergrund der auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellenden Anknüpfung im europäischen IPR: M-P. Weller RabelsZ 81 (2017), 747 (763, 769). 55 Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  21 Rn.  1; Solomon in Dutta/Herrler, EuErbVO, 19 Rn.  3, Rn.  48; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  85; allgemein zum Hintergrund der Rechtswahl im europäischen IPR bei einer objektiven Regelanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt: M-P. Weller RabelsZ 81 (2017), 747 (766 f.).

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Die EuErbVO definiert den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht.56 Dieser unbestimmte Rechts­ begriff ist – wie alle Termini der EuErbVO – unionsautonom auszulegen.57 Umstritten ist indes, ob hinsichtlich der Interpretation des Aufenthaltsbegriffs in der EuErbVO auch auf den Grundsatz der verordnungsspezifischen Auslegung zu rekurrieren ist. Teilweise58 wird dies in Anbetracht des Grundsatzes einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts verneint, sodass hinsichtlich der Auslegung des Begriffs generell auf die Interpretation in anderen europäischen IPR- und IZPR-Rechtsakten zurückzugreifen sei. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird unter anderem in der Rom I-VO und der Rom II-VO,59 der EuScheidungsVO60,61 der E ­ uUntVO62 63 64 65 66 und der EuGüVO /EuPartVO verwendet. 56  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  37; C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  15); diesbezüglich kritisch etwa: I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.  2); hinsichtlich des EuErb­ VO-E, der indes – anders als die heutige EuErbVO – sogar eine Konkretisierung des Begriffs durch Leitlinien in den ErwG vermissen ließ Lange ZVglRWiss 110 (2011), 426 (429 f.). 57  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  37 ff.; GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E.; Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  46; KG NJW-RR 2016, 1100 Rn.  8; OLG Hamburg MittBayNot 2017, 624 Rn.  22; Camara IPRax 2013, 198; J.  Guil­ laumé D. 2019, 1376; Lokin ZVglRWiss 114 (2015), 75 (86); F. Mélin Dalloz actualité v. 13.6.2019; C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  15); Solomon in Dutta/Herrler, EuErbVO, 19 Rn.  7; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  6; Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  21 Rn.  5. 58  Dutta/Weber/Bauer/Fornasier IntErbR, Art.  21 EuErbVO Rn.  4; Dörner ZEV 2010, 221 (225 f.); Dörner ZEV 2016, 117 (118 f.); Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 367; Solomon in Dutta/Herrler, EuErbVO, 19 Rn.  35 ff.; Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  21 Rn.  5. 59  Kurth, Gewöhnlicher Aufenthalt, 105; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   4 Rn.  19 (dort Fn.  28). 60  Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABlEU v. 29.12.2010, L 343/10. 61 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  19 (dort Fn.  28). 62  Verordnung (EG) Nr.  4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABlEG v. 10.1.2009, L 7/1. 63  Kurth, Gewöhnlicher Aufenthalt, 105; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   4 Rn.  19 (dort Fn.  28). 64 BeckOK/Wiedemann EuGüVO, Art.  26 Rn.  2. 65  Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften, ABlEU v. 8.7.2016, L 183/30. 66 MüKoBGB/Looschelders EuPartVO, Art.  26 Rn.  7.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Obgleich die interne Harmonie der Rechtsakte auf dem Gebiet des europäischen IPR und IZPR auch im Rahmen der Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts grundsätzlich Beachtung finden muss, müsse der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts i. S. d. EuErbVO hingegen nach der sich wohl im Vordringen befindlichen Auffassung im Schrifttum67 – und im Ergebnis wohl auch des Generalanwalts am Gerichtshof Manuel Campos Sánchez-­ Bordona68 – nicht stets identisch sein mit demjenigen dieser anderen Rechts­ akte. Er sei vielmehr verordnungsspezifisch auszulegen.69 Dem ist zuzustimmen. In ErwG 23 S.  3 EuErbVO betont der europäische Verordnungsgeber ausdrücklich, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele der EuErbVO auszu­ legen ist.70 Das materielle Erbrecht der Mitgliedstaaten knüpft hinsichtlich der gesetzlichen Erbrechte sowie Pflichtteilsansprüchen typischerweise an

67 Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.  4 Nr.  14, Art.  21 Nr.  7; Eichel in jurisPK-­ BGB, EuErbVO, Art.  4 Rn.  44; É. Fongaro Rev. crit. DIP 2020, 107; J. Guillaumé D. 2019, 1376; Hertel in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  V, EuErbVO, Einl. Rn.  32; John GPR 2018, 70 (76 f.); John GPR 2018, 136 (136 ff.); Kurth, Gewöhnlicher Aufenthalt, 105 ff.; Kurth ZEV 2020, 229 (230); P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  7); Lehmann DStR 2012, 2085 (2086); Dutta/Weber/Lein IntErbR, Art.   4 EuErbVO Rn.   9; NK-BGB Bd.   6/­ Makowsky EuErbVO, Art.  4 Rn.  31; Michalski/J. Schmidt, ErbR, Rn.  1486; BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  19; Deixler-Hübner/Schauer/Schauer EuErbVO, Art.  4 Rn.  15 ff.; Schaub in Hereditare 2013, 91 (112); Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  16; Weber/Francastel DNotZ 2018, 163 (165 f.); in diese Richtung auch bereits zum Kommissionsentwurf vgl. B. Ancel in Baldus/Müller-Graff, Einheitsbildung durch Gruppenbildung, 185 (189 f.); G. Khairallah in Khairallah/Revillard, Perspectives, 61 (64 f.); C. Nourissat in Khairallah/Revillard, Perspectives, 17 (29). 68 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI: EU:C:2020:230 Rn.  46 f. 69 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI: EU:C:2020:230 Rn.  46 f.; Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.   4 Nr.   14, Art.   21 Nr.  7; Eichel in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  4 Rn.  44; É. Fongaro Rev. crit. DIP 2020, 107; J. Guillaumé D. 2019, 1376; Hertel in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  V, EuErbVO, Einl. Rn.  32; John GPR 2018, 70 (76 f.); John GPR 2018, 136 (136 ff.); Kurth, Gewöhn­ licher Aufenthalt, 105 ff.; Kurth ZEV 2020, 229 (230); P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  7); Lehmann DStR 2012, 2085 (2086); Dutta/Weber/Lein IntErbR, Art.  4 EuErbVO Rn.  9; NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  4 Rn.  31; Michalski/J. Schmidt, ErbR, Rn.  1486; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   4 Rn.   19; Deixler-Hübner/Schauer/ Schauer EuErbVO, Art.  4 Rn.  15 ff.; Schaub in Hereditare 2013, 91 (112); Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  16; Weber/Francastel DNotZ 2018, 163 (165 f.); in diese Richtung auch bereits zum Kommissionsentwurf vgl. B. Ancel in Baldus/Müller-Graff, Einheitsbildung durch Gruppenbildung, 185 (189 f.); G. Khairallah in Khairallah/Revillard, Perspectives, 61 (64 f.); C. Nourissat in Khairallah/Revillard, Perspectives, 17 (29). 70 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  19.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

den familienrechtlichen Status, etwa die Abstammung, an.71 Zwar bestimmt die EuErbVO den Begriff Rechtsnachfolge von Todes wegen als „jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge“ (vgl. Art.  3 Abs.  1 lit.  a EuErbVO), sodass die Rechtsnachfolge von Todes wegen für Erblasser und Erben vermögensrechtliche Folgen zeitigt. Wegen der Statusnähe des Erbrechts ist indes die EuErbVO – anders als etwa das in der Rom I-VO und der Rom II-VO geregelte Kollisionsrecht der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse – nicht vermögens- sondern statusrechtlich einzuordnen.72 Aufgrund der engen Verknüpfung des Erbrechts mit dem Statusverhältnis der Abstammung besteht im Rahmen der EuErbVO gegenüber der Rom I-VO bzw. der Rom II-VO das Bedürfnis nach einer höheren Stabilität des Anknüpfungskriteriums des gewöhnlichen Aufenthalts.73 Dem entspricht ErwG 23 EuErbVO, nach dem der gewöhnliche Aufenthalt eine besonders enge und feste Beziehung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen soll. Das Begriffsverständnis des gewöhnlichen Aufenthalts kann folglich in den europäischen Verordnungen übereinstimmen, muss dies jedoch nicht zwangsläufig. Angesichts der ErwG 23 und 24 EuErbVO ist „der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers von der mit der Erbsache befassten Behörde anhand einer Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalls in einem einzigen Mitgliedstaat festzulegen“.74 Zunächst kann der Erblasser aufgrund der Bedeutung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts für die Bestimmung des Erbstatuts und angesichts des Verordnungsziels der Vermeidung einer Nachlassspaltung (vgl. ErwG 37 S.  4 EuErbVO) zu einem bestimmten Zeitpunkt nur einen oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben, nicht aber mehrere.75 Eine Auslegung der EuErbVO, wonach der letzte gewöhnliche 71  Vgl. zur Statusorientierung des deutschen Erbrechts Lipp/Röthel/Windel/Röthel, Familienrechtlicher Status, 3.  Kapitel, 85 (106). 72  Umfassend, indes mit Blick auf die Bedeutung des internationalen Entscheidungseinklangs, zur Einordnung der europäischen Verordnungen als vermögens- oder statusrechtlich vgl. Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 45–60. 73  In diese Richtung wohl auch Kurth, Gewöhnlicher Aufenthalt, 107. 74  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  40. 75 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  41; so auch bereits Cass. 1re civ., 29.5. 2019, n°  18-13.383 sowie AG Altenkirchen FamRZ 2019, 1824 (1825); Dörner ZEV 2012, 505 (510); Mankowski IPRax 2015, 39 (45); Mankowski ErbR 2020, 715 (717); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  20; Solomon in Dutta/Herrler, EuErbVO, 19 Rn.  31; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  20; wohl auch A. Boiché AJ fam. 2018, 138 (im Vorgang der o. g. Entschei-

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Aufenthalt des Erblassers in mehreren Mitgliedstaaten festgelegt werden könnte, würde eine kollisions- und zuständigkeitsrechtliche Nachlassspaltung zur Konsequenz haben und würde sich daher geradezu diametral zu den Zielen der EuErbVO darstellen.76 Betreffend die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts enthalten ErwG 23 und ErwG 24 EuErbVO nützliche Hinweise.77 Der gewöhnliche Aufenthalt soll etwa eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen (vgl. ErwG 23 S.  3 EuErbVO); er erfordert eine besondere Stabilität.78 Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vorzunehmen und alle relevanten Tatsachen zu be­ rücksichtigen (vgl. ErwG 23 S.  2 EuErbVO).79 Maßgebliche Kriterien im Rahmen der Gesamtbetrachtung sind insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers im betreffenden Staat, die Umstände und Gründe für den Aufenthalt in dem betreffenden Staat – also auch der Wille des Erblassers bei der Begründung bzw. Fortführung des Aufenthalts80 (vgl. ErwG 23 S.  2 EuErbVO). ErwG 24 EuErbVO erörtert Sonderkonstellationen, in denen es sich als komplex erweisen kann, den Staat des dung der französischen Cour de Cassation in der Rs.  Johnny Hallyday (Cass. 1re civ., 29.5. 2019, n°  18-13.383). 76  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  19; GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  41; so auch bereits Cass. 1re civ., 29.5. 2019, n°  18-13.383 sowie AG Altenkirchen FamRZ 2019, 1824 (1825); Dörner ZEV 2012, 505 (510); Mankowski IPRax 2015, 39 (45); Mankowski ErbR 2020, 715 (717); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  20; Solomon in Dutta/Herrler, EuErbVO, 19 Rn.  31; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  20. 77  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  37 ff.; KG NJW-RR 2016, 1100 Rn.  8; OLG Hamburg MittBayNot 2017, 624 Rn.  23 (Anwendung des ErwG 23 EuErbVO); A. Boiché AJ fam. 2015, 371 (1.) (hinsichtlich ErwG 24 EuErbVO); Lokin ZVglRWiss 114 (2015), 75 (86); Solomon in Dutta/Herrler, EuErbVO, 19 Rn.  9 ff. (hinsichtlich ErwG 23 EuErbVO). 78  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  38; GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  47; OLG Hamburg MittBayNot 2017, 624 Rn.  23; so auch bereits Cass. 1re civ., 29.5. 2019, n°  18-13.383; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  20. 79  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  40; GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  49; so auch bereits Cass. 1re civ., 29.5. 2019, n°  18-13.383; Lokin ZVglRWiss 114 (2015), 75 (86); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  20. 80  OLG München ZEV 2017, 333 Rn.  5; OLG Hamm ZEV 2018, 343; OLG Hamm ZEV 2020, 634 (635); OLG Hamm ZEV 2020, 636 (637); Greeske, Kollisionsnormen EuErbVO, 61; Kurth, Gewöhnlicher Aufenthalt, 134 (178 f.); Kurth ZEV 2020, 229 (230); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  22.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu bestimmen. Insbesondere – jedoch nicht ausschließlich – im Rahmen dieser Sonderkonstellationen kann zudem das Kriterium der sozio-familiären Bindungen herangezogen werden (vgl. ErwG 24 S.  2 f. EuErbVO).81 Gleiches gilt für das Kriterium der Belegenheit der (wesentlichen) Vermögensgegenstände des Erblassers (vgl. ErwG 24 S.  4 f. EuErbVO). Das Kriterium der Staatsangehörigkeit kann ebenfalls – allerdings nur subsidiär82 – berücksichtigt werden (vgl. ErwG 24 S.  4 f. EuErbVO). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Tod des Erblassers. In die Gesamtbetrachtung sind jedoch auch die Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod einzustellen (vgl. ErwG 23 S.  2 EuErbVO), um nicht zu unan­ gemessenen Ergebnissen zu gelangen, indem auch dann rein statisch auf den Zeitpunkt des Todes abgestellt würde, sich die Lebensumstände des Erb­lassers aber erst kurz vorher wesentlich geändert haben.83 Die Bestimmung des Zeitpunkts des Todes des Erblassers richtet sich nach autonomem nationalen Recht,84 nicht nach dem hypothetischen Erbstatut,85 unterfallen nach Art.  1 Abs.  2 lit.  b und lit.  c EuErbVO doch die Rechtsfähigkeit so­wie Fragen betreffende die Verschollenheit oder Abwesenheit einer natür­ lichen Person und die Todesvermutung nicht dem Anwendungsbereich der ­Eu­ErbVO.86 b) Grundsatz der Nachlasseinheit Bis zur Geltung der EuErbVO sahen einige mitgliedstaatliche Kollisionsrechte eine kollisionsrechtliche Nachlassspaltung vor, die teilweise zur parallelen Berufung mehrerer Rechtsordnungen führte.87 So galt etwa nach französischen IPR zur Bestimmung des anwendbaren Erbrechts das système 81 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI: EU:C:2020:230 Rn.  54. 82 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI: EU:C:2020:230 Rn.  54 Rn.  57. 83 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  36. 84 Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.  83 Nr.  3; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  35. 85  So jedoch Dutta/Weber/Bauer/Fornasier IntErbR, Art.  21 EuErbVO Rn.  9, Art.  83 Rn.  6; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  4 Rn.  9. 86 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  35. 87  A. Boiché AJ fam. 2018, 380 (1.); P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  71; C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  8); Pazdan/Zachariasiewicz in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzyna­ rodowego, 125 (131); Péroz/Fongaro, Droit international privé patrimonial de la famille, Nr.  797; Revillard, DIP et Européen, Nr.  831; Schroer, Europäischer Erbschein, 115 ff.

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scissionniste, nach dem zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen zu differenzieren war.88 Soweit immeubles betroffen waren, war auf Grundlage von Art.  3 Abs.  2 C. civ.89 die lex rei sitae anwendbar.90 Hinsichtlich der meubles galt das Recht des letzten Wohnsitzes (domicile).91 Der Geltungsbeginn der EuErbVO markierte für diese Mitgliedstaaten einen Umschwung.92 Denn ein wesentliches Verordnungsziel ist die Vermeidung einer Nachlassspaltung.93 Ausweislich ErwG 37 EuErbVO sollte vor diesem Hintergrund und aus Gründen der Rechtssicherheit das gesamte zum Nachlass gehörende Vermögen dem nach den Kollisionsvorschriften der EuErbVO anwendbaren Erbrecht unterliegen – unabhängig einerseits von der Art der Vermögenswerte, andererseits davon, ob diese in einem ­anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat belegen sind. Nach Art.  21 Eu­ ErbVO ist das Recht des Staats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes für die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen maßgeblich. Gleichermaßen ist eine gegenständlich beschränkte Rechtswahl nach Art.  22 EuErbVO nicht zulässig.94 Die EuErbVO implemen88  E. Jacoby in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 111 (112); V. David-­ Balestriero in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 97 (98); P. Lagarde in ­Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  71; P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (10); Péroz/Fongaro, Droit international privé patrimonial de la famille, Nr.  687 ff.; Stade in DACH, EuErbVO, 161 (162 f.). 89  Art.  3 Abs.  2 C. civ. lautet: „Les immeubles, même ceux possédés par des étrangers, sont régis par la loi française“. 90  Ständige Rechtsprechung seit Cass. civ., 14.3.1837, Stewart, Grands Arrêts n°   3– observations in Ancel/Lequette, Les grands arrêts, Stewart c/Marteau, 22 (26 Nr.  8); A. Boiché AJ fam. 2018, 380 (1.); P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  71; Péroz/Fongaro, Droit international privé patrimonial de la famille, Nr.  691; Revillard, DIP et Européen, Nr.  835; Stade in DACH, EuErbVO, 161 (163). 91  Ständige Rechtsprechung seit Cass. civ., 19.6.1939, Labedan, Grands Arrêts n°  18 – observations in Ancel/Lequette, Les grands arrêts, Labedan c/Veuve Labedan, 157 (158 Nr.  2 ff.); A. Boiché AJ fam. 2018, 380 (1.); Péroz/Fongaro, Droit international privé ­patrimonial de la famille, Nr.  692; Revillard, DIP et Européen, Nr.  836; Stade in DACH, EuErbVO, 161 (163). 92  C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  8); hinsichtlich des französischen Kollisionsrechts vgl. A. Boiché AJ fam. 2018, 380 (2.); V. David-Balestriero in Bosse-Platière/­Damas/ Dereu, L’avenir européen, 97 (98); J. Guillaumé D. 2019, 1376; P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (10); Revillard, DIP et Européen, Nr.  1017. 93 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  8; Wilke RIW 2012, 601 (607). 94  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  22 Rn.  1; Lokin ZVglRWiss 114 (2015), 75 (85); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  22 Rn.  35; Palandt/

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tiert damit den Grundsatz der Nachlasseinheit: Die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen (sowohl in das bewegliche als auch in das unbewegliche Vermögen) richtet sich unabhängig vom Belegenheitsort des Nachlassvermögens grundsätzlich nach dem Recht des Staats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes – nicht nur im Rahmen der allgemeinen Kollisionsnorm, sondern auch im Falle einer Rechtswahl nach Art.  22 EuErbVO.95 Ratio der kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit ist die Rechtssicherheit.96 Eine Nachlassspaltung führt zur Entstehung mehrerer Nachlassmassen, die jeweils von einem anderen Recht regiert werden, das sowohl die Bestimmung der erbrechtlich Berechtigten und ihrer Anteile als auch die Aufteilung und Abwicklung des Nachlasses anders regelt.97 In der Folge ergeben sich zum Teil erhebliche Probleme hinsichtlich der Qualifikation und der Anpassung.98 Der Grundsatz der Nachlasseinheit gilt im Rahmen der EuErbVO indes nicht uneingeschränkt.99 Eine Durchbrechung erfährt der Grundsatz durch das Eingreifen eines Sondererbrechtsregimes nach Art.  30 EuErbVO100 sowie im Falle einer nur partiell formwirksamen Rechtswahl gemäß Art.  27 Abs.  1 lit.  e EuErbVO bzw. Art.  1 Abs.  1 lit.  e HTestformÜ.101 Eine Durchbrechung kann sich auch durch etwaige vorrangige völkerrechtliche Verträge i. S. d. Art.  75 EuErbVO ergeben.102 Zudem erfolgt eine Durchbrechung des Grundsatzes insoweit, als die Beachtung eines Renvoi (Rück- und Weiterverweisung) gemäß Art.  34 Abs.  1 EuErbVO dann zu einer Nachlass­ spaltung führt, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes in einem Drittstaat hatte und das Recht dieses Drittstaats nur partiell zurück- oder weiterverweist.103 Thorn EuErbVO, Vorb. Rn.  3; bereits zum EuErbVO-E Lange ZVglRWiss 110 (2011), 426 (432). 95 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  8. 96  Pacuła in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 107 (108 f.); Péroz/Fongaro, Droit international privé patrimonial de la famille, Nr.  798; BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  8. 97 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  8. 98 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  8. 99  Pacuła in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 107 (112). 100  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  21 Rn.  1; Pacuła in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 107 (112); BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  10. 101 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  10. 102  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.   21 Rn.   1; ­Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  21 Rn.  3; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  10. 103  Pacuła in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 107 (112);

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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3. Grenzen der Vereinheitlichung der erbrechtlichen Kollisionsregeln Die Vereinheitlichung der erbrechtlichen Kollisionsregeln in den Art.  20 ff. EuErbVO führt zwar grundsätzlich zur Anwendung des gleichen materiellen Rechts, unabhängig davon, welche mitgliedstaatliche Stelle mit der Ausstellung eines MNZ oder eines ENZ befasst ist. Allerdings wird ein europäischer Entscheidungseinklang hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs einer in einem MNZ oder einem ENZ ausgewiesenen erbrechtlichen Rechtsstellung durch die kollisionsrechtlichen Bestimmungen der EuErbVO keineswegs garantiert.104 So bildet etwa die Regelung des Art.  35 EuErbVO ein Hindernis für das generelle Streben des europäischen Verordnungsgebers nach einer unionsweiten Harmonisierung der erbrechtlichen Kollisionsregeln.105 Zudem ist nicht ausschließlich das Erbstatut für die in einem MNZ bzw. einem ENZ ausgewiesene erbrechtliche Rechtsstellung maßgeblich.106 Für die Ausstellung eines ENZ stellt etwa Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO klar, dass die Ausstellungsbehörde das ENZ unverzüglich ausstellt, wenn die zu bescheinigende erbrechtliche Rechtsstellung „nach dem auf die Rechts­ nachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder jedem anderen auf einen spezifischen Sachverhalt anzuwendenden Recht feststeht.“ Dieser Verweis bezieht sich nicht allein auf das nach den Art.  20 ff. EuErbVO zu bestimmende Erbstatut („nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes ­wegen anzuwendenden Recht“), sondern auch auf die Sonderanknüpfungen in Art.  24 ff. EuErbVO107, Vorfragen im Erbstatut108 sowie auf das im konkreten Fall nach verordnungsexternen Kollisionsregeln bestimmte anwendbare Recht wie das Personenstands- oder Ehegüterrecht, sofern es zur Feststellung der zu bescheinigenden erbrechtlichen Rechtsstellungen r­elevant wird.109 Von dem Verweis auf jedes andere auf einen spezifischen Sachverhalt anzuwendende Recht des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO erfasst, ist gleichermaßen das Formstatut für mündliche Verfügungen von Todes Pazdan/Zachariasiewicz in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 125 (134); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  9. 104 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  11. 105  C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.   17); Pintens, FS Kohler 2018, 393 (396); J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (97); generell zu ordre-public-Vorbehalten vgl. BeckOGK/ J.  Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  12; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  5 Rn.  1., Rn.  4. 106  Vgl. hinsichtlich des ENZ MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  12. 107 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  6. 108 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  12. 109 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   67 Rn.  12; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  6.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

wegen, soweit diese eine erbrechtliche Rechtsstellung betreffen, die im ENZ ausgewiesen werden kann.110 Schließlich sind nach Art.  75 Abs.  1 UAbs.  1, Abs.  2 EuErbVO vorrangige Staatsverträge der Mitgliedstaaten zu beachten, die gegebenenfalls von der EuErbVO abweichende, vorrangige Kollisionsregeln enthalten.111 4. Renvoi Der in Art.  34 EuErbVO geregelte Renvoi betrifft die Beachtlichkeit der kollisionsrechtlichen Normen des Rechts, das nach den Kollisionsnormen der EuErbVO zur Anwendung berufen ist.112 Erfasst ist allein der Renvoi drittstaatlichen Rechts, kann dieser doch bei Anwendung identischer Kollisionsregeln nicht auftreten.113 Im Gegensatz zu den Rom-Verordnungen114 stellt die EuErbVO also die Regelanknüpfung in bestimmten Fällen unter den Vorbehalt eines Renvoi, wenn das Recht eines Drittstaats zur Anwendung berufen ist.115 Art.  34 EuErbVO gebietet ausdrücklich einen zur Nachlassspaltung führenden partiellen Renvoi (vgl. Art.  34 Abs.  1 EuErbVO: „soweit“, frz. „pour autant que“, engl. „in so far as“).116 Die EuErbVO lässt den Renvoi zwar in begrenztem Umfang zu (vgl. Art.  34 Abs.  1 EuErbVO) und fördert damit den internationalen Entscheidungseinklang117; der europäische Verordnungsgeber nimmt jedoch bestimmte Konstellationen ausdrücklich vom Renvoi aus (vgl. Art.  34 Abs.  2 EuErbVO).118 110 MüKoBGB/Dutta 111 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  67 Rn.  12. EuErbVO, Art.  75 Rn.  2; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO,

Art.  75 Rn.  7 f. 112  Nordmeier in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  34 Rn.  1. 113  Nordmeier in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  34 Rn.  1. 114 Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck EuErbVO, Art.   34 Rn.   1; Zu Art.   20 Rom I-VO und Art.  24 Rom II-VO vgl. MüKoBGB/Martiny Rom I-VO, Art.  20 Rn.  1 f.; Zu Art.  11 Rom III-VO vgl. MüKoBGB/Winkler von Mohrenfels Rom III-VO, Art.  11 Rn.  1. 115 Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck EuErbVO, Art.   34 Rn.  1; Rentsch, Gewöhn­ licher Aufenthalt, 308; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  1. 116  Nordmeier in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  34 Rn.  1; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  14. 117  Nordmeier in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  34 Rn.  1. 118  Nordmeier in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  34 Rn.  6.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Beachtlich für die Bestimmung des Erbstatuts ist der Renvoi drittstaat­ lichen Kollisionsrechts auf das Recht eines Mitgliedstaats (vgl. Art.  34 Abs.  1 lit.  a EuErbVO). Verweist das Kollisionsrecht eines Drittstaats auf das Recht eines anderen Drittstaats, ist der Renvoi beachtlich, sofern der zweitver­ wiesene Drittstaat die Verweisung entweder unmittelbar oder nach Rückverweisung durch ein anderes Recht annimmt.119 In den in Art.  34 Abs.  2 EuErbVO aufgeführten Fällen ist das Kollisionsrecht des betreffenden Staats aufgrund konfligierender Leitprinzipien und Interessen gerade nicht beachtlich.120 Der Renvoi ist unbeachtlich, – erstens in den Fällen der Ausweichklausel des Art.  21 Abs.  2 EuErbVO, da nach diesem – aufgrund einer offensichtlich engeren Verbindung – ausdrücklich das Sachrecht eines anderen Staats als das des letzten gewöhn­ lichen Aufenthalts zur Anwendung berufen ist;121 dieser Leitgedanke des europäischen Verordnungsgebers würde indes bei Beachtlichkeit eines Renvoi unterminiert.122 – Zweitens in den Fällen des Art.  22 EuErbVO, wenn also der Erblasser eine Rechtswahl zugunsten des Rechts eines Drittstaates getroffen hatte. Der Erblasserwille muss gegenüber dem Renvoi dominieren, da anzunehmen ist, dass der Erblasser mit dieser Rechtswahl gerade das Sachrecht des gewählten Staats zur Anwendung berufen wollte.123 Würde das Primat nicht dem Erblasserwillen eingeräumt, wäre es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, die Rechtsfolgen einer Rechtswahl abzuschätzen.124 Die Nachlassplanung würde ganz erheblich erschwert. – Drittens soweit es um das Formstatut geht.125 So stünde die Beachtlichkeit eines Renvoi diametral zur Ratio der Vorschriften des Art.  27 EuErbVO und Art.  28 lit.  b EuErbVO.126 Nach Art.  27 EuErbVO finden im Interesse des favor testamenti gerade sämtliche der aufgeführten Anknüpfungsmomente alternativ Berücksichtigung, was freilich bei Beachtlichkeit ­eines Renvoi unterlaufen würde.127 Ähnliches gilt hinsichtlich Art.  28 lit.  b EuErbVO: Nach dieser Bestimmung genügt gerade die Formgültigkeit 119  Nordmeier in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  34 Rn.  4. 120 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  16. 121 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  17. 122 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  17. 123 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  18. 124 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  18. 125 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  20. 126 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  21. 127 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  21.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

  nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Erklärenden, wird dieses Recht diesem Erben/Vermächtnisnehmer doch i. d. R. geläufig sein.128 Das Argument der Geläufigkeit kann jedoch bei Beachtlichkeit eines Renvoi gerade nicht fruchtbar gemacht werden.129 – Viertens in den Fällen des Art.  30 EuErbVO, da die EuErbVO in diesen Konstellationen ausnahmsweise Beschränkungen durch Sondererbrechtsregime anerkennt.130 Nicht durch Art.  34 Abs.  2 EuErbVO ausgeschlossen werden hingegen die Fälle des Art.  28 lit.  a EuErbVO sowie beim Verweis auf Mehrrechtsstaaten die Art.  36 f. EuErbVO. Ein Ausschluss gerierte sich in beiden Konstellationen als sinnwidrig. Ratio des Art.  28 lit.  a EuErbVO ist, dass das Erbstatut  – das eben ggf. unter Beachtung eines Renvoi bestimmt wird – gerade auch für die Form maßgeblich ist.131 Ähnliches gilt beim Verweis auf Mehrrechts­ staaten.132 5. Résumé Das Erbstatut bestimmt sich sowohl im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ als auch im Verfahren zur Ausstellung eines MNZ nach den Art.  20 ff. EuErbVO. Die Kollisionsrechtsvereinheitlichung durch die EuErbVO ist damit eine ganz wesentliche Säule der Rechtsicherheit bei der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung. Den Art.  20 ff. EuErbVO inhärent sind die Grundprinzipien der objektiven Regelanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes einerseits und der Grundsatz der Nachlasseinheit andererseits. Obgleich im Schrifttum zur EuErbVO umstritten, sollte der Begriff des letzten gewöhnlichen Aufenthalts v. a. angesichts der Statusnähe des Erbrechts nicht nur unions-, sondern vielmehr auch verordnungsautonom ausgelegt werden. Aufgrund der engen Verflechtung des Erbrechts etwa mit dem Statusverhältnis der Abstammung ist eine besonders enge und feste Beziehung des Erblassers zum betreffenden Staat erforderlich. Dem Grundsatz der kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit kann daneben nur dann angemessen Geltung verschafft werden, wenn der Erblasser zum rele-

128 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  21. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  21. 130 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  23. 131 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  34 Rn.  22. 132  Nordmeier in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  34 Rn.  7. 129 BeckOGK/J.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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vanten Zeitpunkt nur einen oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann, nicht aber mehrere. Indes mag die Vereinheitlichung der erbrechtlichen Kollisionsnormen die Möglichkeit divergierender Nachlasszeugnisse dem Grunde nach zwar ­wesentlich einzudämmen. Einen europäischen Entscheidungseinklang ver­ mögen die Art.  20 ff. EuErbVO allerdings nicht zu garantieren. „Achilles­ ferse“133 des Mechanismus der Art.  20 ff. EuErbVO sind vorrangige staatsvertragliche Kollisionsregeln, die Sonderanknüpfungen sowie (statusrele­ van­te) Vorfragen im Erbstatut.

II. Mechanismen auf Ebene des Internationalen Erbverfahrensrechts Gleichrangig neben die Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts treten die verfahrensrechtlichen Mechanismen der EuErbVO, um die Ausstellung divergierender Nachlasszeugnisse zu vermeiden. 1. Reduzierung paralleler internationaler Zuständigkeiten Bezüglich des Erbstatuts ist seit Geltungsbeginn der EuErbVO die konkurrierende Berücksichtigung mehrerer Anknüpfungskriterien nicht mehr möglich.134 Im Rahmen des Zuständigkeitsregimes der EuErbVO ist wesentliches Anknüpfungskriterium ebenfalls der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes.135 Vor dem Hintergrund des Verordnungsziels der Vermeidung einer Nachlassspaltung sind konkurrierende internationale Gerichtsstände in den verschiedenen Mitgliedstaaten durch die Art.  4 ff. EuErbVO weitestgehend ausgeschlossen.136 Eine derartige Zuständigkeitskonzentration auf die Gerichte nur eines Mitgliedstaats gilt jedoch nur für streitige Verfahren vor den mitgliedstaatlichen Gerichten.137 Im nichtstreitigen Verfahren zur Ausstellung eines MNZ besteht indes die Möglichkeit, dass nicht nur Gerichte, sondern auch sonstige Behörden oder Angehörige eines Rechtsberufes mit Zuständigkeiten in Erbsachen funktional zuständig sind. Gerade für die letztgenannten ist fraglich, ob diese an die Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO gebunden sind und damit der Weg 133 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  75 Rn.  4; Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309); Wurmnest/Wössner ZVglRWiss 118 (2019), 449 (451), der dies nicht nur für die Kollisions­ regeln der EuErbVO, sondern auch deren Gesamtsystem annimmt. 134  Vgl. oben Kapitel  5 B. I.; von Bary, Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, 27. 135 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  1, Rn.  5. 136  von Bary, Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, 27. 137  von Bary, Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, 27.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens für die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle durch Eindämmung des Risikos divergierender Nachlasszeugnisse jedenfalls zum Teil geebnet ist. Für die Beantwortung dieser Frage unerlässliche Grundlage ist zunächst eine Systematisierung der Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO (a)). Sodann wird die Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ skizziert (b)) und der Anwendungsbereich der Art.  4 ff. EuErbVO hinsichtlich der MNZ analysiert (c)). Zuletzt werden (weitere) Möglichkeiten einer parallelen Zuständigkeit der Ausstellungsbehörden aufgezeigt. a) Das Kompetenzsystem der EuErbVO Die EuErbVO regelt allein die internationale, nicht aber die örtliche, sach­ liche und funktionale Zuständigkeit;138 sie berührt insoweit die innerstaat­ lichen Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten in Erbsachen nicht (vgl. Art.  2 EuErbVO). Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann im Falle einer Rechtswahl zugunsten des Rechts eines Mitgliedstaats allerdings auch die örtliche Zuständigkeit umfassen; nimmt Art.  5 Abs.  1 EuErbVO doch ausdrücklich auf „ein Gericht oder die Gerichte“ eines Mitgliedstaats Bezug.139 Die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats ist im zweiten Kapitel der EuErbVO – den Art.  4 ff. EuErbVO – geregelt. aa) Systematik der Art.  4 ff. EuErbVO Ausgangspunkt des Kompetenzsystems der EuErbVO bilden die Regelungen des Art.  4 EuErbVO und Art.  10 EuErbVO. (1) Die Grundregeln des Art.  4 EuErbVO und des Art.  10 EuErbVO Die EuErbVO regelt die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten nicht nur im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander, sondern auch im Verhältnis zu Drittstaaten und damit abschließend.140 Ein Rückgriff auf nationale Zuständigkeitsregeln verbietet sich auch dann, wenn sich eine Zuständigkeit irgendeines Mitgliedstaats auf Grundlage des Kompetenzsystems der EuErbVO nicht begründen lässt.141

138  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.   2 Rn.   1; Palandt/­Thorn EuErbVO, Vorb. Rn.  3. 139  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  5 Rn.  5. 140  Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (6). 141  Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (6).

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat i. S. d. EuErbVO, ist grundsätzlich die allgemeine Zuständigkeitsregelung des Art.  4 EuErbVO maßgeblich. Nach Art.  4 EuErbVO besteht hinsichtlich des gesamten Nachlasses eine allgemeine Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes. Art.  4 EuErbVO läuft indes leer, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes in einem Drittstaat hatte oder kein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt.142 Art.   10 EuErbVO begründet dann eine subsidiäre143 Zuständigkeit der Gerichte des/der Mitgliedstaats/en, in dem/denen sich Nachlassvermögen befindet: Art.  10 Abs.  1 EuErbVO regelt die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für den gesamten Nachlass. Primär sind die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes hatte zuständig (vgl. Art.  10 Abs.  1 lit.  a EuErbVO). Lediglich sekundär zuständig sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Erblasser seinen vorhergehenden gewöhnlichen Auf­ent­ halt hatte (vgl. Art.   10 Abs.   1 lit.   b EuErbVO). War der Erblasser im ­Zeitpunkt seines Todes Staatsangehöriger mehrerer Mitgliedstaaten und befindet sich Nachlassvermögen in mehreren Mitgliedstaaten, bestehen gleich­ rangige Zuständigkeiten der Gerichte dieser Mitgliedstaaten.144 Die EuErbVO ordnet gerade keinen Vorrang einer effektiven Staatsangehörigkeit an, sodass mehrere Staatsangehörigkeiten zuständigkeitsrechtlich als gleichrangig anzusehen sind.145 Dies ermöglicht den erbrechtlich Berechtigten freilich die Möglichkeit eines forum shopping.146 Liegt keines der in Art.  10 Abs.  1 EuErbVO genannten Anknüpfungskriterien vor, sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befindet, für die Entscheidung über dieses zuständig (vgl. Art.  10 Abs.  2 EuErbVO).

142  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  4 Rn.  2; Hess in Dutta/Herrler, EuErbVO, 131 Rn.  4, Rn.  14; J. Sagot-Duvaroux JCP N 15 (2013) 1081 (Nr.  8); Wilke RIW 2012, 601 (604). 143  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  10 Rn.  2; Hess in Dutta/Herrler, EuErbVO, 131 Rn.  14; J. Sagot-Duvaroux JCP N 15 (2013) 1081 (Nr.  8 ff.); Wilke RIW 2012, 601 (604). 144 Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.  10 Nr.  17 f.; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  10 Rn.  15; Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  10 Rn.  7. 145 Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.  10 Nr.  17 f.; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  10 Rn.  15. 146 Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.   10 Nr.  18; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  10 Rn.  15.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Die Auslegung des Art.  10 EuErbVO betreffend, hat die erste Zivilkammer der französischen Cour de Cassation dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob dessen Abs.  1 lit.  a dahin auszulegen ist, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes nicht seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, von Amts wegen ihre subsidiäre Zuständigkeit i. S. d. Art.  10 Abs.  1 lit.  a EuErbVO bejahen müssen, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats hatte und der Erblasser dort Vermögen besaß.147 Zwar bestimme Art.  15 EuErbVO, das sich das Gericht eines Mitgliedstaats, das in einer Erbsache angerufen wird, für die es nicht nach dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO nicht zuständig ist, von Amts wegen für unzuständig erklärt; jedoch präzisiere Art.  15 EuErbVO nicht, ob dieses Gericht zuvor prüfen müsse, ob die Voraussetzungen für seine Zuständigkeit nicht nur nach der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des Art.  4 EuErbVO, sondern auch subsidiär nach Art.  10 EuErbVO und Art.  11 EuErbVO nicht erfüllt sind.148 Einerseits spreche für die Verpflichtung des Gerichts, seine Zuständigkeit von Amts wegen nicht nur auf Grundlage des Art.  4 EuErbVO, sondern auch auf Grundlage des Art.  10 EuErbVO festzustellen, dass die EuErbVO die internationale Zuständigkeit innerhalb ihres sachlichen Anwendungsbereichs ausschließlich regelt, sodass insoweit der Rückgriff auf nationale Zuständigkeitsregelungen auch dann ausscheidet, wenn der Erblasser im Zeitpunkt des Todes keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hatte.149 Andererseits bewirke Art.  10 EuErbVO jedoch, dass der von der EuErbVO grundsätzlich intendierte Gleichlauf von forum und ius durchbrochen werde, es sei denn, es 147 

Cass. 1re civ., 18.11.2020, n°  19-15.438, ECLI:FR:CCASS:2020:C100707 Dispositif: „Par ces motifs, la Cour: Renvoie à la Cour de justice de l’Union européenne aux fins de répondre à la question suivante: «Les dispositions de l‘article 10, point 1a), du règlement (UE) n°  650/2012 du Parlement européen et du Conseil du 4 juillet 2012, relatif à la compétence, la loi applicable, la reconnaissance et l‘exécution des décisions, et l‘acceptation et l‘exécution des actes authentiques en matière de successions et à la création d‘un certificat successoral européen doivent-elles être interprétées en ce sens que, lorsque la résidence habituelle du défunt au moment du décès n‘est pas située dans un Etat membre, la juridiction d‘un Etat membre dans lequel la résidence habituelle du défunt n‘était pas fixée mais qui constate que celui-ci avait la nationalité de cet Etat et y possédait des biens doit, d‘office, relever sa compétence subsidiaire prévue par ce texte?»“; Vorlagefrage abgedruckt in D. 2020, 2289; zur Entscheidung der Cour de Cassation: F. Mélin Dalloz actualité v. 10.12.­ 2020. 148 Cass. 1re civ., 18.11.2020, n°   19-15.438, ECLI:FR:CCASS:2020:C100707 Motifs Nr.  9. 149 Cass. 1re civ., 18.11.2020, n°   19-15.438, ECLI:FR:CCASS:2020:C100707 Motifs Nr.  10.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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ergibt sich eine offensichtlich engere Verbindung i. S. d. Art.  21 Abs.  2 Eu­ ErbVO zum Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts als zum Aufenthaltsstaat oder der Erblasser besaß die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts und hat dessen Recht nach Art.  22 EuErbVO gewählt.150 Daher sei zweifelhaft, ob die subsidiäre Zuständigkeit nach Art.  10 EuErbVO seitens der Gerichte auch dann geprüft und gegebenenfalls bejaht werden muss, wenn sich die Parteien nicht auf Art.  10 EuErbVO berufen.151 Gegen die Annahme einer Verpflichtung des Gerichts, seine Zuständigkeit auch auf Grundlage des Art.  10 EuErbVO festzustellen, spreche zudem Art.  15 EuErbVO, der ausdrücklich nur vorsehe, dass sich ein unzuständiges Gericht von Amts wegen für unzuständig erklärt.152 Eine entsprechende Bestimmung für den Fall der Zuständigkeit sehe die EuErbVO nicht vor.153 Schließlich sehe Art.  5 EuErbVO die Möglichkeiten einer Gerichtsstandsvereinbarung vor, sodass es auch vor diesem Hintergrund zweifelhaft sei, eine solche Verpflichtung anzunehmen, obwohl die Parteien Art.  10 EuErbVO gar nicht geltend gemacht haben.154 Freilich kann über diese Auslegungsfrage allein der EuGH verbindlich entscheiden.155 Es bleibt jedoch zu hoffen, dass der EuGH Art.  10 EuErbVO dahin auslegt, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte ihre Zuständigkeit von Amts wegen annehmen müssen, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats hatte:156 Hierfür streitet erstens die – auch von der Cour de Cassation angeführte157 – umfassende Vereinheitlichung der Regelungen zur internationalen Zuständigkeit durch die EuErbVO.158 Das vom europäischen Verordnungs­ geber umfassende und abschließende Zuständigkeitssystem würde durch150 Cass. 1re civ., 18.11.2020, n°   19-15.438, ECLI:FR:CCASS:2020:C100707 Motifs Nr.  11. 151 Cass. 1re civ., 18.11.2020, n°   19-15.438, ECLI:FR:CCASS:2020:C100707 Motifs Nr.  11. 152 Cass. 1re civ., 18.11.2020, n°   19-15.438, ECLI:FR:CCASS:2020:C100707 Motifs Nr.  11. 153 Cass. 1re civ., 18.11.2020, n°   19-15.438, ECLI:FR:CCASS:2020:C100707 Motifs Nr.  11; F. Mélin Dalloz actualité v. 10.12.2020. 154 Cass. 1re civ., 18.11.2020, n°   19-15.438, ECLI:FR:CCASS:2020:C100707 Motifs Nr.  11. 155  F. Mélin Dalloz actualité v. 10.12.2020; allgemein zum Auslegungsmonopol des EuGH für das Unionsrecht vgl. Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, Art.  267 AEUV Rn.  6. 156 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  10 Rn.  26.1. 157 Cass. 1re civ., 18.11.2020, n°   19-15.438, ECLI:FR:CCASS:2020:C100707 Motifs Nr.  10. 158 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  10 Rn.  26.2.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

brochen, wenn die nationalen Gerichte nicht auch die Auffangzuständigkeit nach Art.  10 EuErbVO von Amts wegen prüfen müssten.159 Zweitens ordnet Art.  10 EuErbVO eine subsidiäre Zuständigkeit abschließend an (vgl. ErwG 30 EuErbVO).160 Es entscheidet also nicht die lex fori, ob ein mitgliedstaatliches Gericht selbst dann international zuständig ist, wenn eine internationale Zuständigkeit nach den Art.  4 ff. EuErbVO nicht besteht.161 Daher vermag allein eine Verpflichtung der mitgliedstaat­ lichen Gerichte dahingehend, von Amts wegen zu prüfen, ob einer der Zuständigkeitstatbestände des Art.  10 EuErbVO eingreift, dem unions- und völkerrechtlich gewährleisteten Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz (vgl. Art.  47 EuGRCh, Art.  6 Abs.  1, 13 EMRK i. V. m. Art.  6 EUV) zu seiner vollen Geltung zu verhelfen. Drittens hat eine Berufung auf das Verordnungsziel der Herstellung eines Gleichlaufs von forum und ius zwar grundsätzlich durchaus seine Berechtigung. Allerdings können forum und ius auch dann auseinanderfallen, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hatte und der Erblasser zwar eine Rechtswahl i. S. d. Art.  22 EuErbVO getroffen hat, jedoch keine Gerichtsstandsvereinbarung i. S. d. Art.  5 EuErbVO getroffen wurde. Die EuErbVO möchte im Kontext der Art.  5 ff. EuErbVO einen Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht lediglich ermöglichen, zwingt den Parteien eine solchen jedoch – angesichts des auch in Erbsachen geltenden Grundsatzes der Privatautonomie – gerade nicht auf.162 (2) Abweichungen Die Grundregeln des Art.  4 EuErbVO und des Art.  10 EuErbVO werden jedoch im Interesse der Ermöglichung eines Gleichlaufs von forum und ius im Falle einer Rechtswahl des Erblassers durchbrochen.163 Die Art.  5 bis 7 EuErbVO vermögen die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des gewählten Rechts auf unterschiedlichem Wege zu begründen.164 Erstens aufgrund einer von einer Verfahrenspartei beantragten Unzuständigerklärung des angerufenen Gerichts (vgl. Art.  7 lit.  a EuErbVO i. V. m. Art.  6 lit.  a EuErbVO). Zweitens durch eine förmliche Gerichts159 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  10 Rn.  26.2. Schmidt EuErbVO, Art.  10 Rn.  1. 161 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  10 Rn.  1. 162 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  5 Rn.  2. 163 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  6; Wilke RIW 2012, 601 (603). 164 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  7. 160 BeckOGK/J.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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standsvereinbarung (vgl. Art.  5 EuErbVO i. V. m. Art.  7 lit.  b EuErbVO und Art.  6 lit.  b EuErbVO). Drittens im Wege einer ausdrücklichen ad-hoc Anerkennung der Zuständigkeit durch die Verfahrensparteien (vgl. Art.  7 lit.  c EuErbVO). Art.  9 EuErbVO sieht eine Heilungsmöglichkeit für den Fall vor, dass nicht alle Verfahrensparteien an der Zuständigkeitsbegründung nach Art.  7 EuErbVO beteiligt waren, indem er in Bezug auf diese eine Zuständigkeitsbegründung kraft rügeloser Einlassung zulässt.165 Rügt der nicht an der Zuständigkeitsbegründung nach Art.  7 EuErbVO Beteiligte die internationale Zuständigkeit des Gerichts, hat sich das Gericht gemäß Art.  9 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO für unzuständig zu erklären166 – die nach Art.  4 EuErbVO bzw. Art.  10 EuErbVO zur Entscheidung berufenen Gerichte sind dann (wieder) ausschließlich zuständig.167 Art.  8 EuErbVO ermöglicht eine Vereinbarung der Verfahrensparteien, die Erbsache außergerichtlich in dem Mitgliedstaat, dessen Recht der Erb­ lasser nach Art.  22 EuErbVO gewählt hat, einvernehmlich zu regeln. In intertemporaler Hinsicht gilt im Zusammenhang mit der Rechtswahl zugunsten eines Mitgliedstaats, dass auch die erst von Art.  83 Abs.  2 und 4 EuErbVO erfassten Fälle die Voraussetzung des Art.  5 EuErbVO bzw. des Art.  7 lit.  c EuErbVO erfüllen, dass der Erblasser eine Rechtswahl getroffen hat.168 Die Grundregeln des Art.  4 EuErbVO und des Art.  10 EuErbVO werden auch im Falle der Art.  11 bis 13 EuErbVO durchbrochen.169 Für den Fall, dass ein Verfahren in einem Drittstaat unzumutbar ist oder sich als unmöglich erweist, begründet Art.  11 EuErbVO eine Notzuständigkeit (forum necessitatis) der Gerichte eines Mitgliedstaats. Auf Antrag der Parteien kann das Verfahren dergestalt beschränkt werden, als in Drittstaaten belegene Nachlassgegenstände ausgeklammert werden, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung in Bezug auf diese dort nicht anerkannt oder gegebenenfalls nicht für vollstreckbar erklärt wird (vgl. Art.  12 EuErbVO). Art.  13 EuErbVO begründet einen besonderen Gerichtsstand für die Entgegennahme bestimmter erbrechtlicher Erklärungen.170

165 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  9. Schmidt EuErbVO, Art.  9 Rn.  15. 167 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  9 Rn.  16. 168  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  92 ff. 169 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  10 ff.; speziell zum forum necessitatis (nicht nur im Kontext der EuErbVO) vgl. Lagarde, FS Kohler 2018, 256 ff. 170  Emmerling de Oliveira, FS DNotI 2018, 766. 166 BeckOGK/J.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Art.  14 bis 19 EuErbVO enthalten für die Art.  4 bis 13 EuErbVO ergänzende prozedurale Regelungen.171 Art.  14 EuErbVO definiert etwa, wann eine Anrufung eines Gerichts i. S. d. EuErbVO vorliegt. Die EuErbVO ­regelt die Prüfung der Zuständigkeit (vgl. Art.  15 EuErbVO) wie auch die der Zulässigkeit (vgl. Art.  16 EuErbVO). In Art.  17 EuErbVO regelt der europäische Verordnungsgeber das Problem des positiven Kompetenzkonflikts.172 Gegenstand des Art.  18 EuErbVO ist die Regelung der Problematik der im Zusammenhang stehenden Verfahren. Art.  19 EuErbVO regelt den Erlass einstweiliger Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen. bb) Grundsatz der Nachlasseinheit Die internationale Zuständigkeit erstreckt sich nach Art.  4 EuErbVO ausdrücklich auf die Rechtsnachfolge in den gesamten Nachlass des Erblassers, ohne Rücksicht auf den Belegenheitsort der Nachlassgegenstände.173 Genauso wie im Rahmen der Art.  20 ff. EuErbVO bezüglich des Erbstatuts gilt folglich auch bezüglich der internationalen Zuständigkeit der Grundsatz der Nachlasseinheit.174 Insbesondere differenzieren die Art.  4 ff. EuErbVO – im Gegensatz zur vor Geltung der EuErbVO bestehenden Rechtslage in einigen Mitgliedstaaten175 – nicht zwischen beweglichen und unbeweglichen Nachlassgegenständen.176 Im Rahmen der Art.  4 ff. EuErbVO hat sich der europäische Verordnungsgeber ebenfalls ganz bewusst für eine grundsätzlich bestehende Allzuständigkeit der zur Entscheidung berufenen Gerichte entschieden.177 Eine solche Allzuständigkeit vermeidet sowohl positive als auch negative Kompetenzkonflikte.178 Gerade die Vermeidung positiver Kompetenzkonflikte schränkt die Möglichkeit eines Aufeinandertreffens divergierender Nachlasszeugnisse erheblich ein. Mit der Bestimmung des Grundsatzes der Nachlasseinheit auf zuständigkeitsrechtlicher Ebene realisiert der europäische Verordnungsgeber den Leitgedanken eines grundsätzlich bestehenden Gleichlaufs von forum und ius im Anwendungsbereich der EuErbVO.179 171 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  13. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  14. 173 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  4 Rn.  12. 174 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  40. 175  So etwa auch in Frankreich, vgl. A. Boiché AJ fam. 2018, 380 (1.); DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 247. 176  A. Boiché AJ fam. 2018, 380 (2.); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  39. 177 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  40. 178 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  40. 179  A. Boiché AJ fam. 2015, 371 (1.); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  40. 172 BeckOGK/J.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Gleichwohl macht die Verordnung vom Grundsatz der zuständigkeits10 rechtlichen Nachlasseinheit Ausnahmen.180 Erstens beschränkt Art.   Abs.  2 EuErbVO die Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte am Nachlassgerichtsstand auf das inländische Nachlassvermögen, wenn der Erb­lasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes nicht in einem Mitgliedstaat hatte und weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats hatte (vgl. Art.  10 Abs.  1 lit.  a EuErbVO) noch subsidiär einen vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hatte (vgl. Art.  10 Abs.  1 lit.  a).181 Zweitens gestattet Art.  12 Abs.  1 EuErbVO dem Gericht das Verfahren auf Antrag einer Verfahrenspartei zu beschränken, indem in Drittstaaten belegenes Nachlassvermögen ausgeklammert wird, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung in Bezug auf dieses dort nicht anerkannt oder gegebenenfalls nicht für vollstreckbar erklärt wird.182 ­Drittens kann es im Falle einer Rechtswahl des Erblassers i. S. d. Art.  22 ­EuErbVO zu einer zuständigkeitsrechtlichen Nachlassspaltung kommen.183 In ihrer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.  5 EuErbVO können die Verfahrensparteien etwa eine Zuständigkeit der Gerichte im Mitgliedstaat des gewählten Rechts für einzelne Nachlassgegenstände begründen.184 Gleichermaßen können die Verfahrensparteien ihre Gerichtsstandsanerkennung nach Art.  7 lit.  c EuErbVO auf einzelne Nachlassgegenstände begrenzen.185 Nach Art.  6 lit.  a EuErbVO ist das eigentlich nach Art.  4 EuErbVO zuständige Gericht befugt – jedoch nicht verpflichtet –, sich auf Antrag einer der Verfahrensparteien für unzuständig zu erklären, wenn nach Erachten des Gerichts, die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht der Erblasser i. S. d. Art.  22 EuErbVO gewählt hat, in der Erbsache besser entscheiden können.186 Zulässig ist wohl auch eine Teilunzuständigkeitserklärung im Hinblick auf einen Teil des Nachlasses, da jedenfalls insoweit ein Gleichlauf von forum und ius hergestellt wird.187

180 

A. Boiché AJ fam. 2015, 371 (1.); Pacuła in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 107 (113). 181  A. Boiché AJ fam. 2015, 371 (1.); Pacuła in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 107 (113); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  4 Rn.  12. 182  A. Boiché AJ fam. 2015, 371 (1.); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  12 Rn.  1. 183 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  4 Rn.  12. 184 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  5 Rn.  15. 185 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  7 Rn.  15. 186  A. Boiché AJ fam. 2015, 371 (1.); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  6 Rn.  8 f. 187 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   6 Rn.  9; a. A.: Calvo Caravaca/Davì/Mansel/ Marongiu Bouonaiuti EuErbVO, Art.  6 Rn.  3 (dort insbes. Fn.  1).

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cc) Der letzte gewöhnliche Aufenthalt als zentrales Anknüpfungskriterium Innerhalb der EuErbVO ist das Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers einheitlich auszulegen.188 Ein größtmöglicher Gleichlauf zwischen forum und ius kann als zentrales Leitmotiv des europäischen Verordnungsgebers bei der Schaffung der EuErbVO nur durch eine einheitliche Begriffsauslegung hergestellt werden.189 Der parallele und einheitliche Rückgriff auf das Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes bei der Bestimmung des Erbstatuts und der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit bildet gerade das Rückgrat der Herstellung eines Gleichlaufs von forum und ius.190 Der Gleichlauf zwischen anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit wiederum bildet die Basis der Systematik der Art.  4 ff. EuErbVO. Für die Ausstellung des ENZ ergibt sich im Regelfall ebenfalls ein Gleichlauf von forum und ius, verweist Art.  64 S.  1 EuErbVO doch auf Art.  4, 7, 10 und 11 EuErbVO.191 Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist folglich auch im Rahmen der Art.   4 ff. EuErbVO unionsautonom192 und verordnungsspezifisch193 188 Dutta/Weber/Bauer/Fornasier

IntErbR, Art.  21 EuErbVO Rn.  3; Camara IPRax 2013, 198; Emmerich ErbR 2016, 122 (125 f.); Kunz GPR 2012, 208 (210); Kurth, Gewöhn­ licher Aufenthalt, 107; O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  9; BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  21 Rn.  6; Solomon in Dutta/Herrler, EuErbVO, 19 Rn.  31; ­Wilke RIW 2012, 601 (604 f.); Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  17; a. A. wohl Buschbaum/Kohler GPR 2010, 106 (112); Schaub in Hereditare 2013, 91 (113 f.), die den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts auf zuständigkeitsrechtlicher Ebene weiter auslegen möchten als auf Ebene des Kollisionsrechts. 189 Dutta/Weber/Bauer/Fornasier IntErbR, Art.  21 EuErbVO Rn.  3; Kurth, Gewöhnlicher Aufenthalt, 107; O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  9; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  17. 190  K. Lechner, Begründung des Berichts des Rechtsausschusses über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlass­ zeugnisses v. 6.3.2012, A7-0045/2012, 59; Mankowski IPRax 2015, 39 f.; Palandt/Thorn EuErbVO, Vorb. Rn.  3; Wilke RIW 2012, 601 (604 f.). 191 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  64 Rn.  3. 192  GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI: EU:C:2020:230 Rn.  46 f.; Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.  4 Nr.  14; MüKo­ BGB/Dutta EuErbVO, Art.  4 Rn.  3; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  19; ­Wilke RIW 2012, 601 (603). 193 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  46 f., so zu diesem im Rahmen der Interpretation des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts umstrittenen – vgl. oben Kapitel  5 B. I. 2. a) – Auslegungsgrundsatz auch BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  19 m. w. N.; anders etwa

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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aus­zulegen. Mit Blick auf die Intention des europäischen Verordnungsgebers, eine Nachlassspaltung auch bezüglich der internationalen Zuständigkeit zu verhindern, ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts auch bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach zutreffender Auffassung des EuGH so auszulegen, dass der Erblasser zu einem bestimmten Zeitpunkt nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann, nicht aber mehrere.194 An die Darlegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers sind, aufgrund des vom europäischen Verordnungsgeber intendierten Gleichlaufs von forum und ius, auf Zuständigkeitsebene dieselben prozessualen Anforderungen wie auf Begründetheitsebene zu stellen.195 Folglich kann bei der Prüfung der Zuständigkeit nach Art.  4 EuErbVO eine lediglich schlüssige Behauptung der Verfahrensparteien für einen letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers nicht ausreichen, selbst wenn sich die Frage des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Ebene der Begründetheit (i. R. d. Prüfung des Art.  21 Abs.  1 EuErbVO) erneut stellt.196 dd) Zwischenrésumé Die Systematik des Zuständigkeitsregimes der Art.  4 ff. EuErbVO fußt im Kern auf dem Bestreben des europäischen Verordnungsgebers der Herstellung eines Gleichlaufs von forum und ius. Der Grundsatz der Nachlasseinheit ist dem Kompetenzsystem der EuErbVO ebenso inhärent wie den kollisionsrechtlichen Art.  20 ff. EuErbVO. Gleiches gilt für die objektive Regelanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes. Die enge Verknüpfung von erbrechtlichem Zuständigkeitsrecht und erbrechtlichem Kollisionsrecht offenbart sich gerade in der gebotenen einheitlichen Auslegung des Begriffs des letzten gewöhnlichen Aufenthalts. Im Falle einer Rechtswahl des Erblassers werden die Grundregeln des Zuständigkeitsregimes der EuErbVO ebenfalls im Interesse der MögDutta/­Weber/Bauer/Fornasier IntErbR, Art.  21 EuErbVO Rn.  4; Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  21 Rn.  5, die für die Auslegung generell auf diejenige in anderen europäischen IPR/IZVR-Rechtsakte zurückgreifen wollen. 194 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  41; so auch bereits Cass. 1re civ., 29.5. 2019, n°  18-13.383 sowie AG Altenkirchen FamRZ 2019, 1824 (1825); Mankowski ErbR 2020, 715 (717); Beck­ OGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  20. 195 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  4 Rn.  11; in diese Richtung wohl auch Cass. 1re civ., 29.5.2019, n°  18-13.383; a. A. wohl Kurth, Gewöhnlicher Aufenthalt, 107 f. 196 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  4 Rn.  11; a. A. wohl Kurth, Gewöhnlicher Aufenthalt, 107 f.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

lichkeit einer Herstellung eines Gleichlaufs von forum und ius durch die Art.  5 EuErbVO bis Art.  7 EuErbVO durchbrochen. b) Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ Art.  64 EuErbVO regelt die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ. Art.  64 S.  1 EuErbVO weist die Zuständigkeit dem Mitgliedstaat zu, dessen Gerichte nach Art.  4, 7, 10 oder 11 EuErbVO zuständig sind. Art.  64 EuErbVO stellt also einen Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit nach den Art.  4 ff. EuErbVO und der internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung des ENZ her.197 Die internationale Zuständigkeit liegt bei den mitgliedstaatlichen Stellen – eine zentrale europäische Ausstellungsstelle existiert nicht (vgl. ErwG 70 S.  1 EuErbVO).198 Den jeweiligen Mitgliedstaaten obliegt die Festlegung der funktional, sachlich und örtlich zuständigen Ausstellungsbehörde, was Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips nach Art.  5 Abs.  3 EUV ist.199 Art.  64 S.  2 EuErbVO trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die MNZ auch hinsichtlich ihres Ausstellungsverfahrens teilweise wesentlich voneinander unterscheiden.200 Es muss sich bei der mitgliedstaatlichen Ausstellungsstelle jedoch um ein Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO (vgl. Art.  64 S.  2 lit.  a EuErbVO) oder um eine andere Behörde, die nach innerstaatlichem Recht für Erbsachen zuständig ist (vgl. Art.  64 S.  2 lit.  b EuErbVO), handeln. Eine derartige Behörde i. S. d. Art.  64 S.  2 EuErbVO können insbesondere auch Notare sein, sofern diese nicht bereits dem Gerichtsbegriff unterfallen.201 Damit wird die internationale Zuständigkeit zur Ausstellung eines ENZ für sämtliche Mitgliedstaaten einheitlich festgelegt.202 Die Möglichkeit eines forum shopping der erbrechtlich Berechtigten wird mithin insoweit unterbunden. Nach Art.  78 Abs.  1 lit.  c EuErbVO besteht hinsichtlich der nach Art.  64 EuErbVO zuständigen Behörde zum Zweck der Information der Öffentlichkeit eine Mitteilungspflicht der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission.203

197 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  64 Rn.  3. J. Schmidt ZEV 2014, 389 (390). 199 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  64 Rn.  3. 200 Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  64 Nr.  1. 201  I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.  3); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  64 Rn.  7. 202  I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.   3); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  64 Rn.  10; E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.2.). 203 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  78 Rn.  8. 198 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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c) Geltungsbereich der Zuständigkeitsvorschriften – MNZ Ob sich die internationale Zuständigkeit auch im mitgliedstaatlichen Verfahren zur Ausstellung eines gerichtlichen MNZ aus den Art.  4 ff. EuErbVO ergibt, war lange umstritten.204 Ihren Ursprung fand die Diskussion um den sachlichen Anwendungsbereich der Zuständigkeitsvorschriften dabei in der Streitfrage, ob die EuErbVO die MNZ überhaupt erfassen will. aa) Sachlicher Anwendungsbereich der EuErbVO Der Umfang des sachlichen Anwendungsbereichs der Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO ist untrennbar mit dem sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO selbst verflochten.205 Fallen die MNZ bereits nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO, sind sie notwendig auch aus dem Anwendungsbereich der Regelungen der EuErbVO zur internationalen Zuständigkeit ausgenommen.206 Der sachliche Anwendungsbereich der EuErbVO erstreckt sich auf sämtliche zivilrechtliche Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen, ausgenommen Steuer- und Zollsachen (vgl. Art.  1 Abs.  1 EuErbVO, ErwG 9 EuErbVO). Der autonom207 auszulegende Begriff Rechtsnachfolge von Todes wegen erfasst dabei „jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge“ (vgl. Art.  3 Abs.  1 lit.  a EuErbVO). Im Zuge der autonomen Auslegung, welche Fragestellungen als von dem Begriff Rechtsnachfolge von Todes wegen erfasst anzusehen sind, ist neben dem Negativkatalog des Art.  1 Abs.  2 EuErbVO grundsätzlich auch die positive Determination der Reichweite des Erbstatuts nach Art.  23 Abs.  2 EuErbVO heranzuziehen.208 Zwar bestimmt Art.  23 Abs.  2 EuErbVO formal allein die Reichweite des Erbstatuts.209 Allerdings trägt diese Bestimmung damit zugleich auch zur Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der EuErbVO bei.210 Die negative Anwendungsbereichsbestimmung des Art.  1 Abs.  2 EuErbVO nimmt indes Materien aus dem Anwendungsbereich der EuErbVO aus, die in Zusammenhang mit Erbsachen stehen und deren kollisionsrechtliche Be204 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  34. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  30 ff. 206  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  30 ff. 207 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  1 Rn.  2. 208 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  1 Rn.  2. 209 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  1 Rn.  2. 210 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  1 Rn.  2. 205 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

handlung entweder ganz bewusst dem mitgliedstaatlichem Recht vorbehalten wurde oder für die bereits spezielles vereinheitlichtes Kollisionsrecht gilt bzw. künftig geschaffen werden soll.211 Die MNZ werden jedoch gerade nicht durch den abschließenden212 Katalog des Art.  1 Abs.  2 EuErbVO vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen.213 Der Negativkatalog des Art.  1 Abs.  2 EuErbVO ist aufgrund seiner immensen Tragweite in zuständigkeitsrechtlicher und kollisionsrechtlicher Hinsicht abschließend.214 Die Herausnahme der MNZ aus dem Anwendungsbereich der EuErbVO, m. a. W. eine gewichtige Ausnahme des Art.  1 Abs.  1 EuErbVO, allein auf Grundlage des Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO und in diesem Zusammenhang auf Grundlage des Subsidiaritätsprinzips entspricht vor diesem Hintergrund wohl gerade nicht dem Willen des europäischen Verordnungsgebers.215 Hätte der europäische Verordnungsgeber die MNZ dem Anwendungsbereich der EuErbVO entziehen wollen, so hätte dies einer ausdrücklichen und eindeutigen Regelung entweder in Art.  1 Abs.  2 EuErbVO oder in einem eigenen Artikel im zweiten Kapitel der EuErbVO bedurft.216 Derartige Regeln fehlen indessen.217 Lediglich die in Art.  1 Abs.  2 EuErbVO ausdrücklich ausgenommenen Fragestellungen unterfallen folglich nicht der EuErbVO.218 Vor diesem Hintergrund versteht der EuGH den Anwendungsbereich der EuErbVO zu Recht weit. Bei einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug sind MNZ demnach vom Anwendungsbereich der EuErbVO erfasst.219

211 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  17. EuErbVO, Art.  1 Rn.  10. 213  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  30 f. 214 Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.  1 Nr.  10; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  1 Rn.  10; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/M. Weller EuErbVO, Art.  1 Rn.  10. 215  Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 216  Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 217  Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 218  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  30 f. 219  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  30 f.; Kleinschmidt IPRax 2020, 308; So bereits vor der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle: Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (749, 768), der jedoch nicht zwischen gerichtlichen und nichtgerichtlichen mitgliedstaatlichen Nachlasszeugnissen differenziert; so auch MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (701 Nr.  327) und Volmer ZEV 2014, 129 (130 ff.); bezogen auf das deutsche gerichtliche Erbscheinsverfahren: J. Schmidt ZEV 2014, 389 (390) und Wagner/Scholz FamRZ 2014, 714 (715). 212 MüKoBGB/Dutta

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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bb) Unionsautonome Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften Die MNZ sind als vom sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO erfasst anzusehen, sodass die MNZ nicht a priori dem Geltungsbereich der Regelungen der Art.  4 ff. EuErbVO über die internationale Zuständigkeit in Erbsachen entzogen sind. Gleichwohl präjudiziert dieser weite Anwendungsbereich der EuErbVO nicht, ob mitgliedstaatliche Ausstellungsstellen Gerichte i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO darstellen und damit als den Regelungen der Art.  4 ff. EuErbVO unterworfen gelten. Eine ausdrückliche Antwort auf diese Frage bleibt die EuErbVO schuldig, befasst sich doch keine ihrer Regelungen eigens mit den nationalen Nachlasszeugnissen.220 Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO besagt lediglich, dass das ENZ nicht an die Stelle der MNZ tritt. Die Bestimmung statuiert damit jedenfalls eine Institutsgarantie dergestalt, dass die nationalen Nachlasszeugnisse angesichts des optionalen Charakters des ENZ in ihrer Funktion und in ihren Wirkungen bestehen bleiben.221 Ob diese Institutsgarantie auch den Geltungsbereich der Zuständigkeitsregelungen der Art.  4 ff. EuErbVO zu determinieren vermag,222 bedarf jedoch genauerer Betrachtung.223 Wesentlicher Eckpfeiler bei der Feststellung des Geltungsbereichs der Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO ist die Auslegung der Art.  4 ff. ­ ­EuErbVO und in diesem Zusammenhang der Gerichtsbegriff der EuErbVO. Die Vorschriften der EuErbVO über die internationale Zuständigkeit sind, soweit sie für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht auf mitgliedstaatliches Recht verweisen, unionsautonom auszulegen.224 Der Auslegung des Art.  4 EuErbVO ist deshalb mittels des unionsrechtlich klassisch-­ methodischen Auslegungskanons zu begegnen. Neben dem Wortlaut einer Vorschrift ist wesentliches Element die Berücksichtigung des Kontexts der in Frage stehenden Regelung sowie deren Telos.225 Gleichwohl ist Ausgangs220 

Dörner DNotZ 2017, 407 (412 ff.); Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (311); L. Perreau-­ Saussine Rev. crit. DIP 2018, 850 221  Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (311, vgl. dort insbes. auch Fn.  34); Mankowski ErbR 2018, 482 (484). 222  So vor der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle: Dörner DNotZ 2017, 407 (412 ff.); Kohler/Pintens FamRZ 2017, 1441 (1448), nach denen der europäische Verordnungsgeber es dem nationalen Gesetzgeber überlasse die nationalen Nachlasszeugnisse entweder den Zuständigkeitsregeln des autonomen mitgliedstaatlichen Rechts oder dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO zu unterwerfen. 223  Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (311). 224  Vgl. zum allgemeinen Postulat der autonomen Auslegung im Europarecht EuGH v. 18.1.1984, Ekro, Rs.  327/84, Slg. 1984 107, 119. 225  EuGH v. 16.12.1960, Humblet, Rs.  6/60, Slg. 1960, 1163 (1194); speziell zur EuErb­ VO: EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  33; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  50.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

punkt der unionsautonomen Auslegung der Wortlaut der betreffenden unionsrechtlichen Regelungen.226 Dabei beanspruchen sämtliche Sprachfassungen der EuErbVO nach dem Prinzip der gleichrangigen Mehrsprachigkeit in der EU gleichermaßen Verbindlichkeit,227 sind also grundsätzlich gleich autoritativ und bei der Auslegung gleichrangig heranzuziehen.228 Dieses Prinzip, das einer Sprachfassung vor der anderen keinen Vorrang einräumt, ist im Rahmen der Auslegung des Art.  4 EuErbVO von heraus­ragender Bedeutung, ist doch der Wortlaut des Art.  4 EuErbVO nicht eindeutig.229 Alleinstellungsmerkmal der deutschen Sprachfassung ist ihre Bezug­ nahme auf den Begriff der Entscheidungen in Erbsachen, der – prima facie  – einen Bezug zur Legaldefinition der Entscheidung in Art.  3 Abs.  1 lit.  g ­EuErbVO und damit einen engen Anwendungsbereich der Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO nahelegt:230„Für Entscheidungen in Erbsachen sind für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte“. Die Gerichte eines Mitgliedstaats wären im Verfahren zur Ausstellung eines MNZ folglich nur dann an die Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO gebunden, wenn das betreffende MNZ als Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO zu qualifizieren ist. Dem gegenübergestellt sei beispielhaft der Duktus der französischen Sprachfassung des Art.  4 EuErbVO, der einen weiterreichenden sachlichen Anwendungsbereich nahelegt, da das Substantiv décision gerade nicht verwendet wird: „Sont compétentes pour statuer sur l’ensemble d’une succes­ sion les juridictions de l’État membre dans lequel le défunt avait sa résidence habituelle au moment de son décès“231. Vielmehr stellt die französische Sprach­fassung auf den Begriff des „Gerichts“ ab und verwendet lediglich die 226  EuGH v. 11.11.1997, Sabèl, Rs.  C-251/95, Slg. 1997, I-6191 Rn.  18; Nehne, Methodik und allgemeine Lehren, 55. 227  Allgemein zu diesem Prinzip i. R. d. autonomen Auslegung europäischer Sekundärrechtsakte: EuGH v. 6.10.1982, CILFIT, Rs.  C-238/81, Slg. 1982, 3415 Rn.  18; Verordnung Nr.  1 des Rates zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, ABlEG v. 6.10.1958, L 17/385; Nehne, Methodik und allgemeine Lehren, 55. 228  Allgemein hierzu i. R. d. autonomen Auslegung europäischer Sekundärrechtsakte: Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  3, Interpretation Rn.  12; EuGH v. 6.10.1982, CILFIT, Rs.  C-238/81, Slg. 1982, 3415 Rn.  18; Nehne, Methodik und allgemeine Lehren, 55. 229  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  38 f., Rn.  40; GA Szpunar v. 22.2.2018, Schlussanträge Oberle, Rs.  C-658/17, ECLI:EU:C:2019:89 Rn.  65 f. 230  Weber RNotZ 2018, 454 (456). 231  In diesem Sinne lautet auch die spanische („Los tribunales del Estado miembro en el que el causante tiviera su residencia habitual en el momento del fallecimiento tendrán competencia para resolver sobre la totalidad de la sucesión“) oder die englische Sprachfas-

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Verbform „entscheiden“. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO definiert nur den Begriff der Entscheidung. Folglich ist nicht offensichtlich, dass die mitgliedstaat­ lichen Sprachfassungen, in denen davon die Rede ist, dass die mitgliedstaat­ lichen Gerichte über den gesamten Nachlass „entscheiden“, die Verbform des Entscheidungsbegriffs im gleichen Sinne wie Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO verwenden.232 Eine rigide Verknüpfung der Art.  4 ff. EuErbVO mit Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO und den anerkennungsrechtlichen Art.  39 ff. EuErbVO ist folglich abseits der deutschen Sprachfassung keineswegs an­gezeigt. Der Wortlaut einer Regelung mag zwar Ausgangpunkt der Auslegung sein.233 Grammatikalische, systematische und teleologische Auslegung ergänzen sich jedoch gegenseitig, wobei in der Judikatur des EuGH eine allgemeine Tendenz zu erkennen ist, der grammatikalischen Auslegung im Vergleich zur systematischen und insbesondere teleologischen Auslegung eine relativ eingeschränkte Bedeutung zuzumessen.234 Besonders bei Wortlautdivergenzen sind folglich Systematik und Telos der betreffenden Regelung von überragender Bedeutung.235 cc) Genuin erbrechtlicher Gerichtsbegriff der EuErbVO An die Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO sind die Gerichte der Mitgliedstaaten gebunden (vgl. Art.   4 EuErbVO). Insoweit kongruiert der Wort­laut sämtlicher Sprachfassungen.236 Die Legaldefinition des Begriffs „Gericht“ in Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 Eu­ Erb­VO vermengt im Ausgangspunkt eine institutionelle mit einer funktionellen Begriffsbestimmung.237 So erfasst der Gerichtsbegriff der EuErbVO sung („The courts of the Member State in which the deceased had his habitual residence at the time of death shall have jurisdiction to rule on the succession as a whole“). 232 GA Szpunar, C-658/17 – Oberle, ECLI:EU:C:2019:89 Rn.  68; Gleichwohl wollen Teile des Schrifttums dem Verb „entscheiden“, die gleiche Tragweite wie der Verwendung des Begriffs der Entscheidung zuschreiben, vgl. etwa Weber RNotZ 2018, 454 (456). 233  Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   3, Interpretation Rn.  12. 234  EuGH v. 16.12.1960, Humblet, Rs.  6/60, Slg. 1960, 1163 (1194); speziell zur EuErb­ VO: EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  33; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  50; ­Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  3, Interpretation Rn.  18. 235  Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   3, Interpretation Rn.  15 ff., Rn.  18 f. 236  Exemplarisch hierfür seien die folgenden Sprachfassungen aufgeführt: dt. „Gerichte des Mitgliedstaats“, frz. „juridictions de l’État membre“, engl. „courts of the Member State“, span. „tribunales del Estado miembro“, ital. „organi giurisdizionali dello Stato membro“. 237  Kunz GPR 2019, 34 (37); F. Mélin Dalloz actualité v. 14.6.2019; Pazdan/Zacharia-

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

„jedes Gericht und alle sonstigen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen, die gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht oder unter der Aufsicht eines Gerichts handeln, sofern diese anderen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen ihre Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör gewährleisten und ihre Entscheidungen nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie tätig sind, a) vor einem Gericht angefochten oder von einem Gericht nachgeprüft werden können und b) vergleichbare Rechtskraft und Rechtswirkung haben wie eine Entscheidung eines Gerichts in der gleichen Sache.“ Der europäische Verordnungsgeber hat diese Legaldefinition bewusst weit gefasst – sie trägt den in den Mitgliedstaaten existierenden unterschiedlichen Systemen zur Regelung von Erbsachen Rechnung (vgl. ErwG 20 S.  1 und S.  2 EuErbVO).238 In einigen Mitgliedstaaten nehmen auch Notare oder Registerbehörden eine tragende Rolle im Rahmen der Regelung von Erbsachen ein, indem sie in bestimmten Erbsachen gerichtliche Funktionen ausüben, mithin funktionell gerichtlich tätig werden.239 Teilweise erfolgt ein funktionell gerichtliches Tätigwerden von Notaren oder Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen aufgrund einer Befugnisübertragung durch ein Gericht (vgl. ErwG 20 S.  2 EuErbVO). Der Gerichtsbegriff der EuErbVO ist bereits aus diesen Gründen notwendig weiter als etwa der Gerichtsbegriff der Brüssel Ia-VO;240 er ist mithin verordnungsspezifisch auszulegen. Zugleich erfährt der Gerichtsbegriff eine Begrenzung in funktioneller Hinsicht.241 Entsprechend stellt ErwG 20 S.  4 EuErbVO klar, dass der Begriff „Gericht“ nicht die nichtgerichtlichen Behörden eines Mitgliedstaats erfassen soll, die nach innerstaatlichem Recht befugt sind, sich mit Erb­ sachen zu befassen, wie in den meisten Mitgliedstaaten die Notare, wenn sie, wie üblicherweise der Fall, keine gerichtlichen Funktionen ausüben. Die siewicz in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 125 (162); Wilderspin in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 45 (51 ff.). 238  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  40; Carrascosa González, F. Mélin Dalloz actualité v. 14.6.2019; Reglamento sucesorio europeo, 52; Pazdan/Zachariasiewicz in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 125 (162); J. Sagot-Duvaroux JCP N 15 (2013) 1081 (Nr.  5); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  46. 239 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  46. 240  Mankowski ErbR 2019, 426 (427); Wilderspin in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 45 (47 ff.). 241  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  51 ff., Beyer GPR 2019, 245 (247); Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, 52; V. Égéa RTD eur. 2019, 763; P. Callé Defrénois 41 (2020), 29 (30).

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Bindung der Notare an die Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO soll ausweislich ErwG 21 S.  2 EuErbVO von ihrer Einordnung als Gericht i. S. d. EuErbVO abhängen. Spiegelbildlich sieht ErwG 22 S.  3 EuErbVO vor, dass Notare durch die Regelungen der Art.  4 ff. EuErbVO nicht gebunden sind, wenn sie keine gerichtliche Zuständigkeit ausüben. Hinsichtlich vorgenannter notarieller oder behördlicher Ausstellung der MNZ in einigen Mitgliedstaaten ist daher eine Auseinandersetzung mit dem genuin erbrechtlichen Gerichtsbegriff des Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO unerlässlich. Denn der europäische Verordnungsgeber unterwirft allein die mitgliedstaatlichen Gerichte den Regelungen der EuErbVO zur internationalen Zuständigkeit.242 (1) Gericht im institutionellen Sinne Dem Gerichtsbegriff des Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO unterfällt zunächst „jedes Gericht“, damit Gerichte im eigentlichen institutionellen Sinne.243 Folglich sind die öffentlichen Institutionen, die abstrakt mit der Rechtsprechung betraut sind, Gericht im erbrechtlichen Sinne, auch wenn sie bei der Ausstellung eines MNZ nicht judikativ tätig werden.244 (2) Konkretisierung des erbrechtlichen Gerichtsbegriffs in den Rs.  WB und E.E. – Differenzierung zwischen Gerichten im funktionellen Sinne und nichtgerichtlichen Stellen Der europäische Verordnungsgeber differenziert auf Grundlage des zwar weiten, indes in funktioneller Hinsicht begrenzten Gerichtsbegriffs245 für Stellen, die nicht bereits Gericht im institutionellen Sinne sind, zwischen Gerichten im funktionellen Sinne einerseits und nichtgerichtlichen Stellen andererseits, indem er auf deren funktionell gerichtliches Handeln abstellt (vgl. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO, ErwG 20 S.  2 EuErbVO).246 242 

GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI: EU:C:2020:230 Rn.  78; P. Callé Defrénois 41 (2020), 29 (30); C. Nourissat Defrénois 36 (2020), 34. 243  Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, 52; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  47. 244  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59; Kunz GPR 2019, 34 (37); Wilderspin in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 45 (51). 245  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) cc) (2); EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  51 ff., Beyer GPR 2019, 245 (247); V. Égéa RTD eur. 2019, 763; P. Callé Defrénois 41 (2020), 29 (30). 246  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  51 ff., D. Berlin JCP 23 (2019) 613; Beyer GPR 2019, 245 (247); F. Mélin Dalloz actualité v. 14.6.2019.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Erforderlich für eine Einordnung einer sonstigen Behörde oder Angehöriger von Rechtsberufen als Gericht im funktionellen Sinne ist erstens, dass diesen eine Zuständigkeit in Erbsachen zukommt, folglich für eine Materie, die in den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO fällt.247 Zweitens müssen die genannten Stellen mit Zuständigkeiten in Erbsachen entweder gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht oder unter Aufsicht eines Gerichts handeln (vgl. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO. (a) Rs.  WB (aa) Keine konstitutive Wirkung der Mitteilung i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO In der Rs.  WB stellt der EuGH zum Gerichtsbegriff einleitend – und überzeugend248 – fest, dass dieser nicht formell durch die Aufzählung in der von der Kommission zu führenden Liste determiniert werde.249 Der Mitteilung i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  2 EuErbVO komme zur Einordnung einer sonstigen Behörde oder der Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen eines Mitgliedstaats gerade keine konstitutive Bedeutung zu.250 Vielmehr habe die Mitteilung bzw. ihr Unterbleiben gerade mit Blick auf das Verordnungsziel der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege innerhalb der EU lediglich Informationscharakter.251 Die Feststellung, ob eine sonstige Behörde oder Angehörige von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen eines Mitgliedstaats dem Gerichtsbegriff der EuErbVO unterfällt, müsse folglich eigenständig vorgenommen werden.252 Zwar mag sich die Liste nach Art.  79 EuErbVO prima facie den Vergleich mit der Liste der EuInsVO253 gefallen lassen müssen, bei der die (Nicht-) Aufnahme in dies Liste konstitutive Bedeutung entfaltet.254 Indes kann die 247 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  48. Vgl. i. E. auch Wilderspin in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodo­ wego, 45 (54), der jedoch die Begründung des EuGH hinsichtlich der Folgen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Mitteilung i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  2 EuErbVO kritisiert; a. A.: Fitchen, The PIL of Authentic Instruments, 405. 249  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  43 ff., 48. 250  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  43 ff., 48. 251  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  46, 48. 252  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  49. 253  Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.­ 2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung), ABlEU v. 5.6.2015, L 141/19. 254  Vgl. zur EuInsVO 2015 etwa Mankowski/Müller/J. Schmidt/J. Schmidt EuInsVO 2015, Art.  1 Rn.  34 ff. 248 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Aufnahme in die Liste nach der EuInsVO allein im Wege eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens erfolgen, während die EuErbVO den Mitgliedstaaten lediglich eine Mitteilungspflicht auferlegt, die insoweit einer vergleichbaren verfahrensrechtlichen Kontrolle entbehrt.255 Eine unterschiedliche Behandlung der Listen ist vor diesem Hintergrund gerechtfertigt und überzeugend.256 (bb) Definition der Ausübung gerichtlicher Funktion Bezüglich der Auslegung des Gerichtsbegriffs nimmt der EuGH sodann im Ausgangspunkt auf seine Rechtsprechung zum EuGVÜ257 Bezug258 – allerdings unter Beachtung der Eigenheiten der EuErbVO.259 Denn nach der Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ erfasst der Gerichtsbegriff nur Organe, die in einem kontradiktorischen Verfahren entscheiden.260 Entscheidend für die Ausübung gerichtlicher Funktion sei nach Auffassung des EuGH in einem ersten Schritt, dass die Behörde bzw. der Angehörige eines Rechtsberufs mit Zuständigkeiten in Erbsachen in erbrechtlichen Streitigkeiten zuständig sein kann.261 In terminologischer Hinsicht ist an dieser Stelle jedoch Vorsicht geboten.262 „Streitig“ ist in diesem Kontext im materiellen – nicht aber im verfahrensrechtlichen, d. h. nicht im Sinne eines kontradiktorischen Verfahrens in Abgrenzung zu einem Verfahren i. R. d. freiwilligen Gerichtsbarkeit – Sinne zu verstehen.263 Folglich setzt die Ausübung gerichtlicher Funktion voraus, kraft eigener Befugnis über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheiden zu können.264 Dies ist zu verneinen, wenn die Befugnis selbst allein vom Willen der Beteiligten ab-

255 

Mankowski ErbR 2019, 426 (427); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  55. Beyer GPR 2019, 245 (246 f.); Mankowski ErbR 2019, 426 (427); BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  55. 257  Übereinkommen von Brüssel von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEG v. 31.12.­1972, L 299/32; zum 1.3.2002 hat die Brüssel I-VO das EuGVÜ weitgehend abgelöst. 258  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55. 259  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  56. 260 EuGH v. 2.6.1994, Solo Kleinmotoren, Rs.   C-414/92, Slg. 1994, I-2247 (2255), ECLI:EU:C:1994:221 Rn.  17; Kunz GPR 2019, 34 (35). 261  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55. 262 GA Bot, Schlussanträge WB, Rs.  C-658/17; ECLI:EU:C:2019:166 Rn.  81 ff.; Beyer GPR 2019, 245 (247). 263  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55; Beyer GPR 2019, 245 (247). 264  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55. 256 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

hängt.265 Den Ausstellungsstellen käme insoweit lediglich Beratungsfunk­ tion, nicht aber Entscheidungsbefugnis zu.266 In einem zweiten Schritt ist zu fragen, ob das Gericht im konkreten Fall judikativ agiert hat.267 Unmittelbar auf das judikative Handeln stellt der funktionelle Gerichtsbegriff für sonstige Behörden und Angehörige eines Rechtsberufes mit Zuständigkeiten in Erbsachen ab (vgl. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO). Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO stellt insoweit das Erfordernis der Gleichwertigkeit auf.268 Um eine Stelle als Gericht im funktionellen Sinne qualifizieren zu können ist demnach zunächst erforderlich, dass die Maßnahme unter Gewährleistung rechtlichen Gehörs durch ein unparteiisches Organ zustande kam und durch ein Gericht als unabhängiger Instanz überprüft werden kann (vgl. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 lit.  a EuErbVO). Hinsichtlich unstreitiger Maßnahmen, m. a. W. vor allem hinsichtlich der Ausstellung von MNZ, ergibt sich hieraus jedoch keine eindeutige Regelung. Das zur Abgrenzung zwischen Gericht und nichtgerichtlicher Stelle entscheidende Kriterium ist vielmehr in Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 lit.  b EuErbVO geregelt. Die Maßnahme muss also „vergleichbare Rechtskraft und Rechtswirkung haben wie eine Entscheidung eines Gerichts in der gleichen Sache“. Die konkrete Maßnahme muss folglich nach dem Wortlaut der EuErbVO – jedenfalls letzten Endes  – Rechtskraft und Rechtswirkung entfalten. Genau dieselbe Rechtskraft und Rechtswirkung wie eine gerichtliche Entscheidung in derselben Sache ist indes nicht erforderlich; ausreichend ist eine Vergleichbarkeit im Sinne funk­tionaler Äquivalenz.269 Nach Lesart des EuGH existiert judikatives Handeln im funktionellen Sinne auch dann, wenn diese Tätigkeit gerade nicht in eine Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO mündet.270 (b) Rs.  E.E. – Festigung der in der Rs.  WB etablierten Linie zum erbrechtlichen Gerichtsbegriff Mit seiner Entscheidung in der Rs.  E.E. festigt der EuGH seine in der Rs.  WB begründete Linie, der weite erbrechtliche Gerichtsbegriff finde seine Begrenzungen in funktioneller Hinsicht; eine Ausübung gerichtlicher Funktion setze stets die Befugnis zur Entscheidung erbrechtlicher Streitigkeiten 265 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55, Kunz GPR 2019, 34 (37). 267  Kunz GPR 2019, 34 (37). 268  Kunz GPR 2019, 34 (37). 269  NK-BGB Bd.  6/Looschelders EuErbVO, Art.  3 Rn.  32; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  53. 270  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  51. 266 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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voraus – unabhängig davon, ob das in Rede stehende Verfahren streitiger oder nicht streitiger Natur ist.271 Zudem könne sich nach dem Wortlaut des Art.  3 Abs.  2 EuErbVO die Eigenschaft eines Gerichts auch daraus ergeben, dass die sonstigen Behörden und sonstigen Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen in Ausübung einer Befugnisübertragung oder unter der Aufsicht eines Gerichts handeln.272 (3) Einordnung der betrachteten mitgliedstaatlichen Ausstellungsstellen bei der Ausstellung eines MNZ Ob eine mitgliedstaatliche Stelle bei der Ausstellung eines MNZ als Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO anzusehen ist, ist verordnungsautonom zu bestimmen.273 (a) Deutsche Nachlassgerichte Die deutschen Nachlassgerichte sind als öffentliche Institutionen, die abstrakt rechtsprechend tätig werden bereits Gericht im institutionellen Sinne und damit Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO. Auf ein judikatives Handeln bei der Ausstellung eines Erbscheins kommt es insoweit nicht an. Ein Gericht im institutionellen Sinne ist ein Gericht i. S. d. EuErbVO, auch wenn es bei der Ausstellung eines MNZ nicht judikativ tätig wird.274 Diese Wertung ist nicht nur Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO selbst in seiner Differenzierung zwischen Gerichten im institutionellen Sinne einerseits und solchen im funktionellen Sinne andererseits inhärent, sondern wird auch in der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle deutlich.275 So hat sich der EuGH zum Gerichtsbegriff auf die Vorlagefrage des deutschen Kammer­ gerichts hin lediglich beiläufig geäußert, jedoch die Ausstellung eines Erbscheins durch ein deutsches Nachlassgericht dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO unterworfen.276

271 

Beyer GPR 2021, 86 (90). EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  55. 273  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) cc). 274  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59; Wilderspin in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 45 (51). 275  Wilderspin in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 45 (51). 276  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59. 272 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

(b) Französische Notare Ausschließlich277 zuständig für die Ausstellung eines acte de notoriété sind die französischen Notare (vgl. Art.  730 Abs.  1 C. civ.). Anders als die deutschen Nachlassgerichte278 – sind die französischen Notare bei der Aus­ stellung eines MNZ nicht bereits Gericht im institutionellen Sinne, sondern allenfalls als Gericht im funktionalen Sinne zu qualifizieren. Der acte de ­notoriété fällt als MNZ in den Anwendungsbereich der EuErbVO.279 Die französischen Notare fallen mithin in die Kategorie der Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen i. S. d. EuErbVO. Der EuGH hat in der Rs.  WB einen polnischen Notar, der auf einstimmigen Antrag aller Beteiligten ein polnisches Nachlasszeugnis ausstellt, gerade nicht als Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 qualifiziert.280 Das französische Schrifttum geht von einer Übertragbarkeit der Entscheidung des EuGH in der Rs.  WB auf die Einordnung der französischen Notare als nichtgerichtliche Stelle bei der Ausstellung eines acte de notoriété aus.281 Nach wohl ganz herrschender Auffassung im französischen Schrifttum sind die französischen Notare bei der Ausstellung eines acte de notoriété nicht als Gericht i. S. d. EuErbVO zu qualifizieren.282 277  Vgl. oben Kapitel  2 C. I. 1.; J. Casey AJ fam. 2008, 10; V. Égéa in Guinchard et al., Répertoire de procédure civile, Succession, Nr.  85; J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  10; Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 278  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) cc) (3) (a). 279  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  30 f.; Kleinschmidt IPRax 2020, 308; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (749, 768); MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (701); J.  Schmidt ZEV 2014, 389 (390); Vollmer ZErb 2012, 227 (230); Volmer ZEV 2014, 129 (130 ff.); Wagner/Scholz FamRZ 2014, 714 (715). 280  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  57 ff.; Teile des polnischen Schrifttums kritisieren die Feststellung des EuGH, dass ein polnischer Notar bei der Ausstellung eines MNZ nicht als Gericht i. S. d. EuErbVO zu qualifizieren sei, aufs Schärfste, vgl. etwa Pazdan/ Zachariasiewicz in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 125 (163 ff., 178). 281  P. Callé Defrénois 39 (2019), 33; P. Callé Defrénois 41 (2020), 29 (30); S. Godechot-­ Patris/C. Grare-Didier D. 2019, 2216 (VI.); V. Égéa RTD eur. 2019, 763; A. Guichard AJ fam. 2020, 491; A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2019, 417; C. Nourissat Defrénois 36 (2019), 35. 282  I. Barrière-Brousse JCP N 36 (2018) act. 714; P. Callé Defrénois 35 (2018), 38; R.  Crône in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 123 (134 ff.); R. Crône/ L. Perreau-Saussine JCP N 50 (2018) 1359 (Nr.  33 ff.); V. Égéa RTD eur. 2019, 763; V. Égéa RTD eur. 2018, 845; S. Godechot-Patris/C. Grare-Didier D. 2018, 2384 (V. B.); S. Godechot-Patris/C. Grare-Didier D. 2019, 2216 (VI.); C. Gossart AJ fam. 2018, 554; E. ­Jacoby JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  6 ff. ); A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2019, 417; C. Nourissat/ M. Revillard Defrénois 19 (2015), 985 (990); C. Nourissat Defrénois 01–02 (2019), 45;

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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(aa) Keine Einordnung der französischen Notare in die Kategorie des Gerichts im funktionellen Sinne Zur Übertragung der in der Rs.  WB zum Gerichtsbegriff etablierten und in der Rs.  E.E. gefestigten Maßstäbe für eine Einordnung der französischen Notare bei der Ausstellung eines acte de notoriété ist zunächst eine überblicksartige Darstellung der Regelungen der Art.  730-1 ff. C. civ. unverzichtbar. Im Ausstellungsverfahren eines acte de notoriété wird der französische Notar auf Antrag eines oder mehrerer Erben tätig (vgl. Art.  730-1 Abs.  1 C. civ.). Im Vorfeld der Erteilung eines acte de notoriété bringen die Erben die relevanten Personenstandsurkunden wie etwa livret de famille, acte de décès, acte de naissance, acte de mariage, contrat de mariage bei.283 Indes erlaubt der état civil (Personenstand) weder die Feststellung der descendance (Nachkommenschaft) noch der parenté collatérale (Verwandtschaft in der Seitenlinie).284 Der Notar kann einen Genealogen beauftragen, eine Erbensuche durchzuführen.285 Der Notar stellt auch fest, ob es liberalités à cause de mort (unentgeltliche Zuwendungen von Todes wegen) gibt, die Einfluss auf den Übergang des Nachlassvermögens haben könnten und sieht zu diesem Zweck das französische Zentralregister (fichier central des dispositions de dernières volontés) ein.286 All diese sogenannten pièces justificatives sind im acte de notoriété zu erwähnen (vgl. Art.  730-1 Abs.  2 C. civ.) und werden dem acte de notoriété als Annex beigefügt.287 Der acte de notoriété muss sich zudem auf die Sterbeurkunde des Erblassers beziehen (vgl. Art.  730-1 Abs.  2 C. civ.). Der acte de notoriété wird in notarieller Form ausgestellt (dressé en la forme notariée ordinaire).288 Jede Person deren Erklärung sich als nützlich erweisen könnte, kann im Rahmen der Ausstellung des acte de notoriété herangezogen werden, eine Erklärung abzugeben289 (vgl. Art.  7301 Abs.  4 C. civ.). Der acte de notoriété enthält gemäß Art.  730-1 Abs.  3 C. civ. die unterschriebene Versicherung des Antragstellers bzw. der Antragsteller, dass nach dessen/deren Kenntnis er oder sie allein oder gemeinschaftlich mit

Péroz/Fongaro, Droit international privé patrimonial de la famille, Nr.  786; L. Perreau-­ Saussine Rev. crit. DIP 2018, 850. 283  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  216. 284  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 285  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 286  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 287  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 288  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 289  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

anderen benannten Personen zur Erbschaft berufen sind.290 Obwohl nach dem Gesetz nicht erforderlich, holt der Notar nach Möglichkeit die Unterschriften sämtlicher gesetzlicher und testamentarischer Erben ein, um der Urkunde die größtmögliche Glaubwürdigkeit zu verleihen.291 Der ausstellende Notar ist für die Wirksamkeit des acte de notoriété verantwortlich.292 Weisen die Erben ein Verschulden des Notars i. S. e. mangelnden Sorgfalt bei der Ermittlung der Kriterien, die die Berufung zur Erbfolge bestimmen, nach, können die geschädigten Erben Schadensersatz verlangen.293 Die Ausstellung eines acte de notoriété ist durch Randvermerk in die Sterbeurkunde bekannt zu machen (vgl. Art.  730-1 Abs.  5 C. civ.294). Der Notar muss entsprechend an das Standesamt melden.295 Die Befugnis, einen möglichen Rechtsstreit zu entscheiden, kommt den französischen Notaren bei der Ausstellung eines acte de notoriété nicht zu.296 Der acte de notoriété kann nach Art.  730-1 Abs.  1 C. civ. nur auf Antrag des oder der Erben ausgestellt werden. Der Notar ist gehalten, den Sachverhalt insoweit zu prüfen, als er den beantragten acte de notoriété nur dann ausstellen darf, wenn sich die zu bescheinigende Erbberechtigung aus den ihm vorliegenden und einsehbaren Urkunden ergibt und Hinweise, die Zweifel an der vermeintlichen Berechtigung hervorrufen könnten, nicht ersichtlich sind.297 Der Notar muss die Ausstellung des acte de notoriété verweigern, wenn sich – etwa durch die Anhörung von Zeugen – begründete Zweifel nicht ausräumen lassen.298 Die unterschriebene Versicherung des Antragstellers bzw. der Antragsteller, dass nach dessen/deren Kenntnis er oder sie allein oder gemeinschaftlich mit anderen benannten Personen zur Erbschaft berufen sind, ist darüber hinaus ganz wesentlicher Inhalt des acte de notoriété (vgl. Art.  730-1 Abs.  3 C. civ.).299 Hinsichtlich des französischen Notars, die für dessen Einordnung als Gericht i. S. d. EuErbVO er­forderliche Entscheidungsbefugnis abzulehnen, wird schließlich dadurch gestützt, dass der Notar nach Möglichkeit die Unterschriften sämtlicher gesetzlicher und 290 

Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 292  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  132. 293  Pérès/Vernières, Successions, Nr.  132. 294  Art.  730-1 Abs.  5 C. civ. lautet: „Il est fait mention de l’existence de l’acte de notoriété en marge de l’acte de décès“. 295  Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  549. 296  V. Égéa RTD eur. 2019, 763. 297 Cass. 1re civ., 15.12.1999, n°   97-16.041; Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, ­IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  544. 298  Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, IntErbR, Frankreich (Juni 2019) Rn.  544. 299 Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  35. 291 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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testamentarischer Erben einholen wird, um dem acte de notoriété größtmögliche Glaubwürdigkeit zu verleihen.300 Der acte de notoriété stellt sich folglich im Wesentlichen als eine „Sammlung von Erklärungen“ dar;301 der französische Notar nimmt – im Gegensatz zur Ausstellungsstelle eines ENZ oder zum deutschen Nachlassgericht  – eine eher passive Rolle ein.302 Bei der Ausstellung eines acte de notoriété wird der Umstand, dass das französische Notariat der Tradition des lateinischen Notariats entspringt, damit besonders deutlich: So interpretiert der französische Notar im Wesentlichen den Willen der Parteien und passt die Urkunde den rechtlichen Vorschriften an.303 (bb) Zwischenrésumé: französische Notare als nichtgerichtliche Stelle i. S. d. EuErbVO Die französischen Notare sind bei der Ausstellung eines acte de notoriété lediglich nichtgerichtliche Stelle. dd) Auswirkungen des erbrechtlichen Gerichtsbegriffs auf die Art.  4 ff. EuErbVO (1) Gerichtliche MNZ – Zuständigkeitskonzentration Die Ausstellung divergierender Nachlasszeugnisse ist v. a. dann möglich, wenn ENZ und ein MNZ aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten stammen.304 Die weitgehende Harmonisierung des Erbkollisionsrechts durch die Art.  20 ff. EuErbVO kann einen vollständigen inhaltlichen Gleichlauf von ENZ aus dem einen Mitgliedstaat und nationalem Nachlasszeugnis aus einem anderen Mitgliedstaat nicht garantieren.305 Eine Zuständigkeitskonzentration auf die Gerichte eines Mitgliedstaats, dergestalt, dass auch ein gerichtliches MNZ genau wie das ENZ nur in dem Mitgliedstaat ausgestellt werden darf, der nach den Regelungen der EuErbVO international zuständig ist, trüge insofern ganz wesentlich zur Reduzierung der Ausstellung ­divergierender Nachlasszeugnisse in unterschiedlichen Mitgliedstaaten bei. 300  Zum Umstand, dass der französische Notar – obgleich gesetzlich nicht gefordert – nach Möglichkeit die Unterschriften sämtlicher gesetzlicher und testamentarischer Erben einholt, vgl. Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 301  C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  23) („recueil de déclarations“). 302  Vgl. oben Kapitel  2 D. I. 303  Allgemein hierzu beim Notariat lateinischer Tradition: Foukal, FS Bittner 2018, 151 (156). 304  Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309). 305  Vgl. oben Kapitel  5 B. I. 3.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Gerade im deutschen Schrifttum war umstritten, ob sich die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung eines gerichtlichen MNZ nach den Art.  4 ff. EuErbVO richtet.306 Rechtsklarheit betreffend diese Streitfrage schafft die Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle307. (a) Rs.  Oberle Mit seiner Entscheidung in der Rs.  Oberle hat der EuGH den Geltungsbereich der Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO einer ersten Konkretisierung zugeführt. Das vorlegende Kammergericht308 wollte im Wesent­ lichen die Frage geklärt wissen, ob sich die internationale Zuständigkeit nur für den Erlass kontradiktorischer Entscheidungen oder auch für MNZ, die in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestellt werde, nach der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des Art.  4 EuErbVO richte.309 Der EuGH hat im Rahmen der Beantwortung dieser Vorlagefrage die Erteilung eines deutschen Erbscheins dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO unterworfen.310 (aa) Urteil des EuGH Für MNZ, die von einem Gericht i. S. d. EuErbVO ausgestellt werden, ergibt sich bei einem grenzüberschreitenden Erbfall eine Zuständigkeitskonzentration hinsichtlich der Gerichte des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes. Sind die Gerichte eines Mitgliedstaats, die für die Ausstellung eines MNZ funktional zuständig sind, nicht zugleich auch international zuständig für die Ausstellung eines ENZ, so besteht auch hinsichtlich der Ausstellung von MNZ keine internationale Zuständigkeit der Gerichte dieses Mitgliedstaats. 306 

Einen Anwendungsvorrang der Art.  4 ff. EuErbVO bejahend etwa Grau, FS Schilken 2015, 3 (13 ff.); Leipold ZEV 2017, 216 (2018); J. Schmidt ZEV 2014, 389 (390 f.); Süß ZEuP 2013, 725 (735); Volmer ZEV 2014, 129 (130); a. A.: Buschbaum, FS Martiny 2014, 259 (267); Döbereiner NJW 2015, 2449 (2453); Dörner ZEV 2012, 505 (512); Dorsel ZErb 2014, 212 (220 f.); Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 204 ff.; K. Lechner ZErb 2014, 188 (191); Wall ZErb 2015, 9 (16); Weber/Schall NJW 2016, 3564 (3567). Auch das vorlegende Kammergericht war der Auffassung, die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte für die Ausstellung eines Erbscheins richte sich nach §§  105, 343 FamFG (vgl. KG ZEV 2017, 213 Rn.  19 ff.). Gleiches galt für den deutschen Ausführungsgesetzgeber (vgl. BegrRegE IntErbRVG, BR-Drs. 644/14, 68). 307  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle. 308  KG ZEV 2017, 213. 309  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  28 f. 310  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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So hat der EuGH für Recht erkannt, dass Art.  4 EuErbVO sowohl kontradiktorische Verfahren als auch Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfasse, sich mithin die internationale Zuständigkeit auch der gerichtlichen MNZ nach den Regelungen der EuErbVO richte.311 Im Wesentlichen stützte sich der EuGH in seiner Entscheidung auf systematische und teleologische Erwägungen. Der EuGH stellte zunächst überzeugend fest, dass die Formulierung des Art.  4 EuErbVO „für den gesamten Nachlass“ zwar darauf hindeute, dass Art.  4 EuErbVO grundsätzlich auf alle Verfahren und damit auch Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbar sei.312 Hinsichtlich der Frage nach der Tragweite des Begriffs der Entscheidungen ergebe sich jedoch auch mit Blick auf den in Art.  4 EuErbVO verwendeten und in Art.  3 Abs.  2 EuErbVO definierten Begriff des Gerichts kein eindeutiges Ergebnis.313 Indes gelangte der EuGH bezüglich des systematischen Zusammenspiels von Art.  13 EuErbVO und den Art.  4 bis 11 EuErbVO zu dem Ergebnis, dass Art.  4 EuErbVO die mitgliedstaatliche Zuständigkeit der Gerichte unabhängig davon bestimmt, ob das Verfahren kontradiktorischer Natur ist.314 Die nach Art.  4 EuErbVO zuständigen mitgliedstaatlichen Gerichte seien dies grundsätzlich auch für die Entgegennahme von Erklärungen über die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft, die genauso wie die Ausstellung eines MNZ nicht zu dem Erlass einer judiziellen Entscheidung führten.315 Einer solchen Interpretation stünde auch nicht der vom Kammergericht ins Feld geführte Art.  64 EuErbVO entgegen, diene dieser doch der Klarstellung, dass für die Ausstellung eines ENZ sowohl Gerichte als auch bestimmte andere Stellen zuständig sind.316 Hinsichtlich des Telos der EuErbVO resümiert der EuGH, dass das Ziel der Schaffung einer einheitlichen Regelung für Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug nur dann verwirklicht werden könne, wenn die Harmonisierung von forum und ius auch auf Ebene des forum sowohl bei kontradiktorischen als auch bei Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit stattfindet.317 Nur so könnten Ziel und Zweck der Verordnung, den Berechtigten im Zusammenhang mit einem grenzüberschreitenden Erbfall die Durchset-

311  312  313  314  315  316  317 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  37. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  39 f. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  44. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  42. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  45 ff. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  56.

200

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

zung ihrer Rechte zu erleichtern, erreicht werden.318 Durch die Einschränkung der Gefahr von Parallelverfahren vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten und daraus resultierender Widersprüche diene Art.  4 EuErbVO damit nicht zuletzt dem Interesse einer geordneten Rechtspflege.319 Folglich richte sich auch die internationale Zuständigkeit der gerichtlichen Ausstellungsstellen von MNZ nach den Regelungen der EuErbVO.320 (bb) Rezeption im Schrifttum Die Entscheidung des EuGH wurde v. a. in der deutschen Literatur äußerst unterschiedlich bewertet. Während einige Vertreter des Schrifttums der Entscheidung – teilweise zwar eingeschränkt, jedenfalls aber hinsichtlich ihrer dogmatischen Begründung – zustimmen,321 kritisieren andere den EuGH auf das Schärfste.322 Ein wesentlicher Kritikpunkt führt unmittelbar zurück zum Ursprung der Diskussion um die Regelung der internationalen Zuständigkeit durch die Art.  4 ff. EuErbVO auch im nationalen Erbnachweisverfahren: Das Auslegungsergebnis gründe gerade nicht auf einer Auslegung der EuErbVO im Lichte der Ermächtigungsgrundlage323 und stünde damit in Widerspruch zu Art.  62 Abs.  3 EuErbVO sowie dem in Art.  5 Abs.  3 EUV niedergelegten Subsidiaritätsprinzip.324 Es entspreche nicht dem Willen des europäischen Verordnungsgebers, die Kompetenzen für die Erteilung der MNZ nicht neben dem ENZ auch außerhalb des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes bestehen zu lassen.325 Insgesamt überzeuge nicht, dass der EuGH seine Entscheidung im Wesentlichen auf Aspekte der Herstellung eines Gleichlaufs von forum und ius stütze.326 Daneben würden Praktikabilitätserwägungen gegen die vom 318 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  50 ff. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  57. 320  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59. 321  Fornasier FamRZ 2018, 1265; Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (313); Link BWNotZ 2018, 66 (70); Mankowski ErbR 2018, 482; F. Mélin Dalloz actualité v. 18.7.2018; C. Nourissat Procédures 10 (2018) comm. 291; vgl. auch Wagner NJW 2018, 3284 (3286), der die Entscheidung des EuGH als „folgerichtig“ bezeichnet. 322  Dörner DNotZ 2018, 661 (682); Hertel, FS DNotI 2018, 775 (792, 795); Kanzleiter DNotZ 2018, 724; Leitzen ZEV 2018, 630 (631 f.); Wachter ZErb 2018, 230 (232); Weber RNotZ 2018, 454 (456 ff.). 323  Leitzen ZEV 2018, 630 (631 f.). 324  Vgl. etwa Kanzleiter DNotZ 2018, 724 (724 f.); K. Lechner, FS Bittner 2018, 344 (351); Leitzen ZEV 2018, 630 (631 f.); in diese Richtung wohl auch Hertel, FS DNotI 2018, 775 (795). 325  So etwa Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  4 Rn.  6. 326  Leitzen ZEV 2018, 630 (631). 319 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

201

EuGH vorgenommene Lesart des Art.  4 EuErbVO sprechen – sie erschwere die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung, statt diese zu vereinfachen.327 Im französischen Schrifttum wird die Entscheidung des EuGH ebenfalls dahingehend kritisiert, dass sie die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung erschwere.328 (cc) Stellungnahme Zunächst begründet Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO keine Ausnahme zur Bestimmung des Art.  1 Abs.  1 EuErbVO.329 Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO bestimmt lediglich, dass das ENZ als optionales Harmonisierungsinstrument nicht an die Stelle der MNZ tritt – der Nachweis einer erbrechtlichen Rechtsstellung also weiterhin auch mittels MNZ geführt werden kann.330 Regelungsgegenstand des Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO ist damit allein das Verhältnis des ENZ zu den MNZ.331 Das den Berechtigten zustehende Wahlrecht zwischen ENZ und MNZ bzw. der Option, beide Nachweismöglichkeiten zu beantragen, tut dem Subsidiaritätsprinzip ausreichend genüge, indem das ENZ die MNZ gerade nicht verdrängt.332 Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO garantiert den Mitgliedstaaten folglich keineswegs, dass die Ausstellung von MNZ dem jeweiligen nationalen Zuständigkeitsrecht untersteht.333 Anderenfalls müsste Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO auch dahin ausgelegt werden, dass das Kollisionsrecht der EuErbVO im Verfahren zur Ausstellung von MNZ nicht gelten würde.334 Ein derartiges Verständnis stünde jedoch eklatant in Widerspruch dazu, dass sich der sachliche Anwendungsbereich der EuErbVO auch auf die MNZ erstreckt.335 Vielmehr überzeugt die vom EuGH vorgenommene systematische Aus­ legung der Art.  4 ff. EuErbVO im Sinne eines weiten Geltungsbereichs der Zuständigkeitsregelungen, der auch Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfasst, die auf die Ausstellung eines MNZ gerichtet sind. Zustimmung verdient zunächst, dass der EuGH aus Art.  64 S.  1 EuErbVO gerade keinen Umkehrschluss hinsichtlich der Regelung der internatio327 

Hertel, FS DNotI 2018, 775 (792); Leitzen ZEV 2018, 630 (632). A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2019, 417. 329 GA Szpunar, Schlussanträge Oberle, Rs.  C-658/17, ECLI:EU:C:2019:89 Rn.  36 f. 330  Vgl. oben Kapitel  4. 331 GA Szpunar, Schlussanträge Oberle, Rs.  C-658/17, ECLI:EU:C:2019:89 Rn.  36 f.; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  62 Rn.  32 ff. 332  Vgl. oben Kapitel  4 B. II. 333  Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 334  Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 335  Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 328 

202

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

nalen Zuständigkeit der Gerichte, die mit der Ausstellung von MNZ betraut sind, herleitet.336 Hintergrund der Bestimmung des Art.  64 S.  1 EuErbVO ist, dass bestimmte zuständigkeitsbegründende Regelungen des zweiten Kapitels der EuErbVO für das ENZ gerade nicht gelten sollen.337 Zustimmung verdient ferner, dass sich der EuGH in seiner Begründung auf ein aus Art.  13 EuErbVO abgeleitetes argumentum a fortiori stützt.338 Wenn sich die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, bereits für die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, eines Vermächtnisses oder eines Pflichtteils nach der EuErbVO richtet, muss dies erst recht für die im Vergleich mit den genannten Erklärungen bedeutsameren und hinsichtlich ihrer Wirkungen stärkeren MNZ gelten.339 Freilich hat dies insbesondere dann zu gelten, wenn der Antrag auf Ausstellung eines MNZ nach dem Erbstatut materiell-rechtlich zugleich als Annahme der betreffenden Erbschaft gilt.340 Zutreffend stellt der EuGH zudem angesichts ErwG 27 S.  1 EuErbVO fest, dass die Vorschriften der EuErbVO so angelegt sind, „dass sichergestellt wird, dass die mit der Erbsache befasste Behörde in den meisten Situationen ihr eigenes Recht anwendet.“341 Wären die mitgliedstaatlichen Gerichte bei der Ausstellung von MNZ nicht an die Regelungen der EuErbVO zur internationalen Zuständigkeit gebunden, wären die Ausstellungstellen bei der Beantragung eines MNZ häufig gezwungen, dieses unter Anwendung eines fremden Rechts auszustellen.342 Keineswegs begründet indes allein das Desiderat der Anwendung des eigenen Rechts und damit der Herstellung eines Gleichlaufs von forum und ius die Anwendbarkeit der Art.  4 ff. EuErbVO im gerichtlichen Verfahren zur Ausstellung von MNZ. Über die Schaffung eines Gleichlaufs von forum und ius hinaus streitet die Einschränkung der Möglichkeit divergierender Nachlasszeugnisse und damit im Ergebnis der effet utile des ENZ für die Lesart des EuGH. Die ­gerichtlichen MNZ dem Zuständigkeitsregime der Art.  4 ff. EuErbVO zu unterwerfen, wirkt der Möglichkeit einer Kollision von ENZ und MNZ entgegen.343 Die Konzentration der internationalen Zuständigkeit sowohl 336 

So jedoch das vorlegende KG DNotZ 2017, 471 (475 Rn.  22). Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 338  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  41 f. 339  Leipold ZEV 2015, 553 (558); Leipold ZEV 2017, 216 (217); Mankowski FamRZ 2017, 566 (567); Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 340  Mankowski FamRZ 2017, 566 (567); Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 341  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  50. 342  Volmer ZEV 2014, 129 (131). 343  Fornasier FamRZ 2018, 1265; Grau, FS Schilken 2015, 3 (13 f.); Kleinschmidt IPRax 337 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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für die Ausstellung eines ENZ als auch für die Ausstellung gerichtlicher MNZ führt freilich auch zu einer einheitlichen Entscheidung betreffend erbrechtlich relevanter Vorfragen.344 Dem effet utile des ENZ wird umso mehr Rechnung getragen, je weniger Konfliktlagen mit MNZ bestehen, die sich gegebenenfalls negativ auf die materiell-rechtlichen Wirkungen des ENZ auswirken.345 Schlagend ist indes das teleologische Argument der Ratio der allgemeinen Zuständigkeitsnorm der EuErbVO – die Herstellung einer zuständigkeitsrechtlichen Nachlasseinheit.346 Art.  4 EuErbVO begründet eine Zuständigkeit der Gerichte desjenigen Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsbereich der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte grundsätzlich für den gesamten Nachlass.347 Der Belegenheit von Nachlassvermögen wird hingegen nur äußerst geringes Gewicht im Zuständigkeitssystem der EuErbVO beigemessen.348 Sie vermag eine internationale Zuständigkeit nur dann zu begründen, wenn der Erblasser seinen gewöhn­ lichen Aufenthalt im maßgeblichen Zeitpunkt nicht in einem Mitgliedstaat hatte und soweit die Voraussetzungen des Art.  10 Abs.  1 lit.  a oder lit.  b ­EuErbVO erfüllt sind (vgl. Art.  10 Abs.  1 EuErbVO).349 Der europäische Verordnungsgeber räumt damit der Zuständigkeitskonzentration auf die Gerichte des Mitgliedstaats des letzten gewöhnlichen Aufenthalts Vorrang vor einer im Umkehrschluss grundsätzlich unerwünschten Belegenheitszuständigkeit ein, da anderenfalls das Verordnungsziel einer möglichst weitreichenden zuständigkeitsrechtlichen Nachlasseinheit konterkariert würde.350 Das Telos der Art.  4 ff. EuErbVO, namentlich u. a. die Herstellung einer zuständigkeitsrechtlichen Nachlasseinheit, entspringt ErwG 30 EuErbVO. Hiernach sollte die EuErbVO „die Gründe, aus denen diese subsidiäre Zuständigkeit ausgeübt werden kann, abschließend und in einer zwingenden Reihenfolge aufführen“, „[u]m zu gewährleisten, dass die Gerichte aller Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit in Bezug auf den Nachlass von Personen, 2020, 308 (313); Mankowski ErbR 2018, 482 (485); C. Nourissat Procédures 10 (2018) comm. 291; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  34. 344  Volmer Rpfleger 2013, 421 (427); Volmer ZEV 2014, 129 (130). 345  Mankowski ErbR 2018, 482 (485). 346  Mankowski ErbR 2018, 482 (483). 347 Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.   4 Nr.   36; Deixler-Hübner/Schauer/ Deixler-Hübner EuErbVO, Art.  4 Rn.  2; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  4 EuErbVO Rn.  7; P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  5 ff.); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  39. 348  Mankowski ErbR 2018, 482 (483). 349  Mankowski ErbR 2018, 482 (483). 350  Mankowski ErbR 2018, 482 (483).

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt ihres Todes nicht in einem Mitgliedstaat hatten, auf derselben Grundlage ausüben können“. Diese auch im Rahmen des systematischen Zusammenspiels von Art.  4 EuErbVO und Art.  10 Abs.  1 EuErbVO zum Ausdruck kommende Wertung des europä­ ischen Verordnungsgebers entzieht damit dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber die Kompetenz zur Bestimmung abweichender Regelungen betreffend die gerichtlichen MNZ. Zugegebenermaßen ist Konsequenz der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle die von kritischen Literaturstimmen im Nachgang der Entscheidung monierte Belastung der erbrechtlich Berechtigten.351 Wird hinsicht­lich des Nachlassvermögens in dem Mitgliedstaat, in dem die Nachlass­ berechtigten ansässig sind, ein Nachweis der erbrechtlichen Rechtsstellung benötigt, und hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat, so sind die Gerichte des Belegenheitsstaats für die Erteilung eines nationalen Nachlasszeugnisses nicht zuständig. Die erbrechtlich Berechtigten können folglich kein MNZ im Belegenheitsstaat erlangen, mit dem gerade auch dessen registerführenden Stellen vertraut sind.352 Vielmehr müssen sie ein ENZ im mitgliedstaatlichen Ausland beantragen.353 Wird der Nachweis einer erbrechtlichen Rechtsstellung allein für ein Rechtsgeschäft im Belegenheitsstaat benötigt, erscheint die Konzentration der internationalen Zuständigkeit sowohl für die Ausstellung eines ENZ als auch für die Ausstellung eines gerichtlichen MNZ in ein und demselben Mitgliedstaat für die Nachlassberechtigten besonders belastend.354 Diese Zuständigkeitskonzentration kommt einem Nachlassberechtigten allerdings dann entgegen, wenn er im selben Mitgliedstaat ansässig ist, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes hatte.355 Im Zuständigkeitsregime der EuErbVO sind die Interessen der erbrechtlich Berechtigten indes nur bei einer Gerichtsstandsvereinbarung i. S. d. Art.  5 EuErbVO sowie im Falle der ad-hocAnerkennung der Zuständigkeit nach Art.  7 lit.  c EuErbVO maßgeblich, sofern der Erblasser eine Rechtswahl nach Art.  22 EuErbVO getroffen hat.356 In diesem Rahmen steht den betroffenen Parteien folglich die Mög-

351 

Leitzen ZEV 2018, 630 (632). Mankowski ErbR 2018, 482 (486). 353  Mankowski ErbR 2018, 482 (486). 354  Mankowski ErbR 2018, 482 (486). 355  Mankowski ErbR 2018, 482 (486). 356  Mankowski ErbR 2018, 482 (486), der dies jedoch nur für Art.   5 EuErbVO annimmt. 352 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

205

lichkeit der Festlegung bzw. Anerkennung eines forums zu.357 Ausweislich der Regelungen der Art.  5 EuErbVO und Art.  7 lit.  c EuErbVO hat der ­europäische Verordnungsgeber die Interessen der Nachlassbeteiligten zwar durchaus erkannt, gewährt ihnen jedoch Abhilfemöglichkeiten lediglich in Rahmen der engen Grenzen des Art.  5 EuErbVO bzw. Art.  7 lit.  c EuErbVO.358 Im Umkehrschluss können die Interessen der Nachlassbeteiligten – damit Praktikabilitätserwägungen – im Zuständigkeitssystem der Art.  4 ff. EuErbVO für die Auflösung der Frage nach der Bindung der gerichtlichen Stellen, die zur Ausstellung eines MNZ berufen sind, nicht tonangebend sein.359 Der europäische Verordnungsgeber etabliert in Art.  4 EuErbVO und Art.  21 Abs.  1 EuErbVO den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers als wesentliches Anknüpfungskriterium und erhebt damit in Zusammenschau mit dem eng umgrenzten Art.  5 EuErbVO bzw. Art.  7 lit.  c EuErbVO den Erblasser – nicht aber seine Erben – zur Schlüsselfigur des Zuständigkeits- und Kollisionsrechts.360 (dd) Tragweite der Entscheidung des EuGH So geteilt die Meinungen zum in der Rs.  Oberle gefundenen Auslegungs­ ergebnis des EuGH auch sein mögen, besteht jedoch– jedenfalls im deutschen Schrifttum – weitgehende Einigkeit dahingehend, dass die Entscheidung des EuGH nur für die Konstellation, welche dem EuGH im Ausgangsverfahren vorlag, Bedeutung habe – ein gänzlich anders gelagerter Sachverhalt sei gegebenenfalls abweichend zu bewerten.361 Vereinzelt wird in diesem Zusammenhang sogar vertreten, dass die Tragweite der Entscheidung des EuGH im Zuge eines distinguishing on the facts in anderen Konstellationen beschränkt werden könne.362 Eine derartige andere Konstellationen sei etwa dann anzunehmen, wenn die Beantragung eines MNZ in dem Mitgliedstaat, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte „aus Sprach- oder Kostengründen, Gründen der Verfahrensdauer oder mangels Belegenheit von nennenswertem Nachlass im Aufenthaltsstaat un357  Mankowski ErbR 2018, 482 (486), der dies jedoch nur für Art.   5 nimmt. 358  Mankowski ErbR 2018, 482 (486), der dies jedoch nur für Art.   5 nimmt. 359  Mankowski ErbR 2018, 482 (486), der dies jedoch nur für Art.   5 nimmt. 360  Mankowski ErbR 2018, 482 (486), der dies jedoch nur für Art.   5 nimmt. 361  Leitzen ZEV 2018, 630 (632); Wagner NJW 2018, 3284 (3286). 362  Dörner DNotZ 2018, 661 (683 f.).

EuErbVO anEuErbVO anEuErbVO anEuErbVO an-

206

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

zumutbar erscheint“.363 In solchen Konstellationen sei der Vorrang des Art.  4 EuErbVO durch eine restriktive Auslegung respektive teleologische Reduktion zu beschränken, sodass weiterhin ein MNZ auch in einem anderen Mitgliedstaat beantragt werden könne.364 Begründet wird dies mit Art.  5 Abs.  3 EUV.365 So dürfe das Handeln der EU nicht über das zur Erreichung eines bestimmten Zwecks erforderliche Maß hinausgehen.366 Eine Beschränkung der Tragweite der Entscheidung des EuGH in derartigen Konstellationen vermag jedoch nicht zu überzeugen, stünde eine solche doch in diametralem Widerspruch zu fundamentalen Wertungen des europäischen Verordnungsgebers im Zuständigkeitsregime der Art.  4 ff. EuErbVO. Zunächst erkennt das Zuständigkeitsregime der EuErbVO nur ausnahmsweise und subsidiär eine Belegenheitszuständigkeit in solchen Fällen an, in denen der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hatte.367 Im Übrigen kann auch der Rechtsgedanke des forum necessitatis des Art.  11 EuErbVO auf derartige Konstellationen nicht übertragen werden. Den Zuständigkeitsinteressen der Nachlassbeteiligten gewährt der europäische Verordnungsgeber bewusst nur in den engen Grenzen der Art.  5 EuErbVO und Art.  7 lit.  c EuErbVO Raum.368 Ebenfalls ganz bewusst hat der europäische Verordnungsgeber gerade die Zuständigkeit primär an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes geknüpft und damit den Erblasser selbst – und nicht die Nachlassberechtigten – in den Fokus gerückt.369 Überdies ist bereits fraglich, ob den Interessen der erbrechtlich Berechtigten tatsächlich gedient wäre, wenn am Belegenheitsmitgliedstaat ein MNZ beantragt werden könnte, das jedoch angesichts der durch die EuErbVO etablierten kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit materiellrechtlich vom Recht des Mitgliedstaats des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers regiert würde.370 Die erbrechtlich Berechtigten sollten folglich auch in dieser Konstellation nur die Möglichkeit haben, entweder ein ausländisches MNZ zu erwirken oder eben ein ENZ, das jedoch seine Wirkungen unmittelbar in sämtlichen Mitgliedstaaten entfaltet. Jedenfalls betrifft die in der Rs.  Oberle vorgenommene Auslegung allein die gerichtlichen MNZ. Erfasst sind indes nicht nur die gerichtlichen mit363 

Dörner DNotZ 2018, 661 (684). Dörner DNotZ 2018, 661 (684). 365  Dörner DNotZ 2018, 661 (684). 366  Dörner DNotZ 2018, 661 (684). 367  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. e) aa). 368  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. a) aa) (2). 369  Mankowski ErbR 2018, 482 (486). 370  Mankowski ErbR 2018, 482 (486). 364 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

207

gliedstaatlichen Nachweise der Erbenstellung, sondern auch die gericht­li­chen Verfahren zur Erteilung eines mitgliedstaatlichen Instruments zum Nach­­weis der Stellung als Testamentsvollstrecker371 oder Nachlassverwalter. (b) Zwischenrésumé Die internationale Zuständigkeit gerichtlicher Stellen ergibt sich bei der Ausstellung von MNZ allein aus den Regelungen der EuErbVO. Die Annahme eines Anwendungsvorrangs der Art.  4 ff. EuErbVO gebietet: – erstens das einer grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung immanente Bedürfnis nach Rechtssicherheit, dem durch eine Einschränkung der Möglichkeit einer Ausstellung divergierender Nachlasszeugnis Rechnung getragen wird; – zweitens der effet utile des ENZ; – drittens die Ratio der allgemeinen Zuständigkeitsnorm der Herstellung einer zuständigkeitsrechtlichen Nachlasseinheit; – viertens, dass der europäische Verordnungsgeber bewusst den Erblasser als Schlüsselfigur des Zuständigkeitsregimes der EuErbVO determiniert hat. Die Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle ist auf sämtliche MNZ, die von einem Gericht i. S. d. EuErbVO ausgestellt werden, zu übertragen. Dies erfasst nicht nur die gerichtlichen mitgliedstaatlichen Nachweise der Erbenstellung, sondern auch der Stellung als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter. Die von kritischen Stimmen teilweise angeregte Beschränkung der Tragweite der Entscheidung des EuGH über eine teleologische Begrenzung des Vorrangs des Art.  4 EuErbVO in Fällen, in denen die Beantragung eines MNZ die erbrechtlichen Berechtigten etwa aus Kostengründen belastet, überzeugt angesichts der dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO zugrundeliegenden Wertungen nicht. Besonders hervorgehoben sei in diesem Kontext die objektive Regelanknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und gerade nicht an die Belegenheit von Nachlassvermögen. (2) Nichtgerichtliche MNZ – gleichrangige Zuständigkeit In der Rs.  Oberle hat der EuGH entschieden, dass die MNZ aufgrund ihres Gegenstandes dem sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO unterfallen372 und sich die internationale Zuständigkeit auch im Verfahren zur Aus371 So

zum deutschen Testamentsvollstreckerzeugnis etwa Leitzen ZEV 2018, 630 (635); Link BWNotZ 2018, 66 (70); J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (98). 372  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  30 f.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

stellung eines gerichtlichen MNZ nach den Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO richtet.373 Demgegenüber hat der EuGH in der Rs.  WB noch reflexartig,374 in der Rs.  E.E. dann ausdrücklich festgestellt, dass Notare, die bei der Ausstellung eines MNZ nicht als Gericht i. S. d. EuErbVO zu qualifizieren sind, auch nicht dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO unterliegen.375 In diesem Zusammenhang verweist der EuGH einleitend auf die Bestimmung des Begriffs des „Gerichts“ in Art.  3 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO.376 Die allgemeine Zuständigkeitsregelung des Art.  4 EuErbVO nimmt ausdrücklich Bezug auf den Begriff der Gerichte377. Der EuGH stellt vor diesem Hintergrund fest, dass für den Fall, dass Notare bei der Ausstellung ­eines nationalen Nachlasszeugnisses als Gericht i. S. d. EuErbVO zu qualifizieren sind, diese Notare dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO unter­ liegen.378 Umgekehrt ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des ErwG 22 EuErbVO, dass Notare, wenn sie bei der Ausstellung eines nationalen Nachlasszeugnisses nicht als Gericht im funktionalen Sinne einzuordnen sind, nicht durch die Regeln der EuErbVO über die gerichtliche Zuständigkeit gebunden sind.379 (a) Einordnung und Stellungnahme zu den Entscheidungen des EuGH in den Rs.  WB und E.E. Mit seiner Entscheidung in der Rs.  E.E. folgt der EuGH konsequent seiner sich bereits in seiner Entscheidung in der Rs.  WB abzeichnenden Linie betreffend die Einordnung der Notare mit Blick auf die Regelungen der Eu­ ErbVO zur internationalen Zuständigkeit (Art.  4 ff. EuErbVO). Zielten die Vorlagefragen in der Rs.  WB auf eine Abgrenzung der gerichtlichen Akte 373 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59. Beyer GPR 2019, 245 (247); Fornasier FamRZ 2019, 1190. 375 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   3 Rn.  22; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  3 Rn.  46; Dutta/Weber/J. P. Schmidt IntErbR, Art.  3 EuErbVO Rn.  10 ff. 376  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  47. 377  Dies gilt für sämtliche Sprachfassungen. Exemplarisch sei die deutsche („Gerichte“), französische („juridictions“), spanische („tribunales“), englische („courts“), italienische („organi giurisdizionali“), niederländische („gerechten“), dänische („[r]etterne“); polnische („[s]ądy“), portugiesische („órgãos jurisdicionais“), rumänische („[i]nstanțele judecătorești“) sowie die irische Sprachfassung („cúirteanna“) genannt. Lediglich die deutsche Sprachfassung der EuErbVO verwendet zusätzlich noch den Terminus der „Entscheidungen in Erbsachen“, vgl. GA Szpunar v. 22.2.2018, Schlussanträge Oberle, Rs.  C-658/17, ECLI:EU:C:2019:89 Rz.  65 f. 378  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  63. 379  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  67 f., Rn.  80. 374 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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der Entscheidungen i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO insbesondere von öffentlichen Urkunden i. S. d. EuErbVO ab und betrafen damit vornehmlich die Ebene des Anerkennungs- und Annahmerechts der EuErbVO, so sind die vom EuGH in der Rs.  WB getroffenen Feststellungen zum Begriff des „Gerichts“ i. S. d. EuErbVO ebenso ausschlaggebend für die Bindung der Notare an das Zuständigkeitsregime der EuErbVO bei der Ausstellung von MNZ. Die Schaffung von Rechtssicherheit ist vor diesem Hintergrund wesent­ liche Errungenschaft der Entscheidung des EuGH in der Rs.  E.E.380 So festigt der EuGH seine in der Rs.  WB381 begründete Linie, eine Ausübung ­gerichtlicher Funktionen setze stets die Befugnis zur Entscheidung erb­ recht­licher Streitigkeiten voraus;382 der EuGH begrenzt insoweit den Gerichtsbegriff in funktionaler Hinsicht. Die Anwendung dieses Kriteriums führt auf Ebene des Zuständigkeitsrechts jedoch in Zusammenschau mit der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle383 zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass einerseits die Eindämmung des Risikos eines gleichzeitigen Umlaufs sich inhaltlich widersprechender Nachlasszeugnisse forciert wird (Rs.  Oberle),384 andererseits die Gefahr von Parallelverfahren in unterschiedlichen Mitgliedstaaten gerade keine Einschränkung erfährt (Rs.  WB und E.E.).385 Vor dem Hintergrund des begrenzten Gerichtsbegriffs des Art.  3 Abs.  2 EuErbVO sowie der Kompetenz der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihres Gerichtsver­ fassungsrechts und die Regelung der sachlichen wie funktionalen Zuständigkeit ist dies indes hinzunehmen.386 Entsprechend stellt ErwG 21 S.  2 ­Eu­ErbVO klar, dass die Bindung der Notare in einem Mitgliedstaat an die Zuständigkeitsregeln der EuErbVO von ihrer Einordnung als „Gericht“ i. S. d. EuErbVO abhängen soll. Weiter sieht ErwG 22 S.  3 EuErbVO vor, dass Notare durch die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit der EuErbVO nicht gebunden sind, wenn sie keine gerichtliche Zuständigkeit ausüben. Solange sie nicht als „Gericht“ i. S. d. EuErbVO qualifiziert werden können, können mitgliedstaatliche Notare folglich ein MNZ ausstellen, 380 

Mankowski ErbR 2020, 715 (717). EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55 f. 382  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  51. 383  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle. 384  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  57 f. 385 Vgl. hierzu zur Rs.   WB: Beyer GPR 2019, 245 (248 f.); Dutta/Weber/Fornasier ­IntErbR, Art.  62 Rn.  15b; zur Rs.  E.E. Mankowski ErbR 2020, 715 (717 f.). 386  Mankowski ErbR 2020, 715 (717); Wilderspin in Pazdana, Problemy Prawa Prywat­ nego Międzynarodowego, 45 (52 f.). 381 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

ohne den Zuständigkeitsregeln der EuErbVO unterworfen zu sein. Indes sind auch solche Notare an die Regelungen der EuErbVO zur internationalen Zuständigkeit gebunden, wenn es um die Ausstellung eines ENZ geht.387 (b) Zwischenrésumé – Möglichkeit einer gleichrangigen Zuständigkeit mehrerer Ausstellungsbehörden Die Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO führt nach der Lesart des EuGH im Verfahren zur Ausstellung eines nationalen Nachlasszeugnisses zu einem Anwendungsvorrang der Art.  4 ff. EuErbVO nur für bestimmte mitgliedstaatliche Jurisdiktionen. Handelt es sich bei einem MNZ um eine Emanation eines Gerichts – sei es im institutionellen oder im funktionellen Sinne – kann ein solches MNZ nur in dem Mitgliedstaat ausgestellt werden, der gleichzeitig auch zuständig für die Ausstellung eines ENZ wäre. Handelt es sich demgegenüber bei einem MNZ lediglich um eine Emanation einer nichtgerichtlichen Stelle, können die autonomen mitgliedstaatlichen Regelungen zur internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung dieses MNZ maßgeblich bleiben. Im Anwendungsbereich der EuErbVO besteht daher die Möglichkeit einer gleichrangigen Zuständigkeit der Ausstellungsbehörden, die mit der Ausstellung eines ENZ befasst sind in einem Mitgliedstaat und – daneben – der nichtgerichtlichen Ausstellungsstellen, die mit der Ausstellung eines MNZ befasst sind, in einem anderen Mitgliedstaat. ee) Résumé – Unterschiedliche Behandlung der MNZ Bei Nachlasszeugnissen sonstiger Behörden oder Angehöriger von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen – wie etwa der französischen Notare – ist für deren Einordnung als Gericht i. S. d. EuErbVO eine funktional-konkrete Betrachtungsweise maßgeblich. Die Anwendbarkeit der autonomen mitgliedstaatlichen Regelungen zur internationalen Zuständigkeit für solche Nachweise richtet sich folglich danach, ob die Ausstellung durch die genannten Stellen als judikativer Akt qualifiziert werden kann. Ist dies der Fall, sind die Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO maßgeblich. ­Dagegen greift der Anwendungsvorrang der Art.  4 ff. EuErbVO nicht, wenn die Ausstellung keinen judikativen Akt darstellt. Demgegenüber sind für das Verfahren zur Ausstellung von MNZ, die von einem Gericht im insti­ tutionellen Sinne ausgestellt wurden, die Zuständigkeitsregelungen der

387 

A. Guichard AJ fam. 2020, 491.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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­ u­ErbVO maßgeblich, ohne dass es auf die Einordnung der Ausstellung E eines solchen MNZ als judikativer Akt überhaupt ankäme. ff) (Keine) Bindung der betrachteten mitgliedstaatlichen Stellen bei der Ausstellung eines MNZ an die Art.  4 ff. EuErbVO (1) Bindung der deutschen Nachlassgerichte Das Urteil des EuGH in der Rs.  Oberle beschränkt die Möglichkeit der Ausstellung deutscher Fremdrechtserbscheine bei grenzüberschreitenden Erbfällen erheblich.388 Für die deutschen Nachlassgerichte hat die Entscheidung zur Konsequenz, dass diese (vorbehaltlich freilich des Art.  7 EuErbVO) für die Ausstellung eines (gegenständlich beschränkten) Fremdrechtserbscheins international nicht zuständig sind, wenn der Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat verstorben ist.389 Ist also etwa Nachlassvermögen auch in Deutschland belegen, so sind die erbrechtlich Berechtigten diesbezüglich ausschließlich auf ein ENZ der ausländischen mitgliedstaatlichen Behörde verwiesen. Art.  4 ff. EuErbVO sind insoweit anstelle der – wesentlich weitreichenderen390 – §§  105, 343 Abs.  2 oder Abs.  3 FamFG heranzuziehen.391 Vor dem Hintergrund des Bestehens der Regelung des §  97 Abs.  1 S.  2 FamFG bestand für den deutschen Gesetzgeber im Nachgang zur Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle kein Handlungsbedarf.392 Die EuErbVO bleibt nach §  97 Abs.  1 S.  2 FamFG unberührt, wobei der Anwendungsvorrang der Art.  4 ff. EuErbVO – in ihrem Geltungsbereich – bereits aus deren unmittelbaren Geltungsanordnung in Art.  288 Abs.  2 AEUV folgt.393 Ist der Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat verstorben, bleibt für die deutschen Nachlassgerichte allein die Möglichkeit einer subsidiären Zuständigkeit nach Art.  10 EuErbVO.394

388  OLG Köln ZEV 2019, 352; Kohler in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 27 (31); Weber RNotZ 2018, 454 (455). 389  OLG Hamburg FGPrax 2017, 129; OLG Köln ZEV 2019, 352; Kohler in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 27 (31). 390  Weber RNotZ 2018, 454 (455). 391  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  4 Rn.  6; Kohler in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 27 (31); zu §§  105, 343 Abs.  2 FamFG vgl. OLG Köln ZEV 2019, 352. 392  Wagner NJW 2018, 3284 (3286). 393 MüKoFamFG/Rauscher FamFG, §   97 Rn.  12; BeckOK FamFG/Sieghörtner §  97 Rn.  3, Rn.  6a. 394  Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (310).

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Die Verwendung von Verfügungen von Todes wegen, die durch öffent­ liche Urkunde errichtet worden sind – v. a. also notarielle Testamente und Erbverträge, die in der deutschen Grundbuch- und Handelsregisterpraxis als Nachweise der Erbenstellung anerkannt werden – kommt allerdings auch in den Fällen in Betracht, in denen deutschen Gerichte für die Er­teilung eines Erbscheins nicht zuständig wären.395 Gleichermaßen hat die Rechtsprechung des BGH zur Tauglichkeit handschriftlicher Testamente zum Nachweis der Erbenstellung auch dann Bestand, wenn keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Erteilung eines Erbscheins vorläge.396 (2) Keine Bindung der französischen Notare Für die Ausstellung eines acte de notoriété sind die französischen Notare ausschließlich397 zuständig (vgl. Art.  730-1 Abs.  1 C. civ.). In Frankreich wird überwiegend die Auffassung vertreten, die Feststellungen des EuGH in den Rs.  WB und E.E. seien auf die internationale Zuständigkeit des französischen Notars bei der Ausstellung eines acte de notoriété übertragbar.398 Ob die französischen Notare bei der Ausstellung eines acte de notoriété an die Zuständigkeitsregelungen gebunden sind, beurteile sich folglich danach, ob der französische Notar insoweit als Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs. 1 EuErbVO anzusehen sei. Dies wird in der französischen Literatur zur EuErbVO – zu Recht399 – wohl ganz herrschend verneint.400

395 

Leitzen ZEV 2018, 630 (634). Leitzen ZEV 2018, 630 (634). 397  V. Égéa in Guinchard et al., Répertoire de procédure civile, Succession, Nr.   85; J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  10; Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 398  P. Callé Defrénois 39 (2019), 33; P. Callé Defrénois 41 (2020), 29 (30); S. Godechot-­ Patris/C. Grare-Didier D. 2019, 2216 (VI.); A. Guichard AJ fam. 2020, 491; A. Meier-­ Bourdeau AJ fam. 2019, 417; C. Nourissat Defrénois 36 (2019), 35. 399  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) cc) (3) (b). 400  I. Barrière-Brousse JCP N 36 (2018) act. 714; P. Callé Defrénois 35 (2018), 38; R.  Crône in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 123 (134 ff.); R. Crône/ L.  Perreau-Saussine JCP N 50 (2018) 1359 (Nr.  33 ff.); V. Égéa RTD eur. 2018, 845; S.  Godechot-Patris/C. Grare-Didier D. 2018, 2384 (V. B.); S. Godechot-Patris/C. Grare-Didier D. 2019, 2216 (VI.); C. Gossart AJ fam. 2018, 554; E. Jacoby JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  6 ff.); A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2019, 417; C. Nourissat/M. Revillard Defrénois 19 (2015), 985 (990); C. Nourissat Defrénois 01–02 (2019), 45; Péroz/Fongaro, Droit inter­ national privé patrimonial de la famille, Nr.  786; L. Perreau-Saussine Rev. crit. DIP 2018, 850. 396 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Anderen zufolge sollen die Art.  4 ff. EuErbVO angesichts der vom EuGH in der Rs.  Oberle getroffenen Feststellungen auch bei der Ausstellung eines acte de notoriété gelten.401 Aus der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle ergebe sich, dass das Zuständigkeitsregime der EuErbVO für die gesamte Nachlassabwicklung gelten solle, da nur die Herstellung einer zuständigkeitsrechtlichen Nachlasseinheit eine scission der Nachlassabwicklung unterbinden und damit grundsätzlich den von der EuErbVO intendierten Gleichlauf von forum und ius verwirklichen könne.402 Die Vertreter dieser Auffassung möchten vor diesem Hintergrund die Tragweite der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle über die ausdrückliche Beschränkung des Tenors der Entscheidung auf eine „Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren“ erweitern, m. a. W. sollen die Art.  4 ff. EuErbVO unabhängig davon gelten, ob es sich bei der Ausstellungsstelle eines MNZ um ein Gericht i. S. d. EuErbVO handelt. Angesichts der in der Rs.  E.E. getroffenen Entscheidung ist indes diese Auffassung nicht länger haltbar, nimmt doch der EuGH hinsichtlich der mitgliedstaatlichen Notare ganz ausdrücklich eine Differenzierung zwischen Gerichten im funktionellen Sinne und nichtgerichtlichen Stellen vor.403 Acte de notoriété und ENZ unterliegen mithin unterschiedlichen Zuständigkeitsregelungen.404 Der französische Notar kann also auch nach Geltungsbeginn der EuErbVO einen acte de notoriété ausstellen, obwohl er für die Ausstellung eines ENZ nicht zuständig wäre.405 Auch bei einem Erbfall mit grenzüberschreitenden Bezug müssen die französischen Notare bei der Ausstellung eines acte de notoriété folglich – anders als im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ – ihre internationale Zuständigkeit nach der EuErbVO nicht prüfen.406 Die französischen Notare werden zu einer Ausstellung eines MNZ in grenzüberschreitenden Erbfällen wohl äußerst geneigt sein – so denn eine internationale Zuständigkeit nach den maßgeblichen französischen Regelungen besteht – da der acte de notoriété vor dem Hintergrund der durch die EuErbVO erfolgten Kollisionsrechtsvereinheitlichung und dem durch die EuErbVO etablierten Grundsatz der kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit an Bedeutung gewonnen hat, da zum einen das auf der kollisionsrechtlichen

401 

A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228. A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228. 403  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) cc) (2). 404  E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.) 405  E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.1.). 406  E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.1.). 402 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Nachlassspaltung beruhende Problem der Qualifikation hinfällig wird.407 Zum anderen hat die EuErbVO das Legalisationsverfahren für öffentliche Urkunden in Erbsachen abgeschafft; öffentliche Urkunden zirkulieren nunmehr grenzüberschreitend nach Maßgabe des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO.408 d) Würdigung und Résumé Solange sie nicht als Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 UAbs. 1 EuErbVO qualifiziert werden, können mitgliedstaatliche Notare folglich ein MNZ ausstellen, ohne den Zuständigkeitsregeln der EuErbVO unterworfen zu sein. An die Regelungen der EuErbVO zur internationalen Zuständigkeit sind sie jedoch im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ gebunden.409 Ein nichtgerichtliches MNZ aus dem einen Mitgliedstaat und ein ENZ aus einem anderen Mitgliedstaat können folglich parallel und bezogen auf denselben grenzüberschreitenden Erbfall ausgestellt werden. Die gerichtlichen MNZ können hingegen nur von den Gerichten des Mitgliedstaats ausgestellt werden, die auch international zuständig für die Ausstellung eines ENZ wären. Eine solche Zuständigkeitskonzentration bei Gerichten im Sinne der ­EuErbVO einerseits und einer Regelung der internationalen Zuständigkeit nach nationalem mitgliedstaatlichen Recht für nichtgerichtliche Stellen andererseits führt zu einem Ungleichgewicht.410 Das Risiko sich in materiell-­ rechtlicher Hinsicht widersprechender Nachlasszeugnisse ist im Falle einer Zuständigkeitskonzentration minimiert, während es hinsichtlich nicht­ gerichtlicher MNZ auf Zuständigkeitsebene gerade keine Einschränkung durch die EuErbVO erfährt. Obgleich hinsichtlich einer Vermeidung einer Divergenz zwischen MNZ und dem ENZ unbefriedigend, ist die unterschiedliche Behandlung von MNZ jedoch hinzunehmen.411 Der europäische Verordnungsgeber hat zwar einen weiten, nicht aber einen unbegrenzten Gerichtsbegriff auf Ebene des internationalen Erbrechts etabliert und den Mitgliedstaaten die Kompetenz für die Ausgestaltung ihres Verfahrens zur Ausstellung eines nationalen

407 

E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.1.). E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.1.) („[…] l’art. 59 du règlement communautaire qui confère à un acte authentique un effet d’acceptation, autrement dit la même force probante et des effets identiques à ceux dont l’acte authentique dispose dans l’État membre d’origine“). 409  A. Guichard AJ fam. 2020, 491. 410  Weber RNotZ 2018, 454 (456). 411  Mankowski ErbR 2020, 715 (717); Wilderspin in Pazdana, Problemy Prawa Prywat­ nego Międzynarodowego, 45 (52 f.). 408 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

215

Nachlasszeugnisses wie auch der Regelung der sachlichen, örtlichen und funktionalen Zuständigkeit belassen.412 e) Fälle einer konkurrierenden Zuständigkeit der Gerichte bzw. Ausstellungsstellen mehrerer Mitgliedstaaten aa) Subsidiäre Zuständigkeit, Art.  10 Abs.  1 EuErbVO Konkurrierende Zuständigkeiten der Gerichte mehrerer Mitgliedstaaten können in Fällen der subsidiären Zuständigkeit entstehen.413 Für Entscheidungen in Erbsachen sind die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem Nachlassvermögen belegen ist, für den gesamten Nachlass zuständig, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes nicht in einem Mitgliedstaat hatte, aber Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats war (vgl. Art.  10 Abs.  1 lit.  a EuErbVO). Für den Fall, dass sich Nachlassvermögen in mehreren Mitgliedstaaten befindet, deren Staats­bürger der Erblasser war, etwa bei doppelter Staatsbürgerschaft, kann es zu einer konkurrierenden Zuständigkeit der Gerichte dieser Mitgliedstaaten kommen.414 Eine solche konkurrierende Zuständigkeit wäre dann – bei gleichem Streitgegenstand – gemäß Art.  17 EuErbVO zu lösen.415 Besaß der Erblasser keine Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats, sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befindet, für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass zuständig, wenn der Erblasser seinen vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Mitgliedstaat hatte, sofern die Änderung dieses gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts nicht länger als fünf Jahre zurückliegt (vgl. Art.  10 Abs.  1 lit.  b EuErbVO). Zu einer konkurrierenden Zuständigkeit kann es in diesen Fällen kommen, wenn es aufgrund unterschiedlicher Auffassung der mitgliedstaatlichen Gerichte, scheinbar mehrere gewöhnliche Aufenthalte gab.416 Die Konkurrenz wäre auch in dieser Situation – bei gleichem Streitgegenstand – gemäß Art.  17 EuErbVO zu lösen. Die Frage der Zuständigkeit würde durch das von dieser Vorschrift angeordnete Prioritätsprinzip nach dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ge412 

Mankowski ErbR 2020, 715 (717); Wilderspin in Pazdana, Problemy Prawa Prywat­ nego Międzynarodowego, 45 (52 f.). 413 Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  6. 414  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.   10 Rn.   7; Deixler-­Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  6; von Bary, Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, 158. 415 Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  6. 416 Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  6.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

löst, kann der Erblasser doch nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes haben.417 Art.   10 Abs.   2 EuErbVO durchbricht den Grundsatz der Nachlass­ einheit;418 es kommt zur Nachlassspaltung, was parallele Verfahren über das Nachlassvermögen zur Folge haben kann. Ein Zuständigkeitskonflikt ist indes wegen der Begrenzung der Zuständigkeit auf das im jeweiligen Mitgliedstaat belegende Nachlassvermögen ausgeschlossen.419 bb) Forum necessitatis, Art.  11 EuErbVO Mitgliedstaatliche Gerichte sind nach Art.  11 EuErbVO zuständig, wenn es nicht zumutbar ist oder es sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem die Sache einen engen Bezug420 aufweist, einzuleiten oder zu führen. Weist die Sache nun einen ausreichenden Bezug i. S. d. Art.  11 Abs.  2 EuErbVO zu mehreren Mitgliedstaaten auf, kommt es zu einer konkurrierenden Zuständigkeit der angerufenen Gerichte dieser Mitgliedstaaten.421 Auch dieser Fall wäre – bei gleichem Streitgegenstand – gemäß Art.  17 EuErbVO zu lösen. f) Résumé Die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ wird für sämtliche Mitgliedstaaten einheitlich festgelegt – die Möglichkeit eines ­forum shopping der erbrechtlich Berechtigten damit unterbunden. Art.  64 EuErbVO stellt einen Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit nach den Art.  4 ff. EuErbVO und der internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung des ENZ her. Die mitgliedstaatlichen Stellen, die entweder bereits formell Gericht i. S. d. EuErbVO sind, oder bei der Ausstellung eines nationalen Nachlasszeugnisses funktional gerichtlich tätig werden, sind auch bei der Ausstellung eines MNZ an die Art.  4 ff. EuErbVO gebunden. 417  Zum Umstand, dass der Erblasser nur einen oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt, nicht aber mehrere haben kann vgl. GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  41; so auch bereits Cass. 1re civ., 29.5. 2019, n°  18-13.383 sowie AG Altenkirchen FamRZ 2019, 1824 (1825); Dörner ZEV 2012, 505 (510); Mankowski IPRax 2015, 39 (45); Mankowski ErbR 2020, 715 (717); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  20. 418  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  10 Rn.  10. 419  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  10 Rn.  10. 420  Zum Begriff des engen Bezugs („lien suffisant“) i. S. Europäischer Verordnungen, die eine Regelung wie Art.  11 EuErbVO enthalten, vgl. Lagarde, FS Kohler 2018, 255, (259 ff.). 421 Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  7.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

217

Die internationale Zuständigkeit konzentriert sich folglich bei gerichtlichen MNZ und dem ENZ auf ein und denselben Mitgliedstaat. Die deutschen Nachlassgerichte müssen folglich als Gerichte im formellen Sinne i. S. d. ­EuErbVO bei einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug auch hinsichtlich der Erbscheinsausstellung die Art.   4 ff. EuErbVO anstelle der §§  105, 343 Abs.  2 und Abs.  3 FamFG heranziehen. Eine konkurrierende Zuständigkeit der Gerichte mehrerer Mitgliedstaaten kann in den Fällen der subsidiären Zuständigkeit des Art.  10 Abs.  1 ­EuErbVO entstehen, wobei eine solche nach Art.  17 f. EuErbVO aufzulösen wäre. Entsprechendes gilt im Rahmen der Regelung des Art.  11 EuErbVO (forum necessitatis) für den Fall, dass die Sache einen hinreichenden Bezug zu mehreren Mitgliedstaaten aufweist und die Gerichte dieser Mitgliedstaaten parallel angerufen werden. Schließlich besteht im Anwendungsbereich der EuErbVO die Möglichkeit einer gleichrangigen internationalen Zuständigkeit der Stellen, die mit der Ausstellung eines ENZ betraut sind, in einem Mitgliedstaat und daneben der Stellen eines anderen Mitgliedstaats, die bei der Ausstellung eines nationalen Nachlasszeugnisses nicht funktional gerichtlich tätig werden. Bei der Ausstellung eines acte de notoriété sind etwa die französischen Notare nicht an das Zuständigkeitsregime der EuErbVO gebunden. Die EuErbVO schließt folglich nicht sämtliche Fälle aus, in denen ein ENZ und ein nationales Nachlasszeugnis unterschiedlicher Mitgliedstaaten aufeinandertreffen können. Eine Zuständigkeitskonzentration besteht nur bei der Ausstellung eines ENZ und eines gerichtlichen MNZ. Dies führt zu einer unterschied­ lichen Behandlung gerichtlicher und nichtgerichtlicher MNZ, die jedoch angesichts des zwar unbestritten weiten, indes keineswegs unbegrenzten Gerichtsbegriffs der EuErbVO hinzunehmen ist. Dennoch ist durchaus unbefriedigend, dass die Eindämmung des Risikos divergierender Nachlasszeugnisse teilweise forciert wird und die Gefahr von Parallelverfahren in unterschiedlichen Mitgliedstaaten teilweise gerade nicht eingedämmt wird. 2. Die allgemeinen Verfahrensregeln der Art.  17 f. EuErbVO A priori erscheint ein Rückgriff auf die allgemeinen Verfahrensregeln der Art.   17  f. EuErbVO, speziell auf die Litispendenzregelung des Art.   17 ­Eu­ErbVO, als probater Mechanismus zur Einschränkung der Ausstellung divergierender Nachlasszeugnisse.422 So dienen Art.  17 EuErbVO und Art.  18 EuErbVO gleichermaßen der grenzüberschreitenden Verfahrenskoordina­ 422  G. Debernardi, Règlement européen sur les successions et nouvelles perspectives, 203 Nr.  365.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

tion, insbesondere also der Vermeidung miteinander unvereinbarer (Art.  17 EuErbVO) bzw. widersprüchlicher (Art.  18 EuErbVO) Entscheidungen von Gerichten in parallel geführten Verfahren in Erbsachen (vgl. hinsichtlich Art.  17 EuErbVO die ErwG 34, 35 EuErbVO).423 Art.  17 EuErbVO setzt zunächst, wie auch Art.  18 EuErbVO, voraus, dass die in Rede stehenden Verfahren in Erbsachen „anhängig“ sind; es muss also Rechtshängigkeit i. S. d. Art.  14 EuErbVO vorliegen.424 a) Anwendungsbereich der Art.  17 f. EuErbVO Der Anwendungsbereich des Art.  17 EuErbVO bzw. Art.  18 EuErbVO ist nur dann eröffnet, wenn „Gerichte(…) verschiedener Mitgliedstaaten“ in parallel geführten Erbverfahren tätig sind (vgl. Art.  17 Abs.  1 EuErbVO, Art.  18 Abs.  1 EuErbVO).425 aa) Keine Beschränkung durch die eingeschränkte Verweisung des Art.  64 S.  1 EuErbVO Zweifelhaft erscheint die Anwendbarkeit des Art.  17 EuErbVO bzw. des Art.  18 EuErbVO im Falle einer drohenden Kollision von ENZ und MNZ bereits vor dem Hintergrund der beschränkten Verweisung des Art.  64 S.  1 EuErbVO. Dieser verweist nicht pauschal auf die Regelungen des zweiten Kapitels der EuErbVO. Vielmehr hat der europäische Verordnungsgeber die Verweisung des Art.  64 S.  1 EuErbVO auf die allgemeine Zuständigkeits­ regel des Art.  4 EuErbVO, die Zuständigkeit nach Art.  7 EuErbVO, die subsidiäre Zuständigkeit nach Art.  10 sowie die Notzuständigkeit nach Art.  11 EuErbVO begrenzt.426 Hinsichtlich der anderen zuständigkeitsbegründenden Normen des zweiten Kapitels der EuErbVO scheidet die Anwendung auf das ENZ folglich von vorneherein aus.427 Bei den Art.  14 ff. EuErbVO handelt es sich indes um allgemeine Verfahrensregeln, die eine internatio­nale Zuständigkeit nicht eigenständig aufgrund Sachzusammenhangs zu begründen vermögen, sondern der Verfahrenskoordination dienen.428 Einer aus423  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  17 Rn.  1, Art.  18 Rn.  1; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  3. 424 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   17 Rn.  20 (zu Art.  17 EuErbVO); Dutta/­ Weber/Weber IntErbR, Art.  18 EuErbVO Rn.  5. 425 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  5. 426 MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  64 Rn.  2. 427 MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.   64 Rn.   2; NK-BGB Bd.   6/Nordmeier ­EuErbVO, Art.  64 Rn.  2. 428  Zum Umstand, dass Art.  18 EuErbVO keine eigenständige internationale Zuständigkeit begründet, vgl. Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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drücklichen Verweisung auf die Art.  14 ff. EuErbVO bedarf es deshalb für deren entsprechende Anwendung auf das Verfahren zur Ausstellung eines ENZ gerade nicht.429 bb) Erbverfahren vor einem Gericht Art.  17 EuErbVO und Art.  18 EuErbVO erfassen nur Verfahren in Erb­ sachen vor einem Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO; außergerichtliche Verfahren sind vom Anwendungsbereich dieser Vorschriften nicht erfasst.430 Zwar handelt es sich bei den MNZ um Erbsachen, sodass insoweit der Anwendungsbereich der EuErbVO eröffnet ist.431 Eine Anwendung des Art.  17 EuErbVO bzw. Art.  18 EuErbVO käme im Falle einer drohenden Kollision von ENZ und MNZ allerdings allein dann in Betracht, wenn Ausstellungsstelle des MNZ Gericht i. S. d. EuErbVO ist,432 nicht aber wenn es sich bei einem der parallel geführten Verfahren um ein solches zur Ausstellung eines nichtgerichtlichen MNZ handelt. Eine konkurrierende Zuständigkeit der Gerichte unterschiedlicher Mitgliedstaaten ist zwar nach der EuErbVO ausgeschlossen, soweit es um die parallele Ausstellung eines ENZ und eines gerichtlichen MNZ geht.433 So kann der Erblasser nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes haben.434 Dennoch können unterschiedliche Mitgliedstaaten eine internationale Zuständigkeit für die Ausstellung des jeweiligen Nachlasszeugnisses jedenfalls faktisch annehmen.435

EuErbVO, Art.  18 Rn.  2; vgl. zu Art.  22 EuGVÜ, der zum 1.3.2002 durch Art.  28 Brüssel I-VO abgelöst wurde, der wiederum Vorbildregelung des Art.  18 EuErbVO darstellt (vgl. BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  2): EuGH v. 24.6.1981, Elefanten Schuh, Rs.   150/80, Slg. 1981, 1672, ECLI:EU:C:1981:148 Rn.   19; MüKoFamFG/Grziwotz ­Eu­ErbVO, Art.  64 Rn.  6; Dutta/Weber/Weber IntErbR, Art.  18 EuErbVO Rn.  1. 429 MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  64 Rn.  6. 430 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  6. 431  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) aa); vgl. zu diesem Erfordernis im Rahmen des Art.  18 EuErbVO: BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  7. 432 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  6. 433  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) dd) (1). 434  Vgl. oben Kapitel  5 B. I. 2. a); EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  40 f.; GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  41; Civ. 1re, 29. Mai 2019, n°  18-13.383, AG Altenkirchen FamRZ 2019, 1824 (1825); Dörner ZEV 2012, 505 (510); Mankowski IPRax 2015, 39 (45); Mankowski ErbR 2020, 715 (717); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  20 435 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  15.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

cc) Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten Bei Rechtshängigkeit in einem Drittstaat ist weder Art.  17 EuErbVO noch Art.  18 EuErbVO anwendbar,436 maßgeblich ist insofern das autonome Recht der Mitgliedstaaten.437 Gleiches gilt für parallel geführte Erbverfahren in ein- und demselben Mitgliedstaat.438 Eine Anwendung des Art.   17 EuErbVO bzw. Art.   18 ­EuErbVO im Falle drohender Kollision von ENZ und gerichtlichem MNZ im selben Ausstellungsstaat scheidet daher von vornherein aus. b) Verhältnis von Art.  17 EuErbVO und Art.  18 EuErbVO Aufgrund der Konvergenz der Zwecke des Art.  17 EuErbVO und Art.  18 EuErbVO ist freilich zunächst das Verhältnis dieser allgemeinen Verfahrensregeln untereinander festzustellen. Im Falle doppelter Rechtshängigkeit (lis pendens) muss das später ange­ rufene Gericht das Verfahren aussetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht (vgl. Art.  17 Abs.  1 EuErbVO). Diese durch Art.  17 Abs.  1 EuErbVO angeordnete Rechtshängigkeitssperre löst einen positiven Kompetenzkonflikt der Gerichte mehrerer Mitgliedstaaten mithin ausgehend vom Prioritätsprinzip nach dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit.439 Zunächst zielt Art.  17 EuErbVO darauf ab, miteinander unvereinbare Entscheidungen von Gerichten in parallel geführten Verfahren in Erbsachen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verhindern, sodass Anerkennungshindernisse i. S. d. Art.  40 lit.  c, lit.  d EuErbVO, mithin Entscheidungen mit gegenläufigen Rechtsfolgen, überhaupt nicht entstehen.440 Art.  17 ­EuErbVO ist daher stets auch im Lichte des Art.  40 lit.  c, lit.  d EuErbVO zu betrachten und auszulegen.441 Anwendbar ist Art.  17 EuErbVO allein bei Partei- wie auch Anspruchsidentität (vgl. Art.  17 Abs.  1 EuErbVO). Die Verfahrensaussetzung und die Unzuständigkeitserklärung ist angesichts des Wortlauts des Art.  17 Abs.  1 („setzt (…) von Amts wegen aus“) bzw. Abs.  2 („erklärt“) EuErbVO zwingend und von Amts wegen vorzunehmen. Das 436 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  3; zu Art.  17 EuErbVO vgl. Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  17 Rn.  1. 437  Zu Art.  17 EuErbVO vgl. Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  17 Rn.  1. 438 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  3. 439 Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  5. 440  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  17 Rn.  1. 441  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  17 Rn.  3.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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zweitbefasste Gericht setzt das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des erstbefassten Gerichts feststeht (vgl. Art.   ­ 17 Abs.   1 EuErbVO). Erfolgt eine rechtskräftige Unzuständigerklärung des erst­ ­ befassten Gerichts, ist das Verfahren vor dem zweitbefassten Gericht fort­ zusetzen.442 Erklärt sich das erstbefasste Gericht für zuständig, hat sich das zweitbefasste Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären (vgl. Art.  17 Abs.  2 EuErbVO).443 Demgegenüber zielt Art.  18 EuErbVO auf die Vermeidung inkohärenter Entscheidungen – selbst wenn die in Rede stehenden Entscheidungen nicht nach den Art.  39 ff. EuErbVO anerkannt werden könnten.444 Anders als Art.  17 EuErbVO statuiert Art.  18 EuErbVO lediglich das Erfordernis der Konnexität („Verfahren die in Zusammenhang stehen“, vgl. Art.  18 Abs.  1 EuErbVO), weder die Beteiligten noch der Verfahrensgegenstand müssen identisch sein.445 Verfahrensaussetzung nach Art.  18 Abs.  1 EuErbVO und Unzuständigkeitserklärung nach Art.  18 Abs.  2 EuErbVO werden ausdrück­ lich ins Ermessen des Gerichts gestellt („kann“, vgl. Art.  18 Abs.  1, Abs.  2 EuErbVO).446 Angesichts der durch Art.  17 EuErbVO vorausgesetzten Identität einerseits und der durch Art.  18 EuErbVO geforderten bloßen Konnexität andererseits, geht Art.  17 EuErbVO Art.  18 EuErbVO kraft Spezialität vor – Art.  18 EuErbVO fungiert als Auffangtatbestand.447 c) Anwendung von Art.  17 EuErbVO bzw. Art.  18 EuErbVO bei unstreitigen Verfahren in Erbsachen Die grundsätzliche Anwendbarkeit des Art.  17 EuErbVO auf unstreitige Erbverfahren ergibt sich zunächst aus der Bestimmung selbst. Art.  17 Abs.  1 EuErbVO spricht, anders als noch der Kommissionsvorschlag, nicht von „Klagen“, sondern von „Verfahren“.448 Ferner differenzieren die Zuständig442 

NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  17 Rn.  19. NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  17 Rn.  19. 444  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  18 Rn.  1. 445  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  18 Rn.  1. 446 Dutta/Weber/Weber IntErbR, Art.  18 EuErbVO Rn.  15. 447  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  18 Rn.  1, die von einem Exklusivitätsverhältnis spricht; vgl. zum Verhältnis von Art.  29 Brüssel Ia-VO zu Art.  30 Brüssel Ia-VO vgl. Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  30 Rn.  2. 448 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  17 Rn.  3. 443 

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keitsregelungen im zweiten Kapitel der EuErbVO bewusst nicht zwischen kontradiktorischen und unstreitigen Verfahren.449 Die Art.  4 ff. EuErbVO erfassen folglich sämtliche Erbverfahren unabhängig von deren Natur.450 Auf unstreitige Verfahren (Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach deutschem Verständnis) in Erbsachen ist Art.  17 EuErbVO anwendbar, sofern Ergebnis dieser Verfahren jedenfalls anerkennungsfähige Entscheidungen i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO sind.451 Stehen am Ende unstreitiger Verfahren in Erbsachen keine anerkennungsfähigen Entscheidungen, greift von vorneherein nicht Art.  17 EuErbVO, sondern Art.  18 ­EuErbVO.452 Liegen identische Verfahrensgegenstände i. S. d. Art.  17 EuErbVO nicht vor, ist ebenfalls von vorneherein Art.  18 EuErbVO einschlägig.453 (a) Anwendbarkeit von Art.  17 EuErbVO bei parallelen Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines MNZ? Ob Art.  17 EuErbVO auch bei Parallelverfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines MNZ anzuwenden ist, ist umstritten. Teilweise454 wird vertreten, dass in einer derartigen Konstellation Art.  17 EuErbVO zur Anwendung gelange und damit eine drohende Kollision von ENZ und MNZ ausgehend vom Prioritätsprinzip verhindert werde. Andere455 wollen Art.  17 ­EuErbVO – indes mit unterschiedlicher Begründung – nicht zur Anwendung bringen. (aa) Zwar Partei- und Anspruchsidentität i. S. d. Art.  17 EuErbVO Art.  17 EuErbVO ist nur einschlägig, wenn es sich um Verfahren in Erb­ sachen „wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien“ handelt (vgl. Art.  17 Abs.  1 EuErbVO). 449 

Dok. Nr.  8228/10 S.  7 (dort Fn.  2). EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  4 Rn.  4; Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  2. 451  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  17 Rn.  2. 452  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  18 Rn.  3. 453  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  18 Rn.  3. 454 Dutta/Weber/Weber IntErbR, Art.  17 Rn.  19; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  31, Nr.  37. 455 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.   15; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  17; Jäger in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechtsverkehr, EuErbVO, Art.  17 Rn.  22 ff., 30; MüKoFamFG/Rauscher EuErbVO, Art.  17 Rn.  13. 450 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Parteiidentität liegt vor, wenn an beiden Verfahren dieselben Personen beteiligt sind.456 Mit Blick auf die Anwendung des Art.  17 EuErbVO auch bei unstreitigen Erbverfahren ist eine unionsautonome457 und erbrechtsspezifisch extensive Auslegung des Verfahrensparteienbegriffs geboten.458 So passt die Formulierung „dieselben Parteien“ des Art.  17 Abs.  1 EuErbVO auf derartige Verfahren nur eingeschränkt.459 Der Begriff der Parteiidentität erfasst in unstreitigen Verfahren in Erbsachen nicht allein die formell Beteiligten, sondern auch diejenigen, deren rechtliche Positionen durch die Entscheidung betroffen werden.460 Der Wortlaut des Art.  17 EuErbVO erscheint jedoch selbst bei streitigen Erbverfahren dann zu eng, „wenn widersprüchliche Entscheidungen in zwei Erbprätendentenstreitigkeiten zwischen verschiedenen Parteien aufeinander treffen.“461 Der EuGH hat in der Rs.  Drouot462 zu Art.  21 EuGVÜ – wenngleich nur obiter – Parteiidentität auch dann angenommen, wenn die Personen zwar nicht identisch, ihre Interessen aber identisch und untrennbar miteinander verbunden sind; es bedürfe einer so weitgehenden Interessenübereinstimmung, dass eine Entscheidung, die gegenüber der einen Person ergeht, Rechtskraft auch gegenüber der anderen entfalten würde.463 Hintergrund dieser Feststellung ist der Gedanke, dass auch in einer derartigen Konstel­ lation die Gefahr miteinander unvereinbarer Entscheidungen besteht und damit die Ratio des Art.  17 EuErbVO zum Tragen kommt.464 Dieselben Erwägungen können auch bei der Bestimmung der Verfahrensparteien bei unstreitigen Verfahren in Erbsachen fruchtbar gemacht werden. Die Entscheidungen des Gerichts wirken bei solchen Verfahren nicht zwingend ausschließlich inter partes, sondern potenziell erga omnes.465 Der Begriff der Verfahrenspartei erfasst – unter Zugrundelegung der in der Rs.  Drouot obiter entwickelten Grundsätze – in unstreitigen Erbsachen nicht allein die formell Beteiligten, sondern auch diejenigen, deren rechtliche Positionen durch 456 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  9. Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  8, 13. 458 Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.   17 Rn.   2; Beck­ OGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  8. 459 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  17 Rn.  4. 460 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  17 Rn.  4. 461 Bereits zu Art.   30 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  39. 462  EuGH v. 19.5.1998, Drouot, Rs.  C-351/96, ECLI:EU:C:1998:242. 463 EuGH v. 19.5.1998, Drouot, Rs.   C-351/96, ECLI:EU:C:1998:242 Rn.  19; Beck­ OGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  11. 464 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  11. 465 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  5 Rn.  8. 457 BeckOGK/J.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

die Entscheidung betroffen werden. Eine derart extensive Auslegung der Formulierung „dieselben Parteien“ des Art.  17 Abs.  1 EuErbVO überzeugt bereits vor dem Hintergrund, dass das mitgliedstaatliche Verfahrensrecht determiniert, wer formell Beteiligter im unstreitigen Erbverfahren ist.466 Nach mitgliedstaatlichem Verfahrensrecht hängt es häufig von dem vom Verfahren Betroffenen selbst ab, ob dieser durch einen Antrag am Verfahren als Verfahrenspartei beteiligt ist.467 Folglich hinge bei einer engen Auslegung des Art.  17 EuErbVO (d. h. begrenzt auf die formellen Beteiligten) die Anwendbarkeit des Art.  17 EuErbVO auf unstreitige Verfahren, bei denen Anspruchsidentität besteht, zuweilen allein vom Zufall ab.468 Maßgeblich für die Annahme von Parteiidentität i. S. d. Art.  17 EuErbVO kann folglich nicht allein die Identität der formell Verfahrensbeteiligten sein, sondern, dass durch die in dem Verfahren zu ergehende Entscheidung erbrechtliche Rechtsstellungen von identischen Personen tangiert werden.469 Der unionsautonom470 auszulegende Begriff der Anspruchsidentität ist dem kontradiktorischen Zweiparteiensystem entlehnt,471 wurde Art.   17 ­Eu­ErbVO doch ganz maßgeblich nach dem Vorbild des Art.  27 Brüssel I-VO bzw. Art.  29 Brüssel Ia-VO geschaffen, die wiederum der Regelung des Art.  21 EuGVÜ nachempfunden sind.472 Anspruchsidentität ist nach der Rechtsprechung des EuGH473 zur Regelung des Art.  21 EuGVÜ anzunehmen, wenn beide Verfahren auf derselben Grundlage beruhen und denselben Gegenstand haben.474 Diese Judikatur hat gerade auch in der französischen Sprachfassung des Art.  17 EuErbVO einen deutlichen Niederschlag gefunden, spricht diese doch ausdrücklich von „le même objet et la même cause“.475 466 

MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  17 Rn.  4. EuErbVO, Art.  17 Rn.  4. 468 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  17 Rn.  4. 469 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  17 Rn.  4. 470 MüKoFamFG/Rauscher EuErbVO, Art.  17 Rn.  13; vgl. zu Art.  29 Brüssel Ia-VO: Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  29 Rn.  13. 471 Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  2. 472  Zur Vorbildfunktion des Art.  27 Brüssel I-VO bzw. Art.  29 Brüssel Ia-VO wie auch Art.  21 EuGVÜ vgl. BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  2. 473  EuGH v. 8.12.1987, Gubisch Maschinenfabrik, Rs.  144/86, Slg. 1987, 4871 (4875), ECLI:EU:C:1987:528 Rn.  14; EuGH v. 6.12.1994, Tatry, Rs.  C-406/92, Slg. 1994, I-5460 (5475), ECLI:EU:C:1994:400 Rn.  38 f.; EuGH v. 14.10.2004, Mæersk Olie, Rs.  C-39/02, Slg. 2004, I-9686 (9698), ECLI:EU:C:2004:615 Rn.  34. 474  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  17 Rn.  9. 475  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  17 Rn.  9; vgl. zu Art.  29 Brüssel Ia-VO: Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  29 Rn.  13. 467 MüKoBGB/Dutta

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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Die Grundlage des Anspruchs bilden neben dem Sachverhalt die Rechtsvorschriften, die dem Verfahren zu Grunde liegen.476 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die maßgeblichen Rechtsvorschriften demselben Sachrecht entstammen müssen. Entscheidend ist vielmehr ihre funktionale und teleolo­ gische Äquivalenz.477 Sind die vom jeweiligen Gericht anzuwendenden Rechtsvorschriften funktional wie teleologisch vergleichbar, können folglich auch auf das Recht unterschiedlicher Staaten gestützte Verfahren identisch sein.478 Gegenstand meint den Zweck des Verfahrens, wobei – anders als im Rahmen des deutschen Streitgegenstandsbegriffs – nicht auf die formale Identität, sondern darauf abzustellen ist, dass die Verfahren im Kern den gleichen Gegenstand haben.479 Dem mit dem Verfahren verfolgten (prozessualen) Ziel, ebenso den jeweiligen rechtlich-wirtschaftlichen Begehren in den Verfahren in Erbsachen kommt folglich besondere Bedeutung zu.480 Im Kontext der EuErbVO ist dieser – wie eben dargestellt – ohnehin weit481 auszulegende Begriff der Anspruchsidentität zudem insoweit erbrechtsspezifisch482 extensiv zu determinieren, als er auch unstreitige Verfahrensgegenstände i. S. d. vom EuGH483 zugrunde gelegten Verständnisses desselben Gegenstands erfasst.484 Maßgeblich ist mithin die Identität des Verfahrensgegenstands und nicht etwa der prozessuale Antrag.485 Somit 476 

NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  17 Rn.  10; MüKoFamFG/Rauscher EuErbVO, Art.  17 Rn.  13; vgl. zu Art.  29 Brüssel Ia-VO: Leible in Rauscher, EuZPR/ EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  29 Rn.  13. 477  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  17 Rn.  10; vgl. zu Art.  29 Brüssel IaVO: Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  29 Rn.  13. 478  Vgl. zu Art.  29 Brüssel Ia-VO: Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  29 Rn.  13. 479 MüKoFamFG/Rauscher EuErbVO, Art.  17 Rn.  13; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  16; vgl. zu Art.  29 Brüssel Ia-VO: Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  29 Rn.  14. 480 MüKoFamFG/Rauscher EuErbVO, Art.  17 Rn.  14; vgl. zu Art.  29 Brüssel Ia-VO: Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  29 Rn.  14. 481  Vgl. zu Art.  29 Brüssel Ia-VO: Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR Bd.  I, Brüssel Ia-VO, Art.  29 Rn.  13. 482 MüKoFamFG/Rauscher EuErbVO, Art.  17 Rn.  13 f. 483  EuGH v. 8.12.1987, Gubisch Maschinenfabrik, Rs.  144/86, Slg. 1987, 4871 (4875), ECLI:EU:C:1987:528 Rn.  14; EuGH v. 6.12.1994, Tatry, Rs.  C-406/92, Slg. 1994, I-5460 (5475), ECLI:EU:C:1994:400 Rn.  38 f.; EuGH v. 14.10.2004, Mæersk Olie, Rs.  C-39/02, Slg. 2004, I-9686 (9698), ECLI:EU:C:2004:615 Rn.  34. 484  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  17 Rn.  3. 485  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  17 Rn.  9; MüKoFamFG/Rauscher EuErbVO, Art.  17 Rn.  14.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

kann die Anwendung des Art.  17 EuErbVO nicht bereits deshalb verneint werden, weil die Anträge auf die Ausstellung unterschiedlicher Nachlasszeugnisse – ENZ einerseits und MNZ andererseits – gerichtet sind.486 Vielmehr sind die Verfahren zur Ausstellung eines gerichtlichen, anerkennungsrechtlich relevanten MNZ und zur Ausstellung eines ENZ gleichermaßen auf die Bescheinigung einer erbrechtlichen Rechtsstellung gerichtet, sodass grundsätzlich von einem funktional äquivalenten Anspruchsziel und damit einem identischen Verfahrenskernpunkt ausgegangen werden kann.487 (bb) Allerdings keine Anwendbarkeit aufgrund des systematischen Zusammenhangs zwischen Art.  17 EuErbVO und Art.  40 lit.  c und lit.  d EuErbVO Bei parallelen Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines MNZ ist jedoch Art.  17 EuErbVO aufgrund seines systematischen Zusammenhangs mit Art.  40 lit.  c und lit.  d EuErbVO nicht anwendbar. Denn Sinn und Zweck der Litispendenzregelung des Art.  17 EuErbVO ist, dass keine Entscheidungen ergehen, die miteinander unvereinbar sind und die letztlich nach Art.  40 EuErbVO nicht anzuerkennen wären.488 So kann Art.  17 EuErbVO bei parallelen Verfahren zur Ausstellung jeweils eines gerichtlichen MNZ durchaus Bedeutung erlangen, sofern diese gerichtlichen Emanationen als Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO qualifiziert werden und damit im anderen Mitgliedstaat nach den Art.   39 ff. EuErbVO anzuerkennen 489 sind. Maßgeblich für die Anwendbarkeit von Art.  17 EuErbVO ist damit, ob grundsätzlich Anerkennungshindernisse entstehen können, da Art.   17 ­EuErbVO nur bei Konkurrenz mehrerer anerkennungsfähiger Entscheidun­ 486 Dutta/Weber/Weber

IntErbR, Art.  17 Rn.  19. EuErbVO, Art.  62 Nr.  31, Nr.  37; Dutta/Weber/Weber IntErbR, Art.  17 EuErbVO Rn.  19; a. A. jedoch MüKoFamFG/Rauscher EuErbVO, Art.  17 Rn.  13, nach dem die auf das kontradiktorische Zweiparteiensystem ausgerichtete Rechtsprechung des EuGH zur Anspruchsidentität nicht unbesehen auf die Litispendenzregelung der EuErbVO übertragen werden könne. Denn deren Anwendung bei parallelen und unstreitigen Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines gerichtlichen MNZ würde dazu führen, dass für die Annahme einer Anspruchsidentität bereits ausreichend wäre, dass der Erblasser in beiden Verfahren identisch ist. 488  Zur Verknüpfung von Art.  17 EuErbVO und Art.  40 EuErbVO Deixler-Hübner/ Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  1; Jäger in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechtsverkehr, EuErbVO, Art.  17 Rn.  22 ff., 30; Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  18 Rn.  3. 489  Jäger in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechtsverkehr, EuErbVO, Art.  17 Rn.  30; zur Anerkennung von MNZ nach den Art.  39 ff. EuErbVO vgl. oben Kapitel  3 C. III. und IV. 487 Bonomi/Wautelet/Wautelet

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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gen zum Tragen kommt.490 Das ENZ ist jedoch gerade keine Entscheidung im anerkennungsrechtlichen Sinne. Denn die Erstreckung der Wirkungen des ENZ erfolgt – im Gegensatz zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach den Art.  39 ff. EuErbVO – ipso iure ohne Anerkennungsverfahren in sämtlichen Mitgliedstaaten (vgl. Art.  69 Abs.  1 EuErbVO).491 Es bestehen gerade keine Anerkennungsversagungsgründe.492 Art.  69 Abs.  1 EuErbVO verdrängt die Art.  39 ff. EuErbVO und Art.  59 f. EuErbVO.493 Bei parallelen Ausstellungverfahren zur Erteilung eines ENZ und eines MNZ kann daher Art.  17 EuErbVO nicht fruchtbar gemacht werden. (b) Stellungnahme: Anwendung von Art.  18 EuErbVO Im Falle paralleler Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines MNZ ist der Anwendungsbereich des Art.  18 EuErbVO eröffnet.494 Das später angerufene Gericht bzw. die später angerufene Ausstellungsstelle eines ENZ kann das Verfahren im Rahmen eines weiten Ermessensspielraums nach Art.  18. Abs.  1 EuErbVO aussetzen.495 Zunächst steht der Anwendbarkeit des Art.  18 EuErbVO – anders als i. R. d. Art.  17 EuErbVO496 – nicht entgegen, dass im Zuge eines abstrakten Wirkungsvergleichs von ENZ und MNZ erstgenanntes gerade keine Entscheidung im anerkennungsrechtlichen Sinne der EuErbVO darstellt.497 In Abgrenzung zu Art.  17 EuErbVO ist Art.  18 EuErbVO bei unstreitigen Verfahren in Erbsachen auch dann anwendbar, wenn aus diesen keine anerkennungsfähigen Entscheidungen hervorgehen.498 Überdies ist Telos des Art.  18 EuErbVO die Vermeidung inkohärenter Entscheidungen499 im Interesse einer geordneten Rechtspflege. Eine Verfahrensaussetzung nach 490 Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-Pfeiler EuErbVO, Art.   17 Rn.  1; Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  18 Rn.  3. 491 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  5; MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  69 Rn.  2. 492 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  5; MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  69 Rn.  2. 493 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  5. 494 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  15. 495 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.   15; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  17. 496  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 2. c) (a) (bb). 497  Vgl. hierzu oben Kapitel  5 B. II. 2. c). 498  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  17 Rn.  3, Art.  18 Rn.  3. 499  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  18 Rn.  1.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Art.  18 EuErbVO ist im Falle paralleler Ausstellungsverfahren insoweit auch geboten, da sowohl die Richtigkeitsvermutung des ENZ als auch die Richtigkeitsvermutung eines MNZ widerleglich ist.500 Folglich entfällt diese Wirkung – nach zutreffender Auffassung501 – im Falle einer Kollision von ENZ und MNZ jeweils. Die Funktionsfähigkeit und damit der effet utile des ENZ wäre beeinträchtigt, wenn weder Art.  17 EuErbVO noch die Auffangregelung des Art.  18 EuErbVO in einer derartigen Konstellation einzugreifen vermöchte. Im Anwendungsbereich des Art.  18 EuErbVO müssen die Verfahren „im Zusammenhang stehen“ (vgl. Art.  18 Abs.  1 EuErbVO). Konnexität i. d. S. liegt nach der Legaldefinition in Art.  18 Abs.  3 EuErbVO vor, wenn zwischen den Verfahren eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen. Der Begriff des Zusammenhangs ist nicht zuletzt aufgrund dieser Legaldefinition in der EuErbVO unionsautonom und erbrechtsspezifisch auszulegen.502 Konnexität i. S. d. Art.  18 EuErbVO ist weit zu verstehen und bereits dann anzunehmen, wenn zwei Verfahren ein und denselben Erbfall bzw. Nachlass betreffen.503 Eine derart extensive Auslegung ist im Interesse einer geordneten Rechtspflege geboten.504 Im Falle paralleler Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines MNZ aufgrund desselben grenzüberschreitenden Erbfalls stellen sich nicht nur ab­ strakt dieselben Rechtsfragen, vielmehr überschneidet sich bei einem identischen Erblasser der den Verfahren jeweils zugrunde liegende Sachverhalt, sodass für diesen Fall ein Zusammenhang i. S. d. Art.  18 EuErbVO besteht.

500  Zur Widerlegbarkeit der Richtigkeitsvermutung des ENZ vgl. oben Kapitel   2 A. III. 1.; zur Widerlegbarkeit der Richtigkeitsvermutung des deutschen Erbscheins bzw. des französischen acte de notoriété vgl. oben Kapitel  2 B. I. 2. bzw. oben Kapitel  2 C. I. 3. a). 501  Ausführlich zu den Folgen einer Kollision für die Wirkungen von ENZ und den MNZ unten Kapitel  5 F. II. 1. d) bb) (3) (a) bzw. Kapitel  5 F. II. 1. d) bb) (4). 502 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  8. 503 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  18 Rn.  2; Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  18 Rn.  4; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  13.3.; einschränkend jedoch NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  18 Rn.  7. 504 Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.  18 Nr.  3; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  8.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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d) Résumé Die Art.  14 ff. EuErbVO sind als allgemeine Verfahrensregelungen auch im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ anwendbar. Auf parallel anhängige Verfahren zur Ausstellung eines ENZ einerseits und eines MNZ andererseits findet die Litispendenzregelung des Art.  17 EuErbVO keine Anwendung. Einschlägig kann insoweit nur Art.  18 EuErbVO sein. Der Anwendungsbereich des Art.  18 EuErbVO ist indes beschränkt. Das Prioritätsprinzip des Art.  18 EuErbVO gilt nur für Parallelverfahren vor Gerichten unterschiedlicher Mitgliedstaaten. Folglich ist Art.  18 EuErbVO von vorneherein nicht anwendbar, – erstens bei paralleler Ausstellung eines ENZ und eines nichtgerichtlichen MNZ, – zweitens bei parallelen Ausstellungsverfahren in ein- und demselben Mitgliedstaat, – drittens bei paralleler Ausstellung eines ENZ und eines drittstaatlichen Nachlasszeugnisses.

III. Herstellung eines Gleichlaufs zwischen forum und ius Die Herstellung eines Gleichlaufs zwischen forum und ius tritt als Element zur Vermeidung einer Divergenz gleichrangig neben die Grundprinzipien der objektiven Regelanknüpfung und der Nachlasseinheit im kollisionsrechtlichen Teil der Verordnung. Die EuErbVO reiht sich ein in die jüngeren europäischen Sekundärrechtsakte auf dem Gebiet des Internationalen Familienrechts, in denen eine deutliche Tendenz des europäischen Verordnungsgebers zur Herstellung eines Gleichlaufs von forum und ius zu erkennen ist.505 Der Gleichlauf von forum und ius ist gerade auf dem Gebiet des internationalen Erbrechts von entscheidender Bedeutung.506 Dem Erbrecht eigen sind enge Interdependenzen und Verflechtungen zwischen materiellem Recht und formellem Erbverfahrensrecht.507 So können bei einer Fremdrechtsanwendung Friktionen zwischen dem anwendbaren Sachrecht des einen Mitglieds- oder Drittstaats, das bestimmte Institute oder Maßnahmen vorsieht und dem Verfahrensrecht des Mitgliedstaats dessen Gerichte oder sonstige Behörden oder Angehörige von Rechtsberufen zuständig sind 505  S. Corneloup in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 461 (463); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  4 Rn.  3. 506 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  4 Rn.  3. 507 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.   4 Rn.  3; von Bary, Gerichtsstandsund Schiedsvereinbarungen, 26.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

und dem diese Maßnahmen fremd sind, entstehen, aus denen sich dann erhebliche Abgrenzungs- und Anpassungsschwierigkeiten ergeben können.508 Diesen Erwägungen trägt der europäische Verordnungsgeber in der EuErbVO in besonderem Maße Rechnung, erhebt er doch die grundsätzliche Herstellung eines Gleichlaufs von forum und ius sogar zu einem Verordnungsziel (vgl. ErwG 27 EuErbVO).509 Dies findet seinen Niederschlag einerseits in dem parallelen – und innerhalb der EuErbVO einheitlich auszulegenden510 – Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts des Erb­ lassers im Zeitpunkt seines Todes sowohl für die Bestimmung der interna­ tionalen Zuständigkeit als auch des anwendbaren Rechts.511 Andererseits sieht die EuErbVO im Falle einer Rechtswahl des Erblassers Mechanismen vor, mit denen entweder auf Grundlage des Willens der Verfahrensbeteiligten oder in­folge einer Unzuständigkeitserklärung des angerufenen Gerichts ein Gleich­lauf von anwendbarem Recht und Zuständigkeit hergestellt werden kann.512 Können die zuständigen Stellen das ihnen vertraute Recht anwenden, bedarf es keines Gutachtens, um das ausländische Recht zu ermitteln.513 Der Gleichlauf von forum und ius trägt mithin nicht nur zur Vermeidung von Fehlern bei der Anwendung fremden Rechts, sondern auch zu einem kostengünstigeren, schnelleren und effizienteren Verfahren bei.514

IV. Regelungen der Art.  62 ff. EuErbVO Regelungsgegenstand des Art.  67 EuErbVO ist die Ausstellung des ENZ. Die Ausstellungsbehörde hat das ENZ unverzüglich auszustellen, sobald der zu bescheinigende Sachverhalt nach dem anwendbaren Recht feststeht (vgl. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO). Ausweislich des eindeutigen Wortlauts des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  2 EuErbVO (deutsche Sprachfassung: „verwendet“; frz. „utilise“; engl. „shall use“) ist dabei die Verwendung

508 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  4 Rn.  3 von Bary, Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, 26. 509  S. Corneloup in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 461 (463). 510  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. a) cc). 511  S. Corneloup in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 461 (463). 512  S. Corneloup in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 461 (463); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  4 Rn.  2. 513 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  4 Rn.  3. 514 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  4 Rn.  3.

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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des Formblatt  V (Anhang 5) der Durchführungsverordnung (EU) Nr.  1329/­ 2014515 zwingend.516 Die Ausstellung eines ENZ hat jedoch insbesondere517 in den in Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO normierten Fällen zu unterbleiben.518 Ein solches Ausstellungshindernis – damit ein Fall, in dem nicht von einem feststehenden Sachverhalt i. S. d. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO ausgegangen werden kann519 – besteht nach Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO insbesondere, wenn und solange ein Rechtsstreit in Bezug auf den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig ist oder materiell-rechtliche Einwände im Ausstellungsverfahren selbst bestehen520 oder nach Art.   67 Abs.   1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO, wenn der Inhalt des ENZ mit einer Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO zum selben Sachverhalt nicht vereinbar wäre.521 1. Ausstellungshindernis des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO Die Annahme einer unvereinbaren Entscheidung i. S. d. Art.   67 Abs.   1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO setzt gerade nicht voraus, dass die Entscheidung nach deutschem Verständnis denselben Verfahrensgegenstand, mithin ebenfalls die Ausstellung eines ENZ, betrifft.522 Ein früheres gerichtliches MNZ kann folglich die Ausstellung eines ENZ nach Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO sperren:523 Wurde bereits zum selben Sachverhalt ein gericht­ liches MNZ, das anerkennungsrechtlich als Entscheidung zu qualifizieren 515  Durchführungsverordnung

(EU) Nr.  1329/2014 der Kommission zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung (EU) NR. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses v. 9.12.2014, ABlEU v. 16.12.2014, L 359/30. 516  Böhringer NotBZ 2015, 281 (288); Dorsel/Schall GPR 2015, 36 (40); MüKoBGB/ Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  15; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße EuErbVO, Art.  67 Rn.  13; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.   67 Rn.   7; BeckOGK/J. Schmidt ­EuErbVO, Art.  67 Rn.  13; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  67 Nr.  2. 517  Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO ist nicht abschließend, vgl. Calvo Caravaca/Davì/ Mansel/Kreße EuErbVO, Art.  67 Rn.  6; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  8; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  67 Nr.  6. 518 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  8. 519 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  8. 520 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  5. 521 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  10. 522 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  8. 523 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.  15, 17, Art.  67 Rn.  8; Margonski ZEV 2017, 212 (213); Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  37.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

ist, erteilt und wird nun die Ausstellung eines ENZ beantragt, verhindert Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO, dass einander widersprechende Nachlasszeugnisse in Umlauf geraten.524 a) Anwendungsbereich Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO beschränkt seinen Anwendungsbereich einerseits nicht auf Entscheidungen aus einem anderen Mitgliedstaat.525 Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO ist ausweislich seines Wortlauts andererseits auch nicht auf Situationen beschränkt, in denen das ENZ mit einer Entscheidung zum selben Sachverhalt aus dem Mitgliedstaat, in dem das ENZ ausgestellt werden soll, unvereinbar ist.526 Eine nach den Art.  39 ff. ­EuErbVO anzuerkennende Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat sperrt folglich ebenfalls die Ausstellung eines ENZ.527 Ein Ausstellungshindernis i. S. d. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO besteht zudem gleichermaßen für eine nach den autonomen Anerkennungsvoraussetzungen der lex fori anzuerkennenden Entscheidung aus einem Drittstaat.528 Eine die Ausstellung eines ENZ hindernde Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO ist aufgrund des durch die EuErbVO hergestellten Gleichlaufs der internationalen Zuständigkeit bei der Ausstellung eines ENZ und bei der Ausstellung gerichtlicher MNZ grundsätzlich nur im Ausstellungsstaat des ENZ möglich. Die Ausstellung des ENZ kann in einer derartigen Konstellation nur dann erfolgen, wenn das zuvor erteilte mit dem Inhalt des ENZ unvereinbare MNZ zum gleichen Sachverhalt eingezogen wird.529 Allerdings vermag die durch die EuErbVO hergestellte Zuständigkeitskonzentration im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und im Verfahren zur Ausstellung eines gerichtlichen MNZ530 nicht auszuschließen, dass ein Gericht oder eine zur Ausstellung eines ENZ grundsätzlich berufene Stelle seine bzw. ihre Zuständigkeit zu Unrecht annimmt.531 Selbst ein nach den Art.  39 ff. EuErbVO anzuerkennendes MNZ eines nach den Art.  4 ff. EuErbVO international nicht zuständigen Gerichts sperrt die Ausstellung eines ENZ. So stellt die Verletzung des durch die EuErbVO 524 Dutta/Weber/Fornasier

IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  18. EuErbVO, Art.  67 Rn.  9. 526 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  9. 527 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  9. 528 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  9. 529  Margonski ZEV 2017, 212 (213); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  17. 530  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) dd) (1). 531 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  15. 525 MüKoBGB/Dutta

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

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hergestellten Gleichlaufs der internationalen Zuständigkeit im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und im Verfahren zur Ausstellung eines gerichtlichen MNZ gerade kein Anerkennungshindernis i. S. d. Art.  40 EuErbVO dar.532 Insbesondere kann die Verletzung der Regelungen der EuErbVO zur internationalen Zuständigkeit auch nicht als Ausprägung des verfahrensrechtlichen ordre public des Anerkennungsstaats nach Art.  40 lit.  a ­Eu­ErbVO berücksichtigt werden,533 dient die durch die EuErbVO etablierte ­weit­ge­hende Zuständigkeitskonzentration doch weniger dem Schutz individueller oder staatlicher Interessen als vielmehr einer Reduktion der Gerichtsstände.534 Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 lit.  b EuErbVO überträgt den Grundgedanken der Anerkennungshindernisse des Art.  40 lit.  c und lit.  d EuErbVO auf die Ausstellung eines ENZ.535 Ist jedoch die Verletzung der Art.  4 ff. EuErbVO bereits nicht von den Nichtanerkennungsgründen des Art.  40 EuErbVO erfasst, ist auch im Rahmen des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b ­EuErbVO anzunehmen, dass für die Sperrwirkung eines MNZ nicht maßgeblich sein kann, dass dieses von einem nach den Art.  4 ff. EuErbVO nicht zuständigen Gericht ausgestellt wurde. b) Identität des Sachverhalts und Unvereinbarkeit Sperrwirkung entfaltet ein MNZ nur dann, wenn es sich dabei um eine Entscheidung zum selben Sachverhalt wie dem durch das ENZ zu bescheinigenden handelt. Erforderlich ist daher die Identität des Sachverhalts.536 Eine solche ist anzunehmen, wenn es sich bei dem MNZ um eine Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO über die nach Art.  63 Abs.  1 EuErbVO im ENZ ausweisbare erbrechtliche Rechtsstellung handelt.537 Erforderlich ist daneben die Unvereinbarkeit des Inhalts des beantragten ENZ mit der Entscheidung.538 Unvereinbarkeit i. S. d. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO ist anzunehmen, wenn sich die Rechtsfolgen der Entscheidung und die durch das ENZ bescheinigte erbrechtliche Rechtsstellung ge532 Bereits

zu Art.  30 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  39. 533 Bereits zu Art.   30 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  39. 534 Bereits zu Art.   30 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  39. 535 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  10. 536 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  11. 537 Vgl. allgemein – ohne Bezug zu den mitgliedstaatlichen Nachlasszeugnissen – MüKo­BGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  8. 538 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  67 Rn.  12.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

genseitig ausschließen würden.539 So wäre etwa ein ENZ, das eine bestimmte Person als Alleinerben ausweist, mit einem MNZ, das als Entscheidung i. S. d. Art.  39 ff. EuErbVO qualifiziert wird und eine andere Person als ­Alleinerben ausweist, unvereinbar.540 Hingegen wäre das ENZ, das eine bestimmte Person als Vindikationslegatar oder als Testamentsvollstrecker ausweist, nicht mit einem solchen MNZ unvereinbar.541 c) Rechtsfolge Widersprechen sich MNZ und beantragtes ENZ, setzt sich ein als Entscheidung zu qualifizierendes MNZ im Ergebnis durch.542 Unerheblich ist dabei, ob die Entscheidung zwischen den Beteiligten des Verfahrens zur Ausstellung des ENZ Rechtskraft entfaltet.543 Ferner ist dabei sogar unerheblich, ob nach der Ausstellung des MNZ Umstände bekannt geworden sind, die eine Berufung hierauf im Verfahren zur Ausstellung des ENZ als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen.544 Bei einer Vorlage eines divergierenden MNZ, das als Entscheidung im anerkennungsrechtlichen Sinne der EuErbVO qualifiziert wird, vermeidet Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO den parallelen Umlauf widersprüchlicher Nachlasszeugnisse, indem dem MNZ eine Sperrwirkung zugesprochen wird. 2. Ausstellungshindernis des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO Lediglich diejenigen MNZ, die als Entscheidung i. S. d. EuErbVO zu qualifizieren sind, vermögen die Ausstellung eines ENZ dann zu sperren, wenn die nach Art.  63 Abs.  1 EuErbVO zu bescheinigende Rechtsstellung mit der durch das MNZ ausgewiesenen Rechtsstellung unvereinbar ist.545 Nichtgerichtliche MNZ vermögen dagegen die Ausstellung des ENZ nicht auf diesem Wege zu verhindern. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob und gegebenenfalls wie sich die Vorlage eines nichtgerichtlichen MNZ, das der durch das ENZ zu bescheinigenden Rechtsstellung widerspricht, im Ausstellungsverfahren auswirkt.

539 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  67 Rn.  8. Beispiel in Anlehnung an BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  12.1. 541  Beispiel in Anlehnung an BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  12.3. 542 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  8. 543 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  8; Milzer NJW 2015, 2997 (2998). 544 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  8. 545  Vgl. oben Kapitel  5 B. IV. 1. 540 

B. Mechanismen der EuErbVO zur Einschränkung einer Divergenz

235

Nach Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO stellt die Ausstellungsbehörde das ENZ nicht aus, wenn ein Berechtigter i. S. d. Art.  66 Abs.  4 EuErbVO im Ausstellungsverfahren Einwände materiell-rechtlicher Natur vorbringt.546 Die Berufung der Berechtigten unterliegt gemäß Art.  23 Abs.  2 lit.  b Var.  1 EuErbVO dem Erbstatut. Die Ausstellungsbehörde entscheidet, mangels ihr auferlegter Amtsermittlungspflichten betreffend die Ermittlung des Sachverhalts, nicht streitig über die im ENZ zu bescheinigende Rechtsstellung.547 Behauptet folglich ein Berechtigter, dass er eine dem beantragten ENZ widersprechende Rechtsstellung innehat, ist ein Ausstellungshindernis i. S. d. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO anzunehmen. Um den effet utile des ENZ zu wahren, ist Art.  67 Abs.  2 UAbs.  2 lit.  a EuErbVO ob seiner weitreichenden Konsequenzen indes bereits auf unionsrechtlicher Ebene insoweit zu ­einschränkend auszulegen, als „missbräuchliche Einwände, die bloß der Verfahrensverschleppung dienen sollen“ im Ausstellungsverfahren keine Beachtung finden können.548 Der Ratio des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  a ­EuErbVO, die Ausstellung eines unrichtigen ENZ zu vermeiden, wird hinreichend Genüge getan, auch wenn die Ausstellungsstelle derartige missbräuchliche Einwände übergehen darf.549

V. Résumé Die Mechanismen der EuErbVO reichen nicht aus, um divergierende Nachlasszeugnisse zu verhindern.550 Zwar unterliegen die Erbfolge und Nachlassbeteiligung sowohl für das ENZ als auch für die MNZ demselben Erbstatut. Allerdings erreichen die Regelungen der EuErbVO allein durch die Vereinheitlichung der erbrechtlichen Kollisionsnormen nicht, dass in den Mitgliedstaaten in einem konkreten Erbfall einheitliche Nachlasszeugnisse ausgestellt würden.551 So hängt die Beurteilung der erbrechtlichen Rechtslage mitunter von einem präjudiziellen Rechtsverhältnis bzw. einer nicht erbrechtlich zu qualifizierenden Vorfrage ab oder der Ausstellungs546 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  67 Rn.  5. EuErbVO, Art.  67 Rn.  6. 548  Kleinschmidt, FS Lindacher 2017, 165 (173); a. A.: MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  6, der diese Frage dem mitgliedstaatlichen Verfahrensrecht der jeweiligen Ausstellungsbehörde überlassen möchte. 549  Kleinschmidt, FS Lindacher 2017, 165 (173). 550 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.   15; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  14 ff., Rn.  20 f. 551 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  75 Rn.  4; Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309); Wurmnest/Wössner ZVglRWiss 118 (2019), 449 (451). 547 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

staat eines der Nachlasszeugnisse ist an vorrangige Kollisionsregeln eines Übereinkommens i. S. d. Art.  75 EuErbVO gebunden. Das Risiko kollidierender Nachlasszeugnisse ist auch nach der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Oberle nicht gänzlich ausgemerzt. Einerseits besteht die Gefahr, dass Ausstellungsbehörden unterschiedlicher Mitgliedstaaten den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes jeweils im eigenen Staatsgebiet sehen und sich daher jeweils für international zuständig halten.552 Andererseits sind lediglich die Ausstellungsstellen gerichtlicher MNZ an die Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO gebunden.553 Relativiert wird das Risiko divergierender Nachlasszeugnisse jedoch durch – die gebotene unions- und verordnungsautonome Auslegung des Begriffs des letzten gewöhnlichen Aufenthalts dahingehend, dass der Erblasser im relevanten Zeitpunkt lediglich einen oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann (nicht aber mehrere),554 sowie – die Regelungen der EuErbVO zur Auflösung von Kompetenzkonflikten.555 Es ist im Anwendungsbereich der EuErbVO allerdings doch vorhanden – der EuErbVO geradezu immanent.

C. Keine Mechanismen zur Vermeidung einer Divergenz auf mitgliedstaatlicher Ebene Die Ausstellung und das Bestehen eines ENZ kann allenfalls auf Grundlage des autonomen mitgliedstaatlichen Rechts Konsequenzen für die MNZ des betreffenden Mitgliedstaats haben, sofern dieser Mitgliedstaat im Rahmen der Durchführungsgesetzgebung entsprechende Regelungen schafft.556 Das deutsche IntErbRVG sieht derartige Auswirkungen nicht vor.557

552 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  62 Rn.  15; Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (314). EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  68. 554 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  41; Civ. 1re, 29. Mai 2019, n°  18-13.383; AG Altenkirchen FamRZ 2019, 1824 (1825); Dörner ZEV 2012, 505 (510); Mankowski IPRax 2015, 39 (45); Mankowski ErbR 2020, 715 (717); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  4 Rn.  20. 555  Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (314). 556 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  10. 557 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  10. 553 

C. Keine Mechanismen zur Vermeidung einer Divergenz

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Gleiches gilt für die französische Durchführungsgesetzgebung. Mit Dekret Nr.  2015-1395 vom 2. November 2015558 wurden zur Anpassung des französischen Rechts an die Vorschriften der EuErbVO verschiedene Bestimmungen des CPC geändert bzw. neu geschaffen.559 Insbesondere wurde aufgrund Art.  5 des Dekrets im CPC ein neuer Abschnitt VIII (Art.  1381-1 bis Art.  1381-4) eingefügt, der das ENZ betrifft.560 Art.  1381-1 CPC bestimmt, dass das ENZ auf Antrag jedes Erben, Vindikationslegatars, Testamentsvollstreckers oder Nachlassverwalters von einem Notar nach dem in Art.  65 EuErbVO bis Art.  67 EuErbVO vorgesehenen Verfahren ausgestellt wird.561 Art.  1381-4 CPC betrifft die nach Art.  72 EuErbVO vorgesehenen Rechtsbehelfe.562 Art.  1381-2 Abs.  1 und Abs.  3 CPC563 regeln das Verfahren zur Ausstellung beglaubigter Abschriften des ENZ und die Pflicht der Ausstellungsbehörde zur Aufbewahrung der Urschrift des ENZ entsprechend Art.  70 Abs.  1 EuErbVO.564 Die beglaubigte Abschrift wird dem Antragsteller und jeder Person die ein berechtigtes Interesse nachweist, gegen émargement oder récépissé ausgehändigt oder ihnen per Einschreiben mit Rückschein zugestellt (vgl. Art.  1381-2 Abs.  1 CPC). Art.  1381-2 Abs.  2 CPC565 geht im Ausgangspunkt von Art.  71 Abs.  3 EuErbVO aus, indem er vorsieht, dass der ausstellende Notar allen Personen, denen beglaubigte Abschriften des ENZ ausgestellt wurden, über eine rectification d’erreur matérielle (Berichtigung) oder eine modification (Änderung) unterrichtet. Anders als Art.  71 558 

Décret n°  2015-1395 du 2 novembre 2015 portant diverses dispositions d’adaption au droit de l’Union européenne en matière de successions transfrontalières, JORF n°  0256 du 4 novembre 2015. 559  V. Avena-Robardet/A. Boiché AJ fam. 2015, 563; Defrénois N°9 (2016), 482; C.  Nou­rissat Defrénois 3 (2016), 134 (138 f.). 560  V. Avena-Robardet/A. Boiché AJ fam. 2015, 563; Defrénois N°9 (2016), 482. 561  „Le certificat successoral européen (…) est délivrée à la demande de tout héritier, légataire, exécuteur testamentaire ou administrateur de la succession par un notaire conformément à la procédure définie par les articles 65 à 67 de ce règlement“. 562  V. Avena-Robardet/A. Boiché AJ fam. 2015, 563; Defrénois N°9 (2016), 482 (483). 563  Art.  1381-2 Abs.  1 CPC lautet: „Une copie certifiée conforme du certificat successoral européen est remise au requérant et à toute personne justifiant d’un intérêt légitime contre émargement ou récépissé, ou leur est notifiée par lettre recommandée avec demande d’avis de réception.“; Art.  1381-2 Abs.  3 CPC lautet: „Le notaire est tenu d’assurer la conservation du certificat successoral européen qu’il a délivré“. 564  V. Avena-Robardet/A. Boiché AJ fam. 2015, 563. 565  Art.  1381-2 Abs.  2 CPC lautet: „En cas de rectification d’erreur matérielle ou de modification d’un certificat successoral européen, une copie certifiée conforme du certificat rectifié ou modifié est remise ou notifiée à toutes les personnes qui se sont vues délivrer une copie du certificat initial“.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Abs.  3 EuErbVO sieht das französische Verfahrensrecht ferner die Möglichkeit vor, dass anstelle der Unterrichtung die Ausstellung einer berichtigten Abschrift des berichtigten oder geänderten ENZ möglich ist (vgl. Art.  13812 Abs.  2 CPC [„une copie certifiée conforme du certificat rectifié ou modifié est remise ou notifiée à toutes les personnes qui se sont vues délivrer une copie du certificat initial“]). Die Unterrichtungspflicht des Notars im Falle eines Widerrufs des ENZ oder der Aussetzung der Wirkungen des ENZ ist indes in Art.  1381-3 Abs.  2 CPC geregelt,566 der insoweit Art.  71 Abs.  3 ­EuErbVO bzw. Art.  73 Abs.  2 UAbs.  1 Alt.  1 EuErbVO entspricht. Der Notar teilt den betroffenen Personen die Gründe für seine Entscheidung mit und weist auf die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel hin (vgl. Art.  13813 Abs.  3 CPC.567). Art.  1381-3 Abs.  2 CPC regelt ferner eine Unterrichtungspflicht des französischen Notars, wenn er die Berichtigung, die Änderung, den Widerruf oder die Wirkungsaussetzung ablehnt. Eine solche Unterrichtungspflicht sieht die EuErbVO indes nicht vor. Art.  1381-3 Abs.  1 CPC sieht darüber hinaus vor, dass der Notar im Falle der Ablehnung der Ausstellung eines ENZ, den Antragsteller per Einschreiben mit Rückschein hierüber informiert.568 Auch im Falle der Ablehnung der Ausstellung eines ENZ, oder der Ablehnung der Berichtigung, Änderung oder des Widerrufs oder der Wirkungsaussetzung teilt der Notar den betroffenen Personen die Gründe für seine Entscheidung mit und weist auf die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel hin (vgl. Art.  1381-3 Abs.  3 CPC). Die mit Dekret Nr.  2015-1395 vom 2. November 2015 geänderten Bestimmungen des Art.  509-1 bis Art.  509-3, Art.  509-6 CPC betreffen die Regelungen des Art.   ­ 45 bis 58 EuErbVO, Art.   59 EuErbVO, Art.   60 ­EuErbVO, Art.  61 EuErbVO, damit die reconnaissance transfrontalière, was die Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen, die Annahme öffentlicher Urkunden, deren Vollstreckbarkeit und die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Vergleiche umfasst.569

566  Art.  1381-3 Abs.  2 CPC lautet: „En cas de retrait du certificat successoral européen, de suspension de ses effets (…) le notaire informe, (…) les personnes qui se sont vues délivrer une copie certifiée conforme du certificat initial“. 567  Art.  1381-3 Abs.  3 CPC lautet: „Le notaire informe les intéressés des motifs de sa décision et indique les voies de recours“. 568  Art.  1381-3 Abs.  1 CPC lautet: „En cas de refus de délivrer un certificat successoral européen, le notaire informe le demandeur par lettre recommandée avec demande d’avis de réception“. 569  V. Avena-Robardet/A. Boiché AJ fam. 2015, 563; Defrénois N°9 (2016), 482.

D. Konstellationen einer Kollision

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Totum pro parte bedeutet dies, dass auch das französische Verfahrensrecht keine Mechanismen zur Vermeidung einer Divergenz zwischen ENZ und dem französischen acte de notoriété vorsieht. Die Art.  1381-1 CPC bis Art.  1381-4 CPC gestalten lediglich die europäischen Verfahrensvorschriften betreffend das ENZ und dessen beglaubigte Abschriften auf mitgliedstaatlicher Ebene näher aus.

D. Konstellationen einer Kollision Die Möglichkeit eines potenziellen Konflikts zwischen ENZ und einem MNZ besteht zunächst in dem Mitgliedstaat, in dem sowohl das europäische als auch das nationale Nachlasszeugnis ausgestellt werden. Anzunehmen ist etwa der Fall eines Erben, der seine Erbenstellung in einem Mitgliedstaat durch ein MNZ nachweisen möchte. Ist dieser Erbe überzeugt davon, dass kein Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug vorliegt, wird er die Ausstellung eines nationalen Nachlasszeugnisses ersuchen. Stellt dieser Erbe später jedoch fest, dass sich Nachlassvermögen auch in einem anderen Mitgliedstaat befindet, steht ihm die Möglichkeit offen, ein ENZ zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat zu beantragen. Im Zeitpunkt der Ausstellung eines ENZ, das seine Wirkungen nach Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO nicht nur im Verwendungsmitgliedstaat, sondern auch im Ausstellungsmitgliedstaat entfaltet, ist dann in ein und demselben Mitgliedstaat sowohl ein europäisches als auch ein nationales Nachlasszeugnis im Umlauf. Dies bedeutet indes nicht zwangsläufig auch eine Kollision zwischen ENZ und dem MNZ des Ausstellungsstaats. Decken sich ENZ und MNZ inhaltlich und hinsichtlich ihrer Wirkungen, kommt es gerade zu keiner Kollision der Nachlasszeugnisse.570 Gleiches gilt für den Fall, dass eines der Nachlasszeugnisse inhaltlich präziser ist und/oder in seinen Wirkungen weiterreicht.571 In dieser Situation kann schlichtweg der Nachweis einer erbrechtlichen Berechtigung mit dem weiterreichenden und/oder präziseren Nachlasszeugnis entsprechend umfassender und/oder genauer geführt werden.572 Eine Kollision des ENZ mit einem nationalen Nachlasszeugnis des Ausstellungsstaats ist jedoch nicht ausgeschlossen. Zu divergierenden Nachlasszeugnissen und damit einer Kollision kommt es in erster Linie, wenn unterschiedliche Ausstellungsstellen Nachlasszeugnisse ausstellen und dabei die 570 

NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  34. NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  34. 572  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  34. 571 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

maßgebliche Erbrechtslage unterschiedlich beurteilen.573 So können auch innerhalb ein und demselben Mitgliedstaat mehrere örtliche oder sachliche Zuständigkeiten bestehen.574 Möglich erscheint auch, dass verschiedene Ausstellungsstellen desselben Mitgliedstaats sukzessive in der Sache unterschiedlich über Anträge auf Ausstellung eines MNZ und eines ENZ entscheiden.575 Vorstehende Ausführungen beanspruchen jedoch nicht allein Geltung bei einer Koexistenz von ENZ und einem MNZ des Ausstellungsmitgliedstaats. Trotz Konzentration der Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ und der Zuständigkeit für die gerichtliche Ausstellung von MNZ auf denselben Mitgliedstaat, können die Gerichte unterschiedlicher Mitgliedstaaten jedenfalls faktisch eine internationale Zuständigkeit annehmen.576 Selbst wenn ein ENZ oder ein MNZ von einer international nicht zuständigen gerichtlichen Ausstellungsstelle ausgestellt wurde, die jedoch grundsätzlich Ausstellungsbehörde i. S. d. EuErbVO ist, so entfaltet das entsprechende Nachlasszeugnis dennoch seine Wirkungen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr.577 Im Übrigen sind freilich die nichtgerichtlichen Stellen, die bei der Ausstellung eines MNZ keine gerichtlichen Funktionen ausüben, nicht an die Art.  4 ff. EuErbVO gebunden.578

I. Interne Divergenz Die EuErbVO regelt lediglich die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ.579 Die Festlegung der funktional, sachlich und örtlich zuständigen Ausstellungsbehörde ist Sache des jeweiligen Mitgliedstaats (vgl. Art.  64 S.  2 EuErbVO). Es muss sich jedoch um ein Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO, Art.  64 S.  2 lit.  a EuErbVO, oder um eine andere Behörde, die nach innerstaatlichem Recht für Erbsachen zuständig ist (Art.  64 S.  2 lit.  b EuErbVO) handeln. Eine derartige Behörde i. S. d. Art.  64 573 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  62 Rn.  15. EuErbVO, Art.  62 Rn.  15. 575 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  15. 576 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  15. 577  Betreffend das ENZ einer unzuständigen Ausstellungsbehörde vgl. etwa MüKo­ BGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   5; die Verletzung der Regelungen der Art.   4 ff. ­Eu­ErbVO findet auch im Rahmen des Art.  40 lit.  a EuErbVO keine Berücksichtigung, vgl. bereits zu Art.  30 EuErbVO-E Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EGErb­VO-E Rn.  39. 578  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  68. 579 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  64 Rn.  1. 574 MüKoBGB/Dutta

D. Konstellationen einer Kollision

241

S.  2 ­EuErbVO können insbesondere auch Notare sein, sofern diese nicht bereits dem Gerichtsbegriff unterfallen.580 1. ENZ und acte de notoriété In Frankreich sind die Notare für die Ausstellung eines ENZ zuständig (vgl. Art.  1381-1 CPC581).582 Bei der Ausstellung eines ENZ wird der französische Notar als Organ der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgrund einer Be­ fugnisübertragung auf Grundlage des Art.  78 Abs.  1 UAbs.  1 lit.  c EuErbVO tätig und übt insoweit gerichtliche Funktion aus.583 Auf Antrag eines Erben, Vermächtnisnehmers, Testamentsvollstreckers oder Nachlassverwalters wird das ENZ von einem Notar gemäß dem in den Art.  65 EuErbVO bis Art.  67 EuErbVO vorgesehenen Verfahren ausgestellt (vgl. Art.  1381-1 CPC). Für die Ausstellung eines acte de notoriété sind die französischen Notare ausschließlich zuständig (vgl. Art.  730-1 Abs.  1 C. civ.584). Die Zuständigkeit des Notars ist weder durch eine Residenzpflicht noch durch eine örtliche Beurkundungszuständigkeit eingeschränkt, vielmehr kann jeder französische Notar im ganzen französischen Territorium tätig werden.585 Die Zuständigkeit nach den nationalen règles de compétence betreffend die Zuständigkeit der Notare im Rahmen der Nachlassabwicklung ist anders als die Zuständigkeit der Gerichte keine solche ratione loci.586 Vielmehr sind die règles de compétence hinsichtlich der Erstellung der Urschrift (minute) eines acte authentique (i. S. d. autonomen französischen Rechts) in Art.  61 RIN587 (règlement inter-cours des notaires) des französischen Conseil Supéri­ 580 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  64 Rn.  7. Art.  1381-1 CPC lautet: „Le certificat successoral européen […] est délivré a la demande de tout héritier, légataire, exécuteur testamentaire ou administrateur de la succession par un notaire conformément à la procédure définie par les articles 65 à 67 de ce règlement“. 582  I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.  3); E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (dort. Fn.  5); Péroz/Fongaro, Droit international privé patrimonial de la famille, Nr.  901; Stade in DACH, EuErbVO, 161 (180 f.). 583  E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.2.1.); E. Jacoby JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  12 f.). 584  V. Égéa in Guinchard et al., Répertoire de procédure civile, Succession, Nr.   85; J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  10; Pérès/Vernières, Successions, Nr.  131. 585  M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221(Nr.  10); Gresser MittBayNot 1990, 7 (9); S. Schmitz MittRhNotK 1999, 304 (304 f.). 586  E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.2.3). 587  Règlement national, règlement inter-cours du Conseil Supérieur du Notariat approuvé par arrête de Madame la Garde des Sceaux, Ministre de la justice en date du 22 mai 2018 (J.O. du 25 mai 2018); abrufbar unter: https://de.calameo.com/read/005125198a235 152cd9a7?page=1 (zuletzt abgerufen am 24.3.2022). 581 

242

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

eur du Notariat geregelt. Werden mehrere Notare mit der Nachlassabwicklung betraut, gilt nach Art.  61 Abs.  1 RIN588 folgende Rangordnung: Primär ist der Notar, den der conjoint survivant gewählt hat oder der Notar, den der partenaire pacsé in Ermangelung eines héritier réservataire gewählt hat, zuständig. Ist dies nicht der Fall, ist dem von den héritiers réservatoires gewählten Notar Vorzug zu gewähren. Ist auch dies nicht der Fall, dem von den légataires universels gewählten Notar und zuletzt dem von den héritiers non réservataires. Bei Ranggleichheit mehrerer Notare hat der Notar Vorrang, der „le plus fort intérêt“ vertritt (vgl. Art.  61 Abs.  2 RIN). Demgegenüber verschreibe sich der französische Notar, der ein ENZ ausstellt, gerade nicht den o. g. jeweiligen Interessen, sondern werde vielmehr allein auf Antrag des/der Berechtigten tätig.589 Daher wird im französischen Schrifttum vertreten, dass die örtliche Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ nach dem Vorbild der EuErbVO an die Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit der französischen Gerichte anzugleichen sei.590 Für den Fall, dass im Zuständigkeitsbereich des ratione loci zuständigen Gerichts, d. h. des Gerichts am Ort der ouverture de la succession (Ort des Eintritts des Erbfalls) mehrere Notariate eingerichtet sind, solle der Grundsatz der zeitlichen Priorität eingreifen, sodass der Notar, bei dem der Antrag auf Ausstellung eines ENZ als erstes gestellt wurde, ausschließlich für die Ausstellung des ENZ zuständig wäre.591 Teilweise wird eine solche prior temporis Regelung für den Fall, dass mehrere französische Notare mit der Ausstellung eines ENZ betraut wurden, aus dem RIN geschlossen.592 Dem Prioritätsgrundsatz zur Geltung verhelfen und damit die Gefahr konkurrierender Anträge beseitigen, könne die Aufführung von Anträgen auf Ausstellung 588 

Art.  61 règlement intercours lautet: „Si plusieurs notaires sont chargés du règlement d’une succession, la préférence leur est dévolue dans l’ordre suivant: 1 – Au notaire choisi par le conjoint survivant qui n’a pas été privé de tous droits successoraux, ou celui choisi par le partenaire pacsé venant à la succession en l’absence d’héritier réservataire. 2 – Au notaire choisi par les héritiers réservataires. 3 – Au notaire choisi par les légataires universels. 4 – Au notaire choisi par les héritiers non réservataires [Abs.  1]. A égalité de rang, le notaire représentant le plus fort intérêt prévaudra, par application de l’article 60.1.2 ci-dessus [Abs.  2]. Si le notaire attributaire du dossier s’en trouve déchargé ou dessaisi en cours de règlement, le dossier est dévolu et remis au notaire nouvellement désigné [Abs.  3]. La cession totale de droits successifs fait perdre au notaire du cédant le rang qu’il tenait du chef de l’ayant-droit qu’il représentait et ce, à compter du jour de la cession [Abs.  4]. Le choix du notaire d’un héritier (ou d’un légataire) mineur ou sous tutelle appartient à son représentant légal [Abs.  5]“. 589  E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.2.3.). 590  E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.2.3.). 591  E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.2.3.). 592  C. Nourissat Defrénois 3 (2016), 134 (139).

D. Konstellationen einer Kollision

243

eines ENZ im vom französischen Notariat geführten registre des dispositions de dernières volontés.593 Indes scheinen die règles de compétence des RIN die Konkurrenzsituation bei einem Antrag auf Ausstellung eines acte de notoriété und einem parallelen Antrag auf Ausstellung eines ENZ bei einem anderen Notar weder zu berücksichtigen, geschweige denn eine Regelung zu deren Auflösung bereitzustellen. Werden ENZ und acte de notoriété von ein- und demselben Notar ausgestellt, ist eine Kollision der Nachlasszeugnisse denkbar unwahrscheinlich.594 Dagegen besteht das Risiko einer Kollision, wenn ein ENZ von einem Notar ausgestellt wird, der keine Kenntnis von der Existenz eines früheren acte de notoriété hat.595 Gleiches gilt freilich auch im umgekehrten Fall. 2. ENZ und Erbschein bzw. Testamentsvollstreckerzeugnis a) ENZ Für die Ausstellung des ENZ ist sachlich ausschließlich das Amtsgericht als Nachlassgericht zuständig (vgl. §  34 Abs.  4 S.  1 und S.  2 IntErbRVG). Bis zum 31.12.2017 waren gemäß Art.  147 EGBGB i. V. m. §  1 Abs.  2 BWLFGG a. F., Art.  38 BWLFGG a. F. in Baden-Württemberg die staatlichen Notariate Nachlassgericht; sie waren sachlich ausschließlich zuständig nach §  34 Abs.  4 S.  3 IntErbRVG. Sofern die Verfahrensparteien eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines bestimmten deutschen Gerichts getroffen haben, ist dieses Gericht örtlich ausschließlich zuständig (vgl. §  34 Abs.  1 IntErbRVG).596 Das angeru­ fene Gericht, dessen Zuständigkeit die Verfahrensparteien ausdrücklich anerkannt haben, ist im Falle des Art.  7 lit.  c EuErbVO ausschließlich örtlich zuständig (vgl. §  34 Abs.  2 IntErbRVG). Für alle sonstigen Fälle gilt §  34 Abs.  3 IntErbRVG. Örtlich ausschließlich zuständig ist nach der Grund­regel des S.  1 das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland, so ist das Gericht örtlich ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (vgl. §  34 Abs.  3 S.  2 IntErbRVG). 593 

E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.2.3.). P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, ­Règlement successions, Nr.  228. 595  P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, ­Règlement successions, Nr.  228. 596 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  64 Rn.  13. 594 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Hatte der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin örtlich ausschließlich zuständig (vgl. §  34 Abs.  3 S.  3 IntErbRVG). Dieses kann die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht verweisen (vgl. §  34 Abs.  3 S.  4 IntErbRVG). Funktional ist der Rechtspfleger zuständig (vgl. §  3 Nr.  2 lit.  i RPflG). Liegt jedoch eine Verfügung von Todes wegen vor oder kommt die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht, ist der Richter gemäß §  16 Abs.  2 RPflG funktional zuständig. Dieser kann die Erteilung jedoch dem Rechtspfleger übertragen, wenn trotz Vorliegens einer Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge maßgeblich ist und deutsches Erbrecht anzuwenden ist (vgl. §  16 Abs.  3 S.  1 RPflG). b) Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis Für die Ausstellung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses ist sachlich ausschließlich das Amtsgericht als Nachlassgericht zuständig (vgl. §  23a Abs.  1 S.  1 Nr.  2, Abs.  2 Nr.  2 Alt.  1 GVG, §  342 Abs.  1 Nr.  6 FamFG). §  47 IntErbRVG ordnet i. V. m. §  2 IntErbRVG und §  343 FamFG einen weitgehenden Gleichlauf der örtlichen Zuständigkeit im Verfahren zur Ausstellung des ENZ und im Erbscheinsverfahren an.597 §  47 IntErbRVG regelt die örtliche Zuständigkeit in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit und ergänzt damit §  2 IntErbRVG.598 §  2 IntErbRVG ist aufgrund seiner systematischen Stellung im zweiten Abschnitt („Bürgerliche Streitigkeiten“) des IntErbRVG allein auf bürgerliche Streitigkeiten anzuwenden.599 §  47 IntErbRVG erfüllt Auffangfunktion,600 sodass der Begriff der „Angele­ genheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ sämtliche Verfahren erfasst, die keine bürgerlichen Streitigkeiten i. S. d. §  2 IntErbRVG sind und damit weit auszulegen ist.601 Soweit jedoch speziellere Regelungen des IntErbRVG bestehen, sind diese vorrangig anzuwenden.602 Ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art.  7 EuErbVO, gelten die Regelungen des §  2 Abs.  1 bis Abs.  3 IntErbRVG entsprechend (vgl. §  47 Nr.  1 IntErbRVG). Haben die Verfahrensparteien eine 597 

Kleinschmidt jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  52. IntErbRVG, §  47 Rn.  1; O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  7. 599 NK-NachfolgeR/Köhler IntErbRVG, §  47 Rn.  1. 600  O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  22; MüKoFamFG/Rauscher IntErb­ RVG, §  47 Rn.  1. 601 NK-NachfolgeR/Köhler IntErbRVG, §  47 Rn.  1 f. 602 NK-NachfolgeR/Köhler IntErbRVG, §  47 Rn.  2. 598 NK-NachfolgeR/Köhler

D. Konstellationen einer Kollision

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Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines bestimmten deutschen Gerichts getroffen, ist dieses Gericht örtlich ausschließlich zuständig (vgl. §  2 Abs.  1 IntErbRVG).603 Das angerufene Gericht, dessen Zuständigkeit die Verfahrensparteien ausdrücklich i. S. d. Art.  7 lit.  c EuErbVO anerkannt haben, ist örtlich ausschließlich zuständig (vgl. §  2 Abs.  2 IntErbRVG).604 Ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus einer rügelosen Einlassung i. S. d. Art.  9 EuErbVO, folgt die örtliche Zuständigkeit des deutschen Gerichts aus §  2 Abs.  3 IntErbRVG.605 Nach dieser Bestimmung bleibt das Gericht weiterhin örtlich ausschließlich zuständig, das seine örtliche Zuständigkeit nach §  2 Abs.  1 oder Abs.  2 IntErbRVG ausübt.606 Für alle sonstigen Fälle, in denen sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht aus Art.  7 EuErbVO ergibt, sind die Vorschriften der §§  343 f. FamFG entsprechend heranzuziehen (vgl. §  47 Nr.  2 IntErbRVG). Örtlich ausschließlich zuständig ist nach der Grundregel des §  343 Abs.  1 FamFG das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte der Erb­ lasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland, so ist das Gericht örtlich ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (vgl. §  343 Abs.  2 ­FamFG). Hatte der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin örtlich ausschließlich zuständig (vgl. §  343 Abs.  3 S.  1 IntErbRVG). Dieses kann die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht verweisen (vgl. §  343 Abs.  3 S.  2 IntErbRVG). Funktional zuständig ist der Rechtspfleger nach §  3 Nr.  2 lit.  c RPflG. Liegt jedoch eine Verfügung von Todes wegen vor oder kommt die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht, ist der Richter gemäß §  16 Abs.  1 Nr.  6 RPflG funktional zuständig. Dieser kann die Erteilung jedoch dem Rechtspfleger übertragen, wenn trotz Vorliegens einer Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge maßgeblich ist und deutsches Erbrecht anzuwenden ist (vgl. §  16 Abs.  3 S.  1 RPflG).

603 NK-NachfolgeR/Köhler

IntErbRVG, §  2 Rn.  3. IntErbRVG, §  2 Rn.  4. 605 NK-NachfolgeR/Köhler IntErbRVG, §  2 Rn.  5. 606 NK-NachfolgeR/Köhler IntErbRVG, §  2 Rn.  5. 604 NK-NachfolgeR/Köhler

246

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

3. Résumé Zwischen §  34 IntErbRVG, der das Verfahren zur Ausstellung eines ENZ betrifft und §§  47 Nr.  1, Nr.  2 IntErbRVG, der für das deutsche Erbscheinsverfahren maßgeblich ist, besteht hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit ein weitgehender Gleichlauf,607 sodass inhaltliche Divergenzen zwischen ENZ und deutschem Erbschein in Deutschland weitestgehend vermieden werden.608

II. Grenzüberschreitende Divergenz 1. ENZ und nichtgerichtliche Nachlasszeugnisse des Verwendungsmitgliedstaats Die Art.  4 ff. EuErbVO führen bei einem grenzüberschreitenden Erbfall nur im Falle von MNZ, die von einem Gericht i. S. d. EuErbVO ausgestellt werden, zu einer Konzentration der Zuständigkeit zur Ausstellung eines MNZ und eines ENZ auf einen Mitgliedstaat.609 Indes sind die bei der Ausstellung eines MNZ nicht als Gericht i. S. d. EuErbVO zu qualifizierenden Stellen an das Zuständigkeitsregime der Art.  4 ff. EuErbVO nicht gebunden.610 Damit besteht die Möglichkeit, dass neben der nach Art.  64 ­EuErbVO i. V. m. Art.  4 ff. EuErbVO für die Ausstellung eines ENZ zuständigen Stelle weitere nach mitgliedstaatlichem Recht zur Ausstellung von MNZ berufene Behörden oder Angehörige von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen, die keine gerichtlichen Funktionen ausüben, tätig werden. Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ und der Zuständigkeit für die Ausstellung nichtgerichtlicher MNZ wird demnach durch die ­EuErbVO gerade kein Gleichlauf hergestellt, der das Risiko inhaltlicher Divergenzen abzumildern vermag. 2. Abweichende Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers a) ENZ und gerichtliche Nachlasszeugnisse des Verwendungsmitgliedstaats Die EuErbVO regelt auch die Zuständigkeit für die gerichtliche Ausstellung von MNZ, was zu einem Gleichlauf der Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ und den gerichtlichen MNZ führt und damit das Risiko inhalt­ 607 

Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (310, dort Fn.  24). Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (310). 609  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59. 610  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  68. 608 

D. Konstellationen einer Kollision

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licher Abweichungen vermindert.611 Ein Nebeneinander von ENZ und den gerichtlichen Nachlasszeugnissen des Verwendungsmitgliedstaats kommt allein aufgrund eines Verstoßes gegen die Zuständigkeitsregelungen der Art.  4 ff. EuErbVO in Betracht.612 Gleiches gilt angesichts der Zuständigkeitskonzentration für die Ausstellung des ENZ auf einen Mitgliedstaat für ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten. b) ENZ und grenzüberschreitend zirkulierende Entscheidungen oder öffentliche Urkunden im Ausstellungsstaat des ENZ aa) Differenzierung zwischen Entscheidungen und öffentlichen Urkunden Bei einem nach den Art.  39 ff. EuErbVO anzuerkennenden gerichtlichen MNZ ist das Ausstellungshindernis des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO ebenfalls zu beachten, sodass ein als Entscheidung zu qualifizierendes MNZ die Ausstellung eines hiermit unvereinbaren ENZ sperrt.613 Bei der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung besteht jedoch die Möglichkeit, dass Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO fehlschlägt, etwa weil keine Kenntnis der Ausstellungsbehörde von der Entscheidung bestand. Folglich können ENZ und ein MNZ, das als Entscheidung i. S. d. EuErbVO zu qualifizieren ist, grundsätzlich aufgrund der Art.  39 ff. EuErbVO im Ausstellungsstaat des ENZ zusammentreffen. Freilich kommt eine derartige Konstellation ebenfalls nur aufgrund eines Verstoßes gegen das Zuständigkeitsregime der EuErbVO in Betracht. Hinsichtlich MNZ, die nicht als Entscheidung, sondern als öffentliche Urkunde nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO grenzüberschreitend angenommen werden, ist zu differenzieren: Gerichtliche MNZ, die nicht zugleich Entscheidung i. S. d. EuErbVO sind, können im Ausstellungsstaat des ENZ nur neben dieses treten, wenn entweder die Ausstellungsbehörde des ENZ oder das Ausstellungsgericht des MNZ seine internationale Zuständigkeit nach der EuErbVO zu Unrecht angenommen hat. Die nichtgerichtlichen Ausstellungsstellen derjenigen MNZ, die lediglich der Annahme des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO unterliegen, unterliegen dagegen den Art.  4 ff. EuErbVO nicht.614

611 

J. Schmidt ZEV 2014, 389 (390 f.). Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  52. 613 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  9. 614  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  68. 612 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

bb) Grenzüberschreitende Zirkulation der exemplarisch betrachteten MNZ  – Einordnung der deutschen bzw. französischen MNZ als Entscheidung bzw. öffentliche Urkunde (1) Deutsche Nachlasszeugnisse (a) Erbschein (aa) Subsumtion unter Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO Der Erbschein stellt zunächst eine schriftlich verkörperte Urkunde dar, mithin ein Schriftstück i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO. Es handelt sich zudem um ein Schriftstück „in Erbsachen“. Der Erbschein unterfällt dem Anwendungsbereich des Art.  1 EuErbVO.615 So bezeugt der Erbschein die Erbfolge und die auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergangenen Rechte und Pflichten, gibt er doch die Person des Erben und ge­ gebenenfalls bestehende Verfügungsbeschränkungen an.616 Der Erbschein bezeugt folglich die „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ i. S. d. Art.  1, 3 Abs.  1 lit.  a EuErbVO, die als jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen verstanden wird, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge. Die Erteilung des Erbscheins obliegt dem zuständigen deutschen Nachlassgericht (vgl. §§  2353 BGB, 342 ff. FamFG). Das Nachlassgericht stellt dabei eine mitgliedstaatliche hoheitliche Autorität dar, die dem Erbschein eine besondere Beweiskraft verleiht.617 Der Erbschein wird daher i. S. d. EuErbVO „in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet“.618 Die Authentizität des Erbscheins bezieht sich auf die Unterschrift und den Inhalt der Urkunde und wird durch eine hierzu ermächtigte Stelle ausgestellt i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO. Als öffentliche Urkunde i. S. d. §  417 ZPO erbringt der Erbschein den vollen Beweis seines Inhalts, d. h. dass der Erbschein tatsächlich, mit dem Inhalt, der sich aus der Urkunde ergibt und unter den in der Urkunde angegebenen Umständen ergangen ist.619 Der Erbschein genügt folglich den Anforderungen des Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  ii 615 

Allgemein zu MNZ: EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  30 f.; Kleinschmidt IPRax 2020, 308; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (749, 768); MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (701); J. Schmidt ZEV 2014, 389 (390) Vollmer ZErb 2012, 227 (230); Volmer ZEV 2014, 129 (130 ff.); Wagner/Scholz FamRZ 2014, 714 (715). 616 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2353 Rn.  23 ff.; Rn.  35. 617  C. Schmitz, Annahme, 96. 618  C. Schmitz, Annahme, 96. 619 BeckOK/Krafka ZPO, §  417 Rn.  5.

D. Konstellationen einer Kollision

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EuErbVO. Die Authentizität des Erbscheins liegt zudem in dem Umstand begründet, dass er vom Nachlassgericht als hoheitlicher Autorität erteilt wird.620 Das deutsche Nachlassgericht übernimmt Verantwortung sowohl für den Inhalt als auch die äußeren Tatsachen der Urkunde.621 Der Erbschein stellt in der Konsequenz eine öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO dar. Er vermag folglich jedenfalls nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO grenzüberschreitend in den Mitgliedstaaten der EuErbVO zu zirkulieren. Die formelle Beweiskraft für deutsche öffentliche Urkunden richtet sich in diesem Zusammenhang gemäß Art.  59 Abs.  1 EuErbVO grundsätzlich nach §§  415, 416a ff. ZPO.622 (bb) Subsumtion unter Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO Zur Erteilung des Erbscheins ist das Amtsgericht (vgl. §  23a Abs.  1 Nr.  2, Abs.  2 Nr.  2 GVG i. V. m. §  342 Abs.  1 Nr.  6 FamFG) als Nachlassgericht (vgl. §  2353 BGB) sachlich zuständig.623 Die deutschen Nachlassgerichte sind auf gesetzlicher Grundlage eingerichtete staatliche Gerichte, die einen ständigen und obligatorischen Charakter haben und einen Rechtsstreit auf der Grundlage eines rechtsstaatlich geordneten Verfahrens624 in richterlicher Unabhängigkeit und Unparteilichkeit potenziell rechtskräftig entscheiden (vgl. Art.  92, Art.  97 Abs.  1 GG).625 Sie sind damit Gericht im institutionellen Sinne und folglich Gericht i. S. d. Art.  3 Abs.  2 EuErbVO. Indes mag zwar der Umstand, dass es sich bei den Nachlassgerichten um ein Gericht im institutionellen Sinne handelt, ein Indiz für judikatives Tätigwerden bei der Erteilung eines Erbscheins darstellen; ein bloßes Indiz vermag grundsätzlich jedoch eine erbrechtliche nicht zwingend auch zu einer anerkennungsfähigen Emanation der deutschen Nachlassgerichte zu erheben.626 Auch für Gerichte im institutionellen Sinne ist daher die judikative Natur des Handelns der zuständigen Stelle maßgeblich.627 Folglich ist klärungsbe620 

C. Schmitz, Annahme, 96. C. Schmitz, Annahme, 96. 622 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  20. 623 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2353 Rn.  49. 624  Der unionsautonome Gerichtsbegriff setzt ein streitiges Verfahren nicht voraus, vgl. etwa EuGH v. 17.5.1994, Corsica Ferries, Rs.  C-18/93, Slg. 1994, I-1812 (1818 Rn.  12), ECLI:EU:C:1994:195. 625 Allgemein zum unionsautonomen Gerichtsbegriff Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  267 AEUV Rn.  20; zum Gerichtsbegriff der EuErbVO vgl. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  50 ff. 626  Kunz GPR 2019, 34 (37). 627  Kunz GPR 2019, 34 (37). 621 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

dürftig, ob das Nachlassgericht „kraft eigener Befugnis über zwischen den Parteien etwa bestehende Streitpunkte“628 entscheiden kann. Ob der Erbschein i. S. d. §  2353 BGB eine Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO darstellt, ist im deutschen Schrifttum lebhaft umstritten.629 Vielmals630 wird dem deutschen Erbschein die Einordnung als Entscheidung i. S. d. Anerkennungsrechts der EuErbVO vor dem Hintergrund des Fehlens anerkennungsfähiger Wirkungen, die jedoch wesentliches Charakteristikum einer Entscheidung in diesem Sinne seien, verwehrt. Vielmehr sei der Erbschein öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO. Andere631 bejahen die Entscheidungsqualität des deutschen Erbscheins, werde dieser doch „in einem justizförmigen Verfahren mit Anhörung der Beteiligten vor einem Gericht (i. S. d. [Art.  3] Abs.  2 [EuErbVO]) ausgestellt, das in einem potenziell kontradiktorischen Verfahren ‚kraft seines Auftrags selbst über zwischen Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet‘“.632 (cc) Stellungnahme: Einordnung als Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO Die Auffassung, den Erbschein i. S. d. §  2353 BGB als Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO einzuordnen, überzeugt. Den Vertretern der Gegenansicht ist an dieser Stelle zuzugeben, dass im deutschen Erbscheinsverfahren zwischen der Erteilung des Erbscheins durch Herausgabe der Erbscheinsurkunde und dem diesem zugrunde liegenden Feststellungsbeschluss des §§  352e Abs.  1 S.  1 und S.  2 FamFG, dessen Vollzug die körperliche Erteilung des Erbscheins darstellt,633 nach dem 628 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55. Dörner DNotZ 2017, 407 (408), Dörner DNotZ 2018, 661 (669 f.), ­Mankowski ErbR 2020, 715 (717), Mankowski ErbR 2019, 426 (428); NK-BGB Bd.  6/ Makowsky EuErbVO, Art.  39 Rn.  5; C. Schmitz, Annahme, 84 ff., 107; wohl auch Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (735 ff.); Dafür: MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17, Art.  39 Rn.  2; Dutta FamRZ 2013, 4 (14); Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europä­ isches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8. 630  Dörner DNotZ 2018, 661 (669 f.); NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  39 Rn.  5,; Mankowski ErbR 2020, 715 (717), Mankowski ErbR 2019, 426 (428), C. Schmitz, Annahme, 84 ff., 107. 631 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17, Art.  39 Rn.  2; Dutta FamRZ 2013, 4 (14); Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8. 632 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  3 Rn.  17; Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8.; in diese Richtung wohl auch Calvo Caravaca/Davì/Mansel/M. Weller EuErbVO, Art.  3 Rn.  13. 633 MüKoFamFG/Grziwotz FamFG, §  352e Rn.  50. 629 Dagegen:

D. Konstellationen einer Kollision

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FamFG zu differenzieren ist.634 Hinsichtlich des Wirksamwerdens des Feststellungsbeschlusses ist wiederum zwischen dem unstreitigen Erbscheinsverfahren, bei dem der Feststellungsbeschluss sofort wirksam wird (vgl. §  352e Abs.  1 S.  3 FamFG) und dem streitigen Erbscheinsverfahren, bei dem das Nachlassgericht die sofortige Wirksamkeit des Feststellungsbeschlusses auszusetzen und die Erteilung des Erbscheins bis zur formellen635 Rechtskraft des Beschlusses zurückzustellen hat (vgl. §  352e Abs.  2 S.  2 ­FamFG), zu unterscheiden.636 Der Feststellungsbeschluss ist mittels der Beschwerde nach den §§  58 ff. FamFG binnen einer Frist von einem Monat anfechtbar.637 Die Vertreter dieser Auffassung führen an, dass allein der Erbschein i. S. d. §  2353 BGB für die Wirkungen der §§  2365 ff. BGB maßgeblich ist, der Feststellungsbeschluss diese Wirkungen gerade nicht zeitigt.638 Vor diesem Hintergrund sei allein der erteilte Erbschein im Rahmen der Einordnung als Entscheidung maßgeblich, nicht aber dessen verfahrensrechtliche Vorstufe.639 Zudem könne auch der Feststellungsbeschluss gemäß §  352e Abs.  1 S.  2 FamFG nicht in materielle, sondern lediglich in formelle Rechtskraft erwachsen (vgl. §  45 FamFG).640 Die formelle Rechtskraft sei indes keine anerkennungsfähige Entscheidungswirkung.641 Der anerkennungsrechtliche Entscheidungsbegriff der EuErbVO ist jedoch verordnungsautonom und genuin erbverfahrensrechtlich zu bestimmen.642 Auf die materielle Rechtskraft im Sinne mitgliedstaatlicher Dogmatik kommt es gerade für unstreitige Maßnahmen nicht an. Zwar erwächst ein deutscher Erbschein nach deutschem Erbscheinsverfahren wegen seiner Einziehbarkeit und deshalb mangels letztverbindlicher oder rechtsgestaltender Wirkung hinsichtlich vorher nicht vorhandener Rechtspositionen nach deutschem Verständnis gerade nicht in materielle Rechtskraft i. S. d. §  322 Abs.  1 ZPO.643 Nichtsdestotrotz stattet der Erbschein nach §  2353 BGB den 634 MüKoFamFG/Grziwotz FamFG, §   352e Rn.  30; Staudinger/Herzog BGB, 2016, §  2353 Rn.  394. 635 NK-NachfolgeR/Poller FamFG, §  352e Rn.  26. 636 MüKoFamFG/Grziwotz FamFG, §   352e Rn.  30; Staudinger/Herzog BGB, 2016, §  2353 Rn.  394. 637 NK-NachfolgeR/Poller FamFG, §  352e Rn.  38. 638  C. Schmitz, Annahme, 101; Dutta/Weber/Weber IntErbR, Art.  39 EuErbVO Rn.  21. 639  C. Schmitz, Annahme, 101 f. 640  C. Schmitz, Annahme, 101; Dutta/Weber/Weber IntErbR, Art.  39 EuErbVO Rn.  21. 641  C. Schmitz, Annahme, 101; Dutta/Weber/Weber IntErbR, Art.  39 EuErbVO Rn.  21. 642  Vgl. oben Kapitel  3 C. II. 1. 643  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Erbprätendenten im Rechtsverkehr mit einer weitreichenden Legitimation aus, die er so im Rechtsverkehr zuvor noch nicht hatte.644 Allein das Nachlassgericht kann diese Legitimationswirkung verleihen und sie beruht auf dessen aktivem und selbständigem judikativem Tätigwerden.645 (b) Zwischenrésumé Zwar erfüllt der deutsche Erbschein auch die Voraussetzungen, die Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO an das Vorliegen einer öffentlichen Urkunde stellt. Dennoch unterliegt er den Art.  39 ff. EuErbVO, die als Sonderregelungen Vorrang vor Art.  59 Abs.  1 EuErbVO haben.646 Der deutsche Erbschein zirkuliert mithin grenzüberschreitend als Entscheidung nach den Art.  39 ff. EuErbVO.647 (c) Testamentsvollstreckerzeugnis Aufgrund der Parallelität sowohl des Ausstellungsverfahrens als auch der dem Testamentsvollstreckerzeugnis nach deutschem Recht zugeordneten Wirkungen von Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis deutschen Rechts sind die zum Erbschein angestellten Erwägungen und Feststellungen auch auf das Testamentsvollstreckerzeugnis zu übertragen. Denn auch das Testamentsvollstreckerzeugnis stattet nach §§  2368 S.  2 Hs.  1 BGB, 2353 BGB den Amtsinhaber mit einer weitreichenden Legitimation aus, die ihm so im Rechtsverkehr zuvor nicht zukam. Auch insoweit beruht die Verleihung dieser Legitimationswirkung auf dem aktiven und selbständigen judikativen Tätigwerden des Nachlassgerichts. Daher ist auch das deutsche Testamentsvollstreckerzeugnis als Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit. g EuErbVO einzuordnen. Auch insoweit kann es auf ein Fehlen der materiellen Rechtskraft i. S. d. deutschen Dogmatik nicht ankommen. Das deutsche Testamentsvollstreckerzeugnis ist daher ebenfalls grenzüberschreitend nach den Vorschriften der Art.  39 ff. EuErbVO anzuerkennen.

644 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  3 Rn.  17; Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8. 645  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39 Rn.  8. 646 Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  59 Nr.  6. 647  Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  59 Nr.  6.

D. Konstellationen einer Kollision

253

(2) Französischer acte de notoriété (a) Keine Subsumtion unter Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO Die französischen Notare unterfallen bei der Ausstellung eines acte de notoriété bereits nicht dem genuin erbrechtlichen Gerichtsbegriff der EuErbVO; sie fallen in die Kategorie der nichtgerichtlichen Ausstellungsstellen.648 Bereits aus diesem Grund scheidet daher eine Subsumtion unter Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO aus.649 Denn ein MNZ wie der acte de notoriété, der lediglich Ergebnis der bloßen Entgegennahme des Willens der Beteiligten ist,650 kann nicht als anerkennungsrechtlich relevante Entscheidung i. S. d. EuErbVO qualifiziert werden.651 (b) Subsumtion unter Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO Der acte de notoriété stellt vielmehr eine öffentliche Urkunde i. S. d. EuErbVO dar.652 Als von einem französischen Notar errichtete Urkunde, deren Authentizität sich auf die Unterschrift wie auch die dargestellten Erklärungen der genannten Beteiligten bezieht, genügt er den Anforderungen des Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  i und ii EuErbVO.653 (aa) Förmliche Errichtung Der acte de notoriété i. S. d. Art.  730-1 ff. C. civ. ist Produkt der Tätigkeit des Notars, wird demnach i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO förmlich errichtet.654 Zwar enthält der acte de notoriété gemäß Art.  730-1 Abs.  3 C. civ. die unterschriebene Versicherung des Antragstellers bzw. der Antragsteller, dass nach dessen/deren Kenntnis er oder sie allein oder gemeinschaftlich mit anderen benannten Personen zur Erbschaft berufen ist/sind. Dies vermag eine Einordnung als Emanation notarieller Tätigkeit jedoch nicht zu hindern.655 648 

Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) cc) (3) (b). V. Égéa RTD eur. 2019, 763. 650  Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. c) cc) (3) (b) (aa); V. Égéa RTD eur. 2019, 763; allgemein zur Ausstellung notarieller Urkunden beim Notariat lateinischer Tradition: Foukal, FS Bittner 2018, 151 (156) („Bei der Erstellung notarieller Urkunden interpretiert er [der Notar] den Willen der Parteien und passt sie den rechtlichen Vorschriften an“). 651  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB Rn.  55, V. Égéa RTD eur. 2019, 763; Kunz GPR 2019, 34 (39). 652  V. Égéa RTD eur. 2019, 763; C. Schmitz, Annahme, 43 f.; Bonomi/Wautelet/Waute­ let EuErbVO, Art.  59 Nr.  6. 653  C. Schmitz, Annahme, 43; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  59 Nr.  6. 654  C. Schmitz, Annahme, 42. 655  C. Schmitz, Annahme, 42. 649 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

So weist das Ausstellungsverfahren eines acte de notoriété nach den Art.  7301 ff. C. civ. nunmehr vereinzelt Elemente amtswegiger Ermittlung auf.656 (bb) Authentizität Der acte de notoriété französischen Rechts vermittelt die von Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  i und sublit.  ii EuErbVO geforderte Authentizität hinsichtlich Unterschrift, Inhalt sowie Beurkundungsperson. Der in der Form des Art.  730-1 C. civ. von einem Notar errichtete acte de notoriété gilt bis zum Beweis des Gegenteils als richtig (vgl. Art.  730-3 Abs.  1 C. civ.). Folglich entfaltet der acte de notoriété lediglich einfache Beweiskraft, da die Vermutung mittels aller Beweismittel widerlegt werden kann.657 Vor diesem Hintergrund qualifiziert das französische Recht den acte de notoriété nicht als öffentliche Urkunde i. S. d. nationalen Rechts (acte authentique),658 kann diese doch nur durch das spezielle Verfahren der inscription de faux entkräftet werden (vgl. Art.  1371 C. civ.). Das Vorliegen der Anforderungen an die Einordnung eines MNZ als öffentliche Urkunde i. S. d. EuErbVO sind indes unions- und verordnungs­ autonom sowie losgelöst vom nationalen Begriffsverständnis der öffent­ lichen Urkunde zu beurteilen.659 Die Authentizität des acte de notoriété ­bezieht sich sowohl auf die Unterschrift sowie die beurkundeten Erklärungen. Er entspricht damit den Anforderungen des Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  i EuErbVO. Die ausschließliche660 Zuständigkeit zur Ausstellung eines acte de notoriété i. S. d. C. civ. ist den französischen Notaren übertragen (vgl. Art.  730-1 Abs.  1 C. civ.), demnach einer vom französischen Staat ermächtigten Stelle i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i sublit.  ii EuErbVO.661

656  Vgl. oben Kapitel   2 C. I. 1.; J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  1 f.; Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 130; C. Schmitz, Annahme, 42. 657  Vgl. oben Kapitel  2 C. I. 3. a); Cass. 1re civ., 24.10.1984, n°  83-12.096; Cass. 1re civ., 24.10.1984, n°  83-12.558; M. Dagot JCP N 13 (2002) 1221 (Nr.  38 ff.); V. Égéa in Répertoire de procédure civile, Succession, décembre 2011, Rn.  86; J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  60; Pérès/Vernières, Successions, Nr.  132. 658 Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  3 Nr.  66. 659 Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  3 Nr.  66. 660  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  59; F. Ferran, Notaire et succession, Nr.  312. 661  C. Schmitz, Annahme, 43 f.

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

255

(c) Zwischenrésumé Der acte de notoriété zirkuliert damit grenzüberschreitend in den Mitgliedstaaten der EuErbVO nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO.662

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ Die vorangehenden Abschnitte zeigen, dass unter Geltung der EuErbVO die Möglichkeit besteht, dass neben der nach Art.  64 EuErbVO, Art.  4 ff. EuErbVO für die Ausstellung des ENZ zuständigen Stelle eines Mitgliedstaats auch die bei der Ausstellung eines MNZ keine gerichtliche Funktion ausübenden nichtgerichtlichen Stellen eines anderen Mitgliedstaats tätig werden. Ein Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ und der internationalen Zuständigkeit für MNZ wird durch die EuErbVO allein im Falle gerichtlicher MNZ etabliert.663 Indes ist auch bei gerichtlichen Stellen, die nach mitgliedstaatlichem Recht zur Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse berufen sind, nach der EuErbVO gerade nicht ausgeschlossen, dass sie ihre Zuständigkeit nach Art.  4 ff. EuErbVO fehlerhaft annehmen. Gleiches gilt freilich für die Ausstellungsbehörden eines ENZ. Daneben tritt stets auch die Möglichkeit, dass neben der Ausstellung eines ENZ im selben Mitgliedstaat auch die Ausstellung eines MNZ beantragt wird. Vor diesem Hintergrund drängt die Frage nach den Gründen für eine echte Divergenz zwischen ENZ und einem MNZ auf eine Antwort. Eine echte Divergenz kann auf der Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte gründen oder darauf, dass eines der Nachlasszeugnisse schlichtweg inhaltlich unrichtig ist. In grenzüberschreitenden Konstellationen können Grund einer echten Divergenz zunächst Schwierigkeiten der betreffenden Ausstellungsstellen hinsichtlich der Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts darstellen. Besonders hervorzuheben sind jedoch die Gründe die unmittelbar mit dem Anwendungsbereich der EuErbVO verknüpft sind und unter anderem Sachfragen aufwerfen, die einem perspektivischen Allgemeinen Teil des IPR zuzuordnen wären. Eine unechte Divergenz zwischen ENZ und einem MNZ kann gegebenenfalls angesichts deren unterschiedlichen inhaltlichen Ausgestaltung auftreten. 662 Bonomi/Wautelet/Wautelet 663 

EuErbVO, Art.  59 Nr.  6. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  68.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

I. Interne Divergenz 1. Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte oder materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit eines der Nachlasszeugnisse Eine interne Divergenz kann dadurch begründet sein, dass unterschiedliche ausstellende Stellen eines Mitgliedstaats aufgrund divergierender Tatsachenwürdigung unterschiedliche Sachverhalte feststellen.664 Eine interne Divergenz kann ihren Grund auch darin finden, dass eines der Nachlasszeugnisse materiell-rechtlich fehlerhaft ist.665 2. Keine Divergenz aufgrund erbrechtlicher Qualifikation des §  1371 Abs.  1 BGB und der avantages matrimoniaux des französischen Rechts Güterrechtliche Elemente der Erbenstellung können im ENZ nicht ausgewiesen werden.666 Jedoch ist §  1371 Abs.  1 BGB spätestens seit der Entscheidung des EuGH in der Rs.  Mahnkopf jedenfalls bei Erbfällen mit grenzüberschreitendem Bezug erbrechtlich zu qualifizieren.667 Der pauschalierte Zugewinnausgleich wird also auch im Rahmen der vom ENZ ausgewiesenen Erbquote entsprechend berücksichtigt.668 In dieser Hinsicht kommt es damit zu keinem inhaltlichen Widerspruch zwischen deutschem Erbschein und ENZ. Entsprechendes ist für die avantages matrimoniaux des französischen Rechts anzunehmen.669

II. Grenzüberschreitende Divergenz Zu einer grenzüberschreitenden Divergenz zwischen ENZ und den MNZ kann es zunächst aufgrund divergierender inhaltlicher Ausgestaltung des jeweiligen Nachlasszeugnisses kommen (1.). Gleiches gilt im Falle der Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte aufgrund subsidiär anwendbaren nationalen Verfahrensrechts (2.) Zudem kann es zu einer abweichenden Bestimmung des Erbstatuts aufgrund abweichender Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt seines Todes kommen (3.) 664 

Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309); NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  36; J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (97). 665  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  36. 666 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  15. 667  Vgl. oben Kapitel  2 A. II. 2.; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  40 ff. Rn.  44. 668  Vgl. oben Kapitel  2 A. II. 2.; EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  40 ff. Rn.  44. 669  Vgl. oben Kapitel  2 A. II. 2. b); Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  19.

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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Ferner kann eine unterschiedliche Vorfragenanknüpfung und schließlich -entscheidung zu einer grenzüberschreitenden Divergenz führen (4.), sodass insbes. die Frage nach einer selbständigen oder unselbständigen Vorfra­gen­ anknüpfung im Kontext der EuErbVO einer Auseinandersetzung bedarf. Auf eine Analyse drängen ferner Art.  75 EuErbVO als „Achillesferse“670 der EuErbVO (5.) sowie der ordre public-Vorbehalt des Art.  35 EuErbVO (6.). 1. Divergierende inhaltliche Ausgestaltung von ENZ und MNZ Das ENZ kann, anders als etwa der deutsche Erbschein671 Vindikationslegate, gesetzliche Nießbrauchsrechte und dingliche Teilungsanordnungen ausweisen (vgl. Art.  63 Abs.  2 lit.  a EuErbVO).672 MNZ und ENZ können folglich ob ihrer jeweiligen inhaltlichen Ausgestaltung divergieren. 2. Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte aufgrund subsidiär anwendbaren nationalen Verfahrensrechts Gerade im Falle einer grenzüberschreitenden Divergenz besteht – wie im Falle einer internen Divergenz673 – die Möglichkeit, dass die zur Ausstellung der Nachlasszeugnisse berufenen Stellen die Tatsachen unterschiedlich würdigen674 und das anwendbare Recht unterschiedlich anwenden,675 etwa aufgrund subsidiär anwendbaren nationalen Verfahrensrechts.676 3. Abweichende Bestimmung des Erbstatuts durch abweichende Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes Aufgrund der in komplexen Situationen bestehenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes besteht die Möglichkeit, dass die Ausstellungsstellen unterschiedlicher Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit annehmen und auch das anwendbare Erbstatut abweichend bestimmen.677 Bei gerichtlichen MNZ und 670 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  75 Rn.  4; Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309); Wurmnest/Wössner ZVglRWiss 118 (2019), 449 (451). 671 Auch die österreichische Rechtsordnung kennt allein das Damnationslegat, vgl. BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  40. 672 BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  40. 673  Vgl. oben Kapitel  5 E. I. 1. 674  J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (97). 675  Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309). 676  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  36. 677  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 485; Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 248.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

bei ENZ mehrerer Mitgliedstaaten wirkt sich die abweichende Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes nicht nur auf Zuständigkeitsebene678, sondern auch im Rahmen der Bestimmung des anwendbaren Rechts aus. Zu Parallelverfahren hinsichtlich der Ausstellung eines ENZ und der MNZ kann es indes auch bei nichtgericht­ lichen MNZ kommen, sind deren Ausstellungsstellen doch gerade nicht an das Zuständigkeitsregime der EuErbVO gebunden.679 Eine abweichende Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zum maßgeblichen Zeitpunkt führt dann zu einer abweichenden Bestimmung des Erbstatuts und zu potenziell divergierenden Nachlasszeugnissen. Zwar kann der Erblasser zum maßgeblichen Zeitpunkt seines Todes nur einen oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben, nicht aber mehrere.680 Eine solche Auslegung des Anknüpfungskriteriums des letzten gewöhnlichen Aufenthalts vermag jedoch eine – objektiv – fehlerhafte Annahme des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt nicht gänzlich abzuwenden. 4. Grenzüberschreitende Divergenz aufgrund unterschiedlicher Vorfragenanknüpfung? Da eine unterschiedliche Vorfragenanknüpfung und schließlich -entscheidung zu einer grenzüberschreitenden Divergenz zwischen ENZ und MNZ führen kann und Vorfragen im IPR eng mit der unterschiedlichen Qualifikation von Hauptfrage und ihrer Vorfrage verflochten sind681 bedarf es insbesondere einer Abgrenzung von Erbstatut und Güterrechtsstatut sowie von Erbstatut und Sachenrechtsstatut (a)), bevor eine Auseinandersetzung der Frage nach einer selbständigen oder unselbständigen Vorfragenanknüpfung im Kontext der EuErbVO erfolgt (b)).

678  Die gerichtlich zu qualifizierenden Ausstellungsstellen mitgliedstaatlicher Nachlasszeugnisse sind an das Zuständigkeitsregime der EuErbVO gebunden, vgl. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle Rn.  59. 679  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  68. 680 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  41. 681  Zur den Verflechtungen von Vorfragen mit der unterschiedlichen Qualifikation von Haupt- und Vorfrage vgl. Bariatti in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 57 (58 f.); Mankowski ZEV 2016, 479 (485).

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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a) Qualifikation und Anpassung aa) Qualifikation Die Berührungspunkte zwischen Erbrecht und Familienvermögensrecht682 sowie zwischen Erbrecht und Sachenrecht führen hinein in das Problem der Qualifikation.683 So kann gerade auch die Einordnung von Rechtsinstituten des mitgliedstaatlichen materiellen Rechts relevante Qualifikationsprobleme aufwerfen.684 (1) Abgrenzung von Erbstatut und Güterrechtsstatut – Art.  1 Abs.  2 lit.  d EuErbVO Das europäische Güterkollisionsrecht ist nunmehr in der EuGüVO sowie in der EuPartVO betreffend Fragen des ehelichen Güterstands bzw. die güterrechtlichen Wirkungen eingetragener Partnerschaften geregelt.685 Die Kollisionsnormen der Art.  20 ff. EuGüVO bzw. EuPartVO sind jedoch nur für Ehegatten und Partner i. S. d. jeweiligen Verordnung anwendbar, die nach dem Stichtag des 29.1.2019 geheiratet bzw. ihre Partnerschaft haben ein­ tragen lassen oder eine Rechtswahl getroffen haben.686 Wie die EuErbVO gelten auch EuGüVO und EuPartVO nicht in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU. Hintergrund ist, dass die nach Art.  81 Abs.  3 UAbs.  1 S.  2 AEUV für europäische Rechtsakte auf dem Gebiet des Familienrechts erforderliche Einstimmigkeit nicht erreicht wurde.687 Allerdings verständigte sich die Mehrheit der europäischen Mitgliedstaaten auf eine verstärkte Zusam­ menarbeit.688 Deutschland wie auch Frankreich nehmen an dieser verstärkten Zusammenarbeit durch beide Verordnungen teil.689 Estland, Lettland, 682 

M. Farge Dr. Fam. 2018 comm. 144. S. Godechot-Patris in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 17 (28 f.). 684 MüKoBGB/v. Hein IPR I, Einleitung zum internationalen Privatrecht Rn.  112. 685  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  39; Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (72). 686 MüKoBGB/Looschelders EuGüVO, Art.  22 Rn.  24; Simotta ZVglRWiss 116 (2017), 44; zur EuGüVO vgl. S. Godechot-Patris D. 2016, 2292 (I. C.). 687  Mankowski ZEV 2016, 479 (480). 688  Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (72); Mankowski ZEV 2016, 479 (480). 689  Sowohl die Bundesrepublik Deutschland, als auch die Französische Republik zählt zu den Antragstellern des Beschlusses (EU) 2016/954 des Rates zur Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen der Güterstände internationaler Paare (eheliche Güterstände und vermögensrechtliche Folgen eingetragener Partnerschaften) vom 9.6.2016, ABlEU v. 16.6.2016, L 159/16; Bonomi in 683 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Litauen, Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien sind zwar Mitglied­ staaten i. S. d. EuErbVO, jedoch keine Mitgliedstaaten i. S. d. EuGüVO/­ EuPartVO.690 (a) Komplementäre Anwendungsbereiche von EuErbVO und EuGüVO/EuPartVO Zwischen den sachlichen Anwendungsbereichen der EuErbVO und der ­EuGüVO/EuPartVO dürfen weder Überschneidungsbereiche noch Regelungslücken bestehen,691 sie sind mithin komplementär.692 Gerade die Abgrenzung von Erbrecht und Ehegüterrecht stellt den Rechtsanwender vor schwierige Detailfragen, wenn der Tod eines Ehegatten bzw. Lebenspartners auch den Güterstand beendet, sodass der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner sowohl güterrechtlich als auch erbrechtlich am Vermögen des Verstorbenen teilhaben könnte.693 Die Qualifikation der sowohl für die ­EuErbVO als auch die EuGüVO/EuPartVO relevanten Fragen ist nach unionsautonomen und verordnungsspezifischen Maßstäben vorzunehmen.694 Der EuGH stellt in diesem Zusammenhang auf den Hauptzweck einer mitgliedstaatlichen Regelung ab: Ist dieser nicht die Aufteilung des Vermögens oder die Beendigung des ehelichen Güterstands, sondern die Bestimmung des dem überlebenden Ehegatten/Lebenspartner im Verhältnis zu den übrigen erbrechtlich Berechtigten zufallenden Erbteils, so ist diese Bestimmung – unabhängig von ihrer etwaigen güterrechtlichen Qualifikation nach mitgliedstaatlichem Recht – erbrechtlich zu qualifizieren.695 Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (72, dort Fn.  2); speziell zur Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an dieser verstärkten Zusammenarbeit: Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  39. 690  Simotta ZVglRWiss 116 (2017), 44 (51, dort Fn.  21). 691 EuGH v. 6.10.2015, Matoušková, Rs.   C-404/1, ECLI:EU:C:2015:653 Rn.   34; ­Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  40; Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (72, 78); bezogen auf die EuGüVO vgl. S. Godechot-Patris D. 2016, 2292; bezogen auf die EuPartVO vgl. C. Butruille-Cardew/M. Tirard AJ fam. 2019, 14 (3.2). 692 EuGH v. 6.10.2015, Matoušková, Rs.   C-404/1, ECLI:EU:C:2015:653 Rn.   34; ­Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  40; Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (72, 78); F.  Tremosa Dr. Fam. 2018 études 20 (Nr.  4 ff.); bezogen auf die EuPartVO vgl. C. Butruille-­ Cardew/M. Tirard AJ fam. 2019, 14 (3.2). 693  M. Farge Dr. Fam. 2018 comm. 144; Mankowski ZEV 2016, 479 (480); F. Tremosa Dr. Fam. 2018 études 20 (Nr.  4). 694  Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (78 f.); Mankowski ZEV 2016, 479 (480). 695  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Mahnkopf Rn.  40 ff. Rn.  44.

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(b) Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht nach der EuGüVO/EuPartVO (aa) Internationale Zuständigkeit Die Regelungen der EuGüVO/EuPartVO zur internationalen Zuständigkeit wurden aufgrund der Nähe des sachlichen Anwendungsbereichs der EuGüVO/EuPartVO zu demjenigen der EuErbVO auf die Regelungen der EuErbVO abgestimmt.696 Wird ein Gericht eines Mitgliedstaats im Zusammenhang mit der Rechtsnachfolge von Todes wegen eines Ehegatten nach der EuErbVO angerufen, sind nach Art.  4 EuGüVO/EuPartVO die Gerichte dieses Mitgliedstaats auch für Entscheidungen über den ehelichen Güterstand in Verbindung mit diesem Nachlass ausschließlich zuständig.697 Folglich kann die Zuständigkeit nach Art.  4 EuGüVO/EuPartVO grundsätzlich698 nicht durch eine Gerichtsstandvereinbarung geändert werden.699 So ist eine Gerichtsstandsvereinbarung lediglich in den Fällen des Art.  6 EuGüVO/EuPartVO zulässig (vgl. Art.  7 Abs.  1 EuGüVO/EuPartVO). Bei einem Verstoß gegen die Zuständigkeit nach Art.  4 EuGüVO/EuPartVO ist auch keine Heilung der Unzuständigkeit durch rügelose Einlassung vorgesehen (vgl. Art.  8 Abs.  1 EuGüVO/EuPartVO). Die internationale Zuständigkeit nach Art.  4 EuGüVO/EuPartVO ist ihrer Natur nach eine Annexzuständigkeit.700 Art.  4 EuGüVO/EuPartVO kommt folglich nur dann zur Anwendung, wenn sich die internationale ­Zuständigkeit für das Erbverfahren aus der EuErbVO ergibt und dieses in einem Mitgliedstaat der EuGüVO/EuPartVO anhängig ist.701 Soll nach dem Tod eines Ehegatten/Partners ein güterrechtliches Verfahren eingeleitet wer696  Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (80); zur EuGüVO vgl. S. Godechot-Patris D. 2016, 2292 (III. A.). 697  Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (81); Moura Ramos, FS Kohler 2018, 347 (350); Simotta ZVglRWiss 116 (2017), 44 (48). 698 Nur in Ausnahmefällen kann durch Gerichtsstandsvereinbarung von Art.   4 EuGüVO/­EuPartVO derogiert werden, namentlich, wenn das an sich zuständige Gericht sich nach Art.  9 Abs.  1 EuGüVO/EuPartVO für unzuständig erklärt hat, weil nach seinem IPR die streitgegenständliche Ehe für die Zwecke eines Verfahrens über den ehe­ lichen Güterstand nicht anerkannt wird/weil seiner Rechtsordnung das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft fremd ist, vgl. Simotta ZVglRWiss 116 (2017), 44 (48, 77 ff.). 699  Simotta ZVglRWiss 116 (2017), 44 (48). 700  Moura Ramos, FS Kohler 2018, 347 (350); Simotta ZVglRWiss 116 (2017), 44 (48); zur EuGüVO vgl. S. Godechot-Patris D. 2016, 2292 (III. A.); zur EuPartVO vgl. É. Farnoux AJ fam. 2019, 17 (1.1.). 701  Simotta ZVglRWiss 116 (2017), 44 (49); zur EuGüVO vgl. S. Godechot-Patris D. 2016, 2292 (III. A.); zur EuPartVO vgl. É. Farnoux AJ fam. 2019, 17 (1.1.).

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

den und ist entweder ein Erbverfahren nicht oder nur in einem Drittstaat i. S. d. EuGüVO/EuPartVO anhängig, richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den Art.  6 ff. EuGüVO/EuPartVO.702 (bb) Anwendbares Recht Haben die Ehegatten oder künftigen Ehegatten keine Rechtswahl i. S. d. Art.  22 EuGüVO getroffen, unterliegt der eheliche Güterstand nach Art.  26 Abs.  1 EuGüVO dem Recht des Staats, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben (vgl. Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüVO), sofern nicht die Ausweichklausel des Art.  26 Abs.  3 EuGüVO eingreift.703 Liegen die Voraussetzungen des Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüVO nicht vor, haben die Ehegatten also im Zeitpunkt der Eheschließung oder kurz nach danach keinen gemeinsamen gewöhnlichen ­Aufenthalt, so bestimmt sich das Ehegüterstatut nach Art.  26 Abs.  1 lit.  b EuGüVO.704 Maßgeblich ist das Recht des Staats, dem beide zum Zeitpunkt der Eheschließung angehören. Besteht weder ein gemeinsamer gewöhn­ licher Aufenthalt noch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit zu den maßgeblichen Zeitpunkten, ist nach Art.  26 Abs.  1 lit.  c EuGüVO subsidiär das Recht des Staats, mit dem die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Umstände zum Zeitpunkt der Eheschließung gemeinsam am engsten verknüpft sind, zur Anwendung berufen.705 Nach der Grundanknüpfung in Art.  26 Abs.  1 EuPartVO ist mangels Rechtswahl nach Art.  22 EuPartVO das Recht des Staats, nach dessen Recht die eingetragene Partnerschaft begründet wurde, anwendbar. Art.  26 Abs.  2 EuPartVO enthält eine Ausweichklausel.706 Eine Rechtswahl geht der Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der objektiven Anknüpfung im Rahmen der EuGüVO und der EuPartVO vor.707 Nach Art.  22 Abs.  1 EuGüVO können die Ehegatten oder künftigen Ehegatten das Recht des Staats wählen, in dem sie oder einer von ihnen zum 702 

Moura Ramos, FS Kohler 2018, 347 (350 f.); Simotta ZVglRWiss 116 (2017), 44 (51); zur EuGüVO vgl. S. Godechot-Patris D. 2016, 2292 (III. A.); zur EuPartVO vgl. É. Farnoux AJ fam. 2019, 17 (2.1.). 703 MüKoBGB/Looschelders EuGüVO, Art.  26 Rn.  18; zur EuGüVO vgl. S. Godechot-­ Patris D. 2016, 2292 (II. A.). 704 MüKoBGB/Looschelders EuGüVO, Art.  26 Rn.  11. 705 MüKoBGB/Looschelders EuGüVO, Art.  26 Rn.  14. 706  P. Deschamps/C. Legrand AJ fam. 2019, 24 (2.1.); MüKoBGB/Looschelders ­EuPartVO, Art.  26 Rn.  6. 707  P. Deschamps/C. Legrand AJ fam. 2019, 24 (1.1.); MüKoBGB/Looschelders EuGüVO, Vor Art.  20 Rn.  6 f.; Art.  22 Rn.  1; MüKoBGB/Looschelders EuPartVO, Art.  26 Rn.  3.

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Zeitpunkt der Rechtswahl ihren bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben bzw. hat (lit.  a), alternativ708 das Recht des Staats dessen Staatsangehörigkeit einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt (lit.  b). Parallel zu Art.  22 Abs.  1 EuGüVO ist der Kreis der wählbaren Rechtsordnungen in Art.  22 Abs.  1 lit.  a und lit.  c EuPartVO beschränkt.709 Partner oder künftige Partner können außerdem das Recht des Staats wählen, nach dessen Recht die eingetragene Partnerschaft begründet wurde (vgl. Art.  22 Abs.  1 lit.  c EuPartVO). Art.  22 Abs.  1 lit.  b EuGüVO/EuPartVO und Art.  22 EuErbVO ermöglichen es, das anwendbare Recht hinsichtlich erbrechtlicher und güterrechtlicher Fragen durch Rechtswahl zugunsten der Staatsangehörigkeit aufeinander abzustimmen. Nach Art.  22 lit.  a EuGüVO/EuPartVO kann auch das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts gewählt werden und damit teilweise ein Gleichlauf von Erbstatut nach der allgemeinen Kolli­ sionsnorm der EuErbVO und Güterrechtsstatut erreicht werden. Ein gänzlicher Gleichlauf ist aufgrund der unterschiedlichen zeitlichen Anknüpfungspunkte von EuErbVO und EuGüVO/EuPartVO nicht möglich.710 Maßgeblicher Zeitpunkt im Rahmen der allgemeinen Kollisionsnorm der EuErbVO ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Hingegen ist nach Art.  22 Abs.  1 lit.  a EuGüVO/EuPartVO der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Rechtswahl maßgeblich. Die allgemeinen Kollisionsnormen des Art.  21 EuErbVO, des Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüVO, des Art.  26 Abs.  1 EuPartVO divergieren hinsichtlich ihrer zeitlichen Anknüpfung.711 Folglich kann das nach der EuGüVO auf den ehelichen Güterstand anzuwendende Recht von dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach der EuErbVO anzuwendenden Recht abweichen.712 Dies gilt mutatis mutandis auch für das nach der EuPartVO zur Anwendung berufene Recht. Nach Art.  21 EuErbVO ist das Recht des Staats anwendbar, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes den letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Nach Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüVO ist das Recht des Staats des ersten gemeinsamen Aufenthalts nach Eheschließung maßgeblich. Nach Art.  26 Abs.  1 EuPartVO ist das Recht des Staats anwendbar, nach dessen Recht die eingetragene Lebenspartnerschaft begründet wurde.

708 MüKoBGB/Looschelders

EuGüVO, Art.  22 Rn.  10. EuPartVO, Art.  22 Rn.  4. 710  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 387. 711  Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (83). 712  Bonomi in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 71 (83). 709 MüKoBGB/Looschelders

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(2) Abgrenzung von Erbstatut und Sachenrechtsstatut – Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO, insbesondere erbrechtliche Qualifikation eines Vindikationslegats Die Bereichsausnahmen des Art.  1 Abs.  2 lit.  k und lit.  l EuErbVO sind dahin auszulegen, dass Vindikationslegate allein als bloße Übergangsmodalität und damit als Frage der Zuordnung des Vermögens im Todesfall zu Lasten des Sachenrechtsstatuts ausschließlich erbrechtlich zu qualifizieren sind.713 Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO entzieht dem Erbstatut allein den numerus clausus der dinglichen Rechte (vgl. ErwG 15 EuErbVO). Die dingliche Wirkung eines Vindikationslegats ist – nach überzeugender Auffassung des EuGH – lediglich als eine Frage des Rechtsübergangs i. S. d. Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO zu qualifizieren, sodass für eine Anpassung nach Art.  31 ­EuErbVO kein Raum besteht.714 Aus deutscher Perspektive ist ein Vindikationslegat folglich gerade nicht – wie im Rahmen des Art.  25 EGBGB a. F. – in ein Damnationslegat umzuwandeln.715 bb) Anpassung dinglicher Rechte nach Art.  31 EuErbVO und Lösung widerstreitender Kommorientenvermutung nach Art.  32 EuErbVO (1) Konflikte zwischen Erbstatut und benachbarten Statuten Das rechtsmethodische Instrument der Anpassung kommt neben Fällen des Normenmangels oder der Normenhäufung dann in Betracht, wenn sich zwei auf verschiedene Sachverhaltselemente anwendbare Rechtsordnungen als nicht miteinander kompatibel erweisen (qualitative Normendiskrepanz).716 Die EuErbVO enthält mit Art.  31 EuErbVO eine Spezialvorschrift für die Anpassung dinglicher Rechte.717 Diese berührt indes andere Formen der Anpassung im Kontext der EuErbVO nicht;718 Art.  31 EuErbVO regelt die Anpassung im Kontext der EuErbVO nicht abschließend.719 Normen713 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  49 f., Rn.  62. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  49 f., Rn.  62. 715  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  49 f., Rn.  62; zur Umwandlung eines Vindikationslegats in ein Damnationslegat unter Geltung des Art.  25 EGBGB a. F. vgl. etwa BGH NJW 1995, 58 (59); MüKoBGB/Birk EGBGB, 5.  Aufl. 2010, Art.  25 Rn.  170. 716 MüKoBGB/v. Hein IPR I, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  290. 717 MüKoBGB/v. Hein IPR I, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.   271; Art.  29 EuGüVO/EuPartVO enthält eine dem Art.  31 EuErbVO entsprechende Bestimmung für die Anpassung dinglicher Rechte, vgl. MüKoBGB/v. Hein IPR I, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  271. 718 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  31 Rn.  1. 719 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  31 Rn.  32. 714 

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mängel, eine Normenhäufung oder eine qualitative Normendiskrepanz, ­denen aufgrund des Gebots des effet utile des Unionsrechts über eine Anpassung nach den allgemeinen Grundsätzen des IPR zu begegnen ist, sind neben „fremden“ dinglichen Rechten auch in anderen Konstellationen möglich.720 Ein Normenmangel liegt dann vor, wenn die beteiligten Statute den Sachverhalt gar nicht regeln.721 Aus deutscher Perspektive deckt Art.  31 EuErbVO etwa die Überleitung eines nach der lex successionis entweder vom Erblasser errichteten oder kraft Gesetzes entstandenen Trust in ein Treuhandverhältnis, eine (Dauer-)Testamentsvollstreckung oder eine Vor- und Nacherbschaft.722 (2) Verhältnis widerstreitender nationaler Kommorientenvermutungen Art.  32 EuErbVO sieht vor, dass bei mehreren Erbfällen, welche verschiedenen Erbstatuten unterliegen, die für den Fall der Ungewissheit über die Reihenfolge der Erbfälle deren Folgen entweder unterschiedlich oder gar nicht regeln, „keine der verstorbenen Personen Anspruch auf den Nachlass des oder der anderen hat“. Art.  32 gestaltet das Verhältnis mehrerer nationaler Kommorientenvermutungen im Falle einer Normdiskrepanz aus723 und statuiert die Rechtsfolge eines umfassenden wechselseitigen Ausschlusses aller Kommorienten von der Erbfolge.724 Hierdurch fingiert Art.  32 EuErbVO indirekt ein gleichzeitiges Versterben und befasst sich damit faktisch mit einer Frage betreffend die Todesvermutung, obwohl solche Fragen nach Art.  1 Abs.  2 lit.  c EuErbVO aus dem Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen sind.725 Praktische Relevanz entfaltet Art.  32 EuErbVO, wenn eine Erbberechtigung hinsichtlich eines Erbfalls eines anderen Erblassers im Raum steht, weil etwa die Erblasser durch ein Statusverhältnis, das eine intestaterbrecht720 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  31 Rn.  33. Schmidt EuErbVO, Art.  32 Rn.  9. 722 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  31 Rn.  25; MüKoBGB/v. Hein IPR I Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  290, der lediglich eine Umdeutung in ein Treuhandverhältnis oder eine Vor- und Nacherbschaft vorsieht. 723  Rugullis ZVglRWiss 113 (2014), 186 (207 f.). 724  Rugullis ZVglRWiss 113 (2014), 186 (211); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  31 Rn.  15 f. 725 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  32 Rn.  7; Rugullis ZVglRWiss 113 (2014), 186 (207 f.). bereits kritisch zur Umsetzung Art.  23 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  74, der anregte die Regelung so zu fassen, dass nicht auf das Erbstatut, sondern auf das „auf den Zeitpunkt des Todes einer unter solchen Umständen verstorbenen Person nach dem [sic] Kollisionsregeln des zuständigen Gerichts anzuwendende Recht“ abgestellt werde. 721 BeckOGK/J.

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liche oder zwingende erbrechtliche Berechtigung zeitigt – wie etwa Ehe, ­Lebenspartnerschaft oder Verwandtschaft – verbunden sind.726 Gleiches gilt für Erblasser, die Bedachte einer gewillkürten Zuwendung von Todes wegen des jeweils anderen sind.727 Unterschiedliche Rechte werden in solchen Konstellationen im Falle der Regelanknüpfung des Art.  21 Abs.  1 EuErbVO an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt wohl eher selten zur Anwendung berufen werden, da sich der gewöhnliche Aufenthalt erbberechtigter Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandte regelmäßig decken wird.728 b) Vorfragenanknüpfung- und Vorfragenentscheidung Vorfragen sind Fragen nach dem Bestand bzw. dem Inhalt eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses oder eines präjudiziellen Rechts im Tatbestand einer Rechtsnorm.729 Der Eintritt der Rechtsfolge der Rechtsnorm hängt vom Bestehen dieses präjudiziellen Rechtsverhältnisses oder Rechts ab.730 Vorfragen treten im Kontext einer Hauptfrage auf, können jedoch auch selbständig als Hauptfrage relevant sein.731 So kann etwa das Bestehen einer Ehe für eine erbrechtliche Hauptfrage Vorfrage darstellen. Die Frage des Bestehens einer Ehe kann jedoch auch selbst als Hauptfrage in einem gesonderten Prozess vorkommen.732 Vorfragen sind indes auch auf europäischer Ebene von sogenannten Teilfragen abzugrenzen.733 Anders als Vorfragen können Teilfragen nicht auch selbst Hauptfragen sein; sie sind lediglich unselbständige Elemente der Hauptfrage.734 Art.  23 Abs.  2 EuErbVO etwa unterwirft im Interesse der Rechtssicherheit eine beispielhafte Aufzählung der wichtigsten Teilfragen im Rahmen der EuErbVO dem Erbstatut.735

726 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  32 Rn.  3. EuErbVO, Art.  32 Rn.  3. 728 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  32 Rn.  3. 729  Nehne, Methodik und allgemeine Lehren, 197; Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 190. 730  Nehne, Methodik und allgemeine Lehren, 197; Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 190. 731  Nehne, Methodik und allgemeine Lehren, 199 ff.; Nietner, Internationaler Entschei­ dungseinklang, 190. 732  Nehne, Methodik und allgemeine Lehren, 199 ff.; Nietner, Internationaler Entschei­ dungseinklang, 192. 733  Ausführlich dazu Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 191 ff. 734  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 191 f. 735  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 193. 727 MüKoBGB/Dutta

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aa) Selbständige oder unselbständige Vorfragenanknüpfung im Rahmen der EuErbVO Ist die Regelung der Erbfolge nach dem auf die Erbfolge anwendbaren Recht von einer Vorfrage hinsichtlich des Personenstandes abhängig, stellt sich auch im Rahmen der EuErbVO die Gretchenfrage736 selbständiger oder unselbständiger Vorfragenanknüpfung. Die für die im internationalen Erbrecht relevanten Vorfragen typischen Rechtsgebiete werden in Art.  1 Abs.  2 lit.  a und lit.  d EuErbVO vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen.737 Vorfragen stellen sich jedoch auch, wenn geprüft werden muss, ob ein bestimmter Vermögensgegenstand Teil des Nachlasses ist.738 Bei der selbständigen Vorfragenanknüpfung nach dem Kollisionsrecht der lex fori wird die Vorfrage so behandelt als wäre sie selbst als Hauptfrage aufgetreten.739 Innerhalb einer Rechtsordnung wird folglich das Bestehen eines präjudiziellen Rechts oder Rechtsverhältnisses stets gleich beurteilt, da stets nach dem IPR des Forums angeknüpft wird.740 Die Gleichbehandlung der präjudiziellen Rechtsverhältnisse – unabhängig vom Kontext, in dem die Vorfrage auftritt – führt zu internem Entscheidungsklang innerhalb einer Rechtsordnung.741 Bei der unselbständigen Anknüpfung wird die Vorfrage 736  So fehlt eine ausdrückliche Regelung bezüglich des Umgangs mit Vorfragen bislang im europäischen IPR, vgl. etwa Bariatti in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 57 (60); Hellner in Dutta/Herrler, EuErbVO, 107 Rn.  10; Nehne, Methodik und allgemeine Lehren, 213 ff.; die in Deutschland zum europäischen Kollisionsrecht herrschende Meinung (vgl. etwa BGH NJW-RR 2015, 302 [303 f.]; v. Hein IPR I Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  188 m. w. N.; Hellner in Dutta/Herrler, EuErbVO, 107 Rn.  10; Solomon, FS Spellenberg 2010, 355 [356 ff.]; a. A.: HK-BGB/Dörner EGBGB, Vor Art.  3–6 Rn.  25; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 Rn.  51; Wengler RabelsZ 8 [1934], 148 [188 ff.]) präferiert eine selbständige Anknüpfung von Vorfragen, wobei etwa Ausnahmen dann zugelassen werden, wenn im Einzelfall das Interesse am internationalen Entscheidungseinklang überwiegt (vgl. BeckOK/Lorenz EGBGB, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  72; Palandt/Thorn [IPR] EGBGB, Einl v 3 Rn.  29 m. w. N.). 737  Bariatti in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 57 (58); ­Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  1 Rn.  4; bereits zum EuErbVO-E vgl. S. Godechot-Patris in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 17 (28 f.). 738 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.   20 EuErbVO Rn.  50; bereits zum ­EuErbVO-E vgl. S. Godechot-Patris in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 17 (28 f.). 739  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 196; MüKoBGB/v. Hein IPR I, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  162. 740 MüKoBGB/v. Hein IPR I, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.   162, 184. 741 BeckOK/Lorenz EGBGB, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  72.

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nach dem Kollisionsrecht des ausländischen Staats angeknüpft, dessen Recht auf die Hauptfrage anwendbar ist, m. a. W. nach dem Kollisionsrecht der lex causae.742 Die unselbständige Vorfragenanknüpfung zeitigt internationalen Entscheidungseinklang.743 Wird unselbständig nach dem Kollisionsrecht der lex causae angeknüpft, kommt dasselbe Kollisionsrecht und damit letztendlich auch dasselbe materielle Recht zur Anwendung, das auch die Gerichte des Staats der lex causae anwenden würden, wenn dort das Forum läge.744 Die EuErbVO trifft keine Entscheidung zugunsten einer selbständigen oder unselbständigen Vorfragenanknüpfung.745 So mögen Art.  59 Abs.  4 EuErbVO und ErwG 64 EuErbVO Vorfragen zwar ausdrücklich erwähnen, dies jedoch nur in dem Zusammenhang, dass das erkennende Gericht international zuständig sein soll, wenn eine Vorfrage mit Blick auf ein Rechtsverhältnis in Erbsachen zu prüfen ist, das in einer öffentlichen Urkunde niedergelegt ist. Daneben soll ausweislich ErwG 41 EuErbVO die Bestimmung der Staatsangehörigkeit als Vorfrage behandelt werden und ­außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der EuErbVO liegen. Eine Aussage zur Behandlung von Vorfragen wird jedoch auch hier nicht getroffen.746 Art.  67 Abs.  1 EuErbVO vermag zur Beantwortung der Frage nach einer unselbständigen oder selbständigen Anknüpfung ebenfalls nichts beizutragen, regelt er doch die Anwendung des jeweiligen zur Entscheidung berufenen Statuts als Ergebnis der Vorfragenanknüpfung und ist damit einschlägig sowohl für die selbständige als auch die selbständige Anknüpfung.747 Ob die Gerichte das zur Beantwortung der Vorfrage anwendbare Recht nach dem Kollisionsrecht der lex causae (d. h. unselbständig) oder nach der lex fori (d. h. selbständig) bestimmen müssen, lässt der Wortlaut der EuErbVO folglich offen.748 Einige Vertreter des Schrifttums wollen Vorfragen im Rahmen der ­Eu­ErbVO selbständig nach dem Kollisionsrecht der lex fori anknüpfen.749 742 MüKoBGB/v.

Hein IPR I, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn.  163. Solomon, FS Spellenberg 2010, 355 (356). 744  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 197. 745  Bariatti in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 57 (60); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  50. 746 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  50. 747  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 565 (dort Fn.  2733). 748 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  50. 749  Bariatti in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 57 (62 f.); Buschbaum, FS Martiny 2014, 259 (274 f.); Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 392 ff.; Deixler-Hübner/Schauer/Mankowski EuErbVO, Art.  1 Rn.  6; Nordmeier ZEV 2012, 513 (515); Zwirlein JuS 2015, 981 (984). 743 

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Dies gründe zunächst auf dem Umstand, dass die EuErbVO die Bereiche des Art.  1 Abs.  2 EuErbVO vollständig aus dem sachlichen Anwendungs­ bereich der EuErbVO ausklammert.750 Im Übrigen nehme Art.  67 Abs.  1 EuErbVO bzw. Art.  69 Abs.  2 EuErbVO ausdrücklich auf das „auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder [jedes] andere auf einen spezifischen Sachverhalt [anzuwendende] Recht“ Bezug.751 Das ausziselierte System von Kollisionsnormen in den Mitgliedstaaten dürfe nicht allein aus Interessen eines internationalen Entscheidungseinklangs unan­gewendet bleiben.752 Für die selbständige Anknüpfung spreche zudem der interne Entscheidungseinklang.753 Schließlich führe eine unselbständige Anknüpfung von Vorfragen zu einer Umgehung kodifizierter Kollisionsnormen, indem ein eigenes kollisionsrechtliches Anknüpfungssystem geschaffen werde.754 Indes bestehe für eine derartige Rechtsfortbildung keine Regelungslücke, beschränkten doch die existierenden Kollisionsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten ihre Anwendbarkeit nicht auf die bloße Beantwortung der Hauptfrage.755 Andere sind hingegen der Auffassung, Vorfragen seien im Rahmen der EuErbVO unselbständig nach dem Kollisionsrecht der lex causae anzuknüpfen.756 Gewichtiges Argument für die unselbständige Anknüpfung sei zunächst der internationale Entscheidungseinklang.757 Angeführt wird ferner die Schaffung des Rechtsinstituts eines ENZ durch die EuErbVO. Die Schaffung eines supranationalen Nachlasszeugnisses ergebe nur dann Sinn, wenn die erbrechtlich relevanten Vorfragen unselbständig angeknüpft würden,758 anderenfalls würden sich für das ENZ kaum auflösbare Friktionen 750  Bariatti in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 57 (62); Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 392 ff.; Deixler-Hübner/Schauer/Mankowski ­EuErbVO, Art.  1 Rn.  6. 751  Bariatti in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 57 (62). 752  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 392. 753  Bariatti in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 57 (63); Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 392 ff. 754  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 393 f. 755  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 393 f. 756  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  46; Dörner ZEV 2012, 505 (513); Döbereiner MittBayNot 2013, 358 (361); MüKo­ BGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  50; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (765 ff.); Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 567 ff.; Palandt/ Thorn EuErbVO, Art.  1 Rn.  5; Weber DNotZ 2016, 424 (436 f.). 757  Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  46; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  50; Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  1 Rn.  5. 758 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 Rn.  51.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

ergeben.759 Eine einheitliche Bewertung der Rechtslage in sämtlichen Mitgliedstaaten der EuErbVO, vermöge Widersprüche zwischen den Nachlasszeugnissen zu vermeiden und so Rechtssicherheit herzustellen. Vor dem Hintergrund der unmittelbaren Geltung des ENZ in den Mitgliedstaaten der EuErbVO ist im Vergleich zu den bisherigen Verordnungen, die lediglich auf die Kollisionsrechtsvereinheitlichung abzielen, die Gefahr von Widersprüchen besonders immanent.760 In den bisherigen Verordnungen mögen zwar einander widersprechende gerichtliche Entscheidungen drohen; allerdings wird deren parallele Geltung in demselben Staat regelmäßig durch die Versagung der Urteilsanerkennung entschärft.761 Mit Blick auf die parallele Geltung von ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen sind vergleichbare Versagungsgründe jedoch nicht vorgesehen.762 Bei selbständiger Vorfrageanknüpfung bestehe ferner die Gefahr der Entscheidungsdisharmonie, dass etwa das Bestehen einer Ehe763 oder eines Eltern-Kind-Verhältnisses,764 die Wirksamkeit einer Adoption765 oder einer Todeserklärung766 möglicherweise in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beurteilt werden könnte.767 Potenziert werde diese Gefahr dadurch, dass die Wirkungen des ENZ durch die kollisionsrechtlichen Unterschiede bei der Vorfragen­ anknüpfung nicht berührt werden;768 das ENZ entfaltet die Wirkungen des Art.  69 EuErbVO unabhängig von dem zugrunde gelegten Recht.769 (1) Stellungnahme – unselbständige Vorfragenanknüpfung Die praktische Relevanz der Frage nach welchem Kollisionsrecht die er­ neute Anknüpfung vorzunehmen ist, ist im Rahmen der EuErbVO zwar eingeschränkt, da lex fori und lex causae aufgrund des grundsätzlich durch die EuErbVO hergestellten Gleichlaufs von forum und ius meistens identisch sind.770 Dies gilt für das ENZ und die gerichtlichen MNZ. Obgleich für diese Nachlasszeugnisse die praktische Relevanz gering sein mag, gebie759 Palandt/Thorn

EuErbVO, Art.  1 Rn.  5. Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 566. 761  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 566. 762  Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 566. 763  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  62 Rn.  2. 764  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  62 Rn.  2. 765  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  62 Rn.  2. 766  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  62 Rn.  2. 767  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  62 Rn.  2. 768  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  62 Rn.  2. 769  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.  62 Rn.  2. 770 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.   20 Rn.  50; Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 215. 760 

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tet bereits die Rechtssicherheit eine Auseinandersetzung mit der Streitfrage. Dies gilt umso mehr angesichts des Umstands, dass die nichtgerichtlichen Ausstellungsstellen von MNZ an die Art.  4 ff. EuErbVO nicht gebunden sind. Im Rahmen der EuErbVO sprechen die besseren Argumente für eine unselbständige Vorfragenanknüpfung nach der lex causae. (a) Keine implizite Entscheidung des europäischen Verordnungsgebers zugunsten einer selbständigen Vorfragenanknüpfung Zwar schließt Art.  1 Abs.  2 EuErbVO bestimmte Materien, die als Vorfrage relevant sein können, aus dem sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO aus. Hieraus kann indes keine implizite Entscheidung des europäischen Verordnungsgebers für eine selbständige Vorfragenanknüpfung abgeleitet werden.771 Die Kommission hatte im Grünbuch Erb- und Testamentsrecht die Frage aufgeworfen, wie Vorfragen, die sich im Rahmen der EuErbVO stellen, anzuknüpfen sind.772 Während das Europäische Parlament nahe­ legte, die Vorfrage dem Recht zu unterwerfen, das durch die maßgebenden Kollisionsnormen des auf den Erbfall anwendbaren Rechts bestimmt wird,773 sprachen sich die Mitgliedstaaten in deren Stellungnahmen vermehrt für eine selbständige Anknüpfung aus.774 Obwohl die Vorfragenproblematik ausdrücklich thematisiert wurde, konnte im Entstehungsprozess der ­EuErbVO keine einheitliche Linie gefunden werden. Daher verbietet sich die Annahme einer impliziten Entscheidung zugunsten einer selbständigen Vorfragenanknüpfung aufgrund des Art.  1 Abs.  2 EuErbVO.775 Der Ausschluss bestimmter Materien aus dem sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO bedeutet zudem gerade nicht, dass das Kollisionsrecht der lex causae nicht herangezogen werden darf.776 So besteht für einige im Rahmen der EuErbVO relevante Vorfragen – etwa güterrechtliche Vorfragen – mit der EuGüVO/EuPartVO bereits vereinheitlichtes Kollisionsrecht, damit wird das Recht zwar nicht durch die EuErbVO, die auf die Hauptfrage anwendbar ist, aber eben durch andere europäische Verordnungen vereinheitlicht. Die Ratio der Regelung des Art.  1 Abs.  2 EuErbVO liegt vornehmlich in der Abgrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs der 771 

Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 215. Grünbuch Erb- und Testamentsrecht v. 1.3.2005, KOM (2005) 65 endg., 8 (Frage 13). 773  MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 Rn.  50. 774  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 215. 775  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 215 f. 776 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 Rn.  51. 772 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

EuErbVO zu dem anderer europäischer Verordnungen auf dem Gebiet des IPR.777 So sind die europäischen Verordnungen als komplementär aufzu­ fassen dergestalt, dass zwischen den sachlichen Anwendungsbereichen der Verordnungen weder Überschneidungsbereiche noch Regelungslücken bestehen.778 (b) Effet utile des ENZ Der unselbständigen Vorfrageanknüpfung wird zurecht entgegengehalten, dass dadurch der interne Entscheidungseinklang leiden würde.779 Die Nachteile einer unselbständigen Vorfragenanknüpfung sind jedoch besonders mit Blick auf den effet utile des ENZ hinzunehmen.780 Alleinstellungsmerkmal der EuErbVO ist die Einführung eines supranationalen ENZ. Ratio des ENZ ist die zügige und effiziente Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle. Diese Funktion könnte das ENZ indes nur schwer erfüllen, wenn jeder Mitgliedstaat bezüglich der erbrechtlichen Rechtsstellung zu unterschied­lichen Ergebnissen käme. Die Akzeptanz des ENZ und damit dessen effet utile würden erheblich unter einer selbständigen Vorfrageanknüpfung leiden.781 Wäre die im ENZ ausgewiesene erbrechtliche Berechtigung nicht aus Sicht aller mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einheitlich zu beantworten, so würde ein ENZ grenzüberschreitend – ohne dass es dafür eines besonderen Anerkennungsverfahrens bedarf – seine Wirkungen entfalten, auch wenn es aus Sicht anderer Mitgliedstaaten inhaltlich unrichtig wäre.782 So entspräche die durch das ENZ ausgewiesene Rechtslage möglicherweise nur der Rechtslage im Ausstellungsstaat, während das ENZ aus Sicht des Verwendungsmitgliedstaats – aus Rechtsgründen – inhaltlich unrichtig wäre.783 Unsicherheiten ergeben sich in diesem Zusammenhang v. a. hinsichtlich der Gutglaubenswirkungen des ENZ – genauer, dessen beglaubigten Abschriften.784 Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO schützen allein den red­ lichen Dritten. Der Gutglaubensschutz wird einem Dritten versagt, wenn er Kenntnis von der Unrichtigkeit des ENZ hat oder ihm diesbezüglich grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden kann. Der Dritte weiß nicht, 777 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  17. v. 6.10.2015, Matoušková, Rs.   C-404/14, ECLI:EU:C:2015:653 Rn.   34; ­Baldus in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  1 Rn.  40. 779  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 392 f. 780 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 Rn.  51. 781  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 231. 782 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  51. 783 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  51. 784 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  51. 778 EuGH

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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vor welchem mitgliedstaatlichen Gericht die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis relevant wird und damit nach welchem Recht etwaige für die Richtigkeit bzw. die Unrichtigkeit des ENZ relevante Vorfragen beantwortet werden.785 Folglich könnten Dritte vor dem Hintergrund einer selbständigen Vorfragenanknüpfung veranlasst werden, gerade nicht auf das ENZ zu vertrauen.786 Eine einheitliche Bestimmung der erbrechtlichen Berechtigung lässt sich allein durch unselbständige Vorfragenanknüpfung realisieren.787 (c) Vermeidung divergierender Nachlasszeugnisse Bei einer selbständigen Vorfragenanknüpfung besteht die Möglichkeit, dass sich die Inhalte von ENZ und einem MNZ widersprechen. Zu einer unterschiedlichen Vorfragenentscheidung aufgrund selbständiger Vorfragenanknüpfung kann es insbesondere bei parallelen Ausstellungsverfahren von ENZ und nichtgerichtlichen MNZ kommen. Im Falle paralleler Ausstellungsverfahren von ENZ und gerichtlichen MNZ ist eine abweichende Vorfragenentscheidung indes nur denkbar, wenn eine der Ausstellungsstellen ihre internationale Zuständigkeit fehlerhaft angenommen hat. Art.  1 Abs.  1 lit.  a EuErbVO bestimmt eine Bereichsausnahme für den Personenstand sowie familienrechtliche Verhältnisse und Rechtsverhältnisse, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht vergleichbare Wirkungen entfalten. Es handelt sich hierbei um für das Bestehen eines gesetzlichen Erbrechts vorgreifliche Fragen,788 die auch selbst als Hauptfrage auftreten können und damit kollisionsrechtlich nicht als Teilfrage, sondern als Vorfrage einzuordnen sind.789 Von der Ausnahmeregelung des Art.  1 Abs.  1 lit.  a EuErbVO umfasst sind etwa Fragen der Schließung bzw. des Be­stehens einer Ehe oder Lebenspartnerschaft,790 deren Aufhebung,791 der Abstammung792 sowie der Adoption.793 785 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  51. EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  51. 787 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  51. 788 Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  1 Rn.  5. 789  Umfassend und instruktiv zur begrifflichen Abgrenzung der Teilfrage von der Vorfrage auch im europäischen Kollisionsrecht: Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 192–195. 790  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.   62 Rn.   2; ­Palandt/­Thorn EuErbVO, Art.  1 Rn.  5. 791 Palandt/Thorn EuErbVO, Art.  1 Rn.  5. 792  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.   62 Rn.   2; Palandt/­Thorn EuErbVO, Art.  1 Rn.  5. 793  Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, EuErbVO, Art.   62 Rn.   2; Palandt/­Thorn EuErbVO, Art.  1 Rn.  5. 786 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Exemplarisch sei die Möglichkeit einer Divergenz zwischen ENZ und MNZ aufgrund selbständiger Vorfrageentscheidung hinsichtlich einer erbrechtlichen Beteiligung überlebender Lebenspartner im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge aufgezeigt. Zwar unterwirft Art.   ­ 23 Abs.   2 lit.   b ­EuErbVO auch die Nachlassansprüche des überlebenden eingetragenen Lebenspartners dem Erbstatut. Das Bestehen einer Nachlassbeteiligung des (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartners hängt jedoch von der Vorfrage der Wirksamkeit der Lebenspartnerschaft ab. Bei selbständiger Anknüpfung dieser Vorfrage nach dem Kollisionsrecht der lex fori wird sie im Verfahren zur Ausstellung eines ENZ regelmäßig nach dem Kollisionsrecht des Staats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes bestimmt. Die objektive Regelanknüpfung des Art.  4 EuErbVO ist freilich zur Bestimmung des Forums bei nichtgerichtlichen MNZ nicht maßgeblich.794 Knüpft nun das Kollisionsrecht des Staats des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers an das Registerstatut an, während hinsichtlich des MNZ das Kollisionsrecht der lex fori an das Heimatrecht des jeweiligen Partners anknüpft, können ENZ und MNZ divergieren. Sieht etwa das Heimatrecht des jeweiligen Partners die Begründung einer Lebenspartnerschaft nicht vor, müsste hinsichtlich der Ausstellung des MNZ das Bestehen der Lebenspartnerschaft und in der Konsequenz erbrechtliche Ansprüche des Lebenspartners verneint werden.795 Umgekehrt kann freilich auch das nichtgericht­liche MNZ eine erbrechtliche Beteiligung des überlebenden Lebenspartners ausweisen, während das ENZ diesen nicht berücksichtigt. (d) Internationaler Entscheidungseinklang als wesentliches Anliegen der EuErbVO Gegen eine unselbständige Vorfrageanknüpfung wird grundsätzlich zu Recht angebracht, dass der internationale Entscheidungseinklang gerade keinen Selbstzweck darstelle und auch niemals völlig erreicht werden könne.796 Das ausziselierte System von Kollisionsnormen in den Mitgliedstaaten darf also nicht unangewendet bleiben, nur um dem Ordnungsinteresse eines internationalen Entscheidungseinklangs gerecht zu werden. Im Rahmen der EuErbVO erscheint jedoch eine andere Bewertung geboten. Wesentliches Anliegen des europäischen Verordnungsgebers bei der Schaffung der EuErbVO war gerade die Herstellung eines internationalen

794 

EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  68. Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 419 f. 796 NK-NachfolgeR/Köhler EuErbVO, Vor Art.  20–38: Einleitung IPR Rn.  9. 795 

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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Entscheidungseinklangs.797 Im Rahmen der EuErbVO ist folglich dem internationalen Entscheidungseinklang der Vorrang gegenüber dem inneren Entscheidungseinklang einzuräumen, was für eine unselbständige Vorfragenanknüpfung spricht. (e) (Hypothetischer) Wille des Erblassers Auch die in der EuErbVO vorgesehene Rechtswahlmöglichkeit streitet für eine unselbständige Vorfragenanknüpfung. Mit der Möglichkeit einer professio iuris nach Art.  22 EuErbVO trägt der europäische Verordnungsgeber dem Interesse des Erblassers an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit Rechnung.798 Im Willen des Erblassers manifestiert sich die Testierfreiheit als Aspekt des in Art.  17 Abs.  1 EuGRCh geschützten Eigentumsrechts.799 Vor diesem Hintergrund ist im Falle einer Rechtswahl des Erblassers anzunehmen, dass der Erblasser seinen Willen möglichst umfassend verwirklicht sehen möchte. Hat der Erblasser eine Rechtswahl getroffen, ist folglich anzunehmen, dass es seinem Willen entspricht, dass das gewählte Recht nicht nur auf die Haupt-, sondern auch die Vorfrage anwendbar sein soll.800 Hingegen kann nicht angenommen werden, dass sich der Erblasser des Umstands bewusst ist, dass das gewählte Recht allein auf die Hauptfrage anwendbar ist, während Vorfragen nach dem selbständigen Kollisionsrecht der lex fori angeknüpft werden könnten, auf das er durch die Rechtswahl keinen Einfluss nehmen könnte.801 Gleichermaßen spricht der mutmaßliche Wille des Erblassers für eine unselbständige Vorfragenanknüpfung im Rahmen der EuErbVO.802 Auswirkungen hat dies hinsichtlich der Errichtung eines Testaments: Nennt der Erblasser seinen Ehegatten namentlich, stellt sich das Vorfragenproblem nicht. Setzt er hingegen lediglich seinen Ehegatten als Erben ein oder belässt es der Erblasser bei der gesetzlichen Erbfolge, so könnte sich aufgrund selbständiger Vorfragenanknüpfung ein divergierendes Ergebnis zur ersten geschilderten Situation ergeben.803 797 NK-NachfolgeR/Köhler EuErbVO, Vor Art.  20–38: Einleitung IPR Rn.  9; in diese Richtung auch MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  51; Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 225. 798 KOM (2009), 154 endg., 7; Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.  22 Nr.  8; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  22 Rn.  2. 799  Jarass GrCh, EU-Grundrechte-Charta Art.  17 Rn.  14. 800  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 228. 801  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 228. 802  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 231. 803  Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 231.

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Die EuErbVO ist ihrer Grundkonzeption nach auf eine den Willen des Erblassers und den Interessen der Beteiligten Rechnung tragende einheit­ liche Regelung aller Fragen im Zusammenhang mit einem grenzüberschreitenden Erbfall ausgerichtet. Vorfragen im Rahmen der EuErbVO sind folglich unselbständig anzuknüpfen. Zu befragen ist demnach das Kollisionsrecht der lex causae, das für alle Mitgliedstaaten identisch ist, da mit der EuErbVO für die Hauptfrage vereinheitlichtes Kollisionsrecht besteht. (2) Zwischenrésumé Die Diskussion um eine selbständige oder unselbständige Vorfragenanknüp­ fung im Erbstatut fügt sich nahtlos ein in die langanhaltende Diskussion zu dieser Streitfrage auf Metaebene. Die Nachteile einer unselbständigen Vorfragenanknüpfung sind im Anwendungsbereich der EuErbVO nicht zuletzt aufgrund des Bedürfnisses der Sicherstellung der praktischen Wirksamkeit des ENZ als supranationales europäisches Nachweisinstrument hin­zuneh­men. bb) Art.  1 Abs.  2 lit.  a EuErbVO Werden diese Vorfragen – wie in dieser Untersuchung gefordert804 – unselbständig an das Kollisionsrecht der lex causae angeknüpft, divergieren die Inhalte von ENZ und MNZ insoweit nicht. cc) Art.  1 Abs.  2 lit.  d EuErbVO Im Zeitraum zwischen Geltungsbeginn der EuErbVO und dem der ­Eu­GüVO/­EuPartVO kann auf ein vereinheitlichtes Güterkollisionsrecht nicht rekurriert werden. Im Erbstatut ist indes eine unselbständige Vor­ fragen­anknüpfung vorzunehmen.805 Insoweit divergieren die Inhalte von ENZ und MNZ nicht. Nach Geltungsbeginn der EuGüVO/EuPartVO sind güterrechtliche Vorfragen ebenfalls nicht ausnahmsweise selbständig anzuknüpfen, obwohl die EuGüVO/EuPartVO das für die Beantwortung einer in deren Anwendungsbereich fallenden Vorfrage einschlägige Kollisionsrecht harmonisiert. Denn die EuGüVO/EuPartVO gilt als Maßnahme der verstärkten Zusammenarbeit nicht für sämtliche Mitgliedstaaten, die auch Mitgliedstaat der EuErbVO sind.806 Die EuGüVO/EuPartVO schafft damit für die Mitgliedstaaten der EuErbVO keine einheitlichen Kollisionsnormen. 804 

Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 4. b) aa). Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 4. b) aa). 806  So sind Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien 805 

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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5. Vorrang mitgliedstaatlicher Staatsverträge, Art.  75 Abs.  1 EuErbVO Der Anwendungsvorrang des Art.  75 EuErbVO kann bewirken, dass Mitgliedstaaten unterschiedliche Erbstatute ermitteln, sodass u. U. materiell-­ rechtlich divergierende Nachlasszeugnisse ausgestellt werden.807 Nach Art.  75 Abs.  1 UAbs.  1 lässt die EuErbVO die Anwendung internationaler Übereinkommen unberührt, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören und die Bereiche betreffen, die in der EuErbVO geregelt sind. Art.  75 EuErbVO ist Rangkollisionsnorm, die bestimmt, ob und inwieweit bestehende internationale Übereinkommen an denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind, Anwendungsvorrang gegenüber der EuErbVO entfalten.808 Anwendungsvorrang genießen multilaterale wie auch bilaterale Übereinkommen indes nur, wenn an ihnen ein oder mehrere Mitgliedstaaten und mindestens ein Drittstaat beteiligt sind (vgl. Art.  75 Abs.  1 i. V. m. Abs.  2 EuErbVO).809 Der Anwendungsvorrang erstreckt sich auch auf die Anwendung solcher Abkommen unter den Mitgliedstaaten.810 So wenden die Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des HTestformÜ sind, „in Bezug auf die Formgültigkeit von Testamenten und gemeinschaftlichen Testamenten“ anstelle des Art.  27 EuErbVO weiterhin die Bestimmungen des HTestformÜ an (vgl. Art.  75 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO). Übereinkommen, die die Mitgliedstaaten ausschließlich unter sich geschlossen haben, sind gegenüber der EuErbVO nicht vorrangig anzuwenden (vgl. Art.  75 Abs.  2 EuErbVO). Für das Nordische Nachlassübereinkommen gilt die Sonderregelung des Art.  75 Abs.  3 EuErbVO.811 zwar Mitgliedstaaten i. S. d. EuErbVO, nehmen jedoch nicht an der Verstärkten Zusammenarbeit durch die EuGüVO/EuPartVO teil, vgl. die Antragsteller des Beschlusses (EU) 2016/954 des Rates zur Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Voll­ streckung von Entscheidungen in Fragen der Güterstände internationaler Paare (eheliche Gü­terstände und vermögensrechtliche Folgen eingetragener Partnerschaften) vom 9.6.­ 2016, ABlEU v. 16.6.2016, L 159/16. 807  Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 249; J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (97). 808  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  1. 809  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  2. 810  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  2. 811  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  2.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Damit ein Anwendungsvorrang eines multilateralen oder bilateralen Übereinkommens greift, muss der sachliche, räumliche und zeitliche Anwendungsbereich der EuErbVO berührt sein.812 Bereiche, die in der ­Eu­ErbVO geregelt sind, sind i. S. d. Art.  75 Abs.  1 EuErbVO in sachlicher ­Hinsicht betroffen, wenn ein Übereinkommen eigene Zuständigkeitsregelungen, Kollisionsregelungen oder eigene Anerkennungs- und Vollstreckungsregelungen enthält.813 Mit Blick auf eine Divergenz zwischen ENZ und den MNZ sind diejenigen Übereinkommen relevant, die eigene Zuständigkeits- und Kollisionsregeln enthalten. Die Bindung des Ausstellungsstaats des ENZ oder des MNZ an ein vorrangig anzuwendendes Übereinkommen kann zu einer abweichenden internationalen Zuständigkeit und insbesondere zur Anwendung anderer Kollisionsregeln führen, als jener die die EuErbVO etabliert. a) Vorrangige Übereinkommen Deutschlands Deutschland ist zunächst Vertragsstaat des multilateralen HTestformÜ.814 Deutschland hat zudem auf zuständigkeits- und/oder kollisionsrechtlicher Ebene relevante bilaterale Abkommen mit Drittstaaten geschlossen. aa) Deutsch-persisches Niederlassungsabkommen Art.   8 Abs.   3 S.   1 des deutsch-persischen/iranischen Niederlassungsab­ kommens vom 17.2.1929815 i. V. m. dessen Schlussprotokoll verdrängt die Art.  20 ff. EuErbVO. Nach Art.  8 Abs.  3 S.  1 i. V. m. dem Schlussprotokoll zu Art.  8 Abs.  3 wird das Erbstatut an die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft; die Kollisionsnorm ist von deutschen Gerichten nur anwendbar, wenn der Erblasser die iranische Staatsangehörigkeit besitzt.816 Erb­ rechtliche Fragen werden nach Art.  8 Abs.  3 S.  1 des Abkommens umfassend an das Heimatrecht des Erblassers angeknüpft.817 Das nach dem Abkommen bestimmte Recht erfasst auch Nachlassgegenstände, die nicht in Deutschland oder im Iran befindlich sind; der räumliche Geltungsbereich des Ab812  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  3. 813  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  3. 814  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  11. 815  RGBl. 1930 II, 1002. 816  MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  10. 817  MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  11.

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kommens ist also nicht an die Belegenheit der Nachlassgegenstände geknüpft.818 Anders als im Rahmen der EuErbVO ist eine Rechtswahl nicht möglich.819 Nicht vom Niederlassungsabkommen erfasst wird indes die Formgültigkeit erbrechtlicher Rechtsgeschäfte; das anwendbare Recht bestimmt sich insofern nach dem HTestformÜ sowie Art.  27 f. EuErbVO.820 Für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit sind die Art.  4 ff. ­EuErbVO maßgeblich.821 bb) Deutsch-türkisches Nachlassabkommen Die Bestimmungen des deutsch-türkischen Nachlassabkommens vom 28.5.1929822 verdrängen die Bestimmungen der EuErbVO fast vollständig.823 Das Abkommen sieht – anders als die EuErbVO – eine zuständigkeits- sowie kollisionsrechtliche Nachlassspaltung vor und knüpft wesentlich an die Staatsangehörigkeit an.824 Nach §  14 Abs.  1 des Nachlassabkommens wird hinsichtlich des beweg­ lichen Nachlassvermögens an die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft. Hinsichtlich des unbeweglichen Nachlassvermögens ist hingegen das Recht des Belegenheitsstaats maßgeblich (vgl. §  14 Abs.  2 des Nachlassabkommens). Diese Kollisionsnormen umfassen auch in Drittstaaten belegenes Vermögen.825 Die Qualifikation der Nachlassgegenstände richtet sich nach §  12 Abs.  3 des Nachlassabkommens nach dem Recht des jeweiligen Belegenheitsortes. Jenseits des Anwendungsbereichs des HTestformÜ findet §  16 des Nachlassabkommens Anwendung, allerdings nur soweit es sich um Verfügungen von Todes wegen in diesem Sinne handelt.826 Teilweise können mithin die Art.  27 f. EuErbVO Anwendung finden.827 818  819 

MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  11. Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75

Rn.  5. 820  MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  11. 821  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  5. 822  Wortlaut des deutsch-türkischen Nachlassabkommens vom 28.5.1929 abgedruckt in BeckOK/Lorenz EGBGB, Art.  25 a. F. Rn.  10. 823  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  6; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  206. 824  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  6. 825  MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  21. 826  MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  23. 827  MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  23.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Die Regelungen des Nachlassabkommens zur internationalen Zuständigkeit verdrängen die Art.  4 ff. EuErbVO in ihrem jeweiligen Anwendungs­ bereich.828 Nach §  15 S.  1 des Nachlassabkommens sind hinsichtlich des ­beweglichen Nachlassvermögens die Gerichte des Heimatsstaats des Erb­ lassers ausschließlich zuständig, hinsichtlich des unbeweglichen Nachlassvermögens die Gerichte des Belegenheitsstaats.829 cc) Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag Nach Art.  28 Abs.  3 des deutsch-sowjetischen Konsularvertrags vom 25.4.­ 1958830 werden die unbeweglichen Nachlassgegenstände der lex rei sitae ­unterstellt. Der deutsch-sowjetische Konsularvertrag findet – anders als das deutsch-persische Niederlassungsabkommen und das deutsch-türkische Nachlassabkommen – keine Anwendung auf drittstaatliche unbewegliche Nachlassgegenstände.831 Bewegliche Nachlassgegenstände sind vom An­ wen­dungsbereich des Konsularvertrags nicht erfasst.832 Insoweit sind folglich die Bestimmungen der EuErbVO maßgeblich. Konsequenz ist eine kolli­sions­rechtliche Nachlassspaltung.833 Nicht vom Konsularvertrag erfasst ist zudem die Formgültigkeit erbrechtlicher Rechtsgeschäfte; das anwendbare Recht bestimmt sich insofern nach dem HTestformÜ sowie Art.  27 f. ­Eu­ErbVO.834 b) Vorrangige Übereinkommen Frankreichs Das HTestformÜ ist in Frankreich seit 19.11.1967 in Kraft.835 Frankreich ist zudem Vertragsstaat des Baseler Übereinkommens über die Errichtung einer Organisation zur Registrierung von Testamenten vom 16.5.1972836 und des Washingtoner UN-Übereinkommens über ein einheitliches Recht der Form eines internationalen Testaments vom 26.10.1973837.838 828 

MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  26. MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  26. 830  BGBl. 1959 II, 232. 831  MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  38. 832  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  7; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  210. 833  Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  75 Rn.  7; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  2 Rn.  210. 834  MüKo BGB/Dutta EuErbVO Art.  75 Rn.  11. 835  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  2. 836  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  2. 837  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  2. 838  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  2. 829 

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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In der Literatur wird angenommen, dass keine weiteren hinsichtlich Art.  75 EuErbVO relevanten bilaterale Übereinkommen Frankreichs bestünden.839 Indes ist die Fortgeltung bilateraler Übereinkommen Frankreichs mit Tunesien, Algerien, unterschiedlichen afrikanischen Staaten sowie Laos teilweise unklar.840 c) Bindung des Ausstellungsstaats des ENZ an ein vorrangiges Übereinkommen Fraglich ist zunächst, ob und gegebenenfalls wie sich die Bindung der zur Ausstellung eines ENZ international zuständigen Ausstellungsbehörde an ein vorrangiges Übereinkommen auf die Ausstellung und den Inhalt des ENZ auswirkt. aa) Lösungsansätze Eine erste Auffassung lehnt die Abbildung der Kollisionsregeln vorrangiger bilateraler Übereinkommen nach Art.  75 Abs.  1 EuErbVO des Ausstellungs­ mitgliedstaats eines ENZ ab.841 Dies wird damit begründet, dass das ENZ dann nicht mehr die Erbfolge unter der EuErbVO wiedergäbe, sondern die Rechtsfolgen der vorrangigen – allerdings lediglich bilateralen Abkommen  – auf die Ebene der für sämtliche Mitgliedstaaten geltenden Eu­ErbVO heben würde.842 Die von der EuErbVO abweichende Bestimmung des Erbstatuts könne daher lediglich in einem MNZ ausgewiesen werden, der neben dem ENZ erteilt werde.843 Eine zweite Auffassung schlägt vor, das ENZ unter Anwendung des nach der EuErbVO berufenen Rechts auszustellen, das jedoch den im Ausstellungsmitgliedstaat belegenen Nachlass ausdrücklich ausnimmt.844 Dieses Vorgehen würde vermeiden, dass sich die erbrechtlich Berechtigten im Verwendungsstaat (der – anders als der Ausstellungsmitgliedstaat – nicht an ein nach Art.  75 Abs.  1 EuErbVO vorrangiges Übereinkommen gebunden ist) mit einem ENZ legitimieren, dass sich zwar aus Sicht des Ausstellungsmitgliedstaats, nicht aber aus Sicht des Verwendungsmitgliedstaats als unrichtig darstellt (jedenfalls hinsichtlich der im ENZ enthaltenen Angaben zum

839 

Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  2. Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  2 (dort Fn.  2). 841  Lehmann ZEV 2015, 138 (140). 842  Lehmann ZEV 2015, 138 (140). 843  Lehmann ZEV 2015, 138 (140). 844  Süß in Dutta/Herrler, EuErbVO, 181 Rn.  24. 840 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Erbstatut; ggf. sogar hinsichtlich der Angaben zur Erbfolge).845 Für den im Ausstellungsmitgliedstaat belegenen Nachlass könne gegebenenfalls ein auf das im Inland belegene Nachlassvermögen beschränktes MNZ ausgestellt werden.846 Prämisse dieses Ansatzes ist jedoch, dass der Anwendungsbereich der in den vorrangigen Übereinkommen enthaltenen erbrechtlichen Kollisionsnormen in Drittstaaten belegenes Nachlassvermögen nicht erfasse.847 Konsequenz dieses Ansatzes ist folglich eine kollisionsrechtliche Nachlassspaltung. Ferner müsste die Ausstellungsbehörde strenggenommen stets prüfen, ob nicht nur der eigene Mitgliedstaat, sondern auch einer der Verwendungsmitgliedstaaten durch das in Rede stehende vorrangige Übereinkommen gebunden wäre.848 Eine dritte Auffassung regt ferner an, dass die durch ein multilaterales oder bilaterales Übereinkommen gebundene Ausstellungsbehörde das ENZ so ausstellen soll, dass dieses sowohl die Rechtsnachfolge für innerhalb als auch außerhalb des Ausstellungsstaats belegenes Nachlassvermögen ausweist.849 Zuletzt wird vertreten, dass das ENZ selbst dann in vollem Umfang ausgestellt werden müsse, wenn vorrangige Übereinkommen i. S. d. Art.  75 ­EuErbVO abweichende Zuständigkeits- und Kollisionsregeln enthalten.850 Durch die Vorschriften eines vorrangigen Übereinkommens unberührt ­blieben allein diejenigen Regelungen der EuErbVO, zu denen vorrangige Staatsverträge entweder keine Regelungen enthalten oder die nicht mit der ­EuErbVO kollidieren.851 Folglich schlössen Staatsverträge mit von der ­EuErbVO abweichenden Zuständigkeits- und/oder Kollisionsregeln zwar den Erlass und die Wirkungen eines ENZ nicht aus, sie könnten allerdings erhebliche Friktionen erzeugen.852 Hinsichtlich der Art.  4 ff. EuErbVO führe der Einfluss vorrangigen staatsvertraglichen Zuständigkeitsrechts nur dann zu problematischen Konstellationen, wenn entweder das vorrangige Übereinkommen eine vom Zuständigkeitsregime der EuErbVO abweichende Zuständigkeit und damit konkurrierende Zuständigkeiten verschiedener Mit­gliedstaaten schafft oder – und insbesondere –, wenn das vorrangige 845 

Süß in Dutta/Herrler, EuErbVO, 181 Rn.  24. Süß in Dutta/Herrler, EuErbVO, 181 Rn.  24. 847  Süß in Dutta/Herrler, EuErbVO, 181 Rn.  19 ff. 848 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  75 Rn.  5. 849  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 459. 850 Dutta/Weber/Bauer/Süß IntErbR, Art.   75 EuErbVO Rn.  20; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  75 Rn.  5; Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 456 ff.; Konvalin, ENZ ohne europäischen Entscheidungseinklang, 90 ff.; Weber RNotZ 2018, 454 (462). 851 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  75 Rn.  5. 852 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  62 Rn.  12. 846 

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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Übereinkommen eine Zuständigkeit des nach den Art.  4 ff. EuErbVO verneint.853 So würde im zweiten Fall der Vorrang des staatsvertraglichen Zuständigkeitsrechts gegebenenfalls dazu führen, dass für den betreffenden grenzüberschreitenden Erbfall keine mitgliedstaatliche Stelle für die Ausstellung eines ENZ zuständig sei, obgleich der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hatte.854 Indes sehe Art.  11 EuErbVO – auf den Art.  64 S.  1 EuErbVO ausdrücklich Bezug nimmt – vor, dass die Ausstellungsbehörden in Ausnahmefällen ein ENZ ausstellen können, wenn die „Verfahrensführung“ in einem Drittstaat unmöglich ist. Da ein ENZ in einem Drittstaat nicht erlangt werden kann, sei ein forum necessitatis des eigentlich nach dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO zuständigen Mitgliedstaats für die Ausstellung eines ENZ anzunehmen.855 Vorrangige Kollisionsregeln wirken sich auf den Inhalt des ENZ aus. Materielle Voraussetzung für die Ausstellung eines ENZ sei gemäß Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO das Bestehen der zu bescheinigenden Rechtsstellung „nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht“. Dies umfasse die Kollisionsnormen derjenigen Staatsverträge, die nach Art.  75 EuErbVO vorrangig zu beachten sind.856 bb) Stellungnahme Zustimmung verdient allein letztgenannte Auffassung. Eine Beschränkung des ENZ auf das in den Verwendungsmitgliedstaaten des ENZ belegene Nachlassvermögen käme einer Rechtsverweigerung gleich, da den betreffenden erbrechtlich Berechtigten aufgrund eines Übereinkommens i. S. d. Art.  75 EuErbVO verwehrt würde, sich in sämtlichen Mitgliedstaaten der EuErbVO einheitlich legitimieren zu können.857 Ferner überzeugt diese Lösung auch angesichts des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO, der seinem Wortlaut nach nicht auf das nach den Art.  20 ff. EuErbVO bestimmte Erbstatut rekurriert, sondern mit der Formulierung „nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht“ auch die Kollisionsnormen von nach Art.  75 EuErbVO vorrangigen Übereinkommen der Mitgliedstaaten umfasst. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  1 S.  1 EuErbVO garantiert damit keineswegs einen europäischen Entscheidungs-

853 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  64 Rn.  9. EuErbVO, Art.  64 Rn.  9. 855 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  64 Rn.  9. 856 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  67 Rn.  11. 857 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  75 Rn.  5. 854 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

einklang hinsichtlich der zu bescheinigenden Rechtsposition.858 Eine absolute Richtigkeit des ENZ in sämtlichen Mitgliedstaaten wurde von europä­ ischen Verordnungsgeber mithin gerade nicht vorgesehen. Aus Gründen eines fehlenden europäischen Entscheidungseinklangs aufgrund vorrangiger staatsvertraglicher Kollisionsnormen ein vollwertiges ENZ – wie von der zweiten Auffassung angeregt – zu verweigern, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen. Sowohl die erste als auch die zweite Auffassung würde im Übrigen dazu führen, dass die erbrechtlich Berechtigten im Falle des Eingreifens vorrangiger staatsvertraglicher Kollisionsnormen gezwungen wären, neben einem ENZ auch noch das jeweilige MNZ zu beantragen, um im Ausstellungsstaat ihre erbrechtliche Rechtsstellung nachweisen zu können. Den erbrechtlich Berechtigten würden insoweit, entgegen dem erklärten Ziel der EuErbVO, zusätzliche Kosten und eine kompliziertere Nachlassabwicklung aufgebürdet. Aufgrund der durch vorrangige Übereinkommen i. S. d. Art.  75 Abs.  1 EuErbVO hervorgerufenen Unsicherheiten wäre es wünschenswert, wenn v. a. jene Staatsverträge, die vorrangige Kollisionsregeln enthalten, rasch gekündigt oder angepasst werden.859 d) Vorrangiges Übereinkommen im Verwendungsmitgliedstaat des ENZ Auch die Folgen der umgekehrten Konstellation – m. a. W. der Ausstellung eines ENZ, das die Kollisionsregeln eines Staatsvertrags, der im Verwendungsmitgliedstaat Vorrang nach Art.  75 EuErbVO beansprucht, unberücksichtigt lässt – sind umstritten. aa) Lösungsvorschläge Zunächst wird teils angenommen, dass ein durch vorrangige Übereinkommen gebundener Verwendungsmitgliedstaat ein ENZ hinnehmen müsse, auch wenn dessen Inhalt nicht der Rechtslage im Verwendungsmitgliedstaat entspricht.860 Die Unrichtigkeit eines ENZ sei allein nach dem im Recht des Ausstellungsstaats zur Anwendung berufenen Recht zu beurteilen.861 Den erbrechtlich Berechtigten könne nicht zugemutet werden, dass ein nach den 858 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Vorb. zu Art.  62 Rn.  9; Art.  67 Rn.  11. EuErbVO, Art.  75 Rn.  6; MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (532 ff. insbes. Nr.  24); hinsichtlich des deutsch-türkischen Nachlassabkommens vom 28.5.­1929 vgl. Gebauer IPRax 2018, 586 (588). 860  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 460 f. 861  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 460. 859 MüKoBGB/Dutta

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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geltenden Vorschriften des Ausstellungsstaats ausgestelltes ENZ entgegen Art.  69 Abs.  1 EuErbVO nicht in jedem Mitgliedstaat unmittelbar ipso iure seine Wirkungen entfalte.862 Andere schlagen vor, die Legitimationswirkung des Art.   69 Abs.   5 ­Eu­ErbVO – nicht aber die Vermutungs- und Gutglaubenswirkung – eines ausländischen ENZ zu suspendieren, soweit der Verwendungsmitgliedstaat an ein vorrangiges Übereinkommen mit abweichenden Kollisionsnormen gebunden ist.863 Anderenfalls würden die registerführenden Behörden des Verwendungsmitgliedstaats, damit der Verwendungsmitgliedstaat selbst, seine völkerrechtlichen Pflichten dem Drittstaat gegenüber verletzen.864 ­Soweit die Gerichte des Verwendungsmitgliedstaats eigentlich nach dem Zuständigkeitsregime der Art.  4 ff. EuErbVO nicht für die Ausstellung eines MNZ zuständig wären, sei diesen ausnahmsweise in der Konsequenz eine Zuständigkeit für die Ausstellung eines MNZ nach dem Rechtsgedanken des Art.  11 EuErbVO einzuräumen.865 bb) Stellungnahme Hinsichtlich der Folgen für die Wirkungen des ENZ im Verwendungs­ mitgliedstaat zwischen Art.  69 Abs.  2 bis Abs.  4 EuErbVO einerseits und der Legitimationswirkung eines ausländischen ENZ nach Art.  69 Abs.  5 ­EuErbVO andererseits zu differenzieren, überzeugt. Allein im Falle der Vorlage eines ausländischen Nachlasszeugnisse vor den registerführenden Behörden des Verwendungsmitgliedstaats, nicht aber im Rechtsverkehr zwischen Privaten, vermag die Missachtung vorrangiger Staatsverträge eine Verletzung der völkerrechtlichen Pflichten des Verwendungsmitgliedstaats darzustellen. Ratio des Art.  75 Abs.  1 EuErbVO ist es gerade, den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, ihre internationalen Verpflichtungen zu wahren.866 Vor diesem Hintergrund hat der europäische Verordnungsgeber die Bedingung für ein ENZ, das seine Wirkungen stets einheitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten entfaltet, sehenden Auges nicht erfüllt. Zwar führen die Art.  20 ff. EuErbVO zu einer weitgehenden Harmonisierung des Erbkollisionsrechts. Eine absolute Vereinheitlichung – damit die Herstellung eines europäischer Entscheidungseinklangs hinsichtlich der im 862 

Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 460 f. EuErbVO, Art.  75 Rn.  5; Weber RNotZ 2018, 454 (462). 864 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  75 Rn.  5; Weber RNotZ 2018, 454 (462). 865 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   75 Rn.  5; Weber RNotZ 2018, 454 (462), der indes auf das mitgliedstaatliche Zuständigkeitsrecht rekurriert. 866 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   75 Rn.  1; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  75 Rn.  4. 863 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

ENZ bzw. in einem MNZ zu bescheinigenden Rechtsstellung – erfolgt durch die EuErbVO jedoch nicht.867 Der effet utile des ENZ erfährt folglich bewusst eine Einschränkung durch Art.  75 Abs.  1 EuErbVO. Zwar vermöchte die Gegenauffassung dem effet utile des ENZ in weitreichenderem Umfang Geltung zu verschaffen. Dies erfolgte indes entgegen der Wertung des Art.  75 Abs.  1 EuErbVO dergestalt, dass Verwendungsmitgliedstaaten gegebenenfalls gezwungen wären, ihre völkervertraglichen Pflichten zu verletzen. Die registerführenden Behörden eines an ein vorrangiges Übereinkommen gebundenen Mitgliedstaats können folglich die Vorlage eines MNZ verlangen. Dies erscheint zwar angesichts der durch die EuErbVO grundsätzlich intendierten Vereinfachung der grenzüberschreitenden Nachlass­ abwicklung durchaus unbefriedigend, ist jedoch ob der Ratio des Art.  75 Abs.  1 EuErbVO hinzunehmen. Da die nichtgerichtlichen Stellen, die zur Ausstellung eines MNZ berufen sind, nicht an die Art.  4 ff. EuErbVO gebunden sind,868 bestehen hinsichtlich der Erlangung nichtgerichtlicher Nachlasszeugnisse eines Verwendungsmitgliedstaats keine Schwierigkeiten. Allerdings würde den erbrechtlich Berechtigten gegenüber den registerführenden Behörden in den Verwendungsmitgliedstaaten die Berufung auf ihre erbrechtliche Rechtsstellung verwehrt, die sowohl an ein vorrangiges Übereinkommen mit abweichenden Kollisionsnormen gebunden sind, und deren Ausstellungsstellen von MNZ entweder bereits Gericht im institutionellen Sinne darstellen oder dem funktionalen Gerichtsbegriff der EuErbVO unterfallen. Dies stellt angesichts der Wertungen des Art.  47 EuGRCh und Art.  6 EMRK eine nicht zu rechtfertigende Belastung der erbrechtlich Berechtigten dar. Nur folgerichtig ist daher die Annahme eines Ausgleichs dieser Belastung nach dem Rechtsgedanken des Art.  11 EuErbVO. 6. Enge Grenzen des ordre public, Art.  35 EuErbVO Der in Art.  35 EuErbVO normierte ordre-public-Vorbehalt der EuErbVO vermag a priori grundsätzlich zu divergierenden Nachlasszeugnissen unterschiedlicher Mitgliedstaaten zu führen.869 So bildet ein Instrument wie Art.  35 EuErbVO doch ein Hindernis für das generelle Harmonisierungsziel der EuErbVO.870 Vor diesem Hintergrund sind nach ständiger Recht-

867 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Vorb. zu Art.  62 EuErbVO Rn.  9. EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) E.E. Rn.  68. 869  Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 248. 870  Pintens, FS Kohler 2018, 393 (396); J. P. Schmidt ErbR 2020, 91 (97); generell zu 868 

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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sprechung des EuGH ordre public-Bestimmungen eng auszulegen und können nur ausnahmsweise zur Anwendung gelangen.871 Die Anwendung einer Vorschrift des nach der EuErbVO bezeichneten Rechts darf dementsprechend nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen versagt werden,872 wenn ihre Anwendung mit dem ordre public des Staats des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist (vgl. Art.  35 EuErbVO). Der ordre public-Vorbehalt des Art.  35 EuErbVO erlaubt folglich ausnahmsweise, das durch die EuErbVO zur Anwendung berufene Recht abzuwehren, wenn die konkrete Anwendung einer Vorschrift der lex causae „gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Forumstaats stünde“, sog. offensichtliche Unvereinbarkeit.873 Dem Instrument des Art.  35 EuErbVO ist indes eine ausschließlich negative Abwehrfunktion zu bescheinigen.874 Demgegenüber gestattet es nicht, das eigene Recht des Forum­ staats gegenüber dem nach der EuErbVO zur Anwendung berufenen Recht durchzusetzen.875 Wenn und soweit ein Verstoß gegen den ordre public i. S. d. Art.  35 ­Eu­ErbVO vorliegt, darf das Gericht des Forumsstaats die Anwendung der lex causae versagen, indes lediglich insoweit, als das konkrete Ergebnis dessen Anwendung gegen den ordre public verstößt.876 Die durch die EuErbVO begründete Pflicht zur Anwendung der betreffenden lex causae bleibt im Übrigen bestehen.877 Nach ErwG 58 S.  2 EuErbVO soll der ordre public-­ Vorbehalt nicht geltend gemacht werden können, wenn die Versagung der Anwendung des ausländischen Rechts einen Verstoß insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot des Art.  21 EuGRCh darstellen würde.878 ordre-public-Vorbehalten vgl. BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  12; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  5 Rn.  1., Rn.  4. 871  Vgl. etwa zu Art.  34 Nr.  1 Brüssel I-VO: EuGH v. 28.4.2009, Apostolides, Rs.  C-420/­ 07, ECLI:EU:C:2009:271 Rn.  55; EuGH v. 6.9.2012, Trade Agency, Rs.  C-619/10, ECLI: EU:C:2012:531 Rn.  48; EuGH v. 23.10.2014, flyLAL-Lithuanian Airlines, Rs.  C-302/13, ECLI:EU:C:2014:2319 Rn.  46; EuGH v. 16.7.2015, Diageo Brands, Rs.  C-681/13, ECLI: EU:C:2015:471 Rn.  41. 872  A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2015, 375 (2.2.); Mouratidou, FS Bittner 2018, 412 (414); Pintens, FS Kohler 2018, 393 (396); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  1. 873  Mouratidou, FS Bittner 2018, 412 (414); Pintens, FS Kohler 2018, 393 (396); Beck­ OGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  14. 874 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  4. 875  Pintens, FS Kohler 2018, 393 (396); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  4. 876  Pintens, FS Kohler 2018, 393 (396); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  17. 877 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  17. 878  A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2015, 375 (2.2.); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  15.

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Entsteht durch die Nichtanwendung des ausländischen Rechts eine ausfüllungsbedürftige Lücke, ist diese primär nach Maßgabe und entsprechend den Wertungen des durch die EuErbVO zur Anwendung berufenen Rechts zu füllen.879 Vor diesem Hintergrund dürften sich folglich bei der Ausstellung eines ENZ, dessen Ausstellungsbehörde die Anwendung der lex causae versagt, dennoch keine inhaltlichen Widersprüche zu einem gerichtlichen MNZ ergeben, dessen Ausstellungsstelle das nach der EuErbVO zur Anwendung berufene Recht ohne Rückgriff auf Art.  35 EuErbVO anwendet. Der Rückgriff auf die lex fori kommt wegen des Ausnahmecharakters des Art.  35 EuErbVO und dem Grundsatzes des effet utile des Unionsrechts nur subsidiär und in den seltenen Ausnahmefällen in Betracht, in denen sich auch durch eine modifizierte Anwendung der lex causae kein praktikables Ergebnis erzielen lässt.880 Lediglich in diesen eng umgrenzten Fällen ist eine Divergenz zwischen einem ENZ des einen Mitgliedstaats und einem MNZ des anderen Mitgliedstaats aufgrund des ordre public eines dieser Mitgliedstaaten überhaupt denkbar. a) Anwendbarkeit des Art.  35 EuErbVO auch bei der Ausstellung nichtgerichtlicher Nachlasszeugnisse Angesichts der deutschen Sprachfassung des Art.  35 EuErbVO, die ausdrücklich auf den Begriff des Gerichts rekurriert („(…) wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staats des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist“), erscheint zunächst zweifelhaft, ob nur die Gerichte oder auch die anderen mit Erbsachen befassten zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen die Möglichkeit haben, Bestimmungen des nach der EuErbVO zur Anwendung berufenen ausländischen Rechts nicht zu berücksichtigen. Anders als die deutsche Sprachfassung enthalten etwa die französische („L’application d’une dis­ position de la loi d’un État désignée par le présent règlement ne peut être écartée que si cette application est manifestement incompatible avec l’ordre public du for“) oder auch die englische Sprachfassung („The application of a provision of the law of any State specified by this Regulation may be refused only if such application is manifestly incompatible with the public policy“) keine Einschränkung hinsichtlich der zur Entscheidung berufenen Stelle. Angesichts des ErwG 58 S.  1 EuErbVO wollte der europäische Verord879 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  18. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  18 f.; a. A.: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel/Contaldi/Grieco EuErbVO, Art.  35 Rn.  26, die eine generelle Anwendung der lex fori annehmen. 880 BeckOGK/J.

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nungsgeber ersichtlich nicht nur den Gerichten, sondern auch anderen mit Erbsachen befassten zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten in Ausnahmenfällen die Möglichkeit geben, Bestimmungen eines ausländischen Rechts nicht zu berücksichtigen, wenn deren Anwendung in einem bestimmten Fall mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats offensichtlich unvereinbar wäre. Art.  35 EuErbVO ist folglich – freilich unter Beachtung seines Ausnahmecharakters – dahin auszulegen, dass die ordre public-Bestimmung auch dann Anwendung findet, wenn eine nichtgerichtliche Stelle mit einer Erb­ sache befasst ist. b) Einzelfälle einer Berufung auf den ordre public aa) Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art.  21 EuGRCh Eine Berufung auf den ordre public-Vorbehalt des Art.  35 EuErbVO kommt zunächst in Betracht, wenn die ausländische lex causae gegen die EuGRCh und insbesondere das Diskriminierungsverbot deren Art.  21 verstößt;881mithin, wenn das ausländische Erbrecht wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (vgl. Art.  21 Abs.  1 EuGRCh) oder aus Gründen der Staatsangehörigkeit (vgl. Art.  21 Abs.  2 EuGRCh) diskriminiert. bb) Abweichende Regelung des Pflichtteils/Noterbrechts – (k)ein Verstoß? Gemäß Art.  23 Abs.  2 lit.  h EuErbVO unterliegt dem Erbstatut insbesondere „der verfügbare Teil des Nachlasses, die Pflichtteile und andere Beschränkungen der Testierfreiheit (…).“ Vor diesem Hintergrund und in Zusammenschau mit dem durch die EuErbVO etablierten Grundsatz der kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit einerseits sowie der inhaltlich (Heimatrecht) und sachlich (Unzulässigkeit einer gegenständlich beschränkten Rechtswahl) beschränkten Rechtswahlmöglichkeit schafft die EuErbVO hinsicht-

881  V. David-Balestriero in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 97 (104); A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2015, 375 (2.2.); Mouratidou, FS Bittner 2018, 412 (413); C. Nourissat/M. Revillard JCP 47 (2017) 1236 (3.); Pintens, FS Kohler 2018, 393 (396 ff.); Revillard, DIP et Européen, Nr.  1031; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  15, 23.3; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  5 Rn.  13.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

lich des Pflichtteils/Noterbrechts klare Rahmenbedingungen.882 Schwierigkeiten ergeben sich indes ob der Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen betreffend einen Pflichtteil bzw. ein Noterbrecht.883 Insbesondere im französischen Schrifttum zur EuErbVO ist daher im Kontext der französischen réserve héréditaire ein reger Diskurs über die Frage entsponnen, ob eine von der lex fori abweichende Pflichtteilsregelung einen Verstoß gegen den ordre public darstellen kann.884 Denn Art.  27 Abs.  2 EuErbVO-E885 hatte ausdrücklich bestimmt, dass eine abweichende Regelung des Pflichtteilsanspruchs nicht per se als Verstoß gegen den ordre public des Forums qualifiziert werden könne. Im Verlauf des Legislativverfahrens wurde diese Regelung jedoch wieder gestrichen.886 Angesichts der Streichung des Abs.  2 ist anzunehmen, dass eine andere Pflichtteilsregelung jedenfalls im Grundsatz durchaus auch per se einen Verstoß gegen den ordre public begründen kann.887 Allerdings gilt auch im Falle einer anderen Pflichtteilsregelung der allgemeine – und strenge – Maßstab des Art.  35 EuErbVO: erforderlich ist also eine offensichtliche Unvereinbarkeit.888 Folglich genügt nicht jede Abwei-

882 

P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (10). Lorenz in Dutta/Herrler, EuErbVO, 113 Rn.  24; L. Perreau-Saussine in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 1279 (1281 Nr.  5 ff.); Pintens, FS Kohler 2018, 393 (393 f.); P. ­Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (10). 884  A. Boiché AJ fam. 2017, 510; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  35 Rn.  8; P. ­Lagarde/ A. Meier-Bourdeau/B. Savouré/G. Kessler AJ fam. 2017, 598; P. Lagarde in Pazdana, ­Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (10 ff.); Lorenz in Dutta/Herrler, EuErb­VO, 113 Rn.  24 ff.; A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2015, 375 (2.2.); Mouratidou, FS Bittner 2018, 412 (415 ff.); Pintens, FS Kohler 2018, 393 (399 f.); L. Perreau-Saussine in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 1279 (1283 Nr.  10 ff.; 1288 Nr.  20 ff.); BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  20 ff. 885  Art.  27 Abs.  2 EuErbVO-E lautete: „Die Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nicht allein deshalb als mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts unvereinbar angesehen werden, weil sie den Pflichtteilsanspruch anders regelt als das Recht am Ort des angerufenen Gerichts“. 886  P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (12); Lorenz in Dutta/Herrler, EuErbVO, 113 Rn.  25; L. Perreau-Saussine in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 1279 (1283 Nr.  10); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  20 ff. 887  P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (12); Lorenz in Dutta/Herrler, EuErbVO, 113 Rn.  26 ff.; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  22. 888  P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (12); A. Meier-Bourdeau AJ fam. 2015, 375 (2.2.); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  22. 883 

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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chung des ausländischen Rechts von den Anforderungen der lex fori.889 Eine Berufung auf Art.  35 EuErbVO rechtfertigt eine abweichende Pflichtteils­ regelung nur, wenn die abweichende ausländische Pflichtteilsregelung im konkreten Einzelfall zu einem Ergebnis führt, das mit dem ordre public der lex fori offensichtlich unvereinbar ist.890 Insoweit ist besonders zu berücksichtigen, ob die ausländische lex causae nicht eine funktional äquivalente Ab­sicherung oder Kompensation vorsieht.891 In Konstellationen, in denen das ausländische Recht zwar eine anderweitige Absicherung oder Kompensation vorsieht, eine solche aber nicht eingreift, da sie nicht als erbrechtlich zu qualifizieren ist und daher einem anderen Recht unterliegt, das nichts Entsprechendes vorsieht, ist zunächst der rechtsmethodische Ansatz einer Substitution oder Anpassung zu bemühen, bevor eine Berufung auf den ­ordre public erfolgen kann.892 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zu ordre public-Bestimmungen in anderen europäischen Sekundärrechtsakten können die Mitgliedstaaten selbst determinieren, welche Anforderungen sich aus ihrer innerstaat­ lichen Anschauung aus dem jeweiligen ordre public ergeben.893 Allerdings wacht der EuGH über die Grenzen, innerhalb derer sich das Gericht oder eine Behörde oder sonstige Stelle mit Zuständigkeiten in Erbsachen auf den Begriff des ordre public stützen kann, gehört die Abgrenzung dieses Begriffs doch zur Auslegung des betreffenden europäischen Rechtsakts.894 889  A. Boiché AJ fam. 2017, 510; P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (12); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  22; zwar zu einem Erbfall aus 2009 – jedoch so auch die Cass. 1re civ., 27.9.2017, n°  16-13.151 und n°  16-17.189 (hierzu: A. Boiché AJ fam. 2017, 510; J. Guillaumé D. 2017, 2185 [II.]; P.  Lagarde/A. Meier-Bourdeau/B. Savouré/G. Kessler AJ fam. 2017, 598; A. Molière D. 2019, 1554 [2.]; C. Nourissat/M. Revillard JCP 47 [2017] 1236. Rass-Masson ZEuP 2019, 823; L. Usunier RTD civ. 2017, 833). 890  L. Perreau-Saussine in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 1279 (1288 Nr.  20 ff., 1292 Nr.  27 ff.) A. Boiché AJ fam. 2017, 510; P. Lagarde/A. Meier-Bourdeau/B. Savouré/ G. Kessler AJ fam. 2017, 598; P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (12); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  22. 891  L. Perreau-Saussine in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 1279 (1292 Nr.   30); P. Lagarde in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 9 (12); Beck­ OGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  22. 892 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  22.1. 893  Vgl. etwa zu Art.  34 Nr.  1 Brüssel I-VO: EuGH v. 28.4.2009, Apostolides, Rs.  C-­ 420/07, ECLI:EU:C:2009:271 Rn.  56 f.; EuGH v. 6.9.2012, Trade Agency, Rs.  C-619/­10, ECLI:EU:C:2012:531 Rn.  49; EuGH v. 23.10.2014, flyLAL-Lithuanian Airlines, Rs.  C-­ 302/­13, ECLI:EU:C:2014:2319 Rn.  47; EuGH v. 16.7.2015, Diageo Brands, Rs.  C-681/13, ECLI:EU:C:2015:471 Rn.  42; J. Guillaumé D. 2014, 2121 (Nr.  32); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  13; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  5 Rn.  6. 894  L. Perreau-Saussine in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 1279 (1291 Nr.  26); vgl.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

(1) Einzelne Bestandteile des deutschen ordre public Ein Rekurs auf den deutschen ordre public kommt etwa in Betracht, wenn die ausländische lex causae die Testierfreiheit generell ausschließt895 oder wenn das gesetzliche Erbrecht Angehöriger erster und zweiter Ordnung generell ausgeschlossen ist.896 Die Erbrechtsgarantie des Art.  14 Abs.  1 S.  1 GG i. V. m. Art.  6 Abs.  1 GG gewährleistet, dass zumindest „die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass“ sichergestellt ist.897 Entsprechendes gilt hinsichtlich der grundsätzlichen Existenz eines Pflichtteilsrechts von Kindern sowie des Ehegatten eines Erblassers.898 Eine Berufung auf Art.  35 EuErbVO rechtfertigt Art.  14 Abs.  1 S.  1 GG i. V. m. Art.  6 Abs.  1 GG allerdings nur, wenn die abweichende ausländische Pflichtteilsregelung im konkreten Einzelfall zu einem Ergebnis führt, das mit dem deutschen ordre public offensichtlich unvereinbar ist. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die ausländische lex causae nicht eine funktional äquivalente Absicherung oder Kompensation vorsieht. (2) Französischer ordre public – réserve héréditaire Nach Auffassung der französischen Cour de Cassation ist die réserve héréditaire als solche kein notwendiger Bestandteil des französischen ordre public.899 In der Rs.  Jarre sowie der Rs.  Colombier hat die erste Zivilkammer der französischen Cour de Cassation folgende Grundsätze formuliert: „Une loi étrangère désignée par la règle de conflit qui ignore la réserve héréditaire n’est pas en soi contraire à l’ordre public international français et ne peut être écartée que si son application concrète, au cas d’espèce, conduit à une etwa zu Art.  34 Nr.  1 Brüssel I-VO: EuGH v. 28.4.2009, Apostolides, Rs.  C-420/07, ECLI: EU:C:2009:271 Rn.  56 f.; EuGH v. 6.9.2012, Trade Agency, Rs.  C-619/10, ECLI:EU:C: 2012:531 Rn.  49; EuGH v. 23.10.2014, flyLAL-Lithuanian Airlines, Rs.  C-302/13, ECLI: EU:C:2014:2319 Rn.  47; EuGH v. 16.7.2015, Diageo Brands, Rs.  C-681/13, ECLI:EU: C:2015:471 Rn.  42; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  13; Süß in Süß, Erbrecht in Europa, §  5 Rn.  6. 895 Bonomi/Wautelet/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.   35 Nr.   37; BeckOGK/ J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  23.1. 896 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  23.2. 897  Grundsatzentscheidung des BVerfG v. 19.4.2005, NJW 2005, 1561. 898 Staudinger/Dörner EGBGB, 2007, Art.   25 Rn.   726; BeckOK/Lorenz EGBGB, Art.  25 aF Rn.  63; M. Stürner GPR 2014, 317 (323). 899  Cass. 1re civ., 27.9.2017, n°  16-13.151 und n°  16-17.189; hierzu: A. Boiché AJ fam. 2017, 510; J. Guillaumé D. 2017, 2185 (II.); P. Lagarde/A. Meier-Bourdeau/B. Savouré/ G. Kessler AJ fam. 2017, 598; A. Molière D. 2019, 1554 (2.); C. Nourissat/M. Revillard JCP 47 (2017) 1236; Rass-Masson ZEuP 2019, 823; L. Usunier RTD civ. 2017, 833.

E. Gründe für eine Divergenz zwischen ENZ und MNZ

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situation incompatible avec les principes du droit francais considérés comme essentiels“.900 Ein anwendbares ausländisches Recht, das ein Noterbrecht ignoriert, verstoße nicht an sich gegen den französischen ordre public; der französische ordre public könne die Anwendung eines ausländischen Rechts nur dann einschränken, wenn seine konkrete Anwendung im Einzelfall zu einer mit den wesentlichen Grundsätzen des französischen Rechts unvereinbaren Situation führt.901 Fraglich ist vor diesem Hintergrund, was unter den wesentlichen Grundsätzen des französischen Rechts zu verstehen ist. Hinsichtlich des Noterbrechts besteht nach Auffassung der französischen Cour de Cassation der wesentliche Grundsatz des französischen Rechts darin, dass keiner der Noterben in einer Situation der wirtschaftlichen Prekarität oder Not verbleiben dürfe.902 Die Funktion der réserve héréditaire ist in diesem Zusammenhang im französischen Recht folglich unterhaltsrechtlicher und nicht länger erbrechtlicher Natur.903 c) Résumé Eine Divergenz zwischen einem ENZ und einem MNZ aufgrund einer Berufung der einen für die Ausstellung des jeweiligen Nachlasszeugnisses zuständigen Stelle wird letztlich nur ausnahmsweise in solchen Fällen in Betracht kommen, in denen das ausländische Recht auch keine anderweitige Kompensation oder Absicherung vorsieht. Gänzlich ausgeschlossen ist eine Divergenz aufgrund des Art.  35 EuErbVO indes nicht. 7. Résumé Die vom EuGH vorgenommene weite Auslegung des Erbstatuts im Rahmen seiner Abgrenzung zu benachbarten Statuten vermag in Zusammen900 

Cass. 1re civ., 27.9.2017, n°  16-13.151 und n°  16-17.189. A. Boiché AJ fam. 2017, 510; P. Lagarde/A. Meier-Bourdeau/B. Savouré/G. Kessler AJ fam. 2017, 598; A. Molière D. 2019, 1554 (2.); Rass-Masson ZEuP 2019, 823 (828). 902  Cass. 1re civ., 27.9.2017, n°  16-13.151 und n°  16-17.189; kritisch hierzu: L. Perreau-­ Saussine in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 1279 (1293 Nr.  31); S. Clavel/F. Jault-Seseke D. 2018, 966 (3.); zustimmend wohl: Guillaumé D. 2017, 2185 (II.); P. Lagarde/A. Meier-­ Bourdeau/B. Savouré/G. Kessler AJ fam. 2017, 598; Rass-Masson ZEuP 2019, 823; L. Usunier RTD civ. 2017, 833; ausführlich zum Begriff der „précarité économique“ und des „besoin“: H. Fulchiron D. 2017, 2310. 903  C. Nourissat/M. Revillard JCP 47 (2017) 1236 (1.); Rass-Masson ZEuP 2019, 823 (831); die Entscheidung der Cour de Cassation deshalb kritisierend: L. Perreau-Saussine in Ancel et al., Mélanges Ancel 2018, 1279 (1293 Nr.  31); S. Clavel/F. Jault-Seseke D. 2018, 966 (3.). 901 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

schau mit der im Rahmen der EuErbVO gebotenen unselbständigen Vorfrageanknüpfung den Strauß der in Betracht kommenden Gründe einer Divergenz zwischen ENZ und den MNZ zu verkleinern. Eine Divergenz kommt im Falle einer gegebenenfalls divergierenden Ausgestaltung von ENZ und MNZ (unechte Divergenz), einer Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte aufgrund subsidiär anwendbaren nationalen Verfahrensrechts (echte Divergenz) sowie einer abweichenden Bestimmung des Erbstatuts durch abweichende Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes (unechte oder echte Divergenz) in Betracht. Auf kollisionsrechtlicher Ebene kann eine Divergenz ihren Grund ferner in Art.  75 Abs.  1 EuErbVO finden oder – in eng begrenzten Ausnahmefällen – im ordre public-Vorbehalt des Art.  35 EuErbVO.

F. Kollision des ENZ mit MNZ I. Folgen einer unechten Divergenz – kein Fall einer Kollision Eine materiell-rechtliche Kongruenz i. S. e. materiell-rechtlichen Übereinstimmung liegt in den Fällen vor, in denen das ENZ und das MNZ grundsätzlich von derselben Rechtslage ausgehen.904 Eine Kollision des ENZ und des nationalem Nachlasszeugnis entsteht in diesem Fällen nicht.905 Dennoch können Unterschiede zwischen den Nachlasszeugnissen insoweit bestehen, als sie nach ihrer jeweiligen inhaltlichen Ausgestaltung unterschiedliche Angaben enthalten, die dann freilich von den jeweiligen Wirkungen der Nachlasszeugnisse erfasst sind.906 Das ENZ und die MNZ unterscheiden sich teilweise erheblich in ihren Antragsvoraussetzungen, ihrem Inhalt sowie in der Reichweite ihrer Wirkungen.907 Vor diesem Hintergrund bedarf es auch bei einer materiell-rechtlichen Kongruenz von ENZ und MNZ einer Koordinierung der Wirkungen der in Rede stehenden Nachlasszeugnisse.908 Die Frage nach dem Verhältnis von ENZ und den MNZ drängt sich geradezu auf, da der von den betrachteten Nachlasszeugnissen 904 

Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (421). NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  35. 906  Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (63); Dorsel ZErb 2014, 212 (222); Dorsel in Löhnig et al., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, 33 (58 f.); Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 380. 907  Vgl. oben Kapitel  2 D.; so insbes. hinsichtlich der Antragsvoraussetzungen und der Reichweite der Wirkungen von ENZ und deutschem Erbschein etwa Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309). 908  Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309). 905 

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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vermittelte Redlichkeitsschutz gegebenenfalls unter verschiedenen Voraussetzungen erschüttert werden kann.909 So wird die Redlichkeit beim deutschen Erbschein – anders als beim ENZ – nicht bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Erbnachweises verneint.910 Die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum911 nimmt aus Gründen der Vereinfachung der Nachlassabwicklung sowie des Schutzes der Interessen des Rechtsverkehrs und der erbrechtlich Berechtigten an, dass sich im Ergebnis das Nachlasszeugnis mit den jeweils weitreichenderen Wirkungen durchsetzen würde. Dieser Auffassung wird entgegengehalten, dass eine derartige Kumulation der Wirkungen des supranationalen Nachweisinstruments und der MNZ Anreize schaffe, sich mit mehreren Nachlasszeugnissen auszustatten, was der Harmonisierungsintention der EuErbVO widerspreche.912 Dieser würde ein Vorrang der Wirkungen des ENZ eher entsprechen.913 Im Falle einer sog. unechten Divergenz914 gehen die Gutglaubenswirkungen von ENZ und MNZ indes in dieselbe Richtung.915 Daher besteht weder eine Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung, die Gutglaubenswirkung eines oder etwa beider Nachlasszeugnisse auszusetzen.916 Dies begründet sich für das ENZ in dessen effet utile. Dieser wäre beeinträchtigt, wenn seine Wirkungen im Falle einer unechten Divergenz mit einem MNZ eingeschränkt oder gar suspendiert würden. Angesichts der MNZ wird dem durch die EuErbVO etablierten optionalen Nebeneinander von ENZ und den MNZ nur hinreichend Rechnung getragen, soweit sich dieses Nebeneinander auch auf die Wirkungen des ENZ bezieht. Folglich ist entsprechend der erstgenannten Auffassung anzunehmen, dass die jeweils weiterreichende Regelung die Rechtsfolge bestimmt,917die erbrechtlich Berechtigten damit 909 

Vgl. oben Kapitel  2 D. III. Vgl. oben Kapitel  2 D. III.; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (389). 911 Etwa MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.   13; Dutta/Weber/Fornasier ­IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  12; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  35; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  34. 912  V. Égéa RTD eur. 2018, 845 (Rn.   3); Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309); Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  54. 913  V. Égéa RTD eur. 2018, 845 (Rn.   3); Kleinschmidt IPRax 2020, 308 (309); Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  54. 914  Buschbaum in Hager, EuErbVO, 39 (63 f.); Dorsel ZErb 2014, 212 (222); Dorsel in Löhnig et al., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, 33 (58 f.); Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 380. 915  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (421 f.). 916  Dorsel ZErb 2014, 212 (222); Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (421 f.). 917 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.  13; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (422). 910 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

in den Genuss einer gegebenenfalls weitreichenderen Wirkung eines MNZ kommen. Ist eine Person etwa sowohl durch ein ENZ als auch durch einen deutschen Erbschein legitimiert, so bestimmt §  2366 (2367) BGB und nicht Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO die Rechtsfolge, sofern dessen übrige Voraussetzungen vorliegen.918

II. Folgen einer echten Divergenz – Kollision von ENZ und MNZ Vor dem Hintergrund der Möglichkeit einer Kollision von ENZ und anderen divergierenden Nachlasszeugnissen stellt sich freilich die Frage nach deren Folgen. Hierzu schweigt die EuErbVO.919 Im Schrifttum zur EuErbVO sind deshalb naturgemäß nahezu alle relevanten Sachfragen umstritten.920 Bemerkenswert ist allerdings, dass die Diskussion über die aus einer Kollision eines ENZ mit den MNZ erwachsenden Streitfragen ganz erheblich durch das Schrifttum zur Kollision zwischen ENZ und deutschem Erbschein geprägt ist. Angesichts der durch die EuErbVO erfolgten Kollisionsrechtsvereinheitlichung wird die Gefahr kollidierender Nachlasszeugnisse im französischen Schrifttum921 als marginal betrachtet und folglich eher stiefmütterlich behan­ delt. Kommt es dennoch zu einer Kollision zwischen ENZ und den MNZ wird dort vielfach vertreten, das ENZ beanspruche Vorrang vor dem MNZ.922 1. Echte Divergenz im Ausstellungsstaat beider Nachlasszeugnisse a) Keine Auflösung der Kollision nach Art.  40 Abs.  1 lit.  c und lit.  d EuErbVO Der Anwendungsbereich der Art.  39 ff. EuErbVO ist auf das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander beschränkt.923 Die Nichtanerkennungsgründe des Art.  40 Abs.  1 lit.  c und lit.  d EuErbVO können folglich bei der internen Divergenz nicht fruchtbar gemacht werden, handelt es sich doch gerade nicht um Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten. 918 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  62 Rn.  13. Kleinschmidt IPRax 2020, 308; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.   62 Rn.  35. 920  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 380 ff.; Kleinschmidt IPRax 2020, 308. 921  A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228; V. Égéa RTD eur. 2018, 845 (Rn.  3). 922  A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228; P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  36 f.); P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  228; V. Égéa RTD eur. 2018, 845 (Rn.  3). 923  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  3. 919 

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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b) Kein Vorrang des einen oder des anderen Nachlasszeugnisses Teilweise924 wird vertreten, dass bei einer internen Divergenz das ENZ gegenüber den MNZ vorrangig sei, sobald es erlassen ist. Begründet wird dieser Vorrang damit, dass das ENZ seine Wirkungen gemäß Art.  62 Abs.  3 S.  2 EuErbVO auch im Ursprungsmitgliedstaat entfalte.925 Nach anderer Auffassung gebühre den MNZ regelmäßig Vorrang vor dem ENZ, da nur deren Inhalt im Einklang mit der lex rei sitae stehe.926 Vor dem Hintergrund des vom europäischen Verordnungsgeber zum Verhältnis des ENZ und der MNZ etablierten optionalen Nebeneinanders der Nachlasszeugnisse927 überzeugt weder eine generelle Vorrangstellung des ENZ noch eine solche des MNZ. Eine Vorrangstellung des einen oder des anderen Nachlasszeugnisses würde sich in Widerspruch mit dem Willen des europäischen Verordnungsgebers setzen, der einen grundsätzlich gleichberechtigten Dualismus von supranationalem Nachlasszeugnis und MNZ vorgesehen hat. c) Verfahrensrechtliche Folgen bei Unrichtigkeit eines Nachlasszeugnisses Gehen ENZ und MNZ aus demselben Ausstellungsstaat von sich widersprechenden Rechtslagen aus, ist dies wegen der Kollisionsrechtsvereinheitlichung durch die EuErbVO nur möglich, wenn entweder das ENZ oder das MNZ inhaltlich unrichtig ist. Die EuErbVO sieht in Art.  71 Abs.  2 EuErbVO Verfahren zur Beseitigung eines unrichtigen ENZ vor. Ist das ENZ inhaltlich unrichtig, ändert oder widerruft die Ausstellungsbehörde das ENZ entweder auf Verlangen einer Person mit berechtigtem Interesse oder, soweit dies nach innerstaat­ lichem Recht möglich ist, von Amts wegen. Wird das ENZ geändert, entfaltet es seine Wirkungen ex nunc nur noch in der geänderten Fassung, wird es widerrufen, entfallen seine Wirkungen ebenfalls ex nunc.928 Wird angenommen, dass die Ausstellungsbehörde im Zuge einer teleologisch-extensiven 924 

Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (749); P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  37); P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  228; Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 623. 925  P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  37); P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/­ Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  228. 926  Dorsel ZErb 2014, 212 (222 f.), der demjenigen Nachlasszeugnis Vorrang einräumen möchte, dessen Inhalt im Einklang mit der lex rei sitae steht, was in aller Regel das mitgliedstaatliche Nachlasszeugnis sei. 927  Vgl. oben Kapitel  4. 928 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  34 f.; Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO Art.  71 Rn.  15.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Auslegung des Art.  71 Abs.  3 EuErbVO929 als verpflichtet anzusehen ist, die inhaltlich unrichtigen beglaubigten Abschriften des ENZ infolge einer Änderung oder eines Widerrufs einzuziehen, können diese im Rechtsverkehr nicht mehr als Gutglaubensträger fungieren. Bis zur tatsächlichen Änderung bzw. bis zum Widerruf des ENZ können seine Wirkungen nach Art.  69 ­EuErbVO ausgesetzt werden (vgl. Art.  73 EuErbVO). Entsprechend der gebotenen teleologisch-extensiven Auslegung des Art.  71 Abs.  3 EuErbVO erscheint es auch hinsichtlich der Wirkungsaussetzung sachgerecht, die Ausstellungsbehörden zur Einziehung der beglaubigten Abschriften des ENZ zu verpflichten.930 Bis zur Einziehung der beglaubigten Abschriften des unrichtigen ENZ besteht jedoch eine Schwebelage, während derer gutgläubige Dritte weiterhin an den durch die beglaubigte Abschrift Legitimierten leisten und Nachlassgegenstände von diesem erwerben können. Die verfahrensrechtlichen Folgen eines unrichtigen MNZ richten sich indes nach autonomem mitgliedstaatlichen Recht. aa) ENZ eines deutschen Nachlassgerichts und deutscher Erbschein (1) Erbschein Ist der deutsche Erbschein inhaltlich unrichtig, hat das Nachlassgericht, das den Erbschein ausgestellt hat, den Erbschein von Amts wegen einzuziehen (vgl. §  2361 S.  1 BGB). Dieses Gericht ist auch dann örtlich zuständig, wenn sich nachträglich eine fehlerhafte Annahme der Zuständigkeit bei der Ausstellung des Erbscheins herausstellt.931 Der Erbschein ist einzuziehen, wenn nach den gerichtlichen Ermittlungen feststeht, dass die Ausstellung eines gleichlautenden Erbscheins nach dem jetzigen Erkenntnisstand von der Sach- und Rechtslage nicht mehr erfolgen dürfte.932 Die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der bescheinigten Erbenstellung muss insoweit über bloße Zweifel hinaus erschüttert sein.933 Das Nachlassgericht muss von Amts wegen ermitteln, soweit es Anlass hat, anzunehmen, der ausgestellte Erbschein könne unrichtig sein (vgl. §  26 FamFG).934 Dies ist anzunehmen, sobald das Nachlassgericht von einem divergierenden ENZ erfährt.935 929 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  42; J. Schmidt ZEV 2014, 389 (394); Pamboukis/Stamatiadis EuErbVO, Art.  71 Rn.  21. 930 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  73 Rn.  26. 931 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  36. 932 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  30. 933 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  30. 934 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  24. 935 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  24.

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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Die Beteiligten haben vor der Einziehung Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. Art.  103 Abs.  1 GG, §  34 FamFG).936 Die Einziehung wird zunächst durch Beschluss des Nachlassgerichts angeordnet (vgl. §  38 ­ FamFG).937 ­Sodann wird die erteilte Urschrift des Erbscheins mit allen Ausfertigungen zu Händen des Gerichts eingezogen.938 Der Einziehungsbeschluss ist zu ­begründen (vgl. §  38 Abs.  3 FamFG) und dem Erbscheinsinhaber zuzustellen (vgl. §  41 Abs.  1 S.  2 ­FamFG). Den Beteiligten ist der Beschluss bekanntzugeben (vgl. §  41 Abs.  1 S.  1 FamFG). Als Folge der Einziehung wird der Erbschein kraftlos (vgl. §  2361 S.  2 BGB), seine Wirkungen entfallen.939 Während des Einziehungsverfahrens steht die Kenntnis von der Rückgabeanordnung der Kenntnis von der Unrichtigkeit gleich, sodass Bösgläubigkeit anzunehmen ist (vgl. §  2366 Hs.  2 BGB).940 Für Situationen, in denen der Erbschein oder eine Ausfertigung des Erbscheins nicht sofort erlangt werden kann, sieht §  353 Abs.  1 S.  1 ­FamFG die Kraftloserklärung des Erbscheins vor.941 Der Beschluss über die Kraftloserklärung des Erbscheins wird öffentlich bekannt gemacht (vgl. §  353 Abs.  1 S.  2 FamFG). Zum Schutz des wirklichen Erben kann das Gericht nach §  49 Abs.  1 FamFG unter bestimmten Voraussetzungen vorläufige Maßnahmen im Wege der einstweiligen Anordnung treffen.942 Besteht ein dringendes Bedürfnis für unverzügliches Tätigwerden,943 sind zulässige Maßnahmen in diesem Zusammenhang der Erlass eines Verfügungsverbots über Nachlassgegenstände gegenüber dem Erbscheinserben sowie die vorläufige Hinter­ legung des Erbscheins beim Nachlassgericht.944 Indes vermögen beide Maßnahmen den durch den Erbschein vermittelten Gutglaubensschutz nicht zu beseitigen.945 Gegen die Einziehung oder deren Ablehnung kann der Betroffene mit der befristeten Beschwerde nach §§  58 ff. FamFG vorgehen.946 Beschwerde­ gericht ist das Oberlandesgericht (vgl. §  119 Abs.  1 Nr.  1 lit.  a, lit.  b GVG), 936 MüKoBGB/Grziwotz

BGB, §  2361 Rn.  28. BGB, §  2361 Rn.  38. 938 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  40  f. 939 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  43. 940 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  39. 941 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  44. 942 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  47. 943  Zu dieser Voraussetzung vgl. MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  47. 944 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  47. 945 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  47. 946 MüKoBGB/Grziwotz BGB, §  2361 Rn.  47  f. 937 MüKoBGB/Grziwotz

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

wobei der Senat grundsätzlich in Vollbesetzung entscheidet (vgl. §  122 Abs.  1 GVG). Der wahre Erbe hat gegen den Inhaber eines unrichtigen Erbscheins einen Anspruch auf Herausgabe an das Nachlassgericht (vgl. §  2362 Abs.  1 BGB), der gegebenenfalls gerichtlich durchgesetzt und gemäß §  883 ZPO vollstreckt wird.947 Erhält das Nachlassgericht den Erbschein zurück, entfallen dessen Wirkungen parallel zur Einziehung.948 Der wahre Erbe kann zur Sicherung seiner Ansprüche auch eine einstweilige Verfügung des Prozessgerichts nach §  935 ZPO beantragen. (2) ENZ Stellt sich das ENZ als unrichtig heraus, ist für Änderung und Widerruf die Ausstellungsbehörde zuständig, d. h. das deutsche Nachlassgericht. Nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO wird die Ausstellungsbehörde von Amts wegen tätig, wenn das jeweilige nationale Recht dies vorsieht und ihr die Unrichtigkeit von Amts wegen bekannt wird. Nach §  38 S.  1 IntErbRVG hat das Nachlassgericht ein unrichtiges ENZ auf Antrag zu ändern oder zu widerrufen. Von Amts wegen tätig wird das deutsche Nachlassgericht allein für den Widerruf des ENZ (vgl. §  38 S.  2 IntErbRVG). Eine Änderung von Amts wegen sieht §  38 IntErbRVG dagegen nicht vor, da niemandem ein geändertes ENZ aufgedrängt werden soll.949 Das Nachlassgericht entscheidet über Änderung und Widerruf durch Beschluss (vgl. §  39 Abs.  1 S.  3 Int­ ErbRVG). Gegen den Widerruf oder die Änderung bzw. die Ablehnung eines Antrags auf Änderung oder Widerruf ist die Anfechtung nach Art.  72 Abs.  1 EuErbVO statthaft. Statthaftes Rechtsmittel in Deutschland ist gemäß §  43 Abs.  1 IntErbRVG die Beschwerde zum Oberlandesgericht.950 bb) ENZ eines französischen Notars und französischer acte de notoriété Stellt sich das ENZ eines französischen Notars als unrichtig heraus, ist dieser für Änderung, Widerruf oder eine Wirkungsaussetzung zuständig (vgl. Art.  1381-3 Abs.  2 CPC951). Da das französische Recht kein amtliches Ein947 MüKoBGB/Grziwotz

BGB, §  2362 Rn.  6 f. BGB, §  2362 Rn.  11. 949  Begr. RegE BT-Drs. 18/4201, 51 f. 950 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  72 Rn.  18. 951  Art.  1381-3 Abs.  2 CPC lautet: „En cas de retrait du certificat successoral européen, de suspension de ses effets ou de refus de procéder à sa rectification, sa modification, son retrait ou à la suspension de ses effets dans les conditions prévues aux articles 71 et 73 du règlement […], le notaire informe, dans les mêmes conditions, les personnes qui se sont vues délivrer une copie certifiée conforme du certificat initial“. 948 MüKoBGB/Grziwotz

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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ziehungsverfahren vorsieht,952 wird der Notar nur auf Antrag tätig. Gegen den Widerruf oder die Änderung des ENZ bzw. die Ablehnung eines Antrags auf Änderung oder Widerruf ist die Anfechtung nach Art.  72 Abs.  1 EuErbVO statthaft. Jede Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, kann innerhalb einer Frist von fünfzehn Tagen die Entscheidungen des Notars dem Präsidenten des tribunal judiciare in dessen Zuständigkeitsbereich der Notar tätig ist, vorgelegt werden (vgl. Art.  1383-4 Abs.  2 CPC). Ist der acte de notoriété inhaltlich unrichtig, ist kein amtliches Einziehungsverfahren vorgesehen, vielmehr wird ein neuer, inhaltlich richtiger acte de notoriété errichtet.953 Die Kollision eines ENZ eines französischen Notars und eines acte de notoriété im Ausstellungsstaat beider Nachlasszeugnisse wird folglich über einen Antrag auf Änderung oder Widerruf des ENZ nach Art.  1381-3 Abs.  2 CPC aufzulösen sein.954 Hat der Antrag auf Änderung oder Widerruf des ENZ Erfolg, löst dies den Widerspruch zwischen ENZ und acte de notoriété.955 Im Falle der Änderung des ENZ bestünden die beiden Nachlasszeugnisse nebeneinander. Wird das ENZ widerrufen, setzt sich schließlich der acte de notoriété durch. Genau wie in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach französischem Recht muss der französische Notar im Falle einer Änderung oder eines Widerrufs die sog. règle du contradictoire956 beachten, indem er unverzüglich alle Personen, denen beglaubigte Abschriften des ENZ ausgestellt wurden, über dessen Änderung oder Widerruf informiert957 (vgl. Art.  71 Abs.  3 EuErbVO, Art.  1381-3 Abs.  2 CPC). Wird der Antrag der Person mit berechtigtem Interesse hingegen abgelehnt und damit der Inhalt des ENZ bestätigt, setzt sich gegebenenfalls im Ergebnis das ENZ durch.958 Die Ablehnung einer Änderung oder eines Wi952  I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.  3); Vgl. zum französischen acte de notoriété etwa Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  217. 953  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  217. 954  I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.  3); R. Crône in Khairallah/Revillard, Perspectives, 155 (169 ff.); vgl. allgemein zu dieser Möglichkeit: Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  35. 955  I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.  3 „In fine, c’est le juge qui tranchera“); Vgl. allgemein zu dieser Möglichkeit: Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  35. 956  Vgl. hierzu Cass. 2e civ., 21.2.2013, n°  12-15.105, ECLI:FR:CCASS:2013:C200291 („Lorsqu’il statue sans audience sur une requête en rectification d’une erreur ou omission matérielle, le juge doit s’assurer que la requête a été portée à la connaissance des autres parties“). 957  E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (2.2.). 958  I. Barrière-Brousse D. 2015, 1651 (Nr.  3 „In fine, c’est le juge qui tranchera“); vgl. allgemein zu dieser Möglichkeit: Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  35.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

derrufs kann bei Vorliegen eines berechtigten Interesses ebenfalls angefochten werden (vgl. Art.  72 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO). Der Rechtsbehelf ist nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  3 EuErbVO bei einem Gericht des Mitgliedstaats der Ausstellungsbehörde nach der lex fori einzulegen.959 Bleibt auch dieser Rechtsbehelf erfolglos, setzt sich das ENZ gegenüber dem MNZ durch. cc) Résumé Weder die Einziehung eines MNZ noch der Widerruf oder die Änderung des ENZ vermögen in der Schwebelage bis zur Einziehung des MNZ bzw. der beglaubigten Abschriften des ENZ die Wirkungen des jeweiligen Nachlasszeugnisses zu beseitigen. Zwar setzt sich schlussendlich das inhaltlich richtige Nachlasszeugnis durch. In der Schwebezeit entfaltet jedoch auch das unrichtige Nachlasszeugnis grundsätzlich gegebenenfalls weiterhin Gutglaubenswirkung. Fraglich bleibt folglich, wie sich die Kollision von ENZ und MNZ auf deren Wirkungen auswirkt. d) Folgen einer Kollision für die Wirkungen der Nachlasszeugnisse Welche Folgen die Existenz eines materiell-rechtlich divergierenden MNZ auf die Wirkungen des ENZ hat, ist im deutschen Schrifttum lebhaft umstritten. Gleiches gilt freilich auch für den umgekehrten Fall. aa) Darstellung vertretener (deutscher) Auffassungen Der Umstand, dass das französische Schrifttum die Gefahr kollidierender Nachlasszeugnisse angesichts der durch die EuErbVO erfolgten Vereinheitlichung des erbrechtlichen Kollisionsrechts scheinbar als äußerst gering betrachtet,960 schlägt sich gerade auch im Diskurs um die Folgen einer Kollision für die Wirkungen der Nachlasszeugnisse nieder. Dieser wird durch das Schrifttum zur Kollision zwischen ENZ und MNZ (konkret zwischen ENZ und deutschem Erbschein) geradezu dominiert. (1) Vermutungswirkung Im Schrifttum wird – mit unterschiedlicher Begründung – die Auffassung vertreten, dass bei inhaltlichen Divergenzen zwischen ENZ und MNZ die jeweiligen Vermutungswirkungen der Nachlasszeugnisse entfallen, soweit

959 MüKoBGB/Dutta 960 

EuErbVO, Art.  72 Rn.  5. A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228; V. Égéa RTD eur. 2018, 845 (Rn.  3).

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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sie sich widersprechen.961 Die Rechtslage entspreche also hinsichtlich der Vermutungswirkungen derjenigen ohne Nachlasszeugnisse.962 (2) Gutglaubenswirkung Die Gutglaubenswirkung betreffend, wird teils angenommen, diese sei akzessorisch zur Vermutungswirkung und entfalle daher gleichermaßen.963 Im Ergebnis wird die Rechtsprechung deutscher Gerichte zu kollidierenden Erbscheinen964 übertragen. Andere wollen die Gutglaubenswirkungen jedenfalls des ENZ,965 bzw. sogar beider Nachlasszeugnisse966 grundsätzlich fortbestehen lassen. Hinsichtlich der Folgen für die Gutglaubenswirkungen sei in diesem Zusammenhang maßgeblich, ob derjenige, demgegenüber das eine Nachlasszeugnis verwendet wird, vom divergierenden anderen Nachlasszeugnis Kenntnis hatte oder ob ihm diesbezüglich grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden kann.967 Ein gutgläubiger Erwerb auf Grundlage eines Nachlass961 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.   62 Rn.   16; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20; Limbach in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.   69 Rn.   13; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Mansel EuErbVO, Art.  62 Rn.  19 f.; Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 253; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  37; Trittner, Redlichkeitsschutz, 221; Weber/ Schall NJW 2016, 3564 (3567). 962 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  16. 963  Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 (528); Kleinschmidt jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  55 f. Vgl. auch Wall ZErb 2015, 9 (16), der jedoch beiden Nachlasszeugnissen die Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen unter der – angesichts der in der Rs.  Oberle getroffenen Feststellungen des EuGH nicht länger haltbaren (s. oben Kapitel  5 B. II. 1. c)) – Prämisse, dass die Art.  4 ff. EuErbVO nicht auf die MNZ anzuwenden seien, versagen möchte. So betreffe die Frage nach der Auflösung eines Widerspruchs zwischen ENZ und den MNZ die Reichweite des Art.  69 Abs.  1 EuErbVO, der dahin auszulegen sei, dass den Wirkungen des ENZ nicht automatisch Vorrang zukommen könne, ENZ und MNZ also prinzipiell gleichwertig seien und deshalb keines der Nachlasszeugnisse Vermutungsoder Gutglaubenswirkung entfalten könne. Im Ergebnis müsse daher die Frage nach der Erbfolge sodann in einem streitigen Verfahren entschieden werden. 964  Zum jeweiligen Entfallen der Vermutungs- sowie der akzessorischen Gutglaubenswirkung bei mehreren in Kraft befindlichen, aber einander widersprechenden Erbscheinen vgl. die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland: etwa BGH NJW 1961, 605 (606); BGH NJW 1972, 582; BGH NJW-RR 1990, 1159. 965 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.   16; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20; Trittner, Redlichkeitsschutz, 221 f. 966  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 474 ff.; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/­Kreße EuErbVO, Art.  62 Rn.  20 f.; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  37. 967 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  16; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  37.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

zeugnisses sei mithin unter den allgemeinen Voraussetzungen möglich.968 Die Rechtsfolgen für die Gutglaubenswirkungen des ENZ seien bei einer Kollision mit einem inhaltlich divergierenden MNZ verordnungsautonom zu bestimmen, während sich die Folgen für die Gutglaubenswirkung der MNZ nach autonomem mitgliedstaatlichem Recht richten würden.969 Mit Blick auf die Registereintragung sei bei Vorlage sich widersprechender Nachlasszeugnisse der Eintragungsantrag zurückzuweisen; die Frage nach der Erbfolge müsse sodann im streitigen Verfahren geklärt werden.970 Wieder andere971 differenzieren nach dem Verhältnis der durch die je­ weiligen Nachlasszeugnisse Legitimierten untereinander und dem Verhältnis zwischen dem durch das jeweilige Nachlasszeugnis Legitimierten und Dritten. Im erstgenannten Verhältnis neutralisierten sich sowohl die Vermutungswirkung als auch die hierauf aufbauende Legitimations- und die Gutglaubenswirkung.972 Im Verhältnis zu Dritten entfielen die Vermutungsund Gutglaubenswirkungen dagegen nicht.973 Würde allerdings über ein und denselben Nachlassgegenstand verfügt, gelte der Prioritätsgrundsatz.974 Hinsichtlich der Legitimationswirkung solle die lex fori des registerführenden Mitgliedstaats über das Verhältnis von ENZ und einem MNZ entscheiden.975 bb) Stellungnahme Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Gutglaubens­ wirkung (konkreter Gutglaubensschutz des ENZ versus abstrakter bzw. konkreter Gutglaubensschutz eines MNZ), verbietet sich eine pauschale Annahme von Rechtsfolgen. Vielmehr muss die unterschiedliche Ausgestaltung der Gutglaubenswirkung bei der Bestimmung der Rechtsfolgen für die Wirkungen kollidierender Nachlasszeugnisse berücksichtigt werden.

968  Limbach in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.   44 EuErbVO, Art.  69 Rn.  13. 969  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 474 ff. 970  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 482 ff. 971  Dörner DNotZ 2017, 407 (417); Dörner IPRax 2017, 81 (87). 972  Dörner DNotZ 2017, 407 (417); Dörner IPRax 2017, 81 (87). 973  Dörner DNotZ 2017, 407 (417); Dörner IPRax 2017, 81 (87). 974  Dörner IPRax 2017, 81 (87). 975  Dörner IPRax 2017, 81 (87).

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(1) Keine Übertragung der Rechtsprechung deutscher Gerichte zu kollidierenden Erbscheinen aufgrund der Konzeption des Gutglaubensschutzes des ENZ Im Falle des parallelen Umlaufs inhaltlich divergierender Erbscheine deutschen Rechts nimmt die deutsche Rechtsprechung an, dass die bloße Existenz eines materiell-rechtlich kollidierenden Erbscheins den durch einen Erbschein vermittelten Rechtsschein zerstört.976 Zwar liegt dieser Rechtsprechung zu den Folgen eines parallelen Umlaufs kollidierender Erbscheine ein mit der Kollision eines ENZ und eines MNZ im Ausstellungsstaat beider Nachlasszeugnisse vergleichbarer Sachverhalt zugrunde: Wurden für ein und denselben Erbfall materiell-rechtlich divergierende deutsche Erbscheine ausgestellt, kann zwingend nur einer der beiden richtig sein. Auch für den Fall, dass ENZ und MNZ aus demselben Ausstellungsstaat von sich widersprechenden Rechtslagen ausgehen, ist dies nur möglich, wenn entweder das ENZ oder das MNZ inhaltlich unrichtig ist.977 Dennoch ist die deutsche Rechtsprechung auf die Kollision eines ENZ und eines MNZ nicht übertragbar. So kann etwa die bloße Existenz materiell-rechtlich kollidierender Nachlasszeugnisse den Rechtsschein nur dort zerstören, wo einerseits zwei Nachlasszeugnisse aufeinandertreffen, die abstrakten Gutglaubensschutz vermitteln und andererseits die Gutglaubenswirkung akzessorisch zur Vermutungswirkung ausgestaltet ist978 – wie also im Falle des parallelen Umlaufs kollidierender Erbscheine deutschen Rechts.979 Denn der deutsche Erbschein muss dem gutgläubigen Dritten gerade nicht vorgelegt werden; der gutgläubige Dritte muss noch nicht einmal um die Existenz eines Erbscheins wissen.980 Mithin fußt der durch einen deutschen Erbschein vermittelte Gutglaubensschutz selbst auf der bloßen Existenz eines Erbscheins und gerade nicht auf der konkreten Vorstel976  Zum jeweiligen Entfallen der Vermutungswirkung – zu der die Gutglaubenswirkung nach deutschem Recht akzessorisch ist – bei mehreren in Kraft befindlichen, aber einander widersprechenden Erbscheinen vgl. die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland: etwa BGH NJW 1961, 605 (606); BGH NJW 1972, 582; BGH NJW-RR 1990, 1159. 977  Vgl. oben Kapitel  5 E. I. 1. 978  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 474 f.; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (423). 979  H.M. zu kollidierenden Erbscheinen: BGH NJW 1961, 605; BGH NJW 1972, 582; BGH NJW-RR 1990, 1159; Erman/Simon BGB, §  2366 Rn.  5; Staudinger/Herzog BGB, 2016, §  2365 Rn.  23, §  2366 Rn.  35 (m. w. N.); Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  3. 980  Vgl. oben Kapitel  2 B. I. 2. und Kapitel  2 C. I. 3. a) bb); Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  1.

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lung des Dritten.981 Wenn bereits als Grundlage des Gutglaubensschutzes die Existenz des deutschen Erbscheins genügt, muss auch die bloße Existenz eines kollidierenden Erbscheins das Entfallen der Gutglaubenswirkung nach sich ziehen.982 Die Existenz eines materiell-rechtlich divergierenden deutschen Erbscheins erschüttert die Basis der Vermutungswirkung und ­damit auch der hierzu akzessorischen Gutglaubenswirkung deutscher Erbscheine, da offen ist, welcher Inhalt welchen Erbscheins der Kenntnis des Dritten zu unterstellen ist.983 Das ENZ vermittelt indes lediglich konkreten Gutglaubensschutz.984 Die Auffassung, dass bei einer Kollision sowohl Vermutungs- als auch Gutglaubenswirkung beider Nachlasszeugnisse entfallen, hinkt folglich bereits angesichts der Ausgestaltung der Gutglaubenswirkung des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO. Denn die Rechtsfolge, dass bei kollidierenden Nachlasszeugnissen gleichermaßen Vermutungs- und Gutglaubenswirkung entfallen, ist eine solche die genuin dem deutschen Konzept des Gutglaubensschutzes entspringt, und nicht unbesehen verallgemeinerungsfähig ist: Erstens ist das ENZ betreffend für die Entstehung des Rechtsscheins die Kenntnis des Dritten vom ENZ bzw. (während ihrer jeweiligen Geltungsdauer) von einer beglaubigten Abschrift desselben und ein Handeln aufgrund dessen bzw. deren Inhalts erforderlich (konkreter Gutglaubensschutz).985 Anders als im deutschen Recht gründet der durch das ENZ vermittelte Gutglaubensschutz nicht bereits auf der Existenz des ENZ, die EuErbVO knüpft vielmehr und ausschließlich an die konkrete Vorstellung des Dritten an. Das Entfallen der Gutglaubenswirkung bei bloßer Existenz kollidierender Nachlasszeugnisse ist bereits vor diesem Hintergrund nicht zu rechtfertigen. Ist der Ausgangspunkt des Gutglaubensschutzes eines redlichen Dritten konkreter Natur, ist der Schluss auf ein abstraktes Entfallen dieses Redlichkeitsschutzes dadurch, dass ein materiell-rechtlich kollidierendes MNZ existiert, von dem der Dritte weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis hatte, nicht zuzulassen.986 Zweitens ist dem deutschen Erbscheinsrecht konzeptionell eigen, dass es die Gutglaubenswirkung akzessorisch zur Vermutungswirkung des Erbscheins ausgestaltet hat. Demgegenüber ist die Gutglaubenswirkung des

981 

Vgl. oben Kapitel  2 B. I. 2. BGH NJW 1961, 605 (606); Erman/Simon BGB, §  2366 Rn.  5. 983  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 474. 984  Vgl. oben Kapitel  2 A. III. 2. b). 985 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  30; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (387). 986  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 474. 982 

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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ENZ gerade nicht i. S. e. Akzessorietät an dessen Vermutungswirkung geknüpft.987 (2) Zwischenrésumé Der europäische Verordnungsgeber hat durch die Regelung eines gleichberechtigten Dualismus von ENZ und den MNZ988 gerade keine Vorrangstellung des einen oder des anderen Nachlasszeugnisses vorgesehen. Bei einer Kollision von ENZ und MNZ mag zwar aufgrund ihrer grundsätzlichen Widerlegbarkeit jeweils die Vermutungswirkung entfallen. Die Gutglaubenswirkungen des ENZ und eines MNZ bleiben dagegen im Ausgangspunkt gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Ein Gutglaubenserwerb auf Grundlage eines Nachlasszeugnisses ist mithin unter den allgemeinen Voraussetzungen möglich. Ein redlicher Dritter kann sich folglich auf den durch das jeweilige Nachlasszeugnis vermittelten Schutz berufen. Die an die Redlichkeit des Dritten zu stellenden Anforderungen ergeben sind für das ENZ aus der EuErbVO selbst, für ein MNZ aus dem jeweiligen nationalen Recht. (3) Verordnungsautonome Bestimmung der Folgen für die Wirkungen des ENZ Welche Folgen die Existenz eines materiell-rechtlich divergierenden MNZ auf die Wirkungen des ENZ hat, ist unionsautonom und verordnungsspezifisch zu bestimmen.989 Den Wirkungen des ENZ kann zunächst aufgrund des in Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsprinzips keine höherrangige Stellung im Verhältnis zu den MNZ bescheinigt werden.990 (a) Vermutungs- und Legitimationswirkung Die Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO ist widerleglich, gilt also bis zum Nachweis des Gegenteils.991 Zwar regelt die EuErbVO die Widerleg­ bar­keit nicht ausdrücklich, dennoch ist angesichts der in Art.  69 Abs.  2 987 

Vgl. oben Kapitel  2 A. III. 5. Vgl. oben Kapitel  4. 989  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 475; Staudinger/Herzog BGB, 2016, §  2365 Rn.  24g; Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 257; Wall ZErb 2015, 9 (16). 990 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  16; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße EuErbVO, Art.  62 Rn.  19; Bonomi/Wautelet/Wautelet EuErbVO, Art.  62 Nr.  33; Wall ZErb 2015, 9 (16). 991  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  69 Rn.  13. 988 

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­ uErbVO verwendeten Terminologie davon auszugehen, dass der NachE weis des Gegenteils zulässig ist.992 So hat der europäische Verordnungsgeber die Formulierung „es wird vermutet“ (frz. „est présumé“; engl. „shall be pre­ sumed“) gewählt.993 Die Widerlegbarkeit folgt aus der an dieser Stelle ge­ botenen verordnungsautonomen Auslegung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO;994 es bedarf keines Rückriffs auf die jeweilige lex fori.995 Das ENZ soll die­selbe Wirkung in sämtlichen Mitgliedstaaten entfalten (vgl. ErwG 71 S.  1 ­EuErbVO). Allein eine unionsautonome und verordnungsspezifische Auslegung vermag diese Zielsetzung mit Blick auf die Voraussetzungen der Widerlegbarkeit der Vermutungswirkung des ENZ zu erreichen.996 Hinsichtlich der Folgen für die Vermutungswirkung des ENZ im Falle eines divergierenden MNZ ist Folgendes anzunehmen: Durch das divergierende MNZ wird die Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO widerlegt.997 Soweit also der Inhalt des ENZ im Widerspruch zum Inhalt eines MNZ steht, ist die Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO aufgehoben.998 Gleichermaßen entfällt die in Art.  69 Abs.  5 EuErbVO geregelte Legitimationswirkung des ENZ.999 (b) Gutglaubenswirkung Das ENZ vermittelt konkreten Gutglaubensschutz.1000 Wie oben bereits festgestellt,1001 vermag die bloße Existenz eines materiell-rechtlich kollidierenden MNZ den guten Glauben eines redlichen Dritten an die Richtigkeit des ENZ nicht zu erschüttern.1002 992 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   11; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  7; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  69 Rn.  13. 993 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  7. 994 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   69 Rn.   11; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  8; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  69 Rn.  13. 995  So allerdings wohl Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (775), der in Deutschland §  292 ZPO zur Anwendung bringen möchte. 996  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  37. 997 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  16; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße EuErbVO, Art.  62 Rn.  19; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  37. 998 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20. 999 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20. 1000 Vgl. oben Kapitel   2 A. III. 2. b); Michalski/J. Schmidt, ErbR, Rn.  1351; Omlor GPR 2014, 216 (218 f.); J. Schmidt ZEV 2014, 389 (393); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  30. 1001  Vgl. oben Kapitel  5 F. II. 1. d) bb) (3) (b). 1002  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 475; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20.

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Teilweise wird dagegen jedoch vertreten, dass auch die Gutglaubens­ wirkungen des ENZ entfallen, soweit ENZ und MNZ divergieren.1003 Die Einschränkung der Gutglaubenswirkungen des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO sei angezeigt, da das europäische Erbkollisionsrecht das materielle Recht der Mitgliedstaaten zur Gutglaubenswirkung nicht aushöhlen wolle und dies auch nicht könne.1004 So spreche insbesondere die Regelung des Art.  69 Abs.  5 EuErbVO und dessen Verweis auf Art.  1 Abs.  2 lit.  k und lit.  l EuErbVO dagegen, dem ENZ gegebenenfalls weitergehende Gutglaubenswirkungen als einem divergierenden MNZ des Mitgliedstaats der belegenen Sache einzuräumen.1005 Aus den Ausnahmeregelungen des Art.  1 Abs.  2 lit.  k und lit.  l EuErbVO kann jedoch nicht schlicht auch auf ein Entfallen der Gutglaubenswirkungen des ENZ und damit letztlich auf einen Vorrang des MNZ geschlossen werden.1006 Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO ist rein formell zu verstehen, lediglich das formelle Registerrecht unterliegt nicht dem Erbstatut.1007 Das ENZ mag zwar gegebenenfalls nach mitgliedstaatlichem Recht allein keine hinreichende Grundlage zur Umschreibung des Registers darstellen.1008 Allerdings stellt es ein wirksames Schriftstück zum Nachweis einer erbrecht­ lichen Berechtigung dar (vgl. Art.  69 Abs.  5 EuErbVO), das gleichberechtigt neben die MNZ tritt.1009 Vertraut also ein Dritter auf die Richtigkeit des ENZ, gilt dessen Inhalt diesem gutgläubigen Dritten gegenüber als zutreffend.1010 Die Wirkung des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO ist beim ENZ – anders als etwa beim Erbschein nach deutschem Recht – gerade nicht akzessorisch zur Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO.1011 Erlangt der Dritte allerdings Kenntnis vom divergierenden MNZ, darf er nicht länger auf die Richtigkeit des ENZ vertrauen.1012 Er ist zu Nachforschungen darüber gehalten, welches der di-

1003  Dorsel in Löhnig et al., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, 33 (59 f.), der indes tendenziell einschränkend anführt, dass dies jedenfalls gelten solle, solange nicht die europäischen Güterrechtsverordnungen gelten. 1004  Dorsel in Löhnig et al., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, 33 (59 f.). 1005  Dorsel in Löhnig et al., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, 33 (59 f.). 1006  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 469. 1007  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Kubicka Rn.  53 f. 1008  Vgl. oben Kapitel  4 D.; Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 441. 1009  Vgl. oben Kapitel  4 D.; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  30. 1010 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20. 1011 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.  16; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20. 1012  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 476.

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vergierenden Nachlasszeugnisse die Rechtslage zutreffend ausweist.1013 Die Nachforschungspflicht liegt darin begründet, dass die EuErbVO strengere Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten stellt als etwa das deutsche Recht.1014 Es schadet bereits grobe Fahrlässigkeit (vgl. Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO). Entspricht der Dritte der Nachforschungspflicht nicht, sondern verlässt sich auf die Richtigkeit des ENZ, wird er sich regelmäßig dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit ausgesetzt sehen, sodass der Gutglaubensschutz entfällt.1015 (4) Bestimmung der Folgen für die Wirkungen des MNZ nach autonomem mitgliedstaatlichen Recht Die Folgen für die Wirkungen der MNZ sind nach dem jeweiligen autonomen mitgliedstaatlichen Recht zu bestimmen.1016 (a) Erbschein (aa) Vermutungs- und Gutglaubenswirkung Der deutsche Erbschein entfaltet abstrakten Redlichkeitsschutz, wobei die Gutglaubenswirkung nach §  2366 BGB akzessorisch zur Vermutungswirkung nach §  2365 BGB ist.1017 Folglich drängt zunächst die Frage, ob die bloße Existenz eines inhaltlich divergierenden ENZ die Vermutungswirkung des §  2366 BGB zu erschüttern vermag, auf eine Antwort. Dem deutschen Recht ist zunächst die Situation vertraut, dass zwei sich widersprechende Erbscheine zusammentreffen. Allerdings ist dieser Fall gesetzlich nicht geregelt. Vor diesem Hintergrund waren die Rechtsfolgen divergierender Erbscheine lange umstritten. Teilweise wurde vertreten, dass bei Vorliegen divergierender Erbscheine die jeweilige Vermutungswirkung nach §  2365 BGB entfalle, bis einer der Erbscheine entweder eingezogen oder für kraftlos erklärt wird.1018 Entfallen solle indes allein die Vermutungs-, nicht aber die Gutglaubenswirkungen der Erbscheine.1019 1013 Dutta/Weber/Fornasier

IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20. Vgl. oben Kapitel  2 D. III. 1015 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20. 1016  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 477; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20; Möller, Das ENZ im System des Gutglaubensschutzes, 255. 1017  Vgl. oben Kapitel  2 B. I. 2. 1018  Herminghausen NJW 1986, 571 (573). 1019  Herminghausen NJW 1986, 571 (573). 1014 

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Nach Auffassung des BGH1020 und der mittlerweile herrschenden Auf­ fassung im deutschen Schrifttum1021 entfällt die Vermutung des §  2365 BGB für beide Erbscheine. Der Redlichkeitsschutz sei abstrakter Natur und greife auch dann ein, wenn der Erbschein dem Dritten nicht vorgelegt und auch anderweitig nicht zur Kenntnis gereicht wird.1022 Folglich könne bei Erbscheinen, die das Erbrecht im Widerspruch zueinander ausweisen, ein Rechts­scheinstatbestand als Voraussetzung eines gutgläubigen Erwerbs erst gar nicht entstehen.1023 Die Gutglaubenswirkung sei ausweislich des Wortlauts des §  2366 BGB („soweit die Vermutung des §  2365 reicht“) akzes­ sorisch zur Richtigkeitsvermutung des §  2365 BGB; sie könne keinesfalls weiterreichen als die Vermutungswirkung.1024 Nach §  2367 BGB findet wiederum §  2366 BGB entsprechende Anwendung, wenn an den Erbscheinserben geleistet wird. Entfalle die Vermutungswirkung, entfalle zwangsläufig auch die Gutglaubenswirkung.1025 Gleiches müsse gelten, soweit in derselben Sache ein Erbschein und ein divergierendes Testamentsvollstreckerzeugnis in Umlauf sind, da Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis denselben Schutzzweck verfolgen.1026 Vermutungs- und Gutglaubenswirkung divergierender Erbscheinen entfallen folglich, soweit ihr Widerspruch reicht. Die Gutglaubenswirkung entfällt demnach bereits dann, wenn ihre Grundlage auch nur abstrakt durch die Existenz eines divergierenden Erbscheins erschüttert ist. Prämisse dieser Lösung ist freilich, dass Nachweise aufeinandertreffen, die jeweils mit abstraktem Redlichkeitsschutz ausgestattet sind. Das deutsche Recht kennt ferner die Situation, dass sich Grundbuch und Erbschein widersprechen.1027 In diesem Fall geht das Grundbuch als abstrakt wirkendes Legitimationsinstrument mit spezielleren Wirkungen der Gutglaubenswirkung des Erbscheins vor.1028 Das Grundbuch erschüttert damit wiederum die Grundlage des abstrakten Redlichkeitsschutzes des 1020 

BGH NJW 1961, 605 (606); BGH NJW 1972, 582; BGH NJW-RR 1990, 1159. BGB, §   2365 Rn.   4 m. w. N.; BeckOK/Siegmann/Höger BGB, §  2365 Rn.  8; Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  3; Staudinger/Herzog BGB, 2016, §  2365 Rn.  23. 1022 BeckOGK/Wall BGB, §   2366 Rn.  1 (Stand: 1.5.2021); Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  1. 1023 BeckOGK/Wall BGB, §   2366 Rn.  65 (Stand: 1.5.2021); Palandt/Weidlich BGB, §  2366 Rn.  3. 1024  BGH NJW 1961, 605 (606). 1025  BGH NJW 1961, 605 (606). 1026  BGH NJW 1979, 582. 1027  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 478. 1028  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 478. 1021 MüKoBGB/Grziwotz

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Erbscheins.1029 Hier treffen ebenfalls Institute aufeinander, die jeweils mit abstraktem Schutz ausgestattet sind. Würden diese Grundsätze hinsichtlich der Rechtsfolgen für den Erbschein auch bei einem Zusammentreffen von ENZ und divergierendem deutschen Erbschein herangezogen, würde die Vermutung des §  2365 BGB bereits durch die Existenz des divergierenden ENZ erschüttert. Akzessorisch entfiele dann auch die Gutglaubenswirkung des Erbscheins nach §§  2366, 2367 BGB. Ein Dritter könnte also vom Erbscheinserben – unabhängig von seiner Kenntnis über das Vorliegen eines divergierenden ENZ – nicht gutgläubig erwerben und auch nicht mit befreiender Wirkung an den Erbscheinserben leisten. Hingegen könnte ein Dritter von dem durch ein ENZ Legitimierten nur dann nicht gutgläubig erwerben und nur dann nicht mit befreiender Wirkung an diesen leisten, wenn ihm der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis vom divergierenden Erbschein gemacht werden kann. Wesentlicher Unterschied zwischen dem Zusammentreffen divergierender Erbscheine und dem Zusammentreffen eines ENZ und eines divergierenden Erbschein ist jedoch, dass das ENZ gerade keinen abstrakten, sondern konkreten Redlichkeitsschutz gewährt. Der redliche Dritte wird folglich nur dann geschützt, wenn er Kenntnis vom Inhalt des ENZ hatte. Umgekehrt ist ihm der Redlichkeitsschutz nur dann zu versagen, wenn er jedenfalls grob fahrlässig hinsichtlich der inhaltlichen Unrichtigkeit des ENZ war.1030 Anders als bei einem Zusammentreffen divergierender Erbscheine kann eindeutig an den deutschen Erbschein als Rechtsscheinsträger angeknüpft werden.1031 Hat der Dritte keine positive Kenntnis vom divergierenden ENZ, kann er vom Erbscheinserben gutgläubig erwerben und an diesen leisten (vgl. §§  2366 f. BGB). Die bloße Existenz eines divergierenden ENZ kann folglich die Richtigkeitsvermutung des §  2365 BGB nicht erschüttern.1032 Dem deutschen Recht sind vergleichbare Situationen eines Zusammentreffens von abstraktem und konkretem Vertrauensschutz nicht unbekannt.1033 Das betrifft die Fälle, in denen Dritte – unabhängig davon, ob sie das Handelsregister eingesehen haben oder von der Bekanntmachung einer

1029 

Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 478. Vgl. oben Kapitel  2 A. III. 2. c). 1031  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 478 f. 1032  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 479; Staudinger/Herzog BGB, 2016, §  2365 Rn.  24 f.; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (424); Palandt/Weidlich BGB, Anh. zu §§  2353 ff. Art.  69 EuErbVO Rn.  2. 1033  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 479; MüKoHGB/Krebs HGB, §  15 Rn.  21. 1030 

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eintragungspflichtigen Tatsache erfahren haben – jedenfalls1034 bei unrichtiger Bekanntmachung zunächst nach den Regeln des abstrakten Vertrauensschutzes nach §  15 Abs.  3 HGB geschützt werden.1035 Ist parallel hierzu ein außerhalb des Registers liegender Rechtsscheinsträger im Umlauf, der konkreten Vertrauensschutz vermittelt (z. B. von Verlautbarungen im Handelsregister [etwa Firma] abweichende Firmierung im Geschäftsbrief1036), so entfallen die Wirkungen der positiven Publizität des Handelsregisters so lange nicht, bis der Dritte vom Rechtsscheinsträger Kenntnis erlangt und damit bösgläubig i. S. d. §  15 Abs.  3 HGB wird.1037 Die bloße Existenz eines anderslautenden Rechtsscheinsträgers vermag die positive Publizität des Handelsregisters folglich nicht zu erschüttern. Dies ist erst dann der Fall, wenn der Dritte vom anderslautenden Rechtsscheinsträger positive Kenntnis erlangt.1038 Anders als die Gutglaubenswirkungen des deutschen Erbscheins sind diejenigen des ENZ nicht akzessorisch zur Vermutungswirkung.1039 Folglich würden sich die Gutglaubenswirkungen des ENZ gegenüber dem deutschen Erbschein durchsetzen, wenn davon auszugehen wäre, dass sich die Vermutungswirkungen von deutschem Erbschein und ENZ gegenseitig aufheben.1040 Fraglich ist daher, ob die Vermutungswirkung und damit zwingend auch die Gutglaubenswirkung des Erbscheins entfällt, wenn der Dritte Kenntnis von der Existenz eines divergierenden ENZ erlangt. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Dritte bereits durch die Kenntnis von einem divergierenden ENZ bösgläubig würde. Vor dem Hintergrund, dass allein positive Kenntnis, nicht aber bereits grob fahrlässige Unkenntnis die Redlichkeit des Dritten zu beseitigen vermag, muss indes der Dritte, der Kenntnis von einem divergierenden ENZ hat, nicht notwendigerweise von der Unrichtigkeit des Erbscheins ausgehen.1041 Zwar ist der Dritte gegebenenfalls ver1034  Umstritten

ist, ob §  15 Abs.  3 HGB analog auch für die Fälle, in denen die Bekanntmachung richtig ist oder fehlt, die Eintragung jedoch unrichtig ist, anwendbar ist, vgl. etwa Baumbach/Hopt/Hopt HGB, §  15 Rn.  18. 1035  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 479  ff.; MüKoHGB/Krebs HGB, §  15 Rn.  21 ff. 1036 MüKoHGB/Krebs HGB, §  15 Rn.  23. 1037  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 479 ff. 1038  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 481; in diese Richtung wohl auch MüKo­ HGB/Krebs HGB, §  15 Rn.  23, nach dem die Anforderungen an einen konkreten Vertrauensschutz gegen das Register nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen. 1039 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  16. 1040  So etwa MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  16. 1041  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 482; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (425).

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pflichtet Nachforschungen anzustellen, die Schwelle der positiven Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins ist damit jedoch noch nicht überwunden.1042 Der Dritte sieht sich allein dem Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis von der Unrichtigkeit ausgesetzt, hingegen schadet – anders als beim Vertragspartner des durch ein ENZ Legitimierten – allein positive Kenntnis.1043 Hinsichtlich der Gutglaubenswirkungen ist maßgeblich, ob der Gutglaubenstatbestand nach dem ENZ oder dem deutschen Erbschein verwirklicht wurde.1044 Wird der Gutglaubenstatbestand zugunsten verschiedener Dritter erfüllt, greift der Prioritätsgrundsatz.1045 Es erwirbt derjenige redliche Dritte den Nachlassgegenstand, an den dieser zuerst veräußert wurde, da der veräußerte Gegenstand mit der ersten Veräußerung aus dem Nachlass fällt und ein Nachlasszeugnis über die fehlende Nachlasszugehörigkeit nicht hinwegzuhelfen vermag.1046 (bb) Legitimationswirkung Das Zusammentreffen von abstraktem und konkreten Gutglaubensschutz wird nicht nur auf Ebene der Gutglaubenswirkungen von ENZ und deutschem Erbschein relevant. Die Auswirkungen der Vorlage eines Erbscheins und eines inhaltlich divergierenden ENZ auf die Legitimationswirkungen der Nachlasszeugnisse bei der mitgliedstaatlichen Registereintragung bedürfen einer hiervon losgelösten Betrachtung. Zunächst muss der Nachweis der Erbfolge geführt, d. h. der Erbschein oder das ENZ müssen dem Grundbuchamt auch tatsächlich vorgelegt, werden1047 (vgl. §  35 Abs.  1 S.  1 GBO). Existieren zwei sich widersprechende Erbscheine, erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge als nicht nachgewiesen, da die Richtigkeitsvermutung des §  2365 BGB aufgehoben wird.1048 Nichts anderes kann für die Richtigkeitsvermutung des Erbscheins gelten, wenn dem Grundbuchamt ein Erb1042 

Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 482; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358

1043 

Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 482; Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358

(425). (425).

1044 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   62 Rn.  16; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  62 EuErbVO Rn.  20; Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Kreße EuErbVO, Art.  62 Rn.  20; NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  37. 1045 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  16. 1046 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  62 Rn.  16. 1047 BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  25. 1048  BGH NJW-RR 1990, 1159; BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  55.

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schein und ein inhaltlich widersprechendes ENZ vorgelegt werden. Ein inhaltlich widersprechendes ENZ vermag die Vermutungswirkung des §  2365 BGB aufzuheben.1049 Mangels Kompetenz des Grundbuchamtes zur Entscheidung erbrechtlicher Streitigkeiten, muss es daher bei Vorlage sich widersprechender Nachlasszeugnisse den Eintragungsantrag zurückweisen.1050 Aufgrund des Gleichlaufs der internationalen Zuständigkeit bei der Erteilung des ENZ und bei der Erteilung eines deutschen Erbscheins kann es zur Vorlage sich widersprechender Nachlasszeugnisse allerdings nur dann kommen, wenn eines der Nachlasszeugnisse inhaltlich unrichtig ist. Folglich kann der Erbscheinserbe beim Ausstellungsgericht des ENZ Änderung oder Widerruf des ENZ beantragen (vgl. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO, §  38 S.  1 Int­ ErbRVG). Über Änderung und Widerruf entscheidet das Ausstellungsgericht durch Beschluss (vgl. §  39 Abs.  1 S.  3 IntErbRVG). Der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung ist in §  41 IntErbRVG geregelt. Im Falle einer Änderung entfaltet das ENZ seine Wirkungen ex nunc nur noch in der geänderten Fassung.1051 Existieren zwei identische Erbscheine, so entfaltet jeder die Vermutungswirkung des §  2365 BGB.1052 Diesbezüglich kann für die Vermutungswirkungen des Erbscheins und des ENZ ebenfalls nichts anderes gelten. Wird das ENZ geändert, hat das Grundbuchamt die Eintragung folglich vorzunehmen. Im Falle eines Widerrufs entfaltet es ex nunc keine Wirkungen mehr.1053 Anstelle eines Antrags auf Änderung oder Widerruf des ENZ kann der Erbscheinserbe bei dem nach Art.  4 ff. EuErbVO zuständigen deutschen Nachlassgericht eine Erbenfeststellungsklage erheben. Indes stellt das Feststellungsurteil bei einem Obsiegen des Erbscheinserben allein keinen taug­ lichen Unrichtigkeitsnachweis i. S. d. §  35 Abs.  1 S.  1 GBO dar.1054 (b) Gutglaubenswirkung des acte de notoriété Soweit ersichtlich, wird das Sachproblem mehrerer actes de notoriété contradictoires in Frankreich lediglich unter dem Gesichtspunkt der Vorlage zweier sich widersprechender actes de notoriété im Rahmen einer pétition d’hérédité bei Erbfällen, die vor dem 1.7.2002 und damit vor der Reform des französischen Erbrechts, im Zuge derer die Art.  730 bis 730-5 C. civ. eingeführt 1049 

Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 483. Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 483; Volmer notar 2016, 323 (328). 1051 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  34. 1052  BGH NJW-RR 1990, 1159; BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  55. 1053 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  35. 1054 BeckOK/Wilsch GBO, §  35 Rn.  24. 1050 

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wurden, diskutiert.1055 In diesem Fall ist anerkannt, dass die juges du fond souverän entscheiden, welcher acte de notoriété beibehalten werden soll.1056 Die Interessen gutgläubiger Dritter, die einem erreur commun et invincible unterlagen – was im Falle eines acte de notoriété angenommen wurde – und Rechtsgeschäfte mit dem Scheinerben abgeschlossen haben, wurden durch die théorie de l’apparance geschützt.1057 Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass im französischen Recht die bloße Existenz zweier actes de notoriété contradictoires zu einem Entfallen der Gutglaubenswirkungen beider Nachlasszeugnisse führt. Indes dürften Fälle einer nach dem Verfahren der Art.  730-1 Abs.  1 C. civ. erfolgten Ausstellung divergierender actes de notoriété unterschiedlicher französischer Notare wohl angesichts des durch Art.  730-1 Abs.  5 C. civ.1058 aufgestellten Erfordernisses, dass die Existenz eines acte de notoriété auf dem acte de décès (Sterbeurkunde) zu vermerken ist, denkbar selten sein. Im Verfahren zur Ausstellung eines acte de notoriété ist unter anderem der acte de décès vorzulegen.1059 Wird also bei einem Notar ein acte de notoriété beantragt, wird dieser notwendigerweise über einen bereits erteilten acte de notoriété informiert. Anders als in Deutschland wird im französischen Schrifttum für die Bestimmung der Folgen eines ENZ, das mit einem acte de notoriété kollidiert, gerade nicht auf die Lösungen des innerstaatlichen Rechts für den Fall sich widersprechender actes de notoriété rekurriert. Vielmehr wird im französischen Schrifttum wohl weit überwiegend die Auffassung vertreten, dass das ENZ Vorrang vor dem MNZ beanspruche,1060 folglich der einem ENZ widersprechende acte de notoriété keinerlei Vermutungs- und Gutglaubenswirkung entfalte.

1055 

J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  48. 1056  Cass. 1re civ., 31.5.1965, n°  62-13.054. 1057  J. Hérail in Savaux/Martineau/Bozet, Répertoire de droit civil, Acte de notoriété, Nr.  48. 1058  Art.  710-1 Abs.  5 C. civ. lautet: „Il est fait mention de l’existence de l’acte de notoriété en marge de l’acte de décès“. 1059  Döbereiner in Süß, Erbrecht in Europa, Frankreich Rn.  216. 1060  A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228; P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  37); P. Lagarde in Simon/Poillot-Peruzzetto/Collin, Répertoire de droit européen, Règlement successions, Nr.  228. V. Égéa RTD eur. 2018, 845 (Rn.  3).

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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(c) Résumé und Würdigung Die dem deutschen Recht eigene Lösung betreffend die Kollision divergierender Erbscheine ist auf eine Kollision von ENZ und deutschem Erbschein nicht übertragbar. Anders als der deutsche Erbschein entfaltet das ENZ konkreten Gutglaubensschutz, sodass bereits die Ausgangslage eine gänzlich andere ist als beim Zusammentreffen zweier (mit öffentlichem Glauben ausgestatteter) Erbscheine. Die bloße Existenz eines divergierenden ENZ kann die Richtigkeitsvermutung des §  2365 BGB im Rechtsverkehr nicht erschüttern. Die Vermutungswirkung – und damit zwingend auch die akzessorische Gutglaubenswirkung – eines deutschen Erbscheins entfällt allein dann, wenn der Dritte positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins hatte. Indes ist dieser Dritte bei Kenntnis des Bestehens eines inhaltlich divergierenden ENZ gehalten, Nachforschungen anzustellen. Demgegenüber geht das französische Schrifttum weit überwiegend davon aus, dass der einem ENZ inhaltlich widersprechende acte de notoriété aufgrund der Annahme eines Vorrangs des ENZ weder Vermutungs- noch Gutglaubenswirkung entfaltet. Dies mag seinen Hintergrund darin finden, dass das französische Schrifttum die Gefahr kollidierender Nachlasszeugnisse angesichts der Kollisionsrechtsvereinheitlichung durch die Art.  20 ff. EuErbVO und dem diesen Bestimmungen zugrunde liegenden Grundsatz der kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit als äußerst gering betrachtet.1061 Hinsichtlich der Legitimationswirkung des deutschen Erbscheins ist im deutschen Grundbuchrecht schließlich anzunehmen, dass bei der Existenz eines dem deutschen Erbschein inhaltlich widersprechenden ENZ die Erbfolge als nicht nachgewiesen erachtet werden muss. Mangels Kompetenz des deutschen Grundbuchamts zur Entscheidung erbrechtlicher Streitigkeiten1062 wird es den Eintragungsantrag daher bei Vorlage sich widersprechender Nachlasszeugnisse zurückweisen. Der Erbscheinserbe kann jedoch beim Ausstellungsgericht des ENZ Änderung oder Widerruf des supranationalen Nachlasszeugnisses nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO, §  38 S.  1 IntErbRVG beantragen. Wird dem Antrag des Erbscheinserben entsprochen und wird das ENZ aufgrund inhaltlicher Unrichtigkeit geändert oder widerrufen, hat das Grundbuchamt die Eintragung dann vorzunehmen.

1061 

A. Devers Dr. Fam. 2018 comm. 228; V. Égéa RTD eur. 2018, 845 (Rn.  3). BGB, §  2365 Rn.  28 (Stand: 15.6.2021).

1062 BeckOGK/Wall

318

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

2. Grenzüberschreitende echte Divergenz zwischen ENZ und MNZ a) Internationales Erbverfahrensrecht aa) Kollision von ENZ und einer Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde aus einem anderen Mitgliedstaat im Ausstellungsstaat des ENZ (1) Keine Anwendung des Art.  40 lit.  c oder lit.  d EuErbVO Eine mitgliedstaatliche Entscheidung ist nach Art.  40 lit.  c EuErbVO nicht anzuerkennen, wenn sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien im Anerkennungsstaat ergangen ist.1063 Unvereinbarkeit ist anzunehmen, wenn die betreffenden Entscheidungen sich gegenseitig ausschließende Rechtsfolgen zeitigen.1064 Unabhängig von der zeitlichen Abfolge räumt Art.  40 lit.  c EuErbVO bei einer Entscheidungskollision der inländischen Entscheidung Geltungsvorrang ein.1065 Art.  40 lit.  c EuErbVO ergänzt folglich Art.  17 EuErbVO, wenn dessen Litispendenzregelung fehlschlägt.1066 Bei einer Kollision zwischen ENZ und einem MNZ kann prima facie eine Übertragung des unbedingten Geltungsvorrangs der inländischen Entscheidung angedacht werden. Fraglich ist demnach, ob eine echte Divergenz und damit eine Kollision zwischen ENZ und MNZ auf Ebene des Internationalen Erbverfahrensrechts aufgelöst werden kann, mithin, ob Art.  40 lit.  c EuErbVO auf eine derartige Kollision anwendbar ist. Wie Art.  17 EuErbVO setzt Art.  40 lit.  c EuErbVO eine Identität der an den Verfahren beteiligten Personen voraus, wobei wegen des engen Zusammenhangs der Vorschriften eine extensive Auslegung des Begriffs der Parteiidentität wie im Rahmen des Art.  17 EuErbVO1067 geboten ist.1068 Prämisse des Art.  40 EuErbVO ist jedoch die Koordination unvereinbarer Entscheidungen, die in den Anwendungsbereich der Regelungen der Art.  39 ff. EuErbVO fallen. Zwar mögen die Wirkungen eines gerichtlichen MNZ dann nach diesen Vorschriften anerkannt werden, wenn es als Entscheidung im anerkennungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren ist. Dagegen unterliegt das ENZ gerade nicht den Art.  39 ff. EuErbVO. Denn das ENZ 1063 

NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  9. v. 4.2.1988, Hoffmann, Rs.  C-145/86, Slg. 1988, 645, ECLI:EU:C:1988:61 Rn.  22; Bonomi/Wautelet/Pretelli EuErbVO, Art.   40 Nr.   40; BeckOGK/J. Schmidt ­Eu­Erb­VO, Art.  40 Rn.  40; Dutta/Weber/Weber IntErbR, Art.  40 EuErbVO Rn.  39. 1065  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  9. 1066  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  9. 1067 Vgl. oben Kapitel   5 B. II. 2. c) (a) (aa); Deixler-Hübner/Schauer/Frauenberger-­ Pfeiler EuErbVO, Art.  17 Rn.  2; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  17 Rn.  8. 1068  NK-BGB BGB/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  10. 1064  EuGH

F. Kollision des ENZ mit MNZ

319

ist keine Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO,1069 vielmehr tritt es als Rechtsinstitut sui generis,1070 dessen Wirkungen ipso iure in alle Mitgliedstaaten erstreckt werden, selbständig neben die Kategorien der anerkennungsrechtlichen Entscheidung, der annahmerechtlichen öffentlichen Urkunde i. S. d. EuErbVO1071 sowie der bloßen Privaturkunde. Bei einer Kollision von ENZ und gerichtlichem MNZ vermag eine Anwendung des Art.  40 lit.  c EuErbVO ebenso wenig zu überzeugen wie eine Anwendung der Litispendenzregelung des Art.  17 EuErbVO auf vorgelagerter Ebene. Dies gilt umso mehr bei einer Kollision von ENZ und einem nichtgerichtlichem MNZ, das ebenfalls nicht dem Anerkennungsregime der EuErbVO, sondern den Art.  59 f. EuErbVO unterstellt ist. Aus denselben Gründen überzeugt auch die Anwendung des Art.  40 lit.  d EuErbVO auf die Kollision von ENZ und MNZ nicht. Art.  40 lit.  d EuErbVO löst die Kollision zweier ausländischer Entscheidungen mittels des Prioritätsprinzips, wenn aus Sicht des Anerkennungsstaats zwei ausländische Entscheidungen in derselben Sache vorliegen.1072 Der zeitlich später ergangenen Entscheidung ist folglich die Anerkennung zu versagen, wenn sie mit der früheren Entscheidung unvereinbar ist.1073 Insbesondere die von Art.  40 lit.  d EuErbVO geregelte Konstellation eines „Dreistaatenverhältnisses“1074 zeigt deutlich auf, dass die Anwendung der Nichtanerkennungsgründe des Art.  40 EuErbVO hinsichtlich des ENZ schlichtweg verfehlt wäre. So unterliegen die Wirkungen des ENZ seiner Konzeption nach gerade weder positiven noch negativen Anerkennungsvoraussetzungen (vgl. Art.  69 Abs.  1 EuErbVO). (2) Ordre public-Vorbehalt des Art.  40 lit.  a EuErbVO und des Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO Gemäß Art.  40 lit.  a EuErbVO betreffend die Anerkennung von Entscheidungen und seiner Parallelregelung in Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO betreffend die Annahme öffentlicher Urkunden wird die Anerkennung bzw. die Annahme versagt, wenn sie dem ordre public des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widerspricht.1075 Eine Versagung 1069 

O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  89. Vgl. oben Kapitel  4 A. 1071  C. Nourissat JCP 36 (2015) 935 (Nr.  21). 1072  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  11 f. 1073  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  12. 1074  NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErbVO, Art.  40 Rn.  11. 1075  O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  94; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  9 f., Art.  59 Rn.  23. 1070 

320

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

der Anerkennung/Annahme kommt nur in Betracht, wenn die konkreten Wirkungen der ausländischen Entscheidung1076 bzw. die formelle Beweiskraft der ausländischen öffentlichen Urkunde1077 im Anerkennungsstaat mit der öffentlichen Ordnung des Forumstaats offensichtlich unvereinbar ist.1078 Ein Eingreifen des Vorbehalts des Art.  40 lit.  a EuErbVO wie auch des Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO kommt – wie im Rahmen des Art.  35 ­EuErbVO betreffend die Anwendung ausländischen Rechts1079 – lediglich ausnahmsweise in Betracht; auch die ordre public-Bestimmung des Art.  40 lit.  a EuErbVO und des Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO sind damit entsprechend eng auszulegen.1080 Im Gegensatz zum ordre public-Vorbehalt des Art.  35 EuErbVO, kann sich im Rahmen des Art.  40 lit.  a EuErbVO neben einem Verstoß gegen den materiell-rechtlichen ordre public auch ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public ergeben.1081 Hinsichtlich in Betracht kommender Verstöße gegen den materiell-rechtlichen ordre public sei insofern auf die obigen Ausführungen zu Art.  35 EuErbVO verwiesen.1082 Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public kann insbesondere bei einer Verletzung des durch Art.  47 Abs.  2 EuGRCh bestimmten Anspruchs auf ein faires Verfahren vorliegen.1083 Die Verletzung der Regelungen der Art.  4 ff. EuErbVO findet im Rahmen des ordre public-Vorbehalts des Art.  40 lit.  a EuErbVO jedoch auch nicht als Ausprägung des verfahrensrechtlichen ­ordre public Berücksichtigung.1084 Denn Ratio des durch die EuErbVO ­etablierten Zuständigkeitsregimes ist eine Reduktion der Gerichtsstände, nicht hingegen der Schutz individueller oder staatlicher Interessen.1085 Ein Verstoß gegen den ordre public i. S. d. Vorbehalts des Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO kann angesichts des Diskriminierungsverbots des Art.  21 EuGRCh etwa dann angenommen werden, wenn das Recht des Ausstel1076 

O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  94; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  12. 1077 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  25. 1078 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  13, Art.  59 Rn.  24. 1079 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  35 Rn.  12. 1080 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  14, Art.  59 Rn.  24. 1081  O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  94; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  18. 1082  Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 6. 1083 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  40 Rn.  20. 1084 Bereits zu Art.   30 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  39. 1085 Bereits zu Art.   30 EuErbVO-E vgl. Rauscher/Rauscher EuZPR/EuIPR (2010), Einf. EG-ErbVO-E Rn.  39.

F. Kollision des ENZ mit MNZ

321

lungsmitgliedstaats der öffentlichen Urkunde formelle Beweiskraftwirkung nur gegenüber einem bestimmten Geschlecht zuerkennt oder an eine bestimmte Religionszugehörigkeit knüpft.1086 Ein Verstoß gegen den ordre ­public kommt ferner auch dann in Betracht, wenn das Verfahren der Urkundserrichtung fundamentalen Rechtsverstößen unterliegt.1087 Im deutschen Schrifttum wird ein Verstoß gegen den deutschen ordre public teilweise auch dann angenommen, wenn das Recht des Ausstellungsmitgliedstaats im Gegensatz zum deutschen Recht bei vergleichbaren Urkunden von einer Unwiderlegbarkeit ausgeht,1088 da der Richter nicht gezwungen werden dürfe „sehenden Auges eine Entscheidung auf falscher Tatsachengrundlage zu treffen“1089. Indes sieht das deutsche Recht mit Blick etwa auf §  165 ZPO auch Konstellationen vor, in denen grundsätzlich nur das maßgeblich ist, was in der Urkunde protokolliert ist.1090 Folglich wäre ein auf die Unwiderlegbarkeit der Beweiswirkung gestützter Verstoß gegen den ordre public ­allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen.1091 Die Auflösung einer grenzüberschreitenden Divergenz zwischen ENZ und einem MNZ wird also lediglich im äußerst eng umgrenzten Anwendungsbereich des Art.  40 lit.  a EuErbVO bzw. des Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO möglich sein. bb) Grenzüberschreitende Kollision im Verwendungsmitgliedstaat des ENZ  – Widerrufs- und Einziehungsmöglichkeit Stimmen ENZ und MNZ aus Sicht der jeweiligen Ausstellungsstelle mit dem – aus deren Sicht – maßgeblichen Recht überein, können und werden sie das ENZ bzw. das MNZ weder ändern noch widerrufen.1092 So sieht kein Mitgliedstaat die Möglichkeit einer Änderung oder eines Widerrufs eines materiell-rechtlich zutreffenden Nachlasszeugnisses vor.1093 Dies gilt zunächst für die Kollision eines ENZ, das von einer nach den Regelungen der

1086 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  26.1. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  26.3. 1088 Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck EuErbVO, Art.   59 Rn.  4; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  59 Rn.  14; Dutta FamRZ 2013, 4 (14); NK-BGB Bd.  6/Makowsky EuErb­ VO, Art.  59 Rn.  13. 1089 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  59 Rn.  14; Dutta FamRZ 2013, 4 (14). 1090 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  26.2. 1091 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  59 Rn.  26.2. 1092  G. Debernardi, Règlement européen sur les successions et nouvelles perspectives, 204 Nr.  366; Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 466. 1093  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 466; Volmer notar 2016, 323 (327). 1087 BeckOGK/J.

322

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

EuErbVO zuständigen Ausstellungsbehörde ausgestellt wurde und eines gerichtlichen oder nichtgerichtlichen MNZ. Fraglich ist, ob im Falle einer Kollision eines ENZ einer international unzuständigen Behörde und eines gerichtlichen oder nichtgerichtlichen MNZ das ENZ bereits aufgrund der fehlenden Zuständigkeit der Ausstellungs­ behörde zu widerrufen ist. In diesem Zusammenhang bedarf zunächst der Klärung, ob ein solcher Widerruf überhaupt auf Grundlage des Art.  71 ­EuErbVO oder Art.  72 EuErbVO erfolgen kann. Gangbar erscheint zunächst der Weg, dass die international unzuständige Ausstellungsbehörde das rechtswidrige, unter Verletzung der Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO ausgestellte, ENZ von Amts wegen oder auf Antrag widerruft.1094 Der Widerruf i. S. d. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO erfordert eine feststehende inhaltliche Unrichtigkeit des ENZ.1095 Teilweise wird unter dieser inhaltlichen Unrichtigkeit in Abgrenzung zu den von Art.  71 Abs.  1 EuErbVO erfassten Schreibfehlern allein die materielle Fehlerhaftigkeit des ENZ verstanden.1096 Materielle Unrichtigkeit liege vor, wenn die im ENZ aufgeführten Feststellungen, soweit sie von den Wirkungen des Art.  69 Abs.  2 bis Abs.  5 EuErbVO erfasst werden, nicht der wahren materiellen Rechtslage entsprechen.1097 Auf formelle Fehler hingegen sei Art.  71 Abs.  2 EuErbVO nicht anwendbar, da die Bestimmung auf die „inhaltlich[e]“ Unrichtigkeit abstelle.1098 Liege etwa die Verfahrensvoraussetzung der Ausstellung des ENZ durch eine zuständige Ausstellungsbehörde nicht vor, könne dieser Verfahrensfehler grundsätzlich nur im Rechtsmittelverfahren nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO beseitigt werden.1099 Nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO kann unter anderem die positive Entscheidung über die Ausstellung eines ENZ angefochten werden.1100 Berechtigt zur Einlegung dieses Rechtsbehelfs sind grundsätzlich sämtliche Personen, die im konkreten Einzelfall nach Art.  65 Abs.  1, 63 Abs.  1 EuErbVO ein ENZ beantragen dürfen.1101 Gleichwohl ist zu fordern, dass diese Personen nur dann anfechtungsberechtigt sind, soweit sie durch die frag­ 1094 

NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  71 Rn.  17. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  14. 1096 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  71 EuErbVO Rn.  4; Kleinschmidt in juris­ PK-­BGB, EuErbVO, Art.  71 Rn.  7; a. A. BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  16, Rn.  18. 1097 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   71 Rn.   4; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  71 EuErbVO Rn.  4. 1098 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  71 EuErbVO Rn.  4. 1099 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  71 EuErbVO Rn.  4. 1100 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  2. 1101 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  2. 1095 BeckOGK/J.

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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liche Entscheidung der Ausstellungsbehörde auch tatsächlich beschwert sind.1102 Art.  72 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO flankiert Art.  66 Abs.  4 EuErbVO, nach dem die möglichen erbrechtlichen Berechtigten, die gegen eine Entscheidung zur Ausstellung des ENZ einen Rechtsbehelf nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO einlegen können, bereits am Ausstellungsverfahren zu beteiligen sind.1103 Allerdings kann die Bestimmung des Art.  66 Abs.  4 EuErbVO gerade nicht verhindern, dass ein möglicher erbrechtlich Berechtigter der Ausstellungsbehörde unbekannt war und deshalb nicht beteiligt wurde.1104 Nach der Zuständigkeitsregelung in Art.  72 Abs.  1 UAbs.  3 EuErbVO findet das Rechtsmittelverfahren im Mitgliedstaat der Ausstellungsbehörde statt, wobei die Entscheidungskompetenz über den Rechtsbehelf einem Gericht i. S. d. EuErbVO vorbehalten ist.1105 Folglich ist auch in den Mitgliedstaaten, in denen die Ausstellung eines ENZ nichtgerichtlichen Stellen obliegt, zwingend ein Gericht zuständig.1106 Die nähere Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens obliegt der lex fori (vgl. Art.  72 Abs.  1 UAbs.  3 EuErbVO).1107 Vertreter der Auffassung, Art.  71 Abs.  2 EuErbVO sei auf materielle Fehler beschränkt, nehmen einen weiten Prüfungsumfang des nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  3 EuErbVO zuständigen Gerichts im Rechtsmittelverfahren an.1108 Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung seien auch etwaige Verfahrensfehler bei der Ausstellung des ENZ.1109 Gerügt werden könne im Verfahren nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO folglich auch die fehlende internationale Zuständigkeit der Ausstellungsbehörde.1110 Die Gegenansicht1111 nimmt eine inhaltliche Unrichtigkeit i. S. d. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO zutreffend nur dann an, wenn die Ausstellungsvoraussetzungen des ENZ bereits ursprünglich nicht vorlagen oder nachträglich entfallen sind.1112 Eine inhaltliche Unrichtigkeit liege nicht nur vor, wenn das ENZ in materieller Hinsicht die Sach- und/oder Rechtslage fehlerhaft wiedergebe.1113 Eine inhaltliche Unrichtigkeit sei vielmehr auch dann anzuneh-

1102 Dutta/Weber/Fornasier

IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  2. IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  3. 1104 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  3. 1105 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  6. 1106 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  6. 1107 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  6. 1108 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  8. 1109 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  8. 1110 Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  72 EuErbVO Rn.  8. 1111 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  15. 1112 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  15. 1113 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  16 ff. 1103 Dutta/Weber/Fornasier

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

men, wenn in formeller Hinsicht eine Verfahrensvoraussetzung fehlt.1114 So gehöre insbesondere die Zuständigkeit der Ausstellungsbehörde nach Art.  68 lit.  c EuErbVO zum Inhalt des ENZ.1115 Die Gegenansicht überzeugt nicht zuletzt aufgrund der Bestimmung des Art.  68 lit.  c EuErbVO. Andere Sprachfassungen sind – in Abweichung zur deutschen Sprachfassung – extensiver formuliert.1116 So verlangt etwa die französische Sprachfassung für einen Widerruf von Amts wegen bzw. auf Antrag, „que ledit certificat ou certains des éléments ne correspondent pas à la réalité“.1117 Diesem Formulierungsmuster folgt speziell auch die im Rat zugrunde gelegte eng­ lische Sprachfassung:1118 „[…] that the Certificate or individual elements thereof are not accurate“. Der erstgenannten Auffassung ist vorzuhalten, dass sie einerseits Art.  71 Abs.  2 EuErbVO mit Verweis auf den Wortlaut der Bestimmung allein auf die materielle Unrichtigkeit beschränken will, andererseits im Rahmen des Art.  72 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO einen umfassenden, Verfahrensfehler einschließenden Prüfungsumfang annimmt. So wird für einen umfassenden Prüfungsumfang des Art.  72 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO angeführt, dass dessen Beschränkung mit Art.  47 Abs.  2 S.  1 EuGRCh und Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK kaum vereinbar wäre.1119 Derartige Erwägungen sind indes auch bei der Auslegung des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO fruchtbar zu machen.1120 Dies gilt umso mehr als die Formulierung des Art.  72 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO, dass das ENZ „nicht den Tatsachen entspricht“ ein inhaltlich unrichtiges ENZ i. S. d. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO meint1121 und damit die Regelungen des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO und des Art.  72 Abs.  2 UAbs.  2 EuErbVO in einen systematischen Zusammenhang stellt. Angemessen erscheint folglich eine extensive Auslegung der inhaltlichen Unrichtigkeit i. S. d. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO, sodass diese nicht nur die materielle, sondern auch die formelle Unrichtigkeit und damit letztlich auch die Zuständigkeitsregelungen erfasst. Ein Widerruf nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO durch die Ausstellungsbehörde des ENZ erfolgt allerdings nur dann, wenn die inhaltliche Unrichtig1114 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  18. Calvo Caravaca/Davì/Mansel/Budzikiewicz EuErbVO, Art.  71 Rn.  5; Beck­OGK/­ J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  18. 1116 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  18. 1117 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  18. 1118 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  18. 1119 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  72 Rn.  7. 1120 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  18. 1121  Vgl. zu dieser Interpretation der Formulierung „nicht den Tatsachen entspricht“ MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  72 Rn.  7; BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  72 Rn.  26. 1115 

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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keit zur Überzeugung der Ausstellungsbehörde feststeht.1122 Bloße Zweifel etwa an der internationalen Zuständigkeit zur Ausstellung des ENZ genügen hingegen nicht.1123 Denkbar ist vor diesem Hintergrund, dass die unzuständige Ausstellungsbehörde etwa an ihrer Feststellung zum gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im relevanten Zeitpunkt festhält und das ENZ nicht widerruft. Gegen diese Entscheidung kann jede Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO vorgehen.1124 Art.  71 EuErbVO und Art.  72 EuErbVO vermögen folglich die Kollision von ENZ und MNZ nicht notwendigerweise aufzulösen. b) Darstellung und Bewertung bisher entwickelter Lösungswege In Ermangelung einer Lösung auf Ebene des Verfahrensrechts der EuErbVO und mangels Widerrufs- bzw. Einziehungsmöglichkeit eines aus Sicht der jeweiligen Ausstellungsstelle inhaltlich richtigen Nachlasszeugnisses werden im Schrifttum diverse Möglichkeiten zur Auflösung einer Kollision diskutiert. aa) Vorrangstellung des einen oder des anderen Nachlasszeugnisses (1) Anwendung des Grundsatzes der zeitlichen Priorität Angesichts des optionalen Charakters des ENZ und vor dem Hintergrund, dass das ENZ die MNZ nicht substituiert, wird teilweise1125 ein Vorrang des früher ausgestellten Nachlasszeugnisses unter Anwendung des Grundsatzes der zeitlichen Priorität angedacht. Ein solcher Ansatz würde wohl in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle zu einer Begünstigung der MNZ führen.1126 (2) Vorrangstellung des ENZ oder des MNZ Obwohl in der EuErbVO nicht vorgesehen, wird im Schrifttum teilweise1127 dennoch eine Vorrangstellung des ENZ aufgrund Unionsrechts angenom1122 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  22. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  22. 1124 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  72 Rn.  9, 12 ff. 1125  G. Debernardi, Règlement européen sur les successions et nouvelles perspectives, 206 f. Nr.  374. 1126  G. Debernardi, Règlement européen sur les successions et nouvelles perspectives, 206 f. Nr.  374. 1127  Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (749); P. Lagarde Rev. crit. DIP 2012, 691 (Nr.  37); Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 623 f. 1123 BeckOGK/J.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

men. Im Falle einer Kollision von ENZ und einem MNZ verschaffe die Annahme eines Vorrangs des supranationalen Nachweisinstruments dem internationalen Rechtsverkehr größtmögliche Rechtssicherheit und vermeide Unklarheiten im Verwendungsmitgliedstaat des ENZ.1128 Jedenfalls könnten die Wirkungen des ENZ angesichts des Art.  71 EuErbVO und Art.  73 ­Eu­ErbVO nicht bereits aufgrund einer Kollision mit einem inhaltlich divergierenden MNZ entfallen.1129 Einen Wegfall der Wirkungen des ENZ sehe die EuErbVO allein im Falle einer behördlichen Entscheidung unter den Voraussetzungen des Art.  71 EuErbVO bzw. des Art.  73 EuErbVO vor.1130 Die Annahme eines Vorrangs des ENZ wird indes im Schrifttum teilwei1131 se scharf kritisiert. Eine Einschränkung des mitgliedstaatlichen materiellen Erbrechts sei von der Kompetenz des europäischen Verordnungsgebers nicht gedeckt.1132 Jedenfalls dürfe dem Rechtsverkehr im Ausstellungsstaat des MNZ der durch ein MNZ vermittelte Schutz nicht allein aufgrund der Existenz eines inhaltlich widersprechenden ENZ versagt werden.1133 So werde gerade der Wegfall der Gutglaubenswirkung im mitgliedstaatlichen Recht häufig an weitere Voraussetzungen wie die Redlichkeit des Dritten geknüpft,1134 wobei die hieran gestellten Anforderung in den Mitgliedstaaten divergieren. Die mitgliedstaatlichen Anforderungen an die Redlichkeit und die damit verbundene Schutzwirkung der MNZ würden unterminiert, wenn etwa ein Vorrang des ENZ angenommen würde.1135 Nachlasszeugnisse, die (wie etwa der Erbschein nach deutschem Recht) einem Dritten den Gutglaubensschutz nur dann verwehren, wenn dieser positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Nachlasszeugnisses hatte, verlören ihre umfassende abstrakte Schutzwirkung.1136 Folglich würde ein Vorrang des ENZ zu einer Aushöhlung der MNZ führen, die mit dem sich in Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErb­ VO niederschlagenden Subsidiaritätsgrundsatz nur schwerlich zu vereinbaren sei.1137 Daher solle im Falle einer Kollision widersprüchlicher Nachlasszeugnisse den MNZ Vorrang vor dem ENZ eingeräumt werden.1138 1128 

Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 623 f. Soutier, Deutsche Rechtsgrundsätze, 302 f. 1130  Soutier, Deutsche Rechtsgrundsätze, 302 f. 1131  Dorsel ZErb 2014, 212 (222). 1132  Dorsel ZErb 2014, 212 (222). 1133  Dorsel ZErb 2014, 212 (222). 1134  Dorsel in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechtsverkehr, EuErbVO, Art.  62 Rn.  16 f. 1135  Dorsel in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechtsverkehr, EuErbVO, Art.  62 Rn.  16 f. 1136  Dorsel in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechtsverkehr, EuErbVO, Art.  62 Rn.  16. 1137  Dorsel in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechtsverkehr, EuErbVO, Art.  62 Rn.  16 f. 1138  Dorsel ZErb 2014, 212 (222). 1129 

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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(3) Stellungnahme Der effet utile des ENZ bildet eines der Leitmotive bei der Auslegung der EuErbVO.1139 Mit der Einführung eines ENZ intendierte der Europäische Verordnungsgeber die Vereinfachung der grenzüberschreitenden Nachlass­ abwicklung, indem den erbrechtlich Berechtigten ein europäisches Nachweisinstrument an die Hand gegeben wird, dessen Wirkungen gerade keinem Anerkennungsverfahren im Verwendungsmitgliedstaat unterliegen.1140 Ein genereller Vorrang der MNZ stünde dieser Intention entgegen, würde doch die Akzeptanz des ENZ erheblich geschmälert, sofern dessen Wirkungen allein durch die Ausstellung eines divergierenden MNZ beseitigt werden könnten. Nicht zuletzt würde die Annahme eines Vorrangs der MNZ dazu führen, dass die allgemeine Konzeption des ENZ in Frage gestellt würde, da es dann den durch Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO vermittelten Schutz zugunsten redlicher Dritter, nicht vollständig und effektiv gewährleisten würde.1141 Umgekehrt bestünde auch bei einem Vorrang des ENZ aufgrund der in den Mitgliedstaaten bestehenden unterschiedlichen Anforderungen an die Redlichkeit die Gefahr, dass die umfassende Schutzwirkung derjenigen MNZ ausgehöhlt würde, die den Gutglaubensschutz nur dann entfallen lassen, wenn dem Dritten der Vorwurf positiver Kenntnis gemacht werden kann.1142 Dies vermag wegen der Bestimmung des Art.  62 Abs.  3 S.  1 EuErbVO nicht zu überzeugen. Insbesondere kann auch aus den Ausnahmeregelungen des Art.  1 Abs.  2 lit.  k und lit.  l EuErbVO nicht schlicht ein Entfallen der Gutglaubenswirkungen des ENZ und damit letztlich einen Vorrang des MNZ hergeleitet werden.1143 Art.  1 Abs.  2 lit.  l EuErbVO kann über seinen Regelungsgehalt, der das formelle Registerrecht vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausnimmt, nicht als Vorbehalt zugunsten der lex rei sitae und damit auch nicht als Regelung zur Auflösung einer Kollision von ENZ und den MNZ ausgelegt werden.1144 Weder eine Vorrangregel zugunsten des ENZ noch eine solche zugunsten MNZ vermag folglich hinsichtlich Dritter eine angemessene Auflösung der Kollision zu ermöglichen. Das ENZ entfaltet, wie eine Vielzahl an MNZ1145, Gutglaubensschutz. Die generelle Anwendung einer Vorrangregel birgt die 1139 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Vorb. zu Art.  20 EuErbVO Rn.  51. Vgl. oben Kapitel  1 A. I.; MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  5. 1141  In diese Richtung Soutier, Deutsche Rechtsgrundsätze, 302 f. 1142  Dorsel in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechtsverkehr, EuErbVO, Art.  62 Rn.  16 f. 1143  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 469. 1144  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 469. 1145  DNotI, Rechtsvergleichende Studie, 277 ff. 1140 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Gefahr, dass einem Dritten, der auf Grundlage der in einem Nachlasszeugnis enthaltenen Vermutung handelt, der durch das jeweils andere Nachlasszeugnis vermittelte Gutglaubensschutz versagt wird. bb) Lösungen, die an die Wirkungen der Nachlasszeugnisse anknüpfen Hinsichtlich der Folgen für die Wirkungen der Nachlasszeugnisse, differenziert das Schrifttum überwiegend und zu Recht nicht zwischen einer internen und einer grenzüberschreitenden Divergenz. Dementsprechend bestehen auch hinsichtlich einer grenzüberschreitenden Divergenz im Wesentlichen zwei Strömungen. Einerseits wird die Wirkungslosigkeit divergierender Nachlasszeugnisse vertreten, andererseits wird ein Nebeneinander der (Gutglaubens-)Wirkungen der Nachlasszeugnisse angenommen.1146 c) Zwischenrésumé Das Internationale Erbverfahrensrecht der EuErbVO stellt im Wesentlichen keine Mechanismen zur Verfügung, die eine Kollision zwischen ENZ und einem divergierenden MNZ aufzulösen vermögen. Weder eine Vorrangregel zugunsten des ENZ noch zugunsten MNZ bietet eine den Interessen des Rechtsverkehrs angemessen Rechnung tragende Lösung. Die Wirkungen der Nachlasszeugnisse – speziell deren Gutglaubenswirkungen – stehen folglich gleichberechtigt nebeneinander. d) Folgen für die materiell-rechtlichen Wirkungen der Nachlasszeugnisse Das ENZ entfaltet dieselben Wirkungen unmittelbar ipso iure sowohl im Ausstellungs- als auch im Verwendungsmitgliedstaat, ohne dass es dort eines besonderen Verfahrens bedarf.1147 Erforderlich ist weder eine Anerkennung noch ein Exequaturverfahren, noch ein sonstiges Verfahren.1148 Es bedarf auch keiner Legalisation oder einer ähnlichen Förmlichkeit.1149 In Anbetracht dessen wäre es verfehlt, die Folgen für die materiell-rechtlichen Wirkungen der Nachlasszeugnisse im Falle der internen Divergenz einerseits und der grenzüberschreitenden Divergenz andererseits abweichend zu bewerten. Folglich gelten die obigen Ausführungen1150 auch bei einer grenzüberschreitenden Kollision entsprechend. 1146  Vgl.

obige (Kapitel  5 F. II. 1. d)) Darstellung der vertretenen Auffassungen zur Auflösung der Kollision unter dem Gesichtspunkt der internen Divergenz. 1147 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  4. 1148 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  4. 1149 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  4. 1150  Vgl. oben Kapitel  5 F. II. 1. d) bb).

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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Die Gutglaubenswirkungen stehen gleichberechtigt nebeneinander,1151 beide Nachlasszeugnisse vermitteln Redlichkeitsschutz. Die an die Redlichkeit eines Dritten zu stellenden Anforderungen für das ENZ folgen aus europäischem Recht, während sich die Anforderungen für das kollidierende MNZ aus dem jeweiligen nationalen Recht ergeben.1152 e) Sonderfall: Vorlage eines divergierenden MNZ im Verfahren zur Änderung eines ENZ Anders als im Falle einer internen Divergenz können ENZ und MNZ aus Sicht des jeweiligen Ausstellungsstaats tatsächlich und rechtlich zutreffen.1153 Fraglich ist vor diesem Hintergrund, wie die Konstellation, dass ein Antrag auf Änderung eines ENZ durch Vorlage eines MNZ divergierenden Inhalts begründet wird, aufzulösen ist.1154 Die Ausstellungsbehörde hat das ENZ lediglich dann auf Verlangen jedweder Person mit berechtigtem Interesse zu ändern, wenn feststeht, dass das ENZ partiell unrichtig ist (vgl. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO).1155 Maßgeblich ist demnach, dass die (partielle) inhaltliche Unrichtigkeit des ENZ zur Überzeugung der Ausstellungsbehörde feststeht.1156 Die MNZ stellen die erbrechtliche Rechtsstellung oder Berechtigung indes – ebenso wie das ENZ  – nicht letztverbindlich fest.1157 Mithin vermag die (widerlegliche) Richtigkeitsvermutung etwa eines deutschen Erbscheins oder eines französischen acte de notoriété allenfalls Zweifel an der inhaltlichen Unrichtigkeit des ENZ zu begründen. Bloße Zweifel genügen indes im Falle des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO nicht.1158 Zur Auflösung einer derartigen grenzüberschreitenden Kollision wird teilweise vorgeschlagen, dass sowohl auf dem ENZ als auch auf dem MNZ die Existenz des jeweils anderen Nachlasszeugnisses sowie der Umfang der Abweichung festzuhalten ist.1159 Welche Folgen ein solcher Vermerk auf die Wirkungen des ENZ nach Art.  69 EuErbVO hätte, wäre wiederum unionsautonom und verordnungsspezifisch zu bestimmen.1160 Soweit der Inhalt 1151 

Vgl. oben Kapitel  5 F. II. 1. d) bb). Vgl. oben Kapitel  5 F. II. 1. d) bb) (3) bzw. (4). 1153  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  38. 1154  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  38. 1155 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  13. 1156 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  22. 1157  Vgl. oben Kapitel  3 C. III. 1158 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  22. 1159  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  38. 1160  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  38. 1152 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

des ENZ ausweislich des Vermerks dem Inhalt eines MNZ entgegensteht, könne das ENZ seine Wirkungen grundsätzlich nicht entfalten.1161 Ein derartiges Vorgehen ist indes abzulehnen. Die für die Änderung eines ENZ zuständige Ausstellungsstelle desselben dürfte auch nur für den Vermerk auf dem ENZ, nicht aber auf dem MNZ befugt sein, sodass nach soeben angeführter Ansicht auch allein für das ENZ Rechtsfolgen gezeitigt würden. Diese Rechtsfolgen stünden hinsichtlich ihrer Auswirkungen nicht hinter einer tatsächlichen Änderung des ENZ zurück; sie knüpfen lediglich auf einer anderen Ebene an. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überzeugend, dass ein Vermerk bereits bei Zweifeln an der Richtigkeit des ENZ angebracht werden soll. Vielmehr wäre auch ein solcher am Erfordernis des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO, dass die inhaltliche Unrichtigkeit zur Überzeugung der Ausstellungsbehörde feststeht, zu messen. Die bloße Vorlage eines MNZ divergierenden Inhalts vermag folglich eine Änderung des ENZ nicht zu rechtfertigen. Der durch das MNZ als berechtigt ausgewiesenen Person steht – sofern sie nach Art.  63 Abs.  1 EuErbVO berechtigt ist, ein ENZ zu beantragen – im Übrigen die Möglichkeit offen, gegen die Ausstellung des ENZ einen Rechtsbehelf nach Art.  72 Abs.  1, Abs.  3 EuErbVO bei einem Gericht des Mitgliedstaats der Ausstellungsbehörde nach dem Recht dieses Staats einzulegen und gegebenenfalls eine Änderung des ENZ gerichtlich durchzusetzen (vgl. Art.  72 Abs.  2 UAbs.  1 EuErbVO). Anfechtungsbefugt ist eine solche Person indes nur, wenn sie durch die Ausstellung des ENZ beschwert ist, mithin ihre Rechtsstellung durch die Ausstellung in irgendeiner Weise negativ betroffen sein kann.1162 Verlangt eine anfechtungsbefugte Person die Aussetzung der Wirkungen des ENZ während der Anhängigkeit des Rechtsbehelfs, steht die Aussetzung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. Art.  73 Abs.  1 lit.  b EuErbVO).1163

III. Résumé Im Falle einer unechten Divergenz zwischen ENZ und einem MNZ besteht angesichts materiell-rechtlicher Kongruenz kein Bedürfnis für einen Vorrang des einen oder des anderen Nachlasszeugnisses. Auszugehen ist dementsprechend von einer Kumulation der Wirkungen der Nachlasszeugnisse.

1161 

NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  62 Rn.  38. Schmidt EuErbVO, Art.  72 Rn.  5, Rn.  7. 1163 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  73 Rn.  17. 1162 BeckOGK/J.

F. Kollision des ENZ mit MNZ

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Folglich wird im Ergebnis das Nachlasszeugnis mit den weitreichenderen Wirkungen die Rechtsfolge bestimmen. Die EuErbVO schweigt zur – deshalb lebhaft umstrittenen – Frage nach den Folgen einer echten Divergenz von ENZ und einem MNZ. Ein pauschaler Vorrang des ENZ oder der MNZ würde in diametralem Widerspruch zu dem durch die EuErbVO etablierten gleichberechtigten Dualismus von ENZ und MNZ stehen. Zur Auflösung einer internen echten Divergenz können zunächst auf Ebene des Internationalen Erbverfahrensrechts keineswegs Art.  40 Abs.  1 lit.  c und lit.  d EuErbVO fruchtbar gemacht werden. Indes regelt die Eu­ ErbVO das Verfahren bei inhaltlicher Unrichtigkeit des ENZ. Angesichts der Kollisionsrechtsvereinheitlichung durch die EuErbVO können ein ENZ und ein MNZ, das aus demselben Mitgliedstaat stammt, nur dann widersprüchliche Rechtslagen ausweisen, wenn eines der Nachlasszeugnisse inhaltlich unrichtig ist. Die Regelung der verfahrensrechtlichen Folgen einer inhaltlichen Unrichtigkeit eines MNZ bleibt den Mitgliedstaaten vorbehalten. Bei einer Kollision eines ENZ eines deutschen Nachlassgerichts und eines deutschen Erbscheins werden die Wirkungen des unrichtigen Nachlass­ zeugnisses von Amts wegen durch Einziehung nach §  2361 BGB (Unrichtigkeit des Erbscheins) oder Widerruf nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO, §  38 S.  2 IntErbRVG (Unrichtigkeit des ENZ) beseitigt. Gegen die Einziehung bzw. den Widerruf oder eine diesbezüglich ablehnende Entscheidung ist jeweils ein Rechtsbehelf vor den deutschen Gerichten statthaft. Im Falle einer internen Divergenz eines ENZ und eines acte de notoriété in Frankreich wird eine Kollision der Nachlasszeugnisse über einen Antrag auf Änderung oder Widerruf des ENZ nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO, Art.  1381-3 Abs.  2 CPC aufzulösen sein, wobei auch hier die Änderung oder der Widerruf bzw. die ablehnende Entscheidung mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Zwar wird sich bei einer internen echten Divergenz schlussendlich das inhaltlich richtige Nachlasszeugnis durchsetzen – in der Schwebezeit bis zur gegebenenfalls erfolgenden Beseitigung oder jedenfalls Aussetzung der Wirkungen des unrichtigen Nachlasszeugnisses dient dieses jedoch grundsätzlich weiterhin als Rechtsscheinsträger. Für die Beantwortung der umstrit­ tenen Frage nach den Folgen der Existenz eines materiell-rechtlich diver­ gierenden Nachlasszeugnisses auf die Wirkungen des jeweils anderen Nachlasszeugnisses ist zu beachten, dass die Auswirkungen auf die Wirkungen des ENZ verordnungsautonom zu bestimmen sind, während sich die Folgen für die Wirkungen eines MNZ nach dem jeweils einschlägigen autonomen mitgliedstaatlichen Recht richten.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Die grenzüberschreitende Kollision von ENZ und MNZ findet im Wesentlichen ebenso wenig eine probate Lösung in den verfahrensrechtlichen Regelungen der EuErbVO. Bei einer grenzüberschreitenden echten Divergenz würde eine pauschale Vorrangregel entweder zugunsten des ENZ oder des MNZ den Interessen des Rechtsverkehrs ebenfalls nicht angemessen Rechnung tragen. Die Folgen für die materiell-rechtlichen Wirkungen der Nachlasszeugnisse entsprechen jenen, zu denen es im Falle einer echten internen Divergenz kommt.

G. Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten Art.  64 EuErbVO konzentriert die internationale Zuständigkeit für die Erteilung eines ENZ grundsätzlich auf die Ausstellungsbehörden eines Mitgliedstaats.1164 ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten können daher regelmäßig nur dann vorliegen, wenn die Ausstellungsbehörde eines der Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit nach den Art.  64 S.  1 und Art.  4 ff. EuErbVO zu Unrecht angenommen hat.1165 Zwar ist eine Ausstellung mehrerer divergierender Europäischer Nachlass­ zeugnisse aufgrund der Pflicht der Ausstellungsbehörde zur Unterrichtung der Berechtigten von der Beantragung eines ENZ und insbesondere der Anhörung der Beteiligten unwahrscheinlich,1166 jedoch nicht ausgeschlossen.1167 Nach Art.  66 Abs.  4 S.  1 EuErbVO hat die Ausstellungsbehörde alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Berechtigten von der Be­ antragung eines ENZ zu unterrichten. Die Ausstellungsbehörde hat jeden Beteiligten, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter anzuhören, falls dies für die Feststellung des zu bescheinigenden Sachverhalts erforderlich ist (vgl. Art.  66 Abs.  4 S.  2 Hs.  1 EuErbVO). Angesichts dieser Pflicht zur Anhörung sollte die betreffende Ausstellungsbehörde grundsätzlich Kenntnis von bestehenden anderweitigen Verfahren zur Ausstellung eines ENZ haben, weshalb die Ausstellung divergierender Europäischer Nachlasszeugnisse unwahrscheinlich ist.1168 Allerdings besteht die Pflicht zur Anhörung nur, wenn und soweit dies für die Feststellung des zu bescheinigenden Sachverhalts erforderlich ist.1169 Eine Anhö1164 

Vgl. oben Kapitel  5 B. II. 1. b). NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  71 Rn.  16. 1166  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  53, Rn.  58. 1167  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 485 f. 1168  Kleinschmidt in jurisPK-BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  58. 1169 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  29. 1165 

G. Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten

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rung ist daher nicht erforderlich, wenn der Sachverhalt unstreitig oder anderweitig hinreichend aufgeklärt ist.1170 Zwar besteht die Pflicht der Ausstellungsbehörde zur Unterrichtung und gegebenenfalls zur Anhörung auch dann, wenn dies im Einzelfall äußerst kosten- und/oder zeitaufwändig ist.1171 Indes schließt auch dies Situationen nicht aus, in denen eventuell erbrechtlich Berechtigte dem Gericht unbekannt bleiben.1172 So kann ein erbrechtlich Berechtigter ein ENZ auch in einem Mitgliedstaat, der seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht annimmt, beantragen, ohne dass dies im parallelen Ausstellungsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat überhaupt zur Sprache kommt. Dies gilt umso mehr als ein europäisches Testamentsregister nicht besteht und der in einem privatschriftlichen Testament Bedachte – der weder Verwandter noch Ehepartner noch eingetragener Lebenspartner des Erblassers ist – von der Ausstellungsstelle nur schwer ermittelt werden kann.1173

I. (Keine) Vermeidung divergierender ENZ durch Art.  17 f. EuErbVO Fraglich ist, ob die Litispendenzregelung der EuErbVO bzw. Art.   18 ­Eu­ErbVO auch bei der Ausstellung eines ENZ anwendbar ist, verweist Art.  64 S.  1 EuErbVO doch ausdrücklich nur auf Art.  4, 7, 10 oder 11 ­EuErbVO. Teilweise1174 wird vertreten, die Art.  17 f. EuErbVO gelten auch, wenn in verschiedenen Mitgliedstaaten Anträge auf Ausstellung eines ENZ anhängig sind. Eine Anwendung des Art.  17 EuErbVO auf parallel anhängige Verfahren zur Ausstellung eines ENZ in mehreren Mitgliedstaaten scheitert zwar nicht an unterschiedlichen Streitgegenständen der Verfahren. Angesichts des systematischen Zusammenhangs zwischen Art.   17 EuErbVO und Art.   40 ­EuErbVO kann jedoch erst Recht für die doppelte Rechtshängigkeit zweier Verfahren zur Ausstellung eines ENZ nichts anderes gelten als im Verhältnis von ENZ und gerichtlichen MNZ.1175 Bei Vorlage eines ENZ aus einem an1170 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  29. Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  26. 1172  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 485 f. 1173  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 485 f. 1174 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  64 Rn.  8; E. Jacoby AJ fam. 2015, 381 (1.2.1); Deixler-Hübner/Schauer/Perscha EuErbVO, Art.  64 Rn.  5; A. A.: Caravaca Davì/Mansel/ Kreße Art.  64 Rn.  17, nach dem für die Anwendung der Art.  17 f. EuErbVO auf Verfahren zur Ausstellung eines ENZ kein Grund bestehe. 1175  Vgl. zur gebotenen Verneinung der Anwendung des Art.  17 bei parallelen Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines MNZ oben Kapitel  5 B. II. 2. c) (a) (bb). 1171 BeckOGK/J.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

deren Mitgliedstaat bestehen gerade keine Anerkennungsversagungsgründe, denn das ENZ entfaltet seine Wirkungen unmittelbar ipso iure in sämtlichen Mitgliedstaaten.1176 Da es jedoch möglich ist, dass unterschiedliche Antragsberechtigte i. S. d. Art.  65 Abs.  1, 63 Abs.  1 EuErbVO bei den Ausstellungsbehörden i. S. d. Art.  64 S.  2 lit.  a und lit.  b EuErbVO unterschiedlicher Mitgliedstaaten die Ausstellung eines ENZ beantragen, ist es angezeigt, dass die Auffangregelung des Art.  18 EuErbVO in diesem Falle zur Anwendung gelangt.1177 Im Falle doppelter Rechtshängigkeit kann folglich die später angerufene Ausstellungsbehörde das Verfahren nach Art.  18 Abs.  1 EuErbVO aussetzen. Ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, ist dann von Amts wegen zu prüfen, während die Entscheidung über die Aussetzung selbst im Ermessen der Ausstellungsbehörde steht.1178 Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind insbesondere der Grad des Zusammenhangs und die Gefahr widersprechender Entscheidungen zu berücksichtigen.1179

II. Keine Vermeidung divergierender ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten trotz Zuständigkeitskonzentration Im Schrifttum wird vereinzelt vertreten1180, dass ein von einer international unzuständigen Ausstellungsbehörde ausgestelltes ENZ zunächst nach Art.  71 EuErbVO widerrufen werden müsse, bevor in der gleichen Sache ein weiteres ENZ in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt werden könne. Indes sieht die EuErbVO eine derartige Versagungsmöglichkeit der Ausstellungsstelle gerade nicht vor.1181 Der für die Ausstellung eines ENZ nach den Regelungen der EuErbVO zuständigen Ausstellungsbehörde eine Verweigerungspflicht aufzuoktroyieren, kann bereits vor diesem Hintergrund nicht überzeugen. Dem Antragsteller trotz Vorliegen aller Voraussetzungen zur Ausstellung eines ENZ die Ausstellung auch nur zeitweise zu verweigern, würde diesen in unzulässiger Art und Weise belasten. Ihm bliebe in 1176 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  69 Rn.  5; MüKoFamFG/Grziwotz EuErbVO, Art.  69 Rn.  2. 1177 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  64 Rn.  8, der jedoch annimmt, dass die Art.  17 f. EuErbVO und nicht allein Art.  18 EuErbVO anwendbar ist; dem folgend: Deixler-­ Hübner/Schauer/Perscha EuErbVO, Art.  64 Rn.  5. 1178 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  18 Rn.  21 f. 1179 Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Art.  18 Nr.  5; BeckOGK/J. Schmidt EuErb­ VO, Art.  18 Rn.  23. 1180  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 487 f.; Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723 (249). 1181  Lange in Dutta/Herrler, EuErbVO, 161 Rn.  53.

G. Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten

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dieser Phase nur der Rückgriff auf ein MNZ, dessen Beantragung wiederum Kosten verursachen würde.

III. Gründe einer Divergenz Eine Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten fußt auf denselben Gründen wie eine grenzüberschreitende Divergenz zwischen einem ENZ und den gerichtlichen MNZ. In beiden Konstellationen können nach der Konzeption der Regelungen der EuErbVO zur internationalen Zuständigkeit grundsätzlich immer nur die Stellen eines einzigen Mitgliedstaats zur Ausstellung eines ENZ berufen sein. Eine Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten ist daher m ­ utatis mutandis hinsichtlich der oben aufgeführten1182 Gründe möglich. Dies betrifft insbesondere die Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte aufgrund subsidiär anwendbaren mitgliedstaatlichen Verfahrensrechts,1183 sowie einen gegebenenfalls bestehenden Vorrang mitgliedstaatlicher Staatsverträge1184 oder den ordre public-Vorbehalt des Art.  35 EuErbVO.1185 Daneben kann eine Divergenz zwischen ENZ verschiedener Mitgliedstaaten in einer abweichenden Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes begründet sein. Der Erblasser kann im Zeitpunkt seines Todes zwar nur einen gewöhnlichen Aufenthalt, nicht aber mehrere haben.1186 Gleichwohl können die Ausstellungsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten die internationale Zuständigkeit und insbesondere auch das Erbstatut abweichend aufgrund unterschiedlicher (fehlerhafter) Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers annehmen.1187 Bei wechselnden Aufenthalten des Erblassers in mehreren Mitgliedstaaten stellt sich die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erb­ lassers im Zeitpunkt seines Todes durchaus als komplex dar, sodass sich eventuell die Behörden mehrerer Mitgliedstaaten als zuständig ansehen und ein ENZ nach dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht ausstellen werden.1188

1182 

Vgl. oben Kapitel  5 E. II. Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 2. 1184  Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 5. 1185  Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 6. 1186 GA Campos Sánchez-Bordona v. 26.3.2020, Schlussanträge E.E., Rs.  C-80/19, ECLI:EU:C:2020:230 Rn.  41; Mankowski ErbR 2020, 715 (717). 1187  Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 3. 1188  Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 485. 1183 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

IV. Folgen einer echten Divergenz Die EuErbVO schweigt auch hinsichtlich der Frage, welche Rechtsfolgen eine Kollision Europäischer Nachlasszeugnisse aus verschiedenen Mitgliedstaaten zeitigt. Auf Klärung drängt folglich einerseits die Frage, ob eine Kollision auf Ebene des Internationalen Erbverfahrensrechts oder über einen Widerruf des ENZ der international unzuständigen Ausstellungsbehörde aufzulösen ist. Andererseits ist in materiellrechtlicher Hinsicht fraglich, ob und in welchem Umfang inhaltlich widersprechenden ENZ mehrerer Mitgliedstaaten die Wirkungen nach Art.  69 Abs.  2 bis Abs.  5 EuErbVO zukommen. 1. Keine Auflösung der Kollision auf Grundlage des Art.  40 Abs.  1 lit.  c EuErbVO Bei einer Kollision mehrerer Europäischer Nachlasszeugnisse kann dem inländischen ENZ nicht in Übertragung der Grundsätze des Art.  40 Abs.  1 lit.  c EuErbVO unbedingter Vorrang vor dem ENZ eines anderen Mitgliedstaats gewährt werden. Die Annahme eines unbedingten Vorrangs des inländischen ENZ würde die Konzeption des Wirkungssystems des ENZ vollständig erschüttern. Die Wirkungen des ENZ unterliegen gerade nicht den Anerkennungshindernissen des Art.  40 EuErbVO. Sie greifen nach Art.  69 Abs.  1 EuErbVO ausdrücklich in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf.1189 2. Widerruf des ENZ der international unzuständigen Ausstellungsbehörde Der Begriff der inhaltlichen Unrichtigkeit i. S. d. Art.  71 Abs.  2 EuErbVO erfasst nicht nur die materielle, sondern auch die formelle Unrichtigkeit und damit auch die fehlerhafte Annahme einer Zuständigkeit nach der EuErbVO.1190 Allerdings gilt auch im Falle einer Kollision zwischen ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten, dass ein Widerruf nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO nur dann erfolgt, wenn die inhaltliche Unrichtigkeit zur Überzeugung der Ausstellungsbehörde feststeht.1191 Bloße Zweifel, etwa an der internatio­ nalen Zuständigkeit zur Ausstellung des ENZ, genügen hingegen nicht.1192 Selbst wenn die Ausstellungsbehörde um die Existenz eines divergierenden Nachlasszeugnisses eines anderen Mitgliedstaats weiß, kann sie vor diesem 1189 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  69 Rn.  4 f. Vgl. oben Kapitel  5 F. II. 2. a) bb). 1191 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  22. 1192 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  71 Rn.  22. 1190 

G. Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten

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Hintergrund dennoch etwa an ihrer Feststellung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers festhalten und von einem Widerruf des ENZ absehen. Gegen diese Entscheidung kann indes jede Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, nach Art.  72 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO vorgehen.1193 3. Folgen für die jeweiligen Wirkungen der ENZ Die materiellrechtlichen Folgen für die Wirkungen der ENZ sind unions­ autonom und verordnungsspezifisch zu bestimmen. Wesentlicher Unterschied zur Situation einer Kollision zwischen ENZ und einem MNZ ist, dass die EuErbVO gerade kein (ergänzendes) optionales Nebeneinander mehrerer Europäischer Nachlasszeugnisse anordnet. a) Vermutungs- und Legitimationswirkung Die Vermutungs- und Legitimationswirkungen der ENZ heben sich gegenseitig auf, soweit der Inhalt des einen im Widerspruch zum Inhalt des anderen ENZ steht.1194 Die durch das eine ENZ begründete Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO wird durch diejenige des anderen erschüttert und umgekehrt.1195 Gleiches muss für die Legitimationswirkung i. S. d. Art.  69 Abs.  5 EuErbVO gelten, da anderenfalls widersprechende Angeben in das betreffende mitgliedstaatliche Register aufzunehmen wären.1196 b) Gutglaubenswirkung Nach Auffassung von Teilen des deutschen Schrifttums,1197 sollen die Gutglaubenswirkungen inhaltlich divergierender Europäischer Nachlasszeugnisse unterschiedlicher Mitgliedstaaten entfallen. Prämisse dieser Auffassung ist, dass das ENZ bzw. dessen beglaubigte Abschriften – ebenso wie der deutsche Erbschein – abstrakten Gutglaubensschutz vermittle.1198 Un­ einigkeit besteht zwischen den Vertretern dieser Auffassung indes hinsichtlich der Frage, ob dies auf einer verordnungsautonomen Auslegung gründet,1199 oder ob aufgrund des Schweigens der EuErbVO zu diesem Problem 1193 BeckOGK/J.

Schmidt EuErbVO, Art.  72 Rn.  9, 12 ff. NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  72 Rn.  18. 1195  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  72 Rn.  18. 1196  NK-BGB Bd.  6/Nordmeier EuErbVO, Art.  72 Rn.  18. 1197  Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 (528); Dorsel in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechts­verkehr, EuErbVO, Art.  69 Rn.  37. 1198  Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 (528); Dorsel in Geimer/Schütze/Hau, Int. Rechtsverkehr, EuErbVO, Art.  69 Rn.  37 f. 1199  Buschbaum/Simon ZEV 2012, 525 (528). 1194 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

auf die im jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht maßgeblichen Grundsätze zurückgegriffen werden kann.1200 Die Gegenauffassung geht bei inhaltlich divergierenden ENZ davon aus, dass den beglaubigten Abschriften beider Nachlasszeugnisse weiterhin Gutglaubenswirkung zuzuerkennen ist, soweit der Dritte nicht grob fahrlässig in Unkenntnis der divergierenden beglaubigten Abschrift ist.1201 Die Begründung ist dabei umstritten. Teilweise wird angeführt, dass die Konzep­ tion des ENZ als Nachweisinstrument, das konkreten Redlichkeitsschutz vermittelt, für eine derartiges Verständnis streite.1202 Andere1203 nehmen eine Interessenabwägung vor. Angesichts des Umstands, dass das Risiko für die Ausstellung eines fehlerhaften Zeugnisses bei den Berechtigten liege, die nach Art.  66 Abs.  4 EuErbVO von der Ausstellungsbehörde von der Beantragung eines ENZ zu unterrichten seien, sei dem Rechtsverkehr ein umfassender Redlichkeitsschutz zu gewähren.1204 Dagegen wird eingewandt, dass eine derartige Interessenabwägung in systemwidriger Art und Weise zulasten der wirklichen erbrechtlich Berechtigten ginge.1205 Art.  69 Abs.  4 EuErbVO sei Ausdruck eines „reinen Rechtsscheinsprinzips“,1206 das einen „Zurechnungsbeitrag“ der Berechtigten gerade nicht erfordere.1207 So rechtfertige sich der Rechtsverlust beim wirklichen Berechtigten allein aus dem Umstand, dass die Ausstellungsbehörde grundsätzlich zur Ausstellung eines ENZ berufen ist und bei der Ausstellung dem in der EuErbVO niedergelegten Verfahren unterliegt.1208 Allein die zweitgenannte Auffassung vermag der Konzeption des ENZ durch den europäischen Verordnungsgeber hinreichend Rechnung zu tragen. Die Gutglaubenswirkung des ENZ ist gerade nicht akzessorisch zu seiner Vermutungswirkung ausgestaltet.1209 Auf das Entfallen der Vermutungswirkungen beim Zusammentreffen divergierender Europäischer Nachlasszeugnisse kommt es mithin nicht an. Das ENZ vermittelt seiner Konzeption nach konkreten Redlichkeitsschutz.1210 Zwar ist die Kenntnis vom Inhalt 1200 

Lange in Dutta/Herrler, EuErbVO, 161 Rn.  55. Kleinschmidt in jurisPK BGB, EuErbVO, Art.  62 Rn.  59; Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 491 f.; Dutta/Weber/Fornasier IntErbR, Art.  69 EuErbVO Rn.  52. 1202  Omlor GPR 2014, 216 (220). 1203  Süß ZEuP 2013, 725 (747). 1204  Süß ZEuP 2013, 725 (747). 1205  Omlor GPR 2014, 216 (220). 1206  Omlor GPR 2014, 216 (220). 1207  Omlor GPR 2014, 216 (220). 1208  Omlor GPR 2014, 216 (220). 1209  Vgl. oben Kapitel  2 A. III. 5. 1210  Vgl. oben Kapitel  2 A. III. 2. b). 1201 

G. Divergenz zwischen ENZ mehrerer Mitgliedstaaten

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des ENZ Voraussetzung des Redlichkeitsschutzes, allerdings wird – anders als im Falle eines abstrakten Redlichkeitsschutzes – weder die Kenntnis vom Inhalt des ENZ noch die Kenntnis weiterer divergierender Europäischer Nachlasszeugnisse unterstellt.1211 Ist dem Dritten also nicht der Vorwurf fahrlässiger Unkenntnis der Existenz eines inhaltlich divergierenden ENZ zu machen, kann ihm der Redlichkeitsschutz der beglaubigten Abschriften des ENZ nicht verwehrt werden. Wird über ein und denselben Nachlass­ge­ genstand mehrfach verfügt, ist folglich das Prioritätsprinzip maßgeblich.1212

V. Résumé Divergierende ENZ mehrerer Mitgliedstaaten können grundsätzlich nur dann vorliegen, wenn eine mitgliedstaatliche Ausstellungsbehörde ihre Zuständigkeit nach den Regelungen der EuErbVO zu Unrecht angenommen hat. Keineswegs vermag die Pflicht der Ausstellungsbehörde zur Unterrichtung der Berechtigten von der Beantragung eines ENZ und genauso wenig die Anhörung der Beteiligten die Ausstellung mehrerer Europäischer Nachlasszeugnisse in unterschiedlichen Mitgliedstaaten gänzlich zu unterbinden. Im Falle doppelter Rechtshängigkeit kann zwar die später angerufene Ausstellungsbehörde das Verfahren nach Art.  18 Abs.  1 EuErbVO aussetzen – auch im Falle der parallelen Beantragung Europäischer Nachlasszeugnisse unterschiedlicher Mitgliedstaaten kann indes die Regelung des Art.   18 ­EuErbVO fehlgehen. Die Ausstellung divergierender Europäischer Nachlasszeugnisse unterschiedlicher mitgliedstaatlicher Ausstellungsbehörden ist daher nicht von vorneherein ausgeschlossen. Die Gründe einer Divergenz zwischen ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten gleichen dabei im Wesentlichen denjenigen, die eine Divergenz zwischen einem ENZ und einem gerichtlichen MNZ auslösen. Die Auflösung einer Kollision mehrerer Europäischer Nachlasszeugnisse kann angesichts der Regelung des Art.  69 Abs.  1 EuErbVO und der damit durch den europäischen Verordnungsgeber etablierten Grundwertung für das Wirkungssystem des ENZ nicht in Übertragung der Grundsätze des Art.  40 lit.  c EuErbVO erfolgen. Zwar ist ein Widerruf des ENZ der international unzuständigen Ausstellungsbehörde nach den Regelungen der EuErbVO möglich. Jedoch wird ein solcher wohl häufig an der hierfür notwendigen Überzeugung der Ausstellungsbehörde scheitern. 1211  1212 

Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 492. Dorth, Verhältnis Erbschein und ENZ, 492.

340

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Die Folgen einer Kollision für die materiell-rechtlichen Wirkungen der divergierenden ENZ sind verordnungsautonom zu bestimmen. Anders als für das Verhältnis von ENZ und den MNZ ordnet die EuErbVO hinsichtlich mehrerer Europäischer Nachlasszeugnisse gerade keinen gleichberechtigten Dualismus an. Die Vermutungs- und Legitimationswirkung des einen ENZ wird durch diejenige des jeweils anderen erschüttert. Die Gutglaubenswirkungen eines ENZ sind jedoch gerade nicht akzessorisch zu dessen Vermutungswirkung. Solange einem Dritten nicht der Vorwurf fahrlässiger Unkenntnis von einem inhaltlich divergierenden ENZ gemacht werden kann, darf ihm daher der durch die beglaubigten Abschriften eines ENZ gewährte Redlichkeitsschutz nicht verwehrt werden.

H. Freizügigkeitskonkurrenz MNZ, die – wie etwa der deutsche Erbschein1213 – Entscheidungen i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO sind, treten mit dem ENZ in Freizügigkeitskonkurrenz.1214 Wesentlicher Unterschied zwischen einer ausländischen Entscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat nach den Art.  39 ff. EuErbVO anzuerken­ nen ist und einem ENZ ist jedoch dessen unmittelbare Wirkungserstreckung ipso iure in sämtlichen Verwendungsmitgliedstaaten (vgl. Art.  69 Abs.  1 EuErbVO). Anders als bei der Anerkennung eines – anerkennungsrechtlich relevanten – MNZ vollzieht sich die Erstreckung der Wirkungen des ENZ voraussetzungslos.1215 Insbesondere ist das ENZ nicht am ordre public des jeweiligen Verwendungsmitgliedstaaten zu messen,1216 während der ordre public-Vorbehalt des Art.  40 lit.  a EuErbVO im Rahmen der Versagung der Anerkennung eines MNZ – zwar nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, aber dennoch1217 – eingreifen kann. Die Oberhand wird also im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr schlussendlich stets ein ausländisches ENZ gegenüber einem nach den Art.  39 ff. EuErbVO anzuerkennenden ausländischen MNZ haben. Genauso wie eine fehlende Zuständigkeit nach der EuErbVO im Rahmen des verfahrensrechtlichen ordre public keinen Nichtanerkennungsgrund 1213  1214 

Rn.  7.

Vgl. oben Kapitel  5 D. II. 2. b) bb) (1) (cc). Kunz in Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht, Kap.  44 EuErbVO, Art.  39

1215 MüKoBGB/Dutta

EuErbVO, Art.  69 Rn.  5. EuErbVO, Art.  69 Rn.  5. 1217  Vgl. oben Kapitel  5 F. II. 2. a) aa) (2). 1216 MüKoBGB/Dutta

I. ENZ und drittstaatliche Nachlasszeugnisse

341

i. S. d. Art.  40 lit.  a EuErbVO darstellt,1218 wird auch die internationale Zuständigkeit des Ausstellungsmitgliedstaats eines ENZ nach dem Zuständigkeitsregime der EuErbVO im Verwendungsmitgliedstaat nicht überprüft1219. In Freizügigkeitskonkurrenz treten vor diesem Hintergrund freilich auch die ENZ mehrerer Mitgliedstaaten. Die Erstreckung der Wirkungen des Art.  69 Abs.  2 bis Abs.  4 EuErbVO unmittelbar und ipso iure in sämtlichen Mitgliedstaaten erfolgt darüber hinaus auch in solchen Mitgliedstaaten, die hinsichtlich der zu bescheinigenden erbrechtlichen Rechtsstellung eigentlich an vorrangige staatsvertragliche Kollisionsregeln gebunden sind.1220

I. ENZ und drittstaatliche Nachlasszeugnisse Räumlich ist die EuErbVO – mit Ausnahme von Dänemark und Irland – in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU anzuwenden.1221 Wie Dänemark und Irland war auch das Vereinigte Königreich bis zum Stichtag des 31.12.2020 kein Mitgliedstaat und damit Drittstaat i. S. d. EuErbVO.1222 Das Vereinigte Königreich beteiligte sich während seiner Mitgliedschaft in der EU und während des Übergangszeitraums bis zum 31.12.2020 genau wie Dänemark und Irland nach Art.  1 und Art.  2 des Protokolls Nr.  22 (Dänemark) bzw. Nr.  21 (Irland, Vereinigtes Königreich) zum Vertrag von Lissabon nicht an der Annahme von Maßnahmen nach Art.  81 AEUV.1223 Dänemark und Irland haben nach Art.  3 f. des jeweils maßgeblichen Protokolls die Möglichkeit eines „opt in“, davon bislang jedoch keinen Gebrauch gemacht.1224 Das Vereinigte Königreich hatte ebenfalls kein „opt in“ erklärt.1225 Drittstaaten sind freilich auch sämtliche Staaten, die der EU nicht angehören.1226

1218 

Vgl. oben Kapitel  5 F. II. 2. a) aa) (2). EuErbVO, Art.  69 Rn.  5. 1220  Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 5. d) bb). 1221 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.   1 Rn.  7; bereits zum EuErbVO-E vgl. S.  Godechot-Patris in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 17 (22), die deshalb freilich neben Dänemark und Irland noch das Vereinigte Königreich aufführt. 1222  S. Godechot-Patris in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 17 (22); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  7, 8. 1223  S. Godechot-Patris in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 17 (22); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  7.1, 7.2, 8.1. 1224 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  7.1, 7.2. 1225  S. Godechot-Patris in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 17 (22); BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  1 Rn.  8.1. 1226  Reymann ZVglRWiss 114 (2015), 40 (49). 1219 MüKoBGB/Dutta

342

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

Die Regelungen der EuErbVO in Kapitel  IV, Kapitel  V und Kapitel  VI betreffen allein das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander, nicht jedoch das Verhältnis zu Drittstaaten.1227 Die für die Ausstellung drittstaatlicher Nachlasszeugnisse zuständigen Ausstellungsstellen sind mithin weder an die Regelungen der EuErbVO zur Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen (Art.  39 ff. EuErbVO) noch an die Regelungen zur Annahme öffent­licher Urkunden (Art.  59 ff. EuErbVO) gebunden, sondern wenden weiterhin autonomes nationales Recht an.1228 Das von einer mitgliedstaatlichen Stelle ausgestellte ENZ entfaltet seine Wirkungen ipso iure in allen Mitgliedstaaten (vgl. Art.  69 Abs.  1 EuErbVO). Eine Regelung zu den Wirkungen dieses ­supranationalen Rechtsinstruments in Drittstaaten enthält die E ­ uErbVO freilich nicht, sodass das ENZ in Drittstaaten jedenfalls nicht ohne besonderes Verfahren Wirkungen entfaltet.1229 Ebenso sind die für die Ausstellung drittstaatlicher Nachlasszeugnisse zuständigen Ausstellungsstellen weder an die Kollisionsvorschriften der EuErbVO noch an deren verfahrensrecht­ liche Regelungen zur internationalen Zuständigkeit gebunden.1230 Anders als die EuErbVO knüpft beispielsweise das schweizerische IPRG1231 sowohl für die internationale Zuständigkeit als auch für das anwendbare Recht nicht an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt1232, sondern an den letzten Wohnsitz an:1233 Nach Art.  86 Abs.  1 IPRG sind für das Nachlassverfahren und die erbrechtlichen Streitigkeiten die schweizerischen Gerichte oder Behörden am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig. Gemäß Art.  91 IPRG untersteht der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz schweizerischem Recht. Eine natürliche Person hat ­„ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält“ (vgl. Art.  20 Abs.  1 lit.  a IPRG), wobei sie nur einen 1227  Basedow in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 15 (17), der jedoch hinsichtlich der Regelungen der EuErbVO, die auf den Begriff „Mitgliedstaat“ Bezug nehmen dafür plädiert, ggf. zwischen „participating and non-participating Member States“ zu differenzieren; Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (7 f.); Lein in Dutta/­ Herrler, EuErbVO, 199 Rn.  16. 1228  Basedow in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 15 (17). 1229  Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (8); Reymann ZVglRWiss 114 (2015), 40 (49). 1230  Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (5); Reymann ZVglRWiss 114 (2015), 40 (49). 1231  Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18.12.1987 (Stand 1.2.2021). 1232  Vgl. hierzu oben Kapitel  5 B. I. 2. a) sowie Kapitel  5 B. II. 1. a) cc). 1233  Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (13); Lein in Dutta/Herrler, EuErbVO, 199 Rn.  34, Rn.  38.

I. ENZ und drittstaatliche Nachlasszeugnisse

343

einzigen oder keinen Wohnsitz haben kann (vgl. Art.  20 Abs.  2 IPRG). Zwar dürfte sich der letzte Wohnsitz des Erblassers i. S. d. Art.  20 Abs.  1 lit.  a IPRG mit seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d. EuErbVO häufig decken.1234 Ein Auseinanderfallen des letzten Wohnsitzes und des letzten gewöhnlichen Aufenthalts ist indes freilich nicht ausgeschlossen.1235 Damit können zwischen den Mitgliedstaaten und der Schweiz sowohl Kompetenzwie auch Rechtsanwendungskonflikte entstehen.1236 Hatte etwa ein deutscher Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz und seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, sind die deutschen Nachlassgerichte gemäß Art.  64 S.  1 i. V. m. Art.  4 EuErbVO für die Ausstellung eines ENZ international zuständig. Anzuwendendes Recht ist gemäß Art.  21 Abs.  1 EuErbVO deutsches Recht. Daneben sind die schweizerischen Stellen, die zur Ausstellung einer Erbbescheinigung i. S. d. Art.  559 ZGB1237 berufen sind, für die Ausstellung derartiger schweizerischer Nachlasszeugnisse international zuständig (vgl. Art.  86 Abs.  1 IPRG). Die schweizerischen Ausstellungsstellen wenden nach Art.  90 Abs.  1 IPRG schweizer­ isches Recht an.1238

I. Anerkennung des ENZ in einem Drittstaat Die Erstreckung der Wirkungen des ENZ auf sämtliche Mitgliedstaaten bedeutet e contrario nicht notwendigerweise, dass das ENZ in Drittstaaten nicht als Instrument zum Nachweis einer erbrechtlichen Berechtigung oder Rechtsstellung verwendet werden kann.1239 Denn Drittstaaten wird aufgrund der Regelung des Art.  63 Abs.  1 EuErbVO, nach der das ENZ zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird, gerade nicht verwehrt, die in Art.  69 Abs.  2 bis Abs.  5 EuErbVO geregelten Wirkungen des ENZ auch auf ihr Staatsgebiet zu erstrecken.1240 Im Verhältnis zu Drittstaaten ist das ENZ folglich ausländisches Nachlasszeugnis, das nach den

1234 

(184).

1235 

Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (13); Weiß/Bigler successio 2014, 163

Weiß/Bigler successio 2014, 163 (184). mit Blick auf deutsch-schweizerische Erbfälle Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (28). 1237  Schweizerisches Zivilgesetzbuch. 1238  Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (31); Lein in Dutta/Herrler, EuErbVO, 199 Rn.  47. 1239 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  6. 1240 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  6. 1236 Speziell

344

Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

autonomen oder staatsvertraglichen Anerkennungsregeln des jeweiligen Drittstaats anerkennungsfähig sein kann.1241 Nach §  17 S.  1 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens genügt etwa, soweit es sich um bewegliche Nachlassgegenstände handelt, „[e]in Zeugnis über ein erbrechtliches Verhältnis, insbesondere über das Recht des Erben oder eines Testamentsvollstreckers, das von der zuständigen Behörde des Staats, dem der Erblasser angehörte, nach dessen Gesetzen ausgestellt ist“ zum Nachweis der genannten Rechtsverhältnisse auch für das Gebiet des anderen Staats. Die Wirkungen des von einem deutschen Nachlassgericht erteilten ENZ werden hinsichtlich des Nachlasses eines deutschen Erb­ lassers nach §  17 S.  1 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens insoweit in die Türkei erstreckt, als ein solches ENZ zum Nachweis der Stellung als Erbe oder als Testamentsvollstrecker in der Türkei verwendet werden kann.1242 So fällt unter die für das deutsche Nachlassgericht maßgeblichen Gesetze i. S. d. §  17 S.  1 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens auch die EuErbVO.1243 Die Anerkennungsfähigkeit eines ENZ richtet sich beispielsweise in der Schweiz nach deren autonomen Anerkennungsregeln.1244 Die schweizerische Rechtsordnung legt die Voraussetzungen einer Anerkennung ausländischer Nachlasszeugnisse in Art.  96 IPRG fest.1245 Nach Abs.  1 dieser Bestimmung werden u. a. ausländische Urkunden, die den Nachlass betreffen in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat des letzten Wohnsitzes des Erb­ lassers oder im Staat, dessen Recht er gewählt hat ausgestellt worden sind (lit.  a) oder wenn sie Grundstücke betreffen und in dem Staat, in dem sie liegen ausgestellt worden sind (lit.  b). Das ENZ stellt als Urkunde, die nach dem Recht des jeweiligen Errichtungsstaates bestimmt und geeignet ist, eine Person als Rechtsnachfolger des Erblassers auszuweisen zunächst taugliches Anerkennungsobjekt i. S. d. Art.  96 IPRG dar.1246 Sind die Ausstellungsstellen eines Mitgliedstaats gemäß Art.  64 S.  1 EuErbVO i. V. m. Art.  4 EuErbVO für die Ausstellung des ENZ zuständig, wird aus schweizerischer Sicht die sog. indirekte Wohnsitzzuständigkeit i. S. d. Art.  96 Abs.  1 lit.  a IPRG 1241  Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (8); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  6; so bereits zum EuErbVO-E: F. Guillaume in Bonomi/Schmidt, Successions internationales, 119 (129). 1242 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  6; Nagel/Gottwald, IZPR, Rz.  13.167. 1243 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  6; Nagel/Gottwald, IZPR, Rz.  13.167. 1244  So bereits zum EuErbVO-E: F. Guillaume in Bonomi/Schmidt, Successions internationales, 119 (129). 1245  Weiß/Bigler successio 2014, 163 (192). 1246  Lein in Dutta/Herrler, EuErbVO, 199 Rn.   84; Weiß/Bigler successio 2014, 163 (192).

I. ENZ und drittstaatliche Nachlasszeugnisse

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überwiegend gegeben sein.1247 Denn letzter gewöhnlicher Aufenthalt und letzter Wohnsitz werden regelmäßig kongruieren.1248 Eine indirekte Zuständigkeit der Ausstellungsstelle des ENZ ist auch dann anzunehmen, wenn deren internationale Zuständigkeit im Wege der Art.  5 bis Art.  7 EuErbVO begründet wurde, da das ENZ dann aus dem Staat des gewählten Rechts stammt.1249 Indes besteht eine indirekte Zuständigkeit bei einer Zustän­ digkeit der Ausstellungsstelle nach Art.  64 S.  1 EuErbVO i. V. m. Art.  10 ­EuErbVO (subsidiäre Zuständigkeit) häufig nur in solchen Konstellationen, in denen der Erblasser entweder die Staatsangehörigkeit des in Rede stehenden Mitgliedstaats besaß und eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts getroffen hat (indirekte Zuständigkeit i. S. d. Art.  96 Abs.  1 lit.  a IPRG) oder die subsidiäre Zuständigkeit auf einem ausländischen Grundstück beruht (Art.  96 Abs.  1 lit.  a IPRG).1250 Hinsichtlich der Wirkungen der Anerkennung eines ENZ in der Schweiz wird zwischen den unterschiedlichen materiell-rechtlichen Wirkungen des ENZ i. S. d. Art.  69 EuErbVO differenziert:1251 Nach schweizerischem IPR bestimme das Recht des Ausstellungsstaates die Legitimationswirkung, sodass diese dem ENZ auch in der Schweiz zukomme.1252 Hinsichtlich des durch ein ENZ nach der EuErbVO vermittelten Redlichkeitsschutzes sei zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen einerseits und Forderungen andererseits zu differenzieren.1253 Allein der Redlichkeitsschutz für Forderungen richte sich nach der EuErbVO als Erbscheinstatut.1254 Hinsichtlich beweglicher und unbeweglicher Sachen würden die Rechtsscheins­ wirkungen des Erbscheinstatuts indes durch Art.  973 ZGB und Art.  922 ZGB verdrängt.1255 Der Beweiswert der dem ENZ in der Schweiz zukommt, werde durch Art.  9 ZGB determiniert.1256 Im Übrigen entspreche ein ENZ 1247  1248 

(184).

1249 

Weiß/Bigler successio 2014, 163 (192). Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (13); Weiß/Bigler successio 2014, 163

Weiß/Bigler successio 2014, 163 (192). Weiß/Bigler successio 2014, 163 (192). 1251  Weiß/Bigler successio 2014, 163 (193); bereits zum EuErbVO-E in diese Richtung wohl auch F. Guillaume in Bonomi/Schmidt, Successions internationales, 119 (129), nach der ein in der Schweiz anerkanntes ENZ die gleichen Wirkungen haben sollte wie eine schweizerische Erbbescheinigung, d. h. im Wesentlichen eine Legitimationsfunktion. Die Anerkennung eines ENZ erfasse indes die in Art.  42 EuErbVO-E vorgesehenen materiell-­ rechtlichen Wirkungen, insbes. die Gutglaubenswirkung, nicht. 1252  Weiß/Bigler successio 2014, 163 (193). 1253  Weiß/Bigler successio 2014, 163 (193). 1254  Weiß/Bigler successio 2014, 163 (193). 1255  Weiß/Bigler successio 2014, 163 (193). 1256  Weiß/Bigler successio 2014, 163 (193). 1250 

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

einer Erbbescheinigung i. S. d. Art.  559 ZGB i. S. e. inhaltlichen und funktionalen Äquivalenz und auch die Ausstellungsstelle stehe hinsichtlich Qualifikation und Verfahrensweise einer schweizerischen Eröffnungsbehörde gleich, sodass das ENZ auch als tauglicher Nachweis im schweizerischen Grundbuchverfahren gelte.1257 Ein Anerkennungsversagungsgrund besteht jedoch, wenn in der Schweiz eine konkurrierende Zuständigkeit besteht und das Verfahren zuerst in der Schweiz eingeleitet wird (vgl. Art.  27 Abs.  2 lit.  c IPRG).1258 Nach schweizerischem Recht gilt das Nachlassverfahren bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers als eröffnet, sodass wohl eine Anerkennung des ENZ in der Schweiz nur dann in Betracht kommt, wenn keine Nachlasszuständigkeit in der Schweiz gegeben ist.1259

II. Anerkennung drittstaatlicher Nachlasszeugnisse im Ausstellungsstaat des ENZ 1. Nachlasszeugnisse von Nicht-EU-Mitgliedstaaten Jedenfalls die Anerkennung bzw. Annahme drittstaatlicher Nachlasszeugnisse von Nicht-EU-Mitgliedstaaten im Ausstellungsstaat des ENZ richtet sich nicht nach den Regelungen der Art.  39 ff. EuErbVO bzw. Art.  59 f. ­EuErbVO. Hintergrund ist insoweit das Prinzip der Reziprozität1260. Hinsichtlich der drittstaatlichen Nachlasszeugnisse aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten bestehen daher noch immer diejenigen Schwierigkeiten einer Anerkennung, die vor der Geltung der EuErbVO auch im Verhältnis der europäischen Mitgliedstaaten zueinander bestanden.1261 Zwar sieht die deutsche Rechtsordnung in §  108 Abs.  1 FamFG vor, dass ausländische Entscheidungen (abgesehen von Entscheidungen in Ehe­sachen) anerkannt werden, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Als Entscheidungen i. S. d. §  108 Abs.  1 FamFG werden die unanfechtbaren Emanationen eines ausländischen Gerichts bzw. auch einer ausländischen Behörde oder eines ausländischen Notars verstanden, die in ihrer Stellung deutschen Gerichten entsprechen.1262 Mangels materieller Rechtskraftwirkung – und damit mangels Unanfechtbarkeit – wird eine Anerkennung aus1257 

Weiß/Bigler successio 2014, 163 (193). Weiß/Bigler successio 2014, 163 (192). 1259  Weiß/Bigler successio 2014, 163 (192 f.). 1260  Basedow in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 15 (19). 1261  Hertel DNotZ 2012, 688 (689). 1262 Hanseat. OLG Bremen NJW-RR 2011, 1099; BeckOGK/Fröhler BGB, §   2353 Rn.  127 (Stand: 1.5.2021). 1258 

I. ENZ und drittstaatliche Nachlasszeugnisse

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ländischer lediglich deklaratorischer Nachlasszeugnisse, abgelehnt.1263 So passen die Anerkennungsvorschriften, die unter anderem auf statusrecht­ liche Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeschnitten sind, gerade nicht für die Legitimations- und Gutglaubenswirkung ausländischer Nachlasszeugnisse.1264 Ausnahmsweise werden ausländische Nachlasszeugnisse dennoch anerkannt, wenn bezüglich der Anerkennung staatsvertragliche Regelungen ge­ schlos­­sen wurden.1265 Derartige staatsvertragliche Regelungen bestehen zwi­schen der Bundesrepublik Deutschland und Drittstaaten i. S. d. EuErbVO, soweit ersichtlich, jedoch nicht. Lediglich eine Mindermeinung im deutschen Schrifttum will im Wege materiell-rechtlicher Substitution solche ausländischen Nachlasszeugnisse als Erbschein i. S. d. §  2365 BGB bzw. §  35 GBO anerkennen, die dem deutschen Erbschein in ihren Wirkungen „gleichwertig“ sind.1266 Dies ist jedoch vor dem Hintergrund abzulehnen, dass ein ausländisches Nachlasszeugnis lediglich bescheinigt, wer aus Sicht des Drittstaats, der seine eigenen Kollisionsregeln anwendet, zum Erben berufen ist.1267 Zu einer Kollision von ENZ und drittstaatlichem Nachlasszeugnis kommt es daher im Ausstellungsstaat des ENZ nicht. In Frankreich werden ausländische Nachlasszeugnisse nur dann anerkannt, sofern das fragliche Nachlasszeugnis in einem Verfahren errichtet wurde, das dem Verfahren des französischen Rechts zur Ausstellung eines französischen MNZ ähnlich ist.1268 Im Allgemeinen werden folglich von Notaren ausgestellte Nachlasszeugnisse anerkannt, wobei die Verwendung eines solchen Dokuments freilich erst dann erfolgen kann, nachdem überprüft wurde, dass es in einem ähnlichen Verfahren wie etwa ein acte de notoriété zustande kam.1269 1263 Hanseat. OLG Bremen NJW-RR 2011, 1099; Keidel/Dimmler FamFG, §   108 Rn.  48; Staudinger/Dörner EGBGB, 2007, Art.  25 Rn.  914; BeckOGK/Fröhler BGB, §  2353 Rn.  127 (Stand: 1.5.2021); zur schweizerischen Erbbescheinigung vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 1089. 1264  Zur Legitimationswirkung vgl. Hertel DNotZ 2012, 688. 1265  OLG Bremen NJW-RR 2011, 1099. 1266 MüKoBGB/Birk EGBGB, 5.  Aufl. 2010, Art.  25 Rn.  359 ff. 1267  O. Meyer in Süß, Erbrecht in Europa, §  7 Rn.  110. 1268  R. Crône/L. Perreau-Saussine JCP N 50 (2018) 1359 (Nr.  10); E. Jacoby JCP N 18 (2016) 1137 (Nr.  10); N. Joubert/H. Bosse-Platière in Bosse-Platière/Damas/Dereu, L’avenir européen, 63 (64); Revillard, DIP et Européen, Nr.  888 („[…] l’acte de notoriété établi à l’étranger sera reconnu en France dans la mesure où il aura été établi suivant des modalités proches de celles du droit français“]); M. Revillard in DNotI, Successions Internationales, Conférence Bruxelles 2004, 519 Nr.  19. 1269  Revillard, DIP et Européen, Nr.  888.

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

2. Irische und dänische Nachlasszeugnisse – kein Sonderfall Fraglich ist, ob der Gedanke der Reziprozität auch bei solchen drittstaat­ lichen Nachlasszeugnissen durchgreifen kann, die zwar nicht aus einem Mitgliedstaat i. S. d. EuErbVO, indes aus einem EU-Mitgliedstaat stammen.1270 Dies wird im Kontext des Art.  39 EuErbVO vor dem Hintergrund verneint, dass die maßgebliche Kompetenzgrundlage zur Schaffung einer EuErbVO mit Regelungen auf dem Gebiet des IPR und IZVR – namentlich Art.  81 AEUV – in Zusammenhang mit Art.  67 AEUV zu lesen sei, dessen Abs.  4 die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen dem Aspekt der Gewähr des Zugangs zum Recht unterstellt.1271 Im Übrigen folge aus Art.  67 Abs.  1 AEUV, dass sich Beachtung der Grundrechte wie auch der verschiedenen Rechtsordnungen und -traditionen der europäischen Mitgliedstaaten in der gegenseitigen Anerkennung niederschlagen müssten.1272 Folglich sei Art.  39 Abs.  1 EuErbVO dahin auszulegen, dass auch die in einem nichtteilnehmenden europäischen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen (teilnehmenden) Mitgliedstaaten anerkannt werden, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.1273 Die EuErbVO definiert den Begriff „Mitgliedstaat“ nicht.1274 Zur Begriffs­ bestimmung können auch ErwG 82 EuErbVO bzw. ErwG 83 EuErbVO nicht herangezogen werden, da sie lediglich klarstellen, dass das Vereinigte Königreich und Irland genau wie Dänemark durch die EuErbVO nicht gebunden sind.1275 Die Formulierung der Regelungen der EuErbVO weist gleichermaßen keinerlei Differenzierung zwischen teilnehmenden und 1270 

So lehnt Basedow im Kontext des Art.  39 EuErbVO einen Rekurs auf das Prinzip der Reziprozität betreffend die Anerkennung von Entscheidungen aus Irland, Dänemark und dem Vereinigten Königreich ab, da die Folgen einer fehlende Reziprozität im Kontext der EuErbVO den erbrechtlich Berechtigten als Individuen aufgebürdet würden, vgl. Basedow in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 15 (19 ff.); in diese Richtung wohl auch Frimston in Bergquist et. al., Règlement Successsions, Art.  3 Nr.  40 ff.; a. A.: Bonomi/Wautelet/Bonomi EuErbVO, Introduction Nr.  16; MüKoBGB/ Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  1 Rn.  30; Lein in Dutta/Herrler, EuErbVO, 199 Rn.  9. Die Frage, ob die nichtteilnehmenden europäischen Mitgliedstaaten als „Mitgliedstaaten“ i. S. d. EuErbVO zu betrachten sind, allgemein verneinend: É. Fongaro AJ fam. 2015, 368 (2.) („La réponse ne saurait être que négative“). 1271  Basedow in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 15 (20). 1272  Basedow in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 15 (20). 1273  Basedow in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 15 (24). 1274 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.   1 Rn.  30; Frimston in Bergquist et. al., Règlement Successsions, Art.  3 Nr.  40. 1275 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  1 Rn.  30.

I. ENZ und drittstaatliche Nachlasszeugnisse

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nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten auf.1276 Zwar mag der Wortlaut des Art.  39 EuErbVO grundsätzlich Raum lassen für eine Auslegung im o. g. Sinne. Allerdings überzeugt eine Auslegung des Art.  39 Abs.  1 EuErbVO dahingehend, dass der Anerkennung i. d. S. in den teilnehmenden Mitgliedstaaten auch die in einem nichtteilnehmenden europäischen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen unterliegen, ob der systematischen Verknüpfung der zuständigkeits- und kollisionsrechtlichen Regelungen der EuErbVO mit deren Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen nicht.1277 Denn gerade die Vereinheitlichung der Zuständigkeits- und Kollisionsnormen bildet das Rückgrat einer Freizügigkeit mitgliedstaat­licher Entscheidungen.1278 Gleichlautende Erwägungen sind hinsichtlich der Auslegung des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO betreffend die Annahme drittstaatlicher Nachlasszeugnisse ausschlaggebend. Folglich ergeben sich im Kontext der Anerkennung bzw. Annahme ausländischer Nachlasszeugnisse auch im Verhältnis zu nichtteilnehmenden ­europäischen Mitgliedstaaten noch immer die Schwierigkeiten, die vor Geltung der EuErbVO bestanden. Irische bzw. dänische Nachlasszeugnisse sind ebenso drittstaatlicher Natur wie etwa eine schweizerische Erbbescheinigung.

III. Sonderproblem: Anwendung des Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO vor drittstaatlichen Gerichten Vor drittstaatlichen Gerichten kommen die Gutglaubenswirkungen eines ENZ nur dann zur Anwendung, wenn auf die Leistung oder Verfügung mitgliedstaatliches Recht anwendbar ist.1279 Anders als für die mitgliedstaat­ lichen Gerichte stellen Art.  69 Abs.  3 und Abs.  4 EuErbVO gerade kein unmittelbar geltendes Einheitsrecht dar, das ohne kollisionsrechtliche Vorprüfung angewendet werden muss.1280

IV. Résumé Die EuErbVO regelt die Wirkungen des ENZ lediglich in den Mitgliedstaaten. Im Verhältnis zu Drittstaaten ist das ENZ ausländisches Nachlasszeug1276 

Basedow in Pazdana, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 15 (17). EuErbVO, Vorb. Art.  1 Rn.  30. 1278 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. Art.  1 Rn.  30. 1279  Bonomi/Öztürk ZVglRWiss 114 (2015), 4 (8); MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  6. 1280 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  69 Rn.  6. 1277 MüKoBGB/Dutta

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Kapitel 5: Divergenz zwischen ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen

nis, dass allenfalls im Drittstaat anerkannt werden kann. Die Möglichkeit sowie die Voraussetzungen einer Anerkennung eines ENZ in einem Drittstaat richten sich nach der entsprechenden autonomen drittstaatlichen Rechts­ordnung. Im umgekehrten Fall einer Anerkennung drittstaatlicher Nachlasszeugnisse im Ausstellungsstaat eines ENZ richten sich „Ob“ und gegebenenfalls „Wie“ einer Anerkennung ebenfalls nicht nach den Regelungen der ­EuErbVO.

Kapitel  6

Überlegungen de lege ferenda Art.  82 EuErbVO verpflichtet die Kommission als „Hüterin des Unionsrechts“1 bis spätestens 18. August 2025 zur Überprüfung der EuErbVO und zur Vorlage eines entsprechenden Berichts der gegebenenfalls Änderungsvorschläge enthält. Gegenstand dieser der Kommission auferlegten Überprüfungs- und Berichtspflicht ist die Anwendung der gesamten EuErbVO.2 Nachdem der EuGH bereits in den Rs.  Oberle,3 WB4 und E.E.5 zu einigen der durch das Verhältnis eines optionalen Nebeneinanders von ENZ und den MNZ aufgeworfenen Fragen judiziert hat und bereits eine Vielzahl an Beiträgen zum Verhältnis von ENZ und den nationalen Nachlasszeugnissen veröffentlicht wurden, bleibt zu hoffen und zu erwarten, dass zehn Jahre nach Geltungsbeginn der EuErbVO die bestehenden Unklarheiten im Zusammenhang mit der Auslegung der Regelungen der EuErbVO durch eine fortschreitende Rechtsfortbildung und einen regen Diskurs zwischen Wissenschaft und der Vielzahl jener Praktiker, die einen nicht unwesentlichen Teil der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der EuErbVO prägen, eingedämmt sein werden. Angesichts der mannigfaltigen Streitfragen betreffend eine Kollision von ENZ und einem MNZ, für die die EuErbVO keine ausdrückliche Lösung bereithält und die im internationalen Schrifttum dementsprechend nahezu sämtlich umstritten sind, dürfte die mit der Einführung eines supranatio­ nalen Nachweisinstruments verfolgte hehre Absicht der Erleichterung der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung zwischen den Mitgliedstaaten weniger in praktischer als vielmehr in theoretischer Hinsicht erreicht sein. 1  Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  17 EUV Rn.  7; Kugelmann in Streinz, EUV/AEUV, Art.  17 EUV Rn.  35; Martenczuk in GHN EUV/AEUV Art.  17 EUV Rn.  15 f.; vgl. auch die Charakterisierung der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als „motor, a watchdog, and a kind of honest broker“ durch ihren ersten Vorsitzenden: Hallstein, United Europe, 21. 2 BeckOGK/J. Schmidt EuErbVO, Art.  82 Rn.  5. 3  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) Oberle. 4  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB. 5  EuGH (Kapitel  1 Fn.  19) WB.

352

Kapitel  6: Überlegungen de lege ferenda

Einer ausdrücklichen Auflösung einer Divergenz zwischen ENZ und MNZ in der EuErbVO steht das europarechtliche Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung der EU und in diesem Zusammenhang das Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip entgegen. Die Komplexität der Folgen eines optionalen Dualismus von ENZ und den MNZ ließe sich in einer starren Regelung kaum sach- und interessengerecht abbilden. Um die abstrakten Regelungen der EuErbVO nicht durch den Versuch zu verwässern, sämt­ liche Einzelfälle und Sachprobleme einer Divergenz zwischen den Nachlasszeugnissen zu regeln, bleibt dem europäischen Verordnungsgeber nur die Regelung von Mechanismen, die auf vorgeschalteter Ebene wirken. Zwar sieht die EuErbVO ein Füllhorn an Mechanismen vor, die sowohl auf kollisionsrechtlicher Ebene als auch auf verfahrensrechtlicher Ebene anknüpfen und die teilweise die Gefahr paralleler Ausstellungsverfahren einzudämmen vermögen bzw. dem Leitmotiv eines Gleichlaufs von forum und ius folgen und damit im Wesentlichen der Rechtssicherheit dienen.6 Die Untersuchung hat indes gezeigt, dass, bezogen auf ein und denselben grenzüberschreitenden Erbfall, Kollisionen von supranationalem und nationalem Nachlasszeugnis gar in der EuErbVO angelegt sind. Der EuErbVO ist ersichtlich das Streben nach internationalem Entscheidungseinklang hinsichtlich der durch ein ENZ oder die nationalen Nachlasszeugnisse auszuweisende Rechtsstellung der Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter inhärent. Mit den Art.  20 ff. EuErbVO hat der europäische Verordnungsgeber die mitgliedstaatlichen Erbkollisionsrechte zwar weitgehend harmonisiert, die Harmonisierungswirkung wird indes durch Art.  75 Abs.  1 EuErbVO erheblich eingeschränkt, soweit die hiernach vorrangigen Übereinkommen der Mitgliedstaaten Kollisionsnormen enthalten, die auch bei der Ausstellung eines ENZ bzw. eines MNZ zu berücksichtigen sind.7 Der Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr abträglich ist ferner und im Besonderen, dass die ­EuErbVO keine Regelung betreffend die Vorfragenanknüpfung im Erb­ statut enthält. Vornehmlich angesichts des effet utile des ENZ – damit letztlich aufgrund des Prinzips eines europäischen Entscheidungseinklangs – bedarf es im Geltungsbereich der EuErbVO einer unselbständigen Vorfragenanknüpfung.8 De lege ferenda sollte der europäische Verordnungsgeber das dritte Kapitel der EuErbVO um eine Kollisionsnorm, die ausdrücklich eine Anknüpfung von Vorfragen nach dem Kollisionsrecht der lex causae 6 

Vgl. oben Kapitel  5 B. Hinsichtlich des ENZ vgl. MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Vorb. zu Art.  62 Rn.  9. 8  Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 4. b) aa) (1). 7 

Kapitel  6: Überlegungen de lege ferenda

353

bestimmt, erweitern.9 Aufgrund der durch Art.  75 Abs.  1 EuErbVO in Verbin­dung mit den kollisionsrechtlich relevanten bilateralen Abkommen der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten hervorgerufenen Friktionen10 – gerade betreffend einen Widerspruch zwischen ENZ und MNZ – sollten diese von den betroffenen Mitgliedstaaten angepasst oder gekündigt werden.11 Dies entspräche der Wahrung der in Art.  351 Abs.  2 AEUV primärrechtlich verankerten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle materiellen Unvereinbarkeiten vorrangiger Staatsverträge mit der europäischen Rechtsordnung zugunsten des Unionsrechts zu beheben.12 Dem Prinzip des internationalen Entscheidungseinklangs ist eigen, dass seine vollkommene Verwirklichung lediglich Desiderat, nicht aber Realität sein kann.13 Vor diesem Hintergrund sollten die einer weiteren Annäherung an eine Verwirklichung internationalen Entscheidungseinklangs und damit an eine Vermeidung inhaltlich widersprüchlicher Nachlasszeugnisse zugutekommenden Maßnahmen, durch weitere, auf anderer Ebene anknüpfende Regelungen flankiert werden. Die Schaffung eines zentralen Registers für ENZ wie auch MNZ – wie bereits nach Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags angeregt14 – ist nach Geltungsbeginn und nunmehr mehrjähriger Anwendung der Bestimmungen der EuErbVO weiterhin erstrebens­ wert, um die Möglichkeit einer Kollision inhaltlich widersprüchlicher Nach­lasszeugnisse weiter einzugrenzen. Hinsichtlich des sechsten Kapitels der EuErbVO erscheint daneben die Regelung einer ausdrücklichen Einziehungsverpflichtung hinsichtlich unrichtiger beglaubigter Abschriften eines ENZ angebracht.15 Ein angemessener Ausgleich der Interessen der wahren Berechtigten einerseits und red­ licher Dritter andererseits ist allein durch eine Einziehungsmöglichkeit zu erreichen; anderenfalls wird dem wahren Berechtigen ein unnötig hohes

9  So bereits zum Kommissionsvorschlag Lübcke, Internationales Nachlassverfahrensrecht, 567 f.; eine allgemeine Regelung der Vorfragenproblematik durch den europäischen Verordnungsgeber zugunsten einer unselbständigen Vorfragenanknüpfung fordernd: Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang, 332 f. 10  Vgl. oben Kapitel  5 E. II. 5. 11 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.   75 Rn.  6; MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (532 ff. insbes. Nr.  24); hinsichtlich des deutsch-türkischen Nachlassabkommens vom 28.5.­­1929 vgl. Gebauer IPRax 2018, 586 (588). 12 MüKoBGB/Dutta EuErbVO, Art.  75 Rn.  6. 13 NK-NachfolgeR/Köhler EuErbVO, Vor Art.   20–38: Einleitung IPR Rn.  9 (dort: Anmerkung). 14  MPIPRIV RabelsZ 74 (2010), 522 (706 ff. Nr.  338 ff.). 15  Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (430).

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Kapitel  6: Überlegungen de lege ferenda

Risiko aufgebürdet, dem allein mit der begrenzten Geltungsdauer der beglaubigten Abschriften eines ENZ nicht beigekommen werden kann.16

16 

Traut ZVglRWiss 115 (2016), 358 (430).

Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen Die vorliegende Untersuchung hat sich dem Problem der Kollision von ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen, insoweit dem Verhältnis dieser Nachlasszeugnisse sowie den daraus erwachsenden Sachfragen, insbeson­ dere auch auf Rechtsfolgenseite, gewidmet. Eingenommen wurde im Ausgangspunkt eine europäische Perspektive, die von einer exemplarischen Darstellung des Verhältnisses von ENZ und deutschen bzw. französischen MNZ flankiert wurde und die rechtsvergleichende Elemente enthält. Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung können wie folgt thesenartig zusammengefasst werden.

A. Materiell-rechtliche Wirkungen der betrachteten Nachlasszeugnisse ENZ, deutscher Erbschein und französischer acte de notoriété unterscheiden sich in wesentlichen Punkten, insbesondere in ihren Antragsvoraussetzungen, ihrem Inhalt und hinsichtlich der Reichweite ihrer Wirkungen sowie der durch das jeweils maßgebende Verfahrensrecht (nicht) vorgesehenen Beseitigung der Wirkungen eines unrichtigen Nachlasszeugnisses.

I. Abstrakter vs. konkreter Redlichkeitsschutz Anders als der deutsche Erbschein beanspruchen weder ENZ noch französischer acte de notoriété öffentlichen Glauben; sie vermitteln vielmehr konkreten Gutglaubensschutz.

II. Legitimationswirkung bei der Registereintragung Sowohl ENZ als auch deutscher Erbschein vermitteln Legitimationswirkung bei der Registereintragung. Ein acte de notoriété reicht hingegen für sich genommen für die Registrierung beim französischen service chargé de la publicité foncière nicht aus, notwendig hierfür ist die attestation notariée.

356

Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen

Das ENZ kann indes ggf. die nach Art.  29 Abs.  1 des Dekrets Nr.  55-22 vom 4.1.1955 erforderlichen Angaben enthalten, sodass schwer nachvollziehbar wäre, wenn neben der Vorlage eines ENZ, das die entsprechenden Inhalte ausweist, zusätzlich die Vorlage einer attestation notariée gefordert werden könnte.

B. Grenzüberschreitende Erstreckung der Wirkungen eines MNZ MNZ können abhängig vom jeweiligen mitgliedstaatlichen Erteilungsverfahren dem Regime der Art.  39 ff. EuErbVO oder dem des Art.  59 Abs.  1 EuErbVO unterliegen.

I. Verordnungsautonomer Rechtskraftbegriff Die Unterwerfung gerichtlicher MNZ unter das Anerkennungsregime der EuErbVO scheitert nicht daran, dass diese nicht der materiellen Rechtskraft nach deutschem Verständnis fähig sind. Der Begriff der Rechtskraft ist im Rahmen der Art.  3 Abs.  1 lit.  g, 39 ff. EuErbVO verordnungsautonom auszulegen.

II. Anerkennung bzw. Annahme von MNZ MNZ, die anerkennungsrechtliche Entscheidungen i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO sind, treten aufgrund der Regelungen der Art.  39 ff. EuErbVO in Freizügigkeitskonkurrenz mit dem ENZ. Insoweit wird schlussendlich im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr das ENZ die Oberhand gewinnen, da sich dessen Wirkungserstreckung auf sämtliche Mitgliedstaaten ipso iure und voraussetzungslos vollzieht; es ist insbesondere nicht am ordre public des Verwendungsmitgliedstaats zu messen. Der von einem deutschen Nachlassgericht ausgestellte Erbschein ist Entscheidung i. S. d. Art.  3. Abs.  1 lit.  g EuErbVO, mithin anerkennungsrechtlich i. S. d. Art.  39 ff. EuErbVO relevant. Der acte de notoriété eines französischen Notars ist lediglich öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO und damit auch i. S. d. Art.  59 Abs.  1 EuErbVO.

D. Begriff der Divergenz

357

C. Optionaler Dualismus ENZ und MNZ haben einen gemeinsamen Anwendungs- und Geltungs­ bereich, sodass ihr Verhältnis festzustellen ist. Mit der Schlüsselbestimmung des Art.  62 Abs.  2 und Abs.  3 S.  1 EuErbVO hat der Verordnungsgeber einen optionalen Dualismus etabliert. Die Erstreckung der Wirkungen des ENZ erfolgt unmittelbar ipso iure in sämtlichen Mitgliedstaaten – auch in solchen, die hinsichtlich der zu bescheinigenden erbrechtlichen Rechtsstellung vorrangige staatsvertragliche Kollisionsregeln anwenden. Die grundsätzliche Ablehnung eines ENZ unter Forderung eines MNZ ist aufgrund der mit einem optionalen Dualismus verbundenen Wertungen unzulässig. Auch umgekehrt darf das MNZ nicht grundsätzlich unter Forderung der Vorlage eines ENZ abgelehnt werden, soweit das MNZ im Vorlagestaat nach Art.  39 ff. EuErbVO anzuerkennen ist. Auswirkungen zeitigt die Ausstellung und das Bestehen eines ENZ allenfalls auf Grundlage des mitgliedstaatlichen Rechts im Rahmen der Durchführungsgesetzgebung. Das deutsche IntErbRVG sieht eine Verdrängung der deutschen Nachlasszeugnisse durch das ENZ nicht vor. Die das ENZ betreffenden Art.  1381-1 CPC bis Art.  1381-4 CPC sehen entsprechend keine Regelung vor, nach der das ENZ die französischen Nachlasszeugnisse verdrängt.

D. Begriff der Divergenz Begrifflich ist zwischen der echten und unechten Divergenz in den Konstellationen der internen Divergenz einerseits und der grenzüberschreitenden Divergenz andererseits zu differenzieren.

I. Echte vs. unechte Divergenz Ein Fall der echten Divergenz besteht, wenn Nachlasszeugnisse die erb­ rechtliche Situation in materiell-rechtlicher Hinsicht unterschiedlich ausweisen. Der Begriff der unechten Divergenz erfasst die Abweichungen der Nachlasszeugnisse aufgrund ihrer unterschiedlichen inhaltlichen Ausgestaltung und Wirkungen, wobei sie in materiell-rechtlicher Hinsicht kongruent sind.

358

Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen

II. Interne vs. grenzüberschreitende Divergenz Der Begriff der internen Divergenz beschreibt den Widerspruch zwischen dem ENZ und nationalen Nachlasszeugnissen des Ausstellungsstaats des ENZ. Die grenzüberschreitende Divergenz erfasst den Widerspruch zwischen dem ENZ und den nationalen Nachlasszeugnissen des Verwendungsstaats bzw. eines anderen Mitgliedstaats.

E. Gründe einer internen Divergenz Eine interne Divergenz findet ihren Grund im Wesentlichen darin, dass entweder das ENZ oder das MNZ materiell-rechtlich fehlerhaft ist. Die verfahrensrechtlichen Folgen eines unrichtigen MNZ richten sich nach dem jeweiligen nationalen Recht des Mitgliedstaats.

F. Gründe einer grenzüberschreitenden Divergenz Die vom EuGH angesichts des effet utile des ENZ zu Recht weite Auslegung des Erbstatuts im Rahmen seiner Abgrenzung zu benachbarten Statuten kann in Zusammenschau mit der im Anwendungsbereich der EuErbVO gebotenen unselbständigen Vorfragenanknüpfung die Anzahl der in Betracht kommenden Gründe einer (grenzüberschreitenden) Divergenz zwischen ENZ und MNZ verringern. Eine Divergenz kommt im Falle einer divergierenden Ausgestaltung von ENZ und MNZ (unechte Divergenz), einer Feststellung unterschiedlicher Sachverhalte aufgrund subsidiär anwendbaren nationalen Verfahrensrechts (echte Divergenz) sowie einer abweichenden Bestimmung des Erbstatuts durch abweichende Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes (unechte oder echte Divergenz) in Betracht. Auf kollisionsrechtlicher Ebene kann eine Divergenz ihren Grund ferner im Vorrang mitgliedstaatlicher Staatsverträge finden oder, in Ausnahmefällen, im ordre public-Vorbehalt des Art.  35 EuErbVO.

G. Folgen einer Kollision von ENZ und MNZ Die EuErbVO regelt die Folgen einer Kollision von ENZ und MNZ nicht. Der europäische Verordnungsgeber trägt insoweit konsequent dem Prinzip

G. Folgen einer Kollision von ENZ und MNZ

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der begrenzten Einzelermächtigung sowie dem Prinzip der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit Rechnung. Der europäische Verordnungsgeber setzt konsequent auf vorgelagerter Ebene an, indem die EuErbVO sowohl kollisions- als auch verfahrensrechtliche Mechanismen zur Vermeidung einer Divergenz vorsieht. Indes können die derzeitigen Regelungen der EuErbVO die Möglichkeit einer Divergenz lediglich einschränken, jedoch nicht gänzlich unterbinden – insbesondere dann nicht, wenn das MNZ aus einem anderen (Mitglied-) Staat als das ENZ stammt.

I. Weiter, jedoch nicht unbegrenzter Gerichtsbegriff der EuErbVO Die EuErbVO etabliert einen weiten, keineswegs jedoch unbegrenzten Gerichtsbegriff, dessen Konturen sich sowohl auf zuständigkeits- als auch kollisionsrechtlicher Ebene und auf verfahrensrechtlicher Ebene niederschlagen. Die EuErbVO behandelt insoweit gerichtliche und nichtgerichtliche MNZ unterschiedlich, was zwar kritisch zu bewerten, angesichts der Grenzen des erbrechtlichen Gerichtsbegriffs jedoch hinzunehmen ist. Das Risiko divergierender Nachlasszeugnisse wird insoweit lediglich partiell eingedämmt: Ein Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit für die Ausstellung eines ENZ und der MNZ besteht im Anwendungsbereich der EuErbVO ausschließlich für die gerichtlichen MNZ – nicht aber für die gerichtlichen MNZ. Die deutschen Nachlassgerichte unterliegen bei der Ausstellung eines Erbscheins den Zuständigkeitsregelungen der Art.  4 ff. EuErbVO. Anders die französischen Notare, die bei der Ausstellung eines acte de notoriété nicht als Gericht im funktionalen Sinne zu qualifizieren sind. Lediglich im Falle parallel anhängiger Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und eines gerichtlichen MNZ eines anderen Mitgliedstaats kann Art.  18 EuErbVO grundsätzlich eine drohende Divergenz vermeiden. Eine (auch analoge) Anwendung des Art.  18 EuErbVO scheidet auch bei drohender materiell-rechtlicher Divergenz zwischen ENZ und nichtgerichtlichem MNZ eines anderen Mitgliedstaats aus.

II. Kein europäischer Entscheidungseinklang Einen europäischen Entscheidungseinklang gewährleisten die Kollisionsregeln der Art.  20 ff. EuErbVO nicht. Trotz weitgehender Harmonisierung des erbrechtlichen Kollisionsrechts verbleiben Unstimmigkeiten, die sich vornehmlich aus der Statusnähe des Erbrechts und seinen damit verbundenen Verflechtungen mit benachbarten Statuten ergeben. Diese Unstimmig-

360

Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen

keiten werden jedoch durch die gebotene weite Auslegung des Erbstatuts in Zusammenschau mit der gebotenen unselbständigen Vorfragenanknüpfung teilweise wieder relativiert.

III. Sperrwirkung des Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO Allein ein früheres gerichtliches MNZ, das zugleich eine Entscheidung im anerkennungsrechtlichen Sinne ist, kann die Ausstellung eines ENZ nach Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO sperren. Die Annahme einer unvereinbaren Entscheidung i. S. d. Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b EuErbVO setzt gerade nicht voraus, dass die Entscheidung entsprechend dem Verständnis der deutschen Rechtstradition denselben Verfahrensgegenstand, damit die Ausstellung eines ENZ, betrifft.

IV. Überlegungen de lege ferenda Ein durch gezielte Regelungen und Maßnahmen forcierter internationaler Entscheidungseinklang sowie die Schaffung eines europäischen zentralen Registers für Nachlasszeugnisse ist angesichts der unzureichenden Mechanismen der EuErbVO wünschenswert. Eine dieser Maßnahmen sollte angesichts der Regelung des Art.  75 Abs.  1 EuErbVO die zeitnahe Aufkündigung vorrangiger staatsvertraglicher Übereinkommen mit Kollisionsregeln sein.

H. Auflösung einer internen Kollision Zur Auflösung einer internen Kollision ist die Regelung des Art.  71 Abs.  2 EuErbVO bzw. des Art.  73 EuErbVO fruchtbar zu machen. Entgegengegen der wohl herrschenden Auffassung ist die Ausstellungsbehörde eines ENZ verpflichtet, die von einer Änderung, einem Widerruf oder einer Wirkungsaussetzung Betroffenen nicht lediglich zu unterrichten, sondern die beglaubigten Abschriften – als relevante Rechtsscheinsträger im Rechtsverkehr – einzuziehen. Eine dahingehende klarstellende ausdrückliche Regelung in der EuErbVO wäre insofern wünschenswert. Bei einer internen Kollision wird sich schlussendlich das inhaltlich richtige Nachlasszeugnis durchsetzen. In der Schwebezeit bis zur Beseitigung der Wirkungen des unrichtigen Nachlasszeugnisses – sofern dies für das in Rede stehende MNZ überhaupt vorgesehen ist – darf der Rechtsverkehr indes grundsätzlich auf die durch das jeweilige Nachlasszeugnis ausgewiesene

I. Auflösung einer grenzüberschreitenden Kollision

361

Rechtsstellung vertrauen, sodass für diese Phase die Folgen einer Kollision für die Wirkungen der kollidierenden Nachlasszeugnisse zu bestimmen sind.

I. Auflösung einer grenzüberschreitenden Kollision I. Im Wesentlichen keine verfahrensrechtliche Lösung Die grenzüberschreitende Kollision findet im Wesentlichen keine Lösung in den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der EuErbVO. Bei einer Kollision von ENZ und einem MNZ im Ausstellungsstaat des ENZ (grenzüberschreitende Zirkulation des MNZ nach den Art.   39 ff. ­EuErbVO bzw. nach Art.  59 Abs.  1 EuErbVO) ist Art.  40 lit.  c oder lit.  d EuErbVO nicht anwendbar. Die Auflösung einer grenzüberschreitenden Kollision wird jedoch bei einem Verstoß gegen den ordre public des Ausstellungsstaats des ENZ über die Anwendung des Art.  40 lit.  a EuErbVO bzw. des Art.  59 Abs.  1 UAbs.  1 EuErbVO möglich sein. Im Falle einer Kollision von ENZ und MNZ des Verwendungsmitgliedstaats des ENZ werden die in Rede stehenden Nachlasszeugnisse aus Sicht der jeweiligen Ausstellungsstelle regelmäßig mit dem, aus deren Sicht, maßgeblichen Recht übereinstimmen, sodass eine Einziehung oder eine Änderung oder ein Widerruf nicht erfolgen wird. Dies gilt sowohl für die Kolli­ sion eines ENZ, das von einer nach den Regelungen der EuErbVO zuständigen Ausstellungsbehörde ausgestellt wurde und eines MNZ, als auch für eine Kollision eines ENZ einer international unzuständigen Behörde und eines MNZ.

II. Bestimmung der Folgen für die Wirkungen der in Rede stehenden Nachlasszeugnisse Zur Auflösung der grenzüberschreitenden Kollision sind die Folgen für die Wirkungen der in Rede stehenden Nachlasszeugnisse zu bestimmen. Die Folgen einer (internen wie auch grenzüberschreitenden) Kollision für die Wirkungen des ENZ sind unionsautonom und verordnungsspezifisch zu bestimmen; die Folgen für die Wirkungen der MNZ richten sich nach dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht. Soweit der Inhalt des ENZ im Widerspruch zum Inhalt eines MNZ steht, ist die Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO erschüttert. Gleichermaßen entfällt die in Art.  69 Abs.  5 EuErbVO geregelte Legitimationswirkung.

362

Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen

Die bloße Existenz eines divergierenden MNZ vermag den guten Glauben an die Richtigkeit des ENZ – angesichts des durch das ENZ vermittelten konkreten Gutglaubensschutzes – nicht zu erschüttern. Die Gutglaubenswirkungen sind gerade nicht akzessorisch zur Vermutung des Art.  69 Abs.  2 EuErbVO. Erlangt der Dritte allerdings Kenntnis vom divergierenden Nachlasszeugnis, darf er nicht länger auf die Richtigkeit des ENZ vertrauen. Die EuErbVO etabliert strengere Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten als etwa das deutsche Recht, sodass bereits grobe Fahrlässigkeit schadet und der Dritte zu Nachforschungen darüber gehalten ist, welcher der divergierenden Nachlasszeugnisse die Rechtslage zutreffend ausweist. Die bloße Existenz eines divergierenden ENZ kann die Richtigkeitsvermutung des §  2365 BGB im Rechtsverkehr nicht erschüttern. Die Vermutungswirkung und damit zwingend auch die akzessorische Gutglaubens­ wirkung eines deutschen Erbscheins entfällt allein dann, wenn der Dritte positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Erbscheins hatte. Der Dritte ist bei Kenntnis des Bestehens eines inhaltlich divergierenden ENZ gehalten, Nachforschungen anzustellen. Hinsichtlich der Legitimationswirkung des deutschen Erbscheins im Grundbuchrecht ist anzunehmen, dass bei Existenz eines dem deutschen Erbschein inhaltlich widersprechenden ENZ die Erbfolge als nicht nachgewiesen erachtet werden muss. Mangels Kompetenz des deutschen Grundbuchamts zur Entscheidung erbrechtlicher Streitigkeiten wird es den Eintragungsantrag daher bei Vorlage sich widersprechender Nachlasszeugnisse zurückweisen. Der Erbscheinserbe kann beim Ausstellungsgericht des ENZ Änderung oder Widerruf des ENZ nach Art.  71 Abs.  2 EuErbVO, §  38 S.  1 IntErbRVG beantragen. Das französische Schrifttum geht wohl überwiegend davon aus, dass der einem ENZ inhaltlich widersprechende acte de notoriété aufgrund der Annahme eines Vorrangs des ENZ weder Vermutungs- noch Gutglaubenswirkung entfaltet. Die Annahme eines Vorrangs des ENZ mag darauf gründen, dass in der französischen Literatur die Gefahr divergierender Nachlasszeugnisse als äußerst gering erachtet wird. Eine unechte Divergenz rechtfertigt die Aussetzung der (Gutglaubens-) Wirkungen eines oder etwa beider Nachlasszeugnisse nicht. Das hinsichtlich seiner Wirkungen weitreichendere Nachlasszeugnis bestimmt die Rechts­ folge – unabhängig davon, ob eine interne oder grenzüberschreitende Divergenz vorliegt.

K. Drittstaatliche Nachlasszeugnisse

363

J. Echte Divergenz von ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten Der Sonderfall einer echten Divergenz von ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten kann nur dann vorliegen, wenn eine mitgliedstaatliche Ausstellungsbehörde ihre Zuständigkeit nach den Regelungen der EuErbVO zu Unrecht angenommen hat. Art.  18 EuErbVO ist bei einer parallelen Beantragung von ENZ unterschiedlicher Mitgliedstaaten anwendbar. Diese Bestimmung als Garant für die Vermeidung der Ausstellung divergierender ENZ zu werten, griffe indes zu weit. Die Auflösung einer Kollision mehrerer ENZ kann angesichts der durch den europäischen Verordnungsgeber etablierten Grundwertung des Art.  69 Abs.  1 EuErbVO für das Wirkungskonzept des ENZ keineswegs in Übertragung der Grundsätze des Art.  40 lit.  c EuErbVO erfolgen. Indes kommt auf verfahrensrechtlicher Ebene ein Widerruf des ENZ der international unzuständigen Ausstellungsbehörde in Betracht. Denn der Begriff der inhalt­ lichen Unrichtigkeit erfasst nicht nur materielle, sondern auch zuständigkeitsrechtliche Fehler. Allerdings erfolgt ein Widerruf nur dann, wenn die inhaltliche Unrichtigkeit zur Überzeugung der Ausstellungsbehörde feststeht. Charakteristisch für die Konstellation einer grenzüberschreitenden Divergenz mehrerer Europäischer Nachlasszeugnisse ist, dass die EuErbVO gerade nicht den Ausgangspunkt eines gleichberechtigten optionalen Nebeneinanders etabliert. Die Vermutungs- und Legitimationswirkung des einen ENZ wird durch diejenige des jeweils anderen erschüttert. Der Redlichkeitsschutz kann einem Dritten nur so lange gewährt werden, als ihm nicht der Vorwurf fahrlässiger Unkenntnis vom inhaltlich divergierenden ENZ gemacht werden kann.

K. Drittstaatliche Nachlasszeugnisse Im Verhältnis der Mitgliedstaaten zu Drittstaaten ergeben sich noch immer die vor Geltung der EuErbVO auch zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Schwierigkeiten einer Anerkennung ausländischer Nachlasszeugnisse.

364

Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen

L. Grafische Übersicht Gemeinsamer Anwendungsbereich von ENZ und MNZ

EuErbVO: Optionaler Dualismus von ENZ und MNZ

Art.  62 Abs.  2, Abs.  3 S.  1 EuErbVO: nur ENZ, oder ENZ MNZ nur MNZ, oder ENZ und MNZ

supranationales Rechtsinstitut sui generis

Entscheidung i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  g EuErbVO

Öffentliche Urkunde i. S. d. Art.  3 Abs.  1 lit.  i EuErbVO

≠ Wirkungs­erstreckung ipso iure

Anerkennung, wesentliches Annahme, Art.  39 ff. Art.   59 Abs.  1 Abgrenzungs­ EuErbVO EuErbVO kriterium: Bsp. Erbschein Ausstellungs­ Bsp. acte de stelle = notoriété Gericht i. S. d. EuErbVO (verordnungs­ autonom)

Freizügigkeits­konkurrenz

Internationale Zuständigkeit

Regelungen der EuErbVO

im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr: ENZ

Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit damit: Eindämmung des Risikos einer Divergenz

Gericht­li­che MNZ: Art.  4 ff. EuErbVO

Internationale Zuständigkeit

Nichtgerichtliche MNZ: nationale Regelungen

365

L. Grafische Übersicht Fortsetzung: Gefahr paralleler Ausstellungsverfahren in unterschiedlichen Mitgliedstaaten indes: keine Eindämmung durch Regelungen der EuErbVO, da (anders als bei parallelen Verfahren zur Ausstellung eines ENZ und MNZ, die als ­Entscheidung einzuordnen sind) Art.  18 EuErbVO (-) Art.  67 Abs.  1 UAbs.  2 lit.  b (-)

Möglichkeit einer Divergenz zwischen ENZ und MNZ

interne Divergenz

grenzüberschreitende Divergenz

Wesentlicher Grund

Gründe

Materiell­rechtliche Fehlerhaftigkeit ENZ/MNZ

(begrenzt durch unselbstän­ dige Vorfragenanknüpfung iRd. EuErbVO)

Gründe kollisionsrechtlicher Natur

Abweichende Bestimmung des Erbstatuts (Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts)

Vorrang kollisionsrecht­ licher Bestimmungen vorrangiger Übereinkommen i. S. d. Art.  75 Abs.  1 EuErbVO

Feststellung unterschied­ licher Sachverhalte aufgrund subsidiär anwendbaren nationalen Verfahrensrechts

Ordre-publicVorbehalt des Art.  35 EuErbVO

366

Zusammenfassung und Ergebnisse in Thesen Fortsetzung:

Fehlerhaftigkeit ENZ:

bei Verstoß gegen ordre public des Ausstellungsstaats des ENZ: Auflösung über Art. 40 lit. a bzw. Art. 59 Abs. 1 UAbs. 1 EuErbVO

Art.  71 Abs.  2 EuErbVO und Art.  73 EuErbVO sowie Einziehung begl. Abschriften (effet utile)

Fehlerhaftigkeit MNZ: Verfahrensrechtliche Folgen nach autonomem mitgliedstaatlichen Recht

letztlich: inhaltlich richtiges Nachlass-­ zeugnis

Schwebezeit (Rechtsverkehr Vertrauensschutz): Folgen einer Kollision für die jeweiligen Wirkungen zu bestimmen

Problemfall: Kollision von ENZ und MNZ des Verwendungsmitgliedstaats des ENZ (Verfahrensrechtliche Regelungen der EuErbVO zur Beseitigung der Wirkungen eines ENZ können Kollision nicht notwendigerweise auflösen)

Folgen einer Kollision für die jeweiligen Wirkungen zu bestimmen

367

L. Grafische Übersicht Fortsetzung:

Hinsichtlich der Folgen kein Differenzierungsbedürfnis zwischen interner und grenzüberschreitender Divergenz

Folgen für Wirkungen des ENZ

Folgen für Wirkungen des MNZ

unionsautonome und verordnungsspezifische Bestimmung

autonomes mitgliedstaatliches Recht

Gutglaubensschutz (+), sofern keine Kenntnis

Vermutung des Art. 69 Abs. 2 EuErbVO erschüttert und Art. 69 Abs. 5 EuErbVO (-)

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Sachregister Abschrift, beglaubigte  54–57, 60–62 – siehe auch Gutglaubensträger Acte de notoriété  75–88, 145, 212–214, 241–243, 253–255, 300–302, 315 f. Akzessorietät  72, 98 Änderung  59–62, 87 f., 98 Anerkennung  110, 121 f., 340 f. – siehe auch Entscheidung – Anerkennungshindernis 129 f., 318–321, 336 Annahme  122–128, 319–321 – siehe auch Urkunde, öffentliche Anpassung  264 f. – Normendiskrepanz, qualitative 264 f. – Normenhäufung 265 – Normenmangel 265 Anspruchsidentität  222, 224–226 Antragserfordernis  20 f., 69, 81, 94 Anwendungsbereich des Erbstatuts 259–276 – siehe auch Qualifikation Attestation notariée  88–91, 144–149 Aufenthalt, gewöhnlicher  159–164, 180 f. Auslegung  160, 185 – unionsautonome Auslegung 160, 185–193 – verordnungsspezifische Auslegung  160–164, 187–193 Aussetzung der Wirkungen, siehe Wirkungsaussetzung Ausstellungsstelle  20–24, 68 f., 81 Ausstellungshindernis 231–235 Ausweichklausel  158, 169, 262 Authentizität 254 – siehe auch Beweiskraft – siehe auch Urkunde, öffentliche Avantages matrimoniaux  31–37 – siehe auch Mahnkopf

Bereichsausnahme  259 f., 264 Beweiskraft  111 f., 122–128, 248 f., 254 – siehe auch Authentizität – siehe auch Urkunde, öffentliche – Beweiskraft, formelle 122–128 – Beweiskraft, materielle 127 f. Bezug, grenzüberschreitender  15–17 Cour de Cassation  174–176, 292 f. Damnationslegat  25 f. – siehe auch Vermächtnis Dänemark  348 f. – siehe auch Drittstaat Déclarant  78, 80 f. Deutschland  68–75, 144, 248–252 Divergenz  152 f., 255 – echte Divergenz  153, 296–330 – grenzüberschreitende Divergenz 152, 318–330 – interne Divergenz  152, 240–246, 256, 296–317 – unechte Divergenz  153, 294–296 Drittstaat 341–350 Dualismus 134–138 – siehe auch Harmonisierung, optionale E.E.  110, 189 f., 192 f., 208–210 – siehe auch Entscheidungsbegriff – siehe auch Gerichtsbegriff – siehe auch WB Effet utile  31, 36 f., 40 f., 47 f., 53 f., 56 f., 61 f., 67, 139 f., 202 f., 228, 235, 272 f., 285 f., 295, 327 Einantwortungsurkunde 115 Einzelermächtigung, begrenzte  12–14, 351 f. Einziehung 60–64

392

Sachregister

Einziehungspflicht 60–64 Entscheidung  110, 128–130, 248–252, 253 – Entscheidungsbegriff 110 – Entscheidungseinklang 1–4, 167 f., 267–270, 274 f., 283 f., 352, 359 – Entscheidungskollision 128–130 Entscheidungsanerkennung, siehe Anerkennung Entscheidungseinklang  1–4, 167 f., 267–270, 274 f., 283 f., 352, 359 – internationaler Entscheidungseinklang  267, 274 f., 352 – interner Entscheidungseinklang 269, 272 Entscheidungskollision 128–130 ENZ, siehe Europäisches Nachlasszeugnis – siehe auch Nachlasszeugnis, supra­ nationales Erbschein  68–74, 144, 193, 211 f., 244–246, 248–252, 298 f., 310–315, 340 f. – siehe auch Nachlasszeugnis, nationales Erbstatut  155–171, 259–276 Erbverfahrensrecht, internationales, siehe Verfahrensrecht, internationales EuGüVO 259–263 – siehe auch EuPartVO – siehe auch Güterrechtsstatut EuPartVO 259–263 – siehe auch EuGüVO – siehe auch Güterrechtsstatut Europäisches Nachlasszeugnis  9–17, 19–68, 101–105, 132–149, 182, 218 f., 230–235, 307–310, 332–340 – siehe auch Nachlasszeugnis, supra­ nationales Feststellungsbeschluss 69 Forum necessitatis, siehe Notzuständigkeit Frankreich  31–37, 75–94, 144–149, 212–214, 241–243, 253–255, 300–302, 315 f. – siehe auch acte de notoriété – siehe auch attestation notariée – siehe auch avantages matrimoniaux Gericht 185–193 – siehe auch E.E.

– siehe auch WB – Gerichtsbegriff 185–193 – Gerichtsstandsvereinbarung 172, 175–177, 179, 204, 243, 245, 261 Gerichtsstandsvereinbarung 172, 175–177, 179, 204, 243, 245, 261 Gewohnheitsrecht  76 f. – siehe auch Offenkundigkeitsurkunde Glaube, öffentlicher  72 f. Gleichlauf von forum und ius  229 f. Grundbuch 144 – Grundbucheintragung 144 – Grundbuchverfahren 144 Güterrechtsstatut 259–263 – siehe auch EuGüVO – siehe auch EuPartVO Gutglaubensschutz  50–58, 72 f., 84–87 – siehe auch Redlichkeitsschutz – abstrakter Gutglaubensschutz 72 f. – Gutgläubigkeit  50–58, 72 f., 84–87 – Gutglaubensträger 54–57 – konkreter Gutglaubensschutz 52 f., 86 f. Gutglaubensträger 54–57 – siehe auch beglaubigte Abschrift Gutgläubigkeit  50–58, 72 f., 84–87 Harmonisierung, optionale  134–138 – siehe auch Dualismus Herausgabeanspruch  28, 74, 300 Héritiers réservataires, siehe Noterben Instrumentum 126–128 – siehe auch Beweiskraft, formelle – siehe auch Urkunde Irland  348 f. – siehe auch Drittstaat Koexistenz, siehe Nebeneinander, siehe Dualismus Kollisionsnorm 156–171 – allgemeine Kollisionsnorm 158–164 – verfahrensrechtliche Kollisionsnorm  122 f., 128 Kollisionsrecht 155–171 – internationales Kollisionsrecht 155–171 – nationales Kollisionsrecht  36, 56, 169 Kommorientenvermutung  265 f.

Sachregister Kompetenz 12–15 – siehe auch Zuständigkeit – Kompetenzkonflikt  178, 220, 236 – Unionskompetenz 12–15 Kompetenzkonflikt  178, 220, 236 – negativer Kompetenzkonflikt 178 – positiver Kompetenzkonflikt  178, 220 Kraftloserklärung  73 f. Kubicka  42–49, 90 f. – siehe auch Vindikationslegat Legitimationswirkung  40–49, 71 f. Legs particulier  26–29, 42 Lis pendens, siehe Rechtshängigkeit, doppelte, siehe Litispendenz Litispendenz  217 f. Mahnkopf  29–37, 58 Mehrsprachigkeit, gleichrangige  186 – siehe auch Auslegung, unionsautonome MNZ, siehe Nachlasszeugnis, mitgliedstaatliches – siehe auch acte de notoriété – siehe auch attestation notariée – siehe auch Erbschein – siehe auch Nachlasszeugnis, mitgliedstaatliches – siehe auch Testamentsvollstreck­ erzeugnis Nachlasseinheit  164–166, 178 f. Nachlassgericht  68 f. Nachlassspaltung  47, 162 f., 164–166, 168, 171, 179, 181, 213, 215 f., 279 f., 282 Nachlasszeugnis  9–15, 19–68, 105–130, 183–215, 239–255, 294–332, 341–349 – drittstaatliches Nachlasszeugnis  341–349 – gerichtliches Nachlasszeugnis 117 f., 142, 197–207, 211 f. – mitgliedstaatliches Nachlasszeugnis  105–130, 183–215, 239–255, 294–332 – nationales Nachlasszeugnis 341–349 – nichtgerichtliches Nachlasszeugnis  117 f., 142, 207–210, 212–214, 234 – supranationales Nachlasszeugnis 9–15, 19–68 Nebeneinander, siehe Dualismus

393

Negotium 126–128 – siehe auch Instrumentum – siehe auch Urkunde Normendiskrepanz, qualitative  264 f. Normenhäufung 265 Normenmangel 265 Notar  76–81, 194–197 – siehe auch acte de notoriété Noterbe  34–36, 93, 292 f. Notzuständigkeit 216 Numerus clausus  43–45 – siehe auch Kubicka  42–49 Oberle 198–207 Offenkundigkeitsurkunde 76–81 – siehe auch acte de notoriété – siehe auch Gewohnheitsrecht Ordre public  286–293 Ordre-public-Vorbehalt 319–321 Parallelverfahren 217–229 – siehe auch Rechtshängigkeit, doppelte Parteiidentität 222–224 Praktische Wirksamkeit, siehe effet utile Présomption simple  83 – siehe auch Vermutung, widerlegliche Prioritätsprinzip  130, 215, 220, 222, 229, 242, 304, 314, 319, 325, 339 Privaturkunde 113 Publicité foncière  88–91, 146–149 – siehe auch attestation notariée Qualifikation 259–264 Recht, mitgliedstaatliches  236–239 Rechtsbehelf  10, 24, 67, 79, 121, 237, 302, 322–325, 333 f. Rechtshängigkeit  218, 220–229 – doppelte Rechtshängigkeit 220–229, 333 f. – Rechtshängigkeitssperre 220 Rechtswahl  157–159, 164–167, 169, 172, 176 f., 229 f., 262 f., 275 Redlichkeitsschutz  50–57, 72 f., 83–87 – siehe auch Gutglaubensschutz Regelanknüpfung, siehe Aufenthalt, gewöhnlicher Register 143–149

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Sachregister

Renvoi, partieller  168–170 Richtigkeitsvermutung  38–42, 70 f., 83 – negative Richtigkeitsvermutung 70 – positive Richtigkeitsvermutung 70 – Widerlegbarkeit der Richtigkeitsver­ mutung  41 f., 70 f., 83 Sachenrechtsstatut 264 – siehe auch numerus clausus – siehe auch Kubicka Saisine  27, 93 – siehe auch Testamentsvollstrecker Schweiz 342–346 – siehe auch Drittstaat Service chargé de la publicité foncière  145–149 – siehe auch Register Sonderanknüpfung  167, 171 Sondererbrechtsregime  166, 170 Sperrwirkung 234 Staatsverträge, vorrangige  277–285 – siehe auch Übereinkommen, internationale Subsidiaritätsprinzip  14, 134–136, 182, 201, 307, 352 Substitut  11, 104, 291, 347

Vereinigtes Königreich  341 f. – siehe auch Drittstaat Verfahrensrecht  171–229, 236–239, 298 f., 300 f. – internationales Verfahrensrecht 171– 229 – nationales Verfahrensrecht 236–239, 298 f., 300 f. Vermächtnis  24–29, 42–49 – siehe auch Damnationslegat – siehe auch Vindikationslegat Vermutung, widerlegliche  41 f., 70 f., 83 Vermutungswirkung  38–49, 70–72, 83 Viertel, erbrechtliches  29–31 – siehe auch Mahnkopf Vindikationslegat  25–29, 42–49 – siehe auch Vermächtnis Vorfrage  258, 266 – Vorfragenanknüpfung 266–276 Vorfragenanknüpfung 266–276 – selbständige Vorfragenanknüpfung  267–269 – unselbständige Vorfragenanknüpfung  267–276 Vorrang  277–285, 297, 325–328

Testamentsvollstrecker  20, 91–94 – Testamentsvollstreckerzeugnis 74 f., 244 f., 252 Théorie de l’apparence  79, 316 – siehe auch Redlichkeitsschutz

WB  189–192, 208–210 Widerruf  58–62, 300–302 Widerspruch, inhaltlicher, siehe Divergenz Wirkung  37–58, 70–73, 83–87, 302–317, 328 f., 337–339 – absolute Wirkung 65–68 – materiell-rechtliche Wirkungen 37–58, 70–73, 83–87, 302–317, 328 f., 337–339 – relative Wirkung 65–68 – Wirkungsaussetzung 63 – Wirkungserstreckung 105–128 Wirkungsaussetzung 63 Wirkungserstreckung 105–128 – siehe auch Annahme – siehe auch Anerkennung

Übereinkommen, bilaterales bzw. multilaterales 277–286 Unionskompetenz 12–15 Universalsukzession 102 Unzuständigkeitserklärung  176, 220 – siehe auch Rechtshängigkeit Urkunde 111–113 – siehe auch Annahme – Instrumentum 126–128 – Negotium 126–128 – öffentliche Urkunde  111–113, 122–128, 248 f., 253–255 – Privaturkunde 113 Urschrift  54, 79, 81 – siehe auch Abschrift, beglaubigte

Zugewinnausgleich, pauschalierter  29–31 – siehe auch Viertel, erbrechtliches – siehe auch Mahnkopf Zuständigkeit 172–217 – allgemeine Zuständigkeitsregelung  172 f.

Sachregister – ENZ 182 – funktionale Zuständigkeit  68 f., 171 f., 182, 209, 215, 240, 244 f. – gleichrangige Zuständigkeit 207–211 – internationale Zuständigkeit 172–217 – konkurrierende Zuständigkeit 215–217 – MNZ 183–215 – örtliche Zuständigkeit  69, 172, 182, 209, 240, 242–246, 298

395

– parallele Zuständigkeit 171–217 – sachliche Zuständigkeit  68, 172, 182, 209, 240, 243 f. – subsidiäre Zuständigkeit  173–176, 179, 203 f., 211, 215 f. – Zuständigkeitskonzentration 197–207, 334 f. Zuständigkeitskonzentration 197–207, 334 f.