Die innerstaatliche Wirkweise von EU-Rahmenbeschlüssen und ihre gerichtliche Überprüfbarkeit: Eine Untersuchung zur Rechtsnatur des Rechts der Europäischen Union unter Einbeziehung des Lissabonner Vertrages [1 ed.] 9783428533350, 9783428133352

Hintergrund der Untersuchung ist das Pupino-Urteil des EuGH, mit welchem der EuGH das bekannte Prinzip richtlinienkonfor

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German Pages 291 Year 2010

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Die innerstaatliche Wirkweise von EU-Rahmenbeschlüssen und ihre gerichtliche Überprüfbarkeit: Eine Untersuchung zur Rechtsnatur des Rechts der Europäischen Union unter Einbeziehung des Lissabonner Vertrages [1 ed.]
 9783428533350, 9783428133352

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Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Band 175

Die innerstaatliche Wirkweise von EU-Rahmenbeschlüssen und ihre gerichtliche Überprüfbarkeit Eine Untersuchung zur Rechtsnatur des Rechts der Europäischen Union unter Einbeziehung des Lissabonner Vertrages

Von

Manuel Knebelsberger

a Duncker & Humblot · Berlin

MANUEL KNEBELSBERGER

Die innerstaatliche Wirkweise von EU-Rahmenbeschlüssen und ihre gerichtliche Überprüfbarkeit

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von J o s t D e l b r ü c k, T h o m a s G i e g e r i c h und A l e x a n d e r P r o e l ß Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht 175

Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Christine Chinkin London School of Economics

Eibe H. Riedel Universität Mannheim

James Crawford University of Cambridge

Allan Rosas Court of Justice of the European Communities, Luxemburg

Lori F. Damrosch Columbia University, New York Vera Gowlland-Debbas Graduate Institute of International Studies, Geneva Rainer Hofmann Johann Wolfgang GoetheUniversität, Frankfurt a.M. Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis

Bruno Simma International Court of Justice, The Hague Daniel Thürer Universität Zürich Christian Tomuschat Humboldt-Universität, Berlin Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

Die innerstaatliche Wirkweise von EU-Rahmenbeschlüssen und ihre gerichtliche Überprüfbarkeit Eine Untersuchung zur Rechtsnatur des Rechts der Europäischen Union unter Einbeziehung des Lissabonner Vertrages

Von

Manuel Knebelsberger

a Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 978-3-428-13335-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

« L’intégration européenne n’est pas un être mais un devenir ; elle n’est pas une situation mais un processus ; elle n’est pas un résultat mais l’action devant mener à ce résultat. » Léontin-Jean Constantinesco

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 2008 / 09 von der Juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen worden. Ich habe mich bemüht, für die Druckfassung neuere Rechtsprechung und Literatur, soweit es mir möglich war, bis einschließlich Juli 2009 zu berücksichtigen; die spätere Entwicklung habe ich nur noch vereinzelt berücksichtigen können. Die in der Arbeit gebrauchten Artikelangaben beziehen sich auf die Verträge in der Fassung des Vertrages von Nizza. Den vorstehenden Absatz schlußendlich schreiben zu können, war es ein langer Weg. Viele Menschen haben mich auf diesem Weg begleitet. Unter den „Wegbegleitern“ danken möchte ich zunächst und zuvörderst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Andreas Zimmermann. Dankbar bin ich nicht nur für die gleichermaßen engagierte wie unkomplizierte Betreuung der Arbeit, sondern nicht minder auch dafür, daß er mich in vielerlei anderer Hinsicht stets gefördert und so meinen Werdegang ganz generell befördert hat. So wäre die Erstellung der vorliegenden Arbeit ohne die vielfältigen Möglichkeiten, die sich mir während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Walther-Schücking-Institut geboten haben, so sicherlich kaum denkbar gewesen. Herrn Prof. Dr. Alexander Proelß möchte ich für die Erstellung des Zweitgutachtens danken. Manche für die Druckfassung noch vorgenommene Änderung geht auf die konstruktiven Anregungen in seinem Gutachten zurück. Herrn Prof. Dr. Thomas Giegerich, wie auch den beiden Vorgenannten, bin ich schließlich dankbar für die Aufnahme dieser Dissertation in die Schriftenreihe des WaltherSchücking-Instituts sowie für die Bewilligung eines Druckkostenzuschusses aus den Mitteln der Gesellschaft zur Förderung der Forschung und Lehre am WaltherSchücking-Institut. Als weiterer, auch persönlicher Wegbegleiterin gebührt Katharina Bork der besondere Dank, die Dissertation in ihrer Gänze Korrektur gelesen zu haben, was – trotz zahlreicher hilfreicher Gespräche bereits während des Entstehungsprozesses – ein sicher nicht uneingeschränkt vergnügliches Unterfangen gewesen sein dürfte. Auch Philip Seifert möchte ich aufrichtig „merci beaucoup“ sagen, und zwar dafür, daß er meinen fixen Ideen ausgesprochen ausdauernd zugehört und mir auch im übrigen stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Tobias Thienel möchte ich für äußerst anregende und befruchtende Diskussionen danken. Ihm ist vermutlich gar nicht bewußt, daß so mancher schlaue Gedanke in dieser Dissertation seinen Ursprung bei ihm hatte.

8

Vorwort

Zu guter Letzt, den Kreis der zu Dankenden schließend, ist noch Amir Makee Mosa zu nennen. Er hat zwar nicht unmittelbar zur Entstehung der Dissertation beigetragen. Jedoch hat er mir während der Arbeiten an ihr ein ums andere Mal den Rücken freigehalten – und dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ganz geschlossen wäre dieser Kreis freilich nicht, ohne meine Familie erwähnt zu haben. Sie hat mir in Zeiten voller Trubel stets Halt gegeben. Aus diesem Grunde möchte ich ihr diese Arbeit widmen. Hamburg, im Dezember 2009

Manuel Knebelsberger

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prolegomena

21 24

A. Hintergründe des Pupino-Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

B. Aufriß der rechtlichen und rechtspolitischen Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

C. Zugrunde zu legende Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

Erster Teil Jurisdiktionskompetenz des EuGH in bezug auf die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen

32

A. Originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts . . . .

35

I. Anwendbarkeit des „reinen“ Interpretationsregimes der WVK auf den EUV . . . .

37

II. Anwendung des Interpretationsregimes der WVK auf den EUV . . . . . . . . . . . . . . . .

38

III. Ergebnis: Keine Originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

B. Kompetenz des EuGH zur inzidenten Begutachtung primären Unionsrechts aufgrund von Art. 35 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

I. Vorabentscheidungsverfahren (Art. 35 I – V EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

a) „Gültigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

b) „Auslegung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

aa) Keine unmittelbare Auslegungskompetenz des primären Unionsrechts

50

bb) Inzidente Auslegungskompetenz des primären Unionsrechts? . . . . . . . . (1) Zur Ermittlung von „Inhalt und Tragweite“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zur Vermeidung von Widersprüchen im Auslegungsergebnis zu höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kann ein Rechtsakt seine Wirkweise selbst bestimmen? . . . . . . (b) Deduzierbarkeit der Wirkweise eines Rechtsaktes aus seinem Geltungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 50 51 52 54

10

Inhaltsverzeichnis (c) Geltungsgrund des Rahmenbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis „Auslegung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 57 57

c) Ergebnis Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

a) Einbettung in das intergouvernementale Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

b) Vergleich zum gemeinschaftsrechtlichen Vorabentscheidungsverfahren . . .

60

c) Struktur des Art. 35 I EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

d) Ergebnis Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

3. Teleologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Wahrung der Einheitlichkeit des Rechts vermittels der Klärung abstrakter Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wahrung der Einheitlichkeit des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vermittels der Klärung abstrakter Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis Wahrung der Einheitlichkeit des Rechts vermittels der Klärung abstrakter Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64 64 67 69

b) Unterstützung nationaler Gerichte bei der Durchsetzung des Rechts . . . . . .

69

c) Schutz individueller Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

d) Ergebnis Teleologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

4. Entstehungsgeschichte (travaux préparatoires) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

5. Ergebnis Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

II. Nichtigkeitsklage (Art. 35 VI EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

III. Streitbeilegungsverfahren (Art. 35 VII EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

C. Ergebnis Jurisdiktionskompetenz des EuGH in bezug auf die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Zweiter Teil Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

79

A. Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

I. Gründe für die richtlinienkonforme Auslegung im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . .

79

II. Bedeutung dieser Erkenntnisse für die rahmenbeschlußkonforme Auslegung . . .

84

III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

B. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

I. Ansichten zur Rechtsnatur der Akte der Dritten Säule in Rechtsprechung und Schrifttum: „bloßes“ Völkerrecht oder „schon“ Unionsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

II. Unerheblichkeit des völkerrechtlichen Status der Europäischen Union . . . . . . . . . .

90

Inhaltsverzeichnis

11

III. Verpflichtung aller Staatsorgane, einschließlich der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

IV. Geltungsgrund des Rahmenbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

1. Rahmenbeschluß kein Fall parallel laufender einseitiger Erklärungen . . . . . . . .

93

a) Keine Einseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

b) Verminderte Bindungs- / Rechtswirkung einseitiger Erklärungen . . . . . . . . .

94

2. Rahmenbeschluß kein völkerrechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

3. Rahmenbeschluß als abgeleitetes Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

I. Der Rahmenbeschluß nach Art. 34 II lit. b EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Verbindlichkeit hinsichtlich des zu erreichenden Ziels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Freie Wahl der Form und der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 d) Keine unmittelbare Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Abgrenzung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Wirkung . . . . . . . (1) Kein Verbot der rahmenbeschlußkonformen Auslegung aufgrund Art. 34 II lit. b a. E. EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verbot der Rechtsfortbildung als rahmenbeschlußkonforme „Auslegung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fazit Abgrenzung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106 106 109 110

bb) Abgrenzung zwischen unmittelbarer Wirkung und „bloßen negativen Auswirkungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 e) Ergebnis Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Teleologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Entstehungsgeschichte / Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5. Fazit zu Art. 34 II lit. b EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Die polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen nach Art. 29 – 42 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Die anderen Rechtsakte der Dritten Säule / Keine allgemeine Parallelität zu den gemeinschaftsrechtlichen Rechtsinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Die Materien der Zusammenarbeit im Rahmen der Dritten Säule . . . . . . . . . . . . 121 3. „Zusammenarbeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Einstimmigkeit im Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

12

Inhaltsverzeichnis 5. Einbeziehung der sonstigen Unionsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 6. Verstärkte Zusammenarbeit nach Art. 40 ff. EUV und Passerelle des Art. 42 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 7. Fazit zur polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen . . . . . 130 III. Die Grundlagen der Europäischen Union: Titel I und VIII des EUV . . . . . . . . . . . . 130 1. Die Grundlagen des Art. 1 II und III EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Die allgemeine Beschreibung der EU in Art. 1 II und III 1 EUV . . . . . . . . . 131 b) Das Kohärenz- und Solidaritätsgebot des Art. 1 III 2 EUV . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Die Ziele des Art. 2 I EUV / Der Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 2 II EUV . . 133 a) Die Ziele des Art. 2 I EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Der Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 2 II EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Das Kohärenzgebot des Art. 3 EUV / Die Organleihe gemäß Art. 5 EUV . . . 139 4. Der Europäische Rat als Impulsgeber nach Art. 4 I EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 5. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die formelle Trennung von Unions- und Gemeinschaftsrecht nach Art. 5 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6. Die Grundsätze des Art. 6 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Die fundamentalen Grundwerte nach Art. 6 I und II EUV . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Die Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten nach Art. 6 III EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Die „selbstvollkommene“ Mittelausstattung der Union nach Art. 6 IV EUV 146 7. Der Sanktionsmechanismus des Art. 7 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 8. Die Zuständigkeiten des EuGH im Rahmen des Unionsrechts nach Art. 46 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Die Zuständigkeiten ohne direkten Bezug zur Dritten Säule . . . . . . . . . . . . . 148 b) Die Zuständigkeiten mit Bezug zur Dritten Säule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Die Zuständigkeit nach Art. 46 lit. c EUV i. V. m. Art. 40 III EUV . . 149 bb) Die Zuständigkeiten nach Art. 46 lit. b EUV i. V. m. Art. 35 EUV . . (1) Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 I – V EUV . . . . . (2) Die Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 35 VII EUV . . . . . . . . . . (4) Die materiellen Beschränkungen des Art. 35 V EUV . . . . . . . . . .

149 149 154 156 159

cc) Die Zuständigkeit nach Art. 46 lit. f EUV im Hinblick auf Art. 47 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 dd) Fazit zu den Zuständigkeiten des EuGH mit Bezug zur Dritten Säule 162 9. Die Abgrenzungswirkung des Art. 47 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 10. Das Vertragsänderungsverfahren des Art. 48 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 11. Fazit zu den Grundlagen der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

Inhaltsverzeichnis

13

IV. Gesamtfazit: Keine rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts . . . 167 1. Völkerrechtsähnlichkeit des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Keine hinreichende Anlehnung an das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Konsequenz: Zwitterstellung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4. Konsequenz: Keine Durchgriffswirkung des Unionsrechts auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in Form der rahmenbeschlußkonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 5. Exkurs: Bedeutung des Ergebnisses für einen etwaigen Staatshaftungsanspruch im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D. Revisionsbedürftigkeit des erzielten Ergebnisses aufgrund der Kompetenz des EuGH zur richterlichen Rechtsfortbildung des Unionsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 E. Reichweite und Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . 175 I. Reichweite der rahmenbeschlußkonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 II. Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Wortlautgrenze – Verbot der Auslegung contra legem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Verbot der Berufung auf einen Rahmenbeschluß als Maßstabsrecht . . . . . . . . . . 179 a) Zu Lasten des einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Zugunsten des einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Verbot einer mittelbaren Anwendung im umgekehrt vertikalen Verhältnis . . . 182 a) Verbot einer rahmenbeschlußkonformen Auslegung im umgekehrt vertikalen Verhältnis zu Lasten des einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Kein generelles Verbot einer rahmenbeschlußkonformen Auslegung bei drittbelastenden Rahmenbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 5. Ergebnis Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 187 F. Übertragbarkeit auf andere Rechtsakte der Zweiten und Dritten Säule . . . . . . . . . 187 I. Akte der Zweiten Säule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Akte der Dritten Säule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Dritter Teil Das Verhältnis des EuGH zum BVerfG in Angelegenheiten der Dritten Säule

193

A. Grundlegendes zum Verhältnis von EuGH und BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Parallelität der Jurisdiktionsbefugnisse der europäischen und nationalen Gerichtsbarkeiten in Fragen der Letztentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

14

Inhaltsverzeichnis II. Frage der „endgültigen“ Letztentscheidung eine politische Frage . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Etwaige Rücknahme der Gerichtsbarkeit bestimmt durch das jeweils „eigene“ Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

B. Denkbare Jurisdiktionskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 I. Von vornherein nur begrenztes Konfliktpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Kaum Konfliktpotential hinsichtlich normaler Überschneidungen zwischen EuGH und nationalen (Fach-)Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Größtes Konfliktpotential zwischen EuGH und BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Ansatz des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Ansatz des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Ansatz des Verfassers aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Kriterien für die Selbstbeschränkung des BVerfG im Gemeinschaftsrecht . . . . 217 a) Offenheit des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Vergleichbarer Grundrechtsschutz durch EuG / EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 c) Übertragung von Hoheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Zurücknahme der Jurisdiktion des BVerfG nur bei Vorliegen eines Durchgriffseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Sonderfall gemeinschaftsrechtliche Richtlinie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 d) Selbstbeschränkung aufgrund Vorrangs / Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 e) Fazit Kriterien für die Selbstbeschränkung des BVerfG im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Übertragbarkeit der Kriterien auf das Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Offenheit des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Vergleichbarer Grundrechtsschutz durch den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Generelle Kompetenz des EuGH zur Gewährleistung von Grund- / Menschenrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) In personeller Hinsicht: Zugang zum Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Befund de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Reaktionsmöglichkeiten des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Generelles Bestehen auf einem dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes adäquaten Schutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

223 224 224 225 228 229

Inhaltsverzeichnis

15

(b) Verzicht auf ein dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes adäquates Schutzniveau mangels unmittelbarer Wirkung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) In materieller Hinsicht: grundrechtliches Schutzniveau . . . . . . . . . . . . . . dd) Resümee vergleichbarer Grundrechtsschutz durch den EuGH . . . . . . . .

230 232 232 237

c) Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 23 I GG / Art. 24 I GG . . . . . . aa) I. S. d. Art. 24 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) I. S. d. Art. 23 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Exkurs: rahmenbeschlußkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237 237 238 239

d) Keine Selbstbeschränkung aufgrund Vorrangs / Eigenständigkeit des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand zum Vorrang des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Uneigenständigkeit / Uneinheitlichkeit der „Unionsrechtsordnung“ inhärent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine materiell-rechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine verfahrensrechtliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis Uneigenständigkeit / Uneinheitlichkeit der „Unionsrechtsordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit: Kein Vorrang des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240 240 242 242 243 244 244

e) Fazit Übertragbarkeit der Kriterien auf das Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3. Resümee Ansatz des Verfassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Vierter Teil Ausblick – Die Situation nach dem Lissabonner Vertrag

247

A. Erster Teil – Jurisdiktionskompetenzen des EuGH in bezug auf die innerstaatliche Wirkweise von Akten der heutigen Dritten Säule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 B. Zweiter Teil – Unionsrechtskonforme Auslegung kraft Unionsrechts . . . . . . . . . . . . 250 C. Dritter Teil – Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 D. Fortgeltung bestehender Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Schlußbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Abkürzungsverzeichnis a. A.

anderer Ansicht / am Anfang

ABl.

Amtsblatt der Europäischen Union

AC

Appeal Cases

a. E.

am Ende

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Lissabonner Vertrag)

a. F.

alte Fassung

AJCL

American Journal of Comparative Law

AJIL

American Journal of International Law

Alt.

Alternative

AnwBl

Anwaltsblatt

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

APuZ

Aus Politik und Zeitgeschichte

Art.

Artikel

ASIL

The American Society of International Law

Aufl.

Auflage

AVR

Archiv des Völkerrechts

AYIL

Australian Year Book of International Law

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des BVerfG

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BVerfGK

Kammerentscheidungen des BVerfG

BYIL

British Year Book of International Law

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

CDE

Cahiers de droit européen

CLJ

Cambridge Law Journal

CMLRev

Common Market Law Review

Col JEL

Columbia Journal of European Law

CYELS

Cambridge Yearbook of European Legal Studies

d. h.

das heißt

Abkürzungsverzeichnis DÖV

Die öffentliche Verwaltung

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DVBl

Deutsches Verwaltungsblatt

EAG

Europäische Atomgemeinschaft

EAGV

Vertrag zur Gründung der EAG

EBLR

European Business Law Review

ECJ

European Court of Justice

EFARev

European Foreign Affairs Review

EG

Europäische Gemeinschaft

EGKS

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

EGKSV

Vertrag über die Gründung der EGKS

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGV

Vertrag zur Gründung der EG

EHRLR

European Human Rights Law Review

EJIL

European Journal of International Law

ELJ

European Law Journal

ELRev

European Law Review

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

endg.

endgültig

EP

Europäisches Parlament

EPIL

Encyclopedia of Public International Law

17

EPL

European Public Law

EPÜ

Europäisches Patentübereinkommen

ERT

Europarättslig Tidskrift

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

EuG

Europäisches Gericht erster Instanz

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EuR

Europarecht

EUV

Vertrag über die Europäische Union

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWCA Civ

Court of Appeal, Civil Division (England & Wales)

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht / Betriebs-Berater für Europarecht

f.

folgende

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FEU

Fördrag om Europeiska unionen

ff.

fortfolgende

18

Abkürzungsverzeichnis

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

GAOR

Official Records of the General Assembly

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

ggü.

gegenüber

GLJ

German Law Journal

GYIL

German Yearbook of International Law

Harv. ILJ

Harvard International Law Journal

h. M.

herrschende Meinung

HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht

Hrsg.

Herausgeber / in

Hs.

Halbsatz

HumRLR

Human Rights Law Review

HuV-I

Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften

ibid.

ibidem

ICAO

International Civil Aviation Organization

ICJ

International Court of Justice

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

ICTY

International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia

id.

idem

IGH

Internationaler Gerichtshof

ILC

International Law Commission

insb.

insbesondere

i. S. d.

im Sinne der / s

i. S. e.

im Sinne eine / r / s

i. S. v.

im Sinne von

i. ü.

im übrigen

i. V. m.

in Verbindung mit

i. w.

im wesentlichen

IYIL

Italian Yearbook of International Law

JCMS

Journal of Common Market Studies Annual Review

JICJ

Journal of International Criminal Justice

JILP

(New York University) Journal of International Law and Politics

JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart / Neue Folge

JR

Juristische Rundschau

JT

Juridisk Tidskrift

JTDE

Journal des Tribunaux – Droit européen

Abkürzungsverzeichnis Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

KJ

Kritische Justiz

lit.

litera / literae (Buchstabe / n)

LJIL

Leiden Journal of International Law

MRM

MenschenRechtsMagazin

m. w. N.

mit weiterem / n Nachweis / en

n. F.

neue Fassung

NILR

Netherlands International Law Review

NIR

Nordiskt Immateriellt Rättsskydd

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr. / Nrn.

Nummer / n

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NYIL

Netherlands Yearbook of International Law

ÖJZ

Österreichische Juristen-Zeitung

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

PolYIL

Polish Yearbook of International Law

Prop.

Proposition till Riksdagen (schwedische Regierungsvorlage)

RBDI

Revue belge de droit international

RdC

Recueil des Cours

RDIDC

Revue de Droit international et de Droit comparé

resp.

respektive

RGDIP

Revue Général de Droit International Public

RJD

Reports of Judgments and Decisions

RMC

Revue du Marché commun (et de l’Union européenne)

RMUE

Revue du marché unique européen

Rn.

Randnummer / n

Rs.

Rechtssache / n

RTD eur.

Revue trimestrielle du droit européen

Slg.

Sammlung

sog.

sogenannte / n / r / s

19

StIGH

Ständiger Internationaler Gerichtshof

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

StudZR

Studentische Zeitschrift für Rechtswissenschaft Heidelberg

StV

Strafverteidiger

SvJT

Svensk Juristtidning

TCE

Traité sur Communauté européenne

TCEEA

Traité instituant la Communauté européenne de l’énergie atomique

20

Abkürzungsverzeichnis

TEU

Treaty on European Union

TUE

Traité sur l’Union européenne

Tul. J. Int’l & Comp. L.

Tulane Journal of International and Comparative Law

u. a.

unter anderem

UAbs.

Unterabsatz

UKHL

House of Lords (United Kingdom)

UKHRR

United Kingdom Human Rights Reports

UN

United Nations

UNCLOS

United Nations Convention on the Law of the Sea

UN Doc.

UN Document

v.

vom / versus

v. a.

vor allem

VerwArch

Verwaltungs-Archiv

vgl.

vergleiche

VR

Verwaltungsrundschau

VUWLR

Victoria University of Wellington Law Review

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

VVE

Vertrag über eine Verfassung für Europa

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WHO

Weltgesundheitsorganisation

wistra

Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

WLR

Weekly Law Reports

WVK

Wiener Vertragsrechtskonvention

YEL

Yearbook of European Law

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

ZAR

Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik

z. B.

zum Beispiel

ZEuS

Zeitschrift für europarechtliche Studien

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZIS

Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik

zit.

zitiert

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung Am 16. Juni 2005 hat der EuGH sein Urteil in der Rechtssache Pupino1 gesprochen. In diesem Urteil war der EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 35 I EUV zum ersten Mal mit einem Rahmenbeschluß befaßt.2 Tenor des Urteils ist die Feststellung, nationales Recht sei – in Analogie zur richtlinienkonformen Auslegung – qua Unionsrecht im Lichte eines einschlägigen Rahmenbeschlusses auszulegen. Der Widerhall in der Tages-3 und Fachpresse4 war enorm. Für besonderes Aufsehen hat die – nicht verbindliche – deutsche Übersetzung des Urteils gesorgt, in der an drei Stellen die Rede von einer Verpflichtung zu EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285. Der EuGH hatte auf Grundlage des Art. 35 EUV bereits 2003 über die Auslegung eines Rechtsaktes zu entscheiden (vgl. EuGH, Rs. C-187 / 01 und C-385 / 01, Gözütok und Brügge, Slg. 2003, I-1345); allerdings handelte es sich bei dem auszulegenden Rechtsakt um keinen nach Art. 34 EUV erlassenen Akt, sondern um das am 19. Juni 1990 geschlossene Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (ABl. 2000 L 239, 19), das durch ein Protokoll zum Amsterdamer Vertrag in den Unionsacquis überführt worden war (ABl. 1997 C 340, 93). Mangels originärer Rechtsgrundlagen in den Verträgen hat der Rat mit Beschluß 1999 / 436 / EG v. 20. Mai 1999 (ABl. 1999 L 176, 17) gemäß Art. 2 I UAbs. 2 Satz 2 des Protokolls die Rechtsgrundlagen für die einzelnen Bestimmungen und Beschlüsse, die den Schengenacquis bilden, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des EGV und des EUV erlassen. Für die im zugrunde liegenden Fall einschlägigen Art. 54 – 58 des Durchführungsübereinkommens hat der Rat die Art. 34 und 31 EUV als Rechtsgrundlage festgelegt. Gemäß Art. 2 I UAbs. 3 Satz 1 des Protokolls nimmt der EuGH für diese Bestimmungen und Beschlüsse die Rechtsprechungszuständigkeit wahr, die ihm nach den einschlägigen Bestimmungen der Verträge zukommt. Für Art. 34 EUV übt der EuGH seine Kompetenz gemäß Art. 35 EUV aus, so daß über diesen sehr verschlungenen Weg das Vorlageverfahren des Art. 35 EUV erstmals Anwendung fand. Vgl. näher zu der soeben beschriebenen Konstellation sowie zum oben genannten Fall Vervaele, CMLRev 41 (2004), 795. 3 Siehe etwa Reinhard Müller, der dem EuGH allerdings etwas pauschal unterstellt, er habe judiziert, daß Rahmenbeschlüsse – entgegen Art. 34 II lit. b a. E. EUV – unmittelbare Wirkung hätten [in: FAZ v. 17. Juni 2005, 2]. Vgl. ausführlich zu dieser Frage unten Zweiter Teil C. I. 1. d). 4 Vgl. aus der umfangreichen Besprechungsliteratur Adam, EuZW 16 (2005), 558; Baddenhausen / Pietsch, DVBl 120 (2005), 1562; Chalmers, ELRev 30 (2005), 773; Egger, EuZW 16 (2005), 652; Fetzer / Groß, EuZW 16 (2005), 550; Fletcher, ELRev 30 (2005), 862; Gärditz / Gusy, GA 153 (2006), 225; Herrmann, EuZW 16 (2005), 436; Hillgruber, JZ 60 (2005), 841; Hobe, Jura 28 (2006), 859; Lorenzmeier, ZIS 1 (2006), 583; Murschetz, VUWLR 38 (2007), 145; Schroeder, EuR 42 (2007), 349; Spencer, CLJ 64 (2005), 569; Streinz, JuS 45 (2005), 1023; Tinkl, StV 26 (2006), 36; von Unger, NVwZ 25 (2006), 46; Wehnert, NJW 58 (2005), 3760; Weißer, ZIS 1 (2006), 562 sowie Herlin-Karnell, GLJ 8 (2007), 1147; Lebeck, GLJ 8 (2007), 501; Peers, CMLRev 44 (2007), 883; Pernice, in: FS Meyer, 359 (382 – 391); Prechal, in: Barnard, 35 (56 – 67). 1 2

22

Einleitung

„gemeinschaftsrechtskonformer“ Auslegung nationalen Rechts war.5 Entsprechend scharf ist der EuGH hierfür in der deutschen Literatur kritisiert worden,6 sah man doch bereits die zwangsweise „Einvergemeinschaftung“ der Dritten Säule durch einen Handstreich des EuGH unmittelbar bevorstehen. Dieser Aufruhr war in gleich zweierlei Hinsicht übertrieben: Zum einen fand sich eine ähnliche Formulierung weder in der italienischen Fassung,7 die als Verfahrenssprache gemäß Art. 31 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die einzig verbindliche Sprachfassung war; noch in der französischen Fassung des Urteils,8 die insofern von besonderem Interesse für das Verständnis der Urteile des EuGH ist, als französisch traditionell (inoffizielle) Arbeitssprache des Gerichtshofs ist und namentlich die Urteile in ihrer Urform von den Richtern auf französisch abgefaßt werden.9 Zum anderen ist die deutsche Fassung des Urteils zwischenzeitlich „entschärft“ worden und jeder Hinweis auf eine „gemeinschaftsrechtskonforme“ Auslegung im Rahmen der Dritten Säule eliminiert.10 Als durchaus berechtigt erwies sich die Aufregung in der Tages- und Fachpresse indes unter einem anderen Gesichtspunkt: Es kann mit Fug und Recht konstatiert werden, daß der EuGH mit dem Pupino-Urteil die Handlungsformen der Dritten Säule denen der Ersten Säule ein gutes Stück weit angenähert hat.11 Mehr noch hat der EuGH auf diesem Wege versucht, den – aufgrund der abschlägig beschiedenen Referenden in Frankreich und den Niederlanden – gescheiterten Verfassungsvertrag gewissermaßen „durch die Hintertür“ einzuführen12 und auf diese Weise den Siehe etwa den Abdruck des Urteils in JZ 60 (2005), 838, Rn. 34, 43 und 47. Siehe etwa Herrmann, EuZW 16 (2005), 436, passim; Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (841 f.). 7 Siehe auch Egger, EuZW 16 (2005), 652 (654); Schreiber, 146 f. 8 Siehe wiederum Egger, EuZW 16 (2005), 652 (654). 9 Vgl. Anweiler, 39; Hartley, 69 f. 10 Die korrigierte deutsche Fassung findet sich in der offiziellen Sammlung: EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285. 11 Ebenso Adam, EuZW 16 (2005), 558 (560); von Arnauld, AVR 44 (2006), 201 (204, Fn. 16); Biondi / Harmer, EPL 13 (2007), 33 (35); Cannizzaro, AJCL 55 (2007), 767 (790); Epiney, NVwZ 25 (2006), 1244 (1245); Gärditz / Gusy, GA 153 (2006), 225 (236); Gusy / Schewe, in: Weidenfeld / Wessels, Jahrbuch 2006, 191 (191); Haltern, JZ 62 (2007), 772 (777); HerlinKarnell, ERT 10 (2007), 883 (884 f.); Herrmann, EuZW 16 (2005), 436 (438); Hinarejos, YEL 25 (2006), 363 (363); Hummrich, DRiZ 83 (2005), 361 (364); Kotzur, EuGRZ 33 (2006), 19 (21, insb. Fn. 23); Kraus, in: Grote / Marauhn, Kap. 3, Rn. 39; Lebeck, GLJ 8 (2007), 501 (526); Meier, 253; Satzger / Pohl, JICJ 4 (2006), 686 (695); Schalin / Webber / Öberg, SvJT 90 (2005), 973 (974); Tsadiras, CMLRev 44 (2007), 1515 (1518 m. w. N.); von Unger, NVwZ 25 (2006), 46 (48); kritisch ggü. dieser These indes Fetzer / Groß, EuZW 16 (2005), 550, passim. 12 Etwa Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (25 und passim); Meier, 211 ff.; Murschetz, VUWLR 38 (2007), 145 (bei Fn. 47); Schalin / Webber / Öberg, SvJT 90 (2005), 973 (976); Streinz, VVDStRL 66 (2007), 436 (437); vgl. auch Apps, Col JEL 12 (2006), 625 (631); Asp, JT 17 (2005 – 06), 396 (399 f.) sowie Dawes / Lynskey, CMLRev 45 (2008), 131 (156 f.), die allerdings insoweit auf das Urteil des EuGH zum Umweltstrafrecht abstellen [Rs. C-176 / 03, Umweltstrafrecht, Slg. 2005, I-7879]. 5 6

Einleitung

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nur schleppenden Fortschritt13 im Bereich der Dritten Säule als einen Teil des anvisierten Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts etwas in Schwung zu bringen. Als sei es dieses Aufruhrs noch nicht genug gewesen, hat das BVerfG pikanterweise nur einen Monat nach Verkündung des Pupino-Urteils durch den EuGH am 18. Juli 2005 sein erstes Urteil zu einem deutschen Umsetzungsgesetz eines EURahmenbeschlusses gesprochen (Haftbefehl-Urteil),14 in dem es eine geradezu konträre Position zum EuGH einnimmt.15 Ohne in den Urteilsgründen auch nur auf das noch druckfrische Pupino-Urteil des EuGH einzugehen16 hat das BVerfG das deutsche Umsetzungsgesetz in seiner Gesamtheit für nichtig erklärt17 und damit unmittelbar einen Verstoß gegen Unionsrecht herbeigeführt18 – ein Novum in der Rechtsprechung des BVerfG zum europäischen Integrationsprozeß. Nicht unerwartet ist das BVerfG hierfür teils scharf kritisiert worden.19 Für Spannung hinsichtlich der Zukunft des europäischen Integrationsprozesses war somit jedenfalls reichlich gesorgt.20

Kietz / Maurer, Integration 29 (2006), 201 (203). BVerfGE 113, 273. 15 Etwa Prechal, in: Barnard, 35 (66). Vgl. ausführlich zu diesem Urteil unten Dritter Teil C. II. 2. 16 Vgl. aber das Sondervotum von Richter Gerhardt, BVerfGE 113, 273 (339 und 341). 17 BVerfGE 113, 273 (315 f.). 18 Komárek, CMLRev 44 (2007), 9 (32); Satzger / Pohl, JICJ 4 (2006), 686 (696); Stachel, VR 51 (2005), 394 (396). 19 Siehe etwa die Sondervoten der Richter Gerhardt [BVerfGE 113, 273 (347)] sowie Lübbe-Wolff [BVerfGE 113, 273 (338 f.)]; Böhm, NJW 58 (2005), 2588 (2588 und 2590); Gas, EuR 41 (2006), 285 (298); Stachel, VR 51 (2005), 394 (396); Tomuschat, EuGRZ 32 (2005), 453 (458); Vogel, JZ 60 (2005), 801 (804). Nach dem Sondervotum von Richter Gerhardt [ibid.] sowie Vogel [ibid.] hätte die unionsrechtliche Bindung Deutschlands eine Übergangsregelung erfordert [eine solche hat etwa das polnische Trybunal Konstytucyjny für das polnische Umsetzungsgesetz angenommen; vgl. Dritter Teil, Fn. 71]. Van Ooyen betont, daß das BVerfG das deutsche Umsetzungsgesetz nicht etwa (gemäß § 95 III BVerfGG i. V. m. § 31 II 2 BVerfGG) „bloß“ als mit der Verfassung unvereinbar, sondern – insgesamt – für null und nichtig erklärt hat [in: Möllers / van Ooyen, 59 (67)]. Vgl. allgemein zu den zu weit gehenden Urteilswirkungen Hinarejos Parga, CMLRev 43 (2006), 483 (593 f.). Für Knopp hat das BVerfG mit der Gesamtnichtigerklärung die „einzig vertretbare“ Entscheidung getroffen [JR 2005, 448 (452)]; ebenso mit beachtlicher Begründung Schünemann, StV 25 (2005), 681 (683 ff.). 20 Und zwar auch außerhalb Deutschlands; nationale Umsetzungsgesetze zum Rahmenbeschluß des Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten v. 13. Juni 2002 (2002 / 584 / JI) [ABl. 2002 L 190, 1] sind auch von zwei weiteren mitgliedstaatlichen (Verfassungs-)Gerichten als verfassungswidrig verworfen, von drei anderen allerdings als verfassungskonform bestätigt worden. Der französische Conseil d’État schließlich hat vor Umsetzung des Rahmenbeschlusses in die französische Rechtsordnung eine Verfassungsänderung für erforderlich erachtet; vgl. zu all dem unten Dritter Teil, Fn. 71. 13 14

Prolegomena A. Hintergründe des Pupino-Urteils Initiiert wurde das Verfahren vor dem EuGH von dem italienischen Tribunale di Firenze. Dieses sah sich mit folgendem Sachverhalt konfrontiert:1 Vor besagtem Tribunale kam es zu einem Ermittlungsverfahren gegen die Kindergärtnerin Maria Pupino wegen „Mißbrauchs disziplinarischer Mittel“ i. S. d. Art. 571 sowie „erschwerter Körperverletzung“ i. S. d. Art. 582, 585 und 576 des Codice penale2 i. V. m. Art. 61 Nrn. 2 und 11 des Codice penale. Maria Pupino soll ihr anvertraute Kinder, die zur Tatzeit unter fünf Jahre alt waren, unter anderem geschlagen und ihnen mit Verabreichung von Beruhigungsmitteln und dem Zukleben des Mundes mit Pflaster gedroht haben. Nach dem italienischen Strafprozeßrecht müssen Beweismittel, die während des Ermittlungsverfahrens aufgenommen worden sind, offiziell in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Jedoch läßt der Codice di procedura penale3 in besonderen Fällen Ausnahmen von dieser Regel zu. Namentlich zum Schutze unter Sechzehnjähriger, die Opfer von Sexualdelikten oder Delikten mit sexuellem Bezug geworden sind, kann gemäß Art. 392 Ibis des Codice di procedura penale Beweis bereits im Ermittlungsverfahren erhoben werden, ohne daß eine erneute Beweiserhebung während der Hauptverhandlung erforderlich würde. Die Staatsanwaltschaft hatte während des Ermittlungsverfahrens beim Ermittlungsrichter beantragt, acht der Kinder, die mutmaßlich Opfer der Maria Pupino geworden waren, gemäß besagtem Art. 392 Ibis des Codice di procedura penale bereits im Ermittlungsverfahren vernehmen zu können. Dem widersprach Maria Pupino mit Hinweis darauf, daß Art. 392 Ibis des Codice di procedura penale wegen des fehlenden sexuellen Bezugs der ihr zur Last gelegten Taten nicht einschlägig sei. Der Ermittlungsrichter hat sich im Ergebnis dieser Ansicht angeschlossen, hat jedoch zugleich Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung des Art. 392 Ibis des Codice di procedura penale mit Bestimmungen des Rahmenbeschlusses über die Stellung des Opfers im Strafverfahren4 geäußert. Aus diesem Vgl. EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 12 – 18. Italienisches Strafgesetzbuch. 3 Italienische Strafprozeßordnung. 4 Rahmenbeschluß des Rates v. 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (2001 / 220 / JI); ABl. 2001 L 82, 1. 1 2

A. Hintergründe des Pupino-Urteils

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Grunde hat der Ermittlungsrichter des italienischen Tribunale di Firenze dem EuGH folgende Frage vorgelegt:5 Sind die Artikel 2, 3 und 8 des Rahmenbeschlusses Nr. 220 vom 15. März 2001 zur „Stellung des Opfers im Strafverfahren“ dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den Artikeln 392 Absatz 1a und 398 Absatz 5a des italienischen Codice di procedura penale (Strafprozessordnung) entgegenstehen, in denen nicht vorgesehen ist, das[s] die Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung von Personen unter 16 Jahren im Verfahrensabschnitt der Untersuchung im Wege der Beweissicherung und unter besonderen Bedingungen, wie des Einsatzes von Mitteln der akustischen und audiovisuellen Wiedergabe[,] auch bei anderen Delikten als Sexualstraftaten oder Straftaten mit sexuellem Hintergrund erfolgen kann?

Obwohl die Vorlagefrage deutlich ausschließlich auf die Auslegung der genannten Bestimmungen des Rahmenbeschlusses abzielte,6 hat der EuGH in seiner Vorabentscheidung Stellung zu der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen genommen und im Ergebnis eine Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts angenommen. Um die Frage, welche etwaigen Rechtswirkungen ein Rahmenbeschluß im internen italienischen (Strafprozeß-)Recht aus der Sicht des EuGH möglicherweise haben könnte, ging es jedoch nicht. Daß nach italienischem Verfassungsrecht7 das italienische Recht im Lichte des Völkerrechts auszulegen wäre – wozu selbstverständlich auch besagter Rahmenbeschluß gehört –, war vielmehr eine logische Bedingung für die Entscheidungserheblichkeit der vom italienischen Tribunale di Firenze so formulierten Vorlagefrage. Das kann auch dem EuGH nicht verborgen geblieben sein, wenn er den italienischen Ermittlungsrichter mit der Aussage zitiert, „sein nationales Recht [sei] im Licht des Wortlauts und des Zieles der Gemeinschaftsvorschriften [sic] auszulegen“.8 Offenbar bestand an der Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung des italienischen Strafprozeßrechts aus Sicht des Ermittlungsrichters des Tribunale di Firenze keinerlei Zweifel.9 Insofern bestand allerdings für den EuGH gleichzeitig keinerlei Veranlassung, sich überhaupt zur Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu äußern.

ABl. 2003 C 146, 16. So auch Generalanwältin Kokott in ihren Schlußanträgen, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 17. Dort heißt es: „Da das vorlegende Gericht die Möglichkeiten einer Auslegung des italienischen Rechts im Licht des Rahmenbeschlusses prüfen möchte, ersucht es den Gerichtshof darum, festzustellen, ob seine vorgeschlagene Auslegung von Artikel 2, Artikel 3 und Artikel 8 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses zutreffend ist.“ 7 Genauer nach Art. 117 II der italienischen Verfassung; vgl. näher zur Verpflichtung nach italienischem Verfassungsrecht, völker- sowie gemeinschaftsrechtliche Verpflichtungen zu beachten, insb. auch sekundäres Völkerrecht Conforti, IYIL 11 (2001), 3 (3 ff., insb. 3). 8 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 18. Der Verweis auf die „Gemeinschaftsvorschriften“ („normativa comunitaria“) findet sich auch in der maßgeblichen italienischen Fassung des Urteils. 9 Vgl. von Unger, NVwZ 25 (2006), 46 (47). 5 6

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Prolegomena

Es darf als Randnotiz noch darauf hingewiesen werden, daß es bereits fraglich erscheint, ob und inwieweit die Vorlagefrage im vorliegenden Fall überhaupt hat entscheidungserheblich sein können. Es spricht viel dafür, daß eine Auslegung der einschlägigen italienischen strafprozessualen Normen in Konformität mit dem genannten Rahmenbeschluß gar nicht möglich gewesen wäre,10 da die Regeln des italienischen Strafprozeßrechts zur vorgezogenen Beweisaufnahme auf „speziell und abschließend“ aufgeführte Fälle beschränkt11 und „von absolutem Ausnahmecharakter“ seien und daher in anderen als den gesetzlich ausdrücklich festgelegten Fällen nicht angewandt werden könnten.12 Eine extensive Auslegung der einschlägigen Normen im Sinne des Rahmenbeschlusses erscheint somit – wenigstens prima facie – ausgeschlossen.13 Andererseits hat der Ermittlungsrichter des Tribunale di Firenze dessen ungeachtet das Vorlageersuchen an den EuGH gerichtet, so daß er selbst offenbar von der Möglichkeit, das nationale Recht rahmenbeschlußkonform auslegen zu können, und damit von der Entscheidungserheblichkeit ausging. Die Einschätzungsprärogative darüber, ob der Wortlaut einer nationalen Norm, für dessen Auslegung allein die nationalen Gerichte auslegungsbefugt sind,14 einer Konformauslegung zugänglich und eine Vorlagefrage daher entscheidungserheblich ist, liegt letztlich bei dem vorlegenden Richter;15 der EuGH ist auf eine Evidenzkontrolle beschränkt.16

10 Vgl. den Vortrag der französischen Regierung; EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 24 sowie Adam, EuZW 16 (2005), 558 (560 f.); Fetzer / Groß, EuZW 16 (2005), 550 (551); Hobe, Jura 28 (2006), 859 (861); Meier, 236 f. 11 Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 9. 12 Ibid., Rn. 15. 13 Vgl. die diesbezüglichen Einwände der italienischen und französischen Regierung; ibid., Rn. 19 und 39; Lysén, Framework decisions, 52; vgl. auch Labayle, nach dem der Ermittlungsrichter mit „exigences contradictoires“ konfrontiert war [RTD eur. 42 (2006), 1 (29)]. 14 Für das gemeinschaftsrechtliche Vorlageverfahren nach Art. 234 EGV Arnull, The EU and Its Court, 107; Everling, Vorabentscheidungsverfahren, 27; Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 234 EGV, Rn. 27. 15 Vgl. für das gemeinschaftsrechtliche Vorlageverfahren EuGH, Rs. C-60 / 02, X, Slg. 2004, I-651, Rn. 58 ff.; Dauses, 97 f.; Sevón, in: FS Bernitz, NIR, 209 (213). 16 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 30; Kokott / Henze / Sobotta, JZ 61 (2006), 633 (635); Lorenzmeier, ZIS 1 (2006), 576 (581). Folgerichtig hat sich auch Generalanwältin Kokott in ihren Schlußanträgen, auf die der EuGH Bezug nimmt [ibid., Rn. 48], bei der Prüfung auf die Feststellung beschränkt, daß eine Konformauslegung des nationalen Rechts jedenfalls nicht offensichtlich ausgeschlossen sei; Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 40 und 44.

B. Aufriß der rechtlichen und rechtspolitischen Fragestellungen

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B. Aufriß der rechtlichen und rechtspolitischen Fragestellungen Die dem Pupino-Urteil zugrunde liegende Frage, ob es eine aus dem Unionsrecht17 herleitbare Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung gibt, ist letztlich eine rein akademische Frage;18 neben einer etwaigen genuin unionsrechtlichen Verpflichtung existiert jedenfalls eine mitgliedstaatliche Verpflichtung zur Beachtung völkerrechtlicher Verpflichtungen nach dem jeweiligen (Verfassungs-)Recht.19 In Deutschland wäre ein Rahmenbeschluß aufgrund des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes20 bei der Auslegung nationalen Rechts ohnehin beachtlich. Daß sich eine nationale Rechtsordnung offen für das Völkerrecht – zumal für das Völkervertragsrecht, aber auch für das abgeleitete Recht Internationaler Organisationen – zeigt und namentlich etwaige Konflikte zwischen nationalem Recht und Völkerrecht durch eine Auslegung des nationalen 17 Unionsrecht meint hier immer das Unionsrecht im engeren Sinne, also nur das – primäre und abgeleitete – Recht der sogenannten Zweiten und Dritten Säule unter Ausschluß des – primären und abgeleiteten – Rechts der Europäischen Gemeinschaften der Ersten Säule der EU. Die Gesamtheit des Rechts aller drei Säulen könnte insoweit auch als Unionsrecht im weiteren Sinne bezeichnet werden, vorliegend wird indes die Bezeichnung „Europarecht“ verwandt; vgl. ebenso zur Differenzierung Dörr, Europäisierter Rechtsschutzauftrag, 134; ähnlich auch von Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (83). 18 von Bogdandy / Bast / Arndt halten die praktischen Konsequenzen einer Unterscheidung nach verschiedenen Rechtsquellen für eine Pflicht zur Konformauslegung für „möglicherweise gering“ [ZaöRV 62 (2002), 77 (111 f., Fn. 124)]. Der Unterschied zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem Völkerrecht hinsichtlich der Pflicht zur Konformauslegung ist nach Betlem / Nollkaemper „one of degree rather than of principle“ [EJIL 14 (2003), 569, passim, insb. 588]. 19 Dies scheint nahezu einhellige Meinung zu sein, vgl. nur Gärditz / Gusy, GA 153 (2006), 225 (232); Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (373); Harings, EuR 33 (1998), Beiheft 2, 81 (89); Hatje, 86, insb. Fn. 361; Herrmann, EuZW 16 (2005), 436 (437); Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (843); Hummrich, DRiZ 83 (2005), 361 (363); Meier, 205; Pechstein / Koenig, Rn. 245; Satzger, in: Streinz, Art. 34 EUV, Rn. 9; Schreiber, 44 – 46 und 49 – 51; Tomuschat, EuGRZ 32 (2005), 453 (458); Wasmeier, ZEuS 9 (2006), 23 (29); Weißer, ZIS 1 (2006), 562 (571 und 573); wohl auch Hobe, Jura 28 (2006), 859 (862, Fn. 33). Dies hatte auch die britische Regierung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen und ist von Generalanwältin Kokott in ihren Schlußanträgen vom 11. November 2004 zustimmend aufgegriffen worden; Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 37. 20 BVerfGE 111, 307 (317 ff.); BVerfG, NJW 60 (2007), 499 (501); in seinem Nichtannahmebeschluß v. 24. November 2005 verweist das BVerfG allerdings bzgl. der Beachtungspflicht von Rahmenbeschlüssen bei der Auslegung nationalen Rechts auch ausdrücklich auf das Pupino-Urteil des EuGH, ohne jedoch hierdurch klar zum Ausdruck zu bringen, ob es sich der Argumentation des EuGH anschließt [BVerfGK 6, 360 (363)]; in seinem LissabonUrteil v. 30. Juni 2009 verweist das BVerfG neuerdings darauf, daß nicht nur der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit, sondern auch der „Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit“ gelte [Rn. 225]; Bleckmann, DÖV 49 (1996), 137, passim; Herdegen, VölkerR, § 22, Rn. 8 ff.; Kadelbach, Jura 27 (2005), 480 (481 m. w. N.); Tomuschat, in: HbStR VII, § 172, insb. Rn. 27 – 36. Für einen Blick von außen auf die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes siehe Lovric, AYIL 25 (2006), 75.

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Prolegomena

Rechts im Lichte des Völkerrechts zu lösen sucht, ist indes keine Besonderheit des deutschen Grundgesetzes, sondern gilt für die ganz überwiegende Mehrheit der Staaten, insbesondere für die west- und mitteleuropäischen. 21 Namentlich auch das abgeleitete Recht ist für die Auslegung der nationalen Rechtsordnungen beachtlich.22 Dies gilt nach dem dortigen Verfassungsrecht gleichermaßen für die italienische Rechtsordnung, insbesondere auch vermittels der Auslegung nationalen Rechts im Lichte des – auch abgeleiteten – Völkerrechts.23 Praktische Auswirkungen hat die Annahme einer unionsrechtlich induzierten Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung daher kaum. Nichtsdestotrotz verbergen sich hinter einer solchen Annahme durch die Annäherung der Dritten an die Erste Säule hochbrisante, geradezu hochpolitische Fragen hinsichtlich des aktuellen Integrationsstandes des Unionsrechts. Diese Fragen sind namentlich: Wie weit vergemeinschaftet ist das Unionsrecht, und namentlich die Dritte Säule, heute? Wie sehr ist die Dritte Säule bereits heute der Ersten Säule angenähert? Inwieweit können bekannte Prinzipien der Ersten Säule bedenkenlos auf die Dritte Säule übertragen werden? Wie weit reicht die Kompetenz des EuGH zur Rechtsfortbildung im Bereich des Unionsrechts? Oder umgekehrt gefragt: Inwieweit stellt das Unionsrecht doch noch im Kern gewöhnliches (regionales) Völkerrecht dar, dessen Besonderheit letztlich über die anderer umfassend kodifizierter Bereiche des partikularen Völkerrechts – wie etwa das Völkerstrafrecht, das Internationale Seerecht oder das Wirtschaftsvölkerrecht – kaum signifikant hinausreicht? Auf den Punkt gebracht: Welche Rechtsnatur besitzt das Unionsrecht eigentlich?

C. Zugrunde zu legende Methodik Bei der Beantwortung dieser Fragen soll besonderer Wert darauf gelegt werden, sich nicht in einer petitio principii zu verfangen, und die Besonderheit des Unionsrechts – gleichsam als Axiom – als gegeben anzunehmen, weswegen bestimmte besondere Rechtswirkungen im Bereich des Unionsrechts bedenkenlos bejaht werden könnten, ja müßten. Die Charakteristika des Unionsrechts sollen vielmehr gerade einer kritischen Untersuchung unterzogen werden; es soll gefragt werden, 21 Vgl. Cassese, RdC 192 (1985-III), 331 (412 bzw. 367); Conforti, IYIL 11 (2001), 3 (5); Frowein / Oellers-Frahm, in: Eisemann, 11 (19 und 21 ff.); für viele zentral- und osteuropäische Staaten Schweisfurth / Alleweldt, GYIL 40 (1997), 164 (180) sowie Stein, AJIL 88 (1994), 427 (447). Nach Lysén wiederum ergibt sich eine Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung – Rahmenbeschlüsse stellen nach seiner Ansicht völkerrechtliche Verträge zwischen den Mitgliedstaaten dar – generell aus Art. 26 (i. V. m. Art. 31) WVK [Framework decisions, 50]. 22 Roucounas, in: Eisemann, 39 (40 und 48 f.). 23 Vgl. Conforti, IYIL 11 (2001), 3 (3 ff., insb. 5); Treves / Frigessi di Rattalma, in: Eisemann, 365 (384 und 393).

C. Zugrunde zu legende Methodik

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inwieweit nach dem EUV in seiner heutigen Fassung das Unionsrecht in derartig signifikantem Maße besondere Rechtsfiguren mit besonderen Rechtswirkungen statuiert, daß aus diesen insgesamt ein besonderer Integrationsstand und damit eine besondere Rechtsnatur des Unionsrechts, bereits nach der lex lata, abzulesen ist. Unstreitig entstammt auch das Gemeinschaftsrecht ursprünglich dem Völkerrecht,24 basiert auf völkerrechtlichen Verträgen zwischen den Mitgliedstaaten. 25 Über die Jahrzehnte hat sich das Gemeinschaftsrecht jedoch – nicht zuletzt maßgeblich durch das Agieren des EuGH und seine integrationsfreundliche Rechtsprechung, aber auch ganz entscheidend durch die in den Verträgen niedergelegten Rechtsmechanismen selbst – zunehmend vom gewöhnlichen Völkerrecht emanzipiert.26 Dies im Hinterkopf behaltend, soll die Untersuchung der oben aufgeworfenen Rechtsfragen durch die „Brille des Völkerrechts“ verfolgt werden. Es soll sich dem Unionsrecht – und namentlich dem EUV – mithin aus der völkerrechtlichen Perspektive genähert werden. Diesbezüglich kann konstatiert werden, daß das Unionsrecht gewiß besonderes Völkerrecht im Sinne partikularen Völkerrechts darstellt. Von dieser Feststellung ausgehend soll unbefangen der Frage nachgegangen werden, ob und gegebenenfalls inwieweit das Unionsrecht darüber hinausgehend auch im wörtlichen Sinne „besonderes“ Völkerrecht darstellt, ein besonderes, über das bekannte partikulare Völkerrecht hinausreichendes Recht. Vor dem Hintergrund des bekannten Völkerrechts soll das Unionsrecht auf mögliche Besonderheiten hin abgeklopft werden, das es maßgeblich vom bekannten Völkerrecht scheidet, oder umgekehrt auf die Parallelität zwischen dem bekannten Völkerrecht und dem Unionsrecht als partikularem Völkerrecht hingewiesen werden. Keineswegs soll hingegen – wie bereits betont – gleichsam axiomatisch von der Besonderheit des Unionsrechts ausgegangen werden. Nicht selten finden sich im Zusammenhang mit einer Einordnung des Unionsrechts Hinweise auf eine vermeintliche Ähnlichkeit des Unionsrechts mit dem Gemeinschaftsrecht. Auf bestehende Ähnlichkeiten hinzuweisen ist selbstverständlich legitim. Was das Gemeinschaftsrecht jedoch als besonderes Rechtsregime, das über völkerrechtlichen Standard hinausreicht, auszeichnet, sind allein die „spezifisch gemeinschaftsrechtlichen“ Aspekte des Gemeinschaftsrechts (Durchgriffswirkung, obligatorische Gerichtsbarkeit, Mehrheitsentscheidungen, Mitbestimmung eines direkt durch die Völker Europas gewählten Organs in Gestalt des EP, etc.), die unter dem Schlagwort „Supranationalität“ zusammengefaßt werden können. Was das Gemeinschaftsrecht hingegen nicht als besonderes Rechts24 Vgl. Spiermann, EJIL 10 (1999), 763. Dies anerkennt grundsätzlich auch der EuGH; vgl. die Nachweise bei Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 100. 25 Vgl. etwa Seidl-Hohenveldern / Loibl, Rn. 1542. 26 Entsprechend wird das Gemeinschaftsrecht nicht selten als self-contained regime bezeichnet und damit nach wie vor als Spezialmaterie des Völkerrechts ausgewiesen; etwa Lysén, ERT 2 (1999), 128; Simma, NYIL 16 (1985), 111 (123 – 129); Marschik bezeichnet die EG als „völkerrechtliches Subsystem“ [221 – 258].

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Prolegomena

regime auszeichnet, sind die durchaus auch heute noch anzutreffenden „spezifisch völkerrechtlichen“ Aspekte des Gemeinschaftsrechts (teils noch Einstimmigkeitsentscheidungen, teils bloße Kompetenz des EP zur „Zusammenarbeit“, teils beschränkte Kompetenzen des EuGH, etc.), die das Gemeinschaftsrecht nach wie vor als völkerrechtliches Subsystem ausweisen.27 Um darzulegen, daß dem Unionsrecht de lege lata dem Gemeinschaftsrecht ähnliche Rechtswirkungen zukomme, kann es nicht ausreichen, auf die Überschneidungen des Unionsrechts mit den „spezifisch völkerrechtlichen“ Aspekten des Gemeinschaftsrechts hinzuweisen – diese ließen das Gemeinschaftsrecht mit jeglicher Art Völkerrecht verwandt erscheinen –; es müßte vielmehr nachgewiesen werden, daß das Unionsrecht an den „spezifisch gemeinschaftsrechtlichen“ Aspekten des Gemeinschaftsrechts teilhat. Zu untersuchen, inwieweit dies de lege lata der Fall ist, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Der Untersuchung des Unionsrechts soll ein rechtspositivistischer Ansatz zugrunde gelegt werden, der freilich nicht die Augen vor akzeptierten Rechtsinstituten wie dem der richterlichen Rechtsfortbildung verschließt. Im übrigen jedoch wird eine dogmatische Analyse des geltenden Unionsrechts mit Schwerpunkt auf dem Recht der Dritten Säule versucht, die eine Einschätzung des unionsrechtlichen status quo erlaubt.

D. Gang der Untersuchung Der Gang der Untersuchung soll wie folgt aussehen: Zunächst soll im Ersten Teil auf die Frage eingegangen werden, ob dem EuGH überhaupt eine Kompetenz zur Begutachtung der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zukommt. Was im Rahmen der Ersten Säule eine Selbstverständlichkeit ist, daß nämlich der EuGH vollumfängliche Jurisdiktionsbefugnisse – gerade auch für das Primärrecht – innehat, läßt sich keineswegs ohne weiteres auf das Recht der Dritten Säule übertragen. Dort ist die allgemeine Zuständigkeit des EuGH noch ferne Zukunft. Zwar haben die Zuständigkeiten des EuGH seit dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages im Jahre 1999 einen durchaus beachtlichen Zuwachs erfahren; von einem ähnlich dichten Jurisdiktionsnetz, wie es die Mitgliedstaaten als Herren der Verträge dem EuGH in der Ersten Säule gesponnen haben, kann indes bei weitem noch keine Rede sein. Es darf – und wird – daher kritisch hinterfragt werden, ob sich der Rechtsausspruch des EuGH, innerstaatliches Recht sei qua Unionsrecht im Lichte eines Rahmenbeschlusses auszulegen, noch innerhalb der Kompetenzen des EuGH bewegt. Im Zweiten Teil soll der materiellen Frage nachgegangen werden, ob sich eine solche mitgliedstaatliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts, die grosso modo zweifelsohne aufgrund des jeweiligen (Verfas27

Vgl. die vorhergehende Fn.

D. Gang der Untersuchung

31

sungs-)Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten besteht, überhaupt – wie vom EuGH entschieden – aus dem primären Unionsrecht herleiten läßt. Hierbei folgt der Verfasser der recht dünnen Argumentationsspur, die der EuGH im Urteil hinterlassen hat, und wird die vorgefundenen – sowie darüber hinaus weitere denkbare – Argumente auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen. Zu diesem Zwecke wird das Unionsrecht, mit deutlichem Schwerpunkt auf dem Recht der Dritten Säule, einer Gesamtwürdigung unterzogen. Nach diesen materiell-rechtlichen Ausführungen soll im Dritten Teil die Frage beleuchtet werden, in welchem Verhältnis die Rechtsprechungskompetenz des EuGH im Bereich der Dritten Säule zu der der mitgliedstaatlichen Gerichte, insbesondere der mitgliedstaatlichen Verfassungsgerichte, steht. Hierbei wird der Fokus deutlich auf dem Verhältnis des EuGH zum BVerfG vor dem Hintergrund des deutschen Verfassungsrechts sowie der hierzu ergangenen Judikatur des BVerfG liegen. Im Vierten Teil soll schließlich in aller Kürze ein Ausblick gewagt werden auf die „erneuerte gemeinsame Grundlage“, die die Mitgliedstaaten im Rahmen der „Berliner Erklärung“ vom März 2007 avisiert haben.28 Nach dem endgültigen Aus des Verfassungsvertrags29 und einer annähernd zweijährigen „Reflexionsphase“ hat am 13. Dezember 2007 zu guter letzt der Lissabonner Vertrag30 das Licht der Welt erblickt. Nachdem das Schicksal des Lissabonner Vertrages nach dem irischen Nein vom Juni 200831 und angesichts anhängiger Verfassungsklagen gegen die jeweiligen Zustimmungsgesetze in manchen Mitgliedstaaten32 lange Zeit ungewiß war, ist der Lissabonner Vertrag schließlich am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten; er wird mit einiger Wahrscheinlichkeit auf absehbare Zeit den vorübergehenden Schlußpunkt der europäischen Integration markieren.33

28 Die Berliner Erklärung ist abrufbar unter: http:// eu2007.de/de/News/download_docs/ Maerz/0324-RAA/German.pdf. Für eine Würdigung der Berliner Erklärung siehe Goosmann, Integration 30 (2007), 251; Tomuschat, RMC 50 / 508 (2007), 283. 29 ABl. 2004 C 310, 1. 30 ABl. 2007 C 306, 1. 31 In Irland ist der Lissabonner Vertrag am 12. Juni 2008 im Rahmen eines Referendums abgelehnt worden. Vgl. zu den Hintergründen des ablehnenden Votums des irischen Volkes Vignes, RMC 51 / 520 (2008), 413. 32 Wenigstens in zwei Mitgliedstaaten (Deutschland und Tschechien) waren Verfassungsklagen anhängig: Das BVerfG hat zwischenzeitlich mit seinem Lissabon-Urteil v. 30. Juni 2009 das deutsche Zustimmungsgesetz zum Lissabonner Vertrag „nach Maßgabe der Gründe“ für verfassungsgemäß erklärt. Der tschechische Verfassungsgerichtshof hat zwischenzeitlich am 26. November 2008 beschlossen, keinen Einspruch gegen die Fortsetzung des Ratifikationsverfahrens zum Lissabonner Vertrag in Tschechien einzulegen. Jedoch hat er gleichzeitig betont, daß er sich hierbei auf die Überprüfung von sechs Bestimmungen des Lissabonner Vertrages beschränkt habe; es stehe daher den Abgeordneten, Senatoren und dem Präsidenten bis zum Abschluß des Ratifikationsverfahrens frei, die verfassungsrechtliche Überprüfung weiterer Vertragsbestandteile zu beantragen. Vgl. FAZ v. 27. November 2008, 9. 33 Diese Einschätzung teilend Mayer, ZaöRV 67 (2007), 1141 (1190).

Erster Teil

Jurisdiktionskompetenz des EuGH in bezug auf die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen Unabhängig von der Frage der materiellen Rechtswirkungen von Rahmenbeschlüssen soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit der EuGH überhaupt kompetent ist, sich zu der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu äußern. Diese Frage mag mit Blick auf Art. 46 lit. b EUV i. V. m. Art. 35 EUV1 zunächst überraschen; verleihen diese dem EuGH doch im Rahmen der Dritten Säule gewisse judikative Befugnisse, namentlich auch die der rechtlichen Überprüfung von Rahmenbeschlüssen. Überrascht wären ob dieser Frage wohl auch die Richter des EuGH. Zwar haben diese im Pupino-Urteil ausführlich dargelegt, daß sich die Zuständigkeit des EuGH aus einer Normenkette bestehend aus Art. 46 lit. b EUV; 234 EGV sowie 35 EUV ergebe.2 Auch haben die Richter darauf hingewiesen, daß die italienische Regierung durch eine Unterwerfungserklärung nach Art. 35 III lit. b EUV die Jurisdiktion des EuGH für Entscheidungen über die Gültigkeit und Auslegung der in Art. 35 I EUV genannten Rechtsakte anerkannt habe.3 Schließlich wird im Pupino-Urteil klargestellt, daß der Rahmenbeschluß zu den in Art. 35 I EUV genannten Rechtsakten gehöre, deren Gültigkeit oder Auslegung im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 35 I – V EUV überprüft werden könne,4 und ferner, daß der vorlegende italienische Ermittlungsrichter ein „Gericht eines Mitgliedstaats“ i. S. d. Art. 35 III EUV sei.5 1 Nach wohl herrschender Meinung ist Art. 46 lit. b EUV rein deklaratorischer Natur, vgl. Pechstein, in: Streinz, Art. 35 EUV, Rn. 2; Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Art. 46 EUV, Rn. 8. 2 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 19. Bei der Rs. Pupino handelte es sich um ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 I EUV des italienischen Tribunale di Firenze [siehe oben Prolegomena A.], so daß an dieser Stelle maßgeblich auch nur die Kompetenzen des EuGH nach diesem Verfahren untersucht werden sollen. Es gibt jedoch durchaus Überschneidungen zwischen den Kompetenzen des EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 35 I – V EUV und denen der Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV und des Streitbeilegungsverfahrens nach Art. 35 VII EUV; allgemein zu den Kompetenzen des EuGH nach Art. 35 EUV Ludwig, 94 – 168. 3 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 20. 4 Ibid., Rn. 21. 5 Ibid., Rn. 22.

1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

33

Worauf der EuGH indes nicht eingegangen ist, ist die Frage, ob und inwieweit er kompetent gewesen ist, sich zu der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu äußern. Ebendiese Frage soll nun im Ersten Teil der vorliegenden Arbeit aufgeworfen und einer Beantwortung zugeführt werden. Die Kompetenz des EuGH hierzu besteht nicht eo ipso, sondern kann sich allein aus einer Kompetenzzuweisungsnorm ergeben,6 welche die zugewiesene Kompetenz zugleich gewissen Schranken unterwirft.7 Es geht im Ersten Teil der vorliegenden Arbeit also darum, ob die Befugnisse des EuGH aus Art. 35 EUV als Kompetenzzuweisungsnorm auch die Beurteilung der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen einschließen, ob also die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu denjenigen rechtlichen Aspekten gehört, die der EuGH gemäß Art. 35 EUV zu überprüfen kompetent ist, oder ob die innerstaatliche Beachtung von Rahmenbeschlüssen, und damit deren innerstaatliche Wirkweise, – wie für das allgemeine Völkerrecht, dem sie als Rechtsakte der Dritten Säule noch klassischerweise zugeordnet werden,8 anerkannt ist – nicht allein interne Angelegenheit der Mitgliedstaaten ist.9 Die innerstaatliche Wirkweise eines Rahmenbeschlusses kann sich – rein unionsrechtlich betrachtet – nur aus Art. 34 II lit. b EUV, der den Rahmenbeschluß definiert und somit – wiederum rein unionsrechtlich betrachtet10 – seine Rechtsgrundlage darstellt, selbst – gegebenenfalls in Zusammenschau mit sonstigem Vgl. allgemein Stettner, 281 ff. Stettner, 21. 8 BVerfGE 113, 273 (301); Andersson / Cameron / Nordback, EBLR 14 (2003), 111 (121); Bernitz / Kjellgren, 24; Denza, 32 und passim; Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (64 f.); Haratsch / Koenig / Pechstein, Rn. 83; Harings, EuR 33 (1998), Beiheft 2, 81 (81 und 94); Kraus-Vonjahr, 224; Kurcz / azo wski, YEL 25 (2006), 177 (178); Lorenzmeier, ZIS 1 (2006), 576 (576); Metz, 35; Müller-Graff, in: FS Everling II, 925 (932); Murschetz, VUWLR 38 (2007), 145 (bei Fn. 6); Nelles / Tinkl / Lauchstädt, in: Schulze / Zuleeg, § 42, Rn. 26; Oppermann, § 7, Rn. 14; Pechstein, in: Geiger, 31 (43); Peers, YEL 18 (1998), 337 (365); Stachel, VR 51 (2005), 394 (395); Vedder, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 7 (7 und 10 f.); Weißer, ZIS 1 (2006), 562 (567); Wolfrum, VVDStRL 56 (1997), 38 (57 f.); Zott, 251; vgl. eingehender hierzu die unten stehende Darstellung im Rahmen des Zweiten Teils, insb. B. I. 9 So für das Unionsrecht Ludwig, 269. Freilich sind (Sekundär-)Rechtsakte der EU für die beteiligten Mitgliedstaaten nach außen verbindlich. Die Wahl der Mittel, mit denen ein Staat seiner völkerrechtlichen Pflicht innerstaatlich Geltung verschaffen möchte, obliegt nach allgemeinem Völkerrecht jedoch dem Staat selbst [vgl. nur Griller, Übertragung von Hoheitsrechten, 351; Seidel, 86 ff.; Verdross / Simma, 539 f.]. Es besteht somit für andere Vertragsparteien lediglich die Möglichkeit, eine etwaige Pflichtverletzung festzustellen und Retorsionen zu erwägen, ohne daß jedoch die Feststellung der Pflichtverletzung unmittelbare Auswirkungen auf die innerstaatliche Rechtsordnung des verletzenden Staates zeitigen würde [Doehring, Rn. 29; Shaw, 123 f.]. Der Mitgliedstaat muß zwar nach außen der Verpflichtung nachkommen, ein Durchgriff auf die innerstaatliche Rechtsordnung erfolgt im Versagensfalle indes nicht; ebenso deutlich BVerfGE 111, 307 (319). 10 Vgl. ausführlich zu den verschiedenen denkbaren Rechts- bzw. Geltungsgrundlagen des Rahmenbeschlusses unten im Zweiten Teil B. IV. 6 7

34

1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

Unionsprimärrecht11 – ergeben.12 Es stellt sich daher die Frage, ob und inwieweit der EuGH überhaupt befugt ist, primäres Unionsrecht zu begutachten,13 wobei mit „begutachten“ nicht nur das Auslegen der Normen des primären Unionsrechts gemeint ist, sondern darüber hinaus auch deren generelle Berücksichtigung als solche. Mit anderen Worten: Darf sich der EuGH in seinen Entscheidungserwägungen überhaupt auf das primäre Unionsrecht stützen? Art. 35 I EUV spricht lediglich davon, daß der EuGH über die „Gültigkeit und die Auslegung“ von – unter anderem – Rahmenbeschlüssen entscheidet.14 Der Rahmenbeschluß – wie auch die anderen in Art. 35 I EUV genannten Rechtsinstrumente – zählen jedoch klassisch zum sogenannten sekundären Unionsrecht.15 Daß 11 Generalanwältin Kokott stützt sich in ihrer Argumentation u. a. auf eine „Gesamtschau der Bestimmungen des Unionsvertrags“; Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 26; vgl. auch unten Zweiter Teil, Fn. 41 sowie den begleitenden Text. 12 Vgl. Hinarejos, HumRLR 7 (2007), 793 (796). Der EuGH stützt sich in den parallelen Fällen der innerstaatlichen Wirkweise von Richtlinien (richtlinienkonforme Auslegung, unmittelbare Wirkung) maßgeblich auf Art. 249 III EGV (also der Norm, die das Rechtsinstrument der Richtlinie definiert) und Art. 10 EGV; vgl. hierzu Prechal, Directives, 180 bzw. 219; Zuleeg, NJW 53 (2000), 2846 (2847). In der neueren Judikatur spricht der EuGH jedoch auch davon, das Gebot der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung sei dem EGV immanent [vgl. unten Zweiter Teil, Fn. 28 sowie den begleitenen Text], und nennt überdies die entsprechende Richtlinie selbst als Grund für das Prinzip der richtlinienkonformen Auslegung; etwa EuGH, Rs. C-212 / 04, Adeneler, Slg. 2006, I-6057, Rn. 113 und 117. Damit kann jedoch schlechterdings nicht gemeint sein, daß eine Richtlinie bereits für sich genommen, ohne Rückgriff auf die primärrechtlichen Normen, Grund für die richtlinienkonforme Auslegung sein kann; eine solche Forderung stieße auf grundlegende rechtstheoretische Bedenken; vgl. zur Kritik an der Selbstbezüglichkeit von Normen Schilling, Rang und Geltung, 232 ff. 13 Im Jahre 1995 hat der EuGH eine Kompetenz, den damaligen Art. B EUV (heute Art. 2 EUV) auszulegen, abgelehnt und sich für „offensichtlich nicht dafür zuständig“ erklärt [Rs. C-167 / 94, Grau Gomis, Slg. 1995, I-1023, Rn. 6]. Zwar erging dieser Beschluß noch auf Grundlage des damaligen Art. L EUV (heute Art. 46 EUV), welcher dem EuGH für das Unionsrecht nur sehr rudimentäre Kompetenzen zugestand. Jedoch auch auf Grundlage des Amsterdamer Vertrages, welcher die Befugnisse des EuGH für das Unionsrecht erheblich ausgeweitet hat, besteht mit Ausnahme des Art. 6 II EUV nach wie vor keine Befugnis des EuGH zur Auslegung des Titels I (Art. 1 – 7) des EUV; vgl. Art. 46 EUV und dort insb. lit. d. 14 Darüber hinaus entscheidet der EuGH nach Art. 35 I EUV über Gültigkeit und Auslegung von Beschlüssen, über die Auslegung der nach Art. 24 EUV i. V. m. 38 EUV geschlossenen Übereinkommen sowie über Gültigkeit und Auslegung der dazugehörigen Durchführungsmaßnahmen (ob sich letztere nur auf die Übereinkommen oder auch auf Beschlüsse beziehen, mag hier dahinstehen; vgl. hierzu etwa Böse, in: Schwarze, Art. 35 EUV, Rn. 5). 15 Es soll – im Einklang mit der im Schrifttum ganz vorherrschenden Terminologie – der Einfachheit halber von „sekundärem Unionsrecht“ gesprochen werden, auch wenn umstritten ist, ob Rahmenbeschlüsse (sowie die anderen in Art. 34 II EUV genannten Rechtsakte) ihren Geltungsgrund im – hier ebenfalls so zu nennenden – primären Unionsrecht haben (und sich insoweit in der Tat von diesem ableiten) oder der Geltungsgrund im allgemeinen Völkerrecht zu suchen ist; vgl. unten Zweiter Teil B. IV. Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts zählen die völkerrechtlichen Verträge der Mitgliedstaaten (an denen die EG selbst nicht beteiligt ist) nicht zum sekundären Gemeinschaftsrecht [vgl. Rosenkranz, EuZW 18 (2007), 238 (239)], so

A. Originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts

35

der EuGH bei der Überprüfung – jedenfalls der Gültigkeit – von Rahmenbeschlüssen zu einem gewissen Grade inzidenter auch auf das primäre Unionsrecht zurückgreifen muß und somit auch begutachten darf, ja muß, darf als gesicherte Erkenntnis angesehen werden.16 Wie weit diese Kompetenz zur Begutachtung von Primärunionsrecht jedoch reicht, ob mit anderen Worten zur Begutachtung der Gültigkeit beziehungsweise der Auslegung von Rahmenbeschlüssen i. S. d. Art. 35 I EUV der EuGH auch auf solche Rechtsnormen des Primärrechts zurückgreifen darf, die unter Umständen Rückschlüsse auf die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zulassen, soll Gegenstand der folgenden Erörterung sein.

A. Originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts Eine generelle originäre Kompetenz zur Begutachtung primären Unionsrechts besitzt der EuGH nicht.17 Dies gilt demnach auch für das Vorlageverfahren nach Art. 35 I – V EUV.18 Vielmehr ergibt sich die Zuständigkeit des EuGH im Rahmen daß wenigstens die zwischen den Mitgliedstaaten nach Art. 34 II lit. d EUV geschlossenen Übereinkommen möglicherweise nicht zum unionsrechtlichen Sekundärrecht gezählt werden sollten. Für die Rahmenbeschlüsse nach Art. 34 II lit. b EUV wird jedoch ebenfalls vertreten, daß diese letztlich auch lediglich völkerrechtliche Verträge darstellen würden [zuvörderst BVerfGK 6, 360 (363)]. Rahmenbeschlüsse werden indes nach der überkommenen Terminologie klassisch dem Sekundärrecht zugerechnet. Daher sollen für die Zwecke dieser Untersuchung – ohne hiermit jedwede Präjudizwirkung zu implizieren – sämtliche in Art. 34 II EUV genannten Rechtsinstrumente als sekundäres Unionsrecht bezeichnet werden. 16 EuGH, Rs. C-303 / 05, Advocaten voor de Wereld VZW, Slg. 2007, I-3633, Rn. 18; Borchardt, in: Lenz / Borchardt, Art. 35 EUV, Rn. 4; Chavrier, RMC 43 / 441 (2000), 542 (546); Curti Gialdino, RMUE 2 / 1998, 84 (112); Dörr / Mager, AöR 125 (2000), 384 (412); Eeckhout, in: FS Slynn, 153 (160); Feik, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 9 (15); Fennelly, ICLQ 49 (2000), 1 (9); Geiger, Art. 46 EUV, Rn. 8; Knapp, DÖV 54 (2001), 12 (14); Kraus-Vonjahr, 239; Krück, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 46 EUV, Rn. 22; Masing, NJW 59 (2006), 264 (265, Fn. 17); Pechstein, in: Streinz, Art. 35 EUV, Rn. 5; Pechstein, EU- / EG-ProzessR, Rn. 867; Röben, in: Grabitz / Hilf, Art. 35 EUV, Rn. 8; Zott, 279; in die gleiche Richtung Blumann, RTD eur. 33 (1997), 721 (747); Denza, 318; a. A. wohl Cremer, in: Calliess / Ruffert, Art. 46 EUV, Rn. 22, der sich allerdings auch zu Suhr [ebenfalls in: Calliess / Ruffert, Art. 35 EUV, Rn. 9] sowie schon zu Brechmann [in: Calliess / Ruffert, 2. Aufl., Art. 35 EUV, Rn. 2] in Widerspruch setzt; verneint man mit Cremer selbst die Kompetenz zur inzidenten Begutachtung des primären Unionsrechts, kommt man zwingend zu dem Ergebnis, daß der EuGH im Fall Pupino bei der Beurteilung der Wirkweise von Rahmenbeschlüssen außerhalb seiner Kompetenzen gehandelt hat. 17 Bieber / Epiney / Haag, § 9, Rn. 157; Borchardt, in: Lenz / Borchardt, Art. 46 EUV, Rn. 6; Chalmers / Hadjiemmanuil / Monti / Tomkins, 120; Dörr / Mager, AöR 125 (2000), 384 (412 und 418); Geiger, Art. 46 EUV, Rn. 7; Krück, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 46 EUV, Rn. 1; Pechstein, EuR 34 (1999), 1 (2); Wirtz, in: Bergmann / Lenz, 311 (313). 18 Classen, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 73 (85); Fennelly, ICLQ 49 (2000), 1 (8 f.); MüllerGraff, in: Hummer, 259 (273); Röben, in: Grabitz / Hilf, Art. 35 EUV, Rn. 1; Wasmeier, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 35 EUV, Rn. 7; a. A., allerdings ohne Begründung, Brech-

36

1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

des Unionsrechts, und damit auch für das primäre Unionsrecht, aus Art. 46 EUV als zuständigkeitsbegründender Norm,19 dessen Wortlaut zugleich seine Schranke darstellt.20 Im Gegensatz zu Art. 220 EGV,21 welcher dem EuGH die volle Kompetenz zur Auslegung und Anwendung des EGV verleiht,22 listet Art. 46 EUV enumerativ die Zuständigkeiten des EuGH im Bereich des Unionsrechts auf.23 Eine weitergehende Zuständigkeit ist demnach (von der inzidenten Kontrolle abgesehen) nicht vorgesehen;24 die Zuständigkeit des EuGH für das Unionsrecht hängt somit jeweils von dem Vorhandensein einer konkreten Vertragsbestimmung ab, die ihm die Zuständigkeit zuweist.25 Der EuGH stützt sich im Pupino-Urteil maßgeblich auf die Art. 1 und 34 EUV, um sein Ergebnis einer mitgliedstaatlichen Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung innerstaatlichen Rechts zu begründen.26 Generalanwältin Kokott argumentiert in ihren Schlußanträgen gar anhand einer „Gesamtschau der Bestimmungen des Unionsvertrags“.27 Weder Art. 1 noch Art. 34 EUV – geschweige denn alle (zu einer Gesamtschau erforderlichen) Bestimmungen des Unionsvertrages – werden allerdings in Art. 46 EUV ausdrücklich erwähnt. Erwogen werden könnte jedoch mit Blick auf Art. 46 lit. b EUV, daß dem EuGH wenigstens eine Zuständigkeit zur Begutachtung der „Bestimmungen des Titels VI“28 zukomme,29 zu denen insbesondere auch der den Rahmenbeschluß definierende Art. 34 II lit. b EUV gehört. Ob diese Überlegung zu überzeugen vermag, ist im Wege der Vertragsauslegung zu klären. Da der EUV ein völkerrechtlicher Vertrag ist, muß er entsprechend den Art. 31 ff. der Wiener Vertragsrechtskonvention ausgelegt werden,30 denen nach wohl einhelliger Meinung auch völkergewohnheitsmann, in: Calliess / Ruffert, Art. 35 EUV, 2. Aufl., Rn. 2, dem sich Suhr in der Folgeauflage zu Recht nicht anschließt [in: Calliess / Ruffert, Art. 35 EUV, Rn. 9]. 19 Vgl. nur Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Art. 46 EUV, Rn. 1. 20 Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 220 EGV, Rn. 11; Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77 (78). Der Wortlaut einer zuständigkeitsbegründenden Norm bezeichnet zugleich Inhalt und Schranke der Zuständigkeit; vgl. Stettner, 21. 21 Resp. Art. 136 EAGV. 22 Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 220 EGV, Rn. 11; Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 4, Rn. 2 und 4. 23 Krück, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 46 EUV, Rn. 1; Haratsch / Koenig / Pechstein, Rn. 409. 24 Borchardt, in: Lenz / Borchardt, Art. 46 EUV, Rn. 6; Dörr / Mager, AöR 125 (2000), 384 (405); Krück, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 46 EUV, Rn. 1 und 21. 25 Fennelly, ICLQ 49 (2000), 1 (3); Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 220 EGV, Rn. 11. 26 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 41 f. bzw. 33. Nach Egger erachtet sich der EuGH für die Auslegung auch des primären Unionsrechts für zuständig [EuZW 16 (2005), 652 (655)]. 27 Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 26. 28 So der genaue Wortlaut von Art. 46 lit. b EUV. 29 In diese Richtung argumentiert Peers, YEL 18 (1998), 337 (377).

A. Originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts

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rechtliche Wirkung zukommt31 und die generell auch im Unionsrecht Anwendung finden.32

I. Anwendbarkeit des „reinen“ Interpretationsregimes der WVK auf den EUV Fraglich ist, ob dem effet utile-Grundsatz, dem der EuGH im Gemeinschaftsrecht eine besondere Bedeutung bei der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Instrumente beimißt, auch im Rahmen des Unionsrechts ein besonderes Gewicht zukommt. Nach Generalanwalt Mengozzi können sich Kompetenzen – unbeschadet des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 EUV – auch implizite und durch extensive Auslegung der Bestimmungen der Verträge ergeben, „wenn nur ihr Wortlaut und ihre Systematik respektiert werden“.33 Generalanwalt Mengozzi geht folglich nicht – notabene: nicht einmal im Gemeinschaftsrecht – von einer Verdrängung der üblichen Auslegungsregeln durch eine Überbetonung des effet utile-Grundsatzes aus. Die Frage, welches Auslegungsregime auf den EUV anzuwenden ist, hängt letztlich davon ab, welchen Rechtscharakter man dem Unionsrecht generell zuspricht.34 Der EuGH berücksichtigt auch bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts maßgeblich dessen Entwicklungsstand.35 Im übrigen greift er jedoch letztlich auf die – aus dem nationalen Recht und dem Völkerrecht – bekannten Auslegungsmethoden zurück, die er der besonderen Qualität des Gemeinschaftsrechts anpaßt.36 Es erscheint jedoch zirkelschlüssig, die spezifisch gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsmethoden, die in der Tat ein Sonderregime darstellen, ohne weiteres auf das Unionsrecht zu übertragen, um unter maßgeb30 Stettner hält das überkommene Auslegungsregime für generell uneingeschränkt auch auf (nationale) Kompetenznormen anwendbar und sieht allein für Gesetzgebungskompetenzen mit Verfassungsrang eine von den üblichen Auslegungsregeln „abgesetzte, auf die spezifischen Ansprüche des Verfassungsrechts eingehende Methodik“ zur Auslegung gegeben [381 f., insb. 382]. 31 Siehe nur IGH, LaGrand, ICJ Reports 2001, 466, Rn. 99; siehe auch m. w. N. Dörr, GYIL 49 (2006), 129 (143). Die Tatsache, daß manche EU-Mitgliedstaaten, wie etwa Frankreich, nicht Vertragspartei der Wiener Vertragsrechtskonvention sind, hindert also nicht daran, sich bei der Auslegung an den entsprechenden Normen der WVK zu orientieren. 32 Koskenniemi, in: Koskenniemi, 27 (30); Lysén, Framework decisions, 44 und passim; Mittmann, 223 ff.; vgl. auch Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 66 sowie Mansdörfer, Jura 26 (2004), 297 (298), der prononciert argumentiert, Rahmenbeschlüsse (wie wohl das gesamte Unionsrecht) seien nach den Regeln des Völkerrechts und daher souveränitätsschonend auszulegen. 33 Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 167; vgl. auch Schlußanträge, Rs. C-50 / 00 P, Unión de Pequen˜os Agricultores, Slg. 2002, I-6677, Rn. 54. 34 Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen im Zweiten Teil, insb. B. I. sowie C. IV. 35 EuGH, Rs. 283 / 81, CILFIT, Slg. 1982, 3415, Rn. 20. 36 Vgl. Buck, 238; Due, in: FS Bernitz, NIR, 71 (insb. 79).

1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

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licher Bezugnahme auf dieses progressive Auslegungsregime, namentlich auf den effet utile-Grundsatz, sodann die Besonderheiten des Unionsrechts zu betonen. Sollte das Unionsrecht Besonderheiten in Richtung des Gemeinschaftsrechts aufweisen, müßten diese zunächst bewiesen werden, um hernach, in einem nächsten logischen Schritt, auf das spezifische gemeinschaftsrechtliche Auslegungsregime zurückgreifen zu dürfen. An dieser Stelle soll es indes ausreichen festzuhalten, daß nach dem derzeitigen Stand das Unionsrecht jedenfalls nicht mit dem Gemeinschaftsrecht gleichgesetzt werden kann, das Unionsrecht die dem Gemeinschaftsrecht eigene neue Qualität eines besonders hohen Integrationsstandes derzeit noch nicht besitzt. Die deutliche Nähe zum Völkerrecht kann das Unionsrecht bei dem gegenwärtigen Entwicklungsstand (noch) nicht verleugnen.37 Zwar sind die zwischen den EG-Mitgliedstaaten gemäß Art. 293 EGV geschlossenen Gemeinschaftskonventionen – obgleich an sich gewöhnliche völkerrechtliche Verträge – nach den spezifischen gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsregeln zu interpretieren, jedoch wird dies aus den deutlichen gemeinschaftsrechtlichen Bezügen gefolgert,38 an denen es freilich dem Unionsrecht de lege lata (noch) gebricht. Da sich darüber hinaus auch die Auslegung der zwischen den Gemeinschaften und Drittstaaten geschlossenen völkerrechtlichen Verträgen – trotz flagranten gemeinschaftsrechtlichen Bezugs – nach dem allgemeinen Völkerrecht bestimmt39 und in diesem sich eine Überbetonung des effet utile-Grundsatzes verbietet, wenn der Wille der Vertragsparteien deutlich im Vertragswerk zum Ausdruck gekommen ist,40 bietet sich auch für das Unionsrecht an, der teleologischen Auslegung jedenfalls kein unverhältnismäßig hohes Gewicht einzuräumen.41

II. Anwendung des Interpretationsregimes der WVK auf den EUV Art. 46 lit. b EUV lautet wie folgt:42 Die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [ . . . ] betreffend die Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und Vgl. unten Zweiter Teil C. IV. 1. Wuermeling, 150. 39 Anweiler, 293 ff., insb. 303. 40 Anweiler, 121; Hailbronner, NVwZ 26 (2007), 415 (416 m. w. N.). 41 Ganz ähnlich Thym, ZaöRV 66 (2006), 863 (870). Die Anwendung der spezifischen gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsgrundsätze auf das Unionsrecht ebenso verneinend Borchardt, in: Lenz / Borchardt, Art. 46 EUV, Rn. 6; vgl. auch die Nachweise in Erster Teil, Fn. 32. 42 Die Verweise auf den – seit dem Außerkrafttreten am 24. Juli 2002 nunmehr obsoleten – Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Art. 31 ff.) sowie den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Art. 136 ff.) wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit weggelassen. Eine wesentliche materielle Erweiterung 37 38

A. Originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts

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die Ausübung dieser Zuständigkeiten gelten nur für folgende Bestimmungen dieses Vertrags: a)

...

b)

die Bestimmungen des Titels VI nach Maßgabe des Artikels 35;

c) – f) . . .

Damit verweist Art. 46 EUV in seinem chapeau im wesentlichen auf die Art. 225 ff. EGV43 sowie auf das begleitende Verfahrensrecht, wie etwa die Satzung des EuGH und die Verfahrensordnung des EuGH.44 Die allgemeinen Regeln, wie sie unter dem EGV gelten, etwa die Verfahrensarten, werden hierdurch auch für den Bereich des Unionsrechts für generell anwendbar erklärt.45 Da der EuGH im Rahmen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere auch für das Primärrecht,46 oder Änderung stellen sie freilich auch nicht dar, vgl. Bieber / Epiney / Haag, § 9, Rn. 5, Fn. 2 sowie die zusammenhängende Beschreibung der Kompetenzen des EuGH im Rahmen aller drei Gemeinschaften bei Schweitzer / Hummer, Rn. 260 ff. Vgl. zu den bestehenden Abweichungen in den Verfahren nach dem EAGV von denen des EGV Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, Rn. 171 ff. 43 Dörr / Mager, AöR 125 (2000), 384 (405); Wilms geht von einem Verweis auf die Art. 220 ff. EGV, 136 ff. EAGV und 31 ff. EGKSV aus [in: Hailbronner / Wilms, Art. 46 EUV, Rn. 5]. 44 Reichelt, 84 – 86; Cremer sieht im chapeau des Art. 46 EUV einen Verweis auf alle „zuständigkeitsbegleitenden Normen des Gemeinschaftsrechts“, in: Calliess / Ruffert, Art. 46 EUV, Rn. 18; vgl. auch Art. 109b der Verfahrensordnung des EuGH, der Sonderregeln für Streitigkeiten nach Art. 35 EUV konstituiert. Interessanterweise beinhaltet das Protokoll betreffend die Auslegung der Europol-Konvention [ABl. 1996 C 299, 2], dem das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 EUV nachempfunden ist [vgl. Erster Teil, Fn. 81], in seinem Art. 3 I einen ausdrücklichen Verweis auf die Satzung und die Verfahrensordnung des EuGH. Peers [YEL 18 (1998), 337 (373)] verneint eine Übertragung des begleitenden prozeduralen Rechts durch Art. 46 EUV, hält es letztlich aber gleichwohl für anwendbar („the EC Treaty rules should be taken to apply“); ebenfalls für eine Anwendbarkeit, allerdings ohne Begründung Pechstein, EU- / EG-ProzessR, Rn. 870. Für weitere Rechtsquellen des anwendbaren Verfahrensrechts siehe Hackspiel, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 245 EGV, Rn. 16 f. 45 Dörr / Mager, AöR 125 (2000), 384 (405); Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Art. 46 EUV, Rn. 5. Dieses Ergebnis mag auch ein Blick auf die anderen Sprachfassungen noch stützen. Zwar mag der deutsche Begriff „Zuständigkeit“ (des EuGH) enger sein, als es etwa das Wort „Befugnisse“ wäre [vgl. zu der Unterscheidung dieser Termini Stettner, 43 f.]. Gleiches gilt auch für das schwedische „behörighet“. Jedoch schon das französische „compétence“ [nach Stettner, 35 ff., insb. 43, sind die deutschen Begriffe „Zuständigkeit“ und „Kompetenz“ allerdings Synonyme], erst recht aber die englische Sprachfassung, die nicht etwa von „jurisdiction“, sondern von den „powers“ des EuGH spricht, legt ein weites Verständnis der „Zuständigkeit“ des EuGH nahe. Auch unter teleologischer Sichtweise drängt sich dieses Ergebnis geradezu auf. Wenn die Mitgliedstaaten dem EuGH gewisse Kompetenzen im Rahmen des Unionsrechts zuweisen, so muß dieser, um überhaupt arbeiten zu können, auf irgendeine prozedurale Grundlage zurückgreifen können; anderenfalls wäre nicht einmal geklärt, wie viele Richter etwa über einen Streitfall zu Gericht sitzen oder welche Mehrheiten für eine Streitentscheidung erforderlich sind; ebenso Peers, YEL 18 (1998), 337 (373). 46 Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 220 EGV, Rn. 11; Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 4, Rn. 2 und 4.

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

unstreitig eine umfassende Überprüfungskompetenz innehat,47 könnte hieraus der Schluß abgeleitet werden, daß diese Kompetenz dem EuGH durch Art. 46 lit. b EUV auch für die Bestimmungen des Titels VI des EUV zukommt. Allerdings würde diese Sichtweise verkennen, daß Art. 46 lit. b EUV die allgemeinen Vorschriften der Art. 225 ff. EGV nur „nach Maßgabe des Artikels 35“ auf die Bestimmungen des Titels VI für anwendbar und somit den EuGH auch nur insoweit für zuständig erklärt, als Art. 35 EUV dies – und sei es auch nur implizite – vorsieht. Noch deutlicher wird diese Einschränkung48 in der jeweiligen englischen, französischen und schwedischen Sprachfassung49, die von einer Zuständigkeit des EuGH für die Bestimmungen des Titels VI des EUV „under the conditions provided for by Article 35“, „dans les conditions prévues à l’article 35“ beziehungsweise „enligt de villkor som föreskrivs i artikel 35“ sprechen. Wo das deutsche Wort „Maßgabe“ noch etwas weiter verstanden werden könnte, im Sinne einer bloßen Präzisierung, legen die Begriffe „conditions“ beziehungsweise „villkor“, die allesamt am besten mit dem deutschen Wort „Bedingungen“ übersetzt werden könnten, eine weitaus engere Auslegung nahe: Der EuGH ist demnach nur „unter den Bedingungen des Artikel 35“ für die Auslegung der Bestimmungen des Titels VI des EUV zuständig.50 Art. 35 EUV sieht indes gerade keine direkte Überprüfbarkeit der primärrechtlichen Vorschriften des Titels VI vor.51 Auch die systematische Auslegung spricht eher gegen ein weites Verständnis des Art. 46 I lit. b EUV. Auf zwei Aspekte soll in diesem Zusammenhang eingegangen werden. Zum einen zeigt ein Vergleich mit den Regelungen der Art. 220 ff. 47 Wenn auch keine umfassende Allzuständigkeit, d. h. auch im Gemeinschaftsrecht ist der EuGH auf einzelne Zuständigkeitstitel angewiesen, vgl. nur Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1090); Wegener, in: Calliess / Ruffert, Art. 220 EGV, Rn. 2. 48 Ebenso als Einschränkung gewertet von Cremer, in: Calliess / Ruffert, Art. 46 EUV, Rn. 17. 49 Nach den Auslegungsregeln der WVK ist zunächst der Wortlaut einer Vertragsnorm beachtlich (Art. 31 I WVK), wobei die verschiedenen authentischen Sprachfassungen gleichberechtigt nebeneinander zu berücksichtigen sind (Art. 33 I WVK). Im Falle des EUV belaufen sich diese nach den jüngsten Erweiterungsrunden auf nunmehr 23 Sprachfassungen (vgl. Art. 53 EUV sowie Art. 61 II der Beitrittsakte vom 23. September 2003 [ABl. 2003 L 236, 33] und Art. 60 II der Beitrittsakte vom 21. Juni 2005 [ABl. 2005 L 157, 203] bzw. Art. 60 II des Protokolls vom 21. Juni 2005 [ABl. 2005 L 157, 29]; zum komplizierten Verhältnis der Beitrittsakte zum Protokoll jeweils vom 21. Juni 2005 vgl. Cremer, in: Calliess / Ruffert, Art. 49 EUV, Rn. 5), die allesamt zu berücksichtigen die sprachlichen Fähigkeiten des Verfassers, aber maßgeblich auch den Umfang dieser Untersuchung sprengen würden. Daher soll im folgenden von der deutschen Sprachfassung ausgegangen werden, wobei jeweils – soweit instruktiv und ggf. im Bereich des Fußnotenapparates – auf die entsprechenden englischen, französischen und schwedischen Fassungen hingewiesen werden soll. 50 Ebenso Reichelt, 84. 51 Albors-Llorens, CMLRev 35 (1998), 1273 (1279); Classen, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 73 (85); Curti Gialdino, RMUE 2 / 1998, 84 (112); Fennelly, ICLQ 49 (2000), 1 (8 f.); Müller-Graff, Integration 20 (1997), 271 (281); Röben, in: Grabitz / Hilf, Art. 35 EUV, Rn. 2 und 8; a. A. Peers, YEL 18 (1998), 337 (377).

A. Originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts

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EGV52, die die Kompetenzen des EuGH im Bereich des Gemeinschaftsrechts denkbar weit umschreiben und gerade auch die Überprüfung des Primärrechts umfassen,53 die deutliche Zurückhaltung in der Formulierung des Art. 46 (i. V. m. Art. 35) EUV auf, was eine entsprechend zurückhaltende Auslegung des Art. 46 EUV nahelegt. Damit zusammenhängend, spricht auch die Einbettung des Art. 46 EUV in den die intergouvernementalen Säulen Zwei und Drei regelnden EUV, in dem nach wie vor noch das klassische Völkerrecht vorherrschend ist,54 eher für eine enge Auslegung der Ermächtigungsgrundlage des EuGH. Zwar existiert keine völkerrechtliche Regel, nach der kompromissarische Klauseln – und als eine solche ist Art. 46 EUV letztlich zu qualifizieren – restriktiv auszulegen wären;55 jedoch soll noch einmal betont werden, daß es vorliegend nicht etwa um das Gemeinschaftsrecht geht mit seinen bekannten integrationsfreundlichen Besonderheiten, sondern in letzter Konsequenz doch noch um Völkerrecht.56 Zum anderen legt aber auch die Struktur des Art. 46 EUV selbst nahe, die einzelnen literae dieser Norm eng auszulegen. Wie oben dargestellt, formuliert Art. 46 EUV in seinem relevanten Teil wie folgt: Die Bestimmungen [des EGV und des EAGV über die Zuständigkeit des EuGH] gelten nur für folgende Bestimmungen des Vertrages: a) – f) . . . 57

Art. 46 EUV offenbart somit eine deutliche Regel-Ausnahme-Struktur.58 Außerhalb der in lit. a – f genannten Ausnahmen gelten die Bestimmungen des EGV und des EAGV über die Zuständigkeit des EuGH nicht. Die Regel lautet also, der Resp. Art. 136 ff. EAGV. Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 220 EGV, Rn. 11; Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 4, Rn. 2 und 4. Art. 220 EGV bzw. Art. 136 EAGV formulieren: „[Der EuGH und das EuG] sichern [ . . . ] die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages.“ 54 Vgl. die Nachweise bei Erster Teil, Fn. 8. 55 Tomuschat, in: Zimmermann / Tomuschat / Oellers-Frahm, Art. 36, Rn. 33; eher sollen diese so ausgelegt werden, daß sie praktische Wirksamkeit entfalten können [IGH, Corfu Channel, ICJ Reports 1949, 4 (24); interessanterweise ist in der französischen Fassung des Urteils, den StIGH zitierend, von „effets utiles“ die Rede]. Jedoch gilt das Gebot der Auslegung einer kompromissarischen Klausel im Lichte des Gebots praktischer Wirksamkeit nur soweit, als dem Wortlaut keine „Gewalt“ angetan werde [IGH, Corfu Channel, ICJ Reports 1949, 4 (24)]. Der Wortlaut erscheint nach der obigen Exegese indes zu eindeutig, als daß mit Hinweis auf das Prinzip der praktischen Wirksamkeit der Anwendungsbereich des Art. 46 I lit. b EUV ohne weiteres auf die Bestimmungen – wenigstens – des Titels VI des EUVerstreckt werden könnte. 56 Vgl. die ausführliche Stellungnahme zur Natur des Unionsrechts unten im Zweiten Teil C. IV. 57 Hervorhebung durch den Verfasser. Für die vollständigere Norm vgl. oben den Text bei Erster Teil, Fn. 42. 58 Noch deutlicher kommt diese Regel-Ausnahme-Struktur in dem französischen Text zum Ausdruck: „Les dispositions [du TCE et du TCEEA sur la compétence de la Cour] ne sont applicables qu’aux dispositions suivantes du présent traité:“. Nach Anweiler läge vorliegend ein Umkehrschluß vor, der jedoch gleichermaßen eine enge Auslegung gebietet [309 f.]. 52 53

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

EuGH ist nicht zuständig für die Begutachtung des EUV; es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel, die in den lit. a – f niedergelegt sind.59 Zwar handelt es sich wohl nicht um eine offene Regel-Ausnahme-Struktur60, der Befund für die Auslegung ist indes derselbe. Als eine allgemeine Regel der juristischen Methodenlehre sind Normen, die Ausnahmen von einer Regel statuieren, generell eng auszulegen, solange nicht besondere Umstände zugunsten einer extensiveren Auslegung streiten.61 Auch aus diesem Grunde verbietet es sich also, lit. b des Art. 46 EUV als eine Ausnahme von der Regel des chapeau des Art. 46 EUV weit, als auch Normen des Primärrechts umfassend zu verstehen.62 Doch auch die vom EuGH so gerne bemühte teleologische Auslegung63 kommt zu keinem anderen Ergebnis. Fragt man nach der praktischen Wirksamkeit des Art. 46 EUV – wohlgemerkt nicht des Unionsrechts als Ganzem, sondern ausschließlich nach der praktischen Wirksamkeit des Art. 46 EUV –, so kann nur konstatiert werden, daß Art. 46 EUV seine volle Wirksamkeit nur bei einer möglichst weiten Zurückdrängung der Vorstellung eines umfassenden Rechtsprechungssystems nach gemeinschaftsrechtlichem Vorbild entfalten kann. Sinn und Zweck von Art. 46 EUV ist nicht etwa, den EuGH mit ähnlichen Jurisdiktionsbefugnissen wie im Gemeinschaftsrecht auszustatten, sondern vielmehr, die Kompetenzen des EuGH im Bereich des Unionsrechts für ganz bestimmte Materien enumerativ und abschließend festzulegen.64 Würde man daher Art. 46 lit. b EUV als die Kompetenzen des EuGH im Bereich des Unionsrechts gegenüber dem Gemeinschaftsrecht kaum beschneidend verstehen (weil nämlich auch das Primärrecht umfassend), könnte schlechterdings nicht von einer praktischen Wirksamkeit dieser – das ausschweifende gemeinschaftsrechtliche Rechtsprechungssystem bewußt zurückdrängenden65 – Norm gesprochen werden.66 59 Ebenso deutlich Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 220 EGV, Rn. 11, mit Verweis u. a. auf die Urteile EuGH, Rs. C-253 / 94 P, Roujansky / Rat, Slg. 1995, I-7, Rn. 11; Rs. C-264 / 94 P, Bonnamy / Rat, Slg. 1995, I-15, Rn. 11; Rs. C-167 / 94, Grau Gomis, Slg. 1995, I-1023, Rn. 6. 60 Vgl. für eine Typologie von Regel-Ausnahme-Verhältnissen Lindner, VerwArch 98 (2007), 213 (220 ff.). 61 Saueressig, Jura 27 (2005), 525 (527); nach Eeckhout gehört dieser Grundsatz zum „classic canon of interpretation“ des EuGH [in: FS Slynn, 153 (164)]. 62 Nicht zuletzt spricht auch Art. 40 III EUV, der den EuGH ausdrücklich für zuständig für die Regelungen der Art. 40 – 40b EUV über die verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Dritten Säule erklärt, gegen die Annahme, daß sich eine originäre Zuständigkeit in bezug auf das Primärrecht der Dritten Säule bereits aus Art. 46 lit. b EUV ergibt. In diesem Falle wäre Art. 40 III EUV redundant. 63 Siehe nur Sorel, in: Corten / Klein, Art. 31 – Convention de 1969, Rn. 35. 64 EuG, Rs. T-338 / 02, Segi, Slg. 2004, II-1647, Rn. 35; Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 59; Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1089); Ludwig, 76. 65 Ludwig, 76 f. 66 Ibid., 158, Fn. 1164.

A. Originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts

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Letztlich bestätigt wird dieses restriktive Ergebnis67 noch durch die travaux préparatoires68, wonach eine außerordentliche Zurückhaltung der Vertragsstaaten zum Ausdruck kommt, eine gerichtliche Kontrolle des EuGH im Bereich des Titels VI des EUV zuzulassen.69 Keinen Sinn ergäbe es daher, den obigen Befund, wonach der chapeau des Art. 46 EUV unter anderem ein Verweis auf die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensarten ist,70 auch im Rahmen des Art. 46 lit. b EUV i. V. m. Art. 35 EUV gelten zu lassen.71 Diese Ansicht vertritt indes der EuGH mit seinem Verweis auf Art. 234 EGV, der unter den Voraussetzungen des Art. 35 EUV anwendbar sei.72 Gerade weil Art. 35 EUV ein eigenes Regime an Verfahrensarten normiert, verbietet sich hier ein Rückgriff auf die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensarten.73 AnZustimmend Bandilla-Dany, 96; Fennelly, ICLQ 49 (2000), 1 (9). Die nach Art. 32 WVK hilfsweise zur Vertragsauslegung herangezogen werden können. 69 Vgl. Chavrier, RMC 43 / 441 (2000), 542 (548); Curti Gialdino, RMUE 2 / 1998, 84 (95 ff.). 70 Vgl. oben Erster Teil, Fn. 45 und den begleitenden Text. 71 EuG, Rs. T-338 / 02, Segi, Slg. 2004, II-1647, Rn. 36; Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 220 EGV, Rn. 70. 72 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 19. 73 Auch bleibt unklar, inwieweit der vom EuGH postulierte Rückgriff auf Art. 234 EGV Art. 35 EUV sinnvoll ergänzen könnte. Enthält Art. 234 EGV doch keine allgemeinen Verfahrensvorschriften, wie es etwa bei der Satzung des EuGH der Fall ist (vgl. oben Erster Teil, Fn. 44 sowie den begleitenden Text), sondern regelt eine bestimmte Verfahrensart des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzes. Absatz 1 des Art. 234 EGV normiert den Verfahrensgegenstand, benennt also diejenigen Rechtsfragen, die im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH herangetragen werden können. Hierfür gilt jedoch im Bereich des Unionsrechts die Sondervorschrift des Art. 35 I EUV, der den Inhalt der dort möglichen Vorlagefragen festlegt. Absatz 2 des Art. 234 EGV behandelt die Vorlageberechtigung und regelt damit v. a., welche Gerichte vorlageberechtigt sind. Dies wiederum korrespondiert im Unionsrecht mit Art. 35 III EUV, der insoweit ein Sonderregime aufstellt. Was die übrigen Voraussetzungen der Vorlageberechtigung anbelangt, also im wesentlichen das – eigentlich selbstverständliche – Erfordernis, daß der Inhalt der Vorlagefrage im jeweiligen Verfahren entscheidungserheblich sein muß, bestehen indes keine nennenswerten Unterschiede zwischen Art. 234 EGV und Art. 35 EUV (ebenso Wasmeier, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 35 EUV, Rn. 10). Absatz 3 des Art. 234 EGV schließlich normiert die Vorlagepflicht (funktional) letztinstanzlicher Gerichte, eine Pflicht, die im Rahmen des Unionsrechts nicht existiert (jedoch besteht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, durch innerstaatlichen Rechtsakt eine Vorlagepflicht zu konstituieren; vgl. die Erklärung Nr. 10 der Regierungskonferenz des Vertrages von Amsterdam zu Artikel 35 (ex-Artikel K.7) des Vertrages über die Europäische Union, ABl. 1997 C 340, 133). Zusammenfassend läßt sich also festhalten, daß die Regeln der Art. 234 EGV und Art. 35 EUV entweder vergleichbar sind oder aber Art. 35 EUV als Sonderregime von Art. 234 EGV abweicht. Ein subsidiärer Rückgriff auf Art. 234 EGV ist somit bestenfalls überflüssig oder aber verbietet sich schlicht aufgrund des Sonderregimes des Art. 35 EUV. Ein Mehrwert für das Vorlageverfahren nach Art. 35 EUV ist durch einen Rückgriff auf Art. 234 EGV jedenfalls nicht auszumachen. Der Verweis des EuGH auf Art. 234 EGV geht daher nach Ansicht des Verfassers fehl. Etwas anderes gilt freilich für die zu Art. 234 EGV (und zum übrigen Gemeinschaftsrecht) ergangene Judikatur und Literatur, auf die – jedenfalls als Indiz – durchaus sinnvollerweise 67 68

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

derenfalls käme den – unbestritten gegebenen74 – Beschränkungen der Verfahren nach Art. 35 EUV gegenüber den gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensarten keinerlei Bedeutung zu. Welchen denkbaren Sinn sollte es ergeben, die Regelungen des Streitbeilegungsverfahrens nach Art. 35 VII EUV derart restriktiv zu fassen,75 wenn mittels eines Rückgriffs auf das gemeinschaftsrechtliche Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 ff. EGV76 die üblichen weitreichenden Befugnisse in Anspruch genommen werden könnten? Welchen Sinn sollte es ergeben, das unionsrechtliche Vorlageverfahren einem besonderen, eigenständigen Regime zu unterwerfen, wenn ein Rückgriff auf das gemeinschaftsrechtliche Vorlageverfahren nach Art. 234 EGV77 jederzeit möglich wäre?

III. Ergebnis: Keine Originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts So mag Art. 46 lit. b EUV nach alledem möglicherweise einen Hinweis darauf geben, daß eine inzidente Begutachtung des primären Unionsrechts zulässig sein kann, eine originäre Kompetenz des EuGH zur Begutachtung des primären Unionsrechts – und sei es auch nur von Art. 34 EUV – begründet er indes nicht. Es bleibt somit festzuhalten, daß die vom EuGH im Pupino-Urteil maßgeblich in Bezug genommenen Art. 1 und 34 EUV – geschweige denn alle (zu einer Gesamtschau erforderlichen) Bestimmungen des Unionsvertrages – für sich genommen nicht justitiabel sind.78 Demnach kommt eine Kompetenz des EuGH zur Begutachtung des primären Unionsrechts allein noch inzidenter in Betracht.

– wie es auch der vorliegende Verfasser praktiziert – zurückgegriffen werden kann und wird; vgl. etwa EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 22; Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 20; Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (317); vgl. aber auch die ggü. der Übertragbarkeit der zum Gemeinschaftsrecht ergangenen Judikatur und Literatur auf das Unionsrecht geäußerten Vorbehalte in Erster Teil, Fn. 98. 74 Vgl. etwa Editorial Comments, CMLRev 44 (2007), 1 (1); Fennelly, ICLQ 49 (2000), 1 (8 ff.); Labayle, RTD eur. 33 (1997), 813 (873 ff.); id., RTD eur. 42 (2006), 1 (28); Wirtz, in: Bergmann / Lenz, 311 (313). 75 Vgl. unten Zweiter Teil C. III. 8. b) bb) (3). 76 Resp. Art. 141 ff. EAGV. 77 Resp. Art. 150 EAGV. 78 Für Art. 1 EUV: Albors-Llorens, CMLRev 35 (1998), 1273 (1285); Chalmers, ELRev 30 (2005), 773 (774); Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77 (78); Krück, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 46 EUV, Rn. 1; Stumpf, in: Schwarze, Art. 1 EUV, Rn. 48. Für Art. 34 EUV: Albors-Llorens, CMLRev 35 (1998), 1273 (1279); Chavrier, RMC 43 / 441 (2000), 542 (546); Curti Gialdino, RMUE 2 / 1998, 84 (111); Denza, 318; Eeckhout, in: FS Slynn, 153 (160); Fennelly, ICLQ 49 (2000), 1 (8 f.); Harings, EuR 33 (1998), 81 (92); Krück, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 46 EUV, Rn. 1; Thun-Hohenstein, 46; a. A. Peers, YEL 18 (1998), 337 (377).

B. Kompetenz des EuGH zur inzidenten Begutachtung primären Unionsrechts

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B. Kompetenz des EuGH zur inzidenten Begutachtung primären Unionsrechts aufgrund von Art. 35 EUV Die Kontrollbefugnisse des EuGH für Rechtsakte der Dritten Säule, und damit auch für Rahmenbeschlüsse, ergeben sich aus Art. 46 lit. b EUV i. V. m. Art. 35 EUV.79 Aus Art. 46 lit. b EUV unmittelbar ergibt sich – wie gesehen – keine Kompetenz des EuGH zur Auslegung des primären Unionsrechts. Somit könnte sich eine – dann inzidente – Auslegungskompetenz des EuGH von primärem Unionsrecht allein aus Art. 35 EUV selbst herleiten lassen, der den allgemeinen (Verfahrens-)Vorschriften über die Zuständigkeit des EuGH und die Ausübung dieser Zuständigkeit, auf die Art. 46 im chapeau verweist, als Spezialregelung vorgeht.80 Ob eine solche inzidente Auslegungsbefugnis des EuGH vorliegend anzunehmen ist, soll nunmehr im Wege der Auslegung dieser Norm erörtert werden. Art. 35 EUV kennt drei Verfahrensarten: das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 I – V EUV,81 die Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV sowie das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 35 VII EUV. Es soll nun untersucht werden, ob eine dieser drei Verfahrensarten dem EuGH die Befugnis einräumt, dasjenige primäre Unionsrecht inzidenter zu begutachten, das Rückschlüsse auf die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zulassen könnte. Ausgegangen werden soll hierbei maßgeblich von dem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 I – V EUV, welches auch dem Pupino-Urteil zugrunde lag. Auf die Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV sowie das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 35 VII EUV soll hernach – wegen der im wesentlichen gleichlaufenden Argumentation – nur noch kursorisch eingegangen werden.

I. Vorabentscheidungsverfahren (Art. 35 I – V EUV) Das Vorabentscheidungsverfahren des Art. 35 EUV ist dasjenige Verfahren des Art. 35 EUV, welches die ausführlichsten Vorschriften aufweist und dessen einzelne Regelungen sich über insgesamt fünf Absätze erstrecken. Maßgeblich für die vorliegende Frage ist jedoch einzig Absatz 1, welcher die eigentliche Jurisdiktionskompetenz des EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens normiert.82 79 Vgl. aber auch Art. 46 lit. c EUV i. V. m. Art. 40 III EUV, die die Bestimmungen über die verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Dritten Säule nach Art. 40 – 40b EUV für justitiabel erklären. 80 Dörr / Mager, AöR 125 (2000), 384 (407). 81 Das Vorabentscheidungsverfahren des Art. 35 EUV ist demjenigen des Protokolls betreffend die Auslegung der Europol-Konvention [ABl. 1996 C 299, 2] nachempfunden; vgl. etwa Blumann, RTD eur. 33 (1997), 721 (747); Zeder, ÖJZ 56 (2001), 81 (83); näher zum Rechtsschutzsystem nach der Europol-Konvention Frowein / Krisch, JZ 53 (1998), 589. 82 Absatz 2 statuiert demgegenüber das – dem Gemeinschaftsrecht unbekannte – Erfordernis einer – dem Art. 36 II IGH-Statut vergleichbaren – gesonderten Unterwerfungserklärung,

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

1. Wortlaut Nach Art. 35 I EUV entscheidet der EuGH im Wege der Vorabentscheidung über die Gültigkeit und Auslegung von – unter anderem – Rahmenbeschlüssen. Ausgehend von der Prämisse, daß der EuGH zur Beantwortung dieser Fragen inzidenter auch primäres Unionsrecht heranziehen kann,83 soll die Frage aufgeworfen werden, wie weit dieser Rückgriff auf Normen des Primärrechts gehen darf. Die Grenze muß in Anbetracht der grundsätzlich nur sehr eingeschränkten Befugnisse des EuGH in Angelegenheiten der Dritten Säule84 spätestens dort gezogen werden, wo der Rückgriff auf das Primärrecht die Bewertung der Gültigkeit und Auslegung nicht weiter zu befördern vermag. Die Begutachtung der Normen des Primärrechts – dies soll an dieser Stelle einmal mehr betont werden – erfüllt also keinen Selbstzweck, sondern erfolgt ausschließlich, soweit es zur effektiven Wahrnehmung85 der Jurisdiktionskompetenz nach Art. 35 I EUV erforderlich ist.86

a) „Gültigkeit“ Der erste der zwei rechtlichen Aspekte, die unter die Jurisdiktionskompetenz des EuGH fallen, ist die Überprüfung der Gültigkeit von Rahmenbeschlüssen.87 Zunächst ist festzuhalten, daß Art. 35 I EUV den EuGH nicht etwa dazu ermächtigt, die „Geltung“ oder gar die „Wirkung“ von Rahmenbeschlüssen zu untersuchen, was weiter verstanden werden könnte und durchaus auch die Wirkweise einschließen könnte, sondern allein deren Gültigkeit. Gestützt wird dieser Befund welche erst die Zuständigkeit des EuGH für Vorabentscheidungen nach Absatz 1 begründet. Absatz 3 eröffnet den Mitgliedstaaten die Option festzulegen, welche nationalen Gerichte (alle oder nur die letztinstanzlichen) zur Vorlage zum EuGH berechtigt sein sollen, während Absatz 4 auch denjenigen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, in Vorabentscheidungsverfahren nach Absatz 1 Schriftsätze einzureichen oder schriftliche Erklärungen abzugeben, die eine Unterwerfungserklärung nach Absatz 2 nicht abgegeben haben. Absatz 5 schließlich verengt die Jurisdiktion des EuGH wiederum und schließt ausdrücklich mitgliedstaatliche Maßnahmen der Polizei und anderer Strafverfolgungsbehörden von der Zuständigkeit des EuGH aus. Die Frage, ob sich Absatz 5 bloß auf das Vorabentscheidungsverfahren des Absatz 1 bezieht oder auf alle drei Verfahrensarten des Art. 35 EUV, mag an dieser Stelle dahinstehen; jedenfalls begründet Absatz 5 nicht die Jurisdiktion des EuGH, sondern engt diese vielmehr ein, so daß sich aus Absatz 5 schon deshalb keine Befugnis des EuGH zur Begutachtung primären Unionsrechts ergeben kann; vgl. zur Frage, auf welche Verfahren Absatz 5 anwendbar ist, unten Zweiter Teil C. III. 8. b) bb) (4). 83 Vgl. die Nachweise in Erster Teil, Fn. 16. 84 Vgl. von Danwitz, Rechtsschutz, 5; Denza, 318; Giegerich, in: Hofmann / Zimmermann, 13 (37); Labayle, RTD eur. 33 (1997), 813 (873); Schroeder, EuR 42 (2007), 349 (350). 85 Vgl. i. ü. zur teleologischen Auslegung unten Erster Teil B. I. 3. 86 Ebenso Denza, 318 („for the limited purpose of reviewing Third Pillar instruments“); a. A. Pechstein, EuR 34 (1999), 1 (13). 87 Auf die anderen in Art. 35 EUV genannten Rechtsakte soll hier aus Gründen der Einfachheit nicht jedes Mal eingegangen werden.

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noch durch einen Blick auf die anderen Sprachfassungen, die gleichfalls restriktiv formulieren und keinerlei Veranlassung zu einem weiteren Verständnis des Wortes „Gültigkeit“ geben.88 Grundvoraussetzung der Gültigkeit eines jeden Rechtsaktes ist zunächst eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage; ein ohne Rechtsgrundlage erlassener Rahmenbeschluß kann keinerlei Rechtswirkungen entfalten89 und ist daher ungültig. Zur Gültigkeit eines Rahmenbeschlusses gehört neben dem Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage zum einen die formelle Gültigkeit. Hierbei ist zu fragen, ob die formellen Vorgaben, die an sein Zustandekommen gestellt werden, eingehalten wurden. Dies schließt beispielsweise die Fragen ein, ob ein zu überprüfender Rahmenbeschluß von dem zuständigen Organ90 erlassen wurde91 oder ob bei Erlaß das entsprechende Quorum92 erreicht wurde. Zur Überprüfung der Gültigkeit muß man andererseits aber auch die materielle Gültigkeit rechnen. Hierher gehört etwa die Frage, ob die menschenrechtlichen Vorgaben, die die EU zu achten gehalten ist (Art. 6 II EUV) und die nach Art. 46 lit. d EUV auch justitiabel93 sind, beachtet wurden.94 Zur materiellen Gültigkeit zählt vor allem aber auch die Frage, ob die materiellen Vorgaben des den Rahmenbeschluß definierenden Art. 34 II lit. b 88 In den anderen Sprachfassungen ist jeweils die Rede von „validity“, „validité“ bzw. „giltighet“ eines Rahmenbeschlusses, nicht hingegen etwa von „effects“, „effets“ oder „verksamhet“. 89 Allgemein Nettesheim, in: von Bogdandy, 415 (430). 90 Hier: der Rat (Art. 34 II EUV). 91 Der EuGH hielt sich bereits auf Grundlage der alten Rechtslage noch vor Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages für befugt, die „Verbandskompetenz“ des Rates in Abgrenzung seiner Zuständigkeiten nach dem EGV bzw. dem EUV zu überprüfen, ob also ein vom Rat erlassener Akt unter den Anwendungsbereich des EGV oder des EUV fällt [Rs. C-170 / 96, Flughafenvisum, Slg. 1998, I-2763]. Dies ist um so bemerkenswerter, als die Kompetenzen des EuGH in Angelegenheiten der Dritten Säule nach Maßgabe des alten Art. L EUV (der Vorgängervorschrift des heutigen Art. 46 EUV) noch äußerst dürftig waren [vgl. zur Rechtslage vor dem Amsterdamer Vertrag etwa Ludwig, 76 – 93]. Dementsprechend groß fiel allerdings auch die Kritik am EuGH in der Literatur aus, vgl. Böse, EuR 33 (1998), 678; Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77 (89 f.); Ludwig, 93; Pechstein, JZ 53 (1998), 1008; Griller bezeichnet den Standpunkt des EuGH als „vertretbar (wenn auch nicht zwingend)“ [EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (61)]. 92 Hier: Einstimmigkeit (Art. 34 II EUV). 93 Wenn auch nur inzidenter (etwa im Rahmen der Verfahren nach Art. 35 EUV); vgl. den Wortlaut des Art. 46 lit. d EUV: „sofern der Gerichtshof im Rahmen [ . . . ] dieses Vertrags zuständig ist“ (Hervorhebung durch den Verfasser); eine zusätzliche Zuständigkeit wird dem EuGH durch Art. 46 lit. d EUV i. V. m. Art. 6 II EUV mithin nicht eröffnet; ebenso EuG, Rs. T-228 / 02, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran, Slg. 2006, II-4665, Rn. 53; Geiger, Art. 46 EUV, Rn. 4; Wölker, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 99 (104). 94 Auch der EuGH mißt Rahmenbeschlüsse an den (Gemeinschafts-)Grundrechten; EuGH, Rs. C-303 / 05, Advocaten voor de Wereld VZW, Slg. 2007, I-3633, Rn. 47 – 60; ebenso Pechstein, EuR 34 (1999), 1 (13); Peers, YEL 18 (1998), 337 (379). Einen Verweis auf Art. 6 II EUV und die Pflicht der (gemeinschafts-)grundrechtskonformen Auslegung der Rahmenbeschlüsse gab es bereits im Pupino-Urteil; EuGH, Rs.C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 58 f.

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

EUV eingehalten wurden,95 ob also ein Rahmenbeschluß auch tatsächlich der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten dient und nicht etwa eine Einzelfallregelung trifft.96 Des weiteren müssen Rahmenbeschlüsse in materieller Hinsicht darauf abzielen, die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und Rechts zu befördern, also eine Materie regeln, die der Dritten Säule zuzuordnen ist.97 Im Rahmen des gemeinschaftsrechtlichen Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 I lit. b EGV98 wird „Gültigkeit“ mit „Rechtmäßigkeit“ gleichgesetzt, es wird dort von einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle des Sekundärrechts durch den EuGH ausgegangen.99 Demnach meint Gültigkeit allein die formelle und materielle Rechtmäßigkeit eines Rahmenbeschlusses. Der EuGH hat also zu prüfen, ob ein Rahmenbeschluß höherrangigem Recht in formeller wie materieller Hinsicht entspricht. Zwar könnte man geneigt sein, dieses Ergebnis mit Blick auf Absatz 6 von Art. 35 EUV in Frage zu stellen; ist dort doch expressis verbis von der „Rechtmäßigkeit“ 100 von – unter anderem – Rahmenbeschlüssen die Rede, so 95 Der EuGH sieht die Rechtsakte nach Art. 34 II EUV generell durch ihre jeweilige Natur gewissen Grenzen unterworfen; EuGH, Rs. C-303 / 05, Advocaten voor de Wereld VZW, Slg. 2007, I-3633, Rn. 37. 96 Der EuGH prüft ebenfalls die Beachtung der Vorgaben des Art. 34 II lit. b EUV; EuGH, Rs. C-303 / 05, Advocaten voor de Wereld VZW, Slg. 2007, I-3633, Rn. 28 – 43. 97 Vgl. Schlußanträge, Rs. C-303 / 05, Advocaten voor de Wereld VZW, Slg. 2007, I-3633, Rn. 30. In der Rs. Pupino ging es um einen Rahmenbeschluß, der sich auf Art. 31 EUV stützen konnte; vgl. EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 22; einschlägig dürfte Art. 31 I lit. c EUV sein. 98 Zwar ist der Rückgriff auf die zu Art. 234 I lit. b EGV ergangene Judikatur und Literatur streng genommen ein systematisches Argument. Da es zum genauen Wortlaut des Art. 35 EUV jedoch – soweit übersehen – derzeit noch wenig aussagekräftige Literatur und Rechtsprechung gibt, erscheint eine Konkretisierung der Termini des Art. 35 EUV anhand des – insoweit – gleichlautenden Art. 234 I lit. b EGV gerechtfertigt [für eine solche Vorgehensweise etwa Peers, YEL 18 (1998), 337 (380)]. Auch lassen sich die einzelnen Auslegungsmethoden ohnehin nicht immer ganz trennscharf voneinander separieren, ja müssen gar zusammenwirken [Anweiler, 102 f.; Larenz / Canaris, 140]. Insofern erscheint ein leichtes „Vermischen“ der einzelnen Auslegungsmethoden als ein nur geringer Preis, den zu entrichten zur Erlangung des – letztlich angestrebten – Gesamtbildes nicht zu viel verlangt ist. Es sollte an dieser Stelle jedoch noch betont werden, daß die im Rahmen des Unionsrechts vorzufindende Verwendung eines identischen Wortlautes wie im Gemeinschaftsrecht nicht zwingend auf den identischen Inhalt wie im Gemeinschaftsrecht schließen lassen muß [vgl. EuGH, Gutachten 1 / 91, Slg. 1991, I-6079, Rn. 14; allgemein zur Schwäche des Arguments einer einheitlichen Terminologie Zippelius, 53]. Wenn jedoch die vorliegende Untersuchung zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß bereits bei Zugrundelegung der Bedeutung, wie sie im Gemeinschaftsrecht vorzufinden ist, die Beurteilung der Wirkweise eines Sekundärrechtsaktes durch den EuGH nicht durch den Wortlaut des Art. 35 I EUV gedeckt wäre, so läge der Schluß nahe, daß dies um so mehr noch auch für das nach wie vor intergouvernemental ausgestaltete Unionsrecht gelten müßte. 99 Borchardt, in: Lenz / Borchardt, Art. 234 EGV, Rn. 12; Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 234 EGV, Rn. 35. 100 Resp. „legality“, „légalité“ und „lagenligheten“.

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daß sich der Schluß aufdrängt, Gültigkeit i. S. d. Absatz 1 müsse eine andere Bedeutung als eben gerade Rechtmäßigkeit zukommen. Die Verwendung dieser unterschiedlichen Termini mit augenscheinlich derselben Bedeutung findet sich indes bereits im EGV, der offensichtlich Pate für die Verfahren nach Art. 35 EUV stand. Auch im EGV ist einmal von „Rechtmäßigkeit“ (Art. 230 I) und einmal von „Gültigkeit“ (Art. 234 I lit. b) der Gemeinschaftsrechtsakte die Rede. Doch die Bedeutung der beiden Begriffe ist auch dort identisch,101 so verwunderlich die inhaltliche Kongruenz dieser unterschiedlichen Begriffe auch sein mag. Im Ergebnis ist also an den obigen Ausführungen festzuhalten, nach denen „Gültigkeit“ i. S. d. Art. 35 I EUV die Rechtmäßigkeit eines Rahmenbeschlusses meint.102 Damit ist bislang jedoch lediglich gesagt, daß der EuGH zu überprüfen befugt ist, ob ein Rahmenbeschluß gültig ist. Der EuGH darf also untersuchen, ob ein Rahmenbeschluß überhaupt Rechtswirkungen entfalten kann (wäre er ungültig, könnte er keine Rechtswirkungen zeitigen beziehungsweise wäre aufzuheben)103; wie jedoch die Rechtswirkungen eines Rahmenbeschlusses konkret aussehen, darauf gestattet die bloße Betrachtung der Gültigkeit eines Rahmenbeschlusses indes keine Rückschlüsse. b) „Auslegung“ Es stellt sich daher die Frage, ob der EuGH unter Rückgriff auf die zweite Alternative, die Auslegung, befugt ist, darüber zu urteilen, was die konkreten (innerstaatlichen) Rechtswirkungen eines Rahmenbeschlusses sind. Zunächst meint „Auslegung“ gewiß weniger als „Anwendung“,104 von der in Absatz 7 von Art. 35 EUV die Rede ist. Die Anwendung eines Aktes geht unstreitig über eine bloße Auslegung hinaus und umfaßt die Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter die vorher auszulegende Norm.105 Anknüpfend an den natürlichen Wortsinn, bedeutet Auslegung „Auseinanderlegung“, also Ausbreitung und Darlegung des in einem Text beschlossenen Sin101 Geiger, Art. 234 EGV, Rn. 8; zum Verhältnis der Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EGV zum Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV siehe Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 234 EGV, Rn. 38. 102 Mit identischer Argumentation Pechstein / Koenig, Rn. 534. 103 Rechtswidriges sekundäres Recht ist generell nichtig; vgl. Seidl-Hohenveldern / Loibl, Rn. 1518; vgl. aber zur Frage des Geltungsgrundes von Rahmenbeschlüssen unten ausführlich im Zweiten Teil B. IV. Differenzierend, zugunsten eines Nichtigkeitsdogmas im Unionsrecht bei Fehlen jeglicher Ermächtigungsgrundlage, jedoch dagegen bei bloßen (einfachen) Rechtmäßigkeitsmängeln Nettesheim, in: von Bogdandy, 415 (430 ff.). 104 Auch Generalanwalt Ruíz-Jarabo Colomer weist in seinen Schlußanträgen in den Rs. C-187 / 01 und C-385 / 01 auf diesen Unterschied hin und spricht sich daraufhin für eine engere Formulierung der Vorlagefrage aus [Schlußanträge, Rs. C-187 / 01 und C-385 / 01, Gözütok und Brügge, Slg.2003, I-1345, Rn. 36 ff.]. Auch der EuGH schließt sich im Ergebnis dieser verengten Vorlagefrage an; siehe Vervaele, CMLRev 41 (2004), 795 (800). 105 Dauses, 80; Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 234 EGV, Rn. 31.

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nes.106 Im Einklang mit diesem natürlichen Wortsinn steht die Wendung, mit der der EuGH den Begriff „Auslegung“ im Rahmen des Art. 234 I lit. b EGV umschreibt. Dort wird Auslegung verstanden als die Ermittlung des Inhalts und der Tragweite einer Vorschrift.107 Da „Auslegung“ ein bekannter Begriff der juristischen Methodenlehre ist, liegt es nahe, den Rückgriff auf die (auch im Völkerrecht)108 gängigen Auslegungscanones109 als von „Auslegung“ i. S. d. Art. 35 EUV erfaßt anzusehen. Es fragt sich also, ob der EuGH zur Auslegung eines Rahmenbeschlusses – gegebenenfalls unter Rückgriff auf diesen üblichen Auslegungskanon – das primäre Unionsrecht untersuchen darf. aa) Keine unmittelbare Auslegungskompetenz des primären Unionsrechts Da Art. 35 I EUV von der „Auslegung der Rahmenbeschlüsse“ spricht, kann es dort unmittelbar nur um die Ermittlung des Inhalts und der Tragweite eines Rahmenbeschlusses selbst gehen, genauer: um die einzelnen Vorschriften, die ein Rahmenbeschluß beinhaltet. Zu betonen ist demgegenüber, daß es hingegen gerade nicht unmittelbar um die Ermittlung des Inhalts und der Tragweite der Normen des primären Unionsrechts selbst geht. Auch durch Rückgriff auf die Alternative „Auslegung“ in Art. 35 I EUV ist dem EuGH somit die unmittelbare Begutachtung des primären Unionsrechts, welches möglicherweise Rückschlüsse auf die Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zuläßt, nicht gestattet.110 bb) Inzidente Auslegungskompetenz des primären Unionsrechts? (1) Zur Ermittlung von „Inhalt und Tragweite“ Generell gilt, daß Gegenstand einer Auslegung gesetzlicher Bestimmungen stets nur der entsprechende Gesetzestext selbst sein kann.111 Insofern spricht vieles dafür, daß die „Auslegung der Rahmenbeschlüsse“ in Art. 35 I EUV allein die Auslegung der Rahmenbeschlüsse selbst – und nur der Rahmenbeschlüsse selbst – meint. Denkbar ist indes immerhin, daß der EuGH zur Ermittlung von Inhalt und Tragweite der einzelnen Normen eines Rahmenbeschlusses mittelbar auch das priLarenz / Canaris, 134. Borchardt, in: Lenz / Borchardt, Art. 234 EGV, Rn. 5; Ehricke, in: Streinz, Art. 234 EGV, Rn. 11. 108 I. w. entsprechen die dem Völkerrecht vertrauten Auslegungsmethoden denen des nationalen Rechts; vgl. Bleckmann, VölkerR, Rn. 343; kritisch Anweiler, 138 f. 109 Vgl. zu den Auslegungsmethoden im Völkerrecht nur Shaw, 838 ff.; Dupuy, Rn. 308 ff. 110 Vgl. bereits die obigen Ausführungen zu diesem Ergebnis: Erster Teil A. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den anderen Sprachfassungen („interpretation“, „interprétation“ bzw. „tolkning“). 111 BVerfGE 71, 108 (115); Larenz / Canaris, 134. 106 107

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märe Unionsrecht untersuchen muß. Dies scheint für die Ermittlung des Inhalts der Normen eines Rahmenbeschlusses zunächst ausgeschlossen zu sein, da sich dieser, wie erwähnt, aus sich selbst heraus ergeben muß.112 Allerdings könnte man argumentieren, daß sich die Tragweite einer Norm nur ermitteln lasse, wenn auch das einschlägige Primärrecht mit in die Betrachtung einbezogen werde. Hierfür müßte Tragweite weit verstanden werden und auch die Wirkweise eines Rahmenbeschlusses mit umfassen. Der deutsche Begriff „Tragweite“ erscheint für eine solche Sichtweise durchaus offen. Auch wenn hier die eigentliche Auslegung der Norm (des Art. 35 I EUV) bereits verlassen wird – handelt es sich bei den Begriffen „Inhalt und Tragweite“ doch um die durch den EuGH vorgenommene Auslegung des Terminus „Auslegung“ zur Beschreibung seiner eigenen Kompetenzen nach Art. 234 I EGV –, soll an dieser Stelle in aller Kürze auf die entsprechenden Termini in den anderen Sprachfassungen der EuGH-Rechtsprechung eingegangen werden.113 Eine ähnlich weite Bedeutung wie das deutsche „Tragweite“ scheint am ehesten noch das französische „portée“ zu haben, das durchaus auch als „Tragweite“ übersetzt werden könnte. Wahrscheinlicher scheint mit Blick auf das englische „scope“ indes eher die Bedeutung „Reichweite“ i. S. v. Geltungsbereich, als welches „portée“ ebenfalls sehr gut übersetzt werden könnte. Gänzlich in diese Richtung weist schließlich das schwedische „räckvidd“, das direkt mit „Reichweite“ ins Deutsche zu übersetzen wäre. Schon deshalb spricht vieles dafür, „Tragweite“ als eine durch den EuGH vorgenommene Konkretisierung des Begriffs „Auslegung“ nicht zu weit, als auch die Wirkweise (hier: eines Rahmenbeschlusses) umfassend, zu verstehen. (2) Zur Vermeidung von Widersprüchen im Auslegungsergebnis zu höherrangigem Recht Jedoch könnte der EuGH, um die Normen eines Rahmenbeschlusses lege artis auslegen zu können, unter einem anderen Aspekt gezwungen sein, mittelbar auch das primäre Unionsrecht zu untersuchen. Schließlich ist die systematische Auslegung eine der in der WVK niedergelegten Auslegungsmethoden114 und auch sonst in der juristischen Methodenlehre als Auslegungsmittel weithin anerkannt.115 Zur systematischen Auslegung zählt auch die Vermeidung von Widersprüchen im Aus112 Vgl. aber sogleich die Überlegung, daß der EuGH möglicherweise eine Auslegungskompetenz auch des primären Unionsrechts zu dem Zwecke haben könnte, im Rahmen der systematischen Auslegung eines Rahmenbeschlusses Widersprüche zum höherrangigen Primärrecht zu vermeiden. 113 Vgl. exemplarisch die jeweiligen Sprachfassungen des Urteils vom 9. Februar 2006, La Cascina und Zilch, Rs. C-226 / 04 und C-228 / 04, Rn. 35; die verschiedenen Sprachfassungen sind abrufbar unter: http: // www.curia.europa.eu/. 114 Bleckmann, VölkerR, Rn. 354 ff.; Sorel, in: Corten / Klein, Art. 31 – Convention de 1969, Rn. 38 ff. 115 Vgl. nur Larenz / Canaris, 145 ff.

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legungsergebnis zu höherrangigem Recht.116 Vermeiden ließe sich ein etwaiger Widerspruch nur, wenn sowohl die niedere als auch die höherrangige Norm untersucht würden und daraufhin gegebenenfalls eine abweichende Auslegung der niederen Norm vorgenommen würde.117 Der Rahmenbeschluß wäre hier die niedere, das primäre Unionsrecht die höherrangige Norm. Doch kann es Widersprüche in bezug auf die Wirkweise von Rahmenbeschlüssen – und allein hierauf soll es an dieser Stelle ankommen – zwischen den Rahmenbeschlußbestimmungen und dem primären Unionsrecht freilich nur dann geben, wenn beide – möglicherweise einander widersprechend – überhaupt Aussagen zur Wirkweise von Rahmenbeschlüssen treffen. Daher stellt sich nun die Frage, ob sich die Wirkweise eines Rahmenbeschlusses möglicherweise aus seinen einzelnen Normen selbst ergeben könnte. Wenn sich die Wirkweise eines Rahmenbeschlusses anhand seiner eigenen Normen aus sich selbst heraus ermitteln ließe, würde dies dem EuGH durchaus die Kompetenz zur Beurteilung der Wirkweise eines Rahmenbeschlusses eröffnen, ist er doch befugt, die Normen des Rahmenbeschlusses zu begutachten. (a) Kann ein Rechtsakt seine Wirkweise selbst bestimmen? So vollkommen abwegig, wie die Annahme auf den ersten Blick erscheinen mag, daß ein Rahmenbeschluß – oder allgemeiner: ein Rechtsakt generell – selbst seine Wirkweise bestimmen können soll,118 ist sie bei näherer Betrachtung gar nicht. So ist es anerkannt und gängige Praxis, daß Gesetze selbst den Zeitpunkt ihres In- beziehungsweise Außerkrafttretens bestimmen119 sowie den räumlichen Anwendungsbereich festlegen können.120 Eine EG-Richtlinie kann den Adressatenkreis, für den sie verbindlich ist, festlegen und gilt nicht etwa von vornherein stets für alle Mitgliedstaaten.121 Und ein Verwaltungsakt richtet sich schon per definitionem an einen abgrenzbaren Personenkreis, der durch den Verwaltungsakt erst noch näher spezifiziert werden muß.122 Es bleibt also festzuhalten, daß Rechtsakte – wenigstens ein Stück weit – durchaus Aussagen zu ihrer eigenen Wirkweise treffen können.123 Diese umfassen die Aussage, wann sie gelten, wo sie gelten und für wen sie gelten. Brechmann, 26 f.; Zippelius, 53. Wohl aufgrund dieses Gedankens hält Classen das Primärrecht in der Tat für indirekt relevant bei der Auslegung des Sekundärrechts [EuR 34 (1999), Beiheft 1, 73 (84)]. 118 Genauer: das Organ, das den Rechtsakt zu setzen befugt ist; vgl. BVerfGE 42, 263 (283). 119 Kelsen, 12. Vgl. auch Art. 82 II 1 GG. Auch der im Rahmen des Pupino-Verfahrens in Rede stehende Rahmenbeschluß des Rates v. 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (2001 / 220 / JI) [ABl. 2001 L 82, 1] legt in seinem Art. 19 den Zeitpunkt seines Inkrafttretens selbst fest. 120 Kelsen, 12. 121 Brechmann, 13; Dashwood, CYELS 9 (2006 – 2007), 81 (83); Schmidt, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 249 EGV, Rn. 37. 122 Maurer, VerwR, § 9, Rn. 16. 123 Vgl. aber auch die berechtigte Kritik Schillings [Rang und Geltung, 232 ff.] an solcherart Selbstbezüglichkeit von Normen. 116 117

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Jedoch ist all diesen Beispielen gemein, daß der Rechtsakt jeweils sein Wirkungsfeld (wenn man so will: seine Wirkweise)124 einschränkt respektive konkretisiert. Die zeitliche Geltung mag auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt sein, die Geltung auf einen bestimmten Adressatenkreis festgelegt sein, bestimmte Maßnahmen mögen räumlich auf eine bestimmte Region begrenzt sein. Die Anordnung eigener Beschränkungen können Rechtsakte also an sich erst einmal unproblematisch beinhalten. Allerdings ist schon diese Möglichkeit eines Rechtsaktes, sein Wirkungsfeld selbständig einzuschränken und damit auch seine Wirkweise zu verändern, ihrerseits gewissen Beschränkungen unterworfen. So wirkt ein Parlamentsgesetz etwa als abstrakt-generelle Norm.125 Die Möglichkeit, sein Wirkungsfeld bis ins Unendliche zu beschränken, so daß nur noch einzelne Personen oder singuläre Sachverhalte erfaßt würden, und damit letztlich die Möglichkeit, seine Wirkweise dergestalt selbständig zu verändern, besteht für das Parlamentsgesetz jedoch nicht. Dieser Umstand kommt zum Ausdruck im Einzelfallgesetzverbot (Art. 19 I 1 GG).126 Auch die an sich unproblematisch bestehende Möglichkeit eines Gesetzes, den Zeitpunkt seines Inkrafttretens selbst festzulegen, reicht nicht grenzenlos, sondern unterliegt ihrerseits gewissen – verfassungsrechtlichen – Vorgaben beziehungsweise Beschränkungen:127 Man denke in diesem Zusammenhang nur an das Rückwirkungsverbot von Gesetzen.128 Dies zeigt, daß bereits die Möglichkeit eines Rechtsaktes, seine Wirkweise einzuschränken beziehungsweise näher zu konkretisieren, nicht unbegrenzt besteht. Mehr noch gilt dies für Ausdehnungen des Wirkungsfeldes und damit der Wirkweise eines Rechtsaktes. Rechtsakte können nicht aus sich selbst heraus ihr Wirkungsfeld ausdehnen. Ein Landesgesetz kann für sich nicht bundesweite Geltung beanspruchen; eine EG-Richtlinie kann nicht bestimmen, in den Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung zu finden; und ein Bundesgesetz auf den Gebieten des neuen Art. 72 III 1 GG kann den Zeitpunkt seines Inkrafttretens nicht nach Be124 Wirkweise soll hier verstanden werden als die Summe der einzelnen Aspekte der Geltung eines Rechtsaktes, also der Geltung in zeitlicher, räumlicher, personeller und nicht zuletzt normativ-materieller Hinsicht (vgl. auch Kelsen, 13). In Abhängigkeit davon, wie diese einzelnen Aspekte ausgestaltet sind, vergrößert oder verringert sich das jeweilige Wirkungsfeld eines Rechtsaktes und somit in der Summe auch seine Wirkweise. 125 Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 20 Abs. 3, Rn. 263. 126 Art. 19 I 1 GG verbietet zwar nicht absolut die gesetzliche Regelung eines Einzelfalls [BVerfGE 85, 360 (374)] (insb. sog. Maßnahmegesetze sind verfassungsrechtlich unbedenklich [vgl. Badura, F, Rn. 8]) und gilt auch nur im Zusammenhang mit Grundrechtsbeschränkungen. Wegen der schier unendlichen Weite des Schutzbereiches der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG findet er aber auf praktisch jedes Gesetz Anwendung; vgl. Herzog, in: Maunz / Dürig, Art. 19 Abs. 1, Rn. 22. 127 Vgl. für die Lage nach dem deutschen Verfassungsrecht Stern, Band II, § 37 III 11; sowie ausführlich BVerfGE 42, 263 (284 ff.). 128 Ausführlich zur Reichweite des Rückwirkungsverbots nach dem deutschen Verfassungsrecht Stern, Band I, § 20 IV 4 g).

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lieben vorverlegen, sondern allein unter der in Satz 2 des Art. 72 III GG genannten Voraussetzung.129 (b) Deduzierbarkeit der Wirkweise eines Rechtsaktes aus seinem Geltungsgrund Wenn nun ein Rechtsakt zwar sein Wirkungsfeld und damit seine Wirkweise zu beschränken, nicht indes selbige zu begründen oder gar auszudehnen vermag, stellt sich die Frage, woher diese sich dann ergeben soll. In einer als hierarchisches System ausgestalteten Rechtsordnung130 muß sich die Wirkweise eines Rechtsaktes jeweils aus seinem Geltungsgrund herleiten lassen.131 Die Frage nach der Wirkweise einer rechtlichen Norm setzt somit logisch die Vorfrage nach dem Geltungsgrund dieser Norm voraus. Nur wenn man weiß, worauf sich ein Rechtsakt für seine Geltung stützt, kann man verläßlich sagen, wie seine Rechtswirkungen aussehen.132 129 Nach dem neuen Art. 72 III 2 GG tritt ein Bundesgesetz, das sich auf die in Satz 1 genannten Materien bezieht, erst nach Ablauf einer Karenzzeit von sechs Monaten nach seiner Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmt ist; vgl. zu dieser Neuerung in den Gesetzgebungszuständigkeiten durch die Föderalismusreform etwa Ipsen, NJW 59 (2006), 2801 (2803, insb. 2804); Rengeling, DVBl 121 (2006), 1537 (1542, insb. 1543). 130 Es ist allgemeine Meinung, daß jede Rechtsordnung hierarchisch strukturiert ist; vgl. etwa Hoerster, 24. 131 Vgl. Schilling, Rang und Geltung, 163 f.; Schroeder, EuR 42 (2007), 349 (360). 132 Dies muß jedenfalls für Rechtsnormen niederen Ranges wie den Rahmenbeschluß gelten, kann indes freilich nicht für höchstrangige Normen gelten, die sich für ihre Geltung allein noch auf die sogenannte „Grundnorm“ stützen können, deren Existenz letztlich vorausgesetzt werden muß und die auch letztlich nichts weiter besagt, als daß die höchstrangigen Normen überhaupt Geltung beanspruchen können [vgl. Kelsen, 196 f.]. Wie indes diese Geltung genau auszusehen hat, wie also die Wirkweise der höchstrangigen Normen ausgestaltet ist, gibt diese Grundnorm nicht vor. Daher erscheint es nur vernünftig, bei Normen der höchsten Rangstufe die Wirkweise aus ihnen selbst heraus abzuleiten, ja ableiten zu müssen. Wenn der EuGH daher die unmittelbare Geltung des primären Gemeinschaftsrechts als der höchsten Normenkategorie, als gleichsam der Verfassung des Gemeinschaftsrechts [so BVerfGE 22, 293 (296); Hartley, 266], das als verselbständigte Rechtsordnung neben den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen steht [so grundlegend bereits EuGH, Rs. 6 / 64, Costa / ENEL, Slg. 1964, 1251 (1269); BVerfGE 22, 293 (296)] und sich daher auch auf eine eigene Grundnorm stützen können muß [vgl. ausführlich Grussmann, in: von Danwitz / Heintzen / Jestaedt / Korioth / Reinhardt, 47 (58 ff.)], aus diesem selbst im Wege der Auslegung herleitet [vgl. Groh, 188], paßt sich dieses Vorgehen widerspruchslos in das hier dargestellte System ein und bedeutet nicht etwa, daß der EuGH von „Auslegung“ eines Rechtsaktes im Rahmen des Art. 234 EGV schlechterdings immer auch dessen Wirkweise mitumfaßt ansehen würde [so aber wohl allgemein Groh, 188, der allerdings seine Untersuchung expressis verbis nicht auf das unionsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren bezogen wissen will, 24; neuerdings wohl auch Hartley, 266, der selbst zwar distanziert bleibt („is treated by the European Court“), sich allerdings auch von seiner eigenen erfrischend deutlichen Kritik an der Vermischung von Auslegung und Wirkweise („effects“) in der Vorvorauflage distanziert hat; Hartley, 4. Aufl., 259]. Die von Groh zitierten EuGH-Judikate [Groh, 188, Fn. 799] bringen nach Meinung des vorliegenden Verfassers i. ü. kaum zwingend zum Ausdruck, daß der EuGH allgemein von der

B. Kompetenz des EuGH zur inzidenten Begutachtung primären Unionsrechts

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Ergeht beispielsweise eine Norm in Form eines Bundesgesetzes, ist der räumliche Anwendungsbereich ein anderer, als wenn es sich um eine landesrechtliche oder eine europarechtliche Norm handeln würde. Ergeht eine Norm in Form einer EGVerordnung, ist die materielle Rechtswirkung wiederum eine andere, als wenn es sich um eine EG-Richtlinie handeln würde. Gemein ist jedoch allen Rechtsakten, die Geltung für sich beanspruchen wollen, daß sie sich auf eine (höherrangige) Norm stützen können müssen, die ihnen rechtliche Geltung zuspricht.133 Auslegung eines Rechtsaktes auch dessen Wirkweise mitumfaßt ansieht. Zwei der drei zitierten Judikate beschäftigen sich mit der unmittelbaren Wirkung des primären Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten [EuGH, Rs. 26 / 62, van Gend & Loos, Slg. 1963, 1 (23); EuGH, Rs. 13 / 68, Salgoil, Slg. 1968, 679 (693)]. Wie soeben dargestellt, muß sich die Wirkweise des Primärrechts als höchstrangigem Recht in der Tat aus sich selbst heraus im Wege der Auslegung herleiten lassen. Hinzu kommt, daß die Frage, ob eine (völkerrechtliche) Norm self-executing-Charakter besitzt, in der Tat durch Auslegung der konkreten Norm ermittelt werden muß [ebenso Rosenkranz, EuZW 18 (2007), 238 (242)], weil diese in der Norm selbst angelegt ist [Dupuy, Rn. 412; vgl. auch Arnull, The EU and Its Court, 104, Fn. 58 ]. Eine allgemeine Feststellung, daß der EuGH stets die Wirkweise eines Rechtsaktes im Wege der Auslegung ebenjenes Rechtsaktes ermitteln würde, kann aus dieser speziellen Konstellation hingegen nicht getroffen werden. Die Begutachtung auch des Primärrechts stellt i. ü. im Gemeinschaftsrecht wegen der dort vorhandenen weitreichenden Jurisdiktionsbefugnisse des EuGH keinerlei Probleme dar. In der dritten von Groh zitierten Entscheidung geht es schließlich um die Rechtswirkungen der von der EWG geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen innerhalb der Gemeinschaft. Hier verweist der EuGH u. a. darauf, daß es den Vertragsparteien eines völkerrechtlichen Abkommens „[n]ach den Grundsätzen des Völkerrechts [ . . . ] unbenommen [bleibe] zu vereinbaren, welche Wirkungen die Bestimmungen des Abkommens in der internen Rechtsordnung der Vertragsparteien haben sollen“ [EuGH, Rs. 10 / 81, HZA Mainz / Kupferberg, Slg. 1982, 3641, Rn. 17]. Damit rekurriert der EuGH aber gerade nicht primär auf das völkerrechtliche Abkommen selbst, sondern zuvörderst auf die „Grundsätze des Völkerrechts“, die eine eigenständige Festlegung der Wirkweise eines völkerrechtlichen Abkommens zulassen würden [vgl. hierzu auch Tomuschat, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 300 EGV, Rn. 79]. Wäre dies anders, könnten folglich die völkerrechtlichen Abkommen ihre Wirkweise nicht selbst festlegen. Die „Grundsätze des Völkerrechts“ stellen insoweit das ggü. den völkerrechtlichen Abkommen höherrangige Recht dar. Daß das höherrangige Recht frei ist, dem niederen Rechtsakt gewisse Freiheiten bzgl. seiner eigenen Wirkweise zu konzedieren, ist bereits aufgezeigt worden. Ob der EuGH im Rahmen seiner gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeiten die allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts überhaupt beurteilen darf, ist für die hier aufgeworfene Frage indes ohne Belang [vgl. hierzu Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 220 EGV, Rn. 42 m. w. N.]. Aber auch soweit es um die Bestimmung der Wirkweise von Richtlinien geht, ist der Befund ein anderer. Stellt der EuGH bzgl. der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien bzw. der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts doch gerade nicht auf die Bestimmungen der Richtlinie selbst ab, denen sich im Wege der Auslegung zu nähern wäre, sondern vielmehr auf das Primärrecht, namentlich Art. 10 und 249 III EGV; vgl. die Nachweise in Erster Teil, Fn. 12. 133 Gromitsaris, 10. Auf andere in der Rechtstheorie diskutierte Konzepte der Geltung von Recht, wie die axiologische und die empirische Geltung, soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden; vgl. hierzu Schilling, Rang und Geltung, 159 ff. Auch die Frage, wie die normative Geltung der „Grundnorm“, auf die man früher oder später in dieser Ableitungskette stößt [vgl. Kelsen, 196 f.], begründet werden kann, darf hier unbeantwortet bleiben.

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

(c) Geltungsgrund des Rahmenbeschlusses Dies wirft wiederum die Frage nach dem Geltungsgrund eines Rahmenbeschlusses auf. Als solcher werden drei Modelle vertreten: Man kann den Rahmenbeschluß erstens als einen Sekundärrechtsakt des Unionsrechts, also als derivatives Unionsrecht auffassen,134 das somit seinen Geltungsgrund allein im EUV hätte (der wiederum aus der Ratifikation durch die Mitgliedstaaten seinen Geltungsgrund ableitet). Zweitens kann man den Rahmenbeschluß als einen eigenständigen völkerrechtlichen Vertrag verstehen135 oder drittens seine Verbindlichkeit auf einen parallelen Selbstbindungswillen der Mitgliedstaaten zurückführen136; in den beiden letzteren Fällen würde der Geltungsgrund aus dem völkergewohnheitsrechtlichen, in Art. 26 WVK kodifizierten Grundsatz des pacta sunt servanda respektive aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz, daß einseitige Willenserklärungen Staaten wirksam zu binden vermögen,137 fließen.138 Welcher Ansatz am ehesten zu überzeugen vermag, kann an dieser Stelle noch dahinstehen.139 Gleichviel, welchem Ansatz man letztlich folgen mag, ist jedenfalls nach keinem der genannten Ansätze der Geltungsgrund im sekundären Unionsrecht, also im Rahmenbeschluß, selbst angelegt. Der Rahmenbeschluß trägt seinen Geltungsgrund folglich nicht in sich. Der Geltungsgrund und damit die 134 Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (371); Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (68); Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1122); so gewiß auch der EuGH, der maßgeblich auf die Bestimmungen des EUV verweist, ohne sich indes eindeutig zu der Frage des Geltungsgrundes eines Rahmenbeschlusses zu verhalten, vgl. oben Text bei Erster Teil, Fn. 26; ebenso wohl auch von Bogdandy / Nettesheim, die von einer einheitlichen – das Gemeinschafts- und das Unionsrecht umfassenden – Rechtsordnung ausgehen [NJW 48 (1995), 2324 (2326 f.)]. Damit wird dem Unionsrecht zugesprochen, bereits eine eigenständige Rechtsordnung darzustellen. Nach Kokott weisen die Akte der Dritten Säule eine „gewisse Ähnlichkeit mit Sekundärrechtsakten internationaler Organisationen“ auf [DVBl 111 (1996), 937 (944)]. 135 So das BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluß v. 24. November 2005, BVerfGK 6, 360 (363) sowie wohl das polnische Trybunal Konstytucyjny, vgl. Leczykiewicz, CMLRev 43 (2006), 1181 (1183); Lysén, Framework decisions, 42 ff.; Pechstein, in: Geiger, 31 (34 f.); Pechstein / Koenig, Rn. 245; Streinz, EuropaR, Rn. 476; vgl. auch Monjal, RTD eur. 37 (2001), 335 (368); Blumann setzt den Terminus „droit dérivé“ der Dritten Säule in Anführungszeichen [RTD eur. 33 (1997), 721 (747)]. 136 Vgl. Pechstein / Koenig, 2. Aufl., Rn. 221; Vedder, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 7 (23 f.); vgl. auch mit Blick auf die Rechtsakte der Zweiten Säule nach dem Maastrichter Vertrag Koskenniemi, in: Koskenniemi, 27 (31). 137 Vgl. IGH, Nuclear Tests, ICJ Reports 1974, 253, Rn. 43 ff.; Suy, 148. 138 Für Deutschland ist das Völkergewohnheitsrecht aufgrund von Art. 25 GG anwendbar. Die tieferreichende Frage, von welcher Grundnorm sich die innerstaatliche Geltung des Völkergewohnheitsrechts letztlich ableiten läßt – ob das Völkerrecht gilt, weil die Verfassungen der Staaten ihm Geltung zusprechen, oder ob umgekehrt die Geltung der staatlichen Verfassungen sich vom Völkerrecht ableitet – bedarf hier glücklicherweise keiner Beantwortung; in jedem Fall muß es eine Grundnorm geben, die besagt, daß entweder dem Völkerrecht oder den staatlichen Verfassungen Geltung zukommt. Vgl. hierzu Kelsen, 221 ff. 139 Virulent wird diese Frage im Zweiten Teil, der sich mit den materiellen Wirkungen von Rahmenbeschlüssen beschäftigt; vgl. unten Zweiter Teil B. IV.

B. Kompetenz des EuGH zur inzidenten Begutachtung primären Unionsrechts

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Wirkweise eines Rahmenbeschlusses können mithin nicht aus seinen einzelnen Vorschriften abgeleitet werden. (d) Zwischenergebnis Ein Widerspruch zum höherrangigen primären Unionsrecht in bezug auf die Wirkweise eines Rahmenbeschlusses kann sich aus den Normen des Rahmenbeschlusses selbst folglich nicht ergeben. Insoweit ist eine Auslegung des primären Unionsrechts zur Vermeidung ebensolcher Widersprüche nicht nur entbehrlich, sondern daher auch strikt unzulässig. Eine inzidente Untersuchung des primären Unionsrechts kann sich folglich nicht auf die vorangegangenen Überlegungen stützen. cc) Ergebnis „Auslegung“ Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, scheidet eine Kompetenz des EuGH zur unmittelbaren Auslegung des primären Unionsrechts anhand des Merkmals „Auslegung“ in Art. 35 I EUV aus. Aber auch eine Kompetenz zur inzidenten Auslegung des primären Unionsrechts ließe sich der Norm allenfalls unter starker Überdehnung ihres Wortlautes entnehmen – und auch dann noch vermag die Argumentation nicht zu überzeugen.

c) Ergebnis Wortlaut Nach alledem gehört die Wirkweise eines Rahmenbeschlusses weder zu dessen Gültigkeit noch zu dessen Auslegung.

2. Systematik In Anbetracht der maßgeblichen Bedeutung der Analyse des Wortlautes,140 der die äußerste Grenze der möglichen Auslegung vorgibt,141 und des letzten Endes eindeutigen Befundes erscheint es zweifelhaft, ob die anderen Auslegungsmethoden das Pendel noch zugunsten einer Zuständigkeit des EuGH zur Begutachtung der Wirkweise von Rahmenbeschlüssen ausschlagen lassen können. Gleichwohl soll im folgenden auch auf die übrigen Auslegungsmethoden eingegangen werden, angefangen bei der systematischen Auslegung.

140 Zippelius, 48. Dies gilt mehr noch auch für die völkerrechtlichen Auslegungsmethoden nach den Art. 31 ff. WVK; vgl. Bleckmann, VölkerR, Rn. 344; Dupuy, Rn. 308. 141 BVerfGE 71, 108 (115).

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

a) Einbettung in das intergouvernementale Unionsrecht Im Rahmen der systematischen Auslegung ist einmal mehr auf die Einbettung des Art. 35 EUV in die die Dritte Säule normierenden Regelungen der Art. 29 ff. EUV hinzuweisen, also einem Bereich, der nach wie vor intergouvernemental ausgestaltet ist142 und in dem daher um so mehr noch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung auch für die Zuständigkeit des EuGH143 beachtet werden muß. Vor allem die Besonderheit des unionsrechtlichen Vorlageverfahrens in Form des Erfordernisses einer gesonderten Unterwerfungserklärung nach Art. 35 II EUV, das dem allgemeinen Völkerrecht bekannt, dem Gemeinschaftsrecht mit seiner starken Betonung der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung144 jedoch fremd ist,145 verstärkt noch den Eindruck, es hier im Grunde mit Völkerrecht zu tun zu haben, in dem die Einflußmöglichkeiten der Mitgliedstaaten ungleich größer sind als im supranationalen Gemeinschaftsrecht. 146 Nicht daß sich im Völkerrecht ein weites Verständnis der Jurisdiktionsbefugnisse einer Gerichtsbarkeit von vornherein verbieten würde, soweit und sobald Unterwerfungserklärungen betroffen sind. Es besteht vielmehr ein grundlegender Unterschied zwischen der generellen147 Unterwerfung unter die Jurisdiktion einer Gerichtsbarkeit und der Frage, wie weit die Jurisdiktionskompetenzen dieser Gerichtsbarkeit letztlich reichen; bei dem Erfordernis einer Unterwerfungserklärung geht es allein darum zu bestimmen, ob ein Gericht überhaupt Jurisdiktionsbefugnisse im Verhältnis zu einem Staat148 innehat oder eben nicht, wohingegen sich die generelle Reichweite der Jurisdiktionskompetenz einer internationalen Gerichtsbarkeit anderweitig herleiten lassen muß. Im vorliegenden Falle ergibt sich letztere aus Art. 35 I EUV (i. V. m. Art. 46 EUV), im Falle der allgemeinen Jurisdiktion des IGH etwa aus Art. 36 II lit. a – d Vgl. die Nachweise in Erster Teil, Fn. 8. Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 104; Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, Rn. 170; Dauses, 25; Schweitzer / Hummer, Rn. 261. Vgl. auch Art. 240 EGV. 144 Groh, 42; Thym, EuR 41 (2006), 637 (637), der auf die Costa / ENEL-Rechtsprechung des EuGH verweist. 145 Für Generalanwalt Mengozzi ist die „à la carte-Regelung“ der Vorabentscheidungskompetenz nach Art. 35 EUV „offensichtlich ungeeignet, die einheitliche Anwendung des Unionsrechts durch die nationalen Gerichte sicherzustellen“; Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 127 ff.; ganz ähnlich Monar, ELRev 23 (1998), 320 (331). Laut Curti Gialdino führt das Erfordernis einer ausdrücklichen Unterwerfungserklärung zu einer Beeinträchtigung der einheitlichen Auslegung des Unionsrechts [RMUE 2 / 1998, 84 (113)]; ebenso Albors-Llorens, CMLRev 35 (1998), 1273 (1281). Labayle spricht gar von einem „œuvre d’éclatement“ des Vorlageverfahrens nach Art. 35 I – V EUV [RTD eur. 33 (1997), 813 (875)]. 146 Blumann, RTD eur. 33 (1997), 721 (747). 147 Und natürlich auch der speziellen Unterwerfung, was also ratione materiae von einer Unterwerfungserklärung noch umfaßt ist; vgl. Tomuschat, in: Zimmermann / Tomuschat / Oellers-Frahm, Art. 36, Rn. 74. 148 Oder sonstigen Völkerrechtssubjekten. 142 143

B. Kompetenz des EuGH zur inzidenten Begutachtung primären Unionsrechts

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IGH-Statut,149 im Falle der verschiedenen möglichen (obligatorischen) Gerichtsbarkeiten nach dem Seerechtsübereinkommen aus Art. 286 I UNCLOS i. V. m. Art. 288 I – II UNCLOS.150 Doch macht das Erfordernis einer Unterwerfungserklärung noch einmal deutlich, daß die Kompetenzen des EuGH – wie für internationale Rechtsprechungsorgane üblich – nicht ausschweifend weit, sondern durchaus beschränkt und vor allem von der Anerkennung der Mitgliedstaaten abhängig sind, was zwar nicht zwingend ein enges Verständnis gebietet, aber jedenfalls ein allzu extensives, ohne weiteres auch das primäre Unionsrecht umfassendes Verständnis verbietet. Dies muß um so mehr noch mit Blick auf Art. 46 EUV gelten, der mit seiner abschließenden, enumerativen Aufzählung der im Bereich des Unionsrechts justitiablen Materien, namentlich auch des unmittelbar justitiablen primären Unionsrechts in den durchaus eng gefaßten lit. c – f, einer generellen Ausdehnung der Rechtsprechungsbefugnisse des EuGH auf das Primärrecht deutlich entgegentreten wollte151 und daher ebenfalls einer betont extensiven Auslegung des Art. 35 I EUV einen Riegel vorschiebt. Auch die Tatsache, daß das unionsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren, selbst im Falle einer erfolgten Unterwerfung gemäß Art. 35 II EUV und ungeachtet der Möglichkeit, durch mitgliedstaatliche Regelungen etwas anderes vorsehen zu können,152 nach der Regelung des Art. 35 III EUV – unter dem Blickwinkel des Unionsrechts betrachtet – unverändert rein fakultativer Natur bleibt153 und hierdurch den mitgliedstaatlichen Gerichten einen großen Spielraum beläßt, streitet gegen eine grenzenlose Ausweitung der Jurisdiktionsbefugnisse des EuGH und für eine Rücksichtnahme auf die mitgliedstaatlichen Gerichte seitens des EuGH; nur so können die mitgliedstaatlichen Gerichte den ihnen nach dem Unionsrecht belassenen Spielraum auch effektiv nutzen. Nicht zuletzt Absatz 5 des Art. 35 EUV, der bestimmte – wenn auch begrenzte – Bereiche der Rechtsprechungszuständigkeit des EuGH expressis verbis vollständig entzieht, zeigt eine deutliche Zurückhaltung der Mitgliedstaaten, den EuGH im Bereich der Dritten Säule mit Jurisdiktionsbefugnissen auszustatten.

149 Dessen Anwendungsbereich freilich denkbar weit ist; vgl. Tomuschat, in: Zimmermann / Tomuschat / Oellers-Frahm, Art. 36, Rn. 74. 150 Art. 286 I; 288 I–II UNCLOS nennen die Auslegung und Anwendung von UNCLOS und mit diesem zusammenhängender internationaler Übereinkünfte (unter Anwendung sonstiger mit UNCLOS nicht unvereinbarer Regeln des Völkerrechts (Art. 293 I UNCLOS)) als den (obligatorischen) Gerichtsbarkeiten nach UNCLOS unterfallend (vgl. aber auch die Ausnahmen in Art. 297 f. UNCLOS); vgl. näher Wasum-Rainer / Schlegel, GYIL 48 (2005), 187 (206 ff.). 151 Vgl. die obigen Ausführungen im Ersten Teil A. 152 Chavrier, RMC 43 / 441 (2000), 542 (547); das deutsche EuGH-Gesetz sieht in § 1 II eine Vorlagepflicht für letztinstanzliche Gerichte vor [BGBl. 1998-I, 2035]. 153 Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 116.

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b) Vergleich zum gemeinschaftsrechtlichen Vorabentscheidungsverfahren Im übrigen ist vor allem ein Vergleich mit dem gemeinschaftsrechtlichen Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV154 instruktiv, insbesondere mit Blick auf die jeweiligen zulässigen Vorlagegegenstände der beiden Verfahren.155 Im wesentlichen parallel zu Art. 35 I EUV läuft Art. 234 I lit. b EGV, der die Handlungen der Organe der EG als zulässige Vorlagegegenstände benennt, womit das gesamte sekundäre Gemeinschaftsrecht erfaßt ist.156 Insoweit ist auf den ersten Blick kaum ein Unterschied zu Art. 35 I EUV auszumachen, der seinerseits weite Teile des sekundären Unionsrechts als zulässige Vorlagegegenstände benennt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß Art. 234 I lit. b EGV generalklauselhaft sämtliche Handlungen der EG-Organe und somit das gesamte sekundäre Gemeinschaftsrecht umfaßt, während Art. 35 I EUV die vorlagefähigen Sekundärrechtsakte enumerativ auflistet.157 Diese enumerative Aufzählung legt wiederum ein enges Verständnis der Norm nahe. Was nicht ausdrücklich in Art. 35 I EUV als zulässiger Vorlagegegenstand aufgenommen worden ist, ist offenbar bewußt ausgeklammert worden. Nicht das gesamte Sekundärrecht sollte erfaßt werden, sondern nur bestimmte Akte, wobei diese wiederum nicht für vollumfassend justitiabel erklärt worden sind, sondern nur unter bestimmten, näher bezeichneten rechtlichen Blickwinkeln sollten überprüft werden können. Gänzlich aus dem Anwendungsbereich des Art. 35 I EUV heraus fallen die nach Art. 38 EUV i.V. m. Art. 24 EUV zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten geschlossenen Übereinkommen,158 die hingegen wegen der Weite des Art. 234 I lit. b EGV im gemeinschaftsrechtlichen Kontext durchaus überprüft werden können.159 Auch die – wohl verbindlichen160 – Gemeinsamen Standpunkte nach Art. 34 II lit. a EUV sind im Rahmen des unionsrechtlichen Vorlageverfahrens nicht justitiabel, wohingegen selbst unverbindliche Akte im Rahmen des Bzw. den gleichlaufenden Art. 150 EAGV. Siehe allgemein für einen Vergleich des unionsrechtlichen Vorlageverfahrens nach Art. 35 I – V EUV mit dem gemeinschaftsrechtlichen Vorlageverfahren nach Art. 234 EGV die Ausführungen in Erster Teil, Fn. 73. 156 Everling, Vorabentscheidungsverfahren, 25. 157 Generalanwalt Mengozzi spricht in seinen Schlußanträgen in den Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P von „Einzelkompetenzen“, die Art. 35 EUV dem EuGH zugewiesen habe; Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 123. 158 Vgl. auch die mit Blick auf die englische und französische Sprachfassung geführte Diskussion, ob der EuGH im Rahmen des Art. 35 I EUV nur die Maßnahmen zur Durchführung der nach Art. 34 II lit. d EUV geschlossenen Übereinkommen oder auch die zur Durchführung von Beschlüssen überprüfen darf, bei Böse, in: Schwarze, Art. 35 EUV, Rn. 5. 159 Everling, Vorabentscheidungsverfahren, 26. 160 Vgl. zu diesem Streit etwa König, 404 f.; Thun-Hohenstein, 43 f.; Zott, 233 f.; ablehnend etwa Dannecker, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 38, Rn. 157; Kraus-Vonjahr, 223; Ludwig, 162; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (925). 154 155

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gemeinschaftsrechtlichen Vorlageverfahrens überprüft werden können.161 Als Zwischenfazit läßt sich daher festhalten, daß der enumerative Aufbau des Art. 35 I EUV, gerade im Vergleich zum generalklauselhaft gefaßten Art. 234 I lit. b EGV, ein enges Verständnis der Norm nahelegt. Auffällig bei einem Vergleich des Art. 35 EUV mit Art. 234 EGV ist ferner insbesondere, daß Art. 234 I EGV in lit. a den EG-Vertrag, also das Primärrecht,162 ausdrücklich als zulässigen Vorlagegegenstand aufführt. Wie bedeutsam das Primärrecht für die Bestimmung der Rechtswirkungen des Sekundärrechts ist, ist bereits in aller Ausführlichkeit dargelegt worden.163 Wenn aber das Primärrecht für die Bestimmung der Rechtswirkungen des Sekundärrechts schlechterdings unerläßlich ist, das Primärrecht selbst aber als zulässiger Vorlagegegenstand gerade bewußt ausgeklammert worden ist,164 spricht auch dies dafür, die Reichweite der Rechtsprechungskompetenzen des EuGH – jedenfalls soweit das Primärrecht betroffen ist – eng zu verstehen, so daß gegebenenfalls auch diejenigen Bestimmungen des Primärrechts nicht unter die Jurisdiktion des EuGH fallen, die unter Umständen Rückschlüsse auf die Wirkweise des Sekundärrechts zulassen.

c) Struktur des Art. 35 I EUV Schließlich verdient noch ein letzter Punkt ausdrückliche Beachtung. Was auf den ersten Blick kaum weiter auffällt, weist bei eingehenderer Betrachtung eine besondere Brisanz auf. Gerade die Gemeinsamen Standpunkte nach Art. 34 II lit. a EUV, die den allgemeinen rechtlichen Rahmen des Handelns im Bereich der Dritten Säule für den jeweiligen Vorsitz bei der Vertretung der EU-Mitgliedstaaten nach außen vorgeben165 und so programmatisch das zukünftige Verhalten der EU – auch nach innen – abstecken,166 sind von den Mitgliedstaaten für nicht justitiabel erklärt worden.167 Nun mag man mit Recht fragen, worin auch die besondere BeArnull / Dashwood / Ross / Wyatt, 266. Hierzu wird auch das sonstige geschriebene Primärrecht, wie etwa die Protokolle (vgl. Art. 311 EGV), sowie das ungeschriebene Primärrecht gezählt; vgl. Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 220 EGV, Rn. 11. 163 Vgl. oben Erster Teil B. I. 1. b) bb) (2) (b). 164 Vgl. EuGH, Rs. C-253 / 94 P, Roujansky / Rat, Slg. 1995, I-7, Rn. 11; vgl. in diesem Zusammenhang auch noch einmal Art. 46 EUV, der in seinen lit. c – f unabhängig von den Verfahren des Art. 35 EUV bestimmte Normen des EUV für justitiabel erklärt, andere indes bewußt außen vor läßt. 165 von Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (109); Suhr, in: Calliess / Ruffert, Art. 34 EUV, Rn. 11. 166 Satzger, in: Streinz, Art. 34 EUV, Rn. 7. 167 So die ganz h. M., vgl. etwa EuG, Rs. T-338 / 02, Segi, Slg. 2004, II-1647, Rn. 38; id., Rs. T-228 / 02, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran, Slg. 2006, II-4665, Rn. 52; Dannecker, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 38, Rn. 146; Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (63); Zott, 234; vgl. auch m. w. N. Haltern, JZ 62 (2007), 537 (546). Eine andere 161 162

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deutung der Begutachtung dieses durch die Gemeinsamen Standpunkte abgesteckten allgemeinen Rahmens für die Beantwortung eines konkreten Falles liegen könnte. Sind doch die konkreten Maßnahmen, die im Rahmen der Dritten Säule Ansicht vertritt indes neuerdings der EuGH, nach dem seine Aufgabe der „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrages“ es gebiete, auch Gemeinsame Standpunkte als zulässigen Vorlagegegenstand im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Art. 35 I – V EUV anzusehen (ja sogar auch als zulässigen Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV); EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. EuGH, Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 54 (und 55). Allerdings sieht wohl auch der EuGH seine Zuständigkeit nur dann als gegeben an, wenn der Gemeinsame Standpunkt „eine Tragweite hätte, die über diejenige hinausgeht, die dieser Art von Handlung vom EU-Vertrag zugewiesen ist“, namentlich wenn der Gemeinsame Standpunkt „in Wirklichkeit Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeugen soll“ [ibid., Rn. 54], so daß wohl auch der EuGH nicht generell an der fehlenden Justitiabilität der Gemeinsamen Standpunkte in den Verfahren des Art. 35 I – VI EUV rütteln will [vgl. auch Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (925, Fn. 185)]. Damit verstößt der EuGH nichtsdestotrotz nicht nur gegen den klaren Wortlaut des Art. 35 I EUV (bzw. Art. 35 VI EUV) und ist schon deshalb gewagt zu nennen [zu Recht spricht Nettesheim insoweit von einem „act of judicial law making“, CMLRev 44 (2007), 567 (578); kritisch auch Ludwig, 158 – 162], sondern sucht dieses Ergebnis überdies noch mit einer ebenso gewagten Argumentation zu begründen. Verkürzt argumentiert der EuGH wie folgt: Art. 35 I EUV lasse im Rahmen des Art. 35 I EUV als Vorlagegegenstände solche Akte der EU-Mitgliedstaaten zu, „die Rechtswirkung gegenüber Dritten erzeugen sollen“ [ibid., jeweils Rn. 53]. Daraus leitet er im weiteren ab, daß, sollte in einem Verfahren vor einem mitgliedstaatlichen Gericht die Frage der Gültigkeit oder Auslegung eines Gemeinsamen Standpunktes aufkommen und dieses Gericht ernsthafte Zweifel im Hinblick auf die Frage haben, ob der in Rede stehende Gemeinsame Standpunkt „in Wirklichkeit Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeugen soll“, sich das betroffene Gericht mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH wenden könne [ibid., jeweils Rn. 54]. Dies widerspricht, wie bereits erwähnt, nicht nur dem klaren Wortlaut des Art. 35 I bzw. VI EUV, sondern überdies dem Wortlaut des Art. 34 II lit. b – d EUV, dem nicht entnommen werden kann, daß die dort definierten Rechtsakte „Rechtswirkung gegenüber Dritten erzeugen sollen“, geschweige denn, mit Bezug auf die französische Fassung des Urteils, geradezu darauf abzielen, Rechtswirkung ggü. Dritten zu erzeugen [„actes [ . . . ] visant à produire un effet juridique vis-à-vis des tiers“]. Möglicherweise mögen die in Art. 34 II lit. b – d EUV genannten Rechtsakte unter bestimmten Voraussetzungen – mittelbar – auch Rechtswirkungen für Dritte zeitigen; daß sie aber geradezu hierauf abzielten, widerspricht – wiederum – dem klaren Wortlaut des Art. 34 II lit. b und c EUV, der – im Falle des Rahmenbeschlusses – expressis verbis die Mitgliedstaaten als alleinige Adressaten benennt (und gerade nicht Dritte) und der zudem die unmittelbare Wirkung – also die Direktwirkung für Bürger – explizit ausschließt. Ein Rahmenbeschluß oder Beschluß, der Rechtswirkungen unmittelbar ggü. Dritten zu erzeugen suchen würde – also Rechte oder Pflichten für Individuen zu begründen suchen würde [vgl. de Witte, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 91 (96)] –, verstieße daher eindeutig gegen den Wortlaut des Art. 34 II lit. b EUV; seine Ungültigkeit wäre ggf. durch den EuGH festzustellen. Richtigerweise erkennt auch der EuGH, daß ein Gemeinsamer Standpunkt nach Art. 34 II lit. a EUV keine Bindungswirkung ggü. Dritten haben kann [ibid., Rn. 52 und 54]. Sollte ein Gemeinsamer Standpunkt gleichwohl eine solche vorsehen, verstieße er in der Tat gegen Art. 34 II lit. a EUV. Dieser ist jedoch weder im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 35 I – V EUV noch der Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV justitiabel. Es erscheint daher vorzugswürdig, einen (drittwirkenden) Gemeinsamen Standpunkt ggf. aufgrund seines Regelungsgehaltes als einen Beschluß i. S. d. Art. 34 II lit. c EUV umzudeuten, der

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ergriffen werden können, also namentlich die Rahmenbeschlüsse, viel eher geeignet, eine gewisse Relevanz für einen konkret vor einem mitgliedstaatlichen Gericht verhandelten Fall aufzuweisen, wobei auch deren Relevanz wegen der fehlenden unmittelbaren Wirkung sämtlicher Rechtsinstrumente der Dritten Säule eine eher mittelbare bleiben muß. Und doch sind gerade jene allgemeinen Gemeinsamen Standpunkte von der Überprüfbarkeit im Wege der Vorabentscheidung von der Zuständigkeit des EuGH ausgeklammert worden. Dies kann kaum anders gewertet werden, als daß allein punktuell derartige sekundäre Unionsrechtsakte überprüfbar sein sollten, die eine gewisse Greifbarkeit des Handlungswillens der Mitgliedstaaten erfahren haben. Diejenigen Normen und Akte hingegen, die möglicherweise Rückschlüsse zulassen könnten auf die allgemeine Zielsetzung der EU-Mitgliedstaaten im Bereich der Dritten Säule, sozusagen auf den großen Rahmen der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, geschweige denn auf die mittel- oder gar längerfristige Finalität der EU, sind gerade nicht für justitiabel erklärt worden. Die Mitgliedstaaten wollten sich als die „Herren der Verträge“ vielmehr selbst vorbehalten, über diese weitergehende Entwicklung der EU zu bestimmen, ohne dem EuGH in diesem Bereich eine der Ersten Säule vergleichbare Rolle als „Motor der Integration“ ausdrücklich zuzuweisen oder auch nur zuzugestehen168 – ein weiteres Argument, das für ein gehöriges Maß an Zurückhaltung im Umgang mit den primärrechtlichen Unionsnormen streitet.

sodann unproblematisch einer gerichtlichen Überprüfung durch den EuGH unterzogen werden kann [vgl. hierzu Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 94 sowie Kroker, EuR 43 (2008), 378 (383); siehe zur generellen Möglichkeit einer Umdeutung von EG-Akten auch Allkemper, 60; Arnull, CMLRev 38 (2001), 7 (22 f.); Schulte, 59 – 61 und 86 – 88]. Einen Hinweis auf diese Vorgehensweise beinhaltet auch das Urteil des EuGH, wenn er es dort als seine Aufgabe ansieht, einen Gemeinsamen Standpunkt ggf. „dementsprechend richtig einzustufen“ („lui restituer sa véritable qualification“) [EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I1579 bzw. EuGH, Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 54]. Allerdings wirken auch Beschlüsse nach der ausdrücklichen Anordnung des Art. 34 II lit. c 2, 1. Hs. EUV nicht unmittelbar ggü. Bürgern [vgl. Suhr, in: Calliess / Ruffert, Art. 34 EUV, Rn. 22], so daß im Falle der – durch das vorlegende nationale Gericht sowie den EuGH erfolgenden – Umdeutung aufgrund der Drittwirkung des Rechtsaktes automatische Folge die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 34 II lit. c 2, 1. Hs. EUV des zu einem Beschluß umgedeuteten Gemeinsamen Standpunktes sein müßte. Lückenlos wäre der Rechtsschutz vor dem EuGH – aufgrund des rein fakultativen Charakters des unionsrechtlichen Vorlageverfahrens nach Art. 35 II, III EUV – damit freilich immer noch nicht. Gleichwohl sind Rechtsschutzlücken letztlich nicht gegeben, da die mitgliedstaatlichen Gerichte – zumindest – die nationalen Umsetzungsakte, durch die der einzelne Bürger aufgrund der fehlenden unmittelbaren Wirkung der Unionsakte überhaupt erst unmittelbar betroffen wird, vollumfänglich überprüft werden können [vgl. BVerfGE 89, 155 (177 f.)], wie auch der EuGH anerkennt und sogar fordert; vgl. EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. EuGH, Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 56. 168 Ebenso Anweiler, 14 f.

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d) Ergebnis Systematik Resümierend läßt sich festhalten, daß sich bei systematischer Betrachtung eine extensive Auslegung der Kompetenzen des EuGH verbietet. Umgekehrt scheint vielmehr in vielerlei Hinsicht eine restriktive Auslegung dringend geboten.

3. Teleologie Mit einem Vorabentscheidungsverfahren werden im wesentlichen drei Ziele verfolgt: die Wahrung der Einheitlichkeit des Rechts, die Unterstützung nationaler Gerichte bei der Durchsetzung des Rechts sowie der Schutz individueller Rechtspositionen.169 Als Hauptzweck ist hierbei sicherlich die Gewährleistung der einheitlichen Auslegung des Unionsrechts zu nennen.170 Er soll durch die Klärung abstrakter Rechtsfragen erreicht werden,171 ohne auf die Folgen für die konkrete Fallgestaltung einzugehen,172 die zu würdigen Sache der mitgliedstaatlichen Gerichte ist. Der EuGH hat das Unionsrecht auszulegen, die mitgliedstaatlichen Gerichte es anzuwenden.173

a) Wahrung der Einheitlichkeit des Rechts vermittels der Klärung abstrakter Rechtsfragen aa) Wahrung der Einheitlichkeit des Rechts Eine Auslegung des Art. 35 I EUV im Lichte einer möglichst praktischen Wirksamkeit spricht wohl dafür, dem EuGH nicht nur die allgemeinverbindliche Entscheidung über Gültigkeit und Auslegung von Rahmenbeschlüssen, sondern auch 169 Vgl. Groh, 41 ff. und Hummert, 17 ff., in bezug auf das gemeinschaftsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV. Die dort angestellten Erwägungen lassen sich jedoch i. w. unproblematisch auf das unionsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren – wie i. ü. auch auf die verfassungsrechtlichen Vorlageverfahren nach Art. 100 I und II GG – übertragen. Das gemeinschaftsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren ist seinerseits an bekannte Vorlageverfahren auf mitgliedstaatlicher Ebene angelehnt worden; vgl. ausführlich Lieber, 25 ff. 170 Vgl. Dauses, 43 ff.; Everling, Vorabentscheidungsverfahren, 16; Groh, 41 ff.; Wolf-Niedermaier, 52. Nach Lorenzmeier gilt dieser Zweck im Rahmen des unionsrechtlichen Vorlageverfahrens wegen dessen rein fakultativen Charakters allerdings „nur sehr reduziert“ [ZIS 1 (2006), 576 (580)]; ebenso skeptisch Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (843). 171 Grabenwarter, EuR 38 (2003), Beiheft 1, 55 (59 f.); Streinz, EuropaR, Rn. 633. 172 Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 234 EGV, Rn. 31. Waelbroeck [EuR 38 (2003), Beiheft 1, 71 (82)] betont mit Blick auf das gemeinschaftsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren die „gewisse Gefahr“, daß der EuGH zu konkret werden könnte. Die Rolle des Vorabentscheidungsverfahrens bestehe gerade nicht darin, über die Anwendung des (Gemeinschafts-)Rechts im konkreten Fall an Stelle des nationalen Richters zu entscheiden. 173 Dauses, 80 ff., insb. 82.

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eine Kompetenz zur verbindlichen Beurteilung ihrer innerstaatlichen Wirkweise für alle Staaten zuzusprechen. Hiergegen läßt sich – wohl – nicht einwenden, daß es mit dieser Einheitlichkeit ohnehin nicht sehr weit her sein könne, weil nicht alle Mitgliedstaaten sich der Jurisdiktion des EuGH nach Art. 35 II EUV unterworfen haben.174 In der Tat bewirkt eine Unterwerfungserklärung nach Art. 35 II EUV nicht mehr, als den Gerichten des unterwerfenden Mitgliedstaates die Möglichkeit zu eröffnen, dem EuGH Fragen nach Art. 35 I EUV vorzulegen. Eine Erweiterung der mitgliedstaatlichen Verpflichtungen aus dem EUV geht damit indes nicht einher; die Verpflichtung zur Einhaltung des EUV besteht in gleichem Umfange fort.175 Es stellt sich allein die Frage, inwieweit Mitgliedstaaten, die sich nicht der Jurisdiktion des EuGH unterworfen haben, an dessen Urteile, die die Verpflichtungen aus dem EUV176 sowie vor allem aus dem sekundären Unionsrecht näher konkretisieren könnten, nach Art. 35 I EUV gebunden sind. Dies wird zwar durchaus kontrovers diskutiert.177 Aus zweierlei Gründen besitzt diese Frage jedoch eine letztlich nur geringe Relevanz. Zum einen stellt sie sich ohnehin nur, wenn man den Vorabentscheidungen des EuGH überhaupt eine erga omnes-Wirkung zuschreibt.178 Ob dies der Fall ist, darf jedenfalls kritisch hinterfragt werden.179 Der EuGH selbst sieht bei Vorabentscheidungsverfahren – selbst 174 Von den derzeitigen 27 Mitgliedstaaten haben bisher siebzehn eine Unterwerfungserklärung nach Art. 35 II EUV abgegeben (Stand: 1. November 2008); vgl. ABl. 2008 L 70, 23. 175 Chalmers / Hadjiemmanuil / Monti / Tomkins, 276; Pechstein, EU- / EG-ProzessR, Rn. 870. 176 Dies dürfte indes mit Blick auf die nur begrenzten Kompetenzen des EuGH zur Auslegung des primären Unionsrechts (Art. 46 lit. c – f EUV) im Rahmen eines Vorlageverfahrens eher selten vorkommen. 177 Generalanwalt Mengozzi scheint generell Zweifel an der Bindungswirkung von Vorabentscheidungen nach Art. 35 I EUV zu haben; vgl. Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 128. Albors-Llorens verneint eine Bindungswirkung für Staaten, die sich nicht der Jurisdiktion des EuGH unterworfen haben [CMLRev 35 (1998), 1273 (1281)]; ebenso Dörr / Mager, AöR 125 (2000), 384 (410 f.). Curti Gialdino geht offenbar ebenfalls nicht davon aus, daß eine Bindungswirkung auch ggü. solchen Mitgliedstaaten eintritt, die sich nicht der Jurisdiktion des EuGH unterworfen haben. Allerdings ist er der Meinung, daß entsprechend ergangene Urteile des EuGH ihre Wirkung auch ggü. den Gerichten solcher Staaten nicht verfehlen werden [RMUE 2 / 1998, 84 (113)]. Generell zurückhaltend ggü. einer erga omnes-Wirkung auch von gemeinschaftsrechtlichen Vorabentscheidungen und differenzierend nach Auslegungs- und Ungültigkeitsurteilen Peers, YEL 18 (1998), 337 (381 f.); ganz ähnlich Ludwig, der allerdings für Ungültigkeitsentscheidungen mit beachtlichen Argumenten eine erga omnes-Wirkung – sogar für Mitgliedstaaten, die sich nicht unterworfen haben – annimmt [130 ff.]. Labayle geht unabhängig von einer Unterwerfung des Mitgliedstaates von einer Bindungswirkung erga omnes jedenfalls der Auslegungsurteile aus [RTD eur. 42 (2006), 1 (32)]. Für eine generelle Bindungswirkung aller Vorabentscheidungen Knapp, DÖV 54 (2001), 12 (14); Pechstein, EuR 34 (1999), 1 (21 f.). 178 Im Falle einer bloßen inter partes-Bindung könnten Mitgliedstaaten (bzw. deren Gerichte), die sich nicht nach Art. 35 II EUV der Jurisdiktion des EuGH unterworfen haben, niemals an dessen Urteile nach Art. 35 I EUV gebunden sein, weil sie schlicht nicht Adressat eines solchen Urteils sein können.

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bei Vorlagefragen, die die Gültigkeit eines Rechtsaktes betreffen – allein das vorlegende Gericht als unmittelbaren Adressaten des Urteils an; jedoch stelle ein von ihm erlassenes Urteil für „jedes andere Gericht einen ausreichenden Grund“ dafür dar, dieses Urteil – soweit eine vergleichbare Konstellation vorliegt – bei der Entscheidungsfindung entsprechend zu beachten.180 Zum anderen ist festzuhalten, daß mit Blick auf das obligatorische Nichtigkeitsverfahren nach Art. 35 VI EUV und das – ebenfalls obligatorische – Streitbeilegungsverfahren nach Art. 35 VII EUV im wesentlichen die gleichen Fragestellungen an den EuGH herangetragen werden könnten.181 Es mußten daher alle Mitgliedstaaten – auch diejenigen, die sich nicht nach Art. 35 II EUV unterworfen haben – damit rechnen, daß ein Urteil des EuGH ergehen könnte, in dem dieser aufgefordert sein würde, über die Gültigkeit und Auslegung von Sekundärrechtsakten zu befinden, und an das die Mitgliedstaaten dann auch unstreitig gebunden wären.182 Insofern erscheint ein Urteil des EuGH im Rahmen des unionsrechtlichen Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 35 I – V EUV gleichermaßen als ein wenigstens „ausreichender Grund“ für Gerichte auch solcher Mitgliedstaaten, die sich nicht der Jurisdiktion des EuGH unterworfen haben, das (sekundäre) Recht dem Urteil gemäß anzuwenden.183 179 Vgl. ausführlich Toth, YEL 4 (1984), 1 (insb. 56 ff.). Die Mitgliedstaaten können freilich durch nationale Regelungen eine Beachtungspflicht der gesamten EuGH-Rechtsprechung vorsehen, als habe diese auch direkte Wirkung für den entsprechenden Mitgliedstaat. Diese Beachtungspflicht beruht dann aber auf dem nationalen Gesetz und nicht auf dem Europarecht [vgl. Peers, YEL 18 (1998), 337 (381)]. Das Vereinigte Königreich etwa sieht in seinem European Communities Act 1972 [1972 Chapter 68] in Section 3 I ausdrücklich eine allgemeine Befolgungspflicht der EuGH / EuG-Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht vor. Diese Befolgungspflicht geht – laut einem obiter dictum des Court of Appeal – sogar der Befolgungspflicht von Präzedenzfällen britischer Gerichte vor („we are obliged, by section 3 of the 1972 Act, to give precedence to decided principles of Community law“); Court of Appeal (Civil Division), R (Countryside Alliance) v. Attorney General, [2006] EWCA Civ 817, [2006] 3 WLR, 1017, Rn. 171 (siehe auch Rn. 154). 180 St. Rspr.; EuGH, Rs. 66 / 80, International Chemical Corporation, Slg. 1981, 1191, Rn. 13, bei dem es um die Ungültigerklärung eines sekundären Gemeinschaftsrechtsaktes ging; vgl. eingehend zur Präjudizwirkung von Vorabentscheidungen Dauses, 153 ff. 181 Vgl. sogleich unter Erster Teil B. II. und III. 182 Ähnlich Knapp, DÖV 54 (2001), 12 (14). 183 Ebenso Classen, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 73 (85). Interessanterweise hat das britische House of Lords in einem neueren Urteil bzgl. der Berücksichtigung eines Rahmenbeschlusses im innerstaatlichen Recht nicht nur Bezug genommen auf die – insoweit selbstverständlichen – Pflichten des Vereinigten Königreiches unter dem EUV, sondern auch direkt auf die Pupino-Rechtsprechung des EuGH (sowie auf die Schlußanträge von Generalanwältin Kokott), wenngleich das Vereinigte Königreich eine Erklärung nach Art. 35 II EUV nie abgegeben hat; House of Lords, Dabas v. High Court of Justice, Madrid, [2007] UKHL 6, [2007] 2 WLR, 254, Rn. 5 (Lord Bingham), Rn. 40 (Lord Hope), Rn. 75 f. (Lord Brown) und passim. Ausdrücklich wird eine ähnliche Beachtungspflicht wie ggü. gemeinschaftsrechtlichen Urteilen zur richtlinienkonformen Auslegung bedeutet; ibid., Rn. 76 (Lord Brown); eine Beachtungspflicht der EuGH-Rechtsprechung auch im Bereich der Dritten Säule seitens britischer Gerichte antizipierend Spencer, CLJ 64 (2005), 569 (571). Allerdings ist auch darauf hingewiesen worden, daß die vom House of Lords in Bezug genommene Pflicht zur (rahmen-

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Letztlich dürfte all dies allerdings keine überragend wichtige Rolle spielen, weil sich eine Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung ohnehin aus dem jeweiligen nationalen (Verfassungs-)Recht der Mitgliedstaaten ergibt.184 Insofern ist die bloße Feststellung dieser – nach dem EuGH – unionsrechtlichen Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts noch nicht allzusehr geeignet, die Einheitlichkeit zu befördern – sie besteht unabhängig von der – behaupteten – unionsrechtlichen Pflicht bereits aufgrund des nationalen (Verfassungs-)Rechts. Jedoch ist dem EuGH zu konzedieren, daß die zentralisierte Festlegung des genauen Umfangs dieser Pflicht der Einheitlichkeit der Unionsrechtsordnung durchaus zu größerer praktischer Wirksamkeit verhelfen würde, kann der Umfang der Pflichten nach dem jeweiligen nationalen Recht doch nicht unerheblich divergieren.185 bb) Vermittels der Klärung abstrakter Rechtsfragen Erörternswert erscheint indes die Frage, ob die allgemein verbindliche Festlegung der Rechtswirkungen von Rahmenbeschlüssen in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen die – zu einem gewissen Grade durchaus zuzugebende – Beförderung der Einheitlichkeit der Unionsrechtsordnung auch vermittels der Klärung abstrakter Rechtsfragen erfolgen würde. Mit anderen Worten: Handelt es sich bei den Rechtswirkungen von Rahmenbeschlüssen in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen insoweit um abstrakte Rechtsfragen, als es noch – wie es für das Vorlageverfahren vorgesehen ist186 – dem nationalen Richter obliegt, die Folgerungen aus der abstrakten Beantwortung der Frage für den zu entscheidenden Fall zu ziehen? In letzter Konsequenz ist diese Frage wohl zu bejahen. Versteht man „abstrakt“ als „vom Einzelfall losgelöst“, so ist festzuhalten, daß die Bestimmung der innerstaatlichen Rechtswirkungen von Rahmenbeschlüssen sich gerade nicht ausschließlich auf die Lösung des Einzelfalles bezieht, sondern vielmehr losgelöst von diesem in allen denkbaren Fällen Anwendung finden kann, in denen ein Rahmenbeschluß eine Rolle spielt. Somit geht es bei der Frage der Wirkweise von Rahbeschluß-)konformen Auslegung sich weitgehend mit der mischief rule des britischen Rechts überschneide; vgl. Prevel, CDE 43 (2007), 695 (716). 184 Vgl. die Nachweise in Prolegomena, Fn. 19. 185 Besonders völkerrechtsfreundlich erscheint etwa das niederländische Verfassungsrecht, das in Art. 94 der niederländischen Verfassung Völkervertragsrecht mit self-executing-Charakter Vorrang vor sämtlichem Recht, einschließlich der Verfassung, einräumt und das eine Beachtungspflicht des Völkerrechts bei der Auslegung des nationalen Rechts konstituiert; vgl. Brölmann / Vierdag, in: Eisemann, 433 (448 f.). Verhältnismäßig wenig völkerrechtsfreundlich präsentiert sich demgegenüber das britische Recht, in dem im Zweifel das nationale Recht bzw. einschlägiges case-law völkerrechtlichen Verpflichtungen vorgeht; vgl. Fox / Gardner / Wickremasinghe, in: Eisemann, 495 (505). 186 Everling, Vorabentscheidungsverfahren, 54.

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menbeschlüssen auch um eine vom konkreten Verfahren losgelöste allgemeine Rechtsfrage. Umgekehrt kann jedoch kaum bestritten werden, daß die abstrakte Frage der innerstaatlichen Wirkweise eines Rahmenbeschlusses bereits sehr viel konkretere Auswirkungen für die Anwendung des nationalen Rechts hat, das unstreitig an sich Sache des nationalen Gerichts ist,187 als die bloße Frage nach der Auslegung eines Unionsrechtsaktes. Während sich die Auslegung eines Unionsrechtsaktes, beispielsweise eines Rahmenbeschlusses, ausschließlich auf diesen bezieht und dem Richter die volle Entscheidung darüber beläßt, wie er diese Auslegung bei der Anwendung des nationalen Rechts – das letztlich zur Lösung des Falles führt – berücksichtigen will, verbleibt dem Richter bei der Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung des nationalen Rechts weitaus weniger Spielraum bei dessen Anwendung. Im Prinzip ist der Richter in diesem Falle letztlich darauf zurückgeworfen zu überprüfen, ob die rahmenbeschlußkonforme Auslegung des nationalen Rechts noch möglich ist, ohne zu einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts zu führen;188 nur wenn dies drohen sollte, darf er – wie es im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens generell vorgesehen ist – seine Folgerungen aus der abstrakten Beantwortung der Frage für den zu entscheidenden Fall ziehen. In allen übrigen Fällen hingegen muß er bei Zugrundelegung einer unionsrechtlichen Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung über das Scharnier des nationalen Rechts die Vorgaben des Rahmenbeschlusses – gegebenenfalls in der Auslegung, die er durch den EuGH erfahren hat – gewissermaßen eins zu eins umsetzen. Hierdurch jedoch bekäme das Vorlageverfahren nach Art. 35 I – V EUV für die Lösung des bestimmten Einzelfalles bereits deutlich konkretere Züge;189 eigene rechtliche – über die Anwendung der Vorgaben des EuGH auf den zu entscheidenden Fall hinausgehende – Folgerungen aus der Beantwortung der abstrakten Rechtsfrage zu ziehen wäre dem Richter in einem Großteil der Fälle praktisch unmöglich. Ganz so abstrakt, wie das Vorlageverfahren von seinem Grundgedanken her eigentlich sein sollte, wäre es dann indes nicht mehr.190 187 Für das gemeinschaftsrechtliche Vorlageverfahren nach Art. 234 EGV Everling, Vorabentscheidungsverfahren, 27; Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 234 EGV, Rn. 27. 188 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 47. 189 Weißer ist ebenfalls der Auffassung, daß das Unionsrecht die Entscheidung von mitgliedstaatlichen Gerichtsverfahren „maßgeblich beeinflussen“ kann [ZIS 1 (2006), 562 (575)]. 190 Auch Generalanwalt Ruíz-Jarabo Colomer betont in seinen Schlußanträgen vom 19. September 2002 in den Rs. C-187 / 01 und C-385 / 01 betreffend das Vorlageverfahren nach Art. 35 EUV die alleinige Befugnis des EuGH zur Auslegung des vorgelegten Rechtsaktes und verneint jede Kompetenz des EuGH zur Beurteilung der Auswirkungen der auszulegenden Norm auf das schwebende innerstaatliche Verfahren [Schlußanträge, Rs. C-187 / 01 und C-385 / 01, Gözütok und Brügge, Slg. 2003, I-1345, Rn. 36 f.]. Damit betont Ruíz-Jarabo Colomer i. w. die Abstraktheit des Vorlageverfahrens, das sich eben gerade nicht mit konkreten, sondern mit abstrakten Rechtsfragen beschäftigen soll.

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cc) Ergebnis Wahrung der Einheitlichkeit des Rechts vermittels der Klärung abstrakter Rechtsfragen Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, daß eine Kompetenz des EuGH, über die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen befinden zu können, durchaus in einem gewissen Maße die Einheitlichkeit der Unionsrechtsordnung befördern würde und die Feststellung einer mitgliedstaatlichen Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung innerstaatlichen Rechts letztlich eine abstrakte, weil vom konkreten Fall losgelöste Rechtsfrage wäre. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß die Auswirkungen für die konkrete Fallgestaltung regelmäßig nicht unerheblich wären, weil dem Richter kaum mehr eigener Raum verbliebe, die Folgerungen aus der abstrakten Beantwortung der Frage für den zu entscheidenden Fall zu ziehen – es wäre regelmäßig eine zwingende rahmenbeschlußkonforme Auslegung die Folge. Allerdings verbliebe dem nationalen Richter noch die Entscheidung über den konkreten Fall. Insofern wäre das Vorlageverfahren zwar kein abstraktes Verfahren in Reinform mehr, jedoch würde die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen unter dem Gesichtspunkt der Abstraktheit noch eine zulässige Vorlagefrage darstellen. b) Unterstützung nationaler Gerichte bei der Durchsetzung des Rechts Was den zweiten Hauptzweck von Vorlageverfahren angeht, die Unterstützung der nationalen Gerichte bei der Durchsetzung des Rechts, sieht das Bild eindeutiger aus. Häufig werden mitgliedstaatliche Gerichte mit Fragen zur Auslegung des Unionsrechts konfrontiert sein, die sie selbst nur schwer oder überhaupt nicht lösen können191 – sei es, weil die Vielzahl an verbindlichen Sprachfassungen den einzelnen Richter überfordert oder weil er die Entstehungsgeschichte und den verfahrensrechtlichen Hintergrund eines Unionsrechtsaktes nicht vollumfänglich zu überblicken vermag.192 Eine Unterstützung durch den EuGH, der mit Richtern aus allen Mitgliedstaaten besetzt ist (Art. 221 I EGV), seinerseits durch Generalanwälte unterstützt wird (Art. 222 EGV) und auch ansonsten im Zweifel über weiterreichende Ressourcen zur Beantwortung spezifisch europarechtlicher Fragen als der durchschnittliche nationale Richter verfügt, erscheint hier sehr gut vorstellbar.193 Daß hingegen die nationalen Gerichte nicht in der Lage wären, selbst anhand ihres jeweiligen (Verfassungs-)Rechts zu entscheiden, welche Wirkungen einem Vgl. Groh, 52; Hummert, 37; Kokott / Henze / Sobotta, JZ 61 (2006), 633 (635). Man kann sich gut vorstellen, daß ein Fachgericht ähnlich große Schwierigkeiten hätte zu bestimmen, welche Regeln des Völkergewohnheitsrechts gemäß Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sind und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den einzelnen erzeugen, und daher dankbar über die Möglichkeit zur Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 II GG ist und dies als echte Unterstützung ansieht. 193 Vgl. allgemein zum – nicht immer leichten – Umgang der nationalen Gerichte mit dem Gemeinschaftsrecht Prechal, YEL 25 (2006), 429 (432 – 436 und passim). 191 192

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sekundären Unionsrechtsakt in ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht zukämen, ist fernliegend. Auch außerhalb des Unionsrechts sind nationale Gerichte häufig mit Fragen der Integration des internationalen Rechts in die nationale Rechtsordnung befaßt, die sie anhand des einschlägigen (Verfassungs-)Rechts, einschließlich der dazu ergangenen Judikatur, einer Lösung zuführen. Daß dieses im Zusammenhang mit Rahmenbeschlüssen besondere Schwierigkeiten bereiten würde, die der EuGH durch eine zentralisierte Vorgabe abmildern würde, ist nicht ersichtlich. Eine vergleichbar schwierige Situation wie etwa die Auslegung eines europarechtlichen Aktes in allen Sprachfassungen ist für den nationalen Richter hier nicht zu gewärtigen. Allenfalls mag man daran denken, daß es im Zweifel für ein mitgliedstaatliches Gericht einfacher sein könnte, den Buchstaben eines EuGH-Urteils zu folgen, als sich selbst – mehr oder weniger aufwendig – auf die Suche nach der richtigen Lösung nach dem nationalen Recht zu begeben. Sollte diese Erwägung überhaupt zutreffen, wären diese Erleichterungen der mitgliedstaatlichen Gerichte jedenfalls aber durch den Aufwand, der mit einer wohlbegründeten Vorlage nach Luxemburg einhergeht,194 wohl mehr als aufgewogen. Eine maßgebliche Unterstützung der mitgliedstaatlichen Gerichte durch die zentralisierte Bestimmung der innerstaatlichen Rechtswirkungen eines Rahmenbeschlusses seitens des EuGH kann demnach nicht ausgemacht werden.

c) Schutz individueller Rechtspositionen Es fragt sich schließlich, ob durch die zentralisierte Festlegung der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen der Schutz individueller Rechtspositionen befördert würde. Dies pauschal zu beantworten erscheint kaum möglich. Vielmehr scheint es eine Frage des Einzelfalles zu sein. Möglicherweise wäre der individuelle Rechtsschutz nach dem (Verfassungs-)Recht mancher Mitgliedstaaten sogar noch ausgeprägter195 oder fiele jedenfalls nicht hinter dem vom EuGH begründeten unionsrechtlichen Rechtsschutz zurück.196 194 Vgl. zu den nicht unerheblichen formalen Anforderungen, die an die mitgliedstaatlichen Gerichte zur Einreichung einer Vorlage an den EuGH gestellt werden, die „Hinweise zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die nationalen Gerichte“, ABl. 2005 C 143, 1. 195 Vgl. etwa die sehr weitreichende Beachtungspflicht der EuGH / EuG-Rechtsprechung im Vereinigten Königreich nach Section 3 I des European Communities Act 1972 [1972 Chapter 68], die neuerdings ausdrücklich auch die Rechtsprechung zum Unionsrecht einschließt [House of Lords, Dabas v. High Court of Justice, Madrid, [2007] UKHL 6, [2007] 2 WLR, 254, Rn. 76 (Lord Brown)]. Auch ohne die vom EuGH begründete unionsrechtliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung erscheint daher eine innerstaatliche Beachtung einschlägiger – ggf. durch den EuGH verbindlich ausgelegter – Rahmenbeschlüsse gesichert. 196 Dies dürfte wohl mit Blick auf die Görgülü-Entscheidung des BVerfG und das Prinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes für die deutsche Rechtsordnung gelten; vgl. BVerfGE 111, 307 (317 ff.); vgl. zur Görgülü-Entscheidung des BVerfG auch unten

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Zudem zeigt gerade die Rechtssache Pupino, daß eine Vorlage an den EuGH nicht zwingend zu einer Verbesserung der eigenen Rechtsposition führen muß. Für die Angeschuldigte Maria Pupino verschlechterte sich die Rechtsposition durch den „vom EuGH gewährten Rechtsschutz“ sogar insoweit signifikant, als ihr die direkte Befragung der von ihr vorgeblich mißhandelten Kinder als maßgebliche Belastungszeugen – gerade durch die Berufung auf den einschlägigen Rahmenbeschluß zur Verbesserung des Opferschutzes – verwehrt wurde. Hierbei handelt es sich immerhin um die Versagung eines strafprozessualen Rechts, das seinen positivrechtlichen Niederschlag auch in Art. 6 III lit. d EMRK gefunden hat.197 Dieses Beispiel zeigt anschaulich, daß die Verbesserung des Rechtsschutzes des einen als Kehrseite die Verschlechterung der Rechtsposition des anderen bedeuten kann.198 Eine Verbesserung des individuellen Rechtsschutzes mag daher zumal in der vom Straf- beziehungsweise Strafprozeßrecht beherrschten Dritten Säule durch die innerstaatliche Beachtlichkeit einschlägiger Rahmenbeschlüsse gar hintertrieben werden, bedenkt man, daß die Verbesserung der besonders grundrechtssensiblen199 Strafrechtspflege ein maßgeblicher Zweck200 der Zusammenarbeit in diesem Bereich ist. Im Zweifel steht hier eine möglichst effektive Strafverfolgung im Mittelpunkt der mitgliedstaatlichen Bemühungen, so daß die Gefahr groß ist, daß die Verbesserung der Effektivität der Strafverfolgung zu Lasten der mutmaßlichen Delinquenten gehen könnte.201 Eine pauschale Verbesserung des individuellen Rechtsschutzes durch eine zentralisierte Festlegung der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen durch den EuGH kann daher jedenfalls nicht ausgemacht werden.

d) Ergebnis Teleologie Nach alledem ergibt sich ein nicht ganz einheitliches Bild: Zwar ist in der Tat zu konzedieren, daß die Einheitlichkeit der Unionsrechtsordnung durch eine Kompetenz des EuGH zur verbindlichen einheitlichen Bestimmung der innerstaatlichen Rechtswirkungen von Rahmenbeschlüssen gewinnen würde. Doch würde dieses Ergebnis zu dem Preis erzielt, daß das Vorabentscheidungsverfahren zumindest seine Abstraktheit in Reinform einbüßen würde. Zudem sprechen die anderen Dritter Teil C. III. 1. c) aa). Auch die Rechtsordnungen vieler zentral- und osteuropäischer Mitgliedstaaten stehen dem Völkerrecht – und zumal dem Völkervertragsrecht – ausgesprochen offen gegenüber; vgl. Schweisfurth / Alleweldt, GYIL 40 (1997), 164 (180). 197 Diesen Aspekt betonend Weißer, ZIS 1 (2006), 562 (575). 198 Seit mehreren Jahren wird auf EU-Ebene – gleichsam als Gegenstück zur Stärkung der Opferrechte – über einen Rahmenbeschluß über die Rechte des Beschuldigten im Strafverfahren nachgedacht; vgl. Rudolf / Giese, ZRP 40 (2007), 113 m. w. N. 199 Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (375); Rudolf / Giese, ZRP 40 (2007), 113 (116). 200 Vgl. zu den Zwecken der Strafrechtsharmonisierung Ligeti, 20 ff. 201 Ebenso Mitsilegas, CMLRev 43 (2006), 1277 (1288).

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

Zwecke des Vorabentscheidungsverfahrens jedenfalls nicht unbedingt zugunsten einer einheitlichen, zentralisierten Bestimmung der innerstaatlichen Rechtswirkungen von Rahmenbeschlüssen, wenn nicht in mancherlei Hinsicht gar gegen sie. Insoweit lassen sich aus der teleologischen Betrachtung weder zwingende Argumente für noch gegen eine weitreichende Jurisdiktionskompetenz des EuGH ableiten.

4. Entstehungsgeschichte (travaux préparatoires) Gemäß Art. 32 WVK sind die travaux préparatoires lediglich ergänzende Auslegungsmittel und auch nur heranzuziehen, um das bereits erreichte Ergebnis zu bestätigen oder wenn die übrigen Auslegungsmethoden nach Art. 31 WVK zu keinem eindeutigen oder aber zu einem unvernünftigen Ergebnis führen.202 Daß das bisherige, aufgrund der Auslegungsmethoden des Art. 31 WVK erzielte Ergebnis insgesamt uneindeutig oder gar schlechterdings unvernünftig wäre, kann kaum behauptet werden. Insoweit kann es hier allein noch um die Bestätigung des gefundenen Ergebnisses gehen. Der Blick soll maßgeblich auf die Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag gerichtet werden, der die Kompetenzen des EuGH im Bereich des Unionsrechts grundlegend neu gefaßt hat. Hierzu kann zunächst festgehalten werden, daß die Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten über die Modifikationen des Titels VI des EUV zu denen gehörten, die sich am längsten hinzogen,203 worin ein großes Maß an Uneinigkeit zwischen den verhandelnden Mitgliedstaaten in diesem Bereich zum Ausdruck kommt.204 In der Tat herrschte über lange Zeit keine Einigkeit, was die Erweiterung der Kompetenzen des EuGH im Bereich des Unionsrechts anbelangt. Vielmehr zeigten viele Mitgliedstaaten einen ausgeprägten Widerwillen gegenüber jedweder Justitiabilität des Titels VI des EUV.205 Zwar hatte Belgien einen Vorschlag zur Erstreckung der Befugnisse des EuGH im Rahmen der Vorabentscheidung auch auf die Auslegung des primären Unionsrechts eingebracht, dieser Vorschlag wurde jedoch von der Amsterdamer Regierungskonferenz abgelehnt.206 Hingegen gab es durchaus auch Bestrebungen in die entgegengesetzte Richtung. So wollte Spanien etwa das Vorabentscheidungsverfahren modifizieren mit dem Ziel, die schöpferische Rolle des EuGH einzuschränken.207 Das Vereinigte Königreich leistete mit Blick auf die konservative europa202 Vgl. aber auch die Ansicht, nach der den travaux préparatoires auch über die Beschränkungen des Art. 32 WVK hinausgehende Bedeutung zukommen soll; Linderfalk, NILR 54 (2007), 133 (137 ff.), der selbst aber dieser Ansicht ablehnend gegenübersteht. 203 Kortenberg, RTD eur. 33 (1997), 709 (714). 204 Vgl. Monar, ELRev 23 (1998), 320 (322 f.). 205 Chavrier, RMC 43 / 441 (2000), 542 (548); Curti Gialdino, RMUE 2 / 1998, 84 (95 ff.). 206 Vgl. Wasmeier, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 35 EUV, Rn. 7 m. w. N. 207 Vgl. Chavrier, RMC 43 / 442 (2000), 620 (621).

B. Kompetenz des EuGH zur inzidenten Begutachtung primären Unionsrechts

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skeptische Strömung im Lande208 und die im Frühjahr 1997 anstehenden Parlamentswahlen nicht nur großen Widerstand gegen jegliche Ausweitung der Kompetenzen des EuGH, sondern wollte vielmehr gewissermaßen sogar die Uhr zurückdrehen und gewisse – gemeinschaftsrechtsfreundliche – Entwicklungen in der EuGH-Rechtsprechung umkehren. Zu diesem Zweck präsentierte die Regierung Major noch im Juli 1996 ein Memorandum, in dem sie sich für umfangreiche Änderungen zu Lasten der Rolle des EuGH und seiner Rechtsprechung aussprach.209 Zwar hat die neugewählte Labour-Regierung unter der Führung Tony Blairs nach dem Sieg von Labour bei den Parlamentswahlen 1997 noch im Rahmen der Verhandlungen über den Amsterdamer Vertrag wesentliche Teile des Memorandums wieder zurückgezogen,210 so daß hernach unproblematisch eine generelle Einigung darüber erzielt werden konnte, die Kompetenzen des EuGH auch auf die Rechtsinstrumente der Dritten Säule zu erstrecken.211 Weiterhin streitig war indes gerade, wie diese Kompetenzen genau auszugestalten wären.212 Die Entstehungsgeschichte des Amsterdamer Vertrages zeigt deutlich, daß die Mitgliedstaaten seinerzeit weit davon entfernt waren, einen Konsens dahin gehend zu erreichen, die Kompetenzen des EuGH – zumal im Bereich der Dritten Säule – ins Grenzenlose zu erweitern und namentlich auch auf das primäre Unionsrecht zu erstrecken.213 Letztlich stellt Art. 35 EUV somit einen politischen Kompromiß zwischen den EuGH-freundlichen und EuGH-skeptischen Mitgliedstaaten dar,214 der im vollen Bewußtsein der Unterschiede zwischen einer vollumfänglichen und einer auf bestimmte Materien begrenzten Gerichtsbarkeit215 geschlossen worden ist.

5. Ergebnis Vorabentscheidungsverfahren Zusammenfassend läßt sich folgendes über die Kompetenz des EuGH sagen, im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 35 I – V EUV wenigstens inzidenter auch dasjenige primäre Unionsrecht begutachten zu können, das Rückschlüsse auf die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zulassen könnte: Bereits der Wortlaut läßt kaum einen Zweifel daran aufkommen, daß die innerstaatliche Wirkweise nicht zu denjenigen rechtlichen Aspekten gehört, unter denen Vgl. Kortenberg, RTD eur. 33 (1997), 709 (713). Vgl. Chavrier, RMC 43 / 442 (2000), 620 (621); de Witte, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 91 (94 f.); vgl. näher zu dem britischen Memorandum Mittmann, 267 f. und 310 ff. 210 Vgl. Chavrier, RMC 43 / 442 (2000), 620 (621). 211 Vgl. Kortenberg, RTD eur. 33 (1997), 709 (716). 212 Vgl. Kortenberg, RTD eur. 33 (1997), 709 (716). 213 Vgl. ganz ähnlich Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (24 f.). 214 Kostakopoulou, in: Barnard, 153 (167); Ligeti, 264. 215 Vgl. für das Bekanntsein dieser Unterscheidung im französischen Rechtskreis Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, Rn. 176. 208 209

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

der EuGH Rahmenbeschlüsse untersuchen darf. Die innerstaatliche Wirkweise ist in keiner Weise ein Aspekt der Gültigkeit eines Rahmenbeschlusses, stellt aber auch keine Auslegung des Rahmenbeschlusses selbst dar. Auch eine sehr feinsinnige Herangehensweise vermochte hieran nichts zu verändern. Vor allem aber auch die systematische Betrachtung des Art. 35 I EUV legt ein sehr enges Verständnis der Norm nahe; die Stellung im intergouvernementalen Recht des EUV, ein umfassender Vergleich mit den – bewußt nicht eins zu eins ins Unionsrecht übertragenen – gemeinschaftsrechtlichen Parallelnormen und nicht zuletzt die Struktur des Art. 35 I EUV mit seiner enumerativen Auflistung derjenigen Sekundärrechtsakte, die untersucht werden dürfen, und derjenigen rechtlichen Aspekte, die der Untersuchung zugrunde gelegt werden dürfen, sprechen allesamt für einen sehr behutsamen Umgang mit dieser Norm. Gestützt wird dieses Ergebnis auch durch das subsidiäre Auslegungsmittel der travaux préparatoires, die gleichfalls eine zurückhaltende Annäherung an diese Norm bedeuten. Allein die teleologische Betrachtung des unionsrechtlichen Vorabentscheidungsverfahrens läßt auch ein weiteres Verständnis möglich erscheinen, hinterläßt ihrerseits allerdings kein vollkommen einheitliches Bild, da etwa der angestrebte Zweck des Schutzes individueller Rechtspositionen durchaus zu einem vorsichtigen Berufen auf Rahmenbeschlüsse bei der Anwendung innerstaatlichen Rechts gemahnt. Die Argumente gegen eine Kompetenz des EuGH, im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 35 I – V EUV auch über die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen befinden zu dürfen, überwiegen mithin die Argumente zugunsten einer solchen Kompetenz des EuGH bei weitem. Die pauschalen Verweise des EuGH im Pupino-Urteil auf Art. 234 EGV gehen letztlich fehl.216 Der EuGH besitzt demnach nicht die Kompetenz, sich zur innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu äußern.

II. Nichtigkeitsklage (Art. 35 VI EUV) Im Rahmen der Nichtigkeitsklage des Art. 35 VI EUV entscheidet der EuGH über die Rechtmäßigkeit von Rahmenbeschlüssen und Beschlüssen wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des EUV oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmißbrauchs. Wie bereits gesehen, entspricht der Terminus „Rechtmäßigkeit“ dem der „Gültigkeit“ aus Absatz 1.217 Daß die Begriffe Gültigkeit respektive Rechtmäßigkeit nicht die innerstaatliche Wirkweise eines Rechtsaktes (hier: des Rahmenbeschlusses) einschließen, ist bereits dargetan worden.218 Folglich hat der 216 217 218

Vgl. die obigen Ausführungen in Erster Teil, Fn. 73. Vgl. oben Erster Teil, Fn. 101 und 102 sowie den begleitenden Text. Vgl. oben Erster Teil B. I. 1. a).

B. Kompetenz des EuGH zur inzidenten Begutachtung primären Unionsrechts

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EuGH auch im Rahmen der Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV nicht die Kompetenz, über die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu befinden.

III. Streitbeilegungsverfahren (Art. 35 VII EUV) Das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 35 VII EUV eröffnet dem EuGH in seinen beiden Sätzen zweierlei Kompetenzen: Satz 2 ist beschränkt auf Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung der nach Art. 34 II lit. d EUV erstellten Übereinkommen. Eine Kompetenz zur Beurteilung der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen scheidet hiernach von vornherein aus. Bleibt allein noch Satz 1 des Art. 35 VII EUV, nach dem der EuGH zuständig ist für alle Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten über die Auslegung und Anwendung der nach Art. 34 II EUV angenommenen Rechtsakte, mithin auch der Rahmenbeschlüsse. Daß die innerstaatliche Wirkweise nicht zu der Auslegung eines Rechtsaktes gerechnet werden kann, ist ausführlich dargelegt worden.219 Es fragt sich jedoch, ob möglicherweise die Beurteilung der Anwendung eines Rahmenbeschlusses auch dessen innerstaatliche Wirkweise einschließt. Wie bereits an früherer Stelle kurz angerissen worden ist, bedeutet „Anwendung“220 die Subsumtion eines Sachverhalts unter eine Rechtsnorm.221 Dies setzt denklogisch die Kompetenz zur Auslegung der einschlägigen Norm voraus. Über die bloße Auslegung der einschlägigen Rechtsnorm hinaus schließt die Anwendung des Unionsrechts – im Gegensatz zum Vorabentscheidungsverfahren – aber gerade auch die Beurteilung des konkreten Falles ein. Augenfällig ist damit eine Erweiterung der judikativen Befugnisse verbunden. Ob dies jedoch auch die Beurteilung der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen einschließt, erscheint hingegen äußerst zweifelhaft. Wie bereits dargetan, besteht die Bedeutung einer völkerrechtlichen Verpflichtung für einen Staat allein darin, diese Verpflichtung im Außenverhältnis erfüllen zu müssen, ohne indes jedwede Auswirkungen auf die innerstaatliche Rechtsordnung zu beinhalten.222 Schon daher kann die Anwendung einer völkerrechtlichen Norm auf einen konkreten Fall an sich keinerlei unmittelbare Wirkung für die innerstaatliche Rechtsordnung haben.223 Es wird lediglich festgestellt, ob das VerhalVgl. oben Erster Teil B. I. 1. b). Die anderen Sprachfassungen legen mit „application“ bzw. „tillämpning“ kein anderes Verständnis nahe. 221 Dauses, 80; Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 234 EGV, Rn. 31. 222 Vgl. oben Erster Teil, Fn. 9 sowie den begleitenden Text. 223 Vgl. aber die Berücksichtigungspflicht von Entscheidungen internationaler Gerichte sowie des zugrunde liegenden Völkerrechts im deutschen Recht; BVerfGE 111, 307 (317 ff.); BVerfG, NJW 60 (2007), 499 (501 f.); vgl. zu letzterer Entscheidung Richter, GYIL 49 (2006), 51. 219 220

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

ten eines Staates mit der völkerrechtlichen Verpflichtung im Einklang steht oder nicht. In letzterem Falle ist nach geltendem Völkerrecht der Staat gehalten, diesem Völkerrechtsverstoß abzuhelfen. Wie diese Abhilfe vonstatten zu gehen hat, richtet sich jedoch wiederum nach dem nationalen Recht. Etwas anderes wäre für das hier behandelte Unionsrecht allein dann anzunehmen, wenn es sich bei ihm bereits um eine eigenständige Rechtsordnung handeln würde, die selbständig neben den nationalen Rechtsordnungen stünde,224 wie es für das Gemeinschaftsrecht allgemein anerkannt ist.225 Daß dieses nach der lex lata bereits anzunehmen ist, kann indes kaum behauptet werden. Hier soll es vielmehr ausreichen, darauf hinzuweisen, daß die Anwendung einer völkerrechtlichen Norm, also die Subsumtion eines konkreten staatlichen Verhaltens unter eine völkerrechtliche Norm, in der internationalen Gerichtsbarkeit gang und gäbe ist,226 ohne daß jemals behauptet würde, dies müsse zu einer „Durchgriffswirkung“ auf das nationale Recht führen und namentlich auch die Bestimmung der innerstaatlichen Wirkweise der in Rede stehenden völkerrechtlichen Norm einschließen. Insofern ist auch für das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 35 VII EUV nichts anderes zu konstatieren: Die Anwendung eines Rahmenbeschlusses beinhaltet nicht auch die Befindung über seine innerstaatliche Wirkweise.

224 Generell offen für eine solche Entwicklung schon im Jahre 1995 wohl von Bogdandy / Nettesheim, NJW 48 (1995), 2324; ebenfalls offen wohl Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (378 f.), der unter Berufung auf das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip zugunsten einer Ausweitung des Kreises der Klagebefugten im Rahmen der unionsrechtlichen Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV im Wege der Rechtsfortbildung argumentiert und in diesem Zusammenhang auf die entsprechende Rechtsfortbildung durch den EuGH im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Nichtigkeitsklage nach Art. 173 EGV a. F. verweist [EuGH, Rs. 70 / 88, Tschernobyl I, Slg. 1990, 2041]; kritisch zu einer entsprechenden Ausweitung des Kreises der Klagebefugten auch im Unionsrecht aber Ludwig, 166 ff.; Pechstein, EU- / EG-ProzessR, Rn. 562; Suhr, in: Calliess / Ruffert, Art. 35 EUV, Rn. 14. 225 EuGH, Rs. 6 / 64, Costa / ENEL, Slg. 1964, 1251 (1269); BVerfGE 22, 293 (296). 226 Es sei hier exemplarisch verwiesen auf die Streitbeilegungsregime nach der EMRK, UNCLOS sowie dem IGH-Statut. Nach Art. 32 I EMRK ist der EGMR zuständig für die Auslegung und Anwendung der EMRK sowie der Zusatzprotokolle. Die verschiedenen (obligatorischen) Gerichtsbarkeiten nach UNCLOS sind gemäß Art. 286 I; 288 I–II UNCLOS ebenfalls für die Auslegung und Anwendung von UNCLOS (sowie mit diesem zusammenhängenden internationalen Übereinkünften) zuständig. Und auch wenn dies im IGH-Statut nicht ganz so deutlich zum Ausdruck kommt, so entscheidet doch der IGH stets über konkrete Sachverhalte, die jeweils unter die einschlägigen völkerrechtlichen Normen subsumiert werden müssen (freilich vom Gutachtenverfahren nach Art. 65 ff. IGH-Statut abgesehen, in dem der IGH auch abstrakte Rechtsfragen klären kann [Pratap, 130]); vgl. etwa die Zuständigkeit des IGH im Rahmen des Art. IX der Völkermordkonvention (i. V. m. Art. 36 I IGH-Statut), nach dem der IGH zuständig ist für Streitfälle hinsichtlich Auslegung, Anwendung und Durchführung der Völkermordkonvention, sowie den enorm weiten Anwendungsbereich der Zuständigkeit ratione materiae nach Art. 36 II IGH-Statut aufgrund korrespondierender Unterwerfungserklärungen der Streitparteien [nach Tomuschat umfaßt dieser „just about anything“; in: Zimmermann / Tomuschat / Oellers-Frahm, Art. 36, Rn. 74].

C. Ergebnis Jurisdiktionskompetenz des EuGH

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C. Ergebnis Jurisdiktionskompetenz des EuGH in bezug auf die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen Nach alledem muß konstatiert werden, daß die Jurisdiktionskompetenzen des EuGH im Bereich der Dritten Säule nicht so weit reichen, wie es vielleicht auf den ersten Blick wirken mag. Eine originäre Kompetenz zur Begutachtung des primären Unionsrechts besitzt der EuGH nur in eng abgegrenzten Bereichen. Damit fällt die Kompetenz des EuGH deutlich hinter die anderer internationaler Gerichtsbarkeiten zurück,227 die regelmäßig auch die ihre Zuständigkeit begründenden Verträge begutachten können. Jenseits dieser begrenzten Kompetenzen im Bereich des Primärrechts kommen dem EuGH im wesentlichen Zuständigkeiten hinsichtlich des sekundären Unionsrechts zu, wobei allerdings auch diese deutlichen Beschränkungen unterliegen. Was den EuGH – auch im Rahmen des Unionsrechts – von anderen internationalen Gerichtsbarkeiten unterscheidet, ist weniger, daß er Sekundärrechtsakte auslegen, sondern daß er diese auch für die Mitgliedstaaten verbindlich verwerfen228 kann.229 Allerdings fehlt es auch hier an einer unmittelbaren Wirkung für die innerstaatlichen Rechtsordnungen.230 Die auf dem sekundären Unionsrecht basierenden nationalen Umsetzungsgesetze verlieren nicht etwa ihre Rechtsgrundlage, sondern können ohne weiteres fortbestehen.231 Eine merklich integrierende Wirkung 227 A. A. Ludwig, 257, der von der Jurisdiktion des EuGH im Rahmen der Dritten Säule als von einer „neuartigen Verpflichtung“ spricht, die im Völkerrecht und in den internationalen Beziehungen keine Parallele finde. Siehe demgegenüber das zusammenfassende Fazit des Verfassers zu den Zuständigkeiten des EuGH im Rahmen der Dritten Säule unten Zweiter Teil C. III. 8. b) dd). 228 Sei es im Sinne eines Feststellungs- oder eines Gestaltungsurteils; vgl. unten Zweiter Teil, Fn. 454. 229 Vgl. auch Schermers / Blokker, § 912. 230 Mit der inter partes ggü. dem vorlegenden Gericht wirkenden Vorabentscheidung des EuGH scheint immerhin ein geringes Maß an Durchgriffswirkung auch im Unionsrecht auf – allerdings wiederum nur unter dem Vorbehalt, daß sich die Mitgliedstaaten der Gerichtsbarkeit des EuGH ausdrücklich unterworfen haben. 231 Reichelt, 149 ff. Für das Umsetzungsgesetz einer vom EuGH für nichtig erklärten gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie BVerfGE 118, 79 (97); Kurcz / azo wski, YEL 25 (2006), 177 (201); problematisch erscheint allerdings der Fall, wo die EG ausschließliche Kompetenzen besitzt; vgl. Apps, Col JEL 12 (2006), 625 (636). In der Literatur wird allgemein argumentiert, daß der mitgliedstaatliche Umsetzungsakt mit der Nichtigerklärung der Richtlinie seine demokratische Legitimation verliere und daher unanwendbar oder gar nichtig sei. Die hierfür vorgebrachten Argumente stützen sich jedoch maßgeblich auf dem nationalen Verfassungsrecht entspringenden Erwägungen und weniger auf das Gemeinschaftsrecht selbst; vgl. ausführlich Payandeh, DVBl 122 (2007), 741 (742 ff. m. w. N.). Da nach dem BVerfG im Rahmen der Dritten Säule die hauptsächliche politische Gestaltungsmacht ohnehin bei den nationalen Parlamenten liegt [BVerfGE 113, 273 (301)], erscheint ein Problem mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes im Falle des Wegfallens eines sekundären Unionsaktes höchst unwahrscheinlich.

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1. Teil: Jurisdiktionskompetenz des EuGH

hat schließlich das Vorabentscheidungsverfahren, das allerdings nicht nur durch das beschränkte Ausmaß seiner Anwendung ratione materiae an Bedeutung einbüßt, sondern ganz entscheidend auch durch seinen – in doppelter Hinsicht – bloß fakultativen Charakter. Das folgende Fazit scheint daher unausweichlich: Dem EuGH kommt keine Kompetenz zu, sich zu der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen (wie auch der Wirkweise der anderen Sekundärrechtsakte) zu äußern.232 Auch wenn ein anderes System der gerichtlichen Überprüfung von Rahmenbeschlüssen als das durch den EUV geschaffene sicherlich vorstellbar ist – und nach dem der EuGH dann auch über die innerstaatliche Wirkweise eines Rahmenbeschlusses befinden könnte –, so wäre es doch nach Art. 48 EUV gegebenenfalls Sache der Mitgliedstaaten, das derzeit geltende System zu reformieren.233

232 A. A., allerdings jeweils ohne Begründung, wohl Lysén, Framework decisions, 52 („It is certainly within the jurisdiction of the ECJ to determine the legal effects of framework decisions in the light of the EU Treaty.“) sowie Wasmeier, ZEuS 9 (2006), 23 (30), der offenbar der Meinung ist, der EuGH könne über die Rechtsnatur des Rahmenbeschlusses befinden. 233 So praktisch wortgleich der EuGH im Verfahren Unión de Pequen ˜ os Agricultores, in dem es um die Möglichkeit ging, individuellen Rechtsschutz vor dem EuGH zu erwirken [EuGH, Rs. C-50 / 00 P, Unión de Pequen˜os Agricultores, Slg. 2002, I-6677, Rn. 45], sowie jüngst in den Verfahren Gestoras Pro Amnistía und Segi, in denen sich der EuGH zur Justitiabilität von Gemeinsamen Standpunkten nach Art. 34 II lit. a EUV geäußert hat [EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. EuGH, Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 50]. In seinem Maastricht-Urteil vertritt das BVerfG bekanntlich die Auffassung, daß eine Auslegung von Befugnisnormen der Verträge, die im Ergebnis einer Vertragsänderung gleichkomme, keine Bindungswirkung für Deutschland entfalten würde [BVerfGE 89, 155 (188 und 210)]. Dies gilt auch für Urteile des EuGH [Dettling, EuZW 17 (2006), 519 (523)]. Insofern ist in der verbindlichen Feststellung der innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen durch den EuGH in Überdehnung seiner Befugnisse nach dem EUV ein „ausbrechender Rechtsakt“ i. S. d. Maastricht-Urteils zu erblicken; ähnlich, allerdings wohl allein auf den materiellen Ausspruch des Pupino-Urteils bezogen Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (844).

Zweiter Teil

Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts? Der EuGH hat in seinem Pupino-Urteil das im Zusammenhang mit Richtlinien nach Art. 249 III EGV bekannte Prinzip richtlinienkonformer Auslegung nationalen Rechts dem Grundsatze nach auch auf Rahmenbeschlüsse der Dritten Säule für anwendbar erklärt. Wie bereits eingangs erwähnt, ist das Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Begründung, mit welcher der EuGH sein Ergebnis zu stützen sucht – nämlich durch Rückgriff auf die Regelungen und Grundsätze des EUV –, vermag indes nicht zu überzeugen.

A. Problemaufriß I. Gründe für die richtlinienkonforme Auslegung im Gemeinschaftsrecht Die aus dem Gemeinschaftsrecht bekannte Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung stellt einen Einbruch in die nationale Rechtsordnung dar.1 Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung wirkt sich insoweit unmittelbar auf die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten aus, als die Rechtspositionen einzelner ohne ein Zutun der Mitgliedstaaten unmittelbar berührt werden;2 mehr noch ist die verpflichtende richtlinienkonforme Auslegung gerade eine Folge der Untätigkeit3 der Mitgliedstaaten. Die im Völkerrecht an sich bestehende Ent1 Di Fabio, NJW 43 (1990), 947 (947); Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842); Jarass, EuR 26 (1991), 211 (211); Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (240); Pechstein / Koenig, Rn. 245; Thüsing, ZIP 25 (2004), 2301 (2305); Tinkl, StV 26 (2006), 36 (37 f.); ebenso wohl auch Gas, EuR 41 (2006), 285 (293 f.); Prechal spricht von einer „relatively mild incursion into the national legal system“ [Directives, 180]; für die rahmenbeschlußkonforme Auslegung Gärditz / Gusy, GA 153 (2006), 225 (235); Herrmann, EuZW 16 (2005), 436 (437); Lebeck, GLJ 8 (2007), 501 (524); Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1109); Wehnert, NJW 58 (2005), 3760 (3762). Der EuGH formuliert im Pupino-Urteil: „[ . . . ] wenn die Einzelnen nicht berechtigt wären, sich auf Rahmenbeschlüsse zu berufen [ . . . ]“ [EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 38]. Auch der EuGH geht also offenbar von einer unmittelbaren Berechtigung einzelner aus. 2 Vgl. etwa Emmert / Pereira de Azevedo, RTD eur. 29 (1993), 503 (514). 3 Bzw. im Falle der unzureichenden Umsetzung von Richtlinien eine Folge defizitärer Tätigkeit der Mitgliedstaaten.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

scheidungsfreiheit der Staaten, nach eigenem Ermessen darüber befinden zu können, ob und wie sie ihren nach außen bestehenden Verpflichtungen nachzukommen gedenken, ohne daß diese Verpflichtungen unmittelbare Auswirkungen auf die innerstaatliche Rechtsordnung hätten,4 wird hierdurch hinfällig. Die fehlende Möglichkeit des Staates, sich dieser Einwirkung auf die innerstaatliche Rechtsordnung zu entziehen, ist ein charakteristisches Merkmal der Durchgriffswirkung.5 Auch wenn das Völkerrecht grundsätzlich keinen Durchgriffseffekt in die innerstaatliche Rechtsordnung besitzt,6 die Staaten vielmehr, wie bereits gesehen, sich jede Rechtstreue versagen können, ohne daß bestehende Verpflichtungen unmittelbare Auswirkungen auf die innerstaatliche Rechtsordnung hätten,7 so ist doch dem Völkerrecht eine Durchgriffswirkung auf die nationale Rechtsordnung nicht vollkommen unbekannt.8 Voraussetzung ist jedoch, daß Grundlage für die Durchgriffswirkung eine völkervertragliche Verpflichtung ist. Die Durchgriffswirkung muß sich also aus dem völkerrechtlichen Vertrag selbst ergeben.9 Für die Richtlinie läßt sich eine Durchgriffswirkung indes nicht feststellen. Das Instrument der Richtlinie sieht gerade vor, daß die Mitgliedstaaten Umsetzungsakte ergreifen können und müssen,10 in bezug auf welche ihnen zudem Freiheit hinsichtlich der Wahl der Form und der Mittel zukommt. Eine unmittelbare (Durchgriffs-)Wirkung besitzt die Richtlinie – in Abgrenzung zur Verordnung nach Art. 249 II EGV – daher generell nicht;11 die Befugnis, legislativ12 mit unmittelbarer Wirkung in die Rechts4 Das ändert freilich nichts an der generell nach außen bestehenden völkerrechtlichen Pflicht aus Art. 26 WVK, völkervertragliche Verpflichtungen einzuhalten – nur kann diese eben ohne Auswirkungen auf die innerstaatliche Rechtssphäre mißachtet werden. Vgl. hierzu die obigen Ausführungen in Erster Teil, Fn. 9. 5 Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24, Rn. 9. Die Frage, inwieweit von einem völkerrechtlichen Vertrag abgeleitete Akte Durchgriffswirkung entfalten können, hat auch für das deutsche Verfassungsrecht Bedeutung, da für eine Durchgriffswirkung Hoheitsrechte i. S. d. Art. 24 I GG (bzw. Art. 23 I GG) übertragen werden müssen [vgl. hierzu näher Dritter Teil C. III. 2. c)] – was indes im Falle des EUV nicht stattgefunden hat; Flint, 161 i. V. m. 154 – 155; Pechstein / Koenig, Rn. 148; Reichelt, 16; Schmahl, EuR 43 (2008), Beiheft 1, 7 (34); Streinz, in: Sachs, Art. 23, Rn. 56. 6 Vgl. nur Betlem / Nollkaemper, EJIL 14 (2003), 569 (573 m. w. N.); Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24 Abs. 1, Rn. 30. 7 Auch für die Mitgliedstaaten verbindliche Beschlüsse Internationaler Organisationen bedürfen zu ihrer innerstaatlichen Wirksamkeit generell noch einer Transformation durch die Mitgliedstaaten; Seidl-Hohenveldern / Loibl, Rn. 1554 und 1556; Skubiszewski, BYIL 41 (1965 – 66), 198 (267). 8 Vgl. nur die Beispiele bei Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24 Abs. 1, Rn. 173 – 193. 9 Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 24 Abs. 1, Rn. 5; Everling, EuR 40 (2005), 411 (416); Pechstein / Koenig, Rn. 148; Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24, Rn. 9. Dies gilt zumindest für die Rechtslage nach dem deutschen Grundgesetz. 10 Statt aller Haratsch / Koenig / Pechstein, Rn. 334; Hartley, 201; Prechal, Directives, 5 f. 11 Czerner, EuR 42 (2007), 537 (556, Fn. 108). Auch die Möglichkeit der Richtlinie, unter bestimmten Voraussetzungen zu unmittelbarer Wirkung zu erstarken, ist nicht unmittelbar im EGV angelegt, sondern stellt einen Akt richterlicher Rechtsfortbildung durch den EuGH dar

A. Problemaufriß

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position einzelner eingreifen zu können, kommt der EG vielmehr nur im Zusammenhang mit Verordnungen nach Art. 249 II EGV zu.13 Etwaige innerstaatliche Rechtswirkungen von Richtlinien sind daher rechtfertigungsbedürftig.14 Der EuGH verlegt sich zur Begründung der mitgliedstaatlichen Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung nun auf eine – aus seiner Sicht verständliche – rein gemeinschaftsrechtliche Sichtweise. Als maßgebliches Argument führt er aus, daß „die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 EWG-Vertrag [= Art. 10 EGV], alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt obliegen“15. Der EuGH beruft sich mithin im wesentlichen auf den die Richtlinie definierenden Art. 249 III EGV selbst sowie auf den die allgemeinen Pflichten der Mitgliedstaaten umschreibenden Art. 10 EGV.16 Es bleibt festzuhalten, daß der EuGH aus Art. 249 III EGV, der selbst gerade keine Durchgriffswirkung vorsieht, sowie aus den sehr allgemeinen Pflichten aus Art. 10 EGV, der seinerseits selbst keine neuen Kompetenzen zu begründen vermag17 und sich ausdrücklich an die Mitgliedstaaten richtet,18 mithin aus Normen, die ihrerseits keine Durchgriffswirkung vermitteln,19 die Durchgriffswirkung der Richtlinie in Gestalt der richtlinienkonformen Auslegung herausliest.20 Es erscheint evident, daß eine Berufung allein auf diese Vertragsartikel kaum durchdringen könnte, würde es sich bei dem Gemeinschaftsrecht um ganz gewöhnund wird i. w. mit dem Sanktionsgedanken erklärt; vgl. BVerfGE 75, 223 (241 f.); Skouris, EBLR 17 (2006), 241 (243 f.). 12 Außerhalb legislativen Handelns verfügt die EG freilich über weitreichende Befugnisse mit Durchgriffseffekt. Man denke nur an die (an einzelne gerichtete) Entscheidung i. S. d. Art. 249 IV EGV sowie die umfassenden Kompetenzen der EG im Wettbewerbsrecht nach dem Titel VI des EGV; zu letzterem vgl. etwa Bernitz / Kjellgren, 339 ff.; Druesne, 231 – 338, insb. 252 ff., 278 f. 13 EuGH, Rs. C-91 / 92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Rn. 24. 14 von Oettingen / Rabenschlag, ZEuS 9 (2006), 363 (364). 15 EuGH, Rs. 14 / 83, von Colson, Slg. 1984, 1891, Rn. 26. 16 Statt aller Brechmann, 49; Klamert, CMLRev 43 (2006), 1251 (1253); Prechal, Directives, 180. 17 Kahl, in: Calliess / Ruffert, Art. 10 EGV, Rn. 52 m. w. N.; Ludwig, 266. 18 Art. 10 EGV knüpft gerade wieder an das Tätigwerden bzw. Unterlassen der Mitgliedstaaten an („Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen. . .“; „Sie unterlassen alle Maßnahmen. . .“) und enthält selbst keinerlei Hinweise auf eine etwaige Durchgriffswirkung im Versagensfalle; vgl. Di Fabio, NJW 43 (1990), 947 (953); Jarass, EuR 26 (1991), 211 (216). 19 Jarass, EuR 26 (1991), 211 (216). 20 Interessanterweise leitet der EuGH der Sache nach aus den zitierten Normen sogar die ausnahmsweise anzunehmende unmittelbare Wirkung von Richtlinien ab; vgl. EuGH, Rs. 8 / 81, Becker, Slg. 1982, 53, Rn. 22 f.; Prechal, Directives, 219; Zuleeg, NJW 53 (2000), 2846 (2847).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

liches Völkerrecht handeln.21 Wären Art. 249 III und 10 EGV Bestandteil eines beliebigen völkerrechtlichen Vertrages, käme ihnen auch lediglich eine allgemeinvölkerrechtliche Wirkung zu. Ebenso wie eine Norm allein aufgrund der Tatsache, daß sie mit Verfassungsrang ausgestattet ist, besondere – eben verfassungsrechtliche – Rechtswirkungen besitzt, muß auch eine Norm, die Bestandteil eines völkerrechtlichen Vertrages ist, unter Berücksichtigung ihres normativen Umfeldes betrachtet werden, um zu einer verständigen Würdigung ihrer Bedeutung und Tragweite zu gelangen.22 Wären also Art. 249 III und 10 EGV Bestandteil eines beliebigen völkerrechtlichen Vertrages, so könnte man hieraus allenfalls eine besonders ausgeprägte Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit ableiten;23 eine – eine Durchgriffswirkung implizierende – Pflicht zur Konformauslegung des nationalen Rechts könnte man hingegen nicht annehmen. Aus einem gewöhnlichen völkerrechtlichen Vertrag ließe sich daher aufgrund der grundsätzlich fehlenden Durchgriffswirkung eine Verpflichtung zur völkerrechtskonformen Auslegung nationalen Rechts schlechterdings nicht ableiten.24 Daraus folgt, daß sich hinter der mitgliedstaatlichen Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung mehr verbergen muß als die bloße Existenz der zitierten Normen des EGV. Die Rede ist natürlich von dem Gemeinschaftsrecht als eigenständiger Rechtsordnung25, die neben den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen steht – aber auch neben der Völkerrechtsordnung – und der das Grunderfordernis der einheitlichen Anwendung zugrunde liegt26 und die allgemein prägnant als „supranational“ qualifiziert wird. Würde das Gemeinschaftsrecht diese Besonderheit der Supranationalität mitsamt ihrer umfassenden Durchgriffswirkung nicht auszeichnen, könnte eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur richtlinienkonformen Auslegung allein durch Rückgriff auf Art. 249 III und 10 EGV kaum überzeugend begründet werden. Unter dem Strich läßt sich also festhalten, daß die mitgliedstaatKritisch auch Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842). Der EuGH hat in seinem Gutachten 1 / 91 betont, daß selbst die wörtliche Übereinstimmung der Bestimmungen eines völkerrechtlichen Abkommens mit entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht bedeute, daß beide notwendigerweise gleich auszulegen seien, da ein völkerrechtlicher Vertrag nicht nur nach seinem Wortlaut, sondern auch im Lichte seiner Ziele auszulegen sei; EuGH, Gutachten 1 / 91, Slg. 1991, I-6079, Rn. 14; siehe auch Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77 (83). 23 Auf Wille wirkt Art. 10 EGV gerade aufgrund seiner denkbar weiten Formulierung sogar eher wie eine nicht rechtsverbindliche Loyalitätsbestimmung [20]; vgl. insoweit auch die Nachweise bei Streinz, in: Streinz, Art. 10 EGV, Rn. 11. 24 Nach Schroeder handelt es sich bei der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung um eine „spezifisch gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung“ [in: Streinz, Art. 249 EGV, Rn. 125]. Generell a. A. scheint indes Lysén zu sein, der annimmt, eine Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung – Rahmenbeschlüsse stellen nach seiner Ansicht völkerrechtliche Verträge zwischen den Mitgliedstaaten dar – ergebe sich aus Art. 26 (i. V. m. Art. 31) WVK, also aus dem Völkerrecht selbst [Framework decisions, 50]. 25 EuGH, Rs. 6 / 64, Costa / ENEL, Slg. 1964, 1251 (1269); BVerfGE 22, 293 (296). 26 EuGH, Rs. C-143 / 88 und C-92 / 89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, Slg. 1991, I-534, Rn. 26. 21 22

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liche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung dogmatisch letztlich auf dem supranationalen Charakter des Gemeinschaftsrechts als Ganzem gründet.27 Der EuGH selbst bestätigt diesen Befund, wenn er in seiner neueren Rechtsprechung zur richtlinienkonformen Auslegung ausführt, „[d]as Gebot einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem EG-Vertrag immanent“.28 Damit stellt das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung mehr noch ein ungeschriebenes, dem EGV immanentes allgemeines gemeinschaftsrechtliches Prinzip dar,29 welches als solches unmittelbar in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen gilt.30 Ein allgemeines gemeinschaftsrechtliches Prinzip muß sich freilich aus dem Gemeinschaftsrecht als Ganzem ergeben. Daraus folgt wiederum aber auch, daß die bloße Existenz des Art. 10 EGV allein zur Begründung des supranationalen Charakters des Gemeinschaftsrechts noch nicht ausreichen kann. Es müssen noch weitere, die Supranationalität konstituierende Merkmale31 – wie namentlich das Vorliegen von Durchgriffswirkung – hinzukommen.32 27 Ebenso deutlich auch Tinkl, StV 26 (2006), 36 (39); Weißer, ZIS 1 (2006), 562 (572) sowie Hatje, 86, Fn. 361, nach dem es sich bei der unionsrechtskonformen Auslegung um eine Variante der völkerrechtskonformen Auslegung handele, „weil es dem Unionsrecht – noch – an ,supranationalen‘ Wirkungen mangelt“. Zu Recht bezeichnet Jarass daher auch die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung als Rechtsfortbildung des EuGH [EuR 26 (1991), 211 (216)]. Nicht selten wird die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung auch aus dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts gelesen; vgl. etwa Prechal, in: Obradovic / Lavranos, 333 (338). 28 EuGH, Rs. C-397 / 01 – C-403 / 01, Pfeiffer u. a., Slg. 2004, I-8835, Rn. 114; id., Rs. C-212 / 04, Adeneler, Slg. 2006, I-6057, Rn. 109; vgl. auch Prechal, CMLRev 42 (2005), 1445 (1461), die das Pfeiffer-Urteil insoweit zu Recht in eine Reihe mit der FrancovichRechtsprechung des EuGH stellt, in der der EuGH den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch ebenfalls „aus dem Wesen der mit dem [EGV] geschaffenen Rechtsordnung“ als Ganzer herleitet; EuGH, Rs. C-6 / 90 und C-9 / 90, Francovich, Slg. 1991, I-5357, Rn. 35. Vgl. näher auch unten Zweiter Teil C. IV. 5. 29 Es gilt für das gesamte Gemeinschaftsrecht das allgemeine Prinzip gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung; EuGH, Rs. C-397 / 01 – C-403 / 01, Pfeiffer u. a., Slg. 2004, I-8835, Rn. 114; id., Rs. C-212 / 04, Adeneler, Slg. 2006, I-6057, Rn. 109; Jarass, EuR 26 (1991), 211 (223); Meier, 60 – 62. 30 Nach Spaventa sind die allgemeinen Prinzipien des Gemeinschaftsrechts allesamt unmittelbar in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen anwendbar [YEL 25 (2006), 153 (169 f.)]. 31 Vgl. zu den Merkmalen der Supranationalität etwa Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (54 f.); Streinz, EuropaR, Rn. 126 ff. 32 Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, daß das BVerfG – im Kontrast zum EuGH – davon ausgeht, die dem supranationalen Gemeinschaftsrecht eigenen Rechtswirkungen (wie die unmittelbare Wirkung und der Anwendungsvorrang vor dem nationalen (zumindest) einfachen Recht) entfalteten sich in der deutschen Rechtsordnung allein deshalb, weil und insoweit sich die deutsche Rechtsordnung diesen öffnet. Als innerstaatliche „Scharniere“ identifiziert das BVerfG Art. 23 I / 24 I, 59 II 1 GG i. V. m. mit den jeweiligen Zustimmungsgesetzen; BVerfGE 73, 339 (374 f.); BVerfGE 89, 155 (190); Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1098); Lutz, 97 f.; zustimmend Bleckmann, in: FS Doehring, 63 (65 ff.) [Ganz ähnlich argumentiert auch das polnische Trybunal Konstytucyjny in bezug auf die Pflicht zur Konformauslegung sowie den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts in der polnischen Rechts-

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

II. Bedeutung dieser Erkenntnisse für die rahmenbeschlußkonforme Auslegung Ebenso wie sich aus Art. 249 III EGV für die Richtlinie keine Durchgriffswirkung herauslesen läßt, ergibt sich auch aus dem – im wesentlichen mit Art. 249 III EGV wortgleichen – Art. 34 II lit. b EUV für den Rahmenbeschluß nichts anderes.33 Mehr noch wird die Wirkung des Rahmenbeschlusses im Vergleich zur Richtlinie noch dadurch ausdrücklich beschränkt – und hiermit letztlich auch deutlich von der Richtlinie abgegrenzt –, daß seine unmittelbare Wirksamkeit expressis verbis ausgeschlossen ist.34 In Ermangelung einer ausdrücklich angeordneten Durchgriffswirkung muß sich für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage, ob aus dem Unionsrecht gleichwohl eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung des nationalen Rechts fließt, dem Unionsrecht auf eine ähnlich grundsätzliche Weise genähert werden, wie oben für das Gemeinschaftsrecht beschrieben. Wie schon die Wirkweise von Rahmenbeschlüssen ganz generell davon abhängt, welche Rechtsnatur man dem Unionsrecht insgesamt zuschreibt,35 kann sich im besonderen das Gebot der rahmenbeschlußkonformen Auslegung – oder besser: allgemein der unionsrechtskonformen Auslegung – allein aus dem „Wesen des EUV als Ganzem“ ableiten lassen.36 Damit wird letztlich die Frage nach der Rechtsnatur des Unionsrechts gestellt: Nimmt es eine Position noch sehr nahe am Völkerrecht ein, oder ist es dem Gemeinschaftsrecht bereits deutlich angenähert?37 Klar scheint in ordnung; vgl. Skrzypek, CDE 43 (2007), 179 (193 f. bzw. 199 ff.)]. Gleichwohl erkennt das BVerfG die Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts durchaus an, wenn es nämlich im Zusammenhang mit der EG von „einer im Prozeß fortschreitender Integration stehenden Gemeinschaft eigener Art“ und im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsrecht von einer „eigenen Rechtsordnung, die aus einer autonomen Rechtsquelle fließt“, spricht. Auch wenn der eigentliche Grund für die Geltung des Gemeinschaftsrechts in der deutschen Rechtsordnung nach dem BVerfG nicht im Gemeinschaftsrecht liegt, verweist das BVerfG über die deutschen Umsetzungsgesetze doch mittelbar auf das Gemeinschaftsrecht. 33 Vgl. ausführlich zu Art. 34 II lit. b EUV unten Zweiter Teil C. I. 34 Voraussetzung für den Einbruch von völkerrechtlichen Normen in die nationale Rechtsordnung ist generell die unmittelbare Wirksamkeit der in Rede stehenden Rechtsakte; Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 24 Abs. 1, Rn. 5; Czerner, EuR 42 (2007), 537 (556); Everling, EuR 40 (2005), 411 (416); Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24 Abs. 1, Rn. 30 f. Der ausdrückliche Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit von Rahmenbeschlüssen in Art. 34 II lit. b a. E. EUV bedeutet indes noch nicht notwendigerweise, daß sich dieser Ausschluß auch zwingend auf die – wenn auch tatsächlich unmittelbar wirkende – rahmenbeschlußkonforme Auslegung bezieht. Der genaue Bedeutungsinhalt des Ausschlusses gemäß Art. 34 II lit. b a. E. EUV ist vielmehr durch Auslegung zu ermitteln; vgl. hierzu unten Zweiter Teil C. I. 1. d). 35 Wasmeier, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 34 EUV, Rn. 11. 36 Dem das Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung nach der Diktion des EuGH dann „immanent“ wäre. 37 Siehe zum Meinungsstand sogleich unter Zweiter Teil B. I.

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diesem Zusammenhang lediglich, daß das Unionsrecht nach den geltenden Verträgen noch nicht mit dem Gemeinschaftsrecht gleichgesetzt werden kann;38 das das Gemeinschaftsrecht prägende Merkmal, die Supranationalität, fehlt dem Unionsrecht nach dem derzeitigen Stand noch. In seinem Pupino-Urteil hat der EuGH zur Untermauerung seines Ausspruchs, das nationale Recht sei im Lichte eines Rahmenbeschlusses auszulegen, de facto auf Art. 10 EGV verwiesen, der praktisch wortgleich zitiert wird39 und dessen Inhalt Generalanwältin Kokott in ihren Schlußanträgen als „Selbstverständlichkeiten“ bezeichnet hat, die auch im Unionsrecht gälten, ohne einer ausdrücklichen Erwähnung zu bedürfen.40 Dies muß die Generalanwältin deshalb behaupten, weil es eine Art. 10 EGV vergleichbare Vorschrift im Unionsrecht nicht gibt. Als Argumentation, warum das gemeinschaftsrechtliche Rechtsprinzip der loyalen Zusammenarbeit auch im Unionsrecht Anwendung finden sollte (mit der Folge der mitgliedstaatlichen Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung), stützen sich sowohl Generalanwältin Kokott als auch der EuGH maßgeblich auf eine Gesamtbetrachtung des primären Unionsrechts im allgemeinen sowie auf einen Vergleich zwischen dem den Rahmenbeschluß definierenden Art. 34 II lit. b EUV und dem die Richtlinie definierenden Art. 249 III EGV im besonderen.41 Dies kulminiert in folgender Aussage des EuGH: Die Union könnte ihre Aufgabe kaum erfüllen, wenn der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit [ . . . ] nicht auch im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen gelten würde [ . . . ].42

Auch wenn es sich hierbei um ein Argument handelt, das sich letztlich für jede Form internationaler Zusammenarbeit anführen ließe,43 dürfte hiermit der Grund für die Übertragung der richtlinienkonformen Auslegung auf die Dritte Säule ausgemacht sein: Sowohl die Generalanwältin als auch der EuGH gehen von einer ausgeprägten, offenbar derjenigen des Gemeinschaftsrechts nahe-, wenn nicht gar gleichkommenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur loyalen Zusammenarbeit auch im Unionsrecht aus.44 38 Statt aller Jour-Schröder / Wasmeier, in: von der Groeben / Schwarze, Vorbem. zu den Art. 29 – 42 EUV, Rn. 3; Streinz, JuS 45 (2005), 1023 (1024). 39 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 43; ebenso Betlem, in: Obradovic / Lavranos, 297 (303); Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (25); Spencer geht gar so weit zu formulieren, „the ECJ referred to Article 10 of the EC Treaty“ [CLJ 64 (2005), 569 (571)]. Kostakopoulou meint mit Verweis auf das Pupino-Urteil, „Article 10 EC creates obligations on part of the [member States] in the area of police and criminal judicial cooperation“ [in: Barnard, 153 (168)]. 40 Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 27. 41 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 33 – 43; Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 24 – 37. 42 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 42. 43 Vgl. Prechal, in: Barnard, 35 (59); sehr angetan von diesem Argument ist indes offenbar Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (25).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

Aber auch wenn eine solche existieren würde, wäre hiermit noch nichts über die Rechtsnatur des Unionsrechts ausgesagt; wie gesehen kann die Pflicht zur Unionstreue allein noch nicht die besondere Qualität des Unionsrechts samt einer etwaigen Durchgriffswirkung begründen,45 sondern fließt allenfalls als Folge aus dessen besonderer Qualität. Es bedarf folglich nicht nur einer eingehenden Argumentation, inwieweit dem Unionsrecht eine dem Art. 10 EGV ähnliche Treuepflicht überhaupt entnommen werden kann.46 Mehr noch muß diskutiert werden, ob die Unionsrechtsordnung als Ganze – ungeachtet der generell fehlenden unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts,47 geschweige denn seiner generell fehlenden Durchgriffswirkung,48 und ungeachtet des ausdrücklichen Ausschlusses der unmittelbaren Wirksamkeit des Rahmenbeschlusses in Art. 34 II lit. b a. E. EUV – bereits so weit verselbständigt ist, daß bei der Anwendung des EUV – eines zunächst einmal gewöhnlichen völkerrechtlichen Vertrages – von dem unbestrittenen völkerrechtlichen Grundsatz abgewichen werden kann, wonach völkerrechtliche Verpflichtungen nicht unmittelbar auf die nationale Rechtsordnung durchschlagen.49

III. Gang der Untersuchung Ob dies angenommen werden kann, soll Gegenstand dieses Zweiten Teils der vorliegenden Arbeit sein. Wie schon im Gemeinschaftsrecht ließe sich auch im Unionsrecht eine mitgliedstaatliche Pflicht zur Konformauslegung des nationalen Rechts allein aus der besonderen, verselbständigten Rechtsnatur des Unionsrechts als einer Rechtsordnung sui generis – losgelöst von den nationalen Rechtsordnungen sowie auch losgelöst vom allgemeinen Völkerrecht, aber angelehnt an das Ge44 Ebenso Betlem, in: Obradovic / Lavranos, 297 (303 f.); Lorenzmeier, ZIS 1 (2006), 583 (584). 45 Vgl. pointiert Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1120); ebenfalls skeptisch HerlinKarnell, GLJ 8 (2007), 1147 (1151) sowie Meier, 230. Hatje geht zwar generell vom Vorliegen einer Loyalitätspflicht auch im Unionsrecht aus, sieht dessen vorrangige Aufgabe aber in der Koordinierung des europäischen Mehrebenensystems [38 – 40]; eine Durchgriffswirkung spricht er nicht an, lehnt eine genuin unionsrechtliche Pflicht zur Konformauslegung aber ausdrücklich ab [86, Fn. 361]. 46 Vgl. Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (24), der jedoch letztlich dem EuGH zustimmt. 47 Siehe nur Bergström, ERT 9 (2006), 569 (570); Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (64 f.); Nettesheim, CMLRev 44 (2007), 567 (596); Satzger, in: Streinz, Art. 34 EUV, Rn. 2; Spaventa, YEL 25 (2006), 153 (169); Zott, 279. 48 Pechstein / Koenig, Rn. 145. 49 Die vorliegende Darstellung beschränkt sich freilich auf die Rechtslage aus Sicht des Unionsrechts. Sollte man dem Unionsrecht eine solche besondere Qualität zusprechen, bedürfte es nach der insoweit unmißverständlichen Rechtsprechung des BVerfG für die innerstaatliche Anerkennung der aus dieser besonderen Qualität fließenden Rechtswirkungen noch der Sanktionierung durch das Grundgesetz. Hieran dürften mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht indes kaum Zweifel bestehen; vgl. oben Zweiter Teil, Fn. 32.

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meinschaftsrecht – herleiten.50 Ob das Unionsrecht nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand einen solchen Grad an Verselbständigung bereits aufweist, soll – in Anlehnung an die Ausführungen von Generalanwältin Kokott 51 – maßgeblich im Wege einer Gesamtschau der Vorschriften des EUV bewerkstelligt werden. Zwar vertritt der EuGH die Meinung, daß sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung ihres nationalen Rechts auch „unabhängig von dem durch den Vertrag von Amsterdam angestrebten Integrationsgrad bei der Verwirklichung einer immer engeren Union zwischen den Völkern Europas“ ergebe.52 Damit hat er indes nicht zum Ausdruck gebracht, daß der Integrationsgrad per se irrelevant sei für die Bestimmung des Umfanges der Pflichten der Mitgliedstaaten,53 sondern hat sich lediglich maßgeblich auf eine andere – allerdings wenig überzeugende54 – Argumentation gestützt. Mehr noch argumentiert der EuGH selbst anhand der Bedeutung seiner eigenen Kompetenzen,55 50 Das Recht der Europäischen Gemeinschaften unterscheidet sich vom üblichen Völkerrecht durch die Kumulierung integrativer Elemente und die relative Breite der Kompetenzen sowie die Integrationsdichte insgesamt; Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 102 ff., insb. 106; Mittmann, 159 f. Siehe prägnant zu den Besonderheiten des Rechts der Europäischen Gemeinschaften Aston, 190 ff. 51 Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 26. 52 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 36. 53 Hobe deutet dieses Diktum als – aus seiner Sicht müßiges – Bemühen des EuGH, nicht auf eine Annäherung des Rechtscharakters der EU-Politiken an den supranationalen Charakter des Gemeinschaftsrechts abstellen zu müssen [Jura 28 (2006), 859 (861 f.)]; vgl. auch Betlem, in: Obradovic / Lavranos, 297 (303 f.) und Meier, 231. 54 Der EuGH führt aus, es sei völlig verständlich, daß die Mitgliedstaaten es für angebracht gehalten hätten, im Rahmen der Dritten Säule den Rückgriff auf Rechtsinstrumente mit analogen Wirkungen wie im EGV vorzusehen; EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 36. Abgesehen davon, daß diese Aussage keine Stütze im EUV findet [vgl. dazu unten im Zweiten Teil C. II. 1.; skeptisch auch Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842)], erscheint die Aussage auch vor dem Hintergrund des geltenden völkervertragsrechtlichen Rechtsregimes zweifelhaft. Zwar können die Mitgliedstaaten in der Tat einander vertraglich versprechen, innerstaatlich einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Doch bestünde völkerrechtlich wiederum nur die Pflicht nach außen, den Vertrag zu erfüllen; ein Durchgriff auf die innerstaatliche Rechtsordnung – und nichts anderes postuliert der EuGH – wäre damit indes gerade nicht verbunden, sondern bedürfte wie stets eines innerstaatlichen Rezeptionsaktes bzw. der Rücknahme des eigenen ausschließlichen Herrschaftsanspruchs nach Maßgabe des jeweiligen Verfassungsrechts [vgl. oben Erster Teil, Fn. 9 sowie Denza, 14 f.; vgl. auch zur – insoweit parallelen – Vorrangfrage Ehlers, in: Schulze / Zuleeg, § 11, Rn. 24 sowie Streinz, EuropaR, Rn. 212, insb. Fn. 111]. Nach dem BVerfG leitet sich auch die unmittelbare Geltung (sowie der Vorrang) auch des Gemeinschaftsrechts nicht aus diesem selbst ab, sondern aus dem innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl, „und zwar auch bei Verträgen, die ihrem Inhalt zufolge die Parteien dazu verpflichten, den innerstaatlichen Geltungs- oder Anwendungsvorrang herbeizuführen“; BVerfGE 73, 339 (374 f.); zustimmend Bleckmann, in: FS Doehring, 63 (65 ff.). Mit dieser – vorsichtig ausgedrückt – zurückhaltenden Haltung ggü. dem Gemeinschaftsrecht steht das BVerfG unter den Verfassungsgerichten der Mitgliedstaaten freilich nicht ganz alleine da; vgl. Dritter Teil, Fn. 10. 55 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 37 f.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

die sehr wohl den Integrationsstand des Unionsrechts widerspiegeln. Der Sache nach verweisen letztlich auch die Generalanwältin und der EuGH auf das Unionsrecht als Ganzes,56 nur daß bei deren Untersuchung die Frage im Vordergrund steht, ob dem Unionsrecht eine mitgliedstaatliche Pflicht zur Unionstreue entnommen werden kann, wohingegen der vorliegende Verfasser eine Gesamtschau des primären Unionsrechts unternimmt, um von diesem auf dessen Rechtsnatur und damit auf dessen Rechtswirkungen zu schließen. Allein der Grad der Integration und die Enge der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten lassen zuverlässig Rückschlüsse auf die Rechtsnatur des Unionsrechts und damit auf die Rechtswirkungen und die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu.57 Der eigentlichen Untersuchung sollen zunächst einige allgemeine Erläuterungen zu grundsätzlichen Fragen vorangestellt werden, die vor die Klammer zu ziehen sich aus Sicht des Verfassers anbietet. Im Rahmen der eigentlichen Untersuchung wird dann zunächst Art. 34 II lit. b EUV als diejenige Norm, die den Rahmenbeschluß definiert, eingehender gewürdigt, bevor anschließend eine Gesamtbetrachtung des Rechts der Dritten Säule in Gestalt der Art. 29 – 42 EUV einerseits sowie der Grundlagen der Europäischen Union, wie sie in den Titeln I und VIII des EUV niedergelegt sind, andererseits versucht werden soll. Wie bereits in der Einführung beschrieben,58 wird sich die Untersuchung dem Unionsrecht durch die „Brille des Völkerrechts“ nähern. Ausgehend von der Tatsache, daß der EUV zunächst einmal einen zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag darstellt, wird analysiert werden, ob und inwieweit der EUV integrative Momente aufweist, die das Unionsrecht über das gewöhnliche Völkerrecht erheben und dem Gemeinschaftsrecht – wie weit auch immer – annähern.

B. Grundlegung I. Ansichten zur Rechtsnatur der Akte der Dritten Säule in Rechtsprechung und Schrifttum: „bloßes“ Völkerrecht oder „schon“ Unionsrecht? Einleitend soll ein kurzer Überblick über die bisher in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansichten dargeboten werden. Im wesentlichen gibt es hierzu zwei Ansichten: Die eine ordnet das gesamte Recht der (Zweiten und) Dritten Säule klassisch dem Völkerrecht zu.59 Eine andere Meinung hingegen sieht in der Ebenso Betlem, in: Obradovic / Lavranos, 297 (304). Vgl. Jour-Schröder / Wasmeier, in: von der Groeben / Schwarze, Vorbem. zu den Art. 29 – 42 EUV, Rn. 3 ff. 58 Siehe oben Prolegomena C. 56 57

B. Grundlegung

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Zweiten und Dritten Säule gleichsam eine Zwischenstufe zwischen dem Gemeinschaftsrecht (Recht der EG / EAG) und dem genuinen Völkerrecht;60 das „Unionsrecht“ sei demnach dem Gemeinschaftsrecht in mancherlei Hinsicht bereits angenähert, in wesentlichen anderen Punkten indes noch sehr an das Völkerrecht angelehnt.61 Daß das Unionsrecht bereits vollkommen dem Gemeinschaftsrecht angenähert wäre, ja bereits mit ihm identisch, vertritt derzeit wohl noch niemand.62 Die Lösung der Frage nach einer verpflichtenden rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts aufgrund Europarechts ergäbe sich nach den beiden Grundpositionen demnach wie folgt: Nach der rein völkerrechtlichen Ansicht wäre eine rahmenbeschlußkonforme Auslegung nationalen Rechts allein aufgrund des (in Form eines Rahmenbeschlusses) bestehenden Völkerrechts abzulehnen. Es bestünde insoweit kein substantieller Unterschied zu anderen Formen internationaler – oder präziser: intergouvernementaler – Zusammenarbeit. Sowenig eine solche – zwingende – sekundäraktskonforme Auslegung beispielsweise im Rahmen des Rechts der WHO oder ICAO bekannt ist,63 sowenig wäre demnach auch eine sekundärrechtskonforme Auslegung im Bereich des Unionsrechts anzuerkennen. Nichtsdestotrotz wäre der völkerrechtliche Sekundärrechtsakt nach Maßgabe des nationalen (Verfassungs-)Rechts gegebenenfalls bei der Auslegung des nationalen Rechts beachtlich.64 Das Ergebnis nach der zweiten Ansicht ist hingegen nicht so eindeutig vorgezeichnet. Da diese Meinung als Zwischenstufe zwischen Völker- und Gemeinschaftsrecht bezeichnet werden könnte, ist eine Identität mit dem Gemeinschaftsrecht nicht anzunehmen. Ein schlichter Rückgriff auf die Grundsätze der richtlinienkonformen Auslegung wäre demnach nicht möglich. Es findet lediglich eine 59 Etwa BVerfGE 113, 273 (301); Andersson / Cameron / Nordback, EBLR 14 (2003), 111 (121); Haratsch / Koenig / Pechstein, Rn. 83; Zott, 251; vgl. i. ü. die Nachweise in Erster Teil, Fn. 8; konkret für den Rahmenbeschluß BVerfGK 6, 360 (363). 60 Etwa Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (353); Gleß, EuR 33 (1998), 748 (749); Meier, 232 – 235; Meyring, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 309 (319); Oppermann, § 6, Rn. 4; Schreiber, 22 – 25; Weißer, ZIS 1 (2006), 562 (568); Winkler, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 19 (20); Wolf, KJ 38 (2005), 350 (352 f.); Ambos bezeichnet die Dritte Säule als „intergouvernementale Kooperation mit hybridem Charakter“ [§ 12, Rn. 4]; nach Generalanwalt Mengozzi bleibt das Unionsrecht „auf halber Strecke stehen“ zwischen dem Völkerrecht und dem Gemeinschaftsrecht; Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 132. 61 Nach dem BVerfG ist „das Unionsrecht [ . . . ] trotz des fortgeschrittenen Integrationsstandes weiterhin eine Teilrechtsordnung, die bewusst dem Völkerrecht zugeordnet ist“; BVerfGE 113, 273 (301). 62 Selbst von Bogdandy / Nettesheim, die generell von einer Verschmelzung der EU und der EG / EAG ausgehen, sehen durchaus noch materielle Unterschiede zwischen den Bereichen der drei Säulen [NJW 48 (1995), 2324 (2327, insb. Fn. 44)]; vgl. auch von Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (108). 63 Vgl. zu Aspekten des Rechts der WHO sowie der ICAO unten Zweiter Teil C. I. 1. c) bzw. C. II. 4. 64 Vgl. die Nachweise in Prolegomena, Fn. 19.

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Annäherung an die Erste Säule statt, eine vollständige Angleichung indes nicht. Umgekehrt steht das Unionsrecht nach dieser Ansicht aber auch nicht mehr auf einer Stufe mit dem gewöhnlichen Völkerrecht, so daß ein allzu gestrenges Zurückweisen der Möglichkeit einer Durchgriffswirkung auf das nationale Recht möglicherweise ebensowenig angebracht wäre. Man darf daher festhalten, daß letztere Ansicht einer Öffnung der Dritten Säule für Prinzipien der Ersten Säule eher zugeneigt wäre als die rein völkerrechtliche Ansicht. Ein klares Ergebnis, wie weit genau diese Öffnung für Prinzipien der Ersten Säule reichen würde, welche Prinzipien übernommen werden könnten und welche nicht, wäre damit aber freilich noch nicht vorgezeichnet. Zu klären, nach welcher der beiden aufgezeigten Meinungen der Rechtscharakter des Unionsrechts am ehesten zutreffend beschrieben werden kann oder ob gar einer dritten – vermittelnden? – Ansicht der Vorzug zu geben ist, soll Gegenstand des materiellen Zweiten Teils der vorliegenden Arbeit sein. Hierzu soll das Unionsrecht unter allen relevanten Blickwinkeln untersucht und die aufgeworfene Frage am Ende der Untersuchung im Rahmen einer Gesamtschau der zusammengetragenen Argumente einer Beantwortung zugeführt werden.

II. Unerheblichkeit des völkerrechtlichen Status der Europäischen Union Unerheblich für die Bestimmung der Rechtsnatur des Unionsrechts ist der völkerrechtliche Status der Union. Grundsätzlich besitzen völkerrechtliche Verpflichtungen keine Durchgriffswirkung auf die innerstaatliche Rechtssphäre; sie bedürfen der Umsetzung durch die im Außenverhältnis verpflichteten Staaten.65 Dies gilt entsprechend ebenso für Akte Internationaler Organisationen, die ebenfalls der Umsetzung durch die beteiligten Staaten bedürfen.66 Dem derzeitigen völkerrechtlichen Status der Union67 kommt in diesem Zusammenhang keinerlei Bedeutung zu. Es kann daher letztlich dahinstehen, ob die Union nach dem derzeitigen Integrationsstand bereits eine Internationale Organisation darstellt – sei es mit eigener,68 sei es ohne eigene Völkerrechtspersönlichkeit69 – oder nur einen – mehr oder weniVgl. Erster Teil, Fn. 9. Seidl-Hohenveldern / Loibl, Rn. 1554 und 1556; Skubiszewski, BYIL 41 (1965 – 66), 198 (267). 67 Vgl. ausführlich etwa Grard, RGDIP 110 (2006), 337; König, 249 ff. 68 Für eine eigene Rechtspersönlichkeit etwa Dashwood, CYELS 7 (2004 – 2005), 33 (35); Maresceau, RdC 309 (2004), 125 (300); Thym, ZaöRV 66 (2006), 863; Grard spricht von einem „sujet indirect et implicite de droit international“ [RGDIP 110 (2006), 337 (339 ff.)], Wessel von einer „layered international organization“ [EFARev 5 (2000), 507 (536)]. 69 Gegen eine eigene Rechtspersönlichkeit etwa Cramér, in: FS Bernitz, NIR, 53 (56 ff.); Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (371); Hufeld, JuS 45 (2005), 865 (869); Lysén, Framework decisions, 24 ff. Es ist durchaus vorstellbar, daß ein völkerrechtlicher Zusammenschluß von Staaten eine Internationale Organisation darstellt, ohne daß diese zwingend eine eigene Völ65 66

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ger losen – Staatenverbund.70 In ersterem Falle würde es sich bei Rahmenbeschlüssen um Akte einer Internationalen Organisation handeln, in letzterem Falle um Akte der Mitgliedstaaten selbst.71 Gemein ist beiden Konstellationen jedoch, daß in keinem Falle eine automatische Durchgriffswirkung des Rahmenbeschlusses auf das innerstaatliche Recht die Folge wäre. Auch wenn man die Meinung vertreten wollte, die EU stelle eine Internationale Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit dar, wäre hiermit noch nichts über die Wirkweise der von ihr erlassenen Rechtsakte gesagt.72 Können doch Internationale Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit zwar durchaus supranationales Recht erzeugen (EG / EAG),73 aber regelmäßig auch lediglich ganz normales Völkerrecht.74 Daher ließe sich auch bei Bejahung einer Völkerrechtssubjektivität der EU hieraus noch nichts über die Rechtswirkungen des Unionsrechts ableiten.

III. Verpflichtung aller Staatsorgane, einschließlich der Gerichte Daß ausschließlich die Gesetzgebungs- oder Regierungsorgane der Mitgliedstaaten an den Rahmenbeschluß gebunden sein könnten, nicht hingegen auch die mitgliedstaatlichen Gerichte mit der Folge, daß diese bei der Anwendung des natiokerrechtspersönlichkeit besitzen muß; vgl. Brownlie, 650. Zu denken ist – neben dem prominenten Beispiel der EU – namentlich an die OSZE. Die Tatsache, daß der IGH in seinem Bernadotte-Gutachten [IGH, Bernadotte, ICJ Reports 1949, 174] die Fähigkeit von Internationalen Organisationen, eine eigene Rechtspersönlichkeit zu besitzen, erst hat ausdrücklich feststellen müssen, deutet wohl eher darauf hin, daß die Existenz von Internationalen Organisationen ohne eigene Rechtspersönlichkeit möglich ist. Insofern erscheint es nur folgerichtig, daß die UN auch in der Vorlagefrage durch die Generalversammlung als „Organisation“ bezeichnet werden [ibid., 175] und der IGH bei der Erörterung der Fähigkeit der UN, eigene Ansprüche geltend machen zu können, ebenfalls stets von der „Organisation“ spricht, bevor er dies dann bejaht. Daß der IGH den UN im Ergebnis eine „large measure of international personality“ zuspricht [ibid., 179], spricht schließlich dafür, daß er offenbar ein abgestuftes System und keine „ganz oder gar nicht“-Lösung vor Augen hatte. 70 So das BVerfG, BVerfGE 89, 155 (184 ff.); Dörr / Mager sprechen von einer „Körperschaft“, ausdrücklich jedoch ohne damit eine eigene Rechtspersönlichkeit präjudizieren zu wollen [AöR 125 (2000), 386 (403, Fn. 66)]. 71 Siehe hierzu sogleich die Diskussion um den Geltungsgrund von Rahmenbeschlüssen; Zweiter Teil B. IV. 72 Ebenso Arnull / Dashwood / Ross / Wyatt, 184; Grard, RGDIP 110 (2006), 337 (370); Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (64); Tomuschat, in: FS Eitel, 799 (815); allgemein Brownlie, 650. 73 Vgl. weitere Beispiele bei Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 102 ff., nach dem sich die Europäischen Gemeinschaften von den anderen – nach Streinz – supranationalen Organisationen durch die Kumulierung und relative Breite der Kompetenzen sowie die Integrationsdichte insgesamt unterscheiden [106]. 74 Z. B. ICIA oder WHO; vgl. zu deren Rechtsetzungskompetenzen etwa Skubiszewski, BYIL 41 (1965 – 66), 198 (211 ff. bzw. 216 ff.).

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nalen Rechts Rahmenbeschlüsse auch nicht beachten müßten und eine Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung von daher von vornherein ausscheiden müßte,75 widerspricht nicht nur dem vom EuGH für das Gemeinschaftsrecht entwickelten Verständnis,76 sondern erscheint vor allem auch nach geltendem Völkerrecht unvertretbar. Dort gilt der Grundsatz der Einheit des Staates.77 Demgemäß hat der Staat nach außen hin als Ganzes für seine Verpflichtungen einzustehen. Es wird folglich kein bestimmtes Organ verpflichtet, sondern der Staat als Ganzes, denn nur dieser ist ein Völkerrechtssubjekt. Das Prinzip der Einheit des Staates spiegelt sich auch in Art. 4 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit78 wider, nach dem das Verhalten – ob in Form eines Tuns oder eines Unterlassens79 – eines jeden Staatsorgans dem Staat als eigenen Akt zugerechnet wird. Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Organen kennt das Völkerrecht folglich nicht. Das BVerfG sieht ebenfalls – auf Grundlage einer Argumentation, die den Blick mehr auf das innerstaatliche (Verfassungs-)Recht richtet80 – sämtliche Staatsorgane im Rahmen ihrer durch das nationale Recht eingeräumten Kompetenzen, also auch die Gerichte,81 an die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Gesamtstaates gebunden.82 Insofern gilt sowohl bei völkerrechtlicher (wie gemeinschaftsrechtlicher) als auch bei innerstaatlicher Betrachtungsweise der Grundsatz, daß sämtliche Staatsorgane an die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates gebunden sind. Dies schließt namentlich die Gerichte mit ein. Weißer wirft diese Frage auf [ZIS 1 (2006), 562 (569)]. St. Rspr. seit EuGH, Rs. 14 / 83, von Colson, Slg. 1984, 1891, Rn. 26. 77 Commentary (5) zu Art. 4 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit, in: GAOR, 56. Session, Supplement 10, 85. Den völkerrechtlichen Grundsatz der Einheit des Staates hat sich auch der EuGH zueigen gemacht; EuGH, Rs. C-224 / 01, Köbler, Slg. 2003, I-10239, Rn. 32. 78 Den ILC-Artikeln zur Staatenverantwortlichkeit (UN Doc. A / 56 / 10) wird bekanntlich allgemein zugesprochen, – grosso modo – geltendes Völkergewohnheitsrecht zu repräsentieren; vgl. etwa die Feststellung bei Crawford / Olleson, ICLQ 54 (2005), 959 (968); der IGH hat in seinem Urteil vom 26. Februar 2007 noch offen gelassen, ob dies für alle Zurechnungsregeln der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit gilt [IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Rn. 414, abrufbar unter: http: // www.icj-cij.org], dies aber ausdrücklich für den hier interessierenden Art. 4 (sowie Art. 8) der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit bestätigt [ibid., Rn. 385, 388 und 398]. 79 Vgl. Art. 2 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit, dessen völkergewohnheitsrechtlicher Status wohl anerkannt ist; vgl. Shaw, 697. 80 Auch nach österreichischem Verfassungsrecht werden einzelne Staatsorgane durch einen verbindlichen Beschluß einer Internationalen Organisation nicht allein qua Völkerrecht verpflichtet, sondern aufgrund eines Zusammenwirkens von Völkerrecht und staatlichem Recht; vgl. Griller, Übertragung von Hoheitsrechten, 207 und 385 ff.; vgl. auch Kotzur, EuGRZ 33 (2006), 19 (23). 81 Der EuGH verweist im Rahmen des Gemeinschaftsrechts ebenfalls auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zur Bestimmung, welches Gericht im konkreten Fall zuständig ist, die gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen umzusetzen; EuGH, Rs. 13 / 68, Salgoil, Slg. 1968, 679 (693). 82 BVerfGE 111, 307 (322 ff.); 112, 1 (24 ff.). 75 76

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IV. Geltungsgrund des Rahmenbeschlusses Wie bereits im Ersten Teil angesprochen worden ist, sind verschiedene Ansätze des Geltungsgrundes von Rahmenbeschlüssen denkbar:83 Rahmenbeschlüsse als sekundäres Unionsrecht, also als Akte der Internationalen Organisation Europäische Union; Rahmenbeschlüsse als eigenständige völkerrechtliche Verträge zwischen den Mitgliedstaaten sowie als gleichlaufende einseitige völkerrechtliche Erklärungen, getragen von parallelen Selbstbindungswillen der Mitgliedstaaten.84 Es liegt auf der Hand, daß eine mitgliedstaatliche Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung qua Unionsrecht von vornherein allein dann angenommen werden kann, wenn ein Rahmenbeschluß derivatives Unionsrecht darstellt. Im Falle der anderen beiden denkbaren Geltungsgrundlagen muß eine mitgliedstaatliche Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung kraft Unionsrechts schon deshalb ausscheiden, weil ein Rahmenbeschluß nach diesen Sichtweisen von seiner Rechtsnatur her kein Unionsrecht, sondern ganz gewöhnliches Völkerrecht darstellt.

1. Rahmenbeschluß kein Fall parallel laufender einseitiger Erklärungen a) Keine Einseitigkeit Den Rahmenbeschluß als gleichlaufende einseitige völkerrechtliche Erklärungen – genauer: als völkerrechtliche Versprechen – zu sehen, drängt sich jedenfalls nicht von vornherein auf. Die verbindliche einseitige Erklärung nimmt im Völkerrecht nicht nur ohnehin eher eine Ausnahmestellung ein;85 sie ist vor allem gerade von der Einseitigkeit des Handelns geprägt. Die Einseitigkeit drücke sich insbesondere dadurch aus, daß Rechtsbeziehungen zu Dritten erzeugt werden, die nicht an der Ausarbeitung des in Rede stehenden Aktes beteiligt gewesen sind.86 Im Falle eines Rahmenbeschlusses handeln jedoch alle Mitgliedstaaten parallel und wirken an dessen Ausarbeitung mit, beschließen mehr noch diesen schlußendlich sogar gemeinsam und einstimmig – was eher einer klassischen Vertragssituation zu entsprechen scheint. In der Tat wird bisweilen vorgebracht, daß dem völkerrechtlichen Versprechen gar stets ein konsensualer Charakter zugrunde liege und ein Rückgriff auf das einseitige Versprechen, zumal bei Auftreten einer solchen Erklärung in einem vertraglichen Kontext, ohnehin nicht erforderlich sei.87 Diese Auffassung Vgl. oben Erster Teil B. I. 1. b) bb) (2) (c). Vgl. jeweils die Nachweise in Erster Teil, Fn. 134 – 136. 85 Pechstein, in: Geiger, 31 (34); Reuter, RdC 103 (1961-II), 431 (576); Suy, 111. 86 ILC, First report on unilateral acts of States, A / CN.4 / 486, Rn. 133; Goodman, AYIL 25 (2006), 43 (48 ff.). 87 Siehe Jacqué, in: FS Reuter, 327 (327 f.). 83 84

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verneint von vornherein ganz generell die eigenständige Bedeutung eines einseitigen Versprechens. Ein vertraglicher Kontext läge im Falle des Rahmenbeschlusses in Gestalt des EUV vor. Demgemäß müßte man auf Grundlage dieser Ansicht die einseitige Erklärung als Geltungsgrund des Rahmenbeschlusses per se ablehnen. Aber auch wenn man mit der heute ganz herrschenden Auffassung die eigenständige Bedeutung von einseitigen Erklärungen anerkennt, fällt es aufgrund der Beteiligung aller EU-Mitgliedstaaten schwer, in einem Rahmenbeschluß ein genuin einseitiges Handeln zu erblicken.88

b) Verminderte Bindungs- / Rechtswirkung einseitiger Erklärungen Jedoch noch ein weiterer Gesichtspunkt spricht gegen die Annahme, Rahmenbeschlüsse speisten ihre Geltung aus parallel laufenden einseitigen Erklärungen. Auch wenn die generelle Verbindlichkeit von einseitigen Erklärungen heute kaum mehr bestritten wird,89 wird doch einseitigen Erklärungen aufgrund der lediglich einseitigen – freiwilligen – Bindung nicht selten ein geringeres Maß an Verbindlichkeit gegenüber vertraglichen Verpflichtungen zugesprochen.90 Besonders deutlich wird dies, wenn einseitigen Erklärungen in der völkerrechtlichen Hierarchie teils insoweit lediglich ein Rang unterhalb des Völkervertrags- und des Völkergewohnheitsrechts zugestanden wird, als sie keine Wirkungen zu zeitigen vermögen sollen, wenn sie geltendem Völkervertrags- oder Völkergewohnheitsrecht zuwiderlaufen.91 Dies bedeutet eine deutliche Relativierung der Rechtswirkung von einseitigen Erklärungen gegenüber sonstigem Völkerrecht. Aber auch die Herleitung der Verbindlichkeit von einseitigen Erklärungen aus dem estoppel-Prinzip92 bedeutet eine gewisse Relativierung ihrer Rechtswirkung. Schließlich besagt das estoppel-Prinzip, kurz gesagt, lediglich, daß ein Völkerrechtssubjekt, das aufgrund seines eigenen Handelns ein anderes Völkerrechtssubjekt dazu veranlaßt hat, auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln oder aber zu handeln zu unterlassen, sich diesem gegenüber an seinem eigenen Handeln festhalten lassen muß.93 Das bedeutete zum einen, daß ein weiteres Völkerrechtssubjekt 88 Fiedler plädiert dafür, „im Zweifelsfalle das Vorliegen eines Vertrages oder einer Übereinkunft im weitesten Sinne anzunehmen“ [GYIL 19 (1976), 35 (49 und 52 f.)]. 89 A. A. noch Kiss, RGDIP 65 (1961), 317 (317 ff.); Quadri, RdC 113 (1964-III), 237 (363 ff.). 90 Vgl. Goodman, AYIL 25 (2006), 43 (68); Jacqué hält mit Verweis auf den IGH das völkerrechtliche Versprechen – im Rahmen des Verbots eines abus de droit – für generell revidierbar, sieht letztlich aber keinen allzu großen Unterschied zum korrespondierenden Regime für völkerrechtliche Verträge nach der WVK [in: FS Reuter, 327 (343 f.)]. 91 Bericht der ILC 1999, in: GAOR, 54. Session, Supplement 10, Rn. 558; dem aber zu Recht widersprechend d’Aspremont Lynden, RGDIP 109 (2005), 163 (186); vgl. auch Jacqué, in: FS Reuter, 327 (344 f.); differenzierend Suy, 44 ff. 92 Zur Erklärung der Verbindlichkeit einseitiger Erklärungen im Völkerrecht existieren verschiedene Ansätze; vgl. Goodman, AYIL 25 (2006), 43 (59 ff.); Kolb, 325 ff. 93 Etwa Martin, 259 f.

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überhaupt gehandelt oder zu handeln unterlassen haben muß, damit aus dem estoppel-Prinzip überhaupt Rechtsfolgen fließen können. Schon allein aufgrund dieser Voraussetzung wäre die Bedeutung von einseitigen Erklärungen deutlich eingeschränkt. Zum anderen bedeutete dies aber auch eine Begrenzung der Rechtswirkung von einseitigen Erklärungen, die letztlich nicht auf Erfüllung gerichtet wäre, sondern im Prinzip auf Schadensliquidation beschränkt bliebe.94 In der Terminologie des deutschen Schuldrechts gesprochen ist das estoppel-Prinzip allein auf Durchsetzung des negativen, nicht aber auf Durchsetzung des positiven Interesses95 gerichtet. Eine solche nur begrenzte Rechtswirkung von Rahmenbeschlüssen als parallel laufende einseitige Erklärungen widerspräche jedoch dem Ziel eines Rahmenbeschlusses, innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzugleichen, was eher auf eine besonders ausgeprägte, weil die innerstaatliche Rechtsordnung betreffende Pflichtenstruktur hindeutet;96 jedenfalls scheint ein allein auf Durchsetzung des negativen Interesses gerichtetes Instrument kaum geeignet, das anvisierte Ziel der Angleichung der innerstaatlichen Rechtsordnungen zu erreichen. Ohne auf sämtliche Ansätze zur Erklärung der Verbindlichkeit einseitiger Erklärungen im Völkerrecht eingehen zu wollen97 soll vorliegend zum einen aufgrund des deutlich mehrseitigen Charakters des Rahmenbeschlusses sowie zum anderen aufgrund der nach wie vor als gegenüber dem sonstigen Völkerrecht nicht selten als beschränkt angesehenen Pflichtenstruktur einseitiger Erklärungen davon ausgegangen werden, daß der Rahmenbeschluß seine Verbindlichkeit nicht aus dem Vorliegen paralleler völkerrechtlicher Versprechen aller Mitgliedstaaten bezieht.

2. Rahmenbeschluß kein völkerrechtlicher Vertrag Doch kann der Rahmenbeschluß auch nicht als völkerrechtlicher Vertrag zwischen den EU-Mitgliedstaaten angesehen werden. Zwar stellt der Rahmenbeschluß bei Zugrundelegung der Definition eines völkerrechtlichen Vertrages aus Art. 2 lit. a WVK zunächst einmal relativ unproblematisch einen ebensolchen dar.98 Fer94 Fiedler, GYIL 19 (1976), 35 (47); bisweilen wird dem estoppel-Prinzip im Völkerrecht auch allein prozessuale Bedeutung beigemessen [vgl. etwa Martin, 271]. 95 Vgl. etwa die Darstellung bei Heinrichs, in: Palandt, Vorb v § 249, Rn. 16 f. 96 Vgl. unten Zweiter Teil C. I. 1. c). 97 Vgl. hierzu etwa Goodman, AYIL 25 (2006), 43 (59 ff.); Kolb, 325 ff. 98 Schilling, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 97 (104). Fraglich scheint allein, inwieweit man den Rahmenbeschluß als eine „vom Völkerrecht bestimmte“ internationale Übereinkunft ansehen kann [verneinend ibid.]. Die Frage, welche Rechtsnatur man dem Unionsrecht zuspricht – ob eher die Natur genuinen Völkerrechts oder eher den Charakter einer zwischen Völker- und Gemeinschaftsrecht anzusiedelnden Rechtsordnung sui generis –, soll freilich gerade im Zuge der folgenden Untersuchung erörtert werden, so daß diesem an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden soll. Daß i. ü. die Bezeichnung des Rahmenbeschlusses als „Rahmenbeschluß“ gemäß Art. 2 lit. a WVK unschädlich ist und ein Rahmenbeschluß schriftlich und auch zwischen Staaten, nämlich den EU-Mitgliedstaaten, geschlossen wird, ist offenkundig.

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ner könnte die Annahme des Rahmenbeschlusses durch die Mitglieder des Rates auch als Annahme i. S. d. Art. 14 II WVK i. V. m. Art. 2 I lit. b WVK gewertet werden (zumal das Völkervertragsrecht gemäß Art. 11 a. E. WVK ohnehin keinen Formenzwang kennt)99. Nichtsdestotrotz können Rahmenbeschlüsse nicht als völkerrechtliche Verträge angesehen werden. Es ist nämlich anerkannt, daß Beschlüsse Internationaler Organisationen keine völkerrechtlichen Verträge darstellen.100 Rahmenbeschlüsse werden mit dem Rat durch ein Organ der Europäischen Union beschlossen, die Europäische Union wiederum weist relativ unproblematisch die Merkmale einer Internationalen Organisation auf.101 Es wäre auch wenig nachvollziehbar, in lit. d des Art. 34 II EUV ausdrücklich den Abschluß von „Übereinkommen“, also völkerrechtlichen Verträgen, zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu regeln (einschließlich innerstaatlicher Ratifikation), dagegen in lit. a – c des gleichen Artikels – und das wäre die logische Konsequenz102 – weitere Formen völkerrechtlicher Verträge zwischen den Mitgliedstaaten mit abweichenden Bezeichnungen niederzulegen (ohne innerstaatliches Ratifikationserfordernis).103 Spätestens aber die Geltung der Durchführungsmaßnahmen nach Art. 34 II lit. c a. E. sowie lit. d a. E. EUV ließe sich kaum mehr dadurch erklären, daß auch sie völkerrechtliche Verträge zwischen den Mitgliedstaaten darstellten, da die Durchführungsmaßnahmen mit Mehrheit beschlossen werden.104 Eine Bindung an einen völkerrechtlichen Vertrag ohne Zustimmung des betreffenden Staates kennt das Völkerrecht nicht (pacta tertiis nec nocent nec prosunt).105 Insofern sprechen auch diese Erwägungen dafür, in dem Rahmenbeschluß keinen zwischen den EU-Mitgliedstaaten geschlossenen ganz gewöhnlichen völkerrechtlichen Vertrag zu erblicken.106 99 Gautier, in: Corten / Klein, Art. 2 – Convention de 1969, Rn. 33; vgl. zu möglichen Einschränkungsmöglichkeiten der an sich unbegrenzt weiten Formulierung des Art. 11 a. E. WVK aber Szurek, in: Corten / Klein, Art. 11 – Convention de 1969, Rn. 19 ff. 100 Griller, Übertragung von Hoheitsrechten, 47 ff. m. w. N.; Skubiszewski, BYIL 41 (1965 – 66), 198 (220 ff.); siehe auch Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1122). 101 Gussone, 123 – 125; Seidl-Hohenveldern / Loibl, Rn. 119a ff. Das BVerfG geht freilich in seiner Maastricht-Entscheidung von einem „Staatenverbund“ aus – ohne sich allerdings ausführlich mit den konstitutiven Merkmalen einer Internationalen Organisation auseinanderzusetzen; BVerfGE 89, 155 (184 ff.); vgl. zum – für die vorliegende Untersuchung unerheblichen – Rechtsstatus der EU oben Zweiter Teil B. II. 102 Reichelt, 44. 103 Ebenso Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (68); Reichelt, 46 f. 104 Pechstein / Koenig [Rn. 220] leiten die Bindungswirkung solcher Durchführungsmaßnahmen aus der vorher erteilten Zustimmung zu dem einstimmig gefaßten Beschluß ab. Vgl. näher unten Zweiter Teil, Fn. 247 und den begleitenden Text. 105 Vgl. aber die jüngere Diskussion, inwieweit ein Staat durch eine verbindliche Resolution des UN-Sicherheitsrates (hier: Sicherheitsratsresolution 1718 v. 16. Oktober 2006, operative paragraphs 3 und 4) auch gegen seinen Willen verpflichtet werden kann, Vertragspartei des Nichtverbreitungsvertrages zu werden, mit allen Rechten und Pflichten, die dieser den Vertragsparteien zubilligt. Vgl. hierzu etwa Paulus / Müller, ASIL Insight 10 (2006), Issue 29. 106 Allerdings teilt der Verfasser nicht die Schlußfolgerung, daß bei Zugrundelegung der Auffassung, Rahmenbeschlüsse stellten völkerrechtliche Verträge dar, nach dem deutschen

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3. Rahmenbeschluß als abgeleitetes Unionsrecht Bleibt als letzte Alternative, den Rahmenbeschluß als einen Akt der Internationalen Organisation Europäische Union und somit als derivatives Unionsrecht anzusehen. Diese Lösung erscheint schon wegen der offensichtlichen Schwächen Verfassungsrecht innerstaatlich regelmäßig eine Ratifikation nach Art. 59 II 1 GG erforderlich wäre, wodurch der europäische Entscheidungsprozeß unziemlich verzögert würde [so Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (353, Fn. 13)]. Sicherlich wären Rahmenbeschlüsse an sich regelmäßig als zustimmungsbedürftige Verträge i. S. d. Art. 59 II 1 2. Alt. GG zu qualifizieren. Diese Frage dürfte aber schon deshalb letztlich nicht allzu virulent sein, weil Rahmenbeschlüsse per definitionem der Umsetzung – ganz regelmäßig durch den Gesetzgeber – bedürfen. Aufgrund des grundsätzlichen Erfordernisses der Umsetzung von Rahmenbeschlüssen scheint diesem Rechtsinstrument von vornherein ein gewisses Trägheitsmoment immanent zu sein. Ob nun ein innerstaatliches Umsetzungsgesetz auf Art. 59 II 1 GG oder allgemein auf die Art. 71 ff. GG gestützt wird, erscheint für die Frage der Beförderung des europäischen Einigungsprozesses vernachlässigbar. Allein wenn nach den Art. 70 ff. GG innerstaatlich die Länder zur Umsetzung verpflichtet wären, würde sich die Frage stellen, ob lediglich die Landtage den Rahmenbeschluß umsetzen müssen [regelmäßig werden die Landtage selbst zustimmen müssen; vgl. etwa allgemein Rudolf, in: FS Armbruster, 59 (68)] oder zusätzlich auch der Bundestag (ggf. gemeinsam mit dem Bundesrat) dem „Vertrag“ nach Maßgabe des Art. 59 II 1 GG zustimmen müßte. Da in diesem Falle des Auseinanderfallens von Vertragsabschluß und Transformation die Länder letztlich ohnehin jeweils die Transformation besorgen müssen [vgl. Schweitzer, Rn. 454], erscheint das Argument einer zusätzlichen Verzögerung durch eine – realiter ganz regelmäßig ohnehin nicht im vorhinein geleistete [vgl. allgemein Tomuschat, EuGRZ 32 (2005), 453 (456)] – Zustimmung des Bundestages neben der Umsetzung durch die sechzehn Landtage als nicht mehr allzu gewichtig. [Eine solche Verzögerung ist aber wohl der schwedischen Verfassungspraxis zu attestieren, nach der die Regierung vor der Zustimmung zu einem Rahmenbeschluß im Rat die Zustimmung des Riksdag einholen muß, der hernach, in einem zweiten Schritt, den Rahmenbeschluß implementiert; vgl. Asp, EU & Straffrätten, 38 f.] Überdies erscheint es auch als jedenfalls nicht vollkommen abwegig, in der innerstaatlichen Ratifikation des EUV eine antizipierte Zustimmung zu allen auf diese Art und Weise zustande gekommenen „völkerrechtlichen Verträgen“ zu erblicken mit der Folge der Entbehrlichkeit einer zusätzlichen gesonderten Ratifikation auch der Rahmenbeschlüsse, da diese im EUV bereits angelegt sind [so auch Schmahl, DVBl 122 (2007), 1463 (1465); id., EuR 43 (2008), Beiheft 1, 7 (35); ablehnend jedoch Wolfrum, VVDStRL 56 (1997), 38 (58); skeptisch auch Kokott, DVBl 111 (1996), 937 (945 f.), die allerdings Art. 59 II GG gleichwohl als nicht einschlägig erachtet, sondern diesen durch Art. 23 III GG als lex specialis verdrängt und infolgedessen die Beteiligung des Bundestages auf ein Recht zur Stellungnahme reduziert sieht (ibid., 942 ff.); vgl. zur generellen Möglichkeit einer antizipierten Zustimmung im Zusammenhang mit Vertragsänderungen Steinbach, DÖV 60 (2007), 555]. Da Beschlüsse von Internationalen Organisationen generell nicht anders in die deutsche Rechtsordnung hineinwirken als völkerrechtliche Verträge – nämlich ohne innerstaatliche Umsetzung gar nicht [vgl. Frowein / Oellers-Frahm, in: Eisemann, 69 (91); König, 51] – und Deutschland nach außen in gleichem Maße binden, Beschlüsse von Internationalen Organisationen aber niemals einer innerstaatlichen Ratifikation, sondern allein ggf. einer innerstaatlichen Umsetzung bedürfen, erscheint es verfassungsrechtlich kaum stringent, im Falle des Rahmenbeschlusses als völkerrechtlicher Vertrag eine Ratifikation zwingend zu verlangen, im Falle des Rahmenbeschlusses als Beschluß der Internationalen Organisation Europäische Union indes eine innerstaatliche Ratifikation mit Verweis auf die innerstaatliche Zustimmung zum EUV für (unbestritten) entbehrlich zu halten – die Bindungswirkung des Rahmenbeschlusses wäre

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

der beiden erstgenannten Ansichten vorzugswürdig. Die Europäische Union weist – wie gesehen – relativ unproblematisch die Merkmale einer Internationalen Organisation auf.107 Streitig scheint in diesem Zusammenhang allein die Frage der Rechtsfähigkeit der EU zu sein, die indes für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung unbeachtlich ist.108 Vor allem aber die Bezeichnung des Rahmenbeschlusses als „Rahmenbeschluß“ in klarer Abgrenzung zu den „Übereinkommen“ nach Art. 34 II lit. d EUV spricht dafür, in dem Rahmenbeschluß keinen völkerrechtlichen Vertrag, sondern einen Beschluß der EU zu sehen. Auch wäre die Auflistung verschiedenartig titulierter völkerrechtlicher Verträge (die in Art. 34 II lit. a – d EUV niedergelegten Rechtsinstrumente) in einem weiteren völkerrechtlichen Vertrag (dem EUV) jedenfalls wohl beispiellos, während es gang und gäbe ist, die einzelnen Rechtsinstrumente einer Internationalen Organisation in deren Gründungsdokument zu definieren. Nach alledem ist der Rahmenbeschluß als ein Akt der Internationalen Organisation Europäische Union, mithin als derivatives Unionsrecht zu qualifizieren.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts? Nach Klärung der vorangestellten grundsätzlichen Fragen soll nun die materiellrechtliche Frage untersucht werden, die auch zugleich den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet, ob und inwieweit dem Unionsrecht unmittelbar eine mitgliedstaatliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts zu entnehmen ist. Wie bereits dargelegt, läßt sich aus Art. 34 II lit. b EUV kaum eine Durchgriffswirkung auf die nationale Rechtsordnung herleiten.109 Eine solche ist für das Völjeweils die gleiche [vgl. Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (66, Fn. 117)]. Für die Möglichkeit einer antizipierten Zustimmung streitet im konkreten Fall des Rahmenbeschlusses zusätzlich, daß die Einhaltung des innerstaatlichen Ratifikationsverfahrens für die Übereinkommen zwischen den EU-Mitgliedstaaten in Art. 34 II lit. d EUV ausdrücklich vorgeschrieben worden ist; im Umkehrschluß soll dies für die übrigen in Art. 34 II EUV genannten Rechtsakte wohl nicht erforderlich sein. Daher mußte der deutsche Gesetzgeber mit Ratifikation des EUV damit rechnen, daß Rahmenbeschlüsse – unabhängig von deren Rechtsnatur – auch ohne seine erneute Zustimmung Deutschland binden können. Seine Zustimmung hat der Gesetzgeber also im vorhinein erteilt; warum diese Zustimmung für den Fall des Rahmenbeschlusses als völkerrechtlicher Vertrag unbeachtlich sein soll, will – jedenfalls im Kontext der EU – nicht recht einleuchten. [Pechstein / Koenig, Rn. 222, gehen ebenfalls davon aus, daß Maßnahmen der Dritten Säule, wenn auch aus ihrer Sicht völkerrechtliche Verträge, so doch nicht ratifizierungsbedürftig sind; allerdings begründen sie dies damit, daß Maßnahmen der Dritten Säule Verwaltungsabkommen i. S. d. Art. 59 II 2 GG darstellten; ebenso Streinz, EuropaR, Rn. 476 („besondere, dh nicht ,herkömmliche‘ [ . . . ] völkerrechliche Verwaltungsabkommen“).] 107 Vgl. Zweiter Teil, Fn. 101. 108 Siehe soeben oben Zweiter Teil B. II. 109 Siehe oben Zweiter Teil A.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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kerrecht ganz generell untypisch. Eine Durchgriffswirkung des Unionsrechts auf die nationale Rechtsordnung in Form der rahmenbeschlußkonformen Auslegung ließe sich daher allein durch den Nachweis begründen, das Unionsrecht sei als eine Rechtsordnung sui generis dem gewöhnlichen Völkerrecht bereits dermaßen entwachsen, daß ein eigenes, vom Völkerrecht zu scheidendes Rechtsregime auf das Unionsrecht Anwendung finden müsse. Zu diesem Zwecke soll das relevante Unionsrecht einer eingehenden Untersuchung darauf hin unterzogen werden, ob es in hinreichendem Maße eine Fülle integrativer Elemente beinhaltet, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, de lege lata vom Unionsrecht als von einer Rechtsordnung sui generis zu sprechen, die dem gewöhnlichen Völkerrecht bereits substantiell entwachsen ist.110 Zunächst soll der den Rahmenbeschluß definierende Art. 34 II lit. b EUV eingehender untersucht werden (I.), bevor im Anschluß eine Gesamtbetrachtung des relevanten Unionsrechts unternommen werden soll. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung wird mit den Art. 29 – 42 EUV wiederum zunächst auf die konkreten Bestimmungen der Dritten Säule eingegangen werden (II.), bevor hernach mit den Titeln I und VIII des EUV die Grundlagen der Europäischen Union – wenn auch mehr im Stile einer tour d’horizon – ganz allgemein näher beleuchtet werden sollen (III.). Schlußendlich sollen die aus der Untersuchung zu ziehenden Schlußfolgerungen für die Rechtsnatur und damit auch für die Rechtswirkungen des Unionsrechts im allgemeinen und damit wiederum auch für die Rechtsnatur und die Rechtswirkungen des Rahmenbeschlusses im besonderen vorgestellt werden (IV.).

I. Der Rahmenbeschluß nach Art. 34 II lit. b EUV Zunächst soll also näher auf den Rahmenbeschluß als solchen eingegangen werden. Der Rahmenbeschluß wird in Art. 34 II lit. b EUV definiert. Er ist der Richtlinie des Gemeinschaftsrechts nachgebildet.111 Von dieser unterscheidet sich der Rahmenbeschluß jedoch nicht nur insofern maßgeblich, als er kein Rechtsakt des supranationalen Gemeinschaftsrechts ist. Er weist im Vergleich zur Richtlinie auch definitorisch einige Besonderheiten auf, die sich auch im Wortlaut des Art. 34 II lit. b EUV niedergeschlagen haben.

110 Im Gemeinschaftsrecht sind es gerade die Summe integrativer Elemente und die relative Breite der Kompetenzen sowie die Integrationsdichte insgesamt, die es vom üblichen Völkerrecht unterscheiden; Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 102 ff., insb. 106; Mittmann, 159 f. Siehe prägnant zu den Besonderheiten des Rechts der Europäischen Gemeinschaften Aston, 190 ff. 111 Statt aller Herdegen, EuropaR, § 31, Rn. 4; Monjal, RTD eur. 37 (2001), 335 (338); Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (315); Skouris, ZEuS 8 (2005), 463 (475).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

1. Wortlaut Der Wortlaut des Art. 34 II lit. b EUV selbst beinhaltet keinerlei Hinweise auf eine etwaige mitgliedstaatliche Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung des nationalen Rechts. Vielmehr orientiert sich die Definition des Rahmenbeschlusses im wesentlichen an derjenigen der Richtlinie aus Art. 249 III EGV, weist allerdings manche – im Falle des Ausschlusses der unmittelbaren Wirksamkeit des Rahmenbeschlusses durchaus erhebliche – Besonderheit auf.

a) Verbindlichkeit hinsichtlich des zu erreichenden Ziels Satz 2 des Art. 34 II lit. b EUV beschreibt den Rahmenbeschluß als für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Diese Verbindlichkeit hinsichtlich des zu erreichenden Ziels („obligation de résultat“) ist kaum dazu angetan, von einer Besonderheit des Unionsrechts auszugehen.112 Es ist ein konstitutives Merkmal allen Rechts – auch des Völkerrechts –, daß es verbindlich ist. Zumal im Kontext mit Internationalen Organisationen gilt überdies die allgemeine Regel, daß der verbindliche Charakter eines durch die Internationale Organisation angenommenen Aktes ausdrücklich festgeschrieben sein muß, anderenfalls hingegen von einem nicht-verbindlichen Charakter ausgegangen werden muß.113 Dies bestätigt namentlich ein Blick auf den Vorgänger des Rahmenbeschlusses, die Gemeinsame Maßnahme nach Art. K.3 II lit. b EUV a. F., sowie den Gemeinsamen Standpunkt nach Art. 34 II lit. a EUV, deren Verbindlichkeit gerade aufgrund des Fehlens eines diesbezüglichen ausdrücklichen Hinweises nicht selten angezweifelt worden ist beziehungsweise noch wird.114 Die Betonung der Verbindlichkeit des Rahmenbeschlusses bedeutet daher keine bloße Redundanz, sondern ist zur Klarstellung tunlichst angezeigt.115 Insoweit entspricht Art. 34 II lit. b EUV gängiger völkerrechtlicher Praxis. Es findet sich im EUVauch nicht etwa – wie teils vermutet wurde – eine besondere, womöglich über übliches Maß hinausreichende Definition der Verbindlichkeit des Rahmenbeschlusses, insbesondere nicht in Abgrenzung zum Beschluß nach lit. c;116 112 So aber Schroeder, der aus der Verwendung des Begriffs „Verbindlichkeit“ ableitet, daß der Rahmenbeschluß kein völkerrechtlicher Akt sei [EuR 42 (2007), 349 (361); in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 37 (50)]; ähnlich Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1125). 113 Schermers / Blokker, § 1320. 114 Vgl. zur Gemeinsamen Maßnahme Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (232 – 234); Schreiber, 7; Wasmeier, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 59 (59); zum Gemeinsamen Standpunkt etwa König, 404 f.; Thun-Hohenstein, 43 f.; Zott, 233 f.; ablehnend etwa Dannecker, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 38, Rn. 157; Kraus-Vonjahr, 223; Ludwig, 162; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (925). 115 Zweifelnd von Unger, NVwZ 24 (2005), 1266 (1270). 116 So mit Blick auf die französische Sprachfassung Monjal, RTD eur. 37 (2001), 335 (337). Die französische Fassung formuliert für die Rahmenbeschlüsse, „[elles] lient les Etats

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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es handelt sich vielmehr um eine übliche Beschreibung der Verbindlichkeit eines völkerrechtlichen Aktes. Umgekehrt wird bisweilen aus dem Umstand, daß der Rahmenbeschluß nicht mit rechtlichen Mitteln durchgesetzt werden kann, auf eine faktische Schwächung der Verbindlichkeit des Rahmenbeschlusses geschlossen, was diesem mehr den Charakter eines politischen Versprechens verleihe.117 Ferner ist im Vergleich zur Richtlinie die „Verbindlichkeit“ eines Rahmenbeschlusses – jedenfalls faktisch gesehen – insofern eher als schwächer einzustufen,118 als die Richtlinie bei unterlassener Umsetzung in unmittelbare Wirkung erstarken kann,119 wohingegen die unmittelbare Wirksamkeit für den Rahmenbeschluß in Art. 34 II lit. b a. E. EUV ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.120 Dieser Umstand dürfte aber weniger die Verbindlichkeit des Rahmenbeschlusses als solche als vielmehr den Umfang der Verpflichtung beziehungsweise die Pflichtenstruktur des Rahmenbeschlusses betreffen; diese ist im Falle der Richtlinie weiter als die eines Rahmenbeschlusses. Insoweit bleibt die Wirkweise des Rahmenbeschlusses hinter derjenigen der Richtlinie zurück. Darüber hinaus fällt es ganz generell schwer, in der Verbindlichkeit hinsichtlich des zu erreichenden Ziels eine wie auch immer geartete Besonderheit zu sehen. Es scheint die Verbindlichkeit hinsichtlich des zu erreichenden Ziels geradezu den Urtyp aller rechtlichen Verpflichtungen darzustellen – zumal im Völkerrecht.121 Nur ausnahmsweise wird in rechtlichen Beziehungen kein konkreter Erfolg geschuldet, sondern lediglich redliches Bemühen, den angestrebten Erfolg zu erreichen („obligation de moyens“). Insofern kann die Verbindlichkeit des Rahmenbeschlusses hinsichtlich des zu erreichenden Ziels das Unionsrecht nicht über allgemeines Völkerrecht – oder irgendein anderes Recht – erheben. membres“, wohingegen Beschlüsse definiert werden mit den Worten „[elles] sont obligatoires“. Die anderen hier untersuchten Sprachfassungen lassen eine solche Divergenz indes nicht erkennen, sondern beschreiben die beiden Rechtsakte unisono als „sind verbindlich“, „shall be binding“ bzw. „skall vara bindande“. Auch findet sich die Differenzierung in der Formulierung bereits in der französischen Fassung des Art. 249 II, III und IV EGV, der als Vorlage gedient haben dürfte. Eine je nach Rechtsakt variierende Bindungskraft ist dem Gemeinschaftsrecht indes unbekannt; vgl. Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, Rn. 288. 117 Bergström, ERT 9 (2006), 569 (570) („politisk utfästelse“). 118 Vgl. Heger, JZ 61 (2006), 310 (311), der selbst jedoch skeptisch ggü. dieser These bleibt, denn die Richtlinie könne nicht zuungunsten eines Bürgers in unmittelbare Wirkung erwachsen; ebenso Wasmeier, ZEuS 9 (2006), 23 (28). Daß diese Aussage nur sehr bedingt richtig ist, „negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter, selbst wenn sie gewiss sind“ bei der Beurteilung einer etwaigen unmittelbaren Wirkung einer Richtlinie vielmehr generell unbeachtlich sind und Richtlinien daher sehr wohl auch zuungunsten eines Bürgers in unmittelbare Wirkung erwachsen können, entspricht gesicherter EuGH-Rechtsprechung; vgl. EuGH, Rs. C-201 / 02, Wells, Slg. 2004, I-723, Rn. 57; vgl. auch Herrmann, EuZW 17 (2006), 69 sowie die Fähigkeit von Richtlinien, eine sog. „negative unmittelbare“ Wirkung zu zeitigen – wiederum auch zu Lasten des einzelnen [Zweiter Teil, Fn. 179 sowie begleitenden Text]. 119 St. Rspr. EuGH, Rs. 8 / 81, Becker, Slg. 1982, 53. 120 Vgl. sogleich unter Zweiter Teil C. I. 1. d). 121 Vgl. sogleich unter Zweiter Teil C. I. 1. b).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

b) Freie Wahl der Form und der Mittel Satz 2 des Art. 34 II lit. b EUV bestimmt nicht nur die Verbindlichkeit des Rahmenbeschlusses hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, sondern darüber hinaus auch das Recht der Mitgliedstaaten, Form und Mittel der Umsetzung generell frei wählen zu können. Der Umstand, daß es den Staaten – auch nach den Vorgaben des Unionsrechts – unbenommen bleibt, die Art und Weise, wie sie ihren Verpflichtungen nach dem EUV nachkommen möchten, selbst zu bestimmen, findet seine Parallele nicht nur in Art. 249 III EGV,122 sondern vor allem auch im allgemeinen Völkerrecht, in dem ein Durchgriff der völkerrechtlichen Verpflichtungen auf die innerstaatliche Rechtsordnung generell nicht stattfindet, sondern die Staaten vielmehr selbst die Art und Weise der Erfüllung wählen können.123 Insofern ist es keineswegs zwingend, in der Formulierung des Art. 34 II lit. b EUV allein einen allgemeinen Verweis auf das – oder gar eine Verbeugung vor dem – Gemeinschaftsrecht mit seinem supranationalen Charakter zu sehen, sondern scheint gerade die Orientierung an der souveränitätsschonenden124 Richtlinie gleichfalls eher eine souveränitätsschonende, am allgemeinen Völkerrecht orientierte Sicht auf das Unionsrecht nahezulegen.125 Auch kommt in der Freiheit der Wahl der Form und der Mittel die – jedenfalls in der staatsinternen Sphäre – sehr große Einflußmöglichkeit der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Rahmenbeschlußverpflichtungen in das nationale Recht zum Ausdruck. Dies wiederum ist ein deutliches Zeichen für eine nicht vollumfassende Übertragung der eigenen Hoheitsbefugnisse auf die EU, sondern spricht eher für eine lediglich mäßige Integration der EU. Denn je größer die Einwirkungsmöglichkeiten der Staaten auf die eigene Rechtsordnung bleiben, desto geringer ist das Maß, in dem die Staaten Hoheitsrechte übertragen haben.126 Die den Staaten verbürgte Freiheit der Wahl der Form und der Mittel widerspricht folglich der Annahme eines gesteigerten Maßes an Integration. Zumal auch die anderen Rechtsinstrumente der Dritten Säule keine größere integrative Kraft besitzen.127

122 Für die Richtlinie nach Art. 249 III EGV hat der EuGH allerdings gewisse Mindestvorgaben an die Qualität der mitgliedstaatlichen Umsetzungsakte gestellt. So fordert der EuGH etwa insbesondere, daß es sich bei dem Umsetzungsakt um eine (durchsetzbare) Rechtsnorm handelt [siehe mit Verweisen auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung Streinz, EuropaR, Rn. 440 und 442]. Vgl. zu den diesbezüglich an einen Rahmenbeschluß zu stellenden Anforderungen auch sogleich unter Zweiter Teil C. I. 1. c). 123 Vgl. die obigen Ausführungen in Erster Teil, Fn. 9. 124 Prechal, Directives, 4. 125 Vgl. Hilf, EuR 28 (1993), 1 (4 f.); Lysén, Framework decisions, 43; van Ooyen, in: Möllers / van Ooyen, 59 (62), die sich allesamt mit Blick auf die Richtlinie ebenfalls an die klassische völkerrechtliche Umsetzungstechnik erinnert fühlen. 126 Vgl. Sarooshi, 30 f. 127 Vgl. unten Zweiter Teil C. II. 1.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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c) Zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten Rahmenbeschlüsse können nur zu dem Zwecke angenommen werden, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit anzugleichen. Zu dem Tatbestandsmerkmal der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften existiert kein direktes Pendant im die Richtlinie definierenden Art. 249 III EGV. Eine bewußte Abgrenzung des Rahmenbeschlusses von der Richtlinie ist hierin indes kaum zu vermuten. Schließlich umschreibt Art. 34 II lit. b EUV mit dem Zusatz der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten lediglich diejenige Funktion der Richtlinie, die diese seit jeher – auch ohne ausdrückliche Erwähnung – ganz hauptsächlich innehat.128 Insofern kommt in dem Zusatz in Art. 34 II lit. b EUV gewissermaßen sogar die besondere Nähe des Rahmenbeschlusses zur Richtlinie zum Ausdruck. Der Zusatz in Art. 34 II lit. b EUV erfüllt vielmehr den Zweck, den Rahmenbeschluß nach lit. b von dem Beschluß nach lit. c abzugrenzen, für den seinerseits – wiederum in Abgrenzung zum Rahmenbeschluß – ausdrücklich festgelegt worden ist, daß er für alle Zwecke des Titels VI des EUV „mit Ausnahme von Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ angenommen werden kann. Eine bewußte Abgrenzung des Rahmenbeschlusses von der Richtlinie ist in dem Zusatz in Art. 34 II lit. b EUV folglich nicht zu erblicken. Sicherlich liegt in diesem an die Hauptfunktion der Richtlinie angelehnten Merkmal der Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften ein stark integratives Element.129 In gewisser Weise wird hierdurch die soeben beschriebene Freiheit der Wahl der Form und Mittel sogleich insoweit wieder etwas eingeschränkt, als das zu erreichende Ziel klar vorgegeben und somit der Weg dorthin gewissermaßen vorgezeichnet ist: Es hat eine Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erfolgen – eine bloße Änderung der Verwaltungspraxis wäre indes nicht hinreichend. Allerdings sind die genauen Umsetzungsmodalitäten freilich wiederum in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt. Auch wenn die Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften an das stärkste integrative Element des Gemeinschaftsrechts, die Durchgriffswirkung, noch bei weitem nicht heranreicht, so geht sie doch über eine ganz gewöhnliche zwischenstaatliche Zusammenarbeit deutlich hinaus, so daß in diesem Zusammenhang hieraus in der Tat ein gesteigertes Maß an Loyalitätspflichten zwischen den Mitgliedstaaten zu folgern sein könnte.130 Es fragt sich jedoch, ob die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten wirklich ein derart hohes integratives Moment besitzt, daß die128 Vgl. nur Herrmann, Richtlinienumsetzung, 26 f.; Kurcz, EBLR 12 (2001), 287; Prechal, Directives, 3 f. 129 Monjal, RTD eur. 37 (2001), 335 (349); Schreiber, 54 f. 130 So Hobe, Jura 28 (2006), 859 (862).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

ses Merkmal das Unionsrecht bereits vom gewöhnlichen Völkerrecht abzuheben vermag. Dies darf letztlich bezweifelt werden. Harmonisierungen der nationalen Rechtsordnungen sind zu einem gewissen Grade durchaus auch auf anderen Gebieten zwischenstaatlicher Zusammenarbeit zu finden, die sich unbestrittenermaßen auf genuin völkerrechtlicher Ebene abspielen. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an die bereits oben erwähnten Beispiele der WHO und der ICAO.131 Auch im Rahmen dieser Organisationen können auf Grundlage des Art. 21 WHO-Verfassung beziehungsweise Art. 37 II Chicago-Konvention die Mitgliedstaaten bindende Vorschriften zur Angleichung von nationalen Rechtsvorschriften – sogar durch Mehrheitsbeschluß132 – angenommen werden.133 Dies geschieht, ohne daß jemals behauptet würde, diese ein hohes Maß an Loyalität zwischen den Mitgliedstaaten erfordernde enge Zusammenarbeit stelle kein genuines Völkerrecht mehr dar, sondern habe sich langsam, aber stetig zu einer Rechtsordnung sui generis entwickelt – oder sei auch nur auf dem Wege, sich zu einer solchen zu entwickeln. Insofern mag aus dem Umstand, daß mit den Rahmenbeschlüssen eine Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen intendiert ist, ein gesteigertes Maß an gegenseitigen Loyalitätspflichten zu folgern sein; eine absolute Besonderheit stellt dies im allgemeinen Völkerrecht indes nicht dar.134 Auch scheint – ungeachtet der Tatsache, daß die Verpflichtungen aus einer Richtlinie ganz generell den Staat als Ganzen treffen135 – mit dem Ziel der Angleichung der nationalen Rechtsordnungen in der Tat zuvörderst der Gesetzgeber angesprochen, nicht hingegen die Gerichte. Daher kann anhand des Tatbestandsmerkmals der Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften allenfalls allgemein zugunsten einer erhöhten Pflichtenstruktur zwischen den Mitgliedstaaten argumentiert Als weiteres Beispiel wäre noch der Weltpostverein zu nennen, vgl. Aston, 126 ff. Allerdings mit der Möglichkeit eines opting out; vgl. unten Zweiter Teil C. II. 4. 133 Nach Art. 21 WHO-Verfassung können für die Mitgliedstaaten verbindliche „regulations / règlements“ zur Festlegung von u. a. „standards / normes“ auf verschiedenen Gebieten beschlossen werden. Nach Art. 37 II Chicago-Konvention können ebenfalls für die Mitgliedstaaten verbindliche „standards / normes“ auf den Gebieten der Luftsicherheit und -navigation festgelegt werden. Vgl. für weitere Beispiele völkerrechtlicher Verpflichtungen zu gesetzgeberischem Handeln Seidel, 119 f. 134 Man mag an dieser Stelle auch noch daran erinnern, daß der EGMR neuerdings dazu übergegangen ist, im Rahmen von sog. „Pilot-Fällen“ bei „systemischen“ Verletzungen der EMRK von dem betreffenden Mitgliedstaat geeignete „legal and / or other measures“ zu verlangen (ohne freilich ein genau definiertes (gesetzgeberisches) Ergebnis vorzugeben); vgl. EGMR, Hutten-Czapska, Urteil der Großen Kammer v. 19. Juni 2006, Rn. 238 f.; abrufbar unter http: // www.echr.coe.int/echr. Ohne Kritik ist dieser Ansatz des EGMR freilich nicht geblieben; vgl. nur die teilweise abweichende Meinung von Richter Zagrebelsky des genannten Urteils sowie Herrmann / Linde, GYIL 49 (2006), 477 (526 f.); vgl. allgemein auch Schmahl, EuGRZ 35 (2008), 369, die sich um eine dogmatische Absicherung des Vorgehens des EGMR bemüht. 135 Vgl. oben Zweiter Teil B. III. 131 132

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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werden – ein Argument zugunsten einer Ausnahmestellung des Unionsrechts oder gar unmittelbar zugunsten einer rahmenbeschlußkonformen Auslegung kann hieraus indes nicht gezogen werden.

d) Keine unmittelbare Wirksamkeit Gemäß Art. 34 II lit. b a. E. EUV sind Rahmenbeschlüsse nicht unmittelbar wirksam. Es stellt sich die Frage, was dieser ausdrückliche Ausschluß für die Anwendung von Rahmenbeschlüssen bedeutet. Bemerkenswert ist dieser Zusatz gerade mit Blick auf das allgemeine Völkerrecht, das eine unmittelbare innerstaatliche Wirksamkeit völkerrechtlicher Verpflichtungen ohnehin nicht kennt. Hieraus jedoch den Schluß ableiten zu wollen, in diesem Zusatz komme gerade zum Ausdruck, daß das Unionsrecht schon über gewöhnliches Völkerrecht erhaben sei, weil der Zusatz anderenfalls redundant sei, ginge indes an der Sache vorbei. Umgekehrt haben die Mitgliedstaaten hiermit vielmehr gerade die Nähe zum Völkerrecht und die Distanz zum Gemeinschaftsrecht betonen wollen;136 unstreitig ist von diesem Zusatz zuvörderst die zur unmittelbaren Anwendbarkeit von EG-Richtlinien ergangene Judikatur des EuGH betroffen, der im Unionsrecht somit – gleichsam prophylaktisch – ausdrücklich ein Riegel vorgeschoben werden sollte.137 Darüber hinaus könnte diese Einschränkung aber auch Auswirkungen auf die – vom EuGH postulierte – rahmenbeschlußkonforme Auslegung haben.138 Auch wenn es sich bei dieser prima facie um eine bloß mittelbare Anwendung eines Rahmenbeschlusses handelt139 – was allerdings mitunter bestritten wird140 –, könnte der ausdrückliche Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit doch auch Auswirkungen auf die Frage der Zulässigkeit einer – im EUV so immerhin nicht vorgesehenen – rahmenbeschlußkonformen Auslegung haben. Jedenfalls aber sollte der ausdrückliche Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit von Rahmenbeschlüssen Anlaß genug sein nachzuholen, was Generalanwältin und der EuGH versäumt haben, nämlich etwas ausführlicher über die Bedeutung und Tragweite dieses ausVgl. Borgers, CMLRev 44 (2007), 1361 (1366); Ludwig, 268. BVerfGE 113, 273 (300); von Danwitz, JZ 62 (2007), 697 (699); Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842); Hummrich, DRiZ 83 (2005), 361 (363). 138 Vgl. Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (374), der der rahmenbeschlußkonformen Auslegung konzediert, sie führe zu „einer minderen Form unmittelbarer Wirkungen in Form einer unmittelbaren Inpflichtnahme der nationalen Entscheider für eine bestimmte Auslegungsmethode“; ebenso Schmahl, EuR 43 (2008), Beiheft 1, 7 (20); Nilsson, SvJT 90 (2005), 887 (894) attestiert der rahmenbeschlußkonformen Auslegung „en sorts direkt tillämplighet“, ganz ähnlich Lebeck, GLJ 8 (2007), 501 (502), der von einer „indirect form of direct applicability, although not direct effect“ spricht. 139 Betlem / Nollkaemper, EJIL 14 (2003), 569 (571 f.); für die richtlinienkonforme Auslegung Schlußanträge v. 27. April 2004, Rs. C-397 / 01 – C-403 / 01, Pfeiffer u. a., Slg. 2004, I-8835, Rn. 39 m.w. N.; Bernitz / Kjellgren, 86 f.; Hartley, 216; Rasmussen, EU-ret, 351. 140 Prononciert Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842). 136 137

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

drücklichen Ausschlusses nachzusinnen und Rahmenbeschlüssen nicht ohne weiteres jegliche denkbare – dem Wortlaut des Art. 34 II lit. b EUV so aber ganz gewiß nicht unmittelbar zu entnehmende –, extensive Bedeutung zuzuschreiben. aa) Abgrenzung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Wirkung Die Abgrenzung zwischen rahmenbeschlußkonformer Auslegung und unmittelbarer Anwendung gestaltet sich bei näherer Betrachtung als überaus schwierig. Zwar sind diese beiden Wirkungen theoretisch durchaus unterscheidbar, in der praktischen Anwendung dürften sie indes allzuoft ineinander verschwimmen und die Abgrenzungsprobleme mitunter immens sein.141 In Anbetracht dieser Unsicherheiten erscheint eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Frage unerläßlich; der EuGH ist hierauf im Pupino-Urteil indes mit keinem Wort eingegangen. (1) Kein Verbot der rahmenbeschlußkonformen Auslegung aufgrund Art. 34 II lit. b a. E. EUV Unstreitig ist, daß die unmittelbare Wirkung eines Rahmenbeschlusses gegenüber einem Bürger, ohne die Zwischenschaltung einer nationalen Norm, durch Art. 34 II lit. b a. E. EUV untersagt ist. Weniger eindeutig erscheint indessen, ob darüber hinaus auch die rahmenbeschlußkonforme Auslegung mit Art. 34 II lit. b a. E. EUV ausgeschlossen werden sollte. Die rahmenbeschlußkonforme Auslegung bedeutet in der Tat – wie oben gesehen – insoweit eine unmittelbare Wirkung des Rahmenbeschlusses, als nicht nur der eine nationale Norm auslegende Richter unmittelbar Rückgriff auf den Rahmenbeschluß nehmen muß,142 sondern vor allem die Rechtspositionen einzelner unmittelbar – ohne ein mitgliedstaatliches Zutun – berührt werden.143 Dieser Sicht ist mit logischen Erwägungen kaum beizukommen. Sicherlich muß der Richter im Falle der rahmenbeschlußkonformen Auslegung – bildlich gesprochen – den Rahmenbeschluß unmittelbar zur Hand nehmen und dessen Regelungen unmittelbar betrachten. Mehr noch werden die Rechtsposi141 Fetzer / Groß, EuZW 16 (2005), 550 (551); Hummrich, DRiZ 83 (2005), 361 (364); Lysén, Framework decisions, 50; Nelles / Tinkl / Lauchstädt, in: Schulze / Zuleeg, § 42, Rn. 30; Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (322); Tinkl, StV 26 (2006), 36 (38); Wehnert, NJW 58 (2005), 3760 (3762); kritisch auch Rudolf / Giese, ZRP 40 (2007), 113 (115); zur parallelen Problemlage bei der richtlinienkonformen Auslegung Auer, NJW 60 (2007), 1106 (1108 m. w. N.); Frenz, EWS 16 (2005), 104 (104 f.); Prechal, Directives, 180; Thüsing, ZIP 25 (2004), 2301 (2305); Schlußanträge v. 27. April 2004, Rs. C-397 / 01 – C-403 / 01, Pfeiffer u. a., Slg. 2004, I-8835, Rn. 26 a. E.; vgl. auch Koller, 98. 142 In diesem Sinne Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842). Giegerich spricht von „einer minderen Form unmittelbarer Wirkungen in Form einer unmittelbaren Inpflichtnahme der nationalen Entscheider für eine bestimmte Auslegungsmethode“ [ZaöRV 67 (2007), 351 (374)]. 143 Das unionsrechtliche Prinzip der rahmenbeschluß- / unionsrechtskonformen Auslegung entpuppt sich somit als unmittelbarer Einbruch in die nationalen Rechtsordnungen; vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung oben Zweiter Teil A. I.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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tionen einzelner durch die mitgliedstaatliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung unmittelbar berührt, gerade in Abänderung der jeweiligen Rechtspositionen nach der unmittelbar wirksamen nationalen Rechtsordnung. Aus folgenden Gründen ist indes nicht anzunehmen, daß diese Wirkung eines Rahmenbeschlusses durch Art. 34 II lit. b a. E. EUV ausgeschlossen ist: Daß auch die unmittelbare Wirkung gegenüber dem Staat, beziehungsweise der Gesamtheit der staatlichen Organe144 – hier: dem Richter –, ausgeschlossen sein soll, ergibt schlechterdings keinen Sinn. Wer, wenn nicht der Staat durch seine Organe, sollte den Rahmenbeschluß auch umsetzen? Wie sollte der Rahmenbeschluß überhaupt noch wirken, wenn er nicht einmal gegenüber dem Staat unmittelbar wirken könnte? Hierauf scheint keine Antwort ersichtlich. Ein allzu weites Verständnis des Ausschlusses in Art. 34 II lit. b a. E. EUV verbietet sich schon deshalb. Zum anderen wäre der Bürger im Falle der rahmenbeschlußkonformen Auslegung immer noch erst vermittelt durch die nationale Norm von dem Rahmenbeschluß betroffen, so daß der Rahmenbeschluß dem Bürger gegenüber in keinem Falle unmittelbar – will heißen: ohne die Vermittlung durch nationales Recht – wirkt. Die nationale Norm verbleibt gewissermaßen normativer Geltungsgrund der unmittelbaren Betroffenheit.145 Diese Sicht korrespondiert wiederum mit der in der Rechtswissenschaft ganz üblichen Terminologie, nach der die Pflicht zur Konformauslegung allgemein als indirekte oder mittelbare Wirkung eines Rechtsaktes bezeichnet wird.146 Entscheidend dürfte aber letztlich der folgende Umstand sein: Sowenig eine Richtlinie im Wege der richtlinienkonformen Auslegung selbst unmittelbar in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen gilt – es gilt vielmehr das dem EGV immanente gemeinschaftsrechtliche Prinzip gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung unmittelbar in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen147 –, sowenig würde ein Rahmenbeschluß im Wege der rahmenbeschlußkonformen Auslegung selbst unmittelbar in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen gelten. Was unmittelbar in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen gälte, wäre wiederum das (behauptete) unionsrechtliche Prinzip der rahmenbeschluß- / unionsrechtskonformen Auslegung, aufgrund dessen mittelbar der Rahmenbeschluß zu berücksichtigen wäre. Das gleiche würde im übrigen auch für die parallele Situation gelten, in der das Gebot der rahmenbeschlußkonformen Auslegung aus der allgemeinen mitgliedstaatlichen Pflicht zur völkerrechtskonformen Auslegung abgeleitet wird.148 Diese ergibt sich Vgl. hierzu oben Zweiter Teil B. III. Prechal, in: Barnard, 35 (50); Schreiber, 54; von Unger, NVwZ 25 (2006), 46 (48). 146 Vgl. nur Betlem / Nollkaemper, EJIL 14 (2003), 569 (572); für die richtlinienkonforme Auslegung Schlußanträge v. 27. April 2004, Rs. C-397 / 01 – C-403 / 01, Pfeiffer u. a., Slg. 2004, I-8835, Rn. 39 m. w. N.; Bernitz / Kjellgren, 86 f.; Drake, ELRev 30 (2005), 329; Hartley, 216; Rasmussen, EU-ret, 351. 147 Vgl. ausführlich oben Zweiter Teil A. I. 148 Vgl. oben die Nachweise in Prolegomena, Fn. 19 f. sowie den begleitenden Text. 144 145

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

für das deutsche Recht aus dem Grundgesetz selbst. Das Grundgesetz – und mit ihm das Prinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit – gilt freilich unmittelbar in Deutschland. Daß durch das verfassungsrechtliche Gebot, nationales Recht rahmenbeschlußkonform auszulegen, der Rahmenbeschluß (oder sonstiges Völkerrecht) zu unmittelbarer Wirkung – quasi aus sich selbst heraus – erstarken würde, kann nicht angenommen werden. Der Rahmenbeschluß bedarf gerade der innerstaatlichen „Implementierung“ über das Scharnier der völkerrechtskonformen Auslegung. Mithin ist es im Falle der rahmenbeschlußkonformen Auslegung nicht der Rahmenbeschluß selbst, der unmittelbar im innerstaatlichen Recht wirkt, sondern das verfassungsrechtliche Prinzip völkerrechtskonformer Auslegung beziehungsweise das (behauptete) unionsrechtliche Prinzip rahmenbeschluß- / unionsrechtskonformer Auslegung. Aus diesen Gründen kann nicht angenommen werden, daß mit dem ausdrücklichen Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit auch die „mittelbare“ Wirksamkeit in Gestalt der rahmenbeschlußkonformen Auslegung ausgeschlossen ist.149 Es wird daher hier im weiteren davon ausgegangen, daß die rahmenbeschlußkonforme Auslegung keinen Fall unmittelbarer Wirksamkeit i. S. d. Art. 34 II lit. b a. E. EUV darstellt und mithin nicht bereits durch den Wortlaut des EUV ausgeschlossen ist.150 Sehr wohl hingegen läßt der ausdrückliche Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit von Rahmenbeschlüssen – aber auch von Beschlüssen gemäß Art. 34 II lit. c EUV – ganz allgemein die offenkundige und unzweideutige Abneigung der Mitgliedstaaten erkennen, Unionsrecht innerstaatliche Geltung zu verschaffen. Man darf insoweit zu Recht die Frage aufwerfen, wie vor diesem Hintergrund plausibel argumentiert werden kann, die Mitgliedstaaten wollten dem Unionsrecht innerstaatliche Wirksamkeit zugestehen – wenn sie zugleich der unmittelbaren Wirksamkeit der am ehesten hierfür in Betracht kommenden sekundären Rechtsakte in aller Deutlichkeit entgegengetreten sind. Dies mag für sich nichts an dem vorliegenden Befund ändern; Hinweise auf die Motivation der Mitgliedstaaten gestattet der Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit der Rahmenbeschlüsse (und Beschlüsse) indes allemal.

149 Egger, EuZW 16 (2005), 652 (653); Prechal, in: Barnard, 35 (62); a. A. Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842). Generell für ein enges Verständnis des Ausschlusses der unmittelbaren Wirksamkeit nach Art. 34 II lit. b EUV plädierend Monjal, RTD eur. 37 (2001), 335 (363 – 365); Röben, in: Grabitz / Hilf, Art. 34 EUV, Rn. 15. 150 Legt man dem Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit in Art. 34 II lit. b a. E. EUV indes ein weiteres Verständnis zugrunde, als auch die rahmenbeschlußkonforme Auslegung umfassend – welche de facto ein Fall unmittelbarer Wirksamkeit ist –, müßte die rahmenbeschlußkonforme Auslegung schon wegen eines Verstoßes gegen Art. 34 II lit. b a. E. EUV ausscheiden; in diesem Sinne Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842).

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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(2) Verbot der Rechtsfortbildung als rahmenbeschlußkonforme „Auslegung“ Es stellt sich im Zusammenhang mit dem Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit des Art. 34 II lit. b a. E. EUV jedoch noch ein weiteres Problem: Verlangt der EuGH mit der mitgliedstaatlichen Verpflichtung des nationalen Richters, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck des Rahmenbeschlusses auszurichten, vom nationalen Richter auch die Fortbildung des nationalen Rechts?151 In der parallelen Frage der richtlinienkonformen Auslegung wird dies zunehmend angenommen.152 Für diese Annahme könnte namentlich sprechen, daß der EuGH – der französischen Rechtstradition folgend – generell nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung unterscheidet,153 in seiner Sicht also noch – terminologisch – rahmenbeschlußkonforme Auslegung ist, was realiter bereits Rechtsfortbildung darstellt. Klar dürfte sein, daß die Weiterentwicklung des nationalen Rechts zur Erreichung eines Rahmenbeschlußziels, aber entgegen der durch den nationalen Gesetzgeber vorgesehenen Rechtslage einer unmittelbaren Wirkung des Rahmenbeschlusses zumindest gleichkommt; es wird die – anderslautende – nationale Norm unangewendet gelassen und durch eine neu zu schöpfende ersetzt.154 Schon das Außerachtlassen einer anderslautenden nationalen Norm begegnet nicht zu überwindenden Bedenken.155 Aber die Schaffung einer gänzlich neuen, letztlich allein auf dem Rahmenbeschluß fußenden Norm läßt einen Unterschied zwischen der unmittelbaren Anwendung des Rahmenbeschlusses und der identischen, richterrechtlich neu zu schaffenden Norm nicht mehr erkennen.156 Im Falle der rahmenbeschlußkonformen Auslegung vermittels 151 Vgl. Hobe, Jura 28 (2006), 859 (861) mit Verweis auf EuGH, Rs. C-397 / 01 – C-403 / 01, Pfeiffer u. a., Slg. 2004, I-8835, Rn. 118. 152 Sehr deutlich jüngst BGH, NJW 62 (2009), 427; Fetzer / Groß, EuZW 16 (2005), 550 (551); Herresthal, EuZW 18 (2007), 396 (insb. 397); Herrmann, Richtlinienumsetzung, 232 ff.; Meier, 74 ff.; von Oettingen / Rabenschlag, ZEuS 9 (2006), 363 (369); Roth, EWS 16 (2005), 385 (393 ff.); Thüsing, ZIP 25 (2004), 2301 (2305); vgl. auch Prechal, Directives, 197 ff. Ross hingegen sieht mit Hinweis auf EuGH, Rs. C-157 / 02, Rieser Internationale Transporte, Slg. 2004, I-1477, Rn. 22 eine gewisse Erleichterung der Vorgaben durch den EuGH in bezug auf die richtlinienkonforme Auslegung aufscheinen – weg von einer absoluten Verpflichtung, hin zu einer bloßen Berücksichtigungspflicht der Richtlinie [ELRev 31 (2006), 476 (487)]. Es darf jedoch bezweifelt werden, daß der EuGH mit diesem Judikat wirklich von seiner bisherigen Rechtsprechungslinie hat abweichen wollen. Bester Beleg hierfür ist das nur acht Monate später ergangene Pfeiffer-Urteil. 153 Anweiler, 39; Buck, 51; Wank, in: FS Stahlhacke, 633 (635). 154 Vgl. Wasmeier, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 59 (65); zur parallelen Lage der richtlinienkonformen Auslegung Auer, NJW 60 (2007), 1106 (1108); vgl. auch Brechmann, 164 f.; Curtin, CMLRev 27 (1990), 709 (724 f., insb. auch Fn. 72). 155 Vgl. ausführlich zum Verbot einer invocabilité d’exclusion im Zusammenhang mit Rahmenbeschlüssen unten Zweiter Teil E. II. 3. 156 Nach Verhoeven [RBDI 15 (1980 – 2), 243 (245)] liegt die unmittelbare Anwendung („applicabilité directe“) einer völkerrechtlichen Norm vor, wenn „la règle internationale puisse être appliquée alors même que les autorités nationales n’ont adopté aucune mesure particulière d’exécution“. Im Falle der richterrechtlichen Rechtsfortbildung des nationalen

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

Rechtsfortbildung würden die Grenzen zwischen bloß mittelbarer und unmittelbarer Wirkung eines Rahmenbeschlusses vollends verwischen.157 Unabhängig davon, ob der EuGH von den mitgliedstaatlichen Gerichten tatsächlich die Erreichung des Rahmenbeschlußziels vermittels Rechtsfortbildung hat einfordern wollen, muß jedenfalls in Anbetracht des über die Maßen deutlich zutage tretenden Willens der Mitgliedstaaten, den Instrumenten der Dritten Säule keine unmittelbare Wirkung zukommen zu lassen, die mitgliedstaatliche Pflicht zur Rechtsfortbildung bei der rahmenbeschlußkonformen Auslegung ausgeschlossen sein. Alles andere wäre ein direkter Verstoß gegen Art. 34 II lit. b a. E. EUV. (3) Fazit Abgrenzung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Wirkung Zwar soll hier der vorherigen Darstellung ungeachtet die Meinung vertreten werden, daß eine Trennung zwischen bloß mittelbarer und unmittelbarer Anwendung eines Rahmenbeschlusses jedenfalls theoretisch durchaus möglich ist. Insofern sprechen die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung noch nicht zwingend gegen eine Zulassung der mittelbaren Anwendung von Rahmenbeschlüssen schlechthin; die flagranten Abgrenzungsschwierigkeiten gebieten allerdings in jedem Fall eine Zurückhaltung im Umgang mit dem Institut der rahmenbeschlußkonformen Auslegung – und zwar unabhängig davon, ob dessen Rechtsgrund im Europarecht oder im nationalen Recht wurzelt. Ein Argument zugunsten eines unionsrechtlichen Gebots rahmenbeschlußkonformer Auslegung kann hieraus in jedem Falle schlechterdings nicht gezogen werden. Rechts würde es an jeglicher Umsetzung des Rahmenbeschlusses fehlen, der Rahmenbeschluß nach der Definition Verhoevens mithin letztlich unmittelbar wirken. 157 Ebenso kritisch Hobe, Jura 28 (2006), 859 (861). Zur Veranschaulichung, wie groß die praktischen Schwierigkeiten letztlich sind, beides auseinanderzuhalten, soll darauf hingewiesen werden, daß etwa Sinn / Wörner davon auszugehen scheinen, das BVerfG habe in seinem Nichtannahmebeschluß vom 24. November 2005 [BVerfGK 6, 360] die Behörden zur „direkten“ Anwendung des einschlägigen Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl [ABl. 2002 L 190, 1] aufgefordert [ZIS 2 (2007), 204 (208)]. Sinn / Wörner befürchten daher, Rahmenbeschlüsse könnten als inländisches Recht angewendet werden [ibid.], was freilich offenkundig gegen den Wortlaut des Art. 34 II lit. b EUV verstoßen würde. [Die (Wortlaut-) Grenze des Art. 34 II lit. b EUV respektiert auch Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (373 f.).] Dabei ist sehr zweifelhaft, ob das BVerfG dies überhaupt hat zum Ausdruck bringen wollen; verweist es doch vielmehr mit Hinweis auf das Pupino-Urteil des EuGH auf die Pflicht der deutschen Organe, den Rahmenbeschluß „bei der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts“ zu beachten [BVerfGK 6, 360 (363)]. Gusy / Schewe wiederum scheinen offenbar davon auszugehen, daß der EuGH im Pupino-Urteil Ausführungen zur „unmittelbaren Geltung“ von Rahmenbeschlüssen gemacht hat [Gusy / Schewe, in: Weidenfeld / Wessels, Jahrbuch 2006, 191 (192)], womit sie sich wohl auf die Ausführungen zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung beziehen – zur unmittelbaren Wirkung eines Rahmenbeschlusses, gerade im Lichte des Art. 34 II lit. b a. E. EUV, hat sich der EuGH gerade nicht verhalten, was in der Literatur mitunter mit Recht kritisiert worden ist; vgl. etwa Borgers, CMLRev 44 (2007), 1361 (1368); Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842); Hummrich, DRiZ 83 (2005), 361 (364); von Unger, NVwZ 25 (2006), 46 (48).

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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bb) Abgrenzung zwischen unmittelbarer Wirkung und „bloßen negativen Auswirkungen“ Ein weiteres Problem, das sich stellt, ist die Abgrenzung zwischen (ausdrücklich untersagter) unmittelbarer Wirkung und (prima facie erlaubten) „bloßen negativen Auswirkungen“. Bezüglich dieser Abgrenzung soll von der – die Anwendung von Richtlinien betreffenden – Wells-Rechtsprechung des EuGH ausgegangen werden. In dieser geht der EuGH allein dann vom Vorliegen einer – auch nach dem Gemeinschaftsrecht verbotenen – umgekehrt unmittelbaren Wirkung einer Richtlinie aus, wenn eine (einem Bürger gegenüber bestehende) Verpflichtung des Staates aus einer Richtlinie „unmittelbar im Zusammenhang steht mit der Erfüllung einer anderen Verpflichtung, die aufgrund dieser Richtlinie einem Dritten obliegt“.158 Mit anderen Worten: Wenn und soweit eine etwaig eintretende Belastung eines (dritten) Bürgers (die diesen im Zusammenhang damit trifft, daß der Staat eine aus einer Richtlinie herrührende Verpflichtung gegenüber einem anderen Bürger erfüllt) nicht in Form einer (aus derselben Richtlinie fließenden rechtlichen) Verpflichtung dieses Bürgers besteht, liegt insoweit keine unmittelbare Wirkung der Richtlinie vor, sondern allein eine „bloße negative Auswirkung“ auf die Rechte dieses Bürgers.159 Damit bleibt – zumindest in der Theorie160 – der Grundsatz, daß aus einer Richtlinie selbst keine den einzelnen belastende Verpflichtung erwachsen kann, gewahrt. Auf den Rahmenbeschluß läßt sich dies entsprechend übertragen. Wenn etwa nach Maßgabe des Art. 31 I lit. e EUV im Wege eines Rahmenbeschlusses auf das materielle Strafrecht der Mitgliedstaaten eingewirkt wird und hierdurch – aufgrund des Erfordernisses der rahmenbeschlußkonformen Auslegung – mittelbar das nationale materielle Strafrecht verschärft wird, würde dies wohl noch keine unmittelbare – wiewohl aber aus rechtsstaatlichen Gründen unzulässige161 – Anwendung des Rahmenbeschlusses bedeuten; das Strafrecht erlegt dem einzelnen keine konkreten Verpflichtungen auf, sondern knüpft lediglich Rechtsfolgen an ein bestimmtes strafrechtlich bewehrtes Verhalten.162 In der Diktion des EuGH läge hierin wohl allein eine „bloße negative Auswirkung“. Das gleiche gilt mehr noch für das in der Rechtssache Pupino betroffene Strafprozeßrecht; die Tatsache, daß der Angeklagten Maria Pupino mit den mutmaßlichen Opfern im (Klein-)Kindesalter im Hauptverfahren nicht nur die Belastungszeugen, sondern hiermit einhergehend auch ihr Menschenrecht aus Art. 6 III lit. d EMRK vorenthalten worden ist, EuGH, Rs. C-201 / 02, Wells, Slg. 2004, I-723, Rn. 56. Vgl. ibid., Rn. 57. 160 So von Oettingen / Rabenschlag, ZEuS 9 (2006), 363 (369); nach Dashwood kommt einer drittbelastenden Richtlinie „a kind of direct effect“ zu [CYELS 9 (2006 – 2007), 81 (100)]. 161 Vgl. unten Zweiter Teil E. II. 4. b) sowie allgemein zu den Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung Zweiter Teil E. II. 162 Dies gilt jedenfalls, wenn man dem Strafrecht allein Sanktionscharakter beimißt, ohne indes bestimmte Verhaltenspflichten zu beinhalten; vgl. Hoyer, 387. 158 159

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

wäre wiederum – weil keine aus dem Rahmenbeschluß herrührende, ihr obliegende Verpflichtung darstellend – allein als eine „bloße negative Auswirkung“ zu werten. Dies macht bereits deutlich, daß – zumal im Bereich der sehr grundrechtssensiblen Strafverfolgung163 – eine rein formalistische Betrachtungsweise nicht immer zielführend ist. Offenkundig ist es nicht hinreichend, etwaige Nachteile für den Strafverfolgten als gleichsam „Kollateralschäden“ abzutun, sondern müssen dessen Belange bei der mittelbaren Anwendung von Rahmenbeschlüssen stark berücksichtigt werden.164 Nichtsdestotrotz ändert dies nichts an der Tatsache, daß selbst im Falle einer Verschärfung des materiellen Strafrechts durch Rückgriff auf einen entsprechenden Rahmenbeschluß streng genommen keine unmittelbare Anwendung dieses Rahmenbeschlusses gegeben wäre. Insofern spricht die Möglichkeit der Verschlechterung der Rechtsposition des einzelnen aufgrund der rahmenbeschlußkonformen Auslegung noch nicht schlechthin gegen diese.165

cc) Zwischenfazit Das Prinzip der rahmenbeschlußkonformen Auslegung steht prinzipiell nicht im Widerspruch zu Art. 34 II lit. b a. E. EUV, wonach Rahmenbeschlüsse nicht unmittelbar wirksam sind.166 Gleichwohl erscheint eine trennscharfe Unterscheidung zwischen rahmenbeschlußkonformer Auslegung und unmittelbarer Anwendung äußerst schwierig. Insofern läßt sich hieraus eher ein Gebot zum zurückhaltenden Umgang mit diesem Rechtsinstitut ablesen, um bei dessen Gebrauch nicht unversehens in den – ausdrücklich untersagten – Bereich der unmittelbaren Anwendung zu gelangen. Deutlich wird durch den ausdrücklichen Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit des Rahmenbeschlusses jedoch zweierlei: Zum einen entspricht dieser Umstand üblichem Völkerrecht, in dem eine Durchgriffswirkung auf die nationale Rechtsordnung unbekannt ist. Zum anderen wird mit diesem Zusatz das Unionsrecht bewußt vom supranationalen Gemeinschaftsrecht abgegrenzt.167 Beides ist nicht dazu angetan, dem Unionsrecht dem Gemeinschaftsrecht ähnliche Wirkungen zuzuschreiben. Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (375). Vgl. in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips; Zweiter Teil E. II. 2. 165 Vgl. auch unten Zweiter Teil E. II. 4. b). 166 von Danwitz, JZ 62 (2007), 697 (699, Fn. 17); Schroeder, EuR 42 (2007), 349 (366 f.); Streinz, JuS 45 (2005), 1023 (1026); Wasmeier, ZEuS 9 (2006), 23 (29); a. A. Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842). 167 Vgl. Denza, 15; Jour-Schröder / Wasmeier, in: von der Groeben / Schwarze, Vorbem. zu den Art. 29 – 42 EUV, Rn. 3; a. A. Gas, EuR 41 (2006), 285 (293 f.), nach dem die fehlende unmittelbare Wirksamkeit dem Rahmenbeschluß „eine supranationale Wirkung kaum absprechen“ könne; Wasmeier, ZEuS 9 (2006), 23 (27). 163 164

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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e) Ergebnis Wortlaut Es sind vier Tatbestandsmerkmale des Art. 34 II lit. b EUV untersucht worden: Verbindlichkeit hinsichtlich des zu erreichenden Ziels; freie Wahl der Form und der Mittel; zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten sowie der Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit. Die Verbindlichkeit des Rahmenbeschlusses hinsichtlich des zu erreichenden Ziels sowie die Wahlfreiheit der Form und der Mittel stellen keine Besonderheiten im Völkerrecht dar. Umgekehrt spiegelt diese Konstruktion gewissermaßen den Regelfall völkerrechtlicher Verpflichtungen wider: Nach außen hinsichtlich des geschuldeten Erfolges gebunden, bleibt die Umsetzung dieser Verpflichtung indes den Mitgliedstaaten überlassen. Ungleich mehr läßt das Ziel der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten aufmerken. Hierbei handelt es sich nicht mehr um eine beliebige, relativ lockere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Vielmehr wird mit der verpflichtenden Anpassung der eigenen Gesetzgebung ein gutes Stück an Souveränität preisgegeben. Hierin ist in der Tat ein stark integratives Moment des Rahmenbeschlusses zu sehen. Indes stellt dieser Typus Verpflichtung keine absolute Ausnahme im Völkerrecht dar, sondern kann in entsprechend spezialisierten Internationalen Organisationen in ähnlicher Ausgestaltung durchaus auch anderweitig angetroffen werden. Um eine relativ spezialisierte Zusammenarbeit handelt es sich bei der Zusammenarbeit im Rahmen der Dritten Säule letztlich auch.168 Der Ausschluß der unmittelbaren Wirksamkeit untermauert schließlich einmal mehr den völkerrechtlichen Charakter des Rahmenbeschlusses. Nicht nur, daß die fehlende unmittelbare Wirksamkeit völkerrechtlicher Alltag ist, widerspricht darüber hinaus auch die damit einhergehende bewußte Abgrenzung des Rahmenbeschlusses von den supranationalen Rechtsakten einer wie auch immer gearteten substantiellen Annäherung des Unionsrechts an das Gemeinschaftsrecht. 2. Systematik Was das normative Umfeld des den Rahmenbeschluß definierenden Art. 34 II lit. b EUV angeht, soll an dieser Stelle nach unten verwiesen werden, wo das Recht der Dritten Säule sowie die Grundlagen der Europäischen Union im Rahmen einer Gesamtschau einer umfassenden Würdigung unterzogen werden sollen169 und insbesondere auch die Rechtsakte der Dritten denen der Ersten Säule gegenübergestellt werden.170 Hier soll daher lediglich auf einen in Art. 34 II EUV selbst angelegten systematischen Aspekt hingewiesen werden. Im Gegensatz zu den zwischen den Mitglied168 169 170

Vgl. hierzu unten Zweiter Teil C. II. 2. Zweiter Teil C. II. und C. III. Zweiter Teil C. II. 1.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

staaten geschlossenen Übereinkommen nach Art. 34 II lit. d EUV bedürfen Rahmenbeschlüsse keiner innerstaatlichen Ratifikation. Inwieweit in dem fehlenden Ratifikationserfordernis jedoch eine Besonderheit des Unionsrechts zu erblicken sein soll,171 die das Unionsrecht über gewöhnliches Völkerrecht erheben würde, ist nicht ersichtlich. Völkerrechtliche Verpflichtungen entstehen ganz generell unabhängig von einer innerstaatlichen Ratifikation, solange nur die völkerrechtliche Ratifikation gegeben ist. Insofern weicht das Regime des Rahmenbeschlusses nicht vom gewöhnlichen Völkerrecht ab. Beschlüsse Internationaler Organisationen bedürfen ebenfalls generell keiner innerstaatlichen Ratifikation172 und können überdies für Staaten sogar dann verbindlich werden, wenn sie diesen gar nicht zugestimmt haben.173 Im Falle des Rahmenbeschlusses müssen die Mitgliedstaaten diesem allerdings zustimmen; anderenfalls kann er nicht in Kraft treten.

3. Teleologie Nach dem EuGH ist es „völlig verständlich“, daß die Verfasser des EUV es für angebracht hielten, im Rahmen des Titels VI des EUV den Rückgriff auf Rechtsinstrumente mit analogen Wirkungen wie im EGV vorzusehen.174 Diese Aussage spiegelt sich in dieser Pauschalität in den in Art. 34 II EUV niedergelegten Rechtsinstrumenten der Dritten Säule jedoch keineswegs wider.175 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang insbesondere, daß die Mitgliedstaaten die Rechtsakte der Ersten Säule nicht schlicht auf die Dritte Säule übertragen – oder diese schlicht gleich in die Erste Säule inkorporiert – haben, sondern vielmehr ein eigenständiges Regime an Rechtsformen geschaffen haben.176 Richtig ist, daß dem Rahmenbeschluß generell der gleiche telos wie der Richtlinie zugrunde liegt,177 nämlich die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsordnungen. Daß hierin ein deutlich integratives Moment zu erblicken ist, ist bereits festgestellt worden.178 Höchst fraglich ist indes, ob aus diesem gemeinsamen telos des Rahmenbeschlusses mit der Richtlinie notwendigerweise gefolgert werden kann, daß die Mitgliedstaaten Vgl. aber Masing, NJW 59 (2006), 264 (266). Mehr noch bedürfen sie auch auf völkerrechtlicher Ebene keiner Zustimmung der Mitgliedstaaten, sondern zeichnen sich gerade dadurch aus, daß sie von der Internationalen Organisation selbst angenommen werden, aber eben nicht von den Mitgliedstaaten (wenn auch die in dem beschlußfassenden Organ wirkenden Amtswalter regelmäßig von den Mitgliedstaaten benannte Vertreter sein werden); instruktiv Aston, 51 ff. 173 Seidl-Hohenveldern / Loibl, Rn. 1554 f. Dies gilt namentlich für die WHO nach Maßgabe der Art. 21 f. WHO-Verfassung sowie die ICAO nach Maßgabe der Art. 37 f., 54 und 80 Chicago-Konvention. 174 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 36. 175 Siehe hierzu ausführlich unten Zweiter Teil C. II. 1. 176 Etwa Gärditz / Gusy, GA 153 (2006), 225 (225). 177 Ligeti, 266. 178 Siehe soeben Zweiter Teil C. I. 1. c). 171 172

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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auch die Übernahme der richtlinienkonformen Auslegung auf den Rahmenbeschluß bezweckten. Hiergegen sprechen die folgenden Erwägungen: Die Mitgliedstaaten wollten mitnichten den Handlungsformen der Dritten Säule die supranationale Wirkung der Ersten Säule zubilligen. Vielmehr war ein intergouvernementaler Charakter der Dritten Säule intendiert;179 die Mitgliedstaaten haben sich also bewußt gegen eine Vergemeinschaftung der Dritten Säule entschieden.180 Wenn nun aber die mitgliedstaatliche Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung im Rahmen des Gemeinschaftsrechts letztlich auf die Supranationalität des Gemeinschaftsrechts zurückzuführen ist,181 die Mitgliedstaaten für die Dritte Säule aber gerade den intergouvernementalen Charakter bewahren wollten, dann spricht einiges dafür, daß eine verpflichtende rahmenbeschlußkonforme Auslegung, die unmittelbar auf die nationalen Rechtsordnungen ausgreifen würde, von den Mitgliedstaaten nicht intendiert gewesen ist. Bestätigt wird dieser Befund nicht zuletzt noch durch die nur beschränkten Kompetenzen des EuGH im Rahmen der Dritten Säule.182 Diese erreichen nicht annähernd das Niveau und die Tiefe seiner Kompetenzen im Bereich der Ersten Säule. In dem Maße aber, wie die Mitgliedstaaten sich nicht generell der Gerichtsbarkeit des EuGH im Rahmen der Dritten Säule unterwerfen wollten, wollten sie die Kontrolle über die Rechtsentwicklung in diesem Sektor des Unionsrechts maßgeblich in der eigenen Zuständigkeit bewahren.183 Einer dem Wortlaut nicht unmittelbar zu entnehmenden Rechtswirkung wäre nach dieser Logik ganz grundsätzlich mit gesunder Vorsicht zu begegnen, solange die Mitgliedstaaten nicht deutlich ihren Willen zu einer Weiterentwicklung des Unionsrechts zum Ausdruck gebracht haben.

4. Entstehungsgeschichte / Staatenpraxis Die Mitgliedstaaten wollten mit Verabschiedung des Amsterdamer Vertrages als übergeordnetes Ziel die Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erhalten und weiterentwickeln,184 was seinen Niederschlag auch unmittelbar in Art. 2 I Spiegelstrich 4 EUV sowie Art. 29 I EUV gefunden hat. Hierzu Statt vieler Grard, RGDIP 110 (2006), 337 (339); Thun-Hohenstein, 46. Ambos, § 12, Rn. 4; Labayle, RTD eur. 41 (2005), 437 (440); Lebeck, GLJ 8 (2007), 501 (522); Lorenzmeier, ZIS 1 (2006), 583 (586); Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (919). 181 Vgl. oben Zweiter Teil A. I. 182 Statt aller Cameron, ERT 8 (2005), 631 (634); von Danwitz, Rechtsschutz, 5; Prechal, YEL 25 (2006), 429 (429, Fn. 1); Wölker, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 99 (107); vgl. auch ausführlich unten Zweiter Teil C. III. 8. b). 183 Vgl. von Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (112); Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (908). 184 Craig / de Búrca, 23 f. 179 180

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

sollten namentlich die Kompetenzen der EU im Bereich der Dritten Säule ausgeweitet werden,185 um auf diese Weise der seinerzeit nur eingeschränkten Funktionsfähigkeit der Akte der damaligen Dritten Säule abzuhelfen.186 Als Folge dessen hat der Rahmenbeschluß gegenüber seiner Vorgängerin, der Gemeinsamen Maßnahme, deutlich an Kontur gewonnen;187 namentlich muß nicht jedes Mal aufs neue die Verbindlichkeit eigens festgelegt werden,188 sondern jeder Rahmenbeschluß ist per definitionem verbindlich. Überhaupt sind die Verbesserungen im Rahmen der Dritten Säule nicht zu übersehen: So besitzt etwa die Kommission auf dem gesamten Gebiet der Dritten Säule ein Initiativrecht, was gegenüber dem alten Art. K.3 II Spiegelstrich 2 EUV eine veritable Aufwertung bedeutet, und ist der Rahmenbeschluß in mancherlei Hinsicht gerichtlich durch den EuGH überprüfbar, ohne freilich an die vollumfängliche Justitiabilität des gemeinschaftsrechtlichen Vorbilds heranzureichen. Andererseits wird für den Rahmenbeschluß nunmehr ausdrücklich die unmittelbare Wirksamkeit ausgeschlossen und hierdurch die vorher unklare Rechtslage entschieden.189 Auch bestand keineswegs Einigkeit zwischen den Mitgliedstaaten, wie weit die Entwicklung der Dritten Säule letztlich gehen sollte. So hat etwa über den Vorschlag, Mehrheitsentscheidungen auch im Rahmen der Dritten Säule einzuführen,190 keine Einigkeit im Kreise der Mitgliedstaaten hergestellt werden können. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten über den anzustrebenden Fortgang des europäischen Integrationsprozesses waren überhaupt eher grundsätzlicher Natur und bestanden auch noch während der Regierungskonferenz zum Amsterdamer Vertrag fort.191 Namentlich die während der andauernden Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag neugewählte Regierung Blair hat die in diesem Punkte sehr zurückhaltende Position der Vorgängerregierung übernommen.192 Aus der Darstellung der diesbezüglichen Verhandlungen ergibt sich, daß die Mitgliedstaaten seinerzeit mitnichten einvernehmlich vor Augen hatten, die Dritte Säule praktisch gleichrangig neben die Erste zu stellen und die Richtlinie mit all ihren Rechtswirkungen eins zu eins in Form des Rahmenbeschlusses in die Dritte Säule zu übernehmen. Es sollte eine allzu starke unionsrechtliche EinflußLorenzmeier, ZIS 1 (2006), 576 (576). Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (31); Nilsson, SvJT 84 (1999), 709 (729). 187 Ligeti, 263. 188 So aber noch bei der Gemeinsamen Maßnahme, siehe Schweitzer / Hummer, Rn. 978; Weber, EuR 43 (2008), 88 (92); Zeder, ÖJZ 56 (2001), 81 (82); vgl. auch König, 405 f.; Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (233). 189 Nach dem Maastrichter Vertrag war umstritten, inwieweit Rechtsakte der Dritten Säule unmittelbare Wirkung entfalten können; vgl. Calliess, 152 m. w. N. 190 Vgl. die Gemeinsame Botschaft von Bundeskanzler Kohl und dem französischen Präsidenten Chirac vom 9. Dezember 1996, abgedruckt in: Nanz, 113. 191 Vgl. Herrnfeld, in: Schwarze, Art. 47 EUV, Rn. 4; Monar, ELRev 23 (1998), 320 (322 f.). 192 Kortenberg, RTD eur. 33 (1997), 709 (714). 185 186

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nahme auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen vielmehr gerade vermieden werden.193 Aber auch aktuellere Entwicklungen lassen keinen anderen Schluß zu. So müssen neuere Bestrebungen, Gebrauch von der Passerelle-Vorschrift des Art. 42 EUV194 zu machen und auf diesem Wege wenigstens bestimmte Materien der Dritten Säule zu vergemeinschaften – als spätere Übung i. S. d. Art. 31 III lit. b WVK durchaus bei der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen von Belang,195 sei es auch nur als Beleg fehlender Übereinstimmung zwischen den Mitgliedstaaten in einer bestimmten Frage196 –, als gescheitert angesehen werden. Obgleich die Kommission noch Ende Juni 2006 konkrete Vorschläge in diese Richtung gemacht hatte,197 gingen die Stellungnahmen des Rates sowie des Europäischen Rates über bloße Lippenbekenntnisse zu angestrebten Verbesserungen im Bereich des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der weiter gestärkt werden müsse und an dessen Ausbau festgehalten werde, nicht hinaus, und griffen insbesondere die durchaus konkreten Vorschläge der Kommission nicht auf.198 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang insbesondere, daß auch die entsprechenden Bestrebungen, die Passerelle des Art. 67 II Spiegelstrich 2 EGV nutzbar zu machen und auf diesem Wege Titel IV des EGV199 dem übrigen Gemeinschaftsrecht weiter anzunähern, erfolglos geblieben sind. Selbst in diesem bereits „weitgehend vergemeinschafteten“200 Bereich bestehen offenkundig nach wie vor Weißer, ZIS 1 (2006), 562 (575). Vgl. ausführlich zur Passerelle des Art. 42 EUV Zweiter Teil C. II. 6. 195 Dies gilt namentlich auch für die Gründungsdokumente von Internationalen Organisationen; vgl. IGH, Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict, ICJ Reports 1996, 66, Rn. 19. 196 Sorel, in: Corten / Klein, Art. 31 – Convention de 1969, Rn. 43. 197 KOM (2006) 331, 13 ff. 198 Vgl. die Pressemitteilung des Rates unter der finnischen Ratspräsidentschaft zur Tagung v. 4. – 5. Dezember 2006 [15801 / 06 (Presse 341), 8 f.] sowie die Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates v. 12. Februar 2007 zur Tagung v. 14. – 15. Dezember 2006 [16879 / 1 / 06 REV 1, 5 f.], in denen praktisch gar nicht auf die entsprechenden konkreten Vorschläge der Kommission v. 28. Juni 2006 [KOM (2006) 331, 13 ff.] eingegangen wird. Jedoch waren manche Mitgliedstaaten – namentlich Deutschland – letztlich wohl hauptsächlich deshalb dagegen, die Passerelle des Art. 42 EUV anzuwenden, um den Druck auf die übrigen Mitgliedstaaten zugunsten einer zukünftigen grundlegenden Reform der Dritten Säule zu erhöhen; vgl. Bergström, ERT 9 (2006), 569 (572). 199 Mit „Titel IV des EGV“ ist hier stets Titel IV des Dritten Teils des EGV (= Art. 61 – 69 EGV) gemeint. 200 Vor allem unmittelbar nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages wurde dem Titel IV des EGV immer wieder die Eigenschaft als „richtiges“ Gemeinschaftsrecht abgesprochen; vgl. etwa Chavrier, der im Jahre 2000 die Auffassung vertritt, Titel IV des EGV sei im wesentlichen noch intergouvernementaler Natur [RMC 43 / 442 (2000), 620 (625)]; Gündisch [AnwBl 48 (1998), 170 (174)] und Thun-Hohenstein [28] sprechen 1997 / 1998 von „formeller“ Vergemeinschaftung; Nilsson gebraucht die Wendung „första pelare bis“ [SvJT 84 (1999), 709 (730)], Monar die der „pillar within the First Pillar“ [ELRev 23 (1998), 320 (329, 193 194

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große Vorbehalte auf seiten der Mitgliedstaaten gegen eine weitere Annäherung.201 Insoweit kann aus den travaux préparatoires wie aus der späteren Übung der Mitgliedstaaten kein Argument zugunsten eines progressiven Verständnisses der Rechtsakte der Dritten Säule allgemein und des Rahmenbeschlusses im besonderen gewonnen werden. 5. Fazit zu Art. 34 II lit. b EUV Auch wenn eine zunehmende Steigerung des Integrationsgrades der Dritten Säule unverkennbar ist, läßt doch Art. 34 II lit. b EUV zum heutigen Zeitpunkt kaum erkennen, daß der Rahmenbeschluß bereits ein Rechtsinstrument verkörpern würde, das dem gewöhnlichen Völkerrecht entscheidend entwachsen wäre.202 Sosehr die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten suggeriert, sowenig stellt dies eine absolute Besonderheit im Völkerrecht dar. Vor allem aber hat sich die Erstreckung der Supranationalität auf die Dritte Säule bis heute nicht unter den Mitgliedstaaten durchsetzen können. Insgesamt betrachtet kann dem Art. 34 II lit. b EUV daher nur eine mäßige Integration entnommen werden.

II. Die polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen nach Art. 29 – 42 EUV Nach der Konzentration auf den den Rahmenbeschluß definierenden Art. 34 II lit. b EUV soll sich nun dem Recht der Dritten Säule in Gestalt der Art. 29 – 42 EUV allgemeiner genähert werden.

1. Die anderen Rechtsakte der Dritten Säule / Keine allgemeine Parallelität zu den gemeinschaftsrechtlichen Rechtsinstrumenten Der EuGH führt im Pupino-Urteil aus, es sei „völlig verständlich“, daß die Verfasser des EUV es für angebracht gehalten hätten, im Rahmen des Titels VI des EUV den Rückgriff auf Rechtsinstrumente mit analogen Wirkungen wie im EGV vorzusehen.203 Völlig verständlich erscheint diese Behauptung indes nicht.204 Bereits ein kurzer Blick auf den Wortlaut des Art. 34 II EUV offenbart das genaue Fn. 24)]; Oppermann nennt die Vergemeinschaftung im Jahre 1999 „halbherzig“ [2. Aufl., Rn. 1572]. 201 Vgl. aber unten im Vierten Teil den Ausblick auf den Lissabonner Vertrag. 202 Ebenso Monjal, RTD eur. 37 (2001), 335 (348). 203 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 36. 204 Mit Recht geißelt Fletcher die „flimsy nature of the Court’s legal reasoning“ [ELRev 30 (2005), 862 (872)].

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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Gegenteil.205 Das einzige dort definierte Instrument, das eine gewisse Parallelität zu den gemeinschaftsrechtlichen Instrumenten des Art. 249 EGV erkennen läßt, ist der Rahmenbeschluß des Art. 34 II lit. b EUV, der in der Tat eine große – vor allem definitorische – Ähnlichkeit zur gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie des Art. 249 III EGV aufweist.206 Eine unionsrechtliche Parallele zu der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung nach Art. 249 II EGV sowie zu der Entscheidung des Art. 249 IV EGV, die beide durch ihre – dem Unionsrecht gerade fremde207 – unmittelbare Wirksamkeit208 gekennzeichnet sind, findet sich indes nicht. Am ehesten könnte man noch als Parallele zu der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung beziehungsweise Entscheidung den Beschluß nach Art. 34 II lit. c EUV ansehen;209 die unmittelbare Wirksamkeit – das charakteristischste Merkmal von Verordnung und Entscheidung – ist für den Beschluß jedoch ausdrücklich primärrechtlich ausgeschlossen worden. Darüber hinaus besteht zwar sowohl im Gemeinschaftsrecht210 als auch im Unionsrecht211 die Möglichkeit, völkerrechtliche Abkommen mit Drittstaaten abzuschließen. Jedoch ist für das Unionsrecht mit Blick auf den unklaren Status der EU bis heute umstritten, ob die EU überhaupt selbst Partei sol205 Nach von Bogdandy / Bast / Arndt weisen die Handlungsformen der EU „nur wenige ,säulenübergreifende‘ Strukturen auf“ [ZaöRV 62 (2002), 77 (83)]. Aber auch die travaux préparatoires erzählen eine andere Geschichte; vgl. soeben Zweiter Teil C. I. 4. 206 Darüber hinaus gibt es zwar in Form der Gemeinschaftskonventionen nach Art. 293 EGV durchaus eine weitere – wenn auch nicht in Art. 249 EGV niedergelegte – gewisse Parallele im Gemeinschaftsrecht zu der unionsrechtlichen Möglichkeit des Art. 34 II lit. d EUV, zwischen den Mitgliedstaaten zu den Materien des Titels VI EUV – neben den sonstigen definierten Rechtsinstrumenten – auch völkerrechtliche Übereinkommen schließen zu können. Doch bestehen letztlich auch hier deutliche Unterschiede. Im Gegensatz zu den unionsrechtlichen Übereinkommen nach Art. 34 II lit. d EUV, die für alle Teilgebiete des Titels VI des EUV verwandt werden können [von Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (110)] und auch zwischen nur einem Teil der Mitgliedstaaten geschlossen werden können [nach Art. 34 II 3 EUV treten die Übereinkommen nach lit. d, sobald sie von mindestens der Hälfte der Mitgliedstaaten angenommen worden sind, für diese Mitgliedstaaten in Kraft; nach Art. 34 II 3 EUV kann das entsprechende Übereinkommen aber auch etwas anderes vorsehen], unterliegen die Gemeinschaftskonventionen nach Art. 293 EGV gewissen besonderen Anforderungen, sowohl ratione materiae [vgl. allgemein Wuermeling, 18 ff.; insb. zu den einzelnen Unterabschnitten des Art. 293 EGV ibid., 30 ff.] als auch ratione personae [die Gemeinschaftskonventionen müssen stets von allen Mitgliedstaaten geschlossen werden; vgl. Schwartz / Mölls, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 293 EGV, Rn. 18]. 207 Siehe nur Bergström, ERT 9 (2006), 569 (570); Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (64 f.); Nettesheim, CMLRev 44 (2007), 567 (596); Satzger, in: Streinz, Art. 34 EUV, Rn. 2; Spaventa, YEL 25 (2006), 153 (169); Zott, 279. 208 Die Entscheidung zeitigt freilich nur in den Fällen direkte Wirksamkeit, in denen sie an einen Bürger gerichtet ist. In den Fällen, in denen einen Entscheidung an einen Mitgliedstaat gerichtet ist, gilt grosso modo die zu Richtlinien entwickelte Rechtsprechung; vgl. Jacqué, Droit institutionnel, Rn. 945. 209 So vorsichtig etwa Nilsson, SvJT 90 (2005), 887 (887); Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (314 f.). 210 Vgl. näher zu den diversen Vertragsschlußbefugnissen der Gemeinschaften Metz, 48 ff. 211 Nach Maßgabe des Art. 38 EUV (i. V. m. Art. 24 EUV).

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cher Abkommen sein kann und somit überhaupt ein Unionsakt im engeren Sinne, als einem Akt der EU selbst, vorliegt oder nur ein gebündelter Vertragsschluß der Mitgliedstaaten.212 Insofern ist diese vom EuGH mehr postulierte als nachgewiesene vorgeblich intendierte Parallelität der gemeinschafts- und unionsrechtlichen Rechtsinstrumente so schlicht nicht gegeben. Dies gilt aber selbst für dasjenige Rechtsinstrument, das in der Tat eine gewisse Parallelität erkennen läßt: den Rahmenbeschluß im Vergleich zur Richtlinie. Abgesehen davon, daß sich die Richtlinie ihrerseits am Vorbild eines gewöhnlichen völkerrechtlichen Vertrages orientiert,213 offenbart eine Gegenüberstellung des Wortlauts des Art. 34 II lit. b EUV und des Art. 249 III EGV vielmehr die entgegengesetzte Intention der Mitgliedstaaten, die unionsrechtlichen Rechtsinstrumente gerade nicht analog der Richtlinie zu schaffen, sondern beide bewußt voneinander abzugrenzen,214 wenn es nämlich in Art. 34 II lit. b a. E. EUV ausdrücklich heißt, der Rahmenbeschluß sei nicht unmittelbar wirksam.215 Dies ist nicht nur eine frappante Abweichung vom Wortlaut des Art. 249 III EGV, sondern ganz offensichtlich auch eine bewußte Abkehr von der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung zur unmittelbaren Anwendung der Richtlinien im innerstaatlichen Recht.216 Die Rechtswirkungen des Rahmenbeschlusses sollten also ganz bewußt nicht denen der Richtlinie ohne jeglichen Unterschied parallel nachgebildet werden. Freilich kann man vollkommen zu Recht die Frage aufwerfen, ob mit diesem Zusatz auch die Verpflichtung zur Konformauslegung des innerstaatlichen Rechts ausgeschlossen werden sollte oder allein die Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung der Richtlinie.217 In jedem Falle aber sollte der Rahmenbeschluß offenkundig keine Rechtswirkungen eins zu eins analog der Richtlinie entfalten. Der Unterschied zwischen dem Rahmenbeschluß und der Richtlinie – beziehungsweise allgemein zwischen den Akten der Dritten und der Ersten Säule – zeigt sich aber zuvörderst auch in dem fehlenden Willen der Mitgliedstaaten, das Recht der Dritten Säule als supranationales Recht auszugestalten, sondern statt dessen auf dem Niveau intergouvernementaler Zusammenarbeit zu verharren,218 der die prägenden Merkmale der Supranationalität gerade fehlen.219 Aus diesem Grunde Vgl. Cremer, in: Calliess / Ruffert, Art. 24 EUV, Rn. 1. Vgl. Hilf, EuR 28 (1993), 1 (4 f.); Lysén, Framework decisions, 43; van Ooyen, in: Möllers / van Ooyen, 59 (62). 214 BVerfGE 113, 273 (300); Schroeder, EuR 42 (2007), 349 (358); Streinz, JuS 45 (2005), 1023 (1024). 215 Skouris sieht hierin einen „decisive difference“ [EBLR 17 (2006), 241 (253)], Dougan einen „major difference“ [JCMS 44 (2006), 119 (127)] und Wasmeier einen „wichtigen“ bzw. „entscheidenden Unterschied“ [in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 59 (63 f.)]. 216 Statt aller BVerfGE 113, 273 (300); von Danwitz, JZ 62 (2007), 697 (699); Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842); Hummrich, DRiZ 83 (2005), 361 (363). 217 Vgl. hierzu oben Zweiter Teil C. I. 1. d). 218 Vgl. hierzu ausführlich oben Zweiter Teil C. I. 3. 219 Vgl. Thym, ZaöRV 66 (2006), 863 (902 ff.). 212 213

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können und sollen die Rechtsakte der Dritten Säule, von den definitorischen Unterschieden im einzelnen einmal abgesehen, schon deshalb nicht dem Gemeinschaftsrecht analoge Wirkungen zeitigen.220 Schließlich läßt sich auch den anderen Rechtsakten der Dritten Säule kein größeres Integrationspotential entnehmen. Bei dem Gemeinsamen Standpunkt nach Art. 34 II lit. a EUV wird schon diskutiert, ob dieser überhaupt verbindlich ist;221 der Beschluß nach Art. 34 II lit. c EUV darf ausdrücklich nicht die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Gegenstand haben – ein Gegenstand, der immerhin ein gewisses integratives Moment besitzt;222 den zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen Übereinkommen nach Art. 34 II lit. d EUV ist wegen der fehlenden verpflichtenden Teilnahme aller Mitgliedstaaten die Gefahr der Fragmentierung inhärent;223 die mit Drittstaaten abgeschlossenen Abkommen nach Art. 38 EUV (i. V. m. Art. 24 EUV) schließlich sind möglicherweise gar lediglich Akte der Mitgliedstaaten, nicht aber der EU selbst.224 Mithin besitzt der Rahmenbeschluß noch das größte Integrationspotential aller Akte der Dritten Säule. Hätten die Mitgliedstaaten wirklich intendiert, die Rechtsakte der Dritten Säule nach dem Vorbild der Akte der Ersten Säule mit entsprechend analogen Wirkungen nachzubilden, hätten sie auch schlicht die Handlungsformen der Ersten Säule – gegebenenfalls mit gewissen Modifikationen – für die Dritte Säule übernehmen können.225 Dies ist erkennbar nicht geschehen, vielmehr sind weitgehend eigenständige Handlungsformen geschaffen worden.226 Eine besondere Nähe der Dritten Säule zur Ersten Säule kann hierin – mit Ausnahme der durchaus vorhandenen Ähnlichkeiten zwischen Rahmenbeschluß und Richtlinie – schlechterdings nicht erblickt werden.

2. Die Materien der Zusammenarbeit im Rahmen der Dritten Säule Rahmenbeschlüsse sind Rechtsakte der Dritten Säule und kommen insoweit auf dem Gebiet der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen zur Ebenso Lebeck, GLJ 8 (2007), 501 (521). Vgl. zu diesem Streit etwa König, 404 f.; Thun-Hohenstein, 43 f.; Zott, 233 f.; ablehnend Dannecker, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 38, Rn. 157; Kraus-Vonjahr, 223; Ludwig, 162; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (925). 222 Vgl. oben Zweiter Teil C. I. 1. c). 223 Allgemein zu solchen Tendenzen Kietz / Maurer, Integration 29 (2006), 201. 224 Vgl. Cramér, in: FS Bernitz, NIR, 53 (59 – 62); Cremer, in: Calliess / Ruffert, Art. 24 EUV, Rn. 1; Wessel, EFARev 5 (2000), 507 (527 ff.). Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob man der EU zum jetzigen Zeitpunkt bereits eine eigene Rechtspersönlichkeit zuerkennen will oder nicht; vgl. hierzu oben Zweiter Teil B. II. 225 Wie dies etwa im Lissabonner Vertrag vorgesehen ist, der ein einheitliches Handlungsinstrumentarium für die Gebiete der heutigen Ersten und Dritten Säule vorsieht; vgl. näher unten Vierter Teil. 226 Bernitz / Kjellgren, 192; von Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (83). 220 221

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Anwendung. Die bloße Tatsache, daß die Materien der Dritten Säule gemeinhin als sehr souveränitätssensibel beschrieben werden,227 spricht für sich genommen ganz gewiß noch nicht für die Existenz einer erhöhten gegenseitig geschuldeten Loyalität. Auch auf der Ebene des gewöhnlichen Völkerrechts hat es traditionell – zumal im europäischen Kontext228 – eine – wenn auch nicht so weitreichende – Zusammenarbeit auf diesen Gebieten gegeben.229 Umgekehrt scheint gerade die Tatsache, daß es sich bei den Materien der Dritten Säule um solche handelt, die die Souveränität der Mitgliedstaaten in besonderem Maße betreffen, eher geeignet zu sein, hier weniger weit reichende Loyalitätspflichten zwischen den Staaten anzunehmen.230 Bestätigt wird diese Annahme durch Art. 33 EUV, nach dem ausdrücklich die Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit zuständig sind und auf dessen Grundlage sie notfalls auch von gemeinsam zu treffenden Maßnahmen der Dritten Säule abweichen können.231 Dieser von den Mitgliedstaaten im Bereich der Dritten Säule ausbedungene ordre public-Vorbehalt streitet gegen ein besonders hohes Maß an Loyalitätspflichten zwischen den Mitgliedstaaten. Vieles spricht daher in diesem Zusammenhang für die folgende Interdependenz: Gewiß erfordert eine derart weitreichende Zusammenarbeit wie diejenige zwischen den EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Dritten Säule ein gehöriges Maß an gegenseitigem Vertrauen.232 Dieses kann indes kaum durch einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Parteien dekretiert werden, sondern kann sich nur über die Zeit entwickeln.233 Die Entwicklung gegenseitigen Vertrauens ist namentlich dann sehr wahrscheinlich, wenn es zu einer weitgehenden Angleichung der relevanten 227 Vgl. etwa Gündisch, AnwBl 48 (1998), 170 (174); Kietz / Maurer, Integration 29 (2006), 201 (203); Lavranos, EuR 41 (2006), 79 (92). 228 Nilsson, SvJT 84 (1999), 709 (710 f.). Zu nennen sind sowohl materiell-strafrechtliche als auch verfahrensrechtliche Abkommen; vgl. die zahlreichen Nachweise bei Ambos, § 10, Rn. 69 ff. bzw. 73 ff. sowie Pechstein / Koenig, Rn. 345 ff. 229 Vgl. für einen Überblick Kostakopoulou, in: Barnard, 153 (156 ff.) (mit Schwerpunkt auf den europäischen Kontext) sowie Scholz, 10 ff. Man denke auf universeller Ebene neuerdings an das Rom-Statut zur Errichtung eines Ständigen Internationalen Strafgerichtshofes oder auch an die Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft im Zusammenhang mit den ad hoc-Tribunalen für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda; vgl. zu letzterem beispielsweise Stroh, Zusammenarbeit mit Internationalen Straftribunalen. Vgl. zu sonstigen Auslieferungsübereinkommen zwischen Deutschland und nicht-europäischen Staaten etwa die Zusammenstellung bei Kutsch, Zweiter Teil, 55 ff. 230 Vgl. ähnlich Schreiber, 22, der mit derselben Überlegung zugunsten einer im Kern völkerrechtlichen Rechtsnatur der Dritten Säule argumentiert. 231 Jour-Schröder, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 33 EUV, Rn. 1 m. w. N. 232 Vgl. EuGH, Rs. C-187 / 01 und C-385 / 01, Gözütok und Brügge, Slg. 2003, I-1345, Rn. 33; Deen-Racsmány, LJIL 20 (2007), 167 (172); Komárek, CMLRev 44 (2007), 9 (15); Tomuschat, EuGRZ 32 (2005), 453 (453); vgl. auch Mitsilegas, CMLRev 43 (2006), 1277 (1289 und passim). 233 Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (28); vgl. auch Nilsson, SvJT 90 (2005), 887 (893), der selbst jedoch skeptisch bleibt.

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Rechtsvorschriften kommt;234 wenn die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ähnliche (rechtsstaatliche) Standards aufweisen, auf die die jeweils anderen Mitgliedstaaten vertrauen können, wird hierdurch das gegenseitige Vertrauen maßgeblich befördert, was seinerseits wiederum zu einer Verstärkung der gegenseitigen Loyalität führen mag. Ein erhöhtes Maß an gegenseitiger Loyalität präsentiert sich somit aber eher als Ergebnis der Zusammenarbeit im Rahmen der Dritten Säule und weniger als dessen Vorbedingung. Die Materien der Dritten Säule vermögen mithin für sich genommen noch keinen Hinweis darauf zu geben, wie es um die Loyalitätspflichten zwischen den Mitgliedstaaten in diesem Bereich bestellt ist. Der genaue Umfang der Loyalitätspflichten muß sich anderweitig ableiten lassen. Eine absolute völkerrechtliche Besonderheit stellt eine Zusammenarbeit in diesem Bereich im übrigen nicht dar.

3. „Zusammenarbeit“ Titel VI des EUV ist geprägt von der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Schon die Überschrift des Titels VI des EUV nimmt Bezug auf die „polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen“.235 Der Terminus „Zusammenarbeit“ (beziehungsweise „Kooperation“) ist ein Begriff, der im allgemeinen Völkerrecht gang und gäbe ist. Man denke nur an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die den Terminus „Zusammenarbeit“ bereits im Namen führen, oder auch an die Vereinten Nationen, die sich bereits in Art. 1 Nr. 3 UN-Charta in einer sehr weitreichenden Formulierung zum Ziel gesetzt haben, „eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen“.236 Die in Titel VI des EUV verwandte Terminologie deutet somit erst einmal eher auf einen völkerrechtlichen Charakter hin, der für sich betrachtet keinen Hinweis auf eine darüber hinausgehende Verbindung zwischen den Mitgliedstaaten gibt.237 234 Delmas-Marty, CYELS 7 (2004 – 2005), 17 (20); Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (27 f.); Pernice, in: FS Meyer, 359 (376); vgl. auch die Mitteilung der Kommission zur gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen und zur Stärkung des Vertrauens der Mitgliedstaaten untereinander v. 19. Mai 2005 [KOM (2005), 195 endg., Rn. 18 ff.] sowie Mitsilegas, CMLRev 43 (2006), 1277 (1306) und Peers, CMLRev 41 (2004), 5 (34). 235 Hervorhebung durch den Verfasser. In den anderen Sprachfassungen ist jeweils die Rede von „cooperation“, „coopération“ bzw. „samarbete“. 236 Über diese prominente Stelle hinaus lassen sich aber noch zahlreiche weitere Verweise auf die „Zusammenarbeit“ zwischen den Mitgliedstaaten in der UN-Charta finden. 237 Calliess, 152; Fletcher, ELRev 30 (2005), 862 (871); ähnlich auch Mißling, EuR 42 (2007), 261 (270); Borrás bezeichnet im Kontext mit der „Justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen“ des Verfassungsvertrages (Art. III-269 VVE) den Terminus „Zusammenarbeit“ als „notion plus restreinte et plutôt à caractère interétatique“, der erkennen lasse, daß die Schaffung eines einheitlichen Rechtsraumes („un ensemble de règles“) inklusive der damit einhergehenden Verpflichtungen von seiten der Mitgliedstaaten nicht intendiert gewesen sei

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

Insofern verbietet sich eine Überbetonung der – auch noch loyalen – Zusammenarbeit im Rahmen des Titels VI des EUV.238 Demgegenüber muß vielmehr betont werden, daß im Bereich der Dritten Säule nur eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten vorgesehen ist; eine Übertragung von Hoheitsrechten hat hingegen nicht stattgefunden.239

4. Einstimmigkeit im Rat Im Unionsrecht der Dritten Säule herrscht ein generelles Einstimmigkeitserfordernis,240 von dem es nur in begrenztem Ausmaße Ausnahmen gibt. Damit fehlt dem Unionsrecht ein wesentliches Merkmal des von Supranationalität geprägten Gemeinschaftsrechts. Auch wenn die Frage, was genau Supranationalität ausmacht, anhand welcher Kriterien also Supranationalität festgemacht werden kann, nicht ganz einfach zu beantworten ist,241 wird doch allgemein für das Vorliegen von Supranationalität – wenigstens – verlangt, daß die beteiligten Mitgliedstaaten auch gegen ihren Willen durch Beschlüsse der supranationalen Gemeinschaft zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet werden können.242 Dies ist bei Mehrheitsentscheidungen der Fall,243 gilt aber für Entscheidungen, die nach dem Einstimmigkeitsprinzip getroffen werden, gerade nicht.244 Das generelle Einstimmig[RdC 317 (2005), 313 (368)]. Nach Di Fabio grenzt sich der Begriff der „Zusammenarbeit“ von den wesentlich dichter integrierten Gemeinschaftsbereichen ab [DÖV 50 (1997), 89 (91)]; ganz ähnlich Delmas-Marty, CYELS 7 (2004 – 2005), 17 (23). Ross attestiert der Arbeit im Rahmen der EU, sie sei generell durch eine „diluted form of co-operation“ charakterisiert [ELRev 31 (2006), 476 (485)]. 238 In diese Richtung aber der EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 42 und vor allem die Generalanwältin in ihren Schlußanträgen, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 26. 239 Murschetz, VUWLR 38 (2007), 145 (bei Fn. 6); Thym, ZaöRV 66 (2006), 863 (902 ff.). 240 Baddenhausen / Pietsch, DVBl 120 (2005), 1562 (1562); Gussone, 149; Jacqué, Droit institutionnel, Rn. 990. 241 Und hier nicht zu verwechseln ist mit dem allgemeinen Verständnis von Supranationalität im Rahmen des Art. 24 I GG [vgl. etwa Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24, Rn. 42] oder dem panamerikanischen Verständnis von „supranationality“, wie es beispielsweise bei Melish [JILP 39 (2006), 171, passim] aufscheint, und dort als etwa auch die Amerikanische Menschenrechtskonvention samt der einschlägigen Rechtsprechung des InterAmerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes umfassend verstanden wird – ein Rechtsgebiet, das in der europäischen Terminologie mit dem Attribut „international“ versehen würde. 242 Scholz, 58; Streinz, EuropaR, Rn. 127. 243 Gündisch, AnwBl 48 (1998), 170 (173 f.). 244 Ansichten, die auch dem Einstimmigkeitsprinzip folgenden Entscheidungsstrukturen Supranationalität zusprechen wollen, verfolgen einen politologischen Ansatz und stellen maßgeblich auf außerrechtliche – eben politische – integrative Momente, namentlich politischen Druck, ab [vgl. Falkner, 72 ff.]. Politischem Druck sind die Staaten aber in jeder Form internationaler Zusammenarbeit ausgesetzt, ohne daß dies alle Formen internationaler Zusammenarbeit zu supranationalem Charakter erstarken ließe.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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keitsprinzip im Unionsrecht beschneidet insoweit die Souveränität der Mitgliedstaaten – nach wie vor ein topos im Völkerrecht245 – in deutlich geringerem Maße als das supranationale Gemeinschaftsrecht mit seinem in weiten Teilen geltenden Mehrheitsprinzip.246 Die Tatsache, daß das Unionsrecht der Dritten Säule in einem schmalen Bereich Ausnahmen von dem generellen Einstimmigkeitserfordernis, namentlich im Zusammenhang mit Durchführungsmaßnahmen,247 vorsieht,248 kann hieran nichts grundlegend ändern, da die Durchführungsmaßnahmen nur diejenigen Vorgaben durchführen sollen, die die Mitgliedstaaten vorher bereits im Rat einstimmig beschlossen haben.249 Erweiternden Inhalt können Durchführungsmaßnahmen nicht haben.250 Insoweit ist die Aufgabe des Einstimmigkeitserfordernisses im Unionsrecht vernachlässigbar und in etwa vergleichbar mit Mehrheitsbeschlüssen in anderen Internationalen Organisationen. Beispielsweise kann die WHO generell durch Mehrheitsbeschluß (Art. 60 lit. b WHO-Verfassung) internationale Gesundheitsvorschriften nach Art. 21 f. der WHO-Verfassung beschließen, die für alle Mitgliedstaaten verbindlich sind.251 Da jedoch für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit eines opting out besteht (Art. 22 WHO-Verfassung),252 kann ein Mitgliedstaat letztlich nicht gegen seinen Willen verpflichtet werden.253 Eine Parallele besteht zum Unionsrecht insoweit, als in beiden Fällen die Mitgliedstaaten letztlich nicht gegen ihren Willen verpflichtet werden können: im Falle der WHO durch das Ausüben des opting out-Rechts, im Falle des Unionsrechts durch Nichtbeteiligung an dem den Durchführungsmaßnahmen zugrunde liegenden Sekundärrechtsakt. Dem generell Einstimmigkeit verlangenden Unionsrecht fehlt daher der Charakter der Supranationalität. 254 Die Tatsache, daß Durchführungsmaßnahmen mit Mehrheitsbeschluß gefaßt werden können, ändert hieran nichts. Eine Identität zwischen Unions- und Gemeinschaftsrecht scheidet mithin schon – aber nicht nur – aufgrund der fehlenden Supranationalität des Unionsrechts aus. Bleckmann, VölkerR, Rn. 147; Brownlie, 287. Vgl. Hecker, JZ 53 (1998), 938. 247 Angesprochen sind die Durchführungsmaßnahmen nach Art. 34 II lit. c a. E. sowie lit. d a. E. EUV, für deren Zustandekommen eine Zweidrittelmehrheit beziehungsweise eine qualifizierte Mehrheit nach Maßgabe des Art. 34 III EUV erforderlich ist. 248 Ausnahmen vom Einstimmigkeitserfordernis existieren auch im speziellen Bereich der verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 40 ff. EUV. 249 Pechstein / Koenig sprechen insoweit von einem „Grundsatzbeschluß“ [Rn. 220]. 250 Wasmeier, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 34 EUV, Rn. 19. 251 Vgl. etwa auch die Kompetenzen des Weltpostvereins zum Erlaß von teils sehr weitreichenden Mehrheitsbeschlüssen, Überblick bei Aston, 126 ff. 252 Vgl. zum Verfahren nach der WHO-Konvention Skubiszewski, BYIL 41 (1965 – 66), 198 (216 ff.). 253 Vgl. eingehend zur Möglichkeit eines opting out aus Sekundärrechtsakten einer Internationalen Organisation Aston, 169 – 172. 254 Ebenso Weißer, ZIS 1 (2006), 562 (567). 245 246

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

5. Einbeziehung der sonstigen Unionsorgane Bemerkenswert ist indessen, daß sämtliche von den Gemeinschaften bekannten Gemeinschaftsorgane, die im Wege der Organleihe255 auch im Rahmen der EU – dort als EU-Organe – tätig werden, teils relativ stark eingebunden sind in die Entscheidungsprozesse der Dritten Säule. Der Grad der Einbeziehung variiert zwar zwischen den einzelnen Organen deutlich,256 doch allein der Rückgriff auf das ausdifferenzierte Konzert der Gemeinschaftsorgane läßt einen relativ weiten, an das Gemeinschaftsrecht angelehnten Verselbständigungsgrad vermuten. Im einzelnen halten die tatsächlichen Kompetenzen der EU-Organe mit diesen geweckten Erwartungen indes nicht Schritt. Zwar enthält Art. 41 I EUV einen Verweis auf die institutionellen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, Verweisungen auf die supranationale Rechtsetzung des EGV sind indes ausdrücklich ausgeklammert.257 Die Kommission, deren Agieren als „Hüterin der Verträge“ eine ganz wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren des Gemeinschaftsrechts darstellt, ist im Rahmen der Dritten Säule auf ein bloßes Vorschlagsrecht zum Erlaß von Rechtsakten beschränkt (Art. 34 II EUV), welches sie sich zudem mit den Mitgliedstaaten teilt.258 Insbesondere die Möglichkeit, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten einzuleiten als schärfste Waffe des Gemeinschaftsrechts, die dieses maßgeblich hat über gewöhnliches Völkerrecht hinauswachsen lassen,259 fehlt im Unionsrecht fast vollends.260 Überhaupt kommen der Kommission in der Dritten Säule keine Kontrollbefugnisse zu; einen Verweis auf den im Gemeinschaftsrecht insoweit einschlägigen Art. 211 EGV beinhaltet Art. 41 I EUV nicht. Insgesamt ist die Kommission somit im Rahmen der Dritten Säule keine treibende Kraft.261 Jedoch wird die Kommission gemäß Art. 36 II EUV an den Arbeiten im Bereich der Dritten Säule sowie über den Verweis des Art. 37 II EUV auf Art. 18 IV EUV (neben dem jeweiligen Vorsitz) an der Repräsentation nach außen in vollem Umfange beteiligt. In dieser – wenn auch letztlich relativ schwachen – Beteiligung der Kommission ist jedoch immerhin eine deutliche, wenn auch zaghafte Abkehr vom reinen, durch die Staaten geprägten Völkerrecht auszumachen.262 Vgl. auch sogleich unter Zweiter Teil C. III. 3. Wohl mit Blick auf diesen Umstand und die fortbestehende Drei-Säulen-Struktur der EU spricht Cannizzaro von „different institutional [ . . . ] frameworks“ [AJCL 55 (2007), 767 (789)]. Vgl. allgemein zur Rolle der verschiedenen Organe im Rahmen der Dritten Säule Lebeck, GLJ 8 (2007), 501 (508 – 514). 257 Pechstein / Koenig, Rn. 208. 258 Monjal sieht in der diesbezüglichen Nennung der Kommission in Art. 34 II EUV erst nach den Mitgliedstaaten einen symbolischen Verweis auf die Intergouvernementalität der Dritten Säule [RTD eur. 37 (2001), 335 (344)]. 259 Houppermans / Pecho, RTD eur. 42 (2006), 289 (290); Wägenbaur, EuZW 17 (2006), 705; Wollenschläger, 75 ff. 260 Vgl. hierzu näher unter Zweiter Teil C. III. 8. b) bb) (3). 261 Feik, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 9 (13); Jour-Schröder, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 36 EUV, Rn. 9. 255 256

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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Das Europäische Parlament, das – direkt gewählt und an wesentlichen Entscheidungen im Rahmen des Gemeinschaftsrechts beteiligt – dort für ein gehöriges Maß an Input-Legitimation der Gemeinschaftsgewalt sorgt, ist im Recht der Dritten Säule auf ein bloßes Anhörungs- (Art. 39 I EUV)263 und Informationsrecht (Art. 39 II EUV) beschränkt sowie darauf, Anfragen und Empfehlungen an den Rat zu richten (Art. 39 III EUV). Auch hieraus kann man immerhin den Schluß ziehen, daß das Handeln im Rahmen der Dritten Säule jedenfalls kein genuin multilaterales Handeln der Mitgliedstaaten mehr ist.264 Das BVerfG sieht die Rolle des Europäischen Parlaments im Bereich der Dritten Säule indessen als derart schwach an, daß nach seiner Auffassung die nationalen Legislativorgane weiterhin Inhaber der politischen Gestaltungsmacht im Rahmen der Umsetzung sind, notfalls gar durch die Verweigerung der Umsetzung.265 Zwar erachtet das BVerfG aufgrund der maßgeblichen Beteiligung der nationalen Legislativorgane bei der Umsetzung des Unionsrechts das Demokratieprinzip des Grundgesetzes als nicht verletzt, doch offenbart dieser Umstand nur allzu deutlich die Schwäche des Europäischen Parlaments im Rahmen der Dritten Säule. Der Kompetenzen des EuGH im Bereich der Dritten Säule sind durch den Amsterdamer Vertrag zwar deutlich ausgeweitet worden,266 allerdings hauptsächlich in bezug auf das Sekundärrecht. Die Rolle, die der EuGH in diesem Zusammenhang spielt, darf gewiß nicht unterbewertet werden; doch kommt dem EuGH die für die Annahme einer verselbständigten Rechtsordnung sui generis so wichtige Rolle eines Verfassungsgerichts im Unionsrecht nicht zu.267 Der Rat schließlich, in dem gemäß Art. 41 I EUV i. V. m. Art. 203 EGV die Mitgliedstaaten vertreten sind, steht deutlich im Mittelpunkt des Geschehens der Dritten Säule.268 Die wesentliche Koordination der Zusammenarbeit in diesem Bereich findet im Rat statt (Art. 34 I EUV). Der Rat verfügt dort im Gegensatz zum Gemeinschaftsrecht nicht nur – neben der Kommission – über das Initiativrecht, son262 Nilsson, SvJT 84 (1999), 709 (730). Mit Wuermeling [66] könnte man gewissermaßen von einem „kommunitären Element“ sprechen, das durch die Beteiligung der Kommission (dort: im Rahmen des (heutigen) Art. 293 EGV) ins Spiel kommt; vgl. auch Walker, ICLQ 47 (1998), 231 (234). 263 Wenn auch kein uneingeschränktes; gerade in bezug auf die für die mittel- und langfristige Entwicklung der EU bedeutsamen Gemeinsamen Standpunkte nach Art. 34 II lit. a EUV [vgl. die obigen Ausführungen im Ersten Teil B. I. 2. c)] bestehen keinerlei Beteiligungsrechte des Europäischen Parlaments. 264 Di Fabio leitet hieraus einen „präintegrativen“ Charakter des Unionsrechts ab [DÖV 50 (1997), 89 (91)]. 265 BVerfGE 113, 273 (301). 266 Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (885). 267 Vgl. schon das Resümee des Ersten Teils C. sowie sehr ausführlich unten im Zweiten Teil C. III. 8. b). 268 Di Fabio, DÖV 50 (1997), 89 (94); Feik, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 9 (13); Giegerich, in: Hofmann / Zimmermann, 13 (37); Kostakopoulou, in: Barnard, 153 (165); Schreiber, 9.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

dern nimmt auch die Rechtsakte der Dritten Säule – in der Regel einstimmig269 – an (Art. 34 II EUV). Eine Möglichkeit des Parlaments oder der Kommission, den Rat zu überstimmen, besteht nicht. Somit lastet die Alleinverantwortung letztlich auf dem Rat. Bleibt festzuhalten, daß dem von den Mitgliedstaaten beherrschten Rat die eindeutige Hauptrolle im Konzert der Organe der Dritten Säule zukommt. Neben dem Rat sind andere Organe wie die Kommission, das Europäische Parlament oder auch der EuGH in teils nicht unerheblichem Umfange beteiligt, wenngleich sie keine wirklich tragenden Rollen spielen. Im übrigen verfügen sämtliche Internationalen Organisationen schon per definitionem über Organe, durch die sie in die Lage versetzt werden, einen eigenen Willen zu formen und zum Ausdruck zu bringen.270 Insofern reicht zwar die Beteiligung der Unionsorgane resümierend über eine rein „ornamentale Bedeutung“271 wohl deutlich hinaus, eine wirkliche Besonderheit stellt die Struktur der EU damit aber noch nicht dar. Die wirkliche Besonderheit ist in den Augen des Verfassers vielmehr in der institutionellen Angliederung des Unionsrechts an das supranationale Gemeinschaftsrecht zu erblicken. Hierauf wird an späterer Stelle noch einzugehen sein.272

6. Verstärkte Zusammenarbeit nach Art. 40 ff. EUV und Passerelle des Art. 42 EUV Gemäß Art. 2 I Spiegelstrich 4 EUV setzt sich die EU zum Ziel, sich selbst als einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu erhalten und weiterzuentwickeln. Hierin kommt der evolutive Charakter der EU zum Ausdruck.273 Daß diese Weiterentwicklung aber kraft Rechtsfortbildung durch den EuGH zu geschehen habe oder auch nur geschehen dürfe, ist hiermit noch nicht gesagt.274 Diese Weiterentwicklung scheint nach der Intention der Vertragsparteien vielmehr maßgeblich diesen selbst vorbehalten zu sein. Hierfür spricht – neben den insgesamt eher dürftigen Kompetenzen des EuGH in bezug auf das Primärrecht275 – vor allem, daß das Unionsrecht systematisierte Formen276 der engeren Zusammenarbeit ausdrücklich vorsieht, in denen indessen wiederum die Mitgliedstaaten die maßgebliche Entscheidungsbefugnis besitzen: zum einen die Passerelle nach Art. 42 EUV und zum anderen das Verfahren zur verstärkten Zusammenarbeit Siehe hierzu auch soeben Zweiter Teil C. II. 4. Schermers / Blokker, § 44 ff.; Seidl-Hohenveldern / Loibl, Rn. 905. 271 So aber Pechstein / Koenig in bezug auf die Beteiligung der Kommission und des Parlamentes an der Rechtsetzung [Rn. 222]. 272 Vgl. unten Zweiter Teil C. III. 3. 273 Vgl. auch unten Zweiter Teil C. III. 2. a). 274 Vgl. allgemein zur Kompetenz des EuGH zur Rechtsfortbildung unten Zweiter Teil D. 275 Siehe unten Zweiter Teil C. III. 8. 276 Chavrier, RMC 43 / 441 (2000), 542 (548). 269 270

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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nach Art. 40 EUV (i. V. m. Art. 43 ff. EUV)277. Einer anderweitigen – „informellen“ – Form der „verstärkten Zusammenarbeit“ in Gestalt einer progressiven EuGH-Rechtsprechung könnte somit von vornherein der legitimatorische Boden entzogen sein. Nach der Passerelle-Vorschrift des Art. 42 EUV können unter Umgehung des Vertragsänderungsverfahrens nach Art. 48 EUV278 Materien der Dritten Säule – in einem mehr oder weniger erleichterten Verfahren – in die Erste Säule überführt werden. Zwar zeigt die Existenz der Passerelle, daß es eine gewisse Verbindung zwischen der Ersten und der Dritten Säule gibt und die Zusammenarbeit in der Dritten Säule auf eine dynamische Fortentwicklung angelegt ist.279 Letztlich ist in der Passerelle des Art. 42 EUV jedoch eine nur unwesentliche Erleichterung zu sehen,280 weil auch in diesem Falle eine Ratifikation durch die Mitgliedstaaten erfolgen muß,281 so daß die Passerelle zwischen der Ersten und der Dritten Säule in Form des Art. 42 EUV nicht überbewertet werden sollte und vor allem erst nach Zustimmung aller Mitgliedstaaten beschritten werden kann. Zum anderen grenzt die Passerelle aber gerade die Erste auch von der Dritten Säule ab282 und zeigt somit – noch diesseits des Art. 48 EUV – einmal mehr deutlich auf, daß ein Transfer von Materien der Dritten Säule in die Erste Säule Sache der Mitgliedstaaten bleibt beziehungsweise umgekehrt eine Übertragung von Rechtsprinzipien der Ersten Säule in die Dritte Säule veritablen Bedenken begegnet. Ähnlich verhält es sich mit den Regeln zur verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 40 ff. EUV. Die verstärkte Zusammenarbeit soll denjenigen Mitgliedstaaten, die hieran ein Interesse zeigen, die Möglichkeit eröffnen, diese zu verwirklichen, während gleichzeitig die übrigen Mitgliedstaaten, die hieran kein Interesse haben, beim status quo verbleiben können. Durch das Pupino-Urteil, das mit der Rechtspflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung die Dritte Säule der Ersten an277 Art. 43 ff. EUV beziehen sich als Rahmenregelungen auf alle Formen der verstärkten Zusammenarbeit in den Verträgen, namentlich auf Art. 27a ff.; 40 ff. EUV sowie Art. 11 f. EGV; vgl. Craig / de Búrca, 28 ff. („umbrella enhanced co-operation provisions“); Pechstein, in: Streinz, Art. 43 EUV, Rn. 6. 278 Vgl. näher hierzu sogleich unter Zweiter Teil C. III. 10. 279 Kraus-Vonjahr, 228; Ludwig, 46; Hatje hingegen bestreitet, daß sich dem EUV ein allgemeines Entwicklungsgebot entnehmen lasse [102 f.]. 280 Herdegen, EuropaR, § 31, Rn. 3. 281 House of Lords / European Union Committee, 42nd Report of Session 2005 – 06 (v. 28. Juni 2006), The Criminal Law Competence of the European Community, Rn. 164 (abrufbar unter: http: // www.publications.parliament.uk/pa/ld200506/ldselect/ldeucom/227/227.pdf); Kraus-Vonjahr, 228; Pechstein / Koenig, Rn. 214; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (919 f.); a. A. Bergström, ERT 9 (2006), 569 (571). 282 Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (919 f.); Reichelt, 49; Schreiber, 24; Weißer, ZIS 1 (2006), 562 (568). Vgl. allgemein Jour-Schröder / Konow, EuZW 17 (2006), 550. Ein Vorschlag der Kommission, den rechtlichen Rahmen der EU unter Anwendung der PasserelleVorschrift des Art. 42 EUV weiterzuentwickeln [KOM (2006) 331, 13 ff.], hat freilich unter den Mitgliedstaaten kein positives Echo gefunden; vgl. FAZ v. 23. September 2006, 4.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

genähert hat,283 wurden im Ergebnis alle Mitgliedstaaten gewissermaßen zu einer verstärkten Zusammenarbeit gezwungen, obgleich manche deutlich zu erkennen gegeben haben, daß sie hieran gerade nicht interessiert sind.284 Diese beiden Beispiele systematisierter Formen einer engeren Zusammenarbeit, in denen letztlich jeweils die Mitgliedstaaten das Heft des Handelns in der Hand behalten, lassen große Zweifel an der These aufkommen, daß die Mitgliedstaaten in diesen souveränitätssensiblen Bereichen wirklich eine dynamische Eigenentwicklung haben vorsehen wollen.

7. Fazit zur polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen Die Vorschriften der Dritten Säule – soweit bisher untersucht285 – lassen kaum darauf schließen, daß es sich bei dem Recht der EU um eine über gewöhnliches Völkerrecht erhobene Rechtsordnung sui generis handelt. Die souveränitätssensiblen Materien der Dritten Säule sprechen ebensowenig dafür wie die sehr starke Rolle des die Interessen der Mitgliedstaaten vertretenden Rates; die in der Dritten Säule im Mittelpunkt stehende „Zusammenarbeit“ zwischen den Mitgliedstaaten erinnert ebenso an das gewöhnliche Völkerrecht wie die Tatsache, daß die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit in den Händen der Mitgliedstaaten belassen worden ist. Allein die institutionelle Angliederung der EU an die Gemeinschaften durch den Rückgriff auf die Gemeinschaftsorgane läßt eine Entwicklung des Unionsrechts weg vom gewöhnlichen Völkerrecht hin zum Gemeinschaftsrecht erahnen. Eine wesentliche Verselbständigung der EU und damit auch des Rechts der EU vom gewöhnlichen Völkerrecht ist aus diesem Umstand indes noch nicht zwingend zu folgern.

III. Die Grundlagen der Europäischen Union: Titel I und VIII des EUV Nach der soeben erfolgten Darstellung der normativen Grundlagen der Dritten Säule in Gestalt der Art. 29 – 42 EUV soll sich nun ganz allgemein im Stile einer tour d’horizon den Grundlagen der Europäischen Union, wie sie in den Titeln I und VIII des EUV niedergelegt sind, genähert werden.

Vgl. die Nachweise in Einleitung, Fn. 11. Vgl. Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 22. 285 Vgl. eingehend zu den Zuständigkeiten des EuGH im Bereich der Dritten Säule unten Zweiter Teil C. III. 8. b). 283 284

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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1. Die Grundlagen des Art. 1 II und III EUV Sowohl die Generalanwältin als auch der EuGH stützen sich zur Herleitung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit maßgeblich auf Art. 1 II und III EUV.286 Nach Art. 1 II EUV stellt der EUV eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar. Nach Art. 1 III EUV besteht die Aufgabe der EU – deren Grundlage die Europäischen Gemeinschaften sind, ergänzt durch die mit dem EUV eingeführten Politiken und Formen der Zusammenarbeit – darin, die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen ihren Völkern kohärent und solidarisch zu gestalten.

a) Die allgemeine Beschreibung der EU in Art. 1 II und III 1 EUV Zunächst ist festzuhalten, daß Art. 1 II und III EUV – wie die Eingangsbestimmungen zahlreicher völkerrechtlicher Verträge – allgemeine Programmsätze beinhalten, deren praktische Relevanz nicht überschätzt werden sollte. Gerade Art. 1 II EUV, der bereits im Maastrichter Vertrag wortgleich enthalten war, besitzt hauptsächlich beschreibenden Charakter.287 In der Tat bedeutete die Gründung der EU seinerzeit eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas.288 Hieraus kann indes schlechterdings noch kein zwingender rechtlicher Schluß für die konkrete Fortentwicklung gezogen werden;289 die Finalität der EU ist hiermit nicht etwa präjudiziert, sondern vielmehr bewußt zukunftsoffen gehalten worden.290 Wie die weitere Entwicklung einer „immer engeren Union“ genau auszugestalten sein wird, kann Art. 1 II EUV indessen nicht entnommen werden. Jedoch deutet Art. 1 II EUV immerhin eine fortwährende Vertiefung der Zusammenarbeit in der EU an – weg von einer rein völkerrechtlichen, hin zu einer stärker integrierten Zusammenarbeit. Indes erscheint zweifelhaft, inwieweit hieraus für den aktuellen Stand des Unionsrechts zwingende Schlüsse gezogen werden können. Ähnliches gilt auch für Art. 1 III 1 EUV. Nach dieser Norm ist gerade die Erste Säule in Form der Gemeinschaften die „Grundlage“ der EU, lediglich „ergänzt durch die mit [dem EUV] eingeführten Politiken und Formen der Zusammenarbeit“. Die Semantik des verwandten Vokabulars deutet somit nicht unbedingt auf einen Gleichschritt zwischen der Ersten Säule und den intergouvernementalen Säulen hin.291 Insofern erscheint die von Arnull / Dashwood / Ross / Wyatt ver286 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 41 bzw. Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 26. 287 Vgl. Klink / Proelß, DÖV 59 (2006), 469 (472). 288 Ebenso Hobe, Jura 28 (2006), 859 (860); Pechstein, in: Streinz, Art. 1 EUV, Rn. 34. 289 Ebenso Klink / Proelß, DÖV 59 (2006), 469 (472); Pechstein, in: Streinz, Art. 1 EUV, Rn. 33. 290 Calliess, in: Calliess / Ruffert, Art. 1 EUV, Rn. 3 und 7. 291 Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (920). Nach Arnull / Dashwood / Ross / Wyatt kommt in Art. 1 III EUV eine „preponderant influence“ der Gemeinschaften zum Ausdruck [15]. Die

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

wandte Metapher, wonach die Gemeinschaften als solide zentrale Säule das Dach der EU ganz maßgeblich stützen und von den weniger tragfähigen intergouvernementalen Säulen nur flankierend unterstützt werden,292 durchaus als überzeugende Beschreibung des von Art. 1 III 1 EUV gezeichneten Modells. Wie tragfähig die „ergänzenden“ intergouvernementalen Säulen letztlich jedoch sind, läßt sich hieraus kaum ableiten. Für die genaue Bestimmung des Integrationsstandes der intergouvernementalen Säulen eignet sich Art. 1 III 1 EUV daher nicht. Wenn überhaupt, läßt sich hieraus allenfalls ein Zurückbleiben der intergouvernementalen Säulen hinter der gemeinschaftsrechtlichen Säule ablesen – ein Befund, der indes gegen eine Annäherung der Dritten Säule an die Erste Säule sprechen würde. In jedem Falle besitzt Art. 1 III 1 EUV eine nur geringe Aussagekraft für die Beschreibung der konkreten Ausgestaltung der intergouvernementalen Säulen.

b) Das Kohärenz- und Solidaritätsgebot des Art. 1 III 2 EUV Soweit in Art. 1 III 2 EUV die kohärente und solidarische Gestaltung der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten (und zwischen ihren Völkern) angesprochen wird, sind hieraus wiederum kaum klare rechtliche Aussagen abzuleiten.293 Beschrieben wird in Art. 1 III 2 EUV die sogenannte „innere Kohärenz“.294 Diese zielt ab auf eine kohärente Gestaltung der Verhältnisse zwischen den Mitgliedstaaten,295 namentlich im Sinne einer Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts.296 Es geht insoweit maßgeblich um den Abbau von Unterschieden Formulierung „policies and forms of cooperation“ in der englischen Sprachfassung wird gar als „clumsy phrase“ abqualifiziert. In der Tat legen der englische und französische Wortlaut – ähnlich wie der deutsche – nahe, von einem ganz maßgeblichen Einfluß der Gemeinschaften innerhalb der EU auszugehen [„The Union shall be founded on the European Communities, supplemented by the policies and forms of cooperation established by this Treaty.“ bzw. „L’Union est fondée sur les Communautés européennes complétées par les politiques et formes de coopération instaurées par le présent traité.“]. Es soll jedoch an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, daß die schwedische Sprachfassung ein durchaus anderes Bild zeichnet [„Unionen skall grundas på Europeiska gemenskaperna samt den politik och de samarbetsformer som införs genom detta fördrag.“]. Nach der schwedischen Sprachfassung sind die Gemeinschaften sowie die intergouvernementale Zusammenarbeit gemeinsame Grundlage der EU. Damit deutet der schwedische Text schon eher auf ein gleichrangiges – wenn auch nach wie vor bestehendes – Nebeneinander der drei Säulen hin. Nicht zuletzt weil dieser Schluß aber keineswegs zwingend ist – so sieht etwa Cramér [in: FS Bernitz, NIR, 53 (59)] auch in der schwedischen Sprachfassung des Art. 1 III 1 EUV eine „klar distinktion“ zwischen der gemeinschaftsrechtlichen Säule und den intergouvernementalen Säulen aufscheinen –, muß die Bewertung des Wortlautes des Art. 1 III EUV letztlich als wenig ergiebig für die Bestimmung der Bedeutung der beiden intergouvernementalen Säulen betrachtet werden. 292 Arnull / Dashwood / Ross / Wyatt, 172. 293 Pechstein, in: Streinz, Art. 1 EUV, Rn. 40. 294 Etwa Koenig, EuR 33 (1998), Beiheft 2, 139 (143). 295 Siems, 23. 296 Blanke, in: Calliess / Ruffert, Art. 3 EUV, Rn. 5; Pechstein / Koenig, Rn. 133.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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im Entwicklungsstand zwischen den Mitgliedstaaten,297 also darum, die Mitgliedstaaten auf ein vergleichbares (wirtschaftliches) Niveau zu hieven. All dies deutet – in Verbindung mit der in Art. 1 III 2 EUV ebenfalls genannten Solidarität298 – sicherlich auf eine beachtliche Enge der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten hin. Wie die innere Kohärenz indes für sich betrachtet zugunsten einer rahmenbeschlußkonformen Auslegung fruchtbar gemacht werden könnte, bleibt letztlich offen; eine Angleichung des (wirtschaftlichen) Entwicklungsstandes der Mitgliedstaaten bezwecken Rahmenbeschlüsse nämlich nicht. Auch das Solidaritätsgebot kann kaum als Argument zugunsten einer Umgestaltung der Verfassungsordnung der EU in Anschlag gebracht werden.299 Weder aus der inneren Kohärenz noch aus dem Solidaritätsgebot lassen sich mithin konkrete rechtliche (Handlungs-)Pflichten im Sinne einer rahmenbeschlußkonformen Auslegung ableiten.

2. Die Ziele des Art. 2 I EUV / Der Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 2 II EUV a) Die Ziele des Art. 2 I EUV Bevor auf einzelne Zielbestimmungen des Art. 2 I EUV in aller Kürze eingegangen werden soll, soll vorweggeschickt werden, daß von Zielbestimmungen niemals auf eine dem Ziel angemessene Kompetenz geschlossen werden kann.300 So mag es dem Ziel einer immer engeren Union der Völker Europas dienlich sein, den Rahmenbeschluß mit der mitgliedstaatlichen Verpflichtung auszustatten, nationales Recht im Lichte des Rahmenbeschlusses auszulegen; als Kompetenznorm kann eine derartige Zielbestimmung indes nicht fungieren. Überhaupt können Zielbestimmungen generell keine konkreten Handlungspflichten entnommen werden.301 Die in Art. 2 I EUV genannten Ziele sind als durchaus ambitioniert zu bezeichnen und gehen teilweise über eine gewöhnliche völkerrechtliche Zusammenarbeit weit hinaus, wie etwa das Ziel einer einheitlichen Währung in Spiegelstrich 1 oder die Einführung einer Unionsbürgerschaft in Spiegelstrich 3. Allerdings betreffen diese Ziele vorwiegend Bereiche, die ohnehin im Rahmen der EG im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes verfolgt werden. Der supranationale, über übliches völkerrechtliches Niveau weit hinausgehende Charakter der EG ist indes seit langem unbestritten. Andere Zielbestimmungen betreffen Bunk, 6. Vgl. zum Solidaritätsgebot Gussone, 122 – 134. 299 Hilpold, JöR 55 (2007), 195 (209). Mit der Annäherung der Dritten an die Erste Säule ist dem EuGH aber ebendies vorzuhalten; vgl. oben Einleitung, Fn. 11 sowie den begleitenden Text. 300 BVerfGE 89, 155 (209); Nettesheim, in: von Bogdandy, 415 (422); vgl. auch sogleich Zweiter Teil C. III. 2. b). 301 Bunk, 124. 297 298

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

durchaus die intergouvernementalen Säulen wie der Ausblick auf eine gemeinsame Verteidigungspolitik in Spiegelstrich 2 oder zielen übergreifend auf die Erste und die Dritte Säule in bezug auf die Erhaltung und Weiterentwicklung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ab (Spiegelstrich 4),302 wenngleich auch unter letzterem nicht hauptsächlich das Recht der Dritten Säule gemeint ist, sondern maßgeblich der durch den Amsterdamer Vertrag vergemeinschaftete Titel IV des EGV.303 Das Zielprogramm der EU ist mithin ohne jeden Zweifel ambitioniert zu nennen – für die Bestimmung der konkreten Kompetenzen der EU de lege lata jedoch von vornherein unbrauchbar. Als aufschlußreich für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand erweist sich dennoch Spiegelstrich 5. Zum einen ist dort die volle Wahrung und Weiterentwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Besitzstandes, nicht aber die Wahrung und Weiterentwicklung des Unionsrechts genannt. Dies spricht zunächst einmal für eine weniger große (Eigen-)Dynamik des Unionsrechts. Zum anderen soll gemäß Spiegelstrich 5 erst noch einer Überprüfung unterliegen, inwieweit die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts durch eine Revision der intergouvernementalen Säulen zu steigern wäre. In diesem Zusammenhang ist einerseits zu erwähnen, daß der Effektivitätsgrundsatz bisher nicht einmal für das Gemeinschaftsrecht primärrechtlich festgeschrieben ist; Spiegelstrich 5 läßt es vielmehr gerade offen, ob die Effektivität nach dem EUV de lege lata – zumal für das Unionsrecht – bereits hinreichend ausgestaltet ist.304 Schon aus diesem Grunde erscheint eine allzu starke Betonung des Effektivitätsgrundsatzes zumal im Unionsrecht – wie es jedoch nicht selten im Zusammenhang mit dem Pupino-Urteil anklingt305 – als verfehlt. Andererseits geht es in Spiegelstrich 5 aber vor allem auch um die Steigerung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts durch Revision des Unionsrechts. Spiegelstrich 5 sieht mithin eine Revision der im EUV niedergelegten Politiken und Formen der Zusammenarbeit nur mit Blick auf die Sicherstellung der Wirksamkeit der Mechanismen (und Organe) der Gemeinschaft, also im Rahmen der Ersten Säule vor.306 Die EffektiviDenza, 289. Blanke, in: Calliess / Ruffert, Art. 2 EUV, Rn. 13. 304 Vgl. Ross, ELRev 31 (2006), 476 (480 f.). 305 Das Pupino-Urteil ist nicht selten mit dem effet utile-Grundsatz in Verbindung gebracht worden; vgl. etwa Baddenhausen / Pietsch, DVBl 120 (2005), 1562 (1565); Gärditz / Gusy, GA 153 (2006), 225 (233); Herrmann, EuZW 16 (2005), 436 (438); Murschetz, VUWLR 38 (2007), 145 (bei Fn. 41); Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (914); Prechal, in: Barnard, 35 (58 und 60); Schmahl, EuR 43 (2008), Beiheft 1, 7 (20); Spaventa, YEL 25 (2006), 153 (167). Der EuGH verweist in der französischen Fassung des Urteils denn auch selbst auf den „effet utile“ (mit Blick auf seine Kompetenzen nach Art. 35 I EUV); EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 38. 306 Blanke geht hingegen von einer „vocation communautaire“ aus, wonach Spiegelstrich 5 dynamisch auf eine Überführung der intergouvernementalen Politikbereiche in das Gemeinschaftsrecht angelegt sei [in: Calliess / Ruffert, Art. 2 EUV, Rn. 16]. 302 303

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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tät der intergouvernementalen Säulen erfüllt demnach nach Maßgabe von Spiegelstrich 5 keinen Selbstzweck; Ziel ist vielmehr vorrangig, die Gemeinschaft zu stärken.307 Nicht zuletzt müßte die in Spiegelstrich 5 angesprochene Revision des Unionsrechts zur Steigerung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten selbst (und nicht etwa durch den EuGH) erfolgen. Eine Verpflichtung zur Revision besteht indes nicht.308 b) Der Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 2 II EUV Die bisherige Darstellung bezog sich auf die relativ wenig greifbaren309 Ziele, denen die EU verpflichtet ist. Ungleich greifbarer ist hingegen die Art und Weise, wie diese gemäß Art. 2 II EUV verwirklicht werden sollen. Dort wird maßgeblich für die Verwirklichung der Ziele auf die Bedingungen des EUV verwiesen. Hiermit wird die eingangs beschriebene Regel bestätigt,310 daß Zielbestimmungen nicht kompetenzbegründend wirken können.311 Eine Überbewertung der Ziele aus Art. 2 I EUV zur Begründung neuer Kompetenzen verbietet sich daher strikt. Ferner niedergelegt in Art. 2 II EUV ist das Subsidiaritätsprinzip, das ebenfalls eine tragende Säule des Unionsrechts312 darstellt und bereits in Art. 1 II EUV 307 Nach Denza unterstreicht Spiegelstrich 5 den Vorrang des Gemeinschaftsrechts und legt nahe, daß die intergouvernementalen Säulen weniger feste Gebilde darstellen [289]. 308 Man mag mit Blick auf die anderen Sprachfassungen möglicherweise eine gewisse „Zielvorgabe“ Richtung Verstärkung der Wirksamkeit der Mechanismen (und Organe) der Gemeinschaft durch Revision der im EUV niedergelegten Politiken und Formen der Zusammenarbeit erkennen („de maintenir intégralement l’acquis communautaire et de le développer afin d’examiner dans quelle mesure [les provisions du TUE] devraient être révisées“ bzw. „to maintain in full the acquis communautaire and build on it with a view to considering to what extent [the provisions of the TEU] may need to be revised“). Eindeutig erscheint dieser Befund angesichts der deutschen und der schwedischen Sprachfassung indes nicht („die volle Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstands und seine Weiterentwicklung, wobei geprüft wird, inwieweit [die Bestimmungen des EUV] zu revidieren sind“ bzw. „fullt ut upprätthålla gemenskapens regelverk och bygga ut det samt att därvid överväga i vilken utsträckning [bestämmelserna av FEU:n] kan behöva revideras“). Dies ändert i. ü. nichts daran, daß Art. 2 Spiegelstrich 5 EUV allenfalls eine Überprüfungspflicht, keinesfalls aber eine Verpflichtung zur tatsächlichen Revision der EUV-Bestimmungen entnommen werden kann, und auch nichts an der allgemeinen Stoßrichtung des Art. 2 Spiegelstrich 5 EUV, wonach maßgeblich die Erste Säule gestärkt werden soll, nicht hingegen die Dritte Säule; vgl. aber auch Pechstein, in: Streinz, Art. 2 EUV, Rn. 15. 309 Ebenso Calliess, 150. 310 Vgl. Zweiter Teil, Fn. 300 und begleitenden Text. 311 Etwa Blanke, in: Calliess / Ruffert, Art. 2 EUV, Rn. 18; Geiger, Art. 2 EUV, Rn. 8; Jacqué bezeichnet dies als Selbstverständlichkeiten [in: von der Groeben / Schwarze, Art. 2 EUV, Rn. 1]. 312 Wie i. ü. auch des Gemeinschaftsrechts (Art. 5 II EGV), auf den Art. 2 II EUV explizit verweist.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

(„möglichst bürgernah“) anklingt.313 Das Subsidiaritätsprinzip wirkt generell als Kompetenzausübungsschranke,314 wodurch den Mitgliedstaaten Handlungsfreiräume gewahrt bleiben sollen. Auf diese Weise soll der Subsidiaritätsgrundsatz gewissermaßen einer allzu großen Brüsseler Zentripetalkraft entgegenwirken315 und durch die materielle Beschränkung der Rechtsnormen des EUV316 ganz allgemein die Selbständigkeit der Mitgliedstaaten, 317 aber auch die effektive Verwirklichung des Demokratieprinzips318 wahren. Unmittelbar kann das Subsidiaritätsprinzip allerdings insoweit im Unionsrecht keine bedeutende Rolle spielen, als es als Kompetenzausübungsschranke von vornherein nur für diejenigen Bereiche gilt, in denen die Mitgliedstaaten und die EU parallele Zuständigkeiten besitzen.319 Da die EU jedoch – im Gegensatz zur EG – über keinerlei eigene – geschweige denn ausschließliche320 – echte Zuständigkeiten verfügt,321 läuft der Subsidiaritätsgrundsatz hier gewissermaßen ins Leere. Allerdings kann der Rechtsgedanke des Subsidiaritätsgrundsatzes durchaus auch im Bereich des Unionsrechts Anwendung finden, nämlich in Gestalt einer Regel, welche die Zulässigkeit gemeinschaftlicher Koordination im Rahmen der EU zugunsten von einzelstaatlichem Handeln beschränkt.322 Und auch soweit dem Subsidiaritätsgrundsatz ganz allgemein die Wirkung zukommen sollte, die (zukünftige) Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten zu beeinflussen,323 kann er für den Fortgang des Integrationsprozesses innerhalb der EU – sei dieser von den Mitgliedstaaten vorangetrieben oder dem EuGH – durchaus von Interesse sein.324 Jacqué, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 1 EUV, Rn. 10. BVerfGE 89, 155 (193); Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, Rn. 276; Chalmers / Hadjiemmanuil / Monti / Tomkins, 209 f.; Jacqué, Droit institutionnel, Rn. 221. 315 Jacqué, Droit institutionnel, Rn. 218; Rasmussen, EU-ret, 383 f.; Wille, 119. 316 Vgl. Lorenzmeier, ZIS 1 (2006), 576 (576), der Art. 29 EUV mit Verweis auf den Subsidiaritätsgrundsatz aus Art. 2 II EUV einschränkend auslegt. 317 Das Subsidiaritätsprinzip dient insoweit der Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 III EUV; Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, Rn. 274 a. E.; Geiger, Art. 2 EUV, Rn. 9; vgl. näher zu Art. 6 III EUV unten Zweiter Teil C. III. 6. b). 318 Chalmers / Hadjiemmanuil / Monti / Tomkins, 210 f.; Kadelbach, VVDStRL 66 (2007), 7 (40). 319 Etwa Calliess, in: Calliess / Ruffert, Art. 5 EGV, Rn. 35 f.; Geiger, Art. 5 EGV, Rn. 7. 320 Monar, ELRev 23 (1998), 320 (325); vgl. auch die abschließende Auflistung ausschließlicher Kompetenzen nach den Verträgen bei van Ooik, in: Obradovic / Lavranos, 11 (14); deutlich auch Wessel, in: Obradovic / Lavranos, 41 (44 f.). Auch im Gemeinschaftsrecht stellen ausschließliche Kompentenzen eher eine Ausnahmeerscheinung dar; Dashwood, CMLRev 41 (2004), 355 (369 f.); Schütze, ELRev 32 (2007), 3 (25). 321 Etwa Blanke, in: Calliess / Ruffert, Art. 2 EUV, Rn. 21; Pechstein / Koenig, Rn. 163; Schmahl, DVBl 122 (2007), 1463 (1466). 322 Vgl. Blanke, in: Calliess / Ruffert, Art. 2 EUV, Rn. 21; Geiger, Art. 2 EUV, Rn. 10; Kraus-Vonjahr, 196; Pechstein, in: Streinz, Art. 2 EUV, Rn. 18; Pechstein / Koenig, Rn. 163. 323 Vgl. Arnull / Dashwood / Ross / Wyatt, 156. 324 Schwarze, JZ 48 (1993), 585 (593). 313 314

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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Konkret verlangt das Subsidiaritätsprinzip, daß Maßnahmen auf Unionsebene wegen ihres Umfanges oder ihrer Wirkungen im Vergleich zu mitgliedstaatlichen Maßnahmen deutliche Vorteile mit sich brächten.325 Wenn nun aber „deutliche Vorteile“ gegenüber mitgliedstaatlichem Handeln nach dem Subsidiaritätsgrundsatz eine Bedingung für das Ergreifen unionsrechtlicher Maßnahmen darstellen, erscheint in Anbetracht der in sämtlichen Mitgliedstaaten anzutreffenden Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung kraft nationalen (Verfassungs-)Rechts326 eine durch den EuGH ergriffene „Maßnahme“ in Gestalt der Feststellung einer EU-weit verpflichtenden rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts kraft Unionsrechts kaum im Einklang mit dem Subsidiaritätsgrundsatz zu stehen. Auch wenn die Reichweite der Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung nach dem jeweiligen (Verfassungs-)Recht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren wird,327 fällt es schwer, in der für alle Mitgliedstaaten verbindlichen zentralisierten Feststellung einer – im wesentlichen ohnehin identisch bestehenden – Verpflichtung einen solch „deutlichen“ Vorteil zu erblicken,328 zumal wenn die Anwendung des Gebots der rahmenbeschlußkonformen Auslegung natürlicherweise ohnehin dezentral durch die mitgliedstaatlichen Gerichte (und Behörden) erfolgt und hierdurch eine bis zu einem gewissen Grade uneinheitliche Anwendung gewissermaßen inhärent ist.329 Insofern erscheint zweifelhaft, daß die Ziele der rahmenbeschlußkonformen Auslegung nicht auch ausreichend durch die entsprechende Verpflichtung kraft nationalen (Verfassungs-)Rechts erreicht werden können.330 Der Subsidiaritätsgrundsatz spricht daher gegen eine unionsrechtlich begründete Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung. Bleibt die Frage zu klären, ob und inwieweit der Subsidiaritätsgrundsatz unmittelbar auch für den EuGH gilt. Nicht anzuwenden wäre der Subsidiaritätsgrundsatz dann auf den EuGH, wenn und soweit dieser über eine ausschließliche Kompetenz zur Rechtsprechung verfügen würde.331 In Ermangelung einer unionsrechtlichen 325 Vgl. Punkt 5 Spiegelstrich 3 des Protokolls Nr. 30 zum EUV und EGV [ABl. 2006 C 321, E / 308], von dem Jacqué indes meint, er sei lediglich alternativ und nicht kumulativ neben den anderen Spiegelstrich anwendbar [Droit institutionnel, Rn. 223]. 326 Vgl. Prolegomena, Fn. 19 sowie den begleitenden Text. 327 Vgl. unten Zweiter Teil F. 328 Schwarze verlangt gar ein „unabweisbares Bedürfnis“ für EU-weites Handeln [JZ 48 (1993), 585 (592)]. 329 Vgl. Biondi / Harmer, EPL 13 (2007), 33 (37); vgl. auch für ein anschauliches Beispiel bzgl. Schwierigkeiten im Umgang mit der Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung Tsadiras, CMLRev 44 (2007), 1515 (1518 ff.). 330 Vgl. zu dieser Voraussetzung des Subsidiaritätsgrundsatzes Punkt 5 des Protokolls Nr. 30 zum EUV und EGV; ABl. 2006 C 321, E / 308. 331 Vgl. Langguth, in: Lenz / Borchardt, Art. 5 EGV, Rn. 27 sowie Streinz, in: Streinz, Art. 5 EGV, Rn. 34, die aber davon auszugehen scheinen, der EuGH verfüge (jedenfalls im Gemeinschaftsrecht) über ausschließliche Zuständigkeit. Dies erscheint indes nicht ganz einsichtig, weil – natürlich – auch die mitgliedstaatlichen Gerichte Gemeinschaftsrecht anwenden und auslegen dürfen, ja sogar müssen. Ausschließliche Zuständigkeit kann der EuGH

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Vorlagepflicht gilt dies aber jedenfalls für das Vorlageverfahren nach Art. 35 I – V EUV gerade nicht.332 Insoweit kann hier allenfalls von einer mit den mitgliedstaatlichen Gerichten konkurrierenden333 Kompetenz des EuGH ausgegangen werden.334 Jedenfalls im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Art. 35 I – V EUV ist das Subsidiaritätsprinzip daher auf den EuGH anwendbar. Im übrigen mag es sein, daß sich der Subsidiaritätsgrundsatz in erster Linie an die Legislativorgane richtet,335 also zuvörderst Rechtsetzungstätigkeit erfassen soll.336 Unbestritten ist dies indes nicht,337 bedarf für die hiesigen Zwecke aber keiner eingehenderen Erörterung. Abgesehen davon nämlich, daß sich der EuGH vorhalten lassen muß, sich im Pupino-Urteil insoweit als Ersatzgesetzgeber geriert zu haben, als er nämlich das Recht der Dritten Säule an das der Ersten Säule angenähert und somit eher Rechtsentwicklung denn reine Rechtsanwendung betrieben hat,338 bleibt jedenfalls folgendes zu erinnern: Als Prämisse für die Annahme einer unionsrechtlich begründeten mitgliedstaatlichen Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung ist das Vorliegen einer hinreichend verselbständigten, von den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten losgelösten Unionsrechtsordnung sui generis herausgearbeitet worden.339 Die unmittelbare Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes stößt im Unionsrecht gerade deshalb auf Schwierigkeiten, weil auf die EU keine eigenständigen, echten Kompetenzen übertragen worden sind. Der Umstand, daß die EU über keine eigenständigen, echten Kompetenzen verfügt, spricht für sich schon deutlich gegen das Vorliegen einer weitgehend verselbständigten Rechtsordnung. Auf jeden Fall aber ist integraler Teil dieser Unionsrechtsordnung gerade auch das Subsidiaritätsprinzip, welches eine weitestgehende Selbständigkeit der Mitgliedstaaten garantieren soll – wenn und soweit ein gemeinsames Vorgehen nicht unbedingt erforderlich ist oder doch wenigstens deutliche Vorteile erwarten daher allenfalls in Fragen der Nichtigerklärung von Gemeinschaftsrecht beanspruchen; ihm kommt insoweit das Verwerfungsmonopol zu. Indes besitzt auch der EuGH in bezug auf das – hier interessierende – Primärrecht keine Verwerfungskompetenz, so daß der EuGH jedenfalls in bezug auf die Auslegung des Primärrechts mitnichten über ein Monopol und mithin auch nicht über ausschließliche Zuständigkeit (auch im Gemeinschaftsrecht nicht) verfügt. Was dem EuGH auch in Auslegungsfragen zukommt, ist die Letztentscheidungsbefugnis. Diese aber gehört gewissermaßen zum Wesen der konkurrierenden Zuständigkeit dazu. 332 Vgl. aber auch schon die vorstehende Fn. 333 In den Fällen, in denen sich Mitgliedstaaten nicht der Jurisdiktion des EuGH im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Art. 35 II EUV unterworfen haben, besitzt der EuGH sogar schlicht keinerlei, nicht einmal konkurrierende Kompetenz. 334 Vgl. ausführlich zu den Charakteristika des unionsrechtlichen Vorlageverfahrens nach Art. 35 I – V EUV unten Zweiter Teil C. III. 8. b) bb) (1). 335 So Arnull / Dashwood / Ross / Wyatt, 160. 336 Vgl. Calliess, in: Calliess / Ruffert, Art. 5 EGV, Rn. 38. 337 A. A. etwa Langguth, in: Lenz / Borchardt, Art. 5 EGV, Rn. 22: „auch für die Kontrolle der Anwendung des EG-Rechts“; ebenso Streinz, in: Streinz, Art. 5 EGV, Rn. 32. 338 Vgl. den Text bei Einleitung, Fn. 11. 339 Siehe oben Zweiter Teil A. II.

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läßt. Insoweit, als die Unionsrechtsordnung als Ganze der vorliegenden Untersuchung zugrunde zu legen ist – beziehungsweise der Sache nach vom EuGH im Pupino-Urteil tatsächlich zugrunde gelegt worden ist340 –, muß das Subsidiaritätsprinzip in jedem Falle wenigstens mittelbar bei der Gesamtwürdigung des Unionsrechts – und zwar auch vom EuGH 341 – berücksichtigt werden. Insgesamt wird durch Art. 2 II EUV auf jeden Fall deutlich, daß das angestrebte Integrationsprogramm nach Maßgabe des Art. 2 I EUV nicht ohne weiteres tel quel umzusetzen ist, sondern die im EUV niedergelegten Grenzen sowie vor allem aber auch die Belange der Mitgliedstaaten bei der (zukünftigen) Verwirklichung der Ziele hinreichend zu berücksichtigen sind. Bei der Konkretisierung und Weiterentwicklung der Unionszuständigkeiten ist insbesondere das Subsidiaritätsprinzip hinreichend zu berücksichtigen.342

3. Das Kohärenzgebot des Art. 3 EUV / Die Organleihe gemäß Art. 5 EUV Aus Sicht des Verfassers konstituiert die Verflechtung der drei Säulen vermittels eines einheitlichen institutionellen Rahmens gemäß Art. 3 I EUV die eigentliche Besonderheit der Europäischen Union.343 Ein maßgebliches Element dieses gemeinsamen institutionellen Rahmens stellt der Rückgriff auf die Gemeinschaftsorgane auch im Rahmen der intergouvernementalen Zusammenarbeit dar,344 in dem die Gemeinschaftsorgane im Wege der Organleihe wirken.345 Die Verwendung der identischen346 Organe läßt bereits rein tatsächlich eine gewisse Kohärenz der Handlungen in den Drei Säulen vermuten,347 eine Vermutung, die in der Praxis durchaus nicht enttäuscht wird.348 Das Gebot zur Kohärenz nach Art. 3 EUV unterteilt sich in die „inhaltliche Kohärenz“ nach Art. 3 I EUV sowie die „äußere Kohärenz“ nach Art. 3 II EUV.349 Inhaltliche Kohärenz, deren Existenz jedoch mitunter Vgl. den Text bei Zweiter Teil, Fn. 56. Wenn er sich schon nicht an die Beschränkungen seiner Jurisdiktion, die ihm Art. 46 EUV auferlegt, hält. 342 Vgl. Calliess, 150. 343 Siehe auch Arnull / Dashwood / Ross / Wyatt, 179; Jacqué, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 1 EUV, Rn. 12. 344 Siems, 29 ff. 345 Hilf / Pache, in: Grabitz / Hilf, Art. 5 EUV, Rn. 12; Koenig, EuR 33 (1998), Beiheft 2, 139 (144 ff.); Ludwig, 45; Schweitzer / Hummer, Rn. 957; a. A. etwa Arnull / Dashwood / Ross / Wyatt, 179; Ress, JuS 32 (1992), 985 (986); differenzierend nach den verschiedenen Organen Pechstein / Koenig, Rn. 180 ff. 346 Hilf / Pache, in: Grabitz / Hilf, Art. 5 EUV, Rn. 2. 347 Jacqué, Droit institutionnel, Rn. 49. 348 Vgl. Cannizzaro, AJCL 55 (2007), 767 (789); Siems, 29. 349 Vgl. auch die soeben behandelte sogenannte „innere Kohärenz“ aus Art. 1 III 2 EUV; Zweiter Teil C. III. 1. b). 340 341

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bestritten wird,350 meint eine konzeptionsgeleitete, zueinander stimmige, jedenfalls nicht widersprüchliche Einzelaktsgestaltung, 351 mithin ein gegenseitiges Abstimmungsgebot zwischen den verschiedenen Säulen der EU;352 äußere Kohärenz beschreibt das Bedürfnis nach einem gemeinsamen einheitlichen Auftreten gegenüber Drittstaaten.353 Die inhaltliche Kohärenz, also die Kohärenz der einzelnen Maßnahmen, muß sowohl bei der inneren als auch bei der äußeren Kohärenz beachtet werden.354 Für die dieser Untersuchung zugrunde liegende Fragestellung der rahmenbeschlußkonformen Auslegung kann die äußere Kohärenz aus Art. 3 II EUV insofern nur eine untergeordnete Rolle spielen, als diese im wesentlichen die Abstimmung zwischen Erster und Zweiter Säule zum Gegenstand hat.355 Die polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit der Dritten Säule ist daher generell nur am Rande betroffen. Jedoch kann die äußere Kohärenz auch hier – auch wenn die polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit, entgegen etwa der Wirtschafts- oder der Entwicklungspolitik, nicht von Art. 3 II EUV in Bezug genommen ist – in dem Maße eine Rolle spielen, wie das Handeln im Rahmen der Dritten Säule außenpolitische Bezüge aufweist.356 Dies betrifft namentlich den Abschluß von Übereinkommen mit Drittstaaten nach Art. 38 EUV i.V. m. Art. 24 EUV sowie die Außenrepräsentanz nach Maßgabe des Art. 37 EUV.357 Jedoch scheint es kaum möglich, das Gebot der äußeren Kohärenz als Argument zugunsten einer Auslegung nationaler Normen im Lichte eines Rahmenbeschlusses fruchtbar zu machen – einem Instrument, das in erster Linie die Kohärenz zwischen den Mitgliedstaaten und ihren Rechtsordnungen untereinander betrifft.358 Insgesamt kann jedoch im Sinne einer eher globalen Betrachtung des Unionsrechts festgehalten werden, daß das Gebot zur Kohärenz durch das damit einhergehende Bedürfnis der Abstimmung der einzelnen Politikbereiche, namentlich auch der intergouvernementalen mit den gemeinschaftsrechtlichen Politikbereichen, das Unionsrecht durch diese äußere Klammer ein Stück weit an das supranationale Gemeinschaftsrecht zu binden vermag. Dies gilt um so mehr noch, als die handelnden Organe in allen Politikbereichen identisch sind. Sicherlich ist hierin bei weitem Bunk, 8 ff.; Pechstein, in: Streinz, Art. 3 EUV, Rn. 6. Müller-Graff, Integration 16 (1993), 147 (150). 352 Schweitzer / Hummer, Rn. 958. 353 Blanke, in: Calliess / Ruffert, Art. 3 EUV, Rn. 15. 354 Siems, 24. 355 Blanke, in: Calliess / Ruffert, Art. 3 EUV, Rn. 15. 356 Pechstein, in: Streinz, Art. 3 EUV, Rn. 11. 357 Siehe für weitere außenpolitische Aspekte der Dritten Säule Denza, 306 ff. 358 Hiermit ist freilich nicht die „innere Kohärenz“ i. S. d. Art. 1 III 2 EUV gemeint. Diese bezieht sich maßgeblich auf den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zwischen den Mitgliedstaaten und kann daher wenig zu einer etwaigen unionsrechtlichen Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung beitragen; vgl. oben Zweiter Teil C. III. 1. b). 350 351

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keine Gleichstellung der intergouvernementalen Säulen mit der supranationalen Säule zu erblicken,359 eine gewisse Anbindung ist indes unverkennbar. Wenn überdies das Gebot der inhaltlichen Kohärenz360 ganz generell auch eine Abstimmung der Einzelmaßnahmen erfordert, daß also nach Art. 3 I EUV auch Maßnahmen der intergouvernementalen Säulen mit sonstigen unions-, vor allem aber auch gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen abgestimmt werden müssen, mithin gegebenenfalls auch mit Maßnahmen, die durch Mehrheitsbeschluß entschieden worden sind, dann kann dies den Eindruck einer nicht unerheblichen Anbindung der intergouvernementalen Säulen an das Gemeinschaftsrecht nur noch verstärken. Allerdings ist in der kohärenten Politikgestaltung der verschiedenen Säulen keineswegs ausnahmslos eine „Einbahnstraße Richtung Erster Säule“ – oder gar ein Freibrief zur Kompetenzausweitung361 – zu erblicken, sondern kann das Erreichen von Kohärenz im Einzelfall auch die Ausrichtung gemeinschaftsrechtlicher Maßnahmen an Akten der intergouvernementalen Säulen erfordern.362 Nichtsdestotrotz bedeutet das Gebot kohärenten Handelns innerhalb eines einheitlichen institutionellen Rahmens nach Art. 3 EUV einen wesentlichen Schritt Richtung einer immer engeren Union und eine ebenso deutliche Abkehr von einer reinen völkerrechtlichen Zusammenarbeit.363

4. Der Europäische Rat als Impulsgeber nach Art. 4 I EUV Generell obliegt es gemäß Art. 4 I EUV dem Europäischen Rat, der EU die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse zu geben und die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für diese Entwicklung festzulegen. Sicherlich ist hiermit nicht ausgeschlossen, daß auch andere Impulsgeber auf die weitere Entwicklung der EU Einfluß nehmen. Dies gilt zuvörderst natürlich für die Mitgliedstaaten selbst – sei es im Rahmen des Europäischen Rates, sei es aber auch im Wege einer Vertragsänderung gemäß Art. 48 EUV. Auch ist sicherlich gut vorstellbar, daß die sonstigen im Rahmen der Zweiten und Dritten Säule involvierten Organe ebenfalls ihren Beitrag zur Weiterentwicklung der EU leisten. Eine Gegenüberstellung der Kompetenzen des Europäischen Rates im Unionsrecht nach Maßgabe des Art. 4 EUV und Vgl. Rackow / Stegmiller, HuV-I 20 (2007), 68 (74 f.). So man es denn anerkennt; vgl. Zweiter Teil, Fn. 350 und den begleitenden Text. 361 Vgl. deutlich EuGH, Rs. C-415 / 05 P und Rs. C-402 / 05 P, Al Barakaat International Foundation und Kadi, noch nicht in amtlicher Slg., Rn. 204. 362 Dies gilt namentlich für das Zusammenspiel von Art. 301 und 60 EGV mit Art. 14 und 15 EUV (Maßnahmen der EG auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs aufgrund von Gemeinsamen Aktionen resp. Standpunkten der Zweiten Säule). 363 Überbewertet werden sollte hingegen nicht die Nennung der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Art. 61 lit. e EGV – so bemerkenswert diese auch auf den ersten Blick scheinen mag –, da es sich hierbei um einen rein deklaratorischen Verweis handelt; vgl. Rossi, in: Calliess / Ruffert, Art. 61 EGV, Rn. 4. 359 360

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derjenigen des EuGH nach Maßgabe des Art. 46 EUV, nach dem der EuGH im Unionsrecht nur eingeschränkte Zuständigkeiten besitzt,364 zeigt jedoch deutlich, daß eine Weiterentwicklung der EU durch den EuGH von den Mitgliedstaaten kaum gewollt gewesen,365 die maßgebliche Impulsgeberkompetenz vielmehr eindeutig dem Europäischen Rat zugewiesen worden ist.366 Daß der Europäische Rat neben dem Kommissionspräsidenten aus den Staatsund Regierungschefs der Mitgliedstaaten besteht, also unmittelbaren „Interessenvertretern“ der Mitgliedstaaten, hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits erscheint es als bezeichnend, daß in diesem die zukünftigen Geschicke der EU zu bestimmen kompetenten Organ mit dem Kommissionspräsidenten ein mitgliedstaatsunabhängiges, am Wohl der Union als Ganzer interessiertes Organ(-teil) dem Europäischen Rat angehört. Damit wird einem Organ eine Mitwirkung in dem grundlegende Entscheidungen treffenden Europäischen Rat eingeräumt, das allein den Interessen der Internationalen Organisation Europäische Union verpflichtet ist. Andererseits ist die Präponderanz der Mitgliedstaaten im Europäischen Rat – mittlerweile immerhin 27 Staats- und Regierungschefs gegenüber dem Kommissionspräsidenten – überdeutlich. Dies verstärkt einmal mehr deren Einflußnahmemöglichkeiten im Rahmen des Unionsrechts und spricht gegen einen weitgehend verselbständigten Charakter der EU. Und nicht zuletzt gerade die Tatsache, daß die Impulsgeberfunktion die einzige veritable Aufgabe367 dieses (fast)368 ausschließlich im Rahmen des Unionsrechts tätigen Organs ist, redet einer Ausübung dieser Funktion durch den Europäischen Rat selbst das Wort und läßt eine „Wahrnehmung“ dieser Aufgabe durch den EuGH als kaum von den Mitgliedstaaten gewollt erscheinen.369 Auch wenn mit der Involvierung des Kommissionspräsidenten in den Europäischen Rat eine gewisse Preisgabe der Souveränität der Mitgliedstaaten und eine gewisse Verselbständigung der EU einhergeht, ist diese letztlich doch nur äußerst gering.

364 EuG, Rs. T-338 / 02, Segi, Slg. 2004, II-1647, Rn. 35; Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 59; von Danwitz, Rechtsschutz, 4 f.; Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1089); Ludwig, 76. 365 Vgl. zu den Kompetenzen des EuGH im Rahmen des Unionsrechts unten Zweiter Teil C. III. 8. 366 Pechstein / Koenig sprechen von einer „politischen Führungsrolle“ des Europäischen Rates [Rn. 170], Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud von einem „organe supérieur“, dem „prééminence“ zukomme [Rn. 130]. 367 Denza, 290 („primary purpose“). 368 Vgl. aber auch die Kompetenzen des Europäischen Rates nach Art. 99 II UAbs. 2 EGV. 369 Vgl. Everling, JZ 55 (2000), 217 (224), nach dem es nicht Aufgabe des EuGH (und anderer Gerichte) ist, „etwas zu bewegen, also wie politische Organe die Wirklichkeit aktiv zu gestalten“.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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5. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die formelle Trennung von Unions- und Gemeinschaftsrecht nach Art. 5 EUV Daß es einen einheitlichen institutionellen Rahmen gibt, innerhalb dessen die Gemeinschaftsorgane im Wege der Organleihe auch in den intergouvernementalen Säulen tätig werden, sowie die verklammernde Wirkung dieser Konstruktion, die sich nicht zuletzt auch aus Art. 5 EUV ergibt, ist bereits gewürdigt worden.370 Darüber hinaus legt Art. 5 EUV aber auch fest, daß die Unionsorgane ihre Befugnisse nach den Bestimmungen des EUV ausüben. Hierin wird zu Recht ein Verweis auf das auch im Gemeinschaftsrecht bekannte Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gesehen.371 Auch – und gerade – die EU besitzt mithin keine Kompetenzkompetenz,372 sondern ist darauf angewiesen, daß ihr Kompetenzen durch die Mitgliedstaaten zugewiesen werden. Des weiteren verweist Art. 5 EUV auf die Befugnisse nach Maßgabe der Gemeinschaftsverträge „einerseits“ und auf die Bestimmungen des EUV „andererseits“. Hiermit wird die formelle, kompetenzabgrenzende Trennung zwischen dem Unions- und dem Gemeinschaftsrecht im EUV vollzogen.373 Interessant ist, daß Art. 5 EUV pauschalisierend von den „Verträge[n] zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften“ auf der einen und vom EUV auf der anderen Seite spricht, wohingegen an anderer Stelle im EUV die drei Gemeinschaftsrechtsregime einzeln aufgeführt werden.374 Man muß diesem Umstand gewiß keine allzu große Bedeutung beimessen; doch mag er einen Hinweis darauf geben, daß die – durchaus bestehenden375 – Besonderheiten zwischen den Gemeinschaftsverträgen im Verhältnis zu den Unterschieden zum EUV gewissermaßen vernachlässigbar sind, hingegen die Unterschiede zwischen dem Gemeinschafts- und dem Unionsrecht sogar gesondert betont („einerseits“ / „andererseits“) werden müssen.

Siehe oben Zweiter Teil C. III. 3. Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 104; Kraus-Vonjahr, 195 f.; Nettesheim, in: von Bogdandy, 415 (421 ff.); Pechstein / Koenig, Rn. 150 ff.; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (927 f.); Schweitzer / Hummer, Rn. 961; Wichard, in: Calliess / Ruffert, Art. 5 EUV, Rn. 3. 372 Vgl. sogleich Zweiter Teil C. III. 6. c). 373 BVerfGE 89, 155 (176); Hatje, 30; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (906 und 920); Reichelt, 89. 374 Siehe den chapeau des Art. 46 EUV. 375 Vgl. Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, Rn. 60; Dashwood, CMLRev 41 (2004), 355 (362). 370 371

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

6. Die Grundsätze des Art. 6 EUV a) Die fundamentalen Grundwerte nach Art. 6 I und II EUV Die Grundsätze der Absätze 1 und 2 des Art. 6 EUV beinhalten ein Bekenntnis der EU zu fundamentalen Grundwerten,376 insbesondere zur Achtung der Grund- / Menschenrechte. In Anbetracht der Tatsache, daß sich ähnliche programmatische Leitvorgaben auch in vielen anderen völkerrechtlichen Verträgen finden, etwa in Art. 1 UN-Charta oder auch in Art. 3 und 4 des Gründungsaktes der Afrikanischen Union, kann sich aus der Selbstverpflichtung auf diese Grundwerte nur sehr wenig über das Wesen der EU ableiten lassen. Ungleich aussagekräftiger erscheinen hingegen das Instrumentarium, mit dem die EU ausgestattet ist, diese Grundentscheidungen zu verfolgen und durchzusetzen, sowie der Impetus, mit dem diese Grundsätze in die Wirklichkeit transponiert werden. Diese Fragen stellen den übergreifenden Gegenstand des vorliegenden Zweiten Teils dar, so daß an dieser Stelle auf die entsprechenden Passagen verwiesen werden soll.377 Einen Hinweis darauf, daß das Unions- und das Gemeinschaftsrecht jedenfalls nicht vollkommen isoliert und unabhängig nebeneinander stehen, gibt Art. 6 II EUV dann aber doch, wenn es dort heißt, die Union achte die Grundrechte (wie sie sich aus der EMRK und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben) als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts.378 Einen rechten Reim auf die Vorgabe, die Union solle die anwendbaren Grundrechte nicht als unionsrechtliche, sondern als gemeinschaftsrechtliche Grundsätze achten, vermag sich der Verfasser nicht zu machen.379 Die Formulierung des Art. 6 II EUV wird aber wohl dem Bestreben der Mitgliedstaaten geschuldet sein, die – freilich zum Gemeinschaftsrecht ergangene – Judikatur des EuGH zu kodifizieren.380 Daß das Unionsrecht und das Gemeinschaftsrecht identisch sind, kann hieraus schlechterdings nicht gefolgert werden; umgekehrt scheint sich aus der Formulierung des Art. 6 II EUV, nach dem die Union die Grundrechte (wie sie sich aus der EMRK und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben) als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts (und gerade nicht als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts) anwenden soll, eher das GegenArnull / Dashwood / Ross / Wyatt, 180; Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Art. 6 EUV, Rn. 5. Vgl. hierzu insbesondere die Darstellung im Rahmen dieses Zweiten Teils C. I. sowie C. III. 8. 378 Vgl. zur – wenigstens – mißverständlichen Formulierung der deutschen Sprachfassung Wölker, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 99 (100). Insb. die drei weiteren hier untersuchten Sprachfassungen entsprechen der hier durch den Verfasser wiedergegebenen Formulierung. 379 Wölker spricht mit Blick auf die – allerdings wortgleiche – Vorgängervorschrift des Art. 6 II EUV gleichfalls von einer „für die 2. und 3. Säule wenig adäquate[n] Abfassung der Vorschrift“ [EuR 34 (1999), Beiheft 1, 99 (102)]. 380 Bernitz / Kjellgren, 117; Bröhmer, APuZ 49 / 16 (1999), 31 (34); Hartley, 140; Lutz, 28 f., Fn. 32; Winkler, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 19 (21); Wölker, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 99 (100 und 102). 376 377

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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teil, nämlich die generelle Unterschiedlichkeit von Unions- und Gemeinschaftsrecht zu ergeben. Anderenfalls wäre die bewußte Nennung der Geltung von gemeinschaftsrechlichen Prinzipien auch für die Union überflüssig. In jedem Falle wird aus der Formulierung des Art. 6 II EUV doch einmal mehr deutlich, daß das Unionsrecht und das Gemeinschaftsrecht nicht schlicht berührungslos nebeneinander stehen.381

b) Die Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten nach Art. 6 III EUV Interessanter für die Finalität der EU als das allgemeine Bekenntnis zu fundamentalen Grundsätzen ist Absatz 3 des Art. 6 EUV, nach dem die Union die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, einschließlich ihrer Verfassungsidentität,382 achtet. Gewissermaßen zeigt Art. 6 III EUV hiermit dem Integrationsprogramm „einer immer engeren Union“ aus Art. 1 II EUV insoweit seine Grenzen auf, als die staatliche Souveränität der Mitgliedstaaten – ein Eckpfeiler des gesamten Völkerrechts383 – nicht in Frage gestellt werden darf.384 Die Mitgliedstaaten bleiben also weiterhin die „Herren der Verträge“385 und dürfen dieses Zustandes auch nicht durch eine schleichende Kompetenzausweitung seitens der EU oder der Gemeinschaften verlustig gehen.386 Sicherlich ist in Art. 6 III EUV umgekehrt kein absolutes Verbot eines fortschreitenden Integrationsprozesses zu erblicken,387 doch steht er in unübersehbarem Kontrast zu mancher europazentrischen Zielbestimmung des EUV388 und begründet so – mindestens389 – eine äußere Schranke des europäischen Integrationsprozesses de lege lata.390 Insoweit ist Art. 6 III EUV auch bei der Auslegung des EUV zu berücksichtigen.

Ebenso Violini, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 117 (127, Fn. 30). Vgl. Mayer, in: von Bogdandy, 229 (258). 383 Bleckmann, VölkerR, Rn. 147; Brownlie, 287. 384 Bleckmann, JZ 52 (1997), 265 (266); Puttler, in: Calliess / Ruffert, Art. 6 EUV, Rn. 44. 385 Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Art. 6 EUV, Rn. 24. 386 Bleckmann, JZ 52 (1997), 265 (266). 387 Puttler, in: Calliess / Ruffert, Art. 6 EUV, Rn. 46. 388 Pechstein, in: Streinz, Art. 6 EUV, Rn. 25. 389 Nach Hilf / Schorkopf stellt Art. 6 III EUV eine „Kompetenz(ausübungs)schranke“ dar [in: Grabitz / Hilf, Art. 6 EUV, Rn. 98]. 390 Bleckmann sieht in Art. F I EUV a. F. ( Art. 6 III EUV n. F.) eine dem Art. 79 III GG vergleichbare Wesensgehaltsgarantie für die Nationalstaaten [JZ 52 (1997), 265 (269)]; Wille, 123 f. 381 382

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

c) Die „selbstvollkommene“ Mittelausstattung der Union nach Art. 6 IV EUV Als ebenso brisant, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen, präsentiert sich Art. 6 IV EUV, nach dessen Maßgabe sich die EU mit den Mitteln ausstattet, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind. Prima facie könnte man auf eine Kompetenz zur selbstvollkommenen Ausstattung mit Finanz- und sonstigen Handlungsmitteln schließen, was einer Kompetenzkompetenz bereits sehr nahe-, wenn nicht gleichkäme. Ein solches Verständnis kann indes nach nahezu einhelliger Auffassung Art. 6 IV EUV nicht entnommen werden.391 Daß die Mitgliedstaaten der EU eine solch weitreichende Kompetenz in einer Blankettbestimmung, gleichsam in einem Nebensatz, haben übertragen wollen, auch noch ohne sie mit weiterem Inhalt auszufüllen – wie es aber im Fall des insoweit vergleichbaren Art. 308 EGV geschehen ist –, kann kaum angenommen werden392 und wäre im übrigen nicht mit dem in Art. 5 EUV niedergelegten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung393 in Einklang zu bringen. Insoweit dürfte es sich bei der Formulierung des Art. 6 IV EUV, ähnlich dem Art. 2 EUV, lediglich um sprachliches Pathos handeln.394 7. Der Sanktionsmechanismus des Art. 7 EUV Der Sanktionsmechanismus des Art. 7 EUV ist in zweierlei Hinsicht interessant für die Natur des Unionsrechts. Zum einen zeugt die in Art. 7 III EUV vorgesehene Möglichkeit des Stimmentzugs eines Mitgliedstaates, der gegen die fundamentalen Grundwerte des Art. 6 I EUV verstößt,395 davon, daß es die EU-Mitgliedstaaten in der Tat sehr ernst mit den in Art. 6 I EUV genannten Grundwerten meinen und diesen mit Art. 7 EUV insoweit ein Instrument – unter mehreren – zur Durchsetzung dieser Werte zur Seite gestellt haben396 und es nicht nur bei Lippenbekenntnissen haben bewenden lassen, was die Bedeutung des Unionsrechts unterstreicht. Jedoch sollte in diesem Zusammenhang betont werden, daß solcherlei Reaktions391 BVerfGE 89, 155 (194 ff.); BT-Drs. 12 / 3895, 17; Prop. 1993 / 94:114, 19; Baldus, in: Möller / van Ooyen, 39 (42); Beutler, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 6 EUV, Rn. 208; Calliess, 74 f.; Geiger, Art. 6 EUV, Rn. 15; Hilf / Schorkopf, in: Grabitz / Hilf, Art. 6 EUV, Rn. 104; Kahl / Essig, Jura 29 (2007), 631 (636); Pechstein, in: Streinz, Art. 6 EUV, Rn. 28; Puttler, in: Calliess / Ruffert, Art. 6 EUV, Rn. 53 ff.; Schweitzer / Hummer, Rn. 964; Tomuschat, EuGRZ 32 (2005), 453 (457); Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Art. 6 EUV, Rn. 26; a. A. noch Ress, JuS 32 (1992), 985 (987). 392 Ganz ähnlich Hilf / Schorkopf, in: Grabitz / Hilf, Art. 6 EUV, Rn. 108. 393 Siehe hierzu soeben oben Zweiter Teil C. III. 5. 394 Vgl. zu dem sprachlichen Vergleich mit Art. B EUV a. F. ( Art. 2 EUV n. F.) BVerfGE 89, 155 (195). 395 Vgl. ausführlich zum Sanktionsmechanismus des Art. 7 EUV Monjal, RMUE 3 / 1998, 69; Stein, in: FS Jaenicke, 871. 396 Siehe hierzu oben Zweiter Teil C. III. 6.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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maßnahmen im Völkerrecht durchaus nicht unüblich sind.397 So ermöglichen etwa Art. 5 und 6 UN-Charta, einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen unter bestimmten Voraussetzungen die Ausübung der Rechte und Vorrechte aus seiner Mitgliedschaft zeitweilig zu entziehen oder diesen sogar komplett aus den Vereinten Nationen auszuschließen.398 Insofern kann man mit Recht von einem völkerrechtlichen Charakter des Art. 7 EUV sprechen.399 Zum anderen zeigt aber auch das Verhältnis des Art. 7 EUV zu Art. 309 EGV, nach dem der Stimmentzug nach Art. 7 III EUV auch für die Zwecke des EGV gilt,400 wiederum die – wenn auch nur vereinzelten – Verschränkungen zwischen dem Unions- und dem Gemeinschaftsrecht auf.401 Zwar kann in diesem Zusammenhang nicht davon gesprochen werden, daß sich das Unionsrecht ein Stück weit an das Gemeinschaftsrecht anlehnt – wenn schon richtet sich das Gemeinschaftsrecht hier nach den Vorgaben des Unionsrechts402 –; jedoch bedeutet dies, daß eine gewisse, wenigstens im Ansatz vorhandene Verschränkung zwischen den beiden Rechtsregimen dem Unions- / Gemeinschaftsrecht nicht vollkommen fremd ist. Eine absolut strikte, impermeable Abgrenzung zwischen Unions- und Gemeinschaftsrecht existiert folglich nicht.

8. Die Zuständigkeiten des EuGH im Rahmen des Unionsrechts nach Art. 46 EUV Der EuGH beruft sich zur Begründung der mitgliedstaatlichen Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts maßgeblich auf seine eigenen Entscheidungsbefugnisse nach Art. 35 EUV,403 und dort insbesondere auf Absatz 4,404 wobei der Umstand, daß ein vollständiges Rechtsschutzsystem im Rahmen des EUV fehle, seinem Ergebnis nicht entgegenstehe.405 Unbeschadet der 397 Siehe für Beispiele solcherlei Reaktionsmaßnahmen im Völkerrecht Stein, in: FS Jaenicke, 871 (877 – 883); Tams, in: Simma, Art. 6, Rn. 26, insb. Fn. 61. 398 Vgl. auch Art. 19 UN-Charta, nach dem ein Mitgliedstaat der UN, der mit den Zahlungen seiner finanziellen Beiträge an die UN (in einem bestimmten Umfang) im Rückstand ist, in der Generalversammlung kein Stimmrecht hat. 399 Stein spricht gar von einem „nicht zu übersehenden“ völkerrechtlichen Charakter [in: FS Jaenicke, 871 (877)]. 400 Resp. Art. 204 EAGV für die Zwecke des EAGV. 401 Eine weitere prominente Verschränkung zwischen dem Unions- und dem Gemeinschaftsrecht besteht im Zusammenspiel von Art. 301 und 60 EGV mit Art. 14 und 15 EUV (Maßnahmen der EG auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs aufgrund von Gemeinsamen Aktionen resp. Standpunkten der Zweiten Säule). 402 Vgl. mit Blick auf die in der vorstehenden Fn. genannten Art. 301 und 60 EGV im Verhältnis zu Art. 14 und 15 EUV Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77 (96). 403 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 38. 404 Ibid., Rn. 37. 405 Ibid., Rn. 35.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

grundsätzlichen Frage, inwieweit es überhaupt zu überzeugen vermag, von der rein prozeduralen Zuständigkeit des EuGH auf die materiellen Rechtswirkungen von Akten des Rates zu schließen,406 sollen im weiteren Verlauf die Rechtsprechungskompetenzen des EuGH im Rahmen der Dritten Säule genauer untersucht werden, da diese jedenfalls Rückschlüsse auf den Integrationsgrad des Unionsrechts, auf den es hier ankommen soll, zulassen: Je weiter die Kompetenzen des EuGH im Rahmen der Dritten Säule reichen, desto eher kann von einem hohen Integrationsgrad des Unionsrechts ausgegangen werden.407

a) Die Zuständigkeiten ohne direkten Bezug zur Dritten Säule Die Zuständigkeiten des EuGH im Unionsrecht bestimmen sich nach Art. 46 EUV. Nach diesem besitzt der EuGH für den Bereich des Unionsrechts allein dann Rechtsprechungsbefugnisse, wenn diese ihm ausdrücklich in den in Art. 46 EUV genannten literae zugewiesen worden sind.408 Was die Zuständigkeiten des EuGH ohne direkten Bezug zur Dritten Säule anbelangt, so sind diese im wesentlichen auf die Schlußbestimmungen (Titel VIII) des EUV gemäß lit. f409 sowie auf die Überprüfung der reinen Verfahrensvorschriften des Sanktionsverfahrens nach Art. 7 EUV gemäß lit. e beschränkt. Akte der Zweiten Säule sind hingegen von vornherein von jeglicher Überprüfung durch den EuGH ausgeschlossen.410 Gleiches gilt für Titel I des EUV,411 mit Ausnahme der Überprüfung der Wahrung der Menschenrechte nach lit. d, die der EuGH allerdings lediglich im Rahmen bereits anderweitig bestehender Kompetenzen vornehmen darf,412 und die bereits genannten reinen Verfahrensvorschriften des Art. 7 EUV. Den größten Raum ohne direk406 In diesem Zusammenhang sei auf die – insoweit – vergleichbare kritische Diskussion im Rahmen der Fälle der Informationstätigkeit durch die Bundesregierung erinnert. Die Lösung des BVerfG, wonach sich die materielle Befugnis der Bundesregierung, die Öffentlichkeit – bei Vorliegen eines entsprechenden Anlasses und Wahrung weiterer Voraussetzungen – zu warnen, bereits aus ihrer verfassungsunmittelbaren allgemeinen Aufgabe der Staatsleitung, also einer Kompetenznorm, ergebe [BVerfGE 105, 253 (268 ff.) bzw. 105, 279 (301 ff.)], ist in der Literatur zu Recht häufig Gegenstand kritischer Anmerkungen gewesen, vgl. nur Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (48); Ibler, in: FS Maurer, 145 (156 f.); Schmidt, 122 f. 407 Vgl. Denza, 15 ff.; Lorenzmeier, ZIS 1 (2006), 583 (587); Ludwig, 32. Für Generalanwalt Mengozzi stellt das nur unvollständige Rechtsschutzsystem des EUV ein „maßgebliches Indiz für die schwache Integration“ des Unionsrechts dar; Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 125. 408 Vgl. die Nachweise in Erster Teil, Fn. 23 – 25 sowie den begleitenden Text. 409 Vgl. ausführlicher zur Kompetenz des EuGH nach Art. 46 lit. f EUV in bezug auf Art. 47 EUV auch sogleich Zweiter Teil C. III. 8. b) cc). 410 Chavrier, RMC 43 / 442 (2000), 620 (628); Denza, 311 f.; Oppermann, § 30, Rn. 54; sehr differenzierend, im Grundsatz aber zustimmend Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77. 411 Albors-Llorens, CMLRev 35 (1998), 1273 (1285); Cremer, in: Calliess / Ruffert, Art. 46 EUV, Rn. 19. 412 Vgl. die Ausführungen in Erster Teil, Fn. 93.

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ten Bezug zur Dritten Säule nimmt daher noch die Rechtsprechungskompetenz in bezug auf die Schlußbestimmungen des EUV ein, und hier im wesentlichen die Kompetenz in bezug auf das Vertragsänderungsverfahren nach Art. 48 EUV sowie das Beitrittsverfahren nach Art. 49 EUV. Die praktische Bedeutung der Überprüfbarkeit der Schlußbestimmungen erscheint indes als eher gering.413 Einen entscheidenden integrativen Beitrag leistet sie nicht.

b) Die Zuständigkeiten mit Bezug zur Dritten Säule aa) Die Zuständigkeit nach Art. 46 lit. c EUV i. V. m. Art. 40 III EUV Die originäre Zuständigkeit des EuGH gemäß Art. 46 lit. c EUV i. V. m. Art. 40 III EUV zur Auslegung des EUV im Rahmen der die Dritte Säule konstituierenden Art. 29 ff. EUV ist denkbar schmal und umfaßt allein die Bestimmungen zur verstärkten Zusammenarbeit in Art. 40 – 40b EUV. Hiervon geht allenfalls eine eher hemmende Wirkung insofern aus, als Maßnahmen im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit, die einen verstärkt integrativen Charakter aufweisen, durch den EuGH kritisch geprüft werden können mit der alleinigen Folge, daß die verstärkte Zusammenarbeit mancher Mitgliedstaaten als mit dem EUV unvereinbar beurteilt wird. Keinesfalls kann aber die zwangsweise Verpflichtung anderer Mitgliedstaaten zur Teilnahme an der verstärkten Zusammenarbeit die Folge sein.

bb) Die Zuständigkeiten nach Art. 46 lit. b EUV i.V. m. Art. 35 EUV Wie bereits im Ersten Teil angerissen, kennt Art. 35 EUV drei Verfahrensarten:414 das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 I – V EUV, die Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV sowie das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 35 VII EUV. (1) Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 I – V EUV Die Zuständigkeit des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren ist – wie für die völkerrechtliche Streitbeilegung üblich415 – rein fakultativer Natur; es ist eine gesonderte Unterwerfung nach Art. 35 II EUV notwendig. Diese können – wie für die 413 Vgl. für ein restriktives Verständnis der Kompetenzen nach lit. f Cremer, in: Calliess / Ruffert, Art. 46 EUV, Rn. 15; Pechstein, in: Streinz, Art. 46 EUV, Rn. 15 – 20. 414 Vgl. den kursorischen Überblick über die Verfahren des Art. 35 EUV in Erster Teil, Fn. 82. 415 Blumann, RTD eur. 33 (1997), 721 (747); Herdegen, EuropaR, § 31, Rn. 7; Meyring, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 309 (319).

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Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 II IGH-Statut allgemein anerkannt416 – zudem noch inhaltlich beschränkt werden417 und wieder zurückgenommen werden.418 Darüber hinaus ist das unionsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren auch noch aus einem anderen Grunde rein fakultativer Natur;419 eine unionsrechtliche Pflicht zur Vorlage kennt das unionsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren nicht.420 Allein unter dem Blickwinkel des Unionsrechts betrachtet, besteht somit keine Verpflichtung der mitgliedstaatlichen Gerichte, vom unionsrechtlichen Vorabentscheidungsverfahren Gebrauch zu machen. Zwar kann das nationale Recht eine solche Pflicht vorsehen sowie ferner die Reichweite einer solchen Pflicht festlegen.421 Die Vorlageverpflichtung resultiert dann jedoch gerade nicht aus dem Unionsrecht, sondern aus dem nationalen Recht.422 Gerade das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV im Rahmen des Gemeinschaftsrechts – in Verbindung mit einer ausgeprägten Bereitschaft der nationalen Gerichte, tatsächlich auch Vorlagen nach Luxemburg einzureichen423 – spielt für den individuellen Rechtsschutz im Gemeinschaftsrecht eine sehr große Rolle.424 Fehlt es jedoch an dieser einheitlichen Verpflichtung, weil nicht alle Mitgliedstaaten eine Unterwerfungserklärung nach Art. 35 II EUV abgegeben haben und auch im übrigen – unionsrechtlich betrachtet – das Vorlageverfahren gemäß Art. 35 III EUV rein fakultativer Natur bleibt, entfällt damit im Rahmen der Tomuschat, in: Zimmermann / Tomuschat / Oellers-Frahm, Art. 36, Rn. 33 und 61 ff. Schalin / Öberg, SvJT 92 (2007), 735 (756); Thun-Hohenstein, 47; kritisch Kraus-Vonjahr, 237; Röben, in: Grabitz / Hilf, Art. 35 EUV, Rn. 10. 418 Classen, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 73 (86 f.); Dörr / Mager, AöR 125 (2000), 384 (410); Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (844); Kraus-Vonjahr, 237; Pechstein, EU- / EG-ProzessR, Rn. 866; kritisch etwa Blumann, RTD eur. 33 (1997), 721 (747, Fn. 72); Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (379); Röben, in: Grabitz / Hilf, Art. 35 EUV, Rn. 10. 419 Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 116. 420 Asp, EU & Straffrätten, 236; Ludwig, 126; Pechstein, in: Streinz, Art. 35 EUV, Rn. 4; Spaventa, YEL 25 (2006), 153 (156). Vgl. auch Art. 35 III EUV. 421 Vgl. die Erklärung Nr. 10 der Regierungskonferenz des Vertrages von Amsterdam zu Artikel 35 (ex-Artikel K.7) des Vertrages über die Europäische Union, ABl. 1997 C 340, 133; Chavrier, RMC 43 / 441 (2000), 542 (547); das deutsche EuGH-Gesetz sieht in § 1 II eine Vorlagepflicht für letztinstanzliche Gerichte vor [BGBl. 1998-I, 2035]. 422 Allerdings ist auch im Gemeinschaftsrecht die Verletzung der Vorlageverpflichtung letztinstanzlicher mitgliedstaatlicher Gerichte nach Art. 234 III EGV – jedenfalls mit gemeinschaftsrechtlichen Mitteln – kaum wirksam zu rügen; vgl. Kokott / Henze / Sobotta, JZ 61 (2006), 633 (635 ff.). 423 Kenntner, EuZW 16 (2005), 235 (236). 424 Gemeinsames Sondervotum der Richter Rozakis, Tulkens, Traja, Botoucharova, Zagrebelsky und Garlicki, Rn. 3 UAbs. 6 zu EGMR, Bosphorus Hava Yollar Turizm ve Ticaret Anonim S¸irketi, Urteil der Großen Kammer v. 30. Juni 2005; abrufbar unter http: // www.echr. coe.int/echr. Für Zetterquist sind es gerade das Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV und die loyale Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Gerichte in dessen Rahmen, die das Gemeinschaftsrecht aus dem traditionellen Völkerrecht haben herauswachsen lassen [in: Wahl / Cramér, 257 (267 und ff.)]. 416 417

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Dritten Säule auch eine große Besonderheit des Gemeinschaftsrechts, die dieses aus dem Kreise des gewöhnlichen Völkerrechts heraushebt, nämlich die obligatorische, individualschützende Gerichtsbarkeit durch den EuGH. Dieser Umstand fällt um so mehr ins Gewicht, als die „großen“ Urteile des EuGH, die das Gemeinschaftsrecht maßgeblich weiterentwickelt haben, vielfach Vorabentscheidungsverfahren waren.425 Der rechtsfortbildenden Rechtsprechung des EuGH ist im Unionsrecht somit weitgehend der Boden entzogen.426 Absatz 4 des Art. 35 EUV gestattet es jedem Staat, unabhängig von einer Unterwerfungserklärung nach Art. 35 II EUV, beim Gerichtshof in Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 I – V EUV Schriftsätze einzureichen oder schriftliche Erklärungen abzugeben. Hierin sieht der EuGH maßgeblich die große Bedeutung seiner Zuständigkeit für Vorabentscheidungsverfahren bestätigt.427 Jedoch stellt Art. 35 IV EUV bei näherer Betrachtung keine allzu große Besonderheit dar. So gelten ähnliche Verfahrensbestimmungen durchaus auch für andere internationale Gerichtsbarkeiten.428 So eröffnen Art. 62 und 63 IGH-Statut drittbetroffenen Staaten unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Nebenintervention.429 Noch ähnlicher erscheint Art. 36 I EMRK, der jedem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer in Verfahren vor dem EGMR besitzt, die Möglichkeit einräumt, schriftliche Stellungnahmen abzugeben und an den mündlichen Verhandlungen teilzunehmen,430 und vor allem Art. 36 II EMRK, der den Präsidenten des EGMR ermächtigt, im Interesse der Rechtspflege jedem Mitgliedstaat und sogar jeder betroffenen Person Gelegenheit zu geben, schriftlich Stellung zu 425 Darmon, CDE 31 (1995), 577 (577 f.); Lieber, 12 ff.; Waelbroeck, EuR 38 (2003), Beiheft 1, 71 (79). 426 Vgl. zur Kompetenz des EuGH zur Rechtsfortbildung im Rahmen der Dritten Säule unten ausführlich Zweiter Teil D. Auch Everling betont die Funktion des EuGH zur Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts durch Vorabentscheidungsverfahren, verweist in diesem Zusammenhang allerdings gleichermaßen auf den Auftrag zur Wahrung des Rechts bei der Anwendung und Auslegung der Verträge aus Art. 220 EGV (ex-Art. 164 EWGV) [Everling, Vorabentscheidungsverfahren, 17 f.], zu dem im Unionsrecht kein Pendant existiert. 427 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 37. 428 Siehe weitere Beispiele der Beteiligung an Verfahren vor internationalen Gerichtsbarkeiten bei Chinkin, in: Zimmermann / Tomuschat / Oellers-Frahm, Art. 62, Rn. 90 ff. 429 Art. 62 IGH-Statut eröffnet Drittstaaten, die glauben, ein rechtliches Interesse zu haben, das durch eine Entscheidung des IGH in der Sache berührt werden könnte, die Möglichkeit, einen Antrag auf Nebenintervention zu stellen. Art. 63 II IGH-Statut berechtigt jeden Mitgliedstaat einer Konvention, deren Auslegung in einem Verfahren vor dem IGH in Rede steht, zur Nebenintervention. In diesem Falle ist dann das Urteil des IGH auch für den beitretenden Staat bindend (Art. 63 II a. E. IGH-Statut). Auch wenn Art. 35 IV EUV nicht zur Nebenintervention der Mitgliedstaaten führt, die sich im Verfahren äußern, ist in beiden Fällen doch die Möglichkeit für Drittstaaten eröffnet, Einfluß auf das Verfahren vor dem IGH bzw. vor dem EuGH zu nehmen. Vgl. ausführlich zur Nebenintervention in Verfahren vor dem IGH Rosenne, Intervention. 430 Im Rahmen des Art. 36 I EMRK mag allerdings noch der Gedanke des diplomatischen Schutzes eine maßgebliche Rolle spielen.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

nehmen oder an den mündlichen Verhandlungen teilzunehmen. Durch Art. 13 des 14. Zusatzprotokolls431 wird Art. 36 EMRK noch ein Absatz 3 angehängt, der dem Kommissar für Menschenrechte des Europarates gestattet, in allen bei einer Kammer oder der Großen Kammer anhängigen Rechtssachen schriftliche Stellungnahmen abzugeben und an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Insofern ist eine herausragende Sonderstellung des Art. 35 IV EUV, die der EuGH diesem aber offenbar beimißt, nicht unbedingt nachzuvollziehen. Auch kann die ratio des Art. 35 IV EUV kaum darin gesehen werden, auch diejenigen Mitgliedstaaten an die im Vorlageverfahren nach Absatz 1 ergangenen Judikate des EuGH binden zu wollen, die sich nicht der Jurisdiktion des EuGH gemäß Absatz 2 unterworfen haben. Schon im gemeinschaftsrechtlichen Vorlageverfahren kommt den Urteilen des EuGH allein eine inter partes-Wirkung zu. Gebunden wird also ausschließlich das vorlegende Gericht, und nicht etwa alle Gerichte aller Mitgliedstaaten. 432 Daß die Vertragsstaaten die Wirkungen eines im Vorlageverfahren der Dritten Säule ergangenen Urteils haben en passant abändern wollen, klingt, zumal vor dem Hintergrund der im Rahmen der Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag in bezug auf die Kompetenzen des EuGH kontrovers geführten Diskussionen,433 kaum plausibel. Jedenfalls würde man erwarten, daß die Mitgliedstaaten in diesem Falle Absatz 4 entsprechend sprachlich gefaßt hätten. Eine Rechtspflicht läßt sich dem Wortlaut des Absatz 4 nämlich nicht entnehmen. Im Gegenteil scheint Art. 35 IV EUV vielmehr den Mitgliedstaaten ein Recht zu vermitteln und so die Einflußnahmemöglichkeiten der Mitgliedstaaten im Bereich der Dritten Säule insoweit absichern zu wollen, als sogar diejenigen Mitgliedstaaten, die sich nicht der Jurisdiktion des EuGH unterworfen haben, die Möglichkeit erhalten sollen, ihre Rechtsauffassung kundzutun und auf diese Art einen gewissen Einfluß auf die Entscheidung des EuGH und damit die Rechtsentwicklung zu nehmen.434 Insgesamt scheint Art. 35 IV EUV wiederum eher eine Reverenz an das allgemeine Völkerrecht, in dem die Souveränität der Staaten nach wie vor ein grundlegendes Prinzip darstellt,435 zu sein und damit eher noch die Position der Mitgliedstaaten zu stärken als die Bedeutung des unionsrechtlichen Vorabentscheidungsverfahrens – wie vom EuGH argumentiert – besonders hervorzuheben. Rücksicht auf die Souveränität der Mitgliedstaaten nimmt namentlich auch der bereits erörterte Art. 35 II EUV mit seinem Erfordernis einer gesonderten UnterDas bisher jedoch noch nicht in Kraft getreten ist (Stand: 1. November 2008). Siehe oben Erster Teil, Fn. 177 – 180 und den begleitenden Text. Mit der inter partes ggü. dem vorlegenden Gericht wirkenden Vorabentscheidung des EuGH scheint immerhin ein geringes Maß an Durchgriffswirkung auch im Unionsrecht auf – allerdings wiederum nur unter dem Vorbehalt, daß sich die Mitgliedstaaten der Gerichtsbarkeit des EuGH ausdrücklich unterworfen haben. 433 Vgl. oben Erster Teil B. I. 4. 434 Vgl. Dörr, EuGRZ 35 (2008), 349 (350). 435 Bleckmann, VölkerR, Rn. 147; Brownlie, 287. 431 432

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werfungserklärung zur Begründung der Zuständigkeit des EuGH für Vorabentscheidungen. Letztlich verrät aber gerade auch diese Norm, daß es – jedenfalls für die Mitgliedstaaten, die sich nicht der Jurisdiktion des EuGH unterworfen haben – generell Sache der Mitgliedstaaten ist, die Wirkungen von Rahmenbeschlüssen zu bestimmen – wenn man denn die Argumentation des EuGH, für die Bestimmung der Rechtswirkungen von Rahmenbeschlüssen zuständig zu sein,436 überhaupt für schlüssig hält.437 Nach Auffassung des Verfassers – und dies stellt einen veritablen Malus der Jurisdiktion des EuGH im Rahmen der Dritten Säule gegenüber anderen internationalen Gerichtsbarkeiten dar – kommt dem EuGH – mit Ausnahme der Art. 40 ff. EUV438 – keinerlei direkte Kompetenz zur Auslegung oder auch nur Berücksichtigung des primären Unionsrechts der Dritten Säule zu. Zwar ist dem EuGH zuzugeben, daß Rahmenbeschlüsse irgendeine innerstaatliche Wirkung haben müssen,439 da ansonsten eine Vorlage durch nationale Gerichte an den EuGH nach Art. 35 I EUV schlechterdings keinen Sinn ergeben würde.440 Aus dieser Erkenntnis allerdings den Schluß zu ziehen, daß Rahmenbeschlüsse ebenjene innerstaatliche Wirkung haben, die der EuGH ihnen zuspricht, ist nun keineswegs zwingend.441 Vielmehr kann sich die innerstaatliche Bedeutung von Rahmenbeschlüssen – wie bereits gesehen – durchaus auch sehr gut aus dem nationalen Recht ergeben.442 Diese Sicht ließe sich zudem sehr gut mit dem System des Art. 35 EUV in Einklang bringen, der in seinem Absatz 2 das Erfordernis einer gesonderten Unterwerfungserklärung statuiert; wenn das Völkervertragsrecht etwa bei der Anwendung nationalen britischen Rechts nach dortigen Verfassungsgrundsätzen eine nur sehr untergeordnete Rolle spielt,443 erscheint die fortgesetzte Weigerung Großbritanniens, eine Unterwerfungserklärung nach Art. 35 II EUV abzugeben, aus britischer Sicht nur folgerichtig.444 436 Eine eingehende Befassung des EuGH mit der Frage seiner eigenen Zuständigkeit fehlt freilich leider. 437 Der Verfasser kommt freilich zu dem Ergebnis, daß die Beurteilung der Rechtswirkungen von Rahmenbeschlüssen von vornherein ohnehin nicht Sache des EuGH ist, sondern sich die Befugnis des EuGH im Zusammenhang mit Rahmenbeschlüssen vielmehr darauf beschränkt, ihre Gültigkeit zu überprüfen sowie ihren Inhalt auszulegen, vgl. oben Erster Teil C. 438 Siehe soeben Zweiter Teil C. III. 8. b) aa). 439 Vgl. zu diesem Gedanken EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 38. 440 So etwa Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (916); Prechal, in: Barnard, 35 (62); de Witte, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 91 (96); vgl. auch Monjal, RTD eur. 37 (2001), 335 (365). 441 Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (842 f.). 442 Vgl. die Nachweise in Prolegomena, Fn. 19 sowie den begleitenden Text. 443 Siehe etwa House of Lords, A and Others v. Secretary of State for the Home Department (No. 2), [2005] UKHL 71, [2006] 2 AC, 221, Rn. 27 m. w. N. (Lord Bingham); Fox / Gardner / Wickremasinghe, in: Eisemann, 495 (502); vgl. auch House of Lords, R v. Lyons, [2002] UKHL 44, [2003] 1 AC, 976, Rn. 28 (Lord Hoffmann). Zwar existiert auch im britischen Recht eine Regel, nach der nationales Recht bis zu einem gewissen Maße im Lichte des Völkerrechts ausgelegt werden soll [House of Lords, ibid.], allerdings geht im Zweifel das nationale Recht bzw. einschlägiges case-law vor; Fox / Gardner / Wickremasinghe, in: Eisemann, 495 (505).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

(2) Die Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV Zwar ist das Verfahren nach Art. 35 VI EUV im Gegensatz zum gerade beschriebenen Vorlageverfahren obligatorischer Natur.445 Allzu große praktische Relevanz dürfte ihm indes nicht beschieden sein. Soweit übersehen ist bislang nicht ein einziger Fall durch einen Mitgliedstaat anhängig gemacht worden, was angesichts des allgemeinen Einstimmigkeitserfordernisses446 im Rahmen der Dritten Säule nur wenig überraschen kann.447 Am wahrscheinlichsten dürften daher noch von der Kommission angestrengte Klagen sein, die neben den Mitgliedstaaten im Rahmen des Art. 35 VI EUV klagebefugt ist. In der Tat wurden die bisher einzigen beiden Verfahren auf Grundlage des Art. 35 VI EUV auf Betreiben der Kommission eingeleitet. 448 Die Tatsache, daß das erste Verfahren erst im Jahre 2003 eingeleitet wurde und damit immerhin vier Jahre nach dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages im Jahre 1999, mag zum Teil sicherlich darauf zurückzuführen sein, daß die ersten Rechtsakte auf Grundlage des Amsterdamer Vertrages erst noch beschlossen werden mußten.449 Zum Teil bestätigt dies aber wohl auch die Vermutung des Verfassers, daß eine überbordende Anwendung der Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV auch von seiten 444 Ganz ähnlich auch Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 23 Abs. 1, Rn. 52, der aus dem fakultativen Charakter des Vorlageverfahrens nach Art. 35 I – V EUV die völkerrechtliche Natur des Unionsrechts ableitet; offenbar könnten die Mitgliedstaaten die Bedeutung der unionsrechtlichen Verpflichtungen in der jeweiligen nationalen Rechtsordnung selbst festlegen. 445 Albors-Llorens, CMLRev 35 (1998), 1273 (1282); Pechstein / Koenig, Rn. 533. 446 Allein für Maßnahmen zur Durchführung von Beschlüssen nach Art. 34 II lit. c EUV und Maßnahmen zur Durchführung der Übereinkommen nach Art. 34 II a. E. EUV gilt etwas anderes; erstere werden mit qualifizierter Mehrheit (zum Begriff der qualifizierten Mehrheit siehe Art. 34 III EUV), letztere mit Zweidrittelmehrheit erlassen. 447 Allerdings besteht im Bereich der Dritten Säule die Möglichkeit, Rechtsakte nach Art. 34 II EUV zu erlassen, die zwar einstimmig, aber nur von mindestens der Hälfte der Mitgliedstaaten angenommen worden sind (Art. 34 II a. E. EUV). Dies gilt namentlich für die zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommen nach Art. 34 II lit. d EUV. Insoweit mag es außenstehende Mitgliedstaaten geben, die – wenngleich nicht selbst gebunden – gegen einen Rechtsakt vorgehen, an dem sie selbst nicht beteiligt sind, oder aber Mitgliedstaaten, die gegen Durchführungsmaßnahmen, bei denen sie überstimmt worden sind, vorgehen möchten (vgl. vorangegangene Fn.). 448 EuGH, Rs. C-176 / 03, Umweltstrafrecht, Slg. 2005, I-7879; EuGH, Rs. C-440 / 05, Schiffsbezogene Verschmutzungen, Slg. 2007, I-9097. 449 Eine retrospektive Anwendbarkeit der durch den Amsterdamer Vertrag ganz entschieden erweiterten Kompetenzen des EuGH nach Art. 35 EUV ist ausgeschlossen; ebenso Generalanwältin Kokott, die sich in ihren Schlußanträgen in der Rs. Pupino nicht auf die seinerzeit gültige Nizza-Fassung, sondern auf die Amsterdamer Fassung des EUV stützt [Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 2]. Der EuGH selbst hat im Pupino-Urteil ebenfalls auf die (zum Zeitpunkt des Urteils bereits durch den Vertrag von Nizza abgelöste) Amsterdamer Fassung des EUV rekurriert; EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 3; vgl. ausführlich zur retrospektiven Anwendung der erweiterten Kompetenzen des EuGH im Bereich der Dritten Säule nach Amsterdam Ludwig, 97 ff.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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der Kommission nicht zu erwarten ist.450 Bezeichnenderweise betrafen die beiden ersten gemäß Art. 35 VI EUV eingeleiteten Verfahren die Abgrenzung des Gemeinschaftsrechts zum Unionsrecht. Die Kommission sah die Befugnisse der EG jeweils durch einen vom Rat beschlossenen Rahmenbeschluß beschnitten und somit Art. 47 EUV verletzt, worin sie durch den EuGH letztlich auch bestätigt wurde.451 Damit scheint es sich bei diesen Klagen aber eigentlich eher um solche zu handeln, auf die Art. 46 lit. f EUV im Hinblick auf Art. 47 EUV anwendbar ist,452 und nicht um „reine“ Klagen nach Maßgabe des Art. 35 VI EU. Auch haben diese Verfahren durch die prinzipielle Anerkennung von strafrechtlichen (Rahmen-) Kompetenzen der EG und die damit verbundene Stärkung des Gemeinschaftsrechts weniger zu einer Stärkung als vielmehr tendenziell sogar zu einer Schwächung des Unionsrechts beigetragen, das durch die Aufwertung des Gemeinschaftsrechts in einem seiner ureigensten Bereiche – der Zusammenarbeit im Bereich des Strafrechts – zurückgedrängt worden ist.453 Zudem ist die Rechtsfolge eines Urteils nach Art. 35 VI EUV das verbindliche Verwerfen454 des entsprechenden Rechtsaktes. Sosehr dies eine Aufwertung der 450 Vgl. allgemein zur überschaubaren Tätigkeit des EuGH im Bereich der Dritten Säule bis zum Jahre 2007 Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (887). 451 EuGH, Rs. C-176 / 03, Umweltstrafrecht, Slg. 2005, I-7879, Rn. 53 sowie EuGH, Rs. C-440 / 05, Schiffsbezogene Verschmutzungen, Slg. 2007, I-9097; vgl. näher zum erstgenannten Verfahren Bergström, ERT 9 (2006), 135; Labayle, CDE 42 (2006), 379; Moal-Nuyts, RDIDC 83 (2006), 249; Weiß, ZEuS 9 (2006), 381; zum letztgenannten Fromm, ZIS 3 (2008), 168. 452 A. A. Reichelt, 90. Siehe näher zum Verfahren nach Art. 46 lit. f EUV unten Zweiter Teil C. III. 8. b) cc). Vgl. auch EuGH, Rs. C-91 / 05, Kommission . / . Rat, Slg. 2008, I-3651, Rn. 31 und 34, wo der EuGH einen im Rahmen der Zweiten Säule ergangenen Beschluß nach Art. 23 II EUV i. V. m. der betreffenden Gemeinsamen Aktion nach Art. 14 EUV für nichtig erklärt und seine Zuständigkeit hierzu direkt aus Art. 230 EGV i. V. m. Art. 46 lit. f EUV ableitet. 453 Moal-Nuyts, RDIDC 83 (2006), 249 (264) („quasi-absorption d’une partie du troisième pilier au sein du premier“); Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (328); vgl. auch Bergström, ERT 9 (2006), 569 (570), nach der das Urteil des EuGH zugunsten der EG den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten eingeschränkt hat. Abgesehen davon ist in diesem Urteil wohl eine weitere Vorwegnahme des (inzwischen gescheiterten) Verfassungsvertrages durch den EuGH zu erblicken; vgl. Apps, Col JEL 12 (2006), 625 (631); Asp, JT 17 (2005 – 06), 396 (399 f.) sowie Dawes / Lynskey, CMLRev 45 (2008), 131 (156 f.). 454 Umstritten ist, ob der EuGH im Rahmen des Art. 35 EUV eine Verwerfungskompetenz i. S. e. Gestaltungsurteils besitzt. Dies wird bisweilen mit dem Argument abgelehnt, eine dem Art. 231 I EGV entsprechende Norm, aufgrund deren der EuGH den angegriffenen Rechtsakt i. S. e. Gestaltungsurteils für nichtig erklären dürfte, fehle im EUV; Brechmann, in: Calliess / Ruffert, Art. 35 EUV, Rn. 6; Zott, 280; gegen eine Beschränkung des EuGH auf bloße Feststellung der Nichtigkeit etwa Knapp, DÖV 54 (2001), 12 (13) sowie ausführlich Ludwig, 139 ff. Abgesehen davon, daß der allgemeine Verweis im chapeau des Art. 46 EUV auf die Kompetenzen des EuGH nach – u. a. – dem EGV auch gut als sich auch auf Art. 231 I EGV erstreckend verstanden werden könnte [ebenso Reichelt, 130 – 133; vgl. auch oben Erster Teil, Fn. 43 und den begleitenden Text], dürften die Unterschiede zwischen einem bloßen Feststellungs- und einem Gestaltungsurteil in der Rechtspraxis ohnehin marginal bleiben;

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Kompetenzen des EuGH gegenüber anderen internationalen Gerichtsbarkeiten bedeutet – und ohne in diesem Zusammenhang von einer „destruktiven“ Wirkung eines solchen Verfahrens vor dem EuGH sprechen zu wollen –, kann doch umgekehrt von einer herausragenden integrativen Wirkung ebensowenig gesprochen werden. Art. 35 VI EUV stellt somit letztlich im Prinzip eine um die Klagebefugnis der Kommission aufgewertete besondere Art einer kompromissarischen Klausel dar, die insoweit eine Besonderheit beinhaltet, als der EuGH verbindlich Unionsakte verwerfen kann. Daß mit der Kommission ein quasi „unbeteiligter Dritter“ klagebefugt ist, spricht für eine gewisse Loslösung des Unionsrechts vom Willen der Mitgliedstaaten und spricht damit durchaus für eine nicht ganz unerhebliche Erhebung des Unionsrechts über ganz gewöhnliches Völkerrecht. (3) Das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 35 VII EUV Als ebenfalls geeignet, den Rechtsdurchsetzungsmechanismus nach dem EUV über bekanntes völkerrechtliches Niveau zu erheben, erscheint – jedenfalls prima facie – auch das Verfahren nach Art. 35 VII EUV, das Ludwig – nicht ganz zu Unrecht – als ein „kleines Vertragsverletzungsverfahren“ 455 bezeichnet.456 Im Rahmen dieses – ebenfalls obligatorischen457 – Verfahrens entscheidet der EuGH auf Initiative eines Mitgliedstaates – nach erfolglosem Vorverfahren458 – über alle Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten bezüglich der Auslegung und der Anwendung der nach Art. 34 II EUV angenommen Rechtsakte (Satz 1). Streitgegenstand kann also das gesamte in Art. 34 II EUV genannte Sekundärrecht sein. Insoweit erscheinen die Befugnisse des EuGH auf den ersten Blick als recht weitgehend. Bei näherer Betrachtung erweist sich Art. 35 VII 1 EUV indes als nicht vgl. Classen, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 73 (83 f.); Dannecker, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 38, Rn. 152. 455 Ludwig, 149, der allerdings – gleichermaßen zu Recht – das „kleine Vertragsverletzungsverfahren“ selbst in Anführungszeichen setzt; ähnlich Dannecker, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 38, Rn. 164. Die Kommission selbst sieht in Art. 35 VII EUV ebenfalls kein (förmliches) Vertragsverletzungsverfahren; vgl. KOM (2006) 331, 12. 456 Chavrier [RMC 43 / 441 (2000), 542 (547 f.)], Pechstein [EU- / EG-ProzessR, Rn. 974] und Zott [281] betonen jedoch zu Recht die erheblichen Unterschiede des Verfahrens nach Art. 35 VII EUV im Vergleich zum Vertragsverletzungsverfahren der Ersten Säule nach den Art. 226 – 228 EGV. Chavrier kommt daher zu dem Ergebnis, daß ein Vertragsverletzungsverfahren in Bereich der Dritten Säule fehlt, und sieht infolgedessen die Einheit des Rechtssystems („cohérence du système“) der Dritten Säule in Gefahr [RMC 43 / 442 (2000), 620 (625)]. 457 Etwa Harings, EuR 33 (1998), Beiheft 2, 81 (93). 458 Voraussetzung ist, daß der Rat vorher durch eines seiner Mitglieder mit der Streitigkeit befaßt worden ist, jedoch innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach seiner Befassung die Streitigkeit nicht hat beilegen können. Mit Blick auf dieses obligatorische Vorverfahren spricht Chavrier in bezug auf das Verfahren nach Art. 35 VII EUV von einer bloß subsidiären Zuständigkeit („à titre subsidiaire“) des EuGH [RMC 43 / 441 (2000), 542 (547)].

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viel mehr als eine kompromissarische Klausel, auf die sich die Mitgliedstaaten im Rahmen des EUV verständigt haben und welche im Völkerrecht wahrlich keine Besonderheit darstellt.459 Erfaßt wird von dieser kompromissarischen Klausel hingegen nicht einmal das primäre Unionsrecht.460 Art. 35 VII EUV bleibt insoweit in gewisser Hinsicht sogar etwas hinter sonstigen im Völkerrecht üblichen kompromissarischen Klauseln zurück. Eine deutliche – wenngleich materiell sehr schmale – Aufwertung gegenüber üblichen kompromissarischen Klauseln erfährt Art. 35 VII EUV indes durch seinen Satz 2. Dieser räumt der Kommission die Klagebefugnis für alle Streitigkeiten zwischen ihr und den Mitgliedstaaten bezüglich der Auslegung und der Anwendung der nach Art. 34 II lit. d EUV erstellten Übereinkommen ein. Insoweit – aber auch wirklich nur insoweit – kann in der Tat von einer engen Anlehnung des Rechtsdurchsetzungsmechanismus nach dem EUV an denjenigen der Ersten Säule gesprochen werden. Hat doch erst die Rolle der Kommission als „Hüterin der Verträge“, maßgeblich ausgefüllt durch das Betreiben von Vertragsverletzungsverfahren gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten, die Gemeinschaftsrechtsordnung sich zu einer autonomen Rechtsordnung entwickeln lassen.461 Im Rahmen der Dritten Säule kann indes aufgrund der gleichermaßen deutlichen wie eindeutigen Beschränkung in Art. 35 VII EUV auf die Übereinkommen nach Art. 34 II lit. d EUV allenfalls von einer ganz vorsichtigen Annäherung des Unionsrechts an das Gemeinschaftsrecht gesprochen werden; eine Gleichsetzung mit diesem läßt sich hingegen weder dem klaren Wortlaut noch dem Willen der Mitgliedstaaten entnehmen. Hintergrund dieser Befugnis der Kommission dürfte vielmehr das Bestreben gewesen sein zu verhindern, daß sich ein eigenes völkervertragliches Regime zu den Materien der Dritten Säule „neben“ dem Unionsrecht zwischen einem Teil der Mitgliedstaaten etabliert und so eine Fragmentierung der Dritten Säule einsetzt.462 Daher erscheint wegen der allenfalls marginalen Rolle der Kommission in diesem Verfahren463 und der bereits im Bereich der Ersten Säule unübersehbaren Zurückhaltung der Mitgliedstaaten, sich des Vertragsverletzungsverfahrens gegen andere Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinschaften nach Art. 227 EGV respektive Art. 142 EAGV zu bedienen,464 ein Einleiten von Verfahren nach Art. 35 VII 459 So hat beispielsweise Deutschland durch den Abschluß kompromissarische Klauseln beinhaltender bi- und multilateraler Verträge ein wahrhaftes „Zuständigkeitsnetz“ zugunsten des IGH geknüpft; vgl. Zimmermann, ZRP 39 (2006), 248 (249). 460 Classen, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 73 (84); Pechstein, EU- / EG-ProzessR, Rn. 974. 461 Houppermans / Pecho, RTD eur. 42 (2006), 289 (290); Wägenbaur, EuZW 17 (2006), 705; Wollenschläger, 75 ff. 462 Vgl. zu solchen Tendenzen Kietz / Maurer, Integration 29 (2006), 201; Classen bezeichnet die Kontrolle der Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten durch den EuGH als „unter systematischen Gesichtspunkten fragwürdig“ [EuR 34 (1999), Beiheft 1, 73 (83)]. 463 So auch Ludwig, 148 f. 464 Der Rechtsprechungsstatistik des EuGH für das Jahr 2008 ist zu entnehmen, daß lediglich fünf von insgesamt 3.278 seit 1952 beim EuGH anhängig gemachten Vertragsverlet-

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EUV – zumal durch die Mitgliedstaaten – als äußerst unwahrscheinlich.465 Die Rolle als „Hüterin der Verträge“, in der sie gerade durch das Anstrengen von Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedstaaten die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts hin zu einer autonomen Rechtsordnung ganz maßgeblich vorangetrieben hat, vermag die Kommission mangels entsprechender Befugnisse daher im Rahmen der Dritten Säule nicht zu spielen.466 Insoweit mag es angebrachter erscheinen, im Zusammenhang mit der Kommission lieber von der „Hüterin des Gemeinschaftsrechts“ zu sprechen,467 sind ihre Kompetenzen im Rahmen des Unionsrechts denen im Gemeinschaftsrecht doch kaum vergleichbar.468 Nicht zuletzt ist ein weiterer offensichtlicher Unterschied des Rechtsdurchsetzungsmechanismus im Rahmen der Dritten Säule im Vergleich zu dem der Ersten Säule zu betonen: Das Unionsrecht kennt keinen eigenständigen Sanktionsmechanismus.469 Während im Gemeinschaftsrecht gemäß Art. 228 II UAbs. 2 EGV beziehungsweise Art. 143 II UAbs. 2 EAGV Pauschalbeträge und Zwangsgelder zungsverfahren auf ein Betreiben von Mitgliedstaaten zurückgeht; Rechtsprechungsstatistik verfügbar unter: http: // curia.europa.eu/jcms/jcms/P_44735/ra08decjstat. Vgl. zu diesen Verfahren genauer Burgorgue-Larsen, RTD eur. 43 (2007), 25 (26, Fn. 4). Zudem scheint es bei den von seiten der Mitgliedstaaten angestrengten Vertragsverletzungsverfahren weniger um Streitigkeiten über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts selbst zu gehen als sich vielmehr um „Stellvertreterverfahren“ über sonstige politische Dispute zu handeln. Flagrant scheint dies etwa im Verfahren Spanien gegen das Vereinigte Königreich (Rs. C-145 / 04), in dem der ungelöste Streit um Gibraltar den eigentlichen Verfahrensgegenstand darstellen dürfte [ganz ähnlich Burgorgue-Larsen, RTD eur. 43 (2007), 25 (26 f.)]. Die von seiten der Mitgliedstaaten eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren dienen somit mitnichten dem Zweck der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts als vielmehr der Durchsetzung sonstiger politischer Interessen. Insoweit kann womöglich sogar von einer Belastung für den Integrationsprozeß gesprochen werden, wenn Klagemöglichkeiten auf Gemeinschaftsebene zur Durchsetzung sonstiger politischer Interessen lediglich instrumentalisiert werden, ohne indes einen Bezug zur EG selbst aufzuweisen. 465 Ebenso Kurcz / azo wski, YEL 25 (2006), 177 (199); Ludwig, 148 f.; Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1116). Burgorgue-Larsen geht davon aus, daß ein nach Art. 227 EGV von einem Mitgliedstaat eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren die notwendige „entente cordiale“ zwischen den Mitgliedstaaten störe [RTD eur. 43 (2007), 25 (26)]; ebenso Craig / de Búrca, 451 f.; ähnlich Harlow / Rawlings, ELRev 31 (2006), 447 (451 f.). Nach Classen ist im Rahmen des Unionsrechts wegen der Schlichterrolle des Rates der diplomatischen Streitbeilegung der Vorzug eingeräumt worden [EuR 34 (1999), Beiheft 1, 73 (88)]. 466 Labayle, RTD eur. 33 (1997), 813 (876); auch die Kommission selbst sieht ihre Rolle im Bereich der Dritten Säule als schwach an und beklagt namentlich das Fehlen (förmlicher) Vertragsverletzungsverfahren, vgl. KOM (2006) 331, 12. 467 Vgl. m. w. N. Odendahl, JöR 55 (2005), 1 (7). 468 Gerade diese schwache Rolle der Kommission als „Hüterin des Unionsrechts“ sieht Ligeti als die „größte Schwäche“ des Rahmenbeschlusses ggü. der Richtlinie an. Die Umsetzungskontrolle durch die Kommission sei geradezu eine conditio sine qua non für das Funktionieren der Richtlinie. Es fehle dem Unionsrecht somit der für das Gemeinschaftsrecht wesentliche Grundsatz, daß die Mitgliedstaaten der Gemeinschaftsaufsicht unterstehen [265]; ganz ähnlich Labayle, RTD eur. 33 (1997), 813 (876). 469 Statt aller Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Art. 46 EUV, Rn. 24.

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gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten verhängt werden können,470 fehlt es im Rahmen des Unionsrechts an einem vergleichbaren Sanktionsmechanismus. Daß der gemeinschaftsrechtliche Sanktionsmechanismus erst im Rahmen des Amsterdamer Vertrages in den EGV / EAGV eingeführt, zeitgleich ein paralleles Verfahren hingegen nicht in das unionsrechtliche System des Art. 35 EUV aufgenommen worden ist, bestätigt allein den Widerwillen der Mitgliedstaaten, den EuGH im Rahmen des Unionsrechts mit allzu weitreichenden, dem Gemeinschaftsrecht nahekommenden Kompetenzen auszustatten. In Ermangelung eines unionsrechtlichen Sanktionsmechanismus bleibt es dort offen und letztlich Sache der Mitgliedstaaten, wie sie auf durch den EuGH lediglich festgestellte Vertragsverstöße anderer Mitgliedstaaten reagieren werden471 – ein Umstand, der wiederum an das allgemeine Völkerrecht erinnert. (4) Die materiellen Beschränkungen des Art. 35 V EUV Auffällig in bezug auf die Zuständigkeiten des EuGH im Rahmen der Dritten Säule ist die Beschränkung in Absatz 5 des Art. 35 EUV, nach dem der EuGH nicht zuständig ist für die Überprüfung der Gültigkeit oder Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen der Polizei oder anderer Strafverfolgungsbehörden eines Mitgliedstaates oder der Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit.472 Bemerkenswert ist diese ausdrückliche Ausklammerung von nationalen Maßnahmen vor allem deshalb, weil der EuGH diese generell ohnehin nicht zu beurteilen befugt ist.473 Hieraus kann wohl nur auf eine deutliche Abwehrhaltung der Mitgliedstaaten geschlossen werden, den EuGH im Rahmen der Dritten Säule überhaupt mit Kompetenzen auszustatten. Umstritten ist, auf welche Verfahren des Art. 35 EUV sich Absatz 5 bezieht.474 Auch wenn die systematische Stellung vermuten läßt, daß sich Absatz 5 allein auf das Vorabentscheidungsverfahren bezieht, widerspricht dessen Natur einer kooperativen Aufgabenteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten dieser 470 Vgl. ausführlicher zum gemeinschaftsrechtlichen Sanktionsmechanismus Harlow / Rawlings, ELRev 31 (2006), 447 (insb. 460 ff.); Kilbey, CMLRev 44 (2007), 743; Masson, RTD eur. 40 (2004), 639. Nach neuerer EuGH-Rechtsprechung können Zwangsgelder auch kumulativ neben Pauschalbeträgen verhängt werden, vgl. EuGH, Rs. C-304 / 02, FrankreichFischerei II, Slg. 2005, I-6263, Rn. 80 ff. 471 Zott, 282. 472 Vgl. auch die Parallelnorm in Art. 68 II EGV. 473 Arnull, The EU and Its Court, 134; Pechstein, EU- / EG-ProzessR, Rn. 874; de Witte, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 91 (95); Wölker, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 99 (108); Müller-Graff attestiert Art. 35 V EUV, eine „auf den ersten Blick in seiner Notwendigkeit unklar erscheinende Aussage“ zu beinhalten [in: Hummer, 259 (273)]. Allerdings kann der EuGH im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens nach Art. 35 VII EUV durchaus auch das Verhalten der Staaten würdigen; siehe weiteren Fließtext. 474 Vgl. etwa Dörr / Mager, AöR 125 (2000), 384 (413 ff.).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

Annahme. Nach dieser aufgabenteiligen Struktur ist der EuGH ohnehin ausschließlich für die Auslegung des Europarechts zuständig, während die mitgliedstaatlichen Gerichte die Vorgaben des EuGH auf den konkreten Fall und somit auf die konkreten Maßnahmen anwenden. Sinnvoll erscheint die Ausschlußklausel des Absatz 5 daher namentlich für das Streitbeilegungsverfahren des Absatz 7, in dem auch die Anwendung des sekundären Unionsrechts, also die Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter eine Norm,475 überprüft werden kann. Aus teleologischer Sicht spricht daher einiges dafür, Absatz 5 – soweit überhaupt denkbar – nicht ausschließlich auf das Vorabentscheidungsverfahren anzuwenden.476 Zwar bedeuten die ausdrücklichen Ausklammerungen der Jurisdiktionsbefugnis des EuGH des Absatz 5 letztlich wohl nur eine marginale materielle Einschränkung; die hierhinter durchscheinende scharfe Abwehrhaltung der Mitgliedstaaten läßt indes tief blicken und spricht sehr beredt gegen eine allzu starke Integration der Dritten Säule.477 cc) Die Zuständigkeit nach Art. 46 lit. f EUV im Hinblick auf Art. 47 EUV Als letzte hier zu behandelnde Zuständigkeit des EuGH mit Bezug zur Dritten Säule ist auf Art. 46 lit. f EUV einzugehen, der unter anderem die Einhaltung der Abgrenzungswirkung des Art. 47 EUV zum Gegenstand hat. Unterm Strich wacht der EuGH demnach darüber, daß es nicht zu einer Verschmelzung der Säulen kommt.478 Insofern verstärkt die Justitiabilität des Art. 47 EUV noch dessen ohnehin zu konstatierende abgrenzende Wirkung zwischen den Säulen.479 Was hingegen nicht einhergeht mit der Zuständigkeit des EuGH für Art. 47 EUV ist eine generelle Begutachtungskompetenz des EuGH für die Bereiche der Zweiten und Dritten Säule. Viel zu deutlich ist die sehr zurückhaltende Formulierung des Art. 46 EUV,480 als daß unter Hinweis auf Art. 46 lit. f EUV im Hinblick auf Art. 47 EUV nunmehr davon ausgegangen werden könnte, das primäre Unionsrecht sei generell justitiabel. Zwar hat sich der EuGH in einer früheren, noch nach der Rechtslage des Maastrichter Vertrages ergangenen Entscheidung für befugt erachtet zu überprüfen, ob ein Akt der Dritten Säule in die Kompetenzen der Ersten Säule eingegriffen hat, und diesen gegebenenfalls auch zu verwerfen.481 475 476

Dauses, 80; Gaitanides, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 234 EGV, Rn. 31. Ebenso Dannecker, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, § 38, Rn. 162; Schreiber,

119 f. 477 Nach Baldus untermauert Art. 35 V EUV, daß die Mitgliedstaaten im Bereich der Dritten Säule weiterhin als souveräne Akteure handeln [in: Möller / van Ooyen, 39 (43)]. 478 Vgl. nicht nur mit Blick auf Art. 47 EUV Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (368 ff.). 479 Vgl. ausführlich zu Art. 47 EUV unten Zweiter Teil C. III. 9. 480 Vgl. oben Erster Teil A. II. 481 EuGH, Rs. C-170 / 96, Flughafenvisum, Slg. 1998, I-2763, Rn. 17.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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Ersteres ist mit Blick auf die umfassende Zuständigkeit des EuGH in der Ersten Säule i. V. m. der Zuständigkeit in bezug auf Art. 47 EUV letztlich unproblematisch. Die Kompetenzen nach dem EGV zu beurteilen ist der EuGH unstreitig kompetent; daß er für die Wahrnehmung seiner – gleichermaßen unbestrittenen – Kompetenz nach Art. 47 EUV den in Rede stehenden intergouvernementalen Akt auch begutachten können muß, um zu beurteilen, ob er sich auf Materien des Gemeinschaftsrechts bezieht, stellt eine logische Voraussetzung dar. Die Verwerfungskompetenz ist hingegen mit Recht kritisiert worden.482 Wiederum mit Blick auf den sehr zurückhaltenden Art. 46 EUV – zumal in der Fassung des Maastrichter Vertrages – ist eine Verwerfungskompetenz des EuGH für Akte der Dritten – oder gar Zweiten483 – Säule abzulehnen. Man mag erwägen, ob in dem Faktum, daß die Mitgliedstaaten im Rahmen des Vertrages von Nizza nicht ausdrücklich die Kompetenz des EuGH in diesem Punkte beschnitten haben, möglicherweise eine implizite Anerkennung der Verwerfungskompetenz des EuGH in bezug auf intergouvernementale Akte zu erblicken sein könnte, nach dem Motto: Die Mitgliedstaaten hätten schon, wären sie mit der Rechtsprechung des EuGH nicht einverstanden gewesen, Art. 46 lit. f EUV entsprechend enger gefaßt, etwa eine Verwerfungskompetenz des EuGH in bezug auf Akte der Zweiten und Dritten Säule ausdrücklich ausgeschlossen. Es ist bereits zweifelhaft, ob den Mitgliedstaaten ein solches Vorgehen überhaupt anzuraten wäre. Erfahrungsgemäß wird nämlich nicht selten aus dem ausdrücklichen Ausschluß eines Tatbestandes geschlossen, die Mitgliedstaaten seien, gerade weil sie einen bestimmten Tatbestand bewußt ausgeschlossen haben, im übrigen mit einer denkbar weiten Auslegung (und Fortentwicklung) einverstanden; anderenfalls wären sie einem denkbar weiten Verständnis gewiß vorbeugend entgegengetreten.484 Dieser legislatorische Ansatz kann sich demnach durchaus auch gegen die eigentliche Intention der Mitgliedstaaten auswirken. Auf jeden Fall aber ist es nach Ansicht des Verfassers nicht zulässig, den fehlenden Konsens unter den Mitgliedstaaten gegen die Rechtsprechung des EuGH gleichzusetzen mit einer einmütigen Zustimmung aller Mitgliedstaaten zu der Rechtsprechung des EuGH.485 Eine einmütige opinio iuris wäre hier indes zu verlangen.486 482 Böse, EuR 33 (1998), 678; Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77 (89 f.); Ludwig, 93; Pechstein, JZ 53 (1998), 1008; Griller bezeichnet den Standpunkt des EuGH als „vertretbar (wenn auch nicht zwingend)“ [EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (61)]. 483 Siehe hierzu aber neuerdings EuGH, Rs. C-91 / 05, Kommission . / . Rat, Slg. 2008, I-3651, wo der EuGH einen im Rahmen der Zweiten Säule ergangenen Beschluß nach Art. 23 II EUV i. V. m. der betreffenden Gemeinsamen Aktion nach Art. 14 EUV für nichtig erklärt. 484 Vgl. etwa Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (366 f.) sowie Meier, 227. 485 Vgl. insoweit die – letztlich vergeblichen – Bemühungen der Regierungen Spaniens und des Vereinigten Königreichs im Rahmen der Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag, die Kompetenzen des EuGH im Gemeinschaftsrecht wieder einzuschränken; vgl. oben Erster Teil B. I. 4. Vgl. zu den Schwierigkeiten, in einer EU der 27 die Rechtsprechung des EuGH durch Vertragsänderung zu korrigieren Wieland, NJW 62 (2009), 1841 (1841).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

In jedem Falle erstreckt sich die Kompetenz des EuGH im Rahmen des Art. 47 EUV nicht auf eine Überprüfung von sekundärem Unionsrecht auf seine Übereinstimmung hin mit dem primären Unionsrecht; Prüfungsmaßstab ist allein Art. 47 EUV.487 Es geht somit bei Art. 47 EUV allein um die Verhinderung eines Formenmißbrauchs durch den Rat, der den Bindungen des Gemeinschaftsrechts durch die Wahl einer unionsrechtlichen Form zu entkommen versucht,488 wodurch wiederum die abgrenzende Wirkung des Art. 47 EUV sichtbar wird. Eine wie auch immer geartete Kompetenz unmittelbar in bezug auf das primäre Unionsrecht, welche den EuGH als Verfassungsgericht auch im unionsrechtlichen Bereich auswiese samt den damit einhergehenden verfassungsgerichtlichen Kompetenzen, erwächst aus Art. 47 EUV indes nicht.

dd) Fazit zu den Zuständigkeiten des EuGH mit Bezug zur Dritten Säule Der EuGH verfügt im Rahmen der Dritten Säule über durchaus nicht zu vernachlässigende Kompetenzen.489 Dieser Befund gilt jedoch allein für das Sekundärrecht; die – sowohl originären wie inzidenten – Kompetenzen in bezug auf das Primärrecht bleiben demgegenüber rudimentär. Schwer wiegt auch, daß in der Dritten Säule kein Vertragsverletzungsverfahren mit der Kommission als Klägerin vorgesehen ist,490 welches eine besondere Qualität besäße verglichen mit den üblichen völkerrechtlichen Durchsetzungsmechanismen und welches gerade das Gemeinschaftsrecht vom normalen Völkerrecht abhebt und dort das Erreichen einer neuen Integrationsstufe bedeutet.491 Ferner existieren keinerlei Sanktionsmöglichkeiten gegenüber vertragsbrüchigen Mitgliedstaaten.492 So kann der EuGH etwa keine Zwangsgelder nach gemeinschaftsrechtlichem Vorbild verhängen.493 Vielmehr sind die offensichtlichen Bemühun486 Vgl. zu den Voraussetzungen einer schleichenden Vertragsänderung Bernhardt, in: EPILII, 1416 (1421); Sinclair, 138; Sorel, in: Corten / Klein, Article 31 – Convention de 1969, Rn. 42. 487 Schlußanträge, Rs. C-170 / 96, Flughafenvisum, Slg. 1998, I-2763, Rn. 10 f.; Schlußanträge, Rs. C-91 / 05, Kommission . / . Rat, Slg. 2008, I-3651, Rn. 58. 488 Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (62). 489 Ebenso Albors-Llorens, CMLRev 35 (1998), 1273 (1280); Knapp, DÖV 54 (2001), 12 (20 f.). 490 BVerfGE 113, 273 (301); Albors-Llorens, CMLRev 35 (1998), 1273 (1282); JourSchröder / Konow, EuZW 17 (2006), 550 (553); Meyring, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 309 (317); Röben, in: Grabitz / Hilf, Art. 35 EUV, Rn. 26; Peers, YEL 18 (1998), 337 (374). 491 Houppermans / Pecho, RTD eur. 42 (2006), 289 (290); Wägenbaur, EuZW 17 (2006), 705; Wollenschläger, 75 ff. Für Generalanwalt Mengozzi stellt das nur unvollständige Rechtsschutzsystem des EUV ein „maßgebliches Indiz für die schwache Integration“ des Unionsrechts dar; Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 125. 492 Labayle, RTD eur. 33 (1997), 813 (876).

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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gen der Mitgliedstaaten, die Kompetenzen des EuGH im Bereich der Dritten Säule kurzzuhalten,494 unübersehbar und nicht zuletzt Befürchtungen vor einer allzu progressiven Rechtsprechungslinie des EuGH geschuldet.495 Die Kompetenzen des EuGH im Rahmen der Dritten Säule sind daher insgesamt als unzulänglich zu bezeichnen.496 Schließlich spricht nicht zuletzt insbesondere die Tatsache, daß es dem EuGH gänzlich an der Kompetenz gebricht, über die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen – wie überhaupt des gesamten Unionsrechts – befinden zu können,497 sondern deren Beurteilung den mitgliedstaatlichen Gerichten vorbehalten bleibt, gegen die Annahme, Rahmenbeschlüssen hafte eine „spezifisch unionsrechtliche“ Wirkweise an. Eine „besondere Funktion des EuGH als Integrationsorgan“498, der die einheitliche Anwendung des Unionsrechts garantieren könnte, kommt dem EuGH somit im Bereich der Dritten Säule nicht zu.499 Insgesamt sind die Zuständigkeiten des EuGH im Bereich der Dritten Säule nicht dazu angetan, dem Recht der Dritten Säule das Etikett „supranational“ zu verleihen.500

9. Die Abgrenzungswirkung des Art. 47 EUV Von Interesse für die Rechtsnatur des Unionsrechts – beziehungsweise genauer: für das Verhältnis des Unionsrechts zum Gemeinschaftsrecht – ist ferner Art. 47 EUV, nach dem der EUV die Gemeinschaftsverträge unberührt läßt. Die Zuständigkeiten der EG nach dem EGV501 sollen so vor einem Übergriff durch Unionsakte geschützt werden.502 Dies bedeutet eine umfassende Bestandssicherung des ge493 Insofern darf die nur zögerliche Umsetzung des dem Haftbefehl-Verfahren vor dem BVerfG [siehe unten Dritter Teil C. II. 2.] zugrunde liegenden Rahmenbeschlusses zur Schaffung eines Europäischen Haftbefehls [ABl. 2002 L 190, 1], gerade auf seiten der neuen Mitgliedstaaten, durchaus als Menetekel für das Funktionieren der Dritten Säule angesehen werden; vgl. zur zögerlichen Umsetzung in den Mitgliedstaaten Combeaud, RMC 49 / 495 (2006), 114 (119). 494 Chavrier, RMC 43 / 441 (2000), 542 (548); Curti Gialdino, RMUE 2 / 1998, 84 (95 ff.). Peers vermutet in diesem Zusammenhang eine Absicht der Verhandlungspartner, ein „legal ,Potemkin village‘“ zu errichten, und nennt die Zuständigkeitsregeln des EuGH – u. a. – im Rahmen der Dritten Säule eine „cynical façade“ [YEL 18 (1998), 337 (413)]. 495 Kostakopoulou, in: Barnard, 153 (167); Ludwig, 158; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (908). 496 Ebenso Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (28); Wölker, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 99 (116). 497 Siehe oben das Ergebnis des Ersten Teils C. 498 So Ludwig allgemein über die Rolle des EuGH [28]. 499 Pechstein / Koenig, Rn. 146. 500 Ludwig, 257. 501 Bzw. der EAG nach dem EAGV. 502 Schlußanträge, Rs. C-91 / 05, Kommission . / . Rat, Slg. 2008, I-3651, Rn. 92.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

samten acquis communautaire, also nicht nur des primären Gemeinschaftsrechts.503 Das gesamte Unionsrecht hat somit den Besitzstand des Gemeinschaftsrechts zu achten.504 Art. 47 EUV hat in Art. 305 EGV ein gemeinschaftsrechtliches Pendant, das seinerseits den speziellen Regimen des EGKSV (Absatz 1, der freilich nunmehr obsolet ist505) sowie des EAGV (Absatz 2) Bestandsschutz gewährt. Art. 47 EUV ist dem Art. 305 EGV insoweit ähnlich, als in beiden Fällen das speziellere Recht vor Übergriffen durch das allgemeinere Recht506 bewahrt werden soll. In der Tat ist Art. 47 wohl maßgeblich den Befürchtungen einiger Mitgliedstaaten geschuldet, der stark intergouvernemental geprägte EUV könnte den acquis communautaire der Ersten Säule auf die eine oder andere Art und Weise verwässern.507 Insofern wird vornehmlich das Gemeinschaftsrecht, eben der acquis communautaire, vor Übergriffen durch das Unionsrecht geschützt, worin eine nur beschränkte Durchlässigkeit zwischen den Säulen zum Ausdruck kommt. Daß umgekehrt das Unionsrecht ebensowenig durch das Gemeinschaftsrecht beeinflußt werden dürfe, läßt sich dem Wortlaut des Art. 47 EUV zwar nicht unmittelbar entnehmen. Jedoch geht Art. 47 EUV offenbar von einer grundsätzlichen Andersartigkeit des Unions- und des Gemeinschaftsrechts aus – anderenfalls bedürfte das Gemeinschaftsrecht keines Schutzes –, so daß Art. 47 EUV auf diese Weise implizite auch die intergouvernementale Natur des Unionsrechts in Abgrenzung zum supranationalen Gemeinschaftsrecht widerspiegelt.508 Dies ist Folge des Umstandes, daß das Unionsrecht und das Gemeinschaftsrecht gerade nicht auf eine einheitliche Vertragsgrundlage gestellt werden sollten.509 Im Ergebnis wird mit Art. 47 EUV zwar an sich hauptsächlich einer Übertragung von – intergouvernementalen – Prinzipien des Unionsrechts auf das – supranationale – Gemeinschaftsrecht eine Absage erteilt. Hieraus läßt sich jedoch ableiten, daß dem Recht der verschiedenen Säulen eine unterschiedliche Rechtsqualität zukommt. Die hierin liegende Abgrenzungswirkung zwischen den einzelnen Säulen ist unübersehbar. 503 Etwa Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77 (86 ff.); Krück, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 47 EUV, Rn. 7; Reichelt, 89; Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Art. 47 EUV, Rn. 1. 504 Booß, in: Lenz / Borchardt, Art. 47 EUV, Rn. 4; Ross formuliert drastisch, die EU dürfe sich nicht als „parasite that sucks the life blood out of the EC“ gerieren [ELRev 31 (2006), 476 (483)]. 505 Geiger, Art. 47 EUV, Rn. 2; die Geltungsdauer des EGKSV endete am 23. Juli 2002. 506 Allgemein ist das Unionsrecht ggü. dem Gemeinschaftsrecht freilich nur, soweit die allgemeinen Bestimmungen der Titel I, VII und VIII des EUV betroffen sind. 507 Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (59). 508 So Booß, in: Lenz / Borchardt, Art. 47 EUV, Rn. 5; Hatje, 30; Herlin-Karnell, GLJ 8 (2007), 1147 (1157); Krück, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 47 EUV, Rn. 4. 509 Jacqué, Droit institutionnel, Rn. 46; Pechstein / Koenig, Rn. 65 ff.; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (919); vgl. namentlich auch EuGH, Rs. C-415 / 05 P und Rs. C-402 / 05 P, Al Barakaat International Foundation und Kadi, noch nicht in amtlicher Slg., Rn. 202.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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Auch wenn im Anwendungsbereich des parallelen Art. 305 EGV eine subsidiäre Anwendung des allgemeinen Gemeinschaftsrechts zum Tragen kommt, wenn und soweit das speziellere Gemeinschaftsrecht Lücken aufweist,510 spricht doch die Existenz des Art. 305 EGV zunächst einmal ebenfalls eher für ein Nebeneinander der – ursprünglich – drei Gemeinschaften.511 In gleichem Maße spricht auch Art. 47 EUV für ein grundsätzliches Nebeneinander der drei Säulen, welches nach der insoweit unmißverständlichen Regelung des Art. 47 EUV auch nicht durch die übergreifende Wirkung des Unionsrechts verwässert werden soll. Davon einmal abgesehen, würde im übrigen eine Übertragung des Gedankens aus Art. 305 EGV (subsidiäre Anwendung des allgemeineren Rechts) auf die Situation des Art. 47 EUV nicht etwa bedeuten, daß gemeinschaftsrechtliche Prinzipien subsidiär auf das Unionsrecht anzuwenden wären, sondern vielmehr umgekehrt unionsrechtliche Prinzipien (als das allgemeinere Recht) subsidiär auf das Gemeinschaftsrecht; dies käme aber in der Tat einer Verwässerung des Gemeinschaftsrechts gleich. Sicherlich ist hiermit nicht ausgeschlossen, daß das Unionsrecht allmählich fortentwickelt wird und sich diese Entwicklung – schon im Interesse einer möglichst großen Kohärenz zwischen den Säulen512 – maßgeblich am Recht der Ersten Säule orientiert.513 Dies ändert indes nichts an der fragmentarischen Grundaussage des Art. 47 EUV.

10. Das Vertragsänderungsverfahren des Art. 48 EUV Der Blick auf das Vertragsänderungsverfahren nach Art. 48 EUV hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck. Zunächst fällt auf, daß das in Art. 48 EUV beschriebene Änderungsverfahren einheitlich für alle Verträge, „auf denen die Union beruht“, also auch für die beiden Gemeinschaften, gilt. Hierin kommt einmal mehr die eigentliche Besonderheit der Europäischen Union zum Ausdruck, nämlich der einheitliche institutionelle Rahmen, in den alle drei Säulen eingebettet sind. Über dessen integrative Wirkung ist bereits viel gesagt worden.514 Bei der Untersuchung des Vertragsänderungsverfahrens nach Art. 48 EUV stößt man jedoch noch auf einen weiteren Aspekt. Die Tatsache, daß ein Vertragsänderungsverfahren ausdrücklich vorgesehen ist, führt einmal mehr vor Augen, daß die 510 EuGH, Rs. C-18 / 94, Hopkins u. a., Slg. 1996, I-2281, Rn. 14; Jochum, in: Hailbronner / Wilms, Art. 305 EGV, Rn. 3 f.; Kokott, in: Streinz, Art. 305 EGV, Rn. 10; Schmalenbach, in: Calliess / Ruffert, Art. 305 EGV, Rn. 5. 511 Etwa Krück, in: Schwarze, Art. 305 EGV, Rn. 1; Lysén, Framework decisions, 18, Fn. 5; Schroeder, EuR 42 (2007), 349 (353 f.). 512 Vgl. zum Kohärenzgebot oben Zweiter Teil C. III. 1. b) und C. III. 3. 513 Vgl. hierzu auch die Ausführungen der Generalanwältin Kokott in den Schlußanträgen, Rs. C-467 / 05, Dell’Orto, Slg. 2007, I-5557, Rn. 40 – 49. 514 Siehe oben Zweiter Teil C. III. 3. mit weiterem Verweis. Eine gleichermaßen integrative Wirkung besitzt i. ü. auch das einheitliche Beitrittsverfahren nach Maßgabe des Art. 49 EUV.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

Mitgliedstaaten nach wie vor die „Herren der Verträge“ sind. Insofern verbietet sich eine Auslegung des EUV in einer Weise, die einer Verträgsänderung gleichkäme515 – wo auch immer die exakte Grenze zwischen einer noch erlaubten Kompetenzwahrnehmung und einer unzulässigen Kompetenzüberschreitung durch die Unionsorgane im einzelnen verlaufen mag.516 Art. 48 EUV erlangt daher mittelbar auch Bedeutung für die Handhabung der Einzelermächtigungen des EUV.517 Interessanterweise findet sich diese generelle Herangehensweise an Art. 48 EUV sowohl in der Rechtsprechung des BVerfG als auch in der des EuGH. Während das BVerfG in seiner Maastricht-Entscheidung mit Hinweis auf Art. 48 EUV deutlich zum Ausdruck gebracht hat, daß im Falle einer Kompetenzüberschreitung eine solche Auslegung des EUV für Deutschland keine Bindungswirkung entfalten würde,518 übt sich der EuGH – soweit übersehen – maßgeblich im Bereich des individuellen Rechtsschutzes, aber ebenfalls mit Hinweis auf Art. 48 EUV in einem unerwarteten judicial restraint.519 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß der EuGH diese sich selbst auferlegte Zurückhaltung sogar im Gemeinschaftsrecht der Ersten Säule praktiziert,520 in einem Bereich also, in dem ihm unbestritten eine vollumfängliche Rechtsprechungskompetenz zukommt. Da dies zu echten Rechtsschutzlücken führen kann, stößt diese Art richterlicher Zurückhaltung mit Recht mitunter auf Ablehnung.521 In jedem Fall zeigt dies deutlich, daß sowohl nach Ansicht des BVerfG als auch des EuGH von dem Vertragsänderungsverfahren des Art. 48 EUV eine gewisse beschränkende Wirkung für die Auslegung des Unions- und sogar des Gemeinschaftsrechts ausgeht. Freilich kann an dieser Stelle keine pauschale Vorgabe für eine im Lichte des Art. 48 EUV noch zulässige Kompetenzwahrnehmung oder eine bereits unzulässige Kompetenzüberschreitung gegeben werden. Dies ist auch nicht erforderlich. Als Ergebnis festhalten läßt sich jedoch, daß sich mit Blick auf Art. 48 EUV ein allzu progressiver Umgang mit dem Unionsrecht, und das nach Ansicht sowohl des BVerfG als auch des EuGH, verbietet.

BVerfGE 89, 155 (210). Vgl. hierzu Nettesheim, in: von Bogdandy, 415 (424). 517 BVerfGE 89, 155 (210). 518 BVerfGE 89, 155 (210). 519 Moal-Nuyts, RDIDC 83 (2006), 249 (265) („[I]l n’est pas rare que la Cour de justice rappelle dans ses arrêts [ . . . ] qu’il ne lui appartient pas de réécrire les traités.“). Im Hinblick auf den individuellen Rechtsschutz im Gemeinschaftsrecht EuGH, Rs. C-50 / 00 P, Unión de Pequen˜os Agricultores, Slg. 2002, I-6677, Rn. 45; im Hinblick auf den individuellen Rechtsschutz im Unionsrecht EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. EuGH, Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 50. 520 EuGH, Rs. C-50 / 00 P, Unión de Pequen ˜ os Agricultores, Slg. 2002, I-6677, Rn. 45. 521 Vgl. etwa Nettesheim, JZ 57 (2002), 928 (932) sowie die Nachweise in Dritter Teil, Fn. 155. 515 516

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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11. Fazit zu den Grundlagen der Europäischen Union Als kurzes Zwischenfazit aus der Betrachtung der Grundlagen der Europäischen Union läßt sich folgendes festhalten: An zahlreichen Stellen des EUV kommt die grundsätzliche Andersartigkeit des Unionsrechts im Vergleich zum Gemeinschaftsrecht zum Ausdruck. Genannt werden können in diesem Zusammenhang zuvörderst Art. 1 III EUV, Art. 5 EUV sowie Art. 47 EUV, aber auch Art. 46 EUV zeigt letztlich deutlich den Unterschied des Unionsrechts zum Gemeinschaftsrecht auf. Die Besonderheiten, die dem Unionsrecht nichtsdestotrotz nicht abgesprochen werden können, gehen maßgeblich auf den gemeinsamen institutionellen Rahmen, den sich die intergouvernementalen Säulen mit den Gemeinschaften teilen, zurück. Ohne daß hiermit bereits eine bestimmte rechtliche Folge vorgegeben wäre, stellen die zahlreichen Verschränkungen mit dem Gemeinschaftsrecht und dessen Supranationalität die eigentliche Besonderheit des Unionsrechts dar, die dieses hierdurch vom gewöhnlichen Völkerrecht ein gewisses Stück weit abhebt.

IV. Gesamtfazit: Keine rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts Nach der umfassenden und eingehenden Würdigung des Unionsrechts kann nunmehr das folgende Ergebnis festgehalten werden.

1. Völkerrechtsähnlichkeit des Unionsrechts Die Völkerrechtsähnlichkeit des Unionsrechts ist flagrant. Das Unionsrecht kann seine völkerrechtliche Herkunft nicht verleugnen – und bemüht sich auch nicht darum. Das Unionsrecht für sich betrachtet mit seinen Charakteristika wie das generelle Einstimmigkeitserfordernis, überhaupt die ganz maßgebliche Bedeutung der Mitgliedstaaten bei sämtlichen Entscheidungen oder die Zurückdrängung einer unabhängigen Streitentscheidungsinstanz spiegelt im wesentlichen völkerrechtlichen Standard wider. Wenn man den gemeinsamen institutionellen Rahmen des Unionsrechts mit dem Gemeinschaftsrecht hinwegdächte, käme wohl kaum jemand auf die Idee, daß es sich bei dem Unionsrecht um eine besondere Erscheinung zwischenstaatlichen Rechts handeln würde, die über andere (relativ) besondere Formen des Völkerrechts – wie etwa die Befugnisse des UN-Sicherheitsrates oder das System der EMRK – hinausgehen würde. Mehr noch, wenn das Besondere des supranationalen Gemeinschaftsrechts letztlich allein in der schieren Fülle der übertragenen Kompetenzen und der relativen Integrationsdichte begründet liegt,522 das Unionsrecht indes eine solche Fülle nicht einmal annähernd aufweist, 522

Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 102 ff., insb. 106; Mittmann, 159 f.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

so ist der Schluß unausweichlich, das Unionsrecht als das zu sehen, was es ist: ein Beispiel verhältnismäßig stark integrierten, regionalen, partikularen Völkerrechts.523

2. Keine hinreichende Anlehnung an das Gemeinschaftsrecht Das eigentlich Besondere des Unionsrechts ist der gemeinsame institutionelle Rahmen, den sich das Unionsrecht mit dem Gemeinschaftsrecht teilt und der das Unionsrecht gewissermaßen ein Stück weit an das Gemeinschaftsrecht anlehnt. Es ist jedoch gezeigt worden, daß eine Identität zwischen Gemeinschafts- und Unionsrecht aktuell noch bei weitem nicht angenommen werden kann und im EUV auch nicht angelegt ist. Die wesentlichen, das Gemeinschaftsrecht prägenden und dessen Supranationalität konstituierenden Merkmale fehlen dem Unionsrecht gerade (noch):524 Dem Unionsrecht kommt keine unmittelbare Wirkung in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu – geschweige denn Durchgriffswirkung –, es kennt kaum Mehrheitsentscheidungen, und die Stellung des EuGH ist nur vergleichsweise schwach ausgeprägt, insbesondere existiert kein Vertragsverletzungsverfahren und besitzt der EuGH keine generelle Kompetenz zur Auslegung des primären Unionsrechts. Mehr noch ist darüber hinaus die grundsätzliche Trennung von Gemeinschafts- und Unionsrecht in verschiedenen Bestimmungen des EUV ausdrücklich festgeschrieben worden. Insoweit besteht eine zu deutliche Abgrenzung vom supranationalen Gemeinschaftsrecht, als daß der bloße gemeinsame institutionelle Rahmen mit dem Gemeinschaftsrecht das Unionsrecht ebenfalls zu einer eigenständigen, neben den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen stehenden Rechtsordnung mit vom Gemeinschaftsrecht bekannten Rechtswirkungen erstarken lassen würde. 3. Konsequenz: Zwitterstellung des Unionsrechts Die Konsequenz aus diesem Befund ist die Zwitterstellung des Unionsrechts. Das Unionsrecht ist aufgrund des gemeinsamen institutionellen Rahmens mit dem Gemeinschaftsrecht und den damit einhergehenden kommunitären Elementen – zuvörderst in Gestalt der Einbeziehung der Kommission in die Entscheidungsprozesse – kein ganz gewöhnliches Völkerrecht mehr, doch ist es dem Gemeinschaftsrecht auch nicht wirklich verwandt. Zu sagen, daß allein die Mitgliedstaaten in Angelegenheiten der intergouvernementalen Säulen involviert wären, wäre sicherlich ebenso falsch wie zu behaupten, die EU repräsentiere bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Organisation mit einem den Gemeinschaften auch nur annähernd 523 Insofern erscheint es mehr als gerechtfertigt, das übliche Auslegungsregime nach der Wiener Vertragsrechtskonvention auf den EUV anzuwenden; siehe oben Erster Teil A. I. 524 Hartley, 26; Mißling, EuR 42 (2007), 261 (269 f.); Streinz spricht von „unabweisbaren Unterschieden“ zwischen Unions- und Gemeinschaftsrecht [JuS 45 (2005), 1023 (1024)]; ebenso von Danwitz, Rechtsschutz, 15.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

169

vergleichbaren Integrationsgrad. Fakt ist, daß die Mitgliedstaaten – als ganz wesentlichen Unterschied zum Gemeinschaftsrecht – das Zepter nicht aus der Hand gegeben und in die Hände der EU gelegt haben und dies auch nie intendiert hatten. Daher hängt die weitere Entwicklung nach wie vor maßgeblich davon ab, wie die Mitgliedstaaten das Unionsrecht weiterentwickeln.525 Den Mitgliedstaaten in ihrer Gesamtheit bereits nach der lex lata einen Integrationswillen nachzusagen, den sie trotz mannigfaltiger Gelegenheiten nicht nach außen manifestiert haben, mehr noch, dem sie immer wieder ausdrücklich widersprochen haben, verbietet sich. Der EuGH wiederum hat nicht die entsprechenden Kompetenzen, das Integrationsprogramm der EU maßgeblich voranzutreiben. Dies mag mancher bedauerlich finden. Ein einhelliger Wille der Mitgliedstaaten, den EuGH mit derlei Kompetenzen auszustatten, hat jedoch offenkundig nicht vorgelegen. Etwas anderes zu behaupten käme Geschichtsverdrehung gleich. Insofern ist es nicht zuletzt gerade das weitgehende Fehlen substantieller Kompetenzen des EuGH in bezug auf das Primärrecht, durch welches ganz offensichtlich ein Sichverselbständigen des Rechts der (Zweiten und) Dritten Säule durch Rechtsfortbildung hat verhindert werden sollen,526 was das Unionsrecht maßgeblich vom Gemeinschaftsrecht trennt.527 Diese Trennung und damit die Zwitterstellung des Unionsrechts bestehen derzeit noch fort.

4. Konsequenz: Keine Durchgriffswirkung des Unionsrechts auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in Form der rahmenbeschlußkonformen Auslegung Wenn die Zwitterstellung des Unionsrechts aber fortbesteht und eine hinreichende substantielle Annäherung an das Gemeinschaftsrecht – mit Ausnahme des gemeinsamen institutionellen Rahmens mit den Gemeinschaften – nicht festzustellen ist, kann sich nur folgendes Ergebnis konstatieren lassen: Da das Unionsrecht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine eigenständige, neben den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen stehende Rechtsordnung sui generis auf (annähernd) einem Niveau mit dem Gemeinschaftsrecht darstellt, ist eine – gewissermaßen praeter legem bestehende – Durchgriffswirkung des Unionsrechts auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in Form der rahmenbeschlußkonformen Auslegung strikt abzulehnen. Eine Durchgriffswirkung auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen kann das Unionsrecht ebensowenig für sich in Anspruch nehmen wie gene525 Vgl. zu einem Ausblick auf die Entwicklung der EU nach dem Lissabonner Vertrag v. 13. Dezember 2007 unten Vierter Teil. 526 Vgl. Ludwig, 158; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (908). 527 Kurcz / azo wski, YEL 25 (2006), 177 (202); Lysén beschreibt die gemeinschaftsrechtlichen Verträge als „Treaties with the ECJ as the focal point – in total, the idea of a selfgenerating system“ [Framework decisions, 49, Fn. 58]. Mit der schwachen Rolle des EuGH im Rahmen des Unionsrechts geht diesem die besondere Qualität als „self-generating system“ verloren.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

rell jede andere Form von Völkerrecht. Hierfür fehlen ihm allzu deutlich die prägenden supranationalen Merkmale des Gemeinschaftsrechts. Daß der EUV keinerlei Hinweise auf eine Durchgriffswirkung des Unionsrechts enthält, sie für Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse vielmehr ausdrücklich ausschließt, läßt es überdies schwer erscheinen, zugunsten einer Durchgriffswirkung zu argumentieren. Nicht zuletzt aber auch das Subsidiaritätsgebot aus Art. 2 II EUV spricht dagegen, in das Unionsrecht ein Rechtsprinzip hineinzuinterpretieren, das in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bereits im wesentlichen wirkungsgleich existiert. Daß das Ziel der effektiven Wirksamkeit von Rahmenbeschlüssen durch die Anwendung des aus dem mitgliedstaatlichen (Verfassungs-)Recht fließenden Prinzips rahmenbeschlußkonformer Auslegung nicht ausreichend erreicht werden könnte, läßt sich kaum begründen.

5. Exkurs: Bedeutung des Ergebnisses für einen etwaigen Staatshaftungsanspruch im Unionsrecht Auch wenn die Frage eines etwaigen Staatshaftungsanspruchs im Unionsrecht weniger eine Frage ist, die konkret die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen betrifft, sondern vielmehr die des Unionsrechts als Ganzem,528 soll in einem kurzen Exkurs noch in aller gebotenen Kürze erörtert werden, ob und inwieweit aus der Verletzung von Unionsrecht – womöglich namentlich durch Nichtumsetzung eines Rahmenbeschlusses in nationales Recht – dem einzelnen ein Staatshaftungsanspruch zuwachsen kann.529 Nicht wenige Autoren scheinen einer derartigen Entwicklung durchaus zugeneigt.530 Von „Entwicklung“ muß deshalb gesprochen werden, weil der EUV keine Hinweise auf einen solchen Anspruch des einzelnen enthält, und auch schon der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch darf in Ermangelung diesbezüglicher Bestimmungen in den Gemeinschaftsverträgen als „Erfindung“531 des EuGH gelten. Die „Entwicklung“ eines 528 Wie auch der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch Verletzungen des gesamten Gemeinschaftsrechts erfaßt; statt aller Betlem, in: Obradovic / Lavranos, 297 (299). 529 Die Übertragung des gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzanspruchs aus Art. 288 II EGV auf das Unionsrecht hat der EuGH jedenfalls ausdrücklich abgelehnt; EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. EuGH, Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 46 f. 530 Vgl. etwa Betlem, in: Obradovic / Lavranos, 297 (301 ff.); Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (378); Monjal, RTD eur. 37 (2001), 335 (365); Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (326 f.); ablehnend hingegen etwa Harings, EuR 33 (1998), Beiheft 2, 81 (88); Kraus-Vonjahr, 224; Lysén, Framework decisions, 66; Satzger, in: Streinz, Art. 34 EUV, Rn. 9; Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1126); unentschieden Jans, in: Obradovic / Lavranos, 279 (284); Lenaerts / Corthaut, ELRev 31 (2006), 287 (314). 531 Ross, ELRev 31 (2006), 476 (481); vgl. auch Everling, JZ 55 (2000), 217 (220) sowie Ossenbühl, DVBl 107 (1992), 993 (993 und 995), nach denen der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch das Produkt rechtsfortbildender Rechtsprechung des EuGH ist.

C. Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

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Staatshaftungsanspruchs auch im Unionsrecht bedeutete daher eine mindestens ebenso große Sensation wie seinerzeit schon im Gemeinschaftsrecht. Die zum gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch vom EuGH entwickelte Rechtsprechung – von Francovich532 über Brasserie du Pêcheur533 bis Köbler534 und Traghetti535 – ist hinlänglich bekannt und soll hier nicht nachgezeichnet werden.536 Vor dem Hintergrund der obigen Darstellung zur Rechtsnatur des Unionsrechts kann eine Übertragung des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs auf das Unionsrecht nur entschieden abgelehnt werden. Würden einzelne von einem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch gegen einen Mitgliedstaat profitieren, hätte dies insoweit wiederum unmittelbare Auswirkungen auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zur Folge, als Rechtspositionen einzelner – ohne Zutun und im Zweifel gegen den Willen des Staates – unmittelbar betroffen wären. Ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch würde mit anderen Worten Durchgriffswirkung entfalten.537 Wie schon die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung538 ergibt sich mehr noch der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch – nach dem EuGH – „aus dem Wesen der mit dem [EGV] geschaffenen Rechtsordnung“539 als Ganzer. Bezüglich des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs hat der EuGH also nicht einmal den Versuch unternommen, diesen aus einzelnen Vertragsnormen herzuleiten, sondern hat sogleich auf die Gemeinschaftsrechtsordnung als Ganze verwiesen.540 Daß das Unionsrecht als Ganzes keine Durchgriffswirkung beanspruchen kann, ist in aller Ausführlichkeit dargelegt worden. Insofern muß folgerichtigerweise auch ein Durchgriffswirkung implizierender Staatshaftungsanspruch für den Bereich des Unionsrechts ausgeschlossen sein.

EuGH, Rs. C-6 / 90 und C-9 / 90, Francovich, Slg. 1991, I-5357. EuGH, Rs. C-46 / 93 und C-48 / 93, Brasserie du Pêcheur, Slg. 1996, I-1029. 534 EuGH, Rs. C-224 / 01, Köbler, Slg. 2003, I-10239. 535 EuGH, Rs. C-173 / 03, Traghetti, Slg. 2006, I-5177. 536 Vgl. allgemein zum gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch Herdegen / Rensmann, ZHR 161 (1997), 522; Moreira de Sousa / Heusel, Enforcing Community Law from Francovich to Köbler; Vajda, EBLR 17 (2006), 257. 537 Vgl. Fletcher, ELRev 30 (2005), 862 (877); Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (240). 538 Vgl. oben Zweiter Teil A. I. 539 EuGH, Rs. C-6 / 90 und C-9 / 90, Francovich, Slg. 1991, I-5357, Rn. 35; EuGH, Rs. C-46 / 93 und C-48 / 93, Brasserie du Pêcheur, Slg. 1996, I-1029, Rn. 31. 540 Vgl. Skouris, ZEuS 8 (2005), 463 (473). Auch Hinweise auf Art. 10 EGV sind vom EuGH nur als nachgestellte „Stütze“ des Staatshaftungsanspruchs angeführt worden [EuGH, Rs. C-6 / 90 und C-9 / 90, Francovich, Slg. 1991, I-5357, Rn. 36; ebenso Betlem, in: Obradovic / Lavranos, 297 (299) sowie Ossenbühl, DVBl 107 (1992), 993 (994)] oder gar nicht erfolgt [EuGH, Rs. C-224 / 01, Köbler, Slg. 2003, I-10239]. 532 533

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

D. Revisionsbedürftigkeit des erzielten Ergebnisses aufgrund der Kompetenz des EuGH zur richterlichen Rechtsfortbildung des Unionsrechts? Nach dem bisherigen Ergebnis des Verfassers läßt sich – im Gegensatz zur Ansicht des EuGH im Pupino-Urteil – eine mitgliedstaatliche Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts dem geltenden Unionsrecht nicht entnehmen. Eine Erwägung wert ist jedoch die Frage, ob der EuGH möglicherweise kraft seiner Kompetenz zur richterlichen Rechtsfortbildung die in der vorliegenden Untersuchung dargelegte – restriktive – Rechtslage hin zu einer verpflichtenden rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts qua Europarecht fortentwickeln durfte, ja vielleicht sogar mußte, mit der Folge, daß das Ergebnis des EuGH letztlich nicht zu beanstanden ist. Hinweise auf einen rechtsschöpferischen Ansatz des EuGH finden sich im Urteil freilich nicht. Richterliche Rechtsfortbildung setzt denklogisch eine Abkehr von der aktuellen und eine Entwicklung hin zu einer neuen Rechtslage voraus.541 Wäre dies anders, wäre die richterliche Rechtsfortbildung schlechterdings überflüssig. Dies provoziert die allgemeine Frage, wie weit das Recht zur richterlichen Rechtsfortbildung reichen kann; inwieweit kann also dem Richter das Recht zustehen, sich über das von einem – mehr oder minder demokratisch legitimierten – Gesetzgeber gesetzte Recht hinwegzusetzen und durch eine ihm adäquat erscheinende, selbst geschaffene Lösung zu ersetzen, ohne den Richter zu einem „gouvernement des juges“ in einem „oligarchischen Richterstaat“542 werden zu lassen und hierdurch gegen fundamentale rechtsstaatliche Grundsätze der Gewaltenteilung zu verstoßen. Das Rechtsinstitut der richterlichen Rechtsfortbildung ist als solches als anerkannt anzusehen.543 Namentlich auch die Rechtsfortbildung durch den EuGH ist vom BVerfG generell sanktioniert worden,544 wenngleich in diesem Zusammenhang zu betonen ist, daß das BVerfG die richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH gewissen Grenzen unterworfen sieht.545 Auch hat das BVerfG die Rechtsfortbildung durch den EuGH bislang allein für den Bereich des GemeinschaftsBuck, 50. Rüthers, Diener oder Herren?, FAZ v. 2. Februar 2005, 7. 543 BVerfGE 69, 188 (203 m. w. N.); Anweiler, 30; Biaggini, 3 ff.; Buck, 92; Larenz / Canaris, 187; Stern, Band II, § 37 II 2 e). 544 Vgl. BVerfGE 73, 339 (378 ff.) für die Entwicklung eines ungeschriebenen Grundrechtsstandards in der Gemeinschaftsrechtsordnung und BVerfGE 75, 223 (240 ff.) für die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien; vgl. auch Meier, 225 – 227. 545 BVerfGE 75, 223 (242 f.); 89, 155 (209); vgl. allgemein zu den Grenzen der Rechtsfortbildungsbefugnis des Richters am Beispiel des schweizerischen Rechts Biaggini, 277 ff. sowie insb. mit Blick auf den EuGH Hillgruber, in: von Danwitz / Heintzen / Jestaedt / Korioth / Reinhardt, 31; Wank, in: FS Stahlhacke, 633 (639 – 641). 541 542

D. Revisionsbedürftigkeit wegen Rechtsfortbildungskompetenz des EuGH?

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rechts anerkannt, in dem dem EuGH unter anderem die Rolle eines Verfassungsgerichts – mit den Verträgen als Verfassung546 – zukommt.547 Die entscheidende Frage ist somit, ob dem EuGH das Recht zur richterlichen Rechtsfortbildung auch im Rahmen des Unionsrechts, oder aber jedenfalls im Bereich der Dritten Säule zukommt. Da der EuGH im Rahmen der Zweiten Säule über keinerlei Rechtsprechungsbefugnisse verfügt,548 erscheint eine Kompetenz des EuGH zur richterlichen Rechtsfortbildung hier von vornherein ausgeschlossen.549 Aber auch im Rahmen der Dritten Säule kann dem EuGH eine Rechtsfortbildungskompetenz nur insoweit zukommen, als er auch eine Auslegungsbefugnis besitzt.550 Vertragswidrige Kompetenzanmaßung muß dem EuGH untersagt sein.551 Vor dem Hintergrund des im Ersten und Zweiten Teil gezogenen Fazits hinsichtlich der Rechtsprechungskompetenzen des EuGH im Rahmen der Dritten Säule ist die Antwort auf die Frage nach einem etwaigen Recht des EuGH auf richterliche Rechtsfortbildung auch im Unionsrecht im Prinzip bereits vorgegeben. Das obige Fazit lautete in der Hauptaussage, daß es dem EuGH im Rahmen der Dritten Säule namentlich weitgehend – mit einer Ausnahme552 – an der Kompetenz fehlt, das die Dritte Säule konstituierende Primärrecht (Art. 29 ff. EUV) unmittelbar zu begutachten; eine Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung ist lediglich inzidenter und auch nur, soweit dies für die Beurteilung des Sekundärrechts unbedingt erforderlich ist, zulässig. Doch nur insoweit, als dem EuGH auch eine Auslegungsbefugnis zukommt, kann ihm ein Recht auf richterliche Rechtsfortbildung zustehen. Da namentlich die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen nicht in die Auslegungskompetenz des EuGH fällt553 – wie ganz generell das primäre Unionsrecht im Bereich der Dritten Säule –, muß eine Kompetenz zur richterlichen Rechtsfortbildung in bezug auf die innerstaatliche Wirkweise von Rahmenbeschlüssen ausscheiden. Allein die mitgliedstaatlichen Gerichte sind befugt, sich zur innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu verhalten; daher kommt auch allenfalls diesen eine diesbezügliche Kompetenz zur Fortentwicklung des anwendbaren Rechtsregimes zu. Etwa Hartley, 266; Wolf-Niedermaier, 41 – 44. Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, Rn. 169; Grabenwarter, EuR 38 (2003), Beiheft 1, 55 (60). 548 Vgl. nur Chavrier, RMC 43 / 442 (2000), 620 (628); Denza, 311 f.; Oppermann, § 30, Rn. 54; sehr differenzierend, im Grundsatz aber zustimmend Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77. 549 Ebenso Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (366). 550 Vgl. Biaggini, 243 ff., insb. 246; Schroeder, EuR 42 (2007), 349 (351), der freilich die Kompetenzen des EuGH – ungeachtet seiner eigenen Feststellung, diese seien im Rahmen der Dritten Säule „stark eingeschränkt“ [ibid., 350] – offenbar als ausreichend ansieht, um die Entscheidungsformel des Pupino-Urteils zu tragen [ibid., 352]. 551 Buck, 51. 552 Art. 46 lit. c EUV i.V. m. Art. 40 III EUV. 553 Siehe oben Erster Teil C. 546 547

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

Vor diesem Hintergrund muß es etwas euphemistisch klingen, die Kompetenzen des EuGH im Bereich der Dritten Säule als zwar „weniger breit angelegt“ als im EGV zu bezeichnen,554 im übrigen dem EuGH aber eine „nicht weniger tief“ ausgelegte Judikativkompetenz als in der Ersten Säule zu attestieren.555 Dieser Befund kann mit dem im Ersten Teil gezogenen Fazit zu den Rechtsprechungsbefugnissen des EuGH in diesem Bereich schwerlich in Einklang gebracht werden. Insbesondere geht in den Augen des Verfassers die Berufung auf das Rechtsstaatsprinzip fehl.556 Das Rechtsstaatsprinzip beinhaltet nämlich gerade auch, das Recht, wie es niedergelegt ist, zu beachten und nicht die eigenen Kompetenzen sowie die anderer Organe selbständig zu erweitern. Dies muß um so mehr noch für eine Internationale Organisation gelten, die nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung funktioniert.557 Mit der Aufgabe des EuGH zur Wahrung des Rechts ist dies kaum mehr zu vereinbaren.558 Schließlich streitet auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, vom EuGH durchaus erkannt und im Prinzip anerkannt,559 zugunsten der Beachtung des rechtlichen status quo und gegen eine ausschweifende Weiterentwicklung des Unionsrechts mit Verweis auf das Effektivitätsprinzip.560 Schlußendlich stellt – wie gezeigt561 – auch Art. 46 lit. f EUV, nach dem Art. 47 EUV vollumfänglich justitiabel ist, keinen gangbaren Weg dar, eine Kompetenz des EuGH für die Auslegung des primären Unionsrechts und damit zur richterlichen Rechtsfortbildung desselben – gleichsam durch die Hintertür – einzuführen. Sollte dies aber anders beurteilt werden, so müßte dies dann konsequenterweise auch im Verhältnis der Ersten zur Zweiten Säule gelten562 mit der Folge, daß der EuGH auch das Recht der Zweiten Säule fortentwickeln dürfte, obgleich die Zweite Säule nach wie vor als nicht justitiabel angesehen wird563 – ein Ergebnis, Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (366). So Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (368), der allerdings nur zwei Jahre zuvor die vollkommen identische Rechtslage noch mit den Worten beschrieben hat, „Art. 35, 46 EUV schränken die Rechtsprechungsfunktion des EuGH für [die Zweite und Dritte Säule] nämlich so stark ein, dass die letztverbindliche Auslegung des EU-Vertrags dem Rat überlassen bleibt, der diese beiden Säulen der EU beherrscht“; in: Hofmann / Zimmermann, 13 (37). 556 Vgl. bei Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (373). 557 Wank, in: FS Stahlhacke, 633 (639). 558 Ebenso Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (844). 559 Etwa EuGH, Rs. C-224 / 01, Köbler, Slg. 2003, I-10239, Rn. 37 f.; id., Rs. C-453 / 00, Kühne & Heitz, Slg. 2004, I-837, Rn. 24; Kokott / Henze / Sobotta, JZ 61 (2006), 633 (639); vgl. m. w. N. auch Maxeiner, Tul. J. Int’l & Comp. L. 15 (2007), 541 (547 ff.). 560 Vgl. Ross, ELRev 31 (2006), 476 (498). 561 Vgl. die obigen Ausführungen zu den Kompetenzen des EuGH im Rahmen des Art. 46 lit. f EUV mit Blick auf Art. 47 EUV, Zweiter Teil C. III. 8. b) cc). 562 Ebenso Pechstein, EuR 34 (1999), 1 (11); in die gleiche Richtung EuG, Rs. T-228 / 02, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran, Slg. 2006, II-4665, Rn. 56. 563 Chavrier, RMC 43 / 442 (2000), 620 (628); Denza, 311 f.; Oppermann, § 30, Rn. 54; sehr differenzierend, im Grundsatz aber zustimmend Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 554 555

E. Reichweite und Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung

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das nicht überzeugen kann und folgerichtigerweise – soweit übersehen – bisher von niemandem vertreten wird.564 Nach alledem ist ein äußerst zurückhaltender Umgang mit dem Institut der richterlichen Rechtsfortbildung im Rahmen des gesamten Unionsrechts geboten.565 Ohne einer allzu gestrengen Begriffsjurisprudenz das Wort reden zu wollen und ohne die Rolle des Richters im allgemeinen und die des EuGH im besonderen desavouieren zu wollen, sollte doch der Richter in Bereichen, in denen ihm schon nur im Ansatz die Rolle eines „bouche qui prononce les paroles de la loi“ 566 zukommt, zum Thema Rechtsfortbildung mit einer nur sehr gedämpften Stimme sprechen – wenn nicht gar vollständig schweigen.567

E. Reichweite und Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung Unabhängig davon, ob man mit dem EuGH eine unionsrechtlich induzierte mitgliedstaatliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung des nationalen Rechts annimmt oder eine solche Pflicht aufgrund nationalen (Verfassungs-)Rechts annimmt, stellt sich die Frage, wie weit die Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung des nationalen Rechts reicht beziehungsweise wo die Grenzen einer solchen Pflicht liegen. Im wesentlichen kann hierbei – mit gewissen Einschränkungen – auf die einschlägige Judikatur des EuGH zur richtlinienkonformen Auslegung zurückgegriffen werden. Wenn man mit dem Verfasser eine rahmenbeschlußkonforme Auslegung nicht dem Unionsrecht, sondern allein dem nationalen (Verfassungs-)Recht entnehmen möchte, ergeben sich naturgemäß gewisse Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, was den exakten Umfang der Verpflichtung zur rahmenbeschluß77. Die Zweite Säule wird i. ü. auch nach dem Lissabonner Vertrag grundsätzlich nicht justitiabel werden; vgl. Art. 275 AEUV. 564 Sehr restriktiv von Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (114); ebenso ablehnend wohl auch Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (366). 565 Eine solche hat gerade durch die ganz deutliche Beschränkung der Kompetenzen des EuGH im Unionsrecht verhindert werden sollen; vgl. Ludwig, 158; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (908). 566 Montesquieu, 127, der die Rolle des Richters auf die eines bloßen Rechtsanwenders beschränkt sieht. 567 Kritisch auch Adam, EuZW 16 (2005), 558 (561); Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (72); Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (844); Hobe, Jura 28 (2006), 859 (862); Klink / Proelß, DÖV 59 (2006), 469 (473); Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (24 f.); generell keine Einwände gegen eine Rechtsfortbildungkompetenz des EuGH auch im Rahmen der Dritten Säule haben Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (366 ff.) sowie Meier, 227 f., wobei letztere auch ganz konkret die Rechtsfortbildung in Gestalt der Übertragung des Instituts der richtlinienkonformen Auslegung auf Rahmenbeschlüsse gutheißt [230 – 242].

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

konformen Auslegung des nationalen Rechts angeht.568 Sieht man indessen mit dem EuGH die mitgliedstaatliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung im Unionsrecht selbst begründet, dürfte der Umfang der Verpflichtung kaum merklich von dem im Gemeinschaftsrecht geforderten Umfang abweichen, da der EuGH den Rahmenbeschluß gerade als paralleles Instrument zur Richtlinie ansieht.569 Im Grundsatz dürften die dort aufgestellten Grundsätze jedoch auch auf den Fall einer Pflicht zur Konformauslegung kraft nationalen (Verfassungs-)Rechts übertragbar sein.

I. Reichweite der rahmenbeschlußkonformen Auslegung Nach dem EuGH stehen die Mitgliedstaaten unter der generellen Verpflichtung, die Auslegung des nationalen Rechts soweit wie möglich an Wortlaut und Zweck des Rahmenbeschlusses auszurichten570 und gegebenenfalls das gesamte nationale Recht zu berücksichtigen, um zu beurteilen, inwieweit es so angewandt werden kann, daß kein dem Rahmenbeschluss widersprechendes Ergebnis erzielt wird.571 Der EuGH geht also von einer weitreichenden Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung aus. Demnach dürfte sich in Analogie zur richtlinienkonformen Auslegung572 das Prinzip der rahmenbeschlußkonformen Auslegung nicht allein auf das jeweilige nationale Umsetzungsgesetz beschränken, sondern müßte jede nationale Norm erfassen.573 Auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens wäre demnach unerheblich; sowohl die Auslegung bereits bestehenden Rechts als auch die Auslegung einer etwaigen lex posterior – letztere jedoch gerade ohne von der lex posterior-Regel zu profitieren – müßte demnach im Lichte eines einschlägigen Rahmenbeschlusses erfolgen.574 Ebenfalls in Anlehnung an die jüngst präzisierte EuGH-Rechtsprechung zur richtlinienkonformen Auslegung575 müßte für den Zeitpunkt, von dem an die Mitgliedstaaten576 unter der Verpflichtung zur rahmenVgl. die Ausführungen in Erster Teil, Fn. 185. EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 36; Klamert hingegen sieht den Pflichtenumfang im Unionsrecht offenbar als geringer an [CMLRev 43 (2006), 1251 (1274, Fn. 131)]. 570 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 43. 571 Ibid., Rn. 47. 572 Siehe für neuere Entwicklungen in der EuGH-Rechtsprechung zu Umfang und Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung etwa Auer, NJW 60 (2007), 1106. 573 von Unger, NVwZ 25 (2006), 46 (48). Vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung EuGH, Rs. C-106 / 89, Marleasing, Slg. 1990, I-4135, Rn. 8; Brechmann, 66 ff.; Prechal, CMLRev 42 (2005), 1445 (1460). 574 Schlußanträge, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 36; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (922); von Unger, NVwZ 25 (2006), 46 (48). 575 EuGH, Rs. C-212 / 04, Adeneler, Slg. 2006, I-6057, Rn. 124. 576 Da die Legislative Recht schafft, aber nicht anwendet, trifft die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung innerstaatlich maßgeblich die Exekutive und die Judikative. 568 569

E. Reichweite und Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung

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beschlußkonformen Auslegung stehen, auf den Ablauf der Umsetzungsfrist abgestellt werden; ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rahmenbeschlusses, aber noch vor Ablauf der Umsetzungsfrist gilt für die Mitgliedstaaten allein ein Frustrationsverbot i. S. d. Art. 18 WVK.577

II. Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung Nachdem soeben die Reichweite der rahmenbeschlußkonformen Auslegung beschrieben worden ist, soll nun auf die Frage eingegangen werden, welchen Grenzen die Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung unterliegt. Zu wesentlichen Fragen hat sich der EuGH im Pupino-Urteil bereits selbst geäußert. Darüber hinaus muß die rahmenbeschlußkonforme Auslegung aber noch weiteren, auf den ersten Blick teils etwas überraschenden Einschränkungen unterliegen. In jedem Fall ist stets die Beschränkung des Art. 34 II lit. b a. E. EUV im Auge zu behalten, nach der ein Rahmenbeschluß nicht unmittelbar wirksam ist.

1. Wortlautgrenze – Verbot der Auslegung contra legem Als erste Grenze der rahmenbeschlußkonformen Auslegung ist die Wortlautgrenze zu nennen. Der EuGH erklärt unmißverständlich, daß die Pflicht zur Konformauslegung nicht zu einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts führen dürfe.578 Allerdings betont der EuGH ebenfalls die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Auslegung des nationalen Rechts soweit wie möglich an Wortlaut und Zweck des Rahmenbeschlusses auszurichten579 und gegebenenfalls das gesamte nationale Recht zu berücksichtigen, um zu beurteilen, inwieweit es so angewandt werden könne, daß kein dem Rahmenbeschluß widersprechendes Ergebnis erzielt werde.580 Allgemeine Ausführungen zu dieser Abgrenzungsproblematik scheinen kaum möglich; die feine Grenzlinie zwischen dem Optimum („soweit wie möglich“) und einer überschreitenden Auslegung contra legem dürfte indes nicht immer ganz leicht zu ziehen sein. Mehr noch als im Gemeinschaftsrecht muß im Unionsrecht vermieden werden, eine derart weitreichende Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung anzunehmen, daß diese einer unmittelbaren Wirkung des Rahmenbeschlusses gleichkäme. Denn im Gegensatz zur gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie ist im 577 Adam, EuZW 16 (2005), 558 (561); vgl. zur diesbezüglichen Situation im Gemeinschaftsrecht jüngst EuGH, Rs. C-212 / 04, Adeneler, Slg. 2006, I-6057, Rn. 121 ff.; von Oettingen / Rabenschlag, ZEuS 9 (2006), 363 (371 und 376); vgl. auch die überzeugenden Argumente bei Kühling, DVBl 121 (2006), 857 (863 ff.) sowie ausführlich Koller, 98 ff. 578 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 47. 579 Ibid., Rn. 43. 580 Ibid., Rn. 47.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

Unionsrecht eine unmittelbare Wirkung für den Rahmenbeschluß ausdrücklich ausgeschlossen worden und würde nichts weniger als einen direkten Verstoß gegen Art. 34 II lit. b a. E. EUV bedeuten. Mit Rücksicht auf die durchaus schwierige Abgrenzung zwischen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung und der unmittelbaren Anwendung eines Rahmenbeschlusses581 ist daher in Fällen, in denen eine klare Grenzziehung nicht möglich erscheint, eine zurückhaltende Anwendung des Instituts der rahmenbeschlußkonformen Auslegung zu fordern.

2. Rechtsstaatsprinzip Als weitere Grenze der rahmenbeschlußkonformen Auslegung nennt der EuGH das Prinzip der Rechtssicherheit sowie das Rückwirkungsverbot.582 Beide Prinzipien könnten unter dem Oberbegriff des Rechtsstaatsprinzips zusammengefaßt werden. Mit diesem wäre es nicht vereinbar, wenn die Auslegung im Lichte eines Rahmenbeschlusses strafbegründend oder strafschärfend wirken würde.583 Ausgeschlossen wird hiermit im Bereich des Strafrechts namentlich auch eine Analogie zu Lasten des einzelnen.584 Im übrigen dürften im Zusammenhang mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit all jene strafrechtlichen und strafprozessualen Verbürgungen gelten, die bereits aus den nationalen Rechtsordnungen bekannt sind.585 Genannt seien etwa das Bestimmtheitsgebot 586 oder auch die Unschuldsvermutung.587 Die Auslotung der genauen Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips als äußerer Grenze der rahmenbeschlußkonformen Auslegung wird jedoch eine Sache des Einzelfalls bleiben müssen. 581 Vgl. zur Schwierigkeit dieser Abgrenzung oben Zweiter Teil C. I. 1. d) aa) und insb. die Fundstellen in Zweiter Teil, Fn. 141. 582 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 44. 583 Ibid., Rn. 45; Bantekas, ELRev 32 (2007), 365 (368). Für das Gemeinschaftsrecht ist ebenfalls anerkannt, daß die richtlinienkonforme Auslegung nicht zu einer Strafbegründung oder einer Strafschärfung führen darf; EuGH, Rs. C-60 / 02, X, Slg. 2004, I-651, Rn. 61. 584 Ligeti, 266. 585 Vgl. auch Egger, EuZW 16 (2005), 652 (654). Vgl. näher zu den Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung im deutschen Recht Wehnert, NJW 58 (2005), 3760 (3760 f.); vgl. auch Ross, ELRev 31 (2006), 476 (497). 586 Es erscheint dem Verfasser als nicht vorstellbar, daß eine sehr allgemein gehaltene nationale Strafrechtsnorm, die an sich im Lichte des Bestimmtheitsgebots als rechtsstaatswidrig anzusehen wäre, mit Hinweis auf einen konkretisierenden Rahmenbeschluß als mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar zu beurteilen wäre. In diesem Falle dürfte zwar ein Problem mit dem (strafrechtlichen) Rückwirkungsverbot (Art. 103 II GG) kaum bestehen, da die Norm bereits vor der Tat gesetzt war. In Anbetracht der sehr hohen Anforderungen, die an die Bestimmtheit einer Norm im Strafrecht gestellt werden [vgl. etwa Degenhart, in: Sachs, Art. 103, Rn. 67], dürfte ein Rückgriff auf einen Rahmenbeschluß (wie i. ü. auch auf eine Richtlinie) zur Konkretisierung und damit zur „Heilung“ der Unbestimmtheit der nationalen Strafnorm ausgeschlossen sein. 587 Für die Unschuldsvermutung BVerfGE 74, 358.

E. Reichweite und Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung

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3. Verbot der Berufung auf einen Rahmenbeschluß als Maßstabsrecht a) Zu Lasten des einzelnen Ebenfalls als ein Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips muß auch die Berufung seitens des Staates auf einen Rahmenbeschluß als Maßstabsrecht ausgeschlossen sein, um eine mildere strafrechtliche Norm zu Lasten des einzelnen außer acht zu lassen.588 Maßstabsrecht589 meint hierbei die (objektive) Berufung auf einen Rahmenbeschluß mit dem Ziel, eine innerstaatliche Rechtsnorm wegen Unvereinbarkeit mit einem Rahmenbeschluß unangewendet zu lassen. Daß die Berufung auf einen Rahmenbeschluß zu Lasten des Bürgers – jedenfalls im Strafrecht – scheitern muß, kann im Lichte des Rechtsstaatsprinzips nicht überraschen.

b) Zugunsten des einzelnen Fraglich ist jedoch, ob dies auch für den umgekehrten Fall gelten kann, daß unter Berufung auf einen Rahmenbeschluß eine strengere nationale Norm außer acht gelassen werden soll. Das Problem in dieser Konstellation ist nämlich – noch diesseits der Vorrangproblematik590 – die Frage, ob es sich bei dem Außerachtlassen einer nationalen Norm aufgrund eines Rahmenbeschlusses möglicherweise um eine – durch Art. 34 II lit. b a. E. EUV explizit ausgeschlossene – unmittelbare Wirkung des Rahmenbeschlusses handelt. Im Zusammenhang mit der parallelen Problematik im Gemeinschaftsrecht wird die Berufung auf eine Richtlinie zur Nichtanwendung einer nationalen Norm häufig als „negative Direktwirkung“ beziehungsweise „negative unmittelbare Wirkung“ bezeichnet.591 Diese Bezeichnung ist aus zweierlei Gründen zutreffend: Zum einen kann eine gemeinschaftsrechtliche Norm eine nationale Norm allein dann verdrängen, wenn auch die gemeinschafts588 Für die gemeinschaftsrechtliche Richtlinie EuGH, Rs. C-387 / 02, C-391 / 02 und C-403 / 02, Berlusconi u. a., Slg. 2005, I-3565, Rn. 72 ff. 589 Nach Götz, in: FS Ress, 485 (491); im englischen bzw. französischen Sprachraum wird treffend von „invocability“ bzw. „invocabilité (d’exclusion)“ gesprochen. 590 Verdrängt werden kann eine nationale Norm freilich nur, wenn und soweit einer Rahmenbeschlußbestimmung Vorrang vor dem nationalen Recht zukommt. Vgl. hierzu unten Dritter Teil C. III. 2. d). 591 Herresthal, EuZW 18 (2007), 396 (398); Herrmann, Richtlinienumsetzung, 58 ff.; id., EuZW 17 (2006), 69; Meier, 48 – 50; von Oettingen / Rabenschlag, ZEuS 9 (2006), 363 (377); Reich, EuZW 17 (2006), 20 (21); siehe auch Lenz / Sif Tynes / Young, ELRev 25 (2000), 509 (516 ff.); Prechal, CMLRev 42 (2005), 1445 (1455 f. m. w. N. und insb. 1462); Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (318); Thüsing, ZIP 25 (2004), 2301 (2303); Peers spricht von „principle of direct effect or the closely connected obligation to set aside national law“ [CMLRev 44 (2007), 883 (920)]; Gas zufolge handelt es sich bei der beschriebenen Konstellation gar schlicht um eine „unmittelbare Anwendung von Richtlinien zu Lasten Privater“ [EuZW 16 (2005), 737].

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

rechtliche Norm unmittelbar anwendbar ist.592 Zum anderen wirkt die Richtlinie im Falle der Verdrängung einer nationalen Norm durch eine Richtliniennorm gerade nicht mehr vermittelt durch eine nationale Norm;593 vielmehr wird die nationale Norm durch die Richtlinie gänzlich verdrängt. Dies noch als eine bloß mittelbare Wirkung der Richtlinie zu bezeichnen, erscheint nicht mehr möglich. Insofern stellt der EuGH im Falle der Verdrängung nationalen Rechts durch eine Richtlinie konsequenterweise darauf ab, ob die Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist594 – womit er nichts anderes macht, als die Kriterien der unmittelbaren Wirkung einer Richtlinie anzuwenden.595 Insoweit müßte infolge des ausdrücklichen Ausschlusses einer unmittelbaren Wirkung von Rahmenbeschlüssen nach Art. 34 II lit. b a. E. EUV sogar die für den Bürger begünstigende – unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gänzlich unproblematische – Berufung auf einen Rahmenbeschluß mit dem Ziel, eine schärfere strafrechtliche nationale Norm zu verdrängen, ausgeschlossen sein.596 Zwar mag es auf den ersten Blick eher fernliegend erscheinen, daß sich eine solche Konstellation überhaupt ergeben kann, in der dem nationalen Strafrecht durch einen Rahmenbeschluß auch gewisse Grenzen gesetzt werden sollen, der Rahmenbeschluß mithin für den einzelnen begünstigend wirkt. Zielt doch das Unionsrecht nach Art. 31 I lit. e EUV prinzipiell auf die Festlegung eines Mindeststrafniveaus, nicht hingegen eines Höchststrafniveaus ab. Ausgeschlossen ist eine solche Konstellation indes nicht. So können etwa namentlich auch Bestimmungen über strafmildernde Umstände auf Art. 31 I lit. e EUV gestützt werden.597 592 Classen, JZ 52 (1997), 724 (725); von Danwitz, RTD eur. 43 (2007), 575 (587 ff.); id., JZ 62 (2007), 697 (702 f.); Dashwood, CYELS 7 (2004 – 2005), 33 (36); Dörr, Europäisierter Rechtsschutzauftrag, 139 f.; Koenigs, JZ 52 (1997), 941; Meier, 61; Scherzberg, Jura 15 (1993), 225 (229); siehe auch Steindorff, ZHR 152 (1988), 474 (484 f.); für ein von der unmittelbaren Wirksamkeit losgelöstes Vorrangprinzip hingegen Craig / de Búrca, 352 sowie Lenaerts / Corthaut, ELRev 31 (2006), 287 (289 – 292), die allerdings einräumen, daß sich ein solcher Ansatz nicht uneingeschränkt in der EuGH-Rechtsprechung nachweisen lasse [ibid., 292]. 593 Dashwood, CYELS 9 (2006 – 2007), 81 (103). 594 EuGH, Rs. 148 / 78, Ratti, Slg. 1979, 1629, Rn. 23; id., Rs. 8 / 81, Becker, Slg. 1982, 53, Rn. 25; id., Rs. C-194 / 94, CIA, Slg. 1996, I-2201, Rn. 44. 595 Vgl. Dougan, CMLRev 44 (2007), 931 (941 f.); Prechal, EBLR 17 (2006), 299 (304 f.); Scherzberg, Jura 15 (1993), 225 (229); Spaventa, YEL 25 (2006), 153 (169). 596 Dies gilt erst recht natürlich auch für die den Bürger belastende Berufung auf einen Rahmenbeschluß seitens des Staates; siehe soeben Zweiter Teil E. II. 3. a). Gegen die generelle Möglichkeit des einzelnen, sich auf einen Rahmenbeschluß berufen zu können mit dem Ziel, entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen Fletcher, ELRev 30 (2005), 862 (876); Gärditz / Gusy, GA 153 (2006), 225 (237); Meier, 198; Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (323 f.); Schroeder, EuR 42 (2007), 349 (366 f.); id., in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 37 (57); nach Bergström kann sich der einzelne niemals ggü. dem Staat auf einen Rahmenbeschluß berufen [ERT 9 (2006), 569 (570)]; ganz ähnlich von Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (112); a. A. Lenaerts / Corthaut, ELRev 31 (2006), 287 (301); Prechal, in: Barnard, 35 (62 – 64). 597 Wasmeier, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 31 EUV, Rn. 56; skeptisch hingegen Asp, EU & Straffrätten, 235.

E. Reichweite und Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung

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Für den einzelnen erscheint es daher durchaus sinnvoll, sich auf einen strafmildernde Umstände vorsehenden Rahmenbeschluß zu berufen, sollte ein Mitgliedstaat ebensolche nicht in das nationale Strafrecht eingeführt haben. Auch die Verwirklichung des Art. 31 I lit. c EUV, nach dem generell die Vereinbarkeit der jeweils geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten untereinander zur Verbesserung der Zusammenarbeit gewährleistet werden soll, mag es im Einzelfall erforderlich machen, gewisse Obergrenzen in den nationalen Strafrechtsordnungen vorzusehen. Solange es bei einer bloßen rahmenbeschlußkonformen Auslegung des nationalen Strafrechts verbleibt, erscheint ein den einzelnen begünstigendes Berufen auf einen Rahmenbeschluß unproblematisch. Dies mag etwa für den Fall gelten, daß in einem Rahmenbeschluß vorgesehene strafmildernde Umstände innerstaatlich bei der Strafzumessung unter Ausnutzung des vorgegebenen Strafrahmens der nationalen Strafnorm berücksichtigt werden können. Problematisch könnte dies indes dann werden, wenn eine nationale Strafrechtsnorm vollkommen durch einen Rahmenbeschluß verdrängt werden soll, da insoweit – wie dargestellt – nicht mehr von einer bloß mittelbaren Anwendung des Rahmenbeschlusses gesprochen werden kann. Eine solche Konstellation kann sich namentlich im Zusammenhang mit strafrechtlichen Privilegierungstatbeständen ergeben. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an § 258 V des deutschen Strafgesetzbuches, wonach – in aller Kürze – derjenige nicht wegen Strafvereitelung strafbar ist, der zugleich verhindern will, daß er selbst einer Strafverfolgung ausgesetzt wird. Sähe nun ein Rahmenbeschluß einen solchen Privilegierungstatbestand vor und würde sich ein Beschuldigter auf diesen – im Beispielsfall nicht in das nationale Strafrecht implementierten – Privilegierungstatbestand berufen, so bliebe die nationale Strafrechtsnorm letztlich unangewendet, würde also durch den Rahmenbeschluß gänzlich verdrängt. Auch wenn dies zugunsten des einzelnen erfolgt und somit keinen rechtsstaatlichen Bedenken begegnet, ändert dies nichts an der – negativen – Direktwirkung des Rahmenbeschlusses. Als Lösung – wohlgemerkt nicht Auflösung – dieses unbefriedigenden Ergebnisses kann der Verfasser nur folgende Vorgehensweise vorschlagen: Solange die Berufung auf einen in einem Rahmenbeschluß beinhalteten Privilegierungstatbestand (oder anderweitig begünstigende Regelungen) nicht durch eine eindeutige Rechtsprechung – am besten durch das BVerfG – für die Zukunft ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, sollte, soweit das materielle Strafrecht betroffen ist und sich ein Angeklagter auf Regelungen eines Rahmenbeschlusses beruft, zugunsten des Angeklagten sehr großzügig von dem unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 Satz 1 des Strafgesetzbuches Gebrauch gemacht werden mit der Folge, daß zwar das deutsche Strafgesetz als solches unmittelbar anwendbar bleibt, im konkreten Fall aber gleichwohl nicht zu Lasten des Angeklagten angewendet wird.598 Damit 598 Nach § 17 Satz 1 des Strafgesetzbuches handelt derjenige ohne Schuld, dem bei Begehung der Tat die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte.

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

will der Verfasser ganz gewiß nicht einem nonchalanten Umgang mit der ausdrücklichen Regel des Art. 34 II lit. b a. E. EUV das Wort reden, sondern lediglich den hohen Stellenwert des Rechtsstaatsprinzips unterstreichen – und damit letztlich eine Route aus diesem Dilemma ein Stück weit näher an Skylla als an Charybdis vorschlagen.

4. Verbot einer mittelbaren Anwendung im umgekehrt vertikalen Verhältnis Unstreitig kann nationales Recht auch zum Nachteil des Bürgers von Gemeinschaftsrecht verdrängt werden.599 Dies kann allerdings allein für das unmittelbar anwendbare Gemeinschaftsrecht gelten,600 da nur insoweit überhaupt eine Kollisionslage zwischen nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Rechtsnorm auftreten kann.601 Eine solche unmittelbare Kollision ist im Unionsrecht wegen dessen fehlender unmittelbarer Wirkung von vornherein nicht vorstellbar.602 a) Verbot einer rahmenbeschlußkonformen Auslegung im umgekehrt vertikalen Verhältnis zu Lasten des einzelnen Insofern kann allein eine indirekte Kollision zwischen der – unmittelbar anwendbaren – nationalen Norm und der – nur mittelbar anwendbaren – unionsrechtlichen Norm auftreten. Für die – ebenfalls nur mittelbar anwendbare – Richtlinie ist anerkannt, daß sie zu Lasten des Bürgers im sogenannten „umgekehrt vertikalen Verhältnis“ nicht zu unmittelbarer Wirkung erstarken kann.603 Der Staat kann sich mit anderen Worten also nicht zu Lasten des Bürgers unmittelbar auf eine nicht in nationales Recht umgesetzte Richtlinie berufen. Dieses bedeutet insbesondere auch, daß sich der Staat nicht zu Lasten des einzelnen auf eine Richtlinie berufen kann, um hierdurch eine nationale Norm unangewendet zu lassen.604 EuGH, Rs. C-24 / 95, Alcan, Slg. 1997, I-1591. In der Rs. Alcan ging es um die Konkurrenz der – unmittelbar anwendbaren – nationalen Verwaltungsvorschriften des (deutschen) VwVfG und der beihilferechtlichen Bestimmung des (heutigen) Art. 88 III 3 EGV, die ebenfalls unmittelbar anwendbar ist; vgl. Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 88 EGV, Rn. 67. 601 Vgl. die Nachweise in Zweiter Teil, Fn. 592 sowie die Ausführungen in Zweiter Teil E. II. 3. b). 602 Ebenso Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (377). Ein Unionsakt, der contra legem unmittelbare Wirkungen vorsehen würde, wäre i. ü. rechtswidrig und könnte schon deshalb nationales Recht nicht verdrängen. Vgl. zur Frage, inwieweit ein rechtswidriger Unionsakt mehr noch ipso jure als nichtig anzusehen wäre, die Ausführungen in Erster Teil, Fn. 103. 603 EuGH, Rs. 152 / 84, Marshall, Slg. 1986, 723, Rn. 48; zuletzt id., Rs. C-201 / 02, Wells, Slg. 2004, I-723, Rn. 56. 604 EuGH, Rs. C-387 / 02, C-391 / 02 und C-403 / 02, Berlusconi u. a., Slg. 2005, I-3565, Rn. 72 ff. 599 600

E. Reichweite und Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung

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Dieser Gedanke müßte jedoch auch ganz allgemein gelten und sich insoweit gleichermaßen auf die bloß mittelbare Anwendung einer Richtlinie zu Lasten des Bürgers übertragen lassen. Zwar ist anerkannt, daß eine nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzte Richtlinie auch im horizontalen Verhältnis zwischen zwei Bürgern mittelbar zu beachten ist, namentlich im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts,605 so daß eine Richtlinie mittelbar ganz offensichtlich auch zu Lasten eines Bürgers angewandt werden kann. Sehr fraglich erscheint indes, ob es dem Staat erlaubt sein kann, zu seinen eigenen Gunsten und zu Lasten eines Bürgers sich mittelbar auf eine Richtlinie zu berufen, sich also auf die richtlinienkonforme Auslegung zu berufen und so von seinem eigenen Umsetzungsversäumnis zu profitieren. Es ist im Gemeinschaftsrecht anerkannt, daß die richtlinienkonforme Auslegung nicht zu einer Strafbegründung oder -schärfung des einzelnen führen darf.606 Zu einer mittelbaren Berufung seitens des Staates zu Lasten des einzelnen existiert außerhalb des materiellen Strafrechts – soweit ersichtlich – indes keine Rechtsprechung des EuGH, und auch in der Literatur scheint diese Frage noch kaum Anlaß zu Diskussionen gegeben zu haben. Es scheint jedoch nur der Logik der Argumentation zum Verbot der unmittelbaren Anwendbarkeit einer Richtlinie im umgekehrt vertikalen Verhältnis zu folgen, wenn ein Staat sich nicht auf eine Konformauslegung des nationalen Rechts mit einer defizitär – oder gar nicht – umgesetzten Richtlinie berufen kann, um auf diesem Wege beispielsweise einen Verwaltungsakt gegen einen Bürger zu erlassen, der so bei isoliertem Zugrundelegen der nationalen Norm nicht hätte rechtmäßig ergehen können.607 Die Konformauslegung wird nicht selten zu einem ähnlich belastenden Ergebnis führen wie die unmittelbare Anwendung der Richtlinie,608 so daß ein substantieller Unterschied kaum mehr auszumachen ist.609 Auch wäre ein – wenn auch nur mittelbares – Berufen des Staates auf die Richtlinie mit dem Gedanken „the State cannot plead its own wrong“610 unvereinbar, so daß auch aus diesen Erwägungen dem Staat die Berufung auf eine Richtlinie zu Lasten des einzelnen untersagt sein muß.611 Im umgekehrt vertikalen Verhältnis kann die richtlinienkonforme Auslegung mithin keine Anwendung finden. Vgl. nur EuGH, Rs. C-106 / 89, Marleasing, Slg. 1990, I-4135, Rn. 8 ff. EuGH, Rs. C-60 / 02, X, Slg. 2004, I-651, Rn. 61. 607 Ebenso Dashwood, CYELS 9 (2006 – 2007), 81 (92); Drake, ELRev 30 (2005), 329 (338); a. A. Prechal, Directives, 214 f. Vgl. auch EuGH, Rs. C-168 / 95, Arcaro, Slg. 1996, I-4705, Rn. 42. 608 Betlem / Nollkaemper, EJIL 14 (2003), 569 (583); Thüsing, ZIP 25 (2004), 2301 (2301); Tinkl, StV 26 (2006), 36 (38). 609 Skouris, EBLR 17 (2006), 241 (247): „[T]he national judge ought to interpret national law in such a way that the directive is applied, although it has not been transposed.“ Vgl. auch allgemein zur Abgrenzung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Wirkung oben Zweiter Teil C. I. 1. d) aa). 610 Vgl. Schlußanträge, Rs. C-188 / 89, Foster, Slg. 1990, I-3313, Rn. 5. 611 Drake, ELRev 30 (2005), 329 (338). 605 606

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

Der Schluß, daß dasselbe dann auch im Unionsrecht für die rahmenbeschlußkonforme Auslegung gelten muß, kann nun nicht weiter überraschen. Als Ergebnis kann somit festgehalten werden, daß im umgekehrt vertikalen Verhältnis zwischen Staat und Bürger die rahmenbeschlußkonforme Auslegung aus den genannten Gründen keine Anwendung finden kann.612 Streng genommen wäre demnach auch in der Rechtssache Pupino die mittelbare Berufung auf den Rahmenbeschluß seitens des Staates verboten gewesen, weil mit dem Ermittlungsrichter ein staatliches Organ den Rahmenbeschluß mittelbar anwenden wollte. Man darf wohl davon ausgehen, daß in diesem konkreten Fall das Berufen auf den Rahmenbeschluß – das schließlich dazu führen sollte, den mutmaßlich mißhandelten Kindern eine Aussage vor Gericht zu ersparen und statt dessen ihre Aussage im Rahmen eines Vorverfahrens zu Protokoll geben zu dürfen – diesen durchaus Recht gewesen sein wird. Insoweit kann wohl kaum von einer Berufung auf den Rahmenbeschluß zu Lasten des einzelnen gesprochen werden.613 Jedenfalls müßte es den dergestalt Betroffenen freistehen, in die mittelbare Anwendung des Rahmenbeschlusses nach eigenem Belieben einwilligen zu können, sich also selbst auf den Rahmenbeschluß zu berufen. Sollte indes der einzelne eine solche Berufung auf einen Rahmenbeschluß seitens des Staates – aus welchen Gründen auch immer – als eine Belastung empfinden, so ist der Staat daran gehindert, den Rahmenbeschluß mittelbar anzuwenden. Da die Staaten in der die Dritte Säule beherrschenden polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen jedoch die ganz maßgeblichen Hauptakteure sind, wird der Anwendungsbereich des Prinzips der rahmenbeschlußkonformen Auslegung hierdurch ganz wesentlich beschnitten.614

b) Kein generelles Verbot einer rahmenbeschlußkonformen Auslegung bei drittbelastenden Rahmenbeschlüssen Hingegen scheint die Tatsache, daß – wie im Fall Pupino – eine Privatperson durch die rahmenbeschlußkonforme Auslegung des nationalen Rechts auf die eine oder andere Weise benachteiligt wird, prinzipiell nicht gegen die Konformauslegung zu sprechen. Nach der einschlägigen EuGH-Judikatur sind im Rahmen der 612 Nicht anders dürfte die Situation nach dem deutschen Verfassungsrecht zu beurteilen sein. Auch hier erscheint es kaum vorstellbar, daß der Staat allein aufgrund einer nach außen eingegangenen Verpflichtung, der es aber an der parlamentarischen Zustimmung nach Art. 59 II 1 GG gebricht, die innerstaatlichen Rechtsgrundlagen zu seinen eigenen Gunsten und zu Lasten des einzelnen faktisch erweitert. Jedenfalls könnte eine extensive Auslegung des nationalen Rechts im Lichte völkerrechtlicher Verpflichtungen keinen Vorrang vor anderen – nach dem Willen des Gesetzgebers fragenden – Auslegungsvarianten beanspruchen. Von einem solchen Vorrang der rahmenbeschlußkonformen Auslegung vor anderen Auslegungsvarianten geht aber wohl der EuGH aus; vgl. unten Dritter Teil C. I. 2. 613 Vgl. aber zu mittelbaren Lasten Dritter sogleich im Zweiten Teil E. II. 4. b). 614 Vgl. zu alledem Tinkl, StV 26 (2006), 36 (40).

E. Reichweite und Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung

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unmittelbaren Berufung auf Richtlinien im Verhältnis Bürger / Staat „negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter, selbst wenn sie gewiss sind“ unbeachtlich.615 Etwas anderes kann für den Fall einer bloß mittelbaren Berücksichtigung eines Rahmenbeschlusses nicht gelten.616 Insbesondere stellen solche – faktischen – negativen Auswirkungen zu Lasten Dritter keine unmittelbare Anwendung dar.617 Insofern sind die im Gemeinschaftsrecht entwickelten Grundsätze auf das Unionsrecht zu übertragen. Dies erscheint insoweit auch als unbedenklich, als bei mehrpoligen Verhältnissen dasselbe Ergebnis auch bei einer Konformauslegung aufgrund nationalen (Verfassungs-)Rechts zu konstatieren wäre.618 Auch dort verhindern mittelbare Belastungen für Dritte die Berücksichtigung völkerrechtlicher Normen nicht. Dies bedeutet indes nicht, daß etwaig betroffene Rechte Dritter gänzlich unbeachtlich wären. Die Rechte Dritter müssen durchaus berücksichtigt werden,619 nur verhindern sie die rahmenbeschlußkonforme Auslegung als solche noch nicht. Eine besonders eindrückliche Berücksichtigung der (Menschen- / Grund-)Rechte Dritter gebietet sich indes gerade im Recht der Dritten Säule, wo es namentlich auch um Straf- beziehungsweise Strafprozeßrecht geht. Auch wenn – wie im Fall Pupino – allein das Strafprozeßrecht betroffen ist,620 in dem weniger hohe Maßstäbe an die Rechtssicherheit anzulegen sind wie im materiellen Strafrecht,621 kann doch hier nicht schlicht die Wells-Rechtsprechung des EuGH zu drittbelastenden Richtlinien unbesehen auf die Dritte Säule übertragen werden.622 Es ist daher 615 EuGH, Rs. C-201 / 02, Wells, Slg. 2004, I-723, Rn. 57; vgl. auch Prechal, CMLRev 42 (2005), 1445 (1459 f.). 616 Vgl. Apps, Col JEL 12 (2006), 625 (636). 617 Für die Richtlinie EuGH, Rs. C-201 / 02, Wells, Slg. 2004, I-723, Rn. 58; vgl. auch Götz, in: FS Ress, 485 (493 f.); vgl. auch schon oben Zweiter Teil C. I. 1. d) bb). 618 Vgl. etwa die Görgülü-Entscheidung des BVerfG, in dem dieses den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ungeachtet der mehrpoligen Sachverhaltsgestaltung angewandt hat; BVerfGE 111, 307 (317 ff.). 619 Der EuGH verweist ausdrücklich auf die Menschenrechte, die zu beachten seien; EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 59; vgl. schon oben zur Grenze des Rechtsstaatsprinzips Zweiter Teil E. II. 2. Das BVerfG mahnt bei mehrpoligen Verhältnissen ebenfalls die Beachtung der (Grund-)Rechte aller Beteiligter an; BVerfGE 111, 307 (324 f.). 620 Der EuGH läßt es bei dieser Feststellung bewenden, überläßt es i. ü. jedoch dem nationalen Gericht zu gewährleisten, daß die rahmenbeschlußkonforme Auslegung des Strafprozeßrechts nicht zu einem unfairen, gegen Art. 6 I EMRK verstoßenden Verfahren führt; EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 46 bzw. 60. 621 BVerfGE 25, 269; Skouris, EBLR 17 (2006), 241 (252). 622 Nach dem BVerfG könnte es, obgleich das strafrechtliche Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG nur für Änderungen des materiellen Strafrechts gelte, wozu das Auslieferungsrecht nicht gerechnet werde, „[e]iner materiellen rückwirkenden Rechtsänderung [ . . . ] jedoch gleichstehen, wenn sich ein bislang vor einer Auslieferung absolut geschützter Deutscher für Taten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verantworten muß, die keinen maßgeblichen Auslandsbezug aufweisen und zum Zeitpunkt ihrer Begehung in Deutschland straffrei waren“; BVerfGE 113, 273 (308 f.); vgl. prononciert in diesem Sinne zugunsten eines Rückwirkungsverbots auch im Auslieferungsrecht Buermeyer, HRRS 6 (2005), 273 (281 –

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

nicht zureichend, schlicht festzustellen, eine umgekehrt unmittelbare Wirkung des Rahmenbeschlusses liege nicht vor, da Verpflichtungen für Dritte nicht zu gewärtigen seien, und im übrigen die negativen Auswirkungen auf die Rechte Dritter, so gewiß sie auch seien, für unbeachtlich zu erklären.623 Dieses nonchalante Vorgehen verböte sich vorliegend im Fall Pupino nicht nur mit Blick auf Art. 6 III lit. d EMRK,624 sondern würde überdies die enorme Bedeutung eines rechtsstaatlichen und eben gerade auch vorhersehbaren Strafprozesses verkennen.625 Auch der Hinweis auf einen noch so notwendigen effet utile – auch von Rahmenbeschlüssen – vermag diese grundlegenden rechtsstaatlichen Erfordernisse nicht zu derogieren. Wenn es wirklich darum gehen soll, die Forderung nach einer möglichst großen Effektivität des Unionsrechts mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit in einen gerechten Ausgleich zu bringen,626 muß – jedenfalls soweit das Straf- beziehungsweise Strafprozeßrecht betroffen ist – die Effektivität regelmäßig hinter der Rechtssicherheit zurückstehen.627 Insbesondere strafprozessuale Beweisregeln sind insoweit nur mit größter Vorsicht an den Regelungen eines Rahmenbeschlusses auszurichten.628 283). Lorenzmeier spricht im Zusammenhang mit dem Strafprozeßrecht von „indirekte[r] Strafbegründung durch strafprozessuale Vorschriften“ [ZIS 1 (2006), 576 (581)] bzw. führt aus, „[i]n this regard [the procedural rules] are as important as provisions of the Italian Criminal Code“ [ZIS 1 (2006), 583 (587)]. 623 So aber Generalanwältin Kokott in ihren Schlußanträgen in der Rs. Berlusconi u. a., in der es um die faktische Verschärfung der Strafbarkeit durch Außerachtlassen einer milderen nationalen Strafrechtsnorm unter Berufung auf eine Richtlinie ging; Schlußanträge, Rs. C-387 / 02, C-391 / 02 und C-403 / 02, Berlusconi u. a., Slg. 2005, I-3565, Rn. 153. Dieser Argumentation ist der EuGH mit Recht nicht gefolgt; vgl. Skouris, EBLR 17 (2006), 241 (251). 624 Zwar sieht der EGMR diese Vorschrift nicht als absolut an; es kann also unter bestimmten Voraussetzungen die direkte Befragung von Belastungszeugen durchaus ausgeschlossen sein. Doch müssen die Rechte des Beschuldigten auf jeden Fall umfassend berücksichtigt werden und mit denen des als Belastungszeuge auftretenden Opfers in einen gerechten Ausgleich gebracht werden; etwa EGMR, S.N., RJD 2002-V, 145, Rn. 47. 625 Die französische Regierung hat im Verfahren der Rs. Pupino vorgetragen, daß die Anwendung eines Rahmenbeschlusses nicht zu einer Verschlechterung der Situation des einzelnen im Rahmen eines Strafverfahrens führen dürfe, was auch die Verschlechterung der strafprozessualen Position einschließe; EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 24. Ross sieht gerade wegen der intransparenten Vorgaben des EuGH in der Rs. Wells die Vorhersehbarkeit des Ausgangs derartig gelagerter Fälle vor dem EuGH gefährdet [ELRev 31 (2006), 476 (489)] – eine Gefahr, deren Ausgreifen auf nationale strafprozessuale Verfahren es zu verhindern gilt. 626 Vgl. Skouris, EBLR 17 (2006), 241 (241). 627 Prononciert Lorenzmeier, ZIS 1 (2006), 576 (580 f.); vgl. auch Buermeyer, HRRS 6 (2005), 273 (278 f.) sowie Skouris, EBLR 17 (2006), 241 (252), nach dem die Bedeutung der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit dem materiellen Strafrecht nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. 628 Teils wird davon ausgegangen, daß das Analogieverbot aus Art. 103 II GG weithin im Strafprozeßrecht Anwendung finde, jedenfalls aber grundsätzlich auf die beweisbildenden strafprozessualen Vorschriften; Jäger, GA 153 (2006), 615 (620 ff.); vgl. auch Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1127).

F. Übertragbarkeit auf andere Rechtsakte der Zweiten und Dritten Säule

187

Das soeben Gesagte gilt freilich maßgeblich nur für das Straf- beziehungsweise Strafprozeßrecht, also im Zusammenhang mit der justitiellen Zusammenarbeit. In bezug auf die polizeiliche Zusammenarbeit bleibt es bei der oben grundsätzlich festgestellten Regel, wonach negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter generell unbeachtlich sind und daher die Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung nicht hindern.

5. Ergebnis Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung Nach alledem ist klar, daß die rahmenbeschlußkonforme Auslegung eine nur geringe praktische Anwendbarkeit haben kann verglichen mit der richtlinienkonformen Auslegung.629 Die rahmenbeschlußkonforme Auslegung ist von vornherein praktisch auf das Verhältnis Staat / Bürger begrenzt, da das Gebiet der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen vom Subordinationsverhältnis zwischen Staat und Bürger geprägt ist; unmittelbare Relevanz zwischen zwei Bürgern dürfte ein Rahmenbeschluß nur selten – falls überhaupt – erlangen.630 In dem Verhältnis Staat / Bürger ist es jedoch der staatlichen Seite von vornherein verwehrt, sich gegenüber dem Bürger auf einen defizitär umgesetzten Rahmenbeschluß zu berufen. Der umgekehrte Fall der Berufung auf einen Rahmenbeschluß seitens des Bürgers ist freilich möglich. Aber auch hier ist die Grenze des Art. 34 II lit. b a. E. EUV zu beachten, nach der der Rahmenbeschluß nicht unmittelbar wirksam ist. Eine allzu extensive Auslegung des nationalen Rechts, die einer unmittelbaren Wirkung des Rahmenbeschlusses gleichkäme, verbietet sich daher. Allerdings wird diese ohnehin schon unübersichtliche Situation noch durch das – zumindest in Strafverfahren – stets virulente Rechtsstaatsprinzip kompliziert, das in Ausnahmefällen sogar eine gewisse Umgehung von Art. 34 II lit. b a. E. EUV gebieten kann. Insgesamt unterliegt die rahmenbeschlußkonforme Auslegung somit mannigfaltigen Begrenzungen.

F. Übertragbarkeit auf andere Rechtsakte der Zweiten und Dritten Säule Es fragt sich, ob die Rechtsprechung des EuGH zur verpflichtenden rahmenbeschlußkonformen Auslegung nationalen Rechts auf die übrigen Akte der Dritten Säule oder gar der Zweiten Säule übertragen werden kann. Bei Zugrundelegung der Argumentation des Verfassers, der bereits für den Rahmenbeschluß eine mitgliedstaatliche Verpflichtung zur Konformauslegung qua Unionsrecht ablehnt, kann eine Übertragung dieser Grundsätze auf die übrigen Akte der Zweiten und 629 630

Ebenso Asp, EU & Straffrätten, 234 – 236. Kurcz / azo wski, YEL 25 (2006), 177 (196).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

Dritten Säule kraft Unionsrechts nicht befürwortet werden. Da sich nach der Ansicht des Verfassers die mitgliedstaatliche Verpflichtung zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung allein aus dem jeweiligen (Verfassungs-)Recht der Mitgliedstaaten ableitet, bemißt sich die Frage nach der Übertragbarkeit auf andere Rechtsakte der Zweiten und Dritten Säule wiederum allein nach diesem. Allgemeine, für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gültige Aussagen sind hierzu nur eingeschränkt möglich. Es spricht aus Sicht des Verfassers jedoch viel dafür, allgemein vom Bestehen einer Verpflichtung zur Konformauslegung auch in bezug auf die anderen Rechtsakte in allen Mitgliedstaaten auszugehen, da dies der Logik der völkerrechtskonformen Auslegung folgt. Allerdings mag der Umfang der Verpflichtung je nach Rechtsakt (und natürlich Mitgliedstaat)631 variieren.632 Hingegen dürfte sich nach der Ansicht des EuGH (verpflichtende Konformauslegung kraft Unionsrechts) eine Übertragung der Pupino-Grundsätze auf die übrigen Rechtsakte der Zweiten und Dritten Säule nicht ganz leicht argumentieren lassen.

I. Akte der Zweiten Säule Jedenfalls wird der EuGH keine Gelegenheit haben, im Rahmen der Zweiten Säule ein vergleichbares Urteil zu sprechen, da es ihm schlicht an der erforderlichen Zuständigkeit fehlt. Im Gegensatz zur Dritten Säule, in deren Rahmen der EuGH durchaus nicht zu vernachlässigende Kompetenzen hat,633 fehlt ihm in der Zweiten Säule von vornherein jegliche Zuständigkeit,634 von der er, auf welche Art auch immer, ausschweifenden Gebrauch machen könnte. Vgl. oben Erster Teil, Fn. 185. Für den Bereich der Zweiten Säule mag sich möglicherweise insoweit eine weniger weitreichende Berücksichtigungspflicht der Unionsakte argumentieren lassen, als nationale Gerichte, wenn und soweit außenpolitische Angelegenheiten betroffen sind, häufig eine wenig progressive Rechtsprechungslinie verfolgen, sondern vielmehr in teils starkem Maße Rücksicht auf die Belange der Exekutive nehmen. Auch wenn bei der Frage der Auslegung nationaler Normen im Lichte außenpolitischer Akte der Exekutive diese Akte selbst nicht unmittelbarer Untersuchungsgegenstand sind, müßte ein Gericht doch Inhalt und Bedeutung des betreffenden Aktes näher bestimmen, um diesen überhaupt als Interpretationsmaßstab für das nationale Recht anwenden zu können. Vor einer verbindlichen (hinreichend) genauen Bestimmung von Inhalt und Bedeutung außenpolitischer Akte dürften nationale Gerichte jedoch häufig zurückschrecken. Ebenso Prechal, in: Barnard, 35 (68, insb. Fn. 159); vgl. zur Exekutive-freundlichen Judikatur vieler nationaler Gerichte etwa House of Lords, Council of Civil Service Unions v. Minister for the Civil Service, [1985] AC, 374 (398) (Lord Fraser) sowie Court of Appeal (Civil Division), R (Abbasi) v. Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs, [2002] EWCA Civ 1598, [2003] UKHRR, 66, Rn. 37 ff., 83 – 85 und 102 ff. für Großbritannien; Biehler, AVR 41 (2003), 169 (177 m. w. N.) für das deutsche BVerfG. Vgl. allgemein Collins, ICLQ 51 (2002), 485; Franck, Political Questions / Judicial Answers; Giegerich, in: Frowein, 501. 633 Vgl. oben Zweiter Teil C. III. 8. b). 634 Chavrier, RMC 43 / 442 (2000), 620 (628); Denza, 311 f.; Oppermann, § 30, Rn. 54; sehr differenzierend, im Grundsatz aber zustimmend Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77. 631 632

F. Übertragbarkeit auf andere Rechtsakte der Zweiten und Dritten Säule

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Freilich sagt die Möglichkeit beziehungsweise die fehlende Möglichkeit einer richterlichen Kontrolle allein noch wenig über die Rechtskraft eines Aktes an sich und seine rechtlichen Wirkungen aus.635 So können die Akte der Zweiten Säule ungeachtet ihrer fehlenden Justitiabilität durchaus Rechtsverbindlichkeit besitzen.636 Dies gilt zumindest für die Gemeinsamen Aktionen (Art. 14 EUV) sowie für die Gemeinsamen Standpunkte (Art. 15 EUV). Allerdings wird häufig eine fehlende faktische Wirksamkeit der Akte der Zweiten Säule beklagt; sie seien, wenn auch durchaus Rechtsakte, so doch aber „wenig rechtsförmlich“637, gewissermaßen soft law638, reichten häufig über vage (politische) Zielvorgaben und allgemeine Bekenntnisse zur Befolgung des Völkerrechts nicht hinaus und enthielten keine konkreten inhaltlichen Vorgaben.639 Letzterer Umstand allein würde freilich noch nicht gegen eine Auslegung nationaler Normen im Lichte dieser Akte sprechen. Es sei in diesem Zusammenhang an die Grimaldi-Entscheidung des EuGH640 erinnert, der eine in gewisser Weise ähnliche Konstellation zugrunde lag. In Grimaldi hat der EuGH entschieden, daß sogar Empfehlungen – die gemäß Art. 249 V EGV expressis verbis keinen rechtsverbindlichen Charakter besitzen – nicht „rechtlich völlig wirkungslos“ und daher von den innerstaatlichen Gerichten zu berücksichtigen sind, insbesondere dann, wenn sie Aufschluß über die Auslegung zu ihrer Durchführung erlassener innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder wenn sie verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen.641 Wenn nationales Recht schon im Lichte einer unverbindlichen Empfehlung auszulegen ist, darf mit Recht gefragt werden, ob nicht auch (Rechts-)Akte der Zweiten Säule – so praktisch ineffektiv sie auch sein mögen – als Maßstab für die Auslegung nationalen Rechts heranzuziehen sind. Die Frage muß letztlich mit einem entschiedenen Nein beantwortet werden. Abgesehen von der Tatsache, daß sich nach Auffassung des Verfassers dem Tenor in Grimaldi nicht entnehmen läßt, daß den innerstaatlichen Gerichten (in bestimmten Konstellationen) ein Auslegungsmaßstab in Gestalt einer Empfehlung „vorgeschrieben“ wäre642 – vielmehr sind sie allenfalls verpflichtet, eine einschlägige Empfehlung zu „berücksichtigen“ 643 –, darf nicht vergessen werden, daß es sich Everling, in: FS Carstens, 95 (106). Bandilla-Dany, 96; Cremer, in: Kadelbach, 47 (53); Marquardt, in: von der Groeben / Schwarze, Vorbem. zu den Artikeln 11 bis 28 EUV, Rn. 15. 637 Vedder, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 7 (16). 638 Vgl. Lebeck, GLJ 8 (2007), 501 (504). 639 Cremer, in: Kadelbach, 47 (66); in die gleiche Richtung von Bogdandy / Bast / Arndt, ZaöRV 62 (2002), 77 (114); Pechstein, in: Geiger, 31 (38); vgl. prononciert, allerdings noch zur Rechtslage nach dem Maastrichter Vertrag, auch Koskenniemi, in: Koskenniemi, 27 (30 ff.). 640 EuGH, Rs. C-322 / 88, Grimaldi, Slg. 1989, 4407. 641 Ibid., Rn. 18. 642 So aber etwa von Alemann, Der Staat 45 (2006), 383 (390 f.). 643 Wie sich das Ergebnis dieser „Berücksichtigung“ durch das nationale Gericht letztlich auszumachen hat – etwa als zwingende „empfehlungskonforme“ Auslegung der nationalen 635 636

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

bei einer Empfehlung um einen – wenn auch unverbindlichen – Akt der Ersten Säule handelt, also derjenigen Säule, die bei weitem den höchsten Integrationsgrad aufweist und deren Funktionieren maßgeblich von der Einheitlichkeit und Geschlossenheit der Gemeinschaftsrechtsordnung abhängt,644 wohingegen die Mitgliedstaaten in der Zweiten Säule – wohl unbestrittenermaßen645 – gerade noch darum bemüht sind, diese Einheitlichkeit herzustellen, um schließlich „mit einer Stimme“ sprechen zu können. Selbst wenn man die Grimaldi-Entscheidung weiter verstehen wollte, müßten doch die noch eklatanten Unterschiede zwischen den beiden Säulen berücksichtigt werden: auf der einen Seite die voll supranationale Erste Säule; auf der anderen Seite die intergouvernementale Zweite Säule, diejenige Säule, die mit gehörigem Abstand den geringsten Integrationsgrad aller Säulen aufweist.646 Insofern zeigt sich der geringe Integrationsgrad der Zweiten Säule gerade in der angesprochenen fehlenden gerichtlichen Kontrolle. Daß der EuGH den Integrationsgrad für die Bestimmung der Rechtswirkungen für gänzlich irrelevant hält, kann nicht angenommen werden.647 Insofern mag viel dafür sprechen, daß auch der EuGH den Integrationsgrad des Rechts der Zweiten Säule als zu gering ansehen würde, um die Pupino-Rechtsprechung auf die Akte der Zweiten Säule zu übertragen. Grundlegende Argumente des EuGH, mit denen er eine mitgliedstaatliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung zu argumentieren sucht (wie namentlich seine eigenen Rechtsprechungskompetenzen und ganz maßgeblich die vermeintliche Analogie zwischen dem Rahmenbeschluß und der Richtlinie),648 könnten für die Akte der Zweiten Säule ebenfalls nicht angeführt werden. Nach alledem erscheint eine Übertragung der Pupino-Rechtsprechung auf Akte der Zweiten Säule durch den EuGH bei dem derzeitigen Integrationsstand höchst unwahrscheinlich. Sie ist dogmatisch kaum zu begründen, und dem EuGH fehlt von vornherein schlicht die erforderliche Kompetenz, sich überhaupt zu den Norm? –, bleibt indes offen. Vor einer ganz ähnlichen Frage stand die deutsche Rechtswissenschaft nach der Görgülü-Entscheidung des BVerfG vom 14. Oktober 2004, in dem der Zweite Senat des BVerfG entschieden hatte, daß die deutschen Gerichte die EMRK in der Auslegung, welche sie durch die Urteile des EGMR erfahren hat, bei ihrer Entscheidungsfindung zu „berücksichtigen“ hätten, womit indes jedenfalls kein bloßes unreflektiertes Folgen der Judikate des EGMR gemeint war [BVerfGE 111, 307 (324 ff.)]; vgl. Cremer, EuGRZ 31 (2004), 683 (695 ff.); Hofmann, GYIL 47 (2004), 9 (20 ff.). 644 Siehe nur Thym, EuR 41 (2006), 637 (637), der auf die Costa / ENEL-Rechtsprechung des EuGH verweist. 645 Vgl. etwa Kadelbach, in: Hofmann / Zimmermann, 145 (145 und 164); Weingärtner, Dreiklang mit schiefem Ton, Das Parlament v. 19. März 2007, 10. 646 Vgl. etwa die nüchterne Bewertung von Bandilla-Dany, 129 ff. (insb. 131 f.) und passim. 647 Der EuGH hat sich vielmehr für die rahmenbeschlußkonforme Auslegung maßgeblich auf eine andere Argumentation gestützt („unabhängig von dem [ . . . ] angestrebten Integrationsgrad“); vgl. EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 36; vgl. auch oben Zweiter Teil A. III. 648 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 36 ff.

F. Übertragbarkeit auf andere Rechtsakte der Zweiten und Dritten Säule

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Rechtswirkungen der Akte der Zweiten Säule zu äußern, geschweige denn rechtsfortbildend tätig zu werden.

II. Akte der Dritten Säule Etwas diffiziler – und insoweit auch interessanter – erscheint die Frage der Übertragbarkeit der Pupino-Rechtsprechung auf die übrigen Akte der Dritten Säule.649 Die soeben vorgetragenen Argumente gegen eine Übertragbarkeit (fehlende Jurisdiktion des EuGH, daraus resultierender geringerer Integrationsgrad) vermögen hier nicht voll zum Tragen zu kommen, da der Integrationsgrad innerhalb der Dritten Säule derselbe ist, aber auch die Jurisdiktionskompetenzen des EuGH für die verschiedenen Akte der Dritten Säule im wesentlichen identisch sind.650 Auch wenn der EuGH der Meinung ist, sein Ergebnis einer rahmenbeschlußkonformen Auslegung auch ohne eine Betrachtung des Integrationsstandes des Rechts der Dritten Säule erzielen zu können,651 untersucht er dem Grunde nach doch gerade diesen.652 Insofern darf wohl davon ausgegangen werden, daß der EuGH – ohne dies ausdrücklich zu sagen – den Integrationsstand der Dritten Säule als generell hinreichend für die Annahme einer Pflicht zur Konformauslegung mit dem Recht der Dritten Säule ansieht.653 Dem widersprechende Hinweise lassen sich dem Pupino-Urteil jedenfalls nicht entnehmen. Insoweit scheitert die Annahme einer Pflicht zur Konformauslegung auch in bezug auf die übrigen Rechtsakte der Dritten Säule aus Sicht des EuGH wohl nicht am mangelnden Integrationsgrad der Dritten Säule. Folgt man jedoch der weiteren Argumentation des EuGH, namentlich dem Argument der Parallelität des Rahmenbeschlusses zur Richtlinie, wird man bei der Übertragung des Prinzips der konformen Auslegung nationalen Rechts auf die an649 Für eine Übertragbarkeit Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (376); Prechal, in: Barnard, 35 (63); Schmahl, EuR 43 (2008), Beiheft 1, 7 (21). Die anderen in Art. 34 II EUV genannten Rechtsakte sind die Gemeinsamen Standpunkte (lit. a), Beschlüsse (lit. c) und die zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommen (lit. d). Auf Durchführungsmaßnahmen soll hier nicht eingegangen werden. 650 Nach dem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 I – V EUV sind etwa die Gemeinsamen Standpunkte nicht justitiabel [vgl. aber die Ausführungen in Erster Teil, Fn. 167 zur neueren, die absolute Nicht-Justitiabilität relativierende Ansicht des EuGH], und der EuGH darf die nach Art. 34 II lit. d EUV zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommen nur auslegen, ohne hingegen ihre Gültigkeit beurteilen zu können. Zudem ist dieses Verfahren von den Unterwerfungserklärungen der einzelnen Mitgliedstaaten abhängig (Absatz 2). Die Nichtigkeitsklage nach Art. 35 VI EUV wiederum erfaßt ausschließlich Rahmenbeschlüsse und Beschlüsse. Das Streitbeilegungsverfahren des Art. 35 VII EUV steht indessen offen für alle Arten von Streitigkeiten. 651 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 36. 652 Vgl. oben Zweiter Teil A. III. 653 Ähnlich Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (322).

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2. Teil: Rahmenbeschlußkonforme Auslegung kraft Unionsrechts?

deren Rechtsakte der Dritten Säule dem Problem begegnen, daß sich eine weitergehende Parallelität zwischen den Akten der Ersten und der Dritten Säule kaum ausmachen läßt.654 Darüber hinaus fehlt den übrigen Rechtsakten der Dritten Säule auch die integrative Kraft des Ziels der Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften.655 Andererseits teilen sie sich mit dem Rahmenbeschluß die rechtliche Verbindlichkeit. In Anlehnung an seine GrimaldiRechtsprechung656 mag der EuGH daher für die übrigen Akte der Dritten Säule, wenn auch keine vollständige Übertragung der Pupino-Rechtsprechung, so doch wenigstens ein minderes Maß einer „Berücksichtigungspflicht“, vergleichbar der der Empfehlungen der Ersten Säule, annehmen.657

III. Fazit Während bei Zugrundelegung der Ansicht des Verfassers (Konformauslegung kraft nationalen (Verfassungs-)Rechts) eine Übertragung – besser: eine Geltung – des Grundsatzes der völkerrechtskonformen Auslegung auch in bezug auf die übrigen Rechtsakte der Zweiten und Dritten Säule nur konsequent ist, ist die Situation im Hinblick auf die Ansicht des EuGH (Konformauslegung kraft Unionsrechts) weniger eindeutig. Eine Übertragung der Pupino-Rechtsprechung auf die Zweite Säule durch den EuGH dürfte zum einen an dem eklatant geringeren Integrationsgrad der Zweiten Säule, zum anderen am Fehlen jeglicher Kompetenzen des EuGH in diesem Bereich scheitern. Mit Blick auf die übrigen Rechtsakte der Dritten Säule ist eine Übertragung der Pupino-Rechtsprechung durch den EuGH wahrscheinlich, allerdings dürfte das Maß der mitgliedstaatlichen Verpflichtung aufgrund des fehlenden harmonisierenden Charakters der sonstigen Akte der Dritten Säule geringer ausfallen, möglicherweise im Sinne einer bloßen Berücksichtigungspflicht nach dem Vorbild der Grimaldi-Rechtsprechung.

Vgl. oben Zweiter Teil C. II. 1. Siehe hierzu oben Zweiter Teil C. I. 1. c). 656 EuGH, Rs. C-322 / 88, Grimaldi, Slg. 1989, 4407, Rn. 18. 657 Vgl. zur Berücksichtigungspflicht von Empfehlungen nach Art. 249 V EGV im Gemeinschaftsrecht soeben Zweiter Teil F. I. 654 655

Dritter Teil

Das Verhältnis des EuGH zum BVerfG in Angelegenheiten der Dritten Säule Nachdem sich der Zweite Teil der vorliegenden Arbeit etwaigen innerstaatlichen Rechtswirkungen von Rahmenbeschlüssen, mithin hauptsächlich materiell-rechtlichen Fragen gewidmet hat, sollen im nun folgenden Dritten Teil vorrangig prozessuale Fragen behandelt werden. Es soll namentlich untersucht werden, wie mögliche, auf Ebene der Dritten Säule auftretende Jurisdiktionskonflikte zwischen der europäischen (EuG / EuGH) und der nationalen (Verfassungs-)Gerichtsbarkeit gelöst werden können. Der Schwerpunkt wird hierbei auf dem Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG, namentlich im Bereich des Grundrechtsschutzes, aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts liegen. Obschon untrennbar mit der Problematik etwaiger Jurisdiktionskonflikte verknüpft, sollen materiell-rechtliche Aspekte nicht im Fokus der Untersuchung stehen.

A. Grundlegendes zum Verhältnis von EuGH und BVerfG I. Parallelität der Jurisdiktionsbefugnisse der europäischen und nationalen Gerichtsbarkeiten in Fragen der Letztentscheidung Eine Jurisdiktionskonkurrenz im eigentlichen Sinne existiert zwischen der europäischen und den nationalen Gerichtsbarkeiten, soweit es um die Letztentscheidung geht, nicht.1 Vielmehr entscheidet jede Gerichtsbarkeit in ihrem eigenen Be1 Dies gilt ungeachtet des Postulats des BVerfG in seinem berühmten Maastricht-Urteil, in dem das BVerfG bekanntlich – jedenfalls für den Bereich des Grundrechtsschutzes – von einem „Kooperationsverhältnis“ zwischen dem EuGH und sich selbst ausgeht [BVerfGE 89, 155 (175); vgl. hierzu eingehender sogleich Dritter Teil C. II. 1.]. Doch tatsächlich – und das deckt sich insoweit mit der Praxis der Verfassungsgerichte anderer Mitgliedstaaten [vgl. etwa Büdenbender, 134 – 136] – entscheiden EuG / EuGH allein letztverbindlich über Angelegenheiten des Europarechts, wohingegen die mitgliedstaatlichen Gerichte umgekehrt die alleinige Zuständigkeit haben, über das nationale Recht zu befinden. Das BVerfG beschränkt sich im Rahmen dieses „Kooperationsverhältnisses“ allein darauf festzustellen, inwieweit Europarecht in die nationale Rechtsordnung hineinwirken und damit dort Wirkung entfalten kann,

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

reich exklusiv, ohne in den Bereich der jeweils anderen Gerichtsbarkeit hineinzuwirken.2 Der EuGH entscheidet letztverbindlich über das Europarecht;3 das BVerfG hingegen befindet letztverbindlich über das nationale Recht, inklusive der nationalen Umsetzungsgesetze zu den europäischen Verträgen.4 Insoweit kann von einer Parallelität der Jurisdiktionsbefugnisse der europäischen und der nationalen Gerichtsbarkeiten gesprochen werden; die Kompetenzen der beiden Gerichtsbarkeiten laufen parallel nebeneinander, ohne sich indes je zu berühren.5 Zu betonen ist, daß dies allein für die Frage der Letztentscheidung gilt. Jenseits dieser Frage gibt es freilich umfassende Zuständigkeiten der mitgliedstaatlichen Gerichte auch für das Europarecht (vor allem im Gemeinschaftsrecht) und somit vielfältige Überschneidungen zwischen den beiden Gerichtsbarkeiten.6 Für das Gemeinschaftsrecht ist die beschriebene Aufgabenverteilung in bezug auf das Letztentscheidungsrecht etabliert, doch auch dem Unionsrecht ist eine konkurrierende Zuständigkeit von europäischen und mitgliedstaatlichen Gerichten generell fremd.7 ohne indes generell über die Gültigkeit und Wirkung des europarechtlichen Aktes als solche zu befinden [vgl. sogleich Dritter Teil, Fn. 5]. Der Terminus „Kooperationsverhältnis“ ist entsprechend häufig als unpassend kritisiert worden: Broß etwa zieht den Terminus „Komplementärverhältnis“ vor [VerwArch 92 (2001), 425 (432)], Lutz bevorzugt den Begriff „Koexistenz“ [101], Hummrich den der „kritischen Koexistenz“ [DRiZ 83 (2005), 361 (364)]]. 2 BVerfGE 37, 271 (278); Büdenbender, 33 f.; Merli, VVDStRL 66 (2007), 392 (393 f.); Pernice, in: FS Meyer, 359 (366 f.); Schlaich / Korioth, Rn. 358. 3 EuGH, Rs. 314 / 85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, Rn. 12 – 18; Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1095); Funk-Rüffert, 25 f.; Hirsch, NJW 49 (1996), 2457 (2462 ff.). Dies gilt freilich nur im Rahmen der ihm zugewiesenen Kompetenzen, also im Falle des Unionsrechts nicht für das gesamte Unionsrecht; vgl. Dritter Teil B. I. 4 Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 154 ff.; so aber auch ganz deutlich das BVerfG in der Solange I-Entscheidung, BVerfGE 37, 271 (278 und 281 f.). Ganz ähnlich auch die italienische Corte costituzionale, siehe Violini, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 117 (122 f.). 5 Auch in seiner Maastricht-Entscheidung, nach der es – in ausdrücklicher Abkehr von seinem Eurocontrol I-Beschluß [BVerfGE 58, 1 (27)] – Grundrechtsschutz nun auch gegen Akte einer supranationalen Organisation gewährt, nimmt das BVerfG nicht das Letztentscheidungsrecht für die supranationalen Akte schlechthin für sich in Anspruch, sondern nur, soweit diese Grundrechtsberechtigte „in Deutschland“ betreffen [BVerfGE 89, 155 (175)]. Damit würde sich die Wirkung eines Urteils des BVerfG allein auf Deutschland beschränken und zur (bloßen) Nichtanwendung eines solchen supranationalen Aktes führen; vgl. BVerfGE 37, 271 (282); Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (228); Walter, AöR 129 (2004), 39 (53). Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten hätte ein solches Urteil – im Gegensatz zu einem Urteil des EuGH – indes nicht. 6 Vgl. Groh, 31 f.; Prechal, YEL 25 (2006), 429. Gewissermaßen ist insoweit der Gleichlauf der europäischen und der mitgliedstaatlichen Gerichtsbarkeit im gesamten Europarecht sogar der Regelfall. Nur in Ausnahmefällen darf ein mitgliedstaatliches Gericht nicht selbst judizieren, sondern muß den EuGH anrufen, etwa letztinstanzliche Gerichte (Art. 234 III EGV) oder im Sinne der Foto-Frost-Rechtsprechung des EuGH, wenn ein unterinstanzliches Gericht eines Mitgliedstaates von der Ungültigkeit eines EG-Rechtsaktes ausgeht. Vgl. zur Übertragbarkeit der Foto-Frost-Rechtsprechung auf Art. 35 EUV unten Dritter Teil, Fn. 32. 7 Was die Frage der Letztentscheidung angeht, stellt nämlich auch das System fakultativer Unterwerfungserklärungen des Art. 35 II EUV, mit denen ein Mitgliedstaat die Zuständigkeit

A. Grundlegendes zum Verhältnis von EuGH und BVerfG

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Es bleibt daher festzuhalten: Der EuGH entscheidet letztverbindlich über das Europarecht, das BVerfG über das nationale Recht mitsamt den Umsetzungsgesetzen.

II. Frage der „endgültigen“ Letztentscheidung eine politische Frage Hiermit scheint die Aufgabenverteilung klar zu sein: Jede Gerichtsbarkeit judiziert in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich. Höchst problematisch wird die Situation im Gemeinschaftsrecht jedoch dadurch, daß dort beide Gerichtsbarkeiten von einem Vorrang der „eigenen“ Rechtsordnung gegenüber der jeweils anderen ausgehen: Nach dem EuGH kommt dem Gemeinschaftsrecht absoluter (Anwendungs-)Vorrang vor dem nationalen Recht8 – auch dem Verfassungsrecht9 – zu, wohingegen das BVerfG in letzter Konsequenz nach wie vor das Grundgesetz des EuGH für das besondere Vorabentscheidungsverfahren des Art. 35 I – V EUV anerkennen kann, – ganz ungeachtet der sonstigen obligatorischen Zuständigkeiten des EuGH nach Art. 35 VI und VII EUV – keinen Fall konkurrierender Gerichtsbarkeit dar. Es sind drei Konstellationen vorstellbar: Entweder hat sich ein Mitgliedstaat überhaupt nicht unterworfen, oder er hat sich unterworfen mit der Maßgabe, daß alle oder lediglich die letztinstanzlichen Gerichte dem EuGH Fragen vorlegen können (Art. 35 III lit. a und b EUV) oder, als letzte Alternative, daß die unterinstanzlichen Gerichte vorlegen können, die letztinstanzlichen Gerichte jedoch Fragen vorlegen müssen [vgl. zu dieser letzten Konstellation die Erklärung Nr. 10 der Regierungskonferenz des Vertrages von Amsterdam zu Artikel 35 (ex-Artikel K.7) des Vertrages über die Europäische Union, ABl. 1997 C 340, 133]. Wenn sich im ersten Fall ein Staat gar nicht erst unterworfen hat, sind allein die mitgliedstaatlichen Gerichte zuständig, so daß eine Jurisdiktionskonkurrenz von vornherein ausscheidet. Das andere Extrem wäre die vollkommene Unterwerfung unter die Jurisdiktion des EuGH (wie etwa im Falle Deutschlands, vgl. EuGH-Gesetz in § 1 II [BGBl. 1998-I, 2035]); alle mitgliedstaatlichen Gerichte können vorlegen, letztinstanzliche Gerichte müssen vorlegen (ggf. unter Übertragung der Foto-Frost-Rechtsprechung, vgl. unten Dritter Teil, Fn. 32). Auch in diesem Fall fehlt es an einem Gleichlauf der Zuständigkeiten, da aufgrund der Pflicht der letztinstanzlichen Gerichte zur Vorlage allein dem EuGH die Letztentscheidung zukommt, die mitgliedstaatlichen Gerichte haben sich dessen Verdikt zu beugen. Man mag versucht sein, in der letzten verbliebenen Konstellation einen konkurrierenden Gleichlauf der beiden Gerichtsbarkeiten zu sehen, nämlich dann, wenn bei vorliegender Unterwerfungserklärung nach dem nationalen Recht die nationalen Gerichte vorlegen können, nicht jedoch vorlegen müssen. Doch auch in diesem Fall handelt es sich letztlich um keine wirkliche Rechtsprechungskonkurrenz, da es im freien Ermessen der mitgliedstaatlichen Gerichte steht, dem EuGH eine Frage vorzulegen oder ebendies zu unterlassen. Daher besteht eine primäre Zuständigkeit der nationalen Gerichte; sie können gleichsam auf ihr Letztentscheidungsrecht verzichten und es auf den EuGH delegieren, ohne indessen hierzu verpflichtet zu sein. Wenn die nationalen Gerichte sich freilich zur Vorlage entschieden haben, sind sie wiederum an die Entscheidung des EuGH gebunden; sie haben – wenn man so will – die Befugnis zur Letztentscheidung auf den EuGH übertragen. 8 EuGH, Rs. 6 / 64, Costa / ENEL, Slg. 1964, 1251 (1269 – 1271); id., Rs. 106 / 77, Simmenthal II, Slg. 1978, 629, Rn. 17 ff.; id., Rs. C-10 / 97 – C-22 / 97, IN.CO.GE., Slg. 1998, I-6307, Rn. 20 f. 9 EuGH, Rs. 11 / 70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125, Rn. 3.

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

als höherrangig gegenüber dem Gemeinschaftsrecht ansieht;10 der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts entfalte sich in der deutschen Rechtsordnung allein deshalb, weil und insoweit die deutsche Rechtsordnung es zuläßt.11 Daher stellt sich im Prinzip in erster Linie die materiell-rechtliche Frage, welchem Recht – dem Gemeinschaftsrecht oder dem nationalen Verfassungsrecht – Vorrang zukommt; aus der Beantwortung dieser Frage resultiert dann zwingend die Antwort darauf, welches Gericht das endgültig letzte Wort hat, der EuGH oder das BVerfG.12 Unterschiede zum Gemeinschaftsrecht bestehen im Unionsrecht insoweit nicht. 10 BVerfGE 37, 271 (280 f.); Broß, VerwArch 92 (2001), 425 (437). Vgl. eingehend unten Dritter Teil C. II. 1. Auch wenn das BVerfG für seine Aussagen zum Verhältnis des nationalen Verfassungsrechts zum Gemeinschaftsrecht häufig kritisiert worden ist, und insoweit das Diktum der „querelles allemandes“ die Runde machte, steht es unter den mitgliedstaatlichen (Verfassungs-)Gerichten doch keineswegs alleine da mit seiner Meinung; vgl. Stone Sweet, in: Slaughter / Stone Sweet / Weiler, 305 (319 – 325); Streinz, in: FS Steinberger, 1437 (1456 ff.) sowie zur Behandlung von ultra vires-Akten in anderen EU-Mitgliedstaaten Mayer, Kompetenzüberschreitung und Letztentscheidung, 140 ff., insb. 260 ff. Exemplarisch sei hier auf die Judikatur ausgewählter mitgliedstaatlicher Verfassungsgerichte hingewiesen. Der dänische Højesteret hat eine ganz ähnliche Rechtsprechungslinie aufgezeigt, in der er die dänischen Gerichte für letztentscheidungsbefugt ansieht, darüber zu befinden, ob ein gemeinschaftsrechtlicher Akt die Grenzen der durch das dänische Beitrittsgesetz vorgenommenen Souveränitätsübertragung überschreitet [deutsche Übersetzung abgedruckt in: EuGRZ 26 (1999), 49 (insb. 52); vgl. näher Thomas, ZaöRV 58 (1998), 879; Warnke, 21 f.]. Die italienische Corte costituzionale vertritt ebenfalls die Auffassung, daß sich das italienische Zustimmungsgesetz zu den europäischen Verträgen an den „principi fondamentali e i diritti inalienabili della persona“ (Verfassungsprinzipien und die unveräußerlichen Menschenrechte) messen lassen muß [zitiert nach Violini, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 117 (119); englische Übersetzung des Urteils der Corte costituzionale v. 8. Juni 1984 abgedruckt in: CMLRev 21 (1984), 756 (insb. 763 f.) mit Anmerkung Gaja, CMLRev 21 (1984), 764; vgl. allgemein auch Warnke, 20 f.]. Der französische Conseil d’État hat erst jüngst seine Rechtsprechungslinie (der i. ü. auch der Conseil constitutionnel folgt) bekräftigt, nach der der französischen Verfassung ein höherer Rang zukomme als dem Gemeinschaftsrecht und einfaches, eine Richtlinie umsetzendes Recht im Falle eines Konflikts mit der Verfassung – unter bestimmten Voraussetzungen – für nichtig zu erklären sei; Conseil d’État, Arcelor, RTD eur. 43 (2007), 402 (404 f.), mit Anmerkung Cassia, RTD eur. 43 (2007), 406; siehe näher, v. a. mit Blick auf die einschlägige Judikatur des Conseil constitutionnel, Dutheil de la Rochère, CMLRev 42 (2005), 859 (insb. 865 ff.) sowie Pfeiffer, ZaöRV 67 (2007), 469. Die staatlichen Entscheidungsträger Schwedens haben vor dem Beitritt des Landes zur EU im Jahre 1995 ausdrücklich auf die Maastricht-Rechtsprechung des deutschen BVerfG verwiesen, deren Inhalt entsprechend auch für die schwedische Rechtsordnung gelte; vgl. ausführlich Johansson, ERT 10 (2007), 532 (533 – 536 m. w. N.). Und auch bekennende Europaphile erkennen eine – wo auch immer zu ziehende – Grenze an, von der an die Mitgliedstaaten nicht mehr verpflichtet wären, dem EuGH – auch im Bereich des Gemeinschaftsrechts – in seiner Rechtsprechung zu folgen; vgl. Giegerich, Europäische Verfassung und deutsche Verfassung, 712 ff. m. w. N. 11 BVerfGE 73, 339 (374 f.); BVerfGE 89, 155 (190); Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1098); Lutz, 97 f.; zustimmend Bleckmann, in: FS Doehring, 63 (65 ff.); siehe auch Steinberger, in: FS Doehring, 951 (953). Vgl. auch oben die Ausführungen in Zweiter Teil, Fn. 32.

A. Grundlegendes zum Verhältnis von EuGH und BVerfG

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Um die materiell-rechtliche Vorrangfrage – die auch im Gemeinschaftsrecht nach wie vor heftig umstritten ist13 – soll es hier indes nicht vorrangig gehen. Vielmehr soll danach gefragt werden, wie die divergierenden, für sich betrachtet jeweils schlüssig erscheinenden Ansichten des EuGH und des BVerfG soweit wie möglich miteinander in Einklang gebracht werden können, gerade ohne die Vorrangfrage in den Mittelpunkt zu rücken.14 Nichts anderes hat das BVerfG in seiner zum Gemeinschaftsrecht ergangenen Solange-Rechtsprechung versucht. Ohne letztlich von seinem eigenen Standpunkt der Höherrangigkeit des Grundgesetzes und seiner Letztentscheidungskompetenz abzurücken, ist das BVerfG dennoch einen sehr großen Schritt auf den EuGH zugegangen.15 Das Vorgehen des BVerfG erscheint umsichtig. Da beiden Gerichten unbestritten die Letztentscheidungskompetenz innerhalb ihres jeweiligen Bereichs zukommt, beide für ihre Rechtsordnung den Vorrang beanspruchen und keines der beiden Gerichte unmittelbare Jurisdiktion über das jeweils andere ausübt, scheint die Frage, welches Gericht das endgültig letzte Wort hat, rechtlich kaum auflösbar16 – und wird somit zu einer letztlich politischen Frage.17 Aber auch wenn man ein Gericht für ultimativ letztentscheidungsbefugt hielte, weil „dessen“ Rechtsordnung 12 Ebenso Lutz, 95; Merli, VVDStRL 66 (2007), 392 (395); von Unger, NVwZ 24 (2005), 1266 (1268 f.); vgl. auch Schlaich / Korioth, Rn. 365. Auch wenn man mit Dörr [Europäisierter Rechtsschutzauftrag, 170] eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG annehmen will, so befindet doch das BVerfG als Interpret des Grundgesetzes letztverbindlich darüber, die Ausübung des Letztentscheidungsrechts (zukünftig) dem EuGH zu überlassen. 13 Vgl. nur Maduro, EuR 42 (2007), 3 (4 ff.); Sadurski, ELJ 14 (2008), 1. 14 Vgl. zur Vorrangfrage aber sogleich Dritter Teil C. III. 15 Vgl. allgemein zur Solange-Rechtsprechung Dritter Teil C. II. 1. 16 Ebenso Beck, ELRev 30 (2005), 42 (67); Lutz, 97 m. w. N.; Merli, VVDStRL 66 (2007), 392 (394); Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 328 f.; allgemein auch für andere europäische Verfassungsgerichte Stone Sweet, in: Slaughter / Stone Sweet / Weiler, 305 (319); siehe auch Cannizzaro, AJCL 55 (2007), 767 (778 ff.). 17 Das BVerfG spricht in der Solange I-Entscheidung selbst davon, daß ein unterstellter Konflikt zwischen Gemeinschaftsrecht und einem zwingenden Gebot des Verfassungsrechts den „Vertragsmechanismus innerhalb der europäischen Organe“ in Gang setze, der den Konflikt „politisch“ löse; BVerfGE 37, 271 (279). Wie der Verfasser – jeweils mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht – Bernitz / Kjellgren, 76 f.; Nettesheim, in: von Bogdandy, 415 (426); bissig Rupp, JZ 42 (1987), 241 (242); zustimmend wohl auch Steinberger, nach dem die „Souveränitätsfrage“ zwischen der EG und den Mitgliedstaaten durch die Vorbehalte des BVerfG ggü. der Jurisdiktion des EuGH letztlich in der Schwebe gehalten werde [in: FS Doehring, 951 (968)]; Streinz zeigt zwar verschiedene Möglichkeiten der rechtlich geleiteten Konfliktvermeidung resp. -entschärfung auf [Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 336 ff.], sieht für die noch verbleibenden Konfliktfälle jedoch ebenfalls nur eine politische Lösungsmöglichkeit [344 f.]; vgl. auch die zahlreichen Nachweise, auch zu Gegenpositionen, bei Mayer, Kompetenzüberschreitung und Letztentscheidung, 117 – 119 sowie allgemein Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1098 f.). Nach Komárek hat auch für das polnische Trybunal Konstytucyjny in seinem Haftbefehl-Urteil [siehe Dritter Teil, Fn. 71] „the political process for resolving constitutional conflicts“ eine wichtige Rolle gespielt [CMLRev 44 (2007), 9 (12)].

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

Vorrang zukomme, könnte diese Letztentscheidungsbefugnis doch kaum ausgeübt werden, ohne das jeweils andere Gericht zu desavouieren.18

III. Etwaige Rücknahme der Gerichtsbarkeit bestimmt durch das jeweils „eigene“ Recht Aufgrund der beschriebenen rechtlichen Unauflösbarkeit des Konkurrenzverhältnisses beider Gerichtsbarkeiten (beziehungsweise beider Rechtsmassen) führt kein Weg daran vorbei, die jeweils aus Sicht des EuGH und des BVerfG zu beantwortende Frage, inwieweit Rücksicht auf das jeweils andere Gericht zu nehmen ist, jeweils isoliert anhand der „eigenen“ Rechtsordnung zu entscheiden. Das BVerfG befindet sich insoweit jedoch in einer mißlichen Lage; die Frage der Rücknahme der eigenen Jurisdiktion läßt sich nämlich weder dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz noch dem Grundgesetz – auch nach Einführung des neuen Art. 23 GG nicht19 – zwingend entnehmen.20 Zwar vermag Art. 23 GG die Geltung der Grundrechte zu relativieren21 und gestattet insoweit generell die Zurücknahme der Gerichtsbarkeit durch das BVerfG, jedoch nicht vorbehaltlos;22 eine vollkommene Negierung jeglichen Grundrechtsschutzes läßt das Grundgesetz nicht zu. Vgl. Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1098 f.); Oeter, VVDStRL 66 (2007), 361 (387). Man mag erwägen, ob mit Einführung des neuen Art. 23 GG, mit welchem die SolangeRechtsprechung des BVerfG in das GG rezipiert werden sollte [vgl. Nachweise bei Dritter Teil, Fn. 230], das Vorgehen des BVerfG in Form des Zurücknehmens der eigenen Gerichtsbarkeit durch den Verfassungsgeber sanktioniert worden ist. Dies ändert für die hiesigen Zwecke freilich nichts. Denn an dieser Stelle soll gar nicht argumentiert werden, daß die Rücknahme der eigenen Jurisdiktion im Rahmen der Solange-Rechtsprechung gegen das GG verstoßen habe, sondern allein, daß eine Berechtigung hierzu dem GG kaum zwingend zu entnehmen ist. Insoweit hat sich mit Einführung des neuen Art. 23 GG aber nichts geändert; auch dieser schweigt zu einer möglichen Berechtigung des BVerfG, seine Jurisdiktion zurückzunehmen. 20 Vgl. Bröhmer, APuZ 49 / 16 (1999), 31 (37); Broß, VerwArch 92 (2001), 425 (426); König, 588; Schlaich / Korioth, Rn. 364; noch für Art. 24 GG Rupp, JZ 42 (1987), 241 (242); Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 90 f., nach dem sich eine Pflicht des BVerfG zur Rücknahme der eigenen Gerichtsbarkeit auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht selbst ergibt [92 ff.]; vielmehr geht Streinz prinzipiell gar von einer Prüfungspflicht des BVerfG aus [296 ff.]. Vgl. für das Unionsrecht auch Mißling, EuR 42 (2007), 261 (263); a. A. Büdenbender, 178 – 204 sowie Dörr, Europäisierter Rechtsschutzauftrag, 170, die für den Bereich des Gemeinschaftsrechts eine Pflicht des BVerfG zur Rücknahme der eigenen Jurisdiktion annehmen. 21 Baldus, in: Möller / van Ooyen, 39 (48). Dies galt auch schon für Art. 24 GG; Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24, Rn. 61 – 68. 22 BVerfGE 37, 271 (280), noch mit Blick auf Art. 24 GG; Hofmann, Grenzüberschreitende Sachverhalte, 101 f. Broß geht umgekehrt sogar davon aus, daß Art. 23 GG „bei genauer Betrachtung nichts anderes als den innerstaatlichen Versuch [bedeute], sich gegebenenfalls von völkerrechtlichen Bindungen zu lösen“ [VerwArch 92 (2001), 425 (440)], womit er offenbar Art. 23 GG die Funktion zuschreibt, im Fall des Falles den Grundrechten des Grundgesetzes einen höheren Rang einzuräumen als der europäischen Integration Deutschlands. 18 19

A. Grundlegendes zum Verhältnis von EuGH und BVerfG

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Die Rücknahme der eigenen Jurisdiktion seitens des BVerfG dient letztlich der Verhinderung einer Kollision von – nach innen bestehenden – verfassungsrechtlichen und – nach außen bestehenden – gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen, die im Falle ihrer Divergenz – wie Streinz treffend formuliert – zwingend zu einer rechtlichen Aporie führen würden.23 Die Verhinderung dieses Auseinanderfallens der nach innen und nach außen bestehenden Verpflichtungen soll es Deutschland ermöglichen, am europäischen Einigungsprozeß effektiv mitzuwirken.24 Daß ein diesbezügliches Engagement generell erwünscht ist,25 ergibt sich bereits aus Satz 1 der Präambel des Grundgesetzes, vor allem aber auch aus dem heutigen Art. 23 GG. Umgekehrt muß indes ebenso klar sein, daß dieses Argument nicht bis ins Unendliche strapaziert werden kann, sondern früher oder später auf verfassungsrechtliche Grenzen stoßen muß. Das Grundgesetz möchte keine jeder verfassungsrechtlichen Begrenzung und Kontrolle entzogene Unterwerfung unter nichtdeutsche Hoheitsakte.26 Die Grenzen der Mitwirkung Deutschlands am europäischen Einigungsprozeß liegen dort, wo das Interesse an der Teilhabe an internationaler respektive europäischer Zusammenarbeit das Absinken unter den grundgesetzlichen Grundrechtsstandard nicht mehr zu überwiegen vermag.27 Daß das BVerfG bei der Festlegung dieses Grenzverlaufs einen enorm weiten – schon ins Politische gehenden – Spielraum genießt, muß angesichts des wenig greifbaren Rechtsrahmens kaum besonders betont werden.

23 Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 328 f.; vgl. auch die Nachweise in Dritter Teil, Fn. 16. 24 Kischel, Der Staat 39 (2000), 523 (528). 25 Vgl. BVerfGE 111, 307 (319); BVerfG, Lissabon-Urteil v. 30. Juni 2009, Rn. 220 ff.; Hörmann, AVR 44 (2006), 267 (290); Streinz, Grundrechtsschutz und Gemeinschaftsrecht, 227. Auch der EGMR anerkennt die generelle Bedeutung internationaler Zusammenarbeit und insb. auch die Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit Internationaler Organisationen – zumal der EG – sicherzustellen und sieht in diesem übergeordneten Anliegen ebenfalls einen legitimen Zweck, die eigene Rechtsprechungstätigkeit zurückzunehmen; vgl. EGMR, Waite and Kennedy, RJD 1999-I, 393, Rn. 63 sowie v. a. id., Bosphorus Hava Yollar Turizm ve Ticaret Anonim S¸irketi, Urteil der Großen Kammer v. 30. Juni 2005, Rn. 150 und 155 f.; abrufbar unter http: // www.echr.coe.int/echr. 26 BVerfGE 111, 307 (319); 112, 1 (25 f.). 27 Auch der EGMR läßt das Interesse an internationaler Zusammenarbeit nicht absolut gelten, sondern sieht die Grenze des zulässigen Abweichens vom EMRK-Standard dort erreicht, wo der Menschenrechtsschutz unter der EMRK in einem konkreten Fall „manifestly deficient“ ist bzw. an einer „insuffisance manifeste“ leidet; vgl. EGMR, Bosphorus Hava Yollar Turizm ve Ticaret Anonim S¸irketi, Urteil der Großen Kammer v. 30. Juni 2005, Rn. 156; abrufbar unter http: // www.echr.coe.int/echr. Der Maßstab des EGMR ist somit insoweit noch strenger als der der Solange-Rechtsprechung des BVerfG, als dieses – vom konkreten Einzelfall losgelöst – ein generelles Absinken des Schutzniveaus, in einer Vielzahl von Fällen über einen längeren Zeitraum hinweg verlangt, um seine Rechtsprechungstätigkeit wieder aufzunehmen [vgl. BVerfGE 73, 339 (387)]. Vgl. allgemein zu dem Bosphorus-Urteil des EGMR etwa Bröhmer, EuZW 17 (2006), 71; Costello, HumRLR 6 (2006), 87; Jacqué, RTD eur. 41 (2005), 756.

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

B. Denkbare Jurisdiktionskonflikte I. Von vornherein nur begrenztes Konfliktpotential Da der EuGH im Rahmen des Unionsrechts keine vollumfassende Rechtsprechungskompetenz besitzt, können Konflikte mit dem BVerfG von vornherein auch nur dort auftreten und bedürfen nur dort einer Abgrenzung von der Rechtsprechungskompetenz des BVerfG, wo der EuGH überhaupt Rechtsprechungskompetenzen innehat. Die Zuständigkeiten des EuGH bestimmen sich nach wie vor nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.28 Der EuGH ist allein dann zuständig, wenn und soweit er ausdrücklich von den „Herren der Verträge“ für zuständig erklärt worden ist. Fehlt es an einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung an den EuGH, bleiben die mitgliedstaatlichen Gerichte zuständig.29 Man kann insoweit von einer Residualzuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte sprechen. In diesen Fällen scheidet ein Rechtsprechungskonflikt von vornherein aus. Insofern ist das Konfliktpotential begrenzt und kann aufgrund des bloß fakultativen Charakters des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 35 I – V EUV je nach Mitgliedstaat variieren. Doch noch aus einem weiteren Grund ist die Gefahr eines Konflikts zwischen europäischer und nationaler Gerichtsbarkeit im Bereich des Unionsrechts als begrenzt anzusehen. Die Bedeutung des Unionsrechts innerhalb der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist insoweit nur sehr gering, als intergouvernementale Rechtsakte keine unmittelbare Wirkung in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen entfalten.30 Die Bedeutung des Unionsrechts im innerstaatlichen Bereich ist mithin ungleich geringer als die des Gemeinschaftsrechts, was wiederum ein geringeres Konfliktpotential mit dem nationalen Recht und der nationalen Gerichtsbarkeit zur Folge hat. Mithin erscheinen Jurisdiktionskonflikte im Bereich des Unionsrechts aufgrund der nur begrenzten Zuständigkeit des EuGH sowie der nur sehr eingeschränkten Bedeutung des Unionsrechts innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen von vornherein begrenzt.

28 Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 104; Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, Rn. 170; Dauses, 25; Schweitzer / Hummer, Rn. 261. 29 Vgl. Prechal, YEL 25 (2006), 429 (429, Fn. 1). 30 Bergström, ERT 9 (2006), 569 (570); Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (64 f.); Nettesheim, CMLRev 44 (2007), 567 (596); Satzger, in: Streinz, Art. 34 EUV, Rn. 2; Spaventa, YEL 25 (2006), 153 (169); Zott, 279.

B. Denkbare Jurisdiktionskonflikte

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II. Kaum Konfliktpotential hinsichtlich normaler Überschneidungen zwischen EuGH und nationalen (Fach-)Gerichten Kaum Probleme bereiten dabei die „normalen“ Überschneidungen, die entstehen, wenn die nationalen (Fach-)Gerichte – mittelbar – auf sekundäres Unionsrecht zurückgreifen müssen. Generell sind die nationalen Gerichte befugt, selbst über Unionsrecht zu befinden. In Deutschland unterliegen allerdings die (funktional) letztinstanzlichen Gerichte gemäß § 1 II EuGH-Gesetz31 einer Vorlagepflicht an den EuGH.32 Soweit sich Mitgliedstaaten der Jurisdiktion des EuGH nach Art. 35 II EUV unterworfen und mitgliedstaatliche Gerichte Vorlagen an den EuGH eingereicht haben – wozu sie freilich unionsrechtlich nicht verpflichtet sind33 –, kommt dem EuGH die Letztentscheidungskompetenz über Unionsakte zu.34 In Deutschland können von letztinstanzlichen Gerichten (willkürlich) unterlassene Vorlagen an den EuGH mit der Behauptung, in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 I 2 GG verletzt zu sein, im Wege der Verfassungsbeschwerde gerügt werden.35 Dies alles entspricht weitgehend der Situation im Gemeinschaftsrecht. Viel Raum für Unklarheiten und Konflikte verbleibt nicht.

III. Größtes Konfliktpotential zwischen EuGH und BVerfG Konflikte zwischen der europäischen und der nationalen Gerichtsbarkeit dürften daher im wesentlichen auf die Konstellation beschränkt bleiben, die dem Haftbefehl-Urteil des BVerfG zugrunde lag.36 Dort hatte das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit eines nationalen Gesetzes zu entscheiden, das einen Rahmenbeschluß BGBl. 1998-I, 2035. Vgl. zu einer eventuellen Übertragbarkeit der Foto-Frost-Rechtsprechung auf das Unionsrecht etwa Wilms, in: Hailbronner / Wilms, Art. 35 EUV, Rn. 13; sehr kritisch zu einer solchen Übertragbarkeit indes Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 130 f. sowie Ludwig, 162 – 164. Die besseren Gründe sprechen wohl gegen eine Übertragung der Foto-Frost-Rechtsprechung auf das Unionsrecht. Eine unionsrechtliche Vorlagepflicht besteht schlicht ganz generell nicht. Vielmehr ist es den Mitgliedstaaten selbst überlassen zu bestimmen, ob ihre Gerichte Vorlagen einreichen können (und ggf. müssen) oder nicht. Insofern erscheint es äußerst zweifelhaft, aus dem in sogar zweierlei Hinsicht fakultativen Vorlageverfahren eine unionsrechtliche Vorlagepflicht herleiten zu wollen. 33 Asp, EU & Straffrätten, 236; Ludwig, 126; Pechstein, in: Streinz, Art. 35 EUV, Rn. 4; Spaventa, YEL 25 (2006), 153 (156). Vgl. auch Art. 35 III EUV. 34 Selbiges gilt freilich auch für Entscheidungen des EuGH nach den – obligatorischen – Art. 35 VI und VII EUV. 35 Vgl. zu der Schwäche dieser Rügemöglichkeit (auch im Gemeinschaftsrecht) aber unten Dritter Teil C. III. 2. b) bb) (1). 36 Ausführlich zu diesem Urteil unten Dritter Teil C. II. 2. 31 32

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

umsetzen sollte. Es stellte sich dem BVerfG somit die viel diskutierte Frage, ob es ein deutsches Gesetz auf seine Vereinbarkeit mit den Grundrechten des Grundgesetzes hin überprüfen darf, wenn und soweit dieses Gesetz durch einen Rahmenbeschluß prädeterminiert ist – was einer mittelbaren Überprüfung des Rahmenbeschlusses gleichkäme –, oder ob es mit Rücksicht auf die Jurisdiktionsbefugnisse des EuGH seine eigene Jurisdiktion zurücknehmen und auf eine Überprüfung des deutschen Gesetzes verzichten sollte.37 Am virulentesten erscheinen somit Fälle, in denen ein unionsrechtlicher Akt nicht mit den grundrechtlichen Standards des Grundgesetzes im Einklang steht. Ein letztes Konfliktfeld tut sich schließlich – allerdings weit weniger dringlich als im Gemeinschaftsrecht – bezüglich der Frage auf, welche Gerichtsbarkeit über kompetenzielle Fragen letztverbindlich zu entscheiden befugt ist, also darüber, ob ein bestimmter Rechtsakt in den Zuständigkeitsbereich der EU fällt oder nicht. Wenn das BVerfG diesbezüglich zum Gemeinschaftsrecht ausführt, die deutschen Staatsorgane seien gehindert, „ausbrechende Rechtsakte“ „in Deutschland anzuwenden“,38 so ist dies für die Dritte Säule insoweit kaum von praktischer Bedeutung, als unionsrechtliche Akte aufgrund ihrer fehlenden unmittelbaren Wirkung per se nicht „in Deutschland“ anzuwenden sind. Schon deshalb wird sich die Darstellung im weiteren ganz wesentlich auf das zuvor angesprochene Problem einer möglichen Unvereinbarkeit eines unionsrechtlichen Aktes mit den Grundrechtsstandards des Grundgesetzes konzentrieren.

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte Im folgenden soll nun der Frage nachgegangen werden, wie auftretende Jurisdiktionskonflikte aufgelöst werden können. Bevor aus deutscher Sicht und vor dem Hintergrund des Grundgesetzes sowie der einschlägigen BVerfG-Rechtsprechung 37 Für den Gesetzgeber stellt sich darüber hinaus die noch viel grundlegendere Frage, wie er sich im Falle eines Konfliktes zwischen Verfassungs- und Unionsrecht verhalten soll. Ist er gezwungen, sehenden Auges ein verfassungswidriges Gesetz zu erlassen, um den Anforderungen des Unionsrechts zu genügen, oder muß die unionsrechtliche Verpflichtung im Zweifel zurückstehen? Im Gemeinschaftsrecht nimmt sich das BVerfG zwar generell zurück, verspricht aber, seine Rechtsprechung ggf. wieder aufzunehmen und letzten Endes auch Gemeinschaftsrecht anhand der Bestimmungen des Grundgesetzes zu überprüfen [vgl. unten Dritter Teil C. II. 1.]. Das Grundgesetz geht nach Auffassung des BVerfG dem Gemeinschaftsrecht offenbar vor. Darf dann aber der Gesetzgeber das Grundgesetz bei der Gesetzgebung außer acht lassen, um gemeinschaftsrechtlichen oder gar unionsrechtlichen Vorgaben zu genügen? Auf diese Frage, die auch im Gemeinschaftsrecht nicht geklärt zu sein scheint, soll hier indes nicht eingegangen werden. Vgl. aber das Diktum im Haftbefehl-Urteil, wonach der Gesetzgeber im Falle der Umsetzung eines Rahmenbeschlusses „in normativer Freiheit“ (also nicht durch Unionsrecht vorbestimmt) handelt [BVerfGE 113, 273 (315)] und wodurch das BVerfG dem Gesetzgeber in letzter Konsequenz ein Verweigerungsrecht zubilligt [Böhm, NJW 58 (2005), 2588 (2588)]. 38 BVerfGE 89, 155 (188), vgl. unten Dritter Teil C. II. 1.

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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ein eigener Lösungsvorschlag erarbeitet werden soll, soll zunächst kurz die Herangehensweise des EuGH und des BVerfG an diese Konfliktsituation, jeweils im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht und das Unionsrecht, rekapituliert werden.

I. Ansatz des EuGH 1. Im Gemeinschaftsrecht Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts geht der EuGH bekanntermaßen von einem absoluten (Anwendungs-)Vorrang des Gemeinschaftsrechts (auch vor dem nationalen Verfassungsrecht)39 aus,40 für das unstreitig41 er selbst die Letztentscheidungskompetenz innehat.42 Dies scheint zunächst wenig Spielraum für ein Entgegenkommen des EuGH zu lassen. Im Sinne einer politischen Annäherung berücksichtigt der EuGH indes mittelbar durchaus von den nationalen Verfassungsgerichten geäußerte Bedenken.43 So hat er namentlich – nicht zuletzt als Reaktion auf die Solange-Rechtsprechung des BVerfG 44 und gerade in Anlehnung an die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten45 – den Grundrechtsschutz auf Ebene des Gemeinschaftsrechts aus der Taufe gehoben. Ohne seine Jurisdiktion zurückzunehmen, ist doch ein gewisses Maß an Entgegenkommen durchaus auch auf seiten des EuGH erkennbar.46

2. Im Unionsrecht Bisher hat sich der EuGH einer eindeutigen Beurteilung des Verhältnisses des Unionsrechts zu nationalem (Verfassungs-)Recht und damit seines Verhältnisses zu EuGH, Rs. 11 / 70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125, Rn. 3. EuGH, Rs. 106 / 77, Simmenthal II, Slg. 1978, 629, Rn. 17 ff.; id., Rs. C-10 / 97 – C-22 / 97, IN.CO.GE., Slg. 1998, I-6307, Rn. 20 f. 41 Vgl. aber auch die Diskussion über die Notwendigkeit, dem EuGH die Letztentscheidung über die Kompetenzverteilung zwischen EG / EU und den Mitgliedstaaten wegen seiner betont europafreundlichen Rechtsprechung zu entziehen; allgemein: Giegerich, Europäische Verfassung und deutsche Verfassung, 717 ff. m. w. N.; pro: Broß, VerwArch 92 (2001), 425 (429 und passim); Goll / Kenntner, EuZW 13 (2002), 101; contra: Everling, EuZW 13 (2002), 357; Mayer, in: von Bogdandy, 229 (254 ff.). 42 EuGH, Rs. 314 / 85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, Rn. 12 – 18; Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1095); Funk-Rüffert, 25 f.; Hirsch, NJW 49 (1996), 2457 (2462 ff.). 43 Broß, VerwArch 92 (2001), 425 (432); Violini, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 117 (126). 44 Chalmers / Hadjiemmanuil / Monti / Tomkins, 236; Di Fabio, in: Zimmermann, 107 (115); Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 836 (855 f.); Weiler / Haltern, Harv. ILJ 37 (1996), 411 (446). 45 EuGH, Rs. 4 / 73, Nold, Slg. 1974, 491, Rn. 13; id., Rs. 44 / 79, Hauer, Slg. 1979, 3727, Rn. 15. 46 Vgl. Kowalik-Ban ´ czyk, GLJ 6 (2005), 1355 (1356) sowie ferner die Darstellung bei Everling, JZ 55 (2000), 217 (224). 39 40

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

den mitgliedstaatlichen Verfassungsgerichten enthalten. Allerdings ist mit Blick auf das Pupino-Urteil, in dem er eine mitgliedstaatliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung konstituiert hat,47 zu vermuten, daß der EuGH von einem Vorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht ausgeht.48 Es darf wohl angenommen werden, daß der EuGH der Auffassung ist, die Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung gehe den anderen nationalen Auslegungsmethoden, insbesondere auch der verfassungskonformen Auslegung, vor. Dafür, daß der EuGH einen Vorrang des Unionsrechts annimmt, streitet wohl auch der faktische Verweis auf Art. 10 EGV.49 Offen bleibt indes, ob der EuGH den Vorrang des Unionsrechts mit der gleichen Absolutheit wie im Gemeinschaftsrecht fordert. Als ein Hinweis auf einen weniger weit reichenden Vorrang50 könnte die Betonung des EuGH angeführt werden, die Mitgliedstaaten seien nicht zu einer Auslegung contra legem verpflichtet,51 was einen jedenfalls textuellen Unterschied gegenüber der zur richtlinienkonformen Auslegung ergangenen Rechtsprechung darstellt52 und wiederum als ein gewisses Entgegenkommen des EuGH gewertet werden könnte. Auf jeden Fall könnte der im Pupino-Urteil angedeutete Vorrang aufgrund der nur mittelbaren Wirkung des Unionsrechts und der – damit letztlich korrespondierenden – contra legem-Grenze, wonach entgegenstehendes nationales Recht in letzter Konsequenz gerade nicht verdrängt werden soll,53 nur eine ungleich geringere praktische Bedeutung haben verglichen mit dem Gemeinschaftsrecht.

EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 34 ff. So auch Adam, EuZW 16 (2005), 558 (561); Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (377); Herrmann, EuZW 16 (2005), 436 (438); Kowalik-Ban´czyk, GLJ 6 (2005), 1355 (1357); Lavranos, EFARev 11 (2006), 471 (487); Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (325 f.) („albeit with less far-reaching consequences as in the first pillar“); skeptisch jedoch Kurcz / azo wski, YEL 25 (2006), 177 (203); Tsadiras, CMLRev 44 (2007), 1515 (1525) sowie, mit Verweis auf das Haftbefehl-Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts [siehe Dritter Teil, Fn. 71], Komárek, CMLRev 44 (2007), 9 (26 f.); instruktiv auch Dougan, CMLRev 44 (2007), 931 (947). 49 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 43; vgl. Betlem, in: Obradovic / Lavranos, 297 (303); Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (25); Spencer, CLJ 64 (2005), 569 (571). 50 Vgl. Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (325 f.) („albeit with less far-reaching consequences as in the first pillar“). 51 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 47. 52 Vgl. Prechal, CMLRev 42 (2005), 1445 (1460); vgl. auch Biondi / Harmer, EPL 13 (2007), 33 (37). Die contra legem-Grenze hat allerdings auch in die Post-Pupino-Rechtsprechung des EuGH zur richtlinienkonformen Auslegung Eingang gefunden; vgl. EuGH, Rs. C-212 / 04, Adeneler, Slg. 2006, I-6057, Rn. 110. 53 Vgl. Dougan, CMLRev 44 (2007), 931 (947). 47 48

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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II. Ansatz des BVerfG 1. Im Gemeinschaftsrecht Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts und gemäß der hier im Zuge der Entscheidungen Solange I 54 und II 55, Maastricht56 sowie Bananenmarktordnung57 gezeichneten Rechtsprechungslinie, in der das bekannte Diktum vom „Kooperationsverhältnis“58 zwischen BVerfG und EuGH die prägnanteste Beschreibung des Selbstverständnisses des BVerfG widerspiegelt, sieht sich das BVerfG auf zweierlei zurückgeworfen: auf die Überprüfung des Wahrens eines Grundrechtsschutzes durch den EuGH, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist, zumal – aber nicht nur59 – des grundrechtlichen Wesensgehalts;60 sowie auf das Überwachen der „Demarkationslinie“ zwischen der nationalen und der Gemeinschaftsrechtsordnung, also darauf, daß die Gemeinschaftsorgane nicht außerhalb ihrer Kompetenzen in die deutsche Rechtsordnung hineinwirken.61 Tun sie dies doch, so spricht das BVerfG von einem „ausbrechenden Rechtsakt“, den anzuwenden die deutsche Staatsgewalt gehindert sei.62 Soweit im Wege der Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG geltend gemacht werden soll, ein gemeinschaftsrechtlicher Akt verstoße gegen deutsche Grundrechte, muß die „besondere Zulässigkeitsvoraussetzung“63 in Gestalt des Nachweises erfüllt werden, daß der durch den EuGH ausgeübte Grundrechtsschutz nicht nur im Einzelfall nicht mehr gewährleistet werde, sondern daß vielmehr ein generelles Absinken des Schutzniveaus, in einer Vielzahl von Fällen über einen längeren Zeitraum hinweg, zu beklagen sei.64 Für den Normal-, also für den Einzelfall, verbleibt es jedoch bei folgender Grundregel: Das BVerfG unterzieht GemeinBVerfGE 37, 271. BVerfGE 73, 339. 56 BVerfGE 89, 155. 57 BVerfGE 102, 147. 58 BVerfGE 89, 155 (175). 59 Vgl. Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 836 (851, insb. Fn. 61). 60 BVerfGE 102, 147 (163 f.). 61 BVerfGE 89, 155 (209 f.). 62 BVerfGE 89, 155 (188); einen solchen „ausbrechenden Rechtsakt“ hat das BVerfG in seiner bisherigen Judikatur freilich noch nicht festgestellt. 63 BVerfGE 102, 147 (164). 64 BVerfGE 73, 339 (387). Die vom BVerfG diesbezüglich aufgestellten Hürden sind jedoch als derart hoch zu bezeichnen, daß eine Wiederaufnahme der Rechtsprechungstätigkeit durch das BVerfG auf unbestimmte Zeit nicht absehbar ist; vgl. nur Hofmann, in: FS Steinberger, 1207 (1222); Hummrich, DRiZ 83 (2005), 361 (362); Kraus, in: Grote / Marauhn, Kap. 3, Rn. 32; Lutz, 101; Schwarze, in: FS BVerfG, 223 (238). Buschle attestiert dem EuGH gar einen seit einiger Zeit besonders ausgeprägten „Willen zum Grundrecht“ [EuZW 18 (2007), 218 (219)]; etwas kritischer hingegen Buermeyer, HRRS 6 (2005), 273 (278 m. w. N.). 54 55

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

schaftsrecht keiner (auch nicht mittelbaren) verfassungsrechtlichen Überprüfung.65 Jedoch bleibt zu betonen, daß das BVerfG grundsätzlich durchaus von der Grundrechtsbindung auch der durch das Gemeinschaftsrecht prädeterminierten staatlichen Akte ausgeht66 und statt dessen die „prozessuale Lösung“67 bevorzugt; es nimmt sich allein im Wege eines judicial restraint zurück.68

2. Im Unionsrecht Interessant ist, wie sich das BVerfG zum sekundären Unionsrecht verhält. In seiner Maastricht-Entscheidung hatte das BVerfG eine vollumfängliche Überprüfung des sekundären Unionsrechts angenommen, ohne jedwede Zurückhaltung anzudeuten: Verpflichten gemeinsame Aktionen und Maßnahmen nach den Titeln V und VI des UnionsVertrags die Mitgliedstaaten völkerrechtlich verbindlich zu grundrechtserheblichen Eingriffen, so können alle diese Eingriffe, wenn sie in Deutschland vorgenommen werden, von der deutschen Gerichtsbarkeit voll überprüft werden. Der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes ist insoweit nicht durch supranationales Recht, das Vorrang beanspruchen könnte, überlagert. Eine völkerrechtliche Verbindlichkeit für die Bundesrepublik Deutschland kann jedenfalls den der deutschen Staatsgewalt gegenüber bestehenden Grundrechtsschutz nicht mindern, eine nach Titel V oder VI des Unions-Vertrags beschlossene europäische Vorgabe für einen Grundrechtseingriff durch die deutsche Hoheitsgewalt demnach auch den Grundrechtsschutz durch die deutschen Gerichte nicht einschränken. Insoweit gilt nichts andeSteinberger, in: FS Doehring, 951 (962). Beck, ELRev 30 (2005), 42 (52); Broß, VerwArch 92 (2001), 425 (437 f.); Hecker, AöR 123 (1998), 577 (587); Hofmann, in: FS Steinberger, 1207 (1212); Kirchhof, JZ 44 (1989), 453 (454); Rupp, JZ 42 (1987), 241 (242). So etwa ganz deutlich in der Solange IEntscheidung, BVerfGE 37, 271 (282): „Soweit [ . . . ] Bürger der Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf gerichtlichen Schutz ihrer im Grundgesetz garantierten Grundrechte haben, kann ihr Status keine Beeinträchtigung erleiden nur deshalb, weil sie durch Rechtsakte von Behörden oder Gerichten der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar betroffen werden, die sich auf Gemeinschaftsrecht stützen.“ Aber auch nach der Solange II-Entscheidung von 1986 ergingen – wenigstens – zwei Kammerbeschlüsse des BVerfG, in denen wortgleich festgestellt wurde, im Falle der Versagung des „vom Grundgesetz als unabdingbar gebotene[n] Grundrechtsstandard[s]“ durch den EuGH könne das BVerfG angerufen werden; EuGRZ 16 (1989), 339 (340); NVwZ 12 (1993), 883. 67 So treffend Hofmann, in: FS Steinberger, 1207 (1224); Giegerich spricht von einem „prozessualen Ventil“ [ZaöRV 50 (1990), 836 (851)]; ebenso Di Fabio, NJW 43 (1990), 947 (947); Rupp, JZ 42 (1987), 241. Das BVerfG spricht in seinem BananenmarktordnungBeschluß selbst von einer „besonderen Zulässigkeitsvoraussetzung“, die zu erfüllen sei; BVerfGE 102, 147 (164) (Hervorhebung durch den Verfasser); kritisch zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Art. 23 I 1 GG Büdenbender, 253 f. 68 Biehler, AVR 41 (2003), 169 (175); Broß, VerwArch 92 (2001), 425 (438); Walter, AöR 129 (2004), 39 (53); Hirsch spricht von einer „schlummernden Gerichtsbarkeit“ des BVerfG [EuR 41 (2006), Beiheft 1, 7 (9)], van Ooyen von „suspendierter Souveränität“ [Staatstheorie des BVerfG, 17]. Nach Kadelbach versteht sich das BVerfG im Zweifelsfalle den internationalen Gerichten für den Geltungsbereich des Grundgesetzes als übergeordnet [Jura 27 (2005), 480 (486)]. 65 66

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

207

res als bei einem herkömmlichen völkerrechtlichen Vertrag: Soweit dessen innerstaatliche Durchführung Grundrechte verletzen würde, ist sie verfassungsrechtlich untersagt.69

Viel deutlicher hätte das BVerfG kaum zum Ausdruck bringen können, daß es nicht beabsichtigt, sich im Hinblick auf das sekundäre Unionsrecht in Zurückhaltung zu üben. In seinem Urteil betreffend das deutsche Umsetzungsgesetz zum Rahmenbeschluß des Rates über den Europäischen Haftbefehl70 hatte das BVerfG – nach nunmehr knapp dreizehn Jahren unionsrechtlicher Praxis und zwei teils sehr umfassenden Vertragsrevisionen – nun erstmals erneut Gelegenheit, sich zur Frage der – mittelbaren – Überprüfbarkeit sekundären Unionsrechts zu äußern.71 BVerfGE 89, 155 (177 f.). BVerfGE 113, 273. 71 (Verfassungs-)gerichtliche Verfahren, die sich mit dem Verhältnis der Kompetenzen des EuGH in Angelegenheiten der Dritten Säule zu den eigenen Kompetenzen beschäftigten, waren auch noch vor sechs weiteren mitgliedstaatlichen (Verfassungs-)Gerichten anhängig, jeweils den Rahmenbeschluß über den Europäischen Haftbefehl betreffend. Die belgische Cour constitutionnelle (die seinerzeit noch als Cour d’arbitrage firmierte) [Urteil v. 13. Juli 2005, abrufbar unter: http: // www.arbitrage.be/public/f/2005/2005-124f.pdf] hat sich bisher zwar nicht ausdrücklich und endgültig dazu verhalten, wie sie einen Konflikt zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und dem Unionsrecht lösen würde [in bezug auf das Gemeinschaftsrecht scheint die generelle Zurückhaltung der belgischen Gerichte aufgrund neuerer Rechtsprechung der Cour constitutionnelle nicht mehr gesichert zu sein; vgl. die Darstellung und Bewertung bei Mayer, Kompetenzüberschreitung und Letztentscheidung, 176 ff.], hat aber zur Vermeidung eines solchen Konflikts eine Vorlage nach Art. 35 I EUV an den EuGH eingereicht, um nicht die Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung [sic] zu gefährden und gegen das allgemeine Rechtsprinzip der Rechtssicherheit des Gemeinschaftsrechts [sic] zu verstoßen [B.10. des Urteils]. Zur Begründung hat sie jeweils ausgeführt: „Avant d’examiner l[es] moyen[s] [avancés par la partie requérante], la Cour estime qu’il s’impose de poser à la Cour de justice l[es] question[s] préjudicielle[s] mentionnée[s] au dispositif.“ [B.3.3. bzw. B.11. des Urteils]. Nachdem der EuGH den in Rede stehenden Rahmenbeschluß für rechtmäßig befunden hatte [EuGH, Rs. C-303 / 05, Advocaten voor de Wereld VZW, Slg. 2007, I-3633], hat die Cour constitutionnelle ein endgültiges Urteil gefällt [Urteil v. 10. Oktober 2007, abrufbar unter: http: // www.arbitrage.be/public/f/2007/2007-128f.pdf]. An den entscheidenden Stellen zur Grundrechtskonformität des belgischen Umsetzungsgesetzes führt die Cour constitutionnelle jeweils aus, die einzelnen Klagegründe seien „unbegründet“ [B.7., B.9. sowie B.21 des Urteils]. Betreffend den vierten und fünften Klagegrund [B.10. ff. des Urteils] verweist die Cour zunächst auf die Vorabentscheidung des EuGH bzgl. des Rahmenbeschlusses, fügt indes sodann an, die Begründung des EuGH gelte „mutatis mutandis“ auch für das belgische Umsetzungsgesetz [B.16. des Urteils], welches es hernach – ungeachtet der Vorabentscheidung des EuGH – vollumfänglich zu prüfen scheint. Einen Verfassungsverstoß kann die Cour insgesamt nicht feststellen. Die Wendung „avant d’examiner“ im Urteil v. 13. Juli 2005 sowie die Tatsache, daß die Cour im Urteil v. 10. Oktober 2007 nicht nur dem Augenschein nach das belgische Umsetzungsgesetz prüft, sondern schließlich die einzelnen Klagegründe als „unbegründet“ („ne sont pas fondés“), und nicht etwa als „unzulässig“, verwirft, bedeutet nach Ansicht des Verfassers, daß sich die Cour mitnichten bei der Prüfung zurückgehalten hat. Bestätigt wird dies noch dadurch, daß die Cour den ersten Klagegrund bzgl. der Frage, ob die Einführung des europäischen Haftbefehls in Form eines Rahmenbeschlusses erfolgen durfte, zwar gleichfalls als „unbegründet“ verwirft, nach dem Verweis auf die Vorabentscheidung des EuGH im weiteren jedoch keine eigenständige Diskussion anschließt [B.2. – B.4. des Urteils]. 69 70

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

Angesichts des sehr deutlichen Duktus der Maastricht-Entscheidung in diesem Punkte schien eine Abkehr an sich zunächst nicht sehr wahrscheinlich; andererseits hatte insbesondere der Amsterdamer Vertrag grundlegende Neuerungen – zumal im Bereich der Dritten Säule – mit sich gebracht, so daß eine Fortentwicklung der Rechtsprechungslinie gleichfalls nicht vollkommen fern lag. Entsprechend unterschiedlich waren die Erwartungen an das BVerfG, und entsprechend kontrovers fielen auch die Bewertungen des Urteils in der Literatur aus.72 Eines jedoch ist klar: Demgegenüber hat das polnische Trybunal Konstytucyjny eine offenkundig europakritische Position eingenommen und eine Norm des polnischen Umsetzungsgesetzes mit Urteil v. 27. April 2005 als mit der polnischen Verfassung unvereinbar verworfen. Allerdings hat das Trybunal Konstytucyjny mit Rücksicht auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen Polens und unter Ausschöpfung des in Art. 190 III der polnischen Verfassung eröffneten Ermessens die einschlägige Norm des polnischen Umsetzungsgesetzes für einen Zeitraum von achtzehn Monaten übergangsweise fortgelten lassen [5.2. des Urteils; dies hat allerdings nicht in allen Fällen die polnischen Gerichte auch tatsächlich zur Anwendung der „suspendiert für nichtig erklärten“ Umsetzungsnorm motivieren können; vgl. hierzu Kuczyn´ska, PolYIL 27 (2004 – 2005), 199 (203)]; das Urteil ist in deutscher Übersetzung auszugsweise abgedruckt in: EuR 40 (2005), 494; vgl. auch die Besprechungen von Kowalik-Ban´czyk, GLJ 6 (2005), 1355; Leczykiewicz, CMLRev 43 (2006), 1181; Skrzypek, CDE 43 (2007), 179 (208 ff.) und Wyrozumska, PolYIL 27 (2004 – 2005), 7. Der Supreme Court Zyperns (Áíþôáôï ÄékáóôÞréï Êýðrïõ) hat mit Urteil v. 7. November 2005 ebenfalls das zyprische Umsetzungsgesetz wegen Unvereinbarkeit mit der zyprischen Verfassung verworfen; englischsprachige Zusammenfassung (sowie Volltext des Urteils in griechisch) abrufbar unter: http: // www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/ docs/polju/EN/ EJN680.pdf.; vgl. auch die Besprechung von Tsadiras, CMLRev 44 (2007), 1515. Demgegenüber hat der griechische Areios Pagos (^Áråéïò ÐÜãïò) in seinem Urteil v. 8. März 2005 (591 / 2005) keine (verfassungs-)rechtlichen Bedenken gegen das griechische Umsetzungsgesetz geäußert; kurze englischsprachige Zusammenfassung (sowie Volltext des Urteils in griechisch) abrufbar unter: http: // www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/ polju/EN/EJN659.pdf. Das tschechische Verfassungsgericht hielt in seinem Urteil v. 3. Mai 2006 das tschechische Umsetzungsgesetz ebenfalls nicht für (verfassungs-)rechtlich beanstandenswert; englischsprachige Übersetzung des Urteils abrufbar unter: http: // test.concourt.cz/angl_verze/doc/pl-66-04. html; für eine Besprechung des Urteils Komárek, CMLRev 44 (2007), 9 (26 – 30). Für einen Überblick über die von den verschiedenen nationalen Gerichten maßgeblich angestellten Überlegungen siehe Deen-Racsmány, LJIL 20 (2007), 167 (171 f.). Vgl. auch den avis des französischen Conseil d’État v. 26. September 2002 (368.282), in welchem der Conseil die Notwendigkeit sah (wenn auch nicht im Hinblick auf die Auslieferung eigener Staatsangehöriger), vor der Implementierung des Rahmenbeschlusses zum europäischen Haftbefehl die französische Verfassung zu ändern [IV. des avis]; abrufbar unter: http: // www. conseil-etat.fr/avisag/368282.pdf. Beachtenswert ist zudem die folgende Passage des avis, in welcher der Conseil (im Hinblick auf die Auslieferung eigener Staatsangehöriger) offenbar von der Höherrangigkeit der französischen Verfassung vor einem Rahmenbeschluß ausgeht [II. des avis]: „Toutefois, une telle décision-cadre ne saurait, si elle comporte des dispositions contraires à la Constitution ou à des principes de valeur constitutionnelle, mettant en cause les droits et libertés constitutionnellement garantis ou portant atteinte aux conditions essentielles d’exercice de la souveraineté nationale, être transposée dans l’ordre interne qu’après modification de la Constitution.“

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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Das BVerfG hat nicht unbesehen seine Rechtsprechungslinie in bezug auf das Gemeinschaftsrecht schlicht auf das Unionsrecht übertragen. Wenn es dies hätte tun wollen, hätte es alle Gelegenheit gehabt, sich entsprechend prononciert zu äußern. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, auf seine bisherige Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht zu verweisen und – unter Bezugnahme auf das nur einen Monat vorher veröffentlichte Urteil des EuGH in Sachen Pupino – eine tragfähige Argumentation dafür zu liefern, warum die dort aufgestellten Grundsätze auch auf Rechtsakte der Dritten Säule zu übertragen seien. All dies hat das BVerfG indes nicht getan. Vielmehr hat es sich darauf zurückgezogen, auf den Umsetzungsspielraum des Rahmenbeschlusses zu verweisen und allein ebendiesen einer – allerdings umfassenden – verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen.73 Damit hat das BVerfG in seinem Haftbefehl-Urteil die Frage eines möglichen Vorrangs einer mitgliedstaatlichen Umsetzungsverpflichtung aus einem Rahmenbeschluß vor Rechtspositionen des Grundgesetzes letztlich offengelassen,74 weil diese Frage wegen des vorhandenen Umsetzungsspielraums nicht notwendigerweise einer Beantwortung bedurfte.75 Andererseits hat das BVerfG das gesamte deutsche Umsetzungsgesetz für nichtig erklärt – und nicht etwa bloß diejenigen Teile des Umsetzungsgesetzes, die dem Gesetzgeber einen 72 Vgl. aus der sehr umfangreichen Besprechungsliteratur Baddenhausen / Pietsch, DVBl 120 (2005), 1562; Böhm, NJW 58 (2005), 2588; Buermeyer, HRRS 6 (2005), 273; Gas, EuR 41 (2006), 285; Hinarejos Parga, CMLRev 43 (2006), 483; Hufeld, JuS 45 (2005), 865; Hummrich, DRiZ 83 (2005), 361; Jekewitz, GA 152 (2005), 625; Klink / Proelß, DÖV 59 (2006), 469; Knopp, JR 2005, 448; Masing, NJW 59 (2006), 264; Mißling, EuR 42 (2007), 261; Mölders, GLJ 7 (2006), 45; van Ooyen, in: Möllers / van Ooyen, 59; Ranft, wistra 24 (2005), 361; Satzger / Pohl, JICJ 4 (2006), 686; Schünemann, StV 25 (2005), 681; Stachel, VR 51 (2005), 394; Tomuschat, EuGRZ 32 (2005), 453; von Unger, NVwZ 24 (2005), 1266; Vogel, JZ 60 (2005), 801; Wasmeier, ZEuS 9 (2006), 23; Wolf, KJ 38 (2005), 350. 73 BVerfGE 113, 273 (300 ff.). Die Ausfüllung des Umsetzungsspielraums durch den Gesetzgeber hat das BVerfG maßgeblich an Art. 16 II sowie Art. 19 IV GG geprüft und als beide genannten Grundrechte verletzend verworfen. 74 Ebenso Gas, EuR 41 (2006), 285 (287); Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (375 f.); Klink / Proelß, DÖV 59 (2006), 469 (470); Masing, NJW 59 (2006), 264 (264); nach Stachel ist das Haftbefehl-Urteil „kein Meilenstein in der Rechtsprechung des BVerfG zur Weiterentwicklung der EU“ [VR 51 (2005), 394 (395)]; nach Tomuschat brachte das Haftbefehl-Urteil keine neue Einsichten in die Zukunft des europäischen Integrationsgebildes [EuGRZ 32 (2005), 453 (453)]. 75 Wenig instruktiv dürfte in diesem Zusammenhang auch der 12. Erwägungsgrund des dem deutschen Umsetzungsgesetz zugrunde liegenden einschlägigen Rahmenbeschlusses [Dritter Teil, Fn. 215] sein. Nach dessen Absatz 2 wird jedem Mitgliedstaat die Freiheit belassen, gewisse verfassungsrechtliche Garantien anzuwenden, u. a. die auf ein ordnungsgemäßes Verfahren. Unabhängig davon, welche Rechtswirkung man den Erwägungsgründen eines Rahmenbeschlusses generell zumessen möchte, hätte dies als Argument für eine Anwendung des Art. 19 IV GG vom BVerfG jedenfalls angedacht werden können [vgl. auch Herlin-Karnell, ERT 10 (2007), 883 (891 f.)]. Auf die verfassungsrechtliche Freiheit vor Auslieferung wird im 12. Erwägungsgrund hingegen nicht verwiesen; diese ist vielmehr Gegenstand des 13. Erwägungsgrundes, der wiederum deutlich enger gefaßt ist. Eine Anwendung auch der Freiheit vor Auslieferung des Art. 16 II GG ist dem Rahmenbeschluß selbst daher nicht zu entnehmen.

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

Umsetzungsspielraum beließen –, was eine deutliche Abkehr von der zum Gemeinschaftsrecht eingeschlagenen Linie bedeutet. Ein Verwerfen eines gemeinschaftsrechtlich prädeterminierten deutschen Rechtsaktes hat es dort bis heute nicht gegeben.76 Insofern ist – nicht ganz zu Unrecht – die Vermutung geäußert worden, das BVerfG habe das gesamte Umsetzungsgesetz vollumfänglich am Maßstab des Grundgesetzes geprüft.77 In jedem Fall hat das BVerfG keine übertriebene Zurückhaltung gegenüber dem Unionsrecht in Gestalt des in Rede stehenden Rahmenbeschlusses an den Tag gelegt78 – oder sich auch nur rhetorisch darum bemüht. Die Rhetorik des BVerfG spricht vielmehr eine vollkommen andere Sprache: So gibt das BVerfG in seiner Urteilsbegründung einen ersten – und für den Juristen sehr beredten – Hinweis, in welche Richtung es sich in Zukunft bewegen könnte. Zu Beginn der Überprüfung des Umsetzungsspielraums führt das BVerfG aus, der Gesetzgeber sei „jedenfalls“ verpflichtet gewesen, die Umsetzungsspielräume, die der Rahmenbeschluß den Mitgliedstaaten belassen habe, grundrechtsschonend auszufüllen.79 Für das BVerfG bedeutet dies nichts anderes, als daß es auch „jedenfalls“ diese Umsetzungsspielräume überprüfen kann.80 Die Verpflichtung des Gesetzgebers, gemeinschaftsrechtliche Vorgaben umzusetzen, deckt sich mit dem Unvermögen des BVerfG, diese Umsetzung einer verfassungsrechtlichen Kontrolle zu unterziehen.81 So weit, wie die Pflicht des Gesetzgebers zur Umsetzung reicht, ist auch die Überprüfungskompetenz des BVerfG zurückgedrängt. Erst von dem Punkte an, an dem die bloße Umsetzungspflicht des Gesetzgebers endet und sich ihm Umsetzungsspielräume eröffnen, erlebt die Kontrollkompetenz des BVerfG eine Renaissance.82 Man könnte insoweit von einem „umgekehrt kongruenten“ Verhältnis von Umsetzungspflicht des Gesetzgebers sowie Prüfungskompetenz und -pflicht des BVerfG sprechen. Wenn nun aber das BVerfG in seinem HaftbefehlUrteil davon spricht, der Gesetzgeber habe jedenfalls die Umsetzungsspielräume ausschöpfen müssen, kommt hierin zum Ausdruck, daß es selbst „jedenfalls“ diese Umsetzungsspielräume einer verfassungsrechtlichen Kontrolle unterziehen kann. Wenn nun der Gesetzgeber „jedenfalls“ die Umsetzungsspielräume, die der Rahmenbeschluß beläßt, möglichst grundrechtsschonend auszufüllen hat, kann dies Vgl. von Unger, NVwZ 24 (2005), 1266 (1267). So Merli, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 125 (128) und Mißling, EuR 42 (2007), 261 (262); wohl auch Stachel, VR 51 (2005), 394 (395) sowie Vogel, JZ 60 (2005), 801 (805). 78 Vgl. das Sondervotum des Richters Gerhardt, nach dem die Nichtigerklärung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes durch die Senatsmehrheit nicht mit dem verfassungs- und unionsrechtlichen Gebot, Verletzungen des EUV möglichst zu vermeiden, in Einklang steht [BVerfGE 113, 273 (339 ff.)]. 79 BVerfGE 113, 273 (300). 80 Insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG zu EG-Richtlinien; BVerfGE 118, 79 (95 ff.). 81 BVerfGE 118, 79 (95 ff.); siehe hierzu auch Büdenbender, 63 f. 82 Vgl. Gas, EuR 41 (2006), 285 (287 m. w. N.) sowie ausführlich Mißling, EuR 42 (2007), 261 (265 – 268). 76 77

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kaum anders verstanden werden, als daß er gegebenenfalls auch die sonstige Umsetzung – obschon durch den Rahmenbeschluß prädeterminiert – grundrechtsschonend auszugestalten hat. Damit hat das BVerfG die Frage einer eigenen weitergehenden Prüfungskompetenz zumindest bewußt offen gelassen. In die Richtung einer weiterreichenden Prüfungskompetenz weist ganz deutlich auch die Aussage, wonach der nationale Gesetzgeber im Rahmen der Dritten Säule die politische Gestaltungsmacht im Rahmen der Umsetzung behalte – „notfalls auch durch die Verweigerung der Umsetzung“.83 Wenn aber der Gesetzgeber das politische Zepter bei der Umsetzung weiterhin in der Hand hält – und insoweit wohl eindeutig in scharfem Kontrast zum Gemeinschaftsrecht –, dann bedeutet dies, im Lichte der „umgekehrt kongruenten“ Überprüfungskompetenz des BVerfG, daß mit dem wachsenden Spielraum des Gesetzgebers auch die Überprüfungskompetenz des BVerfG in gleichem Maße zunimmt. In letzter Konsequenz heißt das: Wenn sich der Gesetzgeber gegebenenfalls des größten denkbaren Spielraums bei der „Umsetzung“ bedienen kann, diese nämlich vollkommen verweigern kann, dann muß auch die Überprüfungskompetenz des BVerfG größtmöglich ausfallen, was bedeutet: vollumfängliche Prüfungskompetenz bei mitgliedstaatlichen Umsetzungsgesetzen von Rahmenbeschlüssen.84 Die diesem zugrunde liegende Überlegung ist letztlich einfach: Das BVerfG nimmt für sich das Recht (und die Pflicht) in Anspruch, Spielräume, die dem Gesetzgeber bei der Umsetzung eines Rahmenbeschlusses verbleiben, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Der Spielraum, welchen das BVerfG dem Gesetzgeber im Haftbefehl-Urteil im Falle der Umsetzung eines Rahmenbeschlusses konzediert, ist – in letzter Konsequenz – unendlich weit, umfaßt nämlich auch eine Totalverweigerung der Umsetzung; „notfalls“ müsse (und dürfe) der Gesetzgeber den Rahmenbeschluß nicht umsetzen. Da das BVerfG den dem Gesetzgeber verbleibenden Spielraum überprüfen darf (und muß), dieser Spielraum im Falle der Umsetzung eines Rahmenbeschlusses nach dem BVerfG aber unendlich weit ist, ist auch die Überprüfungskompetenz des BVerfG entsprechend weit, nämlich unbeschränkt; das Recht des Gesetzgebers zur Totalverweigerung korreliert insoweit mit dem Recht des BVerfG zur Totalkontrolle. Die Exegese des Haftbefehl-Urteils durch den Verfasser führt mithin zu folgendem Ergebnis: Das BVerfG könnte in Zukunft durchaus noch mehr überprüfen als lediglich den durch einen Rahmenbeschluß den Mitgliedstaaten zugestandenen Umsetzungsspielraum, nämlich vollumfänglich das gesamte Umsetzungsgesetz 83 BVerfGE 113, 273 (301). Wolf spricht mit Blick auf diese Aussage des BVerfG von einem „gezielt im Urteilstext platzierte[n] hypothetische[n] Ausnahmefall des Unionsrechtsbruchs“ [KJ 38 (2005), 350 (356 f.)], mit dem das BVerfG „weit über die aus europarechtlicher und integrationspolitischer Sicht bedenklichen Äußerungen des MaastrichtUrteils“ hinausgehe [ibid., 351]. Nach van Ooyen bringt das BVerfG mit dieser Passage die fortbestehende Souveränität der Mitgliedstaaten zum Ausdruck [in: Möllers / van Ooyen, 59 (67)]. 84 Vgl. Dederer, ZaöRV 66 (2006), 575 (589).

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

und damit mittelbar auch den Rahmenbeschluß selbst85 – ohne jegliche Rücksichtnahme gegenüber dem EuGH zu üben. Hinweise hierfür finden sich im Urteil nach der Lesart des Verfassers in mannigfaltiger Art.86

III. Ansatz des Verfassers aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts Nach der Darstellung der grundlegenden Positionen von EuGH und BVerfG zu jeweils Gemeinschafts- und Unionsrecht soll nun ein eigener Lösungsansatz für das Unionsrecht der Dritten Säule entwickelt werden. Dieser soll seinen Ausgangs85 Vgl. Satzger / Pohl, JICJ 4 (2006), 686 (694 f.). Richterin Lübbe-Wolff spricht in ihrem Sondervotum zum Haftbefehl-Urteil von einer „fallabgehobene[n] Aussendung dunkler Signale an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften“ [BVerfGE 113, 273 (329)]. Mitsilegas [CMLRev 43 (2006), 1277 (1296)] resümiert: „The Bundesverfassungsgericht does not seem to exclude a clash with EU law in cases where the national constitutional framework concerning human rights and the rule of law is deemed to be threatened.“ Nach von Unger hat sich das BVerfG im Haftbefehl-Urteil die Option offen gehalten, „einen Rahmenbeschluss jederzeit für verfassungswidrig zu erklären“ [NVwZ 24 (2005), 1266 (1269)], nach Westphal hat das BVerfG bereits im Haftbefehl-Urteil die unmittelbar auf den Rahmenbeschluß zurückgehenden Regelungen des deutschen Umsetzungsgesetzes überprüft [EuZW 17 (2006), 555 (559)]. Nach Kadelbach bezog sich bereits der – die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes deutlich relativierende [vgl. auch unten Dritter Teil, Fn. 119 ff. sowie begleitenden Text] – Görgülü-Beschluß des BVerfG auch auf das Unionsrecht und stehe insofern in gewisser Weise in einer Linie mit der Maastricht-Rechtsprechung des BVerfG [Jura 27 (2005), 480 (485 f.)]. 86 Nicht zuletzt die Tatsache, daß das BVerfG das deutsche Haftbefehlsgesetz in seiner Gänze für nichtig erklärt hat [BVerfGE 113, 273 (315 f.); vgl. zur Kritik an diesem Vorgehen die Nachweise in Einleitung, Fn. 19], spricht eine deutliche Sprache und ist in der Geschichte der Europäischen Gemeinschaften beispiellos [vgl. von Unger, NVwZ 24 (2005), 1266 (1267)]. Unverständlich erscheint, wie die folgenden Passagen des Urteils anders verstanden werden könnten als als klare Relativierung der zum sekundären Gemeinschaftsrecht ergangenen Judikatur sowie als deutliche Aussage, daß das BVerfG nicht gewillt ist, die deutsche Souveränität – und seine eigene Rechtsprechungskompetenz – durch Unionsakte beschneiden zu lassen. Es scheint der gesamte Duktus des Urteils diesen Befund zu stützen; vgl. exemplarisch die folgenden Passagen des Urteils: „[ . . . ] Insbesondere hat der Gesetzgeber über die Beachtung der Wesensgehaltsgarantie hinaus dafür Sorge zu tragen, dass der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 2 GG schonend erfolgt. [ . . . ]“ (3. Leitsatz); „Eine im Vergleich zur Umsetzung von Richtlinienrecht der Europäischen Gemeinschaft besondere Verantwortung für die verfassungsgemäße Umsetzung ergibt sich auch aus dem Umstand, dass es sich um Maßnahmen aus dem Bereich der „dritten Säule“ der Europäischen Union handelt.“ (300); „Das Unionsrecht ist trotz des fortgeschrittenen Integrationsstandes weiterhin eine Teilrechtsordnung, die bewusst dem Völkerrecht zugeordnet ist“ (301); „[ . . . ] die mitgliedstaatlichen Legislativorgane [behalten] die politische Gestaltungsmacht im Rahmen der Umsetzung, notfalls auch durch die Verweigerung der Umsetzung“ (301); „[ . . . ] weil der deutsche Gesetzgeber in normativer Freiheit unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe erneut [ . . . ] entscheiden können muss“ (315); Hervorhebung jeweils durch den Verfasser. Vgl. auch den Nichtannahmebeschluß des BVerfG v. 24. November 2005, BVerfGK 6, 360 (363), in welchem das BVerfG den Rahmenbeschluß als völkerrechtlichen Vertrag qualifiziert.

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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punkt im deutschen Verfassungsrecht haben unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG, insbesondere – aber nicht ausschließlich – der zum Gemeinschaftsrecht ergangenen, deren Inhalt – im Gegensatz zum soeben dargestellten Haftbefehl-Urteil – als geklärt, wenn auch nicht unumstritten87 angesehen werden kann. Aufgabe soll es hier nicht sein, die Rechtsprechung des BVerfG zu bewerten und kritisch zu hinterfragen. Es soll vielmehr unkritisch von ihr ausgegangen und untersucht werden, ob und inwieweit sie Rückschlüsse für eine mögliche Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG im Verhältnis zum Unionsrecht zuläßt. Vom (deutschen) Verfassungsrecht auszugehen erscheint insofern folgerichtig, als sich das Unionsrecht, mehr noch als das Gemeinschaftsrecht,88 von den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ableitet.89 Soweit das BVerfG vom Vorrang des Grundgesetzes90 vor dem Gemeinschaftsrecht ausgeht, kann kein Unterschied zum Unionsrecht bestehen. Grundsätzlich genießt das Grundgesetz Geltungsvorrang vor einem Zustimmungsgesetz, mit dem ein völkerrechtlicher Vertrag gemäß Art. 59 II 1 GG in nationales Recht umgesetzt wird.91 Der EUV stellt einen einfachen völkerrechtlichen Vertrag dar,92 der innerstaatlich den Rang eines einfachen Gesetzes hat.93 Folglich erstreckt sich der Geltungsvorrang des Grundgesetzes auch auf den EUV. Insofern sind keine Gründe ersichtlich, warum sich die vom BVerfG beanspruchte Prüfungskompetenz in bezug auf die gemeinschaftsrechtliche Kompetenzordnung nicht auch auf das Unionsrecht übertragen lassen sollte. Insoweit nimmt das BVerfG gerade kein Koopera87 Anknüpfungspunkte für Kritik lassen sich zahlreich finden, vgl. nur Hirsch, NJW 49 (1996), 2457 sowie die Fundstellen bei Walter, AöR 129 (2004), 39 (47, Fn. 22) und Weiler / Haltern, Harv. ILJ 37 (1996), 411 (414, Fn. 15). 88 Vgl. oben Prolegomena C. 89 Dies gilt i. ü. auch für die Situation nach dem Lissabonner Vertrag noch; vgl. BVerfG, Lissabon-Urteil v. 30. Juni 2009, Rn. 231. 90 Bzw. jedenfalls des „Grundgefüges des Grundgesetzes“, zu dem aber namentlich auch die „Rechtsprinzipien, die dem Grundrechtsteil des Grundgesetzes zugrundeliegen“, gehören; BVerfGE 73, 339 (375 f.); vgl. auch Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (225 f.). 91 Broß, VerwArch 92 (2001), 425 (436); Di Fabio, in: Zimmermann, 107 (112). Einem einen völkerrechtlichen Vertrag gemäß Art. 59 II 1 GG in nationales Recht umsetzenden Gesetz kommt innerstaatlich der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zu; statt aller BVerfG, NJW 60 (2007), 499 (501); Rojahn, in: von Münch / Kunig, Art. 59, Rn. 37. 92 Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (221); Pechstein / Koenig, Rn. 145; Reichelt, 57; wohl auch Klink / Proelß, DÖV 59 (2006), 469 (473). 93 Pechstein / Koenig, Rn. 147. Auch der Verweis in Art. 23 I 3 GG auf eine verfassungsändernde Mehrheit ändert hieran nichts. Diese kann nämlich auf keinen Fall für die Dritte Säule ab dem Amsterdamer Vertrag Bedeutung haben. Weder wird die Europäische Union durch den Amsterdamer Vertrag begründet [dies erfolgte durch den Maastrichter Vertrag], noch wird mangels Hoheitsrechtsübertragung durch das Recht der Dritten Säule [vgl. hierzu unten Dritter Teil C. III. 2. c)] das Grundgesetz „seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt“ oder „solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht“. Jedenfalls aber ist das BVerfG in seinem Maastricht-Urteil von einer vollumfänglichen Überprüfbarkeit der Rechtsakte der Dritten Säule nach dem Maastrichter Vertrag ausgegangen [vgl. oben das Zitat bei Dritter Teil, Fn. 69].

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

tionsverhältnis mit dem EuGH an,94 sondern beansprucht schon im Gemeinschaftsrecht eine absolute und ungeteilte Prüfungskompetenz, ohne sich mit Rücksicht auf den EuGH zurückzunehmen.95 Eine hiervon abweichende Haltung im Verhältnis zum Unionsrecht ist nicht vorstellbar. Für den Bereich des Grundrechtsschutzes könnte indes etwas anderes gelten. Im Gemeinschaftsrecht übt das BVerfG seine Gerichtsbarkeit, soweit die Gewährleistung von Grundrechtsschutz betroffen ist, in einem Kooperationsverhältnis mit dem EuGH aus. Fraglich ist, inwieweit eine Übertragung dieses Kooperationsverhältnisses zwischen EuGH und BVerfG auf den Bereich des Unionsrechts vorstellbar ist. Wie gesehen, ist von einem Geltungsvorrang des Grundgesetzes vor dem EUV auszugehen. Insoweit, als das Grundgesetz Vorrang vor dem EUV genießt, muß sich dieser Vorrang auch auf von diesem abgeleitete Rechtsakte wie den Rahmenbeschluß erstrecken.96 Da also normenhierarchisch das Grundgesetz einem Rahmenbeschluß vorgeht und ferner das BVerfG grundsätzlich verpflichtet ist, seinem Verfassungsauftrag in Form der Gewährung von Grundrechtsschutz vollumfänglich nachzukommen,97 muß zunächst die Frage erlaubt sein, was das BVerfG überhaupt dazu veranlassen sollte – und dürfte –, seinem Verfassungsauftrag nicht mehr in vollem Umfange nachzukommen. Ein generelles Ermessen, wann es Rechtsprechung ausüben möchte und wann nicht, kommt dem BVerfG jedenfalls nicht zu.98 Das BVerfG müßte mithin sehr gute Gründe vorweisen können, wenn es seinen Verfassungsauftrag partiell unausgeführt lassen wollte. Wie bereits ausgeführt,99 wird insoweit auf die Integration Deutschlands in den europäischen Einigungsprozeß,100 wie sie bereits feierlich in der Präambel des Grundgesetzes Erwähnung findet,101 verwiesen. Dem dürfe sich Deutschland nicht verschließen, und auch das 94 Mayer, Kompetenzüberschreitung und Letztentscheidung, 110; vgl. aber zu derartigen Anregungen in der Literatur Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 23 Abs. 1, Rn. 62 m. w. N. 95 Siehe auch Broß, VerwArch 97 (2006), 332 (343), nach dem es „schlechterdings ausgeschlossen ist, dass der EuGH letztverbindlich festlegt, in welchem Umfang die Vertragsstaaten ihre nationale Souveränität aufgegeben und auf die Gemeinschaftsebene übertragen haben“. 96 Pechstein / Koenig, Rn. 149; vgl. auch Reichelt, 58; noch für das Sekundärrecht der Dritten Säule nach dem Maastrichter Vertrag Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (241). Der Rahmenbeschluß ist in der vorliegenden Arbeit als abgeleitetes Unionsrecht qualifiziert worden; vgl. oben Zweiter Teil B. IV. 97 Di Fabio, in: Zimmermann, 107 (115); nach Hummrich muß das BVerfG, um seinem Verfassungsauftrag nachzukommen, ggf. den „Willen zum Konflikt“ zeigen [DRiZ 83 (2005), 361 (364)]. Vgl. auch die Nachweise in Dritter Teil, Fn. 20. 98 Schlaich / Korioth, Rn. 364. 99 Oben Dritter Teil A. III. 100 Vgl. Dörr, Europäisierter Rechtsschutzauftrag, 61 – 86. 101 Vor Inkrafttreten des aktuellen Art. 23 GG mußte das Staatsziel der Beteiligung Deutschlands am europäischen Integrationsprozeß dem Art. 24 I GG in Zusammenschau mit der Präambel entnommen werden; Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (191); König, 47 – 50.

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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BVerfG dürfe insoweit keine unüberwindbaren Hindernisse aufbauen.102 So wichtig und gewichtig derlei Argumente auch sein mögen;103 den dereinst mühsam errungenen Grundrechtskatalog mir nichts, dir nichts nonchalant beiseite zu schieben vermögen diese edlen Worte nicht104 – von zu hohem Wert sind die Grundrechte. Den überragend wichtigen Wert der Grundrechte für das deutsche Verfassungsgefüge hat das BVerfG bereits in der Solange I-Entscheidung zum Ausdruck gebracht, wo es den Grundrechtsteil des Grundgesetzes als „unaufgebbares, zur Verfassungsstruktur des Grundgesetzes gehörendes Essentiale“ der deutschen Verfassungsordnung bezeichnet.105 An der überragenden Wichtigkeit der Grundrechte für die Verfassungsstruktur Deutschlands kann daher kaum gezweifelt werden. Der enorm hohe Wert der Grundrechte kommt nicht zuletzt aber auch in der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG, auf den auch Art. 23 I 3 GG ausdrücklich verweist, zum Ausdruck, in welcher der Verfassungsgeber ein Mindestmaß an Grundrechtsschutz auf ewig festgeschrieben hat106 – völlig unabhängig von jeder internationalen Integration. Vor diesem Hintergrund soll nunmehr der Frage nachgegangen werden, ob es die oben erwähnten guten Gründe tatsächlich gibt, die es dem BVerfG erlauben würden, seine Rechtsprechungstätigkeit im Bereich des Unionsrechts ganz oder teilweise zurückzunehmen. Eine Rücknahmeentscheidung des BVerfG bedürfte nicht nur einer überzeugenden Begründung, sie müßte sich überdies möglichst bruchlos in die übrige Judikatur einfügen. Da das Unionsrecht im Gegensatz zum Gemeinschaftsrecht eine Rechtsnatur besitzt, die zu weiten Teilen noch gängigen völkerrechtlichen Standards entspricht,107 das Völkerrecht aber generell nur dann innerstaatlich zur Geltung kommen kann, wenn und soweit es mit dem nationalen Verfassungsrecht in Einklang steht,108 müssen die vorgetragenen Argumente zuDi Fabio, in: Zimmermann, 107 (116). Und entsprechend – nicht zuletzt mit Blick auf die EG – auch vom EGMR angeführt werden; vgl. EGMR, Al-Adsani, RJD 2001-XI, 79, Rn. 54; EGMR, Bosphorus Hava Yollar Turizm ve Ticaret Anonim S¸irketi, Urteil der Großen Kammer v. 30. Juni 2005, Rn. 150; abrufbar unter http: // www.echr.coe.int/echr. 104 Ebensowenig wie auch die sonstigen einschlägigen Verfassungsnormen, namentlich Art. 23 GG. 105 BVerfGE 37, 271 (280). 106 Zwar nimmt Art. 79 III GG, was den Grundrechtsschutz anbetrifft, expressis verbis nur Art. 1 GG in Bezug. Doch wird häufig angenommen, daß die Verbürgungen des Art. 1 GG als Kern in den (meisten) Grundrechten enthalten seien [Häberle, in: HbStR II, § 22, Rn. 56 – 59], wodurch sie im Ergebnis ein Stück weit an der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG teilhätten [BVerfGE 109, 279 (310); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art. 79, Rn. 46]. Vgl. zur Bedeutung der Menschenwürdegarantie für die Ausgestaltung des effektiven Rechtsschutzes im einzelnen auch Broß, VerwArch 97 (2006), 332 (335). 107 Vgl. das obige Ergebnis des Verfassers, Zweiter Teil C. IV., sowie zu den in Rechtsprechung und Schrifttum zur Natur des Unionsrechts vertretenen Ansichten, oben Zweiter Teil B. I. 108 BVerfGE 89, 155 (178); Hörmann, AVR 44 (2006), 267 (289); Mißling, EuR 42 (2007), 261 (271); Schmahl, EuR 41 (2006), 566 (574). 102 103

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

gunsten einer Nichtausübung des Verfassungsauftrages des BVerfG in Gestalt der Gewährleistung von Grundrechtsschutz um so schwerer wiegen. Ein pauschaler Verweis auf die unionsrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands kann keinesfalls ausreichen. Auch im Falle der Übertragung von Hoheitsrechten auf Internationale Organisationen bleiben nämlich die Staaten – auch aus der völkerrechtlichen Perspektive – für etwaige Menschen- / Grundrechtsverstöße verantwortlich.109 Wie erwähnt, soll die zum Gemeinschaftsrecht ergangene BVerfG-Judikatur den Ausgangspunkt bilden. Es sollen zunächst – unter Berücksichtigung weiterer einschlägiger BVerfG-Rechtsprechung – die Kriterien für die dortige Selbstbeschränkung des BVerfG herausgearbeitet werden (1.). Auf diesem Hintergrund soll sodann gefragt werden, ob sich die zum Gemeinschaftsrecht herausgearbeiteten Kriterien für die Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG auf das Unionsrecht übertragen lassen (2.). Die Ausgangslage ist dabei klar: In Ermangelung einer eindeutigen Positionsbestimmung seitens des BVerfG werden in der Literatur zwei konträre Ansichten vertreten: Nach der einen wird die Jurisdiktion des BVerfG durch die des EuGH beziehungsweise die deutschen Grundrechte durch Unionsrecht, einschließlich Rahmenbeschlüsse, verdrängt;110 nach der anderen bleibt das BVerfG weiterhin das zum Grundrechtsschutz berufene Organ mit den Grundrechten des Grundgesetzes als relevantem Prüfungsmaßstab.111

109 de Wet / Nollkaemper, GYIL 45 (2002), 166 (189 f.), mit Verweis auf die einschlägige EGMR-Rechtsprechung; siehe zuletzt EGMR, Bosphorus Hava Yollar Turizm ve Ticaret Anonim S¸irketi, Urteil der Großen Kammer v. 30. Juni 2005, Rn. 154; abrufbar unter http: // www.echr.coe.int/echr. Sei es auch nur, daß diese Verantwortlichkeit des Staates aus einer (positiven) Schutzpflicht des Staates ggü. seinen Rechtsunterworfenen herrührt, für einen adäquaten Rechtsschutz im Rahmen der Internationalen Organisation selbst, auf die Hoheitsrechte übertragen worden sind, Sorge zu tragen; vgl. Walter, AöR 129 (2004), 39 (62 f. und 68 ff.). 110 Ambos, § 12, Rn. 70; Hufeld, JuS 45 (2005), 865 (867); Masing, NJW 59 (2006), 264 (265 ff.); Meier, 248 – 250; Mölders, GLJ 7 (2006), 45 (52); Pernice, in: FS Meyer, 359 (389 – 391); Prechal, in: Barnard, 35 (62); Schreiber, 131 – 134; Tietje, VVDStRL 66 (2007), 45 (57); Vennemann, ZaöRV 63 (2003), 103 (119); in diese Richtung auch Oeter, VVDStRL 66 (2007), 454 (457) sowie, allerdings inkonsequent, weil die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG letztlich doch bejahend, Buermeyer, HRRS 6 (2005), 273 (282 f.). 111 Baddenhausen / Pietsch, DVBl 120 (2005), 1562 (1564 f.) mit Verweis auf das Haftbefehl-Urteil des BVerfG; Klink / Proelß, DÖV 59 (2006), 469 (insb. 473 f.); Ludwig, 267 f.; Merli, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 125 (130); Mißling, EuR 42 (2007), 261 (268 – 274); Reichelt, 63, insb. Fn. 269; Schünemann, StV 25 (2005), 681 (684); Winkler, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 19 (24); Zimmermann, JZ 56 (2001), 233 (234), der allerdings neuerdings der entgegengesetzten Meinung zugeneigt scheint, vgl. Zimmermann, VVDStRL 66 (2007), 437 (437 f.); für eine vollumfängliche Prüfungskompetenz des BVerfG anhand des GG wohl auch das Sondervotum der Richterin Lübbe-Wolff zum Haftbefehl-Urteil [BVerfGE 113, 273 (331)] sowie Schmahl, DVBl 122 (2007), 1463 (1467). Für die analoge Situation der EMRK meint Wölker, die Mitgliedstaaten seien ihr im Bereich der Dritten Säule (in Abgrenzung zur Ersten Säule) „in vollem Umfang“ unterworfen [EuR 34 (1999), Beiheft 1, 99 (101 und 116)].

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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1. Kriterien für die Selbstbeschränkung des BVerfG im Gemeinschaftsrecht Daß sich das BVerfG der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von durch Gemeinschaftsrecht prädeterminierten staatlichen Akten seit der Solange II-Entscheidung enthalten hat – trotz des Fehlens einer ausdrücklichen (grund-)gesetzlichen Grundlage112 –, ist vor dem Hintergrund des Verfassungsauftrags des BVerfG keine Selbstverständlichkeit. a) Offenheit des Grundgesetzes Generelle Voraussetzung für die Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG ist, wie bereits gesehen, die allgemeine Offenheit des Grundgesetzes für die europäische Integration. Offen ist das Grundgesetz jedoch auch gegenüber sonstigem Völkerrecht,113 ohne daß das BVerfG diesem gegenüber seine Gerichtsbarkeit derart weitgehend zurücknehmen würde. Es muß folglich noch weitere Gründe für die Rücknahme geben. b) Vergleichbarer Grundrechtsschutz durch EuG / EuGH Der erste und offensichtlichste Grund für die Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG liegt in der Tatsache – sowie in der in die Zukunft gerichteten Erwartung114 –, daß ein dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbarer Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene durch EuG und EuGH gewährleistet wird. Ein identischer Grundrechtsschutz wird hiermit freilich nicht gefordert.115 Das Erfordernis eines vergleichbaren Grundrechtsschutzes hat das BVerfG bereits in seiner Solange IEntscheidung benannt.116 Seitdem zieht es sich durch die oben beschriebene Rechtsprechung wie ein roter Faden.117 112 Vgl. die Nachweise in Dritter Teil, Fn. 20 sowie den begleitenden Text. Auch der neue Art. 23 GG stellt eine solche Grundlage nicht dar. Aber auch wenn man das anders sehen wollte, würde sich immer noch die – hier interessierende – Frage stellen, warum, d. h. unter welchen Bedingungen das BVerfG seinerzeit seine Gerichtsbarkeit zurückgenommen hat. Die Anwort auf diese Frage könnte nämlich Rückschlüsse darauf zulassen – und allein darauf kommt es dem Verfasser vorliegend an –, ob und inwieweit ein ähnliches – durch Art. 23 GG ganz gewiß nicht präjudiziertes – Vorgehen auch im Verhältnis zum Recht der Dritten Säule denkbar erscheint. 113 Siehe die Nachweise in Prolegomena, Fn. 20. 114 BVerfGE 73, 339 (385 f.); vgl. auch Dritter Teil C. III. 2. b) cc). 115 Vgl. Hofmann, Grenzüberschreitende Sachverhalte, 94. Auch der neue Art. 23 GG fordert keinen dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes identischen Schutz; vgl. Kischel, Der Staat 39 (2000), 523 (527). 116 BVerfGE 37, 271 (285). 117 Vgl. die obige Darstellung unter Dritter Teil C. II. 1. sowie statt aller Schwarze, in: FS BVerfG, 223 (238), der betont, daß das BVerfG im Bananenmarktordnung-Beschluß die

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

c) Übertragung von Hoheitsrechten aa) Zurücknahme der Jurisdiktion des BVerfG nur bei Vorliegen eines Durchgriffseffekts Allein das Merkmal eines dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes adäquaten Grundrechtsschutzes kann indes noch nicht hinreichend für das BVerfG sein, seine Rechtsprechungstätigkeit zurückzunehmen. Ansonsten müßte auch die Rechtsprechung des EGMR zur Rücknahme der Rechtsprechung des BVerfG führen. Dem EGMR kann mit Fug und Recht attestiert werden, einen dem Grundgesetz im wesentlichen gleichzuachtenden Grundrechtsschutz zu gewährleisten.118 Auch treibt die Stärkung des europäischen Menschenrechtsschutzes durch den EGMR den europäischen Integrationsprozeß ohne jeden Zweifel ganz wesentlich voran. Gleichwohl hat das BVerfG im Fall Görgülü119 seine Rechtsprechung gegenüber Judikaten des EGMR mitnichten zurückgenommen, sondern geradezu noch verstärkt. So wird im Zusammenhang mit der Görgülü-Entscheidung bisweilen von einer Aufkündigung der Vertragstreue gegenüber dem EGMR durch das BVerfG gesprochen.120 Hirsch ist gar der Auffassung, die EMRK sowie die Entscheidungen des EGMR seien vor dem Hintergrund der Görgülü-Entscheidung für die deutschen Gerichte und Behörden „nicht verbindlich“.121 Auch wenn die Görgülü-Entscheidung – zu Recht – teils sehr viel positiver gewürdigt worden122 und die vorgenannte Kritik als zum Teil deutlich überzogen anzusehen ist, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, daß das BVerfG seine eigene Rechtsprechungstätigkeit keiGewährleistung eines ausreichenden europäischen Grundrechtsschutzes durch den EuGH rekapituliert hat, sowie Broß, VerwArch 97 (2006), 332 (338 f.), nach dem Abstriche für den rechtsunterworfenen Bürger verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar wären. 118 So mittelbar das BVerfG schon im Jahre 1986; BVerfGE 73, 339 (385 f.). 119 BVerfGE 111, 307. 120 Pernice, EuZW 15 (2004), 705; vgl. auch Frowein, in: FS Delbrück, 279 (279); insgesamt sehr kritisch Cremer, EuGRZ 31 (2004), 683. 121 Hirsch, EuR 41 (2006), Beiheft 1, 7 (11) – ein Befund, der freilich mit Art. 46 EMRK i. V. m. dem deutschen Zustimmungsgesetz kaum vereinbar ist, vgl. etwa Mückl, Der Staat 44 (2005), 403 (416). 122 Broß, VerwArch 97 (2006), 332 (341 f.) („trat das BVerfG dem EGMR hilfreich zur Seite“); Dörr, DVBl 121 (2006), 1088 (1092 und 1097) („dürfte die wesentliche Konsequenz des Görgülü-Beschlusses darin bestehen, dass die innerstaatliche Durchsetzungskraft der EMRK [ . . . ] gestärkt wurde“); Meyer-Ladewig / Petzold, NJW 58 (2005), 15 (20) („das BVerfG [hat] einen wichtigen Schritt zur Stärkung des europäischen Grundrechtsschutzes getan“); Mückl, Der Staat 44 (2005), 403 (422) („Effektuiert das BVerfG dergestalt die Entscheidungswirkungen des EGMR“); Oeter, VVDStRL 66 (2007), 361 (384) („im Ergebnis stellt die Entscheidung einen wichtigen Schritt nach vorne dar“); van Ooyen, Staatstheorie des BVerfG, 33 („das BVerfG hat [ . . . ] ausdrücklich die prinzipielle innerstaatliche Geltung europarechtlicher Menschenrechtsstandards gestärkt“); differenzierend Bergmann, EuR 41 (2006), 101 (106 ff.); Hofmann, GYIL 47 (2004), 9 (30 – 34) sowie Kadelbach, Jura 27 (2005), 480 (484 f.).

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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neswegs zurückgenommen, sondern vielmehr den Vorrang des Grundgesetzes über die EMRK (in der Auslegung durch den EGMR)123 und damit zugleich den Vorrang der eigenen Jurisdiktion über die des EGMR betont hat.124 Hierdurch hat das BVerfG einmal mehr sein völkerrechtliches Verständnis gegenüber der EMRK bestätigt.125 Dies zeigt, daß die Gewährleistung eines dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes gleichzuachtenden Grundrechtsschutzes noch nicht der alleinige Grund für die Rücknahme der Rechtsprechungstätigkeit des BVerfG im Rahmen des Gemeinschaftsrechts sein kann. Erklären läßt sich der unterschiedliche Ansatz des BVerfG gegenüber dem Gemeinschaftsrecht im Vergleich zum Recht der EMRK in der Auslegung des EGMR durch die strukturelle Verschiedenheit beider Rechtsmassen. Im Falle des Gemeinschaftsrechts sind Hoheitsrechte i. S. d. Art. 24 I GG – beziehungsweise heute Art. 23 I GG – übertragen worden.126 Auf den EGMR als Organ der EMRK127 sind demgegenüber keine Hoheitsrechte i. S. d. Art. 24 I GG übertragen worden.128 Voraussetzung für eine Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 23 I GG / Art. 24 I GG ist, daß die zwischenstaatliche Einrichtung, auf die Hoheitsrechte übertragen worden ist, mit Durchgriffswirkung in die deutsche Rechtsordnung hinBVerfGE 111, 307 (329). Auch eine Beschränkung der Görgülü-Entscheidung allein auf mehrpolige Grundrechtsverhältnisse ist dieser nicht zu entnehmen. Zum einen ist die Entscheidung – einschließlich ihres Tenors – schon sprachlich schlicht weiter gefaßt (BVerfGE 111, 307, 2. Leitsatz sowie 327: „Dies gilt insbesondere dann, wenn. . .“; BVerfGE 111, 307 (324): „Gerade in Fällen, in denen staatliche Gerichte wie im Privatrecht mehrpolige Grundrechtsverhältnisse auszugestalten haben. . .“ [Hervorhebung jeweils durch den Verfasser]). Eine Beschränkung der Görgülü-Entscheidung auf mehrpolige Grundrechtsverhältnisse läßt sich insoweit nicht nachweisen. Aber auch wenn man dessen ungeachtet den Anwendungsbereich der Görgülü-Entscheidung entsprechend eng verstehen wollte, so bliebe doch schlicht zu konstatieren, daß hieraus keinesfalls der Umkehrschluß gezogen werden kann, damit habe das BVerfG i. ü. die Rücknahme seiner Gerichtsbarkeit ggü. Entscheidungen des EGMR erklären wollen; eine solche Rücknahme hat das BVerfG zu keiner Zeit – weder in der Görgülü-Entscheidung noch in früheren Entscheidungen – ausgesprochen. Nicht zuletzt stünde eine solche Lesart auch in auffälligem Kontrast zu dem – doch so gescholtenen – Duktus der Entscheidung. 125 van Ooyen, Staatstheorie des BVerfG, 40. 126 Statt aller Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art. 24, Rn. 23. 127 Der genaue Status des EGMR scheint nicht geklärt zu sein. Zumeist wird der EGMR ohne nähere Erläuterungen schlicht als „Organ der EMRK“ bezeichnet [so etwa Streinz, in: Sachs, Art. 24, Rn. 31; Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24, Rn. 115]. Teils wird er ausdrücklich als Organ des Europarates angesehen, was wiederum mitunter prononciert bestritten wird; vgl. hierzu die gegensätzlichen Positionen bei de Boer-Buquicchio, EuGRZ 30 (2003), 561 und Engel, EuGRZ 30 (2003), 122. Fribergh schließlich bezeichnet den EGMR als „common organ of the Contracting States“ – was er allerdings selbst mit den Worten kommentiert, dies sei „a rather indistinct status“ [in: FS Wildhaber, 145 (149)]. 128 Siehe nur Czerner, EuR 42 (2007), 537 (554 – 559); Dederer, ZaöRV 66 (2006), 575 (591 – 593); Mückl, Der Staat 44 (2005), 403 (407); Streinz, in: Sachs, Art. 24, Rn. 31; Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24, Rn. 115; a. A. Everling, EuR 40 (2005), 411 (416 – 418). 123 124

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

einwirken kann.129 Ein solcher Akt muß also unmittelbar in Deutschland (und nicht bloß für Deutschland) wirken.130 Urteile des EGMR vermögen jedoch nicht unmittelbar in Deutschland zu wirken und etwa Urteile deutscher Gerichte zu kassieren.131 Dieser strukturelle Unterschied zwischen dem Gemeinschaftsrecht und den Urteilen des EGMR erklärt, warum sich das BVerfG zwar gegenüber dem Gemeinschaftsrecht zurücknimmt, nicht hingegen gegenüber Urteilen des EGMR. Letztere wirken nicht unmittelbar in die deutsche Rechtsordnung hinein.132 Als weitere Voraussetzung für die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG läßt sich mithin die Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 23 I / 24 I GG festmachen. bb) Sonderfall gemeinschaftsrechtliche Richtlinie? Einen deutlichen Bruch scheint die soeben dargestellte Linie indes mit Blick auf die gemeinschaftsrechtliche Richtlinie zu erfahren. Obwohl die Richtlinie von ihrer Grundkonzeption her gerade keine unmittelbare Wirkung in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, also keine Durchgriffswirkung zu entfalten vermag, nimmt das BVerfG seine Gerichtsbarkeit bei der Überprüfung richtliniengebundener Umsetzungsgesetze gleichwohl zurück.133 Damit scheint die (unmittelbare) Durchgriffswirkung in diesem Falle keine Voraussetzung für die Rücknahme des deutschen Grundrechtsschutzes zu sein.134 Systemfremd wirkt dieser Befund jedoch nur auf den ersten Blick. Entscheidend für die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG ist nicht etwa der Umstand, daß die Richtlinie – jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen – in unmittelbare Wirkung und damit Durchgriffswirkung erstarken kann135 – ein Umstand, der immerhin ein gemeinschaftsrechtliches Spezifikum darstellt und die 129 Everling, EuR 40 (2005), 411 (416); Flint, 154 – 155; Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24 Abs. 1, Rn. 30. 130 Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 24 Abs. 1, Rn. 5. 131 BVerfGE 111, 307 (320 und 322); Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art. 24, Rn. 24; Meyer-Ladewig / Petzold, NJW 58 (2005), 15 (16); Mückl, Der Staat 44 (2005), 403 (411 m. w. N. und 414); Schmahl, EuGRZ 35 (2008), 369 (378). 132 Vgl. auch Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (238); van Ooyen, in: Möllers / van Ooyen, 59 (62). 133 BVerfGE 118, 79 (95 ff.). Vor dem erst am 13. März 2007 ergangenen Urteil war diese Frage in der Kammerrechtsprechung nicht ganz eindeutig beantwortet worden; vgl. einerseits den jüngsten Senatsbeschluß vorwegnehmend die Kammerbeschlüsse in NJW 54 (2001), 1267 (1268); BVerfGK 3, 331 (334); andererseits aber die etwas älteren Kammerbeschlüsse in EuGRZ 16 (1989), 339 (340); NVwZ 12 (1993), 883, in denen das BVerfG wortgleich ausführt, im Falle der Versagung des „vom Grundgesetz als unabdingbar gebotene[n] Grundrechtsstandard[s]“ durch den EuGH könne das BVerfG angerufen werden; vgl. auch Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 836 (858, insb. Fn. 100). 134 In diese Richtung Masing, NJW 59 (2006), 264 (265). 135 BVerfGE 118, 79 (96 f.); ebenso ablehnend Masing, NJW 59 (2006), 264 (265).

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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Richtlinie deutlich vom System der EMRK trennt. Ausschlaggebend kann dieses Spezifikum deshalb nicht sein, weil die Richtlinie nur ausnahmsweise in unmittelbare Wirkung erstarken kann, im Regelfall aber nur gegenüber den Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlich ist. Die Rücknahme des BVerfG erstreckt sich jedoch auf sämtliche zwingende Richtlinienbestimmungen, unabhängig von ihrer Fähigkeit, in unmittelbare Wirkung erstarken zu können.136 Dennoch fügt sich, trotz der an sich fehlenden unmittelbaren Wirkung von Richtlinien, die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG auch gegenüber richtliniengebundenen Umsetzungsgesetzen gut in das oben vorgestellte System ein, wonach sich das BVerfG nur bei Vorliegen eines Durchgriffseffekts in seiner Gerichtsbarkeit zurücknimmt. Die Richtlinie besitzt nämlich insoweit durchaus Durchgriffswirkung, als sie in Gestalt der richtlinienkonformen Auslegung unmittelbar auf die Rechtspositionen einzelner einzuwirken vermag. Genauer entfalten die zwingenden Vorgaben einer Richtlinie i. V. m. dem gemeinschaftsrechtlichen Prinzip gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung eine Durchgriffswirkung auf die nationale Rechtsordnung.137 Da prinzipiell jede zwingende Richtlinienbestimmung diese Wirkung zu entfalten vermag,138 besitzt praktisch jede zwingende Richtlinienbestimmung von Gemeinschaftsrechts wegen ein gewisses Maß an Durchgriffswirkung. Somit paßt sich die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG bei der Überprüfung richtliniengebundener Umsetzungsgesetze im Ergebnis sehr gut in das hier vorgestellte System ein, nach dem die Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 23 I / 24 I GG als eine Voraussetzung für die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG ermittelt worden ist, und stellt keineswegs einen Sonderfall dar. d) Selbstbeschränkung aufgrund Vorrangs / Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts? Zu erwägen ist, ob der (Anwendungs-)Vorrang des Gemeinschaftsrechts einen weiteren Grund für die Rücknahme der Rechtsprechung des BVerfG darstellt. Auch wenn das BVerfG den (Anwendungs-)Vorrang des Gemeinschaftsrechts nie vorbehaltlos akzeptiert hat,139 hat es ihn doch, vermittelt über das deutsche Zustimmungsgesetz, jedenfalls hinsichtlich des einfachen Rechts hingenommen.140 Den (Anwendungs-)Vorrang des Gemeinschaftsrechts leitet der EuGH – neben teleologischen Argumenten – im wesentlichen aus der Eigenständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung her.141 BVerfGE 118, 79 (95 ff.). Vgl. ausführlich oben Zweiter Teil A. I. 138 Betlem / Nollkaemper, EJIL 14 (2003), 569 (577). 139 Wie auch viele andere mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte nicht, vgl. Dritter Teil, Fn. 10. 140 Vgl. näher die Ausführungen in Zweiter Teil, Fn. 32. 136 137

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

Daß der Vorrang des Gemeinschaftsrechts eine notwendige Bedingung für die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG darstellt, muß jedoch bezweifelt werden. Das BVerfG hat seine Gerichtsbarkeit nämlich nicht nur im Hinblick auf das Vorrang beanspruchende Gemeinschaftsrecht zurückgenommen, sondern auch hinsichtlich der Rechtsakte der Europäischen Patentorganisation.142 Die Europäische Patentorganisation ist eine eigene unabhängige, durch das Europäische Patentübereinkommen143 geschaffene juristische Person „am Rande der EG“,144 die das BVerfG mit Blick auf die Durchgriffswirkung bestimmter Akte als supranationale Organisation i. S. d. Art. 24 I GG klassifiziert hat.145 Von einer eigenständigen Rechtsordnung der Europäischen Patentorganisation, der gar noch Vorrang vor nationalem Recht zukäme, kann indes kaum die Rede sein.146 Vielmehr besteht die Hauptaufgabe der Europäischen Patentorganisation darin, durch das Europäische Patentamt als eines der beiden Organe147 europäische Patente zu erteilen,148 so daß ein deutlicher Schwerpunkt auf exekutivischer Tätigkeit liegt.149 Das für die Vertragsstaaten gemeinsame Recht für die Erteilung von Erfindungspatenten wird ausweislich des Art. 1 EPÜ vielmehr gerade durch das Europäische Patentübereinkommen selbst geschaffen.150 141 EuGH, Rs. 6 / 64, Costa / ENEL, Slg. 1964, 1251 (1269 – 1271); Ehlers, in: Schulze / Zuleeg, § 11, Rn. 12; Mayer, in: von Bogdandy, 229 (240); Neuschl / Schumm, ZEuS 11 (2008), 527 (533) sowie Streinz, EuropaR, Rn. 208. Auf die berechtigte Kritik von Streinz [EuropaR, Rn. 211], wonach die Eigenständigkeit einer Rechtsordnung an sich noch längst kein Grund sei, dieser Rechtsordnung Vorrang einzuräumen, soll hier nicht näher eingegangen werden. 142 BVerfG, DVBl 116 (2001), 1130 = NJW 54 (2001), 2705. 143 Aktuelle Fassung abrufbar unter: http:// www.epo.org/patents/law/legal-texts/epc_de.html. 144 Oppermann, § 5, Rn. 184 und 187; vgl. näher auch Pakuscher, in: FS Zeidler, 1611 (1622 ff.); Proelß, Jura 30 (2008), 786 (786); Walter, AöR 129 (2004), 39 (43). Vertragsstaaten des EPÜ sind alle EU-Mitgliedstaaten, aber etwa auch Nicht-EU-Mitgliedstaaten wie Island, die Schweiz und die Türkei. 145 BVerfG, DVBl 116 (2001), 1130 (1131) = NJW 54 (2001), 2705 (2705 f.). 146 Jedenfalls geht das BVerfG hierauf in seinem Beschluß mit keinem Wort ein. Art. 24 I GG erlaubt es zwar, supranationalen Akten Anwendungsvorrang zu gewähren [Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art. 24, Rn. 8; Schweitzer, Rn. 53], eine Pflicht hierzu ist Art. 24 I GG indes freilich nicht zu entnehmen [Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24 Abs. 1, Rn. 16; Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24, Rn. 76 m. w. N.]. In Ermangelung einer konkreten Regelung im EPÜ selbst (Art. 164 II EPÜ gilt nur für das Verhältnis des EPÜ zur Ausführungsordnung) könnte sich ein Vorrang nur aus einer ungeschriebenen Regel ergeben, wie es das BVerfG seinerzeit auch für das Gemeinschaftsrecht angenommen hat [BVerfGE 75, 223 (244)]. Hiervon ist jedoch für das EPÜ insoweit wohl nicht auszugehen, als sich der Bestand als auch der Inhalt der nach Art. 4 III EPÜ erteilten Patente nach dem jeweiligen nationalen Recht richtet; vgl. Pakuscher, in: FS Zeidler, 1611 (1627) bzw. Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 24 Abs. 1, Rn. 61, Fn. 277. 147 Art. 4 II EPÜ. 148 Art. 4 III EPÜ; vgl. BVerfG, DVBl 116 (2001), 1130 (1131) = NJW 54 (2001), 2705 (2706). 149 Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 24 Abs. 1, Rn. 61.

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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Damit zeigt der Beschluß des BVerfG zur Europäischen Patentorganisation, daß das Vorliegen einer Vorrang beanspruchenden eigenständigen Rechtsordnung keine Voraussetzung darstellt, damit das BVerfG seine Jurisdiktion ruhen läßt. e) Fazit Kriterien für die Selbstbeschränkung des BVerfG im Gemeinschaftsrecht Neben der allgemeinen Offenheit des Grundgesetzes, namentlich in bezug auf die europäische Integration, als Grundvoraussetzung liegt der Grund für die Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG vornehmlich in der Tatsache – sowie in der in die Zukunft gerichteten Erwartung –, daß ein dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbarer Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene durch EuG und EuGH gewährleistet wird. Darüber hinaus ist aber auch beachtlich, daß im Rahmen des Gemeinschaftsrechts eine Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 23 I GG / Art. 24 I GG stattgefunden hat. Die – generell akzeptierte – Vorrangwirkung der von der nationalen Rechtsordnung eigenständigen Gemeinschaftsrechtsordnung stellt indessen keine Voraussetzung für die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG dar. 2. Übertragbarkeit der Kriterien auf das Unionsrecht Im folgenden soll anhand der soeben herausgearbeiteten Kriterien für die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG im Gemeinschaftsrecht untersucht werden, ob und inwieweit diese auch für das Unionsrecht einschlägig sind. a) Offenheit des Grundgesetzes Kein Unterschied zum Gemeinschaftsrecht besteht freilich hinsichtlich der allgemeinen Offenheit des Grundgesetzes. b) Vergleichbarer Grundrechtsschutz durch den EuGH Aus rechtsstaatlicher Sicht unabdingbar für die Rücknahme der Rechtsprechungstätigkeit des BVerfG auch im Unionsrecht ist die Gewährleistung eines dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsschutzes durch den EuGH.151 Dies schließt so150 Vgl. aber zu vereinzelten Legislativbefugnissen der Europäischen Patentorganisation Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 24 Abs. 1, Rn. 61; Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24 Abs. 1, Rn. 191. 151 Die auf Grundlage der Verordnung 168 / 2007 [ABl. 2007, L 53, 1] seit dem 1. März 2007 tätige Grundrechteagentur der EU ist schon deshalb nicht geeignet, adäquaten Grundrechtsschutz zu gewährleisten, weil ihr Wirkungsbereich (einstweilen) auf die Erste Säule beschränkt ist. Überdies kommt ihr keinerlei gerichtliche Funktion zu, und kann sie keinerlei

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

wohl den materiellen als auch den verfahrensrechtlichen Grundrechtsschutz ein.152 Ob ein dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes vergleichbarer Grundrechtsschutz auf Ebene des Unionsrechts bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt bejaht werden kann, scheint in Anbetracht des lückenhaften Rechtsschutzsystems im Unionsrecht – wovon selbst der EuGH ausgeht153 – fraglich.

aa) Generelle Kompetenz des EuGH zur Gewährleistung von Grund- / Menschenrechtsschutz An einem dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes vergleichbaren Grundrechtsschutz im Unionsrecht fehlt es jedenfalls nicht bereits deshalb, weil der EuGH nicht zur Überprüfung der Menschenrechtskonformität der Unionsakte berufen wäre. Art. 46 lit. d EUV erklärt vielmehr Art. 6 II EUV, und damit die Wahrung der Menschenrechte durch die EU, ausdrücklich für justitiabel. Eine Befugnis des EuGH zur Überprüfung von Unionsakten anhand menschenrechtlicher Garantien besteht mithin grundsätzlich. Allerdings reicht die Zuständigkeit nach Art. 46 lit. d EUV allein so weit, wie dem EuGH bereits anderweitig – aufgrund sonstiger Zuständigkeitstitel – Zuständigkeit eingeräumt worden ist. Innerhalb deren darf der EuGH inzidenter die Beachtung der menschenrechtlichen Verbürgungen überprüfen; eine darüber hinausgehende eigenständige Befugnis zur Überprüfung des gesamten sekundären Unionsrechts anhand menschenrechtlicher Garantien vermittelt Art. 46 lit. d EUV indes nicht.154 Es kommt also maßgeblich darauf an, wie weit die Kompetenzen des EuGH im Rahmen der Dritten Säule generell reichen.

bb) In personeller Hinsicht: Zugang zum Gericht Schon für die erste Säule gilt, daß der individuelle Rechtsschutz nach dem EGV – mit seinem ungleich stärker ausgeprägten Rechtsschutzsystem – beschränkt und dementsprechend bereits kritisch vom EGMR hinterfragt worden ist.155 Wenn das rechtsverbindliche Entscheidungen fällen; vgl. Toggenburg, MRM 12 (2007), 86 (99 f., insb. Fn. 100); vgl. auch Howard, EHRLR 11 (2006), 445 (insb. 447 f.). 152 Hofmann, Grenzüberschreitende Sachverhalte, 102; Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (245). Auch der EGMR fordert für die Entlastung der Mitgliedstaaten der EMRK bei der Erfüllung ihrer Pflichten im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit in Internationalen Organisationen, daß diese materiell und verfahrensrechtlich einen ähnlichen Grundrechtsstandard gewährleisten; EGMR, Bosphorus Hava Yollar Turizm ve Ticaret Anonim S¸irketi, Urteil der Großen Kammer v. 30. Juni 2005, Rn. 155; abrufbar unter http:// www.echr.coe.int/echr. 153 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 35; id., Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 50; vgl. auch Dougan, JCMS 44 (2006), 119 (129); Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (35 ff.). 154 Vgl. Erster Teil, Fn. 93. 155 EGMR, Bosphorus Hava Yollar Turizm ve Ticaret Anonim S ¸ irketi, Urteil der Großen Kammer v. 30. Juni 2005, Rn. 162 sowie das diesem Urteil angehängte gemeinsame Sonder-

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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Niveau individuellen Rechtsschutzes durch den EuGH bereits im Rahmen der Ersten Säule vom EGMR kritisch auf seine Vereinbarkeit mit der EMRK als „Europäischer Grundrechtsverfassung“156 hinterfragt worden ist, spricht angesichts der deutlich beschränkteren Kompetenzen des EuGH im Rahmen der Dritten Säule157 zumindest prima facie einiges dafür, dort von einer grundsätzlichen Überprüfbarkeit der Unionsakte durch das BVerfG – aber auch durch den EGMR158 – auszugehen.159 (1) Befund de lege lata Insbesondere die fehlende Möglichkeit einzelner, eine direkte Klage vor dem EuGH anzustrengen, ist als Malus des unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes durch den EuGH zu erwähnen.160 Auch wenn die unionalen Rechtsakte keine unmittelbare Wirkung haben können, können sie doch zumindest mittelbar eine Rolle für den einzelnen spielen. Die Möglichkeit, sich direkt an den EuGH zu wenden, besteht für den einzelnen indes nicht. Allein über das unionsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 I – V EUV, dem sich Deutschland unterworfen hat,161 kann ein Verfahren, an dem ein einzelner beteiligt ist, an den EuGH herangetragen werden. Zwar konstituiert § 1 II des deutschen EuGH-Gesetzes eine votum der Richter Rozakis, Tulkens, Traja, Botoucharova, Zagrebelsky und Garlicki, Rn. 3 UAbs. 6 und das Sondervotum von Richter Ress, Rn. 2 a. A.; vgl. aber auch EGMR, Posti and Rahko, RJD 2002-VII, 301, Rn. 54, wo der EGMR die einschlägige EuGH-Rechtsprechung wohlwollend in Bezug nimmt – was allerdings wiederum von Corthaut / Vanneste mit den Worten kritisiert wird, der faktische Verweis des EGMR auf die Plaumann-Formel des EuGH verkürze den Schutzbereich von Art. 6 EMRK ironischerweise, anstatt ihn auszuweiten [YEL 25 (2006), 475 (508)]. Vgl. zu Rechtsschutzlücken im Gemeinschaftsrecht im Hinblick auf die nur eingeschränkte Klagebefugnis einzelner – i. w. mit Blick auf Art. 230 IV EGV – Arnull, CMLRev 38 (2001), 7 (51 f.); Corthaut / Vanneste, YEL 25 (2006), 475 (509 ff.); Jacobs, in: FS Schockweiler, 197 (203 ff.); Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (36); Nettesheim, JZ 57 (2002), 928 (934); Schockweiler, JTDE 4 (1996), 1 (6 ff.); Vandersanden, CDE 31 (1995), 535. Waelbroeck / Verheyden bezeichnen die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einzelne als „indûment restrictives“ [CDE 31 (1995), 399 (425)] und fragen sich, ob diese Praxis nicht eine Verletzung der Art. 6 I und Art. 13 EMRK darstelle [ibid., 432 f.]; vgl. auch Bergström / Hettne, ERT 11 (2008), 32 (68 f.). Siehe allgemein zu Rechtsschutzlücken im Gemeinschaftsrecht zu Lasten einzelner Allkemper, 39 f. Keine Lücken im Individualrechtsschutz gegen Normen vermag indes Schulte zu sehen [193 f.]. 156 Walter, AöR 129 (2004), 39 (77). 157 Statt aller Cameron, ERT 8 (2005), 631 (634); Prechal, YEL 25 (2006), 429 (429, Fn. 1); Wölker, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 99 (107); vgl. auch ausführlich oben Zweiter Teil C. III. 8. b). 158 Vgl. Costello, HumRLR 6 (2006), 87 (116 – 118); Feik, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 9 (17); Schilling, AVR 44 (2006), 57 (74). 159 Aufgrund der fehlenden Klagebefugnis einzelner gegen eine pauschale Übertragung der Solange II-Rechtsprechung des BVerfG auf die Dritte Säule Schmahl, EuR 43 (2008), Beiheft 1, 7 (23). 160 Vgl. die Nachweise in Dritter Teil, Fn. 155. 161 BGBl. 1998-I, 2035.

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

Vorlagepflicht für letztinstanzliche Gerichte, so daß der EuGH insoweit den gesetzlichen Richter i. S. d. Art. 101 I 2 GG darstellt, dessen Entzug im Wege der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a GG gerügt werden kann. Der Prüfungsmaßstab bezüglich dieses grundrechtsgleichen Rechts ist jedoch auf eine Willkürkontrolle beschränkt,162 so daß die Möglichkeiten, eine Vorlage an den EuGH zu erzwingen, insgesamt als eher dürftig zu bezeichnen sind.163 Kaum besser dürfte die Aussicht auf Feststellung eines willkürlichen Entzugs des gesetzlichen Richters durch das BVerfG sein, wenn man die zum Gemeinschaftsrecht ergangene CILFIT-Rechtsprechung164 des EuGH, deren Kern die sogenannte acte clair-Doktrin darstellt, auf das Unionsrecht übertragen wollte. Da die acte clair-Doktrin keinen untrennbaren Bezug zum Gemeinschaftsrecht besitzt,165 sondern vielmehr auf die gleichnamige Doktrin in der französischen Rechtsordnung zurückgeht,166 erscheint ihre Übertragung auf das Unionsrecht unproblematisch möglich und drängt sich geradezu auf. Nach der acte clair-Doktrin ist das letztinstanzliche Gericht von der Vorlagepflicht befreit, wenn „die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig [ist], daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt“167. Unabhängig davon, daß die acte clair-Doktrin – ihrem Namen zum Trotz – wohl zu den am wenigsten handhabbaren Instrumenten gehört, die die EuGH-Judikatur in fünf Jahrzehnten hervorgebracht hat,168 und die 162 BVerfGE 82, 286 (299); 87, 282 (284 f.); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 101, Rn. 59; Zimmermann, in: FS Doehring, 1033 (1045 ff.). 163 Dörr, Europäisierter Rechtsschutzauftrag, 161 – 164; Haltern, JZ 62 (2007), 772 (776); Hummert, 59 f.; Kokott / Henze / Sobotta, JZ 61 (2006), 633 (635 ff.); Lieber, 22 ff. und 198. Nach Merli beanstandet das BVerfG lediglich „grobe Verstöße“ [VVDStRL 66 (2007), 392 (399)], nach Wölker haben die vorlagepflichtigen Gerichte – von Fällen „offener Rebellion“ abgesehen – keinerlei Sanktion zu befürchten [EuGRZ 15 (1988), 97 (103)]. Gleichwohl sieht das deutsche Recht damit noch bessere Rügemöglichkeiten vor als beispielsweise das spanische Recht, in dem die Unterlassung einer Vorlage nicht durch das Verfassungsgericht geprüft wird; vgl. Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 101 Abs. 1, Rn. 55, Fn. 161 m. w. N. Losgelöst von einer bestimmten Rechtsordnung, sieht Arnull offenbar die Möglichkeiten, eine Vorlage an den EuGH erzwingen zu können, als insgesamt sehr schlecht an [CMLRev 38 (2001), 7 (51)]; ganz ähnlich auch van Waeyenberge / Pecho, CDE 44 (2008), 123 (140) sowie Waelbroeck / Verheyden, die es als „loin d’être certain“ bezeichnen, daß das Beschreiten des nationalen Rechtswegs mit einer möglichen Vorlage an den EuGH immer hinreichenden Schutz biete, und überhaupt das Vorlageverfahren unter Rechtsschutzgesichtspunkten als deutlich weniger effektiv als eine Direktklage ansehen [CDE 31 (1995), 399 (433 ff., insb. 434)]. 164 EuGH, Rs. 283 / 81, CILFIT, Slg. 1982, 3415. 165 Und dort sogar potentiell zu einer Zersplitterung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsordnung führt; vgl. Dauses, 115; Rasmussen, ELRev 9 (1984), 242 (255); vgl. auch Masclet, RMC 26 (1983), 363 (371 f.), der die Gefahr einer Rechtszersplitterung jedoch letztlich als nicht allzu groß einschätzt. 166 Vgl. Schlußanträge, Rs. 283 / 81, CILFIT, Slg. 1982, 3415 (3435 f.). 167 EuGH, Rs. 283 / 81, CILFIT, Slg. 1982, 3415, Rn. 16. 168 Vgl. auch die diesbezügliche Kritik bei Hummert, 35 ff.

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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sehr hohen Anforderungen, die der EuGH an das Vorliegen eines acte clair geknüpft hat, kaum je erfüllt sein dürften,169 wird das BVerfG in aller Regel kaum besser als das letztinstanzliche Fachgericht zu beurteilen in der Lage sein, ob eine europarechtliche Frage zu einem bestimmten Bereich einen acte clair darstellt. Dies gilt zumal dann, wenn man mit dem EuGH auch die Einbeziehung der mutmaßlichen Sichtweise der Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten zu dieser Frage170 sowie die Berücksichtigung der verschiedenen Sprachfassungen171 verlangt.172 Regelmäßig dürfte dem BVerfG zur Beurteilung der Frage, ob das letztinstanzliche Gericht „willkürlich“ von einer Vorlage an den EuGH abgesehen hat, nichts anderes übrig bleiben, als selbst eine Vorlage an den EuGH zu richten.173 Dies wiederum begegnet jedoch zweierlei praktischen Bedenken: Zum einen ist das BVerfG nicht eben für seine Vorlagefreude an den EuGH bekannt;174 zum anderen dürfte die Tatsache, daß das BVerfG zur Beantwortung der Frage, ob ein acte clair vorliegt, selbst eine Vorlage hat einreichen müssen, wohl kaum dafür sprechen, daß die Entscheidung des Fachgerichts, nicht an den EuGH vorzulegen, offensichtlich unhaltbar ist – was allerdings im Rahmen des Art. 101 I 2 GG zur Begründung eines Verstoßes verlangt wird.175 Kurzum läßt sich resümieren: Solange es kein „Vorlagen-Kontroll-Gericht“176 gibt – am besten in Gestalt des EuGH selbst177 –, 169 Bernitz / Kjellgren, 163; Classen, in: Schulze / Zuleeg, § 4, Rn. 78; Mayer, in: von Bogdandy, 229 (232); Rasmussen, ELRev 9 (1984), 242 (258); vgl. aber auch die Forderung nach einer Lockerung der durch den EuGH formulierten hohen Anforderungen etwa bei Generalanwalt Jacobs, Schlußanträge, Rs. 338 / 95, S.I. Wiener GmbH, Slg. 1997, 6495, Rn. 65; nach Borchardt stellt der EuGH in seiner neueren Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen mehr [in: Lenz / Borchardt, Art. 234 EGV, Rn. 46]. 170 EuGH, Rs. 283 / 81, CILFIT, Slg. 1982, 3415, Rn. 16. 171 Ibid., Rn. 18. 172 Ganz ähnlich Rabe, in: FS Redeker, 201 (205). Die bei Hummert [37] genannten Schwierigkeiten bei der Würdigung der verschiedenen – nunmehr immerhin 23 – Sprachfassungen bzw. bei der Berücksichtigung von Urteilen der Gerichte anderer Mitgliedstaaten, vor denen jeder nationale Richter stehen dürfte, gelten wohl gleichermaßen auch für das BVerfG. 173 Auch das BVerfG selbst sieht sich an (den heutigen) Art. 234 EGV gebunden; BVerfGE 37, 271 (282); 52, 187 (201). 174 Vgl. nur Mißling, EuR 42 (2007), 261 (273 m. w. N.); Warnke, 80 f. Genau genommen hat es bis dato keinen einzigen Fall gegeben, in dem das BVerfG eine Vorlage an den EuGH eingereicht hätte – obgleich das BVerfG seine eigene (gemeinschaftsrechtliche) Vorlagepflicht generell anerkannt hat [siehe vorhergehende Fn.]. Als ausgeprägt vorlagefreudig sind aber wohl auch andere mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte nicht zu bezeichnen; vgl. Sadurski, ELJ 14 (2008), 1 (13). Nach Merli war der österreichische Verfassungsgerichtshof im Jahre 1999 das erste (gesamtstaatliche) mitgliedstaatliche Verfassungsgericht, das eine Vorlage an den EuGH gerichtet hat [VVDStRL 66 (2007), 392 (401)]. Die italienische Corte costituzionale hat sich gar ausdrücklich als nicht von der (gemeinschaftsrechtlichen) Vorlagepflicht nach Art. 234 III EGV betroffen angesehen; vgl. Mayer, in: von Bogdandy, 229 (235) sowie Violini, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 117 (126). 175 BVerfGE 82, 159 (194); Rabe, in: FS Redeker, 201 (207); siehe auch Hummert, 59. 176 Nach Wölker fällt dem BVerfG diese Rolle zu [EuGRZ 15 (1988), 97 (103)]; dieses weist aber die Zuständigkeit für eine umfassende Vorlagenkontrolle von sich; BVerfGE 82, 159 (194 f.).

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

welches die Einhaltung der Vorlagepflicht der mitgliedstaatlichen Gerichte überwacht, gewährt auch das für letztinstanzliche Gerichte obligatorische Vorlageverfahren keinen hinreichenden verfahrensrechtlichen Schutz.178 Auch die Möglichkeit, subsidiär die Kommission in die Pflicht zu nehmen, die eigenen Rechte durchzusetzen,179 sind wenig erfolgversprechend.180 Die Kommission spielt ihrerseits im Rahmen des gesamten Unionsrechts eine im Vergleich zum Gemeinschaftsrecht deutlich reduzierte Rolle181 und ist im übrigen auch dort bisher kaum individualschützend in Erscheinung getreten.182 Nach dem Vorstehenden muß folgendes Fazit gezogen werden: In Anbetracht der fehlenden Gewährleistung direkten Rechtsschutzes für den einzelnen durch den EuGH und die nur unzureichende Schutzmöglichkeit durch das Vorlageverfahren ist der individuelle Rechtsschutz im Unionsrecht – vorsichtig ausgedrückt – unvollkommen zu nennen.183 (2) Reaktionsmöglichkeiten des BVerfG Es fragt sich nun, wie das BVerfG auf diese unbefriedigende Situation reagieren soll. Es sind prinzipiell zweierlei Alternativen für das BVerfG denkbar: Es kann generell auf ein dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes adäquates Schutzniveau pochen und sich erst bei dessen Verwirklichung auf unionsrechtlicher Ebene zurücknehmen.184 Es kann aber auch angesichts der fehlenden unmittel177

Vgl. Lieber, 209 f.; Rabe, in: FS Redeker, 201 (206); kritisch allerdings Hummert,

148 f. 178 Ganz allgemein sehen van Waeyenberge / Pecho in dem Vorlageverfahren nur einen unvollkommenen Ersatz für eine direkte Klagemöglichkeit [CDE 44 (2008), 123 (139)]. 179 Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts ist es möglich, mit einer Eingabe und der Behauptung, bestimmte Maßnahmen oder Praktiken eines Mitgliedstaates verstießen gegen das Gemeinschaftsrecht, an die Kommission heranzutreten, mit dem – etwaigen – Ergebnis, daß die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den sündigen Mitgliedstaat einleitet; vgl. die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, ABl. 2002 C 244, 5. 180 Ebenso Borchardt, in: Lenz / Borchardt, Art. 234 EGV, Rn. 49. 181 Vgl. die obigen Ausführungen im Zweiten Teil C. II. 5. 182 Vgl. das passive Agieren der Kommission im Zusammenhang mit Rügen der Verletzung der Vorlageverpflichtung letztinstanzlicher mitgliedstaatlicher Gerichte nach Art. 234 III EGV; Kokott / Henze / Sobotta, JZ 61 (2006), 633 (640); Lieber, 179; Mayer, in: von Bogdandy, 229 (234). 183 Ebenso Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (36 f.), der an anderer Stelle in seiner gewohnt drastischen Diktion von einem „premier clou planté dans le cercueil de la protection juridictionnelle“ spricht [41] und ebenso deutlich die latente Gefahr eines déni de justice anspricht [45]; Lysén bezeichnet den Rechtsschutz unter dem EUV aus der Perspektive des Individuums als „poor“ [Framework decisions, 87 f.]; Schalin / Öberg, SvJT 92 (2007), 735 (756). 184 In diese Richtung Vogel, JZ 60 (2005), 801 (805).

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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baren Wirkung des Unionsrechts das derzeit (noch) bestehende Defizit im individuellen Rechtsschutz auf unionsrechtlicher Ebene für unschädlich halten. (a) Generelles Bestehen auf einem dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes adäquaten Schutzniveau Würde das BVerfG auf der Gewährleistung eines dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im wesentlichen gleichzuachtenden Schutzniveaus durch den EuGH als Voraussetzung für die Rücknahme der eigenen Gerichtsbarkeit bestehen, schlösse dies insbesondere das Erfordernis eines adäquaten individuellen Rechtsschutzes durch den EuGH ein.185 Um so mehr muß dies gelten, als die Gewährleistung individuellen Rechtsschutzes ein zentrales Element des europäischen ordre public darstellt.186 In diesem Falle müßte zwar zum jetzigen Stand festgestellt werden, daß die Gewährleistung individuellen Rechtsschutzes, der dem des Grundgesetzes adäquat wäre, nach der lex lata noch nicht gegeben ist.187 Allerdings wäre hierbei zu bedenken, daß im Bereich des Gemeinschaftsrechts ähnliche Kritik bereits seit langem – teils sehr prononciert – geäußert worden ist,188 ohne daß dies dort zu einer Änderung der Rechtsprechungslinie des BVerfG in Richtung eines Wiederauflebens der eigenen Jurisdiktion geführt hätte. Insofern spricht einiges dafür, daß das BVerfG das beschriebene Rechtsschutzdefizit im Bereich der Dritten Säule als ebenfalls nicht derart gravierend ansehen würde, um gegen die Rücknahme der eigenen Jurisdiktion zu sprechen. In Anbetracht der nur mittelbaren Wirkung des Unionsrechts erscheint der defizitäre individuelle Rechtsschutz im Vergleich mit dem Gemeinschaftsrecht zumal als weniger virulent.189 Andererseits böte sich dem BVerfG im Unionsrecht die Gelegenheit, als Reaktion auf die nicht abreißen wollende Kritik eine Kehrtwende in seiner Rechtsprechungslinie vorzunehmen und so zu einer Neujustierung des eigenen Verhältnisses zum EuGH zu kommen, ohne sich explizit von der – ja zum Gemeinschaftsrecht ergangenen – Solange II-Rechtsprechung distanzieren zu müssen. Zu wünschen wäre dies im Sinne eines effektiven Grundrechtsschutzes – zumal im Bereich der Dritten Säule – allemal.

185 Das Erfordernis von Individualrechtsschutz durch unabhängige Gerichte wird in der Solange II-Entscheidung betont; BVerfGE 73, 339 (376 und 384). 186 von Danwitz, Rechtsschutz, 3; Kotzur, EuGRZ 33 (2006), 19 (24); Tomuschat spricht vom individuellen Rechtsschutz insoweit als dem „Herzstück“ des ordre public européen nach der EMRK [EuGRZ 30 (2003), 95]. 187 Das Grundgesetz sieht in Art. 19 IV lückenlosen individuellen Rechtsschutz vor; vgl. nur BVerfGE 58, 1 (40); Huber, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 19 Abs. 4, Rn. 344; Meyring, ELRev 22 (1997), 221 (230). 188 Vgl. die Nachweise in Dritter Teil, Fn. 155. 189 Vgl. zu diesem Aspekt der nur mittelbaren Wirkung des Unionsrechts sogleich im Dritten Teil C. III. 2. b) bb) (2) (b).

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

(b) Verzicht auf ein dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes adäquates Schutzniveau mangels unmittelbarer Wirkung des Unionsrechts Die zweite Möglichkeit für das BVerfG bestünde darin, das bestehende Rechtsschutzdefizit im Unionsrecht in Anbetracht dessen bloß mittelbarer Wirkung – und unter Aufgabe des Postulats individuellen Rechtsschutzes als unbedingte Voraussetzung für die Rücknahme der eigenen Rechtsprechungstätigkeit in Solange II 190 – als vernachlässigbar zu erachten.191 In diesem Falle fiele es nicht weiter ins Gewicht, daß das Unionsrecht keinerlei direkte Klagemöglichkeit für den einzelnen vorhält.192 Nichts anderes gilt im Prinzip nach dem derzeitigen Stand auch schon für das Gemeinschaftsrecht, in dem der einzelne Rechtsschutz gegen die nur mittelbar wirkende Richtlinie nur vermittelt über das Vorlageverfahren erlangen kann. Dessen ungeachtet hält das BVerfG seit der Solange II-Entscheidung den auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene durch den EuGH gewährten (Grund-)Rechtsschutz für insgesamt hinreichend mit der Folge, daß es seine eigene Rechtsprechungstätigkeit zurücknimmt. Insofern wäre allein aufgrund der fehlenden direkten Klagemöglichkeit einzelner wohl noch kein Agieren des BVerfG im Bereich des Unionsrechts zu erwarten. Problematisch könnte diese Haltung indessen dann werden, wenn unionsrechtliche Sekundärakte – obgleich durch das Primärrecht an sich ausdrücklich ausgeschlossen – faktisch unmittelbare Wirkung zeitigen würden. Für ganz unwahrscheinlich scheint der EuGH diese Möglichkeit nicht zu halten; vertritt er doch dezidiert die Meinung, die in Art. 35 I EUV genannten Rechtsakte – also RahmenBVerfGE 73, 339 (376). Pechstein, in: Hummer, 281 (293). In diese Richtung weist auch die Argumentation von Schockweiler, wenn dieser ausführt, die Frage eines adäquaten Rechtsschutzes zugunsten einzelner setze stets die unmittelbare Wirkung der in Rede stehenden Akte voraus [JTDE 4 (1996), 1 (1)]. Diese Überlegung liegt wohl auch der Entscheidung des EGMR in der Rs. Segi und Gestoras Pro-Amnistía zugrunde, wenn dieser zwar einerseits feststellt, daß keinerlei bzw. kaum individueller Rechtsschutz gegen Akte der Zweiten und Dritten Säule bestehe, andererseits aber die Beschwerdeführer durch solche Akte auch (noch) nicht unmittelbar betroffen seien und den Beschwerdeführern jedenfalls gegen „konkrete Maßnahmen“ der Rechtsweg – sei es der internationale oder der nationale – offenstehe; EGMR, Segi und Gestoras Pro-Amnistía, RJD 2002-V, 357 (364 f. bzw. 369). Allerdings hat das EuG diese Sichtweise im Hinblick auf das Bestehen eines Rechtswegs nicht teilen mögen; EuG, Rs. T-338 / 02, Segi, Slg. 2004, II-1647, Rn. 38. Generalanwalt Mengozzi und der EuGH wiederum sahen indes sehr wohl namentlich die nationalen Gerichte in der Verantwortung; Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 98 ff. bzw. EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 und Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 56. Vgl. auch Garbagnati Ketvel, ICLQ 55 (2006), 77 (113 f.). 192 So noch das BVerfG für den weitgehenden Ausschluß der Gerichtsbarkeit des EuGH im Unionsrecht nach dem Maastrichter Vertrag; BVerfGE 89, 155 (175). Allerdings wurden durch den Amsterdamer Vertrag die Rechtsinstrumente gerade in der Dritten Säule grundlegend reformiert, so daß – nicht zuletzt mit Blick auf die fortschreitende Entwicklung in diesem Bereich – eine andere Bewertung erforderlich werden könnte; vgl. sogleich Dritter Teil, Fn. 193 und den begleitenden Text. 190 191

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beschlüsse, Beschlüsse und Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten – „sollten“ Rechtswirkung gegenüber Dritten erzeugen,193 und hält dies generell auch in bezug auf Gemeinsame Standpunkte nach Art. 34 II lit. a EUV für möglich.194 In der parallelen Situation im Gemeinschaftsrecht scheint der EuGH generell offen dafür zu sein, den einschlägigen Art. 230 IV EGV entsprechend extensiv – als auch faktisch unmittelbar wirkende Richtlinien erfassend195 – auszulegen, um auf diese Weise den Rechtsschutz für den einzelnen zu verbessern.196 In Ermangelung jedweder direkter Klagemöglichkeiten einzelner ist dem EuGH im Unionsrecht jedenfalls verwehrt, den individuellen Rechtsschutz durch extensive Auslegung einer bestehenden Norm zu verbessern. Ob er in einem solchen Falle zum Institut der richterlichen Rechtsfortbildung greifen würde, um diesem Übelstand abzuhelfen, ist jedenfalls nicht sicher197 und muß mit Blick auf die Urteile in den Rechtssachen Gestoras Pro Amnistía und Segi198 bezweifelt werden.199 In diesen hat der EuGH nämlich ausdrücklich die mitgliedstaatlichen Gerichte in die Pflicht genommen, (selbst) effektiven Rechtsschutz zugunsten des einzelnen zu gewährleisten.200 193 EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 53 („actes [ . . . ] visant à produire un effet juridique vis-à-vis des tiers“); vgl. aber auch die Kritik an diesen Ausführungen in Erster Teil, Fn. 167. 194 EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 54; vgl. auch Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (70). Noch progressiver ist Kroker, EuR 43 (2008), 378 (383), nach dem „jedenfalls [feststeht], dass ein als gemeinsamer Standpunkt im Sinne des Art. 34 Abs. 2 EU beschlossener Rechtsakt Wirkungen für den Einzelnen entfalten kann“. Aus Sicht des BVerfG wäre eine solche Entwicklung allerdings nicht mehr vom deutschen Zustimmungsgesetz gedeckt, sondern bedürfte eines neuerlichen Zustimmungsgesetzes; BVerfGE 89, 155 (175). 195 Vgl. hierzu Allkemper, 102 ff. 196 Vgl. Arnull, CMLRev 38 (2001), 7 (22 f.); vgl. auch Allkemper, 98 ff. 197 Und wohl auch nicht zulässig, vgl. die Ausführungen im Zweiten Teil unter D. 198 EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657. 199 Ebenfalls skeptisch Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (36); Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (898). Auch in der Rs. Unión de Pequen˜os Agricultores hat der EuGH es abgelehnt, die individuellen Rechtsschutzmöglichkeiten im Wege der Rechtsfortbildung zu verbessern, sondern mit Blick auf Art. 48 EUV offenbar auf die Grenzen seiner eigenen Rechtsfortbildungskompetenz – selbst im Gemeinschaftsrecht – verwiesen; EuGH, Rs. C-50 / 00 P, Unión de Pequen˜os Agricultores, Slg. 2002, I-6677, Rn. 44 f. Darüber hinaus ist der EuGH Bestrebungen des EuG, einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz des einzelnen zu gewährleisten, offen entgegengetreten; EuGH, Rs. C-263 / 02 P, Jégo-Quéré, Slg. 2004, I-3425, Rn. 36 ff. in Aufhebung des Urteils EuG, Rs. T-177 / 01, Jégo-Quéré, Slg. 2002, II-2365, Rn. 51. Es ist kaum absehbar, ob der EuGH in Zukunft von dieser restriktiven Rechtsprechung abrücken wird; vgl. van Waeyenberge / Pecho, CDE 44 (2008), 123 (insb. 138 – 147). Offener für eine diesbezügliche Weiterentwicklung des Gemeinschaftsrechts hingegen Nettesheim, JZ 57 (2002), 928 (932); Schockweiler, JTDE 4 (1996), 1 (7 f.). 200 EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 56. Eine ähnliche Aufforderung beinhaltete auch schon das Urteil in der Rs. Unión de Pequen˜os Agricultores, in dem der EuGH ebenfalls die

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Dies scheint darauf hinzudeuten, daß der EuGH sich selbst nicht zuvörderst in der Verantwortung sieht. So gesehen fällt hierdurch der durch den EuGH gewährte Rechtsschutz im Bereich der Dritten Säule noch hinter den – bereits als defizitär gegeißelten – Rechtsschutz im Bereich der Ersten Säule zurück. Dieser Umstand scheint aus Sicht des BVerfG kaum dazu angetan, sich im Vertrauen auf den Rechtsschutz durch den EuGH in einem judicial restraint zu üben. (c) Zwischenfazit Der Umstand, daß es auf unionsrechtlicher Ebene Defizite beim individuellen Rechtsschutz zu beklagen gibt, hinterläßt für die Frage einer möglichen Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG im Rahmen der Dritten Säule einen zwiespältigen Eindruck: Einerseits erscheint dieses Defizit auf den ersten Blick als kaum virulent, da das Unionsrecht ohnehin allein mittelbare Wirkung entfalten kann. Darüber hinaus besteht im Rahmen der Ersten Säule für das nur mittelbar wirkende Gemeinschaftsrecht ebenfalls kein besserer Rechtsschutz – ohne daß dies das BVerfG dazu bewogen hätte, von seinem seit der Solange II-Entscheidung bekannten Diktum abzurücken, wonach seiner Einschätzung nach der EuGH im Gemeinschaftsrecht ein dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im wesentlichen gleichzuachtendes Schutzniveau gewährleistet. Sollte aber andererseits der – jedenfalls nicht gänzlich auszuschließende – Fall einer unmittelbaren Wirkung eines Unionsaktes doch einmal eintreten, stünde der einzelne praktisch ohne jede Rechtsschutzmöglichkeit da: Der EuGH könnte nicht angerufen werden, das BVerfG dürfte – im Falle einer Übertragung der SolangeRechtsprechung auf das Unionsrecht – nicht angerufen werden. Der einzelne wäre auf die Bereitschaft der Fachgerichte zurückgeworfen, die Frage dem EuGH vorzulegen; erzwingen kann er eine Vorlage indes praktisch nicht. Eine etwaig anzunehmende „Notfall“-Kompetenz des EGMR kann ebenfalls kein Argument zugunsten einer Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG sein. Insofern spricht der insgesamt defizitäre individuelle Rechtsschutz im Rahmen der Dritten Säule eher gegen eine Rücknahme der Rechtsprechung des BVerfG.

cc) In materieller Hinsicht: grundrechtliches Schutzniveau Lange Zeit ist an dieser Stelle das nicht hinreichende grundrechtliche Schutzniveau auf europäischer Ebene gegeißelt worden. Hintergrund waren die Urteile des EuG zu den sogenannten smart sanctions des UN-Sicherheitsrates. Das EuG hatte seine Prüfungskompetenz gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen, mitgliedstaatlichen Gerichte in die Pflicht genommen hat, möglichst effektiven Rechtsschutz (gegen die Wirkungen einer unmittelbar wirkenden EG-Verordnung) zu gewährleisten – ohne indes selbst Rechtsschutz zu gewährleisten; EuGH, Rs. C-50 / 00 P, Unión de Pequen˜os Agricultores, Slg. 2002, I-6677, Rn. 42.

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die UN-Sicherheitsratsresolutionen umsetzen sollen, weit zurückgenommen und diese allein anhand des ius cogens als Prüfungsmaßstab überprüft.201 Nicht selten waren vor diesem Hintergrund Forderungen lautgeworden, das BVerfG müsse – auch im Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht – seine Rechtsprechung wieder aufnehmen.202 Darüber, welche Position der EuGH in dieser Frage schließlich einnehmen würde, ist wild spekuliert worden.203 Daß diese zum Gemeinschaftsrecht ergangene Rechtsprechung Relevanz namentlich auch für den Bereich der Dritten Säule haben würde, ergibt sich schon daraus, daß die der jüngsten Rechtsprechung des EuG zugrunde liegenden UNSicherheitsratsresolutionen allesamt die Bekämpfung des internationalen Terrorismus bezweckten, und die Bekämpfung des – zumal grenzüberschreitenden – Terrorismus wiederum ein vornehmliches Anliegen der Zusammenarbeit im Rahmen der Dritten Säule ist.204 Die Relevanz dieser Rechtsprechung auch für die Dritte 201 EuG, Rs. T-306 / 01, Yusuf, Slg. 2005, II-3533, Rn. 260 ff., insb. 276 f.; id., Rs. T-315 / 01, Kadi, Slg. 2005, II-3649, Rn. 209 ff., insb. 225 f.; id., Rs. T-253 / 02, Ayadi, Slg. 2006, II-2139, Rn. 116, insb. Spiegelstriche 9 f.; id., Rs. T-49 / 04, Hassan, Slg. 2006, II-52, Rn. 92, insb. Spiegelstriche 9 f.; vgl. allgemein zu diesem Themenkomplex etwa Brown, EHRLR 11 (2006), 456; Lebeck, ERT 9 (2006), 79; Rackow / Stegmiller, HuV-I 20 (2007), 68; Tomuschat, CMLRev 43 (2006), 537. 202 Cameron schloß es nicht aus, daß ein nationales Verfassungsgericht „in einem Rechtsstaat“, namentlich das BVerfG, die Ausführungen des EuG in Frage stellen werde [ERT 8 (2005), 631 (639)]; ebenso Kingston, in: Obradovic / Lavranos, 367 (381). Kotzur hielt den Grundrechtsschutz in der aktuellen Rechtsprechung des EuG / EuGH für derart dürftig, daß er nicht ausschloß, das BVerfG könne nach Maßgabe seiner Solange II-Rechtsprechung einschlägiges Europarecht an den Grundrechtsstandards des Grundgesetzes prüfen [EuGRZ 33 (2006), 19 (25 und 26)]. Nettesheim hielt es für absehbar, daß weder der EGMR noch die mitgliedstaatlichen Gerichte die zurückhaltende Rechtsprechung des EuG tatenlos hinnehmen würden [CMLRev 44 (2007), 567 (600)]; ähnlich Lebeck, ERT 9 (2006), 79 (111 – 113). Auch Schmahl sah das BVerfG aufgerufen, den erforderlichen Grundrechtsschutz zu gewährleisten [EuR 41 (2006), 566 (574)], zweifelte aber wohl selbst daran, daß dieses in Anbetracht seiner Solange IIRechtsprechung handeln würde [EuR 41 (2006), 566 (576)]. Biehler schlug vor, daß vorrangig der „auflistende“ Staat Rechtsschutz gewähren müsse; im Versagensfalle sah er aber die Verfassungsgerichte – im Sinne einer „Weiterentwicklung der Solange-Rechtsprechung“ – in der Pflicht [AVR 41 (2003), 169 (181)]. Rackow / Stegmiller indes hielten den Weg nach Karlsruhe aufgrund der nur „,sehr theoretische[n]‘ Reservekompetenz des BVerfG “ für nicht aussichtsreich [HuV-I 20 (2007), 68 (77, Fn. 102)]; ebenso Hörmann, AVR 44 (2006), 267 (323, Fn. 218). 203 Haltern ging davon aus, daß sich der EuGH „keineswegs so weit zurücknehmen wird wie das EuG“ [JZ 62 (2007), 772 (774 f.)]; deutlich skeptischer dagegen etwa Lavranos, in: Obradovic / Lavranos, 347 (361), der ausführte, es sei „highly unlikely that the ECJ would call into question the validity or legality of Community law measures that implement UN sanctions“; ebenfalls sehr skeptisch Kruse, ERT 11 (2008), 237 (243 ff.); skeptisch war wohl auch Heliskoski, CMLRev 44 (2007), 1143 (1157), der angesichts der jüngsten Judikatur des EuG und des EGMR sowie neuerer Entwicklungen im Bereich des UN-Sicherheitsrates resümiert, „any form of judicial control of the decisions of the Security Council is as far away as it has ever been“; Tomuschat begrüßte gar ausdrücklich die vom EuG eingeschlagene Linie und bezeichnete sie als „well-balanced construction“ [CMLRev 43 (2006), 537 (551)]. 204 Vgl. Art. 29 II; 31 I lit. e EUV; Bäcklund, SvJT 90 (2005), 876 (877); Knelangen, in: Möllers / van Ooyen, 69, passim; vgl. zu diesbezüglichen Aktivitäten des Rates Gusy / Schewe,

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

Säule ist insoweit offenbar;205 das Problem einer Rechtsschutzlücke stellt sich dort mindestens ebenso dringlich, wenn nicht noch dringlicher.206 Um so gespannter ist die Reaktion des EuGH erwartet worden. Hatte das Vorgehen des EuG schon die harsche Kritik des Generalanwalts hervorgerufen,207 hat der EuGH schließlich im September 2008 mit erfreulicher Klarheit festgestellt, daß „die Gemeinschaft eine Rechtsgemeinschaft ist, in der weder ihre Mitgliedstaaten noch ihre Organe der Kontrolle daraufhin, ob ihre Handlungen mit [dem EGV] im Einklang stehen, entzogen“ und „die Grundrechte integraler Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat“, seien.208 Aus alledem folge, „dass die Verpflichtungen aufgrund einer internationalen Übereinkunft nicht die Verfassungsgrundsätze des EG-Vertrag beeinträchtigen können, zu denen auch der Grundsatz zählt, dass alle Handlungen der Gemeinschaft die Menschenrechte achten müssen, da die Achtung dieser Rechte eine Voraussetzung für ihre Rechtmäßigkeit ist, die der Gerichtshof im Rahmen des umfassenden Systems von Rechtsbehelfen, das [der EGV] schafft, überprüfen muss“.209 Folgerichtigerweise prüft – und verwirft – der EuGH im weiteren die in Rede stehende EG-Verordnung, ungeachtet der Tatsache, daß diese eine UNSicherheitsratsresolution umsetzen soll. Vor diesem Hintergrund ist die brisante menschenrechtliche Situation in bezug auf EG / EU-Akte, die Sicherheitsratsresolutionen umsetzen sollen, ganz wesentin: Weidenfeld / Wessels, Jahrbuch 2005, 185 (186 f.) und Gusy / Schewe, in: Weidenfeld / Wessels, Jahrbuch 2006, 191 (194 f.). 205 Vgl. etwa den auf Art. 15 und 34 EUV gestützten Gemeinsamen Standpunkt v. 27. Dezember 2001 [2001 / 931 / GASP; ABl. 2001 L 344, 93] zur Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) betreffend den Kampf gegen den Terrorismus, welcher auch den Urteilen in den Rs. Gestoras Pro Amnistía und Segi zugrunde lag [EuGH, Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657], sowie den Rahmenbeschluß zur Terrorismusbekämpfung [2002 / 475 / JI; ABl. 2002 L 164, 3]. 206 Man denke in diesem Zusammenhang auch an die Verpflichtung der UN-Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit mit den ad hoc-Tribunalen für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda, die ebenfalls aufgrund von UN-Sicherheitsratsresolutionen errichtet worden sind. Zu den diesbezüglichen Verpflichtungen gehört namentlich die Verpflichtung zur Überstellung von Personen [Stroh, Zusammenarbeit mit Internationalen Straftribunalen, 70 f.] – eine Verpflichtung, die wiederum mit der Zusammenarbeit in Auslieferungsangelegenheiten im Bereich der Dritten Säule korrespondiert (Art. 31 I lit. b EUV). Es ist keinesfalls auszuschließen, daß insoweit unionsrechtliche Akte zur Umsetzung einschlägiger Sicherheitsratsresolutionen ergriffen werden (müssen). 207 Schlußanträge, Rs. C-415 / 05 P und Rs. C-402 / 05 P, Al Barakaat International Foundation und Kadi, noch nicht in amtlicher Slg., Rn. 17 – 40 und 56; vgl. zu den Schlußanträgen Kruse, ERT 11 (2008), 237. 208 EuGH, Rs. C-415 / 05 P und Rs. C-402 / 05 P, Al Barakaat International Foundation und Kadi, noch nicht in amtlicher Slg., Rn. 278 ff., insb. Rn. 281 und 283; vgl. zu diesem Urteil Ohler, EuZW 19 (2008), 630. 209 Ibid., Rn. 285.

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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lich entschärft worden. Mehr informatorisch als kritisch ist daher der an dieser Stelle ergehende Hinweis zu verstehen, daß der EuGH – insoweit aber wohl nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerfG stehend – zugleich von der EG verlangt, daß diese die aus UN-Sicherheitsratsresolutionen herrührenden Verpflichtungen bei der Legislatur „gebührend berücksichtigt“,210 und die streitige Verordnung trotz ihrer generellen Nichtigerklärung für den Zeitraum von drei Monaten hat fortbestehen lassen.211 Dies vermag den prinzipiell grundrechtsfreundlichen Grundtenor dieses Urteils aber keineswegs zu trüben, sondern ist vielmehr positiv zu vermerken. Bei allem Lob für die jüngste Rechtsprechungslinie des EuGH gilt es nichtsdestotrotz zu bedenken, daß der gegenwärtige Zeitpunkt – nach nur etwa fünf Jahren Rechtsprechungspraxis des EuGH im Rahmen der Dritten Säule212 – zu früh erscheint, abschließend zu beurteilen, ob ein dem grundgesetzlichen Grundrechtsstandard gleichzuachtendes Schutzniveau auch auf Unionsebene durch den EuGH gewährleistet wird.213 So positiv das jüngste Urteil des EuGH auch zu würdigen ist, so läßt sich aus ihm doch kaum zwingend der Schluß ableiten, der EuGH werde in Zukunft ganz generell stets menschenrechtsfreundlich judizieren und dementsprechend einen dem Grundgesetz adäquaten Menschenrechtsschutz gewährleisten. Dies leichthin anzunehmen fiele schon deshalb schwer, weil sich der EuGH in anderen zum Recht der Dritten Säule ergangenen Judikaten, namentlich in seinem Urteil in der Rechtssache Advocaten voor de Wereld 214, in welchem der EuGH den Rahmenbeschluß über den Europäischen Haftbefehl215 für menschenrechtsgemäß erachtet hat, mitunter deutlich weniger menschenrechtssensibel gezeigt hat. Dieses Urteil, das gewissermaßen den Kernbereich der Dritten Säule betrifft, ist dementIbid., Rn. 296. Ibid., Rn. 373 – 376. 212 Das erste Urteil auf Grundlage des Art. 35 EUV nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages ist 2003 ergangen; vgl. Einleitung, Fn. 2. 213 Ebenso Mißling, EuR 42 (2007), 261 (272 – 274, insb. Fn. 78 und begleitenden Text); von Danwitz, Rechtsschutz, 7, nach dem „weitere Fragen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes noch der Beantwortung harren“ (allerdings stammen diese Zeilen aus dem Januar 2008, also bevor der EuGH sein Urteil in den Rs. Al Barakaat International Foundation und Kadi gesprochen hat); ähnlich wohl auch Masing, NJW 59 (2006), 264 (267), der räsoniert, es bleibe eine große Aufgabe, auf Unionsebene den Grundrechtsschutz nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch verfahrensrechtlich und kapazitätsmäßig zu stärken – was ihn freilich nicht daran hindert, bereits heute für eine Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG zu plädieren; keine Bedenken hat hingegen Gas, EuR 41 (2006), 285 (294). 214 EuGH, Rs. C-303 / 05, Advocaten voor de Wereld VZW, Slg. 2007, I-3633. 215 Rahmenbeschluß des Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten v. 13. Juni 2002 (2002 / 584 / JI); ABl. 2002 L 190, 1. Für einen guten Überblick über den Regelungsinhalt dieses Rahmenbeschlusses Combeaud, RMC 49 / 495 (2006), 114 (115 ff.); für seine Entstehungsgeschichte Jekewitz, GA 152 (2005), 625 (627 – 633). 210 211

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

sprechend durchaus kritisch von der Literatur aufgenommen worden.216 Schon deshalb verbietet es sich, dem EuGH unkritisch eine ganz generelle Menschenrechtsfreundlichkeit auch im Bereich der Dritten Säule zu bescheinigen. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang vor allem auch, daß die bisherige aus dem Gemeinschaftsrecht bekannte und seit einigen Jahrzehnten durchaus als menschenrechtsfreundlich anzuerkennende Rechtsprechung von EuG und EuGH eben zum Gemeinschaftsrecht ergangen ist. Mit den spezifischen – besonders grundrechtssensiblen – Fragen des Straf- und Strafprozeßrechts waren EuG und EuGH zuständigkeitsbedingt bislang hingegen nur ganz am Rande befaßt.217 Gerade im Straf- und Strafprozeßrecht aber kommt dem Rechtsstaatsprinzip eine ganz besonders große Bedeutung zu. Die in diesem Bereich zu stellenden rechtsstaatlichen Anforderungen sind ungleich höher als etwa im allgemeinen Wirtschaftsrecht, welches das Gemeinschaftsrecht prägt. Insoweit erscheint es fragwürdig, schlicht die zum Gemeinschaftsrecht ergangene Rechtsprechung für den Bereich der Dritten Säule extrapolieren zu wollen. Der EuGH wird für das Gebiet des Straf- und Strafprozeßrechts seine Menschenrechtssensibilität erst noch unter Beweis zu stellen haben, um so das Vertrauen der Mitgliedstaaten und ihrer (Verfassungs-)Gerichte zu erwerben. Sicherlich ist die Rücknahme der eigenen Gerichtsbarkeit auch Ausdruck eines gewissen Vertrauensvorschusses,218 insoweit nämlich, als dem Kooperationspartner das Vertrauen geschenkt wird, in Zukunft einen adäquaten Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Die zukünftige Gewährleistung eines adäquaten Grundrechtsschutzes indes ohne hinreichend konkrete Anhaltspunkte hierfür bloß zu vermuten, reicht gewiß nicht aus.219 Eine solche Vermutung müßte sich vielmehr auf eine entsprechende Judikatur des EuGH stützen können, um über den zukünftigen Grundrechtsschutz Rechtsgewißheit zu erlangen.220 Einen ersten, sehr großen Schritt in diese Richtung hat der EuGH mit dem jüngsten Urteil vom September 2008 getan. Ob sich diese positive Rechtsprechungslinie in Zukunft weiter verfestigen wird, bleibt zu hoffen – aber auch abzuwarten. 216 Siehe etwa die deutliche Kritik bei Ebert / Pinkel, StudZR 5 (2008), 361 (365 ff., insb. 373) und Schmahl, DVBl 122 (2007), 1463 (1467 f.) sowie die durchaus kritischen Anmerkungen bei Herlin-Karnell, GLJ 8 (2007), 1147 (1153 – 1156); Hinarejos, HumRLR 7 (2007), 793 (795 – 802); Merli, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 125 (139) sowie Prevel, CDE 43 (2007), 695 (726 ff., insb. auch 731). 217 Dementsprechend kommen einige für den Bereich der Dritten Säule besonders bedeutsame Grundrechte in der – bisher ausschließlich zum Gemeinschaftsrecht ergangenen – Rechtsprechung des EuGH bis dato kaum oder gar nicht vor; vgl. Winkler, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 19 (28 ff.). 218 Vgl. von Arnauld, AVR 44 (2006), 201 (208). 219 So deutlich auch Funk-Rüffert, 92 – 94. 220 Rechtsgewißheit hatte das BVerfG auch seinerzeit im Rahmen des Gemeinschaftsrechts als Voraussetzung genannt, um die eigene Rechtsprechung zugunsten des EuGH zurückzunehmen; BVerfGE 37, 271 (280); vgl. auch Steinberger, in: FS Doehring, 951 (958).

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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Insofern sollte im Zusammenhang mit Forderungen an das BVerfG, seine Jurisdiktion zurückzunehmen, auch nicht vergessen werden, daß nicht zuletzt das fordernde Vorgehen seitens des BVerfG seinerzeit maßgeblich dazu beigetragen hat, daß sich über die Jahrzehnte eine durchaus grundrechtssensible Rechtsprechung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene herausgebildet hat.221 Daher muß in einer effektiveren Grundrechtsschutz auch auf Unionsebene einfordernden Rechtsprechung des BVerfG nicht unbedingt der allenthalben gefürchtete Popanz gesehen werden, der unweigerlich die Unionsrechtsordnung zu Fall bringen werde,222 sondern kann und darf vielmehr als Chance verstanden werden, die europäische Gerichtsbarkeit zu einer weiteren, grundrechtsfreundlichen Entwicklung anzuspornen.223 dd) Resümee vergleichbarer Grundrechtsschutz durch den EuGH Letztlich lassen sich kaum verbindliche Aussagen dazu treffen, ob der durch den EuGH im Bereich der Dritten Säule derzeit gewährleistete Grundrechtsschutz dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes hinreichend adäquat ist. Die Schwierigkeit, dies verbindlich zu bestimmen, liegt nicht zuletzt auch darin, daß ein identischer Rechtsschutz auf europäischer Ebene gerade nicht gefordert wird; wo genau die Grenze zwischen „noch hinnehmbar“ und „nicht mehr hinnehmbar“ verläuft, ist unklar. Nach Einschätzung des Verfassers bieten vor allem die bestehenden Lücken im Hinblick auf den individuellen Rechtsschutz, aber letztlich auch die jedenfalls noch nicht gefestigte Rechtsprechung in materiell-rechtlicher Hinsicht in der Summe (noch) zu wenige Anhaltspunkte, zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einem dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtschutz auf Unionsebene zu sprechen.

c) Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 23 I GG / Art. 24 I GG aa) I. S. d. Art. 24 I GG Darf schon das Vorliegen des ersten Erfordernisses für die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG, der vergleichbare Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene, in Frage gestellt werden, scheitert eine Übertragung der Solange-Rechtsprechung auf das Unionsrecht jedenfalls aber an der zweiten Voraussetzung, der 221 Chalmers / Hadjiemmanuil / Monti / Tomkins, 236; Di Fabio, in: Zimmermann, 107 (115); Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 836 (855 f.); Weiler / Haltern, Harv. ILJ 37 (1996), 411 (446). 222 In diesem Sinne allgemein zum Verhältnis EuGH / BVerfG Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (215). 223 Broß, VerwArch 92 (2001), 425 (439); Weiler / Haltern, Harv. ILJ 37 (1996), 411 (446); ganz ähnlich, allerdings zum Verhältnis Gemeinschaftsrecht / UN-Sicherheitsratsresolutionen Schlußanträge, Rs. C-415 / 05 P und Rs. C-402 / 05 P, Al Barakaat International Foundation und Kadi, noch nicht in amtlicher Slg., Rn. 38.

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 24 I GG.224 Eine Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 24 I GG liegt nämlich nur dann vor, wenn und soweit das in Rede stehende Völkerrecht einen innerstaatlichen Geltungsanspruch erhebt,225 mithin mit Durchgriffswirkung in die innerstaatliche Rechtssphäre hineinwirkt.226 Dies gilt für das Unionsrecht gerade nicht. Voraussetzung für das Vorliegen einer Durchgriffswirkung ist die Fähigkeit zur unmittelbaren Wirkung.227 Diese allerdings fehlt dem Unionsrecht.228 Insoweit, als es dem Recht der Dritten Säule an der (unmittelbaren) Durchgriffswirkung gebricht, kann jedoch nicht von einer Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 24 I GG gesprochen werden. bb) I. S. d. Art. 23 I GG Auch ist es abzulehnen, für Art. 23 I GG, und namentlich dessen Satz 2, ein im Vergleich zu Art. 24 I GG weitergehendes Verständnis des Tatbestandsmerkmals der Übertragung von Hoheitsrechten anzunehmen.229 Schon der – soweit hier relevant – identische Wortlaut von Art. 23 I 2 GG und Art. 24 I GG legt ein einheitliches Verständnis beider Normen nahe. Aber auch die Tatsache, daß der Verfassungsgeber mit Einführung des neuen Art. 23 GG die hinsichtlich des Grundrechtsschutzes geltende Rechtslage i. S. d. Solange-Rechtsprechung nicht hat abändern wollen,230 spricht dagegen, „Hoheitsrechtsübertragung“ in Art. 23 I 2 GG anders zu interpretieren als in Art. 24 I GG. Das Vorliegen einer Hoheitsrechtsübertragung i. S. d. des Art. 24 I GG ist nämlich gerade, wie gesehen, eine Voraussetzung für die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG ist. Ein weitergehendes Verständnis der Hoheitsrechtsübertragung in Art. 23 I 2 GG könnte daher, bei konsequenter Fortschreibung der Rechtsprechungslinie des BVerfG, zu einer Rücknahme der Gerichtsbarkeit auch in bezug auf intergouvernementale Akte führen.231 224 Vgl. zur nicht erfolgten Hoheitsrechtsübertragung im Rahmen des Unionsrechts Flint, 161 i. V. m. 154 – 155; Pechstein / Koenig, Rn. 148; Reichelt, 16; Schmahl, EuR 43 (2008), Beiheft 1, 7 (34); Streinz, in: Sachs, Art. 23, Rn. 56. 225 Czerner, EuR 42 (2007), 537 (555). 226 Vgl. die Nachweise in Dritter Teil, Fn. 129. 227 Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 24 Abs. 1, Rn. 5; Czerner, EuR 42 (2007), 537 (556); Everling, EuR 40 (2005), 411 (416); Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24 Abs. 1, Rn. 30 f. 228 Siehe nur Bergström, ERT 9 (2006), 569 (570); Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (64 f.); Nettesheim, CMLRev 44 (2007), 567 (596); Satzger, in: Streinz, Art. 34 EUV, Rn. 2; Spaventa, YEL 25 (2006), 153 (169); Zott, 279. 229 Classen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 23 Abs. 1, Rn. 13; Dörr, Europäisierter Rechtsschutzauftrag, 88; Funk-Rüffert, 63; Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, Art. 24 Abs. 1, Rn. 201. 230 Vgl. Hofmann, Grenzüberschreitende Sachverhalte, 93 f.; Kischel, Der Staat 39 (2000), 523 (524 – 526); vgl. auch König, 573 – 575. 231 Wahrscheinlicher ist freilich, daß das BVerfG an der funktionalen Bedeutung der Hoheitsübertragung i. S. d. Art. 24 I GG für die Zwecke einer Rücknahme seiner Jurisdiktion

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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Dies allerdings hätte eine überaus deutliche Änderung des Grundrechtsschutzes des einzelnen gegenüber intergouvernementalen Akten zur Folge. Aus diesen Gründen kann Art. 23 I 2 GG keine von Art. 24 I GG abweichende verfassungsrechtliche Bedeutung zukommen.232 cc) Exkurs: rahmenbeschlußkonforme Auslegung Die vom EuGH postulierte unionsrechtliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung bedeutet einen Durchgriff auf die nationalen Rechtsordnungen. Damit bekommt das Unionsrecht eine Durchgriffswirkung, die so von den Mitgliedstaaten im EUV nicht vorgesehen war und auch nicht „zwischen den Zeilen“ hineininterpretiert werden kann. Dies ist exakt der Grund, weswegen vorliegend die Existenz einer unionsrechtlichen Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung abgelehnt worden ist.233 Nimmt man hingegen mit dem EuGH eine unionsrechtliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung an, so bejaht man die Durchgriffswirkung des Unionsrechts und somit die – wenn auch vom Gesetzgeber an sich nicht vorgesehene – Hoheitsrechtsübertragung i. S. d. Art. 23 I GG / Art. 24 I GG. Demnach läge das zweite Erfordernis einer Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG vor. Zu betonen ist hingegen – und dürfte wohl auch von Anhängern der unionsrechtlich induzierten rahmenbeschlußkonformen Auslegung so gesehen werden –, daß aufgrund der damit einhergehenden – letztlich sogar – unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts die Anforderungen an den individuellen Rechtsschutz proportional zum erhöhten Maß an Wirksamkeit steigen müssen.234 Die Notwendigkeit, das Vorlageverfahren nach Art. 35 I – V EUV so auszugestalten, daß eine Vorlage an den EuGH auch rechtlich durchsetzbar ist und nicht vom Wohlwollen des jeweils zu Gericht sitzenden Richters abhängt, stellt sich dann um so dringlicher. Ob die gegenwärtige Rechtslage insoweit zu befriedigen vermag, darf bezweifelt werden.

festhalten würde, mit der Folge, daß bei einem weiten Verständnis des Art. 23 I 2 GG zwar auch im Verhältnis zum Unionsrecht „Hoheitsübertragungen“ zu konstatieren wären, dieses aber gerade wegen seines unterschiedlichen Bedeutungsgehalts ohne Belang für die Frage der Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG bliebe. 232 Damit ist allerdings nicht gesagt, der Gesetzgeber dürfe keine Hoheitsrechte auf die EU übertragen. Art. 23 I 2 GG formuliert ganz allgemein, der Bund könne (zur Mitwirkung Deutschlands bei der Entwicklung der EU) durch Gesetz Hoheitsrechte übertragen, ohne indes den Adressaten einer Hoheitsrechtsübertragung näher zu bezeichnen. Es spricht nichts dagegen, auch die Hoheitsrechtsübertragung auf die EU für zulässig zu erachten – nur hat eine solche durch die bisherigen Verträge schlicht noch nicht stattgefunden. 233 Vgl. zu all dem oben Zweiter Teil, v. a. A. und C. IV. 234 Vgl. Knapp, DÖV 54 (2001), 12 (20).

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3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

d) Keine Selbstbeschränkung aufgrund Vorrangs / Eigenständigkeit des Unionsrechts Unabhängig vom obigen Befund, wonach das BVerfG seine Gerichtsbarkeit gerade nicht aufgrund des (Anwendungs-)Vorrangs des Gemeinschaftsrechts zurücknimmt, soll schließlich noch arguendo nachgewiesen werden, daß dem Unionsrecht kein Vorrang zukommt – bei Zugrundelegung der Argumentation des EuGH in der Costa / ENEL-Rechtsprechung auch nicht zukommen kann, da im Falle der „Unionsrechtsordnung“ nicht von einer eigenständigen, einheitliche Anwendung beanspruchenden Rechtsordnung gesprochen werden kann. aa) Meinungsstand zum Vorrang des Unionsrechts In Ermangelung einer klaren Positionsbestimmung seitens des EuGH zur Frage eines etwaigen Vorrangs auch des Unionsrechts vor entgegenstehendem nationalem Recht235 ist das Meinungsbild in der Literatur tief gespalten. Während die einen – teils mit Verweis auf das Pupino-Urteil des EuGH – einen Vorrang annehmen,236 lehnen andere dies wiederum strikt ab.237 Namentlich das BVerfG hat für den Bereich des Unionsrechts in seiner Maastricht-Entscheidung ausdrücklich ausVgl. oben Dritter Teil C. I. 2. Craig / de Búrca, 352; Gas, EuR 41 (2006), 285 (294); Hufeld, JuS 45 (2005), 865 (871); Lenaerts / Corthaut, ELRev 31 (2006), 287 (289 f.); Masing, NJW 59 (2006), 264 (265 ff.); Mißling, EuR 42 (2007), 261 (264); Prechal, in: Obradovic / Lavranos, 333 (341); Schroeder, EuR 42 (2007), 349 (364 – 366). Nach Giegerich hat der EuGH im Pupino-Urteil implizit den Vorrang des Unionssekundärrechts bejaht [ZaöRV 67 (2007), 351 (377)]; ebenso Herrmann, EuZW 16 (2005), 436 (438); Kowalik-Ban´czyk, GLJ 6 (2005), 1355 (1357); Lavranos, EFARev 11 (2006), 471 (487); Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (325 f.), „albeit with less far-reaching consequences as in the first pillar“; skeptisch jedoch Kurcz / azo wski, YEL 25 (2006), 177 (203); Tsadiras, CMLRev 44 (2007), 1515 (1525) sowie, mit Verweis auf das Haftbefehl-Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts [siehe Dritter Teil, Fn. 71], Komárek, CMLRev 44 (2007), 9 (26 f.); instruktiv auch Dougan, CMLRev 44 (2007), 931 (947). 237 Etwa Dashwood, CYELS 7 (2004 – 2005), 33 (37); Dederer, ZaöRV 66 (2006), 575 (588); Fletcher, ELRev 30 (2005), 862 (876); Herdegen, EuropaR, § 31, Rn. 5; Herrmann, EuZW 16 (2005), 436 (438); Hillgruber, JZ 60 (2005), 841 (843); Hummrich, DRiZ 83 (2005), 361 (363); Klink / Proelß, DÖV 59 (2006), 469 (472 f.); Kowalik-Ba´czyk, GLJ 6 (2005), 1355 (1357); Kraus-Vonjahr, 195; Murschetz, VUWLR 38 (2007), 145 (bei Fn. 6); Oppermann, § 7, Rn. 14 f.; Pechstein, in: Hummer, 281 (293); Pechstein / Koenig, Rn. 145 – 149; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (920); Prevel, CDE 43 (2007), 695 (723); Stachel, VR 51 (2005), 394 (395); Streinz, EuropaR, Rn. 473; Weber, EuR 43 (2008), 88 (94); wohl auch Di Fabio, der den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts letztlich aus dessen unmittelbarer Durchgriffswirkung herleiten will [in: Zimmermann, 107 (114)]. Nach von Unger hat das BVerfG in seinem Haftbefehl-Urteil eine Position gegen einen Vorrang des Unionsrechts eingenommen [NVwZ 24 (2005), 1266 (1269 f.)]; vgl. auch die in Dritter Teil, Fn. 71 genannten (Verfassungs-)Gerichte, die das jeweilige nationale Umsetzungsgesetz zum Rahmenbeschluß betreffend die Einführung eines europäischen Haftbefehls als verfassungswidrig verworfen haben. 235 236

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

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geführt, durch Maßnahmen der intergouvernementalen Säulen könne „kein in den Mitgliedstaaten [ . . . ] Vorrang beanspruchendes Recht gesetzt werden“.238 Der EuGH hat im Rahmen des Gemeinschaftsrechts den Vorrang selbigens – neben teleologischen Argumenten – maßgeblich aus der Eigenständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung abgeleitet,239 deren Funktionieren gefährdet wäre, wenn das Gemeinschaftsrecht „von einem Staat zum andern verschiedene Geltung haben könnte“, und deren „Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt“ würde, wenn ihr dieser Vorrang nicht zukäme.240 Die Forderung nach dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts ist somit letztlich die Forderung nach der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, unabhängig von den sonstigen normativen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten. 241 Die Ausführungen des EuGH zur Begründung des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sind deutlich auf die (unmittelbare) einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten zugeschnitten242 und lassen sich insoweit schon von vornherein nicht unmittelbar auf das Unionsrecht übertragen. Wie soll Recht, das mangels unmittelbarer Wirksamkeit innerstaatlich selbst nicht anwendbar ist, Anwendungsvorrang genießen?243 Nichtsdestotrotz soll untersucht werden, inwieweit im übrigen von einer Unabhängigkeit des Unionsrechts von den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen gesprochen werden kann beziehungsweise dem Unionsrecht das Erfordernis einheitlicher Geltung zugrunde liegt.244

BVerfGE 89, 155 (176). EuGH, Rs. 6 / 64, Costa / ENEL, Slg. 1964, 1251 (1269 – 1271); Ehlers, in: Schulze / Zuleeg, § 11, Rn. 12; Mayer, in: von Bogdandy, 229 (240); Neuschl / Schumm, ZEuS 11 (2008), 527 (533) sowie Streinz, EuropaR, Rn. 208. Auf die berechtigte Kritik von Streinz [EuropaR, Rn. 211], wonach die Eigenständigkeit einer Rechtsordnung an sich noch längst kein Grund sei, dieser Rechtsordnung Vorrang einzuräumen, soll hier nicht näher eingegangen werden. 240 EuGH, Rs. 6 / 64, Costa / ENEL, Slg. 1964, 1251 (1270). 241 Lenaerts / Corthaut, ELRev 31 (2006), 287 (290). Die Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung stellt ein tragendes Strukturelement für die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft dar; Schwarze, in: FS BVerfG, 223 (231); Thym, EuR 41 (2006), 637 (637). 242 Vgl. Di Fabio, in: Zimmermann, 107 (114); Prechal, in: Barnard, 35 (53); von Unger, NVwZ 24 (2005), 1266 (1269). 243 Vgl. Fletcher, ELRev 30 (2005), 862 (876); Wasmeier, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 59 (65); vgl. aber zu einem von der unmittelbaren Wirksamkeit losgelösten Verständnis des Vorrangprinzips Lenaerts / Corthaut, ELRev 31 (2006), 287 (289 – 292); skeptisch ggü. dieser Loslösung hingegen Dougan, CMLRev 44 (2007), 931 (937 – 948). 244 Wenn man mit Jour-Schröder / Wasmeier [in: von der Groeben / Schwarze, Vorbem. zu den Art. 29 – 42 EUV, Rn. 3] die Antwort auf die Frage der Autonomie des Unionsrechts von dessen Rechtsnatur abhängig macht, kann angesichts des oben gefundenen Ergebnisses, wonach das Unionsrecht zu weiten Teilen noch völkerrechtlichen Standards entspricht [Zweiter Teil C. IV.], kaum die Selbständigkeit der Unionsrechtsordnung angenommen werden. 238 239

242

3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

bb) Uneigenständigkeit / Uneinheitlichkeit der „Unionsrechtsordnung“ inhärent Die Untersuchung des Unionsrechts ergibt eher das Gegenteil. Die nur sehr eingeschränkte einheitliche – ohnehin nur mittelbare – Geltung in den Mitgliedstaaten scheint dem Unionsrecht gewissermaßen inhärent. Es dominieren im wesentlichen fragmentarische Aspekte.245 (1) Keine materiell-rechtliche Verankerung In materieller Hinsicht ist dem Unionsrecht ein besonderes Erfordernis ausgeprägter Einheitlichkeit nicht zu entnehmen. Zwar ist für das Zustandekommen von Unionsakten generell Einstimmigkeit erforderlich,246 was eine einhellige Rechtsauffassung der Mitgliedstaaten impliziert. Dies bedeutet indes – wie schon im übrigen bei völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht – keineswegs das notwendige Entstehen einer eigenständigen Rechtsordnung. Hierfür wäre es Voraussetzung, daß Unionsrechtsakte unmittelbare Wirkung entfalten können. Unmittelbar (und daher in allen Mitgliedstaaten einheitlich) anwendbare Rechtsakte kennt das Unionsrecht jedoch nicht.247 Vielmehr müssen unionale Rechtsakte stets durch mitgliedstaatliche Akte in die nationalen Rechtsordnungen implementiert werden. Auf diese Weise kann von vornherein nur ein – mehr oder weniger – grober Rahmen vorgegeben werden, der regelmäßig durch die Mitgliedstaaten ausgefüllt werden kann und muß. Eine auf Einheitlichkeit beruhende eigenständige Rechtsordnung kann auf diese Weise schlechterdings nicht entstehen.248 Umgekehrt fügt sich das Unionsrecht aufgrund seiner nur mittelbaren Wirkung und der hieraus resultierenden notwendigen Implementierung in die nationalen Rechtsordnungen gewissermaßen in ebendiese ein und wird hierdurch ein Teil dieser. Nur durch diese „Teilhaftigkeit“ an den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen vermag das Unionsrecht innerstaatlich überhaupt zu wirken. Darüber hinaus ist die Uneinheitlichkeit des Unionsrechts im Falle der Übereinkommen gemäß Art. 34 II lit. d EUV bereits ausdrücklich im EUV angelegt. Wenn Art. 34 II a. E. EUV bestimmt, daß die zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommen – sofern in den Übereinkommen nichts anderes vorgesehen ist – für die beteiligten Mitgliedstaaten in Kraft treten, sobald sie von mindestens der Hälfte der Mitgliedstaaten angenommen worden sind – und insoweit auch in deutlichem Kontrast zu den Gemeinschaftsabkommen nach Art. 293 Vgl. auch Denza, 26 ff. Vgl. oben Zweiter Teil C. II. 4. 247 Siehe nur Bergström, ERT 9 (2006), 569 (570); Griller, EuR 34 (1999), Beiheft 1, 45 (64 f.); Nettesheim, CMLRev 44 (2007), 567 (596); Satzger, in: Streinz, Art. 34 EUV, Rn. 2; Spaventa, YEL 25 (2006), 153 (169); Zott, 279. 248 Ebenso Ludwig, 296. 245 246

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

243

EGV249 –, dann liegt hierin ein weiterer Keim für eine Fragmentierung des Unionsrechts.250 (2) Keine verfahrensrechtliche Absicherung Noch deutlicher fällt die fehlende Einheitlichkeit des Unionsrechts in verfahrensrechtlicher Hinsicht ins Auge. Die einheitliche Anwendung des Unionsrechts ist verfahrensrechtlich nämlich nicht abgesichert.251 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das – in zweifacher Hinsicht – bloß fakultative Vorlageverfahren. Letztendlich bedeutet dies, daß die Gerichte derjenigen Mitgliedstaaten, die sich der Gerichtsbarkeit des EuGH gemäß Art. 35 II EUV nicht unterworfen haben, notgedrungen selbst über Auslegung und Gültigkeit der unionalen Rechtsakte befinden müssen.252 Aber auch die Gerichte derjenigen Mitgliedstaaten, die sich der Jurisdiktion des EuGH unterworfen haben, sind nicht von Unionsrechts wegen zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, so daß auch diese Gerichte im Falle der Nichtvorlage über Auslegung und Gültigkeit der unionalen Rechtsakte selbst zu befinden kompetent sind.253 Doch nur durch eine unionsrechtliche Vorlagepflicht kann die „einheitliche und verbindliche Auslegung auf [Unions]ebene vollständig erreicht werden“254. Damit ist eine Fragmentierung in der Anwendung des Unionsrechts in diesem selbst angelegt.255 Eine Rechtseinheit ohne zentrale Gerichtsbarkeit ist nicht vorstellbar.256 249 Bei diesen steht die Gefahr einer Fragmentierung des Gemeinschaftsrechts nicht zu befürchten, da an den Gemeinschaftsabkommen stets alle Mitgliedstaaten beteiligt sein müssen; vgl. die Ausführungen in Zweiter Teil, Fn. 206. 250 Freilich stellen auch die Regelungen zur verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 40 ff. EUV – wie aber auch im Gemeinschaftsrecht – eine weitere Quelle potentieller Fragmentierung dar; vgl. insgesamt zur flexiblen Integration Ludwig, 312 ff.; Monar, ELRev 23 (1998), 320 (332 – 335). 251 Ebenso von Danwitz, Rechtsschutz, 8; Ludwig, 290 ff.; Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (885); Prinssen, in: Obradovic / Lavranos, 311 (329). 252 Peers, CMLRev 44 (2007), 883 (900); Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1133); Schreiber, 103; ebenso für das wegen der eingeschränkten Vorlagebefugnis der mitgliedstaatlichen Instanzgerichte insoweit vergleichbare – immerhin zum Gemeinschaftsrecht gehörige – Vorlageverfahren im Rahmen des Titels IV des EGV nach Art. 68 I EGV ter Steeg, ZAR 26 (2006), 268 (270); a. A. Winkler, in: Lagodny / Wiederin / Winkler, 19 (24). 253 Monjal, RTD eur. 37 (2001), 335 (359). 254 So Generalanwalt Capotorti in seinen Schlußanträgen zur Rs. CILFIT zur gemeinschaftsrechtlichen Vorlagepflicht nach (dem heutigen) Art. 234 III EGV; Schlußanträge, Rs. 283 / 81, CILFIT, Slg. 1982, 3415, 3440. 255 Nach Generalanwalt Mengozzi ist die „à la carte-Regelung“ der Vorabentscheidungskompetenz nach Art. 35 EUV „offensichtlich ungeeignet, die einheitliche Anwendung des Unionsrechts durch die nationalen Gerichte sicherzustellen“; Schlußanträge, Rs. C-354 / 04 P und C-355 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía und Segi, Slg. 2007, I-1583, Rn. 127 ff.; diese Bedenken teilend Dörr, EuGRZ 35 (2008), 349 (351); Haltern, JZ 62 (2007), 772 (775); Monar, ELRev 23 (1998), 320 (331); Streinz, JuS 45 (2005), 1023 (1026). Eine Gefahr für die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts sieht ter Steeg zu Recht schon im Falle des Vorlagever-

244

3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

Auch die Kommission verfügt über nur sehr geringe Einflußmöglichkeiten, auf die Einheitlichkeit der unionalen Rechtsordnung hinzuwirken; die Kompetenz, proprio motu ein Vertragsverletzungsverfahren gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten anzustrengen, besitzt die Kommission – mit Ausnahme des nur sehr schmalen Anwendungsbereichs des Art. 35 VII 2 EUV – im Unionsrecht generell nicht.257 Die Möglichkeit, eine Nichtigkeitsklage gegen Unionsakte gemäß Art. 35 VI EUV zu betreiben, ist – als kassatorische Klage – wiederum kaum geeignet, die einheitliche Anwendung des Unionsrechts generell sicherzustellen.258 Insgesamt ist die nur marginale Rolle der Kommission als nur den Interessen der EU verpflichtetes Organ im Unionsrecht nicht dazu angetan, das Unionsrecht maßgeblich voranzutreiben.259 (3) Ergebnis Uneigenständigkeit / Uneinheitlichkeit der „Unionsrechtsordnung“ Es kann somit festgehalten werden, daß die Eigenständigkeit und Einheitlichkeit der „Unionsrechtsordnung“ ein Postulat darstellt, das keinen Niederschlag in den Vorschriften des EUV gefunden hat.260

cc) Fazit: Kein Vorrang des Unionsrechts Vor diesem Hintergrund läßt sich ein Vorrang des Unionsrechts vor entgegenstehendem nationalem Recht nicht begründen und sich insoweit – ungeachtet der Tatsache, daß der Vorrang ohnehin keine notwendige Voraussetzung für die Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG darstellt – auch nicht zugunsten eines judicial restraint des BVerfG anführen.

e) Fazit Übertragbarkeit der Kriterien auf das Unionsrecht Zwei Kriterien sind – neben der allgemeinen Offenheit des Grundgesetzes – herausgearbeitet worden, aufgrund deren das BVerfG seine Gerichtsbarkeit gegenüber dem Gemeinschaftsrecht zurücknimmt: der dem Grundgesetz adäquate Grundfahrens nach Titel IV des EGV, in dessen Rahmen es Instanzgerichten nach Art. 68 I EGV in ausdrücklicher Abweichung von Art. 234 II EGV verwehrt ist, Vorlagen an den EuGH zu stellen, obgleich nach Art. 68 I EGV immerhin die letztinstanzlichen Gerichte Vorlagen an den EuGH einreichen können und sogar müssen [ZAR 26 (2006), 268 (270)]. 256 Hirsch, NJW 49 (1996), 2457 (2463); Nettesheim, CMLRev 44 (2007), 567 (597 f.); Walter, AöR 129 (2004), 39 (64); vgl. auch Everling, EuZW 13 (2002), 357 (359 f.); Warnke, 81. 257 Vgl. oben im Zweiten Teil C. III. 8. b) bb) (3). 258 Vgl. ausführlich oben im Zweiten Teil C. III. 8. b) bb) (2). 259 Vgl. oben im Zweiten Teil C. II. 5. 260 Ganz ähnlich Schmahl, DVBl 122 (2007), 1463 (1469); bezeichnenderweise spricht Nettesheim in diesem Zusammenhang von einem „topos“ [CMLRev 44 (2007), 567 (597)].

C. Lösungsmöglichkeiten etwaiger Jurisdiktionskonflikte

245

rechtsschutz durch EuG / EuGH sowie die Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 23 I GG / Art. 24 I GG. Was das erste Kriterium angeht, räumt der EuGH ein Rechtsschutzdefizit auf Unionsebene selbst ein.261 Insoweit drängt sich ein Schutz durch die nationalen Gerichte, nicht zuletzt die Verfassungsgerichte, geradezu auf. Das Niveau individuellen Rechtsschutzes im Unionsrecht mag mit dem im Gemeinschaftsrecht im wesentlichen vergleichbar sein; so recht zu befriedigen vermag jedoch schon die Situation im Gemeinschaftsrecht nicht. Auch der – jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Dinge – noch nicht verfestigte Rechtsschutz in materieller Hinsicht ist wohl (noch) nicht dazu angetan, zum gegenwärtigen Zeitpunkt positiv von einem vergleichbaren Rechtsschutz auf Unionsebene zu sprechen. Aus rechtsstaatlichen Gründen erschiene eine Rücknahme der Jurisdiktion des BVerfG daher im Moment nicht unproblematisch. Was die Übertragung von Hoheitsrechten i. S. d. Art. 23 I GG / Art. 24 I GG anbetrifft, so ist schlicht festzustellen, daß eine solche im Bereich des Unionsrechts nicht stattgefunden hat. Ein Vorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht schließlich kann nicht angenommen werden – ist allerdings auch keine Voraussetzung für die Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG.

3. Resümee Ansatz des Verfassers Es ist eingangs danach gefragt worden, ob es gute Gründe für das BVerfG gibt, seinen Verfassungsauftrag in Gestalt der Gewährleistung von Grundrechtsschutz partiell unausgeführt zu lassen. Die Antwort des Verfassers ist eindeutig – und zwar negativ. Abgesehen vom derzeit nur defizitär gewährleisteten Grundrechtsschutz auf Unionsebene, ließe sich darüber hinaus eine Rücknahme auch hinsichtlich des Unionsrechts kaum mit der Görgülü-Rechtsprechung des BVerfG in Einklang bringen, wonach das BVerfG generell einen Verfassungsvorbehalt gegenüber transformationsbedürftigem Völkerrecht (im Unterschied zu mit Durchgriffswirkung in die deutsche Rechtsordnung hineinwirkendem Völkerrecht) annimmt.262 Sowenig dieser Verfassungsvorbehalt der generellen Wirksamkeit des Völkerrechts einen Abbruch tut,263 sowenig wird die generelle Wirksamkeit des Unionsrechts durch eine Überprüfung der deutschen Umsetzungsakte seitens des BVerfG in Frage gestellt. 261 EuGH, Rs. C-105 / 03, Pupino, Slg. 2005, I-5285, Rn. 35; id., Rs. C-354 / 04 P, Gestoras Pro Amnistía, Slg. 2007, I-1579 bzw. Rs. C-355 / 04 P, Segi, Slg. 2007, I-1657, jeweils Rn. 50; vgl. auch Labayle, RTD eur. 42 (2006), 1 (35 ff.). 262 Zugunsten einer Übertragbarkeit der Görgülü-Rechtsprechung auf das Unionsrecht argumentieren Klink / Proelß, DÖV 59 (2006), 469 (473); ganz ähnlich, allerdings mit anderer Stoßrichtung Tinkl, StV 26 (2006), 36 (40 f.). 263 Vgl. für zahlreiche internationale Beispiele, in denen sich staatliche Gerichte an das nationale Recht gebunden gefühlt haben, auch wenn dies einen völkerrechtlichen Verstoß zur Folge hatte Weiler / Haltern, Harv. ILJ 37 (1996), 411 (414 f., Fn. 17).

246

3. Teil: Das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

Weniger entscheidend für dieses Resümee ist letztlich die Rechtsnatur des Unionsrechts – ob nun fast schon Gemeinschaftsrecht, eher „gewöhnliches“ Völkerrecht oder doch eine dazwischen anzusiedelnde Rechtsordnung sui generis – als mehr die tatsächliche – nämlich nicht vorhandene – innerstaatliche Wirkung des Unionsrechts. Insoweit läßt sich ein Schwenken in Richtung Solange-Rechtsprechung auch für den Bereich des Unionsrechts für die Zukunft durchaus vorstellen. Jedoch müßten hierfür freilich die Prämissen, welche der Solange-Rechtsprechung zugrunde liegen, erfüllt sein. Dies sind der vergleichbare Grundrechtsschutz auf Unionsebene sowie eine Durchgriffswirkung des Unionsrechts. Beides liegt nach dem derzeitigen Stand der Dinge (noch) nicht vor.

Vierter Teil

Ausblick – Die Situation nach dem Lissabonner Vertrag Nach dem Aus des Verfassungsvertrages und einer annähernd zwei Jahre währenden Reflexionsphase ist am 13. Dezember 2007 der Reformvertrag zur Änderung des EUV und des EGV1 von den Staats- und Regierungschefs in Lissabon unterzeichnet worden. Nachdem dessen Schicksal angesichts des irischen Nein vom Juni 20082 und anhängigen Verfassungsklagen gegen die jeweiligen Umsetzungsgesetze in einigen Mitgliedstaaten3 lange Zeit ungewiß war, ist der Lissabonner Vertrag schließlich am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten. Nichtsdestotrotz kann an dieser Stelle keine erschöpfende Würdigung des Lissabonner Vertrages im Hinblick auf die in dieser Arbeit behandelten Fragestellungen geleistet werden.4 Es soll allein ein eher kursorischer Blick auf den Lissabonner Vertrag geworfen werden, auf dessen Hintergrund eine erste – aber ganz gewiß nicht abschließende – Einschätzung versucht werden soll, inwieweit die mit dem Lissabonner Vertrag einhergehenden Reformen zukünftig eine andere Beurteilung der im Rahmen dieser Arbeit behandelten Fragestellungen erforderlich machen. Da sich der Lissabonner Vertrag zu weiten Teilen inhaltlich sehr dicht am Verfas1 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft; ABl. 2007 C 306, 1. 2 In Irland ist der Lissabonner Vertrag am 12. Juni 2008 im Rahmen eines Referendums abgelehnt worden. Vgl. zu den Hintergründen des ablehnenden Votums des irischen Volkes Vignes, RMC 51 / 520 (2008), 413. 3 Wenigstens in zwei Mitgliedstaaten (Deutschland und Tschechien) waren Verfassungsklagen anhängig: Das BVerfG hat zwischenzeitlich mit seinem Lissabon-Urteil v. 30. Juni 2009 das deutsche Zustimmungsgesetz zum Lissabonner Vertrag „nach Maßgabe der Gründe“ für verfassungsgemäß erklärt. Der tschechische Verfassungsgerichtshof hat zwischenzeitlich am 26. November 2008 beschlossen, keinen Einspruch gegen die Fortsetzung des Ratifikationsverfahrens zum Lissabonner Vertrag in Tschechien einzulegen. Jedoch hat er gleichzeitig betont, daß er sich hierbei auf die Überprüfung von sechs Bestimmungen des Lissabonner Vertrages beschränkt habe; es stehe daher den Abgeordneten, Senatoren und dem Präsidenten bis zum Abschluß des Ratifikationsverfahrens frei, die verfassungsrechtliche Überprüfung weiterer Vertragsbestandteile zu beantragen. Vgl. FAZ v. 27. November 2008, 9. 4 Vgl. für eine erste Würdigung des Lissabonner Vertrages Bergström / Hettne, ERT 11 (2008), 32; Craig, ELRev 33 (2008), 137; Mayer, ZaöRV 67 (2007), 1141; Moussis, RMC 51 / 516 (2008), 161; van Raepenbusch, CDE 43 (2007), 573; Schweitzer, Rn. 773 ff.

248

4. Teil: Ausblick

sungsvertrag orientiert,5 erscheint insoweit ein Verweis auf zum Verfassungsvertrag veröffentlichte Sekundärliteratur zulässig. Im Gegensatz zum Verfassungsvertrag gibt der Lissabonner Vertrag die Idee eines einheitlichen, allumfassenden Vertragswerks auf. Hier ist ganz gewiß nicht der rechte Ort, die institutionellen Veränderungen, die durch den neuen Vertrag bewirkt werden, zu beschreiben. In aller Kürze soll jedoch einleitend die zukünftige (vertragliche) Struktur der EU dargestellt werden. Der Lissabonner Vertrag trägt die Bezeichnung „Vertrag zur Änderung des EUV und des EGV“. Entsprechend bestehen EUV und EGV gewissermaßen fort. Dies ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Während der EUV seinen Namen und seine Funktion als Verklammerung der verschiedenen Säulen beibehält, firmiert der EGV fortan als „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (AEUV). Hierin wird bereits eine bedeutende Änderung deutlich: Die EG geht in der zukünftigen EU, die fortan eine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt (Art. 47 EUV n. F.)6, auf. Die EU tritt entsprechend voll in die Rechtsposition der EG ein (Art. 1 III EUV n. F.), ergänzt durch die „eigenen“ Kompetenzen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 21 ff. EUV n. F.). Die Kompetenzen und Politiken der heutigen EG bleiben im EGV, der dann als AEUV firmiert, enthalten und werden durch die EU als Rechtsnachfolgerin der EG wahrgenommen. Relevant für den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist, daß – im Gegensatz zur Zweiten Säule, die auch zukünftig im Rahmen des EUV einem intergouvernementalen Sonderregime unterworfen sein wird7 – die heutige Dritte Säule durch den Lissabonner Vertrag im wesentlichen in die Erste Säule, namentlich die Art. 82 ff. AEUV überführt, also vergemeinschaftet wird.8 Zwar bestehen vereinzelt noch Besonderheiten fort;9 diese sind jedoch zu vernachlässigen und bewegen sich in etwa auf ähnlichem Niveau wie die Besonderheiten des heutigen Titels IV des EGV, dessen Recht – nach anfänglicher Skep5 Vgl. die Schlußfolgerungen des Vorsitzes v. 23. Juli 2007 (Dokument 11177 / 1 / 07 Rev 1), Anlage I, abrufbar unter: http:// www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/ de/ec/94935.pdf sowie Craig, ELRev 33 (2008), 137 (165); Duff, Integration 30 (2007), 333 (333); Dutheil de la Rochère / Chaltiel, RMC 50 / 513 (2007), 617 (617 f.); Mayer, ZaöRV 67 (2007), 1141 (1184); Moussis, RMC 51 / 516 (2008), 161 (162 und 168); Müller-Graff, Integration 30 (2007), 223, passim. 6 Die Artikelangaben zu den durch den Lissabonner Vertrag geänderten EUV sowie AEUV beziehen sich jeweils auf die endgültige, gemäß Art. 5 des Lissabonner Vertrages umnumerierte Fassung der Verträge. 7 Craig, ELRev 33 (2008), 137 (142); Dutheil de la Rochère / Chaltiel, RMC 50 / 513 (2007), 617 (620); Moussis, RMC 51 / 516 (2008), 161 (167). 8 Vgl. Bergström / Hettne, ERT 11 (2008), 32 (58); von Danwitz, Rechtsschutz, 23; Dawes / Lynskey, CMLRev 45 (2008), 131 (158); Duff, Integration 30 (2007), 333 (334); Dutheil de la Rochère / Chaltiel, RMC 50 / 513 (2007), 617 (619); Moussis, RMC 51 / 516 (2008), 161 (166); für den Verfassungsvertrag Labayle, RTD eur. 41 (2005), 437 (440 ff.). 9 Vgl. Vierter Teil, Fn. 250.

A. Jurisdiktionskompetenzen des EuGH

249

sis10 – heute wohl nahezu einhellig genuine gemeinschaftsrechtliche Qualität zuerkannt wird.11

A. Erster Teil – Jurisdiktionskompetenzen des EuGH in bezug auf die innerstaatliche Wirkweise von Akten der heutigen Dritten Säule Nach dem im Ersten Teil dieser Arbeit erzielten Ergebnis ist der EuGH aufgrund der Beschränkungen seiner Kompetenzen im Bereich der Dritten Säule nicht befugt, über die (innerstaatliche) Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu befinden. Wie bereits beschrieben, wird das Recht der heutigen Dritten Säule im supranationalen Recht der Ersten Säule aufgehen. Damit einher geht, daß das Recht der heutigen Dritten Säule sich ausnahmslos der Rechtsakte der Ersten Säule bedienen wird. Diese sind in Art. 288 AEUV niedergelegt und entsprechen den heutigen Gemeinschaftsrechtsakten des Art. 249 EGV. Der EuGH verfügt in bezug auf Rechtsakte nach Art. 288 AEUV, die auf dem Gebiet der heutigen Dritten Säule erlassen werden, nach dem Lissabonner Vertrag generell über eine obligatorische12 und unbeschränkte13 Gerichtsbarkeit, die namentlich auch die primärrechtlichen Grundlagen der erlassenen Akte erfaßt.14 Allein aus diesen primärrechtlichen Grundlagen kann sich die Wirkweise der Rechtsakte ergeben. Soweit, wie der EuGH als Folge seiner weitreichenden Kompetenzen nach dem heutigen EGV befugt ist, über die Wirkweise der gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechtsakte zu befinden, gilt dies auch für Akte auf dem Gebiet der heutigen Dritten Säule, die nach Inkrafttreten des Lissabonner Ver10 Vgl. etwa Chavrier, der im Jahre 2000 die Auffassung vertritt, Titel IV des EGV sei i. w. noch intergouvernementaler Natur [RMC 43 / 442 (2000), 620 (625)]; Gündisch [AnwBl 48 (1998), 170 (174)] und Thun-Hohenstein [28] sprechen 1997 / 1998 von „formeller“ Vergemeinschaftung; Nilsson gebraucht die Wendung „första pelare bis“ [SvJT 84 (1999), 709 (730)], Monar die der „pillar within the First Pillar“ [ELRev 23 (1998), 320 (329, Fn. 24)]; Oppermann nennt die Vergemeinschaftung im Jahre 1999 „halbherzig“ [2. Aufl., Rn. 1572]. 11 Vgl. Ludwig, 61; Oppermann, der im Jahre 2005 sich jeder Kritik halbherziger Vergemeinschaftung der Materien des Titels IV des EGV enthält [§ 24, Rn. 11]; skeptisch allerdings auch im Jahre 2005 noch Labayle, wenn er formuliert, „la « communautarisation » des politiques migratoires s’est passablement réalisée en trompe-l’œil“ [RTD eur. 41 (2005), 437 (441)]. 12 Für den Verfassungsvertrag Editorial Comments, CMLRev 44 (2007), 1 (2); Lavranos, EuR 41 (2006), 79 (92). 13 Vgl. aber die Beschränkung des Art. 276 AEUV. Diese entspricht der Beschränkung des heutigen Art. 35 V EUV und ist dementsprechend zu vernachlässigen; vgl. zu den Beschränkungen des aktuellen Art. 35 V EUV oben Zweiter Teil C. III. 8. b) bb) (4). 14 Bergström / Hettne, ERT 11 (2008), 32 (64 f.); Craig, ELRev 33 (2008), 137 (143); von Danwitz, Rechtsschutz, 23; Moussis, RMC 51 / 516 (2008), 161 (166). Vgl. allgemein zu den Kompetenzen des EuGH nach dem Verfassungsvertrag Arnull, YEL 24 (2005), 1 (14 ff.).

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4. Teil: Ausblick

trages auf der identischen Grundlage wie das bisherige Gemeinschaftsrecht angenommen werden. In Abweichung des im Ersten Teil gefundenen Ergebnisses ist der EuGH zukünftig vollumfänglich zuständig hinsichtlich der Wirkweise der Rechtsakte der dann vergemeinschafteten Dritten Säule.15

B. Zweiter Teil – Unionsrechtskonforme Auslegung kraft Unionsrechts Ein ganz ähnlicher Befund ist bezüglich des Ergebnisses des Zweiten Teils dieser Arbeit zu konstatieren, wonach dem Unionsrecht als Ganzem keine Durchgriffswirkung in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in Gestalt der unionsrechtlich induzierten Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung des nationalen Rechts zukommt. Zwar werden die Unterscheidungen der heute bekannten Drei-Säulen-Struktur durch den Lissabonner Vertrag nicht gänzlich aufgehoben.16 Da dieser aber nicht mehr zwischen Rechtsakten der heutigen Ersten und Dritten Säule unterscheidet und der heutige EU-Rahmenbeschluß zugunsten einer einheitlich verwandten Richtlinie entfällt, verlieren mit dem Rahmenbeschluß zugleich auch die ihm eigenen Besonderheiten ihre Bedeutung.17 Insoweit, als das Gemeinschaftsrecht bereits nach den geltenden Verträgen die generelle Fähigkeit zur Durchgriffswirkung besitzt,18 wird die heutige Dritte Säule zukünftig aufgrund ihrer Einvergemeinschaftung hieran partizipieren. Das bedeutet im Klartext, daß für Materien der heutigen Dritten Säule zukünftig eine mitgliedstaatliche Pflicht zur Konformauslegung des nationalen Rechts kraft Unionsrechts 15 Allerdings bleiben die Kompetenzen des EuGH in bezug auf die nach dem heutigen Art. 34 II EUV angenommenen Rechtsakte für längstens fünf Jahre nach Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages beschränkt auf die Befugnisse nach dem heute gültigen Regime des EUV; Art. 10 I und III des Protokolls über die Übergangsbestimmungen zum Lissabonner Vertrag. V. a. Art. 35 EUV gilt also für einen Übergangszeitraum von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages für bereits bestehende Rechtsakte der Dritten Säule fort. 16 So dominiert in der Justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen auch in Zukunft ganz deutlich das Einstimmigkeits- bzw. de facto-Einstimmigkeitserfordernis („Notbremse“); vgl. Bergström / Hettne, ERT 11 (2008), 32 (55) sowie van Raepenbusch, CDE 43 (2007), 573 (617 f.). Als Gesetzgebungsakt ist fast ausschließlich die Richtlinie vorgesehen. Die – wenn auch minimalen – Beschränkungen der Kompetenz des EuGH sind bereits erwähnt worden. Vgl. allgemein Dawes / Lynskey, CMLRev 45 (2008), 131 (158) („with certain reservations“); van Raepenbusch, CDE 43 (2007), 573 (620) („les dérogations au droit commun sont limitées“); Schönberger, ZaöRV 67 (2007), 1107 (1138 f.) („ohne deshalb alle Eigenheiten des heutigen Unionsrechts ganz zu beseitigen“); für den Verfassungsvertrag Hobe, Jura 28 (2006), 859 (862). 17 Vgl. für die Situation nach dem Verfassungsvertrag Suhr, in: Calliess / Ruffert, Art. 29 EUV, Rn. 16. 18 Freilich bei weitem nicht ausnahmslos alle Rechtsakte.

C. Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG

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– wie schon heute im wesentlichen für das Gemeinschaftsrecht anerkannt – angenommen werden kann. Dies ändert freilich nichts daran, daß die praktische Bedeutung einer solchen mitgliedstaatlichen Pflicht zur Konformauslegung aufgrund des dort typischerweise bestehenden Verhältnisses Staat / Bürger und der in diesem Verhältnis auch schon im heutigen Gemeinschaftsrecht anerkannten (oder noch ausdrücklich anzuerkennenden) Grenzen auch zukünftig nur äußerst gering ausfallen wird;19 vielleicht so gering, daß – zur Vermeidung mißlicher Abgrenzungssituationen – von einer Pflicht zur Konformauslegung in diesem Bereich generell abgesehen werden sollte.

C. Dritter Teil – Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG Im Dritten Teil ist es um die Rechtsprechungskonkurrenz zwischen dem EuGH und dem BVerfG, namentlich – in Fortschreibung der Solange-Rechtsprechung – um die Frage einer etwaigen Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG auch im Verhältnis zum Unionsrecht gegangen. Dort ist der Verfasser zu dem Ergebnis gelangt, daß – letztlich unabhängig von der Rechtsnatur des (heutigen) Unionsrechts – eine Rücknahme der Gerichtsbarkeit des BVerfG zugunsten der Rechtsprechung des EuGH nur unter zwei Bedingungen vorstellbar ist: der Gewährleistung eines dem Grundrechtsschutz des Grundgesetzes adäquaten Schutzniveaus durch den EuGH sowie dem Vorliegen einer Durchgriffswirkung. In bezug auf ersteres Kriterium ist die bereits oben angebrachte Kritik an dem nur sehr beschränkten beziehungsweise nur sehr vermittelten individuellen Grundrechtsschutz im Bereich des Gemeinschaftsrechts zu wiederholen.20 Gerade hinsichtlich der sehr grundrechtssensiblen21 Materien der heutigen Dritten Säule muß ein entsprechend hohes Maß an individuellem Grundrechtsschutz gewährleistet sein. Daß der EuGH Vorlagefragen in bezug auf ein schwebendes Verfahren, das eine inhaftierte Person betrifft, gemäß Art. 267 IV AEUV „innerhalb kürzester Zeit“ entscheiden soll, ist in diesem Zusammenhang gewiß lobend zu vermerken.22 Abgesehen davon, daß im gesamten Strafprozeßrecht und nicht nur, soweit Untersuchungshaft verhängt worden ist, das Gebot der Verfahrensbeschleunigung gilt,23 Vgl. zu den Grenzen der rahmenbeschlußkonformen Auslegung oben Zweiter Teil E. II. Vgl. oben Dritter Teil C. III. 2. b) bb). 21 Giegerich, ZaöRV 67 (2007), 351 (375); Rudolf / Giese, ZRP 40 (2007), 113 (116). 22 Vgl. in diesem Zusammenhang auch das in Art. 104b der Verfahrensordnung des EuGH jüngst neu eingeführte Eilvorlageverfahren für den Bereich des Titels IV des EGV und des Titels VI des EUV [ABl. 2008 L 24, 39]; zu diesem Eilverfahren Dörr, EuGRZ 35 (2008), 349 (352 ff.). 23 BVerfGE 63, 45 (69); Meyer-Goßner, Einl, Rn. 160; vgl. allgemein zum Beschleunigungsgebot Laue, GA 152 (2005), 648. 19 20

252

4. Teil: Ausblick

profitiert der einzelne von dem in Art. 267 IV AEUV niedergelgten Gebot der Verfahrensbeschleunigung jedoch allein dann, wenn eine Vorlagefrage auch tatsächlich an den EuGH herangetragen wird; wo dies unterbleibt, ist der einzelne weitgehend schutzlos. Die Möglichkeiten des einzelnen, eine Vorlage zu erzwingen, sind indes auch fortan sehr dürftig.24 Es darf bezweifelt werden, daß diese Situation ein Schutzniveau vermittelt, welches dem Schutzniveau des Grundgesetzes adäquat wäre – auch wenn das BVerfG die vergleichbare Situation im bisherigen Gemeinschaftsrecht nie als Grund angesehen hat, seine Gerichtsbarkeit wieder aufzunehmen. Was das zweite Kriterium angeht, das Vorliegen einer Durchgriffswirkung, läßt sich konstatieren, daß das nach dem Lissabonner Vertrag vergemeinschaftete Recht der heutigen Dritten Säule die generelle Fähigkeit zur Durchgriffswirkung in Form der unionsrechtlich induzierten mitgliedstaatlichen Pflicht zur Konformauslegung besitzt, wenngleich die praktische Bedeutung sehr gering bleiben dürfte. Es bleibt mithin festzuhalten, daß, solange sich nicht mit einer gewissen Verläßlichkeit ein adäquater individueller Grundrechtsschutz auch auf Ebene des durch den Lissabonner Vertrag vergemeinschafteten Rechts verstetigt hat, das BVerfG kaum geneigt sein wird, seinen Rechtsprechungsauftrag unausgeführt zu lassen.

D. Fortgeltung bestehender Rechtsakte Ungeachtet des vorstehend Gesagten, behalten gemäß Art. 9 des Protokolls über die Übergangsbestimmungen zum Lissabonner Vertrag die nach dem heute geltenden Titel VI des EUV angenommenen Rechtsakte ihre Rechtswirkung, solange sie nicht aufgehoben, für nichtig erklärt oder geändert werden. Hierbei ist davon auszugehen, daß sie in dem rechtlichen Gewande fortbestehen, welches ihnen nach dem heutigen EUV zukommt.25 Insoweit behalten die in der vorliegenden Arbeit vorgestellten Ergebnisse für die nach dem heutigen Art. 34 II EUV angenommenen Rechtsakte im wesentlichen ihre Bedeutung.26 24 Siehe zur jetzigen Rechtslage Dritter Teil, Fn. 163 sowie begleitenden Text. Vgl. allerdings auch Art. 19 I UAbs. 2 EUV n. F., nach dem „[d]ie Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsbehelfe [schaffen], damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.“ 25 Dies ist für den Verfassungsvertrag (dort Art. IV-438 III VVE) entsprechend angenommen worden; vgl. Lysén, Framework decisions, 71 f. 26 Vgl. aber auch die Übergangsvorschrift des Art. 10 I und III des Protokolls über die Übergangsbestimmungen zum Lissabonner Vertrag, wonach sich die Kompetenzen der Kommission und des EuGH in bezug auf die vor Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages angenommenen Rechtsakte der Dritten Säule nach Ablauf einer Übergangszeit von längstens fünf Jahren auch auf die bei Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages bereits bestehenden Rechtsakte der heutigen Dritten Säule erstrecken. Dieser Umstand dürfte indes die Rechtswirkungen dieser Rechtsakte als solche nicht berühren.

E. Resümee

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E. Resümee Mit Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages ändern sich wesentliche Strukturmerkmale des Rechts der Europäischen Union im weiteren Sinne. Eine formelle Trennung zwischen dem Recht der heutigen Ersten und Dritten Säule wird es nicht mehr geben. Damit entfallen aber auch die grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Rechtsmaterien; entsprechend verändert ist die Situation des Rechts der heutigen Dritten Säule nach dem Lissabonner Vertrages zu beurteilen. Doch auch nach Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages werden die bereits bestehenden Rechtsakte der Dritten Säule ihre Rechtsqualität behalten, mit der Folge, daß auf diese weiterhin die im Rahmen dieser Untersuchung angestellten Überlegungen uneingeschränkt Anwendung finden.

Schlußbetrachtungen « L’intégration européenne n’est pas un être mais un devenir ; elle n’est pas une situation mais un processus ; elle n’est pas un résultat mais l’action devant mener à ce résultat. »

Wenn man dieses Bonmot von Léontin-Jean Constantinesco allzu ernst nehmen würde, so verböte sich letztlich wohl jede rechtliche Hinterfragung des aktuellen Stands des Europarechts von vornherein, da eine solche immer nur eine Momentaufnahme des gerade aktuellen status quo des Europarechts sein kann. Wie schwierig es sich gestalten kann, das Europarecht wissenschaftlich einzufangen, hat der Verfasser während der Arbeiten an dieser Untersuchung deutlich zu spüren bekommen; immer wieder ist er durch neue „Entdeckungen“ des EuGH und mancher Literaten kalt erwischt worden. Nichts ist, wie es scheint. Ungeachtet dieser dem Europarecht in der Tat eigenen Dynamik muß es selbstverständlich auch im Europarecht erlaubt sein, die durch den EuGH ganz maßgeblich vorangetriebene Rechtsentwicklung kritisch zu begleiten. Dies war die Aufgabe, welcher sich der Verfasser im Rahmen dieser Arbeit gestellt hat. Zuvörderst ging es hierbei darum, eine Antwort auf die Frage zu finden, welche Rechtsnatur das Unionsrecht – in Abgrenzung zum Gemeinschaftsrecht – besitzt. Insoweit konnte der Verfasser die in der Lehre durchaus weit verbreitete Ansicht bestätigen, wonach dem Unionsrecht eine Zwitterstellung zwischen dem sehr stark integrierten Gemeinschaftsrecht und dem allgemeinen Völkerrecht zukommt. Dieser Befund gründet sich zum einen auf das im Ersten Teil gefundene Ergebnis. Dort ist in Auslegung der einschlägigen Kompetenzzuweisungsnormen des EUV dargetan worden, daß es dem EuGH – ungeachtet teils beachtlicher Rechtsprechungskompetenzen auch im Bereich des Rechts der Dritten Säule – in Ermangelung entsprechender Kompetenzen untersagt ist, sich zur innerstaatlichen Wirkweise von Rahmenbeschlüssen zu äußern. Insoweit besteht praktisch kein Unterschied zum normalen Völkerrecht, dessen Rechtswirkungen im innerstaatlichen Bereich sich nach dem jeweiligen (Verfassungs-)Recht der einzelnen Staaten richten und entsprechend nicht von internationalen Gerichtsbarkeiten beurteilt werden. Insofern bedeutet das Ergebnis des Ersten Teils nicht nur, daß der EuGH im Pupino-Urteil ultra vires gehandelt hat, sondern ist zugleich auch ein deutliches Indiz für den noch stark völkerrechtlich geprägten Charakter des Unionsrechts. Dieser ergibt sich im übrigen, wie im Zweiten Teil dargelegt worden ist, aus einer Fülle von Einzelaspekten, die sämtlich hier zu wiederholen nicht angezeigt ist. Es darf sich hier darauf beschränkt werden, auf die generell fehlende Durchgriffswirkung, das generelle Einstimmigkeitserfordernis, die im Prinzip in allen

Schlußbetrachtungen

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Belangen sehr starke Position der Mitgliedstaaten sowie auf die demgegenüber schwache Stellung von Kommission und EuGH im Unionsrecht hinzuweisen. Das, was das Unionsrecht wirklich zu etwas Besonderem macht und auf diese Weise von sonstigem Völkerrecht abhebt, ist die – vor allem institutionelle – Anbindung an das Gemeinschaftsrecht. Sie ist der Grund, warum im Falle des Unionsrechts nicht mehr von „normalem“ Völkerrecht gesprochen werden kann, ohne indes das Unionsrecht schon auf praktisch eine Stufe mit dem Gemeinschaftsrecht zu erheben. Hierfür ist die Nähe des Unionsrechts und seiner Charakteristika zum allgemeinen Völkerrecht allzu flagrant. Ist die Zwitterstellung des Unionsrechts festgestellt worden, ist es nur noch ein kleiner Schritt, für das Unionsrecht eine einen Durchgriffseffekt implizierende mitgliedstaatliche Pflicht zur rahmenbeschlußkonformen Auslegung zu verneinen. Hierfür ist das bloße Vorliegen eines gemeinsamen institutionellen Rahmens mit den Gemeinschaften nicht hinreichend. Das Unionsrecht hätte auch in materieller Hinsicht die Fähigkeit erkennen lassen müssen, unmittelbar in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen hineinwirken und dort Rechtswirkungen zeitigen zu können. Hieran fehlt es jedoch. Die fehlende Durchgriffswirkung ist letztlich auch das bestimmende Kriterium, dessenthalben sich das BVerfG nicht gegenüber dem Unionsrecht zurücknehmen wird. Zwar steht es nach dem derzeitigen Stand der Dinge auch um den – vor allem individuellen – Rechtsschutz auf Unionsrechtsebene nicht zum Besten. Insoweit sind die Anforderungen, die das BVerfG stellt, jedoch nicht unerfüllbar streng. Vor allem aber ist der EuGH auf einem guten Weg – sei es auch im Wege fortgesetzter Rechtsfortbildung –, diesem Übelstand abzuhelfen, so daß das Erfordernis eines dem grundgesetzlichen Grundrechtsstandard adäquaten Grundrechtsschutzes auch auf Unionsrechtsebene auf kurz oder lang erfüllt sein dürfte. Ohne hinreichende Anhaltspunkte für eine unmittelbare Wirkung im Unionsrecht hingegen, mehr noch in Anbetracht eindeutiger im EUV festgeschriebener Absagen an eine unmittelbare Wirkung wird das Unionsrecht ohne eine von den Mitgliedstaaten initiierte Reform des EUV kaum in unmittelbare Wirkung „erstarken“ können. Eine solche Reform ist freilich mit Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages nunmehr realisiert. Durch den Lissabonner Vertrag wird das Recht der heutigen Dritten Säule – wenn auch mit fortbestehenden Beschränkungen – im wesentlichen vergemeinschaftet. Die europäische Integration geht also weiter – quel que soit son avenir.

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Sachwortregister Amsterdamer Vertrag 72, 115 Anwendungsvorrang siehe Vorrang Art. 47 EUV 155, 160, 163 Auslegung – anwendbares Auslegungsregime im Unionsrecht 37 – Begriff 49 – contra legem 177 – des Art. 34 II lit. b EUV 99 – gemeinschaftsrechtskonforme 83, 107, 221 – rahmenbeschlußkonforme siehe dort – Rechtsfortbildung als 109 – richtlinienkonforme 79, 221 – völkerrechtskonforme 27, 108, 137 Beschluß (Art. 34 II lit. c EUV) 119 BVerfG 205 – Kooperationsverhältnis 205, 214 – Rücknahme der Jurisdiktion 198, 206, 214, 217 – Verhältnis zum EGMR 218 – Verhältnis zum EuGH 193, 251 Dritte Säule 118 – Einstimmigkeitserfordernis 124 – Grundrechtsschutz 223 – Kompetenzen des EuGH siehe EuGH – Materien 121 – Rechtsakte 118 – Rechtsfortbildung 172 – Rechtsnatur 84, 88, 167, 246, 248 – Rechtsprechungskonflikte 200 – Rechtsprechungskonkurrenz 193 – verstärkte Zusammenarbeit 128, 149 – „Zusammenarbeit“ 123 Durchgriffswirkung 79, 84, 90, 168, 169, 171, 218, 220, 238, 239, 252

einheitlicher institutioneller Rahmen 126, 139 EU – Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten 145 – fundamentale Grundwerte (Art. 6 I und II EUV) 144 – Grundlagen 131 – Kompetenzkompetenz 143, 146 – Mittelausstattung (Art. 6 IV EUV) 146 – Organe 126, 141 – Rechtspersönlichkeit 90 – Ziele 133 EuGH 203 – Kompetenzen 32, 137, 147, 249 – Rechtsfortbildungskompetenz 172 – Verhältnis zum BVerfG 193, 251 Europäische Patentorganisation 222 Europäischer Rat 141 Gemeinsamer Standpunkt (Art. 34 II lit. a EUV) 61, 121 Görgülü 218 Grundrechtsschutz 144 – in materieller Hinsicht 232 – in personeller Hinsicht 224 – Kompetenz des EuGH 47, 224 – vergleichbarer 205, 217, 223, 251 Gültigkeit, Begriff 46 Haftbefehl-Urteil 207 Kohärenzgebot 132, 139 Letztentscheidungskompetenz 193, 195 Lissabonner Vertrag 247 Loyalitätspflicht 81, 85, 103, 123 Maastricht-Urteil 205, 206 Menschenrechtsschutz siehe Grundrechtsschutz

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Sachwortregister

Nichtigkeitsklage 74, 154 Offenheit des Grundgesetzes 199, 217 Organleihe 139 Passerelle 117, 128 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 143, 146, 200 Pupino 36, 85, 114, 134, 177, 204 – Hintergründe 24 – Übertragbarkeit auf Rechtsakte der Zweiten Säule 188 – Übertragbarkeit auf sonstige Rechtsakte der Dritten Säule 191 Rahmenbeschluß – als Maßstabsrecht 179 – als Mittel der Rechtsangleichung 103 – Definition 99 – freie Wahl der Form und der Mittel 102 – Geltungsgrund 56, 93 – Verbindlichkeit hinsichtlich des zu erreichenden Ziels 100 – Vergleich zur Richtlinie 99, 101, 103, 120 rahmenbeschlußkonforme Auslegung 84, 87, 98, 106, 109, 169, 175, 204, 239 – Grenzen 177 – Herleitung 27 – im umgekehrt vertikalen Verhältnis 182 – Reichweite 176 – Verpflichtung aller Staatsorgane 91

Sanktionsmechanismus (Art. 7 EUV) 146 Solange 197, 205, 215 Solidaritätsgebot 132 Staatshaftungsanspruch 170 Streitbeilegungsverfahren (Art. 35 VII EUV) 75, 156 Subsidiaritätsgrundsatz 135, 170 Supranationalität 29, 83, 168 Übereinkommen (Art. 34 II lit. d EUV) 114, 121, 242 Übertragung von Hoheitsrechten 218, 237 unmittelbare Wirksamkeit 105, 179 – Abgrenzung zu „bloßen negativen Auswirkungen“ 111 – Abgrenzung zur mittelbaren Wirkung 106 – negative 179 Vertragsänderungsverfahren 165 Vorabentscheidungsverfahren 45, 149, 243 – Entscheidungserheblichkeit 26 – Sinn und Zweck 64 – Vergleich zum gemeinschaftsrechtlichen 60 – Vorlagepflicht 150, 226 Vorrang 195, 203, 204, 213, 221, 240 Wirkweise von Rechtsakten 52, 54